Europäische Integration und Grundgesetz: Maastricht und die Folgen für das deutsche Verfassungsrecht. Mit einem Textauszug des Maastrichter Vertragsentwurfs über die Europäische Union [Reprint 2015 ed.] 9783110894493, 9783110136555

Die Frage, welchen Einfluss die europäische Integration auf die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland

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German Pages 200 Year 1992

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
I. Grundfragen der europäischen Integration
1. Gemeinsame Ausübung staatlicher Hoheitsrechte
2. Konfliktmöglichkeiten mit verbliebener staatlicher Hoheitsmacht
a) Überstaatliche Zwangsläufigkeiten und nationale Verfassungsansprüche
b) Wandlungen der Verfassungsinterpretation im europäischen Einigungsprozeß
c) Wandlungen der Gewaltenteilung in der Europäischen Gemeinschaft
II. Europäische Verfassungsentwicklung bis zum Binnenmarkt 1992 – aus der Sicht des Grundgesetzes
1. Die Entscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit
2. Gemeinsame Wertvorstellungen als Grundlage der europäischen Integration
a) Europarat – EMRK
b) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)
3. Stationen der europäischen Verfassungsentwicklung – von der Verteidigungsgemeinschaft bis zum Binnenmarkt
a) Der Kampf um den Wehrbeitrag
b) Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – politische Einigung durch wirtschaftliche Integration
c) Die deutsche Bundesstaatlichkeit im europäischen Integrationsprozeß
III. Verfassungsperspektiven jenseits des Binnenmarktes
1. Die Gestalt der Europäischen Union
2. Das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten
a) Subsidiarität
b) Die Wirtschafts– und Währungsunion
c) Zukünftige Betätigungsfelder der Europäischen Gemeinschaft
3. Institutionelle Entwicklung der Gemeinschaft
a) Die Befugnisse des Europäischen Parlaments im Rechtssetzungsverfahren
b) Beteiligung der Regionen am Entscheidungsverfahren
4. Die verfahrensmäßige Behandlung der Maastrichter Beschlüsse im Lichte des deutschen Verfassungsrechts
a) Die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für EG–Bürger
b) Die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion
c) Folgewirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion
d) Ausdehnung der Gemeinschaftskompetenzen
e) Die Einheitlichkeit des Zustimmungsverfahrens
5. Die zukünftige Rolle des Verfassungsstaats im europäischen Integrationsprozeß
IV. Zukunftsperspektiven europäischer Integration und deutsches Verfassungsrecht
1. Irreduzible Bereiche deutscher Staatlichkeit
a) Bundesstaatlichkeit
b) Verfassungsgrundsätze der Art. 1 und 20 GG
2. Möglichkeiten verfassungsmäßiger Einschränkung einer europäischen Hoheitsmacht
a) Verfassungsvorbehalte und Kontrolle
b) Neue Formen der Aufgabenbewältigung
c) Widerruf neuer Kompetenzzuweisungen
3. Gestaltungschancen im Prozeß der europäischen Verfassungsentwicklung
4. Schlußbetrachtung: Äußerste Grenzen bei der europäischen Verfassungsreform
Anhang
Stichwortverzeichnis
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Europäische Integration und Grundgesetz: Maastricht und die Folgen für das deutsche Verfassungsrecht. Mit einem Textauszug des Maastrichter Vertragsentwurfs über die Europäische Union [Reprint 2015 ed.]
 9783110894493, 9783110136555

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Werner von Simson / Jürgen Schwarze Europäische Integration und Grundgesetz

Europäische Integration und Grundgesetz Maastricht und die Folgen für das deutsche Verfassungsrecht Mit einem Textauszug des Maastrichter Vertragsentwurfs über die Europäische Union

von Werner von Simson und Jürgen Schwarze

W DE

G Walter de Gruyter Berlin New York 1992

Dr. Werner von Simson, em. o. Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Dr. Jürgen Schwarze, o. Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

Erweiterte Fassung des Beitrags der Autoren im „Handbuch des Verfassungsrechts, herausgegeben von Ernst Benda, Werner Maihofer und Hans-Jochen Vogel, 2. Auflage", die im Frühjahr 1993 erscheinen wird.

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Simson, Werner von: Europäische Integration und Grundgesetz : Maastricht und die Folgen für das deutsche Verfassungsrecht / von Werner von Simson und Jürgen Schwarze. Mit einem Textauszug des Maastrichter Vertragsentwurfs über die Europäische Union. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 ISBN 3-11-013655-4 NE: Schwarze, Jürgen:, Maastrichter Vertragsentwurf über die Europäische Union © 1992 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Gerike GmbH, Berlin Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin

Vorwort Die folgenden Überlegungen zum Verhältnis von europäischer Integration und Grundgesetz sind ursprünglich als Beitrag zur 2. Auflage des von Ernst Benda, Werner Maihofer und Hans-Jochen Vogel herausgegebenen Handbuches des Verfassungsrechts konzipiert worden. Inzwischen liegen die Beschlüsse der Maastrichter Regierungskonferenz zum Fortgang der europäischen Integration vor. Sie werden intensiv beraten und öffentlich diskutiert. Wir hoffen, mit dieser gesonderten Publikation einen Beitrag zu den zentralen Verfassungsfragen zu liefern, die sich nicht nur aus Anlaß der Maastrichter Regierungsbeschlüsse künftig im Verhältnis von deutscher und europäischer Verfassungsentwicklung stellen. Diesem Band ist zum besseren Verständnis ein ausführlicher Textauszug aus dem Vertrag über die Europäische Union beigefügt. Freiburg, im April 1992

Werner von Simson/Jürgen Schwarze

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

I.

Grundfragen der europäischen Integration

1. 2.

Gemeinsame Ausübung staatlicher Hoheitsrechte Konfliktmöglichkeiten mit verbliebener staatlicher Hoheitsmacht a) Uberstaatliche Zwangsläufigkeiten und nationale Verfassungsansprüche b) Wandlungen der Verfassungsinterpretation im europäischen Einigungsprozeß c) Wandlungen der Gewaltenteilung in der Europäischen Gemeinschaft

II. Europäische Verfassungsentwicklung bis zum Binnenmarkt 1992 - aus der Sicht des Grundgesetzes 1. 2.

3.

Die Entscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit Gemeinsame Wertvorstellungen als Grundlage der europäischen Integration a) Europarat - EMRK b) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) Stationen der europäischen Verfassungsentwicklung - von der Verteidigungsgemeinschaft bis zum Binnenmarkt a) Der Kampf um den Wehrbeitrag b) Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft - politische Einigung durch wirtschaftliche Integration c) Die deutsche Bundesstaatlichkeit im europäischen Integrationsprozeß

Vlll

III. Verfassungsperspektiven jenseits des Binnenmarktes

41

1. 2.

42 45 45 46 48 51

Die Gestalt der Europäischen Union Das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten a) Subsidiarität b) Die Wirtschafts- und Währungsunion c) Zukünftige Betätigungsfelder der Europäischen Gemeinschaft Institutionelle Entwicklung der Gemeinschaft a) Die Befugnisse des Europäischen Parlaments im Rechtssetzungsverfahren b) Beteiligung der Regionen am Entscheidungsverfahren Die verfahrensmäßige Behandlung der Maastrichter Beschlüsse im Lichte des deutschen Verfassungsrechts a) Die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für EG-Bürger b) Die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion c) Folgewirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion d) Ausdehnung der Gemeinschaftskompetenzen e) Die Einheitlichkeit des Zustimmungsverfahrens Die zukünftige Rolle des Verfassungsstaats im europäischen Integrationsprozeß

62

IV. Zukunftsperspektiven europäischer Integration und deutsches Verfassungsrecht

65

3.

4.

5.

1. 2.

3. 4.

Irreduzible Bereiche deutscher Staatlichkeit a) Bundesstaatlichkeit b) Verfassungsgrundsätze der Art. 1 und 20 GG Möglichkeiten verfassungsmäßiger Einschränkung einer europäischen Hoheitsmacht a) Verfassungsvorbehalte und Kontrolle b) Neue Formen der Aufgabenbewältigung c) Widerruf neuer Kompetenzzuweisungen Gestaltungschancen im Prozeß der europäischen Verfassungsentwicklung Schlußbetrachtung: Äußerste Grenzen bei der europäischen Verfassungsreform

Anhang Stichwortverzeichnis

51 54 54 55 56 57 58 59

65 65 66 69 69 71 72 73 77 79 191

Vorbemerkung"* Die Frage, welchen Einfluß die europäische Integration auf die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ausübt, war bis vor wenigen Jahren eine Nebenfrage. Sie betraf im wesentlichen das Problem der Sicherung der Grundrechte. Hier war, nach einigem Hin und Her, ein zufriedenstellender Zustand erreicht worden. 1 Auch sonst traten kaum Zweifel an der Bewahrung der verfassungsmäßigen Integrität der Bundesrepublik hervor: die europäischen Gemeinschaftsbestrebungen schienen vereinbar mit dem, was das Grundgesetz über Wesen und Gestalt des deutschen Staates bestimmte. Wie es nicht zuletzt die Beschlüsse der Regierungskonferenz von Maastricht widerspiegeln, hat sich dieser Zustand jetzt erheblich geändert. Die Europäische Gemeinschaft zieht mehr und mehr von den staatlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten an sich. Was ihr damit zufällt, kommt dem Einzelstaat - zumindest unter dem Gesichtspunkt beanspruchter Kompetenz - abhanden. Eine fortschreitende Entwicklung zeichnet sich ab, als deren Resultat wir uns fragen müssen, wieviel von dem Staat, den das Grundgesetz definiert und trägt, sich wird bewahren lassen. Damit wird das Verhältnis von verfassungsmäßiger Ordnung und europäischer Integration zur Zentralfrage der auf uns zukommenden neuen Verfassungszustände. Vom Verfassungsauftrag des Grundgesetzes her ist zu bedenken, ob das, was der Staat nicht mehr in eigener Regie bewältigen kann, in der Gemeinschaft zu sichern und zu vollziehen ist. Dieses Bedenken kann aber nicht dadurch aufgefangen werden, daß der Staat eben nur soviel an Hoheitsrechten zur gemeinsamen Wahrnehmung in die Gemeinschaft einbringt, als diese ausüben kann, ohne die Aufgaben zu verfehlen, welchen der Staat bisher gerecht werden konnte. Denn der Staat kann manches, was zu seiner klassischen Definition gehörte, jetzt nicht mehr in unbedingter Selbständigkeit zuwege bringen. Vieles von den Rechten und Aufgaben, die er überträgt, kann nur

* Die Verfasser danken Herrn Assessor Dr. Armin Hatje für seine wertvolle Mitarbeit. ' BVerfGE 73, S. 339 ff („Solange II"); siehe aus der Rechtsprechung des BVerfG zuletzt die Entscheidung vom 28. Januar 1992 zum Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen

zu den Vorlagebeschlüssen gemäß Art. 100 G G - Urteil vom 28. Januar 1992 zu §§19, 25 I Nr. 5 A Z O - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - auszugsweise abgedruckt in N J W 1992, S. 964 ff; näheres weiter unten Kap. II.

2 noch von gruppenmäßig zusammengefaßten Gemeinschaften wahrgenommen werden. Denn die Ordnungsprobleme gehen hinaus über die dem einzelstaatlichen Befehl zugängliche Dimension; der Staat ist nur noch lebensfähig, wenn er sich überstaatlichen Bedingtheiten unterwirft. 2 Er hängt, was die Erfüllung wesentlicher, ihm bisher aufgetragener Ziele betrifft, davon ab, wieweit sich die Gemeinschaft den in überstaatliche Ausdehnung gewandelten Aufgaben gewachsen zeigt. Insoweit kann er heutzutage nicht mehr als ein unabhängiges, selbst verfaßtes Ganzes fortleben, sondern nur als Teil einer überwölbenden, einer gemeinsamen Verfassung gehorchenden Gesamtheit.

2

W. v. Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, Berlin 1965, S. 186 ff; ders., Was heißt in einer eu-

ropäischen Verfassung „Das Volk"?, EuR 1991, S. 1, 15 ff.

I. Grundfragen der europäischen Integration 1. Gemeinsame Ausübung staatlicher Hoheitsrechte Seit dem letzten Kriege sind bedeutungsvolle Schritte getan worden in Richtung auf eine Integration der zentraleuropäischen Staaten. Die angestrebte Form dieser Integration bleibt immer noch im Unklaren. Die einen denken an eine bundesstaatliche Union, auf die man sich hinbewegen müsse, die anderen an ein Europa der Vaterländer, welche, jedes für sich, weiterhin die hauptsächlichen staatlichen Verantwortlichkeiten auf sich nähmen. 3 Die bisher zustande gekommenen rechtlichen Gebilde folgen einstweilen eher dem letzteren Konzept. Dennoch greifen diese Vertragswerke deutlich ein in die Selbstgenügsamkeit der verfassungsmäßigen Ordnung der beteiligten Staaten. Denn diese haben bestimmte Bezirke ihres politischen Handelns zu gemeinsamem, einheitlich programmiertem Handeln, und bestimmte Bereiche ihrer verfassungsmäßigen Selbstbeschränkung zu gemeinsamer Beschränkung zusammengefügt. Es zeigt sich dabei, daß die Verfassungszustände des einzelnen Staates nicht nur dessen eigene Wertbegriffe widerspiegeln, sondern zugleich ein gemeinsames europäisches Selbstverständnis. 4 Dessen Bewahrung wird, in Form verschiedenartiger Verträge, zum gegenseitigen Anspruch.

3

Vgl. die Darstellung der unterschiedlichen Gemeinschaftskonzeptionen in: B. Beutler/R. Bieber/J. Pipkorn/J. Streil, Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik, Baden-Baden 1987, S. 63 ff; A. Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl., Köln u.a. 1990, Rz 496ff, insb. Rz 497; W. v. Simson, Wachstumsprobleme einer europäischen Verfassung, in: Festschrift für Hans Kutscher, Baden-Baden 1981, S. 481 f; ders., Voraussetzungen einer europäischen Verfassung, in: J. Schwarze/R. Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, Baden-Baden 1984, S. 91 ff; zu den Integrationstheorien vgl. außerdem R. Hrbek, Die EG ein Konkordanz-System? Anmer-

4

kungen zu einem Deutungsversuch der politikwissenschaftlichen Europaforschung, in: R. Bieber/A. Bleckmann/F. Capotorti u.a. (Hrsg.), Das Europa der zweiten Generation, Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Baden-Baden 1981, Bd. I, S. 87. P. Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsdenken, EuGRZ 1991, S. 261, 262 ff; zu den Auswirkungen dieses Prozesses vor allem auf die Staatslehre vgl. A. Hollerbach, Globale Perspektiven der Rechts- und Staatsentwicklung, in: Freiburger Universitätsblätter Heft 111, März 1991, S. 33 ff; siehe ferner H.-J. Glaesner, Einflüsse der Mitgliedsstaaten auf die Entwicklung, ins-

4 D e r Staat, der an dieser Gemeinsamkeit teilnimmt, gewinnt neue, ihm bisher nicht zustehende Rechte. Auch der einzelne Bürger ist daran beteiligt. Zugleich unterwirft sich der Staat neuen, mit diesen Rechten unlösbar verbundenen Pflichten. Der Erwerb dieser Rechte und die Bindung an diese Pflichten beruht auf völkerrechtlichen Verträgen sowie auf daraus hervorgegangenen Eigengesetzlichkeiten des werdenden Geschehens, auf das diese Verträge angelegt sind. Das Ganze erscheint beherrscht von einer Sachlage, die in den Beziehungen der Staaten zueinander und zu den sie überwölbenden Organisationsformen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sie besteht darin, daß es in wesentlichen Dingen nicht mehr, wie früher stets, auf die Bildung eines übereinstimmenden und möglichst bestandsicheren Willens ankommt, sondern auf die keinen vernünftigen Zweifel zulassende Einsicht in bestimmte unausweichliche Tatsachen und Geschehensabläufe. Das Zustandekommen und Fortbestehen bestimmter, heute unentbehrlicher Einheitsformen ist in doppelter Hinsicht erst auf diese Weise wahrscheinlich oder überhaupt möglich geworden. Es bedarf dabei keiner politischen, gleichzeitig erreichten Entscheidung, sondern nur des Erkennens tatsächlich gegebener Umstände. Und es entsteht die für ein gegenseitiges Einvernehmen wichtige Gewißheit, daß keine Sinnesänderung der Beteiligten die Einheit, auf die man sich verläßt, wieder in Gefahr bringt. Denn es kommt nicht an auf wandelbare Ansichten, sondern nur auf Einsichten in ein Tatsachenbild, das geschichtliche Permanenz aufweist. Dies ist es, was in der praktischen Politik unserer Tage den Gegensatz einander widersprechender Herrschaftssysteme soweit seiner politischen Relevanz beraubt hat, daß früher ungeahnte überwölbende Gemeinsamkeiten, deren Herstellung allseits als unmittelbar lebensnotwendig in Erscheinung trat, zustande kommen konnten. 5 Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft kann von dieser Einsicht in zwingende Notwendigkeiten als von einem Zustand ausgegangen werden, von dem es kein Zurück gibt. Zu dem Zwang, der von der unausweichlichen Aufgabenstellung der die Gemeinschaft bildenden Staaten ausgeht, tritt ein Weiteres hinzu. Die Gemeinschaft, ob sie will oder nicht, wird von außen her als eine Einheit gesehen, mit

besondere auf den Entwicklungsprozeß der Gemeinschaft, in: J. Schwarze/R. Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, BadenBaden 1984, S. 167 ff; H. v. der Groeben, Entwicklungsalternativen der Europäischen Gemeinschaft: Großer Sprung oder Rückentwicklung?, in: J. Schwarze/R. Bieber (Hrsg.) ebenda, S. 191 ff; M. Hilf, Wege und Veranwortlichkeiten Europäischer Verfassungsgebung, in: J . Schwarze/R. Bieber (Hrsg.), ebenda, S. 253 ff; J. A. Frowein, Die rechtliche Bedeutung des Verfassungsprinzips der parlamentarischen De-

5

mokratie für den europäischen Integrationsprozeß, EuR 1983, S. 301, 316; zu den „Verfassungszuständen der EG-Mitgliedstaaten" vgl. G. Nicolaysen, Europarecht I, BadenBaden 1991, S. 31 f; vgl. im deutschen Recht zu Auftrag und Ziel des Art. 24 G G etwa K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., München 1984, S. 516 ff. Dazu näher W. v. Simson, Der politische Wille als Gegenstand der Europäischen Gemeinschaftsverträge, in: Festschrift für O. Riese, Karlsruhe 1964, S. 83, 87 ff.

5 der man rechnet und die man zur Mitwirkung in der Weltpolitik aufruft. Das wurde sichtbar in der sogenannten Golfkrise. Als Mit- oder Gegenspieler der großen Mächte wurden nicht die einzelnen Staaten betrachtet, sondern die Gemeinschaft, von der man einhellige Entschlüsse und Stellungnahmen erwartete. 6 Es wurde zur Prestigefrage der Gemeinschaft, sich dem nicht zu verweigern. Sie konnte sich nicht für unzuständig erklären, ohne verschiedenen Reaktionen einzelner Mitgliedstaaten Raum zu geben und damit den Prozeß der Vereinheitlichung zu stören. Auf diese Weise wächst der Gemeinschaft eine Kompetenz zu, nicht aus einer Ermächtigung durch die Mitgliedstaaten, sondern aus einer politischen Sachlage, welche sie zwingt, diese Kompetenz in Anspruch zu nehmen. Wo der einzelne Staat in bestimmten Fragen nicht länger als der maßgebliche Gesprächspartner und als die zur sachlichen Entscheidung fähige Instanz angesehen wird, da entstünde ein Handlungsdefizit, wenn nicht die Gemeinschaft diese Rolle an sich zöge. So zeigt sich etwa, daß die Asylpolitik zur Gemeinsamkeit zwingt. Es kann nicht jeder Mitgliedstaat das Tor zu einem Territorium öffnen, innerhalb dessen Freizügigkeit der Aufenthaltsberechtigten gewährt ist. Dem Problem der Völkerwanderung, welche auf Europa zukommt, kann nur die Gemeinschaft als Ganze gewachsen sein. Die Maastrichter Beschlüsse haben hier noch keine eigentliche Gemeinschaftszuständigkeit begründet, sondern nur eine gewisse intergouvernementale Verständigung herbeigeführt. Angesichts der europaweiten Dimension des Problems vermag hier nur eine gemeinschaftsrechtliche Lösung wirkliche Abhilfe zu schaffen. Es wird sich dabei fragen, ob die anderen Mitgliedstaaten sich der Regelung des Art. 16 Abs. 2 G G anschließen werden, oder ob in dieser Hinsicht die Bundesrepublik eine Einschränkung ihrer Verfassungsgarantie hinnehmen muß 7 . Von dieser Sachlage ausgehend, ist nun das wichtigste Problem, wie der heranwachsende Gesamtorganismus lebenstüchtig werden und bleiben kann. Er bedarf dazu gewisser verfassungsbildender und verfassungstragender Elemente, die sich nicht, wie vielfach angenommen wird, von selbst verstehen, sondern die

6

Vgl. Bericht der Bundesregierung über die Tagung der W E U und die Sitzung der EPZ zur Lage am Golf, abgegeben vom Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher, vor dem Deutschen Bundestag am 23. August 1990, in: Europa-Archiv 1991, D 49 ff; zur Stellung der Gemeinschaft in den internationalen Beziehungen und im Völkerrecht siehe u. a. J. A. Frowein, The competences of the E C in the field of external relations, in: J. Schwarze (Hrsg.), The External relations of the European Community, in particular EC-US Relations, BadenBaden 1989, S. 29; sowie J. Schwarze, La

7

position juridique de la Communauté Européenne dans les relations internationales, Diritto Comunitario e degli Scambi Internazionali, 1991, S. 5ff. Vgl. Regierungserklärung von Bundeskanzler H. Kohl am 13.12.1991 zu den Beschlüssen von Maastricht, zitiert in: Das Parlament, Ausgabe Nr. 52 - 53 vom 20./27.12.1991, S. 3; vgl. P. Gilsdorf, Die Kompetenz der Gemeinschaft zur Angleichung asylrechtlicher Bestimmungen, EuR 1990, S. 65 ff; M. Wollenschläger/U. Becker, Harmonisierung des Asylrechts in der EG und An. 16 II S. 2 GG, EuGRZ 1990, S. 1 ff.

6 nur zu finden sind in einem sorgfältig bedachten und sachkundig ausgewogenen Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen, den Mitgliedstaaten. Diese müssen ihre Staatlichkeit solange und in demjenigen Ausmaß bewahren, wie die Gemeinschaft die haltgebenden Kräfte, die in den Mitgliedstaaten wirksam und die für das Ganze unentbehrlich sind, nicht selbst, und nicht dieses Ganze tragend, hervorbringen kann. Die Staaten brauchen die Gemeinschaft, sonst wäre es nie zu ihr gekommen. Aber die Gemeinschaft braucht, auf jetzt absehbare Zeit noch, nicht weniger die Staaten, sonst kann auch sie nicht leben und dauern. Ist dies als Handlungsrahmen der Gemeinschaft erkannt, so folgt daraus, daß deren Entwicklung nicht darin bestehen kann, die Mitgliedstaaten mehr und mehr aufzusaugen, so daß am Ende nur ein Gesamtstaat das Feld beherrscht. Wir müssen uns klarmachen, daß ein solches Gebilde von sich aus nicht die zusammenhaltende Kraft aufbringen könnte, die es in den Stand setzte, den immer neu hervortretenden Eigenbestrebungen regionaler, eng verbundener, einen eigenen Lebenssinn verfolgender Gruppierungen zu widerstehen. 8 Wo immer Freiheit herrscht, regen sich solche Sehnsüchte. Wir sehen es an den neu erwachenden Nationalitätsansprüchen in den Ländern, welche diese Kräfte nur in diktatorischer Unterdrückung hatten meistern können. Es zeigt sich, daß soviel wie möglich von den enger zusammenhängenden, deutlicher bestimmten Eigenheiten innerhalb der Gemeinschaft bewahrt bleiben muß, wenn diese den nötigen Zusammenhalt gewinnen soll. Von gleicher Bedeutung ist es, daß nur auf diese Weise das Ganze im Sinne unseres bisherigen Verständnisses verfaßt, d. h. verfassungsrechtlichen Ansprüchen unterworfen werden kann. Gelänge dies nicht, so müßten wir das Entstehen des Gesamtstaates erkaufen mit dem Verlust der in Jahrhunderten errungenen freiheitlichen Beziehung der öffentlichen Gewalt zu dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen, ja zu dem, was das BVerfG im Begriff der Menschenwürde aufgehoben sieht. 9 Auf der anderen Seite haben wir erkannt, daß das im Einzelstaat herangewachsene Verfassungsverständnis sich in den nunmehr gebotenen ausgreifenden Größenverhältnissen nicht in seiner gewohnten F o r m bewahren läßt, eben deshalb nicht, weil es die unterscheidenden Eigenheiten voraussetzt, die in der Gemeinschaft aufgehen sollen. In dem hier erörterten Problemfeld erscheint es daher als eine der Gemeinschaft und den Einzelstaaten gemeinsame Aufgabe, eine tragbare Formel für das gegenseitige Verhältnis zu gewinnen. Es handelt 8

9

W. v. Simson, Kritik der politischen Vernunft, Baden-Baden 1983, S. 40 ff; ders., Die Verteidigung des Friedens, München 1975, S. 27, 30 ff; ders., Was heißt in einer europäischen Verfassung „ D a s Volk"?, EuR 1991, S. 1, 12 f. Aus dem Schrifttum zum Begriff der Menschenwürde siehe K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik

Deutschland, 18. Aufl., Heidelberg 1991, Rz 116; vgl. B V e r f G E 6, 32/36; 10, 59/81; 12, 45/53; 21, 1/6; 30, l / 2 5 f f / 3 9 f ; 45, 187/227; P. Haberle, D i e Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: Handbuch des Staatsrechts, Band I, Heidelberg 1987, § 2 0 R z 5 ff, 58 ff; W. Graf Vitzthum, Die Menschenwürde als Verfassungsbegriff, J Z 1985, S. 201 ff.

7 sich dabei nicht um die Überbrückung einer gegensätzlichen Interessenlage. Was die Gemeinschaft verlangt, ist zugleich das Interesse des Mitgliedstaates, der sie braucht. Was der Staat für die Erhaltung seiner wesentlichen Gestalt benötigt, ist zugleich das Interesse der Gemeinschaft, die ohne die Kraft nicht auskommt, welche ihr der in sich jeweils verschiedene innere Gehalt des Mitgliedstaates einbringt. Es stellt sich daher die beide Einheiten gemeinsam betreffende Frage: Was muß die Gemeinschaft an staatlichen Eigenheiten in ununterschiedener Einheit in sich aufnehmen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden; was kann sie darüber hinaus vereinheitlichen, ohne die Substanz ihrer Mitgliedstaaten anzugreifen; was endlich muß sie bei den Staaten in unterschiedener Vielfältigkeit bestehen lassen, wenn sie sich tief genug gründen will, um in den Anfechtungen der Zukunft und in der streitmeidenden Duldsamkeit bestehen zu können, auf die ein derartiges Gebilde angewiesen ist?

2. Konfliktmöglichkeiten mit verbliebener staatlicher Hoheitsmacht Welchen Einfluß diese Aufteilung der rechtsbestimmenden Zuständigkeit auf die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik hat, ist vielfach erörtert worden. 10 Im Vordergrund stand dabei zunächst die Frage der Grundrechtsgarantien, auf die später noch einzugehen ist.11 Als allgemeines Phänomen wurde sodann bald erkennbar, daß das Verhältnis der europäischen, von außen her in die Bundesrepublik einwirkenden öffentlichen Gewalt zu den Anforderungen des Grundgesetzes sich mit fortschreitender Integration wandelt. Es ändert sich infolge der wachsenden Ausdehnung der gemeinschaftsrechtlichen, in der Bundesrepublik maßgebenden Befugnisse, von denen es sich fragt, wieweit ihnen durch das Grundgesetz Grenzen, wenn nicht auferlegt, so doch nahegelegt werden, und wieweit sie Änderungen des deutschen Verfassungsverständnisses voraussetzen. 12

11

BVerfGE 37, S. 271 ff („Solange I"); dazu und zur späteren Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG vgl. nur K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, aaO (Fn. 9) R z 105 ff; Th. Oppermann, Europarecht, München 1991, S. 194 ff, S. 709 ff; vgl. ferner K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I, S. 540 ff. Zur Bedeutung der Grundrechte vgl. z.B. G. Nicolaysen, Europarecht I, 1991, S. 53 f; de lege ferenda M. Hilf, Ein Grundrechtskatalog für die Europäische Gemeinschaft, E u R 1991, S. 19 ff, wo Hilf bejaht, daß

12

„ein Grundrechtskatalog der Europäischen Union die Mitgliedsstaaten insoweit binden würde, als sie das Recht der Union vollziehen". Die Fragen der gegenseitigen Zuordnung von deutschem Verfassungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht sind insbesondere von der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer schon früh aufgegriffen und in kontinuierlichen Abständen immer wieder behandelt worden. Siehe zuerst G. Erler/W. Thieme, Das Grundge-

8

Wer sich mit dieser Frage beschäftigt, muß folgende Gesichtspunkte in Betracht ziehen: Einmal, welches überhaupt der Bewegungsspielraum ist innerhalb des Verhältnisses nationaler Verfassungsansprüche zu den überstaatlichen Zwangsläufigkeiten unserer Gegenwart (a); zweitens, wie es um den jetzigen Zustand dieses Verhältnisses bestellt ist (b); drittens, welche veränderte Interpretation bestimmter Normen des GG in dieser Situation geboten ist (c); viertens, auf welche Geltungskraft bestimmter Grundsätze jedes der beiden konkurrierenden Systeme, also die Bundesrepublik und die Gemeinschaft, für sich zwingend angewiesen ist, so daß deren Anerkennung ans der jeweils unverzichtbare Mindestanspruch angesehen werden muß. 13

a) Überstaatliche Zwangsläufigkeiten und nationale Verfassungsansprüche Das Verhältnis der nationalen Verfassungsansprüche zu den Handlungsbefugnissen der Gemeinschaft ist nicht frei beweglich. Denn die Gemeinschaft ist keine feststehende Institution, sondern ein „eingerichteter Prozeß" in dem Sinne, in welchem Kant die Verfassung eines Gemeinwesens definiert. Sie ist angelegt auf eine fortschreitende Entwicklung 14 zu einem zunächst undeutlich beschriebenen Ziel, welches mit jedem Schritt an Deutlichkeit gewinnt. Dieser Zielsetzung haben sich die Mitgliedstaaten unterworfen. Sie ist zu einem gegenseitigen Rechtsanspruch geworden. Die Folge ist, daß jeder einzelne Schritt, vor allem auch jeder Zuwachs an Gemeinschaftskompetenz, weitere Schritte mehr oder weniger zwangsläufig macht. Der einzelne Mitgliedstaat kann sich ihnen nicht verweigern, ohne den ganzen Prozeß in Frage zu stellen. Trifft ein solcher Schritt auf verfassungsrechtliche Bedenken und hält ihn die Gemeinschaft dennoch für unentbehrlich, so kann der betreffende Staat, sofern der Gemeinschaftsbeschluß nicht Einstimmigkeit verlangt, nur wählen, ob er seine Bedenken zurückstellt

setz und die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften, W D S t R L (18), Berlin 1960; später P. Badura/J. H. Kaiser, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstruktur in den internationalen Gemeinschaften, W D S t R L (23), Berlin 1966; Ch. Tomuschat/R. Schmidt, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, W D S t R L (36), Berlin 1978;

zuletzt H. Steinberger/E.

13

Klein/D.

Thürer,

Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, W D S t R L (50), Berlin 1991. Vgl. zur näheren Bestimmung dieser äußersten Grenzmarkierungen für den Prozeß der

14

europäischen Verfassungsentwicklung unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland Kap. IV . Vgl. auch H. P. Ipsen, Europäische Verfassung - Nationale Verfassung, EuR 1987, S. 195, 201, wo dieser von einer „Wandelverfassung" und einer „auf Wandel angelegten Gemeinschaftsordnung" spricht. Zur Beschreibung der Gemeinschaft als einer sich „entwickelnden Verfassung" siehe ferner J. Schwarze, Verfassungsentwicklung in der Europäischen Gemeinschaft - Begriff und Grundlagen - in: J. Schwarze/R. Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, aaO (Fn. 4), S. 15 ff m.w.N.

9 oder ob er die Gemeinschaft verlassen will. 15 Und mit jedem Fortschritt, den die Gemeinschaft erreicht, wird es schwerer, ja schließlich ganz unmöglich, sich von der Mitgliedschaft zurückzuziehen. Sie wird mehr und mehr zur Lebensgrundlage der Mitgliedstaaten, und diese müssen ihr eigenes Verfassungsverständnis dieser Situation anpassen. Es zeigt sich immer deutlicher, daß der Mitgliedstaat der Gemeinschaft nicht bleiben kann, wer er ist. Der gegenwärtige Zustand der verschiedenen Verfassungslagen läßt sich vielleicht am besten verstehen in einer Betrachtung einzelner Probleme, wie sie unten vorgenommen ist. Daraus wird ersichtlich, daß der Gemeinschaft in fortschreitender Entwicklung neue Verfassungselemente zuwachsen, welche damit der einzelstaatlichen Ausprägung verloren gehen. Die Gemeinschaft braucht sie, obgleich sie kein Staat ist. 16 Der Mitgliedstaat kann nicht mehr selbst über diese Bestandteile des in ihm verfaßten Lebens verfügen. Er steht vor der Frage, wieweit er ohne sie auskommen und seine Eigenart bewahren kann. Ein wahres Verständnis dessen, worum es sich bei einem Staatswesen letztlich handelt, belehrt uns darüber, daß ein Grundelement der Staatlichkeit, wie es sogleich beschrieben werden soll, prinzipiell nur in regionaler Vereinzelung entstehen und bewahrt werden kann. Es entzieht sich daher der Ausdehnung auf Bereiche, in denen seine Voraussetzungen sich nicht vorfinden. Die Rede ist von den unausgesprochenen, allgemein akzeptierten Selbstverständlichkeiten, die auf keiner bewußten Entscheidung beruhen, sondern darauf, was Hegel „das unmittelbare Bewußtsein" nennt, „das Grundgefühl der Ordnung, das alle haben". Der Zusammenhalt des Staates umfaßt nicht nur das gemeinsam Ausgedachte, bewußt Entschiedene, wie wir es in einer Verfassung vorfinden, sondern einen Bestand an unerklärten, treuherzigen Gewißheiten, hervorgegangen aus der gemeinsamen Geschichte, der Sprache und der inneren Erfahrung. 17 Der Kreis, dem man sich zugehörig fühlt, verfügt über Erinnerungen an vollbrachte Heldentaten, an erlittenes Unrecht, an große Gestalten, deren Ruhm man für sich in Anspruch nimmt, ja neuerdings auch an Verbrechen, die man hat geschehen lassen und deren man sich schämt. Man kann dies durchaus als einen Staatsmythos ansehen.18 In diesem Klima, das ist hier das Wesentliche, können, um 15

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Näher W. v. Simson, Der politische Wille als Gegenstand der Europäischen Gemeinschaftsverträge, in: Festschrift für Otto Riese, Karlsruhe 1964, S. 83, 96 ff. Hierüber besteht Ubereinstimung; siehe statt vieler G. Nicolaysen, Europarecht I, Baden-Baden 1991, S. 101; weiterhin K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, aaO (Fn. 9), Rz 113; R. Bernhardt, in: Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, Luxemburg 1983, S. 77 Rz 2. Heinrich Heine formuliert diese Erfahrung an einem Beispiel meisterhaft wie folgt: „Ita-

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lien sitzt elegisch träumend auf seinen Ruinen, und wenn es dann manchmal bei der Melodie irgendeines Liedes plötzlich erwacht und stürmisch emporspringt, so gilt diese Begeisterung nicht dem Liede selbst, sondern vielmehr den alten Erinnerungen und Gefühlen, die das Lied ebenfalls geweckt hat, die Italien immer im Herzen trug, und die jetzt gewaltig hervorbrausen"; zitiert nach: Fritz ]. Raddatz, Bilder einer Reise/Heinrich Heine in Italien, München 1989, S. 72. Der Mythos muß aber nicht ausdrücklich

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des Zusammenlebens willen, zahllose, sonst strittige Fragen in unentschiedener Schwebe gehalten bleiben und damit dem Staat das verschaffen, was sich als seine gefühlsmäßige Substanz bezeichnen läßt. Gefühlsmäßig heißt dabei nicht vernunftwidrig. Es heißt nur, daß es in diesem gegebenen Zusammenhang ein Persönlichkeitsbewußtsein, eine Fraglosigkeit gibt, welche, was das staatliche Einheitsgefühl angeht, auf jede weitere Diskussion verzichtet. Ohne solche Elemente gibt es keinen Staat, gibt es auch nichts, was als Union im eigentlichen Sinn auftreten könnte. 19 Das stellt uns, was das Verhältnis der jetzt unaufhaltsam benötigten europäischen Institutionen zu deren Mitgliedstaaten angeht, vor die Frage, wieviel an unterschiedlicher Einzelstaatlichkeit die Gesamtorganisation bestehen lassen muß, um in ihr das zu finden, was sie nicht entbehren, selbst aber nicht verfügbar machen kann. Die Europäische Gemeinschaft in allen bisher in Betracht gezogenen Formen erscheint als ein durchaus rationales Gebilde, außerstande einstweilen, an ein gefühlsmäßiges, streitausscheidendes Einverständnis zu appellieren, wie es in den Einzelstaaten herangewachsen ist und dem Ganzen einen zeitübergreifenden Halt gibt. Uberhaupt besteht, wenn dies auch gelegentlich verkannt wird, ein deutlicher Zusammenhang zwischen einer möglichen Ausdehnung der Gemeinschaft auf weitere Mitgliedstaaten und dem Grad, in dem die Vereinheitlichung mit dem Ziel eines gemeinsamen Staatsbewußtseins erreicht werden könnte. Die bisher erfaßten Staaten haben sowohl in ihrer Geschichte als auch in ihrer geistigen Besonderheit soviel gemeinsam, daß kein einzelner Staat sein Wesen grundlegend ändern müßte, um die ins Auge gefaßte Einheitlichkeit zu ermöglichen. Bei den meisten sonst in Betracht gezogenen Staaten läßt sich das nicht sagen. Sie mögen vor Aufgaben stehen, die nur in der Gemeinsamkeit mit der bisherigen Europäischen Gemeinschaft zu lösen sind. Sie mögen sich in vielem mit dieser Gemeinschaft verbunden fühlen. Die erforderliche Wesensgleichheit, auf welche nicht erst eine gemeinsame Staatlichkeit, sondern bereits die heutige Europäische Gemeinschaft angewiesen ist, läßt sich aber durch Verträge nicht ohne weiteres herstellen. Sie muß geschichtlich heranwachsen, 20 und das geht nicht voi) einem Tag auf den anderen, wenngleich Verträge hierfür wichtige Anstöße und Grundlagen bieten können. Die weitere Ausdehnung der Gemeinschaft, sieht man von zwei oder drei nah verwandten Staaten ab, verlangt daher eine Wahl. Je größer und vielfältig unterschiedener die Gemeinschaft würde, um so

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ein Staatsmythos sein; vgl. W. v. Simson, Was heißt in einer europäischen Verfassung „Das Volk?", EuR 1991, S. 1 , 3 ff.

W. V. Simson, aaO (Fn. 2), EuR 1991, S. 1,

6 f. Vgl. in diesem Sinne W. v. Humboldt zum Wesen der Verfassung: „Jede Verfassung, auch als ein bloß theoretisches Gewebe betrachtet, muß einen materiellen Keim ihrer Lebenskraft in der Zeit, den Umständen,

dem Nationalcharakter vorfinden, der nur der Entwicklung bedarf. Sie rein nach den Prinzipien der Vernunft und Erfahrung gründen zu wollen, ist in hohem Maße mißlich" (Denkschrift über die deutsche Verfassung, Dezember 1813, abgedruckt in: W. v. Humboldt, Eine Auswahl aus seinen politischen Schriften, S. Kähler (Hrsg.), Berlin 1922, S. 91).

11 lockerer und undeutlicher könnte ihre innere Übereinstimmung nur sein. Was die künftigen Optionen für die Fortentwicklung der Gemeinschaft anbelangt, so besteht hier also durchaus ein Gegensatz zwischen Vertiefung und Erweiterung. 21 Das Ziel einer endgültigen Politischen Union muß um so ferner rücken, je weiter der Kreis gezogen wird, auf den eine solche U n i o n sich erstrecken soll. Die Bewahrung der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Verfassungstraditionen und ihre eventuelle Einfügung in eine Gesamtstaatlichkeit setzt eine schon bestehende Gleichartigkeit voraus, von der bezweifelt werden muß, ob sie eine in dieser Hinsicht wahllose Erweiterung des betroffenen Gebietes verträgt. 22 Dieser Ansicht wird manchmal entgegengehalten, daß ja in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Ahnliches gelungen sei. 23 Dabei sind aber zwei wesentliche Unterschiede nicht zu verkennen. Einmal verfügten die betroffenen Einzelstaaten dort nicht über derart fest verwurzelte Eigentümlichkeiten, wie sie in einem weiteren Kreise europäischer Staaten vorhanden sind und dort das Gefühl gemeinsamer politischer Ordnung begründen. Und zweitens hat die heute bestehende Vereinigung in Nordamerika eine lange, von blutigen Kämpfen begleitete Zeit gedauert, eine Zeit, der das heute unentbehrlich gewordene Europa nicht gewachsen sein würde und nicht gewachsen sein will. Von der Vereinigung dieses Europas gilt wohl eher das französische Sprichwort: „Qui trop embrasse mal etreint", wer zuviel umfassen will, hält es nicht fest. 24

b) Wandlungen der Verfassungsinterpretation im europäischen Einigungsprozeß A n den verschiedensten Beispielen läßt sich erkennen, daß die Übertragung bestimmter, bisher den Einzelstaaten in souveräner Ausübung zustehender Rechte

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Anders Bundespräsident R. v. Weizsäcker in seiner Rede zur Eröffnung des akademischen Jahres des Europa-Kollegs Brügge, Bulletin der Bundesregierung vom 24.9.1990, Nr. 114, S. 1193, 1195; vgl. zu dieser Problematik auch G. Nicolaysen, Europarecht I, Baden-Baden 1991, S. 78. In diesem Sinne ist erhebliche Skepsis gegenüber allen Plänen angebracht, die im Interesse der an sich wünschenswerten Einheit Gesamt-Europas eine vorschnelle Aufnahme aller Staaten Osteuropas in die Europäische Gemeinschaft vorsehen. Im übrigen müßte hier in jedem Fall überlegt werden, ob sich eine Verstärkung der Gemeinschaft nicht dadurch herbeiführen läßt, daß entwicklungsmäßig und strukturell we-

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sensverwandte Staaten, die eine Mitgliedschaft anstreben, zunächst aufgenommen werden. Zu der auf der Basis von Art. 238 EWGV jetzt vorgenommenen Assoziierung Ungarns, Polens und der CSFR, Bulletin der EG, Kommission der E G (Hrsg.), Nr. 2/1991, S. 97 f. Zu einem Vergleich zwischen E G und USA siehe das großangelegte Forschungsprojekt von M. Cappelletti/]. Weiler/ M. Seccombe (Hrsg.), Integration Through Law, Berlin/New York, Forschungsbände seit 1986. Zur Gefahr des Verlustes an Integrationstiefe durch eine zu weitausgedehnte Gemeinschaftskompetenz siehe insb. J. H. Kaiser, Grenzen der EG-Zuständigkeit, EuR 1980, S. 97, 118.

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auf die Gemeinschaft eine veränderte Interpretation auch der bei den Einzelstaaten verbleibenden Verfassungsgrundsätze mit sich bringen muß. Dies gilt schon für den Satz des Art. 20 Abs. 2 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus". Was die von der Gemeinschaft mit Wirkung in der Bundesrepublik ausgeübte öffentliche Gewalt betrifft, so könnte sie nur insoweit als vom deutschen Volke 25 ausgehend angesehen werden, als dessen gewählte Vertreter die Gemeinschaft mit errichtet und mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet haben. Dem eigentlichen Sinn des Art. 20 Abs. 2 GG würde diese Auffassung nicht gerecht. Denn dessen Aussage bezieht sich auf das deutsche Volk des Grundgesetzes als legitimierenden Ursprung des fortschreitenden hoheitlichen Handelns. Diese Rolle kommt ihm bei der Tätigkeit der Gemeinschaft nicht zu. Es fragt sich daher, von welchem „Volk" der Gemeinschaft deren Staatsgewalt ausgeht beziehungsweise kontrollierbar ist und wie weit damit den Anforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen wird. Es genügt hier festzustellen, daß diese Vorschrift des Grundgesetzes im Hinblick auf die Gemeinschaft einer neuen Interpretation bedarf. 26 Nicht nur das deutsche, bei dem Inkrafttreten des Grundgesetzes allein in Betracht kommende Volk muß in dieser veränderten Auslegung gemeint sein, sondern das, was die Gemeinschaft in dieser Hinsicht als ihr Handeln legitimierend in Anspruch nehmen kann. Hierzu ist etwas zu bemerken, was in der politischen Diskussion teils bewußt, teils aber auch aus Verständnislosigkeit ganz in den Hintergrund getreten ist. In einer freien Gesellschaft, die nicht einem starren Dogma gehorcht, sondern die sich in dauernder Weiterentwicklung befindet, ist „das Volk", auf das es in Verfassungsfragen ankommt, etwas anderes als das zu einer bestimmten Zeit gerade vorhandene Volk. 27 Das Volk ist hier die Gesamtheit der heute und der in der Zukunft betroffenen Menschen. Die Staatsgewalt als solche geht dann insofern vom Volke aus, als eine zeitgenössische Meinung ihr Gestalt und Grenzen gibt, und als die folgende Zeit diesen Vorschlag aufnimmt und billigt. In welchem weitergehenden Sinne soll denn eine Generation in Anspruch nehmen, den folgenden Maß und Ziel zu setzen? Der wahre Gebieter ist heute ein wechselnder, der Entwicklung folgender Wille und, in zunehmendem Maße, die Zwangsläufigkeit einmal eingetretener Zustände. Wandlungen zeichnen sich auch ab bei einem weiteren wichtigen Element des Verfassungsstaates, so wie er uns geläufig ist: der Gewaltenteilung. Sie ist bereits in dem gegenwärtigen Zustand der Bundesrepublik in manchem suspekt geworden. Denn es läßt sich in modernen großräumigen Regierungsverhältnissen die Trennung von Gesetzgebung und Verwaltung jedenfalls in ihrer klassischen Form nicht mehr aufrechterhalten. Das Programm der Regierung kann im wesentlichen nur durch Gesetze ausgeführt werden. Diese setzen das Einbezie25

Zur Interpretation des Begriffs „Staatsvolk" in diesem Sinne siehe BVerfG, Urteile vom 31. Oktober 1990, - 2 BvF 2, 6/89 -und - 2

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BvF 3/89 - BVerfGE 83, S. 37ff und S. 60 ff. Näher W. v. Simson, aaO (Fn. 2), EuR 1991, S. 1 - 8. W. v. Simson, ebenda.

13 hen zukünftiger, zunächst noch nicht bekannter Umstände voraus und verlangen daher Ermächtigungen an Verwaltungsbehörden, die nur in Gesetzen rechtswirksam umschrieben werden können. Das bedeutet Regierung durch Gesetzgebung. Dem entspricht es, daß die gesetzgebenden Organe in Wahrheit ausführende Werkzeuge der Regierungspolitik sind und daß die Majorität in diesen Gremien, wenn sie die von ihr eingesetzte Regierung funktionsfähig halten will, regelmäßig keine andere Wahl hat, als ihr die notwendigen Gesetze zur Verfügung zu stellen. 28 Wie diese Gesetze beschaffen sein sollen, erfährt das Parlament durch das Initiativrecht der Regierung. Sehr Ahnliches gilt selbstverständlich auch für die Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane, denen eine immer umfangreichere Zuständigkeit für das Regierungshandeln in der Europäischen Gemeinschaft unaufhaltsam zuwächst. Die Gesetzgebung durch den Ministerrat besteht im wesentlichen darin, den Vorschlägen der Kommission, also der eigentlichen Regierung, rechtliche Bindung zu verschaffen. 29 Die Verwaltung bedient sich also der Gesetzgebung, die ihr gegenüber nicht selbständig, sondern die auf deren Initiative angewiesen ist und dieser nur durch einstimmige Änderung 3 0 oder durch Ablehnung ihrer Vorschläge entgegentreten kann. Die Praxis der letzten Jahre zeigt allerdings, daß der Rat, und damit der direkte Einfluß der Mitgliedstaaten, in dem gemeinschaftlichen Entscheidungsverfahren stärker zur Geltung kommt, als der Vertragstext es vermuten lassen könnte. Die Gemeinschaft ist sich bewußt, daß ihre Maßnahmen auf die innere Zustimmung in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht verzichten können, und sie hat daher Verfahren entwickelt, durch die auf dem Wege zur Gesetzgebung diese Akzeptanz nach Möglichkeit gewonnen werden soll. 31 Bei alledem ist aber das Verhältnis von Gesetzgebung und Exekutive in der Gemeinschaft derart verzahnt, daß von einer Gewaltentrennung in dem bisher üblichen Sinne nicht die Rede sein kann. Auch die demgegenüber diskutierte „neue Form demokratischer Gewaltenteilung", 3 2 welche die relevante Trennung 28

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Dazu nur K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, aaO (Fn. 9), Rz 475 - 478. Zu den spezifischen Problemen der Gesetzgebung in der Gemeinschaft siehe näher die verschiedenen Beiträge in den Bänden ]. Schwarze (Hrsg.), Gesetzgebung in der Gemeinschaft, Baden-Baden 1985; ders., Legislation for Europe 1992, Baden-Baden 1989, S. 11 ff. Art. 149 Abs. 1 E W G V ; zur Bedeutung dieser institutionellen Regelung siehe etwa H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, §39/1 ff und G. Nicolaysen, Europarecht I, aaO (Fn. 4), S. 84 ff, 161 ff. J. Schwarze (Hrsg.), Legislation for Eu-

rope 1992, Baden-Baden 1989, S. 11 ff; Th. Oppermann, Europarecht, aaO (Fn. 10), S. 1 1 6 f , 210 ff; G. Nicolaysen, Europarecht I, aaO (Fn. 4), S. 81, 84 f. Zu Problemen der Verwirklichung der Gemeinschaftsvorgaben auf nationaler Ebene siehe die 2 Bände des Forschungsprojekts „The 1992 Challenge at national level, ]. Schwarze u. a. (Hrsg.), Baden-Baden 1990/1991; zur Gewaltenteilung in der EG siehe H. J. Hahn, Funktionenteilung im Verfassungsrecht europäischer Organisationen, Baden-Baden 1977, S. 42 ff. 32

H. P. Schneider, in: Handbuch des Verfassungsrechts, E. Benda/J. Vogel/W. Maihofer (Hrsg.), 1. Aufl., Berlin 1983, S. 239/245.

14 in dem Gegensatz zwischen Regierung und Opposition sieht, ist auf der Ebene der Gemeinschaft nicht recht brauchbar. Wir müssen hier nach anderen Wegen suchen. Dabei kommt es darauf an, der Gesetzgebung, die in die Hände der Verwaltung gefallen ist, ihrerseits eine Kontrollinstanz gegenüberzustellen. Was in den früheren Verhältnissen dem Parlament eine selbständige Stellung gegenüber der Exekutive einräumte, kann dort nicht länger in dem erforderlichen Maße zur Geltung kommen. An dieser Situation läßt sich weder im Einzelstaat noch in der Gemeinschaft etwas ändern. Was dort an Gegenpositionen im Verhältnis zur Exekutive bleibt, ist die Verfassung oder die verfassungsähnliche Stellung der Gemeinschaftsverträge. 33 Diese Einschränkung eines ungebundenen Verwaltungshandelns kann zwar allgemein einzuhaltende Grenzen setzen, genügt aber nicht, um dem laufenden Exekutivgeschehen diejenige Mitsprache des Wählerwillens entgegenzuhalten, um die es sich bei dem Prinzip der Gewaltenteilung handelt. Es fragt sich daher, welche Kontrollrechte dem Parlament zustehen müßten, um denjenigen Grad von Gewaltentrennung zu erreichen, der mit der Regierungsfähigkeit der heutigen politischen Großformen noch vereinbar sein kann. c) Wandlungen der Gewaltenteilung in der Europäischen Gemeinschaft In dem Prozeß europäischen Planens stehen sich dabei zwei jeweils unausweichliche Zielvorstellungen gegenüber. Einmal die Schaffung und Erhaltung eines zu einheitlichem Handeln und Auftreten fähigen, politisch organisierten Europas. Zu diesem gibt es auf die Dauer keine Alternative. Auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, die damit verbundene gemeinsame Hoheitsgewalt den demokratischen Mitsprache- und Kontrollrechten zu unterwerfen, die zu einem europäischen Begriff politischer Existenz 34 gehören. Der bisherige Weg, die hier erforderliche Ubereinstimmung zwischen funktionierender politischer Organisation und deren Abhängigkeit von dem Willen des „Volkes" zu erreichen, versagt vor der zerstreuten Vielfalt dessen, was hier 33

Z u m Verständnis der E G - V e r t r ä g e als Verfassung der G e m e i n s c h a f t siehe näher J. Schwarze, K o n z e p t i o n und Entwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechtes, Basler Juristische Mitteilungen 1992, S. 1, 5 ff; ders., Verfassungsentwicklung in der E u r o p ä i s c h e n Gemeinschaft, in: Eine Verfassung für E u r o p a , B a d e n - B a d e n 1984, S. 15, 23 ff. Vgl. B V e r f G E 22, S. 293, 296, w o n a c h der E W G - V e r t r a g „gewissermaßen die Verfassung der Gemeinschaft darstellt"; H. P. Ipsert, Europäisches Gemeinschaftsrecht, T ü b i n g e n 1972, § 2/ 33 ff; J. Schwarze, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz

als O r d n u n g s p o s t u l a t e der Europäischen Gemeinschaft, in: Rechtsstaat und M e n schenwürde, Festschrift für W. Maihofer, A. K a u f m a n n , E.-J. Mestmäcker, H . F. Zacher (Hrsg.), F r a n k f u r t a. M. 1988, S. 529 ff, 531. 34

Zu den essentiellen Erfordernissen parlamentarischer Demokratietradition als Errungenschaft des (west-)europäischen Verfassungsstaates vgl. J. A. Frowein, D i e rechtliche B e d e u t u n g des Verfassungsprinzips der parlamentarischen D e m o k r a t i e f ü r den europäischen Integrationsprozeß, E u R 1983, S. 301, 302.

15 als „Volk" in Betracht kommt, und vor der Unübersichtlichkeit dessen, was in europäischer Ausdehnung zu entscheiden und zu ordnen ist. Das unausgesprochene, gefühlsmäßige Einverständnis mit dem, was zu geschehen hat und mit denen, die das besorgen sollen, findet sich, wie erwähnt, in den Ausmaßen einer auf ganz Europa bezogenen Regierung und Verwaltung nicht vor. Das läßt eine allgemeine Legitimation der Hoheitsgewalt durch die gewohnte parlamentarische Einsetzung und Kontrolle als problematisch erscheinen. Besondere Varianten dieser Einflußnahme müssen deshalb gefunden werden, wenn ihr ein wirkliches Gewicht zukommen soll. Daß die Rolle der demokratischen Einbindung eines europäischen hoheitlichen Handelns dabei vom Europäischen Parlament ausgehen muß, ist kaum zweifelhaft. Denn es läßt sich keine andere Instanz denken, die gleichermaßen dazu legitimiert wäre. Dabei ist zu bedenken, daß eine detaillierte Mitwirkung des Parlaments bei der Gesetzgebung, wie sie als Teil der Verwaltung vor sich geht, die Gemeinschaft in ihrem täglichen Leben und in ihrem programmierten Fortschritt funktionsunfähig machen könnte. 3 5 Schon jetzt ist die Gemeinschaft durch die verschiedensten Erfordernisse der Konsultation repräsentativer Körperschaften und sachverständiger Ausschüsse in erheblichem Maße behindert. Sollte sie sich für die Erfüllung ihres Bedarfs an fortlaufender Gesetzgebung auf das Parlament im einzelnen angewiesen sehen, so würde sich die Frage nach den Grenzen der Leistungsfähigkeit ihrer Entscheidungsverfahren stellen. Die bisherigen Schritte zur Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle in der Gemeinschaft belassen es einstweilen dabei, das Parlament mehr und mehr an den eigentlichen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Nach der Einheitlichen Europäischen Akte (1986), die zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts ein besonderes Verfahren der Zusammenarbeit (Art. 100 a, 149 E W G V ) eingeführt hatte, sollen nun auf Grund des Maastrichter Vertragsentwurfs dem Europäischen Parlament weitere Mitspracherechte im Gesetzgebungsverfahren eingeräumt werden (Art. 189 b EG-Vertrag) 3 6 , die sich in der politischen Praxis allerdings erst noch bewähren müssen. D e r Erfolg jeder weiteren Ausdehnung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments hängt maßgeblich davon ab, ob deren konkrete Ausgestaltung den geschilderten spezifischen Bedingungen moderner Gewaltenteilung in der Gemeinschaft Rechnung trägt. Hier fragt sich insbesondere, ob nicht neue Formen parlamentarischer Beteiligung zu einer wirkungsvolleren K o n trolle führen würden. Dabei kommt dem Gedanken einer Pauschalierung der Kontrollrechte, der an dieser Stelle nur angedeutet werden kann, eine besondere Bedeutung zu. 35

Zur überbordenden gesetzgeberischen Aktivität der Gemeinschaft vgl. nur Ch. Tomuschat, Normenpublizität und Normenklarheit in der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift für H . Kutscher, Baden-Baden

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1981, S. 461 ff. Abgedruckt in: Vertrag über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 76f.

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Wir kennen dieses Prinzip der Pauschalierung bereits im Grundgesetz, das z. B. dem Bundestag nur die Abwahl des Bundeskanzlers, nicht aber einzelner Minister gestattet (Art. 67, 64 GG), und auch diese nur, wenn er zugleich einen Nachfolger wählt. Ferner findet sich etwa im Bund-Länder-Verhältnis ein auf das Grundsätzliche beschränktes Kontrollrecht des Bundes über die Wahrnehmung seiner Zuständigkeiten durch die Länder, 37 und auch die ermächtigende Gesetzgebung läßt Raum für einen Entscheidungsspielraum der Verwaltung, dessen Kontrolle sich darauf beschränkt, ob diese im Rahmen der ihr übertragenen Kompetenz geblieben ist, nicht aber, wie sie sie ausgeübt hat. 38 Eine sinnvolle Form der Gewaltenteilung könnte man hiernach zunächst darin sehen, dem Europäischen Parlament das Gesetzgebungsrecht und andere politische Leitentscheidungsrechte auf ganz bestimmten, grundsätzlich maßgebenden Gebieten zu übertragen, wobei die Ernennung der Kommission 39 und die haushaltsrechtlichen Befugnisse 40 neben der Mitwirkung an prinzipiell bedeutsamen Gesetzgebungsvorhaben im Vordergrund stehen. Bei der Gesetzgebung im einzelnen läßt sich sodann eher an ein Zustimmungsrecht des Parlaments unter allgemeinen Gesichtspunkten als an eine detaillierte Mitwirkung denken. So könnte man erwägen, dem Parlament die Befugnis zu geben, Einspruch zu erheben gegen Gesetzesvorschläge mit der Begründung, daß die betreffende Materie nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft falle oder daß sie von Gemeinschafts wegen keiner Regelung bedürfe. Die Zustimmung des Parlaments würde dann nur das Recht zur Gesetzgebung, nicht aber deren einzelne Ausgestaltung umfassen. Auch müßte es bei dem Recht des Parlaments bleiben, den Rat zur Wahrnehmung seiner Gesetzgebungspflichten anzuhalten, einem Recht, das der E u G H dem Parlament ausdrücklich zugesprochen hat.41 Bei den hier für die Zukunft zur Erwägung gestellten Abstufungen der parlamentarischen Mitsprache, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Pauschalierung, drängt sich naturgemäß der Einwand auf, dieses Konzept könnte jedenfalls auf bestimmten Gebieten auf ein bloßes Vetorecht zugunsten des Parlaments hin-

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Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, aaO (Fn. 9), Rz 245. P. Lerche, in: Maunz-Dürig, GrundgesetzKommentar, München 1989, zu Art. 85 Rz 70 ff, insb. Rz 75 ff; vgl. auch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, aaO (Fn. 9), Rz 245. Vgl. künftig Art. 158 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 66; siehe auch Bulletin der Bundesregierung vom 12. Februar 1992, Nr. 16, S. 113, 134, das einen vollständigen Text des Maastrichter Vertrages einschließlich der

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Protokolle und ergänzenden Erklärungen enthält. Bislang gelten auf diesem Gebiet die Art. 199 ff EWGV; vgl. zu künftigen Konzepten P. Schmidhuher, Die Notwendigkeit einer neuen Finanzverfassung der EG, EuR 1991, S. 329 ff; zu den gegenwärtigen haushaltsrechtlichen Befugnissen des EP vgl. etwa T. Bettendorf, Die rechtlichen Befugnisse und politischen Möglichkeiten des Europäischen Parlaments bei der Aufstellung eines EGHaushalts, Hamburg 1989. Vgl. E u G H , Rs 13/83, Europäisches Parlament ./. Rat der EG, Urteil v. 22.5.1985, Amtl. Slg. 1985, S. 1513 ff.

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auslaufen. Daran mag einiges richtig sein. Immerhin gehen aber bereits von der Existenz eines Vetorechts Vorwirkungen aus, und es läßt sich in der Praxis durchaus entschlossen im Sinne einer Rahmenvorgabe für die politische Gestaltung durch die verantwortlichen Organe nutzen. 42 Im übrigen stellt sich die Frage, ob es zu einem solcherart konzipierten pauschalierten Kontrollrecht auf bestimmten Gebieten angesichts der geschilderten Bedingungen heutiger Gewaltenteilung in der EG überhaupt Alternativen gibt, die in adäquater Zuordnung von Regierungs-, Gesetzgebungs- und Kontrollfunktionen eine wirksamere parlamentarische Mitsprache auf europäischer Ebene gestatten. 43

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Zu Beispielen, wie etwa das EP sein neu eingeführtes Zustimmungsrecht zu Assoziierungsabkommen (Art. 238 EWGV) gehandhabt hat, siehe R. Bieber, in: H. v. der Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl., Baden-

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Baden 1991, Art. 137 Rz 35. Zu anderen neuen Kontrollformen wie etwa der Einrichtung unabhängiger Gremien und zum irreduziblen Bestand von Verfassungsbedingungen im Verhältnis EGMitgliedstaaten siehe Kap. IV, 1 und 2.

II. Europäische Verfassungsentwicklung bis zum Binnenmarkt 1992 - aus der Sicht des Grundgesetzes

1. Die Entscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit Sie findet sich bereits im ersten Satz der Präambel des Grundgesetzes. Danach ist es der Wille des deutschen Volkes, als gleichberechtigtes Mitglied in einem vereinten Europa dem Frieden zu dienen. 44 Nachdem die deutsche Einheit am 3. Oktober 1990 staatsrechtlich vollendet werden konnte, hat die in der Präambel enthaltene europäische Option nichts an Bedeutung eingebüßt. Im Gegenteil hat die Einbindung der Bundesrepublik in den europäischen Integrationsprozeß die in der Präambel ursprünglich ebenfalls erwähnte und nun hergestellte Einheit Deutschlands maßgeblich mitgefördert. 45 Der in der Präambel zum Ausdruck gebrachte Wille zur europäischen Integration geht in seiner Wirkung über eine bloße „Declaration of policy" hinaus und ist, wie ehedem das Bekenntnis zur deutschen Einheit, als verpflichtender Verfassungsauftrag zu verstehen. 46 Mit Art. 24 G G sowie den ergänzenden Organisationsnormen der Art. 32 und 59 G G stellt das Grundgesetz die Instrumente zur Erfüllung dieses Vorsatzes bereit. Seinem Wortlaut nach berechtigt Art. 24 G G den Bund, durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen. Die in der Präambel und in Art. 24 G G zum Ausdruck kommende „Verfassungsentschei44

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Dazu und zum folgenden J. Schwarze, Das Grundgesetz und das europäische Recht, in: 40 Jahre Grundgesetz - Der Einfluß des Verfassungsrechts auf die Entwicklung der Rechtsordnung, Freiburger Rechts- und Staatswissenschaftliche Abhandlungen Band 50, Heidelberg 1990, S. 209, 210. Für die Herstellung der deutschen Einheit hat sich insbesondere der Präsident der E G -

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Kommission J. Delors entschlossen eingesetzt („Die D D R hat ihren Platz in der Gemeinschaft", siehe EG-Informationen, Nr. 12 1990). Vgl. auch C. W. A. Timmermans, German unification and Community law, CMLRev. 1990, S. 437ff. Siehe Urteil des BVerfG vom 17.8.1956, BVerfGE 5, S. 85 ff.

20 dung für die internationale Zusammenarbeit" 4 7 ermöglicht es der Bundesrepublik, sich an der Schaffung zwischenstaatlicher Organisationen zu beteiligen, die über eigene Hoheitsgewalt verfügen und deren Akte die Mitgliedsstaaten wie auch deren Staatsangehörige unmittelbar rechtlich zu binden vermögen. Mit dieser in der deutschen Verfassungsgeschichte neuartigen internationalen Option 4 8 hat das Grundgesetz innerstaatlich die Basis geschaffen, auf der sich spezielle überstaatliche Kooperationsformen entwickeln können, die über die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen herkömmlichen Typs hinausreichen. 49 Die vielfältigen Auslegungsbemühungen zu Art. 24 G G stellen sich bis heute vor allem als Suche nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der Integration in überstaatlichen Zusammenschlüssen dar. Den Anstoß zur verfassungsrechtlichen Interpretation und Debatte gaben zumeist konkrete europapolitische Vorhaben oder - wie beim sog. Grundrechtskonflikt - divergierende Auffassungen deutscher und europäischer Organe zu einzelnen Fragen. Die Stationen europäischer Integration lassen die Wechselbeziehung zwischen der Verfassungsentwicklung auf europäischer Ebene und den Ansprüchen des Grundgesetzes deutlich erkennen. Das Bild wäre jedoch unvollständig, ließe man Organisationen wie den Europarat und das politische Gesprächsforum der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" ( K S Z E ) unerwähnt, Einrichtungen, die zwar nicht annähernd über eine der Europäischen Gemeinschaft entsprechende Integrationsdichte verfügen, die aber gleichwohl maßgebliche Beiträge zur Staatenkooperation in Europa leisten. Insbesondere im Europarat spiegeln sich die gemeinsamen Wertvorstellungen der europäischen Staaten wider, 50 aus denen allein eine fortschreitende Zusammenfassung hervorgehen kann.

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K. Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964, S. 42 f. Vgl. J. Schwarze, in: 40 Jahre Grundgesetz, aaO (Fn. 44), S. 210. Den prinzipiellen Unterschied zwischen besonders eng verflochtener Gemeinschaftsorganisation und traditionellen völkerrechtlichen Kooperationsformen hat der EuGH zuletzt in seinem Gutachten zum Europäischen Wirtschaftsraum vom 14. Dezember 1991 besonders hervorgehoben, Gutachten 1/91, S. 35 ff, insb. Rz 20 ff. Das Konzept des Europäischen Wirtschaftsraums wird näher von H. G. Krenzier, Der Europäische Wirtschaftsraum als Teil ei-

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ner gesamteuropäischen Architektur, Integration 2/92, S. 61 ff erläutert. Zum Unterschied von Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht siehe ausführlich J. Schwarze, Das allgemeine Völkerrecht in den innergemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen, EuR 1983, S. 1 ff. R. Bernhardt, Thoughts on the interpretation of human-rights treaties, in: Protecting Human Rights: The European Dimension, Studies in honour of G. J. Wiarda, Köln u. a. 1988, S. 70, 71 ff; vgl. auch J. A. Frowein, European Convention on Human Rights (1950), in: Encyclopedia of Public International Law (EPIL), R. Bernhardt (Hrsg.), Amsterdam u.a. 1983, S. 184, 185f.

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2. Gemeinsame Wertvorstellungen als Grundlage der europäischen Integration a) Europarat - EMRK Für die allgemeine Zusammenarbeit auf allen Gebieten entstand 1949 der Europarat, dem zur Zeit 25 Mitgliedstaaten angehören. 51 Am 6. November 1990 trat Ungarn als erstes Land des bisherigen „Ostblocks" dem Europarat bei. Die Bundesrepublik ist seit 1951 Mitglied. Der Zusammenschluß im Europarat hat nicht nur eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern geschaffen, er ist darüber hinaus auch als Bekenntnis zu den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie und des Rechtsstaats einschließlich des Schutzes der Menschenrechte von erheblichem Gewicht. 52 Im Rahmen des Europarats wurden zahlreiche Konventionen zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossen, von denen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 53 die bekannteste sein dürfte. In ihrem materiellen Teil enthält die EMRK sowohl klassische Freiheitsrechte als auch Teilhaberechte sowie Verfahrensgarantien. 54 Uber die Einhaltung dieser Rechte durch die Mitglieder der Konvention wachen die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, beide mit Sitz in Straßburg, die als national unabhängige Instanzen mit eigenen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind.55 Beteiligte Vertragsstaaten sowie die Menschenrechtskommission (Art. 19 EMRK) können den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Art. 38 EMRK) anrufen (Art. 48 EMRK). Natürliche Personen oder nicht-staatliche Organisationen oder Personenvereinigungen können die Kommission befassen, wenn sie sich nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittelverfahren durch eine Verletzung der in der Konvention anerkannten Rechte beschwert fühlen (Art. 25, 26 EMRK). Die Kommission soll sich zunächst um eine gütliche Regelung der Angelegenheit bemühen. Kommt diese nicht zustande, so

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Die Tschechische und Slowakische Föderative Republik hat als 25. Mitgliedsstaat am 21. Februar 1991 ihren Beitritt zum Europarat erklärt und die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet. In den Jahren 1988, 1989 und 1990 waren San Marino, Finnland und Ungarn als Mitglieder des Europarates neu hinzugekommen. J. A. Frowein, European Convention on Human Rights, in: EPIL, aaO (Fn. 50), S. 184, 189 ff. Konvention vom 4. November 1950, in der Bundesrepublik verkündet „mit Gesetzeskraft" am 7. August 1952, BGBl.

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II 685/953, in Kraft getreten am 3. Sept. 1953, BGBl. II 14; vgl. allgemein zur Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, ]. A. Frowein/W. Peukert, Kehl 1985; zum Verhältnis EMRK und EG siehe dort Einführung Rz 13 f. Teilhaberechte: Th. Oppermann, Europarecht, aaO (Fn. 10), S. 45; Verfahrensgarantien in Art. 6 EMRK, vgl. J. A. Frowein/W. Peukert, EMRK-Kommentar, aaO (Fn. 53), S. 104 ff. Th. Oppermann, Europarecht aaO (Fn. 10), S. 34 f f ; / A. Frowein, E C H R , in: EPIL, aaO (Fn. 50), S. 184, 186 f.

22 kann sie die Beschwerde an den Ministerausschuß oder an den Europäischen Gerichtshof bringen. Hat die Beschwerde Erfolg, so führt dies regelmäßig allerdings nur zur Feststellung eines Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung.56 Eine direkte innerstaatliche Wirkung zugunsten des Verletzten tritt nicht ein,57 wenn auch die Erfahrung zeigt, daß die Staaten regelmäßig den vertragsgemäßen Zustand herstellen.58 Neben den Rechtswirkungen einer erfolgreichen Beschwerde ist der faktische Schutz von erheblicher Bedeutung, den der einzelne durch die Veröffentlichung seiner Beschwerde und die damit verbundene Rechtfertigungslast des Staates erhält.59 Ferner erfahren wichtige Menschenrechte und Grundfreiheiten eine sachliche Erweiterung, indem sie dem einzelnen nicht nur in seinem Land, sondern in allen Vertragsstaaten zustehen. Innerhalb der Verfassungsordnung des Grundgesetzes gilt die EMRK nach überwiegender Ansicht - wie andere völkervertragsrechtliche Pflichten auch nur im einfachen Gesetzesrang.60 Eine Verfassungsbeschwerde kann nicht auf eine behauptete Verletzung der EMRK gestützt werden, es sei denn, es wird behauptet, daß bei der Auslegung der Vorschriften der Menschenrechtskonvention die Instanzgerichte das Willkürverbot des Grundgesetzes verletzt hätten.61 Insgesamt kommt der EMRK, trotz der aus ihrer völkerrechtlichen Natur resultierenden Unvollkommenheiten, maßgebliche Bedeutung zu als Ausdruck eines europaweiten Konsenses in wichtigen Grundanschauungen, deren vorbehaltlose Akzeptanz durch alle Mitgliedstaaten Voraussetzung ist für eine demokratisch-rechtsstaatliche Integration in Europa.62 b) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) Als erstes bedeutsames Ergebnis der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) wurde am 1. August 1975 die sog. Schlußakte in Helsinki unterzeichnet.63 Das Dokument teilt sich in drei Komplexe, die jeweils

Art. 31, 32 EMRK, vgl. J. A. Frowein/W. Peukert, EMRK-Kommentar, aaO (Fn. 53), S. 424 ff; Th. Oppermann, Europarecht, 1991, S. 37. 57 Art. 50 EMRK regelt eine „Gerechte Entschädigung" der verletzten Partei im Falle der unvollkommenen Wiedergutmachung nach innerstaatlichem Recht, vgl./ A. Frowein/W. Peukert, EMRK-Kommentar, aaO (Fn. 53), S. 449. 58 K.-P, Sommermann, Der Schutz der Menschenrechte im Rahmen des Europarates, Speyerer Forschungsberichte Nr. 86, 1990, S. 26 ff. 5 ' Eine Mitwirkungspflicht der betroffenen Staaten ergibt sich bereits im Zeitpunkt

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des Untersuchungsverfahrens und aus dem Versuch der gütlichen Einigung nach Art. 28 EMRK, vgl. / A. Frowein/W. Peukert, EMRK-Kommentar, aaO (Fn. 53), S. 418. Tb. Oppermann, Europarecht, München 1991, S. 34 Rz 69. BVerfGE 64, 135, 157; 74, 102, 128. Vgl. zum Verhältnis von Art. 19 IV GG zur EMRK E. Schmidt-Aßmann, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG-Kommentar, 1985, Art. 19 IV Rz 37 m.w.N.; siehe ferner K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, aaO (Fn. 9), Rz 278. Th. Oppermann, Europarecht, München 1991, §2 Rz 78. Vgl. Dokumentation der Schlußakte vom

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einem der sog. Körbe der Verhandlungen entsprechen, nämlich Friedenssicherung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Menschenrechte. Die völkerrechtliche Bedeutung der Schlußakte ist begrenzt, da nur allgemeine Prinzipien des Völkerrechtes oder bereits eingegangene vertragliche Verpflichtungen bekräftigt werden. 64 Die Initiative zu dieser Konferenz ging seinerzeit von der Sowjetunion aus, die vor allem ein Interesse daran hatte, den territorialen und politischen status quo in Europa als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges vertraglich abzusichern. Für die westlichen Teilnehmer standen dagegen die Menschenrechte und die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund. Der anfänglich durchaus skeptisch beurteilte „KSZE-Prozeß" entwickelte sich jedoch im Verlauf mehrerer Folgetreffen zu einem wichtigen Gesprächsforum der beiden Supermächte, ihrer Verbündeten sowie der teilnehmenden neutralen Staaten. Vorläufige Höhepunkte der Entwicklung waren die Treffen 1990 in Paris, bei dem die Teilnehmerstaaten einschließlich der Sowjetunion eine Charta zur Wahrung der Menschenrechte unterschrieben haben, sowie das Treffen 1991 in Berlin, das mit der Vereinbarung eines „Krisenmechanismus" endete, der ein abgestuftes Verfahren der Konsultation im Krisenfall vorsieht. 65 Durch die fundamentalen Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa, insbesondere durch den Zerfall der UdSSR in eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), hat sich der politische Hintergrund der KSZE in grundlegender Weise geändert. 66 Im Zentrum steht nun nicht mehr die Bewahrung einer bestimmten politischen Situation in Europa, sondern die Schaffung eines organisierten Gesprächsrahmens, innerhalb dessen die Mitglieder der KSZE den teils rasanten, bisweilen sprunghaften Prozeß der Umgestaltung besser handhaben können, insbesondere dann, wenn krisenhafte Erscheinungen in einzelnen Regionen auftreten. Der Golfkrieg sowie der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens haben aber erneut deutlich gemacht, wie wichtig - neben der an traditionellen internationalen Kooperationsformen ausgerichteten KSZE - die Europäische Gemeinschaft als Akteur in der Weltpolitik geworden ist.67 Die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft wird dabei heute in nennenswertem Umfang auch von Faktoren bestimmt, auf die sie selbst keinen Einfluß hat, die sie aber zu

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1.8.1975, in: Europa- Archiv 1975, S. D 437 ff. Vgl. Th. Oppermann, Europarecht, München 1991, §3 Rz 139. Charta von Paris, 21.11.1990, in: EuropaArchiv 1990, S. D 656 ff, Krisenmechanismus S. D 660; Erste Außenministerkonferenz der KSZE im Juni 1991 in Berlin, vgl. Protokolle und Schlußfolgerung in: EuropaArchiv 1991, S. D 335 ff/D 356 f. Vgl. Europa-Archiv 1991, S. D 335 ff; vgl daneben U. Neriich, Einige nichtmilitäri-

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sche Bedingungen europäischer Sicherheit, Europa-Archiv 1991, S. 547 ff; Dokumente zum Ende des östlichen Bündnissystems, in: Europa-Archiv 1991, S. D 575 ff; Dokumente zur neuen Strategie des westlichen Bündnisses, in: Europa-Archiv 1992, S. D 29. Vgl. Die Erklärung der Verteidigungsminister der Euro-Gruppe in der NATO über ihre Tagung am 27. Mai 1991 in Brüssel, in: Europa-Archiv 1992, S. D 31 ff.

24 einer gemeinsamen Reaktion zwingen. In der Weltpolitik bestehen, wie schon erwähnt, Erwartungen, daß die Gemeinschaft mit einer Stimme spricht.

3. Stationen der europäischen Verfassungsentwicklung — von der Verteidigungsgemeinschaft bis zum Binnenmarkt a) Der Kampf um den Wehrbeitrag Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vom 27.5.1952, 68 das erste Beispiel, an dem sich eine grundlegende Diskussion über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Integrationsgewalt entzündet hat, sah die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Streitmacht der Mitgliedstaaten vor. Er sollte insbesondere internationale Hoheitsbefugnisse auf dem Gebiet der Wehrhoheit und Wehrverwaltung begründen. Die Frage der Vereinbarkeit eines solchen Vertrages mit dem Grundgesetz führte zu einem Verfassungsstreit zwischen Regierungsparteien und Opposition, 69 wie überhaupt die Grenzlinienbestimmung für völkerrechtliche Kooperationsbemühungen und für die europäische Integration in nennenswertem Umfang Anlaß gab zu Verfassungsstreitigkeiten zwischen den verschiedenen politischen Richtungen. 70 Die Ergebnisse der in diesem Zusammenhang geführten verfassungsrechtlichen Debatte über die Interpretation der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 G G werden aber jedenfalls in wesentlichen Zügen bis heute anerkannt.71 Der EVG-Vertrag scheiterte schließlich, wie bekannt, am Widerstand des französischen Parlaments.72 Was zunächst die zu übertragenden Hoheitsrechte anlangt, so wird der Bund als berechtigt angesehen, sowohl Bundes- als auch Länderhoheitsrechte73 zum Gegenstand der Übertragung zu machen. Entsprechend der Dreiteilung der Staatsfunktionen können Befugnisse der Rechtssetzung, der Verwaltung und der Rechtsprechung auf die zwischenstaatliche Einrichtung übertragen werden.74 Bereits damals wurde erkannt, daß der Begriff des „Ubertragens" von Hoheitsrechten insofern mißverständlich ist, als er einen dinglichen Ubertragungs68 69

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BGBl. 1954 II, S. 342. Siehe die umfassende Dokumentation „Der Kampf um den Wehrbeitrag", Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik e. V., Mainz, 1. Halbband 1952, 2. Halbband 1953, Ergänzungsband 1958. R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, München 1983, S. 32 ff und 89 ff. Siehe allgemein dazu Ch. Tomuschat, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Zweitbearbeitung Hamburg 1981, Art. 24 Rz 14 - 48; K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I,

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S. 520 ff. Beschluß der Assemblée Nationale Française vom 30.8.1954. Im Wehrstreit wurde dies noch kontrovers diskutiert: Ch. Tomuschat, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 25 rr^.w.N.; heute ist dies herrschende Ansicht; anderer Ansicht wohl aber L. Grämlich, Europäische Zentralbank, Baden-Baden 1979, S. 166, 167. Ch. Tomuschat, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 24 m.w.N.; K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I, S. 521.

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Vorgang zu bezeichnen scheint. 75 Entsprechend der heute allgemein vertretenen Ansicht ist der von Art. 24 GG erwähnte Übertragungsvorgang eher als ein mehrschichtiges Phänomen zu begreifen. 76 Mit der Übertragung gibt der Staat seinen Anspruch auf Ausschließlichkeit eigener Hoheitsentfaltung in seinem Gebiet auf. Zugleich räumt er der zwischenstaatlichen Einrichtung entsprechende Kompetenzen auf seinem Territorium ein.77 Der neue Hoheitsträger kann so über eine eigene originäre Hoheitsgewalt gebieten, die einheitliche Konsistenz aufweist und nicht als Mosaik aus den Splittern der abgetretenen nationalen Hoheitsrechte aufzufassen ist.78 Am besten läßt sich der Ubertragungsvorgang dementsprechend als „Einbringen zur gemeinsamen Ausübung" 79 beschreiben. Der einzelne Staat bringt an Hoheitsbefugnissen etwas ein, was einem neuen Hoheitsträger ermöglicht, über die jeweiligen Staatsgrenzen hinausgreifende gemeinsame Aufgaben wahrzunehmen, deren Bewältigung dem einzelnen nationalen Staat schon mangels der Reichweite der dafür notwendigen Kompetenzen unmöglich wäre. Integration in diesem Sinne ist also die Schaffung einer Einheit aus einzelnen Teilen,80 deren Inhalt mehr ist als die Summe der vereinigten Teile. Die Übertragung von Hoheitsgewalt auf zwischenstaatliche Einrichtungen erfolgt nach Art. 24 Abs. 1 GG durch Gesetz. Im Parlamentarischen Rat wurde ein Antrag, nach welchem die Übertragung von Hoheitsrechten nur mit den Mehrheiten des Art. 79 Abs. 2 GG zuzulassen sei, abgelehnt. 81 Nach herrschender Meinung genügt ein einfaches Bundesgesetz. Schließlich wurden bereits anläßlich des Streits um den Wehrbeitrag mit dem von Herbert Kraus verlangten Kriterium der „strukturellen Kongruenz" 82 zwischen der Verfassung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und dem Grundgesetz die materiellen Grenzen der Integrationsgewalt angesprochen. Die Anerkennung des Prinzips der strukturellen Kongruenz als Verfassungsgebot, also die Forderung, daß eine zwischenstaatliche Einrichtung nach Art. 24 Abs. 1 eine dem Grundgesetz entsprechende demokratische, föderalistische und rechtsstaatliche Verfassung besitzen müsse, ist schon früh auf Widerspruch gestoßen. Heute wird die These vom Erfordernis struktureller Kongruenz als Ausdruck eines grundgesetz-introvertierten Denkens jedenfalls in ihrer Überspitzung allgemein

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K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I, S. 523; Ch. Tomuschat, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 15; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 56. Siehe nur K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I, S. 523: „Chiffre für einen überaus komplexen Vorgang, der sowohl die Aktion des Ubertragens und Empfangens als auch deren Ergebnis, die Supranationalität der übertragenen Hoheitsrechte, meint". H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschafts-

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recht, Tübingen 1972, S. 56. Ch. Tomuschat, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 19. W. v. Simson, Diskussionsbeitrag, W D StRL(31), Berlin 1973, S. 129. So R. Smend, Integration, in: Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., Berlin 1968, S. 482. JöR n. F. 1, (1951), S. 226, 228. H. Kraus, Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik Mainz e. V., 1953, S. 545, 550 ff.

26 abgelehnt. 83 An ihrem Grundgedanken ist freilich richtig, daß schon Art. 79 Abs. 3 G G verlangt, eine gewisse Homogenität der Wertvorstellungen müsse in solchem Fall gegeben sein. Die in ihrem Kern auf demokratische Grundsätze, auf Freiheitlichkeit, auf Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit angelegte Verfassung der Bundesrepublik gestattet es nicht, den Bürger einer Hoheitsgewalt auszuliefern, die sich solchen Zielen nicht verpflichtet weiß. b) Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft - politische Einigung durch wirtschaftliche Integration Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) war die erste „supranationale" Organisation nach dem Zweiten Weltkrieg. Der am 18. April 1951 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden geschlossene EGKS-Vertrag trat am 23. Juli 1952 in Kraft. 84 Wegen seiner ins einzelne gehenden Regelungen auch als „traité loi" bezeichnet, unterscheidet er sich deutlich von dem am 23. April 1957 abgeschlossenen Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der überwiegend weitgefaßte Handlungsermächtigungen enthält und deshalb zu Recht als „traité cadre" charakterisiert wird. 85 Zweifellos ist die Montanunion eine wichtige Vorstufe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gewesen, doch bot erst der EWG-Vertrag die Grundlage für eine weiterführende Verfassungsentwicklung auf europäischer Ebene. Es gehört zu den wesentlichen Erfahrungen mit dem Gemeinschaftsrecht, daß es sich nicht allein und nicht einmal vorrangig aus dem oft sehr undeutlichen Wortlaut der Gemeinschaftsverträge erschließt, sondern maßgeblich vor allem durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgebildet und geprägt worden ist. Die Entscheidungen des E u G H in den Fällen Van Gend & Loos zur unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts, 86 die Urteile Costa ./. E N E L und Simmenthai II 87 zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts sowie das AETR-Urteil 88 zur extensiven Auslegung von Gemeinschaftskompetenzen haben der europäischen Rechtsordnung ein eigenes Gesicht gegeben, das sich von den traditionellen Erscheinungsformen internationaler Organisa83

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Dazu und zum folgenden Ch. Tomuschat, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 55 m.w.N. In der Bundesrepublik Ratifikation durch Gesetz vom 29.4.1952, BGBl. II, S. 445. Die „Verträge von Rom" (EWG- und EAGVertrag) wurden in der Bundesrepublik ratifiziert durch Gesetz vom 27.7.1957, BGBl. II, S. 753; siehe zur Entstehungsgeschichte näher z.B. H. P. Ipsen, aaO (Fn. 30), § 3 / 6 ff; zu den Charakterisierungen der Verträge als „traité loi" (traité de règles) und „traité cadre" vgl. B. Beutler/R. Bie-

ber/J. Pipkorn/J. Streil, Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik, 3. Aufl., Baden-Baden 1987, S. 40. 86 Rs 26/62, Van Gend & Loos ./. Königreich der Niederlande, E u G H , Urteil vom 5. Februar 1963, Amtl. Slg. 1963, S. 3 ff. *' Rs 6/64, Costa ./. ENEL, E u G H , Urteil vom 15. Juli 1964, Amtl. Slg. 1964, S. 1251 ff; Rs 106/77, Simmenthai II, E u G H , Urteil vom 9. März 1978, Amtl. Slg. 1978, S. 629 ff. 88 Rs 22/70, Kommission./. Rat (AETR), E u G H , Urteil vom 31. März 1971, Amtl. Slg. 1971, S. 263 ff.

27 tionen deutlich abhebt. Den konzeptionellen Unterschied zwischen herkömmlicher völkerrechtlicher Kooperation und besonders enger EG-Integration hat der E u G H jetzt erneut in seinem Gutachten zum Europäischen Wirtschaftsraum vom 14. Dezember 1991 unterstrichen. 89 Diese Differenzierung wirkt sich auch und vor allem bei der Auslegung und Interpretation des Gemeinschaftsrechts als eigener Rechtsordnung aus. 90 Der unmittelbare Zugriff der europäischen Gesetzgebung auf Rechtspositionen des einzelnen, vor allem im Rahmen des gemeinschaftlichen Wirtschaftsverwaltungsrechts, hat dabei namentlich in der Bundesrepublik zu einer intensiven Diskussion über den Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht geführt. 91 Auf diesem Gebiet spiegelt sich eine fruchtbare Beziehung zwischen deutschem Verfassungsrecht und Europarecht wider, aus der nach einer Phase des offenen Konflikts mittlerweile ein Verhältnis der Annäherung sowie der Konkordanz zwischen der deutschen Verfassungsrechtsprechung und der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hervorgegangen ist. Spätestens durch den „Solange I"-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1974 ist auch einer breiteren Öffentlichkeit bewußt geworden, daß die Gemeinschaftsverfassung keinen umfassenden Grundrechtskatalog enthält, sondern lediglich in Einzelbestimmungen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte für den Gemeinschaftsbürger garantiert. In dem erwähnten Beschluß hatte das Bundesverfassungsgericht den im wesentlichen durch Richterrecht bewirkten Grundrechtsschutz bekanntlich nicht genügen lassen und eine eigene Prüfungskompetenz „solange" bejaht, bis ein vom Europäischen Parlament beschlossener Grundrechtskatalog der Gemeinschaft erlassen sei, dessen Schutzniveau demjenigen des Grundgesetzes entsprechen müsse. 92 Nicht ohne den Einfluß dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind dann maßgebliche Schritte zur Verbesserung des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaft unternommen worden. In einer Gemeinsamen Erklärung vom 5. April 1977 haben Parlament, Rat und Kommission die Geltung und Achtung der Grundrechte in der Gemeinschaft bekräftigt. 93

Gutachten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1991, Gutachten 1/91, erstattet aufgrund von Art. 228 Abs. 1 UAbs. 2 EWGV; dazu ferner jetzt das weitere zu diesem Fragenkreis erstattete Gutachten des E u G H vom 10. April 1992, Gutachten 1/92. 9 0 „Une structure institutionnelle et juridique originale", vgl. / . Boulouis, Droit institutionnel des Communautés Européennes, 2. Aufl., Paris 1990, S. 48; „a sui generis law", vgl. D. Lasok/J. W. Bridge, Law & Institutions of the European Communities, 5. Aufl., London 1991, S. 82. 9 ' Siehe BVerfGE 37, S. 271 ff („Solange I"); 89

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dazu und zur späteren Entwicklung der Rspr. des BVerfG statt vieler K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, aaO (Fn. 9), Rz 105; zur Problematik eines Europäischen Grundrechtskatalogs vgl. M. Hilf, Ein Grundrechtskatalog für die Europäische Gemeinschaft, EuR 1991, S. 19 ff. BVerfGE 37, S. 271 ff („Solange-I" Beschluß), dazu kritisch etwa H. P. Ipsen, EuR 1975, S. 1 ff; zur späteren Änderung der Rspr. siehe die Nachweise weiter unten. Vgl. hierzu: Gemeinsame Erklärung von Parlament und Rat zum Schutz der Grundrechte vom 5. April 1977, ABl. C 103/77,

28 D e r G e r i c h t s h o f selbst h a t seine R e c h t s p r e c h u n g z u m S c h u t z des einz e l n e n d u r c h H e r a u s b i l d u n g zahlreicher allgemeiner R e c h t s g r u n d s ä t z e des V e r f a s s u n g s - u n d V e r w a l t u n g s r e c h t s f o r t e n t w i c k e l t . 9 4 N a c h d e m bereits ein e n t s p r e c h e n d e r H i n w e i s in die P r ä a m b e l d e r E i n h e i t l i c h e n E u r o p ä i s c h e n A k t e ( E E A ) v o n 1 9 8 6 a u f g e n o m m e n w o r d e n w a r , 9 5 ist n u n i m ü b r i g e n a u f g r u n d der M a a s t r i c h t e r B e s c h l ü s s e i m Vertrag ü b e r die G r ü n d u n g einer E u r o p ä i s c h e n U n i o n eine a u s d r ü c k l i c h e u n d rechtlich b i n d e n d e V e r p f l i c h t u n g der g e p l a n t e n U n i o n v o r g e s e h e n , die G r u n d r e c h t e z u a c h t e n , w i e sie „in d e r a m 4 . N o v e m b e r 1 9 5 0 in R o m u n t e r z e i c h n e t e n E u r o p ä i s c h e n K o n v e n t i o n z u m S c h u t z e der M e n s c h e n r e c h t e u n d G r u n d f r e i h e i t e n g e w ä h r l e i s t e t sind u n d w i e sie sich aus d e n g e m e i n s a m e n V e r f a s s u n g s ü b e r l i e f e r u n g e n d e r Mitgliedstaaten e r g e b e n " . 9 6 A b e r bereits h e u t e sind auf G r u n d e u r o p ä i s c h e n R i c h t e r r e c h t s 9 7 n e b e n w i r t s c h a f t s b e z o g e n e n G r u n d r e c h t e n , wie d e r B e r u f s f r e i h e i t u n d d e m E i g e n t u m s schutz, rechtstaatlich-elementare Grundrechte auch mit explizitem B e z u g z u m S c h u t z d e r P e r s ö n l i c h k e i t , w i e z. B . die W ü r d e des M e n s c h e n , 9 8 die M e i n u n g s freiheit, 9 9 d i e R e l i g i o n s f r e i h e i t , 1 0 0 der allgemeine G l e i c h h e i t s s a t z , 1 0 1 d e r S c h u t z

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S. 1; J. Schwarze, Das Verhältnis von deutschem Verfassungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des Grundrechtsschutzes im Spiegel der deutschen Rechtsprechung, EuGRZ 1986, S. 293, 294 m.w.N.; BVerfGE 73, S. 339 („Solange II"); U. Everling, Brauchen wir „Solange III"?, EuR 1990, S. 195, 202ff. Vgl. J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Baden-Baden 1988, 2 Bände. Präambel der EEA vom 26. Februar 1986, BGBl II S. 1102, 1986, ABl. 1987, Nr. L 169/1: „Entschlossen, gemeinsam für die Demokratie einzutreten, wobei sie sich auf die in den Verfassungen und Gesetzen der Mitgliedsstaaten, in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Europäischen Sozialcharta anerkannten Grundrechte, insbesondere Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, stützen", haben die vertragsschließenden Parteien beschlossen . . . Vgl. Art. F Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 9. Vgl. etwa J. Schwarze, Das Verhältnis von deutschem Verfassungsrecht und eu-

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ropäischem Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des Grundrechtsschutzes im Spiegel der jüngsten Rechtsprechung, EuGRZ 1983, S. 117; siehe ders., Schutz der Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft, EuGRZ 1986, S. 293, 294 m.w.N.; vgl. auch die Zusammenstellung bei W. Hummer/B. Simma/C. Vedder/F. Emmert, Europarecht in Fällen, Baden-Baden, 1991, S. 144 ff. Rs 29/69, Stauder ./. Stadt Ulm, EuGH, Urteil vom 12. November 1969, Amtl. Slg. 1969, S. 419. Verb. Rs 43 u. 63/84, Flamische Bücher, EuGH, Urteil vom 17. Januar 1984, Amtl. Slg. 1984, S. 19 ff; ferner zu den Grenzen des Schutzes der Meinungsfreiheit kraft Gemeinschaftsrechts Rs C-159/90 S. Grogan./. The Society for the protection of Unhorn Children Ireland Ltd., EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991. Rs 130/75, Prais ./. Rat, EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1976, Amtl. Slg. 1976, 5. 1589 ff. Verb. Rs 17 u. 20/61, Klöckner u.a. ./. Hohe Behörde (Schrottumlage), EuGH, Urteil vom 13. Juli 1962, Amtl. Slg. 1962, S. 653 ff.

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der Persönlichkeits- und Privatsphäre 102 und das Prinzip des fairen Verfahrens im Gemeinschaftsrecht anerkannt. 103 Die Methode seiner eigenen richterlichen Rechtsgewinnung 104 hat der Gerichtshof dabei insbesondere in dem grundlegenden Urteil Hauer aus dem Jahre 1979 näher erläutert. Der E u G H orientiert seine Rechtsprechung maßgeblich an den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, so wie sie in den Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten und in den internationalen Verträgen zum Schutz der Menschenrechte, besonders der EMRK, anerkannt und garantiert werden. Die so gewonnenen Regeln fügt er den Zwecken der Gemeinschaft entsprechend („gemeinschaftsadäquat") in das europäische Gemeinschaftsrecht ein.105 Als Reaktion auf die fortentwickelte und verfeinerte europäische Grundrechtsrechtsprechung sah das Bundesverfassungsgericht sodann in einer Art „umgekehrtem Solange-Beschluß" seine Grundrechtszweifel als prinzipiell überwunden an und stellte entsprechend fest: „Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften, einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzusetzen ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendung von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen." 106

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Rs 136/79, National Panasonic ./. Kommission, E u G H , Urteil vom 26. Juni 1980, Amtl. Slg. 1980, S. 2033 ff; verb. Rs 46/87 u. 227/88, Hoechst ./. Kommission, E u G H , Urteil vom 21. September 1989, Amtl. Slg. 1989, S. 2859 ff. Rs 98/79, Pecastaing ./. Belgien, E u G H , Urteil vom 5. März 1980, Amtl. Slg. 1980, S. 691; Rs 222/86, G. Heylens ./. UNECTEF, E u G H , Urteil vom 15-Oktober 1987, Amtl. Slg. 1987, S. 4097; Rs 191/81, FEDJOL ./. Kommission, E u G H , Urteil vom 4. Oktober 1983, Amtl. Slg. 1983, S. 2913. Dazu näher J. Schwarze, Die Befugnis zur Abstraktion im europäischen Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden 1976, S. 105 ff. Rs 44/79, Hauer ./. Land Rheinland-Pfalz, E u G H , Urteil vom 13. Dezember 1979, Amtl. Slg. 1979, S. 3727, 3728, Leitsatz 3

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m. Anm. B. Beutler, EuR 1980, S. 130, 131; vgl. zur Entwicklung der Rspr. des E u G H hinsichtlich der Grundrechte: B. Beutler/R. Bieber/]. Pipkorn/J. Streil, Die Europäische Gemeinschaft, aaO (Fn. 85), S. 219 ff; F. Capelli, I principi generali come fonte di diritto, Diritto Comunitario e degli Scambi Internazionali 1986, S. 541 ff; H. Rasmussen, Between Self-Restraint and Activism: A Judicial Policy for the European Court, ELR 1988, S. 28 ff. BVerfGE 73, 339, 340 („Solange II"); BVerfGE 75, S. 233; BVerfGE 76, S. 93 ff ( E u G H als gesetzlicher Richter); vgl. auch die Entscheidung zum Nachtarbeitsverbot BVerfGE, Urteil vom 28.1.1992, zu §19 AZO, - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, in Auszügen abgedruckt in NJW 1992, S. 964 ff.

30 In jüngster Zeit hat das Thema der Beziehungen von deutschem Verfassungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht gleichwohl in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und mehr noch in einzelnen Äußerungen des Schrifttums eine Neubelebung erfahren. 107 Vor dem BVerfG sind zwei Anträge gescheitert, die darauf abzielten, durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Mitwirkung der Bundesregierung bei der Verabschiedung gemeinschaftsrechtlicher Gesetzgebungsakte zu untersagen. 108 In der Literatur sind erneut Zweifel erhoben worden, ob der vom E u G H erarbeitete europäische Grundrechtsstandard ausreichend sei, um auf eine jedenfalls ergänzende Kontrolle durch das BVerfG bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrechtsakten in deutsches Recht verzichten zu können. 109 Aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts besteht aber kein Anlaß, den in dem „Solange II"-Beschluß des BVerfG 110 erzielten Ausgleich zwischen den Erfordernissen der europäischen Integration und den Geboten des deutschen Grundgesetzes erneut in Frage zu stellen.111 Auch erscheint es in einer rechtsvergleichenden Betrachtung wenig sinnvoll, hinter der Linie zurückzubleiben, die neuerdings auch von denjenigen nationalen Gerichten akzeptiert wird, die wie etwa der französische Conseil d'Etat dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts traditionell eher ablehnend oder jedenfalls zögernd gegenüberstanden. 112

K. H. Friauf/R. Scholz, Europarecht und Grundgesetz, Berlin 1990, mit kritischer Besprechung P. Badura, AöR (115) 1990, S. 525; R. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden 1989, mit kritischer Besprechung Ch. Tomuschat, DöV 1990, S. 672 f; ferner R. Scholz, Wie lange bis „Solange III"?, NJW 1990, S. 1990 ff; kritisch zu den erwähnten literarischen Äußerungen ebenfalls U. Everling, Brauchen wir „Solange III"?, EuR 1990, S. 195 ff sowie Ch. Tomuschat, Aller guten Dinge sind III? - Zur Diskussion um die Solange-Rechtsprechung des BVerfG, EuR 1990, S. 340 ff. los Vgl. die Entscheidungen des BVerfG vom 11.04.1989 - Rundfunkrichtlinie - , BVerfGE 80, S. 74 f, und vom 12.05.1989 - Tabakrichtlinie - , EuR 1989, S. 270 ff, dazu G. Nicolaysen, Tabakrauch, Gemeinschaftsrecht und Grundgesetz, EuR 1989, S. 215 ff. 109 Vgl. die Nachweise oben Fn. 107.

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BVerfGE 73, S. 339 ff, EuR 1987, S. 51 ff. Vgl. besonders U. Everling, EuR 1990, S. 195 ff; auch der Präsident des BVerfG, R. Herzog, hält die richterliche Kontrolle

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von EuGH und BVerfG jedenfalls bei der Auslegung der spezifisch wirtschaftlichen Grundrechte wie Art. 12 und Art. 14 (Berufs- und Eigentumsfreiheit) für einander ebenbürtig, vgl. seinen Beitrag „Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen des Binnenmarktes aus deutscher Sicht", in: Bitburger Gespräche 1990, Jahrbuch der Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 1, 3. Ablehnung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts durch den C.E. etwa in dessen Urteil vom 1.3.1968, EuR 1968, S. 317; neuerdings hat der C. E. demgegenüber den Vorrang des Gemeinschaftsrechts bejaht. Siehe den Beschluß vom 20.10.1989 (Nicolo), Ree. 1990, S. 190; EuR 1990, S. 62; EuGRZ 1990, S. 99; dieser Beschluß ist inzwischen durch die Entscheidung Boisdet vom 24.9.1990, EuZW 1991, S. 124 ff, bestätigt worden, wo der C.E. den Vorrang von Verordnungen der Gemeinschaft bejaht hat. Dazu R. Stotz, Vorrang des Gemeinschaftsrechts, Anmerkungen zum Boisdet-Urteil des Conseil d'Etat, EuZW 1991, S. 110 ff; ]. L. Dewost, Vorrang internationaler Verträge auch vor nachfolgenden nationalen Geset-

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Ein Einbruch in die eigene Rechts- und Verfassungsordnung wird um so bedenklicher erscheinen, je mehr man sich vom Bilde eines potentiell allzuständigen Staates leiten läßt, der nach wie vor seine öffentlichen Angelegenheiten allein und in eigener Regie meistern könne. Wenn demgegenüber wahrgenommen wird, wieviele politische, wirtschaftliche und soziale Aufgaben heute nur noch in grenzüberschreitender internationaler Zusammenarbeit bewältigt werden können, wenn also die Vorstellung von der „überstaatlichen Bedingtheit des Staates" 113 in das Bewußtsein tritt, so erscheinen auch Einbußen an eigener staatlicher Hoheitsentfaltung und die durch internationale Kooperation bedingte Unterwerfung unter ein internationales Rechtsregime weit weniger als Eingriffe in die Identität und Struktur des eigenen Verfassungssystems. 114 Getreu dem eigenen Vorsatz im „Solange II"-Beschluß 115 ergibt sich für das BVerfG künftig die Konsequenz, entweder auf eine ergänzende Kontrolle am Maßstab der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes mit Rücksicht auf die Grundrechtskontrolle durch den EuGH in concreto zu verzichten oder angesichts einstweilen kaum vorstellbarer neuer Entwicklungen von dem Vorbehalt allgemein Gebrauch zu machen und den Grundrechtsstandard des EuGH für die Zukunft nicht mehr zu akzeptieren. Im Einzelfall bleibt also für das BVerfG zu einer ergänzenden Korrektur grundsätzlich kein Raum. Wenn das BVerfG im Beschluß zur Tabak-Etikettierungsrichtlinie entschieden hat, daß die Frage, ob der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung im Rahmen des ihm von einer EG-Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraums deutsche Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt habe, „in vollem Umfang verfassungsgerichtlicher Uberprüfung" 116 unterliege, so ist diese Formulierung selbst interpretationsbedürftig. Soweit es um die Vorgaben durch EG-Recht selbst geht, ist - wie auch das BVerfG in seinem Beschluß einräumt - allein der EuGH zur grundrechtlichen Uberprüfung zuständig. Nur soweit innerhalb des vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten Spielraums nationale Ausführungsmaßnahmen getroffen werden, bleibt für einen ergänzenden Rechtsschutz durch das BVerfG überhaupt Raum. Dieser Raum verengt sich aber dadurch, daß der deutsche Gesetzgeber gerade durch die spezifische Art und Weise, wie er Gemeinschaftsvorgaben in innerstaatliches Recht umsetzt, deutsche Verfassungsgarantien verletzt haben zen - Zum Urteil Nicolo des französischen Staatsrats vom 20.10.1989, EuR 1990, S. 1 f f , siehe ferner zuletzt M. Fromont, Das Verhältnis zwischen dem nationalen Recht und dem EG- bzw. Völkerrecht in Frankreich, EuZW 1992, S. 46 ff; vgl. auch die den Vorrang des Gemeinschaftsrechts heute grundsätzlich bejahende Haltung des Italienischen Verfassungsgerichtshofs; dazu G. Gaja, New developments in a continuing story: the relationship between EEC law

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and Italian law, CMLRev. 1990, S. 83 ff. W. v. Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, Berlin 1965, S. 186 ff. Hierzu W. v. Simson, Einmischung oder nicht? Zur Durchlässigkeit der europäischen Staatsgrenzen, in: Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, Berlin 1984, S. 774 ff. BVerfGE 73, 339. EuR 1989, S. 270.

32 müßte, um eine Korrektur und Kontrolle durch das BVerfG am Maßstab deutscher Grundrechte auszulösen. Daß dies in der Praxis als äußerst selten einzuschätzen ist, beraubt diese Lösung nicht ihres rechtstheoretischen und rechtsdogmatischen Wertes. 117 Wenn sich in einem solchen Fall der deutsche Gesetzgeber darauf beruft, er habe in Befolgung gemeinschaftsrechtlicher Gebote diese Umsetzung vorgenommen, ist das BVerfG vor Ausübung seiner eigenen materiellen Kontrolle freilich gehalten, zuvor die Auffassung des E u G H im Vorabentscheidungsverfahren darüber einzuholen, ob das Gemeinschaftsrecht so auszulegen ist, daß es dem nationalen Gesetzgeber keinen anderen Weg läßt als den Verstoß gegen die eigenen Grundrechte. 1 1 8 Insoweit obliegt es dann dem E u G H zu überprüfen, ob das Gemeinschaftsrecht überhaupt zu einer Verletzung deutscher Grundrechte bei der Umsetzung von Gemeinschaftsvorgaben zwingt oder ob nicht eine Interpretation des Gemeinschaftsrechts möglich ist, die eine Verletzung der deutschen Grundrechte von vornherein ausschließt. Dieses Verfahren ähnelt im Ergebnis der vom britischen House of Lords praktizierten Auslegungsmethode. Sie besteht darin, einen Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht dadurch zu vermeiden, daß nationales Recht als Regel jedenfalls so interpretiert wird, daß das (britische) Parlament einen Verstoß gegen europäische Grundsätze nicht gewollt haben könne. 119

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A. Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl., Köln 1990, Rz 167 ff; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1990, S. 236. In seiner Entscheidung zum Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen hat das BVerfG kürzlich eine Vorlage gemäß Art. 100 GG mit der Begründung für entbehrlich erklärt, die einschlägige Rechtsprechung des EuGH habe bereits zur innerstaatlichen Unanwendbarkeit des entsprechenden Verbots in Deutschland geführt. Damit hat das BVerfG seine im „Solange II"Beschluß eingeschlagene Linie eindrucksvoll bekräftigt und den Gleichklang von deutscher und europäischer Grundrechtsrechtsprechung bestätigt. BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - NJW 1992, S. 964 ff. Ein Beispiel für ein solches Vorgehen bietet besonders das Urteil des EuGH im Fall Stauder gegen Stadt Ulm. Hier war nach Gemeinschaftsrecht darüber zu entscheiden, ob für die verbilligte Abgabe von Butter aus Gemeinschaftsbeständen an Sozialhilfeempfänger eine persönliche Namensangabe erforderlich war. Der Gerichts-

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hof hat hier - nach allgemeiner Anerkennung der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht - in concreto einen Grundrechtsverstoß mit der Begründung verneint, die fragliche Gemeinschaftsregelung schreibe gar keine persönliche Namensnennung vor. Damit war auch der Vorwurf eines Eingriffs in die Menschenwürde bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht ausgeschlossen. Rs 29/69, Stauder ./. Stadt Ulm, EuGH, Urteil vom 12.11.1969, Amtl. Slg. 1969, S. 419 ff, EuR 1970, S. 39 m. Anm. C.-D. Ehlermann. Dazu etwa D. Lasok/J. W. Bridge, Law and institutions of the European Communities, 5. Aufl., London/Dublin/Edinburgh 1991, S. 427f mit Nachweisen aus der Rspr; weitere Nachweise bei J. Schwarze, Verfassungsentwicklung in der Europäischen Gemeinschaft, in: J. Schwarze/R. Bieber, Eine Verfassung für Europa, Baden-Baden 1984, S. 15, 29; siehe ferner Lord Bridge of Harwich, Attempts towards a European Constitution in the light of the British legal system, ebenda, S. 115 ff und Sir Gordon Slynn, ebenda, S. 121.

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c) Die deutsche Bundesstaatlichkeit im europäischen Integrationsprozeß Es gehört zu den Folgen der Übertragung von Hoheitsrechten, daß die Gemeinschaftsorgane im Rahmen der ihnen vertraglich eingeräumten Gesetzgebungsbefugnis in die Kompetenz der Bundesländer eingreifen können, ohne daß diesen dabei eine weitere Mitwirkungsbefugnis zustünde. Die mögliche Reichweite eines solchen Eingriffs wurde den Ländern spätestens durch das Grünbuch der EG-Kommission „Fernsehen ohne Grenzen" vor Augen geführt. 120 Es ist daher verständlich, daß besonders die möglichen Folgen für die bundesstaatliche Kompetenzverteilung als ein zentrales Problem im Zusammenhang mit der beabsichtigten Europäischen Politischen Union diskutiert werden. 121 Was die heutige Verfassungsrechtslage anbetrifft, so kann der Bund, wie zuvor erwähnt, 122 im Rahmen des Art. 24 Abs. 1 G G auch Länderkompetenzen übertragen. Das föderale Prinzip als „nur" innerstaatliches Zuordnungsprinzip zwischen Bund und Ländern stellt keine Schranke für die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen dar.123 Weit weniger eindeutig ist die Frage zu beantworten, ob und in welcher Form die Länder gegebenenfalls bei der Übertragung von Länderhoheitsrechten zu beteiligen sind. Damit ist zunächst der Aspekt der Mitwirkung des Bundesrates bei der Übertragung von Hoheitsrechten durch Gesetz gemäß Art. 24 Abs. 1 G G angesprochen. Der Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 G G sieht auch für den Fall der Übertragung von Hoheitsrechten der Länder eine Zustimmung des Bundesrates nicht vor. Dies steht im Gegensatz zu Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG, der bei völkerrechtlichen Verträgen - im Rahmen des Vertragsgesetzes - die Möglichkeit eines Zustimmungsrechts des Bundesrates statuiert.124 Die Spannung zwischen den beiden Verfassungsvorschriften tritt dann hervor, wenn der Übertragung von Hoheitsrechten - wie regelmäßig - ein völkerrechtlicher Vertrag zugrunde liegt. Nach wohl überwiegender Ansicht, wenn auch mit dogmatisch unterschiedlichen Begründungen, geht in diesen Fällen Art. 24 Abs. 1 G G als die speziellere Regelung vor. Das bedeutet, daß das Übertragungsgesetz, auch bei der Übertragung von Länderhoheitsrechten, nicht von

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Kom D o k (84), S. 300 endg.; }. Schwarze (Hrsg.), Fernsehen ohne Grenzen, BadenBaden 1985; ders., Rundfunk und Fernsehen im Lichte der Entwicklung des nationalen und des internationalen Rechts, Baden-Baden 1986; siehe in diesem Zusammenhang auch den Beitrag von W. Hoffmann-Riem, Rundfunk in Europa zwischen Wirtschaftsund Kulturfreiheit, in: G. Nicolaysen/H. Quaritsch (Hrsg.), Lüneburger Symposium für H. P. Ipsen zur Feier des 80. Geburtstags, Baden-Baden 1988, S. 75 ff. Vgl.

etwa

Chr.

Starck,

Stärkere

Bun-

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desländer für Europa, FAZ v. 25.2.1992, Nr. 47, S. 13. Chr. Starck, ebenda. Ch. Tomuschat, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 25; K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I, S. 535 ff. Siehe dazu im einzelnen O. Rojahn, in: I. v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., München 1983, Art. 59 Rz 30 f; vgl. auch G. Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur EEA, EuGRZ 1987, S. 361 ff.

34 der Zustimmung des Bundesrates abhängt. Die Mitwirkung des Bundesrates ist auf die Möglichkeit des Einspruchs beschränkt. 125 Neben dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 G G spricht auch die Entstehungsgeschichte für die soeben wiedergegebene Auffassung. Der Antrag auf Einführung eines Zustimmungsvorbehaltes zugunsten des Bundesrates ist im Parlamentarischen Rat abgelehnt worden. 126 Angesichts dieses Interpretationsstandes zu Art. 24 Abs. 1 G G hat die Enquete-Kommission Verfassungsreform des Bundestages 1976 vorgeschlagen, in Art. 24 Abs. 1 G G einen Zustimmungsvorbehalt des Bundesrates bei der Übertragung von Länderkompetenzen einzuführen. 127 Die Grenzen, innerhalb derer Art. 24 Abs. 1 G G eine entwicklungsfähige Zusammenarbeit im Rahmen der europäischen Integration erlaubt, ergeben sich aus der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, die Identität 128 der Verfassung selbst zu bewahren. In bezug auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern muß die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts wohl so verstanden werden, daß eine über Art. 24 Abs. 1 G G zu bewirkende Integration jedenfalls nicht zu einer Aufhebung der Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Länder und deren Degradierung als autonomer politischer Entscheidungseinheiten führen darf.129 Aber bereits unterhalb der Schwelle einer Auflösung der Bundesstaatlichkeit stellt sich die Frage, auf welchem Weg die Länder sich am Willensbildungsprozeß im Rahmen des gemeinschaftlichen Gesetzgebungsverfahrens beteiligen können. Eine unmittelbare Mitwirkung der Länder bei der Willensbildung der Gemeinschaftsorgane ist dabei allerdings nach der geltenden Vertragslage von vorn-

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Ch. Tomuschat, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 29; H. E. Birke, Die deutschen Bundesländer in den Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1973, S. 97 ff, 99; siehe ferner K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I., S. 534; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 60; P. Badura, Besprechung von K. H. Friauf/R. Scholz, Europarecht und Grundgesetz, Berlin 1990, in: AöR (115) 1990, S. 525, 527. JöR n. F. Bd. 1 (1951), S. 228, dazu im einzelnen H. E. Birke, aaO (Fn. 125), S. 97. BT-Drucksache 7/5924, Kap. 14, Abschn. 2.3. - abweichendes Sondervotum (keine Grundgesetzergänzung) W. Kewenig. „Solange I", Beschluß des BVerfG vom 29. Mai 1974, BVerfGE 37, S. 271 ff; „Solange II", Beschluß des BVerfG vom 22. Oktober 1986, BVerfGE 73, S. 339, 375 f; hierzu auch H. P. Ipsen in seiner Rede anläßlich der

Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität des Saarlandes (maschinenschriftliches Redemanuskript S. 14): „Es fragt sich, ob das Bundesverfassungsgericht im anhängigen Verfahren von acht Ländern um die Rundfunkrichtlinie das bundesstaatliche Prinzip des Art. 79 III G G uneingeschränkt den Identitätsmerkmalen der Verfassung zurechnen und folglich die Ubertragungskompetenz des Art. 24 I G G entsprechend begrenzen wird". 129

G. Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ, 1986, S. 549, 555; ähnlich Ch. Tomuschat, aaO (Fn. 71), Art. 24 Rz 68 a; K. Stern, aaO (Fn. 4), Bd. I, S. 536; G. Schwan, Die deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 84.

35 herein auszuschließen. Insoweit gilt - in einer Formulierung von Hans Peter Ipsen —, daß die Gemeinschaften und ihre Organe mit „Landes-Blindheit// geschlagen sind". 130 Weder nach der Intention noch nach dem Wortlaut der Gemeinschaftsverträge nehmen diese von den Ländern der Bundesrepublik als staatlich-hoheitlichen Kompetenzträgern Kenntnis. 131 Inwieweit den Ländern künftig auf der Ebene der Gemeinschaft eine eigenständig in Anspruch genommene Repräsentanz zusteht, wird später im Zusammenhang mit der Darstellung der Maastrichter Reformvorschläge behandelt. Es bleibt aber zu untersuchen, ob eine Mitwirkung der Länder bei der vorbereitenden Willensbildung des Bundes in der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft verfassungsrechtlich geboten ist. Von den Ländern wird teilweise die Ansicht vertreten, die Schaffung von Gemeinschaftsrecht, welches zu innerstaatlich unmittelbar anwendbaren Rechtsnormen führe, gehe weit über den durch Art. 32 Abs. 1 G G geschaffenen Rahmen hinaus. 132 In der Konsequenz dieser Argumentation läge es, die Mitwirkung der Länder an Entscheidungen innerhalb der Bundesrepublik entsprechend den Regeln der Art. 30 ff., 70 ff. und 83 ff. G G zu beurteilen. 133 Diese Auffassung muß sich freilich entgegenhalten lassen, daß das Recht der Europäischen Gemeinschaft anerkanntermaßen aus einer autonomen Rechtsquelle fließt und damit eindeutig vom innerstaatlichen Recht zu trennen ist.134 Für diese andersgelagerte rechtliche Konstellation ist die Anwendung der innerstaatlichen Kompetenzvorschriften hinsichtlich der Gesetzgebung weder vorgesehen noch angebracht. Insoweit kommt mangels vergleichbaren rechtlichen Tatbestandes auch eine analoge Anwendung des Art. 32 Abs. 3 GG, wie sie gelegentlich vertreten wird, 135 nicht in Betracht. Dies gilt um so mehr, als den Ländern hier nur eine Kompetenz im Bereich der auswärtigen Gewalt zugebilligt wird, die sich auf den Abschluß völkerrechtlicher Verträge beschränkt. Die Beschlußfassung in einer supranationalen Organisation wie der Europäischen

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H. P. Ipsen, Als Bundesstaat in der Gemeinschaft, in: von Caemmerer/Schlochauer/ Steindorff (Hrsg.), Probleme des europäischen Gemeinschaftsrechts, Festschrift für Walter Hallstein, Frankfurt 1966, S. 248, 256; in der Tendenz ebenso P. Badura, AöR (115) 1990, S. 525 ff. Zu den auf Grund der Maastrichter Beschlüsse neu eröffneten Möglichkeiten, Länderbelange über den zu schaffenden Regionalrat zur Geltung zu bringen, Art. 198 a des künftigen EG-Vertrages, siehe unten Kap. III, 3, b). Zur Neufassung der Zusammensetzung des Rates siehe Art. 146 EGVertrag. G. Schwan, Die deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Ge-

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meinschaften, aaO (Fn. 129), S. 99; D. Blumenwitz, Europäische Gemeinschaft und Rechte der Länder, in: R. Bieber/A. Bleckmann/F. Capotorti u. a. (Hrsg.), Das Europa der zweiten Generation, Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Baden-Baden 1981, S. 215, 227; M. Schröder, Bundesstaatliche Erosionen in der europäischen Integration, JöR 35 (1986), S. 83, 92; F. Ossenbühl, Föderalismus und Regionalismus in Europa, in: F. Ossenbühl (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, BadenBaden 1990, S. 117, 145 ff. M. Schröder, aaO (Fn. 132), S. 93. BVerfGE 22, S. 293, 296; G. Schwan, aaO (Fn. 129), S. 99, 100. G. Schwan, aaO (Fn. 129), S. 107 f.

36 Gemeinschaft kann jedoch nicht mit dem Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages gleichgesetzt werden. 136 Die vom Grundgesetz gewollte internationale Zusammenarbeit in zwischenstaatlichen Einrichtungen i. S. d. Art. 24 G G würde jedenfalls entscheidend behindert, wenn der nach der Übertragung der Hoheitsrechte einsetzende Integrationsprozeß von verschiedenen Akteuren, dem Bund und den Ländern, unmittelbar gelenkt 137 und ggf. widersprüchlich beeinflußt werden könnte. Dies schließt jedoch eine vorbereitende Mitwirkung der Länder bei der vom Bund vorgenommenen Festlegung der Haltung der Bundesrepublik in den Organen der Europäischen Gemeinschaft keineswegs aus, sondern läßt sie vielmehr bundesstaatsrechtlich erwünscht und ggf. sogar geboten erscheinen. Die Länder sind nach dem Grundsatz der Bundestreue 138 verpflichtet, an der innerstaatlichen Umsetzung und zur Durchsetzung primären und sekundären Gemeinschaftsrechts mitzuwirken. 139 Dieser Verpflichtung entspricht eine Pflicht des Bundes, bei allen bevorstehenden Beratungen und Verhandlungen im Rat, durch welche Länderinteressen berührt werden können, die Länder rechtzeitig zu informieren und anzuhören. 140 Es ginge jedoch zu weit, aus der Pflicht der Bundestreue eine strikte rechtliche Bindung des Bundes an die Stellungnahme der Länder herzuleiten. 141 Eine solche Interpretation würde der vom Bund gegenüber den anderen Mitgliedstaaten nach außen wahrzunehmenden Verantwortung in Gemeinschaftsangelegenheiten nicht gerecht. Als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz füllt das Prinzip der Bundestreue die geschriebene Kompetenzverteilung des Grundgesetzes lediglich aus. Letztere ist im Bereich der europäischen Integration durch Art. 24 und 32 G G vorgenommen worden. Die nach Sinn und Entstehungsgeschichte auszulegende Kompetenzzuweisung an

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G. Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, S. 549, 555. Dies schließt eine Interessenwahrnehmung durch Länderbüros etc. in Brüssel nicht aus; vgl. hierzu W, Graf Vitzthum, BadenWürttemberg im bundesstaatlichen und internationalen Bezugsfeld, in: H. Maurer, R. Hendler (Hrsg.), Baden-Württembergisches Staats-und Verwaltungsrecht, Frankfurt a. M. 1990, S. 600, 612. Allgemein zum Inhalt des Prinzips der Bundestreue - BVerfGE 1, 117, 131; 1, 299, 513 f; speziell zur Verpflichtung, an der Umsetzung völkerrechtlicher Verträge mitzuwirken - BVerfGE 6, 309, 328, 361 f; Th. Maunz, in: Th. Maunz/G. Dürig, aaO (Fn. 38), Bd II, Art. 37 Rz 8 ff; E. Stein, Staatsrecht, Tübingen 1988, S. 319 ff; J. Ipsen, Staatsrecht I, Frankfurt a. M. 1989, S. 199 f. G. Ress, Die Europäischen Gemeinschaf-

ten und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, S. 549, 556; im Ergebnis ebenso, freilich mit anderer Begründung H. P. Ipsen, Als Bundesstaat in der Gemeinschaft, in: Probleme des europäischen Rechts, Festschrift für Walter Hallstein, Frankfurt 1966, S. 248, 264: „nicht Bundestreue, sondern aus der Vergemeinschaftung des Gesamtstaates", a. A. G. Schwan, aaO (Fn. 129), S. 167: Bundestreue nur als Auslegungsprinzip. 140

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G. Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, S. 549, 556; H. P. Ipsen, Als Bundesstaat in der Gemeinschaft, aaO (Fn. 130), S. 248, 254; ähnlich E. Grabitz, Die deutschen Länder in der Gemeinschaft, EuR 1987, S. 310, 316 f, der dies allerdings aus Art. 50 G G herleiten will. G. Ress, EuGRZ 1986, S. 549, 556.

37 den Bund kann durch den ungeschriebenen Grundsatz der Bundestreue zwar ergänzt, nicht aber zugunsten der Länder wesentlich verschoben oder geändert werden. 142 Insoweit kann aus dem Grundsatz der Bundestreue auch eine gelegentlich vertretende „Kompetenzkompensation" nicht hergeleitet werden. 143 Das folgt bereits aus dem Begriff „Kompensation", der voraussetzt, daß ein Verlust auszugleichen ist. Soweit aber Art. 24 und Art. 32 GG auch eine Auslagerung von Länderhoheitsrechten ermöglichen, soll in der Abgabe solcher Rechte an die Gemeinschaft gerade kein kompensationspflichtiger Verlust liegen. Aus dem Gebot der Bundestreue 144 läßt sich also nicht mehr herleiten als ein Informations- und Anhörungsanspruch, welcher den Ländern die Möglichkeit eröffnet, ihre Argumente und Ansichten vorzutragen und auf diesem Wege auf die Entscheidung des Bundes einzuwirken. Dem sollte die 1957 bei Abschluß des EWG-Vertrages vorgesehene pragmatische Lösung entsprechen, die eine Verfassungspraxis dahingehend in Aussicht nahm, daß bei Gemeinschaftsrechtsakten, welche Länderbelange berühren, die Länder zu unterrichten seien (Art. 2 Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag). 145 Die Festlegung einer reinen Unterrichtungspflicht hat die Länder freilich häufig nicht zufriedengestellt. Der Spielraum zur Darlegung und Diskussion der Länderstandpunkte wurde von ihnen vielfach als zu eng empfunden. Nach längerer Diskussion anläßlich der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 wurde das Konsultationsverfahren im entsprechenden Zustimmungsgesetz dann näher zugunsten der Länder ausgestaltet. 146 Bemerkenswert ist dabei, daß die Bundesregierung gemäß Art. 2 Abs. 3 Zustimmungsgesetz 147 nur aus unabweisbaren außen- und integrationspoliti-

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Ähnlich im Ergebnis auch G.Ress, EuGRZ 1986, S. 549, 556. M. Schröder, Bundesstaatliche Erosionen in der europäischen Integration, JöR 35 (1986), S. 83/97. Dazu neuestens eingehend H. Bauer, Die Bundestreue, Tübingen 1992. BGBl. II, 1957, S. 753; zur Geschichte vgl. G. Schwan, aaO (Fn. 129), S. 108 f; P. Malanczuk, European affairs and the „Länder" states of the Federal Republic of Germany, CMLRev 1985, S. 237, 242; D. Blumenwitz, Europäische Gemeinschaft und Rechte der Länder, aaO (Fn. 132), S. 215, 217. BGBl. II, 1986, S. 1102; dazu G. Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte, EuGRZ 1987, S. 361 f; W. Wengler, Gedanken zum Mantelgesetz betreffend die Einheitliche Europäische Akte, in: W. Fiedler/G. Ress

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(Hrsg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht, Gedächtnisschrift für W. K. Geck, 1989, S. 947 ff. Art. 2 Abs. 3, 4 Zustimmungsgesetz EEA, BGBl. 1986 II, S. 1102 lautet in den entscheidenden Passagen wörtlich: Abs. 3: „Die Bundesregierung berücksichtigt diese Stellungnahme (die des Bundesrates, Anmerkung der Verfassser) bei den Verhandlungen. Soweit eine Stellungnahme ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betrifft, darf die Bundesregierung hiervon nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen. Im übrigen bezieht sie die vom Bundesrat vorgetragenen Länderbelange in ihre Abwägung ein". Abs. 4: „Im Falle der Abweichung von der Stellungnahme des Bundesrates zu einer ausschließlichen Gesetzgebungsmaterie

38 sehen Gründen von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen darf, soweit ein Vorhaben ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betrifft. Dahinter steht das Bemühen der Länder, die Bundesregierung - ggf. auch rechtlich kontrollierbar - bei der Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte im Rat zu binden. Insgesamt dürfte dieses Verfahren dem Gebot der Bundestreue in vollem Umfang genügen. 148 Allerdings dürfte das Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte auch die Grenze dessen markieren, was unter dem Gesichtspunkt einer verfassungsgemäßen Mitsprache der Länder bei der Gestaltung der auswärtigen Beziehungen des Bundes noch zulässig erscheint. Die gelegentlich vorgebrachte Erwägung, die europäische Gemeinschaftspolitik sei v o n der Außenpolitik in Innenpolitik umgeschlagen, kann hier zu keiner anderen Bewertung führen. Sie setzt sich über die normative Trennung von deutscher Hoheitsgewalt und europäischer Gemeinschaftszuständigkeit hinweg und ist weder durch das deutsche Verfassungsrecht noch durch das Europarecht gerechtfertigt. Wenn die deutschen Bundesländer jetzt aus Anlaß der bevorstehenden Ratifizierung der Maastrichter Beschlüsse weiterreichende Forderungen erheben, erscheinen Bedenken angebracht, und zwar weniger im Hinblick auf das Bemühen der Länder, die jetzt geltende Gesetzeslage künftig mit Verfassungsrang auszustatten als gegen den Vorschlag, zu ihren Gunsten verfassungskräftig erweiterte Mitsprache- und Beteiligungsrechte einzuführen. 149 So verständlich

der Länder und im übrigen auf Verlangen teilt die Bundesregierung dem Bundesrat die Gründe dafür mit". 148 Kritisch, weil die Rechte des Bundes übermäßig einschränkend, etwa G. Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte, EuGRZ 1987, S. 361 ff. 149 Vgl. die Vorschläge in den Bundesratsdrucksachen 550/90 vom 24. August 1990, S. 6 und 680/91 vom 8. November 1991, S. 6, 7. Der Bundesrat fordert insbesondere, daß seinen Stellungnahmen Vorrang zukommen muß, wenn im Schwerpunkt die Zuständigkeiten der Länder berührt sind, ferner eine Länderbeteiligung im Ausschuß der Ständigen Vertreter und weiterer entsprechender Gremien einschließlich der bundesinternen Vorbereitung, soweit Interessen der Länder berührt sind, eine Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Rat durch die Länder dort, wo im Schwerpunkt die Zuständigkeiten der Länder berührt sind, sowie die Zustimmung des Bundesrates bei auf Art. 235 E W G V gestützten

Maßnahmen, vgl. BR-Drucksache 680/91 v. 8.11.1991, S. 5 f. Die Kommission „Verfassungsreform" des Bundesrates hat folgende Neuformulierung des Art. 24 G G vorgeschlagen: „(1) Der Bund kann durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates H o heitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen. (2) In Angelegenheiten dieser Einrichtungen wirken die Länder bei der Willensbildung des Bundes und bei der Wahrnehmung der Rechte mit, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat zustehen. Soweit ihre in diesem Grundgesetz festgelegten Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen berührt werden, erhalten sie die Möglichkeit einer wesentlichen Einflußnahme auf die Willensbildung. Die Rechte, die der Bundesrepublik als Mitgliedstaat zustehen, können die Länder wahrnehmen, wenn im Schwerpunkt ihre in diesem Grundgesetz festgelegten Zuständigkeiten berührt werden. Das Nähere regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. (3) Die Länder können

39 es auch ist, daß die Bundesländer ihre Eigenstaatlichkeit und die ihnen verbleibenden Bereiche autonomer Aufgaben gegen deren Verlust an die fortschreitende Integration verteidigen wollen, so entstehen doch durch ausgedehntere Mitsprache- und Beteiligungsrechte erhebliche und letztlich überwiegende Gefahren für die notwendige Handlungsfähigkeit des Bundes bei der Teilnahme an der europäischen Gestaltung. 150 Im gesamtstaatlichen Interesse darf im Konflikt widerstreitender Verfassungsprinzipien (bundesstaatliche Mitsprache der Länder und Regierungsverantwortung des Bundes in Gemeinschaftsangelegenheiten) die erforderliche Flexibilität des Regierungshandelns beim Mitberaten und -entscheiden auf Gemeinschaftsebene nicht verlorengehen. Den Bund zugunsten der Länder nicht als maßgebliche Instanz in Gemeinschaftsangelegenheiten anzusehen, würde sich langfristig auch zu Lasten der Länder auswirken.

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zu zwischenstaatlichen Einrichtungen Beziehungen unterhaken und bei ihnen eigene Vertretungen einrichten. (4) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können auch sie mit Zustimmung der Bundesregierung durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche oder interregionale Einrichtungen übertragen". So auch U. Everling, in: Kulturhoheit der Länder und Bildungspolitik der Eu-

ropäischen Gemeinschaft, Landtag BadenWürttemberg (Hrsg.), 28. September 1990, S. 29, der insbesondere darauf hinweist, daß die Bundesrepublik Deutschland ihr Verfassungsziel einer europäischen Integration nur erreichen kann, wenn sie im Kreise der Mitgliedsstaaten zu einer flexiblen Kooperation in der Lage ist; zu Recht betont Everling, daß sich alle Verfassungsorgane diesem Ziel unterordnen müssen.

III. Verfassungsperspektiven jenseits des Binnenmarktes Der Binnenmarkt ist vielfach nur als eine Etappe auf dem Weg zu einer Politischen Union in Europa gedacht. Bereits von den Römischen Verträgen, insbesondere vom Gemeinsamen Markt des EWG-Vertrages, erhoffte man sich einen „spill-over"-Effekt in Richtung auf eine politische Integration der Mitgliedstaaten. 151 Die Einheitliche Europäische Akte hat Europa diesem Ziel ein beträchtliches Stück nähergebracht. 152 Aber auch sie weist, abgesehen von der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), 1 5 3 eine vorrangig ökonomische Zielsetzung 154 auf. Mit den Beschlüssen der Regierungskonferenz von Maastricht 155 vom 10. Dezember 1991 wurde hingegen der Rahmen für zukünftige Entwicklungen weiter und ehrgeiziger gesteckt. Durch Vertrag soll das Ziel einer Europäischen Union verbindlich festgelegt werden. Allerdings versteht sich der beabsichtigte Vertrag über eine Europäische Union selbst wiederum nur als Teil eines fortlaufenden Einigungsprozesses, 156 der noch nicht abgeschlossen ist.

G. Nicolaysen, Europarecht I, Baden-Baden 1991, S. 20; Tb. Oppermann, Europarecht, München 1991, Rz 24 - entsprechend der These vom „spill-over-Effekt" führt sektorale Integration zur Verflechtung immer weiterer Bereiche und schließlich zum Endstadium einer allgemein-politischen Föderation. 152 Nach anfänglichen Zweifeln (siehe besonders P. Pescatore, Die Einheitliche Europäische Akte - eine ernste Gefahr für den Gemeinsamen Markt?, EuR 1986,119 ff) hat sich hier später insgesamt eine positive Bewertung durchgesetzt; Lady D. Elles, The innovations introduced by the SEA: Some big steps forward, in: Legislation for Europe 1992, J. Schwarze (Hrsg.), Baden- Baden 1987, S. 45 ff; A. Dashwood, Majority voting in the Council, ebenda, S. 79 ff;J.-L. Dewost, Le röle de la Commission dans le 151

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processus législatif, ebenda, S. 85 ff. G. Jannuzzi, La Coopération Politique Européenne, in: J. Schwarze (Hrsg.), The external relations of the EEC, Baden-Baden 1989, S. 11 ff. Zur primär ökonomischen Zielsetzung etwa J. Schwarze, Einführung, in: R. Bieber/ J. Schwarze (Hrsg.) Das europäische Wirtschaftsrecht vor den Herausforderungen der Zukunft, Baden-Baden 1985, S. 9 ff; zu den verschiedenen Regelungsbereichen der EEA vgl. H.-J. Glaesner, Die EEA - Versuch einer Wertung, ebenda, S. 9 ff. Text des Vertrages zur Gründung einer Europäischen Union vom 12. Februar 1992, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992. Zur Erklärung des europäischen Einigungs-

42 U m die grundsätzlichen Auswirkungen dieser europäischen Verfassungsreform auf das deutsche Verfassungsrecht einschätzen zu können, soll zunächst die Gestalt der geplanten Europäischen Union näher beschrieben werden. Sodann ist darzulegen, in welchen Bereichen der Europäischen Gemeinschaft, die künftig das Kernstück der Europäischen Union ist, neue Zuständigkeiten zuwachsen müßten. Mit dem Kompetenzzuwachs der Gemeinschaft ist die Frage verknüpft, wie sich die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gemeinschaftsorganen, insbesondere zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament entwickeln wird. Damit sind die maßgeblichen Gesichtspunkte benannt, anhand derer sich die europäische Verfassungsentwicklung einigermaßen verläßlich einschätzen läßt. Einstweilen liegen freilich als Ergebnis von Maastricht nur Beschlüsse der Regierungen der Mitgliedstaaten vor. Eine rechtlich bindende Kraft für die Verfassungsentwicklung in der Gemeinschaft können sie erst erhalten, wenn die beabsichtigten Vertragsänderungen von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind (Art. 236 EWGV). Hier kann es nicht darauf ankommen, für jede Spezialfrage oder jede in den Einzelheiten noch gar nicht absehbare Entwicklung eine detaillierte verfassungsrechtliche Beurteilung zu liefern. Vielmehr geht es allein darum, den Einfluß zu kennzeichnen, den die jetzt in ihren Grundzügen zu Tage tretende mittelfristige europäische Verfassungsentwicklung für das deutsche Verfassungsrecht haben wird.

1. Die Gestalt der Europäischen Union Die Europäische Union ist zwar noch nicht der europäische Bundesstaat, wie er Walter Hallstein vorschwebte. 1 5 7 Dieser Begriff verleiht aber einer föderalen Ordnung Europas 1 5 8 jedenfalls deutlichere Konturen. Die Europäische Union stellt nach den Maastrichter Beschlüssen eine Stufe „bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden" (Art. A UnionsV). Zusammen mit dem an anderer Stelle näher zu behandelnden Subsidiaritätsprinzip 159 gewinnt damit der Entwurf eines föderalistisch strukturierten Europas Gestalt, auch wenn der eigentliche Begriff mit Rücksicht auf seinen eher gegenteiligen Bedeutungsgehalt in Großbritannien im Unionsvertrag nun nicht ausdrücklich verwendet wird. 160

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geschehens als Prozeß siehe ]. Schwarze, Konzeption und Entwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Basler Juristische Mitteilungen, 1992, S. 1, 12. W. Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat, Düsseldorf 1969, S. 39 ff. Zur Bedeutung des Föderalismus in Europa siehe u.a. F. Ossenbühl (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, Baden-

Baden 1990 m.w.N. 1 5 ' Vgl. unten Kap. III, 2, a). 160 £>; e Verständigungsschwierigkeiten über den Inhalt des Prinzips Föderalismus führten dazu, daß der Begriff „föderal" (federal) in Maastricht von der Konferenz in den Eingangsartikeln für die Politische Union gestrichen wurde. Vgl. Wortlaut des Vertrages über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 7, Titel I, Art. A.

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Den Kern der Union bilden die bestehenden Europäischen Gemeinschaften Euratom (EAG), die Montanunion (EGKS) sowie die künftig in „Europäische Gemeinschaft" umbenannte Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Daneben soll eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Fragen der inneren Angelegenheiten und der Justiz sowie auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik ins Leben gerufen werden. Auf diesen drei Säulen ruht das gemeinsame Dach der Europäischen Union. Sie ist allerdings - im Gegensatz zu den Gemeinschaften - selbst nicht rechtsfähig. Die Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane, mit Ausnahme des EuGH, erstreckt sich auch auf die Europäische Union. Politisches Leitungsgremium ist der Europäische Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten der Kommission zusammensetzt. Unterstützt wird der Rat von den Außenministern und einem Kommissionsmitglied. Trotz der organisatorischen und personellen Verschränkung der Union mit den Institutionen der drei Gemeinschaften tragen die für sie geltenden Beschlußverfahren stark intergouvernementale Züge. Dies kommt sowohl bei den vereinbarten Verfahren zur Koordinierung der Außen- und Sicherheitspolitik als auch bei der Zusammenarbeit in Fragen der inneren und Justizangelegenheiten zum Ausdruck. Hier wurde - jedenfalls zunächst - bewußt auf die weiterreichenden Verfahren und Handlungsformen der Europäischen Gemeinschaft verzichtet. Die Einbußen an staatlicher Souveränität sind insofern also begrenzt. Insbesondere die Asylpolitik und Fragen der Einwanderung aus Drittstaaten sind lediglich „Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse" im Rahmen der Zusammenarbeit der Unionsmitglieder in den Bereichen Justiz und Inneres. 161 Allerdings soll in Zukunft die Europäische Gemeinschaft darüber entscheiden, welche Angehörigen von Drittstaaten zur Einreise in die Europäische Gemeinschaft ein Visum benötigen (Art. 100 c EG-Vertrag). Dennoch haben sich damit die Hoffnungen mancher Staaten - wie etwa der Bundesrepublik Deutschland - auf eine weitergehende Einbeziehung dieser Sachgebiete in den Kreis der Gemeinschaftszuständigkeiten nicht erfüllt. Es erweist sich angesichts divergierender tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslagen in den Mitgliedstaaten offenbar als sehr schwierig, insoweit eine gemeinsame Konzeption zu entwickeln und durchzusetzen. Im Vordergrund der gegenwärtig angestellten Überlegungen stehen gemeinsame Vorkehrungen, den Mißbrauch des Asylrechts zu verhindern, ohne dessen humanitäres Anliegen zu gefährden. Mittel- bis langfristig wird jedoch eine Harmonisierung des Asylrechts der Mitgliedstaaten unumgänglich sein. Die Europäische Union begründet mit der „Unionsbürgerschaft" 162 einen Status, der für den einzelnen ebenso wie für die Mitgliedstaaten von erheblicher Bedeutung ist. Sie soll im Vertrag über die Europäische Gemeinschaft näher ausgeformt werden. Unionsbürger soll sein, wer die Staatsangehörigkeit Titel VI, Art. K. 1 des Unionsvertrages. 162 Vgl. Art. 8, 8 a - e des Vertrages über die Eu161

ropäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 15.

44 eines Mitgliedstaats der Union besitzt. Jeder Unionsbürger hat u.a. prinzipiell das Recht, sich im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Ferner kann er sich mit Petitionen an das Europäische Parlament wenden (Art. 138 d EG-Vertrag) sowie Beschwerden an einen vom Parlament zu ernennenden Bürgerbeauftragten richten (Art. 138 e EG-Vertrag). Darüber hinaus genießt er in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive kommunale Wahlrecht. 163 Allerdings muß der Rat bis zum 30. Dezember 1994 noch die Modalitäten des Kommunalwahlrechts festlegen, wobei er Ausnahmeregelungen vorsehen kann, die durch besondere Probleme eines Mitgliedstaats gerechtfertigt sind. Für die Bundesrepublik ergibt sich nun die Situation, die das Bundesverfassungsgericht in seiner ablehnenden Entscheidung zum Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein bereits in Betracht gezogen hat. 164 Danach wäre die E G weite Einführung eines kommunalen Ausländerwählrechts, für die Art. 28 Abs. 1 G G geändert werden müßte, an der Vorschrift des Art. 79 Abs. 3 G G zu messen. Daran soll freilich nach Auffassung des Verfassungsgerichts im Ergebnis die Einführung eines Kommunalwahlrechts für Ausländer im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft nicht scheitern. 165 Allerdings handelt es sich bei dem Hinweis des B V e r f G nur um ein obiter dictum, das zudem nicht frei von dogmatischen Unklarheiten ist. Im Mittelpunkt der Entscheidung des BVerfG steht Art. 28 Abs. 1 G G , der bestimmt, daß das „Volk" in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben muß. Nach Ansicht des Gerichts entspricht der Volksbegriff in Art. 28 Abs. 1 G G demjenigen in Art. 20 Abs. 2 GG. 1 6 6 Die letztgenannte Bestimmung enthält nach Auffassung des Verfassungsgerichts nicht nur die allgemeine Umschreibung des Grundsatzes der Volkssouveränität. Vielmehr bestimme diese Vorschrift darüber hinaus, daß mit dem Begriff „Volk" das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland gemeint sei, das grundsätzlich durch die deutsche Staatsangehörigkeit von anderen Personengruppen abge-

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Die Auffassung von E.-W. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, Frankfurt a. M. 1991, S. 314, ein Ausländer sei, „politisch gesehen, . . . Gast" in der Bundesrepublik, wird sich spätestens mit Inkrafttreten des Unionsvertrages zumindest für EGAusländer nicht mehr halten lassen. Durch die Unionsbürgerschaft gewinnt die ökonomische und politische „Schicksalsgemeinschaft" der Europäer eine rechtliche Gestalt, die nahezu gleichwertig an die Seite der Staatsangehörigkeit tritt und deren Bedeutung zunehmend relativieren wird.

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Entscheidung BVerfG vom 31. Oktober 1990, BVerfGE 83, S. 37 ff. Die maßgebliche Passage der Entscheidung über das schleswig-holsteinische Gesetz zur

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Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes lautet wörtlich: „Nach alledem ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, auch Ausländern das Wahlrecht zu den Vertretungen des Volkes in den Gemeinden einzuräumen. Das schleswig-holsteinische Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes vom 9. Februar 1989 ist daher mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und nichtig. Daraus folgt nicht, daß die derzeit im Bereich der Europäischen Gemeinschaften erörterte Einführung eines Kommunalwahlrechts für Ausländer nicht Gegenstand einer nach Art. 79 Abs. 3 GG zulässigen Verfassungsänderung sein kann." (BVerfGE 83, S. 37, 59). Vgl. BVerfGE 83, S. 37, 53.

45 grenzt werde. 167 Offen bleibt nun bei dieser Entscheidung des BVerfG, wie das Junktim zwischen der Eigenschaft als Deutscher und der Zugehörigkeit zum Staatsvolk gelockert werden kann. Denn zu den Verfassungsprinzipien, die Art. 79 Abs. 3 G G dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht, gehören - neben anderen - die Grundsätze des Art. 20 Abs. 2 G G . Da aber das „Volk" im Sinne von Art. 20 Abs. 2 G G durch die deutsche Staatsangehörigkeit definiert wird und in dieser Hinsicht mit dem „Volk" identisch ist, das gemäß Art. 28 Abs. 1 G G auch in den Ländern, Kreisen und Gemeinden die Legitimationsgrundlage des staatlichen Handelns bildet, bleibt letztlich dogmatisch unklar, 168 wie Art. 28 Abs. 1 G G geändert werden kann, ohne die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 G G zu verletzen. Unabhängig von der Ratifizierungsdebatte über die in Maastricht beschlossenen Änderungen der EG-Verträge bietet die angestrebte Verfassungsrevision aus Anlaß der Wiederherstellung der deutschen Einheit Gelegenheit, ein Wahlrecht für EG-Ausländer auf kommunaler Ebene einzuführen, wie es bereits heute in einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft existiert 169 und vom BVerfG jedenfalls im Ergebnis zum Gegenstand einer möglichen Verfassungsänderung erklärt wird.

2. Das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten a) Subsidiarität Die föderale Ausrichtung der Union wird dadurch unterstrichen, daß die Wahrnehmung konkurrierender Zuständigkeiten durch die Europäische Gemeinschaft im geplanten Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag), der den bisherigen EWG-Vertrag ablösen soll, ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer Subsidiaritätsklausel steht: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der MitBVerfGE 83, S. 37, 50. 168 Der Hinweis E.-W. Böckenfördes, Staat, Verfassung, Demokratie, aaO (Fn. 163), S. 313 Fn. 43, die Verfassungswidrigkeit der Kommunalwahlbestimmungen sei nicht aus Art. 20 Abs. 2 GG abgeleitet worden, erscheint angesichts des hier dargestellten klaren Argumentationsganges des BVerfG (Bd. 83, 37, 53 f) nicht überzeugend. 169 Ein Kommunalwahlrecht für EG-Ausländer besteht bereits in Dänemark, Irland und den Niederlanden. Vgl. dazu mit ausführlichen rechtsvergleichenden Hinweisen den Be167

richt der EG-Kommission „Das Wahlrecht der Bürger der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bei Kommunalwahlen", Bulletin der EG, Beilage 7/86, S. 31 ff sowie U. Wölker, in: H. v. der Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl., Baden-Baden 1991, Vormerkung zu den Art. 48 - 50, Rz 11. Siehe ferner den entsprechenden Richtlinien-Vorschlag der EG-Kommission für ein gemeinschaftsweites Kommunalwahlrecht, Bulletin der EG, Beilage 2/88.

46 gliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher, wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen, besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können". Die Subsidiaritätsklausel 170 beschränkt den Handlungsspielraum der Union auf eine „compétence d'attribution". Sie legt damit dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine erhöhte Rechtfertigungslast auf. Er muß in jedem einzelnen Fall ausdrücklich und schlüssig darlegen, aus welchen Gründen die Gemeinschaft eine Regelungszuständigkeit in Anspruch nehmen will. Als allgemeines Prinzip erscheint diese Subsidiaritätsklausel durchaus geeignet, den Konflikt zwischen zunehmend zentralistischer Gemeinschaftsstruktur und föderalistischer Binnengliederung des deutschen Bundesstaates zu entschärfen.

b) Die Wirtschafts- und Währungsunion Weitreichende politische und wirtschaftliche Auswirkungen sind von der Wirtschafts- und Währungsunion zu erwarten, die im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft in drei Stufen bis spätestens zum 1.1.1999 verwirklicht werden soll. Danach soll eine Europäische Zentralbank (EZB) 171 die Verantwortung für eine gemeinsame europäische Währung übernehmen. Bereits mit Beginn der zweiten Stufe am 1.1.1994 wird das Europäische Währungsinstitut (EWI) seine Arbeit aufnehmen. Es soll u.a. die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zentralbanken sowie die Koordinierung der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten mit dem Ziel verstärken, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten. Insbesondere hat das EWI die Aufgabe, die dritte Stufe vorzubereiten. Dafür soll es die Instrumente und Verfahren entwickeln, die dann zur Durchführung einer einheitlichen Geld- und Währungspolitik erforderlich sind. Vor Eintritt in die dritte Stufe muß der Rat anhand sog. Konvergenzkriterien feststellen, welche Mitgliedstaaten die ökonomischen Voraussetzungen für eine Teilnahme erfüllen. Großbritannien hat sich aus prinzipiellen Erwägungen vorbehalten, an einer Währungsunion nicht teilzunehmen, sofern es dies für geboten hält. 172 Dänemark wurde ebenfalls die Möglichkeit einer Freistellung eingeräumt, da nach innerstaatlichem Verfassungsrecht vor einem endgültigen Beitritt zur Währungs-

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In einem Teilbereich - der gemeinsamen Umweltpolitik - ist das Subsidiaritätsprinzip bereits heute eingeführt; vgl. Art. 130 r Abs. 4; zu den hier in der Sache sich stellenden Problemen eindringlich W. Maihofer, Umweltpolitik in der Industriegesellschaft, in: Umwelt in Europa, A. F. Pavlenko/H. Sund (Hrsg.), Konstanz 1991, S. 7 ff (insb. S. 19 f). Zu den Problemen ihrer Errichtung siehe etwa H. J. Habn, Vom europäischen Währungssystem zur europäischen Wäh-

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rungsunion, Reihe Vorträge und Reden aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes, Nr. 196, 1990, S. 16 ff; vgl. ferner U. Häde, Die Europäische Wirtschaftsund Währungsunion, EuZW 1992, S. 171 ff. Protokoll über einige Bestimmungen betreffend das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Amt für europäische Veröffentlichungen, 1992, S. 191 - 193.

47 union eine Volksabstimmung erforderlich sein könnte. 173 Sofern ein Mitgliedstaat an der Währungsunion teilnimmt, werden die nationalen Notenbanken in ein Europäisches System der Zentralbanken (ESZB) eingegliedert, das von den Beschlußorganen der E Z B geleitet wird. Das vorrangige Ziel des E S Z B ist es, Preisstabilität zu gewährleisten. Gemäß Art. 105 Abs. 2 des EG-Vertrages wird es die Aufgabe des E S Z B sein, die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu tätigen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu unterstützen. Nach Art. 107 des angestrebten EG-Vertrags genießen die E Z B und die Nationalen Notenbanken bei der Wahrnehmung ihrer gemeinschaftsrechtlich geregelten Befugnisse eine weitgehende Unabhängigkeit von anderen Organen und Institutionen der Gemeinschaft sowie von den Regierungen der Mitgliedstaaten und anderen Stellen, von denen Einflußnahmen ausgehen könnten. Ersichtlich haben sich hier deutsche Vorstellungen maßgeblich ausgewirkt. Allerdings bedeutet der schrittweise Ubergang zu einer europäischen Geldpolitik mit einer gemeinsamen Währung, daß die Mitgliedstaaten in beträchtlichem Umfange auf die Ausübung ihrer Souveränität verzichten müssen. 174 Zwei Einflußzonen der Wirtschafts- und Währungsunion sind insoweit besonders hervorzuheben. Zum einen die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Mit Beginn der zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1994 überwacht die Kommission die Entwicklung der Haushaltslage und die H ö h e des öffentlichen Schuldenstandes in den Mitgliedstaaten 175 im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler (Art. 104 c Abs. 2 E G Vertrag). Sofern in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder entstehen könnte, legt die Kommission dem Rat einen entsprechenden Bericht vor. Teilt der Rat die Einschätzung der Kommission, so richtet er an den betroffenen Mitgliedstaat Empfehlungen zum Abbau des Defizits, die in diesem Stadium nicht veröffentlicht werden (Art. 104 c Abs. 7 EG-Vertrag). Kommt der Mitgliedstaat den Empfehlungen nicht nach, hat der Rat das Recht, sie zu

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Protokoll über einige Bestimmungen betreffend Dänemark, Vertrag über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Amt für europäische Veröffentlichungen, 1992, S. 194.

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Als Vorstufe zur Europäischen Währungsunion hat bereits das seit 1979 bestehende Europäische Währungssystem (EWS) den währungspolitischen Spielraum der beteiligten Mitgliedstaaten beträchtlich eingeengt. Zur Rechtsnatur und Entwicklungsgeschichte des EWS vgl. nur H. J. Hahn, Währungsrecht, München 1990, S. 180 ff

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m.w.N. Das System hat sich nach allgemeiner Ansicht bisher bewährt. Eine Währungsunion würde im Grunde nur insoweit darüber hinausgehen, als eine gemeinsame Währung die noch bestehende Elastizität der Wechselkurse aufheben und den Grenzen eine gemeinschaftsrechtliche Verfestigung und Institutionalisierung geben würde. Zu den Grenzen der Verschuldung nach deutschem Verfassungsrecht (Art. 109 II, 115 G G ) siehe etwa K. H. Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, 1986, §91 R z 33 ff.

48 veröffentlichen. Mit Beginn der dritten Stufe, also spätestens am 1.1.1999 (Art. 109 f Abs. 4 EG-Vertrag), können dann neben anderen Sanktionen zusätzlich Geldbußen verhängt werden (Art. 104 c Abs. 11, 109 e Abs. 3 EG-Vertrag), sofern dem betreffenden Staat nicht eine Ausnahme gemäß Art. 109 k Abs. 1 u. 3 EG-Vertrag eingeräumt wird. Zum anderen werden sich Stellung und Aufgabe der Deutschen Bundesbank grundlegend wandeln. Während die Bundesbank derzeit noch gemäß §3 Bundesbankgesetz die Aufgabe hat, unabhängig von Weisungen der Bundesregierung (§12 BBankG), den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel zu regeln, die Währung, d.h. die DM, zu sichern, wird sie im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion nach den Weisungen des Direktoriums der EZB handeln müssen (Art. 12.1 Protokoll über die Satzung ESZB und EZB). Zwar ist die Bundesbank bereits gegenwärtig bei der Gestaltung ihrer Währungspolitik durch internationale Absprachen verpflichtet, 176 jedoch besteht zu den anderen Notenbanken ein Gleichordnungsverhältnis, in dem bindende Weisungen nicht erteilt werden können. Dieser Zustand, der die Autonomie der Bundesbank im Kern unangetastet läßt, wird sich mit der Teilnahme Deutschlands an der Wirtschafts- und Währungsunion grundlegend ändern. Weitgehende Autonomie in bezug auf mögliche äußere Einflußnahmen genießt dann das ESZB als Ganzes. Im Innenverhältnis sind die einzelnen Notenbanken als „Systemelemente" dagegen nicht mehr in bisheriger Form unabhängig. Allerdings entsenden die nationalen Notenbanken Vertreter in den Rat des ESZB, der die Geldpolitik der Gemeinschaft festlegt. In diesem Rahmen wird über geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Reserven entschieden. Dies ändert freilich nichts daran, daß die Bundesbank ihre bisher durch § 12 BBankG gesicherte Autonomie zugunsten des ESZB aufgeben muß. O b daraus die Notwendigkeit einer formellen Verfassungsänderung (Art. 88 G G ) vor der Ratifikation des Unionsvertrages abzuleiten ist, soll im Zusammenhang mit den Verfahrensfragen der weiteren Verfassungsentwicklung untersucht werden (unten Kap. III, 4). c) Zukünftige Betätigungsfelder der Europäischen Gemeinschaft Aus der Sicht der deutschen Bundesländer sind die Befugnisse der Gemeinschaft in den Bereichen Bildung 177 (Art. 126 EG-Vertrag) und Kultur (Art. 128 EG-Vertrag) von besonderem Interesse, verfügen sie hier doch nach deutschem Verfassungsrecht über umfassende Zuständigkeiten. Befürchtungen, die 176

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Zur Bedeutung internationaler Notenbankabsprachen für den Verfassungsstaat siehe insb. R. Schmidt, D e r Verfassungsstaat im Geflecht internationaler Beziehungen, W D S t R L (36), 1978, S. 65, 70. Zur Bildungspolitik M. Schröder, Eu-

ropäische Bildungspolitik und bundesstaatliche Ordnung, Baden-Baden 1990, S. 36 ff; ferner der Bericht „Kulturhoheit der Länder und Bildungspolitik der Europäischen Gemeinschaft" vom 28. September 1990, Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.).

49 Gemeinschaft werde sich auch dieser Felder bemächtigen und sie ihrem regelnden Zugriff unterwerfen, haben sich zumindest insofern nicht bewahrheitet, als es der E G ausdrücklich untersagt ist, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in den genannten Bereichen zu harmonisieren. Bei den Förderungsmaßnahmen, die von der Gemeinschaft im Bildungssektor ergriffen werden können, etwa zum Ausbau der europäischen Dimension im Unterrichtswesen oder zur Stärkung der Mobilität von Studenten und Lehrkräften, hat sie die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für den Inhalt des Unterrichts und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen strikt zu beachten. Auf kulturellem Gebiet besteht folgende Situation. Hier soll die Gemeinschaft einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten leisten, wobei einerseits die nationale und regionale Vielfalt gewahrt werden muß, andererseits aber auch das gemeinsame kulturelle Erbe hervorzuheben ist (Art. 128 Abs. 1 EG-Vertrag). Die Gemeinschaft ist berechtigt, Förderungsmaßnahmen zu ergreifen, so etwa zur Verbesserung der Kenntnisse über Kultur und Geschichte der europäischen Völker, zum Schutz von Kulturgütern von europäischer Bedeutung sowie zugunsten des künstlerischen und literarischen Schaffens. Hier sind der audiovisuelle Bereich und der nichtkommerzielle Kulturaustausch eingeschlossen. Die Wahrnehmung dieser ohnehin sachlich begrenzten Kompetenzen durch die E G ist für die Bundesländer umso weniger bedrohlich, als auf dem Gebiet der Kultur für weiteres Handeln das Einstimmigkeitsprinzip durchgesetzt worden ist (Art. 128 Abs. 5 EG-Vertrag). Die E G wird in Zukunft auch auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik eine wenn auch begrenzte - Zuständigkeit erlangen, die vor allem auf eine Förderung der mitgliedstaatlichen Zusammenarbeit bei der Verhütung von schwerwiegenden Krankheiten einschließlich der Drogenabhängigkeit gerichtet ist (Art. 129 EG-Vertrag). Angestrebt wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau. Zu diesem Zweck können mit qualifizierter Mehrheit Förderungsmaßnahmen beschlossen werden, die jedoch nicht auf eine Harmonisierung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften hinauslaufen dürfen. In der Sozialpolitik zeigen sich - ähnlich wie bei der Wirtschafts- und Währungsunion - Ansätze einer Entwicklung zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. 178 Großbritannien war nicht bereit, sich einer europäischen Sozialpolitik anzuschließen. Das von allen 12 Mitgliedstaaten unterzeichnete „Protokoll über die Sozialpolitik" ermächtigt daher die verbleibenden 11 Mitgliedstaaten, die eine gemeinsame Sozialpolitik anstreben, sich der Organe, Verfahren und Mechanismen der Europäischen Gemeinschaft zu bedienen, um un-

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Hier können sich institutionell-rechtliche Bedenken aus dem Gesichtspunkt einheitlicher Beschlußfassung in der Gemeinschaft ergeben. Zu diesem rechtlichen Gebot siehe EuGH, Gutachten zum Stillegungsfonds für

die Binnenschiffahrt 1/76, erstattet am 26. April 1977, Amtl. Slg. 1977, S. 741 ff; vgl. ferner G. Schuster, Rechtsfragen der Maastrichter Vereinbarungen zur Sozialpolitik, EuZW 1992, S. 178 ff.

50 tereinander die erforderlichen Beschlüsse zu fassen und für sich anzuwenden. Die angenommenen Rechtsakte sowie die finanziellen Auswirkungen etwaiger Förderungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft gelten dann nicht für Großbritannien. Im Unterschied zur Wirtschafts- und Währungsunion hat sich Großbritannien hier also definitiv geweigert, Kompetenzen an die Gemeinschaft abzugeben. 1 7 9 Die Gemeinschaft kann Maßnahmen ergreifen, welche etwa die soziale Sicherheit und den sozialen Schutz der Arbeitnehmer, den Kündigungsschutz, einzelne Fragen der Mitbestimmung sowie finanzielle Beiträge der Gemeinschaft zur Beschäftigungsförderung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen. Bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen in diesem Bereich sind der Gemeinschaft indes ausdrückliche Grenzen gesetzt. So darf sie Fragen des A r beitsentgelts ebensowenig regeln wie das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht. Darüber hinaus muß der Rat bei Regelungen, welche die beispielhaft erwähnten Bereiche berühren, einstimmig beschließen. A u c h ist bei jeder Maßnahme der Vielfalt der einzelstaatlichen Gepflogenheiten insbesondere in den tarifvertraglichen Beziehungen Rechnung zu tragen. Schließlich erlauben die Beschlüsse von Maastricht der Gemeinschaft, wenn auch in interpretationsbedürftiger F o r m und nur unter bestimmten Voraussetzungen, die Einführung einer Industriepolitik. 180 Die in Frankreich geprägte

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In einer ersten Bewertung der Ergebnisse von Maastricht zieht E. Noel, Reflections on the Maastricht Treaty, in: Government and Opposition, Vol. 27 No. 2/1992, S. 150 ff. (151), hier eine interessante Parallele. Er verweist auf ein Zusatzprotokoll zu den Römischen Verträgen (1958), in welchem sich Frankreich seinerzeit zum Schutz seiner Währung vorbehalten hatte, entgegen den Bestimmungen über die Zollunion ein nationales System von Einfuhrsteuern und Ausfuhrbeihilfen aufrechtzuerhalten. Obwohl Frankreich die Unterzeichnung dieses Protokolls erst nach harten Verhandlungen erreichen konnte, ist es in der Praxis nie angewandt worden.

180 Vgl. Titel XIII, Art. 130 des Vertrages über die europäische Union: „1. Die Gemeinschaft und die Mitgliedsstaaten sorgen dafür, daß die notwendigen Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft gewährleistet sind. Zu diesem Zweck zielt ihre Tätigkeit entsprechend einem System offener und wettbewerbsorientierter Märkte auf folgendes ab: - Erleichterung der Anpassung

der Industrie an die strukturellen Veränderungen; - Förderung eines für die Initiative und Weiterentwicklung der Unternehmen der gesamten Gemeinschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, günstigen Umfelds; - Förderung eines für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen günstigen Umfelds; - Förderung einer besseren Nutzung des industriellen Potentials der Politik in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung. 2. Die Mitgliedsstaaten konsultieren einander in Verbindung mit der Kommission und koordinieren, soweit erforderlich, ihre Maßnahmen. Die Kommission kann alle Initiativen ergreifen, die dieser Koordinierung förderlich sind. 3. Die Gemeinschaft trägt durch die Politik und die Maßnahmen, die sie aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrages durchführt, zur Erreichung der Ziele des Absatzes 1 bei. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschaftsund Sozialausschusses einstimmig spezifi-

51 Vorstellung von der Industriepolitik hat sich bereits in der Vergangenheit vielfach als Schlüsselbegriff im Ringen um die wirtschaftspolitische Gestalt und Reform der Europäischen Gemeinschaft erwiesen.181 Da industriepolitische Konzepte und Instrumente vielfach in bestimmte verfassungs-und verwaltungsrechtliche Grundstrukturen eingebettet sind bzw. diese in gewisser Weise widerspiegeln,182 kann sich künftig auch hier - unabhängig von der Frage, inwieweit ein bestimmtes wirtschaftsverfassungsrechtliches System vom Grundgesetz vorausgesetzt wird 183 - ein mögliches Konfliktfeld zwischen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben184 und nationalem Verfassungsrecht ergeben.

3. Institutionelle Entwicklung der Gemeinschaft a) Die Befugnisse des Europäischen Parlaments im Rechtssetzungsverfahren Jede Kompetenzerweiterung der Europäischen Gemeinschaft läßt die Frage drängender werden, wie eine ausreichende demokratische Legitimation der europäischen Gesetzgebung sichergestellt werden kann. Längst hat sich die Vorstellung als unzureichend erwiesen, das Sekundärrecht der Gemeinschaft sei lediglich Ausdruck der Sachzwänge, die sich bei der Errichtung eines Binnenmarktes ergeben und insofern von der parlamentarischen Zustimmung zu den Gründungsverträgen mittelbar legitimiert. Auch die Direktwahl des Europäischen Parlaments und der schrittweise Ausbau seiner Befugnisse können an dem nach wie vor unzureichenden demokratischen Legitimationszustand der

sehe Maßnahmen im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele des Absatzes 1 beschließen. Dieser Titel bietet keine Grundlage dafür, daß die Gemeinschaft irgendeine Maßnahme einführt, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte". 181 Dazu vor allem W. Veelken, Normstrukturen der Industriepolitik - Eine vergleichende Untersuchung nach deutschem und französischem Wirtschaftsrecht, Baden-Baden 1991. 182 Dazu W. Veelken, aaO, S. 137 ff; zur europäischen Fusionskontrolle zwischen industriepolitischen und wettbewerbsrechtlichen Vorstellungen vgl. C.-D. Ehlermann, Neuere Entwicklungen im europäischen Wettbewerbsrecht, EuR 1991, S. 307, 314f. 183 Vgl. das Mitbestimmungsurteil des BVerfG E 50, S. 290 ff; dazu statt vieler K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, aaO (Fn. 9), Rz 441 ff.

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Zur Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft selbst siehe W. v. Simson, Die Marktwirtschaft als Verfassungsprinzip der Europäischen Gemeinschaften, in: Einheit der Rechts- und Staatswissenschaften, Ringvorlesung der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Fakultät Freiburg, Karlsruhe 1967, S. 55, 62 ff. Zum Demokratiedefizit in der Gemeinschaft / . Schoo, Kontrolle bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht aus der Sicht des Europäischen Parlamentes, in: J. Schwarze (Hrsg.), Gesetzgebung in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1985, S. 97 ff; der E u G H hat freilich hervorgehoben, daß das Demokratieprinzip in der Gemeinschaft Geltung besitzt, Rs 138/79, Roquette Freres ./. Rat der Gemeinschaft, Urteil vom 29. Oktober 1980, Amtl. Slg. 1980, S. 3333.

52 Gemeinschaftsgesetzgebung wenig ändern. 186 Allerdings muß man berücksichtigen, daß die besonderen Verhältnisse dieses internationalen Zusammenschlusses eine unmittelbare Übernahme staatlicher Strukturprinzipien nicht ohne weiteres gestatten. Daraus folgt freilich nicht, daß das Prinzip parlamentarischer D e mokratie schlechthin ungeeignet sei, das Legitimationsniveau der europäischen Rechtssetzung zu erhöhen. 1 8 7 Bisher sind praktikable Alternativen zu einem weiteren Ausbau der parlamentarischen Mitbestimmung bei der europäischen Rechtssetzung nur schwer erkennbar. Die geplante Europäische Union steht deshalb vor der unausweichlichen Notwendigkeit, den Kompetenzzuwachs der Gemeinschaft mit einer allerdings sach- und strukturangemessenen Verstärkung der Rechte des Europäischen Parlaments zu begleiten. D a unter den Mitgliedstaaten bezüglich der Erweiterung parlamentarischer Befugnisse keine Einmütigkeit besteht, sind die geltenden Regelungen vornehmlich das Ergebnis politischer Kompromisse. Dadurch wird ihre systematische Erfassung erschwert. 1 8 8 Hervorzuheben sind jedoch die folgenden Einflußmöglichkeiten, die dem Europäischen Parlament im Rechtssetzungsverfahren zur Verfügung stehen. Ursprünglich hatte das Parlament im wesentlichen lediglich Anhörungsrechte in den Fällen, in denen es die Verträge ausdrücklich vorsehen. 189 Seit 1975 nimmt das Parlament zusammen mit dem Rat das Haushaltsrecht der Gemeinschaft wahr. 190 Allerdings hat das Parlament das letzte Wort nur hinsichtlich solcher Ausgaben, die sich nicht zwingend aus den Verträgen oder dem Sekundärrecht ergeben. Diese Einschränkung soll verhindern, daß das Parlament im Haushaltsverfahren über sein Bewilligungsrecht mittelbar Einfluß auf ausgabenwirksame Rechtsakte nimmt, die der Rat im allgemeinen Rechtssetzungsverfahren zuständigkeitsgemäß erlassen hat. 191 Durch die Einheitliche Eu-

P.-C. Müller-Graff, Die Direktwahl des Europäischen Parlaments, Tübingen 1977, S. 26 ff, 39 f. 187 A. A. vor allem H. P. Ipsen, zuletzt in seiner Rede anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität des Saarlandes, S. 1, 15 f (maschinenschriftliche Fassung). 188 Vgl dazu Rs 242/87, Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Rat der Europäischen Gemeinschaften (Erasmus), Urteil vom 30.5.1989, Amtl. Slg. 1989, S. 1425 ff, 1453, Rz 13: „Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß sich die Befugnisse der Organe und die Bedingungen ihrer Ausübung im System der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeiten aus den einzelnen besonderen Vertragsbestimmungen ergeben, deren Unterschiede, insbesondere hinsichtlich der Mitwirkung des Eu186

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ropäischen Parlaments, nicht immer auf systematischen Kriterien beruhen." Vgl. R. Bieber, in: H. v. der Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl., BadenBaden 1991, zu Art. 149 Rz 7 ff; siehe ferner R. Bieber/J.-P. Jacqué/L.-J. Constantinesco, D. Nickel, Le Parlement Européen, Paris 1984, S. 162 ff. Zu den haushaltsrechtlichen Befugnissen R. Bieber, in: H. v. der Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, ebenda, Vorbemerkung zu Art. 137 Rz 9, Art. 137 Rz 14, 33. F. Jacobs/R. Corbett, The European Parliament, London 1990, S. 187, 191 ff; S. Magiern, in: E. Grabitz, EWG-Kommentar,

53 ropäische Akte wurde für mehrere Bereiche zusätzlich das sog. „Verfahren der Zusammenarbeit" eingeführt, das dem Europäischen Parlament die Möglichkeit gibt, einen Rechtssetzungsvorschlag abzuändern. Macht das Parlament von seinem Anderungsrecht Gebrauch, so kann der Rat den geänderten Vorschlag seinerseits nur unter erschwerten Voraussetzungen abändern. Dennoch bleibt die letzte Entscheidung beim Rat. 1 9 2 Ergänzend und in Fortentwicklung dieses Verfahrens soll dem Parlament nun namentlich bei der Rechtsangleichung gemäß Art. 100 a EWG-Vertrag (Verwirklichung des Binnenmarkts), bei der Herstellung der Freizügigkeit sowie in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur ein sogenanntes Mitentscheidungsrecht („Verfahren nach Art. 189 b " ) eingeräumt werden. N e u an diesem Verfahren ist ein Vermittlungsausschuß, der zusammentritt, wenn sich das Europäische Parlament und der Rat über einen Rechtssetzungsvorschlag nicht einigen können. Sollte bis zum Ende des Verfahrens zwischen den beiden Organen keine Einigung erzielt werden, kann das Parlament den Erlaß einer Rechtsvorschrift durch sein Veto verhindern. Ein eigenes Initiativrecht im Gesetzgebungsverfahren, wie verschiedentlich im Vorfeld der Maastrichter Regierungskonferenz gefordert, wird dem Europäischen Parlament dagegen auch künftig nicht zustehen. Es kann die Kommission lediglich auffordern, tätig zu werden (Art. 138 b EG-Vertrag). Die E G - K o m m i s s i o n verfügt also auch weiterhin über das Monopol der Rechtssetzungsinitiative. 193 Allerdings ist die Abhängigkeit der Kommission vom Vertrauen des Europäischen Parlaments größer geworden. Zum einen wurde ihr Mandat auf fünf Jahre verlängert und mit der Legislaturperiode des Parlaments synchronisiert. Zum anderen darf die Ernennung der Kommissionsmitglieder durch die Regierungen der Mitgliedstaaten zukünftig erst erfolgen, wenn das Parlament seine Zustimmung gegeben hat. Es bleibt abzuwarten, ob daraus tatsächlich ein größerer parlamentarischer Einfluß auf die Kommission allgemein und speziell auf die Ausübung ihrer Initiativbefugnisse erwächst. Ein deutlicher Fortschritt ist hingegen die ausdrückliche Anerkennung der passiven und aktiven Fähigkeit des Parlaments zur Teilnahme an Verfahren vor dem E u G H . Allerdings kann das Parlament nur Klagen erheben, die „der Wahrung seiner Prärogativen dienen" (Art. 173 Abs. 1 EG-Vertrag). 1 9 4

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München, Stand: Juni 1990, Art. 203 Rz 27 ff; R. Bieber, in: H. v. der Groeben/J. Thiesing/C.-D. Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, aaO (Fn. 190), Art. 203 Rz 37 ff. A. Dashwood, Majority voting in the Council, in: J. Schwarze (Hrsg.), Legislation for Europe 1992, Baden-Baden 1989, S. 79 ff. Art. 189 b Abs. 2 EG-Vertrag. Die Bindung des Rates an den Vorschlag der Kommission ist jedoch insoweit gelockert wor-

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den, als er im Verfahren der Mitentscheidung (Art. 189 b), abweichend von der bisherigen Regel - die Einstimmigkeit vorsah (Art. 149 EWGV) - , den Kommissionsvorschlag im Zusammenwirken mit dem Parlament mit qualifizierter Mehrheit ändern kann (Art. 189 b Abs. 4 EG-Vertrag). Dies hatte der EuGH bereits im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entschieden, Rs C-70/88, Europäisches Parlament./. Rat der

54 b) Beteiligung der Regionen am Entscheidungsverfahren Subsidiarität und föderale Struktur als grundlegende Prinzipien der Kompetenzverteilung und Organisation sind ein Ausdruck des Bestrebens, eine Monopolisierung der Entscheidungsgewalt bei der Europäischen Union und dort insbesondere bei der Europäischen Gemeinschaft zu verhindern. Vor allem die deutschen Bundesländer hatten im Vorfeld der Regierungskonferenz von Maastricht eine stärkere Einbeziehung der Regionen in den Entscheidungsprozeß der Gemeinschaft einschließlich einer Klagemöglichkeit vor dem EuGH gefordert.195 Ein Klagerecht wurde den Regionen zwar nicht zugestanden,196 jedoch wurde ein Regionalausschuß nach dem Vorbild des Wirtschafts- und Sozialausschusses verabredet, der vor dem Erlaß eines Rechtsaktes in den vom Vertrag genannten Fällen gehört werden muß.197 Auch wenn dadurch eine rechtlich bindende Einflußnahme auf das Gesetzgebungsverfahren nicht ausgeübt werden kann, dürfte die institutionelle Einbindung der Regionen zumindest das Gewicht ihrer Stellungnahmen erhöhen.

4. Die verfahrensmäßige Behandlung der Maastrichter Beschlüsse im Lichte des deutschen Verfassungsrechts Im Vordergrund der verfassungsrechtlichen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland steht die Frage, ob für die Zustimmung zum Vertrag über die Europäische Union Art. 24 Abs. 1 G G eine ausreichende Grundlage bietet oder vor der Ratifizierung der Maastrichter Vereinbarungen Änderungen des Grundgesetzes erforderlich sind. Durch den Vertrag sollen der Europäischen Union in beträchtlichem Ausmaß hoheitliche Befugnisse eingeräumt werden. In erster Linie sind hier die Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft, vor allem das damit verbundene kommunale Wahlrecht für EG-Ausländer, sowie die angestrebte Wirtschaftsund Währungsunion zu nennen. Ein Sonderproblem im Verhältnis des Bundes zu den Ländern erwächst aus dem Umstand, daß der Europäischen Gemeinschaft Befugnisse in Bereichen eingeräumt werden sollen, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Hier ist fraglich, ob, und wenn ja, in welcher Weise die Länder am Verfahren der Zustimmung zum Unionsvertrag zu beteiligen sind. Gemeinschaft („Tschernobyl"), Urteil vom 22. Mai 1990, Amtl. Slg. 1990, 2041 ff. 195 BR-Drucksache 550/90 vom 24.08.1990, S. 4, Erwägung Nr. 4 Änderung des Art. 173 I EWGV. 196 Vg]_ Kap. 4 „Ausschuss der Regionen": Art. 198 a - c EG-Vertrag. Ein Klagerecht der Länder und Regionen wäre verfassungspolitisch ohnehin bedenklich, da es den Kreis

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der gemäß Art. 173 Abs. 1 EWG-Vertrag privilegierten Klageberechtigten beträchtlich erweitern würde. Zudem wäre die Versuchung für die Länder und Regionen groß, den Klageweg zum EuGH als Surrogat für den als unzureichend empfundenen politischen Einfluß zu nutzen. Vgl. Art. 198 c Abs. 1 und 3 EG-Vertrag.

55 a) Die E i n f ü h r u n g eines kommunalen Wahlrechts für E G - B ü r g e r Wie bereits oben erläutert wurde, soll jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem betreffenden Staat das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen erhalten.198 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes die Quelle der Legitimation aller staatlichen Gewalt, einschließlich der auf gemeindlicher Ebene ausgeübten, das deutsche Volk, d. h. die Gesamtheit der (wahlberechtigten) deutschen Staatsbürger. 199 Die Einführung des kommunalen Wahlrechts ändert in den Gemeinden die Legitimationsbasis der von ihnen wahrgenommenen Hoheitsbefugnisse. Folgt man der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in dessen Urteilen zum Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein und Hamburg, 2 0 0 so betrifft die mit dem Unionsvertrag angestrebte Änderung zumindest eine Facette der Ausgestaltung des demokratischen Prinzips im Grundgesetz und damit ein essentielles Element der deutschen Verfassung. Das in seinem Urteil zum schleswig-holsteinischen Wahlgesetz enthaltene obiter dictum, die Einführung eines Kommunalwahlrechts für Ausländer könne Gegenstand „einer nach Art. 79 Abs. 3 G G zulässigen Verfassungsänderung" sein,201 wird man - ungeachtet der oben bereits angesprochenen dogmatischen Unklarheiten - dahingehend verstehen müssen, daß für diesen Schritt eine formelle Verfassungsänderung gemäß Art. 79 Abs. 2 G G erforderlich ist. Unter dem Gesichtspunkt der Reichweite des Art. 24 Abs. 1 G G betrachtet ließe sich daraus folgern, daß dessen Grenzen u.a. dann erreicht sind, wenn die Legitimationsbasis des staatlichen Handelns, und sei es lediglich auf kommunaler Ebene, durch überstaatliches Recht verändert werden soll. Damit sind allerdings die Grenzen noch nicht erreicht, die das BVerfG mit der Bewahrung der Identität der Verfassung umschrieben hat. 202 Freilich sind Teilaspekte des Demokratieprinzips berührt, das zu den „identitätsstiftenden" Pfeilern der grundgesetzlichen Ordnung gehört. In jedem Fall wird es also notwendig sein, vor einer Zustimmung zum Vertrag über die Europäische Union das Grundgesetz gemäß Art. 79 Abs. 2 G G insoweit ausdrücklich zu ändern, als es um die Beteiligung von Ausländern an kommunalen Wahlen geht. Bundestag und Bundesrat müssen dieser Änderung mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Ist der Weg zu einem kommunalen Ausländerwahlrecht auf diese Weise im innerstaatlichen Verfassungsrecht freigemacht, kann die Zustimmung zum Unionsvertrag, soweit es um dessen Wahlrechtsbestimmungen geht, gemäß Art. 24 Abs. 1 G G erfolgen.

" 8 Vgl. Art. 8 b des EG-Vertrages, i " Vgl. insb. BVerfGE 83,37 (50/53); 83,60 (71). Vgl. BVerfGE 83, 37 ff und S. 60 ff.

201 Vgl. BVerfGE 83, 37 (59). 202 Vgl. nur BVerfGE 73,339 (375 f) („Solange II").

56 b) Die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion Ferner ist zweifelhaft, ob die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der geplanten Wirtschafts- und Währungsunion allein im Verfahren des Art. 24 Abs. 1 G G beschlossen werden kann oder ob es auch hier einer vorherigen formellen Verfassungsänderung gemäß Art. 79 Abs. 2 G G bedarf.203 Es werden sich nicht nur die Stellung und Funktion der Deutschen Bundesbank wandeln. Auch der wirtschaftspolitische Entscheidungsspielraum von Regierung und Parlament wird künftig neuen Einschränkungen ausgesetzt sein. Das wahrscheinliche Ausmaß des damit verbundenen Kompetenzverlustes läßt sich nur dann realistisch einschätzen, wenn man sich einerseits vor Augen hält, daß das Währungsgeschehen bereits heute einen Internationalisierungsgrad aufweist, der in kaum einem anderen Bereich staatlicher Tätigkeit wiederzufinden ist.204 Insbesondere die Bundesbank agiert seit langem als Teilnehmerin eines weltumspannenden Systems der Geldmärkte, dessen Sachgesetzlichkeiten die staatliche Souveränität im Währungsbereich entscheidend relativieren. Die Abhängigkeit staatlichen Handelns im Währungssektor von überstaatlichen Einflüssen und Institutionen ist den entsprechenden Kompetenzen des nationalen Verfassungsrechts daher gleichsam immanent.205 Andererseits werden sich die Stellung und Funktion der Deutschen Bundesbank grundlegend wandeln. Sie wird als integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), das unter der Leitung der Europäischen Zentralbank (EZB) steht, in ihrem von Art. 88 GG verfassungsrechtlich garantierten Status als nationale Währungs-und Notenbank berührt.206 Die wohl überwiegende Meinung lehnt eine verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Bundesbank ab.207 Indes wird ihr Bestand jedenfalls insoweit angetastet, als sie aufhört, eine für die deutsche Währung und die Aus-

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Dazu ausführlich T. Schilling, Die deutsche Verfassung und die europäische Einigung, A ö R 1991, 33 ff (insb. 53 ff), dessen Überlegungen allerdings aus der Zeit vor Maastricht stammen. Siehe auch B. Schmidt-Bleihtreu/F. Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 7. Aufl. 1990, Art. 88 Rz 5, wonach ein Bundesgesetz gem. Art. 24 Abs. 1 G G ausreichen soll, die Eingliederung der Bundesbank in ein europäisches Zentralbanksystem zu ermöglichen. Zur Internationalität des Währungsgeschehens vgl. H. ]. Hahn, Währungsrecht, München 1990, insb. S. 174 ff. Diesen Aspekt der Währungspolitik betont insb. T. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rz 16.

206 Vgl z u m Inhalt der Bestandsgarantie des Art. 88 G G E. Bauer, in: I. von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 88 Rz 6; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, München 1980, S. 468, der die Bundesbank in ihrer Existenz und in ihrem funktionalen Kern als „Währungs- und Notenbank" als verfassungsrechtlich geschützt ansieht. Siehe auch BVerwGE 41, S. 334, 350 m.w.N. Siehe BVerwGE 41, S. 334, 354 ff; K. Stern, aaO (Fn. 206), Bd. II, München 1980, S. 493 ff m.w.N.; a. A. H. Togen, Geld und Währungsrecht, München 1969, S. 104, 105; T. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, Berlin 1967, S. 177 ff, 185, 186.

57 gäbe deutscher Banknoten verantwortliche Institution zu sein. 208 Ferner scheidet die Bundesbank weitgehend aus dem Aufgabenkreis der deutschen Exekutive aus. 209 Aus dem eigenständigen, national verantwortlichen Akteur wird ein weisungsgebundenes „Systemelement" im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion. Da zumindest diese Funktion, die der Bundesbank gewissermaßen ihre verfassungsrechtliche Identität verleiht, durch den Unionsvertrag aufgehoben und durch eine andere Aufgabe ersetzt werden soll, erscheint eine der Zustimmung zum Unionsvertrag vorausgehende ausdrückliche Änderung des Art. 88 G G unumgänglich.

c) Folgewirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion Darüber hinaus dürfen die Folgewirkungen einer Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion nicht übersehen werden. Sie reichen über den engeren Rahmen der Währungspolitik weit hinaus. So wird etwa von dem Gebot, übermäßige Haushaltsdefizite zu vermeiden (Art. 104 c EG-Vertrag), das Ausgabenverhalten der Mitgliedstaaten in allen Bereichen ihrer Zuständigkeit berührt. Die Finanzierung von Verteidigungsausgaben wird ebenso betroffen sein wie Aufwendungen für Sozialleistungen oder die Wirtschaftsförderung. In der Bundesrepublik stellt sich zusätzlich das Problem der Aufbaufinanzierung für die neuen Bundesländer, die bisher nur durch eine erhebliche Neuverschuldung des Bundes sichergestellt werden konnte. 210 Für die verfassungsrechtliche Beurteilung erscheint indes maßgebend, daß trotz der Einbindung der Bundesrepublik in die beabsichtigte Wirtschafts- und

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Die Bundesbank verliert ihre Funktion als Notenbank nicht vollkommen, da sie auch im Rahmen des ESZB gemäß Art. 16 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank das Recht der Notenausgabe hat, freilich nur mit Genehmigung der EZB und auf die europäische Währung lautend.

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Zur Stellung der Bundesbank innerhalb der Exekutive vgl. Maunz, aaO (Fn. 205), Art. 88 Rz 7; H. J. Hahn, aaO (Fn. 204), S. 255 ff. Bereits heute wird der Neuverschuldung des Bundes von Art. 115 G G eine Grenze gesetzt; danach dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen grundsätzlich nicht überschreiten; dazu ausführlich K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, München 1980, S. 1277ff. Für die Länderhaushalte ergeben sich aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über

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die Vermeidung übermäßiger Defizite ebenfalls Verschuldungsgrenzen, die enger gesteckt sein dürften als die von Art. 109 G G auferlegten Beschränkungen. Problematisch ist dabei, daß der Bund einerseits gegenüber der Gemeinschaft für etwaige Verstöße der Länder gegen die Regeln der gemeinschaftlichen Haushaltsdisziplin einzustehen hätte, andererseits aber nur über begrenzte und für diese Konstellation nicht geschaffene Einwirkungsmöglichkeiten auf die Länder verfügt; siehe dazu T. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Art. 109 Rz 40 u. 45; H. D. Jarass/B. Pieroth, GGKommentar, München 1992, Art. 109 Rz 4 ff. Deshalb wäre zu erwägen, ob im Zusammenhang mit der Ratifizierung der Maastrichter Vereinbarungen nicht auch eine Änderung des Art. 109 G G beschlossen werden sollte.

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Währungsunion mit ihren spezifischen Zielsetzungen dem deutschen Gesetzgeber die Sachkompetenzen auf den beispielhaft erwähnten unterschiedlichen politischen Gebieten verbleiben. Ferner sollte berücksichtigt werden, daß die Höhe der Staatsverschuldung auch ohne Währungsunion bereits heute ein Faktor der politischen Entscheidungsfindung ist, weil unter anderem auch der Wert der D-Mark an den internationalen Märkten vom Verschuldungsgrad der deutschen öffentlichen Hand abhängig ist. Insoweit dürfte unter dem Blickwinkel eintretender Folgen der Wirtschafts- und Währungsunion eine gesonderte Verfassungsänderung nicht erforderlich sein. d) Ausdehnung der Gemeinschaftskompetenzen Schließlich soll die Union Kompetenzen in Bereichen wie Kultur und Bildung erhalten, in denen die deutschen Bundesländer grundsätzlich die Zuständigkeit besitzen. Verständlicherweise sind die Länder besorgt, mit der Zuweisung entsprechender Befugnisse an die Europäische Gemeinschaft könne der Prozeß einer weiteren Kompetenzerosion zu ihren Lasten verstärkt werden. Allerdings sind, wie oben geschildert, die der Europäischen Gemeinschaft hier zugedachten Befugnisse nach Art und Ausmaß nicht geeignet, diese Befürchtungen zu rechtfertigen. Insbesondere ist eine Auflösung oder auch nur eine ernste Gefährdung der bundesstaatlichen Ordnung von der geplanten Kompetenzausstattung der Europäischen Union nicht zu erwarten. Unter dem Aspekt der Grenzen des Art. 24 Abs. 1 G G folgt daraus, daß die Identität der Verfassung unangetastet bleibt, oder anders gewendet, die Grenzen nicht überschritten werden, die sich vor allem aus Art. 79 Abs. 3 G G für die Zulässigkeit einer Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen gemäß Art. 24 Abs. 1 G G ergeben. Damit ist auch die Frage nach der Beteiligung der Bundesländer im Grundsatz beantwortet. Wie oben bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Gesetz nach Art. 24 Abs. 1 G G um ein Bundesgesetz, gegen das die Bundesländer über den Bundesrat lediglich Einspruch erheben können. Man .mag das gegenwärtige Ratifizierungsverfahren zum Anlaß nehmen, über eine Änderung des Art. 24 G G nachzudenken, durch die den Ländern bei weiteren Integrationsschritten stärkere Beteiligungsmöglichkeiten verschafft werden, etwa in Gestalt der Zustimmungsbedürftigkeit einer Übertragung von Länderhoheitsrechten. 211 Nach geltendem Verfassungsrecht, dies sei hier wiederholt, beschränkt sich die Beteiligung der Länder am Verfahren insoweit auf die Möglichkeit des Einspruchs. 212

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Vgl. dazu etwa den Beschluß des Bundesrates zu den EG-Regierungskonferenzen zur Politischen Union und zur Wirtschaftsund Währungsunion, Bundesratsdrucksache 680/91 v. 8.11.1991. Dazu etwa U. Fastenrath, Kompetenzver-

teilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 150 m.w.N., der eine Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes gem. Art. 24 Abs. 1 G G auch für den Fall ablehnt, daß Länderhoheitsrechte übertragen werden.

59 e) Die Einheitlichkeit des Zustimmungsverfahrens Der Vertrag über die Europäische Union bildet eine Einheit, aus der im Zustimmungsverfahren nicht einzelne Teile herausgelöst werden können. Scheitert etwa die Verfassungsänderung im Hinblick auf das kommunale Ausländerwahlrecht, so wäre es nicht möglich, den Teil über die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die neuen Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft gleichsam separat zu billigen. Es kann also nur dem gesamten Vertrag zugestimmt bzw. die Zustimmung versagt werden. 213 Diese auf Art. 24 Abs. 1 G G beruhende Zustimmung ist jedoch verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn das Grundgesetz in den erwähnten Punkten ausdrücklich geändert wird. Indes ist die für eine Beschlußfassung zur Verfügung stehende Zeit knapp bemessen worden. Der Unionsvertrag soll bereits am 1.1.1993 in Kraft treten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Gesetz, das auf einer Verfassungsänderung beruht, erst ausgefertigt und verkündet werden, wenn das hierfür notwendige verfassungsändernde Gesetz zuvor in Kraft getreten ist. 214 Allerdings kann es unter besonderen Umständen ausreichen, wenn lediglich die Verkündung des Gesetzes dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung nachfolgt. 215 Es ist kein Grund ersichtlich, diesen Regeln bei einem Gesetz die Geltung zu versagen, das die Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag erklärt, der einer zwischenstaatlichen Einrichtung hoheitliche Befugnisse einräumt. Unzulässig wäre es daher, etwa aus Zeitgründen das Zustimmungsgesetz vor Inkrafttreten der Verfassungsänderungen zu verkünden. Es bestünde die Gefahr, daß die Verfassungsänderungen scheiterten und fortan den völkerrechtlich begründeten Pflichten keine entsprechenden, von der staatlichen Verfassungs215

Vgl. § § 8 1 Abs. 4, Satz 2, 82 Abs. 2 G e s c h O B T ; siehe auch O. Rojahn, in: I. von Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., München 1983, Art. 59 Rz 31; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., München 1984, S. 504; P. Badura, Staatsrecht, München 1986, R z 120; N. Achterberg, Parlamentsrecht, Tübingen 1984, S. 385; allerdings wird in der politischen Praxis erwogen, der Zustimmung zum Vertrag eine Entschließung des Bundestages beizufügen, etwa des Inhalts, daß die gesetzgebenden Körperschaften vor Eintritt in die entscheidende dritte Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion noch einmal anzuhören seien. Einen Präzedenzfall böten etwa die Vorgänge um den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1963, B G B l . 1963 II, S. 346 ff (349 ff); dazu A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht,

3. Aufl., Berlin 1984, S. 455 Anm. 20; eine solche Entschließung hätte lediglich politischen Charakter und würde keine Rechtswirkungen im Hinblick auf die Ratifikation besitzen. Die Ratifikation kann rechtlich gesehen nur bedingungslos erfolgen. Andernfalls käme die Entschließung einem unzulässigen Änderungsantrag (§ 82 Abs. 2 G e s c h O B T ) zu dem völkerrechtlichen Vertrag gleich. 21t BVerfGE 34, 9 (22 f). 215 BVerfGE 32, 199 (212); das Gericht hebt in seinem Urteil v o m 26. Juli 1972 BVerfGE 34, 9 (24 f) - hervor, daß damit „die äußerste Grenze für das verfassungsmäßige Verfahren beim Erlaß eines Gesetzes unter dem Gesichtspunkt seiner Abhängigkeit von der 'Ermächtigungsnorm' gezogen worden [sei]".

60 Ordnung sanktionierten Möglichkeiten der Bundesrepublik gegenüberstünden, sich vertragsgemäß zu verhalten. Die vom Grundgesetz geforderte Konformität des staatlichen Handelns mit der Verfassung ist auch im Bereich der auswärtigen Beziehungen herzustellen. Prozessual kommt dies etwa darin zum Ausdruck, daß eine Verfassungsbeschwerde sowie eine abstrakte Normenkontrolle abweichend von der Regel auch vor Inkrafttreten eines Gesetzes zulässig sind, wenn durch dieses Gesetz einem völkerrechtlichen Vertrag die Zustimmung erteilt werden soll. 216 D . h. bevor sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, müssen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die den Staatsorganen eine verfassungsgemäße Erfüllung dieser Pflichten ermöglichen. 217 Allerdings könnte man erwägen, ob es angesichts der besonderen Bedingungen in der Europäischen Gemeinschaft nicht sachgerecht wäre, lediglich die Verkündung des Zustimmungsgesetzes dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung nachfolgen zu lassen, um eine Beschleunigung des gesamten Zustimmungsverfahrens zu erzielen. Die komplizierten politischen und ökonomischen Prozesse in großräumigen Ordnungen wie der E G lassen sich unter den heute herrschenden Bedingungen des rapiden Wandels nur steuern, wenn die Beteiligten

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Zur Verfassungsbeschwerde vgl. BVerfGE 24, 33 (53 f); zur abstrakten Normenkontrolle siehe B V e r f G E 1, 396 (413); 36, 1 (15). In seinem Urteil vom 30. Juli 1952 (BVerfGE 1, 396) führt das Gericht aus: „Hielte man die Normenkontrolle erst von der Ratifikation ab für zulässig und würde die Entscheidung ergeben, daß Verfassungsvorschriften verletzt worden sind, so bestünde die Gefahr, daß die Bundesrepublik völkerrechtliche Verpflichtungen nur unter Verletzung ihrer Verfassung erfüllen könnte. Die Folgen könnten weitere oder verfassungsrechtliche Konflikte sein, so daß die Normenkontrolle ihren Zweck verfehlen würde, durch Klärung der verfassungsrechtlichen Lage dem Rechtsfrieden zu dienen".

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Diese Lösung entspricht prinzipiell etwa den in Frankreich geltenden Grundsätzen. Hier hat der Staatspräsident dem Conseil Constitutionnel die Frage unterbreitet, o b und inwieweit vorherige Verfassungsänderungen erforderlich seien, damit die Maastrichter Vereinbarungen ratifiziert werden dürften. Inzwischen hat der französische Conseil Constitutionnel in seiner Entscheidung vom 9. April 1992, aus-

zugsweise abgedruckt in: Le Monde v o m 11. April 1992, S. 8, vor der Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union eine Verfassungsänderung unter den folgenden Gesichtspunkten für notwendig erklärt: Einführung eines Kommunalwahlrechts für Unionsbürger, die Teilnahme Frankreichs an der geplanten Wirtschaftsund Währungsunion sowie hinsichtlich der vorgesehenen gemeinschaftlichen Visumspolitik gegenüber Drittstaatsangehörigen. Die grundsätzliche Aussage des Conseil Constitutionnel zur Einschränkung der nationalen Souveräntität durch internationale Verträge bzw. Organisationen lautet folgendermaßen: „ . . . le respect de la souveraineté nationale ne fait pas obstacle à ce que, sur le fondement des dispositions précitées du préambule de la Constitution de 1946, la France puisse conclure, sous réserve de réciprocité, des engagements internationaux en vue de participer à la création ou au développement d'une organisation internationale permanente, dotée de la personnalité juridique et investie de pouvoirs de décision par l'effet de transferts de compétences consentis par les Etats membres; . . . C o n -

61 in ihrem Verhältnis zueinander über ein Höchstmaß an Flexibilität verfügen. 218 Es bedarf im übrigen kaum einer Betonung, daß die Mitgliedstaaten der E G bereits durch die bisherigen Schritte auf dem Wege zur europäischen Integration einen engen Verbund geschaffen haben, in dem das eigene politische Verhalten nicht mehr völlig autonom bestimmt werden kann, sondern stets die Wirkungen auf die Partner mit in Betracht zu ziehen hat. Daraus folgt indes nicht, daß die Bundesrepublik etwa gemäß Art. 5 EWG-Vertrag aus Gründen der Gemeinschaftstreue 219 verpflichtet wäre, den Unionsvertrag zu ratifizieren. Die Bundesregierung muß jedoch alle notwendigen Schritte einleiten, die für eine verfassungskonforme Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften erforderlich sind, unabhängig davon, ob diese Zustimmung letztlich erteilt wird. Für die Länder ergeben sich aus der vorstehend skizzierten Verfahrensgestaltung beträchtliche Einflußmöglichkeiten. Sie müssen den erforderlichen Verfassungsänderungen über den Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Im Hinblick auf das Zustimmungsgesetz gemäß Art. 24 Abs. 1 G G verfügt der Bundesrat zwar nur über die Möglichkeit des Einspruches, jedoch führt die sachliche Verbindung mit den formellen Verfassungsänderungen dazu, daß das Zustimmungsgesetz wenigstens de facto einer ausdrücklichen Billigung durch die Länderkammer unterliegt.

sidérant toutefois qu'au cas où des engagements internationaux souscrits à cette fin contiennent une clause contraire à la Constitution ou portent atteinte aux conditions essentielles d'exercice de la souveraineté nationale, l'autorisation de les ratifier appelle une révision constitutionnelle . . . ". Einen guten Uberblick zur jeweiligen verfassungsrechtlichen Ausgangslage in allen EGMitgliedstaaten sowie eine sorgfältige Analyse der einschlägigen Bestimmungen gibt N. Lorenz, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften, Frankfurt a. M. u. a. 1990. Auch das Gemeinschaftsrecht geht im übrigen davon aus, daß völkerrechtliche Verträge nur geschlossen werden dürfen, wenn ihr Inhalt mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht; zu diesem Zweck kann der E u G H zuvor um ein entsprechendes Gutachten ersucht werden (Art. 228 Abs. 1 Uabs. 2 EWGV), was zuletzt im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Rechtsschutzsystems des angestrebten Vertrages über den Europäischen Wirtschaftsraum geschah, vgl. Gutachten des E u G H 1/91 vom 14.12.1991 sowie 1/92 vom 10. April 1992 (noch nicht in der Amtlichen

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Sammlung veröffentlicht). Daß die „Eilbedürftigkeit" von Gesetzgebungsvorhaben bei der Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt werden darf, unterstreicht BVerfGE 34, 9 (22 f). Ferner hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 18. September 1990 betreffend das Zustimmungsverfahren zum Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erkennen lassen, daß „historische Chancen" und besondere politische Sachlagen bei der Gestaltung von Zustimmungsverfahren für den Abschluß von Verträgen des Bundes auch verfassungsrechtlich Beachtung verdienen, wenngleich das Gericht ausdrücklich die Frage unbeantwortet lassen wollte, ob die Bundesregierung in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten in völkerrechtlichen Verträgen Änderungen des Grundgesetzes vereinbaren darf, vgl. BVerfGE 83, 316 (320). Der Präsident des E u G H O. Due hebt in einer kürzlich erschienenen Abhandlung (Der Grundsatz der Gemeinschaftstreue in der Europäischen Gemeinschaft nach der

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5. Die zukünftige Rolle des Verfassungsstaats im europäischen Integrationsprozeß Mit der Europäischen Union erreicht die „überstaatliche Bedingtheit" 220 der deutschen Verfassungszustände eine rechtliche und tatsächliche Dimension, über deren umfängliche Auswirkungen heute noch keine vollständige Klarheit besteht. Unstreitig dürfte indes die Einschätzung sein, daß insbesondere die Wirtschafts- und Währungsunion in einem bisher nicht gekannten Ausmaß der staatlichen Souveränität neue Grenzen setzt. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auf dem Felde der Finanzverfassung ab, wenn der Gemeinschaft künftig immer höhere Einnahmen zugestanden werden sollten 221 bzw. manche Mitgliedstaaten sich sogar anschicken, die Ratifizierung der Maastrichter Vereinbarungen von einer vorherigen Einigung über ein künftiges (erweitertes) Finanzierungssystem der Gemeinschaft abhängig zu machen. Hier könnte sich mittelfristig u. a. auch die Notwendigkeit ergeben, eine eigentliche Gemeinschaftssteuer einzuführen, deren Erhebung der Budgetkontrolle des Europäischen Parlaments unterworfen sein müßte. 222 Allerdings sollten die Probleme eines solchen gemeinschaftseigenen Steuersystems nicht unterschätzt werden. Zwar müßte die Gemeinschaft dann ihr Finanzgebaren voraussichtlich intensiver legitimieren und stärker um öffentliche Zustimmung werben als dies bisher der Fall ist. Indes ergäbe sich ein erhöhter Koordinationsbedarf zwischen den verschiedenen Finanzhoheitsträgern in Europa. Dabei wären nicht nur die fiskalischen Belange aufeinander abzustimmen, sondern es wäre auch das komplexe Geflecht außerfiskalischer Zielsetzungen der staatlichen und der gemeinschaftlichen Abgabensysteme zu berücksichtigen. Schließlich bedingt die Schaffung einer originären gemeinschaftlichen Be-

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neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs, Schriften des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht, Bonn 1992, S. 18) die Ähnlichkeit zwischen Gemeinschaftstreue (Art. 5 EWGV) und „Bundestreue" hervor. Er betont zugleich, daß der Gerichtshof sich von dem Bemühen habe leiten lassen, die Zustandigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten unter Rückgriff auf das Prinzip der Gemeinschaftstreue nicht zu ändern. Dazu W. v. Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, aaO (Fn. 2), S. 252 ff. Zu den weitgesteckten Zielen der EGKommission in diesem Zusammenhang siehe die Rede von Kommissionspräsident J. Delors vom 12.2.1992 vor dem Europäischen Parlament sowie die Mitteilung

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der Kommission „Von der Einheitlichen Akte zu der Zeit nach Maastricht: Ausreichende Mittel für unsere ehrgeizigen Ziele", Bulletin der EG, Beilage 1/92. Zur Frage u.a. der Gemeinschaftssteuer siehe P. M. Schmidhuber, Die Notwendigkeit einer neuen Finanzverfassung der EG, EuR 1991, S. 329, 336 f; für eine Gemeinschaftssteuer hat sich u. a. der seinerzeitige französische Finanzminister M. Bérégovoy ausgesprochen, siehe dazu den Bericht „France: un enjeu de politique intérieure", in: Le Monde vom 3. März 1992, S. 10; siehe auch P. Fischer, Wider die neue EuropaWehleidigkeit der Deutschen, Europa-Archiv 1992, S. 187 ff, (193 f), der eine Gemeinschaftssteuer als integrationspolitischen Fortschritt bewertet.

63 steuerungskompetenz unter der Kontrolle des Europäischen Parlaments grundlegende Veränderungen im Institutionengefüge der Gemeinschaft. Das Parlament müßte dann zumindest gleichberechtigt an der allgemeinen Rechtssetzung beteiligt werden, da sich andernfalls die Konfliktträchtigkeit der heute bestehenden Aufspaltung zwischen seiner eingeschränkten Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren und seinen weitergehenden Haushaltsbefugnissen noch verstärken dürfte. Während sich die Diskussion in der deutschen Staatsrechtslehre in den vergangenen Jahren vor allem auf Probleme des Grundrechtsschutzes in der Europäischen Gemeinschaft konzentriert hat, werden sich nun also vermehrt Fragen nach der Wirtschafts-, Währungs- und Finanzverfassung und wegen deren heutiger zentraler Bedeutung sogar nach dem Schicksal der deutschen Staatlichkeit insgesamt im Rahmen der europäischen Verfassungsentwicklung stellen. Dabei steht zum einen die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im Vordergrund. Insofern sind Befürchtungen durchaus ernst zu nehmen, die Gemeinschaftsorgane könnten durch eine extensive Nutzung ihrer Zuständigkeit ein zentralistisch strukturiertes und bürokratisch geprägtes Europa schaffen, in dem der dominierende Einfluß vom Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs und von der EG-Kommission ausgeht. 223 Auch gewinnt die Kontrolle über das Gemeinschaftshandeln eine völlig neue zeitliche Dimension, wenn bereits heute in bindender Weise über Planungszeiträume bis in das Jahr 1999 entschieden werden soll. 224 Andererseits sind im gegenwärtigen Konzept auch Elemente enthalten, die einer zentralistischen Tendenz entgegenwirken dürften. So ist es durchaus wahrscheinlich, daß nicht alle Mitgliedstaaten in die 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eintreten können. U m einen Kern mit einer einheitlichen europäischen Währung wird sich dann ein Randgebiet von Staaten bilden, die nach wie vor auf ihre nationalen Währungen angewiesen sind. Die Entwicklung zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten, auch auf anderen Gebieten, ließe sich dann nur noch schwer aufhalten, obwohl sie in der Tendenz einem maßgeblichen Prinzip der institutionellen Struktur der Gemeinschaft zuwiderläuft. 225 Bei allem darf aber die weiterbestehende Rolle und Funktion der Mitgliedstaaten im europäischen Einigungsprozeß nicht unterschätzt werden. Die Ge-

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Eindringlich in diesem Sinne E. Steindorff, Verfassungsänderung durch die EG?, AöR 116 (1991), S. 460 ff. Siehe dazu besonders H. Tietmeyer, Währungsunion - ein Weg ohne Umkehr, Integration 1/92, S. 17 ff. Der Maastrichter Vertragsentwurf ist dabei von den deutlichen Bemühungen geprägt, durch Aufstellung objektiver Konvergenzkriterien den Prozeß zur Europäischen Währungsunion berechenbar zu machen. Vgl. Art. 109 j Abs.

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1 EG-Vertrag und das beigefügte Protokoll über die Konvergenzkriterien. Zum Problem der Planungskontrolle im nationalen Rahmen siehe besonders W. Graf Vitzthum, Parlament und Planung, Baden-Baden 1978 und Th. Wiirtenberger, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, Berlin 1979. Dazu Gutachten des EuGH 1/76, Stillegungsfonds für die Binnenschiffahrt, erstattet am 26. April 1977, Amtl. Slg. 1977, S. 741 ff.

64 meinschaft verfügt auch nach den nun vorliegenden Verfassungsplänen weder über die dazu erforderlichen weitreichenden Kompetenzen noch über die personelle sowie die technisch-administrative Kapazität, einen europäischen Zentralstaat zu schaffen und seinen Anforderungen zu genügen. 226 Schließlich sind es auch in der Zukunft die Regierungen der Mitgliedstaaten, die im Rat über den Inhalt und das Ausmaß der europäischen Gesetzgebung beschließen. Die nationalen Parlamente müssen sich zwar darauf einstellen, weitere Entscheidungskompetenzen an die Europäische Gemeinschaft abzugeben, doch wachsen ihnen - mit dem Kompetenzverlust einhergehend - weitere Kontrollaufgaben gegenüber den Regierungen zu, soweit es um deren Abstimmungsverhalten in den europäischen Organen geht. Zur effektiven Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle gehört freilich, daß sich die nationalen Parlamente dieser gesteigerten Anforderungen tatsächlich bewußt sind und den erhöhten Kontrollbedürfnissen künftig gegebenenfalls in neuen Verfahrensformen entsprechen. 227 Es könnte sich als eine glückliche Koinzidenz erweisen, 228 daß die von Art. 5 des Einigungsvertrages empfohlene verfassungspolitische Debatte über eine Revision des Grundgesetzes in einer Zeit stattfindet, in der auch die Verfassungsentwicklung der Europäischen Gemeinschaft in eine neue entscheidende Phase getreten ist. Der sachliche Erfolg der aus Anlaß der Wiederherstellung der deutschen Einheit betriebenen Verfassungsreform hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die deutsche und europäische Verfassungsentwicklung in adäquater Weise aufeinander abzustimmen.

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Hierzu würde Art. 24 G G auch in keinem Fall eine Ermächtigungsgrundlage bieten können, siehe nur K. Stern, Staatsrecht, aaO (Fn. 213), Bd. I, S. 521: „Art. 24 Abs. 1 G G läßt in Verbindung mit der Präambel ("gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa») daher rechtlich zwar nicht die Mitwirkung an der Gründung eines Einheitsstaates zu; öffnet aber wohl den Weg zu einem europäischen Bundesstaat . . . "

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Zu den unterschiedlichen Formen, in denen die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten das europäische Integrationsgeschehen kontrollieren, siehe K. Pohle, Parlamente in der E G - Formen der praktischen Beteiligung, Integration 2/92, S. 72 ff m.w.N. In diesem Sinne Bundespräsident R. v. Weizsäcker, „Maastricht als historische Chance begreifen", FAZ v. 13. April 1992, S. 9.

IV. Zukunftsperspektiven europäischer Integration und deutsches Verfassungsrecht 1. Irreduzible Bereiche deutscher Staatlichkeit Das Grundgesetz zählt in Art. 79 Abs. 3 einzelne Maßnahmen auf, die als Änderung des G G unzulässig sind. Damit ist nicht gemeint, daß niemand das Recht habe, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Sie würden aber, das ist der Sinn der Vorschrift, das Grundgesetz aufheben, sind also unzulässig im Rahmen und unter Bewahrung des Grundgesetzes. 229 Der deutsche Staat ist der Staat des Grundgesetzes. Will also die Gemeinschaft sich nicht über die Tatsache der deutschen Staatlichkeit hinwegsetzen, so muß sie als mindestes das achten, was Art. 79 Abs. 3 G G als deren unverzichtbaren Inhalt hervorgehoben hat. a) Bundesstaatlichkeit Zu den in Art. 79 Abs. 3 G G angesprochenen Einrichtungen gehört die Gliederung des Bundes in Länder sowie die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung. Ersichtlich steht das Erfordernis der Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung im Sinnzusammenhang bundesstaatlicher Machtbalance und -kontrolle. Es soll also sicherstellen, daß die Länder nicht von der grundsätzlichen Mitsprache an der Gesetzgebung im Bundesstaat des Grundgesetzes ausgeschlossen werden. 230 Wenn nun aber auf der Basis des Art. 24 G G in einem verfassungspolitisch jedenfalls nicht vorhergesehenen Maße Gesetzgebungsrechte vom Bund an europäische Instanzen abgegeben werden und davon in nennenswertem Umfang auch Bereiche (innerstaatlicher) Landeskompetenz

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P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, § 19 B IV Rz 44 ff und §19 C II Rz 66 ff, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, (Hrsg. J. Isensee und P. Kirchhof) Bd. I: Grundlagen von Staat und Verfassung, Heidelberg 1987; vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts,

230

aaO (Fn.9), Rz 700 ff, insb. Rz 702 f. T. Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GGKommentar, München 1986, Art. 79 Nr. 7 b; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch (Hrsg.), GGKommentar, Bd. 3, München 1983, Art. 79 III Rz 32; H.-U. Evers, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Stand: Mai 1990, Art. 79 III Rz 217ff.

66 betroffen sind, darf dadurch das prinzipielle Mitwirkungsrecht der Länder an der Gesetzgebung nicht völlig ausgehöhlt und jeder Relevanz beraubt werden. Als Mindestgarantie verlangt bereits der Grundsatz der Bundestreue, wie oben dargelegt, vorgängige Informations- und Anhörungsrechte der Bundesländer bei Gesetzesvorhaben der Gemeinschaft, in deren Planung und Beschlußfassung für den Bund die Regierung eingeschaltet ist.231 Freilich darf dadurch auch der Bund nicht an effektiver Mitentscheidung im Rahmen der europäischen Gremien und Organe zum Wohle gesamtstaatlicher Interessen gehindert werden. Weitergehende Ansprüche der Länder würden ihrerseits gegen den Grundsatz der Bundestreue verstoßen. Hier kommt es darauf an, in praktischer Konkordanz die Entscheidungskompetenz des Bundes trotz und auf Grund vorheriger Information und Anhörung der Bundesländer zu sichern. Dazu leisten die aus Anlaß der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte beschlossenen Grundsätze einen maßgeblichen Beitrag. Bei der Frage einer in Anspruch genommenen weiterreichenden Mitwirkung der Bundesländer im europäischen Beschlußverfahren ist immer zu erwägen, inwieweit mit ähnlichen Ansprüchen anderer Mitgliedstaaten zu rechnen wäre, wenn dieses Prinzip Geltung erhielte.232 Die anläßlich der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages erwogenen parlamentarischen Begleitentschließungen mögen ihren Wert als politische Willensbekundung besitzen, eine eigentliche rechtlich bindende Wirkung kann ihnen im Ratifizierungsverfahren aber nicht zukommen.233 b) Verfassungsgrundsätze der Art. 1 und 20 GG Art. 79 Abs. 3 bestimmt ferner, daß das G G seine Geltung verlöre, wenn die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt, d. h. nicht aufrechterhalten würden. Im Rahmen des G G kann also ein derartiges Vorgehen nicht stattfinden. Daraus ist zu schließen, daß auch ein entsprechendes Handeln der Gemeinschaft dem Grundgesetz, und damit der wesentlichen Substanz des deutschen Staates, den Boden entziehen müßte. Das führt uns dazu, drei Abstufungen möglicher Eingriffe der Gemeinschaft in das deutsche Verfassungsleben zu unterscheiden: aa) Der stärkste Eingriff wäre eine für den Staat des G G verbindlich gemachte Maßnahme, welche die erwähnten Garantien des Art. 79 Abs. 3 außer Kraft setzte. Sie mag geschehen. Dann aber hörte der Staat der Bundesrepublik auf zu existieren. Das BVerfG hat den Bestand dessen, was unauflöslich mit der „verfassungsmäßigen Ordnung" der Bundesrepublik verbunden ist, über den 231 232

Siehe Kap. II, 3, c). In diesem Sinne prononciert U. Everling in der Anhörung des Landtags von BadenWürttemberg (Kulturhoheit der Länder und Bildungspolitik der Europäischen Gemeinschaft, Öffentliche Informationsveranstal-

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tung am 28. September 1990, S. 29). Zur rechtlichen Wirkung des Vertragsgesetzes vgl. BVerfGE 6, 290 ff, 294 f; P. Badura, Staatsrecht, München 1986, Rz 120; K. Stern, Staatsrecht, Band 1, München 1984, S. 505.

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Wortlaut des Art. 79 Abs. 3 hinaus erweitert, 234 und zwar durch eine extensive Auslegung des im Grundgesetz verwendeten Begriffs der Menschenwürde. 235 Es stellt fest, daß die Menschenwürde durch eine wertgebundene Ordnung geschützt wird, durch welche die Eigenständigkeit, die Selbstverantwortlichkeit und die Würde des Menschen in der staatlichen Gemeinschaft gesichert werden. Gesetze, selbst wenn sie formell ordnungsmäßig ergangen sind, müssen daher auch materiell mit diesen obersten Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sein. Zu diesen Grundsätzen gehören, wie das BVerfG hervorhebt, auch die „ungeschriebenen elementaren Verfassungsgrundsätze und die Grundentscheidungen des G G " , 2 3 6 vornehmlich der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und das Sozialstaatsprinzip. Daraus ergibt sich, wie das BVerfG ausführt, „daß dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist". 2 3 7 Soll diese Feststellung nicht sinnlos werden, so müssen wir das in die Bundesrepublik mit Gesetzeskraft einwirkende Beschlußrecht der Europäischen Gemeinschaft als zur „öffentlichen Gewalt" im Sinne der Ausführungen des BVerfG gehörig ansehen. Wir haben es also als erstes mit der Möglichkeit von Maßnahmen der Gemeinschaft zu tun, welche, um den Ausdruck des Art. 19 Abs. 2 G G zu verwenden, den „Wesensgehalt" unserer Verfassungsstaatlichkeit antasten würden. bb) In zweiter Linie kommen Maßnahmen in Betracht, die nur bei einer veränderten Interpretation bestimmter Verfassungsbegriffe mit dem Grundgesetz vereinbar wären. Bei der Definition der Gewaltentrennung und der möglichen Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung ist dies bereits zur Sprache gekommen. 2 3 8 cc) Ein drittes Problem ergibt sich aus dem unaufhaltsamen Anwachsen der materiellen Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Regelung von Aufgaben, deren Erfüllung im bisherigen Verständnis zu den wesentlichen Pflichten, ja zu der Existenzvoraussetzung des Staates gehörte. Worauf es hier vor allem ankommt, ist, daß die betreffende Leistung effektiv erbracht wird, sei es durch den Staat, sei es durch die Gemeinschaft, die dessen Zuständigkeit an sich zieht. 239 War es bisher die Pflicht des Staates, diese lebenswichtigen Aufgaben zu erfüllen, so ist es jetzt seine Pflicht, sich zu versichern, daß sie von der Gemeinschaft wirkungsvoll und nach allgemein anerkannten Rechts- und Verfassungsprinzipien wahrgenommen werden. Gelingt es nicht, diesen Zustand herzustellen, so bedeutet dies das Ende der „verfassungsmäßigen Ordnung" des Grundgesetzes und damit des deutschen Staates, so wie er bis jetzt verstanden wurde. " 4 BVerfGE 235 B V e r f G E 236 B V e r f G E 237 BVerfGE

6, 32 ff, Fall Elfes. aaO. 6, 32, 41. 6, 32, 41.

238 239

Siehe oben I, 2, b sowie IV, 1, a. Ein wichtiges Beispiel für derartige unabdingbare Leistungen ist die Bekämpfung internationaler Verbrechensorganisationen.

68 Genügt hingegen der Staat seiner Pflicht, die Erreichung bestimmter Leistungsziele, die er der Europäischen Gemeinschaft zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung überträgt, dort effektiv zu sichern, so hebt er sein eigentliches Wesen nicht auf, sondern findet sich in der Lage, innerhalb der einer überregionalen Verantwortung zugewiesenen Aufgaben den übrigen verfassungsmäßigen Anforderungen zu genügen und sich damit als individueller Bestandteil des Ganzen behaupten zu können. Daß er damit zugleich der Gemeinschaft einen unentbehrlichen Dienst leistet, ist bereits zur Sprache gekommen. Die Gemeinschaft kann nicht leben ohne die Bindungskräfte, die sie selbst nicht hervorbringen, sondern die sie nur bei den Mitgliedstaaten vorfinden und sich dienstbar machen kann. Vielleicht, daß langsam einmal die irrationalen Gewißheiten, auf die es hier ankommt, in der Gemeinschaft selbst heranwachsen werden. Der Grad, in dem sie auf die Verschiedenheiten unter den Mitgliedstaaten verzichten kann, hängt hiervon ab. Evidente gemeinsame Gefahrenlagen, unausweichliche, alles andere beiseite drängende Uberlebensaufgaben, ein in gemeinsamer Leistung begründetes Selbstgefühl mögen diesen Zustand befördern. Einstweilen ist er nicht erreicht und kann deshalb die Fliehkräfte, denen eine solche Gemeinschaft ständig ausgesetzt ist, nicht binden. Soviel zu der Frage des Eingriffs europäischer Hoheitsgewalt in die Grundlagen unseres Verfassungslebens. Die Dynamik der augenblicklich vehementen Einigungsbewegung bringt nun aber zwei gleichermaßen bedenkliche Gefahren mit sich, die erkannt und gemeistert werden müssen. Einmal droht das der Gemeinschaft zuwachsende Aufgabengebiet die Leistungskraft der für deren Bewältigung einzig in Betracht kommenden Instanz, nämlich der europäischen Bürokratie, zu überfordern. 2 4 0 Dies ist ein viel zu wenig bedachtes Problem. Gewiß kann die für die Gemeinschaftsverwaltung wie für die Gesetzes- und sonstige politische Initiativen verantwortliche K o m mission bislang als ein unbestreitbares Verdienst für sich in Anspruch nehmen, mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln supranationaler Wirtschaftsverwaltung den Fortgang der Integration nach Kräften gefördert zu haben. Wie ein gemeinschaftlicher Beamtenapparat den ihm in der neueren Planung zugewiesenen Aufgaben gewachsen sein und wie er einer demokratischen Kontrolle zugänglich sein soll, das sind offene Fragen. Zum zweiten naht der Zeitpunkt, an dem die erwähnten Gefahren, denen die Staatlichkeit der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft durch deren fortschreitendes Wachsen ausgesetzt wird, als Grenzen dieses Wachstums anerkannt werden müssen. Alle weiteren Maßnahmen der Vereinheitlichung sind daran zu messen, ob sie den irreduziblen Bereich, auf den der Mitgliedstaat für seine Existenz und für seine Rolle in der Gemeinschaft angewiesen ist, nachteilig oder gar auflösend berühren. Es müssen dabei nicht nur die essentiellen Elemente der Staatlichkeit einbezogen werden, sondern zugleich die Leistung, welche der 240

E. Steindorff, Verfassungsänderung durch die EG?, A ö R (116) 1991, S. 460ff.

69 Mitgliedstaat der Gemeinschaft einbringt und auf die auch diese nicht verzichten kann. Es handelt sich, wie oben des näheren ausgeführt, um die Verwurzelung des Gemeinwesens in der Vorstellung, die sich der einzelne Bürger von der öffentlichen Ordnung und ihren Rechten macht. Soweit sich der Bürger mit dieser Ordnung als einer selbst gewollten eins fühlt, kann vieles, was sonst zu dauerndem Streit und zu zentrifugalen Bestrebungen führen würde, in toleranter Undeutlichkeit unentschieden bleiben. Keine auf geschichtliche Dauer angewiesene Gemeinschaft kann, wenn sie Freiheit gewähren soll, diese Gesinnungslage entbehren. So spielt die stillschweigende Hinnahme dessen, was in Ausübung öffentlicher Gewalt geschieht, eine maßgebliche Rolle. Die Regierung der Europäischen Gemeinschaft ist dem einzelnen noch zu fern, als daß er sich ihr in diesem Sinne verbunden fühlen könnte. Er kann es nur, indem er dem zustimmt, was sein Staat, zu dem er diese Beziehung hat, in die Entscheidungen der Gemeinschaft einbringt. Fällt der Staat als mitwirkendes Subjekt fort, so entsteht ein Leerraum, von dem niemand weiß, wie er auszufüllen wäre. Weitere essentielle Aufgabenzuweisungen an die Gemeinschaft setzen also voraus, daß sich auf Gemeinschaftsebene selbst Verfassungszustände herangebildet haben, die unseren gegenwärtigen Vorstellungen auf diesem Gebiet ebenbürtig sind. Andernfalls würden Rückschritte eintreten, die nicht ernst genug genommen werden können.

2. Möglichkeiten verfassungsmäßiger Einschränkung einer europäischen Hoheitsmacht Dies führt nun dazu, jedenfalls einzelne Möglichkeiten anzudeuten, wie sich die europäische Hoheitsmacht verfassungsmäßig einbinden und umgrenzen ließe. a) Verfassungsvorbehalte und Kontrolle Als erstes bietet sich an, den Umfang der einer europäischen Regierung zukommenden Kompetenz prinzipiell unter gewisse Verfassungsvorbehalte zu stellen. Die vermutete Allzuständigkeit, wie wir sie beim Staat kennen, würde die europäische öffentliche Gewalt ein für allemal einer verfassungsorientierten Kontrolle entziehen. Die europäische Kompetenz muß daher, wie schon jetzt, eine compétence d'attribution (Art. 4 Abs. 1, Satz 2 EWGV) 2 4 1 bleiben. Dies ist dann der geeignete Ort, Verfassungsgrundsätze zur Geltung zu bringen. Eine künftige Generalklausel könnte diesen Dienst leisten. Sie müßte ausdrücken, von welchen Bedingungen jede hoheitliche Maßnahme der Gemeinschaft abhängig ist und wessen Einverständnisses sie bedarf, um gültig zu sein. Die Einhaltung dieser Bedingungen müßte einklagbar sein. Dabei versteht sich, daß natürliche 241

Vgl. G. Isaac, Droit communautaire général, Paris 1989, S. 34, 1 2 0 ; / Boulois, Droit insti-

tutionnel des Communautés Européennes, Paris 1991, S. 109 ff.

70 Personen und ihresgleichen von der Maßnahme, welche sie anfechten wollen, direkt betroffen sein müßten. Ferner ließe sich daran denken, zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Gerichtshofs einen besonderen Kontrollausschuß bei dem Europäischen Parlament einzurichten, dessen Zustimmung erforderlich wäre, wenn ein entsprechender Personenkreis die mangelnde Ubereinstimmung einer hoheitlichen Maßnahme der Gemeinschaft mit dem Umfang der ihr übertragenen Kompetenzen vor Gericht bringen wollte. Jeder Mitgliedstaat müßte, wie sich gleichfalls versteht, den E u G H direkt anrufen können. Auch wäre vorstellbar, ein Einspruchsverfahren bei dem Ministerrat oder der Kommission einzurichten und die Anrufung des Parlamentsausschusses erst zuzulassen, wenn dies erfolglos stattgefunden hat. Ein solches, dem eigentlichen Gerichtsschutz 2 4 2 vorgeschaltetes Verfahren würde sich an dem Beispiel der E M R K orientieren, welche den Zugang zum Gerichtshof für natürliche Personen, nichtstaatliche Organisationen oder Personenvereinigungen davon abhängig macht, daß die Europäische Kommission für Menschenrechte ein entsprechendes Gesuch annimmt. Auch das BVerfG hält ähnliche Voraussetzungen der Zulässigkeit vornehmlich von Verfassungsbeschwerden, wie sie ja auch bei dem Supreme Court der Vereinigten Staaten gelten, für erwägenswert. 243 Was den Inhalt der erwähnten Generalklausel angeht, so wäre zunächst an die Garantie der Grundrechte zu denken. Es kämen nicht nur Grundrechte einzelner Betroffener in Frage, sondern auch fundamentale, der Gemeinschaft vorenthaltene Rechte der Mitgliedstaaten (retained powers), deren Verletzung durch die Gemeinschaft danach ultra vires wäre. Als grundlegender Inhalt der Generalklausel wäre aber das nun auch durch die Maastrichter Gipfelbeschlüsse 2 4 4 ausdrücklich anerkannte Prinzip der Subsidiarität 245 anzusehen. Dies bedarf hier einer näheren Erörterung.

242

Zur Bedeutung des Rechtschutzes vgl. etwa ]. Schwarze, Stellung und Funktion des Europäischen Gerichtshofes im Verfassungssystem der Europäischen Gemeinschaft, in: Fortentwicklung des Rechtsschutzes in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1987, S. 13 ff; sowie J. Schoo, Das Europäische Parlament und sein Verfassungsgericht, E u G R Z 1990, S. 525 ff.

H. Kutscher, Maßnahmen zur Minderung der Geschäftslast des Bundesverfassungsgerichts, in: J. Schwarze (Hrsg.), Fortentwicklung des Rechtschutzes in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1987, S. 141, 151 ff. 244 Vgl Vertrag über die Europäische Union, 243

245

Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, Art. 3 b II. Zum Subsidiaritätsprinzip im allgemeinen: R. Herzog, Subsidiaritätsprinzip, in: Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl., Stuttgart 1987, S. 3564 ff; A. Höllerbach/A. Rauscher, Subsidiarität, in: Staatslexikon, Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Freiburg u.a. 1989, S. 386 ff; zum europäischen Recht F.L. Knemeyer, Subsidiarität - Föderalismus, Dezentralisation, Z R P 1990, S. 173 ff; l. Pernice, Befugnisse der E G auf dem Gebiet des Umwelt- und Technikrechts, DVB1. 1989, S. 1 ff; K. Hailbronner, Die deutschen Bundesländer in der E G , J Z 1990, S. 149 ff.

71

Wieweit dieses besonders durch die päpstliche Encyklika Quadragesimo Anno (1931) 246 bedeutsam gewordene Prinzip philosophisch begründet und allgemein zutreffend ist, braucht uns nicht zu beschäftigen. Im Zusammenhang der Beziehung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten ist es aus einem ganz spezifischen Grunde unentbehrlich. Die Gemeinschaft als übergeordnete Einheit ist für ihr eigenes Bestehen darauf angewiesen, daß die Mitgliedstaaten in ihrer größeren Dichte und ihrer Nähe zu den einzelnen so weit wie möglich erhalten bleiben. Sie braucht, wie oben dargestellt, die Verwurzelung des öffentlichen Lebens in den engeren, übersichtlichen Lebensformen der Staaten, wenn sie selbst dauern und zusammenhalten soll. Sie braucht sie aber auch aus einem anderen Grunde: sie ließe sich nicht demokratisch kontrollieren und einschränken, wenn ihr der subsidiäre Aufbau abhanden käme. Was daher auch immer gegen das Subsidiaritätsprinzip im allgemeinen vorzubringen sein mag, für die spezielle Aufgabe der Bewahrung von Verfassungszuständen in einer Europäischen Gemeinschaft ist es nicht zu entbehren. 247 Will man dieses Prinzip nicht gelten und das ganze System beherrschen lassen, so bedeutet dies den weitgehenden Verzicht auf die effektive Einschränkung der europäischen Hoheitsmacht. Ihr verfaßtes Dasein läßt sich nur herstellen, wenn diese Macht verteilt und wenn die Einhaltung dieser Verteilung kontrollierbar 248 gemacht wird. Gerade in diesem Punkt würde sich für die hier zur Erwägung gestellten neu einzurichtenden Kontrollausschüsse ein besonderes Aufgabengebiet ergeben. b) Neue Formen der Aufgabenbewältigung Neben der Ausdehnung demokratischer Kontrolle in einem gemeinschaftsadäquaten Sinne wäre eine weitere, uns bisher kaum vertraute Technik in Betracht zu ziehen, um die sonst fast unüberwindlichen Schwierigkeiten der verfassungsrechtlichen Einbindung der ins Auge gefaßten europäischen Hoheitsmacht zu meistern. Es wäre daran zu denken, bestimmte Sachgebiete auszusondern und sie, unter präziser Zielangabe, weisungsunabhängigen Stellen zur Sicherung dieses Zieles zuzuweisen. Das Bundesbankgesetz bietet dafür ein Beispiel. 249 Hier wird ein bestimmtes sachliches Ziel sozusagen von politischen, etwa davon abweichenden Einflüssen freigestellt. Es steht für sich, und eine 246

247

248

Zitiert von: R. Herzog, in: Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart 1987, S. 3564 f; A. Hollerbach/A. Rauscher, aaO (Fn. 245), S. 386. In diesem Sinne nachdrücklich Staatssekretär H. Köhler im Interview mit der Zeitschrift Der Spiegel 15/1992 v. 6.4.1992, S. 41, 45, 47. Dazu H. Steinberger, Der Verfassungsstaat als Glied einer Europäischen Gemeinschaft,

249

W D S t R L (50) 1991, S. 9 ff, 21, 30. Zur Unabhängigkeit der Bundesbank siehe oben Kap. III, 2, b). Ein ähnlicher Gedanke - wenn auch in abgeschwächter Form - liegt der Einrichtung von Beschlußabteilungen beim Bundeskartellamt zugrunde, die zumindest in der Praxis über eine weitgehende gerichtsähnliche, sachliche Unabhängigkeit verfügen. Vgl. dazu F. Rittner, Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1987, S. 457 m.w.N.

72 sachverständige Instanz ist mit seiner Erreichung beauftragt. Diese Instanz hat keine weiteren Befugnisse. Sie soll gewisse Alternativen auf dem Gebiet der Währungspolitik dem Einfluß der Regierung und damit der politischen Verfügungsmacht entziehen. Das Verfahren hat sich bewährt, so sehr auch die Regierungen immer wieder versuchen, sich von dieser heilsamen Fessel zu befreien. Dieser Gedanke erhält eine ganz neue Bedeutung für das Problem des Gewinnens verfassungsmäßiger Zustände 250 in der geplanten und als unvermeidlich erkannten europäischen Zusammenfassung. Das Einbringen politischer Zuständigkeiten in gemeinsame Wahrnehmung könnte auf diese Weise den Mitgliedstaaten entscheidend erleichtert werden. 251 Sie brauchten nicht zu fürchten, mittels dieser Kompetenzen über ihren Kopf hinweg regiert zu werden. Es ist sehr zu überlegen, ob eine derartige Ausgrenzung der Zuständigkeit auf bestimmten Gebieten nicht vielleicht die einzige Möglichkeit böte, die damit entstehende politische Macht verfassungsmäßig einzubinden und damit ihr Einbringen in die europäische Gemeinsamkeit akzeptabel zu machen. c) Widerruf neuer Kompetenzzuweisungen Ein weiteres bedeutsames Problem ist darin zu sehen, daß fast jede Kompetenz, die der Staat auf die Gemeinschaft überträgt, eine zwingende Anziehungskraft zur Übertragung weiterer Kompetenzen ausübt. Hat der Staat die Gemeinschaft einmal ermächtigt, bestimmte Sachgebiete in gemeinsamer Wahrnehmung zusammenzufassen, so kann er die Erfüllung der damit verbundenen Aufgaben nicht dadurch hindern, daß er sich weigert, die dafür weiter benötigten Kompetenzen zu gewähren. Was dies bedeutet, ist oft nicht im voraus ersichtlich. A m Ende ist dann das, was geschieht, nicht so sehr gewollt, als vielmehr die unvorhergesehene Folge früherer Entscheidungen. Es fragt sich, ob hier ein Weg gefunden werden kann, der eine gewisse Kontrolle der Folgewirkung einmal getroffener Entscheidungen zuläßt, indem z.B. die zunächst erteilte Kompe-

250

Zum Zwecke der Kontrolle der Staatsgewalt ist der Gedanke einer unabhängigen Instanz dem deutschen Verfassungsrecht etwa in Gestalt des Wehrbeauftragten bekannt (Art. 45 b G G ) . D e m gleichen Prinzip folgen die Maastrichter Beschlüsse, wenn sie künftig die Einrichtung eines unabhängigen Bürgerbeauftragten beim Europäischen Parlament vorsehen (Art. 138 e Abs. 3 EGVertrag).

251

Als weiteres Beispiel einer zweckgebundenen autonomen Kompetenzzuweisung wäre an das Internationale Komitee vom Roten K r e u z zu denken. Die Zusammensetzung des Komitees - alle 25 Mitglieder sind

Schweizer - garantiert die Unabhängigkeit und Neutralität bei der Umsetzung des einschlägigen Völkerrechts, insbesondere den Genfer Konventionen. Das Komitee führt von sich aus keine Untersuchungen von Verstößen gegen die Konventionen durch, sondern bringt Verstöße den beteiligten N a tionen zur Kenntnis, wenn ein anderweitiger Meinungsaustausch unmöglich ist. Auf Wunsch der Beteiligten könnte das Komitee dann eine Erforschung des Sachverhalts einleiten; vgl. D. Bindschedler-Robert, „Red C r o s s " , in: R. Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Bd. V, Amsterdam 1983, S. 248 f.

73 tenzzuweisung aufgehoben wird, weil man deren erst später in Erscheinung tretende Folgen nicht auf sich nehmen will. Freilich gilt für nahezu das gesamte Gemeinschaftsgeschehen, daß dem hier geltenden Prinzip fortschreitender Entwicklung besonders die Schaffung von Tatsachenlagen zugute kommt, auf denen weitere Entschlüsse später aufbauen können. Die von faits accomplis ausgehende Wirkung ließe sich jedenfalls dann ausräumen, wenn man sich bei der Zuweisung von neuen Gemeinschaftskompetenzen bewußt einer Technik der Übertragung zur Erprobung bediente, mit der Folge, daß die Mitgliedstaaten die betreffenden Kompetenzen wieder an sich ziehen könnten, wenn sich der Versuch gemeinschaftsweiter Wahrnehmung nachträglich als untauglich erwiese.252 So ist ja auch die Unabhängigkeit der deutschen Bundesbank nur durch reversibles einfaches Gesetz eingerichtet. Neben diesen unmittelbar auf Gemeinschaftsebene zu erwägenden neuen Formen der Kontrolle wachsender Gemeinschaftsgewalt bietet sich künftig auch eine Akzentverlagerung bei der Auslegung des eigenen Verfassungsrechts im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht an.

3. Gestaltungschancen im Prozeß der europäischen Verfassungsentwicklung Mehr als in der Vergangenheit in der deutschen Staatsrechtslehre und Staatspraxis üblich, sollte das Verhältnis von Grundgesetz und europäischem Recht nicht nur unter dem Blickwinkel betrachtet werden, wo die verfassungsrechtlichen Grenzlinien für den Integrationsprozeß verlaufen, sondern auch unter dem Aspekt, welche Gestaltungschancen darin liegen, nationale Verfassungsvorstellungen in den Prozeß des Ringens um Struktur und Recht der Europäischen Gemeinschaft einzubringen. 253 Das deutsche Grundgesetz bietet in seinen Leitprinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte, der Sozialstaatlichkeit und vor allem des Föderalismus ein Reservoir an Instrumenten 252

In den Beschlüssen von Maastricht wurde für den Ubergang in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion das folgende Modell gewählt: Mit Ausnahme von Großbritannien und Dänemark verpflichten sich die Mitgliedsstaaten auf die Unumkehrbarkeit des Ubergangs in eine dritte Stufe. In dem neu eingefügten Art. 109 j werden vier Kriterien aufgeführt, anhand derer geprüft werden soll, ob die einzelnen Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen. Zu den vier Kriterien zählen: Hoher Grad an Preisstabilität, dauerhaft tragbare Finanz-

253

lage der öffentlichen Hand, Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems, Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat erreichten Konvergenz. Vgl. Art. 109 j und das Protokoll über den Ubergang zur Dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, in: Vertrag über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 40, 191. Dazu näher J. Schwarze, in: 40 Jahre GG, aaO (Fn. 44), S. 209, 230.

74

und Ideen, das es bei zukünftigen Schritten auf dem Wege zu einer europäischen Verfassung zu nutzen gilt. Besonders für den letzten Punkt - der möglichen Anknüpfung an Prinzipien des Föderalismus bei der Gestaltung des Europas von morgen - läßt sich Bundespräsident R. von Weizsäcker in seiner Rede vom 24. Mai 1989 zum 40. Jahrestag des Grundgesetzes zitieren, in der er darauf hinweist, daß wir die Deutschen - es auf Grund der Erfahrungen mit dem Föderalismus leichter haben als andere, wenn nach einem ähnlichen Modell eine neue politische Architektur in Europa entsteht. 254 Es läßt sich ferner beobachten, daß die Rechtsentwicklung in Europa sich heute als wechselseitiges, der gegenseitigen Beeinflussung zugängliches Verhältnis von nationalem und europäischem Recht darstellt. Dies bedeutet, daß deutsche Rechtsvorstellungen nicht nur bei der Entwicklung und Formulierung europäischen Rechts wirksam werden können, sondern daß das aus nationalen Rechtsquellen gespeiste, neu gebildete europäische Recht mittlerweile auch wieder auf das heimische Recht zurückzuwirken vermag. 255 Eine künftige Interpretation unseres Verfassungsrechts muß also jedenfalls prinzipiell auch für einen „Re-Import" möglicherweise weiterentwickelter europäischer Verfassungsprinzipien offen sein. Schließlich ist davon auszugehen, daß heute, insbesondere durch die Entscheidung Solange II, den umgekehrten „Solange"-Beschluß, 256 ein adäquates Verhältnis von deutschem Verfassungsrecht und europäischem Recht erreicht ist. Hinter den dort gesetzten Standard sollte es ohne N o t kein Zurück mehr geben. Diese Linie halten auch die erwähnten, kürzlich in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüsse zur Fernsehrichtlinie 257 und zur Richtlinie über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen 258 ein. Das BVerfG hat hier mit Recht davon abgesehen, den Handlungsspielraum der Bundesregierung bei den Gesetzesberatungen im Ministerrat mittels verfassungsprozessualer Rechtsbehelfe im vorhinein einzuengen. Es hat damit das deutsche Verfassungsrecht mit Rücksicht auch auf die Funktionsbedingungen der europäischen Institutionen ausgelegt.259 Eine solche Verfassungsinterpretation, die auf die Funktionsbedingungen der E G Bedacht nimmt, scheint auch für die zukünftige Gemeinschaftsentwick254 Vgl. Bulletin der Bundesregierung 25.5.1989, N r . 51, S. 445 ff, 446. 255

256 257

vom

D a z u näher J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Baden-Baden 1988, Bd. II, Schlußkapitel, S. 1379, 1381. Z u den Wechselbeziehungen zwischen europäischen und nationalen Rechtsgarantien zuletzt eindrucksvoll E. Garcia de Enterria, La batalla p o r las medias cautelares, M a d r i d 1992. B V e r f G E 73, S. 339. B V e r f G E 80, 74, Urteil v o m 11.4.1989 - 2

258

259

B v G 1/89 -. Beschluß BVerfG v o m 12.5.1989 - 2 B v Q 3 / 8 9 - v g l . E u R 1989, S. 270 ff. Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g auch die jüngst ergangene Entscheidung des BVerfG ( N J W 1992, S. 964 ff) z u m Nachtarbeitsverbot f ü r Arbeiterinnen, in der das Verfassungsgericht eine konkrete N o r m e n k o n trolle (Art. 100 I G G ) mit Rücksicht auf eine einschlägige Entscheidung des E u G H f ü r entbehrlich erklärt hat; siehe oben Fn. 1.

75 lung notwendig zu sein. Es kann dabei auf keinen Fall darum gehen, jedes Detail im Namen der Gemeinschaft zu vereinheitlichen oder auf die Gemeinschaft Aufgaben zu übertragen, die sie jedenfalls einstweilen nicht effektiv wahrnehmen kann bzw. für die die Mitgliedstaaten, deren Länder und Regionen, auf Grund der größeren Bürger- und Sachnähe besser gerüstet sind. Die Geschichte Europas ist neben dem Streben nach Einheit immer zugleich auch der Ausdruck der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Vielfalt gewesen, die seine Eigenart und Stärke begründet hat und deren auch die Europäische Gemeinschaft von morgen nicht entraten kann. 260 Bei verfassungspolitischen Uberlegungen im Rahmen der E G kommt deshalb neben dem Gedanken föderaler Gestaltung 261 vor allem dem erwähnten und nun künftig ausdrücklich im Gemeinschaftsrecht verankerten Subsidiaritätsprinzip 262 bei der Entscheidung über die bessere Aufgabenerledigung durch Gemeinschaft oder Mitgliedstaaten eine maßgebliche Rolle zu. Soll das Subsidiaritätsprinzip freilich mehr als eine politische Leitvorstellung sein, muß es als Grundsatz des gemeinschaftlichen Verfassungsrechts jedenfalls seiner Eigenart entsprechend auch rechtlich kontrollierbar 263 sein. Wenn man dem Gerichtshof nicht die Aufgabe eines politischen Schiedsrichters in Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zuschieben will, mit der er überfordert wäre und die ihn selbst

260 Vgl. dazu etwa W. Maihofer, Culture politique et identité européenne, in: J. Schwarze/H. Schermers (Hrsg.), Structure and Dimensions of European Community Policy, Baden-Baden 1988, S. 215, 221 ff. 261

262

Zum Prinzip föderaler Gestaltung etwa R. Hrbek/U. Thaysen, Die deutschen Länder und die Europäische Gemeinschaft, BadenBaden 1986; nachdrücklich in diesem Sinn auch M. R. Lepsius, Europa auf Stelzen, Die Zeit Nr. 25 v. 16. Juni 1989; siehe ferner U. Everling, Der Beitrag des deutschen Rechts zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in: G. Nicolaysen/H. Quaritsch (Hrsg.), Lüneburger Symposium für H. P. Ipsen zur Feier des 80. Geburtstages, Baden-Baden 1988, S. 63, 67 f. Vgl. Art. 3 b: „I. Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig. II. In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitglieds-

staaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. III. Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrags erforderliche Maß hinaus". Siehe Vertrag über die Europäische Union, Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Luxemburg 1992, S. 13. Das Europäische Parlament hatte bereits in seinem Vertragsentwurf von 1984 die Einführung des Subsidiaritätsprinzips vorgeschlagen: vgl. Präambel, Art. 12 Ziff. 2 des Parlamentsentwurfs für eine Europäische Verfassung sowie Ziff. 3 der Erläuterungen, beides abgedruckt in: J. Schwarze/R. Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, Baden-Baden 1981, S. 571 ff; siehe auch F. Capotorti/M. Hilf/J.P. Jacqué, Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Union, Kommentar, BadenBaden 1986, S. 83 f. 263

Dazu E. Steindorff, Verfassungsänderung durch die EG?, AöR (116), 1991, S. 460, 463 ff; vgl. auch H. Steinberger, aaO (Fn. 248), S. 9, 21 ff.

76 um seine Autorität bringen müßte, scheint nur der Weg gangbar zu sein, das Subsidiaritätsprinzip verfahrensmäßig handhabbar und insoweit einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich zu machen. Dies könnte etwa dadurch geschehen, daß - wie sonst im nationalen Verfassungsrecht für die Kosten eines Gesetzesvorschlags vorgesehen 2 6 4 - für jeden Vorschlag einer gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebung zwingend eine Begründung zu fordern wäre, warum eine gesetzgeberische Maßnahme auf Gemeinschaftsebene für erforderlich gehalten wird. Der Gemeinschaftsgesetzgeber wäre dann jedenfalls an seinem eigenen Vorsatz zu messen 265 und die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips auch gerichtlich daraufhin zu kontrollieren, o b der Gesetzgebungsvorschlag jedenfalls den selbstgesetzten Entscheidungsnotwendigkeiten entspricht. Daß in diesem Zusammenhang auch besondere Ausschüsse etwa des Europäischen Parlaments eine wichtige neue verfassungspolitische Kontrollfunktion erfüllen könnten, ist bereits an anderer Stelle erwähnt worden. Für die innere Struktur der Gemeinschaft zeigt sich gegenwärtig kaum ein anderer Weg, als die Rechte des Europäischen Parlaments im Integrationsprozeß zu verstärken. Gewiß würde eine solche Verstärkung der Legislativrechte des Europäischen Parlaments auch seine eigene Rolle und insbesondere die Aktivität seiner Mitglieder im Sinne größerer Verantwortlichkeit für das Gemeinschaftsgeschehen nachhaltig verändern. Hans Peter Ipsens Vorwurf einer „etatistischen Verengung" künftiger Gemeinschaftsreform kann insoweit nicht für begründet gehalten werden. 2 6 6 Parlamentarische Verantwortung und Kontrolle als seit langem politisch-pragmatisch bewährte Prinzipien sind nicht nur auf den Nationalstaat beschränkt, sondern vermögen sich als ein generelles Konzept für die Machtorganisation und -kontrolle, jedenfalls wenn sie strukturangemessen ausgestaltet sind, auch im Rahmen der staatsübergreifenden europäischen G e meinschaftsbildung als sinnvoll erweisen. 267 In diesem Sinne verdient die jüngst vom E u G H vorgenommene Interpretation des Gemeinschaftsrechts, bei mehreren in Betracht kommenden vertraglichen Grundlagen für einen Gemeinschaftsrechtsakt im Zweifel für diejenige zu optieren, bei der die demokratischen Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments am weitesten reichen, volle Zu264

265

Vgl. H. Schneider, Gesetzgebung, 2. Aufl., Heidelberg 1991, Rz 113 und Prüffragen für Rechtsvorschriften des Bundes im Anhang III auf S. 428. Zu dieser Technik des EuGH in den ursprünglichen japanischen Kugellagerfällen; vgl. nur Rs 113/77, NTN Toyo Bearing ./. Kommission, Amtl. Slg. 1979, S. 1191, 1209 Rz 21. Der Gesetzgeber ist unter der Geltung einer bestimmten rechtlichen Regelung auch selbst an die von ihm beschlossenen Grundsätze gebunden; wollte er diese (Selbst-)Bindung nicht gegen sich gelten lassen, so würde er Störungen im Rechtsset-

266

267

zungssystem hervorrufen und die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz verletzen. H. P. Ipsen, Europäische Verfassung - nationale Verfassung, in: Gesellschaft für Rechtspolitik, Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1987, München 1987, S. 37, 42; vgl. auch ders. in seiner Rede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität des Saarlandes, S. 1, 13 ff (maschinenschriftliche Fassung). J. Schwarze, in: 40 Jahre GG, aaO (Fn. 44), S. 233.

77 Stimmung. 268 So wichtig solche systemimmanenten Auslegungsfortschritte auch sind, reichen sie allerdings angesichts des offensichtlichen Aufgabenzuwachses für die Gemeinschaft verfassungspolitisch für sich allein nicht aus. Hier sind gesteigerte Kontrollformen auf Gemeinschaftsebene unabdingbar und müssen im Maße der zusätzlich in Anspruch genommenen Kompetenzen im Verfassungssystem der Gemeinschaft, d. h. in den Verträgen, verankert werden. 269

4. Schlußbetrachtung: Äußerste Grenzen bei der europäischen Verfassungsreform Die unübersteigbaren verfassungsrechtlichen Grenzen für künftige Entwicklungsschritte der E G hat das BVerfG mit der Formel, daß „im Wege der Einräumung von Hoheitsrechten für zwischenstaatliche Einrichtungen die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen, nicht aufgegeben" werden dürfe, 270 in adäquater Weise bestimmt. Diese Formulierung ist hinreichend flexibel, um die künftige Entwicklung auf Gemeinschaftsebene nach dem Maßstab des deutschen Verfassungsrechts angemessen zu beurteilen. Wir brauchen hier von Seiten unseres Verfassungsrechts - auch für den Dialog der verschiedenen Verfassungsrechte in der Gemeinschaft - mehr Offenheit, als sie in manchen verfassungsdogmatischen Debatten in der Vergangenheit anzutreffen war, ein größeres Vertrauen auch auf die Gestaltungschancen, die sich für uns, gestützt auf bewährte Prinzipien unseres Verfassungsrechts, bei den gemeinsamen Überlegungen um die Fortentwicklung des europäischen Rechts ergeben. Eines bleibt freilich für die verfassungsrechtliche Beurteilung unausweichlich. Die auf die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zukommenden Aufgaben gehen weit über ihr jeweiliges einzelstaatliches Leistungsvermögen hinaus. Dies kann für die Interpretation unseres Verfassungsrechts nicht ohne Bedeutung bleiben. Ein Umdenken ist gefordert. Die Einwirkung überstaatlicher Gremien und Organe auf das nationale politische Geschehen wird jetzt noch häufig als Einbruch in die staatliche Entscheidungszuständigkeit empfunden. Dies umso eher, als das Bild des allmächtigen souveränen Nationalstaates nach wie vor als dominierend hervortritt. Diese Vorstellung gehört aber heute, angesichts unabweisbarer internationaler Politik- und Wirtschaftsverflechtungen und vielfach nur noch in übernationaler Verantwortung lösbarer Aufgaben unwiderruflich der Vergangenheit an. Statt der Klage über einen Kompetenzverlust des oh268

269

Rs C-70/88, Parlament ./. Rat, EuGH, Urteil vom 22.5.1990, Amtl. Slg. 1990, S. 2041 ff. Nachdrücklich für eine künftige Erweiterung der demokratischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte das Europäische Parlament in seiner Entschließung zu der Maastrich-

270

ter Regierungskonferenz A 3-0123/92 vom 7.4.1992. Siehe auch den Bericht des Institutionellen Ausschusses (Berichterstatter D. Martin) vom 26. M ä r z 1992. B V e r f G E 73, 339 - „Solange II"-Beschluß vom 22. Oktober 1986.

78 nehin vielfach in alleiniger Verantwortung nicht mehr handlungsfähigen Staates verdienen deshalb dessen Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte im Ringen um die künftige Verfassung der Staatengemeinschaft vorrangige Beachtung und Aufmerksamkeit. Auf die Stellung der Bundesrepublik in der EG bezogen bedeutet dies, daß die mit der Herstellung der deutschen Einheit verbundene interne Verfassungsentwicklung stets mit Blick auf die Grunderfordernisse europäischer Integration betrieben werden sollte, nicht nur um dem eigenen Verfassungsrecht hier den adäquaten Stellenwert zuzuweisen und zu sichern, sondern auch um dessen Leitprinzipien in den Prozeß fortlaufender Bemühungen um die verfassungsmäßige Kontrolle wachsender europäischer Hoheitsmacht einzubringen und ihnen zur Geltung zu verhelfen. Zwischen deutscher und europäischer Verfassungsauslegung und -reform besteht also bereits heute ein Verhältnis sachlicher Verbindung und Abhängigkeit. Es ist der maßgebliche Gesichtspunkt der uns aufgegebenen Verfassungsentwicklung.

Anhang

81 TITEL I

GEMEINSAME BESTIMMUNGEN

Artikel A Durch diesen Vertrag gründen die Hohen Vertragsparteien untereinander eine Europäische Union, im folgenden als "Union" bezeichnet. Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden. Grundlage der Union sind die Europäischen Gemeinschaften, ergänzt durch die mit diesem Vertrag eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit. Aufgabe der Union ist es, die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen ihren Völkern kohärent und solidarisch zu gestalten.

Artikel B Die Union setzt sich folgende Ziele: die Förderung eines ausgewogenen und dauerhaften wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts, insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, die auf längere Sicht auch eine einheitliche Währung nach Maßgabe dieses Vertrags umfaßt; die Behauptung ihrer Identität auf internationaler Ebene, insbesondere durch eine gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung fuhren könnte; die Stärkung des Schutzes der Rechte und Interessen der Angehörigen ihrer Mitgliedstaaten durch Einführung einer Unionsbürgerschaft; die Entwicklung einer engen Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres; die volle Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstands und seine Weiterentwicklung, wobei nach dem Verfahren des Artikels N Absatz 2 geprüft wird, inwieweit die durch diesen Vertrag eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit mit dem Ziel zu revidieren sind, die Wirksamkeit der Mechanismen und Organe der Gemeinschaft sicherzustellen. Die Ziele der Union werden nach Maßgabe dieses Vertrags entsprechend den darin enthaltenen Bedingungen und der darin vorgesehenen Zeitfolge unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, wie es in Artikel 3 b des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft bestimmt ist, verwirklicht.

Artikel C Die Union verfügt über einen einheitlichen institutionellen Rahmen, der die Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele unter gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstands sicherstellt.

82 Die Union achtet insbesondere auf die Kohärenz aller von ihr ergriffenen außenpolitischen Maßnahmen im Rahmen ihrer Außen-, Sicherheits-, Wirtschafte- und Entwicklungspolitik. Der Rat und die Kommission sind für diese Kohärenz verantwortlich. Sie stellen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich die Durchführung der betreffenden Politiken sicher.

Artikel D Der Europäische Rat gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung fest. Im Europäischen Rat kommen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie der Präsident der Kommission zusammen. Sie werden von den Ministern für auswärtige Angelegenheiten der Mitgliedstaaten und einem Mitglied der Kommission unterstützt. Der Europäische Rat tritt mindestens zweimal jährlich unter dem Vorsitz des Staats- oder Regierungschefs des Mitgliedstaats zusammen, der im Rat den Vorsitz innehat. Der Europäische Rat erstattet dem Europäischen Parlament nach jeder Tagung Bericht und legt ihm alljährlich einen schriftlichen Bericht über die Fortschritte der Union vor.

Artikel E Das Europäische Parlament, der Rat, die Kommission und der Gerichtshof üben ihre Befugnisse nach Maßgabe und im Sinne der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie der nachfolgenden Verträge und Akte zu deren Änderung oder Ergänzung einerseits und der übrigen Bestimmungen des vorliegenden Vertrags andererseits aus.

Artikel F (1) Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, deren Regierungssysteme auf demokratischen Grundsätzen beruhen. (2) Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. (3) Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.

TITEL II

BESTIMMUNGEN ZUR ÄNDERUNG DES VERTRAGS ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT IM HINBLICK AUF DIE GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT

Artikel G Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird nach Maßgabe dieses Artikels im Hinblick auf die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft geändert.

83 A. Im gesamten Vertrag gilt folgendes: 1. Der Ausdruck "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" wird durch "Europäische Gemeinschaft" erseut.

B. Im Ersten Teil "Grundsätze" gilt folgendes: 2. Artikel 2 erhält folgende Fassung: "Artikel 2: Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschaftsund Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 3 a genannten gemeinsamen Politiken oder Maßnahmen eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, ein beständiges, nichtinflationäres und umweltverträgliches Wachstum, einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern."

3. Artikel 3 erhält folgende Fassung: "Artikel 3 Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfaßt nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge a)

die Abschaffimg der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie aller sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten;

b)

eine gemeinsame Handelspolitik;

c)

einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist;

d)

Maßnahmen hinsichtlich der Einreise in den Binnenmarkt und des Personenverkehrs im Binnenmarkt gemäß Artikel 100 c;

e)

eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Fischerei;

f)

eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Verkehrs;

g)

ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt;

h)

die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist;

i)

eine Sozialpolitik mit einem Europäischen Sozialfonds;

j)

die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts;

k)

eine Politik auf dem Gebiet der Umwelt;

84 1)

die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft;

m)

die Förderung der Forschung und technologischen Entwicklung;

n)

die Förderung des Auf- und Ausbaus transeuropäischer Netze;

o)

einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus;

p)

einen Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und beruflichen Bildung sowie zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten;

q)

eine Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit;

r)

die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, um den Handelsverkehr zu steigern und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung durch gemeinsame Bemühungen zu fördern;

s)

einen Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes;

t)

Maßnahmen in den Bereichen Energie, Katastrophenschutz und Fremdenverkehr."

4. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 3 a 1. Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfaßt nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, dem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruht und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist. 2. Parallel dazu umfaßt diese Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge und Verfahren die unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse im Hinblick auf die Einführung einer einheitlichen Währung, des Ecu, sowie die Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geld- sowie Wechselkurspolitik, die beide vorrangig das Ziel der Preisstabilität verfolgen und unbeschadet dieses Zieles die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützen sollen. 3. Diese Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft setzt die Einhaltung der folgenden richtungsweisenden Grundsätze voraus: stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz."

5. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 3 b Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig. In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.

85 Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrags erforderliche Maß hinaus." 6. Artikel 4 erhält folgende Fassung: "Artikel 4 1. Die der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben werden durch folgende Organe wahrgenommen: - ein EUROPÄISCHES PARLAMENT; - einen RAT; - eine KOMMISSION; - einen GERICHTSHOF; - einen RECHNUNGSHOF. Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse. 2. Der Rat und die Kommission werden von einem Wirtschafts- und Sozialausschuß sowie einem Ausschuß der Regionen mit beratender Aufgabe unterstützt."

7. Folgende Artikel werden eingefügt: "Artikel 4 a Nach den in diesem Vertrag vorgesehenen Verfahren werden ein Europäisches System der Zentralbanken (im folgenden als 'ESZB' bezeichnet) und eine Europäische Zentralbank (im folgenden als 'EZB' bezeichnet) geschaffen, die nach Maßgabe der Befugnisse handeln, die ihnen in diesem Vertrag und der beigefügten Satzung des ESZB und der EZB (im folgenden als 'Satzung des ESZB' bezeichnet) zugewiesen werden.

Artikel 4 b Es wird eine Europäische Investitionsbank errichtet, die nach Maßgabe der Befugnisse bandelt, die ihr in diesem Vertrag und der beigefügten Satzung zugewiesen werden". 8. Artikel 6 wird gestrichen, und Artikel 7 wird Artikel 6. Der neue Artikel 6 Absatz 2 erhält folgende Fassung: "Der Rat kann nach dem Verfahren des Artikels 189 c Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen."

9. Die Artikel 8, 8 a, 8 b und 8 c werden Artikel 7, 7 a, 7 b und 7 c.

C. Folgender Teil wird eingefügt: "ZWEITER T E I L

86 DIE UNIONSBÜRGERSCHAFT

Artikel 8 1. Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. 2. Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten.

Artikel 8 a 1. Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. 2. Der Rat kann Vorschriften erlassen, mit denen die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 erleichtert wird; sofern in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, beschließt er einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Artikel 8 b 1. Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats. Dieses Recht wird vorbehaltlich der Einzelheiten ausgeübt, die vom Rat vor dem 31. Dezember 1994 einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments festzulegen sind; in diesen können Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, wenn dies aufgrund besonderer Probleme eines Mitgliedstaats gerechtfertigt ist. 2. Unbeschadet des Artikels 138 Absatz 3 und der Bestimmungen zu dessen Durchführung besitzt jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats. Dieses Recht wird vorbehaltlich der Einzelheiten ausgeübt, die vom Rat vor dem 31. Dezember 1993 einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments festzulegen sind; in diesen können Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, wenn dies aufgrund besonderer Probleme eines Mitgliedstaats gerechtfertigt ist.

Artikel 8 c Jeder Unionsbürger genießt im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates. Die Mitgliedstaaten vereinbaren vor dem 31. Dezember 1993 die notwendigen Regeln und leiten die für diesen Schutz erforderlichen internationalen Verhandlungen ein.

Artikel 8 d Jeder Unionsbürger besitzt das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament nach Artikel 138 d.

87 Jeder Unionsbfirger kann sich an den nach Art. 138 e eingesetzten Bürgerbeauftragten wenden.

Artikel 8 e Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß vor dem 31. Dezember 1993 und sodann alle drei Jahre über die Anwendung dieses Teiles Bericht. In dem Bericht wird der Fortentwicklung der Union Rechnung getragen. Auf dieser Grundlage kann der Rat unbeschadet der anderen Bestimmungen dieses Vertrags zur Ergänzung der in diesem Teil vorgesehenen Rechte einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Bestimmungen erlassen, die er den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfiehlt. *

D. Der Zweite und der Dritte Teil werden unter folgender Überschrift zusammengefaßt:

"DRITTER TEIL DIE POLITIKEN DER GEMEINSCHAFT"

und in diesem Teil gilt folgendes:

10. In Artikel 49 erhält der einleitende Teil folgende Fassung: "Unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Vertrags trifft der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses durch Richtlinien oder Verordnungen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 48 fortschreitend herzustellen, insbesondere"

11. Artikel 54 Absatz 2 erhält folgende Fassung: "2. Der Rat erläßt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses Richtlinien zur Verwirklichung des allgemeinen Programms oder - falls ein solches nicht besteht - zur Durchführung einer Stufe der Niederlassungsfreiheit für eine bestimmte Tätigkeit."

12. Artikel 56 Absatz 2 erhält folgende Fassung: "2. Vor dem Ende der Ubergangszeit erläßt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Richtlinien für die Koordinierung dieser Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Hinsichtlich der Koordinierung der Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erläßt er jedoch die Richtlinien nach dem Ende der zweiten Stufe gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b."

13. Artikel 57 erhält folgende Fassung: "Artikel 57 1. Um die Aulhahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten zu erleichtem, erläßt der Rat nach dein

88 Verfahren des Artikels 189 b Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise. 2. Zu dem gleichen Zweck erläßt der Rat vor dem Ende der Übergangszeit Richtlinien zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten. Der Rat beschließt einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments über Richtlinien, deren Durchführung in mindestens einein Mitgliedstaat eine Änderung bestehender gesetzlicher Grundsätze der Berufsordnung hinsichtlich der Ausbildung und der Bedingungen für den Zugang natürlicher Personen zum Beruf umfaßt. Im übrigen beschließt der Rat nach dem Verfahren des Artikels 189 b. 3. Die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe setzt die Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraus."

14. Im bisherigen Zweiten Teil Titel III erhält die Uberschrift des Kapitels 4 folgende Fassung:

"KAPITEL 4 Der Kapital- und Zahlungsverkehr"

15. Folgende Artikel werden eingefügt: "Artikel 73 a Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 werden die Artikel 67 bis 73 durch die Artikel 73 b bis 73 g ersetzt. Artikel 73 b 1. Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. 2. Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Artikel 73 c 1. Artikel 73 b berührt nicht die Anwendung deijenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitelmärkten bestehen. 2. Unbeschadet der anderen Kapitel dieses Vertrags sowie seiner Bemühungen um eine möglichst weitgehende Verwirklichung des Zieles eines freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten beschließen. Maßnahmen nach diesem Absatz, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern einen Rückschritt darstellen, bedürfen der Einstimmigkeit.

89 Artikel 73 d 1. Artikel 73 b berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, a)

die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln;

b)

die unerläßlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.

2. Dieses Kapitel berührt nicht die Anwendbarkeit von Beschränkungen des Niederlassungsrechts, die mit diesem Vertrag vereinbar sind. 3. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73 b darstellen.

Artikel 73 e Abweichend von Artikel 73 b können die Mitgliedstaaten, für die am 31. Dezember 1993 eine Ausnahmeregelung aufgrund des bestehenden Gemeinschaftsrechts gilt, Beschränkungen des Kapitalverkehrs aufgrund der zu dem genannten Zeitpunkt bestehenden Ausnahmeregelungen längstens bis 31. Dezember 1995 beibehalten.

Artikel 73 f Falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern unter außergewöhnlichen Umständen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder zu stören drohen, kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der EZB gegenüber dritten Ländern Schutzmaßnahmen mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten treffen, wenn diese unbedingt erforderlich sind.

Artikel 73 g 1. Falls ein Tätigwerden der Gemeinschaft in den in Artikel 228 a vorgesehenen Fällen für erforderlich erachtet wird, kann der Rat nach dem Verfahren des Artikels 228 a die notwendigen Sofortmaßnahmen auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs mit den betroffenen dritten Ländern ergreifen. 2. Solange der Rat keine Maßnahmen nach Absatz 1 ergriffen hat, kann jeder Mitgliedstaat unbeschadet des Artikels 224 bei Vorliegen schwerwiegender politischer Umstände aus Gründen der Dringlichkeit gegenüber dritten Ländern einseitige Maßnahmen auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs treffen. Die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten sind über diese Maßnahmen spätestens bei deren Inkrafttreten zu unterrichten. Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission entscheiden, daß der betreffende Mitgliedstaat diese Maßnahmen zu ändern oder aufzuheben hat. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament über die betreffenden Entscheidungen des Rates.

90 Artikel 73 h Bis zum 1. Januar 1994 gelten folgende Bestimmungen: 1.

Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, in der Währung des Mitgliedstaats, in dem der Gläubiger oder der Begünstigte ansässig ist, die Zahlungen zu genehmigen, die sich auf den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beziehen, sowie den Transfer von Kapitalbeträgen und Arbeitsentgelten zu gestatten, soweit der Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nach diesem Vertrag liberalisiert ist. Die Mitgliedstaaten sind bereit, über die in vorstehendem Unterabsatz vorgesehene Liberalisierung des Zahlungsverkehrs hinauszugehen, soweit ihre Wirtschaftslage im allgemeinen und der Stand ihrer Zahlungsbilanz im besonderen dies zulassen.

2.

Soweit der Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr nur durch Beschränkungen der diesbezüglichen Zahlungen begrenzt ist, werden diese Beschränkungen durch entsprechende Anwendung dieses Kapitels und der Kapitel über die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen und die Liberalisierung der Dienstleistungen schrittweise beseitigt.

3.

Die Mitgliedstaaten führen untereinander keine neuen Beschränkungen für die Transferierung ein, die sich auf die in der Liste des Anhangs III zu diesem Vertrag aufgeführten unsichtbaren Transaktionen beziehen. Die bestehenden Beschränkungen werden gemäß den Artikeln 63 bis 65 schrittweise beseitigt, soweit hierfür nicht die Nummern 1 und 2 oder die sonstigen Bestimmungen dieses Kapitels maßgebend sind.

4.

Im Bedarfsfall verständigen sich die Mitgliedstaaten über die Maßnahmen, die zur Gewährleistung der in diesem Artikel vorgesehenen Zahlungen und Transferierungen zu treffen sind; diese Maßnahmen dürfen die in diesem Vertrag genannten Ziele nicht beeinträchtigen."

I i . Artikel 75 erhält folgende Fassung: "Artikel 75 1. Zur Durchführung des Artikels 74 wird der Rat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialauschusses a)

für den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln aufstellen;

b)

für die Zulassung von Verkehrsunteraehmen zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festlegen;

c)

Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen;

d)

alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften erlassen.

2. Die in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Vorschriften werden im Laufe der Übergangszeit erlassen. 3. Abweichend von dem in Absatz 1 vorgesehenen Verfahren werden die Vorschriften über die Grundsätze der Verkehrsordnung, deren Allwendung die LebenshaltuAg und die Beschäftigungslage in bestimmten Gebieten sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen emstlich beeinträchtigen könnte, vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und

91 Sozialausschusses einstimmig erlassen; dabei berücksichtigt er die Notwendigkeit einer Anpassung an die sich aus der Errichtung des Gemeinsamen Marktes ergebende wirtschaftliche Entwicklung."

17. Im bisherigen Dritten Teil wird "Titel I - Gemeinsame Regeln" durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"TITEL V GEMEINSAME REGELN BETREFFEND WETTBEWERB, STEUERFRAGEN UND ANGLEICHUNG DER RECHTSVORSCHRIFTEN"

18. In Artikel 92 Absatz 3 - wird folgender Buchstabe eingefügt: "d) Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;" - wird der bisherige Buchstabe d Buchstabe e.

19. Artikel 94 erhält folgende Fassung: "Artikel 94 Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 92 und 93 erlassen und insbesondere die Bedingungen für die Anwendung des Artikels 93 Absatz 3 sowie diejenigen Arten von Beihilfen festlegen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind. *

20. Artikel 99 erhält folgende Fassung: "Artikel 99 Der Rat erläßt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts innerhalb der in Artikel 7 a gesetzten Frist notwendig ist."

21. Artikel 100 erhält folgende Fassung: "Artikel 100 Der Rat erläßt einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses Richtlinien für die Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken."

92 22. Artikel 100 a Absatz 1 erhält folgende Fassung: "1. Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, gilt abweichend von Artikel 100 für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 7 a die nachstehende Regelung. Der Rat erläßt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben."

23. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 100 c 1. Der Rat bestimmt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig die dritten Länder, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen. 2. Bei einer Notlage in einem dritten Land, die zu einem plötzlichen Zustrom von Staatsangehörigen dieses Landes in die Gemeinschaft zu führen droht, kann der Rat jedoch auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten den Visumszwang für Staatsangehörige des betreffenden Landes einführen. Der nach diesem Absatz eingeführte Visumszwang kann nach dem Verfahren des Absatzes 1 verlängert werden. 3. Vom 1. Januar 1996 an trifft der Rat Entscheidungen im Sinne des Absatzes 1 mit qualifizierter Mehrheit. Vor diesem Zeitpunkt erläßt der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Maßnahmen zur einheitlichen Visagestaltung. 4. In den in diesem Artikel genannten Bereichen hat die Kommission jeden von einem Mitgliedstaat gestellten Antrag zu prüfen, in dem sie ersucht wird, dem Rat einen Vorschlag zu unterbreiten. 5. Dieser Artikel läßt die Ausübung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit unberührt. 6. Dieser Artikel gilt für weitere Bereiche, falls ein entsprechender Beschluß nach Artikel K.9 der die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres betreffenden Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union gefaßt wird; dies gilt vorbehaltlich des gleichzeitig festgelegten Abstimmungsverfahren. 7. Die Bestimmungen der zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen, die durch diesen Artikel erfaßte Sachbereiche regeln, bleiben in Kraft, solange sie nicht durch Richtlinien oder Maßnahmen aufgrund dieses Artikels inhaltlich ersetzt worden sind.'

24. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 100 d Der aus hohen Beamten bestehende Koordinierungsausschuß, der durch Artikel K.4 des Vertrags über die Europäische Union eingesetzt wird, trägt unbeschadet des Artikels 151 zur Vorbereitung der Arbeiten des Rates in den in Artikel 100 c genannten Bereichen bei."

25. Im bisherigen Dritten Teil werden "Titel II - Die Wirtschaftspolitik" sowie die Kapitel 1, 2 und 3 durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"TITEL VI

93 DIE WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSPOLITIK

KAPITEL I Die Wirtschaftspolitik

Artikel 102 a Die Mitgliedstaaten richten ihre Wirtschaftspolitik so aus, daß sie im Rahmen der in Artikel 103 Absatz 2 genannten Grundzüge zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 beitragen. Die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz, der Ressourcen gefördert wird, und halten sich dabei an die in Artikel 3 a genannten Grundsätze.

Artikel 103 1. Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse und koordinieren sie im Rat nach Maßgabe des Artikels 102 a. 2. Der Rat erstellt mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission einen Entwurf für die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft und erstattet dem Europäischen Rat hierüber Bericht. Der Europäische Rat erörtert auf der Grundlage dieses Berichts des Rates eine Schlußfolgerung zu den Grandzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft. Auf der Grundlage dieser Schlußfolgerung verabschiedet der Rat mit qualifizierter Mehrheit eine Empfehlung, in der diese Grundzüge dargelegt werden. Der Rat unterrichtet das Europäische Parlament über seine Empfehlung. 3. Um eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, überwacht der Rat anhand von Berichten der Kommission die wirtschaftliche Entwicklung in jedem Mitgliedstaat und in der Gemeinschaft sowie die Vereinbarkeit der Wirtschaftspolitik mit den in Absatz 2 genannten Grundzügen und nimmt in regelmäßigen Abständen eine Gesamtbewertung vor. Zum Zwecke dieser multilateralen Überwachung übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission Angaben zu wichtigen einzelstaatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet ihrer Wirtschaftspolitik sowie weitere von ihnen für erforderlich erachtete Angaben. 4. Wird im Rahmen des Verfahrens nach Absatz 3 festgestellt, daß die Wirtschaftspolitik eines Mitgliedstaats nicht mit den in Absatz 2 genannten Grundzügen vereinbar ist oder das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion zu gefährden droht, so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission die erforderlichen Empfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat richten. Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission beschließen, seine Empfehlungen zu veröffentlichen. Der Präsident des Rates und die Kommission erstatten dem Europäischen Parlament über die Ergebnisse der multilateralen Überwachung Bericht. Der Präsident des Rates kann ersucht werden, vor dem zuständigen Ausschuß des Europäischen Parlaments zu erscheinen, wenn der Rat seine Empfehlungen veröffentlicht h it. 5. Der Rat kann nach dem Verfahren des Artikels 189 c die Einzelheiten des Verfahrens der multilateralen

94 Überwachung im Sinne der Absätze 3 und 4 festlegen.

Artikel 103 a 1. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in diesem Vertrag vorgesehenen Verfahren einstimmig über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen entscheiden, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren auftreten. 2. Ist ein Mitgliedstaat aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Gemeinschaft zu gewähren. Sind die gravierenden Schwierigkeiten auf Naturkatastrophen zurückzuführen, so beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament Ober den Beschluß.

Artikel 104 1. Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im folgenden als 'nationale Zentralbanken' bezeichnet) für Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietsköiperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken. 2. Die Bestimmungen des Absatzes 1 gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum; diese werden von der jeweiligen nationalen Zentralbank und der EZB, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt.

Artikel 104 a 1. Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und einen bevorrechtigten Zugang der Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietsköiperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Köiperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen der Mitgliedstaaten zu den Finanzinstituten schaffen, sind verboten. 2. Der Rat legt vor dem 1. Januar 1994 nach dem Verfahren des Artikels 189 c die Begriffsbestimmungen für die Anwendung des in Absatz 1 vorgesehenen Verbots fest.

Artikel 104 b 1. Die Gemeinschaft haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Köiperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. 2. Der Rat kann erforderlichenfalls nach dem Verfahren des Artikels 189 c Definitionen für die Anwendung

95 der in Artikel 104 und in diesem Artikel vorgesehenen Verbote näher bestimmen.

Artikel 104 c 1. Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite. 2. Die Kommission überwacht die Entwicklung der Haushaltslage und der H5he des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler. Insbesondere prüft sie die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von zwei Kriterien, nämlich daran, a)

ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es sei denn, daß entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt;

b)

ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es sei denn, daß das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.

Die Referenzwerte werden in einem diesem Vertrag beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im einzelnen festgelegt. 3. Erfüllt ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien, so erstellt die Kommission einen Bericht. In diesem Bericht wird berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafte- und Haushaltslage des Mitgliedstaats. Die Kommission kann femer einen Bericht erstellen, wenn sie ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, daß in einem Mitgliedstaat die Gefahr eines übermäßigen Defizits besteht. 4. Der Ausschuß nach Artikel 109 c gibt eine Stellungnahme zu dem Bericht der Kommission ab. 5. Ist die Kommission der Auffassung, daß in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht oder sich ergeben könnte, so legt sie dem Rat eine Stellungnahme vor. 6. Der Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob ein übermäßiges Defizit besteht. 7. Wird nach Absatz 6 ein übermäßiges Defizit festgestellt, so richtet der Rat an den betreffenden Mitgliedstaat Empfehlungen mit dem Ziel, dieser Lage innerhalb einer bestimmten Frist abzuhelfen. Vorbehaltlich des Absatzes 8 werden diese Empfehlungen nicht veröffentlicht. 8. Stellt der Rat fest, daß seine Empfehlungen innerhalb der gesetzten Frist keine wirksamen Maßnahmen ausgelöst haben, so kann er seine Empfehlungen veröffentlichen. 9. Falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen des Rates weiterhin nicht Folge leistet, kann der Rat beschließen, den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug zu setzen, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen für den nach Auffassung des Rates zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau zu treffen. Der Rat kann in diesem Fall den betreffenden Mitgliedstaat ersuchen, nach einem konkreten Zeitplan

96 Berichte vorzulegen, um die Anpassungsbemühungen des Mitgliedstaats überprüfen zu können. 10. Das Recht auf Klageerhebung nach den Artikeln 169 und 170 kann im Rahmen der Absätze 1 bis 9 dieses Artikels nicht ausgeübt werden. 11. Solange ein Mitgliedstaat einen Beschluß nach Absatz 9 nicht befolgt, kann der Rat beschließen, eiue oder mehrere der nachstehenden Maßnahmen anzuwenden oder gegebenenfalls zu verschärfen, nämlich von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen, vor der Emission von Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren vom Rat näher zu bezeichnende zusätzliche Angaben zu veröffentlichen; die Europäische Investitionsbank ersuchen, ihre Darlehenspolitik gegenüber dem Mitgliedstaat zu überprüfen; von dem Mitgliedstaat verlangen, eine unverzinsliche Einlage in angemessener Höhe bei der Gemeinschaft zu hinterlegen, bis das übermäßige Defizit nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist; Geldbußen in angemessener Höhe verhängen. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament von den Beschlüssen. 12. Der Rat hebt einige oder sämtliche Entscheidungen nach den Absätzen 6 bis 9 und 11 so weit auf, wie das übermäßige Defizit in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist. Hat der Rat zuvor Empfehlungen veröffentlicht, so stellt er, sobald die Entscheidung nach Absatz 8 aufgehoben worden ist, in einer öffentlichen Erklärung fest, daß in dem betreffenden Mitgliedstaat kein übermäßiges Defizit mehr besteht. 13. Die Beschlußfassung des Rates nach den Absätzen 7 bis 9 sowie 11 und 12 erfolgt auf Empfehlung der Kommission mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gemäß Artikel 148 Absatz 2 gewogenen Stimmen der Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Stimmen des Vertreters des betroffenen Mitgliedstaats. 14. Weitere Bestimmungen über die Durchführung des in diesem Artikel beschriebenen Verfahrens sind in dem diesem Vertrag beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit enthalten. Der Rat verabschiedet einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie der EZB die geeigneten Bestimmungen, die sodann das genannte Protokoll ablösen. Der Rat beschließt vorbehaltlich der sonstigen Bestimmungen dieses Absatzes vor dem 1. Januar 1994 mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments nähere Einzelheiten und Begriffsbestimmungen für die Durchführung des genannten Protokolls.

KAPITEL 2 Die Währungspolitik

Artikel 105 1. Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen MaiktWirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dubci an die in Artikel 3 a genannten Grundsätze.

97 2. Die grundlegenden Aufgaben des ESZB bestehen darin, die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen; Devisengeschäfte im Einklang mit Artikel 109 durchzuführen; die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten; das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. 3. Absatz 2 dritter Gedankenstrich berührt nicht die Haltung und Verwaltung von Arbeitsguthaben in Fremdwährungen durch die Regierungen der Mitgliedstaaten. 4. Die EZB wird gehört zu allen Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft im Zuständigkeitsbereich der EZB; von den nationalen Behörden zu allen Entwürfen lür Rechtsvorschriften im Zuständigkeitsbereich der EZB, und zwar innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 106 Absatz 6 festlegt. Die EZB kann gegenüber den zuständigen Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft und gegenüber den nationalen Behörden Stellungnahmen zu in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Fragen abgeben. 5. Das ESZB trägt zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei. 6. Der Rat kann durch einstimmigen Beschluß auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung der EZB und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments der EZB besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsuntemehmen übertragen.

Artikel 105 a 1. Die EZB hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Die von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Gemeinschaft als gesetzliches Zahlungsmittel gelten. 2. Die Mitgliedstaaten haben das Recht zur Ausgabe von Münzen, wobei der Umfang dieser Ausgabe der Genehmigung durch die EZB bedarf. Der Rat kann nach dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung der EZB Maßnahmen erlassen, um die Stückelung und die technischen Merkmale aller für den Umlauf bestimmten Münzen so weit zu harmonisieren, wie dies für deren reibungslosen Umlauf innerhalb der Gemeinschaft erforderlich ist.

Artikel 106 1. Das ESZB besteht aus der EZB und den nationalen Zentralbanken. 2. Die EZB besitzt Rechtspersönlichkeit. 3. Das ESZB wird von den Beschlußorganen der EZB, nämlich dem EZB-Rat und dem Direktorium, geleitet.

98 4. Die Satzung des HSZB ist in einem diesem Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt. 5. Der Rat kann die Artikel 5.1, 5.2, 5.3, 17, 18, 19.1, 22, 23, 24, 26, 32.2, 32.3, 32.4, 32.6, 33.1.a und 36 der Satzung des ESZB entweder mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der EZB nach Anhörung der Kommission oder einstimmig auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung der EZB ändern. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist dabei jeweils erforderlich. 6. Der Rat erläfit mit qualifizierter Mehrheit entweder auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der EZB oder auf Empfehlung der EZB und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission die in den Artikeln: 4, 5.4, 19.2, 20, 28.1, 29.2, 30.4 und 34.3 der Satzung des ESZB genannten Bestimmungen.

Artikel 107 Bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlußorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Artikel 108 Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, daß spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank mit diesem Vertrag sowie mit der Satzung des ESZB im Einklang stehen.

Artikel 108 a 1. Zur Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben werden von der EZB gemäß diesem Vertrag und unter den in der Satzung des ESZB vorgesehenen Bedingungen Verordnungen erlassen, insoweit dies für die Erfüllung der in Artikel 3.1 erster Gedankenstrich, Artikel 19.1, Artikel 22 oder Artikel 25.2 der Satzung des ESZB festgelegten Aufgaben erforderlich ist; sie erläßt Verordnungen ferner in den Fällen, die in den Rechtsakten des Rates nach Artikel 106 Absatz 6 vorgesehen werden; Entscheidungen erlassen, die zur Erfüllung der dem ESZB nach diesem Vertrag und der Satzung des ESZB übertragenen Aufgaben erforderlich sind; Empfehlungen und Stellungnahmen abgegeben. 2. Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, an die sie gerichtet ist. Die Artikel 190, 191 und 192 des Vertrags gelten für die Verordnungen und Entscheidungen des EZB.

99 Die EZB kann die Veröffentlichung ihrer Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen beschließen. 3. Innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 106 Absatz 6 festlegt, ist die EZB befugt, Unternehmen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen, die sich aus ihren Verordnungen und Entscheidungen ergeben, mit Geldbußen oder in regelmäßigen Abständen zu zahlenden Zwangsgeldera zu belegen.

Artikel 109 1. Abweichend von Artikel 228 kann der Rat einstimmig auf Empfehlung der EZB oder der Kommission und nach Anhörung der EZB in dem Bemühen, zu einem mit dem Ziel der Preisstabilität im Einklang stehenden Konsens zu gelangen, nach Anhörung des Europäischen Parlaments gemäß den in Absatz 3 für die Festlegung von Modalitäten vorgesehenen Verfahren förmliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für den Ecu gegenüber Drittlandswährungen treffen. Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der EZB oder der Kommission und nach Anhörung der EZB in dem Bemühen, zu einem mit dem Ziel der Preisstabilität im Einklang stehenden Konsens zu gelangen, die Ecu-Leitkurse innerhalb des Wechselkurssystems festlegen, ändern oder aufgeben. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament von der Festlegung, Änderung oder Aufgabe der Ecu-Leitkurse. 2. Besteht gegenüber einer oder mehreren Drittlandswährangen kein Wechselkurssystem nach Absatz 1, so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit entweder auf Empfehlung der Kommission und nach Anhörung der EZB oder auf Empfehlung der EZB allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik gegenüber diesen Währungen aufstellen. Diese allgemeinen Orientierungen dürfen das vorrangige Ziel des ESZB, die Preisstabilität zu gewährleisten, nicht beeinträchtigen. 3. Wenn von der Gemeinschaft mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen Vereinbarungen im Zusammenhang mit Währangsfragen oder Devisenregelungen auszuhandeln sind, beschließt der Rat abweichend von Artikel 228 mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission und nach Anhörung der EZB die Modalitäten für die Aushandlung und den Abschluß solcher Vereinbarungen. Mit diesen Modalitäten wird gewährleistet, daß die Gemeinschaft einen einheitlichen Standpunkt vertritt. Die Kommission wird an den Verhandlungen in vollem Umfang beteiligt. Die nach diesem Absatz getroffenen Vereinbarungen sind für die Organe der Gemeinschaft, die EZB und die Mitgliedstaaten verbindlich. 4. Vorbehaltlich des Absatzes 1 befindet der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der EZB mit qualifizierter Mehrheit über den Standpunkt der Gemeinschaft auf internationaler Ebene zu Fragen, die von besonderer Bedeutung für die Wirtschafts- und Währungsunion sind, sowie einstimmig über ihre Vertretung unter Einhaltung der in den Artikeln 103 und 105 vorgesehenen Zuständigkeitsverteilung. 5. Die Mitgliedstaaten haben das Recht, unbeschadet der Gemeinschaftszuständigkeit und der Gemeinschaftsvereinbarungen über die Wirtschafts- und Währungsunion in internationalen Gremien Verhandlungen zu führen und internationale Vereinbarungen zu treffen.

KAPITEL 3 Institutionelle Bestimmungen

Artikel 109 a 1. Der EZB-Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationale.: Zentralbanken.

100 2.

a)

Das Direktorium besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern.

b)

Der Präsident, der Vizepräsident und die weiteren Mitglieder des Direktoriums werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs auf Empfehlung des Rates, der hierzu das Europäische Parlament und den EZB-Rat anhört, aus dem Kreis der in Währungs- oder Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten einvemehmlich ausgewählt und ernannt. Ihre Amtszeit beträgt acht Jahre; Wiederernennung ist nicht zulässig. Nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten können Mitglieder des Direktoriums werden.

Artikel 109 b 1. Der Präsident des Rates und ein Mitglied der Kommission können ohne Stimmrecht an den Sitzungen des EZB-Rates teilnehmen. Der Präsident des Rates kann dem EZB-Rat einen Antrag zur Beratung vorlegen. 2. Der Präsident der EZB wird zur Teilnahme an den Tagungen des Rates eingeladen, wenn dieser Fragen im Zusammenhang mit den Zielen und Aufgaben des ESZB erörtert. 3. Die EZB unterbreitet dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission sowie auch dem Europäischen Rat einen Jahresbericht über die Tätigkeit des ESZB und die Währungspolitik im vergangenen und im laufenden Jahr. Der Präsident der EZB legt den Bericht dem Rat und dem Europäischen Parlament vor, das auf dieser Grundlage eine allgemeine Aussprache durchführen kann. Der Präsident der EZB und die anderen Mitglieder des Direktoriums können auf Ersuchen des Europäischen Parlaments oder auf ihre Initiative hin von den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments gehört werden.

Artikel 109 c 1. Um die Koordinierung der Politiken der Mitgliedstaaten in dem für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Umfang zu fördern, wird ein Beratender WährungsausschuB eingesetzt. Dieser hat die Aufgabe, die Währungs- und Finanzlage der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft sowie den allgemeinen Zahlungsverkehr der Mitgliedstaaten zu beobachten und dem Rat und der Kommission regelmäßig darüber Bericht zu erstatten; auf Ersuchen des Rates oder der Kommission oder von sich aus Stellungnahmen an diese Organe abzugeben; unbeschadet des Artikels 151 an der Vorbereitung der in Artikel 73 f, Artikel 73 g, Artikel 103 Absätze 2, 3, 4 und 5, Artikel 103 a, Artikel 104 a, Artikel 104 b, Artikel 104 c, Artikel 109 e Absatz 2, Artikel 109 f Absatz 6, Artikel 109 h, Artikel 109 i, Artikel 109 j Absatz 2 sowie Artikel 109 k Absatz 1 genannten Arbeiten des Rates mitzuwirken; mindestens einmal jährlich die Lage hinsichtlich des Kapitalverkehrs und der Freiheit des Zahlungsverkehrs, wie sie sich aus der Anwendung dieses Vertrags und der Maßnahmen des Rates ergeben, zu prüfen; die Prüfimg erstreckt sich auf alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dem

101 Kapital- und Zahlungsverkehr; der Ausschuß erstattet der Kommission und dem Rat Bericht über das Ergebnis dieser Prüfung. Jeder Mitgliedstaat sowie die Kommission ernennen zwei Mitglieder des Währungsausschusses. 2. Mit Beginn der dritten Stufe wird ein Wirtschafts- und Finanzausschuß eingesetzt. Der in Absatz 1 vorgesehene Währungsausschuß wird aufgelöst. Der Wirtschafts- und Finanzausschuß hat die Aufgabe, auf Ersuchen des Rates oder der Kommission oder von sich aus Stellungnahmen an diese Organe abzugeben; die Wirtschafts- und Finanzlage der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zu beobachten und dem Rat und der Kommission regelmäßig darüber Bericht zu erstatten, insbesondere über die finanziellen Beziehungen zu dritten Ländern und internationalen Einrichtungen; unbeschadet des Artikels 151 an der Vorbereitung der in Artikel 73 f, Artikel 73 g, Artikel 103 Absatz 2, 3, 4 und S, Artikel 103 a, Artikel 104 a, Artikel 104 b, Artikel 104 c, Artikel 105 Absatz 6, Artikel 105 a Absatz 2, Artikel 106 Absätze 5 und 6, Artikel 109, Artikel 109 h, Artikel 109 i Absätze 2 und 3, Artikel 109 k Absatz 2, Artikel 109 1 Absätze 4 und 5 genannten Arbeiten des Rates mitzuwirken und die sonstigen ihm vom Rat übertragenen Beratungsaufgaben und vorbereitenden Arbeiten auszuführen; mindestens einmal jährlich die Lage hinsichtlich des Kapitalverkehrs und der Freiheit des Zahlungsverkehrs, wie sie sich aus der Anwendung dieses Vertrags und der Maßnahmen des Rates ergeben, zu prüfen; die Prüfung erstreckt sich auf alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kapital- und Zahlungsverkehr; der Ausschuß erstattet der Kommission und dem Rat Bericht über das Ergebnis dieser Prüfung. Jeder Mitgliedstaat sowie die Kommission und die EZB ernennen jeweils höchstens zwei Mitglieder des Ausschusses. 3. Der Rat legt mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der EZB und des in diesem Artikel genannten Ausschusses im einzelnen fest, wie sich der Wirtschafts- und Finanzausschuß zusammensetzt. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament über diesen Beschluß. 4. Sofern und solange es Mitgliedstaaten gibt, für die eine Ausnahmeregelung nach den Artikeln 109 k und 109 1 gilt, hat der Ausschuß zusätzlich zu den in Absatz 2 beschriebenen Aufgaben die Währungs- und Finanzlage sowie den allgemeinen Zahlungsverkehr der betreffenden Mitgliedstaaten zu beobachten und dem Rat und der Kommission regelmäßig darüber Bericht zu erstatten.

Artikel 109 d Bei Fragen, die in den Geltungsbereich von Artikel 103 Absatz 4, Artikel 104 c mit Ausnahme von Absatz 14, Artikel 109, Artikel 109 j, Artikel 109 k und Artikel 109 1 Absätze 4 und 5 fallen, kann der Rat oder ein Mitgliedstaat die Kommission ersuchen, je nach Zweckmäßigkeit eine Empfehlung oder einen Vorschlag zu unterbreiten. Die Kommission prüft dieses Ersuchen und unterbreitet dem Rat umgehend ihre Schlußfolgerungen.

KAPITEL 4 Ubergangsbestimmungen

102 Artikel 109 e 1. Die zweite Stufe für die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion beginnt am 1. Januar 1994. 2. Vor diesem Zeitpunkt wird a)

jeder Mitgliedstaat soweit erforderlich, geeignete Maßnahmen erlassen, um die Beachtung der Verbote sicherzustellen, die in Artikel 73 b - unbeschadet des Artikels 73 e - sowie Artikel 104 und Artikel 104 a Absatz 1 niedergelegt sind; erforderlichenfalls im Hinblick auf die unter Buchstabe b vorgesehene Bewertung mehijährige Programme festlegen, die die lür die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion notwendige dauerhafte Konvergenz, insbesondere hinsichtlich der Preisstabilität und gesunder öffentlicher Finanzen, gewährleisten sollen;

b)

der Rat auf der Grundlage eines Berichts der Kommission die Fortschritte bei der Konvergenz im Wirtschafts- und Währangsbereich, insbesondere hinsichtlich der Preisstabilität und gesunder öffentlicher Finanzen, sowie bei der Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über den Binnenmarkt bewerten.

3. Artikel 104, Artikel 104 a Absatz 1, Artikel 104 b Absatz 1 und Artikel 104 c mit Ausnahme der Absätze 1, 9, 11 und 14 gelten ab Beginn der zweiten Stufe. Artikel 103 a Absatz 2, Artikel 104 c Absätze 1, 9 und 11, Artikel 105, Artikel 105 a, Artikel 107, Artikel 109, Artikel 109 a, Artikel 109 b und Artikel 109 c Absätze 2 und 4 gelten ab Beginn der dritten Stufe. 4. In der zweiten Stufe sind die Mitgliedstaaten bemüht, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden. 5. In der zweiten Stufe leitet jeder Mitgliedstaat, soweit angezeigt, nach Artikel 108 das Verfahren ein, mit dem die Unabhängigkeit seiner Zentralbank herbeigeführt wird.

Artikel 109 f 1. Zu Beginn der zweiten Stufe wird ein Europäisches Wähnmgsinstitut (im folgenden als 'EWI' bezeichnet) errichtet und nimmt seine Tätigkeit auf; es besitzt Rechtspersönlichkeit und wird von einem Rat geleitet und verwaltet; dieser besteht aus einem Präsidenten und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken, von denen einer zum Vizepräsidenten bestellt wird. Der Präsident wird von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs auf Empfehlung des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im folgenden als 'Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken' bezeichnet) bzw. des Rates des EWI und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Rates einvernehmlich ernannt. Der Präsident wird aus dem Kreis der in Währungs- und Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten ausgewählt. Nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten können Präsident des EWI sein. Der Rat des EWI ernennt den Vizepräsidenten. Die Satzung des EWI ist in einem diesem Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt. Der Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken wird mit' Beginn der zweiten Stufe aufgelöst. 2. Das EWI hat die Aufgabe,

103 die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zentralbanken zu verstärken; die Koordinierung der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten mit dem Ziel zu verstärken, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten; das Funktionieren des Europäischen Währungssystems zu überwachen; Konsultationen zu Fragen durchzuführen, die in die Zuständigkeit der nationalen Zentralbanken falloi und die Stabilität der Finanzinstitute und -märkte berühren; die Aufgaben des Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit, der aufgelöst wird, zu übernehmen; die Einzelheiten der Auflösung werden in der Satzung des EWI festgelegt; die Verwendung des Ecu zu erleichtem und deren Entwicklung einschließlich des reibungslosen Funktionierens des Ecu-Verrechnungssystems zu überwachen. 3.

Bei der Vorbereitung der dritten Stufe hat das EWI die Aufgabe, die Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die zur Durchführung einer einheitlichen Geld- und Währungspolitik in der dritten Stufe erforderlich sind; bei Bedarf die Harmonisierung der Bestimmungen und Gepflogenheiten auf dem Gebiet der Erhebung, Znsammenstellung und Weitergabe statistischer Daten in seinem Zuständigkeitsbereich zu fördern; die Regeln für die Geschäfte der nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB auszuarbeiten; die Effizienz des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs zu fördern; die technischen Vorarbeiten für die Ecu-Banknoten zu überwachen.

Das EWI legt bis zum 31. Dezember 1996 in regulatorischer, organisatorischer und logistischer Hinsicht den Rahmen fest, den das ESZB zur Erfüllung seiner Aufgaben in der dritten Stufe benötigt. Dieser wird der EZB zum Zeitpunkt ihrer Errichtung zur Beschlußfassung unterbreitet. 4. Das EWI kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder seines Rates Stellungnahmen oder Empfehlungen zu der allgemeinen Orientierung der Geld- und der Wechselkurspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten sowie zu deren diesbezüglichen Maßnahmen abgeben; den Regierungen und dem Rat Stellungnahmen oder Empfehlungen zu Maßnahmen unterbreiten, die die interne oder externe Währungssituation in der Gemeinschaft und insbesondere das Funktionieren des Europäischen Währungssystems beeinflussen könnten; den Währungsbehörden der Mitgliedstaaten Empfehlungen zur Durchführung ihrer Währungspolitik geben. 5. Das EWI kann einstimmig beschließen, seine Stellungnahmen und Empfehlungen zu veröffentlichen. 6. Das EWI wird vom Rat zu allen Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft in seinem Zuständigkeitsbereich angehört. Innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des EWI festlegt, wird das EWI von den

104 Behörden der Mitgliedstaaten zu allen Entwarfen für Rechtsvorschriften in seinem Zuständigkeitsbereich angehört. 7. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des EWI diesem durch einstimmigen Beschluß weitere Aufgaben im Rahmen der Vorbereitung der dritten Stufe übertragen. 8. In den Fällen, in denen dieser Vertrag eine beratende Funktion für die EZB vorsieht, ist vor der Errichtung der EZB unter dieser das EWI zu verstehen. In den Fällen, in denen dieser Vertrag eine beratende Funktion für das EWI vorsieht, ist vor dem 1. Januar 1994 unter diesem der Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken zu verstehen. 9. Für die Dauer der zweiten Stufe bezeichnet der Ausdruck 'EZB' in den Artikeln 173, 175, 176, 177, 180 und 215 das EWI.

Artikel 109 g Die Zusammensetzung des Ecu-Währungskorbs wird nicht geändert. Mit Beginn der dritten Stufe wird der Wert des Ecu nach Artikel 109 1 Absatz 4 unwiderruflich festgesetzt.

Artikel 109 h 1. Ist ein Mitgliedstaat hinsichtlich seiner Zahlungsbilanz von Schwierigkeiten betroffen oder ernstlich bedroht, die sich entweder aus einem Ungleichgewicht seiner Gesamtzahlungsbilanz oder aus der Art der ihm zur Verfügung stehenden Devisen ergeben, und sind diese Schwierigkeiten geeignet, insbesondere das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes oder die schrittweise Verwirklichung der gemeinsamen Handelspolitik zu gefährden, so prüft die Kommission unverzüglich die Lage dieses Staates sowie die Maßnahmen, die er getroffen hat oder unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel nach diesem Vertrag treffen kann. Die Kommission gibt die Maßnahmen an, die sie dem betreffenden Staat empfiehlt. Erweisen sich die von einem Mitgliedstaat ergriffenen und die von der Kommission angeregten Maßnahmen als unzureichend, die aufgetretenen oder drohenden Schwierigkeiten zu beheben, so empfiehlt die Kommission dem Rat nach Anhörung des in Artikel 109 c bezeichneten Ausschusses einen gegenseitigen Beistand und die dafür geeigneten Methoden. Die Kommission unterrichtet den Rat regelmäßig über die Lage und ihre Entwicklung. 2. Der Rat gewährt den gegenseitigen Beistand mit qualifizierter Mehrheit; er erläßt Richtlinien oder Entscheidungen, welche die Bedingungen und Einzelheiten hierfür festlegen. Der gegenseitige Beistand kann insbesondere erfolgen a)

durch ein abgestimmtes Vorgehen bei anderen internationalen Organisationen, an die sich die Mitgliedstaaten wenden können;

b)

durch Maßnahmen, die notwendig sind, um Verlagerungen von Handelsströmen zu vermeiden, falls der in Schwierigkeiten befindliche Staat mengenmäßige Beschränkungen gegenüber dritten Ländern beibehält oder wieder einführt;

c)

durch Bereitstellung von Krediten in begrenzter Höhe seitens anderer Mitgliedstaaten; hierzu ist ihr Einverständnis erforderlich.

3. Stimmt der Rat dem von der Kommission empfohlenen gegenseitigen Beistand nicht zu oder sinj der

105 gewährte Beistand und die getroffenen Maßnahmen unzureichend, so ermächtigt die Kommission den in Schwierigkeiten befindlichen Staat, Schutzmaßnahmen zu treffen, deren Bedingungen und Einzelheiten sie festlegt. Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit diese Ermächtigung aufheben und die Bedingungen und Einzelheiten ändern. 4. Unbeschadet des Artikels 109 k Absatz 6 endet die Geltungsdauer dieses Artikels zum Zeitpunkt des Beginns der dritten Stufe.

Artikel 109 i 1. Gerät ein Mitgliedstaat in eine plötzliche Zahlungsbilanzkrise und wird eine Entscheidung im Sinne des Artikels 109 h Absatz 2 nicht unverzüglich getroffen, so kann der betreffende Staat vorsorglich die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen. Sie dürfen nur ein Mindestmaß an Störungen im Funktionieren des Gemeinsamen Marktes hervorrufen und nicht über das zur Behebung der plötzlich aufgetretenen Schwierigkeiten unbedingt erforderliche Ausmaß hinausgehen. 2. Die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten werden über die Schutzmaßnahmen spätestens bei deren Inkrafttreten unterrichtet. Die Kommission kann dem Rat den gegenseitigen Beistand nach Artikel 109 h empfehlen. 3. Nach Stellungnahme der Kommission und nach Anhörung des in Artikel 109 c bezeichneten Ausschlusses kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, daß der betreffende Staat diese Schutzmaßnahmen zu ändern, auszusetzen oder aufzuheben hat. 4. Unbeschadet des Artikels 109 k Absatz 6 endet die Geltungsdauer dieses Artikels zum Zeitpunkt des Beginns der dritten Stufe.

Artikel 109 j 1. Die Kommission und das EWI berichten dem Rat, inwieweit die Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind. In ihren Berichten wird auch die Frage geprüft, inwieweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten einschließlich der Satzung der jeweiligen nationalen Zentralbank mit Artikel 107 und 108 dieses Vertrags sowie der Satzung des ESZB vereinbar sind. Ferner wird darin geprüft, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist; Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten folgende Kriterien erfüllen: Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener - höchstens drei - Mitgliedstaaten nahekommt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben; eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit im Sinne des Artikels 104 c Absatz 6; Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Wähmngssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaats; Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt. Die vier Kriterien in diesem Absatz sowie die jeweils erforderliche Dauer ihrer Einhaltung sind in einem

106 diesem Vertrag beigefügten Protokoll näher festgelegt. Die Berichte der Kommission und des EW1 berücksichtigen auch die Entwicklung des Ecu, die Ergebnisse bei der Integration der Märkte, den Stand und die Entwicklung der Leistungsbilanzen, die Entwicklung bei den Lohnstückkosten und andere Preisindizes. 2. Der Rat beurteilt auf der Grundlage dieser Berichte auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit, ob die einzelnen Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen, ob eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllt, und empfiehlt seine Feststellungen dem Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt. Das Europäische Parlament wird angehört und leitet seine Stellungnahme dem Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs zu. 3. Unter gebührender Berücksichtigung der Berichte nach Absatz 1 sowie der Stellungnahme des Europäischen Parlaments nach Absatz 2 verfährt der Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, spätestens am 31. Dezember 1996 mit qualifizierter Mehrheit wie folgt: Er entscheidet auf der Grundlage der in Absatz 2 genannten Empfehlungen des Rates, ob eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllt; er entscheidet, ob es für die Gemeinschaft zweckmäßig ist, in die dritte Stufe einzutreten; sofern dies der Fall ist, bestimmt er den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe. 4. Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt worden, so beginnt die dritte Stufe am 1. Januar 1999. Vor dem 1. Juli 1998 bestätigt der Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, nach einer Wiederholung des in den Absätzen 1 und 2 - mit Ausnahme von Absatz 2 zweiter Gedankenstrich - vorgesehenen Verfahrens unter Berücksichtigung der Berichte nach Absatz 1 sowie der Stellungnahme des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit auf der Grundlage der Empfehlungen des Rates nach Absatz 2, welche Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen.

Artikel 109 k 1. Falls der Zeitpunkt nach Artikel 109 j Absatz 3 bestimmt wurde, entscheidet der Rat auf der Grundlage der in Artikel 109 j Absatz 2 genannten Empfehlungen mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der Kommission, ob - und gegebenenfalls welchen - Mitgliedstaaten eine Ausnahmeregelung im Sinne des Absatzes 3 gewährt wird. Die betreffenden Mitgliedstaaten werden in diesem Vertrag als 'Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt', bezeichnet. Falls der Rat nach Artikel 109 j Absatz 4 bestätigt hat, welche Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen, wird den Mitgliedstaaten, die die Voraussetzungen nicht erfüllen, eine Ausnahmeregelung im Sinne des Absatzes 3 gewährt. Die betreffenden Mitgliedstaaten werden in diesem Vertrag ebenfalls als 'Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt', bezeichnet. 2. Mindestens einmal alle zwei Jahre bzw. auf Antrag eines Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung

107 gilt, berichten die Kommission und die EZB dem Rat nach dem Verfahren des Artikels 109 j Absatz 1. Der Rat entscheidet nach Anhörung des Europäischen Parlaments und nach Aussprache im Rat, der in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs tagt, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit, welche der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, die auf den Kriterien des Artikels 109 j Absatz 1 beruhenden Voraussetzungen erfüllen, und hebt die Ausnahmeregelungen der betreffenden Mitgliedstaaten auf. 3. Eine Ausnahmeregelung nach Absatz 1 hat zur Folge, daß die nachstehenden Artikel für den betreffenden Mitgliedstaat nicht gelten: Artikel 104 c Absätze 9 und 11, Artikel 105 Absätze 1, 2, 3 und 5, Artikel 105 a, Artikel 108 a, Artikel 109 sowie Artikel 109 a Absatz 2 Buchstabe b. Der Ausschluß des betreffenden Mitgliedstaats und seiner Zentralbank von den Rechten und Verpflichtungen im Rahmen des ESZB wird in Kapitel IX der Satzung des ESZB geregelt. 4. In Artikel 105 Absätze 1, 2 und 3, Artikel 105 a, Artikel 108 a, Artikel 109 sowie Artikel 109 a Absatz 2 Buchstabe b bezeichnet der Ausdruck 'Mitgliedstaaten' die Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt. 5. Das Stimmrecht der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, ruht bei Beschlüssen des Rates gemäß den in Absatz 3 genannten Artikeln. In diesem Fall gelten abweichend von Artikel 148 und Artikel 189 a Absatz 1 zwei Drittel der gemäß Artikel 148 Absatz 2 gewogenen Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt, als qualifizierte Mehrheit; ist für die Änderung eines Rechtsakts Einstimmigkeit vorgeschrieben, so ist die Einstimmigkeit dieser Mitgliedstaaten erforderlich. 6. Artikel 109 h und Artikel 109 i finden weiterhin auf Mitgliedstaaten Anwendung, für die eine Ausnahmeregelung gilt.

Artikel 109 1 1. Unmittelbar nach dem gemäß Artikel 109 j Absatz 3 gefaßten Beschluß über den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe bzw. unmittelbar nach dem 1. Juli 1998 verabschiedet der Rat die in Artikel 106 Absatz 6 genannten Bestimmungen; ernennen die Regierungen der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt, nach dem Verfahren des Artikels 50 der Satzung des ESZB den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die weiteren Mitglieder des Direktoriums der EZB. Bestehen für Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen, so kann sich das Direktorium aus weniger Mitgliedern, als in Artikel 11.1 der Satzung des ESZB vorgesehen, zusammensetzen; auf keinen Fall darf es jedoch aus weniger als 4 Mitgliedern bestehen. Unmittelbar nach Ernennung des Direktoriums werden das ESZB und die EZB errichtet und von diesen Vorkehrungen für die Aufnahme ihrer vollen Tätigkeit im Sinne dieses Vertrags und der Satzung des ESZB getroffen. Sie nehmen ihre Befugnisse ab dem ersten Tag der dritten Stufe in vollem Umfang wahr. 2. Unmittelbar nach Errichtung der EZB übernimmt diese erforderlichenfalls die Aufgaben des EWI. Dieses wird nach Errichtung der EZB liquidiert; die entsprechenden Einzelheiten der Liquidation werden in der Satzung des EWI geregelt. 3. Sofern und solange es Mitgliedstaaten gibt, für die eine Ausnahmeregelung gilt, wird unbeschadet des Artikels 106 Absatz 3 der in Artikel 45 der Satzung des ESZB bezeichnete Erweiterte Rat der EZB als drittes Beschlußorgan der EZB errichtet. 4. Am ersten Tag der dritten Stufe nimmt der Rat aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt, auf Vorschlag der Kommission und nach Anhöiung der EZB die Umrechnungskurse, auf die ihre Währungen unwiderruflich festgelegt werden, sowie d

108 unwiderruflich festen Kurse, zu denen diese Währungen durch den Heu ersetzt werden, an und wird'der Ecu zu einer eigenständigen Währung. Diese Maßnahme ändert als solche nicht den Außenwert des Heu. Der Rat trifft ferner nach dem gleichen Verfahren alle sonstigen Maßnahmen, die für die rasche Einführung des Ecu als einheitlicher Währung dieser Mitgliedstaaten erforderlich sind. 5. Wird nach dem Verfahren des Artikels 109 k Absatz 2 beschlossen, eine Ausnahmeregelung aufzuheben, so legt der Rat aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt, und des betreffenden Mitgliedstaats auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der EZB den Kurs, zu dem dessen Währung durch den Ecu ersetzt wird, fest und ergreift die sonstigen erforderlichen Maßnahmen zur Einführung des Ecu als einheitlicher Währung in dem betreffenden Mitgliedstaat.

Artikel 109 m 1. Bis zum Beginn der dritten Stufe behandelt jeder Mitgliedstaat seine Wechselkurspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse. Er berücksichtigt dabei die Erfahrungen, die bei der Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Währungssystems (EWS) und bei der Entwicklung des Ecu gesammelt worden sind, und respektiert die bestehenden Zuständigkeiten. 2. Mit Beginn der dritten Stufe sind die Bestimmungen des Absatzes 1 auf die Wechselkurspolitik eines Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, für die Dauer dieser Ausnahmeregelung sinngemäß anzuwenden."

26. Im bisherigen Dritten Teil Titel II wird "Kapitel 4 - Die Handelspolitik" durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"TITEL VII GEMEINSAME HANDELSPOLITIK"

27. Artikel 111 wird aufgehoben.

28. Artikel 113 erhält folgende Fassung: "Artikel 113 1. Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet; dies gilt insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, den Abschluß von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen. 2. Die Kommission unterbreitet dem Rat Vorschläge für die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik. 3. Sind mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen Abkommen auszuhandeln, so legt die Kommission dem Rat Empfehlungen vor, dieser ermächtigt die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen. Die Kommission führt diese Verhandlungen im Benehmen mit einem zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschuß nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilen kann.

109 Die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 228 finden' Anwendung. 4. Bei der Ausübung der ihm in diesem Artikel übertragenen Befugnisse beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit."

29. Artikel 114 wird aufgehoben.

30. Artikel 1 IS erhält folgende Fassung: "Artikel 115 Um sicherzustellen, daß die Durchführung der von den Mitgliedstaaten im Einklang mit diesem Vertrag getroffenen handelspolitischen Maßnahmen nicht durch Verlagerungen von Handelsströmen verhindert wird, oder wenn Unterschiede zwischen diesen Maßnahmen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einem oder mehreren Staaten führen, empfiehlt die Kommission die Methoden für die erforderliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Genügt dies nicht, so kann sie die Mitgliedstaaten ermächtigen, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, deren Bedingungen und Einzelheiten sie festlegt. Im Dringlichkeitsfall ersuchen die Mitgliedstaaten die Kommission, die umgehend entscheidet, um die Ermächtigung, selbst die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, und setzen sodann die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis. Die Kommission kann jederzeit entscheiden, daß die betreffenden Mitgliedstaaten diese Maßnahmen zu ändern oder aufzuheben haben. Es sind mit Vorrang solche Maßnahmen zu wählen, die das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes am wenigsten stören."

31. Artikel 116 wird aufgehoben.

32. Im bisherigen Dritten Teil wird "Titel III - Die Sozialpolitik" durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"TITEL VIII SOZIALPOLITIK, ALLGEMEINE UND BERUFLICHE BILDUNG UND JUGEND"

33. Artikel 118 a Absatz 2 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung: "2. Als Beitrag zur Verwirklichung des Ziels gemäß Absatz 1 erläßt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses unter Berücksichtigung der in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen und technischen Regelungen durch Richtlinien Mindestvorschriften, die schrittweise anzuwenden sind."

34. Artikel 123 erhält folgende Fassung: "Artikel 123 Um die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitskräfte im Binnenmarkt zu verbessern und damit zur Hebung der Lebenshaltung beizutragen, wird nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Europäischer Sozialfonds errichtet, dessen Ziel es ist, innerhalb der Gemeinschaft die berufliche Verwendbarkeit und die

110 örtliche und berufliche Mobilität der Arbeitskräfte zu fördern sowie die Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse und an Veränderungen der Produktionssysteme insbesondere durch berufliche Bildung und Umschulung zu erleichtem."

35. Artikel 125 erhält folgende Fassung: "Artikel 125 Der Rat erläßt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die den Europäischen Sozialfonds betreffenden Durchführungsbeschlüsse. *

36. Die Artikel 126, 127 und 128 werden durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"KAPITEL 3 Allgemeine und berufliche Bildung und Jugend

Artikel 126 1. Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei, daß sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. 2. Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele: Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, insbesondere durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten; Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten; Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen; Ausbau des Informations- und Erfahrungsaustausches über gemeinsame Probleme im Rahmen der Bildungssysteme der Mitgliedstaaten; Förderung des Ausbaus des Jugendaustausches und des Austausches sozialpädagogischer Betreuer; Förderung der Entwicklung der Fernlehre. 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Bildungsbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat. 4. Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels erläßt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten; mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen.

111 Artikel 127 1. Die Gemeinschaft führt eine Politik der beruflichen Bildung, welche die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für Inhalt und Gestaltung der beruflichen Bildung unterstützt und ergänzt. 2. Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele: Erleichterung der Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse, insbesondere durch berufliche Bildung und Umschulung; Verbesserung der beruflichen Erstausbildung und Weiterbildung zur Erleichterung der beruflichen Eingliederung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt; Erleichterung der Aufnahme einer beruflichen Bildung sowie Förderung der Mobilität der Ausbilder und der in beruflicher Bildung befindlichen Personen, insbesondere der Jugendlichen; Förderung der Zusammenarbeit in Fragen der beruflichen Bildung zwischen Unterrichtsanstalten und Unternehmen; Ausbau des Informations- und Erfahrungsaustausches über gemeinsame Probleme im Rahmen der Berufsbildungssysteme der Mitgliedstaaten. 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den lür die berufliche Bildung zuständigen internationalen Organisationen. 4. Der Rat erläßt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses Maßnahmen, die zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels beitragen, unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten."

37. Folgender Wortlaut wird eingefügt:

"TITEL IX KULTUR

Artikel 128 1. Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. 2. Die Gemeinschaft fördert durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls deren Tätigkeit in folgenden Bereichen: Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker; Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung; nichtkommerzieller Kulturaustausch; künstlerisches und literarisches Schaffen, einschließlich im audiovisuellen Bereich.

112 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere mit dem Europarat. 4. Die Gemeinschaft trägt den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags Rechnung. 5. Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels erläßt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Der Rat beschließt im Rahmen des Verfahrens des Artikels 189 b einstimmig; einstimmig auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen. *

38. Im bisherigen Dritten Teil werden die Titel IV, V, VI und VII durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"TITEL X GESUNDHEITSWESEN

Artikel 129 1. Die Gemeinschaft leistet durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und erforderlichenfalls durch Unterstützung ihrer Tätigkeit einen Beitrag zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus. Die Tätigkeit der Gemeinschaft ist auf die Vehütung von Krankheiten, insbesondere der weitverbreiteten schwerwiegenden Krankheiten einschließlich der Drogenabhängigkeit, gerichtet; dabei werden die Erforschung der Ursachen und der Übertragung dieser Krankheiten sowie die Gesundheitsinformationen und -erziehung gefördert. Die Erfordernisse im Bereich des Gesundheitsschutzes sind Bestandteil der übrigen Politiken der Gemeinschaft. 2. Die Mitgliedstaaten koordinieren untereinander im Benehmen mit der Kommission ihre Politiken und Programme in den in Absatz 1 genannten Bereichen. Die Kommission kann in enger Fühlungnahme mit den Mitgliedstaaten alle Initiativen ergreifen, die dieser Koordinierung förderlich sind. 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für das Gesundheitswesen zuständigen internationalen Organisationen. 4. Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels erläßt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten; mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen.

113 TITEL XI

VERBRAUCHERSCHUTZ

Artikel 129 a 1. Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus durch a)

Maßnahmen, die sie im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Artikel 100 a erläßt;

b)

spezifische Aktionen, welche die Politik der Mitgliedstaaten zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher und zur Sicherstellung einer angemessenen Information der Verbraucher unterstützen und ergänzen.

2. Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschaiits- und Sozialausschusses die spezifischen Aktionen im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b. 3. Die nach Absatz 2 beschlossenen Aktionen hindern die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Diese Maßnahmen müssen mit diesem Vertrag vereinbar sein. Sie werden der Kommission notifiziert.

TITEL XII

TRANSEUROPÄISCHE NETZE

Artikel 129 b 1. Um einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Artikel 7 a und 130 a zu leisten und den Bürgern der Union, den Wirtschaftsbeteiligten sowie den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in vollem Umfang die Vorteile zugute kommen zu lassen, die sich aus der Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen ergeben, trägt die Gemeinschaft zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze in den Bereichen der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur bei. 2. Die Tätigkeit der Gemeinschaft zielt im Rahmen eines Systems offener und wettbewerbsorientierter Märkte auf die Förderung des Verbunds und der Interoperabilität der einzelstaatlichen Netze sowie des Zugangs zu diesen Netzen ab. Sie trägt insbesondere der Notwendigkeit Rechnung, insulare, eingeschlossene und am Rande gelegene Gebiete mit den zentralen Gebieten der Gemeinschaft zu verbinden.

Artikel 129 c 1. Zur Erreichung der Ziele des Artikels 129 b geht die Gemeinschaft wie folgt vor: Sie stellt eine Reihe von Leitlinien auf, in denen die Ziele, die Prioritäten und die Grundzüge der im Bereich der transeuropäischen Netze in Betracht gezogenen Aktionen erfaßt werden; in diesen Leitlinien werden Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausgewiesen; sie führt jede Aktion durch, die sich gegebenenfalls als notwendig erweist, um die Interoperabilität der Netze zu gewährleisten, insbesondere im Bereich der Harmonisierung der technischen Normen;

114 sie kann die finanziellen Anstrengungen der Mitgliedstaaten für von ihnen finanzierte Vorhaben vc.. gemeinsamem Interesse, die im Rahmen der Leitlinien gemäß dem ersten Gedankenstrich ausgewiesen sind, insbesondere in Form von Durchführbarkeitsstudien, Anleihebürgschaften oder Zinszuschüssen unterstützen; die Gemeinschaft kann auch über den Kohäsionsfonds, der nach Artikel 130 d bis zum 31. Dezember 1993 zu errichten ist, zu spezifischen Verkehrsinfrastrukturvorhaben in den Mitgliedstaaten finanziell beitragen. Die Gemeinschaft berücksichtigt bei ihren Maßnahmen die potentielle wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Vorhaben. 2 . Die Mitgliedstaaten koordinieren untereinander in Verbindung mit der Kommission die einzelstaatlichen Politiken, die sich erheblich auf die Verwirklichung der Ziele des Artikels 129 b auswirken können. Die Kommission kann in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten alle Initiativen ergreifen, die dieser Koordinierung förderlich sind. 3. Die Gemeinschaft kann beschließen, mit dritten Ländern zur Förderung von Vorhaben von gemeinsamem' Interesse sowie zur Sicherstellung der Interoperabilität der Netze zusammenzuarbeiten.

Artikel 129 d Die Leitlinien nach Artikel 129 c Absatz 1 werden vom Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen festgelegt. Leitlinien und Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats betreffen, bedürfen der Billigung des betroffenen Mitgliedstaats. Der Rat erläßt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen die übrigen Maßnahmen nach Artikel 129 c Absatz 1.

TITEL XIII

INDUSTRIE

Artikel 130 1. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß die notwendigen Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft gewährleistet sind. Zu diesem Zweck zielt ihre Tätigkeit entsprechend einem System offener und wettbewerbsorientierter Märkte auf folgendes ab: Erleichterung der Anpassung der Industrie an die strukturellen Veränderungen; Förderung eines für die Initiative und Weiterentwicklung der Unternehmen in der gesamten Gemeinschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, günstigen Umfelds; Förderung eines für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen günstigen Umfelds; Förderung einer besseren Nutzung des industriellen Potentials der Politik in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung.

115 2. Die Mitgliedstaaten konsultieren einander in Verbindung mit der Kommission und koordinieren, soweit erforderlich, ihre Maßnahmen. Die Kommission kann alle Initiativen ergreifen, die dieser Koordinierung förderlich sind. 3. Die Gemeinschaft trägt durch die Politik und die Maßnahmen, die sie aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags durchführt, zur Erreichung der Ziele des Absatzes 1 bei. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig spezifische Maßnahmen zur Unterstützung der in den Mitgliedstaaten durchgeführten Maßnahmen im Hinblick auf die Verwirklichimg der Ziele des Absatzes 1 beschließen. Dieser Titel bietet keine Grundlage dafür, daß die Gemeinschaft irgendeine Maßnahme einführt, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte.

TITEL XIV

WIRTSCHAFTLICHER UND SOZIALER ZUSAMMENHALT

Artikel 130 a Die Gemeinschaft entwickelt und verfolgt weiterhin ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, um eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft als Ganzes zu fördern. Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern. Artikel 130 b Die Mitgliedstaaten führen und koordinieren ihre Wirtschaftspolitik in der Weise, daß auch die in Artikel 130 a genannten Ziele erreicht werden. Die Festlegung und Durchführung der Politiken und Aktionen der Gemeinschaft sowie die Errichtung des Binnenmarkts berücksichtigen die Ziele des Artikels 130 a und tragen zu deren Verwirklichung bei. Die Gemeinschaft unterstützt auch diese Bemühungen durch die Politik, die sie mit Hilfe der Stmkturfonds (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, Europäischer Sozialfonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanziemngsinstruinente führt. Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafits- und Sozialausschuß und dem Ausschuß der Regionen alle drei Jahre Bericht über die Fortschritte bei der Vewirklichung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und über die Art und Weise, in der die in diesem Artikel vorgesehenen Mittel hierzu beigetragen haben. Diesem Bericht werden erforderlichenfalls entsprechende Vorschläge beigefügt. Falls sich spezifische Aktionen außerhalb der Fonds und unbeschadet der im Rahmen der anderen Politiken der Gemeinschaft beschlossenen Maßnahmen als erforderlich erweisen, so können sie vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen einstimmig beschlossen werden.

Artikel 130 c

116 Aufgabe des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ist es, durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen Anpassung der rückständigen Gebiete und an der Umstellung der Industriegebiete mit rückläufiger Entwicklung zum Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Gemeinschaft beizutragen.

Artikel 130 d Unbeschadet des Artikels 130 e legt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments sowie nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen einstimmig die Aufgaben, die vorrangigen Ziele und die Organisation der Strukturfonds fest, was ihre Neuordnung einschließen kann. Nach demselben Verfahren legt der Rat ferner die für die Fonds geltenden allgemeinen Regeln sowie die Bestimmungen fest, die zur Gewährleistung einer wirksamen Arbeitsweise und zur Koordinierung der Fonds sowohl untereinander als auch mit den anderen vorhandenen Finanzieningsinstrumenten erforderlich sind. Der Rat errichtet nach demselben Verfahren vor dem 31. Dezember 1993 einen Kohäsionsfonds, durch den zu Vorhaben in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Netze auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur finanziell beigetragen wird.

Artikel 130 e Die den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung betreffenden Durchführungsbeschlüsse werden vom Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafte- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen gefaßt. Für den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, und den Europäischen Sozialfonds sind die Artikel 43 bzw. 125 weiterhin anwendbar.

TITEL XV

FORSCHUNG UND TECHNOLOGISCHE ENTWICKLUNG

Artikel 130 f 1. Die Gemeinschaft hat zum Ziel, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Gemeinschaft zu stärken und die Entwicklung ihrer internationalen Wettbewerbsfährigkeit zu fördern sowie alle Forschungsmaßnahmen zu unterstützen, die aufgrund anderer Kapitel dieses Vertrags für erforderlich gehalten werden. 2. In diesem Sinne unterstützt sie in der gesamten Gemeinschaft die Unternehmen - einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen -, die Forschungszentren und die Hochschulen bei ihren Bemühungen auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklung von hoher Qualität; sie fördert ihre Zusammenarbeitsbestrebungen, damit die Unternehmen vor allem die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll nutzen können, und zwar insbesondere durch Öffnung des einzelstaatlichen öffentlichen Auftragswesens, Festlegung gemeinsamer Nonnen und Beseitigung der dieser Zusammenarbeit entgegenstehenden rechtlichen und steuerlichen Hindernisse. 3. Alle Maßnahmen der Gemeinschaft aufgrund dieses Vertrags auf dem Gebiet der Forschung und der technologischen Entwicklung, einschließlich der Demonstrationsvorhaben, werden nach Maßgabe dieses Titels beschlossen und durchgeführt.

117 Artikel 130 g Zur Erreichung dieser Ziele trifft die Gemeinschaft folgende Maßnahmen, welche die in den Mitgliedstaateu durchgeführten Aktionen ergänzen: a)

Durchführung von Programmen für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration unter Förderung der Zusammenarbeit mit und zwischen Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen;

b)

Förderung der Zusammenarbeit mit dritten Lindem und internationalen Organisationen auf dein Gebiet der gemeinschaftlichen Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration;

c)

Verbreitung und Auswertung der Ergebnisse der Tätigkeiten auf dem Gebiet der gemeinschaftlichen Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration;

d)

Förderung der Ausbildung und der Mobilität der Forscher aus der Gemeinschaft.

Artikel 130 h 1. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der Forschung und der technologischen Entwicklung, um die Kohärenz der einzelstaatlichen Politiken und der Politik der Gemeinschaft sicherzustellen. 2. Die Kommission kann in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten alle Initiativen ergreifen, die der Koordinierung nach Absatz 1 förderlich sind.

Artikel 130 i 1. Der Rat stellt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses ein mehrjähriges Rahmenprogramm auf, in dem alle Aktionen der Gemeinschaft zusammengefaßt werden. Der Rat beschließt im Rahmen des Verfahrens des Artikels 189 b einstimmig. In dem Rahmenprogramm werden die wissenschaftlichen und technologischen Ziele, die mit den Maßnahmen nach Artikel 130 g erreicht werden sollen, sowie die jeweiligen Prioritäten festgelegt; die Grundzfige dieser Maßnahmen angegeben; der Gesamthöchstbetrag und die Einzelheiten der finanziellen Beteiligung der Gemeinschaft am Rahmenprogramm sowie die jeweiligen Anteile der vorgesehenen Maßnahmen festgelegt. 2. Das Rahmenprogramm wird je nach Entwicklung der Lage angepaßt oder ergänzt. 3. Die Durchführung des Rahmenprogramms erfolgt durch spezifische Programme, die innerhalb einer jeden Aktion entwickelt werden. In jedem spezifischen Programm werden die Einzelheiten seiner Durchführung, seine Laufzeit und die für notwendig erachteten Mittel festgelegt. Die Summe der in den spezifischen Programmen für notwendig erachteten Beträge darf den für das Rahmenprogramm und für jede Aktion festgesetzten Gesamthöchstbetrag nicht überschreiten. 4. Die spezifischen Programme werden vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommis ion und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses beschlossen.

118 Artikel 130 j Zur Durchführung des mehijährigen Rahmenprogramms legt der Rat folgendes fest: die Regeln für die Beteiligung der Unternehmen, der Forschungszentren und der Hochschulen; die Regeln für die Verbreitung der Forschungsergebnisse.

Artikel 130 k Bei der Durchführung des mehijährigen Rahmenprogramms können Zusatzprogramme beschlossen werden, an denen nur bestimmte Mitgliedstaaten teilnehmen, die sie vorbehaltlich einer etwaigen Beteiligung der Gemeinschaft auch finanzieren. Der Rat legt die Regeln für die Zusatzprogramme fest, insbesondere hinsichtlich der Verbreitung der Kenntnisse und des Zugangs anderer Mitgliedstaaten.

Artikel 130 1 Die Gemeinschaft kann im Einvernehmen mit den betreffenden Mitgliedstaaten bei der Durchführung des mehijährigen Rahmenprogramms eine Beteiligung an Forschungs- und Entwicklungsprogramm»! mehrerer Mitgliedstaaten, einschließlich der Beteiligung an den zu ihrer Durchführung geschaffenen Strukturen, vorsehen.

Artikel 130 m Die Gemeinschaft kann bei der Durchführung des mehijährigen Rahmenprogramms eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der gemeinschaftlichen Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration mit dritten Ländern oder internationalen Organisationen vorsehen. Die Einzelheiten dieser Zusammenarbeit können Gegenstand von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den betreffenden dritten Parteien sein, die nach Artikel 228 ausgehandelt und geschlossen werden.

Artikel 130 n Die Gemeinschaft kann gemeinsame Unternehmen gründen oder andere Strukturen schaffen, die für die ordnungsgemäße Durchführung der Programme für gemeinschaftliche Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration erforderlich sind.

Artikel 130 o Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die in Artikel 130 n vorgesehenen Bestimmungen fest. Der Rat legt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die in den Artikeln 130 j, 130 k und 130 1 vorgesehenen Bestimmungen fest. Für die Verabschiedung der Zusatzprogramme ist die Zustimmung der daran beteiligten Mitgliedstaaten erforderlich.

119 Artikel 130 p Zu Beginn jedes Jahres unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht. Dieser Bericht erstreckt sich insbesondere auf die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklung und der Verbreitung der Ergebnisse dieser Tätigkeiten während des Voijahrs sowie auf das Arbeitsprogramm des laufenden Jahres.

TITEL XVI

UMWELT

Artikel 130 r 1. Die Umweltpolitik der Gemeinschaft trägt zur Verfolgung der nachstehenden Ziele bei: Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität; Schutz der menschlichen Gesundheit; umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen; Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. 2. Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip. Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken einbezogen werden. Im Hinblick hierauf umfassen die derartigen Erfordernissen entsprechenden Harmonisierungsmaßnahmen gegebenenfalls eine Schutzklausel, mit der die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, aus nicht wirtschaftlich bedingten umweltpolitischen Gründen vorläufige Maßnahmen zu treffen, die einem gemeinschaftlichen Kontrollverfahren unterliegen. 3. Bei der Erarbeitung ihrer Umweltpolitik berücksichtigt die Gemeinschaft die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten; die Umweltbedingungen in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft; die Vorteile und die Belastung aufgrund des Tätigwerdens bzw. eines Nichttätigwerdens; die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gemeinschaft insgesamt sowie die ausgewogene Entwicklung ihrer Regionen. 4. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten arbeiten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammen. Die Einzelheiten der Zusammenarbeit der Gemeinschaft können Gegenstand von Abkommen zwischen dieser und den betreffenden dritten Parteien sein, die nach Artikel 228 ausgehandelt und geschlossen werden. Unterabsatz 1 berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, in internationalen Gremien zu verhandeln

120 und internationale Abkommen zu schließen.

Artikel 130 s 1. Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses über das Tätigwerden der Gemeinschaft zur Erreichung der in Artikel 130 r genannten Ziele. 2. Abweichend von dem Beschlußverfahren des Absatzes 1 und unbeschadet des Artikels 100 a erläßt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschaftsund Sozialausschusses einstimmig Vorschriften fiberwiegend steuerlicher Art; Maßnahmen im Bereich der Raumordnung, der Bodennutzung - mit Ausnahme der Abfallbewirtschaftung und allgemeiner Maßnahmen - sowie der Bewirtschaftung der Wasserressourcen; Maßnahmen, welche die Wahl eines Mitgliedstaats zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich berühren. Der Rat kann nach dem Verfahren des Unterabsatzes 1 festlegen, in welchen der in diesem Absatz genannten Bereiche mit qualifizierter Mehrheit beschlossen wird. 3. Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 b und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses in anderen Bereichen allgemeine Aktionsprogramme, in denen die vorrangigen Ziele festgelegt werden. Der Rat legt nach Absatz 1 bzw. Absatz 2 die zur Durchführung dieser Programme erforderlichen Maßnahmen fest. 4. Unbeschadet bestimmter Maßnahmen gemeinschaftlicher Art tragen die Mitgliedstaaten für die Finanzierung und Durchführung der Umweltpolitik Sorge. 5. Sofern eine Maßnahme nach Absatz 1 mit unverhältnismäßig hohen Kosten für die Behörden eines Mitgliedstaats verbunden ist, sieht der Rat unbeschadet des Verursacherprinzips in dem Rechtsakt zur Annahme dieser Maßnahme geeignete Bestimmungen in folgender Form vor: vorübergehende Ausnahmeregelungen und/oder eine finanzielle Unterstützung aus dem Kohäsionsfonds, der nach Artikel 130 d bis zum 31. Dezember 1993 zu errichten ist.

Artikel 130 t Die Schutzmaßnahmen, die aufgrund des Artikels 130 s getroffen werden, hindern die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Die betreffenden Maßnahmen müssen mit diesem Vertrag vereinbar sein. Sie werden der Kommission notifiziert.

TITEL XVII

121 ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT

Artikel 130 u 1. Die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit, die eine Ergänzung der entsprechenden Politik der Mitgliedstaaten darstellt, fördert die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Entwicklungsländer; die harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft; die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern. 2. Die Politik der Gemeinschaft in diesem Bereich trägt dazu bei, das allgemeine Ziel einer Fortentwicklung und Festigung der Demokratie und des Rechtsstaats sowie das Ziel der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verfolgen. 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten kommen den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach und berücksichtigen die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen.

Artikel 130 v Die Gemeinschaft berücksichtigt die Ziele des Artikels 130 u bei den von ihr verfolgten Politiken, welche die Entwicklungsländer berühren können. Artikel 130 w 1. Unbeschadet der übrigen Bestimmungen dieses Vertrags erläßt der Rat nach dem Verfahren des Artikels 189 c die zur Verfolgung der Ziele des Artikels 130 u erforderlichen Maßnahmen. Diese Maßnahmen können die Form von Mehijahresprogrammen annehmen. 2. Die Europäische Investitionsbank trägt nach Maßgabe ihrer Satzung zur Durchführung der Maßnahmen im Sinne des Absatzes 1 bei. 3. Dieser Artikel berührt nicht die Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas, des karibischen Raumes und des Pazifischen Ozeans im Rahmen des AKP-EWG-Abkommens.

Artikel 130 x 1. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und stimmen ihre Hilfsprogramme, auch in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen, ab. Sie können gemeinsame Maßnahmen ergreifen. Die Mitgliedstaaten tragen erforderlichenfalls zur Durchführung der Hilfsprogramme der Gemeinschaft bei. 2. Die Kommission kann alle Initiativen ergreifen, die der in Absatz 1 genannten Koodinierung förderlich sind.

Artikel 130 y

122 Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten arbeiten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammen. Die Einzelheiten der Zusammenarbeit der Gemeinschaft können Gegenstand von Abkommen zwischen dieser und den betreffenden dritten Parteien sein, die nach Artikel 228 ausgehandelt und geschlossen werden. Absatz 1 berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, in internationalen Gremien zu verhandeln und internationale Abkommen zu schließen."

E. Im Fünften Teil "Die Organe der Gemeinschaft" gilt folgendes:

39. Artikel 137 erhält folgende Fassung: "Artikel 137 Das Europäische Parlament besteht aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten; es übt die Befugnisse aus, die ihm nach diesem Vertrag zustehen."

40. Artikel 138 Absatz 3 erhält folgende Fassung: "3. Das Europäische Parlament arbeitet Entwürfe für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten aus. Der Rat erläßt nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, die mit der Mehrheit seiner Mitglieder erteilt wird, einstimmig die entsprechenden Bestimmungen und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften."

41. Folgende Artikel werden eingefügt: "Artikel 138 a Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewußtsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.

Artikel 138 b Das Europäische Parlament ist an dem Prozeß, der zur Annahme der Gemeinschaftsakte führt, in dem in diesem Vertrag vorgesehenen Umfang durch die Ausübung seiner Befugnisse im Rahmen der Verfahren der Artikel 189 b und 189 c sowie durch die Erteilung seiner Zustimmung oder die Abgabe von Stellungnahmen beteiligt. Das Europäische Parlament kann mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu Fragen zu unterbreiten, die nach seiner Auffassung die Ausarbeitung eines Gemeinschaftsakts zur Durchführung dieses Vertrags erfordern.

Artikel 138 c Das Europäische Parlament kann bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Einsetzung eines nichtständigen Untersuchungsausschusses beschließen, der unbeschadet der

123 Befugnisse, die anderen Organen oder Institutionen durch diesen Vertrag übertragen sind, behauptete Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder Mißstände bei der Anwendung desselben prüft; dies gilt nicht, wenn ein Gericht mit den behaupteten Sachverhalten befaßt ist, solange das Gerichtsverfahren nicht abgeschlossen ist. Mit der Vorlage seines Berichts hört der nichtständige Untersuchungsausschuß auf zu bestehen. Die Einzelheiten der Ausübung des Untersuchungsrechts werden vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt.

Artikel 138 d Jeder Bürger der Union sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat kann allein oder zusammen mit anderen Bürgern oder Personen in Angelegenheiten, die in die Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft fallen und die ihn oder sie unmittelbar betreffen, eine Petition an das Europäische Parlament richten.

Artikel 138 e 1. Das Europäische Parlament ernennt einen Bürgerbeauftragten, der befugt ist, Beschwerden von jedem Bürger der Union oder von jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat über Mißstände bei der Tätigkeit der Organe oder Institutionen der Gemeinschaft, mit Ausnahme des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse, entgegenzunehmen. Der Bürgerbeauftragte führt im Rahmen seines Auftrags von sich aus oder aufgrund von Beschwerden, die ihm unmittelbar oder über ein Mitglied des Europäischen Parlaments zugehen, Untersuchungen durch, die er für gerechtfertigt hält; dies gilt nicht, wenn die behaupteten Sachverhalte Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind oder waren. Hat der Bürgerbeauftragte einen Mißstand festgestellt, so befaßt er das betreffende Organ, das über eine Frist von drei Monaten verfügt, um ihm seine Stellungnahme zu übermitteln. Der Bürgerbeauftragte legt anschließend dem Europäischen Parlament und dem betreffenden Organ einen Bericht vor. Der Beschweideführer wird über das Ergebnis dieser Untersuchungen unterrichtet. Der Bürgerbeauftragte legt dem Europäischen Parlament jährlich einen Bericht über die Ergebnisse seiner Untersuchungen vor. 2. Der Bürgerbeauftragte wird nach jeder Wahl des Europäischen Parlaments für die Dauer der Wahlperiode ernannt. Wiederemennung ist zulässig. Der Bürgerbeauftragte kann auf Antrag des Europäischen Parlaments vom Gerichtshof seines Amtes enthoben werden, wenn er die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat. 3. Der Bürgerbeauftragte übt sein Amt in völliger Unabhängigkeit aus. Er darf bei der Erfüllung seiner Pflichten von keiner Stelle Anweisungen anfordern oder entgegennehmen. Der Bürgerbeauftragte darf während seiner Amtszeit keine andere entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben. 4. Das Europäische Parlament legt nach Stellungnahme der Kommission und nach mit qualifizierter Mehrheit erteilter Zustimmung des Rates die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten fest. *

42. Artikel 144 Absatz 2 wird durch folgenden Satz ergänzt:

124 "In diesem Fall endet die Amtszeit der als Nachfolger ernannten Mitglieder der Kommission zu dem Zeitpunkt, zu dem die Amtszeit der geschlossen zur Amtsniederlegung verpflichteten Mitglieder der Kommission geendet hätte."

43. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 146 Der Rat besteht aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedstaats verbindlich zu handeln. Der Vorsitz im Rat wird von den Mitgliedstaaten nacheinander für je sechs Monate wahrgenommen, und zwar in folgender Reihenfolge der Mitgliedstaaten: während einer ersten Periode von sechs Jahren: Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Vereinigtes Königreich; während der folgenden Periode von sechs Jahren: Dänemark, Belgien, Griechenland, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Irland, Niederlande, Luxemburg, Vereinigtes Königreich, Portugal."

44. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 147 Der Rat wird von seinem Präsidenten aus eigenem Entschluß oder auf Antrag eines seiner Mitglieder oder der Kommission einberufen."

45. Artikel 149 wird aufgehoben.

46. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 151 1. Ein Ausschuß, der sich aus den Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, hat die Aufgabe, die Arbeiten des Rates vorzubereiten und die ihm vom Rat übertragenen Aufträge auszuführen. 2. Der Rat wird von einem Generalsekretariat unterstützt, das einem Generalsekretär untersteht. Der Generalsekretär wird vom Rat durch einstimmigen Beschluß ernannt. Der Rat entscheidet über die Organisation des Generalsekretariats. 3. Der Rat gibt sich eine Geschäftsordnung."

47. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 154 Der Rat setzt mit qualifizierter Mehrheit die Gehälter, Vergütungen und Ruhegehälter für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofs fest. Er setzt mit derselben Mehrheit alle sonstigen als Entgelt gezahlten Vergütungen fest."

125 48. Folgende Artikel werden eingefügt: "Artikel 156 Die Kommission veröffentlicht jährlich, und zwar spätestens einen Monat vor Beginn der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments, einen Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft.

Artikel 157 1. Die Kommission besteht aus siebzehn Mitgliedern, die aufgrund ihrer allgemeinen Befähigung ausgewählt werden und volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten müssen. Die Zahl der Mitglieder der Kommission kann vom Rat einstimmig geändert werden. Nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten können Mitglieder der Kommission sein. Der Kommission muß mindestens ein Staatsangehöriger jedes Mitgliedstaats angehören, jedoch dürfen nicht mehr als zwei Mitglieder der Kommission dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. 2. Die Mitglieder der Kommission üben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft aus. Sie dürfen bei der Erfüllung ihrer Pflichten Anweisungen von einer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch entgegennehmen. Sie haben jede Handlung zu unterlassen, die mit ihren Aufgaben unvereinbar ist. Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, diesen Grundsatz zu achten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Kommission bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Die Mitglieder der Kommission dürfen während ihrer Amtszeit keine andere entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben. Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit übernehmen sie die feierliche Verpflichtung, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein. Werden diese Pflichten verletzt, so kann der Gerichtshof auf Antrag des Rates oder der Kommission das Mitglied je nach Lage des Falles gemäß Artikel 160 seines Amtes entheben oder ihm seine Ruhegehaltsansprüche oder andere an ihrer Stelle gewährte Vergünstigungen aberkennen.

Artikel 158 1. Die Mitglieder der Kommission werden, gegebenenfalls vorbehaltlich des Artikels 144, nach dem Verfahren des Absatzes 2 für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt. Wiederernennung ist zulässig. 2. Die Regierungen der Mitgliedstaaten benennen nach Anhörung des Europäischen Parlaments im gegenseitigen Einvernehmen die Persönlichkeit, die sie zum Kommissionspräsidenten zu ernennen beabsichtigen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten benennen in Konsultation mit dem benannten Präsidenten die übrigen Persönlichkeiten, die sie zu Mitgliedern der Kommission zu ernennen beabsichtigen. Der Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission, die auf diese Weise benannt worden sind, stellen sich als Kollegium einem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments. Nach Zustimmung des

126 Europäischen Parlaments werden der Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt. 3. Die Absätze 1 und 2 finden erstmals auf den Präsidenten und die übrigen Mitglieder der Kommission Anwendung, deren Amtszeit am 7. Januar 1995 beginnt. Der Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission, deren Amtszeit am 7. Januar 1993 beginnt, werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einveraehmen ernannt. Ihre Amtszeit endet am 6. Januar 1995.

Artikel 159 Abgesehen von den regelmäßigen Neubesetzungen und von Todesfällen endet das Amt eines Mitglieds der Kommission durch Rücktritt oder Amtsenthebung. Für das ausscheidende Mitglied wird für die verbleibende Amtszeit von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ein neues Mitglied ernannt. Der Rat kann einstimmig entscheiden, für diese Zeit einen Nachfolger nicht zu ernennen. Bei Rücktritt, Amtsenthebung oder Tod des Präsidenten wird für die verbleibende Amtszeit ein Nachfolger ernannt. Für die Ersetzung findet das Verfahren des Artikels 158 Absatz 2 Anwendung. Außer im Fall der Amtsenthebung nach Artikel 160 bleiben die Mitglieder der Kommission bis zur Neubesetzung ihres Sitzes im Amt.

Artikel 160 Jedes Mitglied der Kommission, das die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat, kann auf Antrag des Rates oder der Kommission durch den Gerichtshof seines Amtes enthoben werden.

Artikel 161 Die Kommission kann aus ihrer Mitte einen oder zwei Vizepräsidenten ernennen.

Artikel 162 1. Der Rat und die Kommission ziehen einander zu Rate und regeln einvernehmlich die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit. 2. Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, um ihr ordnungsgemäßes Arbeiten und das ihrer Dienststellen nach Maßgabe dieses Vertrags zu gewährleisten. Sie sorgt für die Veröffentlichung dieser Geschäftsordnung.

Artikel 163 Die Beschlüsse der Kommission werden mit der Mehrheit der in Artikel 157 bestimmten Anzahl ihrer Mitglieder gefaßt. Die Kommission kann nur dann wirksam tagen, wenn die in ihrer Geschäftsordnung festgesetzte Anzahl v.,n Mitgliedern anwesend ist."

127 49. Artikel 16S erhält folgende Fassung: "Artikel 165 Der Gerichtshof besteht aus dreizehn Richtern. Der Gerichtshof tagt in Vollsitzungen. Er kann jedoch aus seiner Mitte Kammern mit je drei oder fünf Richtern bilden, die bestimmte vorbereitende Aufgaben erledigen oder bestimmte Gruppen von Rechtssachen entscheiden; hierfür gelten die Vorschriften einer besonderen Regelung. Der Gerichtshof tagt in Vollsitzungen, wenn ein Mitgliedstaat oder ein Organ der Gemeinschaft als Partei des Verfahrens dies verlangt. Auf Antrag des Gerichtshofs kann der Rat einstimmig die Zahl der Richter erhöhen und die erforderlichen Anpassungen der Absätze 2 und 3 und des Artikels 167 Absatz 2 vornehmen."

50. Artikel 168 a erhält folgende Fassung: "Artikel 168 a 1. Dem Gerichtshof wird ein Gericht beigeordnet, das für Entscheidungen über einzelne, nach Absatz 2 festgelegte Gruppen von Klagen im ersten Rechtszug zuständig ist und gegen dessen Entscheidungen ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof nach Maßgabe der Satzung eingelegt werden kann. Das Gericht erster Instanz ist nicht für Vorabentscheidungen nach Artikel 177 zuständig. 2. Auf Antrag des Gerichtshofs und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission legt der Rat einstimmig die Gruppen von Klagen im Sinne des Absatzes 1 und die Zusammensetzung des Gerichts erster Instanz fest und beschließt die Anpassungen und ergänzenden Bestimmungen, die in bezug auf die Satzung des Gerichtshofs notwendig werden. Wenn der Rat nichts anderes beschließt, finden die den Gerichtshof betreffenden Bestimmungen dieses Vertrags und insbesondere die Bestimmungen des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs auf das Gericht erster Instanz Anwendung. 3. Zu Mitgliedern des Gerichts erster Instanz sind Personen auszuwählen, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung richterlicher Tätigkeiten verfügen; sie werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen für sechs Jahre ernannt. Alle drei Jahre wird das Gericht teilweise neu besetzt. Die Wiederernennung ausscheidender Mitglieder ist zulässig. 4. Das Gericht erster Instanz erläßt seine Verfahrensordnung im Einvernehmen mit dem Gerichtshof. Sie bedarf der einstimmigen Genehmigung des Rates."

51. Artikel 171 erhält folgende Fassung: "Artikel 171 1. Stellt der Gerichtshof fest, daß ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofe ergeben. 2. Hat nach Auffassung der Kommission der betreffende Mitgliedstaat diese Maßnahmen nicht ergriffen, so gibt sie, nachdem sie ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie aufführt, in welchen Punkten der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil des Gerichtshofs nicht nachgekommen ist.

128 Hat der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofe ergeben, nicht innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist getroffen, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen nach für angemessen hält. Stellt der Gerichtshof fest, daß der betreffende Mitgliedstaat seinem Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds verhängen. Dieses Verfahren läßt den Artikel 170 unberührt."

52. Artikel 172 erhält folgende Fassung: "Artikel 172 Aufgrund dieses Vertrags vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam sowie vom Rat erlassene Verordnungen können hinsichtlich der darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen dem Gerichtshof eine Zuständigkeit übertragen, welche die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und zur Änderung oder Verhängung solcher Maßnahmen umfaßt."

53. Artikel 173 erhält folgende Fassung: "Artikel 173 Der Gerichtshof überwacht die Rechtmäßigkeit der gemeinsamen Handlungen des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Handlungen des Rates, der Kommission und der EZB, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt, und der Handlungen des Europäischen Parlaments mit Rechtswirkung gegenüber Dritten. Zu diesem Zweck ist der Gerichtshof für Klagen zuständig, die ein Mitgliedstaat, der Rat oder die Kommission wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung dieses Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs erhebt. Der Gerichtshof ist unter den gleichen Voraussetzungen zuständig für Klagen des Europäischen Parlaments und der EZB, die auf die Wahrung ihrer Rechte abzielen. Jede natürliche oder juristische Person kann unter den gleichen Voraussetzungen gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen. Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat."

54. Artikel 175 erhält folgende Fassung: "Artikel 175 Unterläßt es das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission unter Verletzung dieses Vertrags, einen Beschluß zu fassen, so können die Mitgliedstaaten und die anderen Organe der Gemeinschaft beim Gerichtshof Klage auf Feststellung dieser Vertragsverletzung erhebert.

129 Diese Klage ist nur zulässig, wenn das in Frage stehende Organ zuvor aufgefordert worden ist, tätig zu werden. Hat es binnen zwei Monaten nach dieser Aufforderung nicht Stellung genommen, so kann die Klage innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten erhoben werden. Jede natürliche oder juristische Person kann nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 vor dem Gerichtshof Beschwerde darüber führen, daß ein Organ der Gemeinschaft es unterlassen hat, einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme an sie zu richten. Der Gerichtshof ist unter den gleichen Voraussetzungen zuständig für Klagen, die von der EZB in ihrem Zuständigkeitsbereich erhoben oder gegen sie angestrengt werden."

55. Artikel 176 erhält folgende Fassung: "Artikel 176 Das oder die Organe, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder deren Untätigkeit als vertragswidrig erklärt worden ist, haben die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Diese Verpflichtung besteht unbeschadet der Verpflichtungen, die sich aus der Anwendung des Artikels 215 Absatz 2 ergeben. Dieser Artikel gilt auch für die EZB."

56. Artikel 177 erhält folgende Fassung: "Artikel 177 Der Gerichtshof entscheidet im Weg der Vorabentscheidung a)

über die Auslegung dieses Vertrags;

b)

über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB;

c)

über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit diese Satzungen dies vorsehen.

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlaß seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet."

57. Artikel 180 erhält folgende Fassung: "Artikel 180 Der Gerichtshof ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zuständig in Streitsachen über a)

die Erfüllung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Satzung der Europäischen Investitionsbank. Der Verwaltungsrat der Bank besitzt hierbei die der Kommission in Artikel 169

130 übertragenen Befugnisse; b)

die Beschlösse des Rates der Gouverneure der Europäischen Investitionsbank. Jeder Mitgliedstaat, die Kommission und der Verwaltungsrat der Bank können hierzu nach Maßgabe des Artikels 173 Klage erheben;

c)

die Beschlüsse des Verwaltungsrats der Europäischen Investitionsbank. Diese können nach Maßgabe des Artikels 173 nur von Mitgliedstaaten oder der Kommission und lediglich wegen Verletzung der Formvorschriften des Artikels 21 Absätze 2 und 5 bis 7 der Satzung der Investitionsbank angefochten werden;

d)

die Erfüllung der sich aus diesem Vertrag und der Satzung des ESZB ergebenden Verpflichtungen durch die nationalen Zentralbanken. Der Rat der EZB besitzt hierbei gegenüber den nationalen Zentralbanken die Befugnisse, die der Kommission in Artikel 169 gegenüber den Mitgliedstaaten eingeräumt werden. Stellt der Gerichtshof fest, daß eine nationale Zentralbank gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen hat, so hat diese Bank die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben."

58. Artikel 184 erhält folgende Fassung: "Artikel 184 Ungeachtet des Ablaufs der in Artikel 173 Absatz 5 genannten Frist kann jede Partei in einem Rechtsstreit, bei dem es auf die Geltung einer vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam erlassenen Verordnung oder einer Verordnung des Rates, der Kommission oder der EZB ankommt, vor dem Gerichtshof die Unanwendbarkeit dieser Verordnung aus den in Artikel 173 Absatz 2 genannten Gründen geltend machen."

59. Folgender Abschnitt wird eingefügt:

"ABSCHNITT 5 Der Rechnungshof

Artikel 188 a Der Rechnungshof nimmt die Rechnungsprüfung wahr.

Artikel 188 b 1. Der Rechnungshof besteht aus zwölf Mitgliedern. 2. Zu Mitgliedern des Rechnungshofs sind Persönlichkeiten auszuwählen, die in ihren Ländern Rechnungsprüfungsorganen angehören oder angehört haben oder die für dieses Amt besonders geeignet sind. Sie müssen jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten. 3. Die Mitglieder des Rechnungshofs werden vom Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig auf sechs Jahre ernannt. Vier Mitglieder des Rechnungshofs, die durch Los bestimmt werden, erhalten jedoch bei der ersten Ernennung ein auf vier Jahre begrenztes Mandat.

131 Die Mitglieder des Rechnungshofs können wiederemannt werden. Sie wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten des Rechnungshofs für ^rei Jahre. Wiederwahl ist zulässig. 4. Die Mitglieder des Rechnungshofs üben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wolil der Gemeinschaft aus. Sie dürfen bei der Erfüllung ihrer Pflichten Anweisungen von einer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch entgegennehmen. Sie haben jede Handlung zu unterlassen, die mit ihren Aufgaben unvereinbar ist. 5. Die Mitglieder des Rechnungshofs dürfen während ihrer Amtszeit keine andere entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben. Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit übernehmen sie die feierliche Verpflichtung, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein. 6. Abgesehen von regelmäßigen Neubesetzungen und von Todesfällen endet das Amt eines Mitglieds des Rechnungshofs durch Rücktritt oder durch Amtsenthebung durch den Gerichtshof gemäß Absatz 7. Für das ausscheidende Mitglied wird für die verbleibende Amtszeit ein Nachfolger ernannt. Außer im Fall der Amtsenthebung bleiben die Mitglieder des Rechnungshofs bis zur Neubesetzung ihres Sitzes im Amt. 7. Gin Mitglied des Rechnungshofs kann nur dann seines Amtes enthoben oder seiner Ruhegehaltsansprüche oder anderer an ihrer Stelle gewählter Vergünstigungen für verlustig erklärt werden, wenn der Gerichtshof auf Antrag des Rechnungshofs feststellt, daß es nicht mehr die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt oder den sich aus seinem Amt ergebenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. 8. Der Rat setzt mit qualifizierter Mehrheit die Beschäftigungsbedingungen für den Präsidenten und die Mitglieder des Rechnungshofs fest, insbesondere die Gehälter, Vergütungen und Ruhegehälter. Er setzt mit derselben Mehrheit alle sonstigen als Entgelt gezahlten Vergütungen fest. 9. Die für die Richter des Gerichtshofs geltenden Bestimmungen des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften gelten auch für die Mitglieder des Rechnungshofs.

Artikel 188 c 1. Der Rechnungshof prüft die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft. Er prüft ebenfalls die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben jeder von der Gemeinschaft geschaffenen Einrichtung, soweit der Gründungsakt dies nicht ausschließt. Der Rechnungshof legt dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Erklärung über die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Vorgänge vor. 2. Der Rechnungshof prüft die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben und überzeugt sich von der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Die Prüfung der Einnahmen erfolgt anhand der Feststellungen und der Zahlungen der Einnahmen an die Gemeinschaft. Die Prüfung der Ausgaben erfolgt anhand der Mittelbindungen und der Zahlungen.

132 Diese Prüfungen können vor Abschluß der Rechnung des betreffenden Haushaltsjahrs durchgeführt werden. 3. Die Prüfung wird anhand der Rechnungsunterlagen und erforderlichenfalls an Ort und Stelle bei den anderen Organen der Gemeinschaft und in den Mitgliedstaaten durchgeführt. Die Prüfung in den Mitgliedstaaten erfolgt in Verbindung mit den einzelstaatiichen Rechnungsprüfungsorganen oder, wenn diese nicht über die erforderliche Zuständigkeit verfügen, mit den zuständigen einzelstaatlichen Dienststellen. Diese Organe oder Dienststellen teilen dem Rechnungshof mit, ob sie an der Prüfung teilzunehmen beabsichtigen.

Die anderen Organe der Gemeinschaft und die einzelstaatlichen Rechnungsprüfungsorgane oder, wenn diese nicht über die erforderliche Zuständigkeit verfügen, die zuständigen einzelstaatlichen Dienststellen übermitteln dem Rechnungshof auf seinen Antrag jede für die Erfüllung seiner Aufgabe erforderliche Unterlage oder Information. 4. Der Rechnungshof erstattet nach Abschluß eines jeden Haushaltsjahrs einen Jahresbericht. Dieser Bericht wird den anderen Organen der Gemeinschaft vorgelegt und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zusammen mit den Antworten dieser Organe auf die Bemerkungen des Rechnungshofs veröffentlicht. Der Rechnungshof kann ferner jederzeit seine Bemerkungen zu besonderen Fragen vorlegen, insbesondere in Form von Sonderberichten, und auf Antrag eines der anderen Organe der Gemeinschaft Stellungnahmen abgeben. Er nimmt seine jährlichen Berichte, Sonderberichte oder Stellungnahmen mit der Mehrheit seiner Mitglieder an. Er unterstützt das Europäische Parlament und den Rat bei der Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans."

60. Artikel 189 erhält folgende Fassung: "Artikel 189 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe dieses Vertrags erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, sprechen Empfehlungen aus oder geben Stellungnahmen ab. Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich."

61. Folgende Artikel werden eingefügt: "Artikel 189 a 1. Wird der Rat kraft dieses Vertrags auf Vorschlag der Kommission tätig, so kann er vorbehaltlich des Artikels 189 b Absätze 4 und 5 Änderungen dieses Vorschlags nur einstimmig beschließen.

133 2. Solange ein Beschluß des Rates nicht ergangen ist, kann die Kommission ihren Vorschlag jederzeit im Verlauf der Verfahren zur Annahme eines Rechtsakts der Gemeinschaft ändern. Artikel 189 b 1. Wird in diesem Vertrag hinsichtlich der Annahme eines Rechtsakts auf diesen Artikel Bezug genommen, so gilt das nachstehende Verfahren. 2. Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Vorschlag. Der Rat legt mit qualifizierter Mehrheit und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments einen gemeinsamen Standpunkt fest. Dieser gemeinsame Standpunkt wird dem Europäischen Parlament zugeleitet. Der Rat unterrichtet das Europäische Parlament in allen Einzelheiten über die Gründe, aus denen er seinen gemeinsamen Standpunkt festgelegt hat. Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament in allen Einzelheiten über ihren Standpunkt. Hat das Europäische Parlament binnen drei Monaten nach der Übermittlung a)

den gemeinsamen Standpunkt gebilligt, so erläßt der Rat den betreffenden Rechtsakt endgültig entsprechend diesem gemeinsamen Standpunkt;

b)

nicht Stellung genommen, so erläßt der Rat den betreffenden Rechtsakt entsprechend seinem gemeinsamen Standpunkt;

c)

mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder die Absicht geäußert, den gemeinsamen Standpunkt abzulehnen, so unterrichtet es den Rat unverzüglich hiervon. Der Rat kann den in Absatz 4 genannten Vermittlungsausschuß einberufen, um seinen Standpunkt ausführlicher darzulegen. Daraufhin bestätigt das Europäische Parlament mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder die Ablehnung des gemeinsamen Standpunkts, womit der vorgeschlagene Rechtsakt als nicht angenommen gilt, oder es schlägt nach Buchstabe d Abänderungen vor;

d)

mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder Abänderungen an dem gemeinsamen Standpunkt vorgeschlagen, so wird die abgeänderte Fassung dem Rat und der Kommission zugeleitet; die Kommission gibt eine Stellungnahme zu diesen Abänderungen ab.

3. Billigt der Rat mit qualifizierter Mehrheit binnen drei Monaten nach Eingang der Abänderungen des Europäischen Parlaments alle diese Abänderungen, so ändert er seinen gemeinsamen Standpunkt entsprechend und erläßt den betreffenden Rechtsakt; über Abänderungen, zu denen die Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat, beschließt der Rat jedoch einstimmig. Erläßt der Rat den betreffenden Rechtsakt nicht, so beruft der Präsident des Rates im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments unverzüglich den Vermittlungsausschuß ein. 4. Der Vermittlungsausschuß, der aus den Mitgliedern des Rates oder deren Vertretern und ebenso vielen Vertretern des Europäischen Parlaments besteht, hat die Aufgabe, mit der qualifizierten Mehrheit der Mitglieder des Rates oder deren Vertretern und der Mehrheit der Vertreter des Europäischen Parlaments eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf zu erzielen. Die Kommission nimmt an den Arbeiten des Vermittlungsausschusses teil und ergreift alle erforderlichen Initiativen, um auf eine Annäherung der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates hinzuwirken. 5. Billigt der Vermittlungsausschuß binnen sechs Wochen nach seiner Einberufung einen gemeinsamen Entwurf, so verfügen das Europäische Parlament und der Rat ab dieser Billigung über eine Frist von sechs Wochen, um den betreffenden Rechtsakt entsprechend dem gemeinsamen Entwurf zu erlassen, wobei im Europäischen Parlament die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen und im Rat die qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Nimmt eines der beiden Organe den vorgeschlagenen Rechtsakt nicht an, so gilt er

134 als nicht angenommen. 6. Billigt der Vermittlungsausschufi keinen gemeinsamen Entwurf, so gilt der vorgeschlagene Rechtsakt als nicht angenommen, sofern nicht der Rat binnen sechs Wochen nach Ablauf der dem Vermittlungsausschufi gesetzten Frist mit qualifizierter Mehrheit den gemeinsamen Standpunkt, den er vor Eröffnung des Vermittlungsverfahrens gebilligt hatte, gegebenenfalls mit vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Abänderungen bestätigt. In diesem Fall ist der betreffende Rechtsakt endgültig erlassen, sofern nicht das Europäische Parlament die Vorlage binnen sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Bestätigung durch den Rat mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder ablehnt; der vorgeschlagene Rechtsakt gilt dann als nicht angenommen. 7. Die in diesem Artikel genannten Fristen von drei Monaten bzw. sechs Wochen können im gegenseitigen Einvernehmen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat um höchstens einen Monat bzw. zwei Wochen verlängert werden. Die in Absatz 2 genannte Dreimonatsfirist verlängert sich im Fall der Anwendbarkeit des Absatzes 2 Buchstabe c automatisch um zwei Monate. 8. Der Anwendungsbereich des in diesem Artikel beschriebenen Verfahrens kann nach dem Verfahren des Artikels N Absatz 2 des Vertrags Ober die Europäische Union auf der Grundlage eines dem Rat von der Kommission spätestens 1996 zu unterbreitenden Berichts erweitert werden.

Artikel 189 c Wird in diesem Vertrag hinsichtlich der Annahme eines Rechtsakts auf diesen Artikel Bezug genommen, so gilt folgendes Verfahren: a)

Der Rat legt mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments einen gemeinsamen Standpunkt fest.

b)

Der gemeinsame Standpunkt des Rates wird dem Europäischen Parlament zugeleitet. Der Rat und die Kommission unterrichten das Europäische Parlament in allen Einzelheiten über die Gründe, aus denen der Rat seinen gemeinsamen Standpunkt festgelegt hat, sowie über den Standpunkt der Kommission. Hat das Europäische Parlament diesen gemeinsamen Standpunkt binnen drei Monaten nach der Übermittlung gebilligt oder hat es sich innerhalb dieser Frist nicht geäußert, so erläßt der Rat den betreffenden Rechtsakt endgültig entsprechend dem gemeinsamen Standpunkt.

c)

Das Europäische Parlament kann innerhalb der unter Buchstabe b vorgesehenen Dreimonatsfrist mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder Abänderungen an dem gemeinsamen Standpunkt des Rates vorschlagen. Es kann ferner den gemeinsamen Standpunkt des Rates mit der gleichen Mehrheit ablehnen. Das Ergebnis der Beratungen wird dem Rat und der Kommission zugeleitet. Hat das Europäische Parlament den gemeinsamen Standpunkt des Rates abgelehnt, so kann der Rat in zweiter Lesung nur einstimmig beschließen.

d)

Die Kommission überprüft innerhalb einer Frist von einem Monat den Vorschlag, aufgrund dessen der Rat seinen gemeinsamen Standpunkt festgelegt hat, unter Berücksichtigung der vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Abänderungen. Die Kommission übermittelt dem Rat zusammen mit dem von ihr überprüften Vorschlag die von ihr nicht übernommenen Abänderungen des Europäischen Parlaments und nimmt dazu Stellung. Der Rat kann diese Abänderungen einstimmig annehmen.

e)

Der Rat verabschiedet mit qualifizierter Mehrheit den von der Kommission überprüften Vorschlag.

135 Der Rat kann den von der Kommission überprüften Vorschlag nur einstimmig ändern. f)

In den unter den Buchstaben c, d und e genannten Fällen muß der Rat binnen drei Monaten beschließen. Ergeht innerhalb dieser Frist kein Beschluß, so gilt der Vorschlag der Kommission als nicht angenommen.

g)

Die unter den Buchstaben b und f genannten Fristen können im gegenseitigen Einvernehmen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat um höchstens einen Monat verlängert werden."

62. Artikel 190 erhält folgende Fassung: "Artikel 190 Die Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, die vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam oder vom Rat oder von der Kommission angenommen werden, sind mit Gründen zu versehen und nehmen auf die Vorschläge oder Stellungnahmen Bezug, die nach diesem Vertrag eingeholt werden müssen."

63. Artikel 191 erhält folgende Fassung: "Artikel 191 1. Die nach dem Verfahren des Artikels 189 b angenommenen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen werden vom Präsidenten des Europäischen Parlaments und vom Präsidenten des Rates unterzeichnet und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Sie treten zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder andernfalls am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. 2. Die Verordnungen des Rates und der Kommission sowie die an alle Mitgliedstaaten gerichteten Richtlinien dieser Organe werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Sie treten zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder andernfalls am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. 3. Die anderen Richtlinien sowie die Entscheidungen werden denjenigen, für die sie bestimmt sind, bekanntgegeben und werden durch diese Bekanntgabe wirksam."

64. Artikel 194 erhält folgende Fassung: •Artikel 194 Die Zahl der Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialausschusses wird wie folgt festgesetzt: Belgien Dänemark Deutschland Griechenland Spanien Frankreich Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal

12 9 24 12 21 24 9 24 6 12 12

136 Vereinigtes Königreich

24

Die Mitglieder des Ausschusses werden vom Rat durch einstimmigen Beschluß auf vier Jahre ernannt. Wiederernennung ist zulässig. Die Mitglieder des Ausschusses sind an keine Weisungen gebunden. Sie Oben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft aus. Der Rat setzt mit qualifizierter Mehrheit die Vergütungen für die Mitglieder des Ausschusses fest."

65. Artikel 196 erhält folgende Fassung: "Artikel 196 Der Ausschuß wählt aus seiner Mitte seinen Präsidenten und sein Präsidium auf zwei Jahre. Er gibt sich eine Geschäftsordnung. Der Ausschuß wird von seinem Präsidenten auf Antrag des Rates oder der Kommission einberufen. Er kann auch von sich aus zusammentreten."

66. Artikel 198 erhält folgende Fassung: "Artikel 198 Der Ausschuß muß vom Rat oder der Kommission in den in diesem Vertrag vorgesehenen Fällen gehört werden. Er kann von diesen Organen in allen Fällen gehört werden, in denen diese es für zweckmäßig erachten. Er kann von sich aus eine Stellungnahme in den Fällen abgeben, in denen er dies für zweckmäßig erachtet. Wenn der Rat oder die Kommission es für notwendig erachten, setzen sie dem Ausschuß für die Vorlage seiner Stellungnahme eine Frist; diese beträgt mindestens einen Monat, vom Eingang der Mitteilung beim Präsidenten des Ausschusses an gerechnet. Nach Ablauf der Frist kann das Fehlen einer Stellungnahme unberücksichtigt bleiben. Die Stellungnahmen des Ausschusses und der zuständigen fachlichen Gruppe sowie ein Bericht über die Beratungen werden dem Rat und der Kommission übermittelt."

67. Folgendes Kapitel wird eingefügt: "KAPITEL 4 Der Ausschuß der Regionen Artikel 198 a Es wird ein beratender Ausschuß aus Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, nachstehend 'Ausschuß der Regionen' genannt, errichtet. Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses der Regionen wird wie folgt festgesetzt: Belgien Dänemark

12 9

137 Deutschland Griechenland Spanien Frankreich Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Vereinigtes Königreich

24 12 21 24 9 24 6 12 12 24

Die Mitglieder des Ausschusses sowie eine gleiche Anzahl von Stellvertretern werden vom Rat auf Vorschlag der jeweiligen Mitgliedstaaten durch einstimmigen Beschluß auf vier Jahre ernannt. Wiederernennung ist zulässig. Die Mitglieder des Ausschusses sind an keine Weisungen gebunden. Sie üben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft aus.

Artikel 198 b Der Ausschuß der Regionen wählt aus seiner Mitte seinen Präsidenten und sein Präsidium auf zwei Jahre. Er gibt sich eine Geschäftsordnung und legt sie dem Rat zur Genehmigung vor; der Rat beschließt einstimmig. Der Ausschuß wird von seinem Präsidenten auf Antrag des Rates oder der Kommission einberufen. Er kann auch von sich aus zusammentreten.

Artikel 198 c Der Ausschuß der Regionen wird vom Rat oder von der Kommission in den in diesem Vertrag vorgesehenen Fällen und in allen anderen Fällen gehört, in denen eines dieser beiden Organe dies für zweckmäßig erachtet. Wenn der Rat oder die Kommission es für notwendig erachten, setzen sie dem Ausschuß für die Vorlage seiner Stellungnahme eine Frist; diese beträgt mindestens einen Monat, vom Eingang der diesbezüglichen Mitteilung beim Präsidenten des Ausschusses an gerechnet. Nach Ablauf der Frist kann das Fehlen einer Stellungnahme unberücksichtigt bleiben. Wird der Wirtschafts- und Sozialausschuß nach Artikel 198 gehört, so wird der Ausschuß der Regionen vom Rat oder von der Kommission über dieses Ersuchen um Stellungnahme unterrichtet. Der Ausschuß der Regionen kann, wenn er der Auffassung ist, daß spezifische regionale Interessen berührt werden, eine entsprechende Stellungnahme abgeben. Er kann, wenn er dies für zweckdienlich erachtet, von sich aus eine Stellungnahme abgeben. Die Stellungnahme des Ausschusses sowie ein Bericht über die Beratungen werden dem Rat und der Kommission übermittelt. *

68. Folgendes Kapitel wird eingefügt: "KAPITEL 5

138 Die Europäische Investitionsbank

Artikel 198 d Die Europäische Investitionsbank besitzt Rechtspersönlichkeit. Mitglieder der Europäischen Investitionsbank sind die Mitgliedstaaten. Die Satzung der Europäischen Investitionsbank ist diesem Vertrag als Protokoll beigefügt.

Artikel 198 e Aufgabe der Europäischen Investitionsbank ist es, zu einer ausgewogenen und reibungslosen Entwicklung des gemeinsamen Marktes im Interesse der Gemeinschaft beizutragen; hierbei bedient sie sich des Kapitalmarkts sowie ihrer eigenen Mittel. In diesem Sinne erleichtert sie ohne Verfolgung eines Erwerbszwecks durch Gewährung von Darlehen und Bürgschaften die Finanzierung der nachstehend bezeichneten Vorhaben in allen Wirtschaftszweigen: a)

Vorhaben zur Erschließung der weniger entwickelten Gebiete;

b)

Vorhaben zur Modernisierung oder Umstellung von Unternehmen oder zur Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten, die sich aus der schrittweisen Errichtung des Gemeinsamen Marktes ergeben und wegen ihres Umfangs oder ihrer Art mit den in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Mitteln nicht vollständig finanziert werden können;

c)

Vorhaben von gemeinsamem Interesse für mehrere Mitgliedstaaten, die wegen ihres Umfangs oder ihrer Art mit den in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Mitteln nicht vollständig finanziert werden können.

In Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtert die Bank die Finanzierung von Investitionsprogrammen in Verbindung mit der Unterstützung aus den Strukturfonds und anderen Finanzierungsinstrumenten der Gemeinschaft."

( 9 . Artikel 199 erhält folgende Fassung: "Artikel 199 Alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft einschließlich deijenigen des Europäischen Sozialfonds werden für jedes Haushaltsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt. Die für die Organe anfallenden Verwaltungsausgaben im Zusammenhang mit den die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres betreffenden Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union gehen zu Lasten des Haushalts. Die aufgrund der Durchführung dieser Bestimmungen entstehenden operativen Ausgaben können unter den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen dem Haushalt angelastet werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.

70. Artikel 200 wird aufgehoben.

71. Artikel 201 erhält folgende Fassung:

139 "Artikel 201 Der Haushalt wird unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert. Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig die Bestimmungen über das System der Eigenmittel der Gemeinschaft fest und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften."

72. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 201 a Damit die Haushaltsdisziplin gewährleistet wird, unterbreitet die Kommission keine Vorschläge für Rechtsakte der Gemeinschaft, ändert nicht ihre Vorschläge und erläßt keine Durchführungsmaßnahme, die erhebliche Auswirkungen auf den Haushaltsplan haben könnte, ohne die Gewähr zu bieten, daß der betreffende Vorschlag bzw. die betreffende Maßnahme im Rahmen der Eigenmittel der Gemeinschaft finanziert werden kann, die sich aufgrund der vom Rat nach Artikel 201 festgelegten Bestimmungen ergeben."

73. Artikel 20S erhält folgende Fassung: "Artikel 205 Die Kommission führt den Haushaltsplan nach der gemäß Artikel 209 festgelegten Haushaltsordnung in eigener Verantwortung im Rahmen der zugewiesenen Mittel entsprechend den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung aus. Die Beteiligung der einzelnen Organe bei der Vornahme ihrer Ausgaben wird in der Haushaltsordnung im einzelnen geregelt. Die Kommission kann nach der gemäß Artikel 209 festgelegten Haushaltsordnung Mittel von Kapitel zu Kapitel oder von Untergliederung zu Untergliederung übertragen."

74. Artikel 206 erhält folgende Fassung: "Artikel 206 1. Auf Empfehlung des Rates, der mit qualifizierter Mehrheit beschließt, erteilt das Europäische Parlament der Kommission Entlastung zur Ausführung des Haushaltsplans. Zu diesem Zweck prüft es nach dem Rat die in Artikel 205 a genannte Rechnung und Übersicht sowie den Jahresbericht des Rechnungshofs zusammen mit den Antworten der kontrollierten Organe auf dessen Bemerkungen und die einschlägigen Sonderberichte des Rechnungshofs. 2. Das Europäische Parlament kann vor der Entlastung der Kommission sowie auch zu anderen Zwecken im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Haushaltsbefugnisse die Kommission auffordern, Auskunft über die Vornahme der Ausgaben oder die Arbeitsweise der Finanzkontrollsysteme zu erteilen. Die Kommission legt dem Europäischen Parlament auf dessen Ersuchen alle notwendigen Informationen vor. 3. Die Kommission trifft alle zweckdienlichen Maßnahmen, um den Bemerkungen in den Entlastungsbeschlüssen und anderen Bemerkungen des Europäischen Parlaments zur Vornahme der Ausgaben sowie den Erläuterungen, die den Entlastungsempfehlungen des Rates beigefügt sind, nachzukommen.

140 Auf Ersuchen des Europäischen Parlaments oder des Rates erstattet die Kommission Bericht über die Maßnahmen, die aufgrund dieser Bemerkungen und Erläuterungen getroffen wurden, insbesondere über die Weisungen, die den für die Ausführung des Haushaltsplans zuständigen Dienststellen erteilt worden sind. Diese Berichte sind auch dem Rechnungshof zuzuleiten."

75. Die Artikel 206 a und 206 b werden aufgehoben.

76. Artikel 209 erhält folgende Fassung: "Artikel 209 Der Rat legt einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und Stellungnahme des Rechnungshofs folgendes fest: a)

die Haushaltsordnung, in der insbesondere die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sowie die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung im einzelnen geregelt werden;

b)

die Einzelheiten und das Verfahren, nach denen die Haushaltseinnahmen, die in der Regelung über die Eigenmittel der Gemeinschaft vorgesehen sind, der Kommission zur Verfügung gestellt werden, sowie die Maßnahmen, die zu treffen sind, um gegebenenfalls die erforderlichen Kassenmittel bereitzustellen;

c)

die Vorschriften über die Verantwortung der Finanzkontrolleure, der anweisungsbefugten Personen und der Rechnungsführer sowie die entsprechenden Kontrollmaßnahmen."

77. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 209 a Zur Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft richten, ergreifen die Mitgliedstaaten die gleichen Maßnahmen, die sie auch zur Bekämpfung von Betrügereien ergreifen, die sich gegen ihre eigenen finanziellen Interessen richten. Die Mitgliedstaaten koordinieren unbeschadet der sonstigen Vertragsbestimmungen ihre Tätigkeit zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft vor Betrügereien. Sie sorgen zu diesem Zweck mit Unterstützung der Kommission für eine enge, regelmäßige Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Dienststellen ihrer Behörden."

78. Artikel 215 erhält folgende Fassung: "Artikel 215 Die vertragliche Haftung der Gemeinschaft bestimmt sich nach dem Recht, das auf den betreffenden Vertrag anzuwenden ist. Im Bereich der außervertraglichen Haftung ersetzt die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Absatz 2 gilt in gleicher Weise für den durch die EZB oder ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden.

141 Die persönliche Haftung der Bediensteten gegenüber der Gemeinschaft bestimmt sich nach den Vorschriften ihres Statuts oder der für sie geltenden Beschäftigungsbedingungen."

79. Artikel 227 wird wie folgt geändert: a)

Absatz 2 erhält folgende Fassung: "2. Für die französischen überseeischen Departements gelten mit Inkrafttreten dieses Vertrags seine besonderen und allgemeinen Bestimmungen über - den freien Warenverkehr; - die Landwirtschaft, mit Ausnahme des Artikels 40 Absatz 4; - den freien Dienstleistungsverkehr; - die Wettbewerbsregeln; - die in den Artikeln 109 h, 109 i und 226 vorgesehenen Schutzmaßnahmen; - die Organe. Die Bedingungen für die Anwendung der anderen Bestimmungen dieses Vertrags werden binnen zwei Jahren nach seinem Inkrafttreten durch einstimmige Entscheidungen des Rates auf Vorschlag der Kommission beschlossen. Die Organe der Gemeinschaft sorgen im Rahmen der in diesem Vertrag, insbesondere in Artikel 226, vorgesehenen Verfahren für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Gebiete."

b)

Absatz 5 Buchstabe a erhält folgende Fassung: "a) Dieser Vertrag findet auf die Färöer keine Anwendung."

80. Artikel 228 erhält folgende Fassung: "Artikel 228 1. Soweit dieser Vertrag den Abschluß von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen vorsieht, legt die Kommission dem Rat Empfehlungen vor; dieser ermächtigt die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen. Die Kommission führt diese Verhandlungen im Benehmen mit den zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschüssen nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilen kann. Bei der Ausübung der ihm in diesem Absatz übertragenen Zuständigkeiten beschließt der Rat, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, in denen er einstimmig beschließt, mit qualifizierter Mehrheit. 2. Vorbehaltlich der Zuständigkeiten, welche die Kommission auf diesem Gebiet besitzt, werden die Abkommen vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission geschlossen. Der Rat beschließt einstimmig, wenn das Abkommen einen Bereich betrifft, in dem für die Annahme interner Vorschriften die Einstimmigkeit erforderlich ist, sowie im Fall der in Artikel 238 genannten Abkommen. 3. Mit Ausnahme der Abkommen im Sinne des Artikels 113 Absatz 3 schließt der Rat die Abkommen nach Anhörung des Europäischen Parlaments, und zwar auch in den Fällen, in denen das Abkommen einen Bereich betrifft, bei dem für die Annahme interner Vorschriften das Verfahren des Artikels 189 b oder des

142 Artikels 189 c anzuwenden ist. Das Europäische Parlament gibt seine Stellungnahme innerhalb einer Frist ab, die der Rat entsprechend der Dringlichkeit festlegen kann. Ergeht innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme, so kann der Rat einen Beschluß fassen. Abweichend von Unterabsatz 1 bedarf der Abschluß von Abkommen im Sinne des Artikels 238 sowie sonstiger Abkommen, die durch Einführung von Zusammenarbei tsverfahren einen besonderen institutionellen Rahmen schaffen, von Abkommen mit erheblichen finanziellen Folgen für die Gemeinschaft und von Abkommen, die eine Änderung eines nach dem Verfahren des Artikels 189 b angenommenen Rechtsakts bedingen, der Zustimmung des Europäischen Parlaments. Der Rat und das Europäische Parlament können in dringenden Fällen eine Frist für die Zustimmung vereinbaren. 4. Abweichend von Absatz 2 kann der Rat die Kommission bei Abschluß eines Abkommens ermächtigen, Änderungen, die nach jenem Abkommen im Weg eines vereinfachten Verfahrens oder durch ein durch das Abkommen geschaffenes Organ anzunehmen sind, im Namen der Gemeinschaft zu billigen; der Rat kann diese Ermächtigung gegebenenfalls mit besonderen Bedingungen verbinden. 5. Beabsichtigt der Rat, ein Abkommen zu schließen, das Änderungen dieses Vertrags bedingt, so sind diese Änderungen zvor nach dem Verfahren des Artikels N des Vertrags über die Europäische Union anzunehmen. 6. Der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat kann ein Gutachten des Gerichtshofe über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit diesem Vertrag einholen. Ist dieses Gutachten ablehnend, so k»nn das Abkommen nur nach Maßgabe des Artikels N des Vertrags Ober die Europäische Union in Kraft treten. 7. Die nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen sind für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich."

81. Folgender Artikel wird eingefügt: "Artikel 228 a Ist in gemeinsamen Standpunkten oder gemeinsamen Aktionen, die nach den Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik angenommen worden sind, ein Tätigwerden der Gemeinschaft vorgesehen, um die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen, so trifft der Rat die erforderlichen Sofortmaßnahmen; der Rat beschließt auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit."

82. Artikel 231 erhält folgende Fassung: "Artikel 231 Die Gemeinschaft führt ein enges Zusammenwirken mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung herbei; die Einzelheiten werden im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt."

83. Die Artikel 236 und 237 werden aufgehoben.

84. Artikel 238 erhält folgende Fassung:

143 "Artikel 238 Die Gemeinschaft kann mit einem oder mehreren Staaten oder einer oder mehreren internationalen Organisationen Abkommen schließen, die eine Assoziierung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, gemeinsamem Vorgehen und besonderen Verfahren herstellen."

F. In Anhang IQ gilt folgendes:

85. Die Überschrift erhält folgende Fassung: "Liste der unsichtbaren Transaktionen zu Artikel 73 h dieses Vertrags".

G. In dem Protokoll über die Satzung der Europäischen Investitionsbank gilt folgendes:

86. Die Bezugnahme auf die Artikel 129 und 130 wird durch die Bezugnahme auf die Artikel 198 d bzw. 198 e ersetzt.

TITEL V

BESTIMMUNGEN ÜBER DIE GEMEINSAME AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITIK

Artikel J Hiermit wird eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt, die durch die nachstehenden Bestimmungen geregelt wird.

Artikel J . l 1. Die Union und ihre Mitgliedstaaten erarbeiten und verwirklichen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nach Maßgabe dieses Titels, die sich auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt.

2. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat zum Ziel die Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen und der Unabhängigkeit der Union;

144 die Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten in allen ihren Formen; die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechend den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen sowie den Prinzipien der Schlußakte von Helsinki und den Zielen der Charta von Paris; die Förderung der internationalen Zusammenarbeit; die Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

3 . Die Union verfolgt diese Ziele gemäß Artikel J . 2 durch Einrichtung einer regelmäßigen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Führung ihrer Politik; gemäß Artikel J.3 durch stufenweise Durchführung gemeinsamer Aktionen in den Bereichen, in denen wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen. 4. Die Mitgliedstaaten unterstützen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltslos im Geist der Loyalität und gegenseitigen Solidarität. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte. Der Rat trägt für die Einhaltung dieser Grundsätze Sorge.

Artikel J . 2 1, Zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung findet im Rat eine gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten statt, damit gewährleistet ist, daß ihr vereinter Einfluß durch konvergierendes Handeln möglichst wirksam zum Tragen kommt.

2. In allen Fällen, in denen er dies als erforderlich erachtet, legt der Rat einen gemeinsamen Standpunkt fest. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß ihre einzelstaatliche Politik mit den gemeinsamen Standpunkten in Einklang steht.

3. Die Mitgliedstaaten koordinieren ihr Handeln in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen. Sie treten dort für die gemeinsamen Standpunkte ein. In den internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen, bei denen nicht alle Mitgliedstaaten vertreten sind, setzen sich diejenigen, die dort vertreten sind, für die gemeinsamen Standpunkte ein.

Artikel J . 3 Für die Annahme einer gemeinsamen Aktion in den Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik gilt folgendes Verfahren: 1. Der Rat beschließt auf der Grundlage allgemeiner Leitlinien des Europäischen Rates, daß eine Angelegenheit Gegenstand einer gemeinsamen Aktion wird.

145 Beschließt der Rat grundsätzlich eine gemeinsame Aktion, so legt er den genauen Umfang der Aktion, die allgemeinen und besonderen Ziele, welche die Union bei dieser Aktion verfolgt, sowie die Mittel, Verfahrej und Bedingungen sowie erforderlichenfalls den Zeitraum für ihre Durchführung fest. 2. Bei der Annahme einer gemeinsamen Aktion und in jedem Stadium ihres Verlaufs bestimmt der Rat die Fragen, über die mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden ist. Bei den Beschlossen des Rates, für die nach Unterabsatz 1 eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, werden die Stimmen der Mitglieder nach Artikel 148 Absatz 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewogen; Beschlüsse kommen mit einer Mindeststimmenzahl von vierundfünfzig Stimmen zustande, welche die Zustimmung von mindestens acht Mitgliedern umfassen. 3. Tritt eine Änderung der Umstände mit erheblichen Auswirkungen auf eine Angelegenheit ein, die Gegenstand einer gemeinsamen Aktion ist, so überprüft der Rat die Grundsätze und Ziele dieser Aktion und trifft die erforderlichen Entscheidungen. Solange der Rat keinen Beschluß gefaßt hat, bleibt die gemeinsame Aktion bestehen. 4. Die gemeinsamen Aktionen sind für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend. 5. Jede einzelstaatliche Stellungnahme oder Maßnahme, die im Rahmen einer gemeinsamen Aktion geplant ist, wird so rechtzeitig mitgeteilt, daß erforderlichenfalls eine vorherige Abstimmung im Rat stattfinden kann. Die Pflicht zur vorherigen Unterrichtung gilt nicht tür Maßnahmen, die eine bloße praktische Umsetzung der Entscheidungen des Rates auf einzelstaatlicher Ebene darstellen. 6. Bei zwingender Notwendigkeit aufgrund der Entwicklung der Lage und mangels einer Entscheidung des Rates können die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele der gemeinsamen Aktion die erforderlichen Sofortmaßnahmen ergreifen. Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet den Rat sofort über die von ihm getroffenen Maßnahmen. 7. Ein Mitgliedstaat befaßt den Rat, wenn sich bei der Durchfühiung einer gemeinsamen Aktion größere Schwierigkeiten ergeben; der Rat berät darüber und sucht nach angemessenen Lösungen. Diese dürfen nicht im Widerspruch zu den Zielen der gemeinsamen Aktion stehen oder ihrer Wirksamkeit schaden.

Artikel J.4 1. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfaßt sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte.

2. Die Union ersucht die Westeuropäische Union (WEU), die integraler Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union ist, die Entscheidungen und Aktionen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben, auszuarbeiten und durchzuführen. Der Rat trifft im Einvernehmen mit den Organen der WEU die erforderlichen praktischen Regelungen.

3. Die Fragen, die verteidigungspolitische Bezüge haben und die nach diesem Artikel behandelt werden, unterliegen nicht den Verfahren des Artikels J.3.

4. Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten aus dem Nordatlantikvertrag und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik.

146 5. Dieser Artikel steht der Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten auf zweiseitiger Ebene sowie im Rahmen der WEU und der Atlantischen Allianz nicht entgegen, soweit sie der nach diesem Titel vorgesehenen Zusammenarbeit nicht zuwiderläuft und diese nicht behindert.

6. Zur Förderung der Ziele dieses Vertrags und im Hinblick auf den Termin 1998 im Zusammenhang mit Artikel XII des Brüsseler Vertrags in seiner geänderten Fassung kann dieser Artikel nach Artikel N Absatz 2 auf der Grundlage eines dem Europäischen Rat 1996 vom Rat vorzulegenden Berichts, der eine Bewertung der bis dahin erzielten Fortschritte und gesammelten Erfahrungen enthalten wird, revidiert werden.

Artikel J.5 1. Der Vorsitz vertritt die Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

2. Der Vorsitz ist für die Durchführung der gemeinsamen Aktionen verantwortlich; daher wird in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen der Standpunkt der Union grundsätzlich vom Vorsitz dargelegt.

3. Bei den Aufgaben gemäß den Absätzen 1 und 2 wird der Vorsitz gegebenenfalls von dem Mitgliedstaat, der den vorhergehenden Vorsitz innehatte, und dem Mitgliedstaat, der den nachfolgenden Vorsitz wahrnimmt, unterstützt. Die Kommission wird an diesen Aufgaben in vollem Umfang beteiligt.

4. Unbeschadet des Artikels J.2 Absatz 3 und des Artikels J.3 Nummer 4 unterrichten die Mitgliedstaaten, die in internationalen Organisationen oder auf internationalen Konferenzen vertreten sind, die dort nicht vertretenen Mitgliedstaaten laufend über alle Fragen von gemeinsamem Interesse. Die Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sind, werden sich abstimmen und die übrigen Mitgliedstaaten in vollem Umfang unterrichten. Die Mitgliedstaaten, die ständige Mitglieder des Sicherheitsrats sind, werden sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unbeschadet ihrer Verantwortlichkeiten aufgrund der Charta der Vereinten Nationen für die Standpunkte und Interessen der Union einsetzen.

Artikel J.6 Die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und die Delegationen der Kommission in dritten Ländern und auf internationalen Konferenzen sowie ihre Vertretungen bei internationalen Organisationen stimmen sich ab, um die Einhaltung und Umsetzung der vom Rat festgelegten gemeinsamen Standpunkte und gemeinsamen Aktionen zu gewährleisten. Sie intensivieren ihre Zusammenarbeit durch Informationsaustausch, gemeinsame Bewertungen und Beteiligung an der Durchführung des Artikels 8 c des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

Artikel J.7 Der Vorsitz hört das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und achtet darauf, daß die Auffassungen

147 des Europäischen Parlaments gebührend berücksichtigt werden. Das Europäische Parlament wird vom Vorsitz und von der Kommission regelmäßig über die Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik der Union unterrichtet. Das Europäische Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat richten. Einmal jährlich führt es eine Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Artikel J.8 1. Der Europäische Rat bestimmt die Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik.

2. Der Rat trifft die für die Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erforderlichen Entscheidungen auf der Grundlage der vom Europäischen Rat festgelegten allgemeinen Leitlinien. Er trägt für ein einheitliches, kohärentes und wirksames Vorgehen der Union Sorge. Außer in Verfahrensfragen und außer im Fall des Artikels J.3 Nummer 2 beschließt der Rat einstimmig.

3. Jeder Mitgliedstaat oder die Kommission kann den Rat mit einer Frage der Gemeinsamen Außen- und Sichelheitspolitik befassen und ihm Vorschläge unterbreiten.

4. In den Fällen, in denen eine rasche Entscheidung notwendig ist, beruft der Vorsitz von sich aus oder auf Antrag der Kommission oder eines Mitgliedstaats innerhalb von achtundvierzig Stunden, bei absoluter Notwendigkeit in kürzerer Zeit, eine außerordentliche Tagung des Rates ein.

5. Unbeschadet des Artikels 151 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verfolgt ein Politisches Komitee, das sich aus den Politischen Direktoren zusammensetzt, die internationale Lage in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und trägt auf Ersuchen des Rates oder von sich aus durch an den Rat gerichtete Stellungnahmen zur Festlegung der Politiken bei. Ferner überwacht es die Durchführung vereinbarter Politiken; dies gilt unbeschadet der Zuständigkeiten des Vorsitzes und der Kommission.

Artikel J.9 Die Kommission wird in vollem Umfang an den Arbeiten im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligt.

Artikel J.10 Bei einer etwaigen Revision der sicherheitspolitischen Bestimmungen nach Artikel J.4 prüft die dafür einberufene Konferenz auch, ob weitere Änderungen der Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erforderlich sind.

Artikel J . l l 1. Die Artikel 137, 138, 139 bis 142, 146, 147, 150 bis 153, 157 bis 163 und 217 des Vertrags z r Gründung der Europäischen Gemeinschaft finden auf die Bestimmungen über die in diesem Titel genannten

148 Bereiche Anwendung.

2. Die Verwaltungsausgaben, die den Organen aus den Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entstehen, gehen zu Lasten des Haushalts der Europäischen Gemeinschaften. Der Rat kann ferner entweder einstimmig beschließen, daß die operativen Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung der genannten Bestimmungen zu Lasten des Haushalts der Europäischen Gemeinschaften gehen; in diesem Fall findet das im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgesehene Haushaltsverfahren Anwendung; oder feststellen, daß derartige Ausgaben, gegebenenfalls nach einem noch festzulegenden Schlüssel, zu Lasten der Mitgliedstaaten gehen.

TITEL VI

BESTIMMUNGEN ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT IN DEN BEREICHEN JUSTIZ UND INNERES

Artikel K Die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres wird durch die nachstehenden Bestimmungen geregelt.

Artikel K . 1 Zur Verwirklichung der Ziele der Union, insbesondere der Freizügigkeit, betrachten die Mitgliedstaaten unbeschadet der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft folgende Bereiche als Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse: 1.

die Asylpolitik;

2.

die Vorschriften für das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten durch Personen und die Ausübung der entsprechenden Kontrollen;

3.

die Einwanderungspolitik und die Politik gegenüber den Staatsangehörigen dritter Länder: a)

die Voraussetzungen für die Einreise und den Verkehr von Staatsangehörigen dritter Länder im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten;

b)

die Voraussetzungen für den Aufenthalt von Staatsangehörigen dritter Länder im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, einschließlich der Familienzusammenführung und des Zugangs zur Beschäftigung;

c)

die Bekämpfung der illegalen Einwanderung, des illegalen Aufenthalts und der illegalen Arbeit von Staatsangehörigen dritter Länder im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten;

149 4.

die Bekämpfung der Drogenabhängigkeit, soweit dieser Bereich nicht durch die Nummern 7, 8 und 9 erfaßt ist;

5.

die Bekämpfung von Betrügereien im internationalen Maßstab, soweit dieser Bereich nicht durch die Nummern 7, 8 und 9 erfaßt ist;

6.

die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen;

7.

die justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen;

8.

die Zusammenarbeit im Zollwesen;

9.

die polizeiliche Zusammenarbeit zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, des illegalen Drogenhandels und sonstiger schwerwiegender Formen der internationalen Kriminalität, erforderlichenfalls einschließlich bestimmter Aspekte der Zusammenarbeit im Zollwesen, in Verbindung mit dem Aufbau eines unionsweiten Systems zum Austausch von Informationen im Rahmen eines Europäischen Polizeiamts (Europol).

Artikel K . 2 1. Die in Artikel K. 1 genannten Angelegenheiten werden unter Beachtung der Europäischen Konvention vom 4 . November 19S0 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie unter Berücksichtigung des Schutzes, den die Mitgliedstaaten politisch Verfolgten gewähren, behandelt.

2 , Dieser Titel berührt nicht die Ausübung der den Mitgliedstaaten obliegenden Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.

Artikel K . 3 1. In den Bereichen des Artikels K. 1 unterrichten und konsultieren die Mitgliedstaaten einander im Rat, um ihr Vorgehen zu koordinieren. Sie begründen hierfür eine Zusammenarbeit zwischen ihren zuständigen Verwaltungsstellen.

2 . Der Rat kann in Bereichen des Artikels K. 1 Nummern 1 bis 6 auf Initiative eines Mitgliedstaats oder der Kommission; in Bereichen des Artikels K. 1 Nummern 7, 8 und 9 auf Initiative eines Mitgliedstaats a)

gemeinsame Standpunkte festlegen sowie in geeigneter Form und nach geeigneten Verfahren jede Art der Zusammenarbeit fördern, die den Zielen der Union dient;

b)

gemeinsame Maßnahmen annehmen, soweit sich die Ziele der Union aufgrund des Umfangs oder der Wirkungen der geplanten Maßnahme durch gemeinsames Vorgehen besser verwirklichen lassen als durch Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten; er kann beschließen, daß Maßnahmen zur Durchführung einer gemeinsamen Maßnahme mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden;

c)

unbeschadet des Artikels 220 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Ubereinkommen ausarbeiten, die er den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren

150 verfassungsrechtlichen Vorschriften empfiehlt. Sofern in den Übereinkommen nichts anderes bestimmt ist, werden etwaige Maßnahmen zur Durchführung der Übereinkommen im Rat mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der Hohen Vertragsparteien angenommen. In diesen Übereinkommen kann vorgesehen werden, daß der Gerichtshof für die Auslegung der darin enthaltenen Bestimmungen und für alle Streitigkeiten über ihre Anwendung zuständig ist; entsprechende Einzelheiten können in diesen Übereinkommen festgelegt werden.

Artikel K.4 1. Es wird ein aus hohen Beamten bestehender Koordinierungsausschuß eingesetzt. Zusätzlich zu seiner Koordinierungstätigkeit hat er die Aufgabe, auf Ersuchen des Rates oder von sich aus Stellungnahmen an den Rat zu richten; unbeschadet des Artikels 1S1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Vorbereitung der Arbeiten des Rates in den in Artikel K.l und - nach Maßgabe des Artikels 100 d des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - in Artikel 100 c jenes Vertrags genannten Bereichen beizutragen.

2. Die Kommission wird in vollem Umfang an den Arbeiten in den in diesem Titel genannten Bereichen beteiligt.

3. Außer in Verfahrensfragen und den Fällen, in denen Artikel K.3 ausdrücklich eine andere Abstimmungsregel vorsieht, beschließt der Rat einstimmig. Ist für einen Beschluß des Rates die qualifizierte Mehrheit erforderlich, so werden die Stimmen der Mitglieder nach Artikel 148 Absatz 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewogen; Beschlüsse kommen mit einer Mindeststimmenzahl von vierundfünfzig Stimmen zustande, welche die Zustimmung von mindestens acht Mitgliedern umfassen.

Artikel K.5 Die Mitgliedstaaten vertreten in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen, bei denen sie vertreten sind, die im Rahmen dieses Titels festgelegten gemeinsamen Standpunkte.

Artikel K.6 Der Vorsitz und die Kommission unterrichten das Europäische Parlament regelmäßig über die in den Bereichen dieses Titels durchgeführten Arbeiten. Der Vorsitz hört das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten der Tätigkeit in den in diesem Titel genannten Bereichen und achtet darauf, daß die Auffassungen des Europäischen Parlaments gebührend berücksichtigt werden. Das Europäische Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat richten. Einmal jährlich führt es eine Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung der Maßnahmen in den in diesem Titel genannten Bereichen.

151 Artikel K.7 Dieser Titel steht der Begründung oder der Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten nicht entgegen, soweit sie der nach diesem Titel vorgesehenen Zusammenarbeit nicht zuwiderläuft und diese nicht behindert.

Artikel K.8 1. Die Artikel 137, 138, 139 bis 142, 146, 147, 150 bis 153, 157 bis 163 und 217 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft finden auf die Bestimmungen über die in diesem Titel genannten Bereiche Anwendung.

2. Die Verwaltungsausgaben, die den Organen aus den Bestimmungen über die in diesem Titel genannten Bereiche entstehen, gehen zu Lasten des Haushalts der Europäischen Gemeinschaften. Der Rat kann femer entweder einstimmig beschließen, daß die operativen Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung der genannten Bestimmungen zu Lasten des Haushalts der Europäischen Gemeinschaften gehen; in diesem Fall findet das im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgesehene Haushaltsverfahren Anwendung; oder feststellen, daß derartige Ausgaben, gegebenenfalls nach einem noch festzulegenden Schlüssel, zu Lasten der Mitgliedstaaten gehen.

Artikel K.9 Der Rat kann auf Initiative der Kommission oder eines Mitgliedstaats einstimmig beschließen, daß Artikel 100 c des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf Maßnahmen in den in Artikel K. 1 Nummern 1 bis 6 genannten Bereichen anwendbar ist, und das entsprechende Abstimmungsverfahren festlegen. Er empfiehlt den Mitgliedstaaten, diesen Beschluß gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen.

TITEL VII

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel L Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft betreffend die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und die Ausübung dieser Zuständigkeit gelten nur für folgende Bestimmungen dieses Vertrags: a)

die Bestimmungen zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Hinblick auf die Gründung der Europäischen Gemeinschaft, des

152 Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschafi; b)

Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c Unterabsatz 3;

c)

die Artikel L bis S.

Artikel M Vorbehaltlich der Bestimmungen zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Hinblick auf die Gründung der Europäischen Gemeinschaft, des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft sowie dieser Schlußbestimmungen läßt der vorliegende Vertrag die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie die nachfolgenden Verträge und Akte zur Änderung oder Ergänzung der genannten Verträge unberührt.

Artikel N 1. Die Regierung jedes Mitgliedstaats oder die Kommission kann dem Rat Entwürfe zur Änderung der Verträge, auf denen die Union beruht, vorlegen. Gibt der Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments und gegebenenfalls der Kommission eine Stellungnahme zugunsten des Zusammentritts einer Konferenz von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten ab, so wird diese vom Präsidenten des Rates einberufen, um die an den genannten Verträgen vorzunehmenden Änderungen zu vereinbaren. Bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich wird auch die Europäische Zentralbank gehört. Die Änderungen treten in Kraft, nachdem sie von allen Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert worden sind.

2. Im Jahr 1996 wird eine Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten einberufen, um die Bestimmungen dieses Vertrags, für die eine Revision vorgesehen ist, in Übereinstimmung mit den Zielen der Artikel A und B zu prüfen.

Artikel O Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied der Union zu werden. Er richtet seinen Antrag an den Rat; dieser beschließt einstimmig nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, das mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder beschließt. Die Aufnahmebedingungen und die durch eine Aufnahme erforderlich werdenden Anpassungen der Verträge, auf denen die Union beruht, werden durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt. Das Abkommen bedarf der Ratifikation durch alle Vertragsstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.

Artikel P 1. Die Artikel 2 bis 7 und 10 bis 19 des am 8. April 1965 in Brüssel unterzeichneten Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften werden aufgehoben.

153 2. Artikel 2, Artikel 3 Absatz 2 und Titel III der am 17. Februar 1986 in Luxemburg und am 28. Februar 1986 in Den Haag unterzeichneten Einheitlichen Europäischen Akte werden aufgehoben. Artikel Q Dieser Vertrag gilt auf unbegrenzte Zeit.

Artikel R X. Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation durch die Hohen Vertragsparteien gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt.

2. Dieser Vertrag tritt am 1. Januar 1993 in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden hinterlegt worden sind, oder andernfalls am ersten Tag des auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde folgenden Monats.

Artikels Dieser Vertrag ist in einer Urschrift in dänischer, deutscher, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache abgefaßt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; er wird im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt; diese übermittelt der Regierung jedes anderen Unterzeichnerstaats eine beglaubigte Abschrift.

PROTOKOLL ÜBER DIE SATZUNG DES EUROPÄISCHEN SYSTEMS DER ZENTRALBANKEN UND DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN DEM WUNSCH, die in Artikel 4 a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgesehene Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank festzulegen SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigelügt sind:

KAPITEL I

ERRICHTUNG DES ESZB

Artikel 1

154 Das Europäische System der Zentralbanken 1.1. Das Europäische System der Zentralbanken ("ESZB") und die Europäische Zentralbank ("EZB") werden gemäß Artikel 4 a dieses Vertrags errichtet; sie nehmen ihre Aufgaben und ihre Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags und dieser Satzung wahr. 1.2. Das ESZB besteht nach Artikel 106 Absatz 1 dieses Vertrags aus der EZB und den Zentralbanken der Mitgliedstaaten ("nationale Zentralbanken"). Das Luxemburgische Währungsinstitut wird die Zentralbank Luxemburgs sein.

KAPITEL n

ZIELE UND AUFGABEN DES ESZB

Artikel 2 Ziele Nach Artikel 105 Absatz 1 dieses Vertrags ist es das vorrangige Ziel des ESZB, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 dieses Vertrags festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei an die in Artikel 3 a dieses Vertrags genannten Grundsätze.

Artikel 3 Aufgaben 3.1. Nach Artikel 105 Absatz 2 dieses Vertrags bestehen die grundlegenden Aufgaben des ESZB darin, die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen; Devisengeschäfte im Einklang mit Artikel 109 dieses Vertrags durchzuführen; die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten; das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. 3.2. Nach Artikel 105 Absatz 3 dieses Vertrags berührt Artikel 3.1 dritter Gedankenstrich nicht die Haltung und Verwaltung von Arbeitsguthaben in Fremdwährungen durch die Regierungen der Mitgliedstaaten. 3.3. Das ESZB trägt nach Artikel 105 Absatz 5 dieses Vertrags zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei.

Artikel 4 Beratende Funktionen

155 Nach Artikel 105 Absatz 4 dieses Vertrags a)

wird die EZB gehört zu allen Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft im Zuständigkeitsbereich der EZB; von den nationalen Behörden zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften im Zuständigkeitsbereich der EZB, und zwar innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 42 festlegt;

b)

kann die EZB gegenüber den zuständigen Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft und gegenüber den nationalen Behörden Stellungnahmen zu in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Fragen abgeben.

Artikel 5 Erhebung von statistischen Daten 5.1. Zur Wahrnehmung der Aufgaben des ESZB holt die EZB mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken die erforderlichen statistischen Daten entweder von den zuständigen nationalen Behörden oder unmittelbar von den Wirtschaftssubjekten ein. Zu diesem Zweck arbeitet sie mit den Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder dritter Länder sowie mit internationalen Organisationen zusammen. 5.2. Die in Artikel 5.1 bezeichneten Aufgaben werden soweit wie möglich von den nationalen Zentralbanken ausgeführt. 5.3. Soweit erforderlich fördert die EZB die Harmonisierung der Bestimmungen und Gepflogenheiten auf dem Gebiet der Erhebung, Zusammenstellung und Weitergabe von statistischen Daten in den in ihre Zuständigkeit fallenden Bereichen. 5.4. Der Kreis der berichtspflichtigen natürlichen und juristischen Personen, die Bestimmungen über die Vertraulichkeit sowie die geeigneten Vorkehrungen zu ihrer Durchsetzung werden vom Rat nach dem Verfahren des Artikels 42 festgelegt.

Artikel 6 Internationale Zusammenarbeit 6.1. Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, die die dem ESZB übertragenen Aufgaben betrifft, entscheidet die EZB, wie das ESZB vertreten wird. 6.2. Die EZB und, soweit diese zustimmt, die nationalen Zentralbanken sind befugt, sich an internationalen Währungseinrichtungen zu beteiligen. 6.3. Die Artikel 6.1 und 6.2 finden unbeschadet des Artikels 109 Absatz 4 dieses Vertrags Anwendung.

KAPITEL III

ORGANISATION DES ESZB

156 Artikel 7 Unabhängigkeit Nach Artikel 107 dieses Vertrags darf bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und diese Satzung übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten weder die EZB noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlußorgane der E Z B oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Artikel 8 Allgemeiner Grundsatz Das E S Z B wird von den Beschlußorganen der EZB geleitet.

Artikel 9 Die Europäische Zentralbank 9 . 1 . Die E Z B , die nach Artikel 106 Absatz 2 dieses Vertrags mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist, besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt ist; sie kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern sowie vor Gericht stehen. 9.2. Die EZB stellt sicher, da die dem ESZB nach Artikel 105 Absätze 2, 3 und 5 dieses Vertrags übertragenen Aufgaben entweder durch ihre eigene Tätigkeit nach Maßgabe dieser Satzung oder durch die nationalen Zentralbanken nach den Artikeln 12.1 und 14 erfüllt werden. 9 . 3 . Die Beschlußorgane der EZB sind nach Artikel 106 Absatz 3 dieses Vertrags der EZB-Rai und das Direktorium.

Artikel 10 Der E Z B - R a t 10.1. Nach Artikel 109 a Absatz 1 dieses Vertrags besteht der EZB-Rat aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. 10.2. Vorbehaltlich des Artikels 10.3 sind nur die persönlich anwesenden Mitglieder des EZB-Rates stimmberechtigt. Abweichend von dieser Bestimmung kann in der in Artikel 12.3 genannten Geschäftsordnung vorgesehen werden, daß Mitglieder des EZB-Rates im Wege einer Telekonferenz an der Abstimmung teilnehmen können. In der Geschäftsordnung wird femer vorgesehen, daß ein für längere Zeit an der Stimmabgabe verhindertes Mitglied einen Stellvertreter als Mitglied des EZB-Rates benennen kann. Vorbehaltlich der Artikel 10.3 und 11.3 hat jedes Mitglied des EZB-Rates eine Stimme. Soweit in dieser Satzung nichts anderes bestimmt ist, beschließt der EZB-Rat mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Der EZB-Rat ist beschlußfähig, wenn mindestens zwei Drittel seiner Mitglieder an der Abstimmung

157 teilnehmen. Ist der EZB-Rat nicht beschlußfähig, so kann der Präsident eine außerordentliche Sitzung einberufen, bei der für die Beschlußfähigkeit die Mindestteilnahmequote nicht erforderlich ist. 10.3. Für alle Beschlüsse im Rahmen der Artikel 28, 29, 30, 32, 33 und 51 werden die Stimmen im EZBRat nach den Anteilen der nationalen Zentralbanken am gezeichneten Kapital der EZB gewogen. Die Stimmen der Mitglieder des Direktoriums werden mit Null gewogen. Ein Beschluß, der die qualifizierte Mehrheit der Stimmen erfordert, gilt als angenommen, wenn die abgegebenen Ja-Stimmen mindestens zwei Drittel des gezeichneten Kapitals der EZB und mindestens die Hälfte der Anteilseigner vertreten. Bei Verhinderung eines Präsidenten einer nationalen Zentralbank kann dieser einen Stellvertreter zur Abgabe seiner gewogenen Stimme benennen. 10.4. Die Aussprachen in den Ratssitzungen sind vertraulich. Der EZB-Rat kann beschließen, das Ergebnis seiner Beratungen zu veröffentlichen. 10.5. Der EZB-Rat tritt mindestens zehnmal im Jahr zusammen.

Artikel 11 Das Direktorium 11.1. Nach Artikel 109 a Absatz 2 Buchstabe a dieses Vertrags besteht das Direktorium aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Die Mitglieder erfüllen ihre Pflichten hauptamtlich. Ein Mitglied darf weder entgeltlich noch unentgeltlich einer anderen Beschäftigung nachgehen, es sei denn, der EZB-Rat erteilt hierzu ausnahmsweise seine Zustimmung. 11.2. Nach Artikel 109 a Absatz 2 Buchstabe b dieses Vertrags werden der Präsident, der Vizepräsident und die weiteren Mitglieder des Direktoriums von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs auf Empfehlung des Rates, der hierzu das Europäische Parlament und den EZBRat anhört, aus dem Kreis der in Währungs- oder Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten einvemehmlich ausgewählt und ernannt. Ihre Amtszeit beträgt acht Jahre; Wiederemennung ist nicht zulässig. Nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten können Mitglieder des Direktoriums sein. 11.3. Die Beschäftigungsbedingungen für die Mitglieder des Direktoriums, insbesondere ihre Gehälter und Ruhegehälter sowie andere Leistungen der sozialen Sicherheit, sind Gegenstand von Verträgen mit der EZB und werden vom EZB-Rat auf Vorschlag eines Ausschusses festgelegt, der aus drei vom EZB-Rat und drei vom Rat ernannten Mitgliedern besteht. Die Mitglieder des Direktoriums haben in den in diesem Absatz bezeichneten Angelegenheiten kein Stimmrecht. 11.4. Ein Mitglied des Direktoriums, das die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat, kann auf Antrag des EZB-Rates oder des Direktoriums durch den Gerichtshof seines Amtes enthoben werden. 11.5. Jedes persönlich anwesende Mitglied des Direktoriums ist berechtigt, an Abstimmungen teilzunehmen, und hat zu diesem Zweck eine Stimme. Soweit nichts anderes bestimmt ist, beschließt das Direktorium mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Die Abstimmungsmodalitäten werden in der in Artikel 12.3 bezeichneten Geschäftsordnung geregelt. 11.6. Das Direktorium führt die laufenden Geschäfte der EZB.

158 11.7. Freiwerdende Sitze im Direktorium sind durch Ernennung eines neuen Mitglieds nach Artikel 11.2 zu besetzen.

Artikel 12 Aufgaben der Beschlußorgane 12.1. Der EZB-Rat erläßt die Leitlinien und Entscheidungen, die notwendig sind, um die Erfüllung der dem E S Z B nach diesem Vertrag und dieser Satzung übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. Der EZB-Rat legt die Geldpolitik der Gemeinschaft fest, gegebenenfalls einschließlich von Entscheidungen in bezug auf geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Zentralbankgeld im ESZB, und erläßt die für ihre Ausführung notwendigen Leitlinien. Das Direktorium führt die Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rates aus. Es erteilt hierzu den nationalen Zentralbanken die erforderlichen Weisungen. Ferner können dem Direktorium durch Beschluß des EZB-Rates bestimmte Befugnisse übertragen werden. Unbeschadet dieses Artikels nimmt die EZB die nationalen Zentralbanken zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint. 12.2. Die Vorbereitung der Sitzungen des EZB-Rates obliegt dem Direktorium. 12.3. Der EZB-Rat beschließt eine Geschäftsordnung, die die interne Organisation der EZB und ihrer Beschlußorgane regelt. 12.4. Der EZB-Rat nimmt die in Artikel 4 genannten beratenden Funktionen wahr. 12.5. Der EZB-Rat trifft die Entscheidungen nach Artikel 6.

Artikel 13 Der Präsident 13.1. Den Vorsitz im EZB-Rat und im Direktorium der EZB führt der Präsident oder, bei seiner Veihinderung, der Vizepräsident. 13.2. Unbeschadet des Artikels 39 vertritt der Präsident oder eine von ihm benannte Person die E Z B nach außen.

Artikel 14 Nationale Zentralbanken 14.1. Nach Artikel 108 dieses Vertrags stellt jeder Mitgliedstaat sicher, daß spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des E S Z B seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank mit diesem Vertrag und dieser Satzung im Einklang stehen. 14.2. In den Satzungen der nationalen Zentralbanken ist insbesondere vorzusehen, daß die Amtszeit des Präsidenten der jeweiligen nationalen Zentralbank mindestens fünf Jahre beträgt. Der Präsident einer nationalen Zentralbank kann aus seinem Amt nur entlassen werden, wenn er die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen.

159 hat. Gegen eine entsprechende Entscheidung kann der betreffende Präsident einer nationalen Zentralbank oder der EZB-Rat wegen Verletzung dieses Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm den Gerichtshof anrufen. Solche Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft j e nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Entscheidung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt hat. 14.3. Die nationalen Zentralbanken sind integraler Bestandteil des ESZB und handeln gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB. Der EZB-Rat trifft die notwendigen Maßnahmen, um die Einhaltung der Leitlinien und Weisungen der EZB sicherzustellen, und kann verlangen, daß ihm hierzu alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden. 14.4. Die nationalen Zentralbanken können andere als die in dieser Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, es sei denn, der EZB-Rat stellt mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen fest, daß diese Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des ESZB vereinbar sind. Derartige Aufgaben werden von den nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrgenommen und gelten nicht als Aufgaben des ESZB.

Artikel 15 Berichtspflichten 15.1. Die EZB erstellt und veröffentlicht mindestens vierteljährlich Berichte über die Tätigkeit des ESZB. 15.2. Ein konsolidierter Ausweis des ESZB wird wöchentlich veröffentlicht. 15.3. Nach Artikel 109 b Absatz 3 dieses Vertrags unterbreitet die EZB dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission sowie auch dem Europäischen Rat einen Jahresbericht über die Tätigkeit des ESZB und die Geld- und Währungspolitik im vergangenen und im laufenden Jahr. 15.4. Die in diesem Artikel bezeichneten Berichte und Ausweise werden Interessenten kostenlos zur Verfügung gestellt.

Artikel 16 Banknoten Nach Artikel 105 a Absatz 1 dieses Vertrags hat der EZB-Rat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Die von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Noten, die in der Gemeinschaft als gesetzliches Zahlungsmittel gelten. Die EZB berücksichtigt soweit wie möglich die Gepflogenheiten bei der Ausgabe und der Gestaltung von Banknoten.

KAPITEL IV

WÄHRUNGSPOLITISCHE AUFGABEN UND OPERATIONEN DES ESZB

Artikel 17

160 Konten bei der E Z B und den nationalen Zentralbanken Zur Durchführung ihrer Geschäfte können die EZB und die nationalen Zentralbanken für Kreditinstitute, öffentliche Stellen und andere Marktteilnehmer Konten eröffnen und Vermögenswerte, einschließlich Schuldbuchforderungen, als Sicherheit hereinnehmen. Artikel 18 Offenmarkt- und Kreditgeschäfte 18.1. Zur Erreichung der Ziele des ESZB und zur Erfüllung seiner Aufgaben können die EZB und die nationalen Zentralbanken auf den Finanzmärkten tätig werden, indem sie auf Gemeinschafts- oder Drittlandswährungen lautende Forderungen und börsengängige Wertpapiere sowie Edelmetalle endgültig (per Kasse oder Termin) oder im Rahmen von Rückkaufsvereinbaningen kaufen und verkaufen oder entsprechende Darlehensgeschäfte tätigen; Kreditgeschäfte mit Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern abschließen, wobei für die Darlehen ausreichende Sicherheiten zu stellen sind. 18.2. Die EZB stellt allgemeine Grundsätze für ihre eigenen Offenmarkt- und Kreditgeschäfte und die der nationalen Zentralbanken auf; hierzu gehören auch die Grundsätze für die Bekanntmachung der Bedingungen, zu denen sie bereit sind, derartige Geschäfte abzuschließen.

Artikel 19 Mindestreserven 19.1. Vorbehaltlich des Artikels 2 kann die EZB zur Verwirklichung der geldpolitischen Ziele verlangen, daß die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute Mindestreserven auf Konten bei der EZB und den nationalen Zentralbanken unterhalten. Verordnungen über die Berechnung und Bestimmung des Mmdestreservesolls können vom EZB-Rat erlassen werden. Bei Nichteinhaltung kann die EZB Strafzinsen erheben und sonstige Sanktionen mit vergleichbarer Wirkung verhängen. 19.2. Zum Zwecke der Anwendung dieses Artikels legt der Rat nach dem Verfahren des Artikels 42 die Basis für die Mindestreserven und die höchstzulässigen Relationen zwischen diesen Mindestreserven und ihrer Basis sowie die angemessenen Sanktionen fest, die bei Nichteinhaltung anzuwenden sind.

Artikel 20 Sonstige geldpolitische Instrumente Der EZB-Rat kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen über die Anwendung anderer Instrumente der Geldpolitik entscheiden, die er bei Beachtung des Artikels 2 für zweckmäßig hält. Der Rat legt nach dem Verfahren des Artikels 42 den Anwendungsbereich solcher Instrumente fest, wenn sie Verpflichtungen für Dritte mit sich bringen.

Artikel 21

161 Geschäfte mit öffentlichen Stellen 21.1. Nach Artikel 104 dieses Vertrags sind Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den nationalen Zentralbanken für Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken. 21.2. Die EZB und die nationalen Zentralbanken können als Fiskalagent für die in Artikel 21.1 bezeichneten Stellen tätig werden. 21.3. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum; diese werden von der jeweiligen nationalen Zentralbank und der EZB, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt.

Artikel 22 Verrechnungs- und Zahlungssysteme Die EZB und die nationalen Zentralbanken können Einrichtungen zur Verfügung stellen und die EZB kann Verordnungen erlassen, um effiziente und zuverlässige Verrechnungs- und Zahlungssysteme innerhalb der Gemeinschaft und im Verkehr mit dritten Ländern zu gewährleisten.

Artikel 23 Geschäfte mit dritten Ländern und internationalen Organisationen Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind befugt, mit Zentralbanken und Finanzinstituten in dritten Ländern und, soweit zweckdienlich, mit internationalen Organisationen Beziehungen aufzunehmen; alle Arten von Devisen und Edelmetalle per Kasse und per Termin zu kaufen und zu verkauten; der Begriff "Devisen" schließt Wertpapiere und alle sonstigen Vermögenswerte, die auf beliebige Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, unabhängig von deren Ausgestaltung ein; die in diesem Artikel bezeichneten Vermögenswerte zu halten und zu verwalten; alle Arten von Bankgeschäften, einschließlich der Aufnahme und Gewährung von Krediten, im Verkehr mit dritten Ländern sowie internationalen Organisationen zu tätigen.

Artikel 24 Sonstige Geschäfte Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind befugt, außer den mit ihren Aufgaben verbundenen Geschäften auch Geschäfte für ihren eigenen Betrieb und für ihre Bediensteten zu tätigen.

KAPITEL V

162 AUFSICHT

Artikel 25 Aufsicht 25.1. Die EZB kann den Rat, die Kommission und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in Fragen des Geltungsbereichs und der Anwendung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft hinsichtlich der Aufsicht über die Kreditinstitute sowie die Stabilität des Finanzsystems beraten und von diesen konsultiert werden. 25.2. Aufgrand von Beschlüssen des Rates nach Artikel 105 Absatz 6 dieses Vertrags kann die EZB besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsuntemehmen wahrnehmen.

KAPITEL VI

FINANZVORSCHRIFTEN DES ESZB

Artikel 26 Jahresabschlüsse 26.1. Das Geschäftsjahr der EZB und der nationalen Zentralbanken beginnt am 1. Januar und endet am 31. Dezember. 26.2. Der Jahresabschluß der EZB wird vom Direktorium nach den vom EZB-Rat aufgestellten Grundsätzen erstellt. Der Jahresabschluß wird vom EZB-Rat festgestellt und sodann veröffentlicht. 26.3. Für Analyse- und Geschäftsführungszwecke erstellt das Direktorium eine konsolidierte Bilanz des ESZB, in der die zum ESZB gehörenden Aktiva und Passiva der nationalen Zentralbanken ausgewiesen werden. 26.4. Zur Anwendung dieses Artikels erläßt der EZB-Rat die notwendigen Vorschriften für die Standardisierung der buchmäßigen Erfassung und der Meldung der Geschäfte der nationalen Zentralbanken.

Artikel 27 Rechnungsprüfung 27.1. Die Jahresabschlüsse der EZB und der nationalen Zentralbanken werden von unabhängigen externen Rechnungsprüfern, die vom EZB-Rat empfohlen und vom Rat anerkannt wurden, geprüft. Die Rechnungsprüfer sind befugt, alle Bücher und Konten der EZB und der nationalen Zentralbanken zu prüfen und alle Auskünfte über deren Geschäfte zu verlangen. 27.2. Artikel 188 c dieses Vertrags ist nur auf eine Prüfung der Effizienz der Verwaltung der EZB anwendbar.

Artikel 28

163 Kapital der EZB 28.1. Das Kapital der EZB bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit beträgt 5 Milliarden ECU. Das Kapital kam. durch einen Beschluß des EZB-Rates mit der in Artikel 103 vorgesehenen qualifizierten Mehrheit innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 42 festlegt, erhöht werden. 28.2. Die nationalen Zentralbanken sind alleinige Zeichner und Inhaber des Kapitals der EZB. Die Zeichnung des Kapitals erfolgt nach dem gemäß Artikel 29 festgelegten Schlüssel. 28.3. Der EZB-Rat bestimmt mit der in Artikel 10.3 vorgesehenen qualifizierten Mehrheit, in welcher Höhe und welcher Form das Kapital einzuzahlen ist. 28.4. Vorbehaltlich des Artikels 28.5 können die Anteile der nationalen Zentralbanken am gezeichneter. Kapital der EZB nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. 28.5. Im Falle einer Anpassung des in Artikel 29 bezeichneten Schlüssels sorgen die nationalen Zentralbanken durch Übertragungen von Kapitalanteilen untereinander dafür, daß die Verteilung der Kapitalanteile dem angepaßten Schlüssel entspricht. Die Bedingungen für derartige Übertragungen werden vom EZB-Rat festgelegt.

Artikel 29 Schlüssel für die Kapitalzeichnung 29.1. Nach Errichtung des ESZB und der EZB gemäß dem Verfahren des Artikels 109 I Absatz 1 dieses Vertrags wird der Schlüssel für die Zeichnung des Kapitals der EZB festgelegt. In diesem Schlüssel erhält jede nationale Zentralbank einen Gewichtsanteil, der der Summe folgender Prozentsätze entspricht: SO % des Anteils des jeweiligen Mitgliedstaats an der Bevölkerung der Gemeinschaft im vorletzten Jahr vor der Errichtung des ESZB; SO % des Anteils des jeweiligen Mitgliedstaats am Bruttoinlandsprodukt der Gemeinschaft zu Marktpreisen in den fünf Jahren vor dem vorletzten Jahr vor der Errichtung des ESZB. Die Prozentsätze werden zum nächsten Vielfachen von 0,05 Prozentpunkten aufgerundet. 29.2. Die zur Anwendung dieses Artikels zu verwendenden statistischen Daten werden von der Kommission nach den Regeln bereitgestellt, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 42 festlegt. 29.3. Die den nationalen Zentralbanken zugeteilten Gewichtsanteile werden nach Errichtung des ESZB alle fünf Jahre unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Artikels 29.1 angepaßt. Der neue Schlüssel gilt jeweils vom ersten Tag des folgenden Jahres an. 29.4. Der EZB-Rat trifft alle weiteren Maßnahmen, die zur Anwendung dieses Artikels erforderlich sind.

Artikel 30 Übertragung von Währungsreserven auf die EZB 30.1. Unbeschadet des Artikels 28 wird die EZB von den nationalen Zentralbanken mit Währungsreserven, die jedoch nicht aus Währungen der Mitgliedstaaten, ECU, IWF-Reservepositionen und SZR gebildet werden dürfen, bis zu einem Gegenwert von 50 Milliarden ECU ausgestattet. Der EZB-Rat entscheidet über den von der EZB nach ihrer Errichtung einzufordernden Teil sowie die zu späteren Zeitpunkten

164 einzufordernden Beträge. Die EZB hat das uneingeschränkte Recht, die ihr übertragenen Währungsreserven zu halten und zu verwalten sowie für die in dieser Satzung genannten Zwecke zu verwenden. 30.2. Die Beiträge der einzelnen nationalen Zentralbanken werden entsprechend ihrem jeweiligen Anteil am gezeichneten Kapital der EZB bestimmt. 30.3. Die EZB schreibt jeder nationalen Zentralbank eine ihrem Beitrag entsprechende Forderung gut. Der EZB-Rat entscheidet über die Denominierung und Verzinsung dieser Forderungen. 30.4. Die EZB kann nach Artikel 30.2 über den in Artikel 30.1 festgelegten Betrag hinaus innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 42 festlegt, die Einzahlung weiterer Währungsreserven fordern. 30.5. Die EZB kann IWF-Reservepositionen und SZR halten und verwalten sowie die Zusammenlegung solcher Aktiva vorsehen. 30.6. Der EZB-Rat trifft alle weiteren Maßnahmen, die zur Anwendung dieses Artikels erforderlich sind.

Artikel 31 Währungsreserven der nationalen Zentralbanken 31.1. Die nationalen Zentralbanken sind befugt, zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber internationalen Organisationen nach Artikel 23 Geschäfte abzuschließen. 31.2. Alle sonstigen Geschäfte mit den Währungsreserven, die den nationalen Zentralbanken nach den in Artikel 30 genannten Übertragungen verbleiben, sowie von Mitgliedstaaten ausgeführte Transaktionen mit ihren Arbeitsguthaben in Fremdwährungen bedürfen oberhalb eines bestimmten im Rahmen des Artikels 31.3 festzulegenden Betrags zur Zustimmung der EZB, damit Ubereinstimmung mit der Wechselkurs- und der Währungspolitik der Gemeinschaft gewährleistet ist. 31.3. Der EZB-Rat erläßt Richtlinien mit dem Ziel, derartige Geschäfte zu erleichtern.

Artikel 32 Verteilung der monetären Einkünfte der nationalen Zentralbanken 32.1. Die Einkünfte, die den nationalen Zentralbanken aus der Erfüllung der währungspolitischen Autgaben des ESZB zufließen (im folgenden als "monetäre Einkünfte" bezeichnet), werden am Ende eines jeden Geschäftsjahrs nach diesem Artikel verteilt. 32.2. Vorbehaltlich des Artikels 32.3 entspricht der Betrag der monetären Einkünfte einer jeden nationalen Zentralbank ihren jährlichen Einkünften aus Vermögenswerten, die sie als Gegenposten zum Bargeldumlauf und zu ihren Verbindlichkeiten aus Einlagen der Kreditinstitute hält. Diese Vermögenswerte werden von den nationalen Zentralbanken gemäß den vom EZB-Rat zu erlassenden Richtlinien gesondert erfaßt. 32.3. Wenn nach dem Übergang zur dritten Stufe die Bilanzstrukturen der nationalen Zentralbanken nach Auffassung des EZB-Rates die Anwendung des Artikels 32.2 nicht gestatten, kann der EZB-Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, daß die monetären Einkünfte für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren abweichend von Artikel 32.2 nach einem anderen Verfahren bemessen werden. 32.4. Der Betrag der monetären Einkünfte einer jeden nationalen Zentralbank vermindert sich um den Betrag etwaiger Zinsen, die von dieser Zentralbank auf ihre Verbindlichkeiten aus Einlagen der Kreditinstitute nach Artikel 19 gezahlt werden.

165 Der EZB-Rat kann beschließen, daß die nationalen Zentralbanken für Kosten in Verbindung mit der Ausgabe von Banknoten oder unter außergewöhnlichen Umständen für spezifische Verluste aus für das ESZB unternommenen währungspolitischen Operationen entschädigt werden. Die Entschädigung erfolgt in einer Form, die der EZB-Rat für angemessen hält; diese Beträge können mit den monetären Einkünften der nationalen Zentralbanken verrechnet werden. 32.5. Die Summe der monetären Einkünfte der nationalen Zentralbanken wird vorbehaltlich etwaiger Beschlüsse des EZB-Rates nach Artikel 33.2 unter den nationalen Zentralbanken entsprechend ihren eingezahlten Anteilen am Kapital der EZB verteilt. 32.6. Die Verrechnung und den Ausgleich der Salden aus der Verteilung der monetären Einkünfte nimmt die EZB gemäß den Richtlinien des EZB-Rates vor. 32.7. Der EZB-Rat trifft alle weiteren Maßnahmen, die zur Anwendung dieses Artikels erforderlich sind.

Artikel 33 Verteilung der Nettogewinne und Verluste der EZB 33.1. Der Nettogewinn der EZB wird in der folgenden Reihenfolge verteilt: a)

Ein vom EZB-Rat zu bestimmender Betrag, der 20 % des Nettogewinns nicht übersteigen darf, wird dem allgemeinen Reservefonds bis zu einer Obergrenze von 100 % des Kapitals zu geführt;

b)

der verbleibende Nettogewinn wird an die Anteilseigner der EZB entsprechend ihren eingezahlten Anteilen ausgeschüttet.

33.2. Falls die EZB einen Verlust erwirtschaftet, kann der Fehlbetrag aus dem allgemeinen Reservefonds der EZB und erforderlichenfalls nach einem entsprechenden Beschluß des EZB-Rates aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahrs im Verhältnis und bis in Höhe der Beträge gezahlt werden, die nach Artikel 32.S an die nationalen Zentralbanken verteilt werden.

KAPITEL VII

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 34 Rechtsakte 34.1. Nach Artikel 108 a dieses Vertrags werden von der EZB Verordnungen erlassen, insoweit dies für die Erfüllung der in Artikel 3.1 erster Gedankenstrich, Artikel 19, 1, Artikel 22 oder Artikel 25.2 festgelegten Aufgaben erforderlich ist; sie erläßt Verordnungen ferner in den Fällen, die in den Rechtsakten des Rates nach Artikel 42 vorgesehen werden; die Entscheidungen erlassen, die zur Erfüllung der dem ESZB nach diesem Vertrag und Jieser Satzung übertragenen Aufgaben erforderlich sind;

166 Empfehlungen und Stellungnahmen abgegeben. 3 4 . 2 . Eine Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. Eine Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, an die sie gerichtet ist. Die Artikel 190, 191 und 192 dieses Vertrags gelten für die Verordnungen und Entscheidungen der EZB. Die E Z B kann die Veröffentlichung ihrer Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen beschließen. 34.3. Innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat nach dem Verfahren des Artikels 4 2 festlegt, ist die EZB befugt, Unternehmen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen, die sich aus ihren Verordnungen und Entscheidungen ergeben, mit Geldbußen oder in regelmäßigen Abständen zu zahlenden Strafgeldern zu belegen.

Artikel 35 Gerichtliche Kontrolle und damit verbundene Angelegenheiten 35.1. Die Handlungen und Unterlassungen der EZB unterliegen in den Fällen und unter den Bedingungen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind, der Überprüfung und Auslegung durch den Gerichtshof. Die EZB ist in den Fällen und unter den Bedingungen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind, klageberechtigt. 35.2. Uber Rechtsstreitigkeiten zwischen der EZB einerseits und ihren Gläubigern, Schuldnern oder dritten Personen andererseits entscheiden die zuständigen Gerichte der einzelnen Staaten vorbehaltlich der Zuständigkeiten, die dem Gerichtshof zuerkannt sind. 3 5 . 3 . Die EZB unterliegt der Haftungsregelung des Artikels 215 dieses Vertrags. Die Haftung der nationalen Zentralbanken richtet sich nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht. 3 5 . 4 . Der Gerichtshof ist für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem von der E Z B oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag enthalten ist. 35.5. Für einen Beschluß der EZB, den Gerichtshof anzurufen, ist der EZB-Rat zuständig. 35.6. Der Gerichtshof ist für Streitsachen zuständig, die die Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Satzung durch eine nationale Zentralbank betreffen. Ist die EZB der Auffassung, daß eine nationale Zentralbank einer Verpflichtung aus dieser Satzung nicht nachgekommen ist, so legt sie in der betreffenden Sache eine mit Gründen versehene Stellungnahme vor, nachdem sie der nationalen Zentralbank Gelegenheit zur Vorlage von Bemerkungen gegeben hat. Entspricht die nationale Zentralbank nicht innerhalb der von der E Z B gesetzten Frist deren Stellungnahme, so kann die EZB den Gerichtshof anrufen.

Artikel 36 Personal 36.1. Der EZB-Rat legt auf Vorschlag des Direktoriums die Beschäftigungsbedingungen für das Personal der E Z B fest. 36.2. Der Gerichtshof ist für alle Streitsachen zwischen der EZB und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen zuständig, die sich aus den Beschäftigungsbedingungen ei geben.

167 Artikel 37 Sitz Vor Ende 1992 beschließen die Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs im gegenseitigen Einvernehmen über den Sitz der EZB.

Artikel 38 Geheimhaltung 38.1. Die Mitglieder der Leitungsgremien und des Personals der EZB und der nationalen Zentralbanken dürfen auch nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses keine der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Informationen weitergeben. 38.2. Auf Personen mit Zugang zu Daten, die unter Gemeinschaftsvorschriften fallen, die eine Verpflichtung zur Geheimhaltung vorsehen, finden diese Gemeinschaftsvorschriften Anwendung.

Artikel 39 Unterschriftsberechtigte Die EZB wird Dritten gegenüber durch den Präsidenten oder zwei Direktoriumsmitglieder oder durch die Unterschriften zweier vom Präsidenten zur Zeichnung im Namen der EZB gehörig ermächtigter Bediensteter der EZB rechtswirksam verpflichtet.

Artikel 40 Vorrechte und Befreiungen Die EZB genießt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften im Anhang zum Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

KAPITEL VIII

ÄNDERUNG DER SATZUNG UND ERGÄNZENDE RECHTSVORSCHRIFTEN

Artikel 41 Vereinfachtes Änderungsverfahren 41.1. Nach Artikel 106 Absatz 5 dieses Vertrags kann der Rat die Artikel 5.1, 5.2, 5.3, 17, 18, 19.1, 22, 23, 24, 26, 32.2, 32.3, 32.4, 32.6, 33.1 a und 36 dieser Satzung entweder mit qualifizierter Mehrheit auf Empfehlung der EZB nach Anhörung der Kommission oder einstimmig auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung der EZB ändern. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist dabei jeweils erforderlich.

168 41.2. Eine Empfehlung der EZB nach diesem Artikel erfordert einen einstimmigen Beschluß des EZB-Rates.

Artikel 42 Ergänzende Rechtsvorschriften Nach Artikel 106 Absatz 6 dieses Vertrags erläßt der Rat unmittelbar nach dem Beschluß über den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe mit qualifizierter Mehrheit entweder auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der EZB oder auf Empfehlung der EZB nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission die in den Artikeln 4, 5.4, 19.2, 20, 28.1, 29.2, 30.4 und 34.3 dieser Satzung genannten Bestimmungen.

KAPITEL IX

ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN UND SONSTIGE BESTIMMUNGEN FÜR DAS ESZB

Artikel 43 Allgemeine Bestimmungen 43.1. Eine Ausnahmeregelung nach Artikel 109 k Absatz 1 dieses Vertrags bewirkt, daß folgende Artikel dieser Satzung für den betreffenden Mitgliedstaat keinerlei Rechte oder Verpflichtungen entstehen lassen: Artikel 3, 6, 9.2, 12.1, 14.3, 16, 18, 19, 20, 22, 23, 26.2, 27, 30, 31, 32, 33, 34, 50 und 52. 43.2. Die Zentralbanken der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung nach Artikel 109 k Absatz 1 dieses Vertrags gilt, behalten ihre währungspolitischen Befugnisse nach innerstaatlichem Recht. 43.3. In den Artikeln 3, 11.2, 19, 34.2 und 50 bezeichnet der Ausdruck 'Mitgliedstaaten* gemäß Artikel 109 k Absatz 4 dieses Vertrags die "Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt". 43.4. In den Artikeln 9.2, 10.1, 10.3, 12.1, 16, 17, 18, 22, 23, 27, 30, 31, 32, 33.2 und 52 dieser Satzung ist der Ausdruck "nationale Zentralbanken" im Sinne von "Zentralbanken der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt" zu verstehen. 43.5. In den Artikeln 10.3 und 33.1 bezeichnet der Ausdruck "Anteilseigner" die "Zentralbanken der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt". 43.6. In den Artikeln 10.3 und 30.2 ist der Ausdruck "gezeichnetes Kapital der EZB" im Sinne von "Kapital der EZB, das von den Zentralbanken der Mitgliedstaaten gezeichnet wurde, für die keine Ausnahmeregelung gilt" zu verstehen.

Artikel 44 Vorübergehende Aufgaben der EZB Die EZB übernimmt diejenigen Aufgaben des EWI, die infolge der tür einen oder mehrere Mitgliedslaaten geltenden Ausnahmeregelungen in der dritten Stufe noch erfüllt werden müssen.

169 Bei der Vorbereitung der Aufhebung der Ausnahmeregelungen nach Artikel 109 k dieses Vertrags nimmt die EZB eine beratende Funktion wahr.

Artikel 45 Der Erweiterte Rat der EZB 45.1. Unbeschadet des Artikels 106 Absatz 3 dieses Vertrags wird der Erweiterte Rat als drittes Beschluöorgan der EZB eingesetzt. 45.2. Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der E Z B sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Die weiteren Mitglieder des Direktoriums können an den Sitzungen des Erweiterten Rates teilnehmen, besitzen aber kein Stimmrecht. 45.3. Die Verantwortlichkeiten des Erweiterten Rates sind in Artikel 47 dieser Satzung vollständig aufgeführt.

Artikel 46 Geschäftsordnung des Erweiterten Rates 46.1. Der Präsident oder bei seiner Verhinderung der Vizepräsident der EZB führt den Vorsitz im Erweiterten Rat der EZB. 46.2. Der Präsident des Rates und ein Mitglied der Kommission können an den Sitzungen des Erweiterten Rates teilnehmen, besitzen aber kein Stimmrecht. 46.3. Der Präsident bereitet die Sitzungen des Erweiterten Rates vor. 46.4. Abweichend von Artikel 12.3 gibt sich der Erweiterte Rat eine Geschäftsordnung. 46.5. Das Sekretariat des Erweiterten Rates wird von der E Z B gestellt.

Artikel 47 Verantwortlichkeiten des Erweiterten Rates 47.1. Der Erweiterte Rat nimmt die in Artikel 44 aufgeführten Aufgaben wahr; wirkt bei der Erfüllung der Beratungsfunktionen nach den Artikeln 4 und 25.1 mit. 47.2. Der Erweiterte Rat wirkt auch mit bei der Erhebung der statistischen Daten im Sinne von Artikel 5; den Berichtstätigkeiten der EZB im Sinne von Artikel 15; der Festlegung der erforderlichen Regeln für die Anwendung von Artikel 26 gemäß Artikel 2 6 . 4 ; allen sonstigen erforderlichen Maßnahmen zur Anwendung von Artikel 29 gemäß Artikel 2 9 . 4 ;

170 der Festlegung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB gemäß Artikel 36. 47.3. Der Erweiterte Rat trägt zu den Vorarbeiten bei, die erforderlich sind, um für die Währungen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, die Wechselkurse gegenüber den Währungen oder der einheitlichen Währung der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt, gemäß Artikel 109 1 Absatz 5 dieses Vertrags unwiderruflich festzulegen. 47.4. Der Erweiterte Rat wird vom Präsidenten der EZB Ober die Beschlüsse des EZB-Rates unterrichtet.

Artikel 48 Obergangsbestimmungen für das Kapital der EZB Nach Artikel 29.1 wird jeder nationalen Zentralbank ein Gewichtsanteil in dem Schlüssel für die Zeichnung des Kapitals der EZB zugeteilt. Abweichend von Artikel 28.3 zahlen Zentralbanken von Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, das von ihnen gezeichnete Kapital nicht ein, es sei denn, daß der Erweiterte Rat mit der Mehrheit von mindestens zwei Dritteln des gezeichneten Kapitals der EZB und zumindest der Hälfte der Anteilseigner beschließt, daß als Beitrag zu den Betriebskosten der EZB ein Mindesprozentsatz eingezahlt werden muß.

Artikel 49 Zurückgestellte Einzahlung von Kapital, Reserven und Rückstellungen der EZB 49.1. Die Zentralbank eines Mitgliedstaats, dessen Ausnahmeregelung aufgehoben wurde, zahlt den von ihr gezeichneten Anteil am Kapital der EZB im selben Verhältnis wie die Zentralbanken von anderen Mitgliedstaaten ein, für die keine Ausnahmeregelung gilt, und überträgt der EZB Währungsreserven gemäß Artikel 30.1. Die Höhe der Übertragungen bestimmt sich durch Multiplikation des in Ecu zum jeweiligen Wechselkurs ausgedrückten Wertes der Währungsreserven, die der EZB schon gemäß Artikel 30.1 übertragen wurden, mit dem Faktor, der das Verhältnis zwischen der Anzahl der von der betreffenden nationalen Zentralbank gezeichneten Anteile und der Anzahl der von den anderen nationalen Zentralbanken bereits eingezahlten Anteile ausdrückt. 49.2. Zusätzlich zu der Einzahlung nach Artikel 49.1 leistet die betreffende Zentralbank einen Beitrag zu den Reserven der EZB und zu den diesen Reserven gleichwertigen Rückstellungen sowie zu dem Betrag, der gemäß dem Saldo der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zum 31. Dezember des Jahres vor der Aufhebung der Ausnahmeregelung noch für die Reserven und Rückstellungen bereitzustellen ist. Die Höhe des zu leistenden Beitrags bestimmt sich durch Multiplikation des in der genehmigten Bilanz der EZB ausgewiesenen Betrags der Reserven im Sinne der obigen Definition mit dem Faktor, der das Verhältnis zwischen der Anzahl der von der betreffenden Zentralbank gezeichneten Anteile und der Anzahl der von den anderen Zentralbanken bereits eingezahlten Anteile ausdrückt.

Artikel 50 Erstmalige Ernennung der Mitglieder des Direktoriums Bei der Einsetzung des Direktoriums der EZB werden der Präsident, der Vizepräsident und die weiteren Mitglieder des Direktoriums auf Empfehlung des Rates und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Rates des EWI von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs einvernehmlich ernannt. Der Präsident des Direktoriums wird für acht Jahre ernannt. Abweichend von Artikel 11.2 werden der Vizepräsident für vier Jahre und die weiteren Mitglieder des Direktoriums für eine Amtszeit zwischen fünf und acht Jahren ernannt. Wiederemennung ist in keinem Falle

171 zulässig. Die Anzahl der Mitglieder des Direktoriums kann geringer sein als in Artikel 11.1 vorgesehen, darf jedoch auf keinen Fall weniger als vier betragen.

Artikel 51 Abweichung von Artikel 32 51.1. Stellt der EZB-Rat nach dem Beginn der dritten Stufe fest, dafi die Anwendung von Artikel 32 für den relativen Stand der Einkünfte der nationalen Zentralbanken wesentliche Änderungen zur Folge hat, so wird der Betrag der nach Artikel 32 zu verteilenden Einkünfte nach einem einheitlichen Prozentsatz gekürzt, der im ersten Geschäftsjahr nach dem Beginn der dritten Stufe 60 % nicht übersteigen darf und in jedem darauffolgenden Geschäftsjahr um mindestens 12 Prozentpunkte verringert wird. 51.2. Artikel 51.1 ist für höchstens fünf Geschäftsjahre nach dem Beginn der dritten Stufe anwendbar.

Artikel 52 Umtausch von auf Gemeinschaftswährungen lautenden Banknoten Im Anschluß an die unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse ergreift der EZB-Rat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß Banknoten, die auf Währungen mit unwiderruflich festgelegten Wechselkursen lauten, von den nationalen Zentralbanken zu ihrer jeweiligen Parität umgetauscht werden.

Artikel 53 Anwendbarkeit der Übergangsbestimmungen Sofern und solange es Mitgliedstaaten gibt, für die eine Ausnahmeregelung gilt, sind die Artikel 43 bis 48 anwendbar.

PROTOKOLL ÜBER DIE SATZUNG DES EUROPÄISCHEN WÄRHUNGSINSTITUTS

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN DEM WUNSCH, die Satzung des Europäischen Währungsinstituts festzulegen SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINKOMMEN, die dem Veitrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt sind:

Artikel 1 Errichtung und Name 1.1. Das Europäische Währungsinstitut ("EWI") wird nach Artikel 109 f dieses Vertrags errichtet; es nimmt seine Aufgaben und seine Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags und dieser Satzung wahr.

172 1.2. Mitglieder des EWI sind die Zentralbanken der Mitgliedstaaten ("nationale Zentralbanken*). Das Luxemburgische Währungsinstitut gilt im Sinne dieser Satzung als die Zentralbank Luxemburgs. 1.3. Der Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken und der Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit ("EFWZ") werden nach Artikel 109 f dieses Vertrags aufgelöst. Sämtliche Aktiva und Passiva des E F W Z gehen automatisch auf das EWI über.

Artikel 2 Ziele Das EWI trägt zur Schaffung der für den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion erforderlichen Voraussetzungen insbesondere dadurch bei, daß es die Koordinierung der Geldpolitiken mit dem Ziel verstärkt, Preisstabilität sicherzustellen; die Vorarbeiten leistet, die für die Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken ("ESZB") und die Verfolgung einer einheitlichen Währungspolitik und die Schaffung einer einheitlichen Währung in der dritten Stufe erforderlich sind; die Entwicklung des Ecu überwacht.

Artikel 3 Allgemeine Grundsätze 3.1. Das EWI erfüllt die ihm durch diesen Vertrag und diese Satzung übertragenen Aufgaben unbeschadet der Verantwortlichkeit der für die Geldpolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten zuständigen Behörden. 3.2. Das EWI übt seine Tätigkeiten im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen aus, die in Artikel 2 der Satzung des ESZB festgelegt sind.

Artikel 4 Vorrangige Aufgaben 4.1. Das EWI hat nach Artikel 109 f Absatz 2 dieses Vertrags die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zentralbanken zu verstärken; die Koordinierung der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten mit dem Ziel zu verstärken, die Preisstabilität sicherzustellen; Konsultationen zu Fragen durchzuführen, die in die Zuständigkeit der nationalen Zentralbanken fallen und die Stabilität der Finanzinstitute und -markte berühren; die Aufgaben des EFWZ zu übernehmen; insbesondere erfüllt es die in den Artikeln 6.1 bis 6 . 3 genannten Aufgaben; die Verwendung des Ecu zu erleichtern und deren Entwicklung einschließlich des reibungslosen Funktionierens des Ecu-Verrechnungssystems zu überwachen:

173 Das EWI hat ferner folgende Funktionen: Es führt regelmäßige Konsultationen über den geldpolitischen Kurs und die Anwendung geldpolitischer Instrumente durch; es wird in der Regel im Kontext des gemeinsamen Rahmens für die Vorabkoordinierung gehört, bevor die nationalen Währungsbehörden geldpolitische Beschlüsse fassen. 4.2. Das EWI legt bis zum 31. Dezember 1996 in regulatorischer, organisatorischer und logistischer Hinsicht den Rahmen fest, den das ESZB zur Erfüllung seiner Aufgaben unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in der dritten Stufe benötigt. Dieser Rahmen wird der EZB vom Rat des EWI zum Zeitpunkt ihrer Errichtung zur Beschlußfassung unterbreitet. In Einklang mit Artikel 109 f Absatz 3 dieses Vertrags gehören zu den diesbezüglichen Tätigkeiten des EWI insbesondere die Entwicklung der Instrumente und Verfahren, die zur Durchführung einer einheitlichen Währungspolitik in der dritten Stufe erforderlich sind; soweit erforderlich die Förderung der Harmonisierung der Bestimmungen und Gepflogenheiten auf dem Gebiet der Erhebung, Zusammenstellung und Weitergabe statistischer Daten in den in seine Zuständigkeit fallenden Bereichen; die Ausarbeitung der Regeln für die Geschäfte der nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB; die Förderung der Effizienz des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs; die Überwachung der technischen Vorarbeiten für die Ecu-Banknoten.

Artikel 5 Beratende Funktionen 5.1. Der Rat des EWI kann nach Artikel 109 f Absatz 4 dieses Vertrags Stellungnahmen oder Empfehlungen zu der allgemeinen Orientierung der Geld- und der Wechselkurspolitik sowie zu den diesbezüglichen Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten abgeben. Es kann den Regierungen und dem Rat Stellungnahmen oder Empfehlungen zu Maßnahmen unterbreiten, die die interne oder exteme Währungssituation in der Gemeinschaft und insbesondere das Funktionieren des EWS beeinflussen könnten. 5.2. Der Rat des EWI kann femer den Währungsbehörden der Mitgliedstaaten Empfehlungen zur Durchführung ihrer Währungspolitik geben. 5.3. Das EWI wird nach Artikel 109 f Absatz 6 dieses Vertrags vom Rat zu allen Vorschlägen für Rechtsakte der Gemeinschaft in seinem Zuständigkeitsbereich angehört. Innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments sowie des EWI festlegt, wird das EWI von den Behörden der Mitgliedstaaten zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften in seinem Zuständigkeitsbereich insbesondere im Hinblick auf Artikel 4.2 angehört. 5.4. Nach Artikel 109 f Absatz 5 dieses Vertrags kann das EWI beschließen, seine Stellungnahmen und Empfehlungen zu veröffentlichen.

Artikel 6

174 Operationelle und technische Aufgaben 6.1. Dem EWI obliegt die Multilateralisierung der aus den Interventionen der nationalen Zentralbanken in Gemeinschaftswährungen entstehenden Salden und die Multilateralisierung des innergemeinschaftlichen Saldenausgleichs; die Verwaltung des im Abkommen vom 13. März 1979 zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Funktionsweise des Europäischen Währungssystems (im folgenden als "EWS-Abkommen" bezeichnet) vorgesehenen Systems der sehr kurzfristigen Finanzierung sowie des Systems des kurzfristigen Währungsbeistands, das in der geänderten Fassung des Abkommens vom 9. Februar 1970 zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehen ist; die Erfüllung der Aufgaben nach Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 des Rates vom 24. Juni 1988 zur Einführung eines einheitlichen Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten. 6.2. Das EWI kann von den nationalen Zentralbanken Währungsreserven entgegennehmen und zum Zwecke der Durchführung des EWS-Abkommens Ecu als Gegenwert für diese Reserveaktiva ausgeben. Diese Ecu können vom EWI und den nationalen Zentralbanken zum Saldenausgleich und für Geschäfte zwischen den Zentralbanken und dem EWI verwendet werden. Das EWI trifft die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen zur Durchführung dieser Bestimmung. 6.3. Das EWI kann den Währungsbehörden dritter Länder sowie internationalen Währungseinrichtungen den Status eines "sonstigen Halters" von Ecu verleihen und die Bedingungen festlegen, zu denen Ecu von sonstigen Haltern erworben, verwahrt oder verwendet werden können. 6.4. Das EWI ist befugt, auf Ersuchen nationaler Zentralbanken als deren Agent Währungsreserven zu halten und zu verwalten. Gewinne und Verluste bei diesen Reserven gehen zugunsten bzw. zu Lasten der nationalen Zentralbank, die die Reserven einlegt. Das EWI erfüllt diese Aufgabe auf der Grundlage bilateraler Verträge gemäß den Vorschriften, die in einer Entscheidung des EWI festgelegt sind. Diese Vorschriften stellen sicher, daß die Geschäfte mit diesen Reserven die Währungs- und die Wechselkurspolitik der zuständigen Währungsbehörden der Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen und den Zielen des EWI und dem reibungslosen Funktionieren des Wechselkursmechanismus des EWS entsprechen.

Artikel 7 Sonstige Aufgaben 7.1. Das EWI legt dem Rat alljährlich einen Bericht über den Stand der Vorbereitung der dritten Stufe vor. Diese Berichte enthalten eine Bewertung der Fortschritte auf dem Wege zur Konvergenz innerhalb der Gemeinschaft und behandeln insbesondere die Anpassung der geldpolitischen Instrumente und die Vorbereitung der für die Durchführung einer einheitlichen Währungspolitik in der dritten Stufe erforderlichen Verfahren sowie die rechtlichen Voraussetzungen, denen die nationalen Zentralbanken genügen müssen, um in das ESZB einbezogen zu werden. 7.2. Aufgrund von Beschlüssen des Rates nach Artikel 109 f Absatz 7 dieses Vertrags kann das EWI weitere Aufgaben im Rahmen der Vorbereitung der dritten Stufe wahrnehmen.

Artikel 8

175 Unabhängigkeit Die Mitglieder des Rates des EWI, die die Vertreter ihrer Institutionen sind, handeln bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in eigener Verantwortung. Bei der Wahrnehmung der ihm durch diesen Vertrag und diese Satzung übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf der Rat des EWI keinerlei Weisungen von Organen der Einrichtungen der Gemeinschaft oder von Regierungen der Mitgliedstaaten einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, den Rat des EWI bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu beeinflussen.

Artikel 9 Verwaltung 9.1. Das EWI wird nach Artikel 109 f Absatz 1 dieses Vertrags vom Rat des EWI geleitet und verwaltet. 9.2. Der Rat des EWI besteht aus dem Präsidenten sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken, von denen einer zum Vizepräsidenten bestellt wird. Ist ein Präsident einer nationalen Zentralbank an der Teilnahme an einer Sitzung verhindert, so kann er einen anderen Vertreter seiner Institution benennen. 9.3. Der Präsident wird auf Empfehlung des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken bzw. des Rates der EWI nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Rates von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs einvemehmlich ernannt. Der Präsident wird aus dem Kreis der in Währungs- und Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten ausgewählt. Nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten können Präsident des EWI sein. Der Rat des EWI ernennt den Vizepräsidenten. Der Präsident und der Vizepräsident werden für eine Amtszeit von drei Jahren ernannt. 9.4. Der Präsident erfüllt seine Pflichten hauptamtlich. Er darf weder entgeltlich noch unentgeltlich einer anderen Beschäftigung nachgehen, es sei denn, der Rat des EWI erteilt hierzu ausnahmsweise seine Zustimmung. 9.5. Der Präsident bereitet die Sitzungen des Rates des EWI vor und führt bei diesen Sitzungen den Vorsitz; vertritt unbeschadet des Artikels 22 die Auffassungen des EWI nach außen; ist verantwortlich für die laufende Verwaltung des EWI. Bei Verhinderung des Präsidenten werden seine Aufgaben vom Vizepräsidenten wahrgenommen. 9.6. Die Beschäftigungsbedingungen für den Präsidenten, insbesondere sein Gehalt und sein Ruhegehalt sowie andere Leistungen der sozialen Sicherheit, sind Gegenstand eines Vertrags mit dem EWI und werden vom Rat des EWI auf Vorschlag eines Ausschusses festgelegt, der aus drei vom Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken bzw. vom Rat des EWI sowie drei vom Rat ernannten Mitgliedern besteht. Der Präsident hat in Angelegenheiten des Satzes 1 kein Stimmrecht. 9.7. Ein Präsident, der die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat, kann auf Antrag des Rates des EWI durch den Gerichtshof seines Amtes enthoben werden. 9.8. Der Rat des EWI beschließt die Geschäftsordnung des EWI.

Artikel 10

176 Sitzungen des Rates des EWI und Abstimmungsverfahren 10.1. Der Rat des EWI tritt mindestens zehnmal im Jahr zusammen. Die Aussprachen in den Ratssitzungen sind vertraulich. Der Rat des EWI kann einstimmig beschließen, das Ergebnis seiner Beratungen zu veröffentlichen. 10.2. Jedes Mitglied des Rates des EWI bzw. sein Stellvertreter hat eine Stimme. 10.3. Sofern in dieser Satzung nichts anderes bestimmt ist, faßt der Rat des EWI seine Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder. 10.4. Für Beschlüsse im Zusammenhang mit den Artikeln 4.2, 5.4, 6.2 und 6.3 ist Einstimmigkeit der Mitglieder des Rates des EWI erforderlich. Für die Annahme von Stellungnahmen und Empfehlungen gemäß den Artikeln S.l und S.2, von Entscheidungen gemäß den Artikeln 6.4, 16 und 23.6 sowie der Leitlinien nach Artikel 15.3 ist eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Rates des EWI erforderlich.

Artikel U Interinstitutionelle Zusammenarbeit und Berichtspflichten 11.1. Der Präsident des Rates und ein Mitglied der Kommission können an den Sitzungen des Rates des EWI teilnehmen, besitzen aber kein Stimmrecht. 11.2. Der Präsident des EWI wird zur Teilnahme an den Tagungen des Rates eingeladen, wenn dieser Fragen im Zusammenhang mit den Zielen und Aufgaben des EWI erörtert. 11.3. Das EWI erstellt zu einem in der Geschäftsordnung festzulegenden Zeitpunkt einen Jahresbericht über seine Tätigkeit sowie über die Währungs- und Finanzlage in der Gemeinschaft. Der Jahresbericht wird zusammen mit dem Jahresabschluß des EWI dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission sowie auch dem Europäischen Rat vorgelegt. Der Präsident des EWI kann auf Ersuchen des Europäischen Parlaments oder auf seine Initiative hin von den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments gehört werden. 11.4. Die vom EWI veröffentlichten Berichte werden Interessenten kostenlos zur Verfügung gestellt.

Artikel 12 Währungsbezeichnung Die Geschäftsvorgänge des EWI werden in Ecu ausgedrückt.

Artikel 13 Site Vor Ende 1992 beschließen die Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs im gegenseitigen Einvernehmen über den Sitz des EWI.

177 Artikel 14 Rechtsfähigkeit Das EWI, das nach Artikel 109 f Absatz 1 dieses Vertrags mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist, besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt ist. Es kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern sowie vor Gericht stehen.

Artikel 15 Rechtsakte 15.1. Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann das EWI nach Maßgabe dieser Satzung Stellungnahmen abgeben; Empfehlungen aussprechen; Leitlinien verabschieden und Entscheidungen erlassen, die jeweils an die nationalen Zentralbanken gerichtet sind. 15.2. Die Stellungnahmen und Empfehlungen des EWI sind nicht verbindlich. 15.3. Der Rat des EWI kann Leitlinien verabschieden, in denen die Verfahren für die Verwirklichung der Bedingungen festgelegt werden, die erforderlich sind, damit das ESZB in der dritten Stufe seine Aufgaben erfüllen kann. Die Leitlinien des EWI sind nicht verbindlich; sie werden der EZB zur Beschlußfassung vorgelegt. 15.4. Unbeschadet des Artikels 3.1 ist eine Entscheidung des EWI in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, an die sie gerichtet ist. Die Artikel 190 und 191 dieses Vertrags sind auf diese Entscheidungen anwendbar.

Artikel 16 Finanzmittel 16.1. Das EWI wird mit Eigenmitteln ausgestattet. Der Rat des EWI legt den Umfang der Eigenmittel so fest, daß die Einkünfte erzielt werden können, die zur Deckung der bei der Erfüllung der Aufgaben des EWI anfallenden Ausgaben für erforderlich gehalten werden. 16.2. Die nach Artikel 16.1. festgelegten Mittel des EWI werden aus Beiträgen der nationalen Zentralbanken nach dem in Artikel 29.1 der Satzung des ESZB vorgesehenen Schlüssel aufgebracht und bei der Errichtung des EWI eingezahlt. Die tür die Festlegung des Schlüssels benötigten statistischen Angaben werden von der Kommission nach Maßgabe der Bestimmungen zur Verfügung gestellt, die der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken sowie des in Artikel 109 c dieses Vertrags bezeichneten Ausschusses mit qualifizierter Mehrheit beschließt. 16.3. Der Rat des EWI legt fest, in welcher Form die Beiträge einzuzahlen sind.

Artikel 17

178 Jahresabschlüsse und Rechnungsprüfung 17.1. Das Haushaltsjahr des EW1 beginnt am 1. Januar und endet am 31. Dezember. 17.2. Der Rat des EWI beschließt vor Beginn eines jeden Haushaltsjahres den Jahreshaushaltsplan. 17.3. Der Jahresabschluß wird nach den vom Rat des EWI aufgestellten Grundsätzen erstellt. Der Jahresabschluß wird vom Rat des EWI festgestellt und sodann veröffentlicht. 17.4. Der Jahresabschluß wird von unabhängigen externen Rechnungsprüfern, die vom Rat des EWI anerkannt wurden, geprüft. Die Rechnungsprüfer sind befugt, alle Bücher und Konten des EWI zu prüfen und alle Auskünfte über dessen Geschäfte zu verlangen. Artikel 188 c dieses Vertrags ist nur auf eine Prüfung der operationellen Effizienz der Finanzverwaltung des EWI anwendbar. 17.5. Ein Uberschuß des EWI wird in der folgenden Reihenfolge verteilt: a)

Ein vom Rat des EWI zu bestimmender Betrag wird dem allgemeinen Reservefonds des EWI zugeführt;

b)

ein verbleibender Überschuß wird nach dem in Artikel 16.2 genannten Schlüssel an die nationalen Zentralbanken ausgeschüttet.

17.6. Falls das EWI einen Verlust erwirtschaftet, wird der Fehlbetrag aus dem allgemeinen Reservefonds des EWI gezahlt. Ein noch verbleibender Fehlbetrag wird durch Beiträge der nationalen Zentralbanken nach dem in Artikel 16.2 genannten Schlüssel ausgeglichen.

Artikel 18 Personal 18.1. Der Rat des EWI legt die Beschäftigungsbedingungen für das Personal des EWI fest. 18.2. Der Europäische Gerichtshof ist für alle Streitsachen zwischen dem EWI und seinen Bediensteten innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen zuständig, die sich aus den Beschäftigungsbedingungen ergeben.

Artikel 19 Gerichtliche Kontrolle und damit verbundene Angelegenheiten 19.1. Die Handlungen und Unterlassungen des EWI unterliegen in den Fällen und unter Bedingungen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind, der Oberprüfung und Auslegung durch den Gerichtshof. Das EWI ist in den Fällen und unter den Bedingungen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind, klageberechtigt. 19.2. Über Rechtsstreitigkeiten zwischen dem EWI einerseits und'seinen Gläubigern, Schuldnern oder dritten Personen andererseits entscheiden die zuständigen Gerichte der einzelnen Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Zuständigkeiten, die dem Gerichtshof zuerkannt sind. 19.3. Das EWI unterliegt der Haftungsregelung des Artikels 215 dieses Vertrags. 19.4. Der Gerichtshof ist für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem vom EWI oder für seine Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag

179 enthalten ist. 19.5. Für einen Beschluß des EWI, den Gerichtshof anzurufen, ist der Rat des EWI zuständig.

Artikel 20 Geheimhaltung 20.1. Die Mitglieder des Rates und des Personals des EWI dürfen auch nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses keine der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Informationen weitergeben. 20.2. Auf Personen mit Zugang zu Daten, die unter Gemeinschaftsvorschriften fallen, die eine Verpflichtung zur Geheimhaltung vorsehen, finden diese Gemeinschaftsvorschriften Anwendung.

Artikel 21 Vorrechte und Befreiungen Das EWI genießt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften im Anhang zum Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

Artikel 22 Unterschriftsberechtigte Das EWI wird Dritten gegenüber durch den Präsidenten oder den Vizepräsidenten oder durch die Unterschriften zweier vom Präsidenten zur Zeichnung im Namen des EWI gehörig ermächtigter Bediensteter des EWI rechtswirksam verpflichtet.

Artikel 23 Liquidation des EWI 23.1. Nach Artikel 109 1 dieses Vertrags wird das EWI bei Errichtung der EZB liquidiert. Alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des EWI gehen dann automatisch auf die EZB über. Letztere liquidiert das EWI gemäß diesem Artikel. Die Liquidation muß bei Beginn der dritten Stufe abgeschlossen sein. 23.2. Der in Artikel 17 des EWS-Abkommens vorgesehene Mechanismus für die Schaffung von Ecu gegen Einbringung von Gold und US-Dollars wird am ersten Tag der dritten Stufe nach Artikel 20 des genannten Abkommens abgewickelt. 23.3. Sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten aufgrund des Systems der sehr kurzfristigen Finanzierung und des Systems des kurzfristigen Währungsbeistands gemäß den in Artikel 6.1 genannten Abkommen werden bis zum ersten Tag der dritten Stufe ausgeglichen. 23.4. Alle verbleibenden Vermögenswerte des EWI werden veräußert, und alle verbleibenden Verbindlichkeiten des EWI werden ausgeglichen. 23.5. Der Erlös aus der Liquidation gemäß Artikel 23.4 wird an die nationalen Zentralbanken nach dem in

180 Artikel 16.2 genannten Schlüssel verteilt. 23.6. Der Rat des EWI kann die für die Anwendung der Artikel 23.4 und 23.5 erforderlichen Maßnahmen erlassen. 23.7. Mit Errichtung der EZB legt der Präsident des EWI sein Amt nieder.

PROTOKOLL ÜBER DAS VERFAHREN BEI EINEM ÜBERMÄSSIGEN DEFIZIT

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN DEM WUNSCH, die Einzelheiten des in Artikel 104 c des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft genannten Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit festzulegen SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt sind:

Artikel 1 Die in Artikel 104 c Absatz 2 dieses Vertrags genannten Referenzwerte sind: 3 % für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, 60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen.

Artikel 2 In Artikel 104 c dieses Vertrags und in diesem Protokoll bedeutet "öffentlich" zum Staat, d.h. zum Zentralstaat (Zentralregierung), zu regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder Sozialversicherungseinrichtungen gehörig, mit Ausnahme von kommerziellen Transaktionen, im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen; "Defizit" der Nettofinanzierungssaldo im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen; "Investitionen" die Brutto-Anlageinvestitionen im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen; "Schuldenstand" den Brutto-Gesamtschuldenstand zum Nominalwert am Jahresende nach Konsolidierung innerhalb und zwischen den einzelnen Bereichen des Staatssektors im Sinne des ersten Gedankenstrichs.

Artikel 3

181 Um die Wirksamkeit des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu gewährleisten, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen dieses Verfahrens für die Defizite des Staatssektors im Sinne von Artikel 2 erster Gedankenstrich verantwortlich. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, daß die innerstaatlichen Verfahren im Haushaltsbereich sie in die Lage versetzen, ihre sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen in diesem Bereich zu erfüllen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre geplanten und tatsächlichen Defizite und die Höhe ihres Schuldenstands der Kommission unverzüglich und regelmäßig mitteilen.

Artikel 4 Die zur Anwendung dieses Protokolls erforderlichen statistischen Daten werden von der Kommission zur Verfügung gestellt.

PROTOKOLL ÜBER DIE KONVERGENZKRITERIEN NACH ARTIKEL 109 j DES VERTRAGS ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN DEM WUNSCH, die in Artikel 109 j Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft aufgeführten Konvergenzkriterien, welche die Gemeinschaft bei der Beschlußfassung Ober den Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion leiten sollen, näher festzulegen SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt sind:

Artikel 1 Das in Artikel 109 j Absatz 1 erster Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Finanzlage der öffentlichen Hand bedeutet, daß ein Mitgliedstaat eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate aufweisen muß, die um nicht mehr als 1 1/2 Prozentpunkte über der Inflationsrate jener - höchstens drei - Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindexes auf vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.

Artikel 2 Das in Artikel 109 j Absatz 1 zweiter Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Finanzlage der öffentlichen Hand bedeutet, daß zum Zeitpunkt der Prüfung keine Ratsentscheidung nach Artikel 104 c Absatz 6 dieses Vertrags vorliegt, wonach in dem betreffenden Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.

Artikel 3 Das in Artikel 109 j Absatz 1 dritter Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, daß ein Mitgliedstaat die im

182 Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muß. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs seiner Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaats nicht von sich aus abgewertet haben.

Artikel 4 Das in Artikel 109 j Absatz 1 vierter Gedankenstrich dieses Vertrags genannte Kriterium der Konvergenz der Zinssätze bedeutet, daß im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem Mitgliedstaat der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem entsprechenden Satz in jenen - höchstens drei - Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität des beste Ergebnis erzielt haben. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.

Artikel 5 Die zur Anwendung dieses Protokolls erforderlichen statistischen Daten werden von der Kommission zur Verfügung gestellt.

Artikel 6 Der Rat erläßt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des EWI bzw. der EZB sowie des in Artikel 109 c genannten Ausschusses einstimmig geeignete Vorschriften zur Festlegung der Einzelheiten der in Artikel 109 j dieses Vertrags genannten Konvergenzkriterien, die dann an die Stelle dieses Protokolls treten.

PROTOKOLL ÜBER DEN ÜBERGANG ZUR DRITTEN STUFE DER WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN erklären mit der Unterzeichnung der neuen Vertragsbestimmungen über die Wirtschafts- und Währungsunion die Unumkehrbarkeit des Übergangs der Gemeinschaft zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. Alle Mitgliedstaaten respektieren daher unabhängig davon, ob sie die notwendigen Voraussetzungen tür die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen, den Willen der Gemeinschaft, rasch in die dritte Stufe einzutreten, und daher behindert kein Mitgliedstaat den Eintritt in die dritte Stufe. Falls der Zeitpunkt (ür den Beginn der dritten Stufe Ende 1997 noch nicht festgelegt ist, beschleunigen die betreffenden Mitgliedstaaten, die Gemeinschaftsorgane und die sonstigen beteiligten Gremien im Lauf des Jahres 1998 alle vorbereitenden Arbeiten, damit die Gemeinschaft am 1. Januar 1999 unwiderruflich in die dritte Stufe eintreten kann und die EZB und das ESZB zu diesem Zeitpunkt ihre Tätigkeit in vollem Umfang aufnehmen können. Dieses Protokoll wird dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt.

183 PROTOKOLL ÜBER EINIGE BESTIMMUNGEN BETREFFEND DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN D E R ERKENNTNIS, daß das Vereinigte Königreich nicht gezwungen oder verpflichtet ist, ohne einen gesonderten diesbezüglichen Beschluß seiner Regierung und seines Parlaments in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion einzutreten, IN ANBETRACHT der Gepflogenheit der Regierung des Vereinigten Königreichs, ihren Kreditbedarf durch Verkauf von Schuldtiteln an den Privatsektor zu decken SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt sind: 1.

Das Vereinigte Königreich notifiziert dem Rat, ob es den Übergang zur dritten Stufe beabsichtigt, bevor der Rat die Beurteilung nach Artikel 109 j Absatz 2 dieses Vertrags vornimmt. Sofern das Vereinigte Königreich dem Rat nicht notifiziert, daß es zur dritten Stufe überzugehen beabsichtigt, ist es dazu nicht verpflichtet. Wird kein Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nach Artikel 109 j Absatz 3 dieses Vertrags festgelegt, so kann das Vereinigte Königreich seine Absicht, zur dritten Stufe überzugehen, vor dem 1. Januar 1998 notifizieren.

2.

Die Nummern 3 bis 9 gelten für den Fall, daß das Vereinigte Königreich dem Rat notifiziert, daß es nicht beabsichtigt, zur dritten Stufe überzugehen.

3.

Das Vereinigte Königreich wird nicht zu der Mehrheit der Mitgliedstaaten gezählt, welche die notwendigen Voraussetzungen nach Artikel 109 j Absatz 2 zweiter Gedankenstrich und Absatz 3 erster Gedankenstrich dieses Vertrags erfüllen.

4.

Das Vereinigte Königreich behält seine Befugnisse auf dem Gebiet der Währungspolitik nach seinem innerstaatlichen Recht.

5.

Die Artikel 3 a Absatz 2, 104 c Absätze 1, 9 und 11, 105 Absätze 1 bis S, 105 a, 107, 108, 108 a, 109, 109 a Absätze 1 und 2 Buchstabe b und 109 1 Absätze 4 und 5 dieses Vertrags gelten nicht für das Vereinigte Königreich. In diesen Bestimmungen enthaltene Bezugnahmen auf die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten betreffen nicht das Vereinigte Königreich, und Bezugnahmen auf die nationalen Zentralbanken betreffen nicht die Bank of England.

6.

Die Artikel 109 e Absatz 4, 109 h und 109 i dieses Vertrags gelten auch weiterhin für das Vereinigte Königreich. Artikel 109 c Absatz 4 und Artikel 109 m werden so auf das Vereinigte Königreich angewandt, als gelte für dieses eine Ausnahmeregelung.

7.

Das Stimmrecht des Vereinigten Königreichs in bezug auf die Rechtsakte des Rates, auf die in den unter Nummer 5 dieses Protokolls aufgeführten Artikeln Bezug genommen wird, wird ausgesetzt. Zu diesem Zweck bleiben die gewogenen Stimmen des Vereinigten Königreichs bei der Berechnung einer qualifizierten Mehrheit nach Artikel 109 k Absatz 5 dieses Vertrags unberücksichtigt. Das Vereinigte Königreich ist femer nicht berechtigt, sich an der Ernennung des Präsidenten, das

Vizepräsidenten und der weiteren Mitglieder des Direktoriums der EZB nach den Artikeln 109 a Absatz 2 Buchstabe b und 109 1 Absatz 1 dieses Vertrags zu beteiligen. Die Artikel 3, 4, 6, 7, 9.2, 10.1, 10.3, 11.2, 12.1, 14, 16, 18, 19, 20, 22, 23, 26, 27, 30, 31, 32, 33, 34, SO und 52 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ("die Satzung") gelten nicht für das Vereinigte Königreich. In diesen Artikeln enthaltene Bezugnahmen auf die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten betreffen nicht das Vereinigte Königreich, und Bezugnahmen auf die nationalen Zentralbanken oder die Anteilseigner betreffen nicht die Bank of England. In den Artikeln 10.3 und 30.2 der Satzung enthaltene Bezugnahmen auf das "gezeichnete Kapital der EZB" betreffen nicht das von der Bank of England gezeichnete Kapital. Artikel 109 1 Absatz 3 dieses Vertrags und die Artikel 44 bis 48 der Satzung gelten unabhängig davon, ob es Mitgliedstaaten gibt, für die eine Ausnahmeregelung gilt, vorbehaltlich folgender Änderungen: a)

Bezugnahmen in Artikel 44 auf die Aufgaben der EZB und des EWI schließen auch die Aufgaben ein, die im Fall einer etwaigen Entscheidung des Vereinigten Königreichs, nicht zur dritten Stufe überzugehen, in der dritten Stufe noch erfüllt werden müssen.

b)

Zusätzlich zu den Aufgaben nach Artikel 47 berät die EZB femer bei der Vorbereitung von Beschlüssen des Rates betreffend das Vereinigte Königreich nach Nummer 10 Buchstaben a und c dieses Protokolls und wirkt an deren Ausarbeitung mit.

c)

Die Bank of England zahlt das von ihr gezeichnete Kapital der EZB als Beitrag zu den EZB-Betriebskosten auf derselben Grundlage ein wie die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt.

Geht das Vereinigte Königreich nicht zur dritten Stufe über, so kann es seine Notifikation nach Beginn dieser Stufe jederzeit ändern. In diesem Fall gilt folgendes: a)

Das Vereinigte Königreich hat das Recht, zur dritten Stufe überzugehen, sofern es die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Der Rat entscheidet auf Antrag des Vereinigten Königreichs unter den Bedingungen und nach dem Verfahren des Artikels 109 k Absatz 2 dieses Vertrags, ob das Vereinigte Königreich die notwendigen Voraussetzungen erfüllt.

b)

Die Bank of England zahlt das von ihr gezeichnete Kapital ein, überträgt der EZB Währungsreserven und leistet ihren Beitrag zu den Reserven der EZB auf derselben Grundlage wie die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Ausnahmeregelung aufgehoben worden ist.

c)

Der Rat faßt unter den Bedingungen und nach dem Verfahren des Artikels 109 1 Absatz 5 dieses Vertrags alle weiteren Beschlüsse, die erforderlich sind, um dem Vereinigten Königreich den Übergang zur dritten Stufe zu ermöglichen.

Geht das Vereinigte Königreich nach den Bestimmungen dieser Nummer zur dritten Stufe über, so treten die Nummern 3 bis 9 dieses Protokolls außer Kraft. Unbeschadet des Artikels 104 und des Artikels 109 e Absatz 3 dieses Vertrags sowie des Artikels 21.1 der Satzung kann die Regierung des Vereinigten Königreichs ihre "Ways and Means'-Fazilität bei der Bank of England beibehalten, sofern und solange das Vereinigte Königreich nicht zur dritten Stufe übergeht.

185 PROTOKOLL ÜBER EINIGE BESTIMMUNGEN BETREFFEND DÄNEMARK

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN DEM WUNSCH, einige derzeit bestehende Sonderprobleme im Einklang mit den allgemeinen Zielen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu regeln, MIT RÜCKSICHT DARAUF, daß die dänische Verfassung Bestimmungen enthält, die vor der Teilnahme Dänemarks an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion in Dänemark eine Volksabstimmung erfordern könnten SIND über folgende Bestimmungen ÜBEREINGEKOMMEN, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt sind: 1.

Die dänische Regierung notifiziert dem Rat ihren Standpunkt bezüglich der Teilnahme an der dritten Stufe, bevor der Rat seine Beurteilung nach Artikel 109 j Absatz 2 dieses Vertrags vornimmt.

2.

Falls notifiziert wird, daß Dänemark nicht an der dritten Stufe teilnehmen wird, gilt für Dänemark eine Freistellung. Die Freistellung hat zur Folge, daß alle eine Ausnahmeregelung betreffenden Artikel und Bestimmungen dieses Vertrags und der Satzung des ESZB auf Dänemark Anwendung finden.

3.

In diesem Fall wird Dänemark nicht zu der Mehrheit der Mitgliedstaaten gezählt, welche die notwendigen Voraussetzungen nach Artikel 109 j Absatz 2 zweiter Gedankenstrich und Absatz 3 erster Gedankenstrich dieses Vertrags erfüllen.

4.

Zur Aufhebung der Freistellung wird das Verfahren nach Artikel 109 k Absatz 2 nur dann eingeleitet, wenn Dänemark einen entsprechenden Antrag stellt.

5.

Nach Aufhebung der Freistellung ist dieses Protokoll nicht mehr anwendbar.

PROTOKOLL ÜBER DIE SOZIALPOLITIK

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN IN ANBETRACHT DESSEN, daß elf Mitgliedstaaten, nämlich das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, Irland, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik, auf dem durch die Sozialcharta von 1989 vorgezeichneten Weg weitergehen wollen; daß sie zu diesem Zweck untereinander ein Abkommen beschlossen haben; daß dieses Abkommen diesem Protokoll beigefügt ist; daß durch dieses Protokoll und das genannte Abkommen dieser Vertrag, insbesondere die Bestimmungen, welche die Sozialpolitik betreffen und Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstands sind, nicht berührt wird -

186 1.

kommen überein, diese elf Mitgliedstaaten zu ermächtigen, die Organe, Verfahren und Mechanismen des Vertrags in Anspruch zu nehmen, um die erforderlichen Rechtsakte und Beschlüssse zur Umsetzung des genannten Abkommens untereinander anzunehmen und anzuwenden, soweit sie betroffen sind.

2.

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ist nicht beteiligt, wenn der Rat über die Vorschläge, welche die Kommission aufgrund dieses Protokolls und des genannten Abkommens unterbreitet, berät und diese annimmt. Abweichend von Artikel 148 Absatz 2 des Vertrags kommen die Rechtsakte des Rates nach diesem Protokoll, die mit qualifizierter Mehrheit anzunehmen sind, mit einer Mindeststimmenzahl von vierundvierzig Stimmen zustande. Einstimmig anzunehmende Rechtsakte des Rates sowie solche Rechtsakte, die eine Änderung des Kommissionsvorschlags bedeuten, bedürfen der Stimmen aller Mitglieder des Rates mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Rechtsakte des Rates und finanzielle Folgen mit Ausnahme von Verwaltungskosten für die Organe gelten nicht für das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland.

3.

Dieses Protokoll wird dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt.

ABKOMMEN Z W I S C H E N DEN MITGLIEDSTAATEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT M I T AUSNAHME D E S VEREINIGTEN KÖNIGREICHS GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND ÜBER DIE SOZIALPOLITIK Die unterzeichneten elf HOHEN VERTRAGSPARTEIEN, nämlich das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, Irland, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande und die Portugiesische Republik (im folgenden als 'Mitgliedstaaten* bezeichnet) IN DEM WUNSCH, die Sozialcharta von 1989 ausgehend vom gemeinschaftlichen Besitzstand umzusetzen, IN ANBETRACHT des Protokolls über die Sozialpolitik SIND wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1 Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten haben folgende Ziele: die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials im Hinblick auf ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen. Zu diesem Zweck führen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten Maßnahmen durch, die der Vielfalt der einzelstaatlichen Gepflogenheiten, insbesondere in den vertraglichen Beziehungen, sowie der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Gemeinschaft zu erhalten, Rechnung tragen.

Artikel 2 1. Zur Verwirklichung der Ziele des Artikels 1 unterstützt und ergänzt die Gemeinschaft die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf folgenden Gebieten:

187 Verbesserung, insbesondere der Arbeitsumwelt, zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer; Arbeitsbedingungen; Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer; Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz; berufliche Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen unbeschadet des Artikels 127 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im folgenden als "Vertrag" bezeichnet). 2. Zu diesem Zweck kann der Rat unter Berücksichtigung der in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen und technischen Regelungen durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen, die schrittweise anzuwenden sind. Diese Richtlinien sollen keine verwaltungsmäßigen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen entgegenstehen. Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 189 c des Vertrags nach Anhörung des Wirtschaftsund Sozialausschusses. 3. In folgenden Bereichen beschließt der Rat dagegen einstimmg auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses: soziale Sicherheit und sozialer Schutz der Arbeitnehmer; Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags; Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, einschließlich der Mitbestimmung, vorbehaltlich des Absatzes 6; Beschäftigungsbedingungen der Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Gebiet der Gemeinschaft aufhalten; finanzielle Beiträge zur Förderung der Beschäftigung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen, und zwar unbeschadet der Bestimmungen über den Sozialfonds. 4. Ein Mitgliedstaat kann den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung von aufgrund der Absätze 2 und 3 angenommenen Richtlinien übertragen. In diesem Fall vergewissert sich der Mitgliedstaat, daß die Sozialparmer spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Richtlinie nach Artikel 189 umgesetzt sein muß, im Weg einer Vereinbarung die erforderlichen Vorkehrungen getroffen haben; dabei hat der Mitgliedstaat alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, daß die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. 5. Die aufgrund dieses Artikels erlassenen Bestimmungen hindern einen Mitgliedstaat nicht daran, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit dem Vertrag vereinbar sind. 6. Dieser Artikel gilt nicht tür das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht. Artikel 3

188 1. Die Kommission hat die Aufgabe, die Anhörung der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene zu fördern, und erläßt alle zweckdienlichen Maßnahmen, um den Dialog zwischen den Sozialpartnern zu erleichtern, wobei sie für Ausgewogenheit bei der Unterstützung der Parteien sorgt. 2. Zu diesem Zweck hört die Kommission vor Unterbreitung von Vorschlägen im Bereich der Sozialpolitik die Sozialpartner zu der Frage, wie eine Gemeinschaftsaktion gegebenenfalls ausgerichtet werden sollte. 3. Hält die Kommission nach dieser Anhörung eine Gemeinschaftsmaßnahme für zweckmäßig, so hört sie die Sozialpartner zum Inhalt des in Aussicht genommenen Vorschlags. Die Sozialpartner übermitteln der Kommission eine Stellungnahme oder gegebenenfalls eine Empfehlung. 4. Bei dieser Anhörung können die Sozialpartner der Kommission mitteilen, daß sie den Prozeß nach Artikel 4 in Gang setzen wollen. Die Dauer des Verfahrens darf höchstens neun Monate betragen, sofern die betroffenen Sozialpartner und die Kommission nicht gemeinsam eine Verlängerung beschließen.

Artikel 4 1. Der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene kann, falls sie es wünschen, zur Herstellung vertraglicher Beziehungen, einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen, führen. 2. Die Durchführung der auf Gemeinschaftsebene geschlossenen Vereinbarungen erfolgt entweder nach den jeweiligen Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner und der Mitgliedstaaten oder - in den durch Artikel 2 erfaßten Bereichen - auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluß des Rates auf Vorschlag der Kommission. Sofem nicht die betreffende Vereinbarung eine oder mehrere Bestimmungen betreffend einen der in Artikel 2 Absatz 3 genannten Bereiche enthält und somit ein einstimmiger Beschluß erforderlich ist, beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit.

Artikel S Unbeschadet der anderen Bestimmungen des Vertrags fördert die Kommission im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des Artikels 1 die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und erleichtert die Abstimmung ihres Vorgehens in den durch dieses Abkommen erfaßten Bereichen der Sozialpolitik.

Artikel 6 1. Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit sicher. 2. Unter "Entgelt" im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet, a)

daß das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird;

b)

daß für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.

3. Dieser Artikel hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit der Frauen

189 oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in ihrer beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.

Artikel 7 Die Kommission erstellt jährlich einen Bericht über den Stand der Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele sowie über die demographische Lage in der Gemeinschaft. Sie übermittelt diesen Bericht dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß. Das Europäische Parlament kann die Kommission um Berichte zu Einzelproblemen ersuchen, welche die soziale Lage betreffen.

ERKLÄRUNGEN

1. Erklärung zu Artikel 2 Absatz 2 Die elf Hohen Vertragsparteien stellen fest, daß in den Erörterungen über Artikel 2 Absatz 2 dieses Abkommens Einvernehmen darüber bestand, daß die Gemeinschaft beim Erlaß von Mindestvorschriften zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer nicht beabsichtigt, Arbeitnehmer kleiner und mittlerer Unternehmen in einer den Umständen nach nicht gerechtfertigten Weise zu benachteiligen. 2. Erklärung zu Artikel 4 Absatz 2 Die elf Hohen Vertragsparteien erklären, daß die erste der Durchführungsvorschriften zu den Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene nach Artikel 4 Absatz 2 die Erarbeitung des Inhalts dieser Vereinbarungen durch Tarifverhandlungen gemäß den Regeln eines jeden Mitgliedstaats betrifft und daß diese Vorschrift mithin weder eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, diese Vereinbarungen unmittelbar anzuwenden oder diesbezügliche Umsetzungsregeln zu erarbeiten, noch eine Verpflichtung beinhaltet, zur Erleichterung ihrer Anwendung die geltenden innerstaatlichen Vorschriften zu ändern.

Stichwortverzeichnis Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages 36 Abstrakte Normenkontrolle 60 AETR-Urteil 26 Allgemeiner Gleichheitssatz 28 Allgemeiner Rechtsgrundsätze 28 Anhörungsrechte 52 Asylpolitik 5 Aufbaufinanzierung 57 Ausdehnung der Gemeinschaft 10 Ausländerwahlrecht 44 Auswärtige Gewalt 35 Außen- und Sicherheitspolitik 43 Autonomie der Bundesbank 48 Begleitentschließungen 66 Beschwerde 22 Bildung 48 Budgetkontrolle 62 Bundesstaatlichkeit 33, 65 Bundestreue 36 Bürgerbeauftragter 44 Charta zur Wahrung der Menschenrechte 23 Compétence d'attribution 46 Conseil d'Etat 30 Costa ./. E N E L 26 Deutsche Bundesbank 48 Deutsche Einheit 19 Einheitliche Europäische Akte 37 Einspruch 34 Encyklika Quadragesimo Anno (1931) 71 Ernennung der Kommission 16 Erweiterung 11 Europa der Vaterländer 3 Europa der zwei Geschwindigkeiten 49 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 26 Europäische Kommission 21

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 21 Europäische Option 19 Europäische Politische Zusammenarbeit (EP2) 41 Europäische Union 41 Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 24 Europäische Zentralbank 46 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 21 Europäischer Rat 43 Europäischer Zentralstaat 64 Europäisches Parlament 15 Europäisches System der Zentralbanken (ESZB) 47 Europäisches Währungsinstitut (EWI) 46 Europarat 21 Finanzierungssystem der Gemeinschaft 62 Finanzverfassung 62 Föderales Prinzip 33 Gemeinsame Wertvorstellungen 21 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 23 Gemeinschaftssteuer 62 Gemeinschaftstreue 61 Gemeinschaftsverträge 14 Gemeinschaftsverwaltung 68 Gestalt der Europäischen Union 42 Gestaltungschancen 73 Gesundheitspolitik 49 Gewaltenteilung 12 Golfkrieg 23 Großbritannien 49 Grundelement der Staatlichkeit 9 Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht 27 Gutachten zum Europäischen Wirtschaftsraum vom 14. Dezember 1991 27

192 Haushaltsrecht der Gemeinschaft 52 Haushaltsrechtliche Befugnisse 16 Hoheitsrechte 19 House of Lords 32 Identität der Verfassung 34, 35 Industriepolitik 50 Informations- und Anhörungsanspruch 37 Kommission 13 Kommunalwahlrecht 44 Kompetenzkompensation 37 Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 22 Konsultationsverfahren 37 Kontrollausschuß 70 Kultur 48 Länderhoheitsrechte 33 Legitimation der Hoheitsgewalt 15 Leistungskraft 68 Meinungsfreiheit 28 Menschenwürde 67 Ministerausschuß 22 Ministerrat 13 Mitentscheidungsrechte 15, 53 Mitspracherechte im Gesetzgebungsverfahren 15 Mitwirkung des Bundesrates 33 Monopol der Rechtssetzungsinitiative 53 Petitionen 44 Präambel des Grundgesetzes 19 Prinzip der Pauschalierung 16 Prinzip des fairen Verfahrens 28 Regierungskonferenz von Maastricht 41 Regionalausschuß 54 Regionen 54 Religionsfreiheit 28 Retained powers 70 Richterrecht 27 Schutz der Persönlichkeits- und Privatsphäre 28 Simmenthai II 26 „Solange I"-Beschluß 27 „Solange II"-Beschluß 30

Sozialpolitik 49 „Spill-over"-Effekt 41 Staatsbewußtsein 10 Staatsmythos 9 Staatsverschuldung 58 Strukturelle Kongruenz 25 Subsidiaritätsprinzip 42 System der Geldmärkte 56 Tabak-Etikettierungsrichtlinie 31 Traité cadre 26 Traité loi 26 Ubermäßige Haushaltsdefizite 57 Uberstaatliche Bedingtheit des Staates 31 Überstaatliche Bedingtheit 62 UdSSR 23 Unabhängigkeit der Bundesbank 56 Unionsbürgerschaft 43 Van Gend & Loos 26 Vereinigte Staaten von Nordamerika 11 Verfahren der Zusammenarbeit 15, 53 Verfahrensmäßige Behandlung der Maastrichter Beschlüsse 54 Verfassungsauftrag 19 Verfassungsbeschwerde 22, 60 Verfassungsrevision 45 Verfassungsvorbehalte 69 Vertiefung 11 Vertrag über die Europäische Union 59 Vetorecht 16 „Volk" der Gemeinschaft 12 Völkerrechtliche Verträge 33 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 26 „Wesensgehalt" unserer Verfassungsstaatlichkeit 67 Widerruf neuer Kompetenzzuweisungen 72 Willensbildung des Bundes 35 Würde des Menschen 28 Zeitliche Dimension 63 Zerfall der Sowjetunion 23 Zusammenarbeit in Fragen der inneren und Justizangelegenheiten 43 Zustimmung des Bundesrates 33 Zustimmungsgesetz 37 Zustimmungsverfahren 59