Erziehungswissenschaften für Lehramtsstudierende. Grundlagen der Pädagogik, Schulpädagogik und Psychologie [1. Aufl.] 9783838550145, 9783825250140


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German Pages 456 Year 2019

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Erziehungswissenschaften für Lehramtsstudierende. Grundlagen der Pädagogik, Schulpädagogik und Psychologie [1. Aufl.]
 9783838550145, 9783825250140

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Günther Koch

Erziehungswissenschaften für Lehramtsstudierende

Grundlagen der Pädagogik, Schulpädagogik und Psychologie

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utb 5014

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld

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Günther Koch

Erziehungswissenschaften für Lehramtsstudierende

Grundlagen der Pädagogik, Schulpädagogik und Psychologie

Ferdinand Schöningh

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Der Autor: Dr. Günther Koch bildet als Dozent für Pädagogik und Schulpädagogik am Staatsinstitut München und als Lehrbeauftragter der Ludwig-Maximilians-Universität München angehende Lehrkräfte aus. Darüber hinaus ist er in der Lehrerfortbildung für die Akademie Dillingen und das Pädagogische Institut München tätig.

Umschlagabbildung: ©diavolessa, Adobe Stock 192605362

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2019 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Internet: www.schoeningh.de Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart UTB-Band-Nr: 5014 E-Book ISBN 978-3-8385-5014-5 ISBN der Printausgabe 978-3-8252-5014-0

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Inhaltsverzeichnis Lieber angehender Lehrer, liebe angehende Lehrerin . . . . . . . . . . . . . . .

15

Erziehungswissenschaften im Kontext von Schule und Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1 1.1 1.2

Die Schule – Ihr Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 26

2 2.1 2.1.1

Lehrerin oder Lehrer sein – Ihr Berufsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Berufsbild der Lehrkräfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutscher Bildungsrat – Der Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Erklärung von Kultusministerkonferenz und Lehrerverbänden im Jahre 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzen für Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzen nach Weinert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzen laut Kultusministerkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 30

Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1 1.1 1.2 1.3

Pädagogik als Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugswissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teildisziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 41 42 42 43

2 2.1 2.2 2.3

Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehung und Bildung oder ErziehungUndBildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehung in Abgrenzung zu anderen Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 45 49 50 51 52 53

3 3.1 3.1.1

Möglichkeiten, Notwendigkeit und Grenzen von Erziehung . . . . . . . . . . Möglichkeit und Notwendigkeit von Erziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Naturwissenschaftliche Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 57 57

2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2

30 31 32 32 33

Inhaltsverzeichnis

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3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2

5 5.1 5.2 5.3 6

Geistes- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . Entlarvung pädagogischer Mythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen nicht vorhandener oder unzulänglicher Erziehung . . . . . . . . . . . Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung – Erziehung zwischen Umwelt und Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage vs. Umwelt oder Pessimismus vs. Optimismus . . . . . . . . . . . . . Anlage und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen von Erziehungszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele als Orientierungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele als Grundlage für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Erzieherinnen und Erzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele dienen der Reflexion und Optimierung von Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele dienen der Verwirklichung von Wert- und Normvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festsetzung, Wandel und Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme von Erziehungszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele konkret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele nach Brezinka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungsziele nach Giesecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enkulturationshilfe – Unterstützung beim Erlernen der kulturellen Lebensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialisationshilfe – Unterstützung beim Erlernen des sozialen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personalisationshilfe – Unterstützung bei der Entfaltung der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 63 64 65 66 67 68 70 70 71 73 74 76 77 77 78 79 79 79 79 80 80 81 82 82 83 85 86 87 89 90 92 93

Inhaltsverzeichnis

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5.4 5.5

Erziehung zwischen Anpassung und Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enkulturation, Sozialisation und Personalisation – Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 94 95 95 96

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Pädagogische Autorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorität haben vs. autoritär sein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legitimation pädagogischer Autorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte pädagogischer Autorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingungen eines positiven Autoritätsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen und Gefahren pädagogischer Autorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 99 101 102 102 104 105 105 106 107

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Pädagogischer Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennzeichen des pädagogischen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit des pädagogischen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung des pädagogischen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik, Grenzen und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 110 111 113 114 116 117 117 118

8 8.1 8.2 8.3

Erziehungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lewins typologisches Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das dimensionsorientierte Konzept nach Tausch und Tausch . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120 121 122 125 127 127 128

9 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3

Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung nach Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung nach Domke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung nach Seitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130 131 133 134 134 135 7

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Inhaltsverzeichnis

9.3 9.4 9.4.1 9.4.2

Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präventionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interventionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 136 137 139 140 140 141

10 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.4 10.5

Erziehungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterstützende Erziehungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lob und Belohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolg und Ermutigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich-Botschaften und aktives Zuhören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermahnung, Tadel und Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafe und Bestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 144 146 146 148 150 150 151 151 153 153 154 156 156 157 158

Schulpädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161

1

Schulpädagogik als Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

Unterrichtsprinzipien allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fundierende Unterrichtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielorientierung/Zielgemäßheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachorientierung/Sachgemäßheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schülerorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3

Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe und Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anthropologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pädagogische Begründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziologisch-gesellschaftliche Begründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehung zur Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für eine Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seitens der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seitens der Schülerinnen und Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten der Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

178 179 180 180 181 181 182 183

4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4

Regulierendes Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung der Ergebnissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anthropologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pädagogische Begründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziologisch-gesellschaftliche Begründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulpädagogische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realisierung des Unterrichtsprinzips Ergebnissicherung . . . . . . . . . . . . . . Formen der Ergebnissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederholungsstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen, Schwierigkeiten, Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 190 191 191 192 192 192 193 193 193 195 195 196 197

5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.4

Regulierendes Unterrichtsprinzip Anschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung des Unterrichtsprinzips Anschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anthropologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pädagogische Begründung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychologische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung des Unterrichtsprinzips Veranschaulichung. . . . . . . . . . . . . . Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 200 201 201 202 202 203 205 206 207

3.3.1 3.3.2 3.4 3.5

183 183 184 184 186 187 187

9

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Inhaltsverzeichnis

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Differenzierung im Unterricht . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten der Inneren Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individualisierung als Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwort Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 210 212 213 214 215 216 217 218

7 7.1 7.2 7.3

Unterrichtsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtsmethoden auf drei Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb von Methodenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220 221 222 224 225 225 226

8 8.1 8.2 8.3 8.4

Lernen in der Gemeinschaft – Sozialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterscheidung der Sozialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenschau der Sozialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechsel der Sozialform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 228 228 229 230 232 232 233

9 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.4

Unterrichtsformen mit System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darbietende (darstellende) Unterrichtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung und Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Didaktischer Einsatz und Gestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erarbeitende Unterrichtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung und Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwickelnde Unterrichtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impulsgebende Unterrichtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgebende Unterrichtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entdeckenlassende Unterrichtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 235 237 237 238 239 239 239 240 240 241 242 242 243

10

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10 10.1 10.2 10.3

Merkmale guten Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilbert Meyer: Merkmale guten Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hattie-Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 247 248 251 252 252 252

Leistungsmessung und -bewertung – notwendiges Übel oder Motivationshilfe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Leistung in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Leistungsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Leistungsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Bezugsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Zensuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Alternative Bewertungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Herausforderungen im Schulalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254 255 256 259 259 260 261 262 262 264 265 266

11

12 12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5

Zwischen Instruktion und Konstruktion – die richtige Balance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsrezept Direkte Instruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorteile und Stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ist das nicht das Gleiche wie Frontalunterricht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offener Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale und Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realisierungsmöglichkeiten der Öffnung von Unterricht . . . . . . . . . . . . Königsmethode Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annäherung an einen vielschichtigen Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projektverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele und Stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik, Herausforderungen und Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

268 269 270 270 271 271 273 276 276 277 279 281 282 282 284 286 288 289 289 11

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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290 292

Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Beitrag didaktischer Medien zu erfolgreichem Unterricht . . . . . . . . Grundsätzliche Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293 294 298 299 301 301 302

Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305

1 1.1 1.2 1.3

Psychologie als Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alltagspsychologie vs. wissenschaftliche Psychologie. . . . . . . . . . . . . . . Teilgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309 310 311 312 313 314

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2

Pädagogisch-psychologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pädagogische Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pädagogisch-psychologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostischer Prozess, Methoden, Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostischer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der pädagogisch-psychologischen Diagnostik . . . . . . . . . . . . Gütekriterien von Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themenfelder pädagogisch-psychologischer Diagnostik . . . . . . . . . . . . Schulreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

316 317 317 318 321 323 323 325 327 328 328 330 331 332 334

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1

Entwicklungspsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungspsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte, Ursachen und Modelle von Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte und Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

336 337 337 339 341 341

13 13.1 13.2 13.3

12

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3.2.2 3.3

Phasen- und Stufenmodelle der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entwicklung menschlichen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

342 344 347 347 349

4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.4 4.5

Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behavioristische Lerntheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassisches Konditionieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operantes Konditionieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitive Lerntheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernen am Modell – die sozial-kognitive Lerntheorie . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktivistische Lerntheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351 352 355 356 357 359 360 362 364 364 366

5

Gehirn und Gedächtnis als Grundlage von Lernprozessen – Lernen als aktive Verarbeitung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . Das menschliche Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das menschliche Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedächtnisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedächtnismodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

369 370 373 373 374 375 380 381 382

Selbstgesteuertes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstgesteuertes Lernen als Zielsetzung von Lernprozessen . . . . . . . . Selbstgesteuertes Lernen lernen und lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernstrategien – Grundlage selbstgesteuerten Lernens . . . . . . . . . . . . . Metakognitive Kontrollstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metakognitives Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primäre Lernstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundäre Lernstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Förderung von Lernstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384 385 388 389 389 394 394 395 397 397 399 399 401

5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3

6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6

13

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Inhaltsverzeichnis

7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4

14

Motivation in Lernprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivationstheoretische Ansätze – Motivationsmodelle . . . . . . . . . . . . Historische Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie . . . . . . . . . . . . . . Erweitertes kognitives Motivationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf . . . . . . . . . . . . . Motivation und Schule – (be-)merkenswerte Zusammenhänge . . . . . . . Literaturtipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

404 405 407 409 409 410 411 412 413 414 414 416

Weitere Aspekte – oder: Was nicht unterschlagen werden darf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

419

1 1.1 1.2 1.3

Schulleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421 421 422 424 426 427

2 2.1 2.2 2.3 2.4

Lehrpläne, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung . . . . . . . . . . Lehrpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrpläne und Bildungsstandards im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzen und Kompetenzorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissens- und Transferaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

429 429 430 430 431 433 434

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

437

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449

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Lieber angehender Lehrer, liebe angehende Lehrerin, herzlichen Glückwunsch zur Entscheidung, Lehrerin oder Lehrer zu werden. Sie bereiten sich auf einen der spannendsten, abwechslungsreichsten Berufe überhaupt vor. Solange Sie es sich nicht vorstellen können, Tag für Tag ein und derselben Tätigkeit nachzugehen, solange es für Sie unvorstellbar erscheint, früh morgens bereits zu wissen, welche Aufgaben und Herausforderungen der Tag für Sie bereithält, dann sind Sie in diesem Beruf richtig. Vor den Herausforderungen im schulischen Alltag jedoch stehen die Herausforderungen, die ein Studium und vor allem ein Lehramtsstudium mit sich bringt. Eine dieser Herausforderungen sind Lehrveranstaltungen und Prüfungen in den Erziehungswissenschaften Pädagogik, Schulpädagogik und Psychologie. Das Studium der Erziehungswissenschaften soll Sie beim Erwerb pädagogischer und psychologischer Kompetenz unterstützen, um Sie auf den Umgang mit Schülerinnen und Schülern vorzubereiten und Sie für die Arbeit als Lehrkraft zu befähigen. Ohne pädagogisches und psychologisches Wissen und ohne entsprechende Handlungskompetenz ist die erfolgreiche Ausübung der Tätigkeit einer Lehrkraft undenkbar. Dennoch sind viele Studierende gerade mit dem Anteil der Erziehungswissenschaften in ihrem Studium nicht wirklich glücklich. Ehemalige Lehramtsstudierende kritisieren vor allem fünf Punkte:

1. Fehlender Praxisbezug Es wird beklagt, dass vor allem in den pädagogischen und psychologischen Veranstaltungen allgemeines Theoriewissen vermittelt wird, der konkrete Bezug zur Lehrertätigkeit jedoch zu selten gelingt. Welche Bedeutung die vermittelten Inhalte speziell für Lehrerinnen und Lehrer haben, müssen die Studierenden alleine herausinden.

2. Mangelnde Zielgruppengemäßheit In vielen Veranstaltungen sitzen Lehramtsstudierende gemeinsam mit Studierenden, die sich stärker spezialisiert haben und beispielsweise einen Master in Pädagogik anstreben. Aufgrund ihrer 15

Lieber angehender Lehrer, liebe angehende Lehrerin

Spezialisierung können diese auf deutlich umfangreicheres Hintergrundwissen zurückgreifen, sodass Lehramtsstudierende natürlich überfordert sind, wenn Dozierende und Professoren sich an diesen orientieren.

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3. Vermittlung von Detailwissen Viele ehemalige Studierende beklagen, dass Lehrveranstaltungen kein Grundlagenwissen vermitteln, sondern sich ausgesuchten Details widmen. Als rhetorisch zugespitztes Beispiel nannte ein Studienabbrecher den „Umgang mit Erziehungsschwierigkeiten im Unterricht der Volksschule Kleinkleckersdorf zwischen dem 1. Oktober 1912 und dem daraufolgenden Mittwoch“.

4. Mangelnde Verknüpfung mit den Praktika Aufgrund der Organisationsstruktur der Universitäten ist es in erziehungswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen häuig nicht möglich, konkret Bezug auf die von den Studierenden absolvierten Praktika zu nehmen. Das ist insofern besonders schade, als gerade diese eigentlich die Gelegenheit bieten, Theorie und Praxis aufeinander zu beziehen.

5. Endlose Literaturlisten Die Literaturlisten der einzelnen Professorinnen und Professoren umfassen jeweils mehrere Din-A4-Blätter und selbstverständlich ist ein Werk wichtiger als das andere – leider aber auch unverständlicher als das andere. All diesen Schwierigkeiten begegnet das vorliegende Buch, indem es sich gezielt an Lehramtsstudierende richtet und diesen berufsbezogenes Wissen verständlich und vor allem praxisbezogen präsentiert. Beispiele aus dem konkreten Schulalltag erleichtern nicht nur die Verknüpfung von Praxis und Theorie, sondern tragen auch zur Verständlichkeit bei. Konkrete Relexions- und Transferaufgaben stellen den Lernerfolg sicher und helfen bei der Vernetzung der einzelnen Informationen. Außerdem endet jedes Kapitel mit einigen wenigen ausgewählten, knapp kommentierten Literaturempfehlungen. 16

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Lieber angehender Lehrer, liebe angehende Lehrerin

Den Großteil dieses Buchs machen drei Kapitel zu den Erziehungswissenschaften Pädagogik, Schulpädagogik und Psychologie aus. Diese bilden neben den von Ihnen studierten Unterrichtsfächern sowie deren Didaktik und den für Sie anstehenden Praktika die dritte zentrale Säule der Lehrerbildung. Eingerahmt werden diese drei Hauptkapitel von einigen deutlich kürzeren Ausführungen zu Themen, die zwar der Pädagogik oder Schulpädagogik zugeordnet werden, die jedoch entweder Grundlage für die pädagogischen, schulpädagogischen und psychologischen Ausführungen sind oder sich folgelogisch aus diesen ergeben.

Abb. 1 | Aufbau und Inhalte dieses Buchs

Ziele Dieses Buch dient dazu, Ihnen einen verständlichen Einblick in die Erziehungswissenschaften zu geben. Dies kann Ihnen in unterschiedlichen Situationen gute Dienste tun: • In vielen Lehrveranstaltungen an Universitäten werden Sie sich sehr tiefgehend mit einzelnen Aspekte der Erziehungswissenschaften auseinandersetzen. Dieses Buch kann Ihnen helfen, diese Aspekte in einen größeren Kontext einzuordnen. • Bei der eigenständigen Erarbeitung erziehungswissenschaftlicher Themen – beispielsweise bei der Vorbereitung eines Referats – vermittelt Ihnen dieses Buch gut verständlich die Grundlagen und bietet somit eine Basis für die weitergehende Auseinandersetzung. Die zahlreichen Literaturempfehlungen helfen dabei zusätzlich. 17

Lieber angehender Lehrer, liebe angehende Lehrerin

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• Glücklicherweise sind Praktika mittlerweile in der Regel von Beginn an fester Bestandteil der Lehrerbildung. Diese positive Entwicklung trägt viel zur Qualität des Lehramtsstudiums bei, bringt jedoch häufig auch ein Problem mit sich: Unter Umständen beobachten Sie im Praktikum Sachverhalte, die Sie noch nicht wissenschaftlich einordnen können, da Sie das entsprechende pädagogische, schulpädagogische oder psychologische Wissen noch nicht haben. Hier schafft dieses Buch Abhilfe. • Während viele Lehrveranstaltungen ausgewählte Aspekte sehr tiefgehend behandeln, werden in Staatsexamensprüfungen häufig wesentlich allgemeinere Fragen gestellt. Hier dient dieses Buch der Prüfungsvorbereitung. Darüber hinaus wendet sich dieses Buch aber nicht nur an Lehramtsstudierende, sondern auch an Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und an fertige Lehrkräfte: • Gerade im Vorbereitungsdienst ist es nicht nur in Vorführ- und Prüfungsstunden wichtig, das eigene Handeln aus Sicht der Erziehungswissenschaften zu reflektieren und zu begründen. Dieses Buch ist eine übersichtliche, verständliche Alternative zum Wälzen zahlreicher Fachbücher, für das in der Regel die Zeit fehlt. • Aber auch fertige Lehrkräfte profitieren von diesem Buch, da es gut verständlich und in knapper Form das theoretische Wissen enthält, das bei Unterrichtsvorbereitung und erzieherischem Handeln Orientierung bietet.

Umgang mit dem Buch Es wurde schon mehrfach betont, dass dieses Buch großen Wert auf die Verständlichkeit der Inhalte legt. Hierzu wurde vor allem auf die folgenden Aspekte geachtet: • komplexe Inhalte werden verständlich aufbereitet • auf die für viele pädagogische Werke typische, verkomplizierende Sprache wird verzichtet • konkrete Beispiele aus der realen Schulpraxis veranschaulichen die Inhalte • die einzelnen Kapitel sind besonders übersichtlich strukturiert • an sehr vielen Stellen wird mit Aufzählungslisten gearbeitet • viele Inhalte werden nicht nur in Textform, sondern auch mittels Abbildungen dargestellt 18

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Lieber angehender Lehrer, liebe angehende Lehrerin

Darüber hinaus wurde großer Wert auf die Struktur der einzelnen Unterkapitel gelegt – nutzen Sie diese gezielt: • Jedes Unterkapitel beginnt mit einer Übersicht über dieses Kapitel, der Nennung konkreter Inhalte und ein oder mehreren Reflexionsaufgaben. Nutzen Sie diese bewusst, um sich auf den Inhalt des Unterkapitels vorzubereiten und um Ihr Vorwissen zu aktivieren. • Jedes Unterkapitel endet mit einer stichpunktartigen Zusammenfassung. Hier erfahren Sie in knapper Form die zentralen Inhalte. Entweder nutzen Sie diese Zusammenfassung, um sich vor der Lektüre des Kapitels bereits einen Überblick zu verschaffen oder um eventuell erstellte eigene Zusammenfassungen abschließend auf Vollständigkeit hin zu überprüfen. • Zusätzlich wird jedes Unterkapitel mit Wissens- und Transferaufgaben abgeschlossen. Mit diesen überprüfen Sie, ob Sie die Inhalte behalten und verstanden haben. Außerdem übertragen Sie die gelesenen Inhalte auf die Schulpraxis.

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Erziehungswissenschaften im Kontext von Schule und Lehrkraft

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1 Die Schule – Ihr Arbeitsplatz Neben häuig rar gesäten Funktionsstellen, die Lehrkräfte und ehemalige Lehrkräfte beispielsweise in Schulämter und Ministerien führen können, stellt die Schule für die meisten Lehrkräfte noch immer den üblichen Arbeitsort dar. Diese kann in zweifacher Hinsicht als gesellschaftliche Institution gesehen werden: 1. So ist Schule sowohl eine Institution der Gesellschaft als auch 2. eine Institution für die Gesellschaft. Eine sehr umfangreiche, zitierfähige Deinition des Begrifs „Schule“ liefert Keck: Unter S. [Schule] verstehen wir eine Einrichtung der Gesellschaft mit dem Zweck, Lehren und Lernen in der Form des öffentlichen Unterrichts zu organisieren und dadurch den Fortbestand der Kultur für die jeweils nächstfolgende Generation zu garantieren durch die Weitergabe der wesentlichen Grundlagen des menschlichen Wissens und der sittlich-sozialen Normen der Gesellschaft.

Deinition Schule

(Köck & Ott 1994: 279)

Gerade der Aspekt des Fortbestands der Kultur indet sich auch bereits bei Fend, der Schulen als Orte gesellschaftlich kontrollierter und veranstalteter Sozialisation bezeichnet. (vgl. Fend 1980: 4)

1.1 Rahmenbedingungen Die Rahmenbedingungen an Ihrem zukünftigen Arbeitsplatz setzen neben dem Grundgesetz vor allem die jeweiligen Landesverfassungen und Lehrpläne. So regelt das Grundgesetz in Artikel 7 die Verplichtung und Verantwortung hinsichtlich des Schulwesens folgendermaßen: (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. (4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet.

Grundgesetz

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Erziehungswissenschaften im Kontext

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Bayerische Verfassung

Da den Bundesländern die sogenannte Kulturhoheit zusteht, lohnt ein Blick in die einzelnen Landesverfassungen. Exemplarisch werden an dieser Stelle die Verfassungen der Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen herangezogen: In der bayerischen Verfassung sind es vor allem die Artikel 129 bis 131, die für Lehrkräfte relevant sind: Artikel 129: (1) Alle Kinder sind zum Besuch der Volksschule und der Berufsschule verpflichtet. (5) Der Unterricht an diesen Schulen ist unentgeltlich. Artikel 130: (1) Das gesamte Schul- und Bildungswesen steht unter der Aufsicht des Staates, er kann daran die Gemeinden beteiligen. Art 131: Ziele der Bildung (1) Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden. (6) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt. (7) Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.

Verfassung Nordrhein-Westfalen

Die Verfassung von Nordrhein-Westfalen widmet sich im dritten Abschnitt den Themen Schule, Kunst und Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften. Relevant für Sie sind vor allem die folgenden Artikel: Artikel 7 (1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung. (2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.

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1 Die Schule – Ihr Arbeitsplatz

Artikel 8 (1) Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung. Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens. Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, daß das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht. (2) Es besteht allgemeine Schulpflicht. Das Nähere regelt ein Gesetz. (3) Land und Gemeinden haben die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich tätige, fachlich vorgebildete Beamte ausgeübt. […] Artikel 10 (1) Das Schulwesen des Landes baut sich auf einer für alle Kinder verbindlichen Grundschule auf. Das Schulwesen wird durch die Mannigfaltigkeit der Lebens- und Berufsaufgaben bestimmt. Das Land gewährleistet ein ausreichendes und vielfältiges öffentliches Schulwesen, das ein gegliedertes Schulsystem, integrierte Schulformen sowie weitere andere Schulformen ermöglicht. Für die Aufnahme in eine Schule sind Anlage und Neigung des Kindes maßgebend, nicht die wirtschaftliche Lage und die gesellschaftliche Stellung der Eltern. (2) Die Erziehungsberechtigten wirken durch Elternvertretungen an der Gestaltung des Schulwesens mit. Artikel 11 In allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand und staatsbürgerliche Erziehung verplichtende Aufgabe. Artikel 12 (1) Schulen müssen entsprechend ihren Bildungszielen nach Organisation und Ausstattung die Voraussetzungen eines geordneten Schulbetriebs erfüllen. (2) Grundschulen sind Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten sind, soweit ein geordneter Schulbetrieb gewährleistet ist, Grundschulen einzurichten. (3) In Gemeinschaftsschulen werden Kinder auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen 25

Erziehungswissenschaften im Kontext

Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen. […]

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1.2 Funktionen der Schule

3 Funktionen der Schule nach Fendt

1. Qualiikationsfunktion

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Wie bereits ausgeführt ist die Schule nicht nur eine Institution der Gesellschaft, sondern auch eine Institution für die Gesellschaft und dient von daher gesellschaftlichen Interessen. Sie soll dazu beitragen, die nachkommende Generation in die Gesellschaft zu integrieren, da dies Elternhäuser alleine nicht leisten können. Die eigenen Kinder alleine auf das Leben als Erwachsene vorzubereiten und ihnen all die Fähigkeiten zu vermitteln, die in unserer hochentwickelten Welt notwendig sind, würde Eltern überfordern. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen von Schule wird vor allem seit den 1960er Jahren geführt. Zu nennen ist hier der Name Talcott Parsons, dessen Aufsatz „Die Schulklasse als soziales System“ jedoch noch nicht die Schule als Ganzes im Blick hat (vgl. Parsons 1959). Heute ist die Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen der Schule vor allem mit dem österreichischen Professor für Pädagogik Helmut Fend (*1940) verbunden. Ihm zufolge dient Schule seit jeher der Reproduktion der jeweiligen Gesellschaft über die Sozialisation der heranwachsenden Generation. Auf Fend Bezug nehmend wird heute in der Regel von drei konkreten Funktionen der Schule gesprochen: • Qualifikationsfunktion • Selektionsfunktion • Legitimationsfunktion Unter dem Begrif „Qualiikationsfunktion“ fasst Fend die Funktion der Schule zusammen, den Schülerinnen und Schülern die Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, insbesondere zur Ausübung eines Berufes, benötigt werden. Dies umfasst einerseits elementare Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen und andererseits die Förderung berufsorientierter Schlüsselkompetenzen wie Lernfähigkeit, Fleiß, Disziplin und Flexibilität. Die der Qualiikationsfunktion entgegengebrachte Wertschätzung stieg im Deutschland der 1960er-Jahre enorm an, da zu diesem Zeitpunkt Befürchtungen aufkamen, durch geringe Bildungsbeteiligung den Anschluss an westliche Industrie-

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1 Die Schule – Ihr Arbeitsplatz

nationen zu verlieren. Ein enormer Ausbau des Bildungswesens sollte die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sicherstellen. Einen gut ausgebildeten Bürger, dem in der Schule die richtigen, berufsorientierten Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt wurden, sah man als Garant für einen positiven Beitrag zur Wirtschaftsleistung Deutschlands. Vor dem Hintergrund ihrer Selektionsfunktion dient Schule der Reproduktion der Sozialstruktur der Gesellschaft. Mittels Prüfungen, Notenvergabe und Zeugnissen ermöglicht Schule den Schülerinnen und Schülern bestimmte Schullaufbahnen und Schulabschlüsse. Diese ermöglichen wiederum die Wahl bestimmter Berufs- und Studienlaufbahnen. Somit weist Schule ihren Schülerinnen und Schülern aufgrund deren Leistungsfähigkeit Positionen innerhalb der Gesellschaft zu. Deshalb inden Sie die Selektionsfunktion in der Literatur auch unter den Bezeichnungen „Zuweisungs-“ oder „Allokationsfunktion“. Besondere Bedeutung kommt dieser Funktion zu, da durch sie der soziale Status einer Person von ihrer sozialen Herkunft gelöst wird. Als Legitimationsfunktion bezeichnet Fend die Funktion der Schule, die normativen Grundlagen der Herrschaftsverhältnisse zu reproduzieren. Schule stabilisiert die Gesellschaft durch die Vermittlung bestimmter Werte und Normen. Indem der Staat das Schulsystem organisiert, Lehrkräfte ausbildet und diesen in Lehrplänen verbindliche Vorgaben macht, sichert er dauerhaft das Vertrauen seiner Bürger in die Legitimation der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Diese Funktionen von Schule gilt es aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch zu hinterfragen: • Qualifiziert Schule entsprechend ihrer Qualifikationsfunktion die nachwachsende Gesellschaft für das Berufsleben, muss sie eigentlich in der Arbeitswelt der Zukunft benötigte Fertigkeiten und Kenntnisse vermitteln. Hier stößt sie an ihre Grenzen. • Grenzen scheinen der Schule auch bei der Wahrnehmung ihrer Selektionsfunktion gesetzt, berücksichtigt man den engen Zusammenhang des Schulabschlusses mit der sozialen Herkunft, den unzählige Studien belegen. Dabei sind die Abstammung aus einem Arbeiterhaushalt ebenso wie ein Migrationshintergrund typische Bildungsrisiken. • Darüber hinaus widersprechen sich Qualifikationsfunktion und Legitimationsfunktion bis zu einem gewissen Grad. So führt gerade eine hohe Qualifikation dazu, dass die bestehenden Herr-

2. Selektionsfunktion

3. Legitimationsfunktion

Kritische Fragen

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Erziehungswissenschaften im Kontext

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schaftsverhältnisse eben nicht als legitim betrachtet, sondern vielmehr hinterfragt und in Frage gestellt werden. • Andererseits findet sich auch ein Widerspruch zwischen Qualifikations- und Selektionsfunktion. Erfüllen Schulen ihre Qualifikationsfunktion besonders gut, erwerben immer mehr Schülerinnen und Schüler höhere Abschlüsse. Dieser Fall scheint besonders aktuell, da die Anzahl der Schulabgänger mit Allgemeiner oder Fachgebundener Hochschulreife kontinuierlich steigt. Aufgrund dieser scheinbar besonders erfolgreichen Erfüllung der Qualifikationsfunktion kann Schule ihre Selektionsfunktion nur noch bedingt erfüllen. Weitere Funktionen

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Dass es neben diesen der Schule traditionell zugesprochenen Funktionen noch weitere geben muss, macht Hartmut von Hentig klar, wenn er diese als „herkömmliche Aufgaben“ (von Hentig 1993: 196) bezeichnet. So mag beispielsweise in einer Zeit, in der Kinder häuig bei Alleinerziehenden aufwachsen oder in Familien, in denen beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die Schule auch die Funktion der Verwahrung und Betreuung erfüllen. Hierbei ist die Rede von der kustodialen Funktion der Schule. Bedenken Sie, dass eine Lehrkraft nahezu unbehelligt schlechten Unterricht halten und somit beispielsweise die Qualiikationsfunktion ungenügend erfüllen kann. Beendet sie jedoch den Unterricht früher, lässt ihn ausfallen, schickt ihre Schülerinnen und Schüler vor Schulschluss nach Hause, drohen ihr empindliche disziplinarische Konsequenzen.

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2 Lehrerin oder Lehrer sein – Ihr Berufsziel Hat unter anderem Hilbert Meyer die Frage Was ist guter Unterricht? (vgl. Kapitel Schulpädagogik 10) bereits ausführlich beantwortet und ein Sammelsurium relevanter Kriterien zusammengestellt, so bleibt eine zweite, für schulischen Erfolg ebenso zentrale Frage bislang unbeantwortet: Was ist eine gute Lehrerin, was ist ein guter Lehrer? anders, zeitgemäß und operationalisierbar formuliert: Welche Aufgaben muss eine Lehrkraft bewältigen? Welche Kompetenzen benötigt eine Lehrkraft dazu? Welches Kompetenzproil ist für Lehrkräfte wünschenswert? Diese Frage ist insofern von aktueller Bedeutung auch für Studierende, als Ziel von Lehrerbildung der Erwerb der Kompetenzen sein muss, die eine gute Lehrkraft ausmachen. Ihr wird auf den folgenden Seiten nachgegangen, wobei zuerst das für Lehrkräfte entworfene Aufgabenproil des Deutschen Bildungsrates dargestellt wird sowie das darauf aufbauende Berufsbild der Kultusministerkonferenz und der Lehrerverbände von 2004. Anschließend wird zunächst ein Blick auf das Kompetenzmodell für Lehrkräfte nach Weinert, Schrader und Helmke (1990 und 2001) und danach auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz zu Kompetenzen und Standards für die Lehrerbildung von 2004 geworfen. Beide Kompetenzmodelle weisen ihre Schwächen auf – während ersteres doch schon etwas in die Jahre gekommen ist, kann zweitem die fehlende „konzeptionelle oder begründende theoretische Argumentation“ (Girmes 2006: 18) vorgeworfen werden. Dennoch werden bewusst diese Ansätze dargestellt, da sie dem Berufsanfänger und Lehramtsstudierenden einerseits einen guten, verständlichen Überblick über das Kompetenzproil von Lehrkräften geben und andererseits die seitens der Kultusministerien an zukünftige Lehrkräfte gestellten Anforderungen verdeutlicht.

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Erziehungswissenschaften im Kontext

2.1 Das Berufsbild der Lehrkräfte 2.1.1 Deutscher Bildungsrat – Der Strukturplan für das Bildungswesen von 1970

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BLEIB

An keiner Schulart darf sich eine Lehrkraft darauf beschränken, bloßer Wissensvermittler zu sein. Vielmehr haben Lehrkräfte eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben zu erledigen. Wenngleich diese Erkenntnis sich erst allmählich auch in den letzten Köpfen durchsetzt, so ist sie doch eigentlich spätestens seit dem auf den Philosophen, Psychologen und Pädagogen Herbart (1776–1841) zurückgehenden Konzept des erziehenden Unterrichts ein alter Hut. Aber auch der Deutsche Bildungsrat von Bund und Ländern beschreibt bereits 1970 in seinem Strukturplan für das Bildungswesen das Berufsbild der Lehrkraft anhand ihrer Aufgaben. Dieses Konzept erhielt aufgrund der Anfangsbuchstaben der aufgeführten Aufgaben im Wortschatz Studierender und vieler Dozierender den Beinamen BLEIB (vgl. Abbildung 2).

Beurteilen

Lehren

Erziehen

Innovieren

Beurteilen

Abb. 2 | Aufgaben der Lehrkraft laut Deutscher Bildungsrat (1970)

Zu der Aufgabe des Lehrens zählt der Deutsche Bildungsrat die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten sowie von Lerntechniken und Transferdenken. Ziel der Erziehungsaufgabe der Lehrkraft ist, die Schülerinnen und Schüler bei ihrer persönlichen Entfaltung und ihrer Integration in die Gesellschaft zu unterstützen. Beurteilungsaufgaben übernimmt die Lehrkraft in der Unterrichtspraxis täglich. Dabei ist es von Wichtigkeit, objektive Maßstäbe anzulegen und die individuelle Entwicklung der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers zu berücksichtigen. Zukunftsweisend für die damalige Zeit  – Schützenmeister (2002: 211) spricht von einer neuartigen „Akzentuierung des Lehrerbildes“ – waren die letzten beiden Aufgaben: Beraten und Innovieren. Als Berater kommt der Lehrkraft die Aufgabe zu, der Schülerin und dem Schüler Orientierungshilfe zu geben und sie bzw. ihn bei Schullaufbahnentscheidungen und Fragen der Berufswahl zu beraten. Darüber hinaus fällt auch die Beratung von Eltern in Erziehungsfragen in ihren Aufgabenbereich. 30

2 Lehrerin oder Lehrer sein – Ihr Berufsziel

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Als Experte für Innovationen nimmt die Lehrkraft neue methodische, didaktische und curriculare Ansätze kritisch zur Kenntnis und richtet ihr beruliches Handeln an diesen aus.

2.1.2 Die Erklärung von Kultusministerkonferenz und Lehrerverbänden im Jahre 2004 Auf Basis des mehr als drei Jahrzehnte alten Konzepts des Deutschen Bildungsrats verabschiedeten Kultusministerkonferenz und Vorsitzende der Lehrerverbände 2000 eine gemeinsame Erklärung zum Berufsbild der Lehrkräfte. Demzufolge engagieren Lehrkräfte sich in fünf Bereichen: • Lehren und Lernen Diese Aufgabe wird bewusst als „Kernaufgabe“ (KMK 2004: 3) bezeichnet, die entscheidend für die berufliche Qualität von Lehrkräften ist. • Erziehung Diese ist eng mit Unterricht und Schulleben (vgl. Kapitel Weitere Aspekte 1) verknüpft und bedarf der Zusammenarbeit mit den Eltern. • Beurteilung und Beratung Diese Aufgaben stellen hohe Ansprüche an pädagogisch-psychologische und diagnostische Kompetenzen der Lehrkräfte. • Persönliche Kompetenzentwicklung Diese vollzieht sich durch Fort- und Weiterbildung sowie durch die Kontaktpflege zu außerschulischen Einrichtungen und Arbeitswelt. • Schulentwicklung Hierzu ist die aktive Gestaltung einer lernförderlichen Schulkultur und eines motivierenden Schulklimas sowie die Mitarbeit an internen und externen Evaluationen notwendig (nach KMK 2004: 3).

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Erziehungswissenschaften im Kontext

2.2 Kompetenzen für Lehrkräfte 2.2.1 Kompetenzen nach Weinert Weinert deiniert Kompetenzen als Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

Deinition Kompetenz

die bei Individuen verfügbaren und durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (Weinert 2001: 27f.)

4 Kompetenzen

Bezogen auf den von Ihnen angestrebten Beruf bedeutet dies, dass sich die kompetente Lehrkraft in den unterschiedlichen, schnell wechselnden Situationen des Unterrichts auf umfangreiches handlungsleitendes Wissen stützt, um die unterrichtlichen Anforderungen zu bewältigen. Weinert, Schrader und Helmke (1990) sowie Weinert (2001) identiizieren vier zentrale Kompetenzen, über die Lehrkräfte verfügen müssen, um den an sie herangetragenen Aufgaben gerecht werden zu können. Wie in Abbildung 3 zu sehen, handelt es sich dabei um didaktische, diagnostische, Sach- und Klassenführungskompetenz.

Abb. 3 | Kompetenzen der Lehrkraft nach Weinert, Schrader und Helmke (1990)

1. Didaktische Kompetenz 32

Die didaktisch kompetente Lehrkraft setzt zur Erreichung der schulischen Ziele geeignete Unterrichtsmethoden und Unterrichtsformen sinnvoll ein.

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2 Lehrerin oder Lehrer sein – Ihr Berufsziel

In einer Zeit, in der Diferenzierung und Individualisierung immer wichtiger werden, spielt die diagnostische Kompetenz eine bedeutende Rolle. Diagnostische Kompetenz ermöglicht es der Lehrkraft, Wissensstand, Lernwege und fachliche Probleme ihrer Schülerinnen und Schüler fortlaufend zu beurteilen, um das pädagogische Handeln gezielt anpassen zu können. Darüber hinaus umfasst diagnostische Kompetenz auch die Fähigkeit, die Schwierigkeiten verschiedener Lern- und Übungsaufgaben zu erkennen. Sachkompetenz umfasst zunächst natürlich das Wissen und Können der zu vermittelnden Lerninhalte. Dieses Beherrschen der Lerninhalte in ihren wissenschaftlichen Gehalten allein jedoch macht Sachkompetenz noch nicht aus. Vielmehr muss die Lehrkraft sich auch über die didaktische Strukturierbarkeit der Inhalte im Klaren sein. Sachkompetenz umfasst von daher einerseits das Wissen um die richtige Vermittlung der Inhalte in eben dieser Altersstufe und andererseits das richtige Einschätzen des Schwierigkeitsgrads für die einzelnen Schülerinnen und Schüler. Der Klassenführungskompetenz liegt die Überzeugung zugrunde, dass Lernerfolg eng mit der Motivation der Schülerinnen und Schüler einerseits und der für den Wissenserwerb aufgewandten Zeit andererseits zusammenhängt. Klassenführungskompetenz bezeichnet dementsprechend die Fähigkeit der Lehrkraft, die Schülerinnen und Schüler für die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsinhalt zu motivieren, ihre Konzentration aufrechtzuerhalten und Störungen und Unterbrechungen des Unterrichts zu minimieren, um möglichst ausdauerndes Lernen zu ermöglichen.

2. Diagnostische Kompetenz

3. Sachkompetenz

4. Klassenführungskompetenz

2.2.2 Kompetenzen laut Kultusministerkonferenz Einen anderen, nicht zu Unrecht als wenig wissenschaftlich (vgl. Girmes 2006: 18) kritisierten Weg beschreitet die Kultusministerkonferenz in ihrem Beschluss vom 16.12.2004. Mit dem Ziel, die Qualität schulischer Bildung zu sichern, werden Anforderungen formuliert, die Lehrkräfte erfüllen sollen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das 2000 von der Kultusministerkonferenz gemeinsam mit den Lehrerverbänden formulierte Berufsbild der Lehrkräfte. Ausgehend von diesen Aufgaben leitet die Kultusministerkonferenz wie in Tabelle 1 zu sehen vier Kompetenzbereiche und elf Kompetenzen ab (vgl. KMK 2004). 33

Erziehungswissenschaften im Kontext Tabelle 1 | Kompetenzen der Lehrkraft (nach KMK 2004)

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Kompetenzbereiche

Kompetenzen

Unterrichten Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lehren und Lernen

Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fachund sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch.

Lehrerinnen und Lehrer unterstützen durch die Gestaltung von Lernsituationen das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Sie motivieren Schülerinnen und Schüler und befähigen sie, Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen.

Lehrerinnen und Lehrer fördern die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten.

Erziehen Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Erziehungsaufgabe aus.

Lehrerinnen und Lehrer kennen die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen von Schülerinnen und Schülern und nehmen im Rahmen der Schule Einluss auf deren individuelle Entwicklung.

Lehrerinnen und Lehrer vermitteln Werte und Normen und unterstützen selbstbestimmtes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern.

Lehrerinnen und Lehrer inden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konlikte in Schule und Unterricht.

Beurteilen Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Beurteilungsaufgabe gerecht und verantwortungsbewusst aus.

Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern.

Lehrerinnen und Lehrer erfassen Leistungen von Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe.

Innovieren Lehrerinnen und Lehrer entwickeln ihre Kompetenzen ständig weiter.

Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öfentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verplichtung.

Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe.

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Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhaben.

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Pädagogik

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Dieses Kapitel zur Pädagogik beginnt mit einer bewusst kurz gehaltenen Auseinandersetzung mit der Disziplin der Pädagogik an sich. Daran anknüpfend setzt es sich mit neun pädagogischen Themen auseinander, die sich neben der Erziehung drei Bereichen zuordnen lassen (s. Abbildung 4).

Abb. 4 | Inhalte des Kapitels Pädagogik

Wie bei den Aufgaben und Kompetenzen der Lehrkraft bereits gesehen, zählt für Sie als Lehrkraft nicht allein das Unterrichten zu den Berufsaufgaben, sondern unter anderem auch das Erziehen (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext von Schule und Lehrkraft). Nachdem dieser Begrif und seine Facetten aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet wurden, widmen sich die Kapitel 3, 4 und 5 der eher theoretischen Grundlagen Ihrer erzieherischen Tätigkeit. • Dadurch, dass der Mensch sich in zentralen Gesichtspunkten von anderen Lebewesen unterscheidet, muss und kann er erzogen werden. Neben Erziehung und weiteren Umwelteinflüssen sowie der genetischen Veranlagung spielt auch die Selbststeuerung des Menschen eine wichtige Rolle bei seiner Entwicklung. Fehlende Erziehung kann zu Verwahrlosung oder Hospitalismus führen. • Als beabsichtigte, bewusste Handlung orientiert Erziehung sich immer an Erziehungszielen. Diese haben unterschiedliche Funktionen, variieren von Gesellschaft zu Gesellschaft und unterliegen einem historischen Wandel. • Als Aufgaben der Erziehung leitet sich aus dem Erziehungsziel Mündigkeit die Hilfe zur Entwicklung der Selbstkompetenz, die 37

Pädagogik

Hilfe zur Entwicklung der Sozialkompetenz und die Hilfe bei der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ab.

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Die Lehrkraft in ihrer Funktion als Erzieherin oder Erzieher steht im Mittelpunkt der Kapitel 6, 7 und 8. Ihre Rolle wird vor allem geprägt durch pädagogischen Bezug, pädagogische Autorität und ihren Erziehungsstil. • Dabei bezeichnet Pädagogischer Bezug das besondere Verhältnis zwischen Erzieher und zu Erziehendem, das vermutlich nie wichtiger war als in der Gegenwart. • Pädagogische Autorität dagegen ist geradezu das Gegenteil von autoritärem Auftreten und dem Verbreiten von Angst und Schrecken unter Schülerinnen und Schülern. Es handelt sich dabei vor allem um die Anerkennung, die Ihre Schülerinnen und Schüler Ihnen entgegenbringen. • Der auch außerhalb der Fachdiskussion häufig benutzte Begriff Erziehungsstil bezeichnet Ihre Grundhaltung und die Gesamtheit Ihrer Verhaltensweisen. Den dritten Teil des Pädagogikteils dieses Buchs macht ein für Studierende und Lehramtsanwärter ‚heißes Eisen‘ aus: Der Umgang mit Erziehungsschwierigkeiten bzw. Unterrichtsstörungen und der Einsatz konkreter Erziehungsmaßnahmen in den Kapiteln 9 und 10. • Erziehungsschwierigkeiten sind ein schwer zu fassender und einzugrenzender Gegenstand und auch bei ihrer Klassifikation findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Als Handlungsmöglichkeiten stehen Lehrkräften vorbeugende und intervenierende Maßnahmen zur Verfügung. • Bei Erziehungsmaßnahmen wird in der Regel zwischen unterstützenden und gegenwirkenden Maßnahmen unterschieden.

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1 Pädagogik als Wissenschaft

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1.1 Begriliches 1.2 Bezugswissenschaften 1.3 Teildisziplinen Etwas außerhalb des eigentlichen Kapitels Pädagogik steht dieses erste Unterkapitel Pädagogik als Wissenschaft. Dieses setzt sozusagen den Rahmen oder Überbau für die weiteren Unterkapitel 2 bis 10. Studieren Sie es, um zu erfahren, … • was unter dem Begriff Pädagogik zu verstehen ist. • welche Aufgaben und Ziele die Pädagogik verfolgt. • von welchen weiteren Wissenschaften die Pädagogik abhängig ist. • aus welchen Teildisziplinen die Pädagogik besteht.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Setzen Sie sich bitte kurz mit dem Begriff Pädagogik auseinander. • Was verstehen Sie darunter? Versuchen Sie, den Begriff Pädagogik zu erklären, ohne im folgenden Kapitel nachzulesen. • Was meinen Sie? In welchen Berufsfeldern enthält die Ausbildung Elemente der Pädagogik? Nennen Sie sie.

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Ihr aller Berufswunsch ist es, Lehrerin oder Lehrer zu werden. • Weshalb benötigen Lehrkräfte pädagogisches Wissen? Sammeln Sie stichpunktartig Gründe. • Diskutieren Sie die folgende, tatsächlich getätigte Aussage des Vaters einer Schülerin: „Als Lehrerin ist es ihr Job, den Kindern Wissen zu vermitteln. Vergessen Sie den ganzen Pädagogikmist und konzentrieren Sie sich darauf.“ Was meinen Sie? Wie kommt es zu derartigen Äußerungen? Wie entsteht eine derartige Einstellung?

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Pädagogik

1.1 Begriffliches

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Herkunft

Doppelcharakter

Deinition Pädagogik

Der Begrif Pädagogik ist zurückzuführen auf das Altgriechische paidea, was mit „Erziehung“ oder „Bildung“ übersetzt werden kann und somit über den rein schulischen Kontext hinausweist. Die beiden Wortstämme pais (Kind) und agein (führen) verdeutlichen die ursprüngliche Bedeutung dieser Begrilichkeit: So ist der Pädagoge ursprünglich die Person gewesen, die die Kinder vom Elternhaus zu Bildungsstätten führte. Zu Ende des 18.  Jahrhunderts trat der Begrif Erziehungswissenschaft neben den der Pädagogik. Dies betont den Wissenschaftscharakter. Heute werden beide Begrife synonym verwendet. Die Pädagogik weist eine Art Doppelcharakter auf, da sie einerseits „Handlungswissenschaft“ (Stein 2017: 12) und andererseits „theoretische, fundierte Relexions- und Erfahrungswissenschaft“ (Stein 2017: 12) ist: • So bezeichnet die Pädagogik die konkrete Erziehungspraxis ebenso wie • die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit eben dieser. Stein deiniert Pädagogik folgendermaßen: Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft ist die Wissenschaft, die Prozesse der Erziehung, Bildung, des Lernens und der Sozialisation wissenschaftlich beobachtet, interpretiert, erklärt, die Auswirkungen dieser Prozesse vorhersagt und somit allen hieran beteiligten Personen der pädagogischen Praxis Handlungswissen zur Verfügung stellt. (Stein 2017: 13)

Auf Kulbe geht folgende Deinition zurück: Pädagogik ist die Wissenschaft von der Ausbildung und Erziehung des Menschen […] und deren Institutionalisierung […]. (Kulbe 2017: o. S.)

Selbstverständlich stellen Eltern und Erziehende seit jeher Überlegungen über die richtige Erziehung an und formulieren Regeln dafür. Dennoch dauerte es bis ins 19. Jahrhundert, dass die Pädagogik in den Stand einer Wissenschaft erhoben wurde. Eigene Lehrstühle für die Pädagogik wurden an deutschen Hochschulen erst ab 1920 eingerichtet. 40

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1 Pädagogik als Wissenschaft

Pädagogik beschäftigt sich mit folgenden vier Themengebieten: 1. Sie beschreibt Erziehungs-, Unterrichts- und Lernprozesse der Gegenwart und Vergangenheit. 2. Sie deutet Theorien und Programme, die sich mit den Werten, Normen, Interessen, Zielen und Methoden der Erziehung beschäftigen vor dem Hintergrund von weltanschaulichen, wissenschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen. 3. Sie erklärt die Wirkung von Erziehungsprozessen und versucht herauszufinden, wie Erziehung erfolgreich gestaltet werden kann. 4. Sie analysiert gesellschaftliche Entwicklungen, damit Erziehung in der Gesellschaft reflektiert, bewusst und verantwortungsbewusst gestaltet werden kann (vgl. Schaub und Zenke 2002: 418).

Themengebiete

Ihnen als Lehrkraft kann die Pädagogik bei der Beantwortung folgender Fragen helfen: • Wie wirken sich Eigenschaften und Verhaltensweise meiner Person auf meine Schülerinnen und Schüler aus? • Weshalb ist Erziehung beim Menschen nicht nur möglich, sondern notwendig? • Welche Ziele soll mein erzieherisches Wirken verfolgen? • Weshalb kommt es zu Unterrichtsstörungen und wie begegne ich diesen effektiv? An diesen Leitfragen aus der schulischen Praxis orientieren sich auch die folgenden sieben Kapitel.

1.2 Bezugswissenschaften Einer der Gründe, weshalb die Pädagogik lange Zeit nicht als eigenständige Wissenschaft gesehen wurde, ist ihre Abhängigkeit von den Erkenntnissen vieler anderer Wissenschaften: • Anthropologie • Politikwissenschaft • Biologie • Psychologie • Medizin • Soziologie • Philosophie

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Pädagogik

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1.3 Teildisziplinen Das weite Themenfeld der Pädagogik verdeutlicht ein Blick auf die Vielzahl unterschiedlicher Teildisziplinen. All diesen ist gemein, dass sie sich wissenschaftlich-theoretisch sowie praktisch mit einem Teilbereich der Erziehungs- und Bildungswirklichkeit auseinandersetzen: • Die Allgemeine Pädagogik beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen zu Erziehung und Bildung. • Gegenstand der Andragogik oder Erwachsenenbildung ist das organisierte Lernen Erwachsener im Anschluss an Schule und Berufsausbildung. • Die Berufspädagogik setzt sich mit Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Sozialisation in Ausbildung und Beruf auseinander. • Die Freizeitpädagogik entwickelt und vermittelt Ideen sinnvoller Freizeitgestaltung. • Die Geschichte der Pädagogik zielt auf erzieherische Konzepte und Vorstellungen der Vergangenheit sowie das Leben und Werk bedeutender Pädagogen ab. • Medienpädagogik setzt sich mit pädagogisch relevanten Einflüssen verschiedener Medien auseinander. • Schulpädagogik setzt sich mit Erziehungs- und Bildungsprozessen in der Institution Schule auseinander. • Gegenstand der Sexualpädagogik sind die Erforschung sexueller Sozialisation sowie praktischer Sexualerziehung. • Die Sozialpädagogik zielt auf eine Stärkung der Eigenverantwortung des Menschen und seine Befähigung zur Bewältigung des Lebens (vgl. Hobmair 2008: 15f.).

Zusammenfassung • Der Begriff Pädagogik geht auf das Altgriechische paidea zurück und bezeichnete ursprünglich das Führen und Begleiten von Kindern auf dem Weg zur Schule. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wird synonym der Begriff Erziehungswissenschaft verwendet, um den Charakter der Pädagogik als eigenständige Wissenschaft zu betonen. • Die Pädagogik umfasst vier Themengebiete: 1. Erziehungs-, Unterrichts- und Lernprozesse in Gegenwart und Vergangenheit 2. Werte, Normen, Interessen und Ziele sowie Methoden der Erziehung 3. Wirkung von Erziehungsprozessen 4. Erziehung betreffende gesellschaftliche Entwicklungen 42

1 Pädagogik als Wissenschaft

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• Die Pädagogik ist eng verwoben mit ihren Bezugswissenschaften wie beispielsweise Philosophie oder Psychologie. • Einzelne ihrer Teildisziplinen beschäftigen sich unter pädagogischen Gesichtspunkten mit besonders aktuellen Fragestellungen wie dem Einfluss von Medien, der Gestaltung der Freizeit und praktischer Sexualerziehung.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Pädagogik: • Erklären Sie ihn in Ihren eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Pädagogik an. • Die Begriffe Pädagogik und Erziehungswissenschaft werden synonym verwendet. Wie kommt es, dass zwei Begriffe Verwendung finden? 2. Die Pädagogik setzt sich mit unterschiedlichen Themenbereichen auseinander. • Nennen Sie vier. • Beschreiben Sie für jeden Bereich mindestens zwei konkrete Fragestellungen. 3. Die Pädagogik ist stark auf ihre Bezugswissenschaften angewiesen. • Nennen Sie drei Bezugswissenschaften. • Begründen Sie, inwiefern diese Erkenntnisse für die Pädagogik liefern. 4. Die Pädagogik setzt sich aus einer Vielzahl von Teildisziplinen auseinander. • Nennen Sie vier. • Führen Sie mögliche berufliche Betätigungsfelder für Hochschulabsolventen an, die ihre Schwerpunkte auf diese Teildisziplinen gelegt haben. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe zusammen: • Erstellen Sie gemeinsam eine Mindmap zum Begriff Pädagogik. • Verwenden Sie dabei unterschiedliche Farben für Inhalte, die Sie diesem Kapitel entnommen haben und solche, die Ihnen darüber hinaus bekannt sind. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe zusammen: • Formulieren Sie mindestens fünf Fragen zu diesem Kapitel. • Notieren Sie Antworten auf einem Extrablatt. 7. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe zusammen. Diskutieren Sie die folgende Äußerung, die eine Lehrkraft gegenüber den an ihrer Schule eingesetzten Praktikanten tätigte: „Vergessen Sie den Pädagogikkram in Ihrem Studium. Konzentrieren Sie sich auf die beiden Fächer, die Sie unterrichten. DAS ist nämlich Ihr Job.“ • Welche Vorteile birgt eine derartige Einstellung? • Welche Gefahren bestehen, sollte sich diese Meinung in der Lehrerschaft durchsetzen?

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2 Erziehung

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2.1 Begriliches 2.2 Erziehung und Bildung oder ErziehungUndBildung 2.3 Erziehung in Abgrenzung zu anderen Begrifen Bei kaum einer schulischen Aufgabe scheiden sich die Geister so stark, wie bei der Erziehungsaufgabe. Während sich ein Teil der Elternschaft, um den Erziehungsauftrag der Schule wissend, entspannt zurücklehnt und die Erziehung des eigenen Nachwuchses vollkommen in die Hände der Lehrkräfte legt, verbittet sich ein anderer Teil jegliche Einmischung in erzieherische Belange. Diese Eltern sehen in der Schule ausschließlich eine Institution der Wissensvermittlung. Sie als Lehrkraft wird dies zwar vor das eine oder andere herausfordernde Elterngespräch stellen, doch können Sie sich stets auf den festgeschriebenen Erziehungsauftrag der Schule berufen. In Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext von Schule und Lehrkraft 2 sind die Aufgaben der Lehrkräfte ausgeführt. Dort haben Sie beispielsweise erfahren, dass der Deutsche Bildungsrat bereits 1970 Erziehen als zentrale Aufgabe der Schule festlegte. Studieren Sie das folgende Kapitel, um zu erfahren, … • wie vielfältig der Begriff Erziehung ist und wie schwer dieser sich bestimmen lässt. • welche Aspekte den Begriff Erziehung ausmachen. • wie Erziehung mit dem zweiten Grundbegriff der Pädagogik, der Bildung, zusammenhängt. • wo Erziehung sich von Dressur oder Manipulation unterscheidet.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Was verstehen Sie unter dem Begriff Erziehung? Erstellen Sie hierzu eine Mindmap.

Aufgabe 2 Was bedeutet für Sie Bildung? Wo hängen die Begriffe Erziehung und Bildung in Ihren Augen zusammen? Wo unterscheiden Sie sich? Überlegen Sie.

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2 Erziehung

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Aufgabe 3 Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe zusammen: • Nach Meinung vieler Eltern soll sich die Schule auf die Vermittlung von Wissen und die Vergabe von Zertifikaten konzentrieren. Erziehung sehen diese als ausschließliche Aufgabe des Elternhauses an. Diskutieren Sie diese Meinung. • Was können Sie Erziehungsberechtigten im Elterngespräch sagen, wenn Sie als Lehrkraft von diesen aufgefordert werden, keinerlei erzieherische Aufgaben zu übernehmen? Sammeln Sie Ideen.

2.1 Begriffliches Aus etymologischer Sicht gehen Erziehung und erziehen auf das althochdeutsche Verb irziohan zurück, was so viel bedeutet wie „herausziehen“. Dies ist insofern ein sehr passender Ursprung, wird Erziehung nicht als das Modellieren eines möglichst perfekten Menschen gesehen, sondern als das Formen von Geist und Charakter, das Fördern der Entwicklung und das Hervorholen (Herausziehen) der im Individuum angelegten Persönlichkeit – eine Art Hilfe zur Selbstentfaltung. Die Problematik des Erziehungsbegrifs zeigt sich unter anderem darin, dass beispielsweise Schleiermacher gänzlich auf dessen Klärung verzichtet. Seine Begründung, dieser Begrif und das damit Bezeichnete sei allgemein bekannt, kann jedoch nicht wirklich zufriedenstellen. Das Problem, den Begrif Erziehung zu fassen, liegt zum einen im alltagssprachlichen Gebrauch dieses Wortes, zum anderen aber auch in der fachwissenschaftlichen Vielfältigkeit begründet. So kann Erziehung im Sinne Lockes und Montessoris als „herstellendes Machen“ (Treml 1991: 347), sozusagen als Produktion eines den eigenen Vorstellungen entsprechenden Menschen gesehen werden. Weiter verbreitet ist heute die Sichtweise Rousseaus, der Erziehung als Hilfe in einem Entwicklungsprozess betrachtet, der prinzipiell jedoch von selbst geschieht. Auch das von Kant betonte Paradoxon der Erziehung, einerseits Zwang, Befehl und Grenzen einzusetzen und andererseits zu Selbstständigkeit und Freiheit zu führen, erschwert die Eingrenzung dieser Begrilichkeit. Diese Problematik zeigt sich auch in den unterschiedlichen Deinitionen, die im Laufe der Zeit formuliert wurden:

Herkunft

Problematik

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Pädagogik

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Deinitionen Erziehung

Erziehung ist […] dasjenige Handeln, in dem die Älteren (Erzieher) den Jüngeren (Edukanden) im Rahmen gewisser Lebensvorstellungen (Erziehungsnormen) und unter konkreten Umständen (Erziehungsbedingungen) sowie mit bestimmten Aufgaben (Erziehungsgehalten) und Maßnahmen (Erziehungsmethoden) in der Absicht einer Veränderung (Erziehungswirkungen) zur eigenen Lebensführung verhelfen, und zwar so, dass die Jüngeren das Handeln der Älteren als notwendigen Beistand für ihr eigenes Dasein erfahren, kritisch zu beurteilen und selbst fortzuführen lernen. (Bokelmann, in Speck und Wehle 1970: 185)

Erziehung ist ein soziales Handeln, welches bestimmte Lernprozesse bewusst und absichtlich herbeiführen und unterstützen will, um relativ dauerhafte Veränderungen des Verhaltens und Erlebens, die bestimmten Erziehungszielen entsprechen, zu erreichen. (Hobmair 2008: 81)

Abschließend soll die deskriptive Begrifserklärung des Erziehungswissenschaftlers Brezinka (* 1928) ausgeführt werden, die neben der zugrundeliegenden Logik und dem Renommee des Verfassers den Vorteil für Studierende hat, wirklich gut lernbar zu sein: Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten. (Brezinka 1990: 95).

Graisch dargestellt sieht dies wie in Abbildung 5 aus (Gudjons 2012: 195).

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2 Erziehung

Abb. 5 | Erziehungsbegriff nach Brezinka (Darstellung nach Gudjons 2012)

Eine Stärke dieser Deinition, vor allem aber auch der graischen Darstellung Gudjons’ aus Sicht des Studierenden, ist, dass jeder der fünf ausgeführten Aspekte eine gut zu greifende Bedeutung hat: 1. Erziehung wird durch Menschen vollzogen und eben nicht durch unbelebte Gegenstände, Landschaften und situative oder soziale Gegebenheiten. Dies schließt allerdings nicht aus, dass Personen diese bewusst einsetzen oder schaffen, um zu erziehen. 2. Erziehung stellt stets nur einen Versuch dar – kein erzieherisches Handeln kann den Erfolg der Bemühungen garantieren. Dies stellt Studierende häufig vor allem in erziehungsschwierigen Situationen vor das Problem, in der Pädagogik nach der einen richtigen Lösung zu suchen. Diese jedoch existiert nicht und diese kann auch nicht existieren. Pädagogisches Wissen kann lediglich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, die richtige Entscheidung zu treffen. 3. Erziehung als Handlung verfolgt ein Ziel und ist durch die Absicht des Erziehers gekennzeichnet. Durch das Attribut sozial ist eine Selbsterziehung ausgeschlossen. Dies bedeutet auch, dass Erziehung immer Interaktion und Kommunikation ist, weshalb der pädagogische Bezug (Kapitel Pädagogik 7) die Grundlage der Erziehung darstellt und pädagogische Autorität (Kapitel Pädagogik 6) und Erziehungsstile (Kapitel Pädagogik 8) eine wichtige Rolle spielen. 4. Erziehung zielt auf psychische Dispositionen und somit langfristig auf im zu Erziehenden vorhandene Kenntnisse, Haltungen und Interessen („Bereitschaften zum Erleben und Verhalten“, Gudjons 2012: 196) ab. 5. Erziehung zielt darauf ab, psychische Dispositionen zu verbessern und zu erhalten, falls diese als positiv bewertet werden oder diese zu beseitigen, wenn sie als negativ eingeschätzt werden. Die Bewertung einer psychischen Disposition als positiv oder negativ liegt ebenso in den Händen des Erziehers wie das Fest-

Ein Erzieher …

... versucht, …

... mit sozialen Handlungen …

... psychische Dispositionen …

... zu verbessern, zu erhalten, zu beseitigen.

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Pädagogik

legen des Soll-Zustands und somit des Erziehungsziels. Charles Dickens beschreibt dies in Oliver Twist sehr schön anhand einer kriminellen Subkultur, in der Fähigkeit und Bereitschaft zum Taschendiebstahl als positiv und somit als Erziehungsziel angesehen werden (vgl. Brezinka 1990: 91f ). Erziehung ist also ohne Erziehungsziel nicht denkbar. Ihnen als angehender Lehrkraft setzen Grundgesetz, Landesverfassungen, Lehrpläne und weitere juristische Grundlagen (glücklicherweise) enge Grenzen. Nichts desto trotz werden mit Sicherheit auch Ihre persönlichen Wertungen und Wertvorstellung Eingang in Ihre Erziehungsbemühungen finden. Kürzer formuliert Brezinka: Als Erziehung werden Handlungen bezeichnet, durch die Menschen versuchen, die Persönlichkeit anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht zu fördern. (Brezinka 1990: 95)

Unterschiedliche Erziehungsbegrife

Behalten Sie bitte dennoch stets im Hinterkopf, dass in der Pädagogik unterschiedliche Erziehungsbegrife unterschieden werden (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2 | Unterscheidung unterschiedlicher Erziehungsbegriffe

Erziehung als Prozess

Erziehung als Produkt

intentionale Erziehung

funktionale Erziehung

(bei dieser verfolgt der Erzieher ein konkretes Ziel und geht planmäßig vor)

(Erziehung ohne Absicht und „als Nebenwirkung“ durch Lebenswelt und Mitmenschen)

direkte Erziehung

indirekte Erziehung

(der Erzieher nimmt direkten Einluss auf den zu Erziehenden)

(der/die Erziehende beeinlusst die Lebenswelt des zu Erziehenden)

deskriptiv-wertneutraler Erziehungsbegrif

programmatisch-präskriptiver Erziehungsbegrif

(dabei wird jegliches Handeln von Personen in pädagogischer Funktion als Erziehung bezeichnet)

(dabei wird lediglich das Handeln und Verhalten als Erziehung gewertet, das dem zu Erziehenden zu Mündigkeit und Emanzipation verhilft)

Darüber hinaus kann zwischen nonformaler Erziehung in Elternhaus und Familie, formaler Erziehung in gesellschaftlichen Institutionen (beispielsweise Schule) und informeller Erziehung durch 48

2 Erziehung

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Peergroups, Jugendgruppen und Sportvereine unterschieden werden. Angesichts des rasanten gesellschaftlichen Wandels und des multikulturellen Zusammenlebens ist es gerade für Lehrkräfte wichtig zu bedenken, dass Erziehung als sozialer Prozess kulturell beeinlusst ist.

2.2 Erziehung und Bildung oder ErziehungUndBildung Der Begrif Bildung wird derart häuig in Zusammenhang mit Erziehung erwähnt und ist derart eng mit diesem verwoben, dass beispielsweise Wenck von einer synonymen Verwendung oder der „festen Verbindung ‚ErziehungUndBildung‘“ (Menck: 2012: 21) spricht. Bildung stellt für ihn den zweiten Grundbegrif der Pädagogik (vgl. Menck 2012: 21) dar. Er deiniert Bildung folgendermaßen: Arbeit, in der Menschen sich ihr Menschsein in der Aneignung von und Auseinandersetzung mit der Kultur erarbeiten.

Deinition Bildung

(Menck 2012: 21)

Hobmairs Begrifsklärung verdeutlicht darüber hinaus, dass Bildung sowohl als Ergebnis als auch als Prozess zu sehen ist: „Bildung ist der Prozess und das Ergebnis der Erschließung der Welt für den Menschen und des Menschen für die Welt durch die aktive Auseinandersetzung des Einzelnen mit ihr.“ (Hobmair 2008: 93). Dies bedeutet Folgendes: Bildung ist der Prozess und das Ergebnis von Lernvorgängen, die durch Erfahrung und Übung ausgelöst werden und zur Aneignung der kulturellen Lebensweise (Enkulturation), dem Erlernen des sozialen Verhaltens (Sozialisation) und der Ausbildung des Personseins (Personalisation) führen. Hilfe dabei leistet die Erziehung in Form von Enkulturationshilfe, Sozialisationshilfe und Personalisationshilfe (vgl. Hobmair 2008: 94). Dörpinghaus und Uphof (Dörpinghaus und Uphof 2012: 59f) formulieren sechs Aspekte von Bildung: 1. Bildung ist nicht Ausbildung – und wird somit nicht durch andere am weitgehend passiven Individuum vollzogen. Vielmehr rückt Bildung das Individuum in die aktive Subjektrolle. Bildung findet durch die Auseinandersetzung mit sich selbst, der Welt und anderen Menschen statt.

Bildung ≠ Ausbildung

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Pädagogik

Sorge um sich

Bildung > Wissen Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

Entwicklung

Verzögerung Kulturelles Gedächtnis

2. Bildung ist die Sorge um sich  – und umfasst ein bewusstes Reflektieren der wichtigen Aspekte der Lebensführung. Dörpinghaus und Uphoff setzen diese Selbstsorge mit dem Begriff der Mündigkeit gleich. 3. Bildung ist die Suche nach Erkenntnis  – und somit mehr als bloßes Wissen oder gar oberflächliches Halbwissen. 4. Bildung ist Sichfremdwerden – im Prozess der Bildung entwickelt und verändert sich der Mensch. Es findet eine Transformation der eigenen Person statt. 5. Bildung ist Verzögerung – und benötigt im Alltag ein Innehalten, Verzögern und sich Zeitnehmen für andere Perspektiven. 6. Bildung ist kulturelles Gedächtnis – und überdauert insofern den einzelnen Menschen als sie über die Anhäufung historischen Wissens hinausgeht und die „Beschäftigung mit kulturellen Inhalten“ ohne „direkten Nutzen“ (Dörpinghaus und Uphoff 2012: 62) meint.

2.3 Erziehung in Abgrenzung zu anderen Begriffen

Erziehung ≠ Dressur

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Gerade der Umstand, dass Erziehung ein auch in der Alltagssprache häuig verwendetes Wort ist, macht eine Abgrenzung zu anderen Begrife notwendig. Zu sehr verschwimmen sonst die Konzepte gerade bei Studienanfängern. Erziehung darf nicht gleichgesetzt werden mit Dressur, die Lob und Strafe einsetzt, um den zu Erziehenden zu bestimmten Verhaltensweisen, Einstellung und Werthaltungen zu bringen. Deutlich zeigt sich dies an der Raubtierdressur im Zirkus. Hier bringt das Knallen der Peitsche das Tier dazu, durch einen Reifen zu springen oder ein Podest zu erklimmen. Nur so vermeidet es Strafe und erhöht die Wahrscheinlichkeit, belohnt zu werden. Häuig setzen Studierende dies in Bezug zum Einsatz einer Klangschale im Klassenzimmer oder einer Pfeife im Sportunterricht. Wirklich Parallelen jedoch sind nur vordergründig vorhanden. Als erzieherisches Mittel weist der Ton der Klangschale die Schülerinnen und Schüler darauf hin, dass die Lehrkraft etwas sagen wird oder eine neue Unterrichtsphase anbricht. Daraufhin trefen die Schülerinnen und Schüler (im Idealfall) für sich die Entscheidung, nun zuzuhören und Nebengespräche einzustellen. Auch im Sportunterricht erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass es zum Zusammenspiel und zum Wohle aller notwendig ist, auf den Pif des Schiedsrichters entsprechend zu reagieren. Dass dies in der schulischen Realität

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2 Erziehung

häuig nicht vollkommen frei von Strafe und Belohnung abläuft, ist dabei kein Widerspruch. Während Dressur Freiheit und Selbstverantwortung des Dressierten unterdrückt und ihm keine Alternative bleibt, lässt Erziehung dem zu Erziehenden die Wahl. Sie bemüht sich, ihn dazu zu bringen, sich eigenständig für die bessere Möglichkeit zu entscheiden. Bedeutet Erziehen das Zum-Vorschein-Bringen dessen, was im zu Erziehenden bereits vorhanden ist, so setzt Erziehung immer auch den Glauben an die Entwicklungsmöglichkeiten des zu Erziehenden, an dessen Potenzial, voraus. Nur, wenn dieser Glaube auf Seiten des Erziehenden vorhanden ist, kann diesem daran gelegen sein, dem zu Erziehenden die selbstständige Auseinandersetzung mit sich und der Welt zu erlauben und ihn als Subjekt und eigenständigen Gestalter seines Lebens, seiner Entwicklung und seiner Lernprozesse zu sehen. Das Vorhandensein dieses Glaubens ist für den Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologen Erich Fromm (1900–1980) der Unterschied zwischen Erziehung und Manipulation. Fehlt dieser Glaube dem Erziehenden, muss er zwangsweise zu Manipulation greifen, da dies in seinen Augen die einzige Möglichkeit ist, ein Kind oder einen Jugendlichen zum „anständigen“ Menschen zu entwickeln. Manipulation macht den zu Erziehenden zum fremdbestimmten Objekt, dem keine Wahlmöglichkeit gelassen wird. Folgendes Zitat von Fromm bringt den Unterschied zwischen Erziehung und Manipulation trefend auf den Punkt:

Erziehung ≠ Manipulation

Das Gegenteil von Erziehung ist Manipulation, bei welcher der Erwachsene nicht an die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes glaubt und überzeugt ist, dass das Kind nur dann zu einem ordentlichen Menschen wird, wenn er ihm das, was er für wünschenswert hält, einprägt und alles unterdrückt, was ihm nicht wünschenswert scheint. (Fromm 1998: 187)

Literaturtipp Eine sehr umfangreiche, vor allem aber auch vielperspektivische und gut verständliche Darstellung des Begrifs Erziehung indet sich bei Menck: Menck, Peter. Was ist Erziehung? Eine Einführung in die Erziehungswissenschaft. Donauwörth. Fromm, Erich. Die Kunst des Liebens. Berlin. 51

Pädagogik

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Zusammenfassung • Erziehung geht auf das althochdeutsche Wort irziohan zurück. Dies trifft sich sehr gut, da irziohan „herausziehen“ bedeutet und auch Erziehung als das Herausziehen der in einem Individuum angelegten Persönlichkeit gesehen werden kann. Über die etymologische Begriffsbestimmung hinaus bereitet das Wort Erziehung Schwierigkeiten. Schleiermacher verzichtet sogar auf dessen Klärung und weist lediglich darauf hin, dass jeder wisse, was Erziehung bedeute. • Diese Schwierigkeiten gehen auf die unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb der Fachwissenschaft zurück: • Locke sieht Erziehung als die Schaffung eines Menschen nach konkreten Vorstellungen. • Rousseau sieht Erziehung als Unterstützung bei der Entwicklung der eigenen Person. • Weit verbreitet ist Brezinkas Definition: Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten. • Kürzer lautet diese: Als Erziehung werden Handlungen zeichnet, durch die Menschen versuchen, die Persönlichkeit anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht zu fördern. • Das Paradoxon der Erziehung bezeichnet die Tatsache, dass Erziehung einerseits Zwang und Befehl einsetzt, um andererseits Selbstständigkeit und Freiheit zu fördern. • Generell wird in der Erziehung unterschieden zwischen Erziehung als Prozess und Erziehung als Ergebnis dieses Prozesses; zwischen intentionaler und funktionaler Erziehung; zwischen direkter und indirekter Erziehung; zwischen nonformaler, formaler und informaler Erziehung. • Eng verwandt mit Erziehung ist das Wort Bildung. Teilweise ist sogar die Rede von ErziehungUndBildung. Während Erziehung durch eine andere Person, durch den Erziehenden, vorgenommen wird, vollzieht sich Bildung auch ohne diesen. Bildung ist der Prozess und sein Ergebnis, in dem der Mensch sich mit Welt und Kultur auseinandersetzt und diese für sich erschließt. Erziehung unterstützt den zu Erziehenden lediglich bei dessen Bildungsbemühungen. • Erziehung darf nicht verwechselt werden mit Dressur oder Manipulation. Dressur unterdrückt den freien Willen, während Erziehung dem zu Erziehenden Wahlmöglichkeiten bietet. Manipulation sieht den Menschen anders als Erziehung nicht als Individuum voller positiver Möglichkeiten. Manipulation lässt dem Manipulierten keine Wahl. 52

2 Erziehung

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Das Wort Erziehung hat seinen Ursprung im althochdeutschen irziohan. Weshalb ist dies sehr treffend? Begründen Sie: • Die Klärung des Begriffs Erziehung ist schwierig. Worauf ist dies zurückzuführen? • Stellen Sie die unterschiedlichen Positionen Lockes und Rousseaus dar. • Bestimmen Sie den Begriff Erziehung in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Erziehung an. 2. Gudjons stellt Brezinkas Erziehungsbegriff folgendermaßen dar:

• Dabei trägt jedes der sieben Elemente eine besondere Aussage. Führen Sie diese knapp aus. • Ersetzen Sie Erzieher durch Lehrkraft und finden Sie Beispiele, welche Dispositionen diese mit welchen konkreten Handlungen zu verbessern/erhalten/ beseitigen versucht. 3. Erkundigen Sie sich in Ihrem persönlichen Umfeld, was andere unter dem Begriff Erziehung verstehen. 4. In der Pädagogik werden unterschiedliche Erziehungsbegriffe unterschieden: • Ergänzen Sie die fehlenden Begriffe Erziehung als Prozess funktionale Erziehung direkte Erziehung programmatisch-präskriptiver Erziehungsbegrif

• Erläutern Sie die hinter den Begriffen stehende Sichtweise und finden Sie konkrete Beispiele. 5. Bildung gilt neben Erziehung als zweiter Grundbegriff der Pädagogik. • Erläutern Sie diesen Begriff. • Was leistet Erziehung für Bildungsprozesse? 6. Grenzen Sie Erziehung zu Dressur und Manipulation ab.

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Pädagogik

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7. Arbeiten Sie in Gruppen zusammen: • Welche konkreten Erziehungsaufgaben sehen Sie in der Schule für Lehrkräfte? Sammeln Sie. • Welche Gründe vermuten Sie, weshalb Erziehung nicht vollständig durch das Elternhaus übernommen werden kann?

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3 Möglichkeiten, Notwendigkeit und Grenzen von Erziehung

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3.1 Möglichkeit und Notwendigkeit von Erziehung 3.2 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung – Erziehung zwischen Umwelt und Anlage Experimentell lässt sich die Notwendigkeit von Erziehung, aber auch das ihr innewohnende Potenzial selbstverständlich nicht empirisch sauber feststellen. Dies würde ethisch nicht vertretbare Experimente mit Babys, Kindern und Jugendlichen erfordern. Von daher ist es gut vorstellbar, dass Sie wie so viele Studierende mit den Ausführungen, die Ihnen in verschiedenen pädagogischen Grundlagenwerken zu Notwendigkeit und Möglichkeit von Erziehung begegnen, nicht wirklich glücklich werden. Darüber hinaus sind viele Argumentationsstränge schon etwas in die Jahre gekommen und auf Überlegungen von Mitte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Dennoch nehmen diese noch immer einen wichtigen Stellenwert in pädagogischen Lehrveranstaltungen und Lehrwerken ein. In diesem Buch werden die Ausführungen zu dieser Thematik deshalb nicht weggelassen, aber bewusst knapp gehalten. Für diese Knappheit sprechen außerdem zwei weitere Gründe: • Das Thema Notwendigkeit und Möglichkeit von Erziehung mag wichtiges Hintergrundwissen umfassen, liefert Ihnen jedoch wenig Konkretes für die Arbeit als Lehrkraft. • Darüber hinaus können viele der Inhalte als widerlegt oder fragwürdig bezeichnet werden und werden zum Teil bereits als Mythen oder Grundlügen der Pädagogik bezeichnet (vgl. Seel und Hanke 2015: 312ff.). Die primäre Möglichkeit, zumindest die Folgen fehlender Erziehung studieren zu können und Anhaltspunkte für deren Notwendigkeit zu gewinnen, bieten sogenannte Wolfskinder oder (besser) wilde Kinder. Erstere Bezeichnung geht auf den iktiven Gründer der Stadt Rom, Romulus, und seinen Bruder Remus zurück, die in der Wildnis ausgesetzt angeblich von einer Wölin gesäugt und großgezogen wurden. Derartige Fälle isoliert von anderen Menschen aufgewachsener Kinder treten heute selbstverständlich zunehmend seltener auf, inden sich jedoch auch in jüngster Vergangenheit: • 2007 wird in Kambodscha das wilde Kind Rochom P’ngieng gefunden. 55

Pädagogik

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• 2009 wird die fünfjährige Natascha Michailowa, die hundeähnliches Verhalten angenommen hat, in der russischen Stadt Tschita entdeckt. Dass bei all diesen Fällen die Trennung zwischen Tatsachen und Legenden nicht eindeutig ist, zeigt der Fall des „Afenmädchen von Katarniya Ghat“ – eines 10- bis 12-jährigen Mädchens, das angeblich in der indischen Provinz bei Afen großgeworden ist. Nachdem 2017 weltweit über diesen vermeintlich spektakulären Fall berichtet worden war, wurde bekannt, dass das Mädchen wegen einer Behinderung von der eigenen Familie ausgesetzt wurde und sich lediglich einige wenige Tage im Wald aufhielt. Der wohl am besten dokumentierte Fall eines Wolfskindes ist der von Victor, des so genannten Wilden von Aveyron aus dem 18./19. Jahrhundert. Dieses Kapitel kreist prinzipiell um vier zentrale Fragestellungen: 1. Weshalb kann der Mensch erzogen werden? 2. Weshalb muss der Mensch erzogen werden? 3. Wo liegen die Grenzen von Erziehung? 4. Was sind die Folgen fehlender oder mangelhafter Erziehung?

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Führen Sie eine Internetrecherche zum Suchbegriff Wolfskinder durch. Lesen Sie sich in die Thematik ein und studieren Sie den ein oder anderen Fall eines realen Wolfskindes.

Aufgabe 2 Nico Rosberg, Jordi Cruyff und Muhammed Alis Tochter Laila Amaria – auffällig häufig treten die Söhne und Töchter erfolgreicher Leistungssportler in die Fußstapfen ihrer Eltern. Überlegen Sie, inwieweit dies auf ‚gute‘ Gene zurückzuführen ist und inwieweit auf ein leistungsorientiertes Elternhaus.

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3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

Aufgabe 3

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Werfen Sie einen Blick in Ihre Umgebung. Erkennen Sie Verhaltensweisen anderer, die Sie auf mangelnde Erziehung zurückführen? Welche sind das?

3.1 Möglichkeit und Notwendigkeit von Erziehung Aus anthropologischer Sicht fragt die Pädagogik nach dem Wesen des Menschen, um zu ergründen, weshalb er der Erziehung bedarf und weshalb er erzogen werden kann. Antworten auf diese Frage liefern sowohl Naturwissenschaften als auch Geisteswissenschaften.

3.1.1 Naturwissenschaftliche Erkenntnisse Aus naturwissenschaftlicher Sicht existiert eine Vielzahl an Belegen für die Erziehungsfähigkeit und Erziehungsbedürftigkeit des Menschen: • die biologische Sonderstellung des Menschen • der Mensch zwischen Nesthocker und Nestflüchter • der Mensch als instinktreduziertes und weltoffenes Wesen • der Mensch als biologisches Mängelwesen

Der Mensch als biologischer Sonderfall Wird Erziehung lediglich für den Menschen als notwendig und möglich erachtet, so stellt sich die Frage, weshalb dies nicht auch für Tiere gilt, bzw. welche Unterschiede hier ursächlich sind. Bei allen Ähnlichkeiten zu anderen Säugetieren unterscheiden zahlreiche Merkmale den Menschen von diesen: • „aufrechte Körperhaltung • Wortsprache • Denkvermögen • Fähigkeit, geplant zu handeln • Umweltbeherrschung • extreme Lernfähigkeit“ (Hobmair 2008: 34)

Alleinstellungsmerkmale des Menschen

Diese Sonderstellung des Menschen führt Goerrtler (1984) auf zwei Umstände zurück: 57

Pädagogik

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Sonderstellung

Folgerungen

Formen des Geburtszustands

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1. Schädel, Kehlkopf, Wirbelsäule, Hände und Füße sind beim Menschen so angeordnet und ausgestaltet, dass sie vielseitig einsetzbar sind und ihm eine vielseitige Orientierung im Raum ermöglichen. 2. Die Beschaffenheit der Großhirnrinde ermöglicht auch höhere Funktionen wie Gedanken, Wortsprache und vorausschauendes Denken. Während Tiere ausschließlich in der Gegenwart leben und diese wahrnehmen, beginnt der Mensch sehr früh, auch in den Kategorien Vergangenheit und Zukunft zu leben. Dies kann unter anderem auf seine Sprachfähigkeit zurückgeführt werden. Selbst wenn es in öfentlichkeitswirksamen Experimenten scheinbar gelingt, Menschenafen die menschliche Sprache beizubringen, so verstehen diese einzelne Worte lediglich als reaktionsauslösende Reize und erfassen nicht die Symbolfunktion der Sprache. Weitere Besonderheiten des Menschen sind die sehr lange Wachstumszeit von fast 20 Jahren sowie der enorme Entwicklungsschub in der Pubertät. Als Folgerung für Notwendigkeit und Möglichkeit der Erziehung lassen sich folgende Aspekte ausführen: • Aufgrund der speziellen Beschaffenheit seines Gehirns ist der Mensch besonders lernfähig und überhaupt erst erziehbar. • Für die Ausbildung seines Gehirns und dessen Funktionen ist der Mensch auf Umweltanregungen und Lernhilfe angewiesen und deshalb erziehungsbedürftig. • Speziell menschliche Verhaltensweisen wie aufrechter Gang, Wortsprache, Denkvermögen, Umweltbeherrschung und voraussehendes Denken müssen erst im Erziehungsprozess erlernt werden (vgl. Hobmair 2008: 35).

Der Mensch als physiologische Frühgeburt Nach Portmann (vgl. Weber 1977: 12.) gibt es bei Säugetieren zwei typische Formen des Geburtszustands: • Die Nesthocker kommen nach einer relativ kurzen Tragzeit hilflos zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch nicht fähig zur Fortbewegung. Auch ihre Sinnesorgane sind noch nicht funktionstüchtig. • Bei Nestflüchtern hingegen dauert die Tragzeit und demzufolge die Entwicklung im Mutterleib wesentlich länger, wodurch Neugeborene sich fast sofort eigenständig fortbewegen und ihre Sinnesorgane einsetzen können.

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3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

Der Mensch lässt sich keiner dieser beiden Kategorien zuordnen. Er nimmt eine Mittelstellung ein: Einerseits sind seine Sinnesorgane bereits funktionsfähig, andererseits müssen „speziisch menschliche Verhaltensweisen wie aufrechter Gang, Sprache, einsichtiges Denken und Handeln“ (Hobmair 2008: 40) erst erlernt werden. Portmann bezeichnet den Menschen deshalb als hillosen Nestlüchter und sekundären Nesthocker (vgl. Weber 1977: 12), dessen erstes Lebensjahr besonders wichtig für die weitere Entwicklung ist. Dass der Mensch sozusagen ‚unfertig‘ und somit unspezialisiert geboren wird, macht Erziehung einerseits notwendig und andererseits erst möglich. So ist die menschliche Lebensweise zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht im Menschen angelegt, sondern kann und wird erst im sozialen Miteinander erlernt.

Der Mensch als instinktreduziertes und weltoffenes Lebewesen Sind es beim Tier Instinkte und demzufolge ererbte Verhaltensweisen, die durch Schlüsselreize ausgelöst sein Handeln steuern, verhält es sich beim Menschen gänzlich anders. Dieser weist anders als das Tier lediglich Instinktreste auf, die nicht ausreichen, um sein Verhalten zu bestimmen und sein Überleben zu sichern. Dieser Umstand veranlasst den niederländischen Zoologen Nikolas Tinbergen, den Menschen als „instinktreduziertes Wesen“ (zitiert nach Hobmair 2008: 36) zu bezeichnen. Die Lebensweise des Menschen wird vielmehr durch „kulturelle Verhaltensmuster reguliert“ (Weber 1977: 13). Demzufolge ist es für den Menschen notwendig, Verhaltensweisen und die diese steuernden Werthaltungen zu erlernen. Während das Tier eingebunden in seine speziische Umwelt lebt und für sein Überleben auf diese angewiesen ist, kann der Mensch aufgrund seiner Instinktarmut bewusst entscheiden und handeln. Er kann die Welt verändern und aktiv gestalten und somit als Ganzes erfassen (vgl. Hobmair 2008: 40). Anders als das Tier ist er nicht auf auf einen bestimmten Lebensraum angewiesen, sondern hat das Potenzial, sein Überleben überall zu sichern. Darüber hinaus gelingt es dem weltofenen Menschen als einzigem Lebewesen, bestimmte Grenzen zu überwinden: • Er überschreitet seine Sinnesgrenzen mit technischen Hilfsmitteln. • Er erweitert seinen Erlebnishorizont über das Hier und Jetzt hinaus und bezieht Gegenwart und Zukunft ebenso in sein Denken ein, wie ferne Orte.

Folgerungen

Mensch als Gestalter der Umwelt

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Pädagogik

• Er bezieht nicht allein Gegebenes in sein Erleben mit ein, sondern entwickelt darüber hinaus Ideen und Vorstellungsbilder. • Er vermag sich und sein Handeln bewusst zu reflektieren und zu regulieren (vgl. Weber 1977: 14f.).

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Folgerungen

Als Folgerung für die Frage nach Möglichkeit und Notwendigkeit von Erziehung lässt sich zusammenfassen: Instinktarmut und Weltofenheit befreien den Menschen von einem Leben, das lediglich durch vererbte Instinkte und Umweltvorgaben gesteuert wird, und geben ihm die Freiheit, sein Verhalten bewusst zu steuern. Diese Freiheit erst ermöglicht Erziehung, macht diese aber auch erst notwendig, um (über-)lebensnotwendige Verhaltensweisen zu erlernen.

Der Mensch als biologisches Mängelwesen Der griechische Philosoph Platon lässt seinen Protagonisten Protagoras eine besondere Variante der Schöpfungsgeschichte erzählen, die auf recht anschauliche Weise verdeutlicht, weshalb der Mensch sich durch die Notwendigkeit, aber auch durch die Möglichkeit der Erziehung auszeichnet. So begab es sich zu einer Zeit, da die Erde und alles Leben geschafen wurde, dass die einzelnen Lebewesen mit dem ausgestattet wurden, was ihnen das Überleben ermöglichte. Einzelne Tiere erhielten scharfe Zähne und Krallen, während andere die Fähigkeit bekamen, sich hoch in die Lüfte zu erheben, tief in der Erde oder sogar im Wasser, in großer Hitze oder enormer Kälte zu (über-)leben. Der Mensch jedoch wurde bei der Vergabe dieser Fähigkeiten übergangen und blieb wehrlos und hillos zurück. Dies Versehen nötigte Prometheus, den Göttern neben dem allbekannten Feuer auch das technische Wissen zu stehlen und den Menschen damit auszustatten, um sein Überleben zu sichern. Diese Anekdote fasst trefend zusammen, was Ihnen innerhalb der Pädagogik unter dem Stichwort Der Mensch als biologisches Mängelwesen begegnen wird: Der Mensch ist von Natur aus nicht mit besonderen Wafen, Schutzmechanismen oder Werkzeugen ausgestattet und infolgedessen im Vergleich zum Tier ein unspezialisiertes „Mängelwesen“ (Gehlen zitiert nach Hobmair 2008: 37). Dieser Mangel jedoch ermöglicht eine gezielte, willentliche Spezialisierung und hohe Anpassungsfähigkeit. Mittels seines Intellekts gleicht der Mensch diesen Mangel aus. Während Tiere sich biomechanisch an die herr60

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3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

schenden Lebensbedingungen anpassen, gestaltet der Mensch seine Umwelt gezielt um. Diese „vom Menschen ins Lebensdienliche umgearbeitete Natur bezeichnet Arnold Gehlen als Kultur“ (Hobmair 2008: 38). Der Mensch gleicht seine biologische Unspezialisiertheit durch die Schafung von Kultur aus. Möglichkeit und Notwendigkeit von Erziehung ergeben sich aus den folgenden Schlussfolgerungen: • Die Kombination von Unspezialisiertheit und Unfertigkeit einerseits und Lernfähigkeit andererseits gibt dem Menschen enormes Entwicklungspotenzial, das durch Erziehung ausgebildet werden kann. • In der Kultur, der umgestalteten Natur, einerseits zu leben und diese andererseits aktiv mitzugestalten, muss durch Erziehung erlernt werden. • Zugrundeliegende intellektuelle Fähigkeiten wie problemlösendes Denken und Denken in Zusammenhängen, Kreativität und Vorstellungskraft sind im Menschen nicht von Natur aus angelegt, sondern müssen gezielt durch Erziehung erlernt werden.

Folgerungen

3.1.2 Geistes- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse Die bisherigen Ausführungen haben aus naturwissenschaftlicher Sicht gezeigt, weshalb der Mensch erzogen werden kann und weshalb er erzogen werden muss. Dies lässt sich jedoch auch aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Sicht begründen: • der Mensch als geistiges Wesen • der Mensch als soziokulturelles Wesen

Der Mensch, ein geistiges Wesen Anders als das Tier ist der Mensch mit „Bewusstsein, Verstand, Erinnerungsvermögen, Begrifssprache, Urteils- und Relexionsvermögen ausgestattet“ (Hobmair 2008: 41) und damit einzigartig. Er besitzt als einziges Lebewesen Distanzierungsfähigkeit und Relexionsvermögen, wodurch es ihm ermöglicht wird, sich von sich selbst zu distanzieren, sich zum Objekt der Betrachtung zu machen und sich als Person wahrzunehmen. Roth sieht den Menschen als geistiges Wesen ausgezeichnet durch „sein Bedürfnis und seine Fähigkeit, ideale Forderungen, regulative Prinzipien, maßgebliche Entwürfe sowohl zu erkennen wie zu produzieren und ihnen gemäß zu handeln“ (Roth 1971: 134).

Folgerungen

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Pädagogik

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Für die Notwendigkeit und Möglichkeit von Erziehung bedeuten diese Erkenntnisse, dass der Mensch durch seine Ausstattung mit Geist und Vernunft vom Zwang der Natur befreit und somit lernfähig und erziehbar ist. Diese Geistigkeit jedoch entwickelt und entfaltet sich nicht von selbst, sondern ist auf Lernprozesse angewiesen, die durch Erziehung unterstützt werden müssen.

Der Mensch, ein soziokulturelles Wesen Weber bezeichnet den Menschen als soziokulturelles Wesen und weist darauf hin, dass dieser von Geburt an auf andere Menschen sowie das Zusammenleben mit diesen angewiesen ist. Dieses Zusammenleben vollzieht sich stets eingebettet in eine Kultur (vgl. Weber 1977: 17). Unter sozialen Gesichtspunkten wird das Zusammenleben in allen Gesellschaften und Gruppen durch Normen ermöglicht und geregelt. Diese Normen und daraus resultierende gesellschaftskonforme Verhaltensweisen jedoch müssen erst durch Erziehung verinnerlicht und erlernt werden, woraus sich die Notwendigkeit von Erziehung ergibt. Über dieses Erlernen hinaus jedoch ist Erziehung auch notwendig, um den Menschen zum Hinterfragen, Verändern und Erneuern sozialer Normen und Verhältnisse zu befähigen (vgl. Hobmair 2008: 45). Unter kulturellen Gesichtspunkten sieht Weber den Menschen sowohl als Schöpfer als auch als Produkt der Kultur (s. Abbildung 6) und somit als „Kulturwesen im doppelten Sinn“ (Weber 1977: 18).

Abb. 6 | Der Mensch als Kulturwesen im doppelten Sinn

1. Der Mensch ist Schöpfer der Kultur, da er diese erst durch seine Produktivität und Kreativität erschafft und weitergibt. 62

3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

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2. Der Mensch ist Produkt der Natur, da er sich durch das Leben in der Kultur und die Auseinandersetzung mit dieser entwickelt und verändert. Die kulturelle Lebensweise ist dabei ebenso wenig wie die kulturell bedingten sozialen Verhaltensweisen genetisch festgelegt und durch Vererbung weitergegeben, sondern muss unterstützt durch Erziehung erlernt werden, was Erziehung erst notwendig macht. Hervorzuheben ist hierbei das Erlernen von Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben, aber auch Wertbewusstsein und Moralvorstellungen (vgl. Hobmair 2008: 43). Darüberhinaus macht der Umstand, dass soziale Normen und kulturelle Verhaltensweisen eben nicht genetisch festgelegt sind, Erziehung erst möglich.

3.1.3 Entlarvung pädagogischer Mythen Überraschen mag es an dieser Stelle, dass ein Großteil der bisherigen Ausführungen nun als Grundlügen der Pädagogik (Huiskens 1991) oder pädagogische Mythen (Seel und Hanke 2015: 312) entlarvt werden wird. Grund hierfür ist, dass die Ausführungen unter 3.1.1 und 3.1.2 einerseits die Grundlage der Pädagogik bilden, Ihnen in vielen pädagogischen Werken begegnen werden und den Hintergrund für die Auseinandersetzung mit der Frage nach Notwendigkeit und Möglichkeit von Erziehung bilden, andererseits jedoch vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse nicht unkritisch hingenommen werden dürfen, wie Seel und Hanke (2015: 313f.) zeigen: Die Fragwürdigkeit der These des Menschen als physiologische Frühgeburt zeigt ein Blick auf Schimpansen und Gorillas und somit auf die nächsten Verwandten des Menschen, deren DNA-Sequenz zu 98 Prozent mit der des Menschen übereinstimmt. Bei Schimpansen ist die Tragzeit mit 7 bis 8 Monaten etwas kürzer, bei Gorillas mit 8 bis 9 Monaten genau so lang wie beim Menschen. Elefanten hingegen, deren DNA sich deutlich stärker von der menschlichen unterscheidet, haben hingegen eine Tragzeit von 20 bis 22 Monaten. Auch die Zeit, die Schimpansen und Gorillas in der Obhut der Mutter verbringen, beträgt ähnlich wie beim Menschen etwa ein Zehntel des gesamten Lebens. Dementsprechend besteht keine Veranlassung, „den Menschen aus der Kategorie Säuger herauszuholen und ihm einen besonderen Status zuzuschreiben“ (Seel und Hanke 2015: 313).

Menschen als physiologische Frühgeburt

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Pädagogik

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Geistiges Wesen

Schlussfolgerung

Auch als geistiges Wesen kann nicht allein der Mensch bezeichnet werden. Vernunft und Sprache stellen kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen dar. Experimente mit Schimpansen haben gezeigt, dass diese diese Probleme eben nicht ausschließlich durch Versuch und Irrtum oder Imitation lösen, sondern tatsächlich durch Einsicht. Für das Vorhandensein von Vernunft bei Tieren spricht des Weiteren auch das Planen und somit antizipierende Agieren bei Schimpansen und Orang-Utans einerseits sowie diverse Strategien der Konliktlösung und der Kooperation andererseits. Was die Sprache angeht, so ist es eben nicht so, dass die Fähigkeit von Tieren sich ausschließlich darauf beschränkt, vom Menschen verbal gegebene Kommandos als reaktionsauslösende Reize zu befolgen. Vielmehr entwickeln unterschiedliche Tierarten ihre angeborene Kommunikationsfähigkeit in der Kindheit weiter. Aus diesen und weiteren Ausführungen schlussfolgern Seel und Hanke, „dass die drei Wesensmerkmale, die nach Aufassung der pädagogischen Anthropologie den Menschen auszeichnen – nämlich Erziehbarkeit, Vernunft und Sprachfähigkeit – auch Tieren zuerkannt werden müssen“ (Seel und Hanke 2015: 317). Dennoch lässt sich festhalten, dass es im Tierreich kein dem menschlichen Verstand ebenbürtiges Pendant gibt. Der Mensch unterscheidet sich durch „Kreativität, die Fähigkeit abstrakten Denkens und die Fähigkeit zur Konstruktion mentaler Modelle“ (Seel und Hanke 2015: 317) vom Tier.

3.1.4 Folgen nicht vorhandener oder unzulänglicher Erziehung

Hospitalismus

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Die These, der Mensch müsse erzogen werden, legt die Überlegung nach den Folgen fehlender oder unzureichender Erziehung nahe. Natürlich verbieten sich konkrete wissenschaftliche Experimente in diesem Kontext, doch lassen eingangs erwähnte wilde Kinder Rückschlüsse zu. Weber (1977: 20f.) und andere führen beispielsweise Hospitalismus, Verwahrlosung oder sozial abweichendes Verhalten als Folgen mangelnder oder unzulänglicher Erziehung an. Dabei ist von Hospitalismus die Rede, wenn Kinder trotz Befriedigung ihrer physischen Bedürfnisse in Folge mangelnder Zuwendung körperlich und seelisch leiden. So ist es für die Entwicklung des Menschen nicht ausreichend, diesen mit Nahrung zu versorgen, ihm Wärme zu geben und ausreichende hygienische Bedingungen sicherzustellen. Vielmehr braucht der Mensch von Beginn an „individuelle, wohlwollende mitmenschliche Fürsorge und Vorsorge“ (Weber 1977:

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3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

22). Unter dem Stichwort Bindungstheorie hat das Ehepaar Grossmann nachgewiesen, dass die feste emotionale Bindung an eine Bezugsperson bei Kindern zwingend notwendige Voraussetzung für eine gesunde psychische Entwicklung ist (vgl. Hobmair 2008: 46f.). Beim Begrif Verwahrlosung ist zwischen äußerer Verwahrlosung und sittlicher Verwahrlosung zu unterscheiden. Äußere Verwahrlosung ist gekennzeichnet durch ungenügende Körperplege und -hygiene. Der Begrif der sittlichen Verwahrlosung hingegen kann in unserer pluralistischen Gesellschaft nicht wirklich trennscharf verwendet werden: Einerseits bedeutet Verwahrlosung ursprünglich, dass ein Mangel an Erziehung bei zu Erziehenden zu Einstellungen und Verhaltensweisen führen, die „von jenen Normen abweichen, die das Selbstverständnis der betrefenden Gesellschaft repräsentieren“ (Weber 1977: 22). Andererseits muss in unserer Gesellschaft von einem Wert- und Normenpluralismus gesprochen werden, der es schwierig macht, eben jene Nomen zu deinieren und demzufolge Abweichungen festzustellen. Hobmair führt statt Verwahrlosung sozial abweichendes Verhalten an. Dieses liegt vor, wenn fehlende oder unzureichende Erziehung dazu führt, dass… • eine Person „den Anforderungen des geregelten Zusammenlebens nicht […] gerecht wird“, • dadurch Schwierigkeiten für die Person oder sein Umfeld auftreten und • diese Schwierigkeiten sowohl erheblich als auch relativ dauerhaft sind (vgl. Hobmair 2008: 48).

Verwahrlosung

Sozial abweichendes Verhalten

3.2 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung – Erziehung zwischen Umwelt und Anlage Aus der in Kapitel 3.1 erörterten Fragestellung, inwieweit der Mensch an sich erziehbar ist, leitet sich die Frage ab, inwiefern seine Entwicklung und sein Werden durch seine genetische Ausstattung und inwiefern durch seine Umwelt bestimmt werden. Welche Bedeutung haben Vererbung, welche Bedeutung haben Umwelt und Milieu? Verschiedene Standpunkte haben über Jahrhunderte nicht allein Pädagogen, sondern auch Theologen, Philosophen und Psychologen beschäftigt. Gerade in Deutschland wurde diese Diskussion, inwieweit Intelligenz angeboren und inwieweit sie erworben wird, hitzig geführt. 65

Pädagogik

3.2.1 Anlage vs. Umwelt oder Pessimismus vs. Optimismus

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Deinitionen Anlage und Umwelt

Erbtheorie/ pädagogischer Pessimismus

Die eingangs gestellte Frage nach der Auswirkung von genetischer Ausstattung und Umwelteinwirkungen lässt sich nicht zufriedenstellend – wenn überhaupt – klären, da jeder Mensch von Geburt an in einer konkreten speziischen Umwelt aufwächst. So können die Auswirkungen der genetischen Ausstattung weder isoliert wirken noch isoliert identiiziert werden. Dabei meint Anlage die genetische, durch Vererbung festgelegte Ausstattung eines Lebewesens, während Umwelt alle „direkten und indirekten Einlüsse, denen ein Lebewesen von der Befruchtung der Eizelle … bis zu seinem Tode von außen ausgesetzt ist“ (Hobmair 2008: 56), umfasst. Im Laufe der Geschichte der Menschheit im Allgemeinen und der Geschichte der Pädagogik im Speziellen taten sich vor allem zwei Positionen hervor, die je nach Zeitgeist stärker oder schwächer vertreten wurden: 1. Erbtheoretiker gehen davon aus, dass die Entwicklung des Menschen durch seine Anlagen und somit durch Vererbung vorgegeben und bereits zum Zeitpunkt der Befruchtung seiner Eizelle festgelegt ist. Umwelteinflüsse streiten sie zwar nicht völlig ab, messen ihnen aber untergeordnete Bedeutung bei. Sie betrachten den Menschen als erbkoordiniert. Das Wiedererstarken dieser Position Mitte des 19. Jahrhunderts ist eng verbunden mit dem Namen des Briten Charles Darwin (1809–1882). Dass diese Position während des Nationalsozialismus gebraucht wurde, um die propagierte Vorherrschaft des arischen Menschen zu begründen, verdeutlicht die mit dieser Überzeugung einhergehende Gefahr. Aufgrund der Überbetonung der Erbanlagen spielen aus Sicht der Erbtheoretiker Umweltbedingungen und damit auch die Erziehung bei der Entwicklung des Menschen keine Rolle. Erziehung vermag demzufolge nichts zu leisten. Von daher wird die Position der Erbtheoretiker auch als pädagogischer Pessimismus bezeichnet.

Aus der Praxis für die Praxis: Für Lehrkräfte ist das Vertreten dieser Position der erste Schritt zu Resignation, Untätigkeit und zum Einstellen jeglichen Engagements, da das eigene erzieherische Wirken ja als irrelevant für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler gesehen würde.

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3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

2. Anders hingegen Milieutheoretiker, die die Entwicklung des Menschen auf die Auswirkungen der Umwelt zurückführen, denen dieser ausgesetzt ist. Diese Sichtweise geht auf die Aufklärung zurück und ist eng mit den Namen Thomas Hobbes, John Locke und Immanuel Kant verbunden. Die Entwicklung des Menschen ist demzufolge zum Zeitpunkt seiner Geburt in keiner Weise durch Erbanlagen vorherbestimmt. Vielmehr ist er offen für jegliche Umweltreize. Erziehung vermag demnach alles. Dies verdeutlicht auch das wohl bekanntestes Zitat des Psychologen John B. Watson: „Gebt mir ein Dutzend gesunder, wohlgebildeter Kinder und meine eigene Welt, in der ich sie erziehe, und ich garantiere, dass ich jedes nach dem Zufall auswähle und zu einem Spezialisten in irgendeinem Beruf erziehe, zum Arzt, Richter, Künstler, Kaufmann oder sogar zum Bettler und Dieb, ohne Rücksicht auf seine Begabungen, Neigungen, Fähigkeiten, Anlagen und die Herkunft seiner Vorfahren“ (Watson 1930 zitiert nach Abels 2010: 79). Diese Position wird konträr zum pädagogischen Pessimismus als pädagogischer Optimismus bezeichnet, da hier der zu den Umwelteinflüssen zu rechnenden Erziehung nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zugerechnet werden.

Milieutheorie/ pädagogischer Optimismus

Aus der Praxis für die Praxis: Für Lehrkräfte birgt diese Sichtweise die Gefahr, sich selbst und den Schülerinnen und Schülern zu viel abzuverlangen und diese zu überfordern. Sind Erbanlagen irrelevant für die Entwicklung des Menschen, wird die erziehende Lehrkraft bei jedem Lernenden die gleichen, äußerst hohen Erziehungsziele setzen und  – werden diese nicht erreicht – die Schuld ausschließlich bei sich selbst suchen.

3.2.2 Anlage und Umwelt Wurde bislang von zwei Positionen gesprochen, so ist Ihnen vermutlich klar, dass keine dieser beiden tatsächlich haltbar ist. Vielmehr wird die Entwicklung des Menschen sowohl von Anlagen als auch von Umwelt beeinlusst. Wurde dabei lange Zeit (vergeblich) hinterfragt, in welchem Ausmaß sich jeder dieser Faktoren auswirkt, so ist aus heutiger Sicht eher ihr Zusammenspiel interessant.

Pädagogischer Realismus

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Pädagogik

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Dabei lassen sich nach Hobmair (2008: 61f.) vier Zusammenhänge identiizieren: 1. Die Auswirkung der Umwelteinflüsse ist von der genetischen Ausstattung abhängig. Weder strenges Strafen noch gutes Zureden werden eine Schülerin oder einen Schüler zum Klassenprimus in Mathematik machen, wenn dieser nicht die notwendigen kognitiven Voraussetzungen dazu hat. 2. Die Auswirkung der genetischen Ausstattung ist von den Umwelteinflüssen abhängig. Selbst die beste genetische Veranlagung, ein neuer Mozart oder Beethoven zu werden, wird ihre Wirkung nicht entfalten können, wenn der Heranwachsende nicht mit Musik und Musikinstrumenten in Kontakt kommt und gefördert wird. 3. Die gleiche genetische Ausstattung hat unter unterschiedlichen Umwelteinflüssen unterschiedliche Wirkung. 4. Die gleichen Umwelteinflüsse haben bei unterschiedlicher genetischer Ausstattung unterschiedliche Wirkungen. Diesen Zusammenhängen entsprechend stellen die Erbanlagen „Möglichkeiten zur Verwirklichung von Fähigkeiten dar, die durch Umwelteinlüsse angeregt, aktiviert werden müssen“ (Hobmair 2008: 61). Diese Sichtweise zeichnet den pädagogischen Realismus aus und somit die nach Optimismus und Pessimismus dritte Position. Diese vertretend wird der schulische Erziehende einerseits sein Bestes geben, Schülerinnen und Schüler zu fördern, andererseits sich der eigenen Grenzen sowie der seiner Schülerinnen und Schüler bewusst sein.

3.2.3 Einflussfaktoren der Entwicklung Der pädagogische Realismus sieht, wie Abbildung 7 zeigt, drei Faktoren, die die menschliche Entwicklung beeinlussen und somit als Möglichkeiten und Grenzen die Erziehung bedingen. Die Annahme, menschliche Entwicklung sei einzig und allein abhängig vom Zusammenspiel von Anlage und Umwelt, führt zur Wahrnehmung des Menschen als passives Objekt, dem keine Verantwortung für die eigene Entwicklung und das eigene Handeln übertragen werden kann. • Die genetischen Anlagen werden bereits zum Zeitpunkt der Befruchtung festgelegt und sind durch Lernen und Erziehung nicht veränderbar. Mit der Bezeichnung Endogene Faktoren werden die 68

3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

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Einflüsse bezeichnet, die aufgrund der genetischen Anlagen entstehen. • Als exogene Faktoren werden die Einflüsse bezeichnet, die auf Umwelteinflüsse und somit auf das Milieu zurückzuführen sind. • Auf die Selbststeuerung des Individuums sind sogenannte autogene Faktoren zurückzuführen.

Abb. 7 | Entwicklung der Persönlichkeit im pädagogischen Realismus

Diese drei Bereiche wirken sich nicht isoliert und unverbunden auf die Entwicklung aus, sondern stehen in einem wechselseitigen Verhältnis: Selbst ein Heranwachsender, der ideale Erbanlagen besitzt, um professioneller Sportler zu werden, wird keinen sportlichen Erfolg haben, wenn seine Begabung nicht gefördert wird oder er sich bewusst gegen exzessives Sporttreiben entscheidet. Andererseits werden auch die bestmögliche Förderung oder enorme Motivation aus einem gänzlich unbegabten Menschen keinen Spitzensportler machen. Aus diesem Grund werden die fünf von Weber (vgl. Weber 1986: 71) angeführten Bedingungsfaktoren menschlichen Verhaltens um einen sechsten ergänzt: 1. genetisch/biologische Faktoren 2. nicht genetisch/biologische Faktoren 3. das Verhalten anderer Personen, mit denen der Einzelne in Kontakt kommt 4. soziokulturelle/sozioökonomische Situation 5. aktuelle situative Elemente 6. Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen

Bedingungsfaktoren menschlichen Verhaltens

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Pädagogik

Literaturtipp

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Wenn Sie Gelegenheit sowie Zeit und Muße haben, lohnt sich trotz der anspruchsvollen, teilweise antiquierten Sprache ein Blick in Webers Einführung in die Pädagogik: Weber, Erich. Pädagogik. Eine Einführung. 1. Grundfragen und Grundbegriffe. Donauwörth. Eine knappe Darstellung unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse bieten Seel und Hanke auf den Seiten 311 bis 320 – lassen Sie sich nicht von der im Titel angegebenen Zielgruppe irritieren: Seel, Norbert & Hanke, Ulrike. Erziehungswissenschaft, Lehrbuch für Bachelor-, Masterund Lehramtsstudierende. Berlin.

Zusammenfassung • Um die Möglichkeit und Notwendigkeit der Erziehung beim Menschen zu begründen, bemüht die anthropologische Pädagogik sowohl Naturwissenschaften als auch Geisteswissenschaften. • Aus Sicht der Naturwissenschaften sprechen vor allem folgende Gründe dafür, dass der Mensch erzogen werden kann und muss: • Einerseits macht die besondere Beschaffenheit seines Gehirns den Menschen besonders lernfähig und erziehbar, andererseits ist dieses auch auf fördernde Umwelteinflüsse und somit Erziehung angewiesen, um sich entwickeln zu können. • Der Mensch lässt sich weder den Nestflüchtern noch den Nesthockern zurechnen. Verglichen mit seinem Entwicklungsstand kommt er eigentlich zu früh zur Welt und muss die menschliche Lebensweise erst lernen. • Anders als tierisches wird menschliches Verhalten kaum durch Instinkte beeinflusst. Dadurch kann der Mensch sein Verhalten bewusst steuern und Entscheidungen treffen. Dies erfordert Erziehung und macht diese möglich. • Von Natur aus ist der Mensch nicht auf das Leben in großer Kälte oder großer Hitze, den Kampf mit anderen Lebewesen oder auf spezielle Tätigkeiten vorbereitet. Dies gibt ihm einerseits eine hohe Anpassungsfähigkeit und zwingt ihn andererseits dazu, die Natur bewusst umzugestalten. Dies erfordert beispielsweise problemlösendes Denken und Kreativität, was durch Erziehung ausgebildet werden muss. • Aus Sicht der Geisteswissenschaften sprechen folgende Gründe für die Erziehbarkeit und die Notwendigkeit der Erziehung des Menschen: • Als geistiges Wesen zeichnen Verstand, Erinnerungsvermögen, Begriffssprache und Reflexionsvermögen den Menschen aus. • Als soziokulturelles Wesen ist der Mensch auf menschliches Zusammenleben angewiesen, muss die dafür gültigen Spielregeln jedoch erst lernen. • Obwohl sich diese Gründe für die Möglichkeit und Notwendigkeit von Erziehung in einer Vielzahl von Lehrwerken finden und von namhaften Pädagogen vertreten 70

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3 Möglichkeiten und Grenzen von Erziehung

werden, ist ihre Richtigkeit aus heutiger Sicht anzuzweifeln. Ihre Bezeichnung als pädagogische Mythen oder Grundlügen der Pädagogik scheint nachvollziehbar. • Findet Erziehung nicht oder unzureichend statt, sind folgende Erscheinungsbilder möglich: • Von Hospitalismus ist die Rede, wenn Kinder zu wenig Zuwendung erfahren und dadurch ihre psychische oder sogar auch physische Entwicklung beeinträchtigt wird. • Äußere Verwahrlosung bezeichnet den Zustand ungenügender Körperpflege und -hygiene, innere Verwahrlosung die Entwicklung von Einstellungen und Verhaltensweisen, die von den in einer Gesellschaft gültigen Normen abweichen. • Sozial abweichendes Verhalten liegt vor, wenn einer Person das Zusammenleben mit anderen nicht ohne Schwierigkeiten für sie oder andere möglich ist. • Die Entwicklung der Persönlichkeit des Menschen ist abhängig vom Zusammenspiel von Anlagen und Umwelt. Dabei bezeichnen Anlagen die genetische Ausstattung eines Individuums, während Umwelt alle äußeren Einflüsse, denen ein Lebewesen ausgesetzt ist, umfasst. Die Extremposition des pädagogischen Pessimismus geht davon aus, dass allein die Erbanlagen (endogene Faktoren) für die Entwicklung eines Menschen verantwortlich sind; die des pädagogischen Optimismus geht davon aus, dass allein die Umwelteinflüsse (exogene Faktoren) und somit auch Erziehung für die Entwicklung einer Person verantwortlich sind. Heute gelten beide Extrempositionen als überholt, sodass der pädagogische Realismus das Zusammenspiel beider Faktoren betont. Über die endogenen und exogenen Faktoren hinaus nimmt die Selbststeuerung des Individuums (autogene Faktoren) eine wichtige Rolle ein.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Welche Gründe sprechen für die Möglichkeit und die Notwendigkeit von Erziehung beim Menschen? Nennen Sie je zwei aus naturwissenschaftlicher und aus geisteswissenschaftlicher Sicht und führen Sie je einen eingehend aus. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: Diskutieren Sie, weshalb es trotz neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse sinnvoll ist, sich mit den in diesem Kapitel aufgeführten Aussagen zu naturwissenschaftlichen und geistes- sowie sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. 3. Erklären Sie die Begriffe endogene, exogene und autogene Faktoren. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Studieren Sie zunächst die folgende Fallschilderung: Gemeinsam mit drei anderen Lehramtstudierenden treten Sie ein semesterbegleitendes Praktikum an. Im Vorfeld des ersten Unterrichtsbesuchs weist Ihre Prakikumslehrkraft Sie auf besonders schwierige Schülerinnen und Schüler hin und schildert ausführlich die problematischen Elternhäuser, aus denen diese kommen. 71

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Pädagogik

Was halten Sie von dieser Vorgehensweise? Diskutieren Sie! Die folgenden Zitate der beteiligten Lehramtsstudierenden können Ihnen als Gesprächsanregung dienen: Eigentlich möchte ich vorher möglichst wenig über meine Schüler wissen, da ich dann unvoreingenommen bin und sonst vielleicht Vorurteile habe. Das Elternhaus interessiert mich eigentlich nicht, denn ich unterrichte ja die Schüler und nicht ihre Eltern. Doch, das Elternhaus ist wichtig, um zu wissen, weshalb die Schüler sind, wie sie sind. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: Untersuchungen zeigen, dass der Schulerfolg bei Kindern höher ist, wenn in den Elternhäusern viele Bücher vorhanden sind und die Eltern über ein hohes Bildungsniveau verfügen. • Begründen Sie diese Erkenntnis aus Sicht des pädagogischen Optimismus. • Begründen Sie diese Erkenntnis aus Sicht des pädagogischen Pessimismus. • Begründen Sie anhand dieser Erkenntnisse das mögliche (!) Zusammenspiel von Anlage und Umwelt. 6. Der Volksmund sagt Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Erklären Sie, wie diese Redewendung zustande gekommen sein mag. Gehen Sie auch darauf ein, weshalb dies nicht für alle Kinder gilt. 7. Beobachten Sie gezielt die Schülerinnen und Schüler in Ihrer Praktikumsklasse. Alternativ denken Sie zurück an Ihre eigenen Mitschülerinnen und Mitschüler. • Welche Umweltfaktoren beeinflussen ihre Entwicklung? Unterscheiden Sie dabei zwischen natürlicher, kultureller, ökonomischer und sozialer Umwelt. • Welche Faktoren haben die Umwelt geprägt, in der Sie aufgewachsen sind? Können Sie Besonderheiten und Eigenheiten Ihrer Person nennen, die Sie auf konkrete Umweltfaktoren zurückführen?

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4 Erziehungsziele 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Begriliches Notwendigkeit Funktionen von Erziehungszielen Festsetzung, Wandel und Einlussfaktoren Probleme von Erziehungszielen Erziehungsziele konkret

Wie Sie in diesem Buch bereits erfahren haben, fällt Lehrkräften die Aufgabe zu, Schülerinnen und Schüler zu erziehen und sie somit in das Leben, die Welt und die Gesellschaft einzuführen. Diese Aufgabe erfordert konkrete Antworten auf die folgende Frage: Welche Fähigkeiten und Tugenden, welches Wissen und Können, welche Haltungen und Überzeugungen soll der Nachwuchs erwerben, damit er tauglich wird, sich unter den gegebenen Umständen selbständig am Leben zu erhalten und zugleich den Fortbestand der Gemeinschaft zu sichern, der er angehört? (Brezinka 1991: 9, nach Geis 2015: 186)

Bei jedem menschlichen Handeln und somit auch bei erzieherischem Wirken sind Ziele die Voraussetzung für systematisches Vorgehen. Die Begrifsbestimmung in Kapitel Pädagogik 2 bezeichnet Erziehung explizit als zielgerichtetes Handeln. Trotz dieser Wichtigkeit sind weder der Begrif Erziehungsziel noch die zu verfolgenden Ziele eindeutig geklärt. Brezinka beklagt sogar das prinzipielle Fehlen einer präzisen Begrifsbestimmung (vgl. Brezinka 1990: 100). Dieses Kapitel… • bemüht sich um eine Annäherung an den Begriff Erziehungsziel. • führt die Wichtigkeit und die Funktionen von Erziehungszielen aus. • erläutert, wie und durch wen Erziehungsziele festgesetzt werden und weshalb sie sich wandeln. • geht auf Probleme von Erziehungszielen ein. • führt konkrete Erziehungsziele nach Brezinka und Gudjons aus.

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Pädagogik

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Reflexionsaufgaben Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und überlegen Sie: In Ihrem Beruf Lehrerin oder Lehrer wird es Ihre Aufgabe sein, Schülerinnen und Schüler zu erziehen. Welche Ziele möchten Sie mit erzieherischen Bemühungen erreichen? • Notieren Sie die wichtigsten zehn Ziele, die Ihnen einfallen. • Bringen Sie diese Ziele in eine Reihenfolge von besonders wichtig zu eher weniger wichtig. • Stellen Sie Ihre Ziele einem Mitstudierenden oder einer Person aus Ihrem Bekanntenkreis vor. Begründen Sie dabei die von Ihnen gewählte Reihenfolge.

4.1 Begriffliches Synonyme

Ist-Zustand => Soll-Zustand

Minimalbegrif

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Wie so häuig in der Pädagogik oder auch in der Schulpädagogik existieren auch für Erziehungsziele viele ähnlich oder synonym verwendete Begrife: Bildungsziel, Bildungsideal, Erziehungsideal, pädagogisches Ziel, Erziehungsabsicht und viele weitere (vgl. Brezinka 1990: 103f). Selbstverständlich kann ein Deinitionsversuch von den einzelnen Wortbestandteilen des Kompositums Erziehungsziel ausgehen und dieses als Absicht und gesetztes Ziel und somit als beabsichtigter Endpunkt der Erziehung bestimmt werden. Dieser Ansatz setzt voraus, dass Erzieherinnen und Erzieher bestimmte Vorstellungen von dem haben, was sie mit ihren Erziehungsbemühungen erreichen wollen und können. Sie bemühen sich, die zu Erziehenden von einem als nicht optimal empfundenen Ist-Zustand in einen Soll-Zustand zu überführen. Diese Vorgehensweise bei der Begrifsbestimmung ist jedoch einerseits wenig aussagekräftig und zielführend und öfnet andererseits der Beliebigkeit Tür und Tor. Theoretisch kann dann wirklich alles, was Erzieherinnen und Erzieher als wünschenswert erachten, Erziehungsziel sein. Brezinka trägt der Vielschichtigkeit des Begrifs Erziehungsziel Rechnung, indem er zwischen dem Minimalbegrif des Erziehungsziels und dem Normbegrif des Erziehungsziels unterscheidet: • Erziehungsziele als Minimalbegriffe bezeichnen das, was Erzieherinnen oder Erzieher beim Heranwachsenden mit Erziehung erreichen wollen. Brezinka formuliert: „Unter einem Erziehungsziel im Sinne des Minimalbegriffs wird ein vorgestellter Zustand der Persönlichkeit oder eine vorgestellte Persönlichkeitseigenschaft verstanden, der (bzw. die) in einer zu erziehenden Person (oder mehreren zu erziehenden Personen) durch Erziehung zu

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4 Erziehungsziele

verwirklichen gewollt, versucht oder gefordert wird“ (Brezinka 1990: 111). Ein derartiges Erziehungsziel lässt sich in einem einzelnen Wort  – beispielsweise Selbstständigkeit, Friedfertigkeit oder Berufstätigkeit  – ausdrücken. Derartige Erziehungsziele klammern moralische Aspekte aus und fragen nicht nach der rechtlichen oder moralischen Legitimität des gesetzten Ziels. Einem Erziehungsziel im Sinne des Minimalbegriffs liegt folgende Frage zugrunde: Was will der/die Erziehende erreichen? • Moralische und rechtliche Aspekte hingegen berücksichtigt der Normbegriff von Erziehungszielen: „Ein Erziehungsziel im Sinne des Normbegriffs ist eine Norm, die einen vorgestellten Zustand der Persönlichkeit oder eine vorgestellte Persönlichkeitseigenschaft eines Educanden beschreibt, den dieser verwirklichen soll und zu dessen Verwirklichung seine Erzieher durch Erziehung beitragen sollen“ (Brezinka 1990: 111). Während Erziehungsziele im Sinne des Minimalbegriffs das Wollen der Erzieherinnen und Erzieher beschreiben, legen Erziehungsziele im Sinne des Normbegriffs das gesellschaftliche oder kulturelle Sollen, den Auftrag der Erziehenden fest. Einem Erziehungsziel im Sinne des Normbegriffs liegt folgende Frage zugrunde: Was soll durch Erziehung erreicht werden? Aus dem Normbegrif von Erziehungszielen ergibt sich eine Art Doppelcharakter; ein so verstandenes Erziehungsziel umfasst zwingend zwei Normen (vgl. Abbildung 8): • Einerseits beschreiben Erziehungsziele ein im zu Erziehenden anzustrebendes Ideal, • andererseits stellen sie für den Erziehenden eine Verhaltensvorschrift dar.

Normbegrif

Doppelcharakter

Abb. 8 | Doppelcharakter des Normbegriffs Erziehungsziel

Raithel et al. (2009: 25) nähern sich dem Begrif des Erziehungsziels, indem sie diesen in Bezug zu Werten und Normen setzen: 75

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Pädagogik

Erziehungsziele und Werte

• Dabei bezeichnen Werte das in einer Gesellschaft als wünschenswert Bezeichnete, an dem sich der Mensch bei seinem Verhalten orientieren kann und anhand denen sein Verhalten bewertet werden kann. • Normen hingegen basieren auf Werten und legen fest, wie diese konkret umzusetzen sind. Es handelt sich demzufolge also um „verhaltenswirksame Richtlinien“ (Raithel et al. 2009: 25). • Ziele unterscheiden sich durch ihren geringen Grad an Abstraktion von Werten und Normen und können für einen bestimmten Bereich (hier: Erziehung) festgelegt werden. Erziehungsziele unterschieden sich von Werten und Normen durch ihre Operationalisierbarkeit und Überprüfbarkeit.

Erziehungsziele ≠ Lernziele

Machen Sie als Studierender nicht den auch in der Literatur beliebten Fehler, Erziehungsziele mit Lehr- oder Lernzielen gleichzusetzen. Während Erziehungsziele sich auf die psychischen Dispositionen zu Erziehender beziehen (vgl. die Deinitionen von Erziehung in Kapitel Pädagogik 2), wirken Lehr- und Lernziele auf konkretere Lehr- und Erziehungsmethoden (vgl. Zecha 1984: 27f). Erziehungsziele werden in der Literatur auf unterschiedliche Weise klassiiziert – hier lediglich eine Auswahl: • nach ihrer Rangordnung (beispielsweise in Zwischen- und Endziele) • nach der für ihr Erreichen notwendigen Zeitspanne (Nah-, Zwischen-, Fern- und Endziele) • nach psychischen Strukturen (kognitive, affektive, motorische Erziehungsziele) • nach ihrem Komplexitäts- und Abstraktionsgrad

Klassiikationsmöglichkeiten

4.2 Notwendigkeit Die Entscheidung für oder gegen bestimmte Erziehungsziele wird beeinlusst durch Grundeinstellungen und -überzeugungen, „die im Glauben, in einer Weltanschauung oder einer Ideologie wurzeln“ (Dietrich 1990: 65). Deshalb werden überlieferte und traditionelle Erziehungsziele in einer weitgehend homogenen, geschlossenen Gesellschaft selten hinterfragt und in der Regel anerkannt. In ofenen, pluralistischen und dadurch stark heterogenen Gesellschaften hingegen verhält sich dies anders. Unterschiedliche religiöse und weltanschauliche Orientierungen, aber auch unterschiedliche Traditionen und Sozialisationserfahrungen erschweren 76

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4 Erziehungsziele

hier die Wertorientierung und damit die Setzung von Erziehungszielen. Wurde bereits ausgeführt, dass der Mensch als weltofenes, instinktreduziertes Wesen der Erziehung bedarf, ergibt sich hieraus auch die Notwendigkeit von Erziehungszielen. Erziehungsziele stehen nicht nur mit Werten und Normen in engem Zusammenhang, sondern dadurch auch mit Regeln und Vorschriften. Diese geben dem Menschen Orientierung bei seinem Handeln und stellen sicher, dass Egoismus und Selbstsucht das Zusammenleben der Menschen nicht unmöglich machen. Wo das Tier aufgrund von Instinkten arterhaltend handelt, stellen dies beim Menschen Erziehungsziele sicher. Darüber hinaus sieht Dietrich auch die ökonomische Notwendigkeit von Erziehungszielen. Wo der Mensch aufgrund von in Erziehungszielen festgesetzten sozialen Spielregeln handelt, entlastet er sich für andere Aufgaben (vgl. Dietrich 1990: 68).

Erziehungsziele und Regeln

Ökonomische Notwendigkeit

4.3 Funktionen von Erziehungszielen Die Funktionen von Erziehungszielen zeigt Abbildung 9.

Abb. 9 | Funktionen von Erziehungszielen

4.3.1 Erziehungsziele als Orientierungshilfe Erziehungsziele als Orientierungshilfe beziehen sich vor allem auf den zweiten bei Brezinkas Deinition angesprochenen Aspekt: Erziehungsziele stellen für den Erziehenden eine Verhaltensvorschrift dar. Viele pädagogische Fachbücher neigen dazu, diese erste Funktion als eigenständigen Punkt und unabhängig von weiteren Funktionen auszuführen (vgl. Hobmair 2008: 191). Erziehungsziele dienen der Erzieherin oder dem Erzieher als Orientierungshilfe, ermöglichen die Organisation von Erziehung

Erziehungsziele als Verhaltensvorschrift

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Pädagogik

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Erziehungsziele als Orientierungshilfe

Erziehungsziele als Wunschvorstellung

erst und geben die Möglichkeit, die gewählte Vorgehensweise am erwünschten Ziel auzurichten. So wird die Lehrkraft, die die Mündigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler als oberstes Erziehungsziel ansieht, den demokratischen Erziehungsstil praktizieren und autoritäre Verhaltensweisen weitgehend vermeiden. Andernfalls würde sie ihrer Zielsetzung widersprechend bedingungslosen Gehorsam und Unterwürigkeit fördern. Erziehungsziele geben Erzieherin und Erzieher demzufolge klare Hinweise auf den Soll-Zustand der zu Erziehenden und die von ihr zu praktizierende Erziehungsweise sowie die zu verwendenden Erziehungsmittel und -verfahren. Darüber hinaus legen Erziehungsziele als Ideale eine Wunschvorstellung fest. Dieser, so der Wunsch der Erzieherin oder des Erziehers, nähert sich der zu Erziehende im Verlauf der Erziehung an. Ein Vergleich von Ist- und Sollwert gibt demzufolge Rückmeldung über die Efektivität der Erziehung. Die bislang praktizierte Erziehungsweise kann beibehalten, abgeändert oder verworfen werden. Hat es sich der Erzieher zum Ziel gesetzt, seinen Schützling zur Verantwortungsfreude und zur Übernahme von Verantwortung zu erziehen, sind verantwortungsloses Handeln und mangelnde Verantwortungsübernahme ein Anlass, das eigene erzieherische Handeln zu überdenken. Unter Umständen ist eine andere pädagogische Vorgehensweise zielführender.

4.3.2 Erziehungsziele als Grundlage für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Erzieherinnen und Erzieher

Notwendigkeit gemeinsamer Erziehungsziele

78

Ob in Familie, Schule oder weiteren Bildungseinrichtungen – in der Regel indet die Erziehung eines Kindes nicht allein durch eine einzige Erzieherin oder einen einzigen Erzieher statt. Vielmehr wird dessen Entwicklung durch das Zusammenwirken vieler Erzieherinnen und Erzieher beeinlusst. Hier ist es notwendig, dass alle Beteiligten sich auf gemeinsame Erziehungsziele einigen, da die Erziehungsbemühungen des einen andernfalls den Erziehungsbemühungen des anderen zuwiderlaufen. Die Erziehungsbemühungen beispielsweise eines Lehrerkollegiums, in dem ein Teil die Schülerinnen und Schüler zu eigenverantwortlichen, mündigen Bürgern erziehen möchte, während der andere Teil gehorsame Untertanen anstrebt, werden zwangsweise scheitern oder nur unbefriedigende Ergebnisse erzielen.

4 Erziehungsziele

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4.3.3 Erziehungsziele dienen der Reflexion und Optimierung von Erziehung Erziehungsziele ermöglichen es, den Erfolg erzieherischen Handelns zu überprüfen. Nur wenn erzieherische Maßnahmen den Ist-Zustand der zu Erziehenden in Richtung des Soll-Zustands verändern, sind diese erfolgreich und sollten beibehalten werden. Andererseits muss die Erkenntnis, dass die bisherigen Erziehungsbemühungen die Heranwachsenden den gesetzten Erziehungszielen nicht näherbringen, zu einem Hinterfragen und Ändern des bislang praktizierten Erzieherverhaltens führen. Erziehungsziele geben Lehrkräften somit die Möglichkeit, die eigene erzieherische Praxis auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu ändern.

Ist-Zustand => Soll-Zustand?

4.3.4 Erziehungsziele dienen der Verwirklichung von Wert- und Normvorstellungen Gesellschaftliche Vorstellungen von Richtig und Falsch, von erwünschtem und nicht erwünschtem Verhalten müssen an die folgenden Generationen weitergegeben werden, um den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Dies geschieht über Erziehung und die dabei gesetzten Erziehungsziele.

4.4 Festsetzung, Wandel und Einflussfaktoren 4.4.1 Festsetzung Im Kontext familiärer Erziehung sind es in der Regel die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte, die Erziehungsziele setzen. Ihnen als angehender Lehrkraft steht diese Freiheit nicht in gleichem Maße zu. Der Großteil der von Ihnen anzustrebenden Erziehungsziele wird Ihnen in Landesverfassung, unterschiedlichen Gesetzestexten und Lehrplänen vorgegeben. Diese lassen sich zwar in vielen Fällen auf abstrakte Zielformulierungen unter anderem von Erziehungswissenschaftlern zurückführen, werden aber von unterschiedlichen Instanzen befürwortet, gesetzt und in Gesetzgebungs- und Lehrplangestaltungsprozesse eingebracht: • Politische Instanzen wie Regierungen und Parteien • Wirtschaftsinstanzen wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände • Kirchen und Verbände 79

Pädagogik

4.4.2 Wandel

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Wurde bereits im Rahmen der Begrifsklärung festgestellt, dass Erziehungsziele stark von den jeweiligen gesellschaftlich-kulturellen Rahmenbedingungen abhängen, ist zu schlussfolgern, dass Erziehungsziele einerseits von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich sind und sich andererseits in dem Ausmaß wandeln, in dem die jeweilige Gesellschaft sich wandelt. Auch die Geschichte hat gezeigt, dass die Wert- und Normvorstellungen einer Gesellschaft und damit verbunden die Erziehungsziele je nach politischen, wirtschaftlichen sowie religiösen Bedingungen und vorherrschendem Menschenbild oder Weltanschauung variieren.

4.4.3 Einflussfaktoren

Soziokulturelle Faktoren

Ökonomische Faktoren

Individuelle Faktoren

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Sowohl die Festsetzung als auch der Wandel von Erziehungszielen wird von unterschiedlichen Faktoren beeinlusst: • Wert- und Normvorstellungen einer Gesellschaft sind von deren soziokulturellen Faktoren abhängig und variieren je nach Staatsform, sind gesellschaftlichen Trends unterworfen und werden von den Massenmedien an die Erziehenden herangetragen. Deutlich zeigt sich dies am Beispiel des Dritten Reichs oder der DDR. Während hier Treue und Opferbereitschaft zentrale Erziehungsziele waren, sind für die Erziehung in der Deutschen Demokratischen Republik die Bereitschaft zum Einsatz für den Sozialismus und für die bewaffnete Verteidigung des Landes (vgl. Ulbricht nach Rohrmann 2013: 42) anzuführen, für das wiedervereinigte Deutschland als demokratischen Staat Emanzipation und Mündigkeit. • Ökonomische Faktoren beeinflussen sowohl die Gesellschaft an sich als auch die einzelne Erzieherin und den einzelnen Erzieher. So tendiert eine marktwirtschaftlich geprägte Gesellschaft eher zu Werten wie Leistungs-, Gewinn- und Konsumorientierung. Auf individueller Ebene fällt eine bewusste Erziehung der eigenen Kinder zu Hilfsbereitschaft und Solidarität dann leichter, wenn die eigenen materiellen Rahmenbedingungen besonders gut sind. • Über die materiellen Rahmenbedingungen hinaus beeinflussen weitere individuelle Faktoren wie Familiengröße und innerfamiliäre Atmosphäre die Setzung von Erziehungszielen innerhalb von Familien.

4 Erziehungsziele

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• Unabhängig von Gesetzen und Lehrplänen werden Lehrkräfte sowohl durch ihre Persönlichkeitsmerkmale, wie Einstellungen, Wünsche und Gefühle, als auch durch die individuelle Biographie bei der Setzung von Erziehungszielen beeinflusst.

4.5 Probleme von Erziehungszielen Weber (1977) konzentriert sich auf fünf Probleme, die mit der Setzung von Erziehungszielen einhergehen können: 1. So können Erziehungsziele unter Umständen Zukunftsoffenheit verbauen. Dies ist möglich, da Erziehungsziele in der Gegenwart formuliert und gesetzt werden, die zu Erziehenden jedoch auf die Zukunft vorbereitet werden sollen. 2. Erziehungsziele können als Richtschnur zur Formung des Menschen nach einem festgelegten Menschenbild missbraucht werden. Dabei bleibt der Wille des zu Erziehenden unberücksichtigt und seine Selbstbestimmung und freie Entfaltung werden behindert. Weber spricht in diesem Fall von Erziehungszielen als Leitbildern weltanschaulicher Manipulation. 3. Erziehungsziele können Gefahr laufen, die Erziehung an unerreichbaren Idealen auszurichten und idealistischen Utopismus zu fördern. Dies jedoch würde sowohl Erziehende als auch zu Erziehende überfordern. Eine Lehrkraft, die in ihrer Erziehungstätigkeit nach absoluter Harmonie innerhalb der Schulklasse strebt, muss ebenso zwangsweise scheitern wie die Schülerin oder der Schüler, von der oder von dem absoluter Fleiß und uneingeschränkte Ehrlichkeit erwartet wird. 4. Zu abstrakten Leerformeln werden Erziehungsziele, wenn sie so allgemein formuliert sind, dass sie alles und nichts bedeuten können. In diesem Fall verlieren sie ihre Bedeutung als Orientierungshilfe für Erziehende. 5. Erziehungsziele können den Ideologien bestimmter Gruppen entspringen und deren Interessen durchsetzen und verschleiern (vgl. Weber 1977: 86ff.). Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass die Vielzahl unterschiedlicher Lebensentwürfe, Sozialisationserfahrungen und Herkunftskulturen in einer ofenen, pluralistischen Gesellschaft unterschiedliche, teils gegensätzliche Wert- und Normenvorstellungen nach sich ziehen. Dies führt häuig zu Verunsicherung bei Erziehenden. Als Lehrkraft müssen Sie außerdem damit rechnen, Elternhäu-

Fehlende Zukunftsofenheit

Weltanschauliche Manipulation

Idealistischer Utopismus

Abstrakte Leerformel

Ideologien

Gegensätzliche Wert- und Normenvorstellungen

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Pädagogik

sern zu begegnen, die die Ihnen vorgegebenen und von Ihnen gesetzten Erziehungsziele ablehnen und gänzlich andere Absichten verfolgen. Verunsichernd mag auch wirken, dass viele Erziehungsziele sich scheinbar diametral entgegenstehen. So sind beispielsweise die Erziehungsziele Hilfsbereitschaft, Solidarität und Rücksichtnahme auf den ersten Blick unvereinbar mit den Erziehungszielen Durchsetzungsvermögen und Erfolgsstreben (vgl. Hobmair 2008: 196). Hier die Balance zu halten und die zu Erziehenden in diesem Spannungsfeld den eigenen Weg inden zu lassen, ist die Herausforderung gerade für professionelle Erziehende.

4.6 Erziehungsziele konkret Die Auseinandersetzung mit konkreten Erziehungszielen stellt vor allem Lehrkräfte vor große Probleme, da ihnen in den Schulgesetzen der Länder Erziehungsziele – häuig auch als Erziehungs- und Bildungsziele bezeichnet – vorgegeben werden, diese jedoch eher allgemein formuliert sind. Im Folgenden werden Brezinkas Erziehungsziele für Familie und Schule angeführt, bevor Gieseckes Erziehungsziele ausführlicher zur Darstellung kommen.

4.6.1 Erziehungsziele nach Brezinka

5 Ziele familiärer Erziehung

Brezinka spricht der Familie als primärer Erziehungsinstanz die Hauptverantwortung für die Erziehung zu (vgl. Brezinka 1993) und erinnert familiär Erziehende an gesellschaftliche Grundideale, aus denen er fünf Erziehungsziele ableitet: • Vertrauen zum Leben und der Welt • Bereitschaft zur Selbsterhaltung durch eigene Anstrengung • Realistisches Welt- und Selbstverständnis • Kultur des Herzens • Selbstdisziplin Der Schule kommt nach Brezinka zunächst die Aufgabe zu, ebenfalls an den für Familien gesetzten Erziehungszielen zu arbeiten. Darüber hinaus jedoch ist sie besonders dem „Zusammenhalt des Ganzen“ (Brezinka 1993: 95) verplichtet, weshalb sie zwei zusätzliche, politische sowie bürgerliche Tugenden vermitteln müsse:

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4 Erziehungsziele

• Gemeinsinn • aufgeklärter Patriotismus

2 zusätzliche Ziele schulischer Erziehung

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4.6.2 Erziehungsziele nach Giesecke Anders als Brezinka, der in seiner konservativen Position die Verplichtung und Verantwortung des Individuums für die Gesellschaft betont, formuliert Giesecke drei stärker individuell orientierte Ziele für die öfentliche Erziehung: • Mündigkeit (der mündige Bürger als Voraussetzung einer Demokratie) • Partizipation (im Sinne der gleichberechtigten Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten) • Emanzipation (als ein historischer Prozess der Beseitigung unterdrückender und Gleichberechtigung verhindernder Lebensbedingungen) (vgl. Giesecke 1994: 92ff.) Das Erziehungsziel Mündigkeit scheint in der Lehrerausbildung allgemein, gerade aber auch in der zweiten Lehrerbildungsphase, über den beiden weiteren zu thronen. Dies lässt sich unter Umständen auf zwei Gründe zurückführen: 1. Schon Nohl bezeichnete Mündigkeit als Ziel jeglicher Erziehung: „Die Erziehung endet da, wo der Mensch mündig wird“ (Nohl 1933: 21). 2. Mündigkeit als Zusammenspiel von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz lässt sich besser als andere Erziehungsziele für schulisches Wirken konkretisieren.

3 Erziehungsziele

1. Mündigkeit

Der pädagogische Mündigkeitsbegrif ist deutlich abzugrenzen vom Rechtsbegrif der Mündigkeit, der altersabhängig deiniert wird. Ist Mündigkeit im rechtlichen Sinne einmal erreicht, ist der Mensch geschäftsfähig, kann verbindliche Rechtsgeschäfte abschließen und seine politischen Bürgerrechte ausüben. Aus pädagogischer Sicht verweist der Zielbegrif Mündigkeit auf die Zeit der Aufklärung und speziell auf Immanuel Kant, der Unmündigkeit als das Unvermögen bezeichnet, „sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ (Kant 1999: 20). Der mündige Bürger, der nicht alles kritiklos hinnimmt und sich Vorgegebenem anpasst, sondern sich eben seines Verstandes bedient, ist die Voraussetzung für die demokratische Gesellschaft. 83

Pädagogik

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Mündigkeit als Kompetenztrias

Deinition Mündigkeit

Der Pädagoge Heinrich Roth (1906–1983)  – und angesichts aktueller Debatten um kompetenzorientierten Unterricht wirken seine Ausführungen bemerkenswert aktuell – sieht Mündigkeit als Kompetenz im dreifachen Sinne. So ist es das Zusammenspiel von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz, das Mündigkeit ausmacht. Dabei stellen Sach- und Sozialkompetenz die unmittelbaren Voraussetzungen für Selbstkompetenz dar: „Moralisch-mündige Handlungsfähigkeit als Selbstbestimmung ist nur möglich, wenn der Handelnde über Sachverstand und Sachkompetenz verfügt und über soziale Einsichtsfähigkeit und Sozialkompetenz“ (Roth 1971: 388). Hobmair formuliert folgende, gut verständliche Deinition von Mündigkeit: Mündigkeit als pädagogische Zielvorstellung ist ein Prozess und bedeutet die Bereitschaft und Fähigkeit eines Menschen, das eigene und das soziale Leben sowie die Sachwelt in Beruf, Umwelt und Politik bewältigen zu können. (Hobmair 2008: 205)

Als Konkretisierungshilfe für Erziehende, denen es schwerfallen dürfte, den abstrakten Auftrag Erziehung zur Mündigkeit oder den der Erziehung zu Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz konkret umzusetzen, gibt Hobmair (2008: 206), ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, eine Vielzahl konkreter Qualiikationen an, die zu schulen sind (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3 | Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz

Selbstkompetenz

Sozialkompetenz

Sachkompetenz

Zielstrebigkeit, Selbstbeherrschung, Besonnenheit, Konzentration, Ausdauer, Zuverlässigkeit, Verantwortlichkeit, Aufgeschlossenheit, Denken in komplexen Zusammenhängen und Systemen, Entscheidungs- und Gestaltungsfähigkeit, Kreativität, Kritik- und Urteilsfähigkeit

Kommunikative Fähigkeit, Kontaktbereitschaft, Fähigkeit zur Kooperation, Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Geduld, Ofenheit, Hilfsbereitschaft, Verbindlichkeit, Mitverantwortung, Aufrichtigkeit, Solidarität, Toleranz, Durchsetzungsvermögen

Berufsübergreifende Kenntnisse und Fertigkeiten (z. B. Fremdsprachen), Kenntnisse und Fertigkeiten neuer Techniken, Kenntnisse von Arbeitsabläufen und Verfahren, die Beherrschung von Lerntechniken, Lernfähigkeit und -bereitschaft, Problemlösungsfähigkeit

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4 Erziehungsziele

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Aus der Praxis für die Praxis Die Zielsetzung „Heute mache ich meine Schülerinnen und Schüler mündig(er)“ ist so abstrakt, dass wohl kaum eine Lehrkraft sich diese konkret vornehmen oder gar in einem Tagesplan oder einer Jahresplanung vermerken würde. Auch die Zielsetzung „Heute schule ich die Selbst-, Sozial- oder Sachkompetenz meiner Schülerinnen und Schüler“ ist viel zu abstrakt, um sie tatsächlich ohne Einschränkungen und weitere Spezialisierung umzusetzen. Die Zielsetzung „Heute schule ich die Teamfähigkeit, Zielstrebigkeit oder Kooperationsfähigkeit“ hingegen lässt sich sehr wohl gezielt verfolgen. Zeichnet sich Mündigkeit durch den Aspekt der Kritikfähigkeit aus und zielt somit darauf ab, nicht alles Gegebene unhinterfragt zu akzeptieren, sondern es zu relektieren und als Unrecht Erkanntes zu ändern, meint Partizipation die Möglichkeit, eine Gesellschaft auch so zu nehmen, wie diese ist. Sie zielt auf die formale Seite der demokratischen Praxis. Entsprechend der eigenen Möglichkeiten soll jeder Mensch am politischen und kuturellen Leben teilhaben und beruliche Institutionen und Angebote wahrnehmen können. Ob eine Gesellschaft verändert wird und wenn ja, wie dies geschieht, liegt stets im Ermessen und Vermögen des Einzelnen. Bezeichnen Mündigkeit und Partizipation doch ansatzweise Gegensätzliches, ist Emanzipation das dritte von Giesecke formulierte Erziehungsziel, das diese verbindet. Emanzipation bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, für „gesellschaftliche Bedingungen zu kämpfen, die ein Mündigwerden ermöglichen“ (Hobmair 2008: 207). Dementsprechend meint Emanzipation immer die Kritik an und den Kampf gegen Zwang sowie ungerechtfertigte Abhängigkeiten und Machtverhältnisse.

2. Partizipation

3. Emanzipation

Literaturtipp Einen Klassiker zum Thema Erziehungsziele stellt das mittlerweile vielfach neu aufgelegte Werk Brezinkas dar: Brezinka, Wolfgang. Erziehungsziele – Erziehungsmittel – Erziehungserfolg: Beiträge zu einem System der Erziehungswissenschaft. Basel Sehr theoretisch, aber für angehende Lehrkräfte unglaublich spannend ist Reuters, auch im Internet frei zugänglicher, Artikel: 85

Pädagogik

Reuter, Lutz Rainer. Erziehungs- und Bildungsziele aus rechtlicher Sicht. Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 47, 28–48.

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Zusammenfassung • Erziehungsziele beziehen sich auf psychische Dispositionen zu Erziehender und unterscheiden sich daher von Lehr- oder Lernzielen. Brezinka unterscheidet zwischen dem Minimalbegriff des Erziehungsziels und dem Normbegriff des Erziehungsziels. Erziehungsziele als Minimalbegriffe bezeichnen die Ziele, die Erziehende mit ihrem erzieherischen Handeln beim zu Erziehenden erreichen möchten. Unwichtig dabei sind die Legitimation des Ziels und moralische Aspekte. Dies berücksichtigt der Normbegriff von Erziehungszielen. Er beschreibt eine Persönlichkeitseigenschaft, die als positiv bewertet wird und die der zu Erziehende mit Hilfe des Erziehenden entwickeln soll. Das heißt, der Minimalbegriff von Erziehungszielen beschreibt, was Erziehende erreichen wollen, der Normbegriff beschreibt, was Erziehende in den Augen der Gesellschaft erreichen sollen. • Der Normbegriff von Erziehungszielen umfasst zwei Normen: 1. Eine Norm, die im zu Erziehenden verwirklicht werden soll; die Persönlichkeitseigenschaft, die psychische Disposition, die dieser aufweisen soll. 2. Eine Norm, wie der Erziehende sich verhalten soll; die Erziehungsmethoden, die Praktiken und den Erziehungsstil, die dieser anwenden soll. • Erziehungsziele erfüllen unterschiedliche Funktionen: • Erziehungsziele geben den Erziehenden Orientierung. Sie geben ihm Hinweise auf die Art und Weise, wie er erziehen soll und geben ihm Rückmeldung über den Erfolg seiner erzieherischen Handlungen. • Erziehungsziele ermöglichen erst die Zusammenarbeit von Erziehenden. Nur wenn ihnen das Ziel klar ist, können Erziehende sich absprechen, ihre Handlungen abstimmen und gemeinsam an einem Strang ziehen. • Erziehungsziele ermöglichen die Reflexion von Erziehung. So sind erzieherische Handlungen erfolgreich und sollten beibehalten werden, wenn sie dem zu Erziehenden geholfen haben, sich den gesetzten Zielen anzunähern. Andernfalls ist die bisherige Vorgehensweise abzuändern. • Erziehungsziele ermöglichen es, Wert- und Normvorstellungen an die nächste Generation weiterzugeben. Auf diese Weise sichern sie den Fortbestand der Gesellschaft. • Erziehungsziele werden von unterschiedlichen Instanzen wie Regierungen und politischen Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, Kirchen und Verbänden gesetzt und beeinflusst. Sie sind immer auch von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig, weshalb sie nicht nur von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren, sondern auch innerhalb einer Gesellschaft einem Wandel unterliegen. 86

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4 Erziehungsziele

Ausschlaggebend sind hier soziokulturelle und ökonomische, aber auch individuelle Faktoren. • Brezinka formuliert für die Familie fünf (Vertrauen zum Leben und der Welt, Bereitschaft zur Selbsterhaltung durch eigene Anstrengung, Realistisches Welt- und Selbstverständnis, Kultur des Herzens, Selbstdisziplin), für die Schule zwei zusätzliche (Gemeinsinn, aufgeklärten Patriotismus) Erziehungsziele. • Giesecke formuliert drei Erziehungsziele: Mündigkeit, Partizipation und Emanzipation. • Problematisch ist, dass Erziehungsziele unter Umständen • Zukunftsoffenheit verbauen, • der weltanschaulichen Manipulation dienen, • unerreichbare Ideale darstellen, • inhaltsleer und zu allgemein formuliert sind oder • den Interessen einzelner Gruppen dienen.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Klären Sie den Begriff Erziehungsziel: • Welche Begriffe werden in ähnlicher oder gleicher Bedeutung verwendet? • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Unterscheiden Sie zwischen dem Minimalbegriff und dem Normbegriff von Erziehungszielen. • In welcher Beziehung zueinander stehen Erziehungsziele und Werte? 2. Erziehungsziele erfüllen unterschiedliche Funktionen: • Nennen Sie diese. • Arbeiten Sie paarweise zusammen und führen Sie abwechselnd eine Funktion näher aus. Bemühen Sie sich dabei um konkrete Beispiele aus dem Bereich schulischer Erziehung. 3. Wie kommen Erziehungsziele zustande? • Nennen Sie Instanzen, die Erziehungsziele festsetzen. • Nennen Sie die Faktoren, die die Setzung von Erziehungszielen beeinflussen und begründen Sie deren Einfluss. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Studieren Sie zunächst die folgenden beiden Aussagen, entscheiden Sie sich für eine und diskutieren Sie entsprechend des Arbeitsauftrags: Erziehungsziele variieren von Gesellschaft zu Gesellschaft. • Welche Folgen hat dies für Lehrkräfte, deren Schülerinnen und Schüler aus vielen unterschiedlichen Herkunftsgesellschaften stammen? Welche Folgen hat dies für die Eltern der Schülerinnen und Schüler? • Formulieren Sie gemeinsam verbindliche Ziele für schulische Erziehung in der multikulturellen Gesellschaft. 87

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Pädagogik

Erziehungsziele unterliegen innerhalb einer Gesellschaft einem Wandel. • Wie haben sich die Erziehungsziele in Deutschland seit 1933 geändert? Was wissen Sie, was vermuten Sie? Diskutieren Sie. • Haben sich auch die Ziele geändert, die Sie in der Erziehung Ihrer Schülerinnen und Schüler verfolgen? Was hat sich geändert? Was hat diese Veränderungen ausgelöst? 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Brezinka formuliert für die Schule sieben Erziehungsziele: • Nennen Sie diese Erziehungsziele und notieren Sie sie auf einzelnen Kärtchen. • Ordnen Sie die Ziele entsprechend ihrer Bedeutung von eher weniger wichtig bis hin zu besonders wichtig. Wichtig dabei ist nicht die tatsächliche Reihenfolge, sondern dass Sie Ihre Reihenfolge begründen und die dabei entstehenden Probleme benennen. • Konzentrieren Sie sich auf die fünf Erziehungsziele, die nach Giesecke für Schule und Familie gelten. Würde sich in Ihren Augen an deren Reihenfolge etwas ändern, wenn Sie nicht als Lehrkraft, sondern als Vater oder Mutter sortieren würden? Diskutieren Sie! 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Giesecke formuliert die drei Erziehungsziele Mündigkeit, Partizipation und Emanzipation: • Entscheiden Sie sich in der Gruppe für eines dieser Ziele. • Diskutieren Sie Möglichkeiten, dieses in der Schule umzusetzen. Was können Sie als Lehrkraft tun, um dieses Ziel zu erreichen oder sich diesem Ziel anzunähern? • Skizzieren Sie Ihre Vorgehensweise auf einem Flipchart-Papier und präsentieren Sie Ihr Konzept anschließend den anderen Gruppen.

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5 Aufgaben der Erziehung 5.1 Enkulturationshilfe – Unterstützung beim Erlernen der kulturellen Lebensweise 5.2 Sozialisationshilfe – Unterstützung beim Erlernen des sozialen Verhaltens 5.3 Personalisationshilfe – Unterstützung bei der Entfaltung der Persönlichkeit 5.4 Erziehung zwischen Anpassung und Widerstand 5.5 Enkulturation, Sozialisation und Personalisation – Zusammenhänge Angesichts umfangreicher Herausforderungen in einer globalisierten, schnelllebigen Zeit fragen sowohl Eltern und Erziehende im Allgemeinen, aber auch Lehrkräfte im Speziellen nach den konkreten Aufgaben, die mit der Erziehung von Kindern und Jugendlichen einhergehen. Der Versuch, alle dabei anfallenden Klein- und Kleinstaufgaben mit Anspruch auf Vollständigkeit erfassen zu wollen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Erfolgsversprechend jedoch ist eine Orientierung am Erziehungsziel Mündigkeit und damit verbunden ein Rückgrif auf die Position Heinrich Roths. Ähnlich wie die modernen Humanwissenschaften sieht auch Roth eine enge Beziehung zwischen Kultur, Gesellschaft und Person. Davon ausgehend schlussfolgert er, wenn Erziehung zur Mündigkeit führen soll, muss es ihr gelingen, dem zu Erziehenden Hilfe zur Eingliederung in Kultur und Gesellschaft sowie bei der Entfaltung der Persönlichkeit zukommen zu lassen. Vermessen wäre es, als Erziehender davon auszugehen, mehr leisten zu können, als hier lediglich helfend zur Seite zu stehen. Es kann also mitnichten davon ausgegangen werden, dass ein Erziehender seine Schützlinge tatsächlich in Kultur und Gesellschaft eingliedert und deren Persönlichkeit entfaltet. Aufgabe der Erziehung ist es lediglich, in den zugrundeliegenden Prozessen Enkulturation, Sozialisation und Personalisation zur Seite zu stehen. Mit anderen, vor allem aber mit deutlichen Worten: Die Prozesse Enkulturation, Sozialisation und Personalisation laufen weitgehend ohne Zutun eines Erziehenden ab. Dabei erwerben die zu Erziehenden Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz. Aufgabe (schulischer) Erziehung ist lediglich, hier mit helfender Hand zur Seite zu stehen und den Erwerb dieser Kompetenzen positiv zu beeinlussen. 89

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Pädagogik

Demzufolge werden in diesem Kapitel vor allem die drei Hauptaufgaben von Erziehung ausgeführt (vgl. Abbildung 10): • Hilfestellung bei der Eingliederung in die Kultur – Erziehung als Enkulturationshilfe • Hilfestellung bei der Eingliederung in die Gesellschaft – Erziehung als Sozialisationshilfe • Hilfestellung bei der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit – Erziehung als Personalisationshilfe

Reflexionsaufgaben Arbeiten Sie gemeinsam mit andere Studierenden in der Gruppe: • Sammeln Sie gemeinsam Aufgaben, die in Ihren Augen in den Bereich der Erziehung fallen. • Lassen sich Überschriften für mehrere Aufgaben finden? • Können Sie die einzelnen Aufgaben entsprechend ihrer Wichtigkeit in eine Reihenfolge bringen?

Abb. 10 | Aufgaben der Erziehung

5.1 Enkulturationshilfe – Unterstützung beim Erlernen der kulturellen Lebensweise Das Verhältnis von Mensch und Kultur ist, wie bereits angesprochen (siehe Kapitel Pädagogik 3), dadurch geprägt, dass die Kultur einerseits ein Produkt des Menschen ist, dieser aber andererseits auch durch die Kultur selbst beeinlusst wird. Der Mensch ist sozusagen Produkt und Schöpfer der Kultur in ein- und derselben Person. Kultur ist dabei jene Lebensform, „durch die sich der Mensch 90

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5 Aufgaben der Erziehung

vom Tier unterscheidet; … die Menschen lebensdienlich und daseinsbereichernd gestaltete Natur“ (Weber 1977: 38). Loch (hier nach Weber 1977: 38) nennt die folgenden Aspekte von Kultur: • Sprache • moralische Normen und Verhaltensmuster • emotionale Ausdrucksweisen • soziale Organisationen, Rollen und Spielregeln • Einrichtungen des Rechts und der Politik • Arbeits- und Wirtschaftsformen • Technik • Einrichtungen und Tätigkeiten als Selbstzweck (beispielsweise Künste) • Weisen der geselligen Selbstdarstellung (beispielsweise Sport und Feste) • Religion Die Vielfalt und Komplexität dieser Aspekte macht deutlich: Die kulturelle Lebensweise muss von jedem Menschen zunächst im sozialen Miteinander erlernt werden. Die Weitergabe dieser Aspekte und somit der kulturellen Lebensweise ist Voraussetzung für das Fortbestehen einer Gesellschaft (vgl. Roth 1968: 130). Das Erlernen und die Übernahme der kulturellen Lebensweise, die Ausbildung kultureller Kompetenz, wird als Enkulturation bezeichnet (vgl. Hobmair 2008: 84). Dabei hat Enkulturation jedoch eine Art Doppelfunktion. Einerseits meint sie die Anpassung an die bestehende Kultur, andererseits auch die Fähigkeit zur Veränderung von Kultur und zum produktiven Neuschafen (vgl. Hobmair 2008: 84). Daraus leitet sich auch für Sie als Lehrkraft eine doppelte Aufgabe ab: 1. Der Lernende muss im Sinne einer Reproduktion der Tradition beim Erwerb der einzelnen, die bestehende kulturelle Lebensweise ausmachenden Elemente unterstützt werden: • Sprache • Formen der Verständigung • Gefühle • Ausdrucksweisen • Denken • Lesen • Schreiben • Wertebewusstsein • Moralvorstellungen

Aspekte von Kultur

Deinition Enkulturation

Doppelfunktion

Reproduktion der Tradition

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Pädagogik

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Veränderung der Lebensverhältnisse

2. Darüber hinaus jedoch sollen die zu Erziehenden durch die Förderung ihrer Kreativität und Produktivität befähigt werden, kulturelle Gebilde neu zu schafen. Sie sollen befähigt werden, die Lebensverhältnisse zu verändern. Dafür ist die Vermittlung weiterer Fähigkeiten notwendig: • Kritikfähigkeit • Kreativität • Produktivität • Engagement • Verantwortungsbewusstsein • Fehlerhafte Entwicklungen erkennen können (vgl. Hobmair 2008: 84f.).

5.2 Sozialisationshilfe – Unterstützung beim Erlernen des sozialen Verhaltens Deinition Sozialisation

Zu initiierende Lernprozesse

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Über sein Dasein als kulturelles Wesen hinaus ist der Mensch jedoch auch soziales Wesen. Von Geburt an ist er auf das Zusammenleben und Interagieren mit Mitmenschen angewiesen. Das dafür notwendige soziale Verhalten muss ebenso wie die kulturelle Lebensweise erlernt werden. Man spricht von Sozialisation als dem Prozess der „Vergesellschaftung des Menschen“ (Raithel et al. 2009: 59), dem Prozess, „in welchem der Mensch in der Gesellschaft bzw. in einer ihrer Gruppen handlungsfähig wird“ (Hobmair 2008: 85). Sozialisation ist der Teilbereich der Enkulturation, in dem die Werte und Normen der jeweiligen Gesellschaft gelernt werden. Weber spricht von der sozialen Dimension der Enkulturation (vgl. Weber 1977: 39). Für Ihren Erziehungsauftrag bedeutet dies, Lernprozesse zu initiieren, die die Schülerinnen und Schüler beim Hineinwachsen in die Gesellschaft unterstützen: 1. Lernprozesse, die Unterstützung geben beim Erlernen der gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen 2. Lernprozesse, die bei der Ausbildung von Einstellungen und Haltungen unterstützen 3. Lernprozesse, die zu Erziehenden helfen, soziale Rollen zu erlernen 4. Lernprozesse, die dabei unterstützen, das Gewissen zu formieren

5 Aufgaben der Erziehung

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5.3 Personalisationshilfe – Unterstützung bei der Entfaltung der Persönlichkeit Beziehen sich die ersten beiden Aufgaben der Erziehung auf den Menschen als kulturelles und soziales Wesen, so ergibt sich die dritte Aufgabe aus der Sichtweise des Menschen als unverwechselbare Persönlichkeit. Weber (1977) bezieht sich auf Schlottmann, um die Aspekte der Personalität des Menschen aufzuzeigen: • Freiheit der Wahl und Distanzierungsfähigkeit – Angebote und Möglichkeiten der Gesellschaft können angenommen oder abgelehnt werden. • Spontaneität – der Mensch kann zur Ursache sowohl seiner eigenen Umstände als auch der der Welt werden. • Autonomie  – der Mensch bestimmt selbst über sein Handeln und unterwirft sich Gesetzen, die er sich alleine oder gemeinsam mit anderen selbst gibt. • Verantwortlichkeit – er hat für die Absichten und Folgen seines Handelns vor sich selbst, vor anderen und gegebenenfalls vor Gott einzustehen. (Vgl. Weber 1977: 45) Entsprechend dieser Merkmale bezeichnet Personalisation oder der aus den Sozialwissenschaften übernommene Begrif Individuation den „Entwicklungsprozess zu einem einzigartigen Individuum“ (Raithel et al. 60). Die Person entfaltet die eigene Persönlichkeit und lernt, sich an den eigenen Wertvorstellungen zu orientieren und sich dennoch in das soziokulturelle Leben einzugliedern, bzw. dieses zu verändern. Gerade in einer wertpluralen Gesellschaft ist es notwendig, den Heranwachsenden Unterstützung dabei zu geben, die unterschiedlichen, an sie herangetragenen Werte und Verhaltenserwartungen kritisch zu relektieren, zwischen ihnen auszuwählen und eigene Wertüberzeugungen zu entwickeln. Das Konzept der Personalisation unterscheidet sich in einer Hinsicht sehr deutlich von dem der Enkulturation oder Sozialisation: Während diese beiden Prozesse überall dort ablaufen, wo Menschen zusammenleben, also in jeder Gesellschaft, ist der Personalisationsprozess auf Gesellschaften beschränkt, die den Menschen als Individuum wahrnehmen (vgl. Raithel et al. 60).

Aspekte der Personalität

Deinition Personalisation

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Pädagogik

5.4 Erziehung zwischen Anpassung und Widerstand

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Erziehung zwischen Anpassung und freier Entfaltung

Vor allem aufgrund der Aufgaben, Sozialisations- und Personalisationshilfe zu leisten, stehen Erziehende nicht selten vor einem Dilemma: • Einerseits sehen sie sich gesellschaftlichen Ansprüchen ausgesetzt und arbeiten darauf hin, die Heranwachsenden zur Anpassung an die jeweilige Gesellschaft zu erziehen. Wert- und Normvorstellungen sind ebenso zu vermitteln wie Traditionen. Die zu Erziehenden sollen die an sie gerichteten Verhaltenserwartungen erfüllen. • Andererseits ist es notwendig, dem zu erziehenden Individuum das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und Selbstbestimmung zu lassen. Dazu sollen die zu Erziehenden bestehende Vorschriften, Machtverhältnisse und Abhängigkeiten kritisch hinterfragen und gegebenenfalls ändern. Dieser Spagat zwischen der Vermittlung von Bewährtem und der Erziehung zu Kritikfähigkeit birgt für Lehrkräfte in mehrerer Hinsicht Konliktpotenzial: Sie müssen stets aufs Neue Entscheidungen trefen, wie genau sie hier die Balance bewahren können. Darüber hinaus setzen in der Praxis viele Eltern deutliche Schwerpunkte in einem der beiden Bereiche und möchten diese auch seitens der Schule gesetzt sehen.

5.5 Enkulturation, Sozialisation und Personalisation – Zusammenhänge Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit wurden die Prozesse Enkulturation, Sozialisation und Personalisation bislang unabhängig voneinander dargestellt. Dem aufmerksamen Leser jedoch wird nicht entgangen sein, dass komplexe Zusammenhänge existieren müssen: Einerseits wurde für den Prozess der Enkulturation sowohl ‚die Orientierung an Sitten‘ als auch der Erwerb von Wertebewusstsein und Moralvorstellungen angesprochen, andererseits wurde für die Sozialisationshilfe die Vermittlung von Werten und Normen angeführt. Dies ist insofern möglich, als Sozialisation und Personalisation als Subprozesse und somit als Teil der Enkulturation zu sehen sind. Gut verständlich verdeutlicht dies Abbildung 11. 94

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5 Aufgaben der Erziehung

• Deutlich wird hier, dass der Prozess der Enkulturation sowohl Sozialisation als auch Personalisation umfasst. Bei beiden handelt es sich um Subprozesse der Enkulturation. • Darüberhinaus findet sich die Erziehung als Teilbereich der Sozialisation wieder: Die zu Erziehenden werden Teil der Gesellschaft und erlernen das notwendige Sozialverhalten, wozu die Erziehung einen Teil beiträgt.

Enkulturation > Personalisation + Sozialisation

Abb. 11 | Zusammenhänge Enkulturation, Sozialisation, Personalisation (Gudjons nach Raithel & Dollinger & Hörmann 2009: 61)

Literaturtipp An dieser Stelle bietet sich ein Blick in die entsprechenden Ausführungen Hobmairs an: Hobmair, Herrmann. Pädagogik, Troisdorf.

Zusammenfassung • Wenn Erziehung zur Mündigkeit führen soll, muss sie drei Aufgaben verfolgen: 1. Sie muss die zu Erziehenden bei ihrer Eingliederung in die Kultur unterstützen, 2. sie bei ihrer Eingliederung in die Gesellschaft unterstützen und 3. sie bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit unterstützen. • Der Prozess, bei dem ein Individuum die kulturelle Lebensweise einer Gesellschaft übernimmt und erlernt, wird als Enkulturation bezeichnet. Dabei hilft Erziehung dem zu Erziehenden. Sie gibt Enkulturationshilfe. Wichtig dabei ist, dass der Heranwachsende die bestehende Kultur nicht nur übernimmt, sondern auch fähig wird, diese 95

Pädagogik

zu verändern. Erziehung muss deshalb darauf abzielen, einerseits Sprache, Denken, Lesen, Schreiben u.v.m. zu vermitteln und andererseits Kritikfähigkeit, Engagement, Verantwortungsbewusstsein u.v.m. zu fördern. Der Prozess, bei dem ein Individuum das in einer Gesellschaft notwendige soziale Verhalten erlernt, wird als Sozialisation bezeichnet. Dabei hilft Erziehung dem zu Erziehenden. Sie gibt Sozialisationshilfe. Sozialisation ist ein Teilbereich der Enkulturation. Es handelt sich um den Teilbereich, in dem Werte und Normen vermittelt werden. Darüber hinaus entwickelt der zu Erziehende in dieser sozialen Dimension der Enkulturation Einstellungen und Haltungen, erlernt soziale Rollen und bildet sein Gewissen aus. Der Prozess, bei dem ein Individuum seine Persönlichkeit entfaltet, wird als Personalisation oder Individuation bezeichnet. Dabei hilft Erziehung dem zu Erziehenden. Sie gibt Personalisationshilfe. Im Prozess der Personalisation lernt ein zu Erziehender, an ihn herangetragene Werte zu hinterfragen und eigene Wertentscheidungen zu treffen. Anders als der Enkulturations- und Sozialisationsprozess läuft der Personalisationsprozess nur in Gesellschaften ab, in denen der Mensch als Individuum gesehen wird. Die Lehrkraft, die ihren Erziehungsauftrag ernst nimmt, steht in einem Spannungsfeld zwischen Anforderungen der Gesellschaft einerseits und dem Recht des Individuums auf freie Entfaltung andererseits. Sie muss einerseits Traditionen, bestehende Normen und in der Gesellschaft Bewährtes und Übliches weitergeben, um ihren Fortbestand zu sichern. Andererseits muss sie den zu Erziehenden anhalten und befähigen, all dies zu hinterfragen, unter Umständen abzulehnen und gegebenenfalls entsprechend der eigenen entwickelten Wertvorstellungen zu verändern. Die drei Prozesse Enkulturation, Sozialisation und Personalisation stehen nicht gleichwertig nebeneinander. Dies hat die Bezeichnung der Sozialisation als Teilbereich der Enkulturation bereits angedeutet. Vielmehr sind sowohl Sozialisation als auch Personalisation Teilbereiche oder Subprozesse der Enkulturation.

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Erläutern Sie die Begriffe Enkulturation, Sozialisation und Personalisation. 2. Auf Mündigkeit abzielende Erziehung hat drei Aufgaben: • Nennen Sie diese Aufgaben. • Führen Sie aus, welche Aufgaben der Erziehung im Enkulturations-, Sozialisations- und Personalisationsprozess zukommen. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • In welcher Beziehung stehen Enkulturation, Sozialisation und Personalisation zu einander? Diskutieren Sie. • Stellen Sie die Zusammenhänge grafisch auf einem Flipchart-Papier dar. • Integrieren Sie konkrete Erziehungsaufgaben und mögliche erzieherische Handlungen in Ihre Darstellung. 96

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5 Aufgaben der Erziehung

4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Entscheiden Sie sich in der Gruppe für eine der Erziehungsaufgaben Enkulturationshilfe, Sozialisationshilfe oder Personalisationshilfe. • Diskutieren Sie diese Aufgabe. Sammeln Sie Teilaufgaben, die sich daraus für Sie als Lehrkraft ergeben. • Finden Sie Wege und Möglichkeiten, wie Sie diese Aufgabe in Ihrer Rolle als Lehrkraft gezielt angehen können. • Halten Sie das Konzept Ihrer Gruppe zur Erfüllung dieser Aufgabe auf einem Flipchart-Papier fest und präsentieren Sie es anschließend den anderen Gruppen. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Als Lehrkraft handeln Sie in einem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und dem Recht des Individuums auf freie Entfaltung: • Sammeln Sie Forderungen, die die Gesellschaft an die Lehrkraft als Erzieherin oder Erzieher stellt und solche, die sich aus dem Recht des Individuums ergeben. • Wo widersprechen sich einzelne Forderungen? • Markieren Sie Widersprüche und diskutieren Sie diese. Gesellschaft oder Individuum – wessen Forderungen würden Sie Priorität einräumen? Lässt sich dies so einfach sagen? • Entscheiden Sie sich für eine konkrete, schulische Situation, in der Sie als Lehrkraft zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und dem Recht des zu Erziehenden auf freie Entfaltung stehen. Führen Sie dazu ein Rollenspiel mit den Rollen Schülerin oder Schüler, Lehrkraft und Elternteil durch. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden paarweise oder in Gruppen: • Verteilen Sie die Kapitel 1 bis 5 an die einzelnen Gruppen. • Entwerfen Sie in den Gruppen für jedes Kapitel mindestens 12 Fragen. • Formulieren Sie diese Fragen im Stile der TV-Show Wer wird Millionär? und geben Sie vier Antwortmöglichkeiten vor. • Notieren Sie Ihre Fragen auf Karteikarten und vermerken Sie je nach Schwierigkeitsgrad einen Punktewert zwischen 100 und 1 000 000 Euro. • Sortieren Sie alle so entstandenen Fragekärtchen nach ihrem Wert und spielen Sie in Gruppen Wer wird Millionär?

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6 Pädagogische Autorität 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Begriliches Autorität haben vs. autoritär sein Legitimation pädagogischer Autorität Aspekte pädagogischer Autorität Bedingungen eines positiven Autoritätsverhältnisses Grenzen und Gefahren pädagogischer Autorität

Gerade in Deutschland ist der Begrif der Autorität in Verruf gekommen. Dies gilt für viele Bereiche des Lebens, für den Bereich der Erziehung jedoch besonders. Dabei darf speziell pädagogische Autorität nicht verwechselt werden mit autoritären Verhaltensweisen. Die Autorität, die einer Lehrkraft von Ihren Schülern und Schülerinnen zugeschrieben wird, und das autoritäre Verhalten einer drohenden und willkürlich strafenden Lehrkraft sind lediglich begrilich verwandt. Inhaltlich handelt es sich dabei geradezu um Gegensätze. So ermöglicht es die Autorität einer Lehrkaft, auf Strafen und Ordnungsmaßnahmen zu verzichten oder aber diese eher selten einzusetzen. In diesem Kapitel setzen Sie sich mit den folgenden Fragen auseinander: • Wo liegen die Unterschiede zwischen Autorität haben und autoritär sein? • Weshalb ist Autorität in der Erziehung legitim? • Was macht pädagogische Autorität aus? • Wo liegen die Grenzen und Gefahren pädagogischer Autorität?

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Welche Assoziationen löst der Begriff Autorität bei Ihnen aus? Notieren Sie mindestens die ersten zwölf Begriffe, die Ihnen dazu einfallen.

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Die mit dem Begriff Autorität verbundenen Assoziationen variieren sehr stark, was nicht nur Be98

6 Pädagogische Autorität

fragungen von Studierenden in Seminarveranstaltungen zur Allgemeinen Pädagogik zeigen, sondern auch eine Umfrage des Allensbacher Archivs (Petersen 2011: 23):

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Tabelle 4 – Autorität: Assoziationen (nach Petersen 2011: 23)

positive Assoziationen (53 Prozent)

neutrale Assoziationen (14 Prozent)

negative Assoziationen (33 Prozent)

Respekt, Achtung, Vorbild

Macht, Stärke, Durchsetzungsvermögen

rechthaberisch, bestimmt, dominant

Ausstrahlung, natürliche Autorität

Ämter, Behörden, Staatsgewalt

Strenge, Unerbittlichkeit, Härte

Verantwortung, Fürsorgeplicht

Regeln, Gesetze, öfentliche Ordnung

Disziplin, Gehorsam, Plicht, Autoritätsmissbrauch

weitere positive Konnotationen

Kindererziehung, Eltern-KindVerhältnis

Diktatur, 3. Reich, Nationalsozialismus

• Studieren Sie Tabelle 4. • Welche Begriffsvorstellungen von Autorität kommen darin zum Ausdruck? • Diskutieren Sie Ihre individuellen Vorstellungen von Autorität.

6.1 Begriffliches Die einleitend thematisierte Uneinigkeit, ob Autorität etwas Positives oder doch eher etwas Negatives bezeichnet, geht zum einen auf ein eher difuses Begrifsverständnis zurück, das vor allem im Alltag nur wenig zwischen Autorität haben und autoritär sein unterscheidet. Andererseits zeigt sich dieses Problem auch in der Pädagogik selbst und führt zu einer kaum überschaubaren „Anzahl der Versuche, den Begrif der pädagogischen Autorität zu bestimmen“ (Twardella 2012: 25). Die meisten Annäherungsversuche an den Begrif Autorität setzen im antiken Rom an, in dem auctoritas den Mitgliedern des Senats zugesprochen wurde und Würde, Weisheit, Geltung und Ansehen bezeichnete, während potestas die Macht der Staatsbeamten meinte. Diese klare Unterscheidung ging im Laufe der Zeit und vor allem im deutschsprachigen Raum jedoch weitgehend verloren, sodass sich eine Autoritätsperson einerseits durch besondere Kompetenz und großes Ansehen auszeichnen kann, während autoritäres Verhalten andererseits das Ausspielen von Macht erfordert. Die mit dem Missbrauch staatlicher Autorität durch das NS-Regime oder den Stalinismus gemachten Erfahrungen führten in den 60er

Ursprung

Historische Entwicklung

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Pädagogik

Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer breiten Ablehnung jeglicher Autorität auch und vor allem in der Erziehung. Angesichts dieser Entwicklungen scheint die zuvor angesprochene Unsicherheit bezüglich der Begrilichkeit Autorität nachvollziehbar. Angesichts dieser unklaren Begrifsverwendung im Folgenden eine Auswahl zitierfähiger Deinitionen zu Autorität aus dem Bereich der Pädagogik: Unter Autorität ist „[…] ein strukturiertes Führungs-NachfolgeVerhältnis zu verstehen, in dem der eine Part […] für den anderen Führungs- und Vorbildrolle spielt und in der die Erfüllung dieser Rolle bestimmte, meistens von beiden Teilen der Relation anerkannte Normenordnungen garantiert oder repräsentiert. (Strzelewicz 1972: 30)

Autorität bedeutet das Innehaben von sozialer Macht und sozialem Einfluss über eine oder mehrere Personen. (Hobmair 2008: 82)

Autorität als zwischenmenschliches Verhältnis

Autorität durch Kompetenzvorsprung 100

Böhm verweist darauf, dass Autorität aus pädagogischer Sicht „oft grundsätzlich als förderliche Autorität“ (Böhm 2005: 55) betrachtet wird, die der Schülerin und dem Schüler die Freiheit lässt, die Lehrkraft zurückzuweisen. Ein genauer Blick auf diese einzelnen Begrifsklärungen bringt Licht ins Dunkel des Autoritätsbegrifs und fördert einige zentrale Merkmale zutage: • Autorität ist ein zwischenmenschliches Verhältnis und beruht auf der Anerkennung des einen durch den oder die andere(n). Dies bedeutet, dass Sie als Lehrkraft weder von Haus aus Autorität haben noch von Haus aus eine Autoritätsperson sind. Vielmehr werden Sie dies erst durch Ihre Schülerinnen und Schüler. Dies beinhaltet allerdings auch die Möglichkeit, dass Sie in einer Klasse ein hohes Maß an Autorität besitzen, eine andere Ihnen jedoch vollkommen abspricht, Autorität zu sein; dass Sie selbst innerhalb einer Klasse für einige Schülerinnen und Schüler Autorität haben, für andere hingegen nicht. Darüber hinaus müssen auch Sie die Ihnen als Lehrkraft zufallende Rolle annehmen und bereit sein, Führung zu übernehmen und Vorbild zu sein. • Autorität beruht auf Geltung und dem Vorsprung der Autoritätsperson sowie der daraus resultierenden Möglichkeit, den anderen zu fördern. Der Vorsprung einer Person und somit die

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6 Pädagogische Autorität

Möglichkeit, eine andere zu fördern, beruht zwar auf Persönlichkeitsmerkmalen, Wissen und Kompetenzen, doch ist dies allein nicht ausreichend. Darüber hinaus muss die Lehrkraft für den zu Erziehenden etwas gelten, ihm etwas bedeuten, von ihm anerkannt werden. Andernfalls wird eine Einflussnahme nicht akzeptiert werden. Wichtig ist, zu realisieren, dass auch eine Lehrkraft Schwächen, Defizite und Wissenslücken haben darf. Die ihr entgegengebrachte Anerkennung muss nicht allumfassend sein, sondern kann sich auf einzelne Bereiche der Persönlichkeit oder isolierte Fachgebiete beziehen. • Autorität beruht auf pädagogischem Takt. Zwar sind Vorsprung und Überlegenheit zwingende Voraussetzungen einer Lehrkraft, damit dieser von ihren Schülerinnen und Schülern Autorität zugesprochen wird, doch spielt auch die Art und Weise der erzieherischen Einflussnahme eine wichtige Rolle. Diese darf die Freiheit der zu Erziehenden nicht einschränken, sondern muss ihnen die Möglichkeit geben, (auch vermeintlich falsche) Entscheidungen zu treffen. Dies stellt Eltern wie auch Lehrkraft oft auf eine harte Probe, ist im Sinne einer Erziehung zur Mündigkeit jedoch unerlässlich (vgl. Dietrich 1990: 97f).

Autorität durch pädagogischen Takt

6.2 Autorität haben vs. autoritär sein Da der Unterschied zwischen Autorität haben und autoritär sein einerseits in der Alltagssprache mehr und mehr zu verschwimmen scheint und andererseits auch bei vielen Studierenden im Nebulösen liegt, zeigt Tabelle 5 die zentralen Unterschiede auf. Tabelle 5 | Autorität haben vs. autoritär sein

Autorität haben

autoritär sein

ist pädagogisch förderlich

ist pädagogisch hinderlich

führt zu Mündigkeit

verhindert Mündigkeit

ermöglicht und bedarf des Erziehens und Unterrichtens mit einem Minimum autoritärer Verhaltensweisen

resultiert im und aus dem Erziehen und Unterrichten mit einem Maximum an autoritären Verhaltensweisen

kennzeichnet eine Beziehungsstruktur, da die Schülerinnen und Schüler die Lehrkraft zur Autorität machen

ist eine Persönlichkeitseigenschaft, da eine autoritäre Person sich in jeder ihr möglichen Beziehung autoritär verhält

wird zum Wohle der zu Erziehenden eingesetzt

wird benutzt, um Macht auszuüben

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Pädagogik

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6.3 Legitimation pädagogischer Autorität

Pädagogische Autorität als Voraussetzung von Erziehung

Gerade vor dem Hintergrund einer zu Teilen autoritätskritischen Gesellschaft kommt der Legitimation pädagogischer Autorität besonders große Bedeutung zu. Für Lehrkräfte gilt es, neben der rein formal-juristischen Legitimation einen Blick vor allem auch auf die wissenschaftliche Legitimation zu werfen: Aus pädagogischer Sicht ist festzuhalten, dass erzieherisches Wirken ohne pädagogische Autorität nicht möglich ist. In vielen Situationen sind Vorschriften, Anweisungen und klar gesetzte Grenzen notwendig, um den zu Erziehenden einerseits vor Schaden zu bewahren und ihn andererseits in seiner Persönlichkeitsentwicklung und in seinem Mündig-Werden zu unterstützen. Diese Form der Autorität leitet sich aus dem Wesenskern der Erziehung selbst ab und beruht neben dem Wohlwollen des Erziehenden auf Wissen, Können und Erfahrungen. Somit unterscheidet sich pädagogische Autorität von Zwang und Macht(missbrauch), bei dem Erziehende oder Lehrkräfte aus ihrer Machtposition das Recht ableiten, die zu Erziehenden nach Gutdünken zu behandeln.

6.4 Aspekte pädagogischer Autorität 3 Aspekte pädagogischer Autorität

1. Amtsautorität

2. Personenautorität

102

Als Aspekte oder Formen pädagogischer Autorität werden, wie Abbildung 12 zeigt, in der Regel Personen-, Sach- und Amtsautorität unterschieden, die in ihrer Gesamtheit zu freiwilliger Anerkennung des Trägers und zustimmendem Gehorsam führen sollen. Darüber hinaus indet sich beispielsweise bei Kron und Callo der Aspekt der Auftragsautorität. Die Amtsautorität wird Lehrkräften von der Instanz Schule bzw. Kultusministerium verliehen, die ihnen die Verantwortung für eine Aufgabe übertragen hat. Durch die Übernahme dieser Aufgabe besitzen Sie das Recht, Anordnungen zu geben. Dieser Aspekt fällt Lehrkräften somit einzig und allein aufgrund ihrer Position zu. Inwieweit diese Form der Amtsautorität angesichts eines in weiten Teilen der Bevölkerung stark negativen Lehrerbildes im konkreten Umgang mit Schülerinnen und Schülern relevant ist, darf kritisch hinterfragt werden. Den Aspekt der Personenautorität weisen Lehrkräfte auf, wenn diese sich durch besondere Merkmale der eigenen Persönlichkeit auszeichnen und durch diese das Vertrauen und die Achtung der Schülerinnen und Schüler gewinnen. Derartige Lehrkräfte überzeu-

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6 Pädagogische Autorität

Abb. 12 | Aspekte pädagogischer Autorität

gen durch ihr Wesen, ihre Ausstrahlung. Auftreten, Freundlichkeit, Konliktfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit und Respektbereitschaft sind nur einige Aspekte, die Personenautorität ausmachen können. Die Sachautorität oder auch Expertenautorität oder funktionale Autorität leitet sich aus besonderer Sachkompetenz ab. Hierunter fallen bei Lehrkräften neben der reinen Fachkompetenz in ihren Unterrichtsfächern didaktische und methodische Kompetenz ebenso wie pädagogisch und psychologisch kompetentes Handeln. Auftragsautorität beruht auf dem von den Mitgliedern einer Gruppe erteilten Auftrag. Von Auftragsautorität kann beispielsweise bei den gewählten Volksvertretern in den Parlamenten gesprochen werden, da deren Autorität auf dem Auftrag basiert, den die Bürger ihnen übertragen.

3. Sachautorität

(4. Auftragsautorität)

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Pädagogik

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6.5 Bedingungen eines positiven Autoritätsverhältnisses Für Sie als angehende Lehrkraft ist die Frage von besonderer Bedeutung, wie Sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, von Ihren Schülerinnen und Schülern zur Autorität gemacht zu werden. Dietrich führt die Autorität der Lehrkraft auf die beiden Kernelemente „fürsorgend-helfend-mitmenschliche Einstelllung“ (Dietrich 1990: 99) und ihre kooperative Unterrichtsgestaltung mit den Schülerinnen und Schülern zurück (vgl. Dietrich 1990: 99).

Aus der Praxis für die Praxis

Pädagogischer Takt

Konstruktivkommunikative Grundeinstellung

Umgang mit Macht

104

Hier folgen einige konkretere Bedingungsfelder und dazugehörige Reflexionsfragen. Nehmen Sie sich ab und an die Zeit, diese Fragen für sich zu beantworten und die Wahrscheinlichkeit zu hinterfragen und zu erhöhen, dass Ihre Schülerinnen und Schüler Sie zur Autorität machen: • Bringe ich meinen Schülerinnen und Schülern Wertschätzung, Vertrauen und Achtung entgegen? • Kann und will ich mich in ihre Situation hineinversetzen? Zeige ich Empathie? • Bin ich authentisch oder verstelle ich mich vor der Klasse? • Leite und überzeuge ich meine Schülerinnen und Schüler mit Worten oder setze ich auf Zwangsmaßnahmen und Drohungen? • Haben meine Schülerinnen und Schüler das Recht, mir zu widersprechen? Trauen sich meine Schülerinnen und Schüler, mir zu widersprechen? • Gehe ich verantwortungsvoll mit der mir übertragenen Macht um oder missbrauche ich diese? • Bewerte ich tatsächlich die Leistungen meiner Schülerinnen und Schüler oder meine Schülerinnen und Schüler selbst? • Beschneide ich meine Schülerinnen und Schüler in ihren Äußerungen? Neige ich zu Monologen? • Haben meine Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Verantwortung für sich und den eigenen Lernprozess zu übernehmen? Oder neige ich zur Bevormundung meiner Schülerinnen und Schüler?

6 Pädagogische Autorität

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6.6 Grenzen und Gefahren pädagogischer Autorität Zunächst ist es das Ziel von Erziehung und pädagogischer Autorität selbst, das diesen Grenzen setzt. Ist es dem Erziehenden gelungen, den zu  Erziehenden Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz zu vermitteln und können diese als weitgehend mündig angesehen werden, bedürfen sie einfach keiner pädagogischen Autorität mehr. Darüber hinaus kommt es vor, dass einzelne Kinder und Jugendliche jegliche Autorität Erwachsener ablehnen. Hier ist es für Lehrkräfte kaum möglich, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und die ihnen obliegende Führungsrolle auszufüllen. Häuig ist dies der Fall bei Schülerinnen und Schülern, die traumatische Erlebnisse gemacht haben oder die kein Urvertrauen (kennen)gelernt haben. Autorität birgt auch immer das Potenzial in sich, missbraucht zu werden. Dies ist dann der Fall, wenn Erziehende ihre Autorität einsetzen, um Mündigkeit zu verhindern und stattdessen einen angepassten, gehorsamen Befehlsempfänger zu schafen. Dies mag vor dem Hintergrund umfangreicher Fachlehrpläne und zahlreicher Schwierigkeiten in einzelnen Schulklassen zwar verlockend erscheinen, darf aber angesichts des bestehenden Erziehungsauftrags nicht akzeptiert werden. Missbraucht wird Autorität auch dann, wenn Lehrkräfte zum vermeintlichen Wohle der Schülerinnen und Schüler diese zur unrelektierten Übernahme von Werten oder Normen veranlassen.

Endlichkeit

Ablehnung

Missbrauch

Literaturtipp Aus gänzlich unterschiedlichen Blickwinkeln nähert sich Reichenbach der Autorität in seinem spannenden Werk: Reichenbach, Roland. Pädagogische Autorität: Macht und Vertrauen in der Erziehung. Stuttgart. Auch Schäfer und Thompson nehmen unterschiedliche Perspektiven ein und bieten einen sehr aktuellen Blick auf pädagogische Autoritätsverhältnisse: Schäfer, Alfred & Thompson, Christiane. Autorität (Pädagogik – Perspektive). Paderborn.

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Pädagogik

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Zusammenfassung • Der Begriff Autorität ist schwer zu klären, da vielen die Unterscheidung zwischen Autorität haben und autoritär sein nicht geläufig ist. Diese jedoch ist grundlegend für das Verständnis von pädagogischer Autorität. Im antiken Rom war die Unterscheidung auch dadurch eindeutiger, dass zwei unterschiedliche Begriffe verwendet wurden: • Potestas bezeichnete die Macht der Beamten und steht der heutigen Formulierung autoritär sein nahe. • Auctoritas bezeichnete die Würde und Weisheit der Senatoren und steht der heutigen Formulierung Autorität haben nahe. Weitere Schwierigkeiten speziell in Deutschland bereitet der Missbrauch staatlicher Autorität im „Dritten Reich“. Seit dieser Zeit wird Autorität von vielen negativ gesehen und ist stark mit negativen Assoziationen verbunden. • Unter erzieherischen Gesichtspunkten wird pädagogische Autorität häufig als förderliche Autorität gesehen, die dem Wohl der zu Erziehenden dient und auf die keine Erziehung verzichten kann. Sie beschreibt das Führungs-Nachfolgeverhältnis zwischen Erziehendem und zu Erziehenden, das von gegenseitiger Anerkennung geprägt ist. Es beruht auf dem Wissens- und Erfahrungsvorsprung des Erziehenden und seinem Wunsch, die zu Erziehenden zu fördern. Darüber hinaus ist entscheidend, dass er die zu Erziehenden nicht unnötig einschränkt, sondern diesen ausreichend Freiheiten lässt. Das Autoritätsverhältnis muss von beiden Seiten anerkannt werden. • Autorität haben und autoritär sein sind keine eng verwandten Konzepte, sondern stehen sich geradezu unvereinbar entgegen: Autorität haben ist pädagogisch förderlich und führt zur Mündigkeit.

Autoritär sein ist pädagogisch hinderlich und verhindert Mündigkeit.

Lehrkräfte mit Autorität kommen mit einem Minimum an Ordnungsmaßnahmen und autoritären Verhaltensweisen aus.

Autoritäre Lehrkräfte setzen häuig Ordnungsmaßnahmen und autoritäre Verhaltensweisen ein.

Lehrkräfte mit Autorität setzen diese zum Wohle der zu Erziehenden ein.

Autoritäre Lehrkräfte setzen autoritäre Verhaltensweisen ein, um Macht auszuüben.

• Pädagogische Autorität setzt sich vor allem aus drei Aspekten zusammen: 1. Amtsautorität kommt schulischen Erziehern aufgrund ihrer Position als Lehrkraft automatisch zu. 2. Personenautorität geht auf Persönlichkeitsmerkmale wie Gerechtigkeit, Freundlichkeit, Ausstrahlung, Durchsetzungsvermögen zurück. 106

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6 Pädagogische Autorität

3. Die Sachautorität einer Lehrkraft ergibt sich vor allem aus der Kompetenz in den von ihr unterrichteten Fächern. • Obwohl es die Schülerinnen und Schüler sind, die eine Lehrkraft zur Autorität machen, können Sie dies unterstützen, indem Sie Folgendes in das Verhältnis zu Ihren Schülerinnen und Schülern einbringen: • Wertschätzung, Vertrauen und Achtung • eine kommunikativ-konstruktive Grundeinstellung • einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ihnen übertragenen Macht

Wissens- und Transferaufgaben 1. Erkundigen Sie sich in Ihrem Umfeld, welche Assoziationen Ihren Bekannten zum Stichwort Autorität einfallen. Können Sie auch hier eine Tendenz zu negativen Assoziationen erkennen? 2. Der Begriff Autorität ist problematisch und vorbelastet: • Führen Sie die Ursprünge dieser Problematik im antiken Rom aus. • Erläutern Sie die Unterschiede zwischen Autorität haben und autoritär sein. • Definieren Sie den Begriff pädagogische Autorität. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Die pädagogische Autorität kann auf die drei Aspekte Amts-, Personen- und Sachautorität zurückgeführt werden: • Erläutern Sie sich gegenseitig diese drei Aspekte. • Finden Sie konkrete Beispiele aus der Schulpraxis, die Amts-, Personen- und Sachautorität einer Lehrkraft belegen. • Welcher der drei Aspekte ist besonders wichtig? Bringen Sie diese entsprechend ihrer Bedeutung in eine Reihenfolge. Diskutieren Sie! 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Obwohl es die Schülerinnen und Schüler sind, die eine Lehrkraft zur Autorität machen, kann diese einiges tun, um dies zu unterstützen: • Führen Sie sich gegenseitig die drei Bedingungen eines positiven Autoritätsverhältnisses aus. • Sammeln Sie konkrete Handlungen, durch die eine Lehrkraft eine kommunikativ-konstruktive Grundeinstellung zeigt. • Was macht den verantwortungsvollen Umgang mit Macht einer Lehrkraft aus? Diskutieren Sie, von welchen Faktoren dies abhängen kann. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Studieren Sie zunächst folgendes Zitat einer erfahrenen Lehrkraft: Viele Lehrer kämpfen in ihren ersten Jahren im Schuldienst darum, bei ihren Schülern Autorität zu haben. Später, wenn sie realisieren, dass ihnen dies nicht gelingt, verhalten sie sich zunehmend autoritär. • Überlegen Sie gemeinsam, worauf diese Beobachtung beruht. Weshalb findet bei vielen Lehrkräften ein derartiger Wandel statt? 107

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Pädagogik

• Diese Äußerung wurde im Original mit dem Wort „Leider“ eingeleitet. Ist eine derartige Entwicklung im Laufe des Berufslebens einer Lehrkraft tatsächlich negativ zu sehen? Diskutieren und begründen Sie. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Bereiten Sie ein Elterngespräch mit einem Vater vor, der die Ansicht vertritt, sein Sohn brauche Zucht und Ordnung in Form von autoritären Verhaltensweisen. Dies sei in seinem Umfeld so üblich. Er gibt Ihnen die Erlaubnis, seinen Sohn auch körperlich zu züchtigen, wenn dies notwendig sei. • Sammeln Sie gemeinsam Argumente, die die Sichtweise des Vaters stützen und solche, die sie widerlegen. • Verteilen Sie die Rollen des Vaters und der Lehrkraft an zwei Gruppenmitglieder; die anderen Mitglieder nehmen die Rolle der Beobachter ein. • Führen Sie das Rollenspiel durch und werten Sie es anschließend aus.

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7 Pädagogischer Bezug 7.1 Begriliches 7.2 Kennzeichen des pädagogischen Bezugs 7.3 Notwendigkeit des pädagogischen Bezugs 7.4 Gestaltung des pädagogischen Bezugs 7.5 Schwierigkeiten, Grenzen und Gefahren Dass zwischen Eltern und Kind ein besonderes Verhältnis besteht, wird in der Regel als selbstverständlich angesehen. Nicht vergessen werden darf dabei, dass zwischen jedem Erziehenden und seinem zu Erziehenden ein besonderes Verhältnis notwendig ist, um Erziehung überhaupt möglich zu machen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Lehrkraft als Erzieherin oder Erzieher und ihre Schülerinnen und Schüler. Von daher beschäftigt sich dieses Kapitel mit den Fragen, … • was den pädagogischen Bezug oder das pädagogische Verhältnis ausmacht. • wie sich der pädagogische Bezug auswirkt. • wie sich ein positives Verhältnis zu den zu Erziehenden aufbauen lässt. • welche Gefahren und Schwierigkeiten dem pädagogischen Bezug innewohnen.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Versetzen Sie sich zurück in Ihre Schulzeit. Denken Sie an eine Lehrkraft, die Sie besonders positiv in Erinnerung haben sowie an eine weitere Lehrkraft, mit der Sie Negatives verbinden. Was hat diese Lehrkräfte als Person ausgemacht? Welche Charaktereigenschaften würden Sie ihnen zusprechen? Wie haben sie sich verhalten? Wie haben sie gehandelt?

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Wie hat sich Ihrer Beobachtung nach das Verhältnis von Lehrkräften zu Schülerinnen und Schülern seit Ihrer Schulzeit verändert? Diskutieren Sie. 109

Pädagogik

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• Was ist Ihnen aus Erzählungen Ihrer Eltern oder Großeltern über deren Verhältnis zu den eigenen Lehrkräften bekannt? • Skizzieren Sie gemeinsam das Verhältnis, das Sie sich als Lehrkraft zu Ihren Schülerinnen und Schülern wünschen. Welche Elemente kennzeichnen dieses Idealverhältnis?

7.1 Begriffliches Eine Annäherung an den Begrif Pädagogischer Bezug muss zwangsläuig bei Nohls folgender Aussage ansetzen, da diese Kernaussage und Zentrum der Theorie des Pädagogischen Bezugs bildet: Deinition

Die Grundlage der Erziehung ist [...] das leidenschaftliche Verhältnis eines reifen Menschen zu einem werdenden Menschen, und zwar um seiner selbst willen, dass er zu seinem Leben und zu seiner Form komme. (Nohl 1957: 169)

Historisches

Schwierigkeiten oder Herausforderungen

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Den Kern seiner Theorie bildet für Nohl der Gedanke der pädagogischen Autonomie, da Erziehung seitens des Erziehenden das uneingeschränkte Eintreten für das Wohl des zu Erziehenden fordert. Nohl steht in der Tradition bekannter Persönlichkeiten: • So maß Platon dem Dialog zwischen Erzieher und zu Erziehendem große Bedeutung bei. • Pestalozzi beschreibt vor allem in den letzten beiden Briefen seines didaktischen Hauptwerks Wie Gertrud ihre Kinder lehrt das von Liebe, Vertrauen, Dankbarkeit und Gehorsam geprägte Verhältnis zwischen Mutter und Kind als Grundlage sittlicher Erziehung. • Der pädagogische Bezug weist große Nähe zu Herbarts Konzeption des Erziehenden Unterrichts auf (vgl. Krüger 1994: 799–812). Nohls Aussage jedoch bringt zahlreiche Schwierigkeiten mit sich, die zum Teil auf dem Wandel unserer Gesellschaft und Sprache beruhen, zum Teil aber auch auf der besonderen Situation schulischer Erziehung. Gerade als Lehrkraft sollten Sie es in Gesprächen mit Eltern natürlich tunlichst vermeiden, von ihrem leidenschaftlichen Verhältnis zu Ihren Schülerinnen und Schülern zu sprechen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie eine Lehrkraft ihrem Erziehungsauftrag nachkommen soll, wenn sich der Pädagogische Bezug und somit die Grundlage der Erziehung zu einem der vielen von ihr Unterrichteten nicht herstellen lässt.

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7 Pädagogischer Bezug

Dennoch ist das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern selbstverständlich zentral für das Gelingen der Erziehung. Auch Hobmair bevorzugt die Begrife Pädagogische Beziehung oder Pädagogisches Verhältnis, die er mit dem pädagogischen Bezug gleichsetzt (vgl. Hobmair 2008: 226). Diese bezeichnen die „besondere zwischenmenschliche Beziehung zwischen Erziehendem und zu Erziehendem“ (Hobmair 2008: 227).

Pädagogisches Verhältnis/ pädagogische Beziehung

7.2 Kennzeichen des pädagogischen Bezugs Der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki (1927–2016) formuliert sechs Kennzeichen oder Momente des Pädagogischen Bezugs nach Nohl (vgl. Abbildung 13). Mit diesen gelingt es ihm, Nohls abstraktes, aus heutiger Sicht antiquiert wirkendes Konzept zu konkretisieren und auf die moderne Erziehungswirklichkeit zu übertragen (vgl. Klafki 1980).

Abb. 13 | Kennzeichen des pädagogischen Bezugs

Der pädagogische Bezug stellt stets den zu Erziehenden in den Mittelpunkt jeglicher Erziehungsbemühungen. Er ist nicht einfach Erfüllungsgehilfe eines gesellschaftlichen Auftrags, sondern ausschließlich dem zu Erziehenden verplichtet. In der Auseinandersetzung des zu Erziehenden mit der Gesellschaft fungieren pädagogischer Bezug und Erziehender als Anwalt des Kindes. Jegliche Erziehungsmaßnahme, sei es belehrendes Gespräch oder Lob, Belohnung oder Bestrafung sind von daher nicht einfach nur Mittel, um die Anliegen von Erziehendem oder Gesellschaft durchzusetzen, sondern müssen immer der Förderung des zu Erziehenden dienen. Erinnern (angehende) Erwachsene sich an die eigene Kindheit oder Jugend, so werden schnell eklatante Unterschiede im Verhältnis zwischen den Generationen deutlich. Noch mehr gilt dies für

Subjektivität – Einstellung auf den zu Erziehenden

Pädagogischer Bezug im Wandel der Zeit

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Pädagogik

Die Wechselwirkung des pädagogischen Bezugs

Freiwilligkeit und mögliches Misslingen

(angehende) Lehrkräfte, die an die eigene Schulzeit zurückdenken. Der pädagogische Bezug ist ein an gesellschaftliche Entwicklungen und den Zeitgeist gekoppeltes Phänomen und somit ein sich wandelndes. Wenn Sie sich die Anzahl der Jahre und Jahrzehnte vor Augen führen, die Sie aller Voraussicht nach als Lehrkraft unterrichten werden, wird dies deutlich. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Lehrer-Schüler-Beziehung in diesem großen Zeitraum nicht ändern wird. Unter Umständen ist diese in nicht allzu ferner Zukunft von größerer Nähe geprägt, oder von stärker ausgeprägter Partnerschaftlichkeit, oder… Infolgedessen ist es für Lehrkräfte wichtig, ofen zu sein für Veränderungen. Wie der Prozess der Erziehung selbst ist auch der pädagogische Bezug kein einseitiges Verhältnis, in dem der reifere Erzieher oder die reifere Erzieherin Einluss auf das weitgehend passive Objekt, den zu Erziehenden, nimmt. Vielmehr liegt ein Verhältnis der Wechselwirkung vor (vgl. Giesecke 1997: 226), in das beide Beteiligten Unterschiedliches einbringen: • Der Erziehende bringt sein Weltwissen, seine Erfahrung und seine reife Persönlichkeit und somit die Grundlage seiner Autorität ein. • Die oder der zu Erziehende hingegen bringt seine einzigartige Persönlichkeit, seine aktuelle Bedürftigkeit und sein zukünftiges Potenzial ein. Die große Bedeutung des pädagogischen Bezugs lässt es auf den ersten Blick als zulässig erscheinen, diesen mit allen Mitteln aufzubauen oder gar zu erzwingen. Dies jedoch ist falsch. Der pädagogische Bezug beruht auf Freiwilligkeit und den zu Erziehenden als Subjekt anzuerkennen heißt, gegebenenfalls zu akzeptieren, dass dieser keine positive Beziehung möchte. Weder darf der Erziehende in einer solchen Situation gekränkt sein noch darf er versuchen, den pädagogischen Bezug durch Täuschung und Manipulation zu erzwingen. Kommt tatsächlich kein pädagogischer Bezug zwischen Erziehendem und zu Erziehendem zustande, empiehlt Nohl, letzteren „[…] an jemand anderen zu binden“ (Nohl 1949: 154).

Aus der Praxis für die Praxis Gerade dies ist in der schulischen Praxis natürlich besonders schwierig. Gerne dürfen Sie es probieren, Ihre Schulleiterin oder Ihren Schulleiter um den Austausch einer Schülerin oder eines 112

7 Pädagogischer Bezug

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Schülers zu bitten, da Sie zu dieser oder diesem keinen pädagogischen Bezug aufbauen können. Alternativ findet sich eventuell eine andere (Fach-)Lehrkraft, die eine gute Beziehung zu dieser Schülerin oder diesem Schüler aufbauen kann. Der pädagogische Bezug ist von vornherein darauf ausgerichtet, in dem Moment zu Ende zu gehen, in dem der zu Erziehende Mündigkeit und Selbstständigkeit erlangt hat. Auf diesen Moment arbeiten von Anfang der Beziehung an beide Beteiligte hin. Der Erziehende, indem er sein Gegenüber fördert, und der zu Erziehende, indem er nach Selbstständigkeit strebt. Diese immanente Endlichkeit ist der zentrale Unterschied zwischen pädagogischem Bezug und Freundschafts- oder Liebesbeziehungen. Der pädagogische Bezug ist sowohl bestimmt von der Gegenwart als auch Zukunft des zu Erziehenden. Nohl formuliert: „Das Verhältnis des Erziehers ist immer doppelt bestimmt: von der Liebe zu ihm in seiner Wirklichkeit und von der Liebe zu seinem Ziel, dem Ideal des Kindes“ (1970: 135f.). Der Erziehende nimmt einerseits aktuelles Wissen, Können und Kompetenzen des zu Erziehenden wahr, während er andererseits um dessen Potenzial und dessen zukünftige Möglichkeiten weiß. Beides gilt es, miteinander zu verknüpfen. Dabei darf die Erfüllung gegenwärtiger Anliegen nicht zugunsten in ferner Zukunft liegender Ziele geopfert werden.

Ende und Aulösung des pädagogischen Bezugs

Gegenwartsund Zukunftsorientierung

7.3 Notwendigkeit des pädagogischen Bezugs Allein die Tatsache, dass Lehrkräfte neben dem Bildungsauftrag auch einen Erziehungsauftrag zu erfüllen haben, drängt den Beruf der Lehrkraft in eine Art Sonderrolle: Ist es in anderen Berufen lediglich von Vorteil, wenn der Berufstätige seinen Klienten, Kunden oder Patienten positive Gefühle entgegenbringt und eine gute Beziehung aufzubauen weiß, so ist dies für Lehrkräfte zwingend notwendige Voraussetzung. Ohne diese können sie der Berufsaufgabe Erziehen nicht gerecht werden. In anderen Worten: Angesichts eines guten Preises oder eines attraktiven Produkts akzeptieren die meisten Kunden bereitwillig auch einen ihnen unsympathischen Verkäufer, zu dem sie ein schlechtes Verhältnis haben. Erziehung jedoch wird  – nach Nohl  – nicht stattfinden, ohne dass Erziehender und zu Erziehender in einem positiven Verhältnis zueinander stehen. 113

Pädagogik

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Konkrete Vorteile des pädagogischen Bezugs

Über diesen absoluten und edlen Ansatz hinaus führen Tausch und Tausch (nach Hobmair 2008: 231) konkrete Vorteile des pädagogischen Bezugs an: • Die Schülerinnen und Schüler sind motivierter, zeigen eine stärkere unterrichtliche Aktivität und erbringen bereitwilliger und höhere Leistung. • Ihre geistige Entwicklung wird ebenso gefördert wie selbstständiges Denken. • Ängste, Unsicherheiten und Minderwertigkeitsgefühle werden vermindert. • Gesundes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl werden ausgebildet. • Körperliches und seelisches Wohlbefinden fallen besser aus. • Die Schülerinnen und Schüler entwickeln eine optimistische Grundhaltung und sind infolgedessen stärker bereit, sich lernend und entdeckend mit der eigenen Umwelt auseinanderzusetzen. Eine der wichtigsten Aufgaben für Lehrkräfte ist somit der Aufbau einer positiven emotionalen Beziehung zu ihren Schülerinnen und Schülern. Oder würde es Sie nicht reizen, in einer Klasse voller motivierter, ofener, selbstsicherer und interessierter Schülerinnen und Schülern zu unterrichten?

7.4 Gestaltung des pädagogischen Bezugs Wenngleich keine Verhaltensweise einer Erzieherin, eines Erziehers oder einer Lehrkraft den Aufbau eines pädagogischen Bezugs garantieren kann, so lässt sich dessen Wahrscheinlichkeit doch steigern. Hobmair (2008: 227f.) verweist hier auf die von Tausch und Tausch (1998) angeführten Aspekte Wertschätzung, Verstehen und Echtheit: Wertschätzung – „positive gefühlsmäßige Grundhaltung des Erziehers gegenüber dem zu Erziehenden […], die sich mit Achtung, Wärme und Rücksichtnahme umschreiben lässt“ (Hobmair 2008: 227)

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Verstehen – „ein Einfühlen in die innere Welt des anderen, ein Sich-Hineinversetzen in diese“ (Hobmair 2008: 228)

Echtheit – „die Grundhaltung der Übereinstimmung und Aufrichtigkeit des Erziehers gegenüber dem zu Erziehenden“ (Hobmair 2008: 229).

7 Pädagogischer Bezug

Diese drei Elemente zeigen sich bei einer Lehrkraft nach Tausch und Tausch in einer Vielzahl von Verhaltensweisen (siehe Tabelle 6).

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Tabelle 6 | Herstellung des pädagogischen Bezugs

Wertschätzung

Verstehen

Echtheit

den anderen wertschätzen, ihn anerkennen

Eingehen auf die Äußerungen des anderen

Gefühle und Gedanken ofen aussprechen

mit ihm freundlich umgehen; nachsichtig mit ihm sein

den anderen so verstehen, wie dieser sich selbst sieht

authentisch sein, keine Maske tragen

ihn ermutigen; ihm beistehen, ihm helfen

Bemühen, die Welt des anderen mit dessen Augen zu sehen

aufrichtig und ehrlich gegenüber sich selbst und gegenüber den Schülerinnen und Schülern sein

Rücksicht auf ihn nehmen

Aufnehmen der vom anderen geäußerten Gefühle und gefühlsmäßigen Erlebnisse

sich seiner Selbst bewusst sein

ihm vertrauen

Handlungen und Maßnahmen orientieren sich am persönlichen Erleben des anderen

das eigene wahre Ich zu erkennen geben

sich ihm gegenüber öfnen

dem zu Erziehenden nah sein in dem was dieser fühlt, denkt und sagt

Weitere Aspekte, die das Zustandekommen eines pädagogischen Bezugs fördern, sind auf Seiten der Lehrkraft die folgenden: • partnerschaftlicher Erziehungsstil, der die Schülerin und den Schüler in die Gestaltung des Unterrichts einbezieht • gemeinsam gestaltetes, von den Schülerinnen und Schülern als positiv erlebtes Schulleben (siehe auch Kapitel Weitere Aspekte 1) • Offenheit für die Bedürfnisse und Interessen der Schülerinnen und Schüler • Sach- und Personenautorität, schülerorientierter Umgang mit der eigenen Amtsautorität als Lehrkraft • Übernahme sowie Übertragen von Verantwortung • Humor, Gerechtigkeit und Konsequenz • Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreflexion • Einfühlungsvermögen in die Schülerin und den Schüler

Weitere Aspekte

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Pädagogik

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Aspekte auf Seiten des zu Erziehenden

Als wechselseitiges Verhältnis ist es folgelogisch, dass das Zustandekommen auch von Faktoren auf Seiten des zu Erziehenden abhängt: • Dieser muss einen grundlegenden Bildungswillen mitbringen. • Er muss Interesse an einem sozialen Miteinander sowie sozialen Anschlusswillen haben. • Er muss der Lehrkraft Vertrauen, Achtung und Gehorsam entgegenbringen.

7.5 Kritik, Grenzen und Probleme Realitätsferne

Bildungs- und Erziehungsziele

Freiwilligkeit

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Bereits die eingangs angeführte Deinition hat deutlich gemacht, dass die ursprüngliche Idee des pädagogischen Bezugs nicht eins zu eins auf heutige Erziehungsrealität übertragen werden kann; vor allem nicht auf schulische Erziehung. Zu realitätsfern ist das dem pädagogischen Bezug zugrundeliegende Bild des Erziehenden, zu idealistisch der Blick auf das Verhältnis zwischen Erziehendem und zu Erziehendem. Aus Ihrer Sicht als Lehrkraft ist es darüber hinaus problematisch, dass der pädagogische Bezug ursprünglich auf eine Zweierbeziehung zwischen Mutter oder Vater und Kind ausgerichtet war, Sie jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Kinder und Jugendlicher unterrichten und erziehen. Dabei sind Sie nicht allein dem Kind verplichtet, sondern ebenso vorgegebenen Bildungs- und Erziehungszielen, die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Interesse widerspiegeln. Weitere Grenzen des pädagogischen Bezugs aus Sicht der schulischen Lehrkraft: • Selektionsaufgabe der Schule, da diese die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern negativ beeinflussen kann • Stofffülle, Zeitdruck und Verrechtlichung, wodurch Aktivitäten, die das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schüler positiv beeinflussen könnten, häufig unmöglich gemacht werden • Fachlehrerprinzip, das die von Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern gemeinsam verbrachte Zeit stark einschränkt Darüber hinaus bereiten Freiwilligkeit und Wechselwirkung des pädagogischen Bezugs Probleme, da die Lehrkraft lediglich Angebote machen kann, das Zustandekommen des pädagogischen Bezugs

7 Pädagogischer Bezug

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jedoch auch von der einzelnen Schülerin und dem einzelnen Schüler abhängt. Lässt dieser sich nicht auf ein positives Verhältnis zur Lehrkraft ein, kommt kein pädagogischer Bezug zustande. Gründe hierfür können Herkunftsunterschiede, Enttäuschungen in der Vergangenheit oder generelle negative Einstellungen zu Schule, Lernen und Lehrkräften sein.

Literaturtipp Konkrete Literaturtipps zum pädagogischen Bezug fallen recht schwer, da viele Autorinnen und Autoren sich um diesen Begriff zu drücken scheinen. Hobmair jedoch setzt sich knapp und gut verständlich mit der Bedeutung der Beziehung in der Erziehung auseinander: Hobmair, Herrmann. Pädagogik. Troisdorf

Zusammenfassung • Bereits seit der griechischen Antike wird dem Verhältnis zwischen Erziehendem und zu Erziehendem große Bedeutung beigemessen. Nohl sieht in ihm sogar die Grundlage der Erziehung und bezeichnet dieses Verhältnis, das ganz auf das Wohl des zu Erziehenden ausgerichtet ist, als pädagogischen Bezug; Hobmair als pädagogisches Verhältnis oder pädagogische Beziehung. • Klafki formuliert auf Basis von Nohls Ausführungen sechs Kennzeichen des pädagogischen Bezugs: 1. Das einzige Ziel, das der pädagogische Bezug verfolgt, ist die Förderung des zu Erziehenden. 2. Das Verhältnis von Erziehendem/r und zu Erziehendem ist abhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen und wandelt sich im Laufe der Zeit. 3. Nicht nur der/die Erziehende, sondern auch der zu Erziehende bringt etwas Individuelles in die Beziehung ein. 4. Der pädagogische Bezug darf nicht erzwungen oder durch Manipulation erreicht werden, sondern beruht auf Freiwilligkeit und kann scheitern. 5. Von Anfang an ist der pädagogische Bezug darauf ausgerichtet, zu enden, wenn der zu Erziehende mündig geworden ist. 6. Der pädagogische Bezug sieht sowohl die Gegenwart des zu Erziehenden als auch dessen Potenzial und Möglichkeiten. • Für die Notwendigkeit des pädagogischen Bezugs auch in der Schule spricht eine Vielzahl an positiven Folgen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler: • höhere Motivation und Leistungsbereitschaft • bessere geistige Entwicklung und selbstständiges Denken 117

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Pädagogik

• weniger Ängste, Unsicherheiten und Minderwertigkeitsgefühle • ausgeprägtes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl • größeres körperliches und seelisches Wohlbefinden • optimistische Grundhaltung • Obwohl es nie eine Garantie geben kann, dass der pädagogische Bezug zustande kommt, können Wertschätzung, Verstehen und Authentizität ihn unterstützen. Außerdem unterstützen ein partnerschaftlicher Erziehungsstil, Einfühlungsvermögen, Selbstreflexion, Humor, Gerechtigkeit, ein offenes Ohr für die Schülerinnen und Schüler sowie pädagogische Autorität sein Zustandekommen. Speziell in der Schule kommt einem gestalteten, positiven Schulleben große Bedeutung zu. • Auf Seiten der Schülerinnen und Schüler sind Bildungswille, sozialer Anschlusswille sowie die grundlegende Bereitschaft, sich auf ein positives Verhältnis zu Erwachsenen einzulassen, notwendig. • Schwierigkeiten bereitet die Übertragung des pädagogischen Bezugs auf die Gegenwart einerseits und die schulische Erziehung andererseits. Grund hierfür ist das sehr idealistische Bild des Erziehenden und seines Verhältnisses zu dem zu Erziehenden, das ihm zugrunde liegt. Dies ist in Konstellationen, in denen selbst an Grundschulen eine Lehrkraft 20 und mehr Schülerinnen und Schüler unterrichtet, kaum zu erreichen. Noch realitätsferner wird diese idealistische Sichtweise angesichts des Fachlehrerprinzips an vielen weiterführenden Schulen. Ein Verhältnis aufzubauen, das den Namen Pädagogischer Bezug verdient, ist schwierig bis unmöglich, wenn eine Lehrkraft nur einige wenige Stunden pro Woche in einer Klasse unterrichtet. Darüber hinaus sind es Selektionsfunktion der Schule, Stoffdruck und Verrechtlichung, die dem pädagogischen Bezug Grenzen setzen.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Sammeln Sie Aspekte, die in Ihren Augen eine ideale Lehrer-Schüler-Beziehung beschreiben. • Systematisieren Sie diese und notieren Sie diese strukturiert – beispielsweise in Form einer Mindmap. 2. Versetzten Sie sich zurück in Ihre eigene Schulzeit. Hatten Sie eine Lehrkraft, zu der Sie ein besonders gutes Verhältnis hatten? Was hat Ihre Beziehung ausgemacht? 3. Der Begriff Pädagogischer Bezug geht ursprünglich auf Hermann Nohl zurück: • Erklären Sie den Begriff Pädagogischer Bezug zunächst in eigenen Worten. • Führen Sie Nohls Definition des Begriffs Pädagogischer Bezug an. • Hobmair beispielsweise bevorzugt die Begriffe Pädagogisches Verhältnis oder Pädagogische Beziehung. Inwiefern finden Sie dies sinnvoll? Begründen Sie! 118

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7 Pädagogischer Bezug

4. Der pädagogische Bezug zeichnet sich durch sechs Kennzeichen aus: • Nennen Sie diese. • Erläutern Sie die sechs Kennzeichen. • Was bedeutet jedes einzelne für die Lehrkraft als Erzieher oder Erzieherin? Finden Sie jeweils mindestens ein konkretes Beispiel aus der Schulpraxis. 5. Seine vielfältigen positiven Auswirkungen machen den pädagogischen Bezug so enorm wichtig. Führen Sie diese aus. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Lesen Sie die folgenden Zitate von Lehramtsstudierenden: Der pädagogische Bezug ist umso wichtiger, je jünger die Schüler sind. Ein gutes Verhältnis zu den Schülern ist vor allem bei schwierigen Schülern und an Brennpunktschulen besonders wichtig. • Entscheiden Sie sich in der Gruppe für eines der beiden Zitate und stellen Sie fest, wer diesem zustimmt und wer es ablehnt. • Sammeln Sie nun gemeinsam Argumente dafür und dagegen. Diskutieren Sie das gewählte Zitat intensiv. • Stellen Sie erneut fest, wer dem Zitat zustimmt und wer es ablehnt. Wer hat seine Meinung nach der Diskussion geändert? Welche Gründe haben ihn dazu bewogen? 7. Halten Sie auf einem Plakat die Zehn Gebote angehender Lehrer und Lehrerinnen für das Entstehen eines pädagogischen Bezugs fest. Orientieren Sie sich dabei an der Formulierung der biblischen Gebote („Du sollst…/Du sollst nicht…“). 8. Wertschätzung, Verstehen und Echtheit begünstigen das Entstehen des pädagogischen Bezugs: • Worin zeigen sich Wertschätzung, Verstehen und Echtheit seitens der Lehrkraft? Finden Sie konkrete Beispiele. • Finden Sie für jeden der drei Aspekte konkrete Beispiele aus der schulischen Praxis.

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8 Erziehungsstile

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8.1 Begriliches 8.2 Lewins typologisches Konzept 8.3 Das dimensionsorientierte Konzept von Tausch und Tausch Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Erziehungsstil die Art und Weise, wie der/die Erziehende mit dem zu Erziehenden umgeht. Aus fachwissenschaftlicher Sicht ist dies jedoch nicht ausreichend. Hier ist die Bedeutung deutlich umfassender. Der Erziehungsstil einer Lehrkraft hängt eng mit ihrer pädagogischen Autorität und ihrem pädagogischen Bezug zusammen. Deshalb werden Sie an verschiedenen Stellen nicht nur Anknüpfungspunkte entdecken, sondern teilweise sogar Überschneidungen. In diesem Kapitel… • erfahren Sie, weshalb der Begriff Erziehungsstil besonders schwierig zu bestimmen ist. • lernen Sie das typologische Konzept Kurt Lewis kennen. • lernen Sie das dimensionsorientierte Konzept des Ehepaars Tausch und Tausch kennen.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Der Begriff Erziehungsstil wird auch außerhalb von Klassenzimmer und Hochschule verwendet: • Erstellen Sie gemeinsam eine Mindmap, in die Sie alle Begriffe integrieren, die Sie mit Erziehungsstilen assoziieren. • Markieren Sie anschließend alle in Ihren Augen zusammengehörenden Begriffe in der gleichen Farbe. Alternativ erstellen Sie eine zweite Mindmap, in der Sie die bisher gesammelten Begriffe bewusst systematisch anordnen.

Aufgabe 2 Versuchen Sie bereits vor Lektüre dieses Kapitels eine Definition des Begriffs Erziehungsstil.

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8 Erziehungsstile

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8.1 Begriffliches Erziehungsstile werden gelegentlich auch Führungs- oder Leitungsstile genannt und bezeichnen die Art und Weise, wie ein Erziehender seinen zu Erziehenden entgegentritt. Dabei sind Erziehungsstile weitgehend konstant und ändern sich nicht von Tag zu Tag und beispielsweise bei Lehrkräften nicht von Schulklasse zu Schulklasse. Die hohe Konstanz ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei Erziehungsstilen um Konstrukte handelt, die erst durch das Zusammenwirken von Erziehungszielen, Wertvorstellungen, Erziehungseinstellungen und konkreten Erziehungspraktiken konstituiert werden (vgl. Seel und Hanke 2015: 607). Bei Erziehungsstilen handelt es sich demnach um eine innere Haltung der Erzieherin oder des Erziehers, die in typischen, miteinander zusammenhängenden Verhaltensweisen resultiert. Oder, wie Hobmair formuliert: Unter Erziehungsstilen versteht man die Verhaltensweisen eines Erziehers, die sich zu einer typischen erzieherischen Grundhaltung zusammenfassen lassen.

Erziehungsziel = Ziele + Wertvorstellungen + Einstellungen + Praktiken

Deinition

(Hobmair 2008: 213)

Der Stil einer Erzieherin oder eines Erziehers ist insofern von großer Wichtigkeit, als dieser nach Lewin in engem Zusammenhang mit „typischen Formen des Erlebens und Verhaltens der Kinder“ (nach Weber 1976: 234) steht und neben sozialer Atmosphäre und Gruppendynamik auch Sozialverhalten und Leistungsverhalten der zu Erziehenden beeinlusst. Die Wirkung eines Erziehungsstils darf insofern nicht unterschätzt werden, als dieser das Verhalten der zu Erziehenden selbst dann noch eine Zeit lang beeinlusst, wenn Erzieher und Erziehungsstil gewechselt haben (vgl. Weber 1976: 234f). Wie wichtig die theoretische Auseinandersetzung mit Erziehungsstilen für angehende Lehrkräfte und somit für angehende Erziehende ist, verdeutlicht Weber mittels eines Zitats von Walz: Ein pädagogischer Führungsstil ist keine angeborene Naturtatsache, sondern eine aus Gesinnung, Einsicht, Interessen und Strebungen integrierte und aufgebaute innere pädagogische Haltung, zu der man sich letztlich selbst erziehen muß.

Erziehungsstil als Ergebnis der „Selbsterziehung“

(Walz 1960 nach Weber 1976: 235)

Innerhalb der Erziehungsstilforschung werden typologische Konzepte und dimensionsorientierte Konzepte unterschieden. Erstere 121

Pädagogik

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sind vor allem auf Kurt Lewins Arbeit zurückzuführen, während zweite im deutschsprachigen Raum vor allem mit dem Namen des Ehepaars Tausch und Tausch in Verbindung gebracht werden. Beide Konzepte und Arbeiten werden im Folgenden vorgestellt.

8.2 Lewins typologisches Konzept

3 Erziehungsstile

Vorgehensweise

Kritik

122

Ein typologisches Konzept kategorisiert Erziehende und arbeitet mit generalisierten Grundformen der Erziehung, die durch speziische Merkmale gekennzeichnet sind. Das bekannteste typologische Konzept geht auf Kurt Lewin zurück, der drei Erziehungsstile unterscheidet: • autoritärer Erziehungsstil • demokratischer Erziehungsstil • laissez-faire Erziehungsstil Lewin ließ Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren in Kleingruppen von jeweils fünf Mitgliedern einmal wöchentlich zusammenkommen. Die Gruppentrefen wurden von einem Erwachsenen geleitet, der einen der drei Erziehungsstile mit präzise festgelegten Verhaltensweisen zu praktizieren hatte. Durch regelmäßige Wechsel wurde sichergestellt, dass jede der Gruppen mehrere Erziehungsstile erlebt und jeder Erwachsene mehrere Erziehungsstile praktiziert hatte. Dabei wurden das Leistungsverhalten der Kinder und ihr Sozialverhalten beobachtet. Tabelle 7 beschreibt sowohl das vorgegebene Erzieherverhalten als auch das beobachtete Verhalten der Kinder. Dabei indet in allen Bereichen eine Beschränkung auf die aussagekräftigsten und für Lehrkräfte wichtigsten Merkmale statt (vgl. Weber 1976: 234 f. und Hobmair 2008: 215). So angenehm diese klare Einteilung in drei Erziehungsstile auf den ersten Blick auch sein mag, so problematisch ist dies in der Realität, da diese Schubladendenken Vorschub leistet und keinerlei Diferenzierungsmöglichkeiten bietet. Oder könnten Sie sich zu einhundert Prozent in einer der Kategorien verorten? Auch bietet Lewin Vorgehensweise weitere Ansatzpunkte für Kritik: • Die Begriffe demokratisch und autoritär sind der Politologie entnommen und von daher mit wenig pädagogischen Inhalten konnotiert. Demokratisch im Sinne von freien Wahlen und Mehrheitsentscheidungen ist Erziehung nicht. Gerade das Stichwort

8 Erziehungsstile Tabelle 7 | Erziehungsstile und Schülerinnen- und Schülerverhalten

Autoritärer ES •

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Merkmale/ Lehrerverhalten







• Allgemeines Schülerverhalten





• Schülersozialverhalten

• •

Lernende werden nur über den nächsten Arbeitsschritt informiert. Lehrkraft legt alle Richtlinien fest, bestimmt gesamtes Vorgehen und entscheidet über sämtliche Maßnahmen. Lehrkraft akzeptiert nur einen Weg zum von ihr vorgegebene Ziel. Lehrkraft übernimmt die Verantwortung für das Geschehen, das Tun der Kinder und den Erfolg des Vorhabens. Lehrkraft lobt und tadelt in erster Linie personenbezogen, bleibt distanziert und zeigt ihre Überlegenheit. Das Verhalten der Kinder zeigte wenig Spontaneität und Individualität. Sie reagierten lediglich auf Verhalten und Anweisungen der Erzieherin oder des Erziehers. Die Kinder zeigen teils unterwürige Tendenzen, teils aggressive Tendenzen. Aggressionen werden v.a. gegenüber Mitschülern, seltener gegenüber Erzieher gezeigt. Wörter wie „ich“, „mein“ und „mir“ dominieren. Einige Schülerinnen und Schüler zeigen deutliches Dominanzverhalten gegenüber den anderen.

demokratischer ES •







• •











Lehrkraft gibt vorläuigen Überblick über Gesamttätigkeit und Ziel. Entscheidung für oder gegen einzelne Maßnahmen trefen die zu Erziehenden. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten werden akzeptiert. Die Gruppe trägt die Verantwortung für das Geschehen und den Erfolg des Vorhabens. Lehrkraft lobt und tadelt vor allem sachbezogen. Wichtige Entscheidungen werden diskutiert.

Die Kinder zeigen sich spontan und ergreifen von selbst die Initiative. Ihr Verhalten ist individueller, produktiver und konstruktiver.

Die Gruppenmitglieder gehen hilfsbereit und freundlich miteinander um. Die Gruppe zeigt einen engen Zusammenhalt und hohe Gruppenmoral. Wörter wie „wir“ und „unser“ dominieren.

laissez-faire ES •











• •



Lehrkraft weitgehend passiv, macht nur minimale Vorgaben. Sie beeinlusst die Kinder nicht oder nur sehr wenig; ihre Rolle beschränkt sich weitgehend auf das Anbieten unterschiedlicher Materialien. Die Lehrkraft gewährt völlige Freiheit und beantwortet lediglich Fragen der Kinder. Verhalten und Arbeit werden weder provoziert noch bewertet.

Die Kinder zeigen sich unzufrieden mit der Situation. Zwar werden von einzelnen Gruppenmitgliedern Vorschläge unterbreitet, diese jedoch nicht umgesetzt. Die Kinder sind enttäuscht und gereizt. Es entsteht weder Gruppengefühl noch größerer Zusammenhalt. Die Beziehungen der zu Erziehenden sind nur locker und instabil.

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Pädagogik Autoritärer ES •

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• Schülerabeitsverhalten



Die zu Erziehenden arbeiteten zwar viel, jedoch nicht mit hoher Qualität. Bei Abwesenheit der Erzieherin oder des Erziehers sank die Arbeitsaktivität deutlich ab. Während des Arbeitens mussten die Kinder stets aufs Neue ermahnt und zum Arbeiten angehalten werden.

demokratischer ES •





Die Gruppenmitglieder leisten zwar quantitativ weniger als im autoritären Erziehungsstil, die erbrachte Leistung jedoch ist von höherer Qualität. Bei Abwesenheit der Erzieherin oder des Erziehers arbeiten die zu Erziehenden dennoch. Sie identiizieren sich mit dem gemeinsamen Vorhaben und arbeiten selbstständig.

laissez-faire ES •







Die Leistungen sind sowohl qualitativ als auch quantitativ gering. Planloses und unproduktives Verhalten artet häuig in Unfug aus. Bei Abwesenheit der Erzieherin oder des Erziehers sind die zu Erziehenden zwar aktiv, aber nicht konstruktiv. Häuig übernimmt ein Gruppenmitglied die Leitung, wenn die Führungsperson den Raum verlässt.

Mehrheitsentscheidungen verdeutlicht dies, da im schulischen Kontext die Lehrkraft als Erziehender systemgemäß die Minderheit darstellt. • Die beobachteten Erziehungssituationen wurden von Lewin künstlich geschaffen. Selbst die von den Erziehenden zu praktizierenden Verhaltensweisen waren vorgegeben und künstlich den drei Erziehungsstilen zugeordnet. • Lewins Untersuchungen beschränkten sich auf einen kurzfristigen Zeitraum und liefern keinerlei Informationen über den möglichen nachhaltigen Einfluss des Erziehungsstils auf die zu Erziehenden.

Aus 3 mach 7

124

Elder ergänzt Lewins Konzept um weitere vier Erziehungsstile: • Der autokratische Erziehungsstil unterdrückt die Eigeninitiative der Kinder und missachtet deren Meinung. Von den Erziehenden wird die Ausübung von Autorität in der Erziehung als zwingend notwendig gesehen. • Der egalitäre Erziehungsstil räumt Kindern und Erziehenden gleiche Rechte und Pflichten ein. Hier bemühen sich Erziehende, jegliche Hierarchie zu überwinden. • Erziehende, die den permissiven Erziehungsstil praktizieren, halten sich bewusst zurück und minimieren ihre Einflussnahme auf die Heranwachsenden. • Den negierenden Erziehungsstil zeigen Erziehende, die keinerlei Wert auf die Entwicklung der Kinder legen. Hier kann von einer Vernachlässigung gesprochen werden (vgl. Seel und Hanke 2015: 607f.).

8 Erziehungsstile

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8.3 Das dimensionsorientierte Konzept nach Tausch und Tausch Dimensionsorientierte Konzepte wirken dem zentralen Problem typologischer Konzepte entgegen, indem sie unterschiedliche Abstufungen des betrachteten Verhaltens und somit diferenziertere Aussagen ermöglichen. Dazu arbeiten dimensionsorientierte Konzepte mit Gegensatzpaaren (bspw. Geringschätzung und Wertschätzung), die als iktive Endpunkte eines Kontinuums zu sehen sind. So wird ein Erziehender in diesem Konzept nicht einfach als autoritär oder demokratisch eingestuft, sondern als näher am Extrempol Geringschätzung oder näher am Extrempol Wertschätzung. Dies ermöglicht eine unbegrenzte Zahl an Abstufungen und Zwischenstufen. Entscheidend für die Entwicklung dimensionsorientierter Konzepte ist die Arbeit des Ehepaares Reinhard und Anne-Marie Tausch, das sich vor allem auf Lenkungs- und emotionale Dimension konzentriert, wodurch das in Abbildung 14 gezeigt Raster entsteht, auf dem Erzieherinnen und Erzieher verortet werden können.

Arbeit mit Gegensatzpaaren

Abb. 14 | Dimensionsorientiertes Konzept

Später entwickelten Tausch und Tausch diesen Ansatz jedoch weiter und entwarfen ein Modell, das vier jeweils fünfstuige Dimensionen umfasst (siehe Abbildung 15). Dabei ist eine Dimension „eine Zusammenfassung ähnlicher, einander entsprechender Haltungen, Reaktionsweisen und komplexer Aktivitäten“ (Tauch und Tausch 1998: 101).

Weiterentwicklung

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Pädagogik

Abb. 15 | Dimensionen des Erziehendenverhalten (nach Hobmair 2008: 220)

Dimension 1 – Wärme Dimension 2 – Verstehen

Dimension 3 – Echtheit

Dimension 4 – Dirigierung und Lenkung 126

Im Folgenden die über die ursprüngliche Dimension Wärme hinausgehenden Dimensionen im Detail: Eine Lehrkraft, die in Dimension 2 einen hohen Wert aufweist, wirkt sich vor allem positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen aus. So fördert einfühlendes Verstehen die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit sich selbst ebenso wie intellektuelle Leistungen und Selbstständigkeit. Zudem vermindert es Ängste und Unsicherheiten. Einfühlendes Verstehen äußert sich in Worten, Maßnahmen und Verhaltensweisen sowie in Mimik und Gestik. Einfühlendes Verstehen meint jedoch nicht Kritiklosigkeit und Passivität der Lehrkraft bei negativen Verhaltensweisen der Lernenden. Eine starke Ausprägung von Dimension 3 fördert sowohl die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden und deren seelische Gesundheit als auch problemlösendes Denken und kognitive Prozesse. Darüber hinaus ist die Dimension Echtheit wichtig für die zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern bestehende Beziehung und somit für ein Zustandekommen des pädagogischen Bezugs (vgl. Kapitel Pädagogik 7). Echtheit, Übereinstimmung, Aufrichtigkeit sind dann gegeben, wenn Äußerungen, Handeln und Maßnahmen einer Lehrkraft mit dem übereinstimmen, was diese fühlt und denkt. Andererseits ist der Gegenpol Fassadenhaftigkeit, Nichtübereinstimmung, Unechtheit durch Verstellung und Verleugnung der eigenen Person gekennzeichnet. Bei Dimension 4 zeigen Tausch und Tausch, dass starke Dirigierung und Lenkung sich negativ auf die intellektuelle, soziale und

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8 Erziehungsstile

emotionale Entwicklung auswirkt. Eine stark dirigierende Lehrkraft hemmt die Persönlicheitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler in allen Bereichen. Eine geringe oder nicht vorhandene Dirigierung und Lenkung zeigt sich in einem geringen Maß an Befehlen und Auforderungen der Lehrkraft und an ihrem geringen Sprechanteil. Lehrkräfte, die auf der Skala zu Dimension 4 geringe Werte aufweisen, geben den Lernenden die Möglichkeit, den Unterricht mitzugestalten und Entscheidungen zu trefen (vgl. Tausch und Tausch 1977: 118 – 373).

Literaturtipp Eine bereits etwas in die Jahre gekommene, aber dennoch sehr inhaltsstarke und informative Lektüre bietet Weber: Weber, Erich: Erziehungsstile. Donauwörth. Aktuell, knapp und sehr gut auf den Punkt gebracht stellen Seel und Hanke den Bereich der Erziehungsstile dar: Seel, Norbert & Hanke, Ulrike. Erziehungswissenschaft, Lehrbuch für Bachelor-, Masterund Lehramtsstudierende (S. 607ff). Berlin.

Zusammenfassung • Erziehungsstile werden auch Führungs- und Leistungsstile genannt und bezeichnen die innere Einstellung eines Erziehenden und daraus resultierend die Art und Weise, wie er den zu Erziehenden gegenübertritt. Der Erziehungsstil einer Lehrkraft ändert sich nicht von Klasse zu Klasse oder von Schüler zu Schüler. Dies liegt daran, dass ihm Erziehungsziele, Wertvorstellungen, Erziehungseinstellungen und Erziehungspraktiken zugrunde liegen und diese weitgehend konstant sind. • Kurt Lewin entwickelte das typologische Konzept der Erziehungsstile, das zunächst zwischen zwei, später zwischen drei Grundformen der Erziehung unterscheidet: 1. Der autoritäre Erziehungsstil setzt auf autoritäre Verhaltensweisen und starke Kontrolle. 2. Der demokratische Erziehungsstil setzt auf partnerschaftliches Miteinander und den Einbezug der zu Erziehenden. 3. Der laissez-faire Erziehungsstil verzichtet so weit wie möglich auf Grenzen und Regeln, weshalb der Begriff Erziehungsstil eigentlich hinfällig ist. Später wird Lewins Konzept durch Elder um den autokratischen, den egalitären, den permissiven und den negierenden Erziehungsstil ergänzt. 127

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Pädagogik

• Das Ehepaar Tausch und Tausch entwickelte das dimensionsorientierte Konzept, das differenziertere Aussagen ermöglicht. Dabei wird das Verhalten einer Lehrkraft zwischen zwei Extrempolen eingeordnet; beispielsweise zwischen den Polen Wertschätzung und Geringschätzung oder den Polen Maximale Lenkung und Minimale Lenkung. • Später entwickeln Tausch und Tausch ihr Konzept weiter und entwerfen ein Modell, das vier Gegensatzpaare umfasst: 1. Missachtung, Kälte und Härte vs. Achtung, Wärme und Rücksichtnahme 2. Kein Verstehen vs. vollständiges Verstehen 3. Fassadenhaftigkeit vs. Echtheit und Authentizität 4. Keine fördernden, nicht dirigierenden Tätigkeiten vs. viele fördernde, nicht dirigierende Tätigkeiten

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Erziehungsstil: • Erläutern Sie den Begriff in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Diskutieren Sie folgendes Zitat einer Lehrkraft: Vor allem in schwierigen Klassen ist es als Lehrkraft wichtig, den eigenen Erziehungsstil neu anzupassen. 3. Übertragen Sie die folgende Tabelle mit den Erziehungsstilen nach Kurt Lewin auf ein Din-A-4-Papier und ergänzen Sie weitere Aspekte und Merkmale: autoritärer Stil Lehrerverhalten Arbeitsverhalten der Schüler Sozialverhalten der Schüler

demokratischer Stil

laissez-fair Stil

Lehrer akzeptiert nur einen Lösungsweg kreatives, produktives Arbeiten Klasse entwickelt kein Wir-Gefühl

4. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden drei Gruppen A, B, C: • Jede der Gruppen A, B, C informiert sich gezielt über einen der Erziehungsstile Lewins. • Jede der Gruppen diskutiert, wie ein Vertreter dieses Erziehungsstils auf vergessene Hausaufgaben, das Bewerfen einer Mitschülerin oder eines Mitschülers mit Papierkügelchen und das Rauchen auf der Schultoilette reagieren würde. 128

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8 Erziehungsstile

• Je ein Mitglied der Gruppen A, B und C bilden eine neue Gruppe und stellen dort als Experten den erarbeiteten Erziehungsstil vor und schildern, wie ein Vertreter dieses Stils in den beschriebenen Situationen reagieren würde. 5. Bilden Sie drei Gruppen: • Entwerfen Sie den in Ihren Augen idealen Erziehungsstil und halten Sie diesen auf einem Plakat fest. • Stellen Sie das Plakat anschließend den anderen Studierenden vor. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Übertragen Sie das ursprüngliche dimensionsorientierte Konzept von Tausch und Tausch (Abbildung 14) auf eine Tafel oder ein Flipchart-Papier. • Jedes Mitglied der Gruppe markiert mit einem Klebepunkt oder einem farbigen Kreuz den eigenen Erziehungsstil. • Gehen Sie anschließend paarweise zusammen und begründen Sie sich gegenseitig die eigene Entscheidung. 7. Der Spielfilm Club der toten Dichter wurde nicht nur als bestes Originaldrehbuch mit einem Oscar ausgezeichnet und in weiteren Kategorien nominiert, sondern gilt mittlerweile geradezu als pädagogischer Klassiker. Er erzählt eine fiktive Geschichte, die Ihnen die Möglichkeit bietet, zwei unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten und Erziehungsstile geradezu prototypisch zu studieren. Sehen Sie diesen Film an und bearbeiten Sie die folgenden Aufgaben, um bestmöglich von einem Film zu profitieren, den wirklich jede Lehrkraft kennen sollte: • Bitte bereiten Sie sich vor, indem Sie nochmals die Kapitel Pädagogische Autorität, Pädagogischer Bezug und Erziehungsstile studieren. • Beschreiben und diskutieren Sie die Figur John Keating: • Zeigen Sie auf, weshalb John Keating als Prototyp des partnerschaftlichdemokratischen Erziehungsstils gelten kann. • Erläutern Sie die Basis, auf der John Keatings Autorität beruht. Belegen Sie mit Stellen aus dem Film. • Woran erkennen Sie, dass zwischen John Keating und seinen Schülern ein pädagogischer Bezug besteht? Gelingt es Ihnen, das ein oder andere Merkmal nach Nohl zu entdecken? • Beschreiben und diskutieren Sie die Figur Mr. Nolan: • Zeigen Sie auf, weshalb Mr. Nolan als Prototyp des autoritären Erziehungsstils gelten kann. • Erläutern Sie die Basis, auf der Mr. Nolans Autorität beruht. Wo stößt diese an ihre Grenzen? Belegen Sie mit Stellen aus dem Film. • Wie ist es um den pädagogische Bezug zwischen Mr. Nolan und seinen Schülern bestellt? Belegen Sie.

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9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

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9.1 Begriliches 9.2 Einteilung 9.3 Ursachen 9.4 Handlungsmöglichkeiten Dieses Kapitel bereitet in zweifacher Hinsicht Bauchschmerzen: Zunächst ist der Terminus Erziehungsschwierigkeit innerhalb der Pädagogik weder eindeutig und trennscharf geklärt, noch wird dieser heute vorrangig verwendet. Er taucht dennoch sowohl in Überschrift als auch in Kapitel auf, da er erfahrungsgemäß in der zweiten Lehrerbildungsphase ebenso häuig verwendet wird wie in Lehrerzimmern und in an Lehrkräfte gerichteter Ratgeberliteratur. Darüber hinaus löst die Platzierung dieser Thematik bei Studierenden stets aufs Neue Erstaunen aus. Gerade da Lehramtsstudierende mittlerweile sehr früh beginnen, Schulpraktika zu absolvieren und viele zusätzlich in Förderprogrammen eigenen Unterricht erteilen, wünscht sich das Gros der Studierenden aufgrund eigener Erfahrung, das Thema Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen möglichst frühzeitig in Studium und vermutlich auch Literatur zu behandeln.

Abb. 16 | Erziehungsschwierigkeiten

In diesem Kapitel … • lernen Sie unterschiedliche Klassifizierungsmöglichkeiten von Erziehungsschwierigkeiten kennen. • erschließen Sie sich die Ursachen von Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen. 130

9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

• erfahren Sie, welche präventiven und interventiven Möglichkeiten Sie haben.

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Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Havers bestimmt Erziehungsschwierigkeiten folgendermaßen: „Unter einer schulischen Erziehungsschwierigkeit versteht man eine Regelübertretung eines Schülers, die von einem schulischen Erzieher wahrgenommen und als störend und unangemessen beurteilt wird“. Studieren Sie diese Definition. Was fällt Ihnen positiv daran auf? Was missfällt Ihnen daran? Was finden Sie problematisch? Diskutieren Sie.

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Ohne sich in diesen Themenbereich eingearbeitet zu haben: Welche Unterrichtsstörungen oder Erziehungsschwierigkeiten konnten Sie als Praktikantin bzw. Praktikant oder Schülerin bzw. Schüler im Unterricht bislang beobachten? Sammeln Sie stichpunktartig. • Entwickeln Sie ein Klassifikationssystem, in das Sie die notierten Fälle einsortieren.

9.1 Begriffliches Anders als der Begrif Erziehungsschwierigkeit, der heute vor allem auf die nichtwissenschaftliche Ratgeberliteratur beschränkt ist, wird der der Unterrichtsstörung zwar im fachwissenschaftlichen Diskurs verwendet, dies jedoch nicht einheitlich. Ursache mag die Tatsache sein, dass das, was als Störung des Unterrichts empfunden wird, je nach Situation und Person sehr unterschiedlich sein kann. Beispielsweise wird ein kurzes Schwätzen zweier Schülerinnen oder Schüler von einer Lehrkraft als Störung empfunden, während eine andere dies nicht so sieht. Während das Wühlen in der eigenen Schultasche während einer Phase des Frontalunterrichts als störend empfunden wird, ist es während Freiarbeitsphasen kein Problem. 131

Pädagogik

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Begrifsvielfalt

Bevor ausgewählte Deinitionen für die Begrife Erziehungsschwierigkeit und Unterrichtsstörung angeführt werden, an dieser Stelle zunächst einige sinnverwandte, teilweise synonym verwendete Termini: • abweichendes oder deviantes Verhalten (Domke 1975) • Disziplinschwierigkeit oder Disziplinstörung (Domke 1975, Lockenvitz 1998) • Erziehungsschwierigkeiten oder erziehungsschwierige Situationen (Havers 1981) • Lernstörung (Betz 1993) • Lernschwierigkeit (Ortner 2000) • Problemsituation im Unterricht (Seitz 1991) • Verhaltensstörung (Myschker 2002) • Verhaltensauffälligkeit (Datler 1987) Innerhalb dieser Sammlung fällt auf, dass die Mehrzahl der Begriffe auf Schülerinnen und Schüler als Verantwortliche hinweist. Es ist das Verhalten der Lernenden, das schwierig oder gestört ist, das abweicht oder als deviant bezeichnet wird. Es sind Schülerinnen und Schüler, die Schwierigkeiten beim Lernen haben oder gar eine Lernstörung aufweisen (vgl. Rauschenberg 1982: 24). Die Begrife Disziplinschwierigkeit und Disziplinstörung fallen hier aus dem Rahmen, da sie die Lehrkraft in die Verantwortung nehmen. Diese ist es, die die Disziplin in ihrer Klasse sicherzustellen hat. Wertneutral hingegen ist der Terminus Unterrichtsstörung (Winkel 1993). Diesen bestimmen Biller (1979) und Winkel (1993) folgendermaßen:

Deinition Unterrichtsstörung

Eine Unterrichtsstörung ist „alles, was den Prozess oder das Beziehungsgefüge von Unterrichtssituationen unterbricht oder unterbrechen könnte.“ (Biller 1979: 28)

Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich oder inhuman wird. (Winkel 1993: 31)

Vorteil von derartigen Begrifsverständnissen ist es, dass diese keine Schuldzuweisungen mehr umfassen. Beide Deinitionen rücken die Unterrichts- bzw. Lehr- und Lernprozesse in den Mittelpunkt der Betrachtung. 132

9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

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Der Begrif Erziehungsschwierigkeit, der Ihnen erfahrungsgemäß vor allem im Anschluss an Ihre universitäre Ausbildung begegnen wird, kann folgendermaßen bestimmt werden: Unter einer schulischen Erziehungsschwierigkeit versteht man eine Regelübertretung eines Schülers, die von einem schulischen Erzieher wahrgenommen und als störend und unangemessen beurteilt wird.

Deinition Erziehungsschwierigkeit

(Havers 1981: 21)

Problematisch erscheint an dieser Deinition die Tatsache, dass Havers die Einschätzung eines Verhaltens als Erziehungsschwierigkeit hier in die Hände der einzelnen Lehrkraft legt. Nur, wenn diese eine Verhaltensweise als störend und unangemessen empindet, liegt eine Erziehungsschwierigkeit vor. Keine Erziehungsschwierigkeit liegt demzufolge vor, wenn störende, undisziplinierte Verhaltensweisen von einer Lehrkraft gar nicht erst bemerkt werden. Für Lehrkräfte ist es wichtig zu realisieren, dass schulische Erziehung und Unterricht ohne Unterrichtsstörungen oder Erziehungsschwierigkeiten nicht denkbar sind. Diese vollständig zu vermeiden ist weder möglich noch wünschenswert. Sie sind fester Bestandteil – Biller spricht von „Wesensanteil von Unterricht“ (Biller 1981: 29) – schulischer Sozialisation und bieten Heranwachsenden die Möglichkeit, Grenzen zu testen, sich an Erwachsenen und an Vorgaben zu reiben und dabei zu wachsen und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Ihre Qualität als Lehrkraft zeigt sich nicht in einem Unterricht frei von Störungen und Schwierigkeiten, sondern in Ihrem Umgang mit diesen.

Kritik

Erziehungsschwierigkeiten als fester Bestandteil von Unterricht

9.2 Einteilung Die Frage nach den Erscheinungsformen und einer möglichen Einteilung wird in der Literatur sehr unterschiedlich beantwortet. Dies lässt sich teilweise auf die Uneinigkeiten bei der Eingrenzung des Begrifsfeldes zurückführen. Wenngleich die unterschiedlichen Klassiizierungssysteme zwar an und für sich logisch und sinnvoll aufgebaut sind, verschwimmen die einzelnen Kategorien häuig und sind nicht wirklich trennscharf (vgl. Jürgens 2000: 12).

133

Pädagogik

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9.2.1 Klassifizierung nach Roth Der in diesem Buch häuig bemühte Heinrich Roth unterscheidet bei seinem auf Unterrichtsbeobachtungen basierenden Ordnungsversuch drei Kategorien unterrichtsstörenden Verhaltens (vgl. Roth 1971: 117 f.): • Unterrichtsstörendes Verhalten mit sozialem Bezug (beispielsweise Schwätzen) • Unterrichtsstörendes Verhalten ohne direkten sozialen Bezug (beispielsweise unaufgefordertes Blättern im Buch) • Unterrichtsstörendes Verhalten im disziplinären Bereich (Angesprochenwerden der Schülerinnen und Schüler auf disziplinarisches Verhalten) Dieses Ordnungssystem lässt sich prinzipiell gut zur Klassiizierung von Unterrichtsstörungen heranziehen, erfasst jedoch nicht alle Facetten des Phänomens Unterrichtsstörungen.

9.2.2 Klassifizierung nach Domke Domkes Klassiizierung schaft mit Hilfe der Ebenen Bewusstheit und Richtung der Unterrichtsstörung sowie weiterer Unterteilungen insgesamt zwölf Kategorien. Deutlich macht dies Tabelle 8. Tabelle 8 | Klassiizierung von Unterrichtsstörungen (nach Domke 1975:18)

abweichendes Verhalten gerichtet gegen Lehrkraft

gerichtet gegen Mitschüler

gerichtet gegen Normen der Schule und Ordnung

unbeabsichtigtes Verhalten

Schüler lachen über Versprecher der Lehrkraft

spontanes Auslachen wegen Missgeschicken

aus dem Fenster schauen

beabsichtigtes, getarntes Verhalten, dessen Urheber anonym bleibt

Schüler stiftet Klasse an, sich dumm zu stellen

Verleumdung eines Mitschülers bei der Lehrkraft

heimliches Essen

beabsichtigtes, ofenes Verhalten, dessen Urheber anonym bleibt

Verstecken von Lehrerutensilien

Beschießen eines Schülers mit Papierkügelchen

Beschädigung von Schulinventar

beabsichtigtes, ofenes Verhalten, dessen Urheber sich zeigt

Beschimpfen der Lehrkraft

Hänseleien

absichtliches Zuspätkommen

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9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

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Zwar lassen sich mittels dieser zwölf Kategorien unterrichtsstörende Verhaltensweisen in der Praxis gut einordnen, doch ist – selbst für Domke (1975: 19) – fraglich, ob gegen die Lehrkraft gerichtetes, unbeabsichtigtes Störverhalten generell dem abweichenden, störenden Verhalten zuzurechnen sei.

9.2.3 Klassifizierung nach Seitz Abschließend kommt der Klassiizierungsversuch von Seitz (1991) zur Darstellung, der Unterrichtsstörungen auf interaktionstheoretischer Grundlage systematisiert. Dabei unterscheidet er fünf Problembereiche (PB) mit insgesamt neun Unterbereichen (UB): • PB 1: Verbale Störungen • UB 1: Kommentare zu Lehreräußerungen („Dazwischenreden“) • UB 2: Eigenaktivitäten („Schwätzen“) • UB 3: Reaktionen auf Mitschülerinnen und Mitschüler („Petzen“, „Verspotten“) • PB 2: Nicht-verbale Aktivitäten • UB 1: Eigenaktivitäten („Zappelphilipp“) • UB 2: Aktivitäten zwischen Schülerinnen und Schülern („Raufen“) • PB 3: Vorsituative Defizite • UB 1: „Vergessene“ Hausaufgaben • UB 2: Unpünktlichkeit, Unterrichtsversäumnisse („Schwänzen“) • PB 4: Verletzung moralischer Normen • UB 1: Unterschleif („Spicken“) • UB 2: Lügen, Schwindeln • PB 5: Passivität, Desinteresse, Opposition, Angst („Null-Bock“)

9.3 Ursachen Die Vielzahl der einzelnen Kategorien, mit der jeder Systematisierungsversuch des Phänomens Unterrichtsstörungen arbeitet, lässt bereits vermuten, dass auch die Ursachen des Phänomens vielfältig sein können. Diese lassen sich in inneren und äußeren Einlüssen sowie in Handlungen von Schülern und Lehrkräften inden. Generell lassen sich einzelne Unterrichtsstörung entweder auf eine einzelne Ursache zurückführen oder aber sie können multifaktoriell 135

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Theoriemodelle

Ursachenbereiche, praxisnah

bedingt sein (vgl. Myschker 2005). Folgende Theoriemodelle werden neben anderen in der Literatur angeführt, um die Entstehung von Erziehungsschwierigkeiten zu begründen: • Der medizinische Ansatz sieht Unterrichtsstörungen durch Hirnschädigungen und Erkrankungen verursacht. • Aus psychoanalytischer Sicht resultieren Unterrichtsstörungen entweder aus inadäquater Ich-Entwicklung oder ungünstiger Einflussnahme des Über-Ichs. • Die Individualpsychologie sieht Erziehungsschwierigkeiten als Kompensationsverhalten, das aus Minderwertigkeitsgefühlen hervorgeht. • Der lerntheoretische Ansatz sieht Erziehungsschwierigkeiten als erlernte Verhaltensweisen an. Als Beispiel sind hier positive Reaktionen der Mitschülerinnen und Mitschülern auf störendes Verhalten anzuführen. • Der didaktische Ansatz sieht Unterrichtsstörungen entweder im Unterricht selbst oder aber in den institutionellen, personellen oder materiellen Rahmenbedingungen begründet. • Aus kommunikationstheoretischer Sicht sind Unterrichtsstörungen die Folge gestörter Kommunikationsprozesse (vgl. Myschker 2014 und Bärsch 1978). Wenn Sie nach Ihrer Studienzeit im Schuldienst stehen, kann es für die Einleitung konkreter Maßnahmen bei Unterrichtsstörungen sinnvoll sein, wie bei Meyer (2011: 233) fünf konkrete Ursachenbereiche zu unterscheiden: 1. Lehrkraft 2. Schüler 3. Institution Schule 4. Eltern 5. Gesellschaft Bei den Transfer- und Relexionsaufgaben zu diesem Kapitel inden sich diese Ursachenbereiche weiter ausgeführt in Form einer von Ihnen zu erweiternden Mindmap.

9.4 Handlungsmöglichkeiten Die Handlungsmöglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, um Unterrichtsstörungen und erziehungsschwierigen Situationen entgegenzuwirken, lassen sich primär in zwei Gruppen unterteilen: 136

9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

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• Vereinfacht gesagt werden präventive oder proaktive Maßnahmen eingesetzt, um das Auftreten von Störungen im Vorfeld zu verhindern. • Intervenierende oder reaktive Maßnahmen kommen zur Anwendung, wenn bereits Störungen aufgetreten sind, die behoben werden sollen (vgl. Nolting 2002 und Lohmann 2007).

Präventive vs. interventive Maßnahmen

In der Praxis lassen sich diese jedoch häuig nur schwer gegeneinander abgrenzen, da ein und dieselbe Maßnahme sowie vorbeugenden wie auch reagierenden Charakter haben kann.

9.4.1 Präventionsmaßnahmen Präventionsmaßnahmen können nach Antor und Bleidick 2001 noch weiter diferenziert werden: • Maßnahmen der primären Prävention werden eingesetzt, wenn Schülerinnen oder Schüler bislang kein störendes Verhalten gezeigt haben. Primärprävention findet vor allem durch den Aufbau eines positiven Bezugs und die Gestaltung des Unterrichts statt. • Maßnahmen der sekundären Prävention werden eingesetzt, wenn einzelne Schülerinnen und Schüler oder Gruppen bereits Risikosignale gezeigt haben und Unterrichtsstörungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Sekundärprävention findet vor allem durch Disziplin-Management sowie durch Beratung und Kooperation statt. Die zwischen Lehrkraft und Schülerin oder Schüler bestehende Beziehung spielt die zentrale Rolle bei der primären Prävention von Erziehungsschwierigkeiten. Haben Lehrende und Lernende ein positives Verhältnis, besteht ein pädagogischer Bezug, so treten Unterrichtsstörungen und erziehungsschwierige Situationen seltener auf. Darüber hinaus erhöht ein gutes Verhältnis die Wirksamkeit weiterer Maßnahmen. Als Lehrkraft können Sie das Verhältnis zu Ihren Schülerinnen und Schülern durch die Beachtung einiger Aspekte verbessern: • Seien Sie sich Ihrer Rolle als Vorbild bewusst. • Begegnen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern respektvoll. • Setzen Sie Ich-Botschaften ein und vermeiden Sie Verallgemeinerungen: „Wenn du schwätzt, kann ich mich nicht auf die Erklärung konzentrieren und ärgere mich.“ statt „Du bist ständig nur am Schwätzen.“ (s. Kapitel 10.2.3) • Zeigen Sie Interesse an Ihren Schülerinnen und Schülern.

Primäre vs. sekundäre Präventionsmaßnahmen

Prävention auf Beziehungsebene

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Pädagogik

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• Setzen Sie auf Ermutigung als Erziehungsmaßnahme. • Finden Sie Wege, die Kommunikation zwischen Ihnen und den Schülerinnen und Schülern zu thematisieren. Prävention auf Ebene der Unterrichtsgestaltung

Nolting betont, dass ein abwechslungsreicher, interessanter und die Schülerinnen und Schüler aktivierender Unterricht Unterrichtsstörungen weitgehend vermeiden kann und für Disziplin sorgt (vgl. Nolting 2002). Dies erscheint nur logisch, da Schülerinnen und Schüler, die sich vom Unterricht angesprochen fühlen und diesem folgen wollen, weniger Gründe haben, bewusst zu stören. Dies bedeutet für Sie Folgendes: • Achten Sie bewusst auf schülerorientierten Unterricht (vgl. Kapitel Schulpädagogik 2.3 Fundierende Unterrichtsprinzipien). • Berücksichtigen Sie das Unterrichtsprinzip Differenzierung, damit jede Schülerin und jeder Schüler dem Unterricht folgen kann (vgl. Kapitel Schulpädagogik 6 Differenzierung). • Berücksichtigen Sie die Prinzipien Selbsttätigkeit und Handlungsorientierung, um Ihre Schülerinnen und Schüler in den Unterricht einzubeziehen und zu aktivieren (vgl. Kapitel Schulpädagogik 2.3.4 Handlungsorientierung). • Orientieren Sie sich an der Lebenswelt und den Interessen der Lernenden. • Berücksichtigen Sie als Merkmal guten Unterrichts die Methodenvielfalt (vgl. Kapitel Schulpädagogik 10 Merkmale guten Unterrichts).

Prävention auf Ebene des Disziplin-Managements

Häuig ist gerade bei Lehramtsanwärtern und Berufsanfängern zu beobachten, dass diese sich erst dann mit dem Thema Disziplin auseinandersetzen, wenn Probleme in diesem Bereich aufgetaucht sind. Sekundäre Prävention bedeutet, hier bereits vorab tätig zu werden: • Legen Sie von Anfang an – unter Umständen auch gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern  – Klassenregeln fest. Besprechen Sie auch die Konsequenzen bei Verstößen gegen diese Regeln. • Schaffen Sie Maßnahmen der Schülerpartizipation wie beispielsweise einen Klassenrat, in dem die Lernenden der Klasse über Regeln und Konsequenzen bei Verstößen entscheiden. • Engagieren Sie sich für die Einführung des Trainingsraumkonzepts (beispielsweise nach Bründel und Simon 2013) an Ihrer Schule.

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9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

So sehr erziehungsschwierige Situationen auch Bestandteil von Unterricht sind, so vermessen ist es, diesen als Lehrkraft im Alleingang begegnen zu wollen. Zielführend für Schülerinnen und Schüler und Sie ist hier ein anderer Weg: • Suchen Sie bewusst das Gespräch mit Eltern und Erziehungsberechtigten. • Arbeiten Sie eng mit den anderen in der Klasse unterrichtenden Lehrkräften zusammen. • Geben Sie Ihren Schülerinnen und Schülern unter vier Augen Rückmeldung über deren Verhalten. Zeigen Sie ihnen Wege auf, störendes Verhalten zu minimieren und sich stärker auf den Unterricht einzulassen. • Setzen Sie gezielt auf teambildende Maßnahmen und Sozialtrainings.

Prävention auf Ebene von Beratung und Kooperation

9.4.2 Interventionsmaßnahmen Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen und es treten Unterrichtsstörungen auf, sind intervenierende oder reaktive Erziehungsmaßnahmen angebracht. Hierbei lassen sich vier Arten von Maßnahmen unterscheiden: 1. Die im Rahmen des Disziplin-Managements geplanten und mit der Klasse besprochenen Maßnahmen werden nun durchgeführt und eingesetzt. 2. Auf didaktischer Ebene kann es sinnvoll sein, den Unterricht anzupassen, wenn dieser die Ursache der Unterrichtsstörungen ist. Beispielsweise können eine stärkere Differenzierung oder Rhythmisierung oder eine Variation der Sozialform sinnvoll sein. 3. Über gegenwirkende pädagogische Maßnahmen gibt das nachfolgende Kapitel Auskunft. 4. Führen die unter 1 bis 3 aufgeführten Maßnahmen nicht zum Erfolg, stehen der Lehrkraft Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung. Diese finden Sie exemplarisch für die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen ebenfalls im nachfolgenden Kapitel.

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Pädagogik

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Literaturtipp Der Bereich der Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen wird vor allem in der nichtwissenschaftlichen Ratgeberliteratur behandelt. Für Sie als angehende Praktiker gibt es hier eine Vielzahl an Werken, bei denen sich aus nahezu jedem zumindest etwas Sinnvolles mitnehmen lässt. Sinnvoll ist außerdem die Lektüre Meyers, der sich – in einem Exkurs – explizit auf den Bereich der Unterrichtsstörungen bezieht: Meyer, Hilbert. Unterrichtsmethoden II. Praxisband (S. 226–235). Berlin.

Zusammenfassung • Der Begriff Erziehungsschwierigkeiten wird heute in der fachwissenschaftlichen Diskussion nur selten verwendet; der Begriff der Unterrichtsstörung wird nicht einheitlich verwendet. Es existieren viele Begriffe, die synonym oder mit eng verwandter Bedeutung verwendet werden (beispielsweise abweichendes oder deviantes Verhalten, Disziplinschwierigkeit oder Disziplinstörung, Problemsituation im Unterricht). Auffällig ist, dass die meisten Begriffe explizit auf die Schülerin oder den Schüler als Verursacher hinweisen, während sich wertneutrale Begriffe nur selten finden. Dabei gehören Schwierigkeiten zu jeglichem schulischen und außerschulischen Erziehungsprozess dazu. • Von Erziehungsschwierigkeiten in der Schule kann dann gesprochen werden, wenn eine Schülerin oder ein Schüler gegen die geltenden Regeln verstößt und dies eine Lehrkraft bemerkt und als unangemessen bewertet. • Von einer Unterrichtsstörung kann dann gesprochen werden, wenn der Unterricht stockt, das Lehren und Lernen behindert wird, die Situation unerträglich wird. • In der Literatur finden sich viele unterschiedliche Versuche, Erziehungsschwierigkeiten zu klassifizieren: • Heinrich Roth unterscheidet unterrichtsstörendes Verhalten mit sozialem Bezug, ohne direkten sozialen Bezug und unterrichtsstörendes Verhalten im disziplinären Bereich. • Seitz hingegen unterscheidet verbale Störungen, nicht-verbale Aktivitäten, vorsituative Defizite, Verletzungen moralischer Normen und Passivität oder Desinteresse. • Domke unterscheidet sowohl zwischen dem Zielobjekt (Lehrkraft, Mitschülerinnen/Mitschüler, Normen) der Unterrichtsstörung sowie zwischen beabsichtigtem und unbeabsichtigtem Verhalten. • Für die Ursachen von Unterrichtsstörungen existieren viele unterschiedliche Theoriemodelle. Diese führen die Entstehung von Unterrichtsstörungen unter anderem auf medizinische, lernhistorische oder kommunikationstheoretische Gründe zurück. Für angehende Lehrkräfte ergiebiger ist der Ansatz von Hilbert Meyer. Er unterscheidet fünf Ursachenbereiche: 140

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9 Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen

1. Lehrkraft 2. Schülerin/Schüler 3. Institution Schule 4. Eltern 5. Gesellschaft • Für den Umgang mit Unterrichtsstörungen bieten sich präventive und intervenierende Maßnahmen an. Präventive Maßnahmen werden auch als proaktive Maßnahmen bezeichnet. Sie werden eingesetzt, ohne dass eine Unterrichtsstörung stattgefunden hat. Sie sollen das Entstehen derartiger Schwierigkeiten von vornherein verhindern. Intervenierende Maßnahmen werden auch als reaktive Maßnahmen bezeichnet. Sie werden eingesetzt, wenn eine Unterrichtsstörung stattgefunden hat. Sie sollen diese beheben und ihr zukünftiges Auftreten verhindern. Eine derart klare Trennung von vorbeugenden und intervenierenden Maßnahmen ist in der Praxis nicht immer möglich und nicht immer notwendig.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Die Begriffe Unterrichtsstörung und Erziehungsschwierigkeit werden in der Literatur nicht eindeutig verwendet: • Nennen Sie synonym verwendete und verwandte Begriffe. • Versuchen Sie sich an einer Abgrenzung der beiden Begriffe voneinander. • Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Erziehungsschwierigkeit an. • Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Unterrichtsstörung an. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Vergleichen Sie die unterschiedlichen, in diesem Kapitel dargestellten Klassifizierungsversuche. • Stellen Sie die Klassifizierungssysteme dazu auf einem Flipchart-Papier dar. • Gehen Sie dabei auf Vorteile und Nachteile, Stärken und Schwächen ein. • Entscheiden Sie sich für ein System, das Ihnen am schlüssigsten und praktikabelsten scheint. Begründen Sie Ihre Auswahl gegenüber den anderen Gruppen. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Sammeln Sie Unterrichtsstörungen, die Sie entweder im Praktikum oder in der eigenen Schulzeit beobachten konnten. Notieren Sie je eine Störung auf einer Kartei- oder Wortkarte. • Entscheiden Sie sich gemeinsam in der Gruppe für eines der Klassifizierungssysteme und skizzieren Sie dieses auf einem Flipchart-Papier. • Ordnen Sie die Karten mit den beobachteten Störungen den einzelnen Kategorien zu. • Sammeln und diskutieren Sie die Karten, deren Zuordnung Ihnen Probleme bereitet. 141

Pädagogik

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4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Folgende Mindmap gibt eine Übersicht über die von Hilbert Meyer angegebenen Ursachen von Unterrichtsstörungen.

• Übertragen Sie diese auf ein Flipchart-Papier. • Erschließen Sie sich gemeinsam die potenziellen Ursachen, indem Sie die Mindmap weiter ausarbeiten. • Überlegen Sie abschließend, in welchen Bereichen Sie als Lehrkraft gezielt tätig werden können und welche Bereiche sich (weitgehend) Ihrem Einflussbereich entziehen. 5. Man unterscheidet zwischen präventiven und intervenierenden Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Unterrichtsstörungen. • Arbeiten Sie paarweise zusammen und erläutern Sie sich gegenseitig die beiden Begriffe. • Legen Sie zwei Listen an und sammeln Sie von Ihnen beobachtete Maßnahmen, mit denen Lehrkräfte Unterrichtsstörungen präventiv oder intervenierend entgegengewirkt haben. • Wählen Sie einzelne Maßnahmen aus und besprechen Sie deren Effektivität. Wie hätten Sie sich in der Situation verhalten?

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10 Erziehungsmaßnahmen 10.1 Begriliches 10.2 Unterstützende Erziehungsmaßnahmen 10.3 Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen 10.4 Ordnungsmaßnahmen 10.5 Abschließendes Erziehungsmaßnahmen ergeben sich in den Augen vieler Lehramtsstudierender oder Lehrkräfte erst aus den im vorangehenden Kapitel behandelten Erziehungsschwierigkeiten. Dies jedoch ist zu kurz gedacht, da Erziehungsmaßnahmen auch das Verstärken positiven Verhaltens umfassen.

Reflexionsaufgabe Versetzen Sie sich zurück in Ihre eigene Schulzeit. Welche Erziehungsmaßnahmen haben Ihre Lehrkräfte angewendet? Notieren Sie alle Ihnen in Erinnerung verbliebenen Maßnahmen. Tun Sie dies bitte, bevor Sie die nächste Aufgabe lesen. • Streichen Sie nun in Ihren eben erstellten Notizen all die Maßnahmen, die unerwünschtes Verhalten beseitigen sollen. • Wenn nun nicht mehr viele Maßnahmen übrig geblieben sind, dann geht es Ihnen wie dem Gros der Studierenden (und vermutlich dem Rest der Bevölkerung), dem bei dem Wort Erziehungsmaßnahmen nicht die Stärkung eines positiven Verhaltens in den Sinn kommt. Dies ist auf den ersten Blick zwar ein unguter Zustand, mag aber, wie Studierende gelegentlich äußern, daran liegen, dass Maßnahmen, die ein positives Verhalten unterstützen sollen, häufig als Selbstverständlichkeit und eben nicht als konkrete Maßnahmen angesehen werden. Aus diesem Grund werden die Themen Erziehungsschwierigkeiten und Erziehungsmaßnahmen häuig gemeinsam behandelt. Dieses Kapitel jedoch wurde bewusst erst nach dem zu Erziehungsschwierigkeiten platziert. Dies soll ein verengtes Begrifsverständnis verhindern, in dem Erziehungsmaßnahmen automatisch eine Reaktion auf Schwierigkeiten sind. Dieses Kapitel… • klärt die Begrifflichkeit Erziehungsmaßnahme. • führt unterschiedliche unterstützende Maßnahmen sowie gegenwirkende Maßnahmen aus. • thematisiert vor dem Hintergrund Ihres Berufswunsches die schulischen Ordnungsmaßnahmen. 143

Pädagogik

10.1 Begriffliches

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Maßnahme oder Mittel

Deinitionen

Dass dieses Kapitel unter der Überschrift Erziehungsmaßnahmen steht, ist nicht selbstverständlich  – wird doch in der pädagogischen Fachliteratur häuig der Begrif Erziehungsmittel verwendet (vgl. Dietrich 1990: 104f.). Mit Mittel jedoch wird oft ein „kausaler Wirkungszusammenhang“ (Dietrich 1990: 104) assoziiert, der in der Pädagogik so nicht gegeben ist. Während der Einsatz geeigneter Mittel in der Technik zum Erfolg führt, ist dies in der Erziehung selbst bei durchdachter Wahl und lehrbuchgemäßem Einsatz nicht zwingend der Fall. Der zu Erziehende ist, wie Dietrich formuliert, sowohl Objekt der Erziehung als auch Subjekt „mit eigenen, inneren Antrieben; [er] kann sich der Beeinlussung entziehen und ihr sogar Widerstand entgegensetzen“ (Dietrich 1990: 104). Über den Terminus Erziehungsmittel hinaus werden Sie in der pädagogischen Literatur auf die Begrife Erziehungspraktik und Erziehungshilfe stoßen. Im Folgenden wird – außer bei Zitaten – durchgängig Erziehungsmaßnahme verwendet. Im Folgenden eine begrifliche Annäherung. Unter Erziehungsmitteln verstehen wir Maßnahmen und Situationen, mit deren Hilfe Erziehende auf Heranwachsende einwirken, in der Absicht, deren Verhalten, Einstellungen oder Motive zu bilden, zu festigen oder zu verändern. (Geißler 1982: 22)

Dietrich spricht von Erziehungsmitteln als „Maßnahmen des Erziehers, die mit der Absicht eingesetzt werden, das Verhalten eines Menschen auf die Normen und Ziele hin auszurichten und entsprechend zu verbessern.“ (Dietrich 1990:105)

Hobmair grenzt Erziehungsmaßnahmen von Erziehungsmethoden ab und klärt sie als „Handlungen des Erziehers, mit denen er versucht, das Verhalten des zu Erziehenden relativ dauerhaft dahin gehend zu verändern, dass es seinen gesetzten Erziehungszielen entspricht.“ (Hobmair 2008: 244)

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10 Erziehungsmassnahmen

Sehr deutlich wird bei Hobmairs Begrifsbestimmung der Rückgrif auf seine eigene Deinition des Terminus Erziehung. Außerdem wird bei ihm ebenso wie bei Dietrich deutlich, dass zwischen Erziehungsmaßnahmen und Erziehungszielen ein enger Zusammenhang besteht. Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Erziehungsmaßnahme wird immer vor dem Hintergrund der verfolgten Erziehungsziele getrofen. Sie dient dazu, diese zu verwirklichen und darf nicht nur danach ausgewählt werden, ob sie kurzfristigen Erfolg garantiert und beispielsweise Ruhe im Klassenzimmer schaft. Die eingesetzte Maßnahme soll das Verhalten der zu Erziehenden oder des zu Erziehenden „auf das gesetzte Ziel hin ausrichten und das Verhalten im gewünschten Sinne beeinlussen“ (Dietrich 1990: 104). Üblicherweise werden Erziehungsmaßnahmen in direkte und indirekte Maßnahmen eingeteilt oder aber in unterstützende und gegenwirkende: • Bei direkten Maßnahmen tritt die Erzieherin oder der Erzieher in den Fokus und versucht, direkt Einfluss auf die zu Erziehende oder den zu Erziehenden zu nehmen. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz von Lob, Tadel oder Strafe erfolgen. Bei indirekten Erziehungsmaßnahmen hingegen hält sich die Erziehende oder der Erziehende im Hintergrund. Einfluss zu nehmen versucht sie oder er durch das Schaffen einer erzieherischen Situation wie eines Erfolgserlebnisses oder durch den Einsatz eines Mediums. • Mit unterstützenden Erziehungsmaßnahmen verfolgen Erziehende das Ziel, eine positive Verhaltensweise zu fördern und aufzubauen. Der Schützling soll diese vermehrt zeigen. Dazu kann ein angenehmer Zustand wie ein Lob oder eine Belohnung angeboten werden oder ein unangenehmer Zustand beseitigt werden. Gegenwirkende Maßnahmen sollen als negativ bewertete Verhaltensweisen abbauen. Diese sollen nicht mehr oder seltener gezeigt werden. Hierzu kann ein unangenehmer Zustand dargeboten oder ein angenehmer Zustand beseitigt werden (vgl. Hobmair 2008: 241ff.).

Zusammenhang Erziehungsmaßnahme und Erziehungsziel

Direkte vs. indirekte Erziehungsmaßnahme

Unterstützende vs. gegenwirkende Erziehungsmaßnahme

Für die Darstellung einzelner Erziehungsmaßnahmen auf den folgenden Seiten und in Abbildung 17 wird die auf Schleiermacher zurückgehende Einteilung in unterstützend und gegenwirkend gewählt, da dies die Systematisierung und vor allem dem Praktiker oder der Praktikantin die Orientierung erleichtert. Wie häuig in der aktuellen Literatur wird die dritte Kategorie Schleiermachers, die 145

Pädagogik

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behütenden Erziehungsmaßnahmen, nicht weiter ausgeführt (vgl. Schleiermacher 1959).

Abb. 17 | Erziehungsmaßnahmen

10.2 Unterstützende Erziehungsmaßnahmen Zu den unterstützenden Maßnahmen werden all die Maßnahmen gerechnet, die ein Lernen durch positive Verstärkung initiieren. Durch unterstützende Erziehungsmaßnahmen zeigt die Erzieherin oder der Erzieher dem zu Erziehenden, dass sie oder er eine gezeigte Verhaltensweise als positiv bewertet. Unterstützende Erziehungsmaßnahmen stellen eine angenehme Konsequenz dar. Um erneut in ihren Genuss zu kommen, wird der zu Erziehende die Verhaltensweise erneut zeigen.

10.2.1 Lob und Belohnung Lob als sozialer Verstärker

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Lob und Belohnung werden in der Literatur in der Regel gemeinsam dargestellt. Lob ist dabei aus Sicht der Lernpsychologie als sozialer Verstärker und „als angenehm wirkende Äußerung einer Person über das Verhalten einer anderen Person“ (Hobmair 2008: 242f.) zu bezeichnen. Das Lob des Erziehenden gibt dem zu Erziehenden Rückmeldung über sein Verhalten und bewertet dieses positiv. Mit seinem Lob möchte der Erziehende erreichen, dass dieses Verhalten gelernt wird und in Zukunft häuiger auftritt.

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10 Erziehungsmassnahmen

Ebenso wie das Lob dient auch die Belohnung dazu, bei den Heranwachsenden erwünschte Verhaltensweisen durch eine angenehme Konsequenz zu verstärken. In die Kategorie Belohnung fallen sowohl materielle Verstärker wie Süßigkeiten, Spielsachen oder andere Geschenke, während ein gemeinsamer Kinobesuch, die Erlaubnis zu längerem Aufbleiben oder der Erlass des Abwaschs als immaterielle Verstärker bezeichnet werden (Hobmair 2008: 243). Unterschieden werden dabei Belohnungen erster Art und Belohnungen zweiter Art: • Belohnungen erster Art werden auch als positive Verstärkung bezeichnet. Dabei belohnt der Erziehende als positiv bewertetes Verhalten mit einer von dieser oder diesem als angenehm wahrgenommenen Konsequenz. • Negative Verstärker oder Belohnungen zweiter Art belohnen positives Verhalten des Schützlings mit der Beseitigung eines unangenehmen Zustands. Gemeinsam sind Lob und Belohnung als Erziehungsmaßnahme diese Folgen: • Die Wahrscheinlichkeit, dass das gelobte oder belohnte Verhalten gezeigt wird, steigt. • Beim gelobten zu Erziehenden wird ein angenehmes Gefühl ausgelöst. • Er/sie (und andere) erfahren, dass die gezeigte Verhaltensweise positiv gesehen wird. • Bei ihm/ihr (und anderen) steigt die Bereitschaft, das gelobte Verhalten erneut zu zeigen. • Der oder die Gelobte entwickelt Selbstvertrauen. (Hobmair 2008: 243) Allerdings:

Belohnung als materieller oder immaterielle Verstärker

Belohnung 1. Art

Belohnung 2. Art

Folgen von Lob und Belohnung

Aus der Praxis für die Praxis • Achten Sie darauf, nicht nur dann zu loben, wenn das gewünscht Verhalten gezeigt wurde, sondern bereits jede Annäherung an dieses mit einem Lob zu belohnen. Weber spricht davon, nicht zu loben, „weil“ das gewünschte Verhalten gezeigt wurde, sondern „damit“ dies nach und nach geschieht. Dies fordert von vielen Lehrkräften ein Umdenken. • Vermeiden Sie aber inflationäres Loben und Belohnen – andernfalls verlieren beide Maßnahmen ihre Wirkung. 147

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Pädagogik

• Loben Sie möglichst unmittelbar nachdem das gewünschte Verhalten gezeigt wurde. • Achten Sie als Lehrkraft darauf, gerade bei problematischen Schülerinnen und Schülern Gelegenheiten zu echtem Lob und Belohnung in der Hektik des Schulalltags nicht zu übersehen oder zu verpassen. • Beweisen Sie bei Lob und Belohnung Fingerspitzengefühl: Nicht jeder möchte vor der Klasse gelobt werden, nicht jede positiv gemeinte Äußerung wird als Lob empfunden, ein und dieselbe Verhaltensweise ist nicht bei jeder Schülerin und jedem Schüler ein Lob oder eine Belohnung wert. • Loben Sie sachbezogen und nicht personenbezogen. • Achten Sie darauf, dass Ihre Schülerinnen und Schüler erwünschte Verhaltensweisen nicht nur zeigen, weil Sie dafür belohnt oder gelobt werden wollen (vgl. Weber 1977: 34ff.).

10.2.2 Erfolg und Ermutigung Ermutigung und Erfolg > Lob und Belohnung

Weber (1977: 36f.) kategorisiert Lob und Belohnung als Teilbereiche des Lernens am Erfolg. Dieser Weg soll hier – ähnlich wie beispielsweise bei Hobmair (2008)  – nicht beschritten werden, um dem Praktiker die Umsetzung nicht unnötig zu erschweren. Ähnlich wie Lob und Belohnung sind auch Erfolg und Ermutigung eng miteinander verwandt und werden in der Fachliteratur in der Regel gemeinsam dargestellt. Für Sie als Lehrkraft sind diese beiden unterstützenden Erziehungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung, da diese einerseits efektiver (Adler in Hobmair 2008: 245f.) als Lob und Belohnung sind und andererseits gerade die Schule viele Gelegenheiten bietet, diese einzusetzen. Notwendig ist dazu allerdings das bewusste Arrangieren von Situationen, in denen Schülerinnen und Schüler echte Erfolgserlebnisse machen können. Die Erziehungsmaßnahme Erfolg umschreibt Weber folgendermaßen:

Deinition Erfolg

Wenn eine Verhaltensweise (planlos, imitiert oder auch einsichtig aufgrund früherer Lernerfahrungen) in erkennbarem Zusammenhang mit ihr von einem angenehmen Zustand gefolgt wird, so wirkt dieser Zustand auf das vorausgehende Verhalten belohnend und damit verstärkend, bekräftigend. (Weber 1977: 35)

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10 Erziehungsmassnahmen

Erfolgserlebnisse haben den großen Vorteil, dass Schülerinnen und Schüler in diesem Fall um der Sache Willen handeln und nicht, um von einem Erziehenden gelobt oder belohnt zu werden. Auf diese Weise wird Fremdbestimmung vorgebeugt und die Heranwachsenden lernen nach und nach, selbstgesteuert zu handeln. Darüber hinaus ist erfolgreiches Handeln nicht von Aufmerksamkeit, Wohlwollen und pädagogischem Geschick der Erzieherin oder des Erziehers abhängig. Ermutigung ist nicht, wie der Beobachtung nach viele Studierende vermuten, gleichzusetzen mit Motivation. Ludwig unterscheidet zwischen Ermutigung im weiteren und im engeren Sinn: • „Mit ‚Ermutigung‘ i.w.S. wird die Eigenschaft situativer Gegebenheiten bezeichnet, als Stimuli den Aufbau von Zuversicht anzuregen. Kurz: ‚Ermutigung‘ ist Zuversichtsanregung.“ • „Ermutigung i.e.S. ist eine Handlung, mit der versucht wird, die Zuversicht einer Person zu stärken. Kurz: ‚Ermutigung‘ ist beabsichtigte Zuversichtsanregung“ (Ludwig 1999: 119).

Ermutigung im weiteren Sinn Ermutigung im engeren Sinn

Gerade für die schulische Erziehung scheint eine weitere Diferenzierung Ludwigs (1999) wichtig: • Bei der Ermutigung vor der Leistungserbringung ermöglichen Sie als Lehrkraft Erfolgserlebnisse durch differenzierte und individualisierte Leistungsanforderungen. • Bei der Ermutigung nach der Leistungserbringung sind Lob und Anerkennung, aber auch Zuwendung und Trost im Falle des Misserfolgs gefragt.

Aus der Praxis für die Praxis • Um sowohl leistungsschwachen als auch leistungsstarken Schülerinnen und Schülern echte Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, ist es zwingend notwendig, dass Sie das Unterrichtsprinzip Differenzierung beachten (vgl. Schulpädagogik Kapitel 6 Differenzierung). • Darüber hinaus kommen Schülerbeobachtung sowie diagnostischer und didaktisch-methodischer Kompetenz (vgl. Erziehungswissenschaften im Kontext von Schule und Lehrkräften Kapitel 2.2 Kompetenzen der Lehrkraft) große Bedeutung zu. • Gerade bei Misserfolgserlebnissen sind der pädagogische Bezug (vgl. Pädagogik Kapitel 7 Pädagogischer Bezug) zwischen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern, aber auch Ihre Empathie gefragt. 149

Pädagogik

10.2.3 Ich-Botschaften und aktives Zuhören

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Ich-Botschaften

Auch Ich-Botschaften und aktives Zuhören können gezielt als Erziehungsmaßnahmen eingesetzt werden. Will ein Erzieher oder eine Erzieherin das Verhalten eines zu Erziehenden beeinlussen, so teilt er diesem häuig mit, was dieser tun soll, was er lassen soll oder was er falsch gemacht hat. Dies führt häuig nicht zum Erfolg. Efektiver ist dabei der Einsatz von Ich-Botschaften, da diese die Situation an sich beschreiben und Auskunft über die Beindlichkeit des Erziehenden geben. Wenngleich unterschiedliche Varianten existieren, setzt sich eine klassische Ich-Botschaft aus drei Elementen zusammen: Tabelle 9 | Ich-Botschaften

Wertfreie Beschreibung des störenden Verhaltens.

Die spürbaren Folgen werden beschrieben.

Die dadurch hervorgerufenen Gefühle.

Du hast dich nicht wie vereinbart im Supermarkt nach den Preisen erkundigt.

Dadurch können wir die Kosten für den Brunch nicht kalkulieren und können an dieser Stelle nicht an unserem Projekt weiterarbeiten.

Ich habe Angst, dass wir nicht bis zum Tag der Ofenen Türe fertig sind.

Aktives Zuhören

Bei aktivem Zuhören signalisiert der Erziehende dem zu Erziehenden im Gespräch seine Aufmerksamkeit. Aktives Zuhören fordert den Gesprächspartner geradezu zum Reden auf und wirkt sich positiv auf die Beziehungsebene aus. Mögliche Elemente aktiven Zuhörens können Blickkontakt, eine zugewandte Körperhaltung, zustimmendes Nicken oder auch Nachfragen sein.

10.3 Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen In die Kategorie Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen fallen all die Praktiken, die Lernen durch negative Verstärkung veranlassen. Sie werden angewendet, um dem zu Erziehenden zu zeigen, dass eine Verhaltensweise negativ gesehen wird und unerwünscht ist. Will er unangenehme Konsequenzen zukünftig vermeiden, darf er diese Verhaltensweise nicht mehr zeigen. Weber (1977) zählt explizit „Ermahnung, Zurechtweisung, Tadel, Beschimpfung, Drohung, Bestrafung“ (Weber 1977: 40) auf, weist jedoch auf die Existenz weiterer gegenwirkender Erziehungsmaßnahmen hin. Er beschreibt die Wirkung dieser erzieherischen Maßnahmen folgendermaßen: 150

10 Erziehungsmassnahmen

Wenn eine Verhaltensweise in erkennbarem Zusammenhang von einem unangenehmen Zustand gefolgt wird, so wirkt dieser unangenehme Zustand auf das vorausgehende Verhalten schwächend, vermindernd, negativ verstärkend.

Wirkung gegenwirkender Maßnahmen

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(Weber 1977: 40)

Vereinfacht und auf die konkrete Praxis bezogen: Wenn eine konkrete Verhaltensweise eines zu Erziehenden einen negativen Zustand nach sich zieht, wird er diese in Zukunft nicht mehr oder seltener zeigen. Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen sind demzufolge alle Handlungen in der Erziehung, die darauf abzielen, eine Verhaltensweise durch das Darbieten eines unangenehmen Zustands oder das Beseitigen eines angenehmen Zustands abzubauen oder zu verlernen (vgl. Hobmair 2008: 248).

Deinition gegenwirkende Erziehungsmaßnahme

10.3.1 Ermahnung, Tadel und Drohung Sowohl Ermahnungen als auch Tadel und Drohung signalisieren Heranwachsenden, dass ihr Verhalten als negativ empfunden wird. • Dabei kann eine Ermahnung als eine Art Erinnern mit negativer Wertung gesehen werden. • Tadel hingegen ist eine negative Äußerung über das Verhalten der oder des zu Erziehenden. • Eine Drohung geht insofern über die beiden Maßnahmen hinaus, als hier bereits weitere negative Konsequenzen angekündigt werden.

Ermahnung i Tadel i Drohung i

10.3.2 Strafe und Bestrafung Als besonders problematische Erziehungsmaßnahme gilt aus pädagogischer Sicht die Strafe, „deren Anwendung bestenfalls dann zu rechtfertigen ist, wenn sich andere Erziehungs- und Disziplinierungsmethoden als unzureichend erwiesen haben.“ (Weber 1977: 41) Köck spricht gar von einer „Notbremse“ (Köck 2005: 113). Grund hierfür ist eine hohe Anzahl negativer Begleiterscheinung: • Strafen wirken in der Regel solange, wie der strafendende Erziehende anwesend ist.

Strafe als Notbremse

Negative Nebenefekte von Strafen

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Pädagogik

• Strafen zeigen dem zu Erziehenden, welches Verhalten nicht erwünscht ist. Sie zeigen ihm nicht, was erwünscht ist. • Häufiges Strafen führt zu Frustration und Aggression. • Strafen führen unter Umständen zu Fluchtverhalten  – im Fall der schulischen Erziehung unter Umständen zu Schulangst und Schulschwänzen. • Strafen können das Selbstwertgefühl des Bestraften angreifen oder dessen Entwicklung hemmen. • Als Lehrkraft dienen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern auch als Modell, dessen Verhalten nachgeahmt wird (vgl. Weber 1977: 41f.). • Außerdem können (ungerechte, unverhältnismäßige und vor allem unverstandene) Strafen den pädagogischen Bezug zwischen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern negativ beeinflussen.

Bestrafung 1. Art

Bestrafung 2. Art

Ähnlich wie bei unterstützenden Erziehungsmaßnahmen kann auch bei der Strafe zwischen zwei Arten unterschieden werden: • Bei Bestrafung erster Art setzt der Erziehende darauf, dass sein Schützling ein als negativ empfundenes Verhalten nicht mehr zeigen wird, wenn er ihn daraufhin einer unangenehmen Konsequenz aussetzt. • Bestrafungen zweiter Art verfolgen dasselbe Ziel. Statt einen unangenehmen Zustand herbeizuführen, beendet oder verwehrt der Erziehende hier jedoch einen angenehmen Zustand.

Aus der Praxis für die Praxis • Teilen Sie den Bestraften stets mit, wofür Sie ihn strafen und wecken Sie seine Einsicht. • Achten Sie darauf, gerecht zu strafen und einerseits niemanden zu bevorzugen oder zu benachteiligen und andererseits die Individualität Ihrer Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen. • Beschämen Sie den Bestraften nicht und stellen Sie ihn nicht bloß. • Sprechen Sie Strafen möglichst unmittelbar nach dem Fehlverhalten aus. • Entscheiden Sie sich für Strafen, die in engem Zusammenhang mit dem Vergehen stehen. Gerade den letzten Punkt beachten Wiedergutmachung und logische Folgen in besonderer Weise. 152

10 Erziehungsmassnahmen

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10.3.3 Wiedergutmachung Das Prinzip der Wiedergutmachung wird einerseits häuig unter der Kategorie Strafe aufgeführt, fällt hier jedoch aus dem Rahmen. Einerseits fördert es ein Lernen durch negative Verstärkung (vgl. Weber 1977: 43), andererseits jedoch soll sie „vom negativen Charakter der Strafe“ (Hobmair 2008: 251) unberührt bleiben. Wiedergutmachung bedeutet im Allgemeinen, ein geschehenes Unrecht wieder rückgängig zu machen. Als erzieherische Maßnahme bedeutet Wiedergutmachung, dass Sie als Erziehender der Schülerin oder dem Schüler die Gelegenheit geben, bzw. diese oder diesen anhalten, die Folgen ihres/seines Fehlverhaltens ungeschehen zu machen oder abzumildern. Es lassen sich zwei Arten von Wiedergutmachung unterscheiden: • Wiedergutmachung materieller Schäden – hier wird beispielsweise die beim Fußballspielen im Klassenzimmer zerstörte Fensterscheibe vom Taschengeld bezahlt. • Wiedergutmachung psychischer Schäden – hier kann eine Entschuldigung fällig werden. Diese erzieherische Maßnahme weist gegenüber der (klassischen) Bestrafung einige Vorteile auf: • Der zu Erziehende realisiert den durch sein Fehlverhalten entstanden Schaden. • Er übernimmt Verantwortung und entwickelt Verantwortungsgefühl. • Er baut darüber hinaus weitere Werte wie Anteilnahme und Mitgefühl auf.

Wiedergutmachung ≠ Strafe?

Vorteile

10.3.4 Sachliche Folgen Auch die sachliche Folge wird innerhalb der pädagogischen Fachliteratur meist unter dem Oberpunkt Gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen aufgeführt. Auch bei dieser erzieherischen Maßnahme soll der zu Erziehende ein als negativ bewertetes Verhalten ändern, um negative Konsequenzen zu vermeiden. Dreikurs und Soltz (2006) unterscheiden zwischen zwei Kategorien: • Natürliche Folgen stellen sich nach einem bestimmten Verhalten von selbst ein  – quasi von Natur aus. Aus pädagogischer Sicht können diese vernachlässigt werden, da natürliche Folgen sich häufig nicht unmittelbar nach dem Fehlverhalten einstellen,

Natürliche Folge

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Logische Folge

nicht immer in erkennbarem Zusammenhang mit diesem stehen oder aber zu gefährlich sind. Außerdem bleibt hier die Person des Erziehenden außen vor. • Logische Folgen hingegen werden von der Erzieherin oder dem Erzieher bewusst arrangiert. Dies setzt eine Vereinbarung zwischen Lehrkraft und Klasse voraus, die festlegt, welche negative Konsequenz ein konkretes Fehlverhalten nach sich zieht. Als Lehrkraft werden Sie hier nicht als Strafender wahrgenommen, sondern eher als Schiedsrichter, der die Einhaltung der Regeln sicherstellt.

10.4 Ordnungsmaßnahmen Erziehungsmaßnahme vor Ordnungsmaßnahme

Als Lehrkraft stehen Ihnen Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung. Diese sollten in der Regel dann zum Einsatz kommen, wenn Erziehungsmaßnahmen eingesetzt wurden, jedoch nicht den gewünschten Erfolg erzielt haben oder wenn diese nicht ausreichend sind: „Ordnungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn erzieherische Einwirkungen nicht ausreichen“ (Schulgesetz NRW §53). Die Bezeichnung Ordnungsmaßnahme weist bereits drauf hin, dass diese darauf abzielen, die Ordnung in Unterricht und Schule aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen. Die Ihnen zur Verfügung stehenden Ordnungsmaßnahmen inden Sie in den für Sie maßgeblichen Gesetzen; im Folgenden für Bayern und Nordrhein-Westfalen aufgeführt:

BayEUG §86

Bayern: Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz §86 (1) der schriftliche Verweis, (2) der verschärfte Verweis, (3) die Versetzung in eine Parallelklasse der gleichen Schule, (4) der Ausschluss in einem Fach bei schwerer oder wiederholter Störung des Unterrichts in diesem Fach oder von einer sonstigen Schulveranstaltung für die Dauer von bis zu vier Wochen, (5) der Ausschluss vom Unterricht für bis zu sechs Unterrichtstage, bei Berufsschulen mit Teilzeitunterricht für höchstens zwei Unterrichtstage, (6) der Ausschluss vom Unterricht für zwei bis vier Wochen ab dem siebten Schulbesuchsjahr bei Gefährdung von Rechten Dritter oder der Aufgabenerfüllung der Schule durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten (schulische Gefährdung),

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10 Erziehungsmassnahmen

(7) der Ausschluss vom Unterricht für mehr als vier Wochen, längstens bis zum Ablauf des laufenden Schuljahres, an Mittelschulen und Mittelschulstufen der Förderschulen ab dem siebten Schulbesuchsjahr bzw. an Berufsschulen sowie Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung bei einer schulischen Gefährdung, (8) bei Pflichtschulen die Zuweisung an eine andere Schule der gleichen Schulart bei einer schulischen Gefährdung, (9) die Androhung der Entlassung von der Schule bei einer schulischen Gefährdung, (10) die Entlassung von der Schule bei einer schulischen Gefährdung, (11) der Ausschluss von allen Schulen einer Schulart, wenn bei einer Entlassung nach Nr. 10 Tatumstände gegeben sind, die die Ordnung oder die Sicherheit des Schulbetriebs oder die Verwirklichung des Bildungsziels der betreffenden Schulart besonders gefährden sowie (12) der Ausschluss von allen Schulen mehrerer Schularten unbeschadet der Erfüllung der Schulpflicht, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erfolgt ist, die Strafe noch der unbeschränkten Auskunft unterliegt und wenn nach der Art der begangenen Straftat die Ordnung oder die Sicherheit des Schulbetriebs oder die Verwirklichung der Bildungsziele der Schule erheblich gefährdet ist. Nordrhein-Westfalen: Schulgesetz NRW §53 (1) der schriftliche Verweis, (2) die Überweisung in eine parallele Klasse oder Lerngruppe, (3) der vorübergehende Ausschluss vom Unterricht von einem Tag bis zu zwei Wochen und von sonstigen Schulveranstaltungen, (4) die Androhung der Entlassung von der Schule, (5) die Entlassung von der Schule, (6) die Androhung der Verweisung von allen öffentlichen Schulen des Landes durch die obere Schulaufsichtsbehörde, (7) die Verweisung von allen öffentlichen Schulen des Landes durch die obere Schulaufsichtsbehörde.

SchulG NRW §53

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Pädagogik

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10.5 Abschließendes Ein Vergleich der Efektivität von unterstützenden und gegenwirkenden Erziehungsmaßnahmen lässt sich schwerlich ziehen, ist jedoch auch überlüssig, da „auf beides in der Erziehung nicht verzichtet werden kann“ (Weber 1977: 44). Wichtiger als diese Frage ist vielmehr die Erkenntnis auf Seiten des Erziehenden, dass sowohl Tadel und Strafe als auch Lob und Belohnung mächtige Werkzeuge in seinen Händen sind, die verantwortungsbewusst einzusetzen sind, da sie Manipulation ermöglichen. Eine Erziehung, die ausschließlich auf diese Erziehungsmaßnahmen setzt, unterscheidet sich nicht von der Dressur mit Zuckerbrot und Peitsche. Selbst erwünschtes Verhalten der zu Erziehenden ist noch kein moralisches Verhalten, wenn es lediglich aufgrund der Konditionierung mittels Lob, Belohnung, Tadel und Strafe zustande kommt. Moralisches Handeln ist gekennzeichnet durch die Elemente der Einsicht und des Wollens von Gutem (vgl. Weber 1977: 47). Deshalb und vor dem Hintergrund des Erziehungsziels der Mündigkeit ist es notwendig, zusätzlich die Selbstbestimmung zu fördern. Dies geschieht durch das Fördern von Einsicht und kann durch Erklären, Begründen und Argumentieren, aber auch durch das Diskutieren geschehen.

Literaturtipp Was Erziehungsmaßnahmen angeht, fallen die Literaturempfehlungen an dieser Stelle nicht nur besonders umfangreich, sondern auch besonders abwechslungsreich aus. Domke liefert sehr umfangreiche Ausführungen, die geradezu als Grundlagenwerk anzusehen sind: Domke, Horst. Lehrer und abweichendes Schülerverhalten. Zum sogenannten Disziplinproblem in der Schule. Donauwörth. Des Weiteren bietet sich – aufgrund der Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern ohne Literaturangabe – die Lektüre der Schulgesetze Ihres Bundeslandes an, um einen Einblick in die Ihnen zur Verfügung stehenden Ordnungsmaßnahmen zu erhalten. Auf der Suche nach konkreten Anregungen für den Umgang mit Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen werden Sie auf eine Vielzahl an Ratgebern stoßen. Dabei nimmt sich die Qualität der meisten nicht wirklich viel, da der Erfolg einer jeden 156

10 Erziehungsmassnahmen

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Maßnahme in besonderem Maße von Ihrer Lehrerpersönlichkeit abhängt. Ein Ratgeber, den viele meiner Studierenden als hilfreich empfanden, ist der folgende: Lehmann-Schaufelberger, Dietmar. Richtig reagieren bei Störungen im Schulalltag. Konkrete Maßnahmen – erprobte Handlungsmuster. Hamburg.

Zusammenfassung • Erziehungsmaßnahmen werden häufig auch als Erziehungsmittel bezeichnet. Dies ist problematisch, da in der Erziehung keine Maßnahme Erfolg garantieren kann, dies jedoch häufig mit Mittel assoziiert wird. Andere synonym verwendete Begriffe sind Erziehungspraktik und Erziehungshilfe. Erziehungsmaßnahmen können als erzieherische Handlungen gesehen werden, die dem Erreichen von Erziehungszielen dienen. Dietrich spricht von „Maßnahmen des Erziehers, die mit der Absicht eingesetzt werden, das Verhalten eines Menschen auf die Normen und Ziele hin auszurichten und entsprechend zu verbessern“ (Dietrich 1990:105). Die bewusste Wahl einer bestimmten Erziehungsmaßnahme hängt immer von den verfolgten Erziehungszielen ab. • Erziehungsmaßnahmen werden in direkte und indirekte Maßnahmen eingeteilt. Bei direkten Erziehungsmaßnahmen nimmt der Erziehende direkt und unmittelbar Einfluss auf den zu Erziehenden. Bei indirekten Erziehungsmaßnahmen bleibt der Erziehende im Hintergrund und kreiert eine erzieherische Situation. • Eine weitere Einteilung ist die in unterstützende und gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen: Mit unterstützenden Erziehungsmaßnahmen fördern Erziehende ein positives Verhalten, damit der zu Erziehende dies in Zukunft häufiger zeigt. Mit gegenwirkenden Maßnahmen soll ein negatives Verhalten abgebaut werden, damit der zu Erziehende dies in Zukunft nicht mehr zeigt. • Zu den unterstützenden Maßnahmen zählen Lob, Belohnung, Erfolg und Ermutigung: • Lob als positive Äußerung einer anderen Person fungiert als sozialer Verstärker. Durch ein Lob erfährt der zu Erziehende, dass sein Verhalten positiv bewertet wird. • Eine Belohnung als angenehme Konsequenz auf ein Verhalten kann in Form eines materiellen Verstärkers oder eines immateriellen Verstärkers erfolgen. Unterschieden wird des Weiteren zwischen Belohnungen erster Art und Belohnungen zweiter Art: 1. Belohnungen erster Art bieten dem zu Erziehenden eine angenehme Konsequenz. 2. Belohnungen zweiter Art beseitigen einen unangenehmen Zustand. • Voraussetzung für die unterstützende Erziehungsmaßnahme Erfolg sind Situationen, in denen die zu Erziehenden tatsächliche Erfolge erzielen können. Diese wirken auf das gezeigte Verhalten verstärkend. 157

Pädagogik

• Die unterstützende Erziehungsmaßnahme Ermutigung ist jede Handlung des Erziehers oder der Erzieherin, mit er die Zuversicht des zu Erziehenden anregen möchte. Zu den gegenwirkenden Maßnahmen zählen Ermahnung, Tadel, Drohung, Strafe, Wiedergutmachung und sachliche Folge: • Durch die Erziehungsmaßnahmen Ermahnung, Tadel und Drohung erfährt der zu Erziehende, dass sein Verhalten negativ bewertet wird. Eine Ermahnung ist dabei ein Erinnern mit negativer Wertung, Tadel eine negative Äußerung über das Verhalten, eine Drohung die Ankündigung negativer Konsequenzen. • Bei der Erziehungsmaßnahme Strafe oder Bestrafung wird zwischen Bestrafungen erster Art und Bestrafungen zweiter Art unterschieden: 1. Bestrafung erster Art konfrontieren den zu Erziehenden mit einem unangenehmen Zustand. 2. Bestrafungen zweiter Art entziehen oder verwehren dem zu Erziehenden einen angenehmen Zustand. Die Erziehungsmaßnahme Wiedergutmachung hält den zu Erziehenden dazu an, die Folgen seines negativen Verhaltens wiedergutzumachen. Sachliche Folgen stellen negative Konsequenzen dar, die sich nach einem Fehlverhalten entweder von selbst oder durch den Erzieheroder die Erzieherin arrangiert automatisch ergeben. Des Weiteren stehen Ihnen als Lehrkraft Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung, die einzusetzen sind, wenn Erziehungsmaßnahmen keine Wirkung zeigen und die sich in den jeweils gültigen Schulgesetzen der Länder finden.

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• •



Wissens- und Transferaufgaben 1. Erziehungsmaßnahmen werden in der Literatur auch als Erziehungsmittel bezeichnet: • Erläutern Sie, weshalb dies ungünstig ist. • Nennen Sie weitere synonym verwendete Begriffe. • Definieren Sie den Begriff Erziehungsmaßnahme in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Erziehungsmaßnahme an. 2. Vervollständigen Sie die folgende, vom Begriff Erziehungsmaßnahme ausgehende Conceptmap. Verwenden Sie dabei eine Farbe für Fachbegriffe und eine weitere für konkrete schulpraktische Beispiele. 3. Arbeiten Sie paarweise mit einem anderen Studierenden: • Unterscheiden Sie direkte und indirekte Erziehungsmaßnahmen. Finden Sie gemeinsam Beispiele. • Unterscheiden Sie unterstützende und gegenwirkende Erziehungsmaßnahmen. Welche Ziele verfolgen beide? 158

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10 Erziehungsmassnahmen

4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Nehmen Sie die Liste Ihnen bekannter Erziehungsmaßnahmen zur Hand, die Sie bei den Reflexionsaufgaben zu diesem Kapitel erstellt haben. • Ordnen Sie die von Ihnen gesammelten Erziehungsmaßnahmen den folgenden Oberbegriffen zu: Lob, Belohnung, Erfolgserlebnis, Ermutigung, Tadel, Drohung, Strafe, Wiedergutmachung, sachliche Folge. • Welche von Ihnen genannten Erziehungsmaßnahmen lassen sich keiner der neun Kategorien zuordnen? Weshalb? Diskutieren Sie. • Enthält Ihre Liste auch Erziehungsmaßnahmen, deren Einsatz einer Lehrkraft nicht erlaubt ist? Informieren Sie sich im Zweifelsfall im Internet oder fragen Sie Ihre Praktikumslehrkraft. 5. Erläutern Sie die folgenden Begriffe. Wie hängen diese zusammen? Belohnung erster Art, Belohnung zweiter Art, Bestrafung erster Art, Bestrafung zweiter Art 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Studieren Sie zunächst folgendes Zitat einer Praktikumslehrkraft: Die Erziehungsmaßnahme Wiedergutmachung haben wir im Studium damals auch behandelt. Aus der Praxis kann ich sagen, die funktioniert nur bei den Kleinen in der Grundschule. Bei den Großen ist es wie auf dem Fußballplatz. Solange der Schiedsrichter zusieht, schütteln sie sich die Hand und entschuldigen sich für ihr Foul, hinter seinem Rücken treten sie sich wieder in die Knochen. • Weshalb wählt die Praktikumslehrkraft hier den Vergleich mit dem Fußballplatz? Stellen Sie Vermutungen an. • Worauf mag die Beobachtung der erfahrenen (!) Lehrkraft beruhen? • Hat die Erziehungsmaßnahme Wiedergutmachung dennoch ihre Berechtigung? Diskutieren Sie. 7. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Sachliche Folgen werden nicht von jedem als tatsächliche Erziehungsmaßnahmen anerkannt. • Was meinen Sie? Handelt es sich bei sachlichen Folgen um Erziehungsmaßnahmen? • Begründen Sie. • Sammeln Sie Beispiele aus dem Praktikum oder Ihrer eigenen Schulzeit, bei denen sachliche Folgen erzieherische Wirkung hatten. 8. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. In der schulischen Terminologie gibt es keine Strafen. In den Schulgesetzen und Vorschriften ist die Rede von pädagogischen Maßnahmen oder Ordnungsmaßnahmen. 159

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Pädagogik

• Woran mag dies liegen? Stellen Sie Vermutungen an. • Halten Sie es für sinnvoll, auf das Aussprechen von Strafen konsequent zu verzichten? Diskutieren Sie. • Diskutieren Sie die folgende Äußerung einer erfahrenen Lehrkraft: Verweise und andere Ordnungsmaßnahmen haben keinerlei Sinn, wenn die Eltern nicht mitziehen und der Schüler überhaupt kein Interesse an der Schule hat. 9. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Formulieren Sie statt der folgenden Aussagen passende Ich-Botschaften: Du hörst mir ja gar nicht zu! Du sprichst so undeutlich. Du kommst zu spät! Du hast deine Hausaufgaben schon wieder nicht gemacht.

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Schulpädagogik

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10 Erziehungsmassnahmen

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Auch dieses Kapitel zur Schulpädagogik beginnt zunächst mit kurzen Ausführungen zur Schulpädagogik an sich. Anschließend widmet es sich zwölf Hauptthemen, die sich, wie Abbildung 18 zeigt, vor allem zwei Themenfeldern zuordnen lassen.

Abb. 18 | Inhalte Kapitel Schulpädagogik

Im Zentrum der Schulpädagogik steht Ihre Aufgabe zu unterrichten (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext 2). Grundlegend hierfür sind sowohl die fundierenden als auch die regulierenden Unterrichtsprinzipien, die dem ersten Themenbereich zugeordnet werden: • Dabei stehen je nach Autor die fundierenden Unterrichtsprinzipien Schülerorientierung, Sachorientierung, Zielorientierung oder Schülerorientierung, Sachorientierung und Handlungsorientierung gleichrangig nebeneinander. Sie bedürfen stets der näheren Bestimmung, was denn die Schülerin bzw. den Schüler oder die Sache ausmache, bzw. was Ziel des Unterrichts oder angestrebte Handlung sei. • Die regulierenden Unterrichtsprinzipien hingegen sind deutlich konkreter als die fundierenden. Sie lassen sich nicht einem bestimmten fundierenden Unterrichtsprinzip zuordnen, sondern beziehen sich auf jedes einzelne. In der Literatur wird eine kaum zu überblickende Vielzahl regulierender Unterrichtsprinzipien angeführt. Dieses Kapitel beschränkt sich auf die meistgenannten: 163

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• Die Selbsttätigkeit betrachtet Schülerinnen und Schüler als aktiv Lernende und bezieht diese als Entscheidungsträger und Handelnde in Lernprozesse ein. • Das Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung stellt sicher, dass Gelerntes nicht in Vergessenheit gerät, sondern langfristig abrufbar ist. • Das Prinzip der Anschauung soll sicherstellen, dass ein Unterrichtsinhalt von den Lernenden zunächst mittels ihrer Sinne wahrgenommen, anschließend jedoch auch verarbeitet wird. • Das regulierende Unterrichtsprinzip Differenzierung sowie das Partnerprinzip Individualisierung tragen der Heterogenität einer jeden Klassengemeinschaft Rechnung. Den zweiten Bereich bildet ein Sammelsurium schulpädagogischer Themen, die entweder nicht oder aber nur von vereinzelten Autoren den Unterrichtsprinzipien zugeordnet werden: • Unterrichtsmethoden sind wohl der schulpädagogische Begriff, über dessen Bedeutung in der Literatur die größte Uneinigkeit herrscht. Gleichzeitig scheinen besonders viele Lehrkräfte eine Eingrenzung und genaue Bestimmung dieses Begriffs für ihre Unterrichtstätigkeit als überflüssig zu erachten. • Sozialformen werden beispielsweise vom namhaften Schulpädagogen Hilbert Meyer (* 1941) den Unterrichtsmethoden zugerechnet. Vereinfachend kann festgehalten werden, dass sie die Anzahl der Schülerinnen und Schüler beschreiben, die gemeinsam arbeiten. • Bei Unterrichtsformen wird in der Regel zwischen darbietender, erarbeitender und entdecken-lassender Unterrichtsform unterschieden. • Während jede Schülerin und jeder Schüler, aber auch jede Lehrkraft und jede mit Unterricht befasste Person ihre ganz individuellen Ansichten über die Merkmale guten Unterrichts hat, werden an dieser Stelle Hilbert Meyers Ausführungen sowie die selbst in der deutschen Tagespresse ausführlich thematisierte Studie von John Hattie angeführt. • Leistungserhebung und Leistungsbewertung sind nicht allein für Schülerinnen und Schüler, sondern gerade auch für Eltern häufig ein rotes Tuch und werden nahezu gleichgesetzt. Aus schulpädagogischer Sicht handelt es sich um zwei unterschiedliche Prozesse. • Die Diskussion um Instruktion und Konstruktion schließt die für Praktiker und Praktikerinnen häufig bedeutendere Diskussion um offenen und lehrerzentrierten Unterricht ein. • Den Abschluss dieses Kapitels bilden Ausführungen zum sinnvollen Einsatz von Medien im Unterricht. 164

1 Schulpädagogik als Wissenschaft

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1 Schulpädagogik als Wissenschaft Schulpädagogik ist die Bezugswissenschaft der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Deutschland sowie Teildisziplin der Erziehungswissenschaft. Dementsprechend wird von Ihnen als angehender Lehrkraft gefordert, je nach Studienrichtung und angestrebter Schulform Lehrveranstaltungen in diesem Bereich zu besuchen und Prüfungen abzulegen. Kernelement der Schulpädagogik sind Fragen bezüglich schulischer und unterrichtlicher Erziehung und Bildung, wobei sich jedoch andere Sozialwissenschaften wie beispielsweise die Pädagogische Psychologie ebenfalls mit diesen auseinandersetzen. Obwohl schon lange vor seiner Zeit Schriften verfasst wurden, die aus heutiger Sicht in den Bereich der Schulpädagogik fallen – man denke nur an Comenius’ Didactica Magna (1657) – werden Herbart (1746–1841) und dessen Schriften als Wegbereiter der Schulpädagogik angesehen. Er, vor allem aber seine Schüler, die so genannten Herbartianer, versuchen der Theorie des Unterrichts eine wissenschaftliche Basis zu verschafen. Trotz dieser langen Tradition wird der Begrif Schulpädagogik erstmalig zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet. So wird an der Universität Straßburg im Wintersemester 1915/1916 eine Vorlesung unter ebendiesem Titel gehalten. Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Schulpädagogik als eigenständige Wissenschaft war die Akademisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, die in den 1960er Jahren von speziellen Lehrerseminaren an pädagogische Hochschulen verlagert wurde. Dadurch wurde die Basis gelegt für eine Abkehr von der praktischen, auf konkrete Anweisungen ausgerichteten Pädagogik. Als Wissenschaft lässt sich die Schulpädagogik in einzelne Teilbereiche untergliedern: • Schultheorie – Begründung von Schule und Beschreibung von Schule als Institution • Curiculum- und Lehrplantheorie – Lerninhalte und Begründung deren Auswahl • Unterrichtstheorie – Vermittlungsaufgabe • Allgemeine Didaktik – Lehr-Lernprozesse • Professionstheorie – Professionalisierung des Lehrerberufs, Beruf der Lehrkraft • Schulentwicklungstheorie – Entwicklung der Einzelschule • Schulsystemtheorie – Aufbau von Schulsystemen und Steuerungen von Schulsystemen

Schulpädagogik als Bezugswissenschaft

Historische Entwicklung

Teilbereiche

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Schulpädagogik

Die Vielzahl dieser Teilbereiche und der daraus resultierenden Forschungsfragen führt dazu, dass es sich bei der Schulpädagogik um eine sehr vielschichtige Wissenschaft mit nicht klar zu deinierenden Grenzen zu anderen Wissenschaften handelt. In Verbindung mit der häuig zu beobachtenden Ausrichtung an Prüfungsordnungen und der Orientierung an schulischen Lehrplänen und Unterrichtsinhalten führt diese Vielschichtigkeit zu der Situation, die Sie als Studierende vermutlich nur zu gut kennen und die Apel folgendermaßen auf den Punkt bringt: Man gewinnt fast den Eindruck, diese Erziehungswissenschaftliche Bereichsdisziplin werde mehr durch Studien- und Prüfungsordnungen … definiert als durch die Fachdiskussion. (Apel 2009: 7)

Schulpädagogik zwischen Theorie und Praxis

Aufgrund der Doppelrolle als Bezugswissenschaft der Lehrerinnenund Lehrerbildung einerseits und als eigenständige wissenschaftliche Disziplin andererseits bewegt sich die Schulpädagogik beständig in einem Spannungsfeld: Die teilweise starke Ausrichtung auf Schule und Unterricht sowie die (verständlichen) Forderungen Studierender, doch mehr Schulrelevantes zu vermitteln, bringt die Gefahr mit sich, die Grenzen zur Ratgeberliteratur zu überschreiten und Studierenden lediglich möglichst universelle, vorgefertigte Kochrezepte für erste eigene Unterrichtsversuche zu liefern.

Aus der Praxis für die Praxis Gerade dies jedoch ist im Hinblick auf erste eigene Unterrichtsversuche im Rahmen von Praktika nicht sinnvoll. In diesen geht es darum, eigene Ideen, theoretische Anregungen und durchdachte Konzepte in die Praxis umzusetzen. Andererseits führt der Anspruch, eigenständige wissenschaftliche Disziplin zu sein zum Teil zu einer Entfernung von der schulischen und unterrichtlichen Praxis. Dies zeigt sich unter anderem an „den veröffentlichten Texten, die an Abstraktionsniveau und Praxisferne zunahmen“ (Apel & Sacher 2009: 12). Ein Problem, das Sie als Lehramtsstudierender vermutlich ebenso gut kennen. Zusammenfassend und vereinfachend lässt sich festhalten: Schulpädagogik … • ist eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft. 166

1 Schulpädagogik als Wissenschaft

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• konzentriert ihr Forschungsinteresse auf Unterricht und Erziehung im schulischen Kontext. • lässt sich nur schwer trennscharf von anderen wissenschaftlichen Disziplinen und populärwissenschaftlicher Ratgeberliteratur abgrenzen. Auf eine tiefgehendere Begrifsbestimmung wird an dieser Stelle verzichtet, da diese ausführlich auf unterschiedliche Konzeptionen wie beispielsweise Benners Konzept einer kritisch-konstruktiven Schulpädagogik (1977) oder Apels und Grunders Konzept der Schulpädagogik als Theorienverbund eingehen müsste. Dies würde einerseits den Rahmen dieses Handbuchs sprengen und für eine Einführung in die Erziehungswissenschaften für Lehramtsstudierende zu weit führen. Dennoch an dieser Stelle zwei zitierfähige Deinitionen: Schulpädagogik ist die Theorie und Praxis der Entwicklung und Reflexion wissenschaftlicher Konzepte zur Gestaltung von Schulleben und Unterricht.

Deinitionen Schulpädagogik

(Meyer 1997: 209)

Schulpädagogik ist eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft, deren Forschungsinteresse auf das Unterrichten und Erziehen in der Institution Schule zentriert ist. Die Schulpädagogik entwickelt die Theorie des Unterrichts im Rahmen einer Theorie der Schule. Eine Hauptfragestellung ist auf die wechselseitige Beziehung zwischen Aussagen der Schul- und Unterrichtstheorie einerseits und pädagogisches Handeln andererseits gerichtet. Die Schulpädagogik bedarf sowohl der hermeneutischen Methode zur Reflexion normativer Zusammenhänge als auch der empirischen Theoriebildung und Wirkungskontrolle. (Einsiedler 1994: 651)

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2 Unterrichtsprinzipien allgemein

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2.1 Begriliches 2.2 Systematisierung 2.3 Fundierende Unterrichtsprinzipien Unterrichtsprinzipien sind innerhalb der Schulpädagogik eine zentrale Thematik, der sich weder Theoretiker noch Praktiker verweigern können, weshalb ihnen auch im vorliegenden Buch viel Platz eingeräumt wird. Am Anfang (2.1 und 2.2) steht eine Begrifsklärung und Eingrenzung des Gegenstandsbereichs, bei der unterschiedliche namhafte Schulpädagogen angeführt werden. Darüber hinaus werden zentrale, für wirklich jedes Unterrichtsprinzip geltende Merkmale herausgearbeitet und besprochen, um den Gegenstandsbereich greifbarer zu machen. Wie in der wissenschaftlichen Literatur üblich, indet eine Unterscheidung zwischen fundierenden und regulierenden Prinzipien statt, wobei unterschiedliche Systematisierungsansätze aufgezeigt werden. Des Weiteren erfolgt eine kurze Darstellung (2.3) der einzelnen fundierenden Unterrichtsprinzipien. Der Grund, weshalb diese Prinzipien nicht ausführlicher dargestellt werden, ist die Tatsache, dass diese für den unterrichtenden Praktiker weniger ergiebig sind als die regulierenden Unterrichtsprinzipien. Diese werden in vier einzelnen Kapiteln dargestellt. Dabei indet eine Konzentration auf die in der Literatur am häuigsten genannten Prinzipien statt. Sie werden unter Einbezug unterrichtspraktischer Beispiele ausführlich dargestellt.

Reflexionsaufgabe Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Reflektieren Sie konkrete Unterrichtsstunden, die Sie im Praktikum beobachten konnten. Alternativ denken Sie an Ihre eigene Schulzeit zurück: • Wie muss Unterricht Ihrer Meinung nach gestaltet sein, damit erfolgreiches Lernen zustande kommt? Was zeichnet guten, erfolgreichen Unterricht aus? • Übertragen Sie die angedeutete Mindmap auf ein Flipchart-Papier und vervollständigen Sie diese.

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2 Unterrichtsprinzipien allgemein

• Leiten Sie aus dieser Zehn Gebote für Lehrkräfte ab. Beschränken Sie sich dabei tatsächlich auf die Unterrichtsgestaltung und lassen Sie Personenmerkmale der Lehrkraft oder schul-organisatorische Rahmenbedingungen außen vor. Leiten Sie jedes Ihrer Zehn Gebote in Anlehnung an die biblischen Gebote entweder mit „Du sollst …“ oder „Du sollst nicht …“ ein.

2.1 Begriffliches Wenngleich Unterricht wie jegliches soziale Geschehen von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt und sich nicht mit absoluter Sicherheit planen und vorhersagen lässt, so existieren doch Grundsätze, deren Berücksichtigung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Unterricht erfolgreich verläuft. Diese Grundsätze werden als Unterrichtsprinzipien bezeichnet. Wiater deiniert Unterrichtsprinzipien als Grundsätze der Unterrichtsgestaltung, deren Einhaltung die Wahrscheinlichkeit signifikant erhöht, dass Schülerinnen und Schüler die angestrebten Unterrichtsziele an den vorgesehenen Unterrichtsinhalten auch erreichen.

Deinition Unterrichtsprinzipien

(Wiater 1993: 221)

Unterrichtsprinzipien sind durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet: • Sie gelten für wirklich jedes Unterrichtsfach, jede Jahrgangsstufe und jede Schulart. Dies bedeutet, das Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung beispielsweise wird Ihnen sowohl in der Schulpädagogik als auch in den Fachdidaktiken der von Ihnen studierten Fächer begegnen. • Unterrichtsprinzipien entsprechen dem heutigen Bild des lernenden Menschen, weshalb diese die Schülerin und den Schüler nicht als passives Objekt ansehen, in das Wissen einzufüllen ist.

Merkmale

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Schulpädagogik

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• Sie entsprechen dem heutigen Erziehungsziel der Mündigkeit. • Sie geben der Lehrkraft Orientierung für pädagogisch-didaktische Entscheidungen. • Sie können wissenschaftlich begründet werden. (vgl. Wiater 2012: 6)

2.2 Systematisierung Bei einem so zentralen und demzufolge wissenschaftlich so intensiv und ausführlich behandelten Aspekt der Schulpädagogik wie den Unterrichtsprinzipien mag es kaum erstaunen, dass sich einzelne Aspekte tatsächlich in jeglicher Fachliteratur inden. Dies ist bei der Unterscheidung von fundierenden und regulierenden Unterrichtsprinzipien der Fall. Diese werden Sie in nahezu jedem namhaften schulpädagogischen Werk inden. Fundierende Unterrichtsprinzipien werden Ihnen auch unter der Bezeichnung Konstitutive Unterrichtsprinzipien begegnen (Wiater 2012: 6). Lediglich die einzelnen, unter diesen Oberpunkten einzuordnenden Prinzipien variieren je nach Schulpädagoge. Dies verdeutlicht die Gegenüberstellung der Ansätze von Glöckel (2003) und Wiater (2012) in Tabelle 10.

Tabelle 10 | Übersicht Unterrichtsprinzipien

Wiater (2012)

Glöckel (2003)

fundierende Unterrichtsprinzipien

• Schülerorientierung • Sachorientierung • Handlungsorientierung

• Schülerorientierung • Sachorientierung • Zielorientierung

regulierende Unterrichtsprinzipien

• • • • • •

• Anschauung • Selbsttätigkeit • Motivationshilfe • Elementarisierung • Erfolgssicherung • Ökonomie und weitere Prinzipien wie beispielsweise Exemplarisches Lernen und Lebensnähe

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Selbsttätigkeit Diferenzierung Veranschaulichung Motivierung Ganzheit Zielorientierung/Zielverständigung • Strukturierung • Ergebnissicherung/ Nachhaltigkeit

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2 Unterrichtsprinzipien allgemein

Wiater führt ebenso wie Glöckel Schüler- und Sachorientierung auf, ersetzt jedoch das Unterrichtsprinzip Zielorientierung durch das der Handlungsorientierung. Da es sich bei „Erziehungswissenschaften für Lehramtsstudierende“ um ein Grundlagenwerk handelt, orientiert es sich stark an Studierenden und schulpraktischen Anforderungen. Ziel ist es nicht, fachwissenschaftlich Position zu beziehen. Dementsprechend werden auch im Folgenden die vier in der Literatur vorrangig genannten fundierenden Unterrichtsprinzipien Zielorientierung, Sachorientierung, Schülerorientierung und Handlungsorientierung nacheinander ausgeführt. Es indet anders als bei Wiater oder Glöckel keine Konzentration auf drei ausgewählte Prinzipien statt.

2.3 Fundierende Unterrichtsprinzipien Im Bereich der fundierenden oder konstitutiven Unterrichtsprinzipien ist die Auswahl Glöckels besonders interessant, da diese sich nahezu auf die gleichen Faktoren konzentriert wie Herbarts didaktisches Dreieck (Abbildung 19). Demzufolge ist es die Lehrkraft, die didaktische sowie pädagogische Überlegungen anstellt und gegebenenfalls Ziele setzt, während es die Schülerin oder der Schüler ist, die oder der sich mit der Sache und somit mit dem Lerninhalt auseinandersetzt.

Fundierende Unterrichtsprinzipien und Herbarts didaktisches Dreieck

Abb. 19 | Fundierende Unterrichtsprinzipien

2.3.1 Zielorientierung/Zielgemäßheit Schulischer Unterricht ist kein Selbstzweck, sondern erfolgt immer mit einer bestimmten Absicht. Als Lehrkraft werden Ihnen Bildungs- und Erziehungsziele auf unterschiedliche Weise vorge-

Unterrichtsgeschehen als zielorientiertes Handeln 171

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Schulpädagogik

Zeitgemäße Zielorientierung

Zielorientierung und Kompetenzorientierung

geben; so beispielsweise in Lehrplänen und Landesverfassungen. An diesen Zielen orientiert sich das Handeln der Lehrkraft auf allen Ebenen. Dies bedeutet, dass alle eingesetzten Methoden, Unterrichtsformen und jede noch so klein und unbedeutend erscheinende Maßnahme vor dem Hintergrund der anzustrebenden Ziele auszuwählen sind. Dies weist sehr stark auf die Stimmigkeit von Ziel, Inhalts- und Methodenentscheidungen als Merkmal guten Unterrichts bei Hilbert Meyer hin (vgl. Kapitel Schulpädagogik 10). In einem zeitgemäßen Unterricht jedoch kann das Prinzip der Zielorientierung nicht nur die Ziele umfassen, die der Lehrkraft vorgegeben sind oder die von ihr gesetzt werden. Vielmehr ist es notwendig, dass auch die Schülerinnen und Schüler selbst sich Ziele setzen und diese als Orientierungshilfe für eigenes schulisches Handeln nutzen. Besonders gut lässt sich dies in den unterschiedlichen Varianten ofenen Unterrichts realisieren. Auf diese Weise übernehmen die Lernenden Verantwortung für den eigenen Lernprozess und entwickeln Selbstkompetenz. Am Stellenwert des fundierenden Unterrichtsprinzips Zielorientierung hat auch die Kompetenzorientierung moderner Lehrpläne nichts geändert. Diese sinnvolle Neuerung führt in diesem Kontext nur dazu, dass Lehrkräfte die bei den Lernenden angestrebte Kompetenzentwicklung als Orientierungshilfe nutzen.

2.3.2 Sachorientierung/Sachgemäßheit Sachorientierung im Lerninhalt

Die Kernforderung des Unterrichtsprinzips Sachorientierung, den Schülerinnen und Schülern nur sachlich Richtiges zu vermitteln, scheint auf den ersten Blick selbstverständlich. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich die Notwendigkeit, dies ganz bewusst zu berücksichtigen. Zu häuig führen der Wunsch von Lehrkräften, sich an Lebenswelt und Lernvoraussetzungen der Lernenden zu orientieren, sowie die didaktische Reduktion zu einer Verfälschung einzelner Fachinhalte. Auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse führen dazu, dass noch vor wenigen Jahren als korrekt geltende Erkenntnisse und Zusammenhänge heute als widerlegt gelten.

Aus der Praxis für die Praxis Für Sie als Lehrkraft bedeutet die Forderung nach Sachrichtigkeit einerseits die unterschiedlichen Fortbildungsmöglichkeiten zu 172

2 Unterrichtsprinzipien allgemein

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nutzen, um stets auf dem neuesten Stand zu sein, und andererseits bei jeglicher didaktischen Maßnahme zu überprüfen, ob diese nicht die sachliche Richtigkeit beeinträchtigt. Über die Richtigkeit der vermittelten Inhalte hinaus besagt das Unterrichtsprinzip Sachorientierung auch, dass die während des Lernprozesses eingesetzte methodische Vorgehensweise sachgemäß sind.

Sachorientierung im Lernprozess

2.3.3 Schülerorientierung Das Prinzip der Schülerorientierung begegnet Ihnen auch unter der Bezeichnung Angemessenheit oder Passung. Gemeint ist damit die Orientierung der Lehrkraft an den Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler bei Planung und Durchführung des Unterrichts. Köck formuliert trefend: „Lernsituation und Lernangebot sollen den Schüler aus entwicklungspsychologischer, lernpsychologischer und soziologischer Sicht seiner Lernbereitschaft und seinen Lernmöglichkeiten entsprechend trefen“ (Köck 2005: 344). Die Orientierung an diesem fundierenden Unterrichtsprinzip ist unumgänglich, wenn der Lernende als aktives Subjekt gesehen wird, das nicht nach dem Prinzip des Nürnberger Trichters unterrichtet werden kann. Schülergemäßer Unterricht zeichnet sich nach Glötzl (2000: 344f) durch eine Vielzahl an Merkmalen aus: • Er berücksichtigt die Lernerfahrungen der Schülerinnen und Schüler. • Er baut bei diesen Sachinteresse und Motivation auf. • Er verdeutlicht den Lebensweltbezug der Inhalte. • Er differenziert und individualisiert.

Merkmale

Somit stellt das fundierende Unterrichtsprinzip Schülergemäßheit sicher, dass Lehrkräfte die Lernenden in den Mittelpunkt ihres Unterrichts stellen. Dies ist insbesondere dort wichtig, wo Unterrichtende für ihre Fächer und Unterrichtsinhalte brennen, von diesen gepackt sind und vor eigener Begeisterung ihre Schülerinnen und Schüler aus dem Blick verlieren.

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Schulpädagogik

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2.3.4 Handlungsorientierung

Der Lernende als aktives Subjekt

Handlungsorientierung ≠ Aktionismus

Vorteile

Anders als Glöckel (2003) führt beispielsweise Wiater unter dem Oberpunkt Fundierende Unterrichtsprinzipien das Prinzip der Handlungsorientierung an. Dieses stellt ganzheitliches, schüleraktives Lernen sicher und setzt somit Comenius’ (1592–1670) Forderung nach einem Lernen mit allen Sinnen um. Handlungsorientierter Unterricht setzt nicht auf Lernen durch Belehrung, sondern auf ein Lernen durch Beteiligung der Schülerinnen und Schüler, auf den Einbezug von Kopfund Handarbeit. Handlungsorientierter Unterricht begreift den Lernenden nicht als passives Objekt, sondern als handelndes Subjekt. Diese Sichtweise zeigt sich beispielsweise auch an der gewandelten Formulierung der Aufgaben einer Lehrkraft: Sprach der Deutsche Bildungsrat noch 1970 vom Lehren, so spricht beispielsweise das bayerische Kultusministerium 2011 schon vom Kompetenzbereich Unterrichten (vgl. Amtsblatt 15/2011). Generell ist Handeln zu verstehen als „absichtsvolle, zielstrebig und sinnhaft vollzogene“ (Wiater 2012: 13) Tätigkeit und ist dabei abzugrenzen von planlosem Aktionismus (vgl. Völkel 2007: 58). Dieser ziellose Aktionismus ist bei Unterrichtsbeobachtungen häuig dann zu sehen, wenn Lehrkräfte einerseits einen handlungsorientierten, ofenen Unterricht umsetzen möchten, ihnen andererseits jedoch die notwendige didaktisch-methodische Kompetenz und Klassenführungskompetenz (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext 2) fehlen. Dies führt nicht selten zu ziel- und planlosem Tun der Lernenden, Chaos im Klassenzimmer und der Aussage der Lehrkraft, dies müsse bei handlungsorientiertem Unterricht eben so sein. Vergessen wird dabei, dass handlungsorientiertes Lernen kein Prinzip zur Förderung von Hektik und zur Beschleunigung von Lernprozessen ist und dass auch Denken selbst ein Handeln ist. Wird das Prinzip der Handlungsorientierung berücksichtigt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass… • die Schülerinnen und Schüler mit Freude lernen. • sie sich mit den Lernzielen identifizieren. • nachhaltige Lernergebnisse erzielt werden. Wiater betont unter Verweis auf den didaktischen Dreischritt, dass dem Handeln eine zu trefende Entscheidung vorausgehen muss und dass es gefolgt sein muss von Relexionsprozessen (Wiater 2012: 6–13).

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2 Unterrichtsprinzipien allgemein

Literaturtipp

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An dieser Stelle fallen die Literaturtipps etwas ausführlicher aus – im Gegenzug wird bei den weiteren Unterrichtsprinzipien auf diese verzichtet. Knapp, jedoch stellenweise sprachlich sehr anspruchsvoll, behandelt Wiater die Unterrichtsprinzipien aus Sicht des Praktikers; eventuell räumt er dabei deren Begründungen zu viel Raum ein: Wiater, Werner. Unterrichtsprinzipien, Prüfungswissen – Basiswissen Schulpädagogik. Donauwörth. Inhaltlich etwas altbacken und stellenweise zu stark vereinfachend, jedoch sehr gut verständlich inden sich die Unterrichtsprinzipien bei Schröder: Schröder, Hartwig. Lernen – Lehren – Unterricht. München. Sehr umfangreich, vor allem aber mit konkreten, ausführlichen Beispielen aus dem Unterricht setzt sich Glötzl mit dem Thema auseinander: Glötzl, Herbert. Prinzipien effektiven Unterrichtens. Band 1 und 2. Stuttgart.

Zusammenfassung Der Erfolg jedes Unterrichts hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich nie garantieren. Die Beachtung der Unterrichtsprinzipien jedoch erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit. Unterrichtsprinzipien sind gekennzeichnet durch folgende Merkmale: • Sie gelten für wirklich jedes Unterrichtsfach, jede Jahrgangsstufe und jede Schulart. • Sie sehen die Schülerin und den Schüler als aktives Subjekt, nicht als passives Objekt. • Sie entsprechen dem heutigen Erziehungsziel der Mündigkeit. • Sie geben der Lehrkraft Orientierung für das Treffen pädagogisch-didaktischer Entscheidungen. • Sie können wissenschaftlich begründet werden. Es wird unterschieden zwischen fundierenden und regulierenden Unterrichtsprinzipien. Fundierende Unterrichtsprinzipien werden auch konstitutive Unterrichtsprinzipien genannt. In diese Kategorien fallen die folgenden Prinzipien: • Schülerorientierung • Sachorientierung • Zielorientierung • Handlungsorientierung Das Prinzip der Zielorientierung oder Zielgemäßheit legt fest, dass Lehrkräfte sich bei all ihren Entscheidungen an vorgegeben Zielen orientieren. Damit Schülerinnen und Schüler ebenfalls zielorientiert arbeiten und lernen können, ist es notwendig, diesen die Unterrichtsziele zu kommunizieren oder sie eigene Ziele setzen zu lassen. 175

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Schulpädagogik

Das Prinzip der Sachorientierung oder Sachgemäßheit legt fest, dass im Unterricht nur Richtiges vermittelt werden darf. Trotz didaktischer Reduktion, Orientierung an den Lernvoraussetzungen und wissenschaftlichem Fortschritt dürfen keine falschen Informationen vermittelt werden. Darüber hinaus ist es notwendig, dass auch die zum Einsatz kommenden Methoden sachgemäß sind. Das Prinzip der Schülerorientierung oder Angemessenheit oder Passung legt fest, dass die Lehrkraft sich an den Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler orientiert. Das Prinzip der Handlungsorientierung, das beispielsweise Wiater statt des Prinzips der Zielorientierung anführt, stellt ganzheitliches, schüleraktives Lernen sicher.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Durch welche Merkmale zeichnen Unterrichtsprinzipen sich aus? Kreuzen Sie an: • Sie sehen die Schülerin und den Schüler als aktives Subjekt, nicht als passives Objekt.  • Sie basieren auf jahrhundertelanger Erfahrung.  • Sie entsprechen dem heutigen Erziehungsziel der Mündigkeit.  • Sie gelten für wirklich jedes Unterrichtsfach, jede Jahrgangsstufe und jede Schulart.  • Sie geben der Lehrkraft Orientierung für pädagogisch-didaktische Entscheidungen.  • Sie garantieren den Erfolg des Unterrichts.  2. Erläutern Sie den Begriff Unterrichtsprinzip. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: • Grenzen Sie fundierende und regulierende Unterrichtsprinzipien voneinander ab. • Führen Sie dabei auch Alternativbezeichnungen an. • Nennen Sie die vier gängigen fundierenden Unterrichtsprinzipien. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Zeigen Sie sich spontan und flexibel: Ein Gruppenmitglied wählt eines der vier fundierenden Unterrichtsprinzipien aus und hält ohne Vorbereitung einen zweiminütigen Vortrag zu diesem. Achten Sie dabei darauf: • Nur fachlich Richtiges anzuführen. • Sich nicht zu wiederholen. • Sicherzustellen, dass die Zuhörenden Ihnen folgen können. Anschließend geben die anderen Mitglieder ein kurzes inhaltliches Feedback und ergänzen bei Bedarf. Danach wählt ein weiteres Gruppenmitglied ein weiteres Unterrichtsprinzip. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: 176

2 Unterrichtsprinzipien allgemein

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• Führen Sie Beispiele aus konkreten Unterrichtsstunden, die Sie gehalten, beobachtet oder erlebt haben, an, in denen einzelne fundierende Unterrichtsprinzipien besonders gut berücksichtigt wurden. • Erläutern Sie, wie genau Sie einzelne Prinzipien berücksichtigt sehen.

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3 Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit 3.1 Begriliches 3.2 Gründe und Motive 3.3 Voraussetzungen für eine Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler 3.4 Möglichkeiten der Realisierung 3.5 Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme Das regulierende Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit weist große Nähe zu Wiaters fundierendem Unterrichtsprinzip der Handlungsorientierung und dem an späterer Stelle ausführlich dargestellten ofenen Unterricht auf. Die Beachtung des Unterrichtsprinzips Selbsttätigkeit betrachtet Schülerinnen und Schüler als aktive Subjekte und stellt sicher, dass diese in Lernprozesse einbezogen werden. Eine Orientierung am Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit garantiert einen Unterricht, der geradezu das Gegenteil des Nürnberger Trichters ist. In diesem Kapitel erfahren Sie… • Näheres über den Begriff des Unterrichtsprinzips Selbsttätigkeit. • Die Gründe für die Relevanz von Selbsttätigkeit. • Wie Sie dieses Prinzip im Unterricht umsetzen können. • Wo dieses Prinzip an Grenzen stößt und wo Fallstricke lauern.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Führen Sie sich den von Ihnen im Praktikum beobachteten Unterricht vor Augen. Alternativ denken Sie an die eigene Schulzeit zurück: • Wie häufig gingen Lernprozesse auf das Interesse der Schülerinnen und Schüler zurück? • Wie häufig hatten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, Aufgaben durch den Einsatz eigener Methoden und mit frei gewählten ArbeitspartnerInnen zu lösen? • In welchen Situationen war dies der Fall?

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden gemeinsam in der Gruppe. Diskutieren Sie die folgende, von einer Praktikumslehrkraft getätigte Äußerung: 178

3 Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit

Möglichkeiten zur Selbstkontrolle, beispielsweise auf der Rückseite von Stationenkärtchen oder am unteren Rand von Arbeitsblättern, sind nicht sinnvoll, da die Schülerinnen und Schüler immer den einfachen Weg gehen und die Lösung gleich von Anfang an lesen.

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3.1 Begriffliches Das regulierende Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit begegnet Ihnen in der Literatur auch unter der Bezeichnung Aktivierung. Obwohl beide Begrife dasselbe bezeichnen, betrachten sie dies doch aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: 1. Der Begriff Selbsttätigkeit beschreibt das Phänomen aus der Perspektive der Schülerin oder des Schülers, der sich selbsttätig mit einem Lerngegenstand auseinandersetzt. Vor allem AnfängerInnen verwechseln Selbsttätigkeit häufig mit planlosem, hektischem Aktionismus. Genau dies jedoch ist nicht gemeint. Selbsttätigkeit meint vielmehr die zielgerichtete, sachgerechte Tätigkeit an einem Lerninhalt. Diese kann in praktischem, für die Lehrkraft beobachtbarem Tun bestehen. Doch auch das geistige Durchdringen eines Sachverhalts, die „sinnliche, emotionale, volitionale, schöpferische, rezeptive, produktive und meditative Aktivität“ (Wiater 2012: 15) ist zur Selbsttätigkeit zu zählen. 2. Dahingegen wird der Begriff Aktivierung verwendet, um diesen Sachverhalt aus der Perspektive der Lehrkraft zu benennen. Diese setzt vor allem ihre Methodenkompetenz ein, um Schülerinnen und Schüler zur selbsttätigen Auseinandersetzung mit einem Unterrichtsgegenstand zu veranlassen. Nach Wiater besagt das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit, „dass Schülerinnen und Schülern Gelegenheit gegeben werden soll, einen Sachverhalt mit Hilfe ihrer individuellen Lern- und Handlungsmöglichkeiten zu bearbeiten, damit sie dabei ihre Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstidentität entwickeln können“ (Wiater 2012: 16). Selbsttätiges Lernen in Reinform weist demnach die folgenden Merkmale auf: Die Schülerinnen und Schüler • handeln aus eigenem Antrieb • verfolgen selbstgesetzte Ziele • setzen dabei eigene Methoden ein • arbeiten zusammen mit selbstgewählten Lernpartnern • nutzen Möglichkeiten zur Selbstkontrolle (vgl. Wiater 2012: 16)

Selbsttätigkeit oder Aktivierung

Merkmale

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Schulpädagogik

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Didaktische Auswirkungen

Pädagogische Auswirkungen

Selbsttätigkeit löst somit die Schülerin und den Schüler und deren Lernprozess aus der Abhängigkeit von der Lehrkraft, was sich auf pädagogischer und auf didaktischer Ebene auswirkt: • Auf didaktischer Ebene führt die zunehmende Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler dazu, dass diese auch ohne direkte Instruktion der Lehrkraft Informationen beschaffen, Quellen bewerten, Lösungswege erproben und Schwierigkeiten überwinden können und somit Wissen erwerben und Kompetenzen ausbilden können. • Aus pädagogischer Sicht entwickeln die Schülerinnen und Schüler durch ihre Selbsttätigkeit zunehmend Sozial-, Selbst- und Sachkompetenz (sowie Methodenkompetenz) und werden dadurch zunehmend selbstständiger und mündiger.

3.2 Gründe und Motive Wie auch bei anderen regulierenden Unterrichtsprinzipien inden sich bei dem der Selbsttätigkeit umfangreiche Begründungen. In den meisten Fällen wird dabei zwischen anthropologischen, pädagogischen, schulpädagogischen, psychologischen und soziologisch-gesellschaftlichen Begründungen unterschieden. Für das vorliegende Buch wurde die Entscheidung getrofen, diese Begründungen in sehr knapper, teilweise stichpunktartiger Form anzuführen (vgl. hierzu u. a. Wiater 2012: 16-22).

3.2.1 Anthropologische Begründung • Der Mensch besitzt von Natur aus einen Aktivitätsdrang, den selbsttätiges Arbeiten im Unterricht einerseits befriedigt und andererseits nutzt. • Er strebt von Natur aus nach Autonomie, Selbst- und Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit. Diesen Bedürfnissen wird selbsttätiger Unterricht gerecht. • Die Aneignung von Wissen und Kompetenz vollzieht sich in aktiver Auseinandersetzung des Menschen mit der ihn umgebenden Wirklichkeit. • Der lernende Mensch ist als aktives Subjekt und nicht als passives Objekt der Lehrerbemühungen zu sehen, in das Wissen im Sinne des Nürnberger Trichters lediglich einzufüllen ist. 180

3 Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit

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3.2.2 Psychologische Begründung • Selbsttätiges Lernen führt zu hoher intrinsischer Motivation und dadurch zu hoher Behaltensleistung und Leistungsmotivation. • Selbsttätiges Lernen trägt der Tatsache Rechnung, dass Denken dem Handeln zwingend vorausgehen muss und gibt Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, eigene Ideen umzusetzen, eigene Lösungswege zu erproben und Lernen individuell zu organisieren. • Lernen ist als aktiver, konstruktiver, selbst organisierter und selbst kontrollierter Prozess zu werten. Unterricht, der diese Faktoren unberücksichtigt lässt, nimmt Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, effizient und nachhaltig zu lernen. • Aus konstruktivistischer Perspektive ist es der lernende Mensch selbst, der sich ein individuelles Bild der Welt konstruiert. Selbsttätiger Unterricht bietet ihm hierzu vielfältige Möglichkeiten. • Aus Sicht der klassischen Lerntheorien berücksichtigt selbsttätiger Unterricht Thorndikes Theorie Lernen durch Versuch und Irrtum. Zentrale Bedeutung kommt bei Thorndike den auf das Handeln folgenden Konsequenzen zu. Selbsttätiges Ausprobieren unterschiedlicher Lösungsversuche gibt dem Lernenden direkte Rückmeldung über deren Effizienz; über seinen Erfolg oder Misserfolg. • Auch das operante Konditionieren misst den Handlungskonsequenzen und somit der Erfolgsbestätigung große Bedeutung bei. Selbsttätiges Lernen nutzt diesen Sachverhalt durch den Erfolg, der unmittelbar auf das selbsttätige Handeln der Schülerin oder des Schülers folgt.

3.2.3 Pädagogische Begründung • Neben der Veranschaulichung ist die Selbsttätigkeit der zweite zentrale Pfeiler der Didaktik des Comenius. Neu für die damalige Zeit waren sowohl seine Erkenntnisse die geistige Entwicklung des Kindes betreffend, als auch das daraus resultierende Verständnis von Lernen als selbsttätigem Aneignungsprozess. • Auf Pestalozzi geht das Lernen mit Kopf, Herz und Hand zurück. Sein ganzheitlicher Bildungsansatz, „der sowohl sittliche Bildung und intellektuelle und künstlerisch-kreative Bildung umfasst, kann als Urgedanke des Unterrichtsprinzips der Selbsttätigkeit gesehen werden. 181

Schulpädagogik

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• Schulischer Unterricht verfolgt immer auch erzieherische Ziele; so auch das Ziel der Mündigkeit. Die durch selbsttätiges Lernen erworbene Selbstständigkeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil von Mündigkeit. Das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit bietet der Schülerin oder dem Schüler die Rahmenbedingungen, mündig zu werden. • Der Grundgedanke der Montessoripädagogik, „Hilf mir, es selbst zu tun“, macht deutlich, weshalb an Schulen, die diesem pädagogischen Konzept verpflichtet sind, das Prinzip der Selbsttätigkeit besonders stark gewichtet wird.

3.2.4 Soziologisch-gesellschaftliche Begründung • Selbsttätiger Unterricht fördert die Handlungs- und Sozialkompetenz der Schülerinnen und Schüler und trägt zur Persönlichkeitsbildung bei. • Das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit trägt bei zur Erziehung zum mündigen Bürger, einem der zentralen Ziele schulischer Bildung und Erziehung in demokratischen Gesellschaften. • Selbsttätiges Lernen, das Verantwortungsgefühl und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung fördert, entspricht dem schulischen Auftrag in den meisten Bundesländern (exemplarisch sei auf Bayern und Nordrhein-Westfalen verwiesen): • Oberste Bildungsziele sind „Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit“ (Bayerische Verfassung Artikel 131) • Aufgabe ist es, Schülerinnen und Schüler „zu selbstständigem Urteil und eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen“ (Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz Artikel 2) • „Die Jugend soll erzogen werden […] zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ (Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen Artikel 7/2) • Veränderungen im Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen erfordern von diesen verstärkt Selbstständigkeit und Urteilsfähigkeit. • Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt verlangen von Auszubildenden und Arbeitnehmern verstärkt eigenständiges Arbeiten, Problemlösekompetenz und Selbstständigkeit.

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3 Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit

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3.2.5 Erziehung zur Selbstständigkeit In der Literatur wird der Zusammenhang zwischen Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit häuig besonders betont, weshalb er an dieser Stelle gesondert ausgeführt werden soll. Diese Begründung geht in viele der oben angeführten Bereiche mit ein, mag aber über all diesen thronen. Die zentrale Bedeutung des Unterrichtsprinzips Selbsttätigkeit bringt Wiater (2012: 15) mit der Kombination zweier Zitate von Gaudig und Piaget auf den Punkt: Ohne Selbsttätigkeit keine Selbstständigkeit! (Gaudig)

Ohne Selbstständigkeit gibt es keine echte Intelligenz!

Selbsttätigkeit i Selbstständigkeit i Intelligenz

(Piaget)

Somit ist die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler notwendige Voraussetzung für die Entwicklung echter Intelligenz.

3.3 Voraussetzungen für eine Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler 3.3.1 Seitens der Lehrkraft Um selbsttätiges Lernen im Unterricht bestmöglich zu realisieren, sind vor allem Klassenführungskompetenz und Didaktische Kompetenz (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext 2) der Lehrkraft gefragt. • Ausgeprägte didaktische Kompetenz ermöglicht es der Lehrkraft, aus einer Vielzahl an Unterrichtsmethoden gezielt die auszuwählen, die die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler fordern und fördern. Darüber hinaus schöpft die didaktisch kompetente Lehrkraft aus einem reichhaltigen Fundus an Methoden, die einen sinnvollen Methodenmix und somit Abwechslung ermöglichen, um das Interesse der Lernenden hoch zu halten und Eintönigkeit sowie Langweile vorzubeugen. • Außerdem stellt das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit die Klassenführungskompetenz der Lehrkraft vor große Herausforderungen. Selbsttätiges Lernen führt zu vielfältigen Schüleraktivitäten,

Didaktische Kompetenz

Klassenführungskompetenz 183

Schulpädagogik

wodurch die Lehrkraft in erster Linie als Berater und Unterstützer gefragt ist. Darüber hinaus gilt es, eine störungsarme Arbeitsatmosphäre zu schaffen und gezielt selbsttätiges Arbeiten, Interagieren und Kommunizieren von unterrichtsfremden Aktivitäten zu unterscheiden. Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

Darüber hinaus ist es vor allem für selbsttätiges Lernen wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler klare und im Idealfall selbstgesetzte Ziele vor Auge haben.

3.3.2 Seitens der Schülerinnen und Schüler Zentrale Voraussetzung für selbsttätiges Lernen ist, dass die Schülerinnen und Schüler die jeweils gesetzten Ziele kennen und akzeptieren  – im Idealfall arbeiten sie im selbsttätigen Unterricht sogar auf eigene Ziele hin. Darüber hinaus erfordert selbsttätiges Lernen neben Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft eine Vielzahl an Lern- und Arbeitstechniken sowie Selbstkompetenzen (s. Tabelle 11).

Tabelle 11 | Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler

ausgewählte Lern- und Arbeitstechniken

ausgewählte Selbstkompetenzen

Lesen

Recherchieren

Ausdauer

Konzentration

Betrachten

Erkunden

Fleiß

Urteilsfähigkeit

Beobachten

Experimentieren

Zielstrebigkeit

Denken in Zusammenhängen

Beschreiben

Zusammenfassen

Kreativität

Durchhaltevermögen

Befragen

Vergleichen

Anstrengungsbereitschaft

3.4 Möglichkeiten der Realisierung Bei der Suche nach unterrichtspraktischen Umsetzungsmöglichkeiten bietet es sich – ähnlich wie Wiater (2012: 22-26) dies tut – bei regulierenden Unterrichtsprinzipien häuig an, zwischen eher ofenem und eher gebundenem, stärker lehrergesteuerten Unterricht zu unterscheiden. 184

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3 Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit

Ofener Unterricht ist per se darauf ausgerichtet, den Schülerinnen und Schülern selbsttätiges Lernen zu ermöglichen – Freiarbeit, Wochenplanarbeit, Lernen an Stationen und Projektunterricht bieten hier vielfältige Ansätze. Da diese jedoch in Kapitel Schulpädagogik 12 Zwischen Instruktion und Konstruktion ausführlich dargestellt werden, indet an dieser Stelle eine Konzentration auf die Möglichkeiten im lehrergesteuerten Unterricht statt. Hier sind alle Methoden im weitesten Sinne zu nennen, mit der die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler dazu bringt, sich kognitiv mit einem konkreten Sachverhalt auseinanderzusetzen: • Brainstorming, Mindmapping und vor allem Conceptmapping; also Verfahren, bei denen die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen aktivieren, Inhalte verknüpfen und Gedanken weiterentwickeln • Aber auch Lehrerimpulse und (durchdachter!) fragend-entwickelnder Unterricht, da die Schülerinnen und Schüler hierbei einen Sachverhalt geistig durchdringen und Lösungen finden

Kognitiv orientierte Methoden

Methoden, bei denen die Schülerin und der Schüler mit anderen interagiert: • Gruppen- und Partnerarbeit sowie das Vortragen der daraus resultierenden Ergebnisse • Hilfs- und Tutorensysteme, bei denen Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig unterstützen, Inhalte erklären, sich verbessern und voneinander lernen • Kugellager- oder Fish Bowl-Methode, bei der sich in einem Innen- und einem Außenkreis jeweils zwei Teilnehmerinnen und/ oder Teilnehmer gegenüberstehen und sich zu einem Thema austauschen

Interaktionsorientierte Methoden

Jegliches Methodentraining, bei dem die Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenz erweitern, eigenständig Recherchetätigkeiten durchzuführen, Informationen zu sammeln, zu bewerten, zu organisieren, aufzubereiten und wiederzugeben: • Internetrecherche und Recherche in Büchern und Bibliotheken • Durchführen von Interviews • Vorbereiten und Halten von Referaten • Wörterbuch- oder Internetralley • Lesestrategien und Lernstrategien

Rechercheorientierte Methoden

Methoden, die Schülerinnen und Schüler vor Herausforderungen stellen und Problemlösefähigkeit sowie durchdachtes, zielorientiertes Handeln schulen:

Problemlöseorientierte Methoden 185

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Schulpädagogik

• die Leittextmethode, die mittlerweile beispielsweise in Bayern fester Bestandteil der Prüfung für den Qualifizierenden Mittelschulabschluss ist • das Trainieren von Entscheidungsfindungsprozessen in Rollenspiel und Planspiel • spielerische Lernformen für die Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit

3.5 Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme Unabhängig von den Stärken und Vorteilen selbsttätigen Lernens im Unterricht stößt dieses vor allem dort an seine Grenzen, wo die Komplexität von Unterrichtsinhalten zur Überforderung der Schülerinnen und Schüler führt oder die eigenständige Erarbeitung eines Unterrichtsinhalts die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler gefährdet.

Aus der Praxis für die Praxis Sicherheitsaspekt

Institutionelle Rahmenbedingungen

Förderung der Selbsttätigkeit als Aufgabe des gesamten Kollegiums

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So würde kein verantwortungsbewusster Sportlehrer seine Schülerinnen und Schüler einen Barren selbsttätig aufbauen lassen, ohne diesen selbst zumindest zu kontrollieren, und kein Werklehrer die Schülerinnen und Schüler selbsttätig mit der Standbohrmaschine arbeiten lassen. Aber auch die institutionellen Rahmenbedingungen schulischen Lernens setzen dem Prinzip der Selbsttätigkeit Grenzen. So führen überfüllte Lehrpläne häufig dazu, dass Lehrkräfte den mit dem selbsttätigen Erarbeiten eines Unterrichtsinhalts verbundenen Zeitaufwand scheuen, wohl wissend, dass dieses unter pädagogischen und schulpädagogischen Gesichtspunkten sinnvoll wäre. Aber auch unabhängig von den Lehrplänen verhindert die Notwendigkeit, verbindliches Mindestwissen zu vermitteln, dass die Schülerinnen und Schüler wirklich ausschließlich selbsttätig lernen. Auch muss selbsttätiges Arbeiten und Lernen über (Schul-)Jahre hinweg eingeübt werden, sodass Sie als Lehrkraft weitgehend auf verlorenem Posten stehen, wenn Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger sowie Kolleginnen und Kollegen den damit verbundenen Aufwand und das Gefühl, nicht mehr die Kontrolle über den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zu haben, gemieden

3 Regulierendes Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit

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haben. Selbsttätiges Lernen erst in höheren Klassen einüben zu wollen, führt häufig dazu, dass einige Schülerinnen und Schüler sich dem mit dem ungewohnten selbsttätigen Arbeiten verbundenen Mehraufwand zu entziehen versuchen.

Zusammenfassung • Das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit wird auch Prinzip der Aktivierung genannt. Es besagt, dass die Schülerinnen und Schüler … • aus eigenem Antrieb, • mit selbstgesetzten Ziele, • mit eigenen Methoden, • mit selbstgewählten Lernpartnern handeln und dabei • Möglichkeiten zur Selbstkontrolle nutzen. • Für das Prinzip der Selbsttätigkeit sprechen anthropologische, psychologische, pädagogische und soziologisch-gesellschaftliche Gründe. Darüber hinaus dient das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit dazu, die Lernenden zu Selbständigkeit und echter Intelligenz zu führen. • Voraussetzung für die Umsetzung des Prinzips Selbsttätigkeit sind bei der Lehrkraft vor allem ausgeprägte didaktische und Klassenführungskompetenz. Die Schülerinnen und Schüler müssen entweder die gesetzten Ziele akzeptiert, oder sich eigene Ziele gesetzt haben. Darüber hinaus erfordert Selbsttätigkeit eine Vielzahl an Fertigkeiten aus den Bereichen Sozialkompetenz, Selbstkompetenz und Methodenkompetenz. Das Prinzip der Selbsttätigkeit lässt sich sowohl in offenem als auch in stark lehrergesteuertem Unterricht realisieren. • An seine Grenzen stößt das Prinzip der Selbsttätigkeit, wenn Unterrichtsinhalte sehr komplex oder gefährlich werden. Darüber hinaus sind es häufig schulorganisatorische Maßnahmen und institutionelle Rahmenbedingungen, die Lehrkräften die Umsetzung dieses Prinzips erschweren.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Selbsttätigkeit: • Führen Sie dabei Merkmale dieses Unterrichtsprinzips auf. • Nennen Sie Alternativbezeichnungen. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Übertragen Sie die Mindmap auf ein Flipchart-Papier und ergänzen Sie diese gemeinsam:

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Schulpädagogik

3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Ihr Schulleiter möchte das Schulprofil schärfen und noch stärker als bisher das selbsttätige Lernen der Schülerinnen und Schüler fördern. Sie bilden eine Arbeitsgruppe, die den dafür nötigen Bedarf ermittelt: • Was benötigen Sie und Ihre Kollegen, um das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit noch stärker im Unterricht berücksichtigen zu können? • Denken Sie dabei an materielle, organisatorische und weitere Aspekte. 4. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Sammeln Sie konkrete Ideen, wie Sie in Ihren Schulfächern selbsttätiges Lernen ermöglichen können. • Erstellen Sie eine Liste mit Unterrichtsideen. • Wählen Sie eine der Unterrichtsideen aus und skizzieren Sie die dazugehörige Unterrichtsstunde. Stellen Sie diese den anderen Studierenden vor. 5. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe. Bilden Sie zwei Teams: • Team A vertritt die Meinung, selbsttätiges Lernen sei ein besonders wichtiger Aspekt erfolgreichen Unterrichts. Sammeln Sie Argumente für diese These. • Team B vertritt die Meinung, Schülerinnen und Schüler bräuchten enge Führung und Lernen müsse durch die Lehrkraft kleinschrittig angeleitet werden. Außerdem sei selbsttätiges Lernen in einer Regelschule gar nicht möglich. Sammeln Sie Argumente für diese These. • Tauschen Sie nun die Argumente aus. Dabei wechseln sich die beiden Gruppen im Stile einer Pro- und Kontradebatte ab.

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4 Regulierendes Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung 4.1 Begriliches 4.2 Begründung 4.3 Realisierung des Unterrichtsprinzips Ergebnissicherung 4.4 Grenzen, Probleme, Schwierigkeiten Ergebnissicherung ist eines der zentralen, meistgenannten regulierenden Unterrichtsprinzipien. • Wie Sie unter 4.1 erfahren, findet es sich in der Literatur unter einer Vielzahl weiterer Namen. Vor allem die eher seltene Bezeichnung Prinzip der Nachhaltigkeit trifft den Kern des Begriffs sehr gut, da dieses Prinzip die Nachhaltigkeit schulischer Lernprozesse sicherstellen soll. • Ebenso wie die Selbsttätigkeit lässt sich auch dieses Unterrichtsprinzip aus unterschiedlichen Blickwinkeln begründen. • Unter der Überschrift Realisierung erfahren Sie zunächst Wissenswertes über Wiederholen, Automatisieren, Anwenden und Transferieren, bevor klassische Wiederholungs- oder Übungsstunden in den Fokus rücken. • Ausführungen zu Grenzen, Problemen und Schwierigkeiten schließen dieses Kapitel ab.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Sammeln Sie Gründe, weshalb Gelerntes im Unterricht aktiv gesichert werden muss. • Wie geschah dies in Ihrem Unterricht als Schülerin oder Schüler?

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: Welche Formen der Sicherung konnten Sie im Unterricht bereits beobachten? Tragen Sie zusammen.

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Schulpädagogik

4.1 Begriffliches

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Alternativbezeichnungen

Das regulierende Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung begegnet Ihnen unter einer Vielzahl unterschiedlicher Namen: • Prinzip der • Prinzip der Leistungssicherung Erfolgssicherung • Prinzip der • Prinzip der Übung Erfolgsbestätigung • Prinzip der Sicherung • Prinzip der Effektivität Gerade in jüngerer Vergangenheit wurde diese Sammlung um den Begrif Prinzip der Nachhaltigkeit erweitert (Wiater 2012: 88). Dies ist insofern trefend, als das Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung nachhaltigen Wissenszuwachs sicherstellen soll. Im Folgenden wird der Begrif Ergebnissicherung verwendet, wobei unter dieser alle didaktischen Maßnahmen verstanden werden, die das Ziel verfolgen, das Ergebnis erfolgreicher Lernprozesse nachhaltig zu machen. Ergebnissicherung dient also dazu, dass das von den Schülerinnen und Schülern erworbene Wissen, Kompetenzen, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen langfristig verfügbar sind und bei Bedarf abgerufen werden können. Wiater bringt in seiner Deinition noch einen weiteren Aspekt zum Ausdruck:

Deinition Ergebnissicherung

Mit dem Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung wird zum Ausdruck gebracht, dass bei der Unterrichtsplanung sowie während und nach der Unterrichtsgestaltung didaktische Maßnahmen vorzusehen sind, die den Erfolg und das Ergebnis des erworbenen Wissens, der erarbeiteten Einstellungen und des erlangten Könnens bei den Schülerinnen und Schülern feststellen und systematisch gegen Vergessen und Verfall absichern. (Wiater 2012: 89)

Alles aufgenommene Wissen, alle Kenntnisse und Fertigkeiten, Techniken, Verhaltensweisen müssen gesichert werden, d. h. sinnvoll wiederholt und geübt werden, um sie einzuprägen und für neue Lernsituationen verfügbar zu machen. (Glötzl 2000: 408)

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4 Regulierendes Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung

Zu häuig stellt sich die Situation in der schulischen Unterrichtspraxis so dar, dass Lehrkräfte zwar großen Wert auf die Sicherung angeeigneten Wissens und konkreter fachlicher Arbeitstechniken legen, jedoch drei weitere Bereiche vernachlässigen: • So sind auch im Unterricht gebildete Einstellungen und Werthaltungen zu sichern. • Auch die individuellen Fortschritte und die Lernentwicklung einer jeden Schülerin und eines jeden Schülers gilt es zu sichern. • Gerade an den weiterführenden Schulen werden fächerübergreifende Lern- und Arbeitstechniken häufig vorausgesetzt, jedoch nur selten eingeübt und gesichert. Nach der erfolgreichen Aneignung von Kompetenzen und Lerninhalten durch die Schülerinnen und Schüler gilt es, diese so zu sichern, dass sie möglichst dauerhaft verfügbar sind. Der Ergebnissicherung kommt somit unter anderem eine wichtige Rolle bei der Förderung der Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler zu. Lernerfolge, erbrachte Leistungen und nachhaltig angeeignete Kompetenzen machen Selbstbild, Individualität und letztendlich Mündigkeit der Heranwachsenden aus.

Bereiche der Ergebnissicherung

Ergebnissicherung als Förderung der Persönlichkeitsentwicklung

4.2 Begründung der Ergebnissicherung Die folgenden Ausführungen gehen in erster Linie auf Wiater (2012: 90-94) zurück.

4.2.1 Anthropologische Begründung • Die Lernfähigkeit des Menschen ist es, die ihn von anderen Lebewesen unterscheidet. Um diese jedoch nutzen zu können, muss Erlerntes nachhaltig gesichert und dauerhaft verfügbar sein. • Die Geschichte zeigt, wie stark Zivilisation und Lebensstandard der Menschen von ihrem nachhaltig vorhandenen und oftmals über Generationen hinweg aufgebauten Wissen und Können abhängen. Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz sind somit Grundlage für eine hohe Lebensqualität. • Erfolgserlebnisse, die aus nachhaltig gesichertem Wissen und Können resultieren, tragen entscheidend zur Persönlichkeitsentwicklung bei. 191

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4.2.2 Psychologische Begründung

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• Das Prinzip der Ergebnissicherung bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu Erfolgserlebnissen, die sich positiv auf weitere Lernprozesse auswirken. • Derartige Erfolgserlebnisse sind aus Sicht der Lernpsychologie unabdingbar. • Auch beim Lernen am Modell ist der Erfolg des Modells ein zentraler Faktor, der darüber entscheidet, ob das gezeigte Verhalten nachgemacht wird oder nicht. • Die Ebinghaussche Vergessenskurve zeigt, wie notwendig Wiederholungen und die damit einhergehende Absicherung gegen Verfall beim Lernen sind.

4.2.3 Pädagogische Begründung • Schon mit Herbart (1776–1841) hielt das Prinzip der Ergebnissicherung Einzug in die theoretischen Überlegungen zu Struktur und Gestaltung von Unterricht. • Ergebnissicherung findet sich bei Herbart sowohl als eigenständige Artikulationsphase als auch als Teil der Erarbeitungsphase. • Roths (1906–1983) Artikulationsschema mit Tun und Ausführen, Behalten und Ausüben sowie Bereitstellen, Übertragung und Integration umfasst sogar drei Phasen, die der Ergebnissicherung dienen.

4.2.4 Soziologisch-gesellschaftliche Begründung • Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist stärker noch als je zuvor eine Wissensgesellschaft und somit eine Lerngesellschaft, in der einmal erworbenes Wissen nachhaltig behalten werden muss. • Neue Technologien, Berufswelt und Privatleben erfordern lebenslanges Lernen, das auf dem schulisch vermittelten Wissen aufbaut. • Schule und Lehrkräfte stehen heute stärker als je zuvor im Fokus der Öffentlichkeit. Ihre Leistungen werden mittels einer Vielzahl nationaler und internationaler Vergleichstests gemessen.

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4.2.5 Schulpädagogische Begründung • Einmal Gelerntes muss nachhaltig behalten werden, um auf diesem aufbauen und dieses erweitern zu können. • Nur über Leistungsfeststellungen können der Erfolg von Unterricht, die Fortschritte der Schülerinnen und Schüler sowie die Effektivität einzelner Maßnahmen bewertet werden. Nur Leistungsfeststellungen ermöglichen gezielte Förder- und Differenzierungsmaßnahmen. • Ergebnissicherungen geben den Lernenden Rückmeldung über den Erfolg ihrer Lernprozesse und nehmen diese somit in die Verantwortung, ihr individuelles Lernen sinnvoll zu gestalten. • Ein Lernprozess ohne Ergebnissicherung bleibt unvollständig und nutzlos. Investierte Zeit, Energie und Geld ließen sich besser verwenden.

4.3 Realisierung des Unterrichtsprinzips Ergebnissicherung Für ein nachhaltiges Behalten des Gelernten ist bereits die Unterrichtsphase der Informationserarbeitung oder -darbietung von Bedeutung. Hier sind unter anderem die Unterrichtsprinzipien Motivation, Selbsttätigkeit, Anschauung, Diferenzierung sowie Schülerorientierung zu berücksichtigen. Die eigentliche Ergebnissicherung kann dann prinzipiell schriftlich, mündlich oder praktisch stattinden. Dabei muss es Ziel der Lehrkraft sein, die Lernenden beim Aufbau von Wissensnetzen und der Integration des neu Gelernten in ihr Vorwissen zu unterstützen.

Verbindung zu anderen Unterrichtsprinzipien

Möglichkeiten

4.3.1 Formen der Ergebnissicherung Köck (2005: 393f.) nennt als ersten Schritt nachhaltiger Ergebnissicherung das Wiederholen des Erlernten, wobei dies je nach Unterrichtsinhalt zwei unterschiedlichen Zwecken dienen kann (vgl. Abbildung 20).

Wiederholen

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Schulpädagogik

Abb. 20 | Formen der Ergebnissicherung

Einprägen

Üben

Automatisieren

Anwenden

Transferieren

Unterscheidungen Transfer

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1. Zielsetzung kann das Einprägen von deklarativem Wissen wie Daten, Fakten oder Vokabeln sein, um dieses in genau der erlernten Form langfristig zu speichern und bei Bedarf abrufen zu können. 2. Verfolgt die Wiederholung hingegen den Zweck des Übens von Abläufen und Fertigkeiten, geht es dabei um eine Qualitätssteigerung. Das Wiederholen an sich stellt die Voraussetzung für das Automatisieren, Anwenden und Transferieren des neu erworbenen Wissens und Könnens dar. Beim Automatisieren verinnerlicht der Lernende Verhaltensweisen oder den Abruf von Wissen so stark, dass dies auf einen Schlüsselreiz hin einerseits fehlerfrei und andererseits ohne bewusste Überlegung realisiert werden kann. Beim Anwenden indet eine Vertiefung dahingehend statt, dass das Erlernte in Bezug zur Praxis gesetzt wird. Es wird in alltagsnahen Situation eingesetzt. Die große Stärke des Anwendens liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler einerseits den praktischen Nutzen des Erlernten sehen und andererseits eine Rückmeldung erhalten, ob sie das Gelernte tatsächlich beherrschen. Transferieren stellt zwar auch ebenso wie das Anwenden eine Vertiefung dar, unterscheidet sich von diesem jedoch dahingehend, dass das Gelernte hier nicht auf praktische Situationen übertragen wird, sondern auf neue, aber vergleichbare Situationen. Dabei sind nach Gold und Hasselhorn (2017) folgende Unterscheidungen üblich: • positiver vs. negativer Transfer • horizontaler vs. vertikaler Transfer • liberaler vs. figuraler Transfer • spezifischer vs. unspezifischer Transfer • proximaler vs. distaler Transfer • automatischer vs. bewusster Transfer

4 Regulierendes Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung

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4.3.2 Wiederholungsstunden Dienen, wie in der Praxis häuig zu beobachten, ganze Unterrichtsstunden dem Zweck der Ergebnissicherung, so sind drei Aspekte besonders zu berücksichtigen: 1. Zunächst gilt es, den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln, um die potenzielle Lernleistung realistisch einschätzen zu können. Sinnvoll dazu ist der Einsatz von Schülerbeobachtungen und Leistungserhebungen (nicht -bewertungen) im Vorfeld. Hier ist die diagnostische Kompetenz der Lehrkraft von Bedeutung. 2. Während der Wiederholungs- oder Übungsstunde selbst gilt es, für eine angstfreie, entspannte Atmosphäre zu sorgen, weshalb den Lernenden bewusst zu machen ist, dass keine Leistungsbewertung stattfindet. 3. Des Weiteren sind durchdacht eingeführte Helfersysteme ebenso nützlich wie Möglichkeiten zur Selbstkontrolle, regelmäßige Wechsel der Sozialformen und klare, konsequent eingeforderte Verhaltensregeln. Achten Sie darauf, auch alternative Lösungswege zuzulassen und Ihren Schülerinnen und Schüler nicht Ihren Weg als den einzig richtigen zu vermitteln.

Leistungsstand feststellen

Atmosphäre

Weitere Faktoren

4.4 Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme Die Vielzahl an Nachhilfeinstituten sowie das Klagen vieler Eltern, sie müssten zuhause das in der Schule eigentlich Erarbeitete nachbereiten, zeigt, wie schwierig die praktische Umsetzung des regulierenden Unterrichtsprinzips Ergebnissicherung fällt. Ein zentrales Problem hierbei ist die ungenügende Trennung zwischen Ergebnissicherung und Leistungsbewertung und der generelle Umgang mit Fehlern in der Schule. Dies ist vor allem auf den Zeitdruck zurückzuführen, dem viele Lehrkräfte sich angesichts überfüllter Lehrpläne und des traditionellen 45-min-Rhythmus an deutschen Schulen ausgesetzt fühlen. Befürchten Schülerinnen und Schüler jedoch eine Bewertung ihrer Leistungen, werden sie Fehler von vornherein vermeiden und die Ergebnissicherung nicht tatsächlich nutzen, um Lücken und Unklarheiten aufzudecken und zu schließen und um das Gelernte nachhaltig zu sichern. Vielmehr werden sie im günstigsten Fall Verständnis vorgaukeln und auf eine möglichst gute Note zielen, im ungünstigen Fall Leistungsdruck erleben und Schulangst entwickeln.

Ergebnissicherung ≠ Leistungsbewertung

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Transparente Leistungserwartung

Zentral für die Efektivität der Ergebnissicherung ist die Frage, ob es gelingt, den Schülerinnen und Schülern die Kriterien transparent zu machen, anhand derer ihr Lernerfolg beurteilt wird (vgl. Merkmal transparente Leistungserwartung in Kapitel Schulpädagogik 10).

Zusammenfassung • Das regulierende Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung begegnet Ihnen unter den Bezeichnungen… • Prinzip der Leistungssicherung • Prinzip der Erfolgsbestätigung • Prinzip der Erfolgssicherung • Prinzip der Übung • Prinzip der Sicherung • Prinzip der Effektivität • Prinzip der Nachhaltigkeit • Das Prinzip der Ergebnissicherung stellt sicher, dass didaktische Maßnahmen eingesetzt werden, mit denen die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler nachhaltig und langfristig verfügbar gemacht werden. Diese sind bereits im Vorfeld, bei der Konzeption einer Unterrichtseinheit, zu planen. • Neben Wissen und Arbeitstechniken sind es Einstellungen, Werthaltungen, individuelle Fortschritte und die individuelle Lernentwicklung sowie Lern- und Arbeitstechniken, die zu sichern sind. • Das Unterrichtsprinzip der Ergebnissicherung lässt sich mittels anthropologischer, pädagogischer, soziologisch-gesellschaftlicher und schulpädagogischer Argumente begründen. • Die Nachhaltigkeit der Lernprozesse wird nicht allein durch das Prinzip der Ergebnissicherung gestärkt. Des Weiteren sind die fundierenden Unterrichtsprinzipien sowie die regulierenden Prinzipien Motivation, Selbsttätigkeit, Anschauung, Differenzierung ausschlaggebend. • Zu unterscheiden ist zwischen schriftlicher, mündlicher und praktischer Ergebnissicherung. • Ergebnissicherung kann in Form einer Wiederholung stattfinden, die entweder dem Üben oder aber dem Einprägen dient. Dies kann zu einer Automatisierung des Gelernten führen. Mögliche Vertiefungen sind das Anwenden und das Transferieren des Gelernten. • In der Praxis häufig zu beobachtende Wiederholungsstunden berücksichtigen im Idealfall drei Dinge: 1. Der Wiederholungsstunde geht eine Feststellung des Leistungsstands der Lernenden voraus, damit jede Schülerin und jeder Schüler an ihrem oder seinem individuellen Bedarf arbeiten kann. 196

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4 Regulierendes Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung

2. Es herrscht eine entspannte Arbeitsatmosphäre, die nicht durch die Angst vor schlechten Noten beeinflusst wird. 3. Selbstkontrolle, Helfersysteme und wechselnde Sozialformen, aber auch klare Regeln schaffen einen strukturellen Rahmen. • Der starre 45-Minuten-Rhythmus und weitere schulorganisatorische Bedingungen lassen Lehrkräften häufig nur wenig Zeit für Sicherungsphasen im Unterricht. Deshalb wird dies oft mittels Hausaufgaben an die Elternhäuser oder Nachhilfeinstitute delegiert. Ein Problem stellt auch die nicht immer eindeutige Trennung von Ergebnissicherung und Leistungsbewertung dar. Ein Lernender, der damit rechnet, dass seine Leistung benotet wird, wird alles tun, um Schwächen zu kaschieren und Fehler zu minimieren.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Ergebnissicherung: • Führen Sie dazu eine zitierfähige Definition an. • Ergänzen Sie diese um weitere, in Ihren Augen relevante Aspekte. • Nennen Sie Alternativbezeichnungen. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Übertragen Sie die Mindmap auf ein Flipchart-Papier und ergänzen Sie diese gemeinsam.

3. Notieren Sie die folgenden Begriffe auf Karteikarten oder Zetteln: Ergebnissicherung – Wiederholen – Einprägen – Üben – Anwenden – Vertiefen – Transferieren – Automatisieren. • Bringen Sie diese Kärtchen in einen sinnvollen Zusammenhang und erstellen Sie somit eine Übersicht über das Unterrichtsprinzip Ergebnissicherung. • Finden Sie sich mit einem anderen Studierenden zusammen und stellen Sie sich gegenseitig Ihre Übersichten vor. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Es werden unterschiedliche Arten von Transfer gegeneinander abgegrenzt: • Jedes Gruppenmitglied wählt eines der folgenden Gegensatzpaare und informiert sich über dieses: • positiver vs. negativer Transfer • horizontaler vs. vertikaler Transfer 197

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• liberaler vs. figuraler Transfer • spezifischer vs. unspezifischer Transfer • proximaler vs. distaler Transfer • automatischer vs. bewusster Transfer • Stellen Sie das von Ihnen bearbeitete Gegensatzpaar den anderen Gruppenmitgliedern vor. Dabei dürfen Sie gerne auf Zeichnung an Flipchart oder Tafel zurückgreifen. • Finden Sie anschließend gemeinsam prägnante unterrichtspraktische Beispiele.

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5 Regulierendes Unterrichtsprinzip Anschauung

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5.1 Begriliches 5.2 Begründung des Prinzips der Anschauung 5.3 Umsetzung des Unterrichtsprinzips Anschauung 5.4 Grenzen, Schwierigkeiten, Probleme Das Unterrichtsprinzip Anschauung ist wohl das Prinzip, bei dem die Gedanken Studierender (und häuig auch die fertig ausgebildeter Lehrkräfte) am häuigsten in die falsche Richtung gehen. Veranschaulichung oder Anschauung, das wird einerseits häuig mit visueller Wahrnehmung und andererseits oftmals mit dem Einsatz von Medien im Unterricht in Verbindung gebracht. Beides jedoch ist deutlich zu wenig  – das Unterrichtsprinzip Veranschaulichung oder Anschauung und der Prozess des Gewinnens einer Anschauung umfassen wesentlich mehr. In diesem Kapitel erfahren Sie, … • weshalb die Begriffe Anschauung und Veranschaulichung Unterschiedliches meinen, jedoch häufig synonym verwendet werden. • wie sich das Unterrichtsprinzip Anschauung begründen lässt. • welche Möglichkeiten Sie haben, um anschaulich zu unterrichten. • welche Fallstricke dabei auf Sie lauern.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Setzen Sie die Begriffe Veranschaulichung und Anschauung in Bezug zueinander: • Was sagt Ihnen Ihr Sprachgefühl? • Wo liegen hier die Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten? • Wo bestehen weitere Zusammenhänge?

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe und tauschen Sie sich vor der Lektüre dieses Kapitels aus: • Wann empfanden Sie Unterrichtsinhalte als besonders anschaulich? • Wie gelang dies der unterrichtenden Lehrkraft? 199

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5.1 Begriffliches Das Unterrichtsprinzip Anschauung wird Ihnen auch unter den Namen Veranschaulichung oder Anschaulichkeit begegnen. Ausschlaggebend für die Wahl des jeweiligen Begrifs  – gerade Schröder (2002: 167) verwahrt sich hier zu recht gegen eine synonyme Verwendung – ist die jeweils zugrundeliegende Perspektive. Zum besseren Verständnis wird erneut Herbarts didaktisches Dreieck abgebildet (vgl. Abbildung 21).

Abb. 21 | Unterrichtsprinzip Anschauung

Sicht der Lehrkraft

Sicht der Schüler

Deinition Veranschaulichung

200

Aus Sicht der Lehrkraft bedeutet das Prinzip der Veranschaulichung, Unterricht so zu gestalten, dass die Lernenden den Lerninhalt mittels ihrer Sinne wahrnehmen können und dieser somit an Anschaulichkeit gewinnt. Dabei bezeichnet Anschauung sowohl den Vorgang, bei dem die Schülerinnen und Schüler einen Lerngegenstand zunächst sinnlich wahrnehmen, um ihn dann denkend zu verarbeiten, als auch dessen Ergebnis. Ziel der Veranschaulichung ist es, Unterrichtsstof so darzubieten, dass die Schülerinnen und Schüler ihn zunächst mittels ihrer Sinnesorgane wahrnehmen und anschließend inhaltlich erfassen und begreifen können. Dies bringt Schröders Deinition auf den Punkt: Veranschaulichung im Unterricht heißt, den Unterrichtsstoff so darbieten, dass die Schüler ihn mit Hilfe ihrer Sinnesorgane und entsprechend ihrer Auffassungsfähigkeit umfassend und zutreffend erkennen können. (Schröder 2002: 167)

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5 Regulierendes Unterrichtsprinzip Anschauung

Für Lehrkräfte bedeutet das Unterrichtsprinzip Anschauung ein Zweifaches: (1) Sie müssen Lernenden ermöglichen, einen Gegenstand oder Sachverhalt mit Hilfe ihrer Sinne wahrzunehmen. Dies geschieht in der Tat meist über den Einsatz von Medien oder Originalen. Würde die Lehrkraft jedoch an dieser Stelle stehenbleiben und sich damit zufriedengeben, bliebe es auf Seiten der Schülerin und des Schülers beim bloßen Hinsehen, Hinhören, taktilen Wahrnehmen etc. (2) Um dies zu vermeiden und der Schülerin und dem Schüler eine wirkliche Anschauung zu ermöglichen, ist es notwendig, dass diese einen Sachverhalt nicht nur mit Hilfe ihrer Sinne wahrnehmen, sondern diesen darüber hinaus verarbeiten und erfassen. Mit anderen Worten: Die äußere Anschauung, die die Schülerin oder der Schüler durch das Wahrnehmen eines Lerngegenstandes mit ihren Sinnen erhält, ist nur ein Mittel, um eine innere Anschauung zu erhalten und eine konkrete Vorstellung des Lerngegenstands zu erhalten. Die gelungene Veranschaulichung beteiligt die Lernenden also in zweierlei Hinsicht am Lernprozess: 1. Die Lernerin oder der Lerner konzentriert ihre oder seine Aufmerksamkeit auf den Lerngegenstand und erfasst diesen mit Hilfe ihrer oder seiner Sinne. 2. Die Schülerin oder der Schüler analysiert und durchdenkt das sinnlich Wahrgenommene, um zu dessen Erkenntnis zu gelangen.

Äußere Anschauung => Innere Anschauung

5.2 Begründung des Unterrichtsprinzips Anschauung 5.2.1 Anthropologische Begründung • Menschliche Erkenntnis baut stets auf Anschauung und sinnlicher Wahrnehmung auf und ist somit „eine Weise des Denkens, die auf Sinneserfahrungen aufbaut“ (Wiater 2012: 42). • In jüngerer Vergangenheit war es Piaget, der die Bedeutung der Anschauung für die kindliche Entwicklung von Denken und Begriffsbildung betont.

201

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5.2.2 Pädagogische Begründung

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Wenngleich die Entwicklung digitaler Medien Lehrkräften ungeahnte Möglichkeiten bietet, Lerninhalte zu veranschaulichen, so spielt das Unterrichtsprinzip Anschauung doch seit Langem eine zentrale Rolle innerhalb pädagogisch-didaktischer Überlegungen. Dies zeigt die Zahl namhafter Pädagogen, auf welche sich derjenige berufen kann, der die Wichtigkeit des Unterrichtsprinzips Veranschaulichung betont: • Comenius formuliert bereits 1657 in dem Werk Große Didaktik seine goldene Regel: „Alles soll wo immer möglich den Sinnen vorgeführt werden, was sichtbar dem Gesicht, was hörbar dem Gehör, was riechbar dem Geruch, was schmeckbar dem Geschmack, was fühlbar dem Tastsinn. Und wenn etwas durch verschiedene Sinne aufgenommen werden kann, soll es den verschiedenen zugleich vorgesetzt werden.“ Dieses Zitat macht deutlich, dass es beim Lehren und Veranschaulichen tatsächlich nicht ausreichend ist, sich auf den Sehsinn zu beschränken. • Im 18. Jahrhundert ist es Pestalozzi, der das Unterrichtsprinzip der Anschauung als absolutes „Fundament aller Erkenntnis“ (1801: 305) bezeichnet. • Zu gleicher Zeit wird Basedow aktiv, der mit seinem Elementarwerk ein Schulbuch schafft, das dem Prinzip der Anschauung dadurch Rechnung trägt, dass es die unterschiedlichsten Lerngegenstände in Kupferstichen darstellt.

5.2.3 Psychologische Begründung • Schulischer Unterricht ist oftmals stark kognitiv orientiert und spricht nur selten die Sinne und Gefühle der Schülerinnen und Schüler an. Dies jedoch vermag eine stärkere Berücksichtigung des Prinzips Anschauung zu ändern. • Aus dem Bereich der Gedächtnispsychologie führt Wiater (2012: 44) empirische Studien an, die den Nachteil eines rein auf verbale Vermittlung konzentrierten Unterrichts gegenüber dem Einsatz realer Gegenstände, Modelle, Abbildungen und weiterer Anschauungsmittel belegen. • Auch die Motivationspsychologie legt nahe, dass eine anschauliche Art der Darstellung des Lerninhalts das Interesse und die Motivation der Lerner erhöht. 202

5 Regulierendes Unterrichtsprinzip Anschauung

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5.3 Umsetzung des Unterrichtsprinzips Veranschaulichung Wiater (2012: 47–48) spricht aus schulpädagogischer Sicht Möglichkeiten an, die Veranschaulichungsmittel der Lehrkraft bieten. Davon sind vor dem Hintergrund der Schulpraxis vor allem drei von großer Wichtigkeit: 1. So dient die Veranschaulichung zu Beginn einer Unterrichtseinheit oder -stunde dazu, das Interesse der Schülerinnen und Schüler zu wecken, ihre Aufmerksamkeit auf die Thematik zu lenken und sie dazu zu bringen, mehr über den Sachverhalt lernen zu wollen. Der Veranschaulichung kommt in diesem Fall also Motivationsfunktion zu. 2. Ebenso ist es möglich, durch geeignete Veranschaulichung den Sachverhalt verständlich für die Lernenden zu machen; ihnen sozusagen eine Anschauung zu ermöglichen. Falls nötig bieten Veranschaulichungsmittel wie Schemata und Abbildungen dazu sogar die Möglichkeit der didaktischen Reduktion. In diesem Fall kommt der Veranschaulichung die Funktion der Erkenntnisund Verstehenshilfe zu. Diese Funktion bezeichnet Schröder als „unumstritten“ (Schröder 2002: 169). 3. Als Hilfe zum nachhaltigen Behalten wird Veranschaulichung dann eingesetzt, wenn diese den Lerninhalt strukturiert, zusammenfasst oder in einer Kombination aus Schrift und Bild darstellt. Mindmaps oder besser noch Conceptmaps sind hier gut geeignet. Darüber hinaus bezeichnet Wiater die Veranschaulichung als Baustein der Medienerziehung und misst ihr Bedeutung für die Wahrnehmungsschulung bei. Die Berücksichtigung des Unterrichtsprinzips Anschauung bedeutet für Lehrkräfte einerseits, die geeigneten Anschauungsmittel einzusetzen und andererseits gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern die geeigneten Maßnahmen durchzuführen. Fehlt dieser entscheidende zweite Schritt, indet keine Veranschaulichung statt, sondern der Lehrkraft ist lediglich eine Präsentation oder Visualisierung gelungen. Für eine – nicht immer trennscharfe – Kategorisierung der Anschauungsmittel bietet sich in Anlehnung an Brunnhuber (1995: 43) die Unterscheidung zwischen vier Arten der Anschauungsmittel an: 1. So kann die Wirklichkeit beispielsweise im Rahmen von Unterrichtsgängen und Betriebserkundungen aufgesucht werden.

Interesse wecken

Verständlich machen

Behalten unterstützen

Aufgesuchte Wirklichkeit 203

Schulpädagogik

Hereingeholte Wirklichkeit

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Nachgeahmte Wirklichkeit

Abgebildete Wirklichkeit

2. Lässt sich dies nicht realisieren, besteht die Möglichkeit, die Wirklichkeit in das Klassenzimmer hereinzuholen. Dies geschieht durch den Einsatz tatsächlicher Vertragsunterlagen, Unternehmensbilanzen oder von Diagrammen, die Bestandteil der realen, außerschulischen Welt sind und den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, Ausschnitte daraus direkt zu erfassen. 3. Rollenspiele und Planspiele, aber auch die zunehmend stärker in den Lehrplänen und Stundentafeln integrierten Schülerfirmen bieten Schülerinnen und Schülern die Chance, die Wirklichkeit nachzuahmen. 4. Die Anschauungsmittel, die vermutlich am häufigsten eingesetzt werden, dienen der Abbildung der Wirklichkeit. Bilder, Filme, aber auch Explosionszeichnungen und Ähnliches sind für Lehrkräfte leicht zu beschaffen und erfordern weder finanziellen noch zeitlichen Aufwand. Wichtig bei der Auswahl der Anschauungsmittel ist die richtige Balance. So gilt es einerseits sicherzustellen, dass die originale Begegnung mit dem Lerngegenstand selbst nicht völlig durch Medieneinsatz ersetzt wird, da diese Form der primären Anschauung sehr motivierend sein kann und den Lerngegenstand in unverfälschter Form zeigt. Andererseits sind ein niedriger Abstraktionsgrad und eine große Wirklichkeitsnähe allein noch kein Qualitätskriterium.

Aus der Praxis für die Praxis In diesem Sinne mag der Besuch eines Großraumbüros zwar sehr realitätsnah und konkret sein, doch ist der Einsatz eines wesentlich abstrakteren Organigramms deutlich sinnvoller, wenn Ihre Schülerinnen und Schüler mit den Hierarchieebenen eines Unternehmens vertraut gemacht werden sollen. Orientieren Sie sich als Lehrkraft bei der Entscheidung für Anschauungsmittel an dem Leitsatz: Weniger ist mehr! Denn der Versuch einer Veranschaulichung durch den Einsatz vieler unterschiedlicher Anschauungsmittel führt häufig zu einer Art „Medienschlacht“, die sich jedoch zu stark auf den ersten Schritt, die Gewinnung einer äußeren Anschauung konzentriert, und den viel wichtigeren zweiten Schritt, die Auseinandersetzung mit dem Anschauungsmittel und somit das kognitive Erfassen des Lerngegenstands häufig versäumt.

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5 Regulierendes Unterrichtsprinzip Anschauung

So erfordert der schüler- und zielgemäße Einsatz der genannten Anschauungsmittel von der Lehrkraft zwingend den Einsatz geeigneter Maßnahmen. Hier findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden, die Hilbert Meyer (vgl. Kapitel Schulpädagogik 10) vermutlich auf Ebene der Mikro- und Mesomethodik verorten würde: • Fragen stellen und Impulse setzen • (Beobachtungs-)Aufträge geben • beschreiben und beschreiben lassen • Übereinstimmungen und Kontraste aufzeigen • verknüpfen und vernetzen und viele mehr Führen Sie sich bei der Veranschaulichung von Sachzusammenhängen immer vor Augen, dass Auswahl und Präsentation des geeigneten Anschauungsmittels immer nur der erste Schritt sind. Gelingt Ihnen der zweite Schritt, die Auswahl und Umsetzung der geeigneten Maßnahme nicht, misslingt Ihr Unterfangen. Der Lerninhalt wird für Ihre Schülerinnen und Schüler nicht anschaulich werden.

Mögliche Maßnahmen

5.4 Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme Gerade die bereits angesprochene Entwicklung im Bereich der digitalen Medien stellt nicht nur eine Chance, sondern in mancherlei Hinsicht auch eine Gefahr für den auf Anschauung bedachten Unterricht dar. • Das enorme Potenzial digitaler Medien mag manche Lehrkraft dazu verführen, die tatsächliche Begegnung mit der Wirklichkeit zu scheuen und das Klassenzimmer gemeinsam mit den Lernenden nur selten zu verlassen. • Außerdem ist Veranschaulichung nicht zielführend, wenn diese zur Medienschlacht ausartet, zu einer Übersättigung der Schülerinnen und Schüler führt und diese in eine passive Konsumentenhaltung drängt. Dies ist häufig bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern zu beobachten, die hochengagiert eine Vielzahl an Veranschaulichungsmitteln organisieren, daraus jedoch entweder keine bewusste Auswahl treffen oder auf das Anleiten gezielter Maßnahmen im Umgang mit diesen Mitteln verzichten. • Nicht übersehen werden darf die Gefahr der Manipulation, die medienvermittelter Informationsgewinn generell in sich birgt.

Verringerung der Begegnung mit der Wirklichkeit Medienschlacht

Manipulation

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Schulpädagogik

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Der Versuch einer Veranschaulichung ist auch dann nicht gelungen, wenn dabei das fundierende Unterrichtsprinzip Schülerorientierung nicht beachtet wird und die Schülerinnen und Schüler überoder unterfordert werden. Ebenso ist es möglich, dass die Form der Veranschaulichung der Sache und somit dem Prinzip der Sachgemäßheit nicht entspricht, da sie diese falsch oder verzerrt darstellt.

Zusammenfassung • Das Unterrichtsprinzip Anschauung wird auch als Veranschaulichung oder Anschaulichkeit bezeichnet. Jeder dieser drei Begriffe betrachtet dasselbe Phänomen aus einer anderen Perspektive: • Veranschaulichung nimmt die Perspektive der Lehrkraft ein, die Lerninhalte veranschaulicht. • Anschaulichkeit gewinnt dadurch der Lerninhalt. • Anschauung ist es, was die Schülerinnen und Schüler gewinnen sollen. • Bei der Umsetzung des Unterrichtsprinzips Anschauung ist prinzipiell in zwei Schritten vorzugehen: 1. Zunächst gilt es, den Schülerinnen und Schülern das Erfassen eines Unterrichtsinhalts mittels ihrer Sinnesorgane zu ermöglichen (äußere Anschauung). 2. Im Anschluss daran gilt es, diesen inhaltlich zu erfassen und zu begreifen. • Das Unterrichtsprinzip Anschauung lässt sich mittels anthropologischer, pädagogischer, und psychologischer Argumente begründen. • Aus schulpädagogischer Sicht sind es vor allem drei Ziele, die mit der Veranschaulichung von Lerninhalten verfolgt werden: 1. Zu Beginn einer Unterrichtseinheit oder -stunde dient die Veranschaulichung dazu, Motivation und Interesse der Schülerinnen und Schüler zu wecken. 2. Geeignete Veranschaulichung erleichtert es den Schülerinnen und Schülern, Lerninhalte zu verstehen. 3. Außerdem fördert Veranschaulichung die Nachhaltigkeit von Lernprozessen und dient somit der Ergebnissicherung. • Bei Anschauungsmitteln lassen sich vier Kategorien unterscheiden: 1. Aufgesuchte Wirklichkeit 2. Hereingeholte Wirklichkeit 3. Nachgeahmte Wirklichkeit 4. Abgebildete Wirklichkeit • Gelungene Veranschaulichung erfordert neben dem Einsatz geeigneter Anschauungsmittel auch den Einsatz geeigneter Maßnahmen. • Der Fortschritt im Bereich digitaler Medien bringt große Chancen für die Veranschaulichung mit sich. Dennoch darf Veranschaulichung nicht zum wahllosen Einsatz möglichst vieler Medien werden. Eine solche Medienschlacht mag beeindruckend 206

5 Regulierendes Unterrichtsprinzip Anschauung

sein, trägt jedoch nur wenig zum Lernerfolg bei. Als Lehrkraft gilt es zu beachten, dass die eingesetzten Mittel Schülerinnen und Schüler nicht in eine passive Konsumentenrolle drängen.

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Unterrichtsprinzip Anschauung. Bringen Sie dabei die Begriffe Anschauung, Veranschaulichung und Anschaulichkeit in Zusammenhang. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit zwei anderen Studierenden in der Gruppe. Jedes Gruppenmitglied entscheidet sich für einen der Begriffe Anschauung, Veranschaulichung und Anschaulichkeit: • Finden Sie Argumente, weshalb der einzig sinnvolle Name dieses Unterrichtsprinzip der von Ihnen gewählte Begriff ist. • Tauschen Sie Ihre Argumente aus und entkräften Sie die Argumente der anderen. • Einigen Sie sich in der Gruppe anschließend auf einen der drei Begriffe. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Übertragen Sie die Mindmap auf ein Flipchart-Papier und ergänzen Sie diese gemeinsam:

4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Formulieren Sie Zehn Gebote für anschaulichen Unterricht. Leiten Sie jedes Ihrer Zehn Gebote in Anlehnung an die biblischen Gebote entweder mit „Du sollst …“ oder „Du sollst nicht …“ ein. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Berichten Sie sich gegenseitig von den letzten Unterrichtsstunden, die Sie im Praktikum oder im Rahmen des Studiums erlebt haben. • Wie hat die Lehrkraft oder der Dozent/die Dozentin den Lerninhalt anschaulich gemacht? Inwiefern ist ihm/ihr dies gelungen? • Finden Sie gemeinsam weitere Möglichkeiten, den jeweiligen Lerninhalt anschaulich zu machen. Legen Sie dabei besonderen Wert auf innere und äußere Anschauung. • Klassifizieren Sie die von Ihnen eingesetzten Veranschaulichungsmittel. Wird dabei die Wirklichkeit aufgesucht, hereingeholt, nachgeahmt oder abgebildet? 207

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Schulpädagogik

6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Welche drei schulpädagogischen Funktionen erfüllt Veranschaulichung vorrangig? • Finden Sie für jede der drei Funktionen mehrere schulpraktische Beispiele. 7. Bei der Veranschaulichung von Unterrichtsinhalten können Lehrkräfte an Grenzen oder auf Schwierigkeiten stoßen. • Was könnten solche sein? • Finden Sie für jede genannte Grenze oder Schwierigkeit einen Lösungsansatz oder Ratschlag.

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6 Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung 6.1 Begriliches 6.2 Voraussetzungen für die Diferenzierung im Unterricht 6.3 Möglichkeiten der Inneren Diferenzierung 6.4 Grenzen, Schwierigkeiten und Herausforderungen 6.5 Individualisierung als Sonderfall 6.6 Stichwort Inklusion Als Spiegelbild der Gesellschaft weisen Schulklassen prinzipiell ein hohes Maß an Heterogenität auf. Heterogenität im schulischen Kontext bezeichnet in der Regel die Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf unterschiedliche Faktoren wie Lern- und Arbeitsverhalten, Lernstile, Sprachkompetenz, Erfolgs- und Misserfolgsattribution und viele mehr. Viele deutsche Schulsysteme zeichnen sich durch eine besonders starke Selektion aus. Abgesehen vom immer wieder in der Kritik stehenden und stark zurückgehenden dreigliedrigen Schulsystem sollen Schuleingangsuntersuchungen, Schulen mit unterschiedlichen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten sowie etwaiges Wiederholen einzelner Jahrgangsstufen zu möglichst leistungshomogenen Klassen beitragen. Dieser Überlegung jedoch liegen zwei zweifelhafte Überzeugungen zugrunde: 1. Heterogenität wird als negativ für Unterricht und Lernprozesse gesehen. Außen vor bleiben Überlegungen, wie Heterogenität als Ansatzpunkt für soziales Lernen und Kompetenzaufbau genutzt werden kann. 2. Homogenität erscheint machbar. Da bei den oben aufgezählten Maßnahmen jedoch immer nur ein einzelnes Kriterium – meist die Leistungsfähigkeit  – ausschlaggebend ist, werden weitere Kriterien wie Interessen, Sprachkompetenz und Motivation vernachlässigt. Dieser unvermeidbaren Heterogenität trägt das Unterrichtsprinzip Diferenzierung Rechnung. Da dieses eng verwandt mit den hinter den Begrifen Individualisierung und Inklusion stehenden Konzepten ist, werden auch diese im folgenden Kapitel thematisiert. In diesem Kapitel erfahren Sie, … • woher der Begriff Differenzierung stammt und was genau er bezeichnet. 209

Schulpädagogik

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• weshalb dieses Prinzip so wichtig ist. • welche Umsetzungsmöglichkeiten Sie als Lehrkraft haben. • wo Sie vermutlich an Grenzen und auf Schwierigkeiten stoßen werden. Darüber hinaus setzt dieses Kapitel sich mit den verwandten Konzepten Individualisierung und Inklusion auseinander.

Reflexionsaufgaben Führen Sie sich eine Klasse vor Augen, in der Sie ein Praktikum gemacht haben. Alternativ erinnern Sie sich an Ihre eigene Schulklasse: • Welche unterschiedlichen Charaktere waren in dieser Klasse vorhanden? • Welche unterschiedlichen kognitiven und motivationalen Lernvoraussetzungen brachten die Schülerinnen und Schüler mit? • Durch welche weiteren unterrichtsrelevanten Faktoren unterscheiden sich die Schülerinnen und Schüler voneinander?

6.1 Begriffliches Zurückgehend auf das Lateinische diferentia (Unterschiede, Verschiedenheit) bzw. diferre (verschieden sein) besagt das Unterrichtsprinzip der Diferenzierung, „dass die Heterogenität der Schüler einer Lerngruppe oder Klasse schul- und unterrichtsorganisatorisch berücksichtigt werden soll“ (Wiater 2012: 28). Es gilt, Schülerinnen und Schüler hinsichtlich Alter und Entwicklungsstand, körperlichen und psychischen Voraussetzungen, Lernvoraussetzungen und Lernstilen, Sprach- und Handlungskompetenz sowie hinsichtlich vieler weiterer Faktoren zu unterscheiden und entsprechend zu fördern. Bei einem genauen Blick auf Wiaters Deinition fällt die explizite Nennung schul- und unterrichtsorganisatorischer Diferenzierung auf. Diese Unterscheidung wird auch in der Deinition von Klafki und Stöcker deutlich: Deinition Diferenzierung

210

Innere Differenzierung meint dabei all jene Differenzierungsformen, die innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse oder Lerngruppe vorgenommen werden, im Unterschied zu allen Formen sog. äußerer Differenzierung, in der Schülerpopulationen nach irgendwelchen Gliederungs- oder Auswahlkriteri-

6 Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung

en – zum Beispiel den Gesichtspunkten unterschiedlicher Leistungsniveaus oder unterschiedlicher Interessen – in Gruppen aufgeteilt werden, die räumlich getrennt und von verschiedenen Personen bzw. zu verschiedenen Zeiten unterrichtet werden.

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(Klafki und Stöcker 1991: 173)

Abb. 22 | Differenzierung (eigene, gekürzte Darstellung nach Wiater 2012: 29)

Über die Unterscheidung in schul- und unterrichtsorganisatorische Maßnahmen hinaus werden in Abbildung 22 drei unterschiedliche Diferenzierungsformen deutlich: 1. Die Differenzierung auf Schulebene betrifft zunächst Schulart und Struktur der Schule selbst und wird als interschulische Differenzierung bezeichnet. Dabei werden Schülerinnen und Schüler vor allem anhand des Kriteriums Leistungsfähigkeit unterschiedlichen Schularten zugewiesen (traditionell Haupt-/Mittelschule, Realschule und Gymnasium). Die Lehrkraft betrifft diese Form der äußeren Differenzierung nur indirekt, als sie durch die Vergabe von Noten und Berechtigungen die Zusammensetzung der Klasse steuert. 2. Zweite Form der äußeren Differenzierung ist die intraschulische Differenzierung. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler innerhalb ein und derselben Schule auf unterschiedliche Kurse aufgeteilt. Dies kann zwar ebenfalls anhand der erbrachten Schulleistung geschehen, doch finden sich häufig Wahlfächer und Wahlpflichtfächer, die Schülerinnen und Schüler nach eigenen Interessen wählen. Auch der religions- und konfessionsgebundene Unterricht stellt eine Form der intraschulischen Differenzierung dar. 3. Innere Differenzierung oder Binnendifferenzierung hingegen erfolgt klassenintern und fällt somit vorrangig in den Aufgaben-

Diferenzierung auf Schulebene

Diferenzierung innerhalb einer Schule

Diferenzierung in einer Klasse 211

Schulpädagogik

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bereich der Lehrkraft. Nach Schröder (2002) betreffen derartige Differenzierungsmaßnahmen innerhalb einer Lerngruppe entweder die Fähigkeiten oder Interessen der Schülerinnen und Schüler (vgl. Schröder 2002: 186).

6.2 Voraussetzungen für die Differenzierung im Unterricht Diagnostische Kompetenz

Schülergemäße und zielführende innere Diferenzierungsmaßnahmen berücksichtigen unterschiedliche Aspekte der einzelnen Schülerinnen und Schüler sowie der Klasse als Gesamtes. Dies stellt hohe Anforderungen an die Lehrkraft (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext 2), die einerseits die eigenen Schülerinnen und Schüler intensiv beobachten und gut kennen und andererseits den Lerngegenstand genauestens analysieren muss. Zu bedenken sind vor allem vier in Tabelle 12 aufgeführte Faktoren.

Tabelle 12 | Voraussetzungen

kognitive Lernvoraussetzungen

motivationale Lernvoraussetzungen

emotionale Lernvoraussetzungen

inhaltliche Bedingungen

Wie ist es um die kognitive Leistungsfähigkeit der einzelnen Schülerinnen und Schüler bestellt?

Wo bieten sich Anknüpfungspunkte zur Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler?

Wie ist es um die Lehrer-Schüler-Beziehung bestellt (vgl. Kapitel Pädagogik 7)?

Wo bietet der Lerngegenstand Anknüpfungspunkte für weiteres Lernen stärkerer Schülerinnen und Schüler?

Wie ausgeprägt ist das Denkvermögen?

Wie ist es generell um die Motivation der Klasse/Schülerinnen und Schüler bestellt?

Wie kann das Klassenund Schulklima positiv beeinlusst werden (vgl. Kapitel Weitere Aspekte 1)?

Womit sollen sich alle Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen?

Wie steht es um die Problemlösefähigkeit?

Was motiviert die einzelnen Schülerinnen und Schüler?

Welche Schülerinnen und Schüler benötigen besondere Zuwendung?

Welche Aspekte bereiten den Schülerinnen und Schülern Probleme?

Welche unterstützenden Maßnahmen können angeboten werden?

Wodurch würden Interessen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt?

Bei welchen Schülerinnen und Schülern gilt es, Einlüsse des Elternhauses zu kompensieren?

Welche unterstützenden Maßnahmen können angeboten werden?

212

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6 Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung

Abgesehen von der diagnostischen Kompetenz der Lehrkraft benötig diese gut ausgebildete didaktisch-methodische Kompetenz, um sinnvoll auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen reagieren zu können. Zentral dabei ist die Aneignung eines umfangreichen Fundus an methodischen Möglichkeiten, aus dem passgenau für die einzelnen Schülerinnen und Schüler ausgewählt wird. Die Schülerinnen und Schüler müssen neben Selbstständigkeit und Eigenverantwortung die Einsicht in die Notwendigkeit diferenzierender Maßnahmen haben. Nur wenn diese sich auf speziell auf sie zugeschnittene Aufgaben einlassen, können Diferenzierungsmaßnahmen Erfolg haben. Darüber hinaus sind grundlegende Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben oder kommunikative Kompetenz vorteilhaft bis zwingend notwendig. Auf schulischer und organisatorischer Ebene muss berücksichtigt werden, dass diferenzierende Maßnahmen häuig nicht nur in der Vorbereitung hohen zeitlichen Aufwand für Lehrkräfte bedeuten, sondern häuig auch eine Vielzahl vorhandener Materialen benötigen.

Didaktischmethodische Kompetenz

Voraussetzungen bei Schülerinnen und Schüler

Schulische und organisatorische Voraussetzungen

Aus der Praxis für die Praxis Wie stark die materiellen Gegebenheiten die Differenzierung beeinflussen können, zeigt das folgende Beispiel aus dem Sportunterricht: Hier standen der unterrichtenden Lehrkraft für 17 Schüler lediglich zwei funktionstüchtige Bälle zur Verfügung. Dies schränkt (sinnvolle) Differenzierungsmöglichkeiten enorm ein und verunmöglicht einen Unterricht, der allen Lernenden gerecht wird.

6.3 Möglichkeiten der Inneren Differenzierung An dieser Stelle soll eine Konzentration auf die Möglichkeiten der inneren Diferenzierung stattinden, da diese die Primäraufgabe der Lehrkraft ist. Klafki und Stöcker (1985: 128f.) unterscheiden dabei zwei Grundformen: 1. Wenn alle Schülerinnen und Schüler die identischen Inhalte auf dem gleichen Niveau beherrschen sollen, ist eine ziel- und inhaltsgleiche Differenzierung durch Methoden und Medien möglich. Dies kann notwendig sein, da grundsätzlich natürlich jede Schülerin und jeder Schüler ein gewisses Basiswissen und -können (Fundamentum) aufbauen sollte, ein verbindliches Mi-

Inhaltsgleiche Diferenzierung

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Schulpädagogik

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Diferenzierung der Ziele und Inhalte

nimum an Kompetenzzuwachs erreichen sollte. Dazu können individuell ausgewählte Methoden und Medien motivierend beitragen. 2. Wenn dies nicht notwendig ist, können unter besonderer Berücksichtigung der Interessen und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler Inhalte und Ziele variiert werden. Das heißt, es findet eine Differenzierung der Ziele und Inhalte statt, um zusätzlich zum verbindlichen Minimum an Kompetenzzuwachs weiteren Kompetenzzuwachs (Additamentum) zu ermöglichen. Häuig indet sich in der Literatur eine stärker diferenzierte Darstellung (vgl. bspw. Winkeler 1979: 33 f. oder Memmert 1995: 68): 1. Differenzierung nach Lerngegenständen 2. Differenzierung in der Aufgabenstellung (u.a. hinsichtlich Anzahl, Umfang, Zeitaufwand) 3. Differenzierung in den Methoden 4. Differenzierung durch Unterrichtsmedien 5. Differenzierung durch Sozialformen 6. Differenzierung in der Lehrerrolle und Lehrerhilfe 7. Differenzierung nach Lernwegen 8. Differenzierung nach Quantität und Qualität der Aufgaben

6.4 Grenzen, Schwierigkeiten und Probleme Organisatorische und methodischdidaktische Herausforderungen

Motivationale Herausforderungen

214

Auf organisatorischer und methodisch-didaktischer Ebene fordert sinnvolle Diferenzierung vor allem diagnostische, didaktisch-methodische und Klassenführungskompetenz der Lehrkräfte, da ausgehend von den Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler einerseits unterschiedliche inhaltliche und methodisch-mediale Angebote geschafen und didaktisch geplant und aufbereitet werden wollen und andererseits unter organisatorischem Aspekt das Lernen der gesamten Schulklasse und ihr Verständnis als Einheit zu fördern sind. Diferenzierung und Individualisierung sind der Motivation der Lernenden abträglich, wenn diesen das dahinterstehende Ziel nicht einsichtig gemacht werden kann. So bestehen unterschiedliche Gefahren: • So empfindet der Leistungsstarke quantitative und qualitative Differenzierung unter Umständen als Bestrafung, da seine Leistungsfähigkeit zusätzliche oder aber anspruchsvollere Arbeiten nach sich zieht.

6 Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung

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• Der Leistungsschwache hingegen mag qualitative Differenzierung als demütigend empfinden, da er konstant die einfachen, unter Umständen als wenig herausfordernd empfundenen Aufgaben zugeteilt bekommt. Hier sind Fingerspitzengefühl und kommunikativ-konstruktive Fähigkeit der Lehrkraft gefragt. Ein pädagogischer Bezug (vgl. Kapitel Pädagogik 7) und das Aufzeigen der Vorteile sind hier von großer Wichtigkeit. Solange der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler anhand von Noten gemessen wird, werden diese Anstoß zu Diskussionen theoretischer und praktischer Natur bieten. Gerade, wenn im Vorfeld einer Leistungsbewertung eine Diferenzierung hinsichtlich der Lernziele stattindet, drängt sich die Frage nach den Kriterien der Leistungsbewertung geradezu auf. Inwieweit hier soziale Norm, individuelle Norm oder Sachnorm sinnvoll sind, muss mit Ausnahme externer Leistungsfeststellungen jede Lehrkraft für sich entscheiden. Eine Forderung und Förderung der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler durch qualitative Diferenzierung und weiterführende Aufgaben und Materialien kann dazu führen, dass das Leistungsspektrum innerhalb der Klasse zunehmend breiter wird. Gerade wenn die Förderung der Leistungsschwächeren auf sehr niedrigem Anforderungsniveau stattindet, wird diese Schülergruppe zurückbleiben (vgl. Schröder 20022: 196).

Leistungsbewertung

Scherenefekt

6.5 Individualisierung als Sonderfall Diferenzierung dient dazu, eine sehr heterogene Lerngruppe oder Klasse in homogenere Untergruppen zu unterteilen, um diese bestmöglich zu fördern und zu fordern. Bestrebungen, individuelle Lernstile und Lernstrategien unterrichtlich zu berücksichtigen und zu nutzen, treiben dieses Anliegen auf die Spitze. Unter dem Stichwort Individualisierung werden Lehr-Lernprozesse gezielt für einzelne Schülerinnen und Schüler geplant. Wie notwendig dies wird, verdeutlichen die folgenden Schülerbeispiele aus der unterrichtlichen Praxis: • Der Mathematiküberflieger, der sich in der siebten Jahrgangsstufe beim Lösen einfacher x-Gleichungen langweilt, da er in der Freizeit bereits zum Zeitvertreib Abituraufgaben löst.

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Schulpädagogik

• Die Tochter des Schreinermeisters, der gegenüber der Kunstlehrer in Sachen Holzverarbeitung und -bearbeitung kaum einen Erfahrungsvorsprung hat. • Der neu zur Klasse gestoßene Schüler mit Migrationshintergrund, der die deutsche Sprache nur rudimentär beherrscht, seinen Mitschülerinnen und Mitschülern inhaltlich in naturwissenschaftlichen Fächern jedoch schon weit voraus ist. Eine Deinition liefert Schäfers (2009: 42): Deinition Individualisierung

Individualisierung beinhaltet so verstanden die Gestaltung von Lernprozessen, die vom lernenden Subjekt ausgehen und dessen jeweilige Ausgangslage berücksichtigen, anstatt fachliche Inhalte für alle in der gleichen Art und Weise didaktisch aufbereitet vorzugeben.

6.6 Stichwort Inklusion

Deinition Inklusion

Inklusion ≠ Integration

216

Bei dem Stichwort Inklusion handelt es sich um einen Begrif, der in Alltagsmedien, bildungspolitischen Diskussionen und schulpädagogischen Veröfentlichungen erst seit einigen wenigen Jahren vermehrt Erwähnung indet. Anlass hierfür ist die 2009 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention, die den Besuch allgemeiner Schulen in den Status eines Menschenrechts hebt. Dementsprechend bezeichnet Inklusion im Allgemeinen „die Eingliederung von Menschen in bestehende gesellschaftliche Strukturen“ (Dannenbeck 2007: 42) und im konkreten schulpädagogischen Sinne die Eingliederung von Menschen in die schulrelevanten sozialen Einheiten Schultyp und Schulklasse. Für Sie als angehende Lehrkraft bedeutet dies, dass Sie unabhängig von den Fächern, den Jahrgangsstufen und dem Schultyp, für die Sie ausgebildet werden, in Ihrem berulichen Alltag Schülerinnen und Schülern mit Behinderung begegnen werden. Dadurch erhöht sich die Heterogenität einer Schule oder Klasse und die in einer Lerngruppe vorhandenen kognitiven, körperlichen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten variieren stärker. Inklusion jedoch lediglich als Ausweitung der Integration auf Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf und Behinderung in bestehende schulische Einheiten zu betrachten, wird diesem Konzept nicht gerecht. Dies würde erfordern, dass die integrierten Schülerinnen und Schüler sich dem bestehenden System Schule anzu-

6 Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung

passen hätten. Inklusion hingegen erfordert den Wandel von Schule an sich, um von vornherein ein für alle Menschen gemeinsames System zu schafen, das keine Person ausgrenzt.

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Zusammenfassung • Das Wort Differenzierung geht auf das Lateinische Wort differentia zurück, was Unterschied oder Verschiedenheit bedeutet. Als Unterrichtsprinzip meint es, die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler angemessen zu berücksichtigen. Dies kann schulorganisatorisch oder unterrichtsorganisatorisch geschehen. Dabei wird folgendermaßen unterschieden: • Innere Differenzierung oder Binnendifferenzierung bezeichnet die Differenzierung, die innerhalb einer Klasse vorgenommen wird. • Äußere Differenzierung bezeichnet schulorganisatorische Maßnahmen, bei denen Schülerinnen und Schüler nach bestimmten Gesichtspunkten auf unterschiedliche Schulen (interschulische Differenzierung) oder innerhalb einer Schule auf unterschiedliche Kurse (intraschulische Differenzierung) aufgeteilt werden. • Erfolgreiche Differenzierung stellt hohe Anforderungen an diagnostische und didaktisch-methodische Kompetenz der Lehrkraft. Für diese gilt es vor allem kognitive, motivationale und emotionale Lernvoraussetzungen sowie inhaltliche Bedingungen zu berücksichtigen. • Bei der Binnendifferenzierung kann folgendermaßen unterschieden werden: • Bei der Vermittlung von Basiswissen und -können (Fundamentum), das alle Schülerinnen und Schüler beherrschen sollen, findet eine ziel- und inhaltsgleiche Differenzierung statt. • Soll über dieses Basiswissen und -können hinaus zusätzliches Wissen oder zusätzliche Kompetenzen (Additamentum) vermittelt werden, können Inhalte und Ziele von Lernendem zu Lernendem variieren. • Des Weiteren können folgende Differenzierungen unterschieden werden: • Differenzierung nach Lerngegenständen • Differenzierung in der Aufgabenstellung • Differenzierung in den Methoden • Differenzierung durch Unterrichtsmedien • Differenzierung durch Sozialformen • Differenzierung in der Lehrerrolle und Lehrerhilfe • Differenzierung nach Lernwegen • Differenzierung nach Quantität und Qualität der Aufgaben • Innere Differenzierung geht häufig einher mit hohen organisatorischen und methodisch-didaktischen Herausforderungen. Außerdem können sich viele Differenzierungsmaßnahmen negativ auf die Schülerinnen und Schüler auswirken. Führt qualitative Differenzierung dazu, dass die Leistungsunterschiede zwischen starken 217

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Schulpädagogik

und schwachen Lernenden sich vergrößern, spricht man von Schereneffekt. Konsequente Differenzierung erfordert ein Umdenken bei der Leistungsbewertung. • Einen Sonderfall der Differenzierung stellt die Individualisierung dar. Hier werden Lehr-Lernprozesse nicht für Schülergruppen, sondern für einzelne Schülerinnen und Schüler geplant. • Inhaltlich eng verknüpft mit der Differenzierung ist die Inklusion. Dies meint im schulischen Kontext vor allem, dass an Regelschulen auch Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die bislang Förderschulen besuchten.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Differenzierung: • Gehen Sie dabei auf den Ursprung dieses Wortes ein. • Unterscheiden Sie dabei auch zwischen innerer und äußerer sowie zwischen interschulischer und intraschulischer Differenzierung. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Was benötigt eine Lehrkraft, um erfolgreich zu differenzieren? Diskutieren Sie. • Unterscheiden Sie dabei unterschiedliche Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Versuchen Sie sich gemeinsam an einer Definition der Begriffe Fundamentum und Additamentum. • Sammeln Sie sowohl für Fundamentum als auch für Additamentum konkrete Unterrichtsinhalte aus den von Ihnen studierten/unterrichteten Fächern. • Begründen Sie, weshalb Sie einen Inhalt als Bestandteil des Fundamentums oder des Additamentums ansehen. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Es werden unterschiedliche Differenzierungsarten voneinander abgegrenzt. Jedes Gruppenmitglied wählt eine der folgenden Differenzierungsformen und findet konkrete schulpraktische Beispiele für diese: • Differenzierung nach Lerngegenständen • Differenzierung in der Aufgabenstellung • Differenzierung in den Methoden • Differenzierung durch Unterrichtsmedien • Differenzierung durch Sozialformen • Differenzierung in der Lehrerrolle und Lehrerhilfe • Differenzierung nach Lernwegen • Differenzierung nach Quantität und Qualität der Aufgaben Stellen Sie die von Ihnen gesammelten Beispiele der Gruppe vor und diskutieren Sie diese. 218

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6 Regulierendes Unterrichtsprinzip Differenzierung

5. Differenzierungsmaßnahmen bergen die Gefahr des Schereneffekts in sich: • Erläutern Sie den Begriff Schereneffekt. • Finden Sie Möglichkeiten, diesem Schereneffekt entgegenzuwirken. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Studieren Sie folgendes Zitat der Mutter einer Schülerin und versetzen Sie sich in die Rolle der Lehrerin, der gegenüber dieser Satz geäußert wurde: Meine Tochter ist nicht als Hilfslehrerin für Behinderte in der Schule. Sie ist hier, um möglichst viel zu lernen. Lernschwache und körperlich behinderte Schüler gehören auf Sonderschulen. • Bestimmen Sie den Begriff Inklusion. • Sammeln Sie Argumente, weshalb auch die Tochter der zitierten Mutter von Inklusion profitiert. • Führen Sie gemeinsam ein Rollenspiel durch, in dem ein Studierender den Part der Lehrerin übernimmt, ein anderer den der Mutter.

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7 Unterrichtsmethoden 7.1 Begriliches 7.2 Unterrichtsmethoden auf drei Ebenen 7.3 Erwerb von Methodenkompetenz Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

Wurde bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, dass einzelne Begrife in der Schulpädagogik weder eindeutig noch einheitlich geklärt sind und verwendet werden, so tritt dieser Umstand bei dem häuig gebrauchten Begrif Unterrichtsmethoden besonders stark zutage. Hier formulieren Bojan Adl-Amini und Hilbert Meyer: Die Unterrichtsmethode ist nach wie vor das Stiefkind der Erziehungswissenschaft. (Adl-Amini 1993 in Saalfrank 2011: 61)

In der unterrichtsmethodischen Literatur herrscht ein erhebliches begriffliches Durcheinander. […] Am besten erarbeiten Sie sich ein eigenes Methodenverständnis und eine dazu passende Arbeitsdefinition. (Meyer 2011b: 109)

Für Sie als Lernende und Studierende ist dies selbstverständlich keine angenehme Situation. Dennoch existieren zwei zentrale Aspekte, die Sie auch vor dem Hintergrund zu erbringender Leistungsnachweise beruhigen sollten: 1. Dass selbst Hilbert Meyer Unterrichtsmethoden nicht fassen kann, ist Ihren Dozierenden bekannt – und somit auch das Problem an sich. 2. Wie an so vielen Stellen der Schulpädagogik helfen Alltagsverständnis, Sprachgefühl und gesunder Menschenverstand. Eine Vorstellung der Begriffe Unterricht und Methode haben Sie sicherlich  – und dies wird Ihnen an dieser Stelle entscheidend weiterhelfen. Darüber hinaus – und dies wäre ein möglicher dritter Aspekt – ist es Ziel dieses Kapitels, Ihnen eine Orientierung zu ermöglichen. Dazu … • grenzt es den Begriff Unterrichtsmethode ein und bemüht sich um seine Klärung. • zeigt es Hilbert Meyers Drei-Ebenen-Modell für die von Lehrkräften eingesetzten Methoden auf. 220

7 Unterrichtsmethoden

• geht es auf das Methodenlernen der Schülerinnen und Schüler ein.

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Reflexionsaufgabe Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden: • Welche Begriffe assoziieren Sie mit dem Begriff Unterrichtsmethode? Erstellen Sie auf einem Flipchart-Papier gemeinsam eine Mindmap. • Stellen Sie in Einzelarbeit eigene Definitionen des Begriffs Unterrichtsmethode auf. • Vergleichen und diskutieren Sie die Definitionsversuche.

7.1 Begriffliches Wenden wir uns, bevor die eine oder andere gängige Deinition für den Begrif Unterrichtsmethode angeführt wird, dem alltäglichen Sprachverständnis zu und ziehen zunächst ganz bewusst Wikipedia zu Rate: • So bezeichnet das Wort Methode entweder „eine bestimmte Art des Handelns“ oder „ein planmäßiges, systematisches Verfahren zur Erreichung eines Ziels“ (Wikipedia). • Unterricht hingegen bezeichnet „die regelmäßige und systematische Vermittlung von Wissen durch einen Lehrer an Schüler“ (Wikipedia).

Alltagsverständnis

Ausgehend von diesen für (angehende) Lehrkräfte nicht wirklich zufriedenstellenden Deinitionen lässt sich festhalten, dass Unterrichtsmethoden scheinbar das Handeln der Lehrkraft und die planmäßigen Verfahren bezeichnen, mit denen Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern Wissen vermitteln (wollen). Die Schwachstelle eines derartigen Begrifsverständnisses zeigt ein Vergleich mit zwei schulpädagogischen Deinitionen: Methoden sind Lehr-Lern-Wege, die der Lehrer/die Lehrerin für die Klasse/Lerngruppe vorverlegt und die die Schülerinnen/ Schüler ‚nachgehen‘, ‚mitgehen‘, ‚miteinander gehen‘ oder ‚alleine gehen‘.

Deinition Unterrichtsmethode

(Wiater 2015: 171)

221

Schulpädagogik

Unterrichtsmethoden sind die Formen und Verfahren, mit denen sich die Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, die sie umgebende natürliche und gesellschaftliche Wirklichkeit unter Beachtung der institutionellen Rahmenbedingungen der Schule aneignen. Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

(Meyer 2011b: 109)

Beide Fachdeinitionen unterscheiden sich vor allem in einem ganz entscheidenden Punkt von der zuvor angeführten allgemeinsprachlichen: Sowohl Wiater als auch Meyer sehen Unterrichtsmethoden nicht nur in der Hand der Lehrkräfte, sondern auch in der Hand der Schülerinnen und Schüler. Dies erscheint vor dem Hintergrund eines zeitgemäßen, schüleraktiven und stellenweise geöfneten Unterrichts nicht nur sinnvoll, sondern auch zwingend. Gudjons (2006: 28) bringt dies auf den Punkt: Entwicklung

Die Entwicklung der Methodenkultur in den letzten Jahrzehnten … betont offene, schüleraktive, freie, lebensnahe, handlungsorientierte u.a. Elemente und umfasst eine kaum noch zu systematisierende Fülle. Gudjons (2006: 28)

Dort, wo Unterricht sich loslöst von der starren Lehrerzentrierung und Schülerinnen und Schüler selbsttätig arbeiten und individuelle Lernprozesse gestalten, müssen Unterrichtsmethoden auch die von ihnen angewandten Wege und Irrwege bezeichnen. Diese Methoden in Schülerhand sind sowohl Mittel als auch Ziel schulischen Lernens und werden deshalb unter dem Stichpunkt Erwerb von Methodenkompetenz ausdiferenziert.

7.2 Unterrichtsmethoden auf drei Ebenen Im Rahmen dieses Kapitels indet eine Beschränkung auf den Systematisierungsversuch Hilbert Meyers statt, da dieser der wohl am weitesten verbreitete ist und da Meyers Systematisierung „keine künstliche Trennung“ (Saalfrank 2011: 62) zwischen Sozialformen und Handlungsformen vornimmt, sodass sein Ansatz vor allem dem Praktiker eine gute Handreichung ist. Hilbert Meyer (2012: 45) ordnet Unterrichtsmethoden drei verschiedenen methodischen Ebenen zu: 222

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7 Unterrichtsmethoden

• Mikromethodik • Mesomethodik • Makromethodik

3 Ebenen

Auf der untersten Ebene der Mikromethodik inden sich sämtliche Inszenierungstechniken – „vielleicht 1000 Stück“ (Meyer 2012: 45). Selbstverständlich erhebt seine Darstellung hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit, nennt jedoch unter anderem die folgenden: • zuhören • antworten • verlangsamen • zeigen • vormachen • provozieren

1. Ebene: Mikromethodik

Bei diesen Inszenierungstechniken handelt es sich um „verbale und nonverbale, mimische, gestische, körpersprachliche Verfahren zur Aneignung der Wirklichkeit“ (Saalfrank 2011: 62). Auf der mittleren Ebene der Mesomethodik inden sich Sozialformen, Handlungsmuster und Verlaufsformen: • Bezüglich der Sozialformen Einzel-, Partner-, Gruppen- und Plenumsarbeit sei an dieser Stelle lediglich auf das Kapitel Schulpädagogik 8 verwiesen. • Unter dem Stichwort Handlungsmuster finden sich beispielsweise Vortrag, Lehrergespräch oder Textarbeit und somit die eingesetzten Lehr- und Lernformen. • Darüber hinaus finden sich auf Ebene der Mesomethodik die Verlaufsformen und somit die Artikulationsschemata, die Sie aus den von Ihnen studierten Fächern kennen und die je nach Fachdidaktik, Dozierendem und Autor variieren, sich jedoch fast ausnahmslos am Dreischritt Einstieg – Erarbeitung – Sicherung orientieren.

2. Ebene: Mesomethodik

Große Verwirrung unter Studierenden stiftet erfahrungsgemäß die Auseinandersetzung mit den methodischen Großformen oder Grundformen des Unterrichts auf Ebene der Makromethodik. Hier zählt Hilbert Meyer (2012: 45) prinzipiell fünf Großformen auf: 1. Lehrgänge: Darunter versteht Meyer den in Regelschulen vorherrschenden Klassen- oder Fachunterricht, in dem eine Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler einer Klasse vor allem frontal unterrichtet.

3. Ebene: Makromethodik

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Schulpädagogik

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2. Freiarbeit: Zur Freiarbeit rechnet Hilbert Meyer mit Wochenplanarbeit, Werkstattlernen und dem Lernen an Stationen verschiedene Varianten des offenen/geöffneten Unterrichts. 3. Bezüglich der Projektarbeit sei an dieser Stelle lediglich auf das Kapitel Schulpädagogik 12 verwiesen. Die Verwirrung kommt dadurch zustande, dass Meyer in weiteren Publikationen nicht näher auf die methodischen Großformen 4 und 5 eingeht, die in seiner Abbildung von 2004 die drei erstgenannten Großformen ergänzen: 4. gemeinsamer Unterricht 5. Marktplatzlernen Diese beiden Großformen scheinen jedoch in seinen Überlegungen keine weitere größere Rolle mehr gespielt zu haben.

7.3 Erwerb von Methodenkompetenz Angesichts von Kompetenzorientierung, Selbsttätigkeit und der Zielsetzung lebenslangen Lernens ist es nachvollziehbar, dass unter dem Begrif Unterrichtsmethoden auch die Methoden zu subsumieren sind, die Schülerinnen und Schüler im Unterricht anwenden, um sich die Wirklichkeit zu erschließen und Kompetenzen anzueignen. Schülermethoden lassen sich beispielsweise unterteilen in: • solche, die der Informationsbeschaffung dienen. • solche, die die Zusammenarbeit mit anderen ermöglichen. • weitere, die vor allem dem Absichern neu erworbener Kompetenzen gegen das Vergessen dienen. Ihre Anzahl ist so umfangreich, dass die Darstellung in Tabelle 13 keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Tabelle 13 | Methoden der Schülerinnen und Schüler

Methoden zur Informationsbeschafung

Methoden für das Arbeiten mit anderen

Weitere Methoden

Lesestrategien

Freie Rede

Arbeitsplatzgestaltung

Markieren und Unterstreichen

Aktives Zuhören

Arbeitsplanung

Notizen machen

Konliktmanagement

Strukturieren

Exzerpieren und Zusammenfassen

Fragetechnik

Arbeit mit Lernkartei

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7 Unterrichtsmethoden Methoden zur Informationsbeschafung

Methoden für das Arbeiten mit anderen

Weitere Methoden

Protokollieren

Diskussion und Argumentation

Karteiführung

Beobachten

Metakommunikation

Nachschlagen

Präsentationsmethoden

Nutzung digitaler Medien

Erklären

Literaturtipp Nicht fehlen darf an dieser Stelle selbstverständlich der Hinweis auf zwei Bücher Hilbert Meyers: Meyer, Hilbert. Unterrichtsmethoden I: Theorieband. Berlin Meyer, Hilbert. Unterrichtsmethoden I: Praxisband. Berlin Sollten Sie nicht die Zeit und Muße haben, sich durch zwei umfangreiche Bücher zu kämpfen, bietet sich der folgende Artikel an: Meyer, Hilbert (2004). Was sind Unterrichtsmethoden? Pädagogik, 1, 12–15.

Zusammenfassung • Die Definitionen des Begriffs Unterrichtsmethode variieren sehr stark. Dies geht zumindest teilweise auf die Tatsache zurück, dass sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler bestimmte Methoden einsetzen, um Lernprozesse zu gestalten. Hilbert Meyer definiert Unterrichtsmethoden als „Formen und Verfahren, mit denen sich die Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, die sie umgebende natürliche und gesellschaftliche Wirklichkeit unter Beachtung der institutionellen Rahmenbedingungen der Schule aneignen.“ • Unterrichtsmethoden können auf drei unterschiedlichen Ebenen verortet werden: • Auf Ebene der Mikromethodik finden sich nach Saalfrank „verbale und nonverbale, mimische, gestische, körpersprachliche Verfahren zur Aneignung der Wirklichkeit“ wie beispielsweise Zuhören, Antworten oder Vormachen. • Auf Ebene der Mesomethodik finden sich Sozialformen, Verlaufsformen und Handlungsmuster wie Vortrag, Lehrergespräch oder Textarbeit. • Auf Ebene der Makromethodik sind in erster Linie Lehrgänge (vor allem überwiegend frontal gestalteter Klassenunterricht), verschiedene Varianten des offenen Unterrichts sowie Projektarbeit relevant. • Besonders Augenmerk haben angesichts kompetenzorientierter Lehrpläne und selbsttätigem Lernen die von Schülerinnen und Schülern angewendeten Methoden verdient. Dabei können Methoden unterschieden werden, die … 225

Schulpädagogik

• der Informationsbeschaffung dienen. • die Zusammenarbeit mit anderen ermöglichen. • der Sicherung des Gelernten dienen.

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Nähern Sie sich dem Gegenstandsbereich Unterrichtsmethoden, indem Sie dazu gemeinsam eine Mindmap erstellen. • Integrieren Sie in diese sowohl Informationen aus diesem Kapitel als auch weiteres Wissen, eigene Überlegungen und schulpraktische Beispiele. 2. Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Unterrichtsmethode an. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem weiteren Studierenden. Unterrichtsmethoden lassen sich auf drei unterschiedlichen Ebenen verorten: • Nennen Sie diese Ebenen. • Finden Sie für die auf oberster Ebene angesiedelten Methoden Lehrgänge, Varianten des offenen Unterrichts und Projektarbeit schulpraktische Beispiele. • Finden Sie für die auf mittlerer Ebene angesiedelten Sozialformen schulpraktische Beispiele, in denen diese besonders sinnvoll eingesetzt wurden. • Nennen Sie mindestens acht auf unterster Ebene angesiedelte Inszenierungstechniken und beschreiben Sie gegenseitig, in welchen Unterrichtssituationen Sie diese beobachten konnten oder einsetzen würden. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit andere Studierenden und der Gruppe. Die Methoden der Schülerinnen und Schülern lassen sich folgendermaßen klassifizieren: • Methoden, die der Informationsbeschaffung dienen • Methoden, die die Zusammenarbeit mit anderen ermöglichen • Methoden, die der Sicherung des Gelernten dienen • Nennen Sie für jede der drei Kategorien mindestens acht Beispiele. • Zeigen Sie anhand konkreter schulpraktischer Beispiele, wie diese sinnvoll im Unterricht geschult und eingesetzt werden können.

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8 Lernen in der Gemeinschaft – Sozialformen

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8.1 Begriliches 8.2 Unterscheidung der Sozialformen 8.3 Zusammenschau der Sozialformen 8.4 Wechsel der Sozialformen Nach Hilbert Meyer handelt es sich bei Sozialformen um Unterrichtsmethoden, die auf der Ebene der Mesomethodik anzusiedeln sind. Sie gehören zum grundlegenden Wortschatz und Handwerkszeug einer jeden Lehrkraft und sind dadurch so selbstverständlich für den Unterricht, dass es häuig nicht für notwendig erachtet wird, sie näher zu erläutern (vgl. Meyer 2011a: 76 und Mattes 2011). In diesem Handbuch für angehende Lehrer jedoch darf dies natürlich nicht unterbleiben. Deshalb … • widmet dieses Kapitel sich zunächst der Klärung des Begriffs Sozialformen. • zeigt es danach die unterschiedlichen existierenden Sozialformen auf. • stellt es anschließend die unterschiedlichen Sozialformen im Vergleich dar. • geht es abschließend auf den Wechsel der Sozialformen im Unterricht ein.

Reflexionsaufgaben 1. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Schätzen Sie: Wie viel Prozent des Unterrichts, den Sie als Schülerin oder Schüler erlebt haben, fand in folgenden Sozialformen statt? • Frontalunterricht • Einzelarbeit • Partnerarbeit • Gruppenarbeit • Was meinen Sie, zu welchem Anlass und mit welcher Absicht haben Ihre Lehrkräfte die einzelnen Sozialformen eingesetzt? 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: • Versuchen Sie sich an einer Definition zu jeder der vier in Frage 1 genannten Sozialformen. • Welche Sozialform bereitet Ihnen dabei die meisten Schwierigkeiten? Diskutieren Sie mögliche Gründe. 227

Schulpädagogik

8.1 Begriffliches Deinition Sozialformen

Sozialformen regeln die Beziehungsstruktur des Unterrichts […] und haben […] eine äußere, beobachtbare und eine innere, durch Interpretation zu erschließende Seite.

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(Meyer 2011c: 136)

Sozialformen oder Interaktionsformen sind personenbezogen, sie untergliedern sich nach der Größe der Gesprächsgruppe (Klasse, Kleingruppe, etc.) und der Zusammensetzung der Beteiligten (…mit Lehrer, … ohne Lehrer). (Gonschorek und Schneider: 2005: 232)

Äußere Seite

Innere Seite

Sozialformen haben jeweils eine äußere Seite, die sich dem Beobachter im Klassenraum auf den ersten Blick erschließt, und eine innere Seite, die der Interpretation bedarf. • Die äußere Seite wird durch die zumeist seitens der Lehrkraft festgelegte Sitzordnung (Gruppentische, Blick zu Lehrerpult und Tafel etc.) bestimmt und legt den sozialen Rahmen fest, in dem sich die Schülerinnen und Schüler mit den Unterrichtsinhalten auseinandersetzen. Dieser äußere Rahmen kann den Lernenden mehr oder weniger Spielraum für Veränderungen lassen. • Die Sitzordnung beeinflusst auch die Kommunikations- und Interaktionsstruktur des Unterrichts und somit die innere Seite der Sozialform. Das bedeutet, dass die Lehrkraft allein durch die Sitzordnung stark lenkt, ob und mit wem die Schülerinnen und Schüler kommunizieren, interagieren und kooperieren.

8.2 Unterscheidung der Sozialformen In der Literatur werden in der Regel vier unterschiedliche Sozialformen (vgl. Meyer 2011b: 115f.) unterschieden: • Frontalunterricht oder Plenums-/Klassenunterricht • Einzelarbeit oder Stillarbeit • Partnerarbeit oder Tandemarbeit • Gruppenarbeit oder Gruppenunterricht Vielfältiger Frontalunterricht 228

Gerade bei erstgenannter Sozialform sind die Alternativbezeichnungen besonders wichtig, da Frontalunterricht einerseits stark ne-

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8 Lernen in der Gemeinschaft – Sozialformen

gativ konnotiert ist und häuig mit stupidem, lehrerzentriertem Paukunterricht gleichgesetzt wird und andererseits als alleinige Bezeichnung für einen Unterricht, der mit der ganzen Klasse durchgeführt wird, nicht wirklich trefend ist. Zu unterschiedlich sind hier die Möglichkeiten, die Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Interaktion zu gestalten. Schröder (2002: 88f ) löst dieses Problem, indem er zusätzlich zu den Sozialformen Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit drei weitere auführt. Bei diesen unterscheidet sich zwar die äußere Seite nicht, weshalb die Vorgehensweise prinzipiell nicht sinnvoll ist, doch zeigt sie gut, wie vielfältig sich der Unterricht im Plenum praktizieren lässt: • Als Paradebeispiel eines lehrerzentrierten Unterrichts gilt der Lehrervortrag, bei dem die Lehrkraft im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens steht und Informationen an die Schülerinnen und Schüler vermittelt. Dabei ist keinerlei Interaktion zwischen den Schülerinnen und Schülern erwünscht. • Auch beim Lehrergespräch steht die Lehrkraft im Mittelpunkt des Geschehens. Allerdings vermittelt sie nicht allein Information, sondern stellt Fragen, regt zum Denken an und bezieht die Schülerinnen und Schülern in das Gespräch ein. • Bei der Klassendiskussion kann die Lehrkraft die Gesprächsleitung übernehmen, kann diese jedoch auch in die Hände einer Schülerin oder eines Schülers legen und sich dadurch noch stärker zurücknehmen.

8.3 Zusammenschau der Sozialformen Im Folgenden eine Zusammenschau der unterschiedlichen Sozialformen. Dabei indet eine Konzentration auf Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit statt, da Klassenunterricht, wie auch die bereits ausgeführte Vorgehensweise von Schröder zeigt, zu vielfältig für eine eindeutige Beschreibung ist. Da sich jede einzelne der Sozialformen unterschiedlich einsetzen lässt, erhebt Tabelle 14 keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit.

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Tabelle 14 | Übersicht Sozialformen

Einzelarbeit

Partnerarbeit

Gruppenarbeit

Beschreibung

In Einzelarbeit arbeiten die Schülerinnen und Schüler alleine an einer Aufgabe; der Alternativbegrif Stillarbeit weist bereits darauf hin, dass hier eine Kommunikation unter den Schülerinnen und Schülern nicht gewünscht ist.

In Partnerarbeit arbeiten zwei Schülerinnen und Schüler gemeinsam an einer Aufgabe; meist arbeiten hier Banknachbarn gemeinsam.

In Gruppenarbeiten kooperieren drei bis meist fünf Schülerinnen und Schüler, um gemeinsam eine Aufgabe zu bewältigen; zu unterscheiden sind hier arbeitsgleiche und arbeitsteilige Gruppenarbeiten.

Gruppenbildung

nicht nötig

häuig Nutzung der durch die Sitzordnung vorgegebenen Paarbildung; dadurch jedoch keine sinnvolle, pädagogisch-didaktische Gruppenbildung

• Zufallsprinzip • Leistung • soziale Ziele der Lehrkraft • Sympathie der Schülerinnen und Schüler (Problem der Außenseiter)

Didaktischer Ort, Lernanlass

• in Phasen des Übens, Anwendens und Wiederholens • bei individuellen Arbeitstechniken wie Lesen und Erschließen von Texten oder Konstruktionsaufgaben • bei Aufgaben der Informationsspeicherung (Auswendiglernen von Vokabeln) • bei anstehender Benotung

• häuig in Erarbeitungsphasen • bei anspruchsvollen Aufgaben, die gegenseitige Hilfe erfordern • bei arbeitsteiligen Arbeiten • bei innerer Diferenzierung (starker Schüler hilft schwachem Schüler)

• Aufgaben, die Diskussion, Kommunikation, Inszenierung, Gedankenaustausch etc. erfordern • komplexe Aufgaben und Probleme, die kooperative Bearbeitung erfordern • häuig bei Transferund Anwendungsaufgaben

Vorrangig geschulte Kompetenz

• • • • •

• Hilfsbereitschaft • Kooperationsfähigkeit • Kommunikationsfähigkeit

• Kooperationsfähigkeit • Kommunikationsfähigkeit • Teamfähigkeit • Durchsetzungsvermögen

Konzentration Eigenverantwortung Selbstständigkeit Durchhaltevermögen Zielstrebigkeit

8.4 Wechsel der Sozialform Vielfalt

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Der Frontalunterricht stand lange Zeit stark in der Kritik und galt im Kanon der Sozialformen geradezu als Schmuddelkind, was teilweise in der Forderung „So wenig Frontalunterricht wie möglich!“

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8 Lernen in der Gemeinschaft – Sozialformen

(Meyer 2011b: 116) gipfelte. Ließ dies lange Zeit Lehrkräfte und damit erfahrene Praktiker den Kopf schütteln, so hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Hilbert Meyers Forderung nach einer Methodenvielfalt (siehe auch Kapitel Schulpädagogik 10) folgend, setzen gute Lehrkräfte heute ganz bewusst alle vier Sozialformen ein. Dafür spricht eine Vielzahl unterschiedlicher Gründe: • Der Unterricht wird abwechslungsreicher. • Die Schülerinnen und Schüler werden aktiviert. • Unterschiedliche Kompetenzen werden geschult. • Unterschiedliche Aufgaben erfordern unterschiedliche Sozialformen. • Auch in der außerschulischen Realität ist ein Agieren in unterschiedlichen „Sozialformen“ gefragt.

Vorteile

Aus der Praxis für die Praxis Trotz dieser Vorteile werden nur selten alle Sozialformen in den Unterricht einbezogen. Zu häufig zeigt sich dem Beobachtenden ein Unterricht, der lediglich Plenumsunterricht und Einzelarbeit oder Plenumsunterricht und Gruppenarbeit kombiniert. Hier lässt die Erfahrung unterschiedliche Gründe vermuten: • Die Lehrkräfte fühlen sich methodisch unsicher. • Sie haben in der eigenen Schul- und Hochschulzeit kaum Erfahrungen mit unterschiedlichen Sozialformen gesammelt. • Sie sind nicht flexibel genug, um auf in Gruppenarbeiten unerwartet auftretende Fragen und Probleme zu reagieren. • Sie sind von den Vorteilen einzelner Sozialformen nicht überzeugt. Treffen Sie die Entscheidung für eine bestimmte Sozialform und somit gegen die anderen drei, sollte dies stets bewusst geschehen. Die folgenden Kriterien geben Ihnen dabei Orientierung: • Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler • Lehrer-Schüler-Beziehung • Beziehungen der Schülerinnen und Schülern untereinander • Unterrichtsinhalt und Lernziel • Unterrichtsökonomie • Rahmenbedingungen

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Schulpädagogik

Literaturtipp

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Grundlegendes zum Thema Sozialformen erfahren Sie bei Hilbert Meyer im entsprechenden Kapitel: Meyer, Hilbert. Unterrichtsmethoden I: Theorieband (S. 136–143). Berlin. Stark beeinflusst durch seine eigene Praxiserfahrung an Schulen behandelt Mattes dieses Thema: Mattes, Wolfgang. Methoden für den Unterricht. Braunschweig.

Zusammenfassung • Bei Sozialformen muss zwischen innerer und äußerer Seite unterschieden werden. Die äußere, auf den ersten Blick sichtbare Seite wird durch die Sitzordnung festgelegt. Die innere Seite der Sozialform beschreibt die Art der Kommunikationsstruktur. • Es werden die vier Sozialformen Frontalunterricht, Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit unterschieden. Unterscheidungsmerkmal dabei ist die jeweilige Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die miteinander arbeiten. • Frontalunterricht wird auch als Plenums- oder Klassenunterricht bezeichnet und bietet vielfältige Möglichkeiten der Interaktion innerhalb der Klasse. Sein negatives Image geht darauf zurück, dass er häufig mit stupidem Lehrervortrag gleichgesetzt wird. • Einzelarbeit wird auch als Stillarbeit bezeichnet. Dabei ist eine Interaktion oder Kommunikation der Lernenden untereinander nicht gewünscht. • Partnerarbeit wird auch als Tandemarbeit bezeichnet. Dabei arbeiten zwei Schülerinnen oder Schüler gemeinsam. In der Praxis wird diese Sozialform häufig eingesetzt, um Banknachbarn mit wenig organisatorischem Aufwand zusammen arbeiten zu lassen. • Gruppenarbeit wird auch als Gruppenunterricht bezeichnet. Dabei arbeiten in der Regel drei bis fünf Schülerinnen oder Schüler gemeinsam. • Gerade der Frontalunterricht scheint in mancherlei Hinsicht für Lehrkräfte ein Buch mit sieben Siegeln: • Er ist nicht mehr oder weniger sinnvoll als die anderen Sozialformen, muss nur ebenso durchdacht wie diese eingesetzt werden. Dennoch hat er bei Lehrkräften einen schlechten Ruf. • Trotz dieses schlechten Rufs wird er dennoch besonders häufig eingesetzt. • Ziel jeder Lehrkraft muss ein methodisch vielfältiger Unterricht sein. Dieser kommt automatisch zustande, wenn sich die Auswahl der Sozialform an den Unterrichtsprinzipien Sach-, Ziel- und Schülerorientierung orientiert.

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8 Lernen in der Gemeinschaft – Sozialformen

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Sozialform. • Formulieren Sie dazu eine eigene Definition. • Ergänzen Sie diese um eine zitierfähige Definition. • Gehen Sie in Ihren Ausführungen auch auf die innere und die äußere Seite von Sozialformen ein. • Tauschen Sie Ihre Begriffsbestimmung mit einem anderen Studierenden und geben Sie sich gegenseitig Feedback. Stellen Sie dabei Stärken der einzelnen Definitionsversuche dar und gehen Sie gezielt auf Schwächen ein. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Erstellen Sie auf einem Flipchart-Papier gemeinsam eine Mindmap zum Thema Sozialformen. • Gehen Sie dabei über den Inhalt dieses Kapitels hinaus und erweitern Sie diesen durch Ihr Vorwissen, Ihre Erfahrung und konkrete schulpraktische Beispiele. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem weiteren Studierenden zusammen: • Zu jeder der vier Sozialformen Frontalunterricht, Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit existieren Alternativbezeichnungen. Führen Sie jeweils eine Alternativbezeichnung an. • Erörtern Sie gemeinsam, weshalb es gerade beim Frontalunterricht so wichtig ist, dass eine Alternativbezeichnung existiert. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Übertragen Sie die folgende Tabelle auf ein Flipchart-Papier. Ergänzen Sie dabei mindestens zwei weitere Zeilen mit neuen Kategorien. Einzelarbeit

Partnerarbeit

Gruppenarbeit

Beschreibung Gruppenbildung Didaktischer Ort, Lernanlass Vorrangig geschulte Kompetenz

• Füllen Sie die einzelnen Zellen gemeinsam. Arbeiten Sie dabei stichpunktartig. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Ihre Arbeitsgruppe besteht aus Experten der Schulpädagogik und hat es sich zum Ziel gesetzt, den Frontalunterricht aus seiner Schmuddelecke herauszuholen: • Sammeln Sie Unterrichtsinhalte und Unterrichtsziele, bei denen sich der Frontalunterricht anbietet. • Führen Sie konkrete schulpraktische Beispiele aus, in denen Frontalunterricht sinnvoll eingesetzt wurde. 233

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• Falls möglich: Führen Sie konkrete schulpraktische Beispiele aus, in denen die eingesetzte Sozialform am besten durch Frontalunterricht ersetzt worden wäre. • Formulieren Sie Zehn Gebote für zeitgemäßen Frontalunterricht. Leiten Sie jedes Ihrer Zehn Gebote in Anlehnung an die biblischen Gebote entweder mit „Du sollst …“ oder „Du sollst nicht …“ ein.

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9 Unterrichtsformen mit System

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9.1 9.2 9.3 9.4

Begriliches Darbietende (darstellende) Unterrichtsform Erarbeitende Unterrichtsformen Entdeckenlassende Unterrichtsformen

Generell herrscht innerhalb der Schulpädagogik eine gewisse Unklarheit und Uneindeutigkeit, da die Begrife Unterrichtsformen, Lehrund Lernverfahren, Handlungsmuster und andere von unterschiedlichen Autoren entweder bedeutungsgleich verwendet werden oder aber identische Begrife mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt werden. Selbstverständlich wäre es, wie Köck (2005: 305) anmerkt, aus Sicht der Lehrerausbildung sinnvoll, diesen Gordischen Knoten zu durchschlagen und das Begrifswirrwarr durch eindeutige Deinitionen und Abgrenzungen aufzulösen. Dennoch kann aus schulpraktischer Sicht ebenso angemerkt werden, dass diese Unklarheit in den Begrifen im Schulalltag wenig relevant sein wird. Für Sie als Studierende, die Prüfungen zu bestehen, Kompetenzen aufzubauen und Wissen zu erwerben haben, und für ein Werk wie dieses, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Grundlagenwissen in den Erziehungswissenschaften zu vermitteln, bietet dieser Umstand jedoch nur geringen Trost. Das folgende Kapitel versucht, aus der Not eine Tugend zu machen und … • widmet sich zunächst einer Eingrenzung des Gegenstandsbereichs, der am häufigsten mit Unterrichtsformen bezeichnet wird. • Davon ausgehend wird zwischen Darbietendem, • Erarbeitendem und • Entdeckenlassendem Unterricht unterschieden – hierbei handelt es um die wohl verbreitetste Unterscheidung.

9.1 Begriffliches Unterrichtsformen sind eng verwandt mit Aktionsformen, die aus Lehrakten der Lehrkraft und Lernakten der Schülerinnen und Schüler bestehen, und teilweise sogar gleichgesetzt werden (vgl. Kestler 2015:155f). Häuig gilt auch die in Abbildung 23 dargestellte Formel.

Unterrichtsform = Aktionsform + Sozialform

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Schulpädagogik

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Abb. 23 | Begriff Unterrichtsform

Dieser enge Zusammenhang von Aktionsformen und Sozialformen ist insofern sinnvoll, als eine bestimmte Unterrichtsform nicht nur eine bestimmte Einzelaktivität, einen bestimmten Lehr- oder Lernakt, sondern darüber hinaus auch eine bestimmte Sozialform voraussetzt. So kann die darbietende Unterrichtsform die Aktionsform eines Lehrervortrags umfassen und ist dadurch auf die Sozialform Klassenunterricht angewiesen. In der Regel indet sich in der Literatur eine weiter auszudiferenzierende Grobeinteilung in darbietende, erarbeitende und entdeckenlassende Unterrichtsform (vgl. Einsiedler 1981: 117, Vogel 1978: 23f und 30f). Dabei nimmt die erarbeitende Unterrichtsform eine Sonderrolle ein, da diese häuig als Unterform der darstellenden Unterrichtsform bewertet wird (vgl. Abbildung 24).

Abb. 24 | Unterrichtsformen

Einteilung

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Bei all diesen Unterrichtsformen gilt es festzuhalten, dass diese in einem modernen Unterricht, der sich von Dogmen gelöst und den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler im Blick hat, nicht in Konkurrenz zueinander stehen. So kann es nicht bessere und schlechtere Unterrichtsformen geben, sondern lediglich mehr oder weniger geeignete, mehr oder weniger gelungen umgesetzte.

9 Unterrichtsformen mit System

9.2 Darbietende (darstellende) Unterrichtsform

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9.2.1 Beschreibung und Begriffsklärung Die darbietende oder darstellende Unterrichtsform hat in der Schulpädagogik keinen leichten Stand: Einerseits handelt es sich bei ihr um eine Unterrichtsform, die tagtäglich in Klassenzimmern praktiziert wird und ohne die wohl kaum ein Unterricht auskommt. Andererseits haftet ihr ein schlechtes Image an, da sie die Schülerinnen und Schüler (scheinbar) nicht als aktiv Beteiligte am eigenen Lernprozess sieht und ihre Selbsttätigkeit unterdrückt. Wo Unterricht darbietet, scheint der Nürnberger Trichter nicht weit. Gudjons jedoch bringt es auf den Punkt, wenn er die darbietende Unterrichtsform als „unverzichtbaren Bestandteil der Unterrichtsmethodik“ (Gudjons 2003: 197) bezeichnet. Auch wenn die Leistungen der Schülerinnen und Schüler bei gelingendem darbietenden Unterricht nicht aus wahrnehmbaren Aktivitäten bestehen, so sind diese doch aktiv in den Unterricht eingebunden: • Sie bündeln ihre Konzentration und richten den eigenen Fokus auf die Darbietung. • Sie nehmen Informationen mit all ihren angesprochenen Sinnen auf und verarbeiten diese. • Sie aktivieren ihr Vorwissen, ziehen Schlüsse und integrieren die neuen Informationen.

Erklärung

Vorteile

Aus diesem Blickwinkel nehmen Schülerinnen und Schüler im darbietenden Unterricht eine sehr aktive Rolle ein, weshalb die folgende Deinition von Köck auf den ersten Blick auch Ansatzpunkte zu Kritik bietet: Bei der darbietenden Unterrichtsform erfolgt in totaler Fremdsteuerung der SuS die Informationsausgabe von einer Informationsquelle (Lehrkraft, Schülerin/Schüler, Medium) gleichzeitig an alle Schülerinnen und Schüler, und zwar in demselben Tempo, innerhalb derselben Lernzeit, auf demselben Anspruchsniveau (Uniformierungstendenz).

Deinition darbietende Unterrichtsform

(Köck 2005: 307)

Umfassend nennt diese Begrifsklärung das äußere Prozedere des darbietenden Unterrichts: Ausgehend von ein und derselben Quelle werden identische Informationen auf identische Art und Weise an alle Schülerinnen und Schüler gesendet. Der häuig kritisierten Formulie237

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Schulpädagogik

rung in totaler Fremdsteuerung ist dann zuzustimmen, wenn sich dies auf die Fremdsteuerung der äußerlich sichtbaren Aktivitäten bezieht. Dabei ist es beim darbietenden Unterricht nicht zwangsläuig die Lehrkraft, die die Rolle der Informationsquelle einnimmt. Vielmehr kann es auch ein außerschulischer Experte oder ein Lernender selbst sein, der die Lernenden im Zuge einer Darbietung an seinem Wissen und seiner Erfahrungen teilhaben lässt.

9.2.2 Didaktischer Einsatz und Gestaltung

Einsatzmöglichkeiten

Umsetzung und Herausforderungen

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Wie bei jeder unterrichtspraktischen Entscheidung gilt es auch bei der Auswahl der geeigneten Unterrichtsform zunächst abzuwägen, ob diese vor dem Hintergrund der fundierenden Unterrichtsprinzipien Schülerorientierung, Sachorientierung und Zielorientierung angebracht ist und welche Funktionen diese erfüllen soll. Dies können bei der Darbietung beispielsweise die folgenden sein: • Die Schülerinnen und Schüler sollen am Anfang einer Unterrichtsstunde oder -sequenz einen Überblick über das Kommende erhalten und darauf neugierig gemacht werden. • Am Ende einer Unterrichtseinheit sollen die Schülerinnen und Schüler eine Zusammenfassung erhalten, die die in den Augen der Lehrkraft wichtigen Kernaspekte betont, um (vermeintlich) alle Schülerinnen und Schüler auf den gleichen Wissensstand zu bringen. • Es sollen Sachinformationen an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben werden. • Es sollen Hinweise gegeben, Fragen und Arbeitsaufträge gestellt werden, mit Hilfe derer die Lernenden sich die Informationen auf unterschiedliche Weise selbst erschließen können. Die Anforderungen, die die darbietende Unterrichtsform an die Lehrkraft stellt, werden häuig unterschätzt. Gerade Anfänger sind nicht selten der Meinung, es reiche, den Schülerinnen und Schülern die Informationen „im Plauderton rüberzubringen“. Eine gelungene Darbietung jedoch lässt sich mit einem gelungenen Vortrag vergleichen und erfordert die heute vielgeforderte Präsentationskompetenz: • Der Vortragende bzw. Darbietende ist inhaltlich sicher und sachlich präzise. • Die Darbietung ist durchdacht vorzubereiten, sodass zeitlicher Ablauf, mediale Unterstützung und inhaltlicher Aufbau stimmig sind.

9 Unterrichtsformen mit System

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• Die Lehrkraft weiß mit ihrer Stimme zu spielen, Pausen gekonnt einzusetzen und die Aufmerksamkeit ihrer Schülerinnen und Schüler mit Mimik und Gestik einzufangen. • Ein prägnanter Einstieg und ein prägnanter, bereits auf den nachfolgenden Unterrichtsschritt abzielender Schluss bilden einen Rahmen. Besondere Praxisrelevanz kommt im Bereich des darbietenden Unterrichts der Lehrerdemonstration und dem Lehrervortrag zu. Erste ist vor allem aus den stärker praxisorientierten Fächern nicht wegzudenken, während letzterer Lehrkräften vor allem die Möglichkeit bietet, theoretisches Wissen an Schülerin und Schüler zu bringen.

9.3 Erarbeitende Unterrichtsformen 9.3.1 Beschreibung und Begriffsklärung Wie bereits angesprochen, werden unter der Überschrift Erarbeitende Unterrichtsformen drei unterschiedliche Formen zusammengefasst: • entwickelnde Unterrichtsform • impulsgebende Unterrichtsform • aufgebende Unterrichtsform Diese haben gemeinsam, dass Lehrkraft und Lernende dabei in direkte Interaktion treten, um gemeinsam neues Wissen zu erwerben und Kompetenzen aufzubauen.

9.3.2 Entwickelnde Unterrichtsform Für die entwickelnde Unterrichtsform existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Bezeichnungen: Frage-Antwort-Unterricht (Köck 2005: 308), fragend-entwickelnder Unterricht oder auch entwickelndes Lehrgespräch (vgl. Kestler 2002: 174). Dabei setzt die Lehrkraft gezielt Fragen ein, um Lernprozesse zu initiieren, anzuleiten, zu steuern und letzten Endes auch zu überprüfen. Bei starker Lehrerlenkung und minimaler Schüler-SchülerInteraktion sollen alle Schülerinnen und Schüler der Klasse einen von der Lehrkraft vorgegebenen Weg kleinschrittig nachvollziehen.

Synonyme

Einsatz von Fragen

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Probleme

Neben der mangelnden Diferenzierungsmöglichkeit ist das zentrale Problem dieser Unterrichtsform vor allem die Gesprächsführung selbst, in der die Lehrkraft viele Aufgaben am besten nahezu gleichzeitig erledigt: • Fragen stellen • falsche Antwort berichtigen • richtige Antworten verstärken • Störenfriede ermahnen • Konzentration der Schülerinnen und Schüler hoch halten

9.3.3 Impulsgebende Unterrichtsform

Unterschied

Auf den ersten Blick ähnelt die impulsgebende Unterrichtsform dem fragend-entwickelnden Unterricht sehr stark. An die Stelle der Fragen scheinen hier lediglich Impulse zu treten. Bei genauerem Hinsehen jedoch zeigt sich ein zentraler inhaltlicher Unterschied: Während die entwickelnde Unterrichtsform die Schülerinnen und Schüler schrittweise zu neuem Wissen führt, setzt ein Impuls umfangreiche Denkprozesse in Gang, die auf dem Vorwissen der Schülerinnen und Schüler basieren. Diese Denk- und Lernprozesse erschöpfen sich eben nicht darin, eine kurze Antwort auf eine gestellte Frage zu inden, sondern sie können die gesamte Unterrichtsstunde durchdringen. Dabei ist der Impuls nicht allein auf ein Wort, einen Satz oder einen Text beschränkt, sondern kann ebenfalls in Form eines stummen Impulses (Bild, Karikatur, Filmausschnitt etc.) auftreten.

9.3.4 Aufgebende Unterrichtsform Erklärung

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Die aufgebende Unterrichtsform indet sich überall dort, wo Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler mittels präziser Aufgabenstellungen dazu bringen (möchten), selbsttätig Wissen aufzubauen und Kompetenzen zu erwerben (vgl. Köck 2005: 311). Dabei bestimmt das Anspruchsniveau der Arbeitsaufträge, inwieweit dies auf vorbestimmtem oder individuellem Weg geschieht und welcher Grad der Eigenleistung von der Schülerin oder vom Schüler erwartet wird. In Anlehnung an Kestler (2002: 175) kann aufgebender Unterricht folgendermaßen bestimmt werden:

9 Unterrichtsformen mit System

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Die Lehrkraft stellt ihren Schülern eine Aufgabe, die diese dann lösen. Die Ergebnisse der Schüler werden dann von der Lehrkraft einzeln oder im Plenum kontrolliert und beurteilt.

Deinition aufgebende Unterrichtsform

Die aufgebende Unterrichtsform indet sich in unterschiedlichem Ausmaß in nahezu jeder Unterrichtsstunde, Hausaufgabe und Leistungsfeststellung. Um sicherzustellen, dass Schülerinnen und Schüler maximal von dieser Unterrichtsform proitieren, müssen bei der Formulierung der Aufgaben verschiedene Aspekte beachtet werden: • Aufgabe schriftlich fixieren. • Arbeitsaufträge präzise und eindeutig formulieren. • Lernvoraussetzungen beachten. • Verständnis sicherstellen (beispielsweise durch mündliches Wiederholen der Aufgabe in eigenen Worten).

9.4 Entdeckenlassende Unterrichtsform Die entdeckenlassenden Unterrichtsformen umfassen schülerkooperierende Verfahren sowie die dialogische Unterrichtsform und zielen auf Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler ab. Häuig dient ihr Einsatz auch der Förderung der Sozialkompetenz. Bei den schülerkooperierenden Unterrichtsformen unterscheidet Köck (2005: 311) kurzphasige, die innerhalb einer einzelnen Unterrichtsstunde stattinden, und umfangreichere, sogenannte langphasige. Bei beiden Varianten sind die Schülerinnen und Schüler angehalten, selbsttätig zu werden und Verantwortung für den eigenen Lern- und Arbeitsprozess zu übernehmen. Er deiniert folgendermaßen: Die entdeckenlassenden Unterrichtsformen sollen die Schülerinnen und Schüler dazu anleiten, • ein vorgegebenes oder selbst gewähltes Thema • durch eigene Materialsuche • und durch eigene Ermittlung geeigneter Methoden • bei freier Zielsetzung zu bearbeiten (20052: 311).

Beschreibung und Begrifsklärung

Schülerkooperierende Unterrichtsformen

Die vier von Köck angeführten Kriterien stellen Lehrkräfte vor die große Herausforderung, sich in weiten Teilen des Unterrichts auf die Rolle des Beobachters und Beraters zurückzuziehen und den Schülerinnen und Schülern freie Hand zu lassen. Ein klassisches 241

Schulpädagogik

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Dialogische Unterrichtsform

Beispiel für die langphasige schülerkooperierende Unterrichtsform ist das Projekt, bei dem die Schülerinnen und Schüler – angefangen bei der Projektinitiative über Durchführung bis hin zur Auswertung und Relexion – selbsttätig agieren. Die dialogische Unterrichtsform erfordert von der Lehrkraft, ihre dominante Position zeitweise zu verlassen und als Primus inter pares selbst zum Lernenden zu werden. Als gleichberechtigte Partner bemühen Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte sich um die Lösung eines anstehenden Problems. Eine solche Vorgehensweise erfordert einerseits ein hohes Maß an Sozial- und Selbstkompetenz seitens der Lernenden und andererseits die uneingeschränkte Anerkennung von Verhaltens- und Gesprächsregeln. Die dialogische Unterrichtsform bietet sich immer dann an, wenn Situationen die Lernenden direkt betrefen und der Einbezug ihrer Meinungen, Wünsche und Ideen angebracht ist.

Literaturtipp Aufgrund des unübersichtlichen Gegenstandsbereichs Unterrichtsformen birgt das Studium einer möglichst hohen Anzahl diesbezüglicher schulpädagogischer Texte die Gefahr in sich, eher Verwirrung zu stiften als zu einer Klärung des Sachverhalts beizutragen. Eine aufgrund des Alters kaum noch zu erhaltende, jedoch stimmige, besonders gut verständliche Übersicht bietet Vogel – die Lektüre oder auch das Überliegen lohnt sich, wenn Sie dieses Geheft in der Bibliothek stehen sehen sollten: Vogel, Alfred. Unterrichtsformen. Ravensburg.

Zusammenfassung • Der Begriff Unterrichtsformen ist in der Schulpädagogik nicht eindeutig geklärt. In der Regel wird er verwendet, um die Kombination aus Aktionsform und Sozialform zu bezeichnen. Dabei umfassen Aktionsformen Lehrakte und Lernakte. • In der Regel wird zwischen darbietender, erarbeitender und entdeckenlassender Unterrichtsform unterschieden, wobei die erarbeitende Unterrichtsform gelegentlich als Unterform der darbietenden Unterrichtsform gesehen wird. • Die darbietende Unterrichtsform wird auch als darstellende Unterrichtsform bezeichnet. Dabei werden Informationen beispielsweise von der Lehrkraft, einer Schülerin bzw. einem Schüler oder einem Experten zeitgleich an alle Schülerinnen und Schüler gegeben. Die Rolle der Lernenden ist es dabei, Informationen aufzunehmen, zu erfassen und in das bestehende Vorwissen zu integrieren. Die darbietende Unterrichtsform bietet sich vor allem zu Beginn sowie am Ende einer 242

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9 Unterrichtsformen mit System

Unterrichtseinheit an, aber auch immer dann, wenn reine Sachinformationen, Hinweise oder Arbeitsaufträge gegeben werden. Wichtige Elemente des darbietenden Unterrichts sind Lehrerdemonstration und Lehrervortrag. • Bei der erarbeitenden Unterrichtsform treten Lehrkraft und Schülerinnen und Schüler in direkte Interaktion. Es wird zwischen entwickelnder, impulsgebender und aufgebender Form unterschieden: • Bei der entwickelnden oder fragend-entwickelnden Unterrichtsform arbeitet die Lehrkraft mit Fragen, die gezielt eingesetzt werden, um Lernprozesse zu gestalten. • Bei der impulsgebenden Unterrichtsform werden Impulse in unterschiedlicher Form eingesetzt, um umfangreiche Denk- und Lernprozesse in Gang zu setzen. • Bei der aufgebenden Unterrichtsform sind es Arbeitsaufträge, die Lernprozesse initiieren und steuern. • Die entdeckenlassende Unterrichtsform zielt vor allem auf Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler ab. Es wird zwischen schülerkooperierender und dialogischer Unterrichtsform unterschieden: • Bei der schülerkooperierenden Variante arbeiten die Schülerinnen und Schüler selbsttätige und übernehmen Verantwortung für den eigenen Lernprozess. • Bei der dialogischen Unterrichtsform bemühen sich Lehrkraft und Schülerinnen und Schüler als gleichberechtigte Partner um die Lösung eines Problems. • Dabei ist keine dieser drei Unterrichtsformen besser oder schlechter als die anderen. Jede dieser Formen hat im zeitgemäßen Unterricht ihre Berechtigung.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Unterrichtsformen: • Gehen Sie dabei auch auf Aktionsformen und Sozialformen ein. • Nennen Sie die Ihnen bekannten Unterrichtsformen. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Erstellen Sie ein Schaubild zum Gegenstandsbereich Unterrichtsformen. • Integrieren Sie darin die folgenden Begriffe: darbietend – erarbeitend – entdeckenlassend – darstellend – Lehrerdemonstration – Lehrervortrag – entwickelnd – impulsgebend – aufgebend – fragend-entwickelnd – schülerkooperierend – dialogisch – langphasig – kurzphasig • Sammeln Sie konkrete schulpraktische Beispiele für die einzelnen Unterrichtsformen oder überlegen Sie, wann diese sich sinnvoll einsetzen lassen. 3. Stamm-Experten-Gruppen: Bilden Sie gemeinsam mit anderen Studierenden drei Gruppen: • Gruppe 1 setzt sich intensiv mit der darbietenden Unterrichtsform auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel, sammeln 243

Schulpädagogik

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Sie weitere Informationen, diskutieren Sie diese Unterrichtsform und überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele. • Gruppe 2 setzt sich intensiv mit der erarbeitenden Unterrichtsform auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel, sammeln Sie weitere Informationen, diskutieren Sie diese Unterrichtsform und überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele. • Gruppe 3 setzt sich intensiv mit der entdeckenlassenden Unterrichtsform auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel, sammeln Sie weitere Informationen, diskutieren Sie diese Unterrichtsform und überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele. • Anschließend bilden je ein Vertreter von Gruppe 1, 2 und 3 eine neue Gruppe. In diesen neuen Gruppen stellt jedes Mitglied die von ihm erarbeitete Unterrichtsform den anderen vor.

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10 Merkmale guten Unterrichts

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10.1 Hilbert Meyer: Merkmale guten Unterrichts 10.2 Hattie-Studie 10.3 Abschließendes Neben diversen weiteren Aufgaben (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext 2) stellt das Unterrichten Ihre Kerntätigkeit als Lehrkraft dar. Dass dabei nach gutem, qualitativ hochwertigem Unterricht gestrebt wird, ist ebenso selbstverständlich wie dass dieses Ziel weder von jeder Lehrkraft noch in jeder einzelnen Unterrichtsstunde erreicht wird. In der Unterrichtsforschung inden sich zahlreiche Ansätze und Studien, die festzustellen und festzulegen versuchen, was Unterricht zu gutem Unterricht macht. Werfen wir jedoch zunächst einen Blick auf Ideen und Vorstellungen, die Unterrichtsbeobachtungen und Gesprächen mit Lehrkräften zufolge in deutschen Klassenzimmern noch immer fälschlicherweise als Kennzeichen guten Unterrichts gelten: • Moderner, innovativer Unterricht ist guter Unterricht. • Unterricht, bei dem im Klassenzimmer Bewegung herrscht und die Lernenden nicht still am Platz sitzen, ist guter Unterricht. • Unterricht, bei dem die Lehrkraft im Hintergrund verschwindet und nur beobachtet, ist guter Unterricht. • Möglichst stark konstruktivistischer Unterricht ist guter Unterricht. • Kompetenzorientierter Unterricht ist per se guter Unterricht. Keine dieser Aussagen lässt sich bei genauer Betrachtung so aufrechterhalten, wie sie getätigt wurde. Natürlich kann innovativer Unterricht guter Unterricht sein  – ebenso wie traditioneller, herkömmlicher Unterricht guter Unterricht sein kann. Natürlich kann die Lehrkraft bei gutem Unterricht in den Hintergrund treten – oder aber die Aufmerksamkeit der Lernenden auf sich konzentrieren. Neben den Praktikerinnen und Praktikern in den Klassenzimmern ist es jedoch auch die Schulpädagogik selbst, die stets aufs Neue Geheimrezepte für guten Unterricht an Lehrkräfte heranträgt: • Lernzielorientierter Unterricht, der Lehrkräften insofern entgegenkommt, als er Planung und Durchführung des Unterrichts ebenso erleichtert wie Lernerfolgskontrolle und Leistungsmessung • Handlungsorientierter Unterricht, dessen Erfolg in vielen Fällen von Lehrkräften und Schulaufsicht am Ausmaß der beobachtbaren Schülerbewegung im Klassenzimmer festgemacht wird 245

Schulpädagogik

• Offener Unterricht, der eher Unterrichtsphilosophie als theoretisches Konzept ist (vgl. Kapitel Schulpädagogik 12) • Kompetenzorientierter Unterricht, dessen Aufmerksamkeit „dem anzustrebenden Können der Schüler und nicht den im Unterricht zu behandelnden Inhalten“ gilt (Heymann, 2004: 8) Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

Diese Vielfalt an Ideen und Konzepten geht häuig Hand in Hand mit AusbilderInnen in erster und zweiter Phase der Lehrerbildung, die ihr persönliches Steckenpferd als einzig möglichen Weg zu gutem Unterricht ansehen und von Ihnen eine entsprechende Unterrichtsgestaltung erwarten. Unabhängig von dem Abhängigkeitsverhältnis, in dem Sie sich aufgrund von Zensuren und Bewertungen beinden, ließe sich derartigen AusbilderInnen mit einem Zitat Weinerts entgegnen: Es gibt viele Wege zu gutem Unterricht, aber nicht jeder Weg führt zu gutem Unterricht. (Weinert zitiert nach Leisen 2014: 1)

Als belegt gelten kann, dass die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler nicht allein vom Unterricht abhängig sind. Vielmehr sind diese Ergebnis des Zusammenspiels von individuellen Schülermerkmalen (bspw. Intelligenz und Motivation), Kontextfaktoren (bspw. außerschulische Förderung und Bildungsnähe des Elternhauses) und schulischen sowie unterrichtlichen Faktoren. In diesem Kapitel werden Ihnen zwei Studien vorgestellt, die sich mit gutem Unterricht beschäftigen. Diese sollen Ihnen einen Einblick in die Vielfalt theoretischer Ansätze und die Uneinigkeit bei der Festlegung guten Unterrichts geben. Darüber hinaus bietet jede einzelne der Studien Ansatzpunkte, den eigenen Unterricht zu überdenken und zu optimieren. Ihr Ziel als angehende Lehrkraft muss nicht der ideale Unterricht, sondern der optimierte Unterricht sein. Ausgewählt wurden die Studien von Hilbert Meyer und John Hattie: 1. Bei Hilbert Meyers Merkmalen guten Unterrichts handelt es sich um einen gerade bei Praktikern und in der zweiten Lehrerbildungsphase sehr beliebten Klassiker. Dass Meyer seinen Merkmalen nahezu biblischen Stellenwert einräumt, indem er sich weitgehend willkürlich auf zehn Merkmale guten Unterrichts konzentriert, tut seinem Konzept keinen Abbruch. 2. Die Hattie-Studie ist die wohl umfangreichste Untersuchung der Faktoren, die guten Unterricht ausmachen. Ihr ist es in Deutschland gelungen, auch in renommierten Tageszeitungen angeführt 246

10 Merkmale guten Unterrichts

zu werden und die Diskussion über guten Unterricht in die Öffentlichkeit zu tragen.

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Reflexionsaufgabe Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Dieses Kapitel setzt sich mit gutem Unterricht auseinander: • Woran jedoch lässt sich festmachen, ob Unterricht gut ist? Welche Kriterien müssen hier gegeben sein? Sammeln Sie! • Lassen sich die gesammelten Merkmale entsprechend ihrer Wichtigkeit in eine Reihenfolge bringen? Versuchen Sie es und diskutieren Sie Ihre Entscheidungen. • Stellen Sie Ihre persönliche Top Ten auf. Welche zehn Elemente machen einen Unterricht zu einem guten Unterricht?

10.1 Hilbert Meyer: Merkmale guten Unterrichts Hilbert Meyer bezieht sich auf unterschiedliche Studien und verknüpft empirische Befunde und konkrete didaktische Ratschläge für Lehrkräfte. 1. Wichtigstes Merkmal ist die klare Strukturierung des Unterrichts, die sich daran zeigt, dass sich sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte ein roter Faden durch den Unterricht zieht. 2. Die intensive Nutzung der Lernzeit stellt hohe Anforderungen an Unterrichtsplanung, Zeitmanagement und Pünktlichkeit, erfordert aber auch den sinnvollen Umgang mit den stetig zunehmenden organisatorischen Aufgaben. 3. Beobachtungen zeigen, dass die Stimmigkeit der Ziel-, Inhaltsund Methodenentscheidungen nicht immer gegeben ist. Dies gilt vor allem für Lehrkräfte, die unbedingt vermeintlich „innovative“ Methoden umsetzen möchten. 4. Eng verbunden mit Merkmal 3 ist auch das Merkmal der Methodenvielfalt. Dieses besagt, dass guter Unterricht von Lehrkräften die Fähigkeit und den Willen fordert, die unterschiedlichsten Unterrichtsmethoden einzusetzen  – stets unter Berücksichtigung der Ziel- und Inhaltsentscheidungen. 5. Intelligentes Üben ist geradezu der Gegenpol zu stumpfsinnigem Pauken und erfordert unter anderem den Einbezug der Lernenden, die Vermittlung von Lernstrategien und die Anpassung der Übungsaufgaben an den Leistungsstand der Klasse und des Einzelnen.

Klare Strukturierung Intensive Nutzung der Lernzeit

Stimmigkeit der Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen Methodenvielfalt

Intelligentes Üben

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Schulpädagogik

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Individuelles Fördern

Lernförderliches Klima Sinnstiftendes Kommunizieren

Regelmäßige Nutzung von Schülerfeedback

Klare Leistungserwartungen

6. Gerade die Orientierung am Leistungsstand des Einzelnen ermöglicht individuelles Fördern. Betont werden muss dabei der wichtige Hinweis Meyers, es gelte nicht allein, die Leistungsschwachen gezielt zu fördern, sondern „alle Schüler in allen Schulformen und Niveaustufen“ (Meyer 2003: 39). Dies ist ein in der Schulpraxis häufig vernachlässigter Aspekt guten Unterrichts. 7. Ein lernförderliches Klima wirkt sich positiv auf kognitive und soziale Lernziele aus. Meyer nennt Authentizität, Gerechtigkeit und Classroom Management als Möglichkeiten der Lehrkraft. 8. Merkmal Nummer 8, sinnstiftendes Kommunizieren, zeichnet sich dadurch aus, dass es Lernenden die Chance gibt, sowohl neues Wissen mit bereits vorhandenem zu verknüpfen als auch eigene Interessen einzubringen. 9. Wie der Teufel das Weihwasser, so scheinen viele Lehrkräfte die Nutzung von Schülerfeedback zu scheuen. Zu groß ist die Angst vor negativer Rückmeldung und das Gefühl, eben doch keinen „guten“ Unterricht zu machen. Regelmäßige Nutzung von Schülerfeedback geht über gelegentlich anberaumte Stuhlkreise hinaus und erfordert von der Lehrkraft den Einsatz unterschiedlicher, strukturierter Feedbackmethoden. 10. Klare Leistungserwartungen geben Schülerinnen und Schülern Orientierung und informieren diese über die Lernziele. Als Bestandteil guten Unterrichts werden Leistungserwartungen so formuliert und kommuniziert, dass sie keinen Leistungsdruck aufbauen, den Lernenden aber eindeutige Rückmeldung über das Geleistete geben.

10.2 Hattie-Studie Meta-Meta-Studie

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Auch Hatties Studie wird oftmals als Meta-Analyse bezeichnet, obgleich der Begrif Meta-Meta-Studie nach Terhart (2014) eigentlich trefender wäre. Hattie ist es nämlich gelungen, die Daten mehrerer Meta-Analysen zu erfassen und zu analysieren. Auf diese Weise ließen die Daten von über 50.000 Einzelstudien in seine Analyse ein und er kann sich auf eine Stichprobe von etwa 250 Millionen Schülerinnen und Schüler beziehen. Hattie untersucht für 138 Merkmale, welchen Einluss diese auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler haben. Diese 138 Merkmale ordnet er sechs Kategorien zu (siehe Abbildung 25).

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10 Merkmale guten Unterrichts

Abb. 25 | Hattie-Studie, Kategorien

Aufgrund der Zielsetzung dieses Kapitels, sich dem Konstrukt Guter Unterricht anzunähern, indet eine Konzentration auf die letzte Kategorie statt. Dennoch sei der Hinweis gestattet, dass die Faktoren in der Kategorie Lernende sich am deutlichsten auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler auswirken. Etwa die „Hälfte der individuellen Unterschiede in den Lernleistungen“ (Lotz und Lipowsky 2005: 100) geht auf Merkmale der Lernenden selbst wie beispielsweise Intelligenz und Vorwissen zurück. Im Folgenden werden die Faktoren der Kategorie Unterricht und deren Efekt auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler aufgeführt. In Klammern inden Sie hinter jedem Merkmal zunächst dessen Efektstärke. Je höher dieser Wert ist, desto stärker wirkt sich das entsprechende Merkmal auf die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler aus. Merkmale mit negativen Werten, die den Lernerfolg beeinträchtigen, inden sich in der Kategorie Unterricht nicht. • Reaktion auf Interventionen • Lehrstrategien (0,62) (1,07) • Problemlösen (0,61) • Bewertung des Unterrichts- • Concept Mapping (0,60) prozesses/Formative Evalua- • Kooperatives vs. individueltion (0,90) les Lernen (0,59) • Klassendiskussionen (0,82) • Direkte Instruktion (0,59) • Interventionen für Lernende • Mastery-Learning (0,58) mit besonderem Förderbe• Fallbeispiele (0,57) darf (0,77) • Peer-Tutoring (0,55) • Rückmeldung/Feedback • Kooperatives vs. kompetiti(0,75) ves Lernen (0,54) • Reziprokes Lehren (0,74) • Schülerzentrierter Unterricht • Bewusstes Üben (0,71) (0,54) • Meta-kognitive Strategien • Kellers personalisiertes Inst(0,69) ruktionssystem (0,53) • Lautes Denken (0,64) • Interaktive Lernvideos (0,52) • Lerntechniken (0,63) • Ziele (0,50)

Kategorie Lernende

Kategorie Unterricht

Faktoren guten Unterrichts

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Schulpädagogik

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• Fragenstellen (0,48) • Kooperatives Lernen (0,42) • Verhaltensziele/Advance Organizers (0,41) • Aktive Lernzeit (0,38) • Psychotherapeutische Programme (0,38) • Computerunterstützung (0,37) • Ergänzende Materialien (0,37) • Taktung von Leistungstests (0,34) • Methodenvielfalt im Bereich kritisches Denken (0,34) • Simulationen und Simulationsspiele (0,33) • Induktives Vorgehen (0,33) • Hausaufgaben (0,33) • Forschendes Lernen (0,31) • Test-Training/-Coaching (0,27) • Freiwillige Tutoren (0,26) • Kompetitives Lernen vs. individuelles Lernen (0,24)

Interpretation

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• Programmierte Instruktion (0,23) • Individualisierung (0,22) • (Neue) Medien (0,22) • Umfassende Unterrichtsreformen (0,22) • Zuschnitt von Methoden auf Schülermerkmale (0,19) • Lernzielhierarchisierung (0,19) • Co-Teaching/Team-Teaching (0,19) • College-Förderkurse (0,18) • Passung von Lernmethoden und Lernstilen (0,17) • Unmittelbarkeit der Rückmeldung (0,16) • Technologiegestütztes Lernen zu Hause (0,16) • Problembasiertes Lernen (0,15) • Mentoring (0,15) • Freiarbeit (0,04) (vgl. Zierer 20162: 126–131)

Für die Hattie-Studie und ihre Interpretation in der Fachliteratur kann zusammenfassend festgestellt werden: Guter Unterricht… • ist nicht ausschließlich offener Unterricht – gut gemachte direkte Instruktion trägt stark zum Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler bei. • beeinflusst den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler weniger als deren individuelle Faktoren. • beeinflusst den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler stärker als schulstrukturelle Faktoren (vgl. Lutz und Lipowsky 2005: 127). • wird von Lehrkräften gestaltet, die sich eher als Regisseur denn als Lernbegleiter sehen. • macht Lehr- und Lernprozesse durch eine positive Feedbackkultur sichtbar, wobei Lernende und Lehrende sich gegenseitig Rückmeldung geben. (Feedback ist weder Einbahnstraße, noch durch Noten und Zeugnisse erledigt!)

10 Merkmale guten Unterrichts

• entsteht nicht durch die Konzentration auf bestimmte Unterrichtsformen, sondern durch deren sinnvolle Balance.

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10.3 Abschließendes Als angehende Lehrkraft mag Sie die Unterschiedlichkeit dessen, was gemeinhin unter gutem Unterricht zu verstehen ist oder aber was diesen auszeichnet, ratlos zurücklassen. Selbst eine einfache Internetrecherche zum Thema „guter Unterricht“ liefert knapp 500.00 Trefer und eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte. Münden diese zusätzlich noch in geradezu biblische Zehn Gebote bzw. Merkmale oder Ratschläge, sind Ratlosigkeit und schlechtes Gewissen gerade bei engagierten Lehrkräften groß. Führen Sie sich vor Augen, dass bereits die Auseinandersetzung mit der Frage nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gutem Unterricht und die Relexion des eigenen Unterrichts vor diesem Hintergrund Ihrem Unterricht entscheidende Qualität verleihen kann. In einem weiteren Werk (Visible Learning for Teachers) konzentriert Hattie sich stärker auf die Bedeutung seiner Studienergebnisse für Lehrkräfte und schlussfolgert: Für die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler ist eine Lehrkraft entscheidend, die… • Begeisterung für ihr Fach zeigt und weckt. • Motivation und Interesse der Lernenden weckt. • ihren Unterricht aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler plant. • diese kognitiv aktiviert. • Feedback sowohl nimmt als auch gibt.

Schlussfolgerungen für Lehrkräfte

Seitens des Unterrichts ist entscheidend, dass… • die Vermittlung neuer Informationen, Verstehensprozesse und die Einbindung des Gelernten in Modelle und Konzepte im passenden Verhältnis zueinander stehen. • Aufgaben und Lernmaterialien die Schülerinnen und Schüler kognitiv aktivieren. • ein positives, lernförderliches Klima herrscht. • die Klasse durchdacht und konsequent geführt wird.

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Schulpädagogik

Literaturtipp

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Wie sollte es auch anders sein – für die Vertiefung des Themas Merkmale guten Unterrichts bietet sich das gleichnamige Werk Hilbert Meyers an: Meyer, Hilbert. Was ist guter Unterricht? Berlin. Sollte Ihnen dies zu umfangreich sein, oder wenn Sie nur an einem kurzen Einblick interessiert sind, stellt Meyer seine Erkenntnisse in folgendem Artikel in stark komprimierter Form dar: Meyer, Hilbert. Zehn Merkmale guten Unterrichts. Empirische Befunde und didaktische Ratschläge. Pädagogik 10, 36–43. Bezüglich der für die Hattie-Studie angeführten Literaturempfehlung sei an dieser Stelle der Satz meines Vorgesetzten zitiert: „Trotz des unsäglichen Titels – dort findet sich wirklich alles, was ein Lehrer über Hattie wissen muss.“ Zierer, Klaus: Hattie für gestresste Lehrer. Baltmannsweiler.

Zusammenfassung Aufgrund des etwas anderen Inhalts dieses Kapitels, das sich eigentlich auf eine kurze Darstellung zweier Meta-Meta-Studien beschränkt, fallen Zusammenfassung sowie Wissens- und Transferaufgaben recht knapp aus. • Hilbert Meyer identifiziert zehn Merkmale guten Unterrichts: • Klare Strukturierung • Intensive Nutzung der Lernzeit • Stimmigkeit der Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen • Methodenvielfalt • Intelligentes Üben • Individuelles Fördern • Lernförderliches Klima • Sinnstiftendes Kommunizieren • Regelmäßige Nutzung von Schülerfeedback • Klare Leistungserwartungen John Hatties Studie hingegen erfasst insgesamt 138 Merkmale und deren Auswirkung auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Suchen Sie im Internet nach dem Begriff Merkmale guten Unterrichts. Dabei stoßen Sie auf unterschiedliche Zusammenstellungen unterschiedlicher Autoren: 252

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10 Merkmale guten Unterrichts

• Studieren Sie diese. • Welche der Zusammenstellungen von Merkmalen guten Unterrichts erscheint Ihnen am plausibelsten? • Begründen Sie Ihre Entscheidung gegenüber Mitstudierenden. 2. Arbeitet Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Diskutieren Sie in der Gruppe, welche Vorteile Untersuchungen wie die von Meyer und Hattie für Lehrkräfte haben. • Was schränkt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die praktische Unterrichtsarbeit ein?

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11 Leistungsmessung und -bewertung – notwendiges Übel oder Motivationshilfe? 11.1 Leistung in der Schule 11.2 Leistungsfeststellung 11.3 Leistungsbewertung 11.4 Herausforderungen Die Frage nach dem, was die Schulleistung eines Lernenden ausmacht, ist eine der ältesten Fragestellungen im Kontext institutionalisierter Schulbildung. Speziell jedoch der Aspekt der Leistungsmessung und -bewertung wird besonders heiß diskutiert. Ein Blick in die großen deutschen Zeitungen, mehr aber noch ein Blick in Eltern- und Lehrerforen im Internet zeigt, wie unterschiedlich die Meinungen sind. Diese bewegen sich zwischen den Extrempolen Der Leistungsgedanke behindert ein Lernen aus eigenem Antrieb und mit Freude und soll deshalb außen vor bleiben und Die Leistungsgesellschaft muss sich auch in der Schule deutlich widerspiegeln. Häuig jedoch diferenzieren derartige Argumentationslinien nicht zwischen Leistung, Leistungserhebung und Leistungsbeurteilung. Ausgehend von der (idealen) schulischen Praxis folgt auch der Aufbau dieses Kapitels dem in Abbildung 26 gezeigten Dreischritt.

Abb. 26 | Dreischritt der Leistungsbewertung

Ähnlich wie diese Abbildung ist auch das folgende Kapitel in Form eines Dreischritts aufgebaut. So indet zunächst eine Konkretisierung des Leistungsbegrifs statt, bevor Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie in der Schule erbrachte Leistungen festgestellt werden können, bevor in einem dritten Schritt Möglichkeiten der Bewertung aufgezeigt werden.

Reflexionsaufgabe Machen Sie die Probe aufs Exempel und recherchieren Sie im Internet nach den folgenden Themen: • Schule ohne Note 254

11 Leistungsmessung und -bewertung

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• Abschaffung von Noten • Leistungsdruck bei Kindern • Hamburger Abkommen Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Sammeln Sie Gründe für und gegen die Abschaffung von Noten. • Listen Sie die Argumente auf und stellen Sie diese einander gegenüber. • Diskutieren Sie in der Gruppe und stimmen Sie am Ende über die Abschaffung von Schulnoten ab.

11.1 Leistung in der Schule Eine Orientierung an naturwissenschaftlichen Ansätzen der Leistungsdeinition würde zu folgender Deinition führen: Schulleistung ist schulische Lernarbeit in einer vorgegebenen Lernzeit. Dieser Deinitionsversuch jedoch mag nur auf den ersten, lüchtigen Blick überzeugen. Besonders problematisch ist dabei der Begrif „Lernarbeit“. Dies bemängelt Guyer schon 1952: „Lernen ist ein in Schritten sich vollziehendes Sichentwickeln, Arbeit mehr ein Abwickeln aus fertigem Können und Wissen; Lernen besitzt gegenüber der Arbeit vor allem ‚Versuchs-Charakter.‘“ (Guyer 1952: 81 nach Keppeler-Schrimpf 2005: 290). Nach Furck (1972: 21) lassen sich vier Dimensionen des Begrifs Schulleistung unterscheiden: • Schulleistung als Forderung der Schule an die Schülerinnen und Schüler • Schulleistung als Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten durch die Schülerinnen und Schüler (Vorgang und Ergebnis) • Schulleistung als Leistungsbeitrag der Schule für Gesellschaft, Staat und Wirtschaft • Schulleistung als Leistung des Einzelnen für sein späteres Berufsleben in der Gesellschaft Furck betont, dass bereits jeder einzelne dieser Aspekte ausreichend sei, Schulleistung pädagogisch zu rechtfertigen (vgl. Furck 1972: 21). Aus pädagogischer Sicht ist Leistung einerseits als Prozess geistiger, psychischer oder körperlicher Anstrengung zu sehen und andererseits als dessen Ergebnis und Produkt. Lange Zeit legte das Gros der Lehrkräfte ihr Augenmerk lediglich auf das Endergebnis und ließ den Prozesscharakter der Schülerleistung weitgehend unbeachtet. Dies hat sich mittlerweile geändert, da ein kompetenzori-

Leistung naturwissenschaftlich gesehen

4 Dimensionen von Schulleistung

Leistung pädagogisch gesehen

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Schulpädagogik

Begründung für das Einfordern von Leistung

entierter, auf individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ausgerichteter Unterricht darauf angewiesen ist, auch dem Prozess Aufmerksamkeit zu schenken, bei dem sie diese Leistung erbringen. Sie als angehende Lehrkraft sind durch konkrete Vorschriften verplichtet, von Ihren Schülerinnen und Schülern Leistung einzufordern, diese festzustellen und zu bewerten. Über allen gesetzlichen Grundlagen jedoch schwebt Ihr Erziehungs- und Bildungsauftrag, der Sie dem Ziel verplichtet, die Persönlichkeitsentfaltung der Heranwachsenden zu fördern. Vor diesem Hintergrund sind Leistungsanforderungen aus zwei Gründen obligatorisch: • Das Einfordern von Leistung fördert die Selbstkompetenz Ihrer Schülerinnen und Schüler und trägt zu deren persönlicher Entfaltung bei. • Sie fördern die Heranwachsenden im Enkulturationsprozess, indem Sie sie befähigen, den Anforderungen und Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Allgemeinen und des Berufslebens im Speziellen gerecht zu werden.

11.2 Leistungsfeststellung Leistungsfeststellung ≠ Leistungsbeurteilung

Leistungsfeststellung => Leistungsbewertung

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Unabhängig von den vielfältigen Einstellungen zur Notengebung ist weitgehend unstrittig, dass Schule die von Schülerinnen und Schülern erbrachte Leistung festzustellen hat. Alternativ zum Begrif Leistungsfeststellungen begegnen Ihnen in der Literatur die Termini Leistungserhebung, Lernerfolgskontrolle oder Lernzielkontrollen. Achten Sie darauf, nicht den häuig von Studierenden begangenen Fehler zu machen und den zweiten Schritt nach dem Erbringen der Leistung gleichzusetzen mit dem dritten der Leistungsbeurteilung oder Leistungsbewertung. Deutlich formuliert dies Klauer: Der Leistungsfeststellung, in der ermittelt wird, „welche Leistungen die Lernenden tatsächlich beherrschen und welche nicht“, folgt die Leistungsbewertung, die „Aussagen darüber trift, wie die festgestellte Leistung im Blick auf das Lehrziel oder andere Kriterien einzustufen ist“ (Klauer in Weinert 2002: 103). So lässt sich festhalten, dass Klauer Leistungsfeststellung in die Leistungsbewertung integriert sieht. Wenngleich sich die Schulpädagogen an dieser Stelle nicht wirklich einig sind und teilweise unterschiedliche Begrife und Begrifsverständnisse verwenden, scheint diese Sichtweise Klauers für die Praktikerin und den Praktiker sinnvoll.

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11 Leistungsmessung und -bewertung

Anders als Leistungsbeurteilung verzichtet eine Leistungsfeststellung darauf, die erbrachte Leistung in irgendeiner Weise zu bewerten oder pädagogisch zu interpretieren und verfolgt ausschließlich diagnostische Zwecke. In unserem stark notenfokussierten Schulsystem bedeutet dies, dass weder Noten gegeben noch ein Urteil über Leistung oder Lernende in Worten verfasst wird. Ziel einer Leistungsfeststellung ist lediglich die Feststellung, inwieweit Lernprozesse erfolgreich waren, Lernziele erreicht wurden, ob bzw. inwiefern Schwierigkeiten auftraten und in welchem Ausmaß es der einzelnen Schülerin oder dem einzelnen Schüler gelang, sich die Lerninhalte anzueignen. Köck (2005: 432) sieht drei Ansatzpunkte der Leistungsfeststellung im Lehr- und Lernprozess: • unterrichtsvorbereitend  – mit dem Ziel, zu Beginn einer Unterrichtssequenz Lernvoraussetzungen und Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler festzustellen, um diese bestmöglich berücksichtigen zu können • unterrichtsbegleitend  – um während einer Unterrichtssequenz (oder seltener einer Unterrichtseinheit) die Effektivität der durchgeführten didaktisch-methodischen Maßnahmen zu überprüfen und diese beizubehalten oder gegebenenfalls abzuändern • unterrichtsabschließend – um am Ende einer Unterrichtseinheit oder Lernsequenz den Lernstand der Schülerinnen und Schüler festzustellen und somit Auskunft über das Erreichen der Lernziele und die Qualität des Unterrichts treffen zu können Bitte beachten Sie: In einer Schule, die sich nicht nur Lehrplan und bloßem Bewerten von Schülerleistungen verplichtet sieht, sondern vielmehr dem tatsächlichen Lernen der Schülerinnen und Schüler, muss die Möglichkeit bestehen, dass eine als unterrichtsabschließend geplante Leistungsfeststellung zu einer unterrichtsbegleitenden Leistungsfeststellung wird. Denn zeigt eine eigentlich als Abschluss einer Sequenz geplante Leistungsfeststellung, dass die Lerninhalte von der Klasse oder von einzelnen Schülerinnen und Schülern nicht erfasst wurden, muss die Unterrichtssequenz eigentlich weitergeführt und die Lerninhalte erneut und auf alternativem didaktischen Weg vermittelt und geübt werden. In der Schulpraxis werden Schülerleistungen vor allem in drei unterschiedlichen Bereichen erbracht und festgestellt: • schriftlich • mündlich • praktisch

3 Ansatzpunkte 1. unterrichtsvorbereitend

2. unterrichtsbegleitend

3. unterrichtsabschließend

3 Bereiche

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Schulpädagogik

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Leistungsfeststellung und Methoden-/Sozialkompetenz

Gesellschaftliche Begründung

Didaktische Begründung

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Angesichts einer zunehmenden Kompetenzorientierung und der stetig wichtiger werdenden Methodenkompetenz in Schul- und Berufsalltag erscheint die häuig an Schulen zu beobachtende Praxis fragwürdig, Leistungsfeststellungen vor allem auf schriftliche oder mündliche Abfragen zu beschränken. Eine Gesellschaft, in der eigenständiges Problemlösen sowie die Arbeit im Team und somit Methoden- und Sozialkompetenz gefragt sind, ist angewiesen auf eine Schule, die in ebendiesen Bereichen die Leistung ihrer Schülerinnen und Schüler fördert und auch feststellt. Herausforderung für die Schule der Zukunft (eigentlich schon für die der Gegenwart) wird es sein, Instrumente zu inden, mit denen sich nicht allein die fachlichen Leistungen, sondern auch die überfachlichen, methodischen Leistungen der Lernenden feststellen lassen. Leistungsmessungen in der Schule lassen sich nach Zielinski (in Köck 2000: 327) sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus didaktischer Sicht begründen: • Aus gesellschaftlicher Sicht muss Schule die Leistungen der Lernenden feststellen, um Berechtigungen ausstellen (beispielsweise für Übertritte an andere Schularten, für das Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe oder das Ergreifen eines bestimmten Berufes), um somit ihrer Selektionsfunktion gerecht werden zu können. Darüber hinaus leben wir in einer Leistungsgesellschaft, in der Wettbewerb und Leistungsdenken das Arbeitsleben prägen. Darauf bereitet schulische Leistungsfeststellung die heranwachsenden Generationen vor. Die gesellschaftliche Begründung schulischer Leistungsfeststellung lässt sich mit den Schlagworten Sozialisierungsfunktion, Chancenausgleichsfunktion, Klassifikationsfunktion, Selektionsfunktion und Zuteilungsfunktion zusammenfassen. • Aus didaktischer Sicht geben Leistungsfeststellungen Lehrkräften, aber auch Eltern und den Lernenden selbst Auskunft über den gegenwärtigen Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler und somit über möglichen Förderungsbedarf. Das heißt, Lehrkräfte können ihren Unterricht nur dann den Bedürfnissen ihrer Klasse anpassen, wenn sie über deren Leistungsstand und über den Erfolg des durchgeführten Unterrichts informiert sind. Auch ihren Beratungsaufgaben (vgl. Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext 2) beispielsweise kann nur eine Lehrkraft gerecht werden, die über den Leistungsstand ihrer Schülerinnen und Schüler Bescheid weiß. Kritisch zu sehen ist die oftmals angeführte Motivationsfunktion der Leistungserhebung, da gerade schwächere Schülerinnen und Schüler durch die bei Leistungserhebungen

11 Leistungsmessung und -bewertung

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aufgedeckten Lücken und Schwächen oftmals geradezu demotiviert werden. Auch zu Disziplinierungszwecken werden Leistungsfeststellungen in der Praxis gelegentlich eingesetzt. Dies jedoch ist kritisch zu sehen. Somit stehen Leistungsfeststellungen immer im Spannungsfeld zwischen pädagogischem Auftrag und didaktischen Überlegungen einerseits und gesellschaftlichem Auftrag andererseits. Dadurch wird es notwendig, dass Sie als Lehrkraft Ihren pädagogischen Ermessensspielraum sensibel und zum Wohle der Lernenden nutzen.

11.3 Leistungsbewertung In vielen Fälle folgt auf eine Leistungsfeststellung die Leistungsbewertung. Dabei wird die festgestellte Leistung in Beziehung zu einem oder mehreren Vergleichsmaßstäben oder Standards gesetzt (Bezugsnormen).

11.3.1 Bezugsnormen Um Leistungen bewerten zu können, ist es notwendig, diese in Bezug zu einer konkreten Norm zu setzen; erbrachte Schülerleistungen können nur dann beurteilt werden, wenn ein Maßstab vorhanden ist, an dem diese gemessen wird. Bei der Zuordnung der im schulischen Bereich erbrachten Leistungen zu den Zifernnoten 1 bis 6 kommt in der Regel eine von drei Normen zum Tragen (siehe Tabelle 15).

Aus der Praxis für die Praxis Als Lehrkraft werden Sie vor der Herausforderung stehen, all diese drei Bezugsnormen berücksichtigen zu wollen und in Teilen berücksichtigen zu müssen. Hier sind ein verantwortungsbewusster Umgang mit Ihrem pädagogischen Ermessensspielraum sowie Rückgrat bei eventuell auftretender Kritik seitens Lernender, Eltern und Kolleginnen und Kollegen gefordert. Ihr Anspruch sollte es sein, sachliche und pädagogisch-didaktische Erwägungen in Einklang zu bringen.

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Schulpädagogik

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Tabelle 15 | Bezugsnormen

Soziale oder Intersubjektive Norm

Sach- oder Idealnorm

Individuelle oder Subjektive Norm

vergleicht…

die Leistungen des Einzelnen mit den Leistungen der anderen Gruppenmitglieder

die Leistungen mit dem gesetzten Lehr-/Lernziel

die aktuelle Leistung eines Lernenden mit seiner früheren Leistung

im Mittelpunkt stehen soziale Norm, Sachnorm, individuelle Norm

• die Durchschnittsleistung der Vergleichsgruppe • eine Rangfolge innerhalb der Klasse

• das Wissen und Können des Prülings • der Erfolg des Unterrichts • die Erfüllung von Anforderungen

• der individuelle Lernfortschritt • eine Verbesserung oder Verschlechterung

Skala

aus Rangplätzen oder aus Abständen vom Durchschnitt

aus erreichbaren Punkten oder Fehlern

aus Leistungsveränderungen

Basisbenotung

• überdurchschnittlich • durchschnittlich • unterdurchschnittlich

• Anforderungen übertrofen • Anforderungen erfüllt • Anforderungen verfehlt

• Verbesserung • unveränderte Leistung • Verschlechterung

Vorteile

Beurteilung richtet sich nach der Leistungsfähigkeit der Gruppe

• Beurteilung auf Basis der Lernziele • hohe Transparenz • gibt allen die Chance auf gute Noten • unterbindet Konkurrenzverhalten

• ermöglicht auch schwächeren Lernenden Erfolgserlebnisse • verstärkt bereits kleine Erfolge • berücksichtigt Diferenzierung und Individualisierung

Nachteile

• fördert Konkurrenzdenken • Leistungsverbesserungen der Schwächsten schlagen sich häuig nicht in einer Notenverbesserung nieder • die Beurteilung kann zu großzügig oder streng sein

• konzentriert sich auf messbare Leistungen • die Lehrkraft muss das Mittel zwischen zu hohen und zu niedrigen Anforderungen inden • Leistungssteigerungen schwacher Schülerinnen und Schüler schlagen sich häuig nicht in besseren Noten nieder

• verhindert das Vergleichen von Schülerleistungen • erscheint Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oftmals als ungerecht

11.3.2 Gütekriterien Seit Jahrzehnten wird versucht – meist ohne dies zu hinterfragen – die drei in der psychologischen Testtheorie üblichen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität auf schulische Leistungsfest260

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11 Leistungsmessung und -bewertung

stellungen und -bewertungen zu übertragen, obgleich dann eigentlich von einer Leistungsmessung die Rede sein müsste. • Objektivität – Die Messergebnisse sind unabhängig von der Person des Untersuchers. • Reliabilität – Die eingesetzten Verfahren bringen bei wiederholter Durchführung gleiche Ergebnisse. • Validität – Die Messverfahren erfassen das, was sie untersuchen sollen. Verzerrende Faktoren fließen nicht in das Ergebnis ein.

Objektivität Reliabilität Validität

Aus der Praxis für die Praxis Wie schwierig die Einhaltung dieser Gütekriterien in einzelnen Fällen ist, zeigt das klassische Beispiel des Deutschaufsatzes, der von einer Lehrkraft mit sehr gut, von einer anderen Lehrkraft mit ausreichend bewertet wird (Objektivität). Auch bei anderen Prüfungsformen fällt es häufig schwer, sich auf das tatsächliche Fachwissen zu konzentrieren und sprachliche Defizite außen vor zu lassen. Weder jedoch sind Schulnoten objektiv, reliabel und valide, noch müssen sie dies sein. Wichtiger als diese Kriterien sind beispielsweise für Helmke, dass Sie als Lehrkraft sich „der Ungenauigkeit, Vorläufigkeit und Revisionsbedürftigkeit“ (Weinert und Schrader 1986: 18 f. zitiert nach Helmke 2003: 89) Ihrer Urteile bewusst sind und sich durch eine „pädagogisch günstige Voreingenommenheit auszeichnen“ (ebd.): • Sie unterschätzen die Leistungsdifferenzen innerhalb Ihrer Klasse nicht oder nur mäßig. • Sie überschätzen die individuellen Lernmöglichkeiten Ihrer Schülerinnen und Schüler nur minimal. • Sie sehen Schülererfolge als Folge der Begabung und Leistung des Lernenden, suchen die Ursachen von Misserfolgen jedoch eher in mangelnder Anstrengung oder bei Ihrem Unterricht.

11.3.3 Zensuren Innerhalb des Regelschulwesens ist das Zensieren zentraler Schritt fast jeder Leistungsbewertung. Zensieren bedeutet nichts anderes, als die Leistungsbeurteilung zu einer Zifernnote oder einem Prädikatsbegrif (sehr gut bis ungenügend) auf den Punkt zu bringen 261

Schulpädagogik

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und zu verdichten. Dabei sind die Bezeichnungen der einzelnen Notenstufen im Hamburger Abkommen von 1964 festgelegt. Probleme treten durch die Breite eines Bewertungsfeldes (Hier versuchen Lehrkräfte häuig, sich mit der Zusatzbemerkung Plus oder Minus zu behelfen.) sowie an den Schwellen zwischen zwei Noten auf (Ist eine Leistung noch gut oder schon befriedigend?). Diesem Problem wird an Grundschulen durch eine ergänzende Leistungsbeschreibung begegnet.

11.3.4 Alternative Bewertungsmöglichkeiten

Schülerselbstbeurteilung Portfolio

Gruppennoten

Präsentation

Ein kompetenzorientierter, an den Prinzipien Schülerorientierung und Selbsttätigkeit, Diferenzierung und Individualisierung ausgerichteter Unterricht muss sich zwingend bemühen, traditionelle Leistungsfeststellungen und -bewertungen durch alternative Formen zu ergänzen. Erfolgversprechend werden die folgenden Formen bereits praktiziert: • Schülerselbstbeurteilung – die Schülerinnen und Schüler bewerten die eigene Leistung oder aber die Leistungen von Mitschülerinnen und Mitschülern. • Portfolio  – zur Leistungsfeststellung werden zielgerichtete Sammlungen von Schülerarbeiten herangezogen, die Auskunft geben über Fleiß und Anstrengung des Lernenden, seine Fortschritte und die Ergebnisse des Lernprozesses. • Gruppennoten – Unterricht, der es ernst meint mit der Förderung von Sozialkompetenz und Teamfähigkeit, muss trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten auch die im Team erbrachte Leistung feststellen und bewerten. Dies kann sowohl durch die Lehrkraft als auch durch die Gruppenmitglieder selbst geschehen und kann sowohl prozessorientiert als auch produktorientiert angelegt sein. • Bewertung einer Präsentation – nicht nur im Fach Deutsch und nicht ausschließlich durch die Lehrkraft.

11.4 Herausforderungen im Schulalltag Notengebung statt Wissensvermittlung

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Im Schulalltag stellen Leistungserhebung und Leistungsbewertung Lehrkräfte in mehrerlei Hinsicht vor große Herausforderungen: Angesichts einer zunehmend rauer werdenden Leistungsgesellschaft, in der viele Eltern meinen, einzig der Weg aufs Gymnasium

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11 Leistungsmessung und -bewertung

könne sozialen Abstieg vermeiden oder sozialen Aufstieg ermöglichen, sehen Lehrkräfte sich nicht selten mit Forderungen konfrontiert, nicht mehr Wissen, Bildung und Kompetenz zu vermitteln, sondern bessere Noten zu vergeben. Auch nachträgliche, gelegentlich sogar juristische Überprüfungen von Leistungsnachweisen verdeutlichen dieses Problem. Andererseits sieht auch die Lehrkraft, die Leistungsfeststellung und -bewertung ernst nimmt, sich hohen methodischen Anforderungen ausgesetzt, will sie dabei die klassischen, für schulische Leistungsfeststellungen besonders relevanten Fehler vermeiden (siehe Tabelle 16). Tabelle 16 | Beurteilungsfehler

Fehler

Erläuterung

Schulpraxisbezug

MatthäusEfekt

Ein Prüling mit guten Noten hat es leichter, weitere gute Noten zu erhalten.

So bewerten Lehrkräfte selbst die schlechte Leistung eines ansonsten stets guten Prülings mit einer guten Note.

Halo-Efekt

Der Gesamteindruck einer Schülerin oder eines Schülers oder ein hervorstechendes Merkmal wird auf andere Merkmale übertragen.

So wird die Leistung einer Schülerin oder eines Schülers im Fach Mathematik eher positiv bewertet, wenn diese/dieser durch ihre/seine Sprachgewandtheit in den Augen der Lehrkraft die Fähigkeit zu klarem Denken beweist.

Fehler der Milde (Error of generosity)

Manche Lehrkräfte bewerten die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler stets mit besseren Noten als Kollegen.

Härtefehler (StrengeEfekt)

Manche Lehrkräfte bewerten die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler stets strenger als Kollegen.

Fehler der zentralen Tendenz (Tendenz zur Mitte)

Manche Lehrkräfte vermeiden Extremurteile und vergeben vor allem die mittleren Notenstufen.

Diese Fehler lassen sich vor allem dann gut beobachten, wenn Lehrkräfte über Jahre hinweg in Parallelklassen unterrichten. Während Lehrkraft A meist zu guten Noten tendiert, neigt Lehrkraft B zur Vergabe schlechter Noten. In der Praxis lässt sich häuig ein dritter Typus beobachten: Die Lehrkraft, die Extremurteile wie die Noten 1 und 6 vermeidet. So ist sie einerseits weniger der Gefahr ausgesetzt, dass Schülerinnen und Schüler oder Eltern Kritik üben und kann andererseits dennoch einen Notenschnitt vorweisen, der sie vor Kritik durch Kollegen und Vorgesetzte schützt.

Reihungsefekt

Sind schriftliche Leistungsfeststellungen zu bewerten, tendieren viele Lehrkräfte dazu, bei der Bewertung der ersten Arbeiten strengere Maßstäbe anzulegen. Andererseits ist es auch möglich, dass die Qualität der ersten korrigierten Arbeit den Maßstab setzt, mit dem die folgenden verglichen werden.

Während Lehrkräfte sich bei den ersten Arbeiten noch stark an ihrem Erwartungshorizont orientieren, sind sie bei weiteren Arbeiten dazu bereit, Antworten gelten zu lassen, mit der „schon das Richtige gemeint“ sein wird.

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Schulpädagogik

Fehler

Erläuterung

Schulpraxisbezug

BeziehungsEfekt

Lehrkräfte sehen in Noten eine Gefahr für ihre Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern und tendieren zu eher mildern Notenstufen oder zu guten Noten.

Lehrkräfte befürchten, die Vergabe schlechter Noten würde ihnen von der Klasse übelgenommen werden; sie möchten gemocht werden.

Führen Sie sich beim Beurteilen der Leistungen Ihrer Schülerinnen und Schüler vor Augen, dass Beobachtungs- und Beurteilungsfehler nie gänzlich auszuschließen sind – sich dies bewusst zu machen und verantwortungsvoll damit umzugehen, ist bereits der wichtigste Schritt. Über diese Herausforderungen hinaus sind dauerhafte Leistungsschwächen, Leistungsstörungen und Prüfungsangst weitere Themen, mit denen Sie als Lehrkraft sich bei Leistungserhebung und Leistungsbewertung auseinandersetzen werden müssen.

Literaturtipp Wichtige Erkenntnisse zur Leistungsbeurteilung – gerade zu Gütekriterien und Testfehlern – können Sie auch aus dem Bereich der Psychologie übernehmen. Seien Sie hier in den entsprechenden Lehrveranstaltungen wachsam. Einen interessanten Ansatz liefert Helmke, der eben gerade diese Gütekriterien nicht in den Fokus schulischer Leistungsbewertung rückt: Helmke, Andreas. Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze. Dem Problem der Leistungsbewertung im kompetenzorientierten, individualisierenden Unterricht widmen sich Seifritz und Schmolke – allerdings bezogen auf die Grundschule: Schmolke, Silke & Seifritz, Britta. Individuelle Leistungsbewertung mit System: Fair, transparent und kompetenzorientiert beurteilen im offenen Grundschulunterricht. Mülheim. Kostenlos und ausgesprochen praxisnah und alltagstauglich ist die folgende Handreichung aus Bayern  – inwiefern Ihre Dozentinnen und Dozenten dies als zu wenig wissenschaftlich ansehen, müssen leider Sie von Fall zu Fall entscheiden. Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (Hrsg.). Kompetenzorientierter Unterricht. Leistungen beobachten – erheben – bewerten. München.

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11 Leistungsmessung und -bewertung

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Zusammenfassung • Aus pädagogischer Sicht ist Leistung sowohl Prozess als auch Ergebnis psychischer oder körperlicher Anstrengung. Gerade ein kompetenzorientierter Unterricht darf vor allem den Prozess der Leistungserbringung nicht ausklammern. • Schulleistung, deren Messung und Bewertung werden leidenschaftlich und häufig sehr emotional diskutiert. Aus pädagogischer Sicht unterscheidet Furck vier Dimensionen des Begriffs Schulleistung: • Schulleistung als Forderung der Schule an die Schülerinnen und Schüler • Schulleistung als Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten • Schulleistung als Leistung der Schule für Gesellschaft, Staat und Wirtschaft • Schulleistung als Leistung des Einzelnen für sein späteres Leben • Leistungsfeststellung wird auch als Leistungserhebung, Lernerfolgskontrolle oder Lernzielkontrolle bezeichnet. Nicht gleichgesetzt werden darf diese mit der Leistungsbeurteilung, da bei einer Leistungsfeststellung noch keinerlei Bewertung der Leistung stattfindet. Leistungsfeststellungen werden mündlich, schriftlich oder praktisch und an drei Punkten des Lehr- und Lernprozesses durchgeführt: • unterrichtsvorbereitend, um Lernvoraussetzungen und Leistungsstand berücksichtigen zu können • unterrichtsbegleitend, um den Erfolg der didaktisch-methodischen Maßnahmen zu überprüfen • unterrichtsabschließend, um Informationen über das Erreichen der Lernziele und die Qualität des Unterrichts zu bekommen • Angesichts kompetenzorientierter Lehrpläne muss Schule Wege finden, überfachliche, methodische Leistungen festzustellen. • Leistungsfeststellungen in der Schule lassen sich aus gesellschaftlicher und didaktischer Sicht begründen. • In vielen Fällen folgt auf eine Leistungsfeststellung die Leistungsbewertung, bei der die festgestellte Leistung in Beziehung zu einer Bezugsnorm gesetzt wird: • Die soziale oder intersubjektive Norm vergleicht die Leistungen des einzelnen mit den Leistungen der anderen Gruppenmitglieder. • Die Sach- oder Idealnorm vergleicht die Leistungen mit dem gesetzten Lehr-/ Lernziel. • Die individuelle oder subjektive Norm vergleicht die aktuelle Leistung eines Lernenden mit seiner früheren Leistung. • In den meisten Schulen und Jahrgangsstufen wird die Bewertung der erbrachten Leistung in einer Note auf den Punkt gebracht. • Wenn Kompetenzorientierung und Differenzierung nicht nur leere Schlagwörter bleiben sollen, wird schulische Leistungsmessung in Zukunft stärker auf alternative Möglichkeiten wie Schülerselbstbeurteilung, Gruppennoten und Portfolio zurückgreifen müssen. • Häufig sind es Eltern, die sich mit guten, nicht immer jedoch pädagogisch sinnvollen Absichten für die Noten ihrer Kinder einsetzen, die für Lehrkräfte eine Her265

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Schulpädagogik

ausforderung darstellen. Daneben lauert eine Vielzahl an Fallstricken auf die Lehrkraft: • Matthäus-Effekt • Halo-Effekt • Fehler der Milde • Härtefehler • Fehler der zentralen Tendenz • Reihungseffekt • Beziehungs-Effekt

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie die Begriffe Schülerleistung, Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung. Nennen Sie dabei auch Alternativbegriffe und gehen Sie auf die Zusammenhänge zwischen diesen Begriffen ein. 2. Nennen und erläutern Sie die vier Dimensionen des Leistungsbegriffs in der Schule. 3. Leistungsfeststellungen können zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten des Unterrichts durchgeführt werden: • Nennen Sie diese Zeitpunkte. • Erläutern Sie die jeweilige Zielsetzung. • Finden Sie für jeden Zeitpunkt ein konkretes schulpraktisches Beispiel. 4. Begründen Sie Leistungsfeststellungen in der Schule aus gesellschaftlicher und didaktischer Sicht. 5. Stamm-Experten-Gruppen – Bilden Sie gemeinsam mit anderen Studierenden drei Gruppen: • Gruppe 1 setzt sich intensiv mit der sozialen Bezugsnorm auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel, sammeln Sie weitere Informationen, diskutieren Sie diese Bezugsnorm. Überlegen Sie sich gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Norm sinnvoll ist. • Gruppe 2 setzt sich intensiv mit der Sachnorm auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel, sammeln Sie weitere Informationen, diskutieren Sie diese Bezugsnorm. Überlegen Sie sich gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Norm sinnvoll ist. • Gruppe 3 setzt sich intensiv mit der individuellen Bezugsnorm auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel, sammeln Sie weitere Informationen, diskutieren Sie diese Bezugsnorm. Überlegen Sie sich gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Norm sinnvoll ist. 266

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11 Leistungsmessung und -bewertung

• Anschließend bilden je ein Vertreter von Gruppe 1, 2 und 3 eine neue Gruppe. In diesen neuen Gruppen stellt jedes Mitglied die von ihm erarbeitete Bezugsnorm den anderen vor. 6. Dass in Deutschland in der Regel Noten von 1 bis 6 vergeben werden, wissen Sie. Nennen Sie die Prädikatsbegriffe, für die diese Ziffern stehen. 7. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden gemeinsam in der Gruppe: • Nennen Sie die klassischen Fehler, die bei Feststellung und Bewertung von Schülerleistungen beachtet werden müssen. • Was meinen Sie? Wie kommen diese Fehler zustande? Diskutieren Sie. • Sammeln Sie gemeinsam Möglichkeiten, wie diese Fehler vermieden oder minimiert werden können. 8. Gehen Sie erneut in der Gruppe zusammen, in der Sie die Reflexionsaufgabe bearbeitet haben. • Diskutieren Sie erneut die Abschaffung von Schulnoten. • Haben Sie nun neue Argumente kennen gelernt? • Verläuft die Diskussion anders als die ursprüngliche? • Stimmen Sie erneut ab. Hat sich im Vergleich zur vorherigen Abstimmung etwas geändert?

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion – die richtige Balance 12.1 Begriliches 12.2 Erfolgsrezept Direkte Instruktion 12.3 Ofener Unterricht 12.4 Königsmethode Projekt Die Schlagworte Instruktion, Konstruktion und Ofener Unterricht prägen seit einigen Jahrzehnten die Diskussion um guten Unterricht. Dies führte in der Vergangenheit zu einer zunehmenden Geringschätzung geschlossener Curricula und des traditionellen, lehrergelenkten Unterrichts. Ausgangspunkt für diese Diskussion waren in Deutschland ein Artikel Kaspers (1978) über den PLOWDEN-Bericht, eines „der bedeutendsten Dokumente zur englischen Grundschulpädagogik“ (Kasper 1978: 10), und Brüggelmanns Artikel Offene Curricula (1972). Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen der Frage nach Instruktion und Konstruktion und der nach Ofenem Unterricht und lehrerzentriertem Unterricht, fällt dieses Kapitel eher umfangreich aus. Es setzt sich auseinander mit… • den Begrifflichkeiten Instruktion und Konstruktion. • der Direkten Instruktion, der die Hattie-Studie hohe Wirksamkeit bescheinigt. • dem offenen Unterricht an sich. • dem Projekt, das als Königsmethode offenen Unterrichts gilt.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Diskutieren Sie vor Lektüre dieses Kapitels: Was verstehen Sie unter offenem Unterricht? • Berichten Sie: Welche Bemühungen haben die von Ihnen im Praktikum beobachteten Lehrkräften unternommen, um Schülerinnen und Schülern Freiheiten in den Bereichen Zeit, Sozialform und Inhalte zu geben?

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

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Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Berichten Sie: Welche Projekte wurden in Ihrer Schulzeit durchgeführt? Welche Projekte konnten Sie im Rahmen von Unterrichtsbeobachtungen begleiten? • Diskutieren Sie den Nutzen und die mit der Durchführung von Projekten verfolgten Ziele.

12.1 Begriffliches Die Begrife Instruktion und Konstruktion werden in der Diskussion um konstruktivistisch orientierten Unterricht zunächst häuig genutzt, um unterschiedliche Formen von Unterricht zu bezeichnen. Während unter dem Stichwort Instruktion vor allem ein lehrergelenkter, wenig schülerorientierter Unterricht, stumpfsinniges Pauken und traditioneller, verstaubter Frontalunterricht gesehen werden, steht konstruktivistisch orientierter Unterricht häuig für eine neue Lernkultur, die auf Eigenaktivität, Mitbestimmung und Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler setzt. Dieser Sichtweise entsprechend werden „Instruktion und Konstruktion vereinfachend und als Dichotomie“ (Reinmann 2012: 25) gegenübergestellt, was durch das Wort versus zum Ausdruck gebracht wird. Dies jedoch impliziert, dass niemals beides gemeinsam möglich ist. Entweder werde instruiert oder es werde konstruiert. Unterricht aus Sicht des radikalen Konstruktivismus nach Glasersfeld erfordert eine vollkommen neue Lehrerrolle. Seine Tätigkeit muss sich darauf beschränken, den Lernenden Probleme zu präsentieren. Diese müssen geeignet sein, um bei ihrer Lösung die zu erlernenden Denkweisen zu fördern (vgl. Glasersfeld 1997: 202). Anleitung, Hilfestellung und gezielter Input hingegen werden angesichts der Überbetonung der Autonomie der Lernenden geringgeschätzt (vgl. Reusser 2006 nach Möller 2012). Selbst das Festlegen objektiver Lernziele im Vorfeld ist der Lehrkraft dabei nicht möglich (vgl. Möller 2001: 18). Dies führte unter anderem zu einer Situation, die Giesecke (1999: 89) als Demontage der Kernaufgabe von Schule, als Demontage des Unterrichtens bezeichnet. Insgesamt ist dies ein aus schulpraktischer Sicht schwieriger, wenig erfolgversprechender Ansatz. Neben schulpraktischen Erfahrungen nährten aber auch empirische Untersuchungen die Zweifel an der Wirksamkeit eines streng konstruktivistisch orientierten Unterrichts, sodass ein Mittelweg gefragt war. Die Frage lautet fortan,

Dichotomie Instruktion – Konstruktion

Rolle der Lehrkraft

Instruktion => Konstruktion

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Schulpädagogik

wie es einer Lehrkraft unter Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen ihrer Schülerinnen und Schüler gelingt, mittels passgenauer Instruktion Konstruktionsprozesse anzuregen. Aus Instruktion versus Konstruktion wurde somit Instruktion und Konstruktion oder sogar Konstruktion durch Instruktion. In Abhängigkeit von Vorwissen und den jeweiligen Lernzielen wird ein mehr oder weniger lehrerzentrierter Unterricht empfohlen. Wellenreuther (2012) beispielsweise empiehlt einen eher „instruktiven“, lehrergesteuerten Unterricht zu Beginn einer Sequenz, wenn es um den Erwerb neuen Wissens geht. Im Anschluss daran, wenn ausreichend Vorwissen vorhanden ist und es um dessen Anwendung geht, einen eher „konstruktivistischen“, ofenen Unterricht. Ausgehend von diesen eher theoretischen Grundlagen werden in diesem Kapitel als Möglichkeiten unterrichtspraktischer Realisierung instruktionaler und konstruktivistischer Ansätze die Themen Direkte Instruktion und Ofener Unterricht ausgeführt. Über ofenen Unterricht hinaus kommt das Projekt als Königsmethode ofenen Unterrichts zur Darstellung.

12.2 Erfolgsrezept Direkte Instruktion 12.2.1 Begriffliches Erklärung direkte Instruktion

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Ein Ausgangspunkt des schulpädagogischen Siegeszugs direkter Instruktion mag der PISA-Schock gewesen sein, in dessen Folge ideologische Überlegungen hintenangestellt und die pragmatische Frage gestellt wurde: Was funktioniert? Diese Frage verlangt zunächst die Orientierung an empirischen Daten und, daraus schlussfolgernd, die Einbeziehung direkter Instruktion in den Unterricht. Dies belegt vor allem die Hattie-Studie, in der sich direkte Instruktion als ein zentrales Merkmal erfolgreichen Unterrichts herauskristallisiert (siehe auch Kapitel Schulpädagogik 10). Eine Deinition liefert Grosche. Er deiniert direkte Instruktion als „hoch strukturierte, lehrergesteuerte, lernerzentrierte, schrittweise, feedback- und redundanzreiche Förderung, … in der die zu lernenden Fähigkeiten vom Lehrer präsentiert, in Anleitung mit dem Schüler modelliert und letztendlich so lange einschleifend geübt werden, bis sich ein hoher Automatisierungsgrad zeigt“ (Grosche 2011: 148). Eine weitere begriliche Eingrenzung und Annäherung ermöglichen zwei Zitate von Wellenreuther:

12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

Unter direkter Instruktion lassen sich alle Lernarrangements einordnen, in denen der Lehrer neue Informationen präsentiert und den Lernprozess bis zur sicheren Festigung und Verankerung der neuen Inhalte im Langzeitgedächtnis steuert.

Deinitionen

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(Wellenreuther 2007: 331)

Direkte Instruktion wird zwar vom Lehrer gesteuert, ist aber schülerzentriert! Der Lehrer legt unter Berücksichtigung der in seiner Klasse verfügbaren Vorkenntnisse die Lernziele fest. Er (oder sie) stellt Fragen unterschiedlicher Schwierigkeit, organisiert, strukturiert, kontrolliert, korrigiert und evaluiert die Lernfortschritte der Schüler beständig und sorgt dafür, dass die Fehlinformationen und Wissenslücken vermieden oder schnell beseitigt werden. (Wellenreuther 2014: 8)

12.2.2 Vorteile und Stärken Wenngleich direkte Instruktion prinzipiell für alle Fächer geeignet ist, weist diese Form des Unterrichts vor allem drei zentrale Stärken auf: • Gerade lernschwache Schülerinnen und Schüler profitieren besonders stark von direkter Instruktion, während offener Unterricht sie häufig überfordert. Gerade wenn nur wenig Vorwissen zu einem Themengebiet vorhanden ist, zeigt direkte Instruktion ihre Stärken. • Dies ist auch der Grund dafür, dass direkte Instruktion besonders gut für die Einführung neuer Themengebiete geeignet ist. Der Versuch, die Schülerinnen und Schüler hier neue Inhalte selbstständig entdecken lassen zu wollen, führt häufig zu ziellosem Herumsuchen. • Die dritte Stärke der direkten Instruktion zeigt diese bei der Vermittlung von Grundfertigkeiten und Grundwissen.

Lernschwache Schülerinnen und Schüler

Einführung

Grundfertigkeiten/-wissen

12.2.3 Ablaufschema Nach Hattie (2013: 244) vollzieht sich direkte Instruktion in sieben Schritten: 271

Schulpädagogik

Lernziele festlegen

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Erfolgskriterien identiizieren und kommunizieren

Engagement stärken Präsentieren

Modell geben

Überprüfen

Angeleitetes Üben

Zusammenfassen

Transferaufgaben

272

1. Die Lehrkraft legt das Lernziel und somit die erwünschten Resultate ihres Unterrichts fest. 2. Die Lehrkraft identifiziert Erfolgskriterien und kommuniziert diese den Schülerinnen und Schülern. Das bedeutet auch, dass die Lernenden im Sinne transparenter Leistungserwartungen im Vorfeld erfahren, wann und woran ihre Leistung gemessen werden wird. 3. Engagement und Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler für die Lernaufgabe sind von zentraler Bedeutung und müssen gestärkt werden. 4. Dreistufiger Stunden-/Sequenzaufbau: • In der Phase des Inputs präsentiert die Lehrkraft der Klasse die Informationen mittels Vortrag, Demonstration oder Medieneinsatz. • Anschließend fungiert die Lehrkraft als Modell und zeigt den Schülerinnen und Schülern, wie ein gutes Ergebnis aussieht. Wichtig dabei ist das deutliche Aufzeigen und Begründen wirklich aller Lösungsschritte sowie das Bemühen um möglichst einfache Erklärungen und treffende Beispiele. • Überprüfung – die Lehrkraft überprüft, ob die Schülerinnen und Schüler alles verstanden haben, da das Verständnis die notwendige Grundlage für das nachfolgende Üben bildet; andernfalls muss der Unterrichtsinhalt (für die gesamte Klasse oder einzelne Schülerinnen und Schüler) erneut unterrichtet werden. 5. In der Phase des angeleiteten Übens kommen der Lehrkraft die Aufgaben zu, individuelle Hilfestellungen sowie konkretes Feedback zu geben. Dabei lösen die Schülerinnen und Schüler zunächst recht einfache Aufgaben. Beherrschen sie dies sicher, wenden sie sich zunehmend schwierigeren Aufgaben zu. 6. Zum Abschluss der Unterrichtsstunde präsentiert der Lehrer den Unterrichtsinhalt und fasst somit zusammen, worum es in der Stunde ging. Auch die Schülerinnen und Schüler rekapitulieren ihr neu erworbenes Wissen und ordnen dies in einen größeren Kontext ein. 7. Wenn die Schülerinnen und Schüler den Inhalt tatsächlich verstanden haben bzw. die neu erlernte Fertigkeit beherrschen, üben sie eigenständig weiter. Dies kann entweder in der Klasse oder als Hausaufgabe geschehen; zum Einsatz sollten dabei vor allem Transferaufgaben kommen. In dieser Phase darf sich das Feedback der Lehrkraft nicht darauf beschränken, Lösungen als richtig oder falsch zu etikettieren. Vielmehr ist inhaltliches Feedback

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

gefragt. Darüber hinaus bieten sich in dieser Unterrichtsphase kleinere Projekte oder Exkursionen an (vgl. Wellenreuther 2014: 8 f.). Um auch in dieser Phase die Differenzierung zu gewährleisten, weichen die Aufgaben unterschiedlich stark von den Aufgaben ab, die beim angeleiteten Üben bearbeitet wurden. Das bedeutet, die erforderliche Transferleistung variiert und macht den Unterschied im Schwierigkeitsgrad aus. Anders als lange Zeit durch Reformpädagogen und Verfechter des ofenen Unterrichts propagiert, schlüpft die Lehrkraft auf diese Weise nicht in die Rolle des Moderators, sondern vielmehr in die des Regisseurs, der in Inhalte einführt, Kernideen an Beispielen verdeutlicht und Übungen von leicht nach schwer strukturiert (vgl. Wellenreiter 2014: 10). Direkte Instruktion überwindet somit die von Giesecke beklagte Demontage der schulischen Kernaufgabe Unterrichten (vgl. Giesecke 1999: 89). Festzuhalten bleibt, dass direkte Instruktion lediglich ein Faktor erfolgreichen Unterrichts ist – neben vielen, bei Hattie 137, anderen Faktoren. Insofern wäre es falsch, in direkter Instruktion etwas wie ein Allheilmittel zu sehen. Relevant ist vielmehr, nach dem zu fragen, was bei den einzelnen Schülerinnen und Schülern funktioniert und deren Lernen unterstützt und was nicht. Hattie (2014) empiehlt Lehrkräften daher auch einen Methodenmix, wie dieser bereits bei Hilbert Meyer als Merkmal guten Unterrichts (siehe auch Kapitel Schulpädagogik 10) identiiziert wurde.

Lehrkraft als Regisseur

Direkte Instruktion ≠ Allheilmittel

12.2.4 Ist das nicht das Gleiche wie Frontalunterricht? Direkte Instruktion unterscheidet sich stark von der Ofenheit des Unterrichts, wie sie Lehrkräften viele Jahre und Jahrzehnte lang gepredigt wurde und mit der viele sich nur widerwillig anfreunden konnten. Vor diesem Hintergrund hat direkte Instruktion in der Schulpraxis häuig mit dem Vorurteil zu kämpfen, nichts anderes als eine Wiedereinführung des altbackenen Frontalunterrichts zu sein. Zu diesem Vorurteil trägt auch eine weitere Tatsache bei: Beide, Frontalunterricht und direkte Instruktion, haben ihre Stärke eindeutig in der Vermittlung von Grundlagenwissen. Obwohl die bisherigen Ausführungen bereits viele Anhaltspunkte dafür geliefert haben, dass direkte Instruktion alles andere als traditioneller, überholter Frontalunterricht ist, lohnt sich ein genauer Vergleich der beiden Konzepte. 273

Schulpädagogik

Hilbert Meyer (2011: 183) beschreibt Frontalunterricht folgendermaßen:

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Deinition Frontalunterricht

Frontalunterricht ist ein zumeist thematisch orientierter und sprachlich vermittelter Unterricht, in dem der Lernverband (die Klasse) gemeinsam unterrichtet wird und in dem der Lehrer – zumindest dem Anspruch nach – die Arbeits-, Interaktions- und Kommunikationsprozesse steuert und kontrolliert. (Meyer 2011: 183)

Einführung

Konstruktives Durcharbeiten

Übendes Wiederholen

274

Der idealtypische Ablauf des Frontalunterrichts unterscheidet sich deutlich von dem der direkten Instruktion. Wiechmann (2011: 23 f.) stellt die vier aufeinanderfolgenden Schritte folgendermaßen dar: 1. Zum Stundeneinstieg führt die Lehrkraft in das Thema ein und bietet das neu zu erwerbende Grundlagenwissen dar. Hier bieten sich vor allem die Methoden Lehrervortrag, Demonstrieren und Problematisieren an. Da nicht von einer intrinsischen Lernmotivation und einem sachbezogenen Interesse aller Schülerinnen und Schülern der Klasse ausgegangen werden kann, hat hier die Lehrkraft Vorteile, die einen pädagogischen Bezug zu ihrer Klasse aufbauen konnte. 2. Das konstruktive Durcharbeiten des Lerninhalts geschieht im Unterrichtsgespräch und dient der individuellen Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Lerninhalt und dessen Integration in die „bereits bestehenden kognitiven Strukturen“ (Wiechmann 2011: 26). Die Lehrkraft hat hierbei einerseits auf den passenden Schwierigkeitsgrad ihrer Fragen zu achten und andererseits darauf, kleinschrittig vorzugehen. Da sich das Verständnis nicht bei allen Schülerinnen und Schülern gleichzeitig einstellen wird, endet dieser Unterrichtsschritt nicht gleichzeitig für die ganze Klasse. Im Sinne einer Binnendifferenzierung beginnen einige Lerner bereits mit dem übenden Wiederholen, während andere sich noch gemeinsam mit der Lehrkraft im Unterrichtsgespräch befinden. 3. Durch übendes Wiederholen festigen die Schülerinnen und Schüler das neu Gelernte und sichern dieses gegen Vergessen. Wichtig dabei ist die Differenzierung der Übungsaufgaben, da nur so jede Schülerin und jeder Schüler auf ihrem/seinem aktuellen, individuellen Niveau arbeiten kann. Die Auswahl der Aufgaben und somit des zu bearbeitenden Schwierigkeitsgrads ist den Lernenden zu überlassen, da dadurch Motivation und Selbsteinschätzung gefördert werden. Der Lehrkraft fällt in die-

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

ser Phase vor allem das Überwachen der Lernfortschritte ihrer Schülerinnen und Schüler zu. Sie kontrolliert die übenden Schülerinnen und Schüler jedoch nicht, um diese zu bewerten oder zu gängeln, sondern um individuell zu unterstützen. 4. Problemorientiertes Anwenden geht insofern über übendes Wiederholen hinaus, als dabei das neu erworbene Wissen aus dem unterrichtlichen Kontext herausgelöst wird. Problemorientiertes Anwenden ist nicht bloßes Anhängsel an den Frontalunterricht, sondern unverzichtbarerer Bestandteil desselben. Fehlt dieser vierte Schritt, werden die Schülerinnen und Schüler das neu Gelernte nicht auf andere Situationen transferieren können. Wichtig in dieser Phase ist, dass die Lernenden die Aufgaben als echtes, herausforderndes Problem erleben, das es selbstständig zu lösen gilt. Auch dabei ist eine Differenzierung notwendig. Diese sollte sich vor allem auf die Ähnlichkeit zu den zuvor bearbeiteten Übungsaufgaben und somit auf die zu erbringende Transferleistung beziehen.

Problemorientiertes Anwenden

Wenngleich direkte Instruktion und Frontalunterricht – vor allem in den Augen der Unterrichtspraktiker – häuig und fälschlicherweise gleichgesetzt werden, existieren einige zentrale Unterschiede (siehe Tabelle 17). Tabelle 17 | Gegenüberstellung Direkte Instruktion | Frontalunterricht

Direkte Instruktion

Frontalunterricht

Gleich einem Dirigenten steuert die Lehrkraft den Unterricht, zieht sich jedoch an unterschiedlichen Stellen auf die Rolle des Feedbackgebers zurück. Einen Großteil der Steuerungsfunktion erfüllt sie durch die Auswahl der Übungsaufgaben.

Die Lehrkraft steht im Zentrum des Unterrichtsgeschehens und steuert die hier ablaufenden Prozesse. Eigenständiges Üben durch die Schülerinnen und Schüler indet statt, spielt aber eine untergeordnete Rolle.

Diferenzierung indet vor allem während des angeleiteten Übens (Schritt 5) und während des Bearbeitens von Transferaufgaben (Schritt 7) statt.

Diferenzierung ist wünschenswerter, jedoch kein fester Bestandteil des Frontalunterrichts; dadurch jedoch kommt es vor allem in stark heterogenen Lerngruppen dazu, dass schwächere Schülerinnen und Schüler überfordert werden, während stärkere unterfordert sind.

Gezieltes Üben – vor allem in Form des angeleiteten Übens, aber auch in Form des selbstständigen Übens mit Transferaufgaben ist ein zentrales Element direkter Instruktion.

Auch im Frontalunterricht üben die Schülerinnen und Schüler, wobei sich dies deutlich vom angeleiteten Üben der direkten Instruktion unterscheiden kann.

Darbieten ist ein Element der direkten Instruktion.

Darbieten ist wichtigstes Element des Frontalunterrichts.

275

Schulpädagogik Frontalunterricht

Im Sinne transparenter Leistungserwartungen werden die Schülerinnen und Schüler vorab über Unterrichtsinhalt und Lernziele in Kenntnis gesetzt.

Häuig werden die Schülerinnen und Schüler mit einem Thema konfrontiert, ohne dass sie genau wissen, was dabei gelernt werden soll. Sie haben von daher keine Anhaltspunkte, woran Sie den eigenen Lernerfolg festmachen können.

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Direkte Instruktion

Wie Tabelle 17 zeigt, beschränken sich die Unterschiede teilweise auf Nuancen und die Ausführung der einzelnen Schritte (Darbieten, Üben). Deshalb ist es nachvollziehbar, dass direkte Instruktion und Frontalunterricht, zwei unterschiedliche Ansätze, in der schulischen Unterrichtspraxis auf den ersten Blick häuig miteinander verschwimmen. So können Lehrkräfte natürlich auch im Frontalunterricht verstärkt Phasen der Diferenzierung einplanen oder die Schülerinnen und Schüler vorab über Ziele informieren. Zentrale Unterschiede sind vor allem angeleitetes Üben sowie der deutliche Wechsel zum späteren eigenständigen Üben bei der direkten Instruktion.

12.3 Offener Unterricht 12.3.1 Begriffliches Ofener Unterricht ist weniger ein in sich geschlossenes, theoretisches Konzept als vielmehr die Umsetzung einer Unterrichtsphilosophie und Geisteshaltung, die sich gegen autoritäres Lehrerbild und lehrerzentrierten Unterricht richtet und selbstbestimmtes, entdeckendes, handlungsorientiertes Lernen zum Ziel hat. Skiera bezeichnet ihn deshalb als „Sammelbegrif für zahlreiche methodischdidaktische und schulorganisatorische Maßnahmen“ (Skiera 2010: 379). Diese Vielschichtigkeit macht das Finden einer einheitlichen und endgültigen Deinition zur Unmöglichkeit. Auf den Punkt bringt Bastian dies, wenn er formuliert: Offenen Unterricht zu fassen ist schwerer als einen Pudding an die Wand zu nageln! (Bastian zitiert nach Gudjons 2004: 6)

Dennoch sollen an dieser Stelle drei ausgewählte Deinitionsversuche angeführt werden: 276

12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

Als Offener Unterricht (open education, progressive education) werden alle Varianten eines ziel-, inhalts- und methodendifferenzierten Unterrichts mit einer Betonung der Selbstregulation und mit hohen Anteilen an Projekt-, Gruppen- und Freiarbeit bezeichnet.

Deinitionen

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(Meyer 2004: 8)

Offener Unterricht gestattet es dem Schüler, sich unter Freigabe von Raum, Zeit und Sozialform Wissen und Können innerhalb eines „offenen Lehrplans“ an selbst gewählten Inhalten auf methodisch individuellem Weg anzueignen. Offener Unterricht zielt im sozialen Bereich auf eine möglichst hohe Mitbestimmung bzw. Mitverantwortung des Schülers bezüglich der Infrastruktur der Klasse, der Regelfindung innerhalb der Klassengemeinschaft sowie der gemeinsamen Gestaltung der Schulzeit ab. (Peschel 2011: 78)

Offener Unterricht ist ein schüler- und handlungsorientierter, auf Problemlösen angelegter und deshalb notwendig fächerübergreifender Unterricht, der sich im Sinne von Projektarbeit um einen Themenschwerpunkt zusammenfügt. (Wopp 1991: 323)

So mannigfaltig die zum Stichwort Ofener Unterricht aufzuindenden Deinitionen auch sind, so beinhalten sie doch alle ein zentrales, gemeinsames Element, das ofenen Unterricht ausmacht: die stark ausgeprägte Selbst- und Mitbestimmung der Lernenden.

12.3.2 Merkmale und Dimensionen Ergiebiger als eine Auseinandersetzung mit den mannigfaltigen Begrifsdeinitionen ist gerade für Praktikerinnen und Praktiker ein Blick auf die Merkmale und Dimensionen, die für ofenen Unterricht angeführt werden. Nach Jürgens (2004) ist Unterricht umso ofener, je besser er die folgenden fünf Merkmale erfüllt: • Auf der Ebene des menschlichen Miteinanders von Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern (Jürgens spricht vom sozialemotionalem Lernklima, ist offener Unterricht geprägt von Ver-

Sozial-emotionales Lernklima 277

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Schulpädagogik

Arbeits- und Sozialformen



Inhaltliche Zielbestimmung und Planung



Organisatorischmethodische Ebene



Lernkontrolle



trauen, Ermutigung, Anerkennung, Zuwendung und emotionaler Wärme  – von den Faktoren also, die auch den pädagogischen Bezug und den partnerschaftlich-demokratischen Erziehungsstil ausmachen (vgl. Kapitel Pädagogik 7 und 8). Die Arbeits- und Sozialformen werden so gewählt, dass selbsttätiges, handlungsorientiertes Lernen ermöglicht wird und die Schülerinnen und Schüler individuelle Lernwege gehen können. Große Bedeutung kommt im offenen Unterricht dem sozialen Lernen in Partner- und Gruppenarbeit sowie unterschiedlichen Helfersystemen zu. Im offenen Unterricht werden Schülerinnen und Schüler in inhaltliche Zielbestimmung und Planung einbezogen und entscheiden mit über Ziel- und Inhaltsauswahl, über Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts sowie über die Individualisierung im Rahmen einer Binnendifferenzierung. Ein zentrales Merkmal zeigt sich auf organisatorisch-methodischer Ebene, wo Schülerinnen und Schüler selbständig über den eigenen Lern- und Arbeitsweg entscheiden. Dies bedeutet, sie teilen eigenständig die zur Verfügung stehende Arbeitszeit ein, entscheiden über die Reihenfolge, in der die anstehenden Aufgaben erledigt werden, das Arbeitstempo und die zum Einsatz kommenden Arbeitstechniken. Sie entscheiden, ob sie alleine oder mit ausgewählten Partnern arbeiten und welche Materialien und Hilfen seitens der Lehrkraft sie in Anspruch nehmen. Offener Unterricht zeichnet sich dadurch aus, dass über die klassische Lernkontrolle durch die Lehrkraft hinaus auch Möglichkeiten der Selbstkontrolle bestehen, da Schülerinnen und Schüler nur so den eigenen (Miss-)Erfolg erfahren und den Lernprozess gegebenenfalls anpassen können (vgl. Jürgens 20046: 46 f.).

Schon diese Merkmale zeigen, dass ofener Unterricht hohe Ansprüche an Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkraft stellt. Während es der Lehrkraft gelingen muss, sich mehr und mehr auf eine neue Rolle einzulassen und zentrale Entscheidungen von den Schülerinnen und Schülern selbst trefen zu lassen, müssen sie diese Selbständigkeit Schritt für Schritt erlernen und zunehmend Verantwortung für den eigenen Lernprozess übernehmen. So fordert und fördert ofener Unterricht selbständiges Handeln der Heranwachsenden. Diese Merkmale weisen große Nähe zu Peschels (2011) Stufenmodell auf, in dem er fünf Dimensionen unterscheidet, auf denen eine Öfnung des Unterrichts auf fünf Stufen (von nicht vorhanden 278

12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

bis weitestgehend) möglich ist (vgl. Tabelle 18). Diese Dimensionen sollen es ermöglichen, den Grad der Ofenheit bzw. der Selbst- und Mitbestimmung zu konkretisieren.

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Tabelle 18 | Dimensionen der Öffnung (nach Peschel 2011)

Dimension

Leitfrage

Was ist ofen?

organisatorische Öfnung

Inwieweit haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit selbst zu bestimmen?

Raum, Zeit, Sozialform

methodische Öfnung

Inwieweit können die Schülerinnen und Schüler ihren individuellen Lernwegen folgen?

Lernwege der Schülerinnen und Schüler

inhaltliche Öfnung

Inwieweit bestimmt die Schülerin und der Schüler ihre/seine Lerninhalte selbst?

Lernstof (innerhalb der Lehrplanvorgaben)

soziale Öfnung

Inwieweit bestimmt die Schülerin und der Schüler Regeln des Zusammenlebens und Unterrichtsablauf mit?

langfristige Unterrichtsplanung, Rahmenbedingungen des sozialen Miteinanders und Regeln

persönliche Öfnung

Inwieweit besteht zwischen Lehrkraft und Lernenden sowie zwischen den Lernenden selbst eine positive Beziehung?

Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern sowie zwischen den Lernenden

12.3.3 Ziele Dass ofener Unterricht sich gegen ein autoritäres Lehrerbild und gegen lehrerzentrierten Paukunterricht richtet, wurde bereits angesprochen. Doch wofür steht ofener Unterricht? Welche Ziele verfolgt er? Seine deinitorische Unklarheit und die Tatsache, dass es sich dabei um eine Art Unterrichtsphilosophie handelt, sorgen dafür, dass greifbare Ziele kaum zu formulieren sind. Die umfangreiche Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an Lernprozessen und schulischem Zusammenleben stellt sicher, dass ofener Unterricht nicht allein auf die Förderung fachlicher Kompetenzen abzielt. Vielmehr handelt es sich bei ofenem Unterricht um eine „Unterrichtskonzeption mit multiplen Zielsetzungen“ (Bohl et al. 2013: 282). Die Literatur führt von daher, wie Tabelle 19 zeigt, übergeordnete Ziele an. Vor dem Hintergrund dieser hehren Ziele drängt sich die Frage nach einer wissenschaftlichen Fundierung der Leistungen ofenen Unterrichts auf. Aufällig ist dabei, dass die Unterrichtsphilosophie

Fraglicher Nutzen

279

Schulpädagogik

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Tabelle 19 | Ziele offenen Unterrichts

Badegruber (1999: 5)

Kasper (1992: 17)

Wallrabenstein (1994: 204)

Eigenverantwortung

Selbstvertrauen

Kritikfähigkeit

Selbständigkeit

Selbständigkeit und Selbstverantwortung

Problemlösendes Denken

eigenständiges Planen und Organisieren von Lernprozessen

Freiheit und Autonomie

Kooperationsfähigkeit

Bildungs- und Entdeckungsfreude

Einfühlungsvermögen, Beziehungsfähigkeit

Lernbewusstsein

Verantwortungsgefühl

Lernstrategien

gezieltes, konzentriertes, eizientes Arbeiten

Sachinteressen auf- und ausbauen

individuelles Arbeiten und Arbeiten im Team

Formen des Miteinanders erproben

Demokratie erleben

Kreativität und Fantasie

Ofener Unterricht seit vielen Jahrzehnten wissenschaftlich dokumentiert wird und keinesfalls zu überzeugen weiß – ihrer Beliebtheit dies jedoch bislang nicht geschadet hat. So zeigt eine Vielzahl an Studien, dass ofener Unterricht im Allgemeinen, aber auch die konkrete Öfnung des Unterrichts mittels Wochenplanarbeit sich negativ auf fachliche Lernziele auswirkt (vgl. Bohl et al. 295 f.). Aber auch bei überfachlichen Zielen zeichnen Studien ein Bild, das Verfechter ofenen Unterrichts nur ungern zur Kenntnis nehmen. So belegen diese unter anderem folgendes: • Motivation und Selbstwirksamkeitsüberzeugung hängen weniger von einer Öffnung des Unterrichts mittels Wochenplanarbeit ab, als vielmehr von „Klarheit und Verständlichkeit des Unterrichts insgesamt“ (Bohl et al. 296). • Interesse und Selbstwirksamkeit werden vor allem durch lehrergesteuerten Unterricht gestärkt.

Ofener Unterricht bei Hattie 280

Diese und weitere Erkenntnisse bezüglich überfachlicher Lerninhalte bringen Bohl et al. auf den Punkt: „Leichte Vorteile des ofenen Unterrichts sind möglich, allerdings keineswegs zwingend“ (Bohl et al.: 297). Auch bei der vieldiskutierten Hattie-Studie, in der der Autor sich mit der Frage Was ist guter Unterricht? auseinandersetzt, landet ofener Unterricht auf Platz 133 von 138 Faktoren, die zu erfolgreichem

12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

Lernen beitragen. Mit einer Efektstärke von 0,01 trägt er nicht relevant zum Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler bei.

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12.3.4 Realisierungsmöglichkeiten der Öffnung von Unterricht Ofener Unterricht wird überall dort realisiert, wo Schülerinnen und Schüler Freiheit und Handlungsspielräume haben, Verantwortung für den eigenen Lernprozess und das Zusammenleben zu übernehmen. In der Regel sehen Schulpädagogen dies vor allem in vier Organisationsformen realisiert: Tagesplan- und Wochenplanarbeit bedeuten, dass die Schülerinnen und Schüler für einen festgelegten Zeitraum einen Übersichtsplan über Aufgaben aus unterschiedlichen Unterrichtsfächern und Lernbereichen bekommen. Diese erledigen die Schülerinnen und Schüler bei freier Einteilung von Zeit, Sozialform und Reihenfolge. In der Praxis umfassen Wochenpläne neben obligatorischen Plichtaufgaben meist auch Wahl- und Wahlplichtaufgaben. Einen wichtigen Aspekt der Tages- oder Wochenplanarbeit machen Möglichkeiten zur Selbstkontrolle aus, da diese die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung fördern. Die Idee der freien Arbeit geht auf Freinet zurück und setzt an der Lernmotivation der Kinder und Jugendlichen an. Dabei beschränkt sich die Rolle der Lehrkraft auf die des Anbieters und Beraters, während die Schülerinnen und Schüler auf individuellem Wege eigenständig gesetzte Lernziele verfolgen. Jürgens (2000: 107) versteht unter Freiarbeit eine Unterrichtsform, „bei der die Schülerinnen und Schüler weitgehend selbständig über die Auswahl ihrer Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsbereiche, die Sozialform und die Planung, Durchführung und Auswertung ihres Lern- und Arbeitsablaufs bestimmen können. Dabei stehen die Elemente der Selbststeuerungsfähigkeit und Selbstaktivierungsfähigkeit sowie der Planungsfähigkeit im Mittelpunkt. Daneben geht es vorrangig um die Förderung der Selbsterfahrung und des sozialen Lernens.“ Beim Lernen an Stationen werden an verschiedenen Orten im Klassenzimmer Arbeitsmaterialien und Aufgaben ausgelegt, die vielfältige Zugänge zu einem Lerninhalt und ein Lernen mit möglichst vielen Sinnen bieten; meist soll ein bereits erarbeitetes Themengebiet geübt werden. Die Lernenden erhalten einen Laufzettel, auf dem Stationen aufgeführt und kurz erklärt sind. Während die Schülerinnen und Schüler die Stationen in beliebiger Reihenfolge

Tagesplan- und Wochenplanarbeit

Freie Arbeit

Lernen an Stationen

281

Schulpädagogik

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Projektarbeit

und bei freier Zeiteinteilung bearbeiten, haken sie auf dem Laufzettel die erledigten Stationen ab. In der Praxis ist meist auch die Wahl der Sozialform freigestellt und es sind einzelne Wahlstationen für Schnellere integriert. Der Projektarbeit als Königsmethode ofenen Unterrichts widmet sich das folgende, eigenständige Kapitel, weshalb an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet werden kann. Diese Organisationsformen stellt beispielsweise Bauer (2004) in seinem sehr lesenswerten Aufsatz Ofene Arbeitsformen prägnant und gut verständlich vor.

12.4 Königsmethode Projekt 12.4.1 Annäherung an einen vielschichtigen Begriff Historische Entwicklung

Thesen zur Entwicklung des Projektunterrichts

282

Projekte im Rahmen schulischen Unterrichts weisen zwar gewisse Parallelen zu Projekten im Wirtschaftsleben auf, folgen jedoch gänzlich anderen Gesetzmäßigkeiten. Aus pädagogischer Sicht tritt der Begrif Projekt erstmalig im Italien und Frankreich des 16. Jahrhunderts auf, wo Architekturstudierende regelmäßig Pläne und Skizzen für Bauten einreichen mussten, um den praktischen Anteil ihrer Ausbildung zu stärken. Eine Art Renaissance erlebte der Projektgedanke zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die US-amerikanischen Reformpädagogen Rogers, Richards und Woodward, die den Projektgedanken jedoch noch nicht einheitlich interpretierten. Ist heute die Rede von einem Unterrichtsprojekt oder projektorientiertem Unterricht, so steht dies in der Regel in der Tradition Deweys und Kilpatricks, die vor allem das demokratische Element des Projekts betonen. Kilpatrick bezeichnet das Projekt als „planvolles Handeln aus ganzem Herzen, das in einer sozialen Umgebung stattindet“ (Kilpatrick 1935: 162). Ihre Ansätze fanden in Deutschland vor allem während der 20er und 30er Jahre große Beachtung. Für die Zeit nach 1945 lässt sich die Geschichte des Projektunterrichts mittels zweier Thesen beschreiben: 1. Die Kontinuitätsthese besagt, dass die schulpädagogische und fachdidaktische Diskussion kontinuierlich projektorientierte Ansätze thematisiert. 2. Die Krisenthese hingegen geht davon aus, dass es stets gesellschaftliche Veränderungen oder Krisensituationen sind, die die Beliebtheit der Projektmethode steigern (vgl. Hahne und Schäfer 1997: 89 f).

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

In Deutschland indet sich die Hochzeit des Projektunterrichts in den 1970er Jahren und damit zu einer Zeit größerer gesellschaftlicher Umbrüche, was die Krisenthese stützt. Dies jedoch wirft die Frage auf, ob nicht auch aktuell, angesichts einer hohen Zahl in Schule und Gesellschaft zu integrierender Flüchtlingskinder, angesichts vielerorts negativer Ergebnisse bei unterschiedlichen internationalen Leistungsvergleichsstudien und angesichts vielfältiger gesellschaftlicher Veränderungen erneut eine Blütezeit des Projektunterrichts ansteht. Das Projekt zählt – was der Grund für die an dieser Stelle ausführliche Darstellung ist – zu den Verfahren des ofenen Unterrichts und kann als Umsetzung der Forderung Pestalozzis nach einem „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ gesehen werden. Meyer (2011b: 143) zählt das Projekt zu den methodischen Großformen, hält es jedoch für „eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Formen methodischen Handelns“ (Meyer 2011d: 334). Neben dem Begrif Projekt indet in der Literatur eine Vielzahl weiterer Bezeichnungen wie Projektarbeit und Projektunterricht Verwendung. Wenngleich sich feine Bedeutungsunterschiede identiizieren lassen, so werden diese dennoch häuig synonym verwendet. Verallgemeinernd kann festgestellt werden, dass diese Bezeichnungen verwendet werden, um Arbeitsformen zu beschreiben, die Aspekte des ofenen Unterrichts berücksichtigen und sich stark vom herkömmlichen Klassenzimmerunterricht unterscheiden. Neben diesen Begrifen ist häuig auch die Rede von der Projektmethode selbst, die ein nach dem methodischen Konzept von Frey (2007) durchgeführtes Projekt bezeichnet. Projektorientierter Unterricht hingegen steht für einen weitgehend ofenen Unterricht, bei dem nicht alle Merkmale eines Projekts umgesetzt werden; sozusagen ein Projekt light. Aufgrund seiner Komplexität und Vielschichtigkeit lässt sich das Projekt nur schwerlich fassen, weshalb die folgenden Deinitionen von Frey und Bauer nur exemplarisch und der Vollständigkeit halber angeführt werden. Darüber hinaus soll im Folgenden der praktikablere Weg beschritten werden, das mit Projekt Bezeichnete anhand seiner Merkmale und anhand seiner Ablaufphasen näher zu bestimmen. Ein Projekt ist „das konkrete Lernunternehmen, das eine Gruppe aushandelt, plant, anpackt, durchhält oder abbricht.“

Synonyme und verwandte Begrife

Projektorientierter Unterricht

Deinitionen

(Frey 2007: 15) 283

Schulpädagogik

„Arbeiten in Projekten ist eine Form von offenem Unterricht, bei dem Schüler nach ihren Interessen und Neigungen zielund ergebnisorientiert selbstständig arbeiten. Ein wesentlicher Aspekt ist die Selbstständigkeit des Lernenden und das soziale Miteinander der Gruppen.“ Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

(Bauer 2003: 70)

12.4.2 Merkmale Da die Literatur für Projekte eine kaum zu fassende Vielzahl an Merkmalen auführt, indet an dieser Stelle eine Beschränkung auf die meistgenannten statt. Darüber hinaus zeigt Tabelle 20 – ohne Anspruch auf Vollständigkeit  – wo diese beispielsweise genannt werden. Tabelle 20 | Projektmerkmale

Apel und Knoll

Bauer

Situationsbezug Schülerorientierung

x

Frey

Gudjons

x

x

x

x

Selbstorganisation/ Selbst-verantwortung Produktorientierung Prozessorientierung Soziales Lernen Interdisziplinarität

Situationsbezug

Interdisziplinarität

284

Platte

x

x x

x

x

x x

x x

x

Das Merkmal Situationsbezug ist eng verbunden mit der von schulischem Unterricht zunehmend stärker geforderten Lebensweltorientierung und beschreibt ein Projekt als Auseinandersetzung mit Herausforderungen, Aufgaben und Problemen des realen Lebens. Somit verlässt Unterricht den Schonraum Schule und widmet sich realen Gegenständen und Herausforderungen in realer Umwelt. Eng verbunden mit dem Merkmal Situationsbezug ist das der Interdisziplinarität, da das Leben nur selten Rücksicht auf Fächergrenzen nimmt. Reale Situation umfassend zu bearbeiten oder Lösungen für real existierende Probleme zu erarbeiten, erfordert das Aufheben schulischer Fächergrenzen.

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

Für erfolgreiche Projekte unerlässlich ist die Berücksichtigung des Merkmals Schülerorientierung, da nur dieses das erforderliche Engagement der Lernenden gewährleistet. Die im Projekt behandelte Thematik muss für die Schülerinnen und Schüler interessant sein. Häuig zeigen sich viele Aspekte der persönlichen Betrofenheit erst im Verlauf des Projekts. Darüber hinaus beinhaltet das Merkmal Schülerorientierung auch die Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen und Kompetenzen der Lernenden. Selbstorganisation und Selbstverantwortung sind bei einem Projekt sowohl Weg als auch Ziel. Sowohl bei der Themenwahl als auch bei der Festlegung der Ziele und der dafür benötigten Methoden stehen die Lernenden in der Verantwortung. Dies erfordert einerseits eine Lehrkraft, die weniger stark in den Vordergrund tritt, und andererseits stetige Relexion und Flexibilität, um den Lernprozess gegebenenfalls anzupassen. Während das einzige Produkt regulären Klassenzimmerunterrichts häuig der mehr oder weniger vorhandene Wissens- oder Kompetenzzuwachs in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler ist, steht am Ende des Projektunterrichts ein tatsächliches Produkt. Diese Produktorientierung macht einen hohen Teil der Motivationskraft dieser Unterrichtsmethode aus, regt zu kreativem Schaffen an und erreicht die Verbindung von Kopf- und Handarbeit im Sinne Pestalozzis. Als Ergebnisse sind beispielsweise Broschüren, Ausstellungen und Podcasts üblich, aber auch konkrete Dinge wie Überdachungen für die Schulbushaltestelle und Ähnliches. Eng damit verbunden und nur scheinbar ein Widerspruch zur Produktorientierung ist die Prozessorientierung. Im Mittelpunkt des Lernens steht die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit Gegenüber und Lerngegenstand. Prozessorientierung heißt auch, dass ein Abbruch des Projekts nicht mit einem Scheitern gleichgesetzt werden darf. Selbst die Entscheidung, ein einmal begonnenes Projekt aufgrund von Fehlplanung oder veränderten Rahmenbedingungen nicht zu Ende zu bringen, kann eine wertvolle Erfahrung sein und wichtige Lernprozesse anstoßen. Soziales Lernen steht im Mittelpunkt des Projektunterrichts, da die Lernenden auf das gemeinsame Ziel ixiert sind und den Weg dorthin gemeinsam planen. Dies bedeutet, dass Kommunikation, Rücksichtnahme, Abstimmung der Arbeitsprozesse und Informationsaustausch essentiell sind. Die Schülerinnen und Schüler erwerben Wissen miteinander und voneinander. Weitere, häuig genannte Merkmale sind Zielgerichtete Planung, Wirkung nach außen, Einbeziehung vieler Sinne.

Schülerorientierung

Selbstorganisation und Selbstverantwortung

Produktorientierung

Prozessorientierung

Soziales Lernen

285

Schulpädagogik

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12.4.3 Projektverlauf Konzepte für Organisation und Ablauf von Projekten inden sich zahlreich in der Literatur; teilweise mit lediglich minimalen Unterschieden. Im Folgenden die Struktur nach Frey, der das aus Zielsetzung, Planung, Durchführung und Evaluation bestehende Grundkonzept um drei weitere Elemente ergänzt (Abbildung 27).

Abb. 27 | Ablauf eines Projekts nach Frey (in Anlehnung an Frey 2007: 55)

Projektinitiative

286

Ausgangspunkt eines jeden Projekts ist die Projektinitiative, welcher ein außerordentliches Ereignis, eine von den Lernenden als Problem erkannte Situation oder ein besonderer Wunsch zugrunde liegt. Diese werden in die Lerngruppe eingebracht, sind zu diesem Zeitpunkt allerdings noch relativ ofen und müssen nicht zwingend zu einem Projekt führen; auch ein Verwerfen der Ausgangsidee ist möglich.

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12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

In der zweiten Phase, der Projektskizze, werden Vorschläge für die Bearbeitung der Projektidee gesammelt, diskutiert und verhandelt. Wichtig in dieser Phase ist der Einbezug aller Schülerinnen und Schüler. Auch wenig realistische Vorschläge sind von der Gruppe ohne Abwertung zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus werden in dieser Phase zeitliche und inhaltliche Aspekte besprochen und bis zur Akzeptanz durch alle Beteiligten verhandelt. Die ausführlichere Planung zeitlicher und inhaltlicher Aspekte geschieht bei der Projektplanung. Hier werden je nach Können, Erfahrung und Interesse Aufgaben an die Lernenden vergeben. Diese Phase ist entscheidend für das Gelingen des Projekts, da die Schülerinnen und Schüler hier bewusst Aufgaben und Verantwortung annehmen müssen. Zentraler Bestandteil eines jeden Projekts ist selbstverständlich die Projektdurchführung, bei der in Einzel- oder Gruppenarbeit die vergebenen Aufgaben erledigt werden. Unter Umständen ist es nötig, in dieser Phase den Projektplan zu modiizieren. Für einen Projektabschluss sieht Frey je nach Gestaltung des Projekts drei Möglichkeiten: 1. Präsentation oder Übergabe des erstellten Produkts bzw. Ausführen der Zielaktivität 2. Bezugnahme auf die Projektinitiative und Vergleich des Endzustands mit dem Ausgangszustand 3. Auslaufenlassen des Projekts, wobei die dabei erworbenen Kompetenzen im Alltag eingesetzt werden Wie Abbildung 27 zeigt, inden in den Phasen Projektskizze, Projektplanung, Projektdurchführung und Projektabschluss zusätzlich Fixpunkte und Metainteraktion statt: Im Rahmen der regelmäßig stattindenden Fixpunkte tauschen die Lernenden sich aus und berichten von aufgetretenen Schwierigkeiten sowie von erzielten Fortschritten. Darüber hinaus indet eine Dokumentation des Erreichten und eine Besprechung des weiteren Vorgehens statt. Mit Metainteraktion bezeichnet Frey die regelmäßig stattindende Kommunikation über Zusammenarbeit und Umgang miteinander (vgl. Frey 2007: 64 f).

Projektskizze

Projektplanung

Projektdurchführung

Projektabschluss

Fixpunkte

Metainteraktion

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Schulpädagogik

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12.4.4 Ziele und Stärken Die Literatur gibt für das Projekt eine Vielzahl unterschiedlicher Ziele an  – wollte man diese einzeln aufzählen, käme leicht eine Zahl jenseits der 100 zustande. Der Versuch, diese zu kategorisieren, gelingt vor dem Hintergrund von Kompetenzorientierung und Aufgaben der Erziehung (siehe auch Kapitel Pädagogik 5), da sich die Kategorien Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz geradezu aufdrängen. Im Folgenden eine tabellarische Übersicht (Tabelle 21) über die in der Literatur besonders häuig angegebenen Ziele der Projektmethode. Tabelle 21 | Ziele und Stärken der Projektmethode

Sach- und Methodenkompetenz

Selbstkompetenz

Sozialkompetenz

Problemlösefähigkeit

Motivation

Kritikfähigkeit

kooperatives Lernen

Verantwortung

Toleranz

Methodenkenntnisse

Selbstständigkeit

Kooperation

Denken in Zusammenhängen

Ofenheit

Kommunikation

Lern- und Arbeitstechniken

Selbsteinschätzung

Teamfähigkeit

Fachkompetenz

Konzentration

Konliktlösefähigkeit

Selbst- und Sozialkompetenz

288

Aufallend oft werden die Ziele Verantwortung, Kooperation und Selbstständigkeit und somit Ziele in den Bereichen Selbst- und Sozialkompetenz genannt. Dies entspricht der praktischen Erfahrung vieler Lehrkräfte, die mit Projekten vorrangig die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler in diesen Kompetenzbereichen vorantreiben möchten. Über die aufgeführten Ziele im Bereich der individuellen Kompetenzentwicklung hinaus inden sich weitere Ziele wie das Aufheben von Fächergrenzen, die Ergebnisorientierung oder das Lernen mit mehreren Sinnen. Diese wurden nicht gesondert in die Darstellung aufgenommen, da sie sich stark mit den Merkmalen von Projekten überschneiden. Generell fällt bei der Sichtung der Literatur auf, dass viele Autoren auf die Nennung von Zielen verzichten. Von Theoretikern wie auch Praktikern werden Projekte als Möglichkeit gesehen, mit der Heterogenität in Lerngruppen umzugehen, da sich dabei eine Diferenzierung auf mehreren Ebenen automatisch ergibt.

12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

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12.4.5 Kritik, Herausforderungen und Schwierigkeiten Projekte werden in der Fachliteratur wenig kritisch gesehen  – es scheint, als würde die theoretische Diskussion mit dieser Methode vor allem von Befürwortern und Verfechtern dieser Methode geführt. Frey (2007) kritisiert diesbezüglich, dass bislang kaum empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit des Projekts durchgeführt wurden. Ausgehend von der Feststellung, dass die Stärken der Projektmethode im Bereich der Selbst- und Sozialkompetenz liegen, lassen sich Deizite bei der Förderung der Sachkompetenz vermuten. Bei knapp bemessener Zeit und stark strukturierten Lernprozessen scheinen sinnvollere Methoden als Projekte zu existieren. Auch die Leistungsbewertung stellt Lehrkräfte vor Probleme, da sich am Ende eines Projekts nur selten sagen lässt, welche Leistung genau von welchem Lernenden erbracht wurde. Darüber hinaus erfordert dies einen neuen Leistungsbegrif mit prozess- statt ergebnisorientierten Kriterien und eine Abkehr vom individualistisch-konkurrenzorientierten Leistungsverständnis. Badegruber (2002: 5) weist darauf hin, dass Lehrkräfte und Klassen häuig an der fehlenden Unterstützung durch Außenstehende scheitern und führt diesbezüglich explizit Eltern, Lehrerkollegium und Schulleitung an.

Kaum empirische Belege

Deizite bei Sachkompetenz

Rahmenbedingungen

Literaturtipp Literatur zu dem sehr weiten Themenfeld Instruktion und Konstruktion, Ofener Unterricht und Projekt(-unterricht/-arbeit) indet sich in Hülle und Fülle. Hier gezielt einzelne Werke herauszugreifen, fällt schwer. Ans Herz legen möchte ich als Praktiker mit Theorieeinschlag Ihnen die Lektüre der folgenden beiden Artikel: Bauer, Roland (2004). Offene Arbeitsformen. Pädagogik 56(1), 16–20. Wellenreuther, Martin (2014). Direkte Instruktion. Was ist das, und wie geht das? Pädagogik 1, 8.

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Schulpädagogik

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Zusammenfassung • Die Begriffe Instruktion und Konstruktion werden in der schulischen Praxis häufig verwendet, um unterschiedliche Formen von Unterricht zu bezeichnen: • Unter dem Stichwort Instruktion wird vor allem ein lehrergelenkter, wenig schülerorientierter Unterricht, stumpfsinniges Pauken und traditioneller, verstaubter Frontalunterricht gesehen. • Unter dem Stichwort Konstruktivismus wird vor allem eine neue Lernkultur gesehen, die auf Eigenaktivität, Mitbestimmung und Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler setzt. • Sinnvoller als ein derartiges Denken in Gegensätzen ist die Frage, wie die Instruktion der Lehrkraft zu Konstruktionsprozessen der Schülerinnen und Schüler führen kann. Dies lässt sich nur beantworten, wenn die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler bekannt sind. Es besteht die Tendenz, dass ein stärker lehrergesteuerter Unterricht vor allem zu Beginn einer Unterrichtssequenz sinnvoll ist, wenn neues Wissen erlernt wird. • Als unterrichtliche Konkretisierung der Diskussion um Instruktion und Konstruktion bieten sich direkte Instruktion, offener Unterricht und die Projektmethode an. • Im Rahmen direkter Instruktion präsentiert die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern neue Informationen und steuert den Lernprozess bis zur Verankerung dieser im Langzeitgedächtnis der Schülerinnen und Schüler. Folgende Merkmale zeichnen direkte Instruktion aus: • starke Strukturiertheit • Lehrersteuerung • Schülerzentriertheit • schrittweises Vorgehen • Feedback • Redundanz • Die Wirksamkeit direkter Instruktion wurde durch die Hattie-Studie bestätigt. Sie weist vor allem drei Stärken auf: 1. lernschwache Schülerinnen und Schüler profitieren in besonderer Weise davon 2. gut geeignet für die Einführung neuer Themengebiete 3. gut geeignet für die Vermittlung von Grundfertigkeiten und Grundwissen • Direkte Instruktion vollzieht sich in sieben Schritten, in denen die Lehrkraft die Rolle des Regisseurs übernimmt: 1. Die Lehrkraft legt das Lernziel und somit die erwünschten Resultate ihres Unterrichts fest. 2. Sie identifiziert Erfolgskriterien und kommuniziert diese den Schülerinnen und Schülern. 3. Engagement und Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler für die Lernaufgabe werden gestärkt. 290

12 Zwischen Instruktion und Konstruktion

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4. Dreistufiger Stunden-/Sequenzaufbau (Input – Lehrerdemonstration/Lernen am Modell – Überprüfung) 5. Phase angeleiteten Übens 6. Zusammenfassung, Rekapitulation und Verknüpfung des neu Erworbenen 7. Phase eigenständigen Übens Bei offenem Unterricht handelt es sich eher um eine Unterrichtsphilosophie als um ein geschlossenes theoretisches Konzept. Offener Unterricht legt großen Wert auf Handlungsorientierung und die Selbststeuerung der Schülerinnen und Schüler und gibt ihnen vor allem in den Bereichen Raum, Zeit, Sozialform große Freiheiten. Er wird in der Praxis in erster Linie in vier Formen umgesetzt: 1. Tagesplan- und Wochenplanarbeit 2. Freie Arbeit 3. Lernen an Stationen 4. Projektarbeit Ein Projekt ist eine Form – gelegentlich ist auch die Rede von der Königsform – des offenen Unterrichts, bei der die Schülerinnen und Schüler ziel- und ergebnisorientiert und weitgehend selbstständig arbeiten, um ein gemeinsam vereinbartes Lernunternehmen zu bewältigen. Projekte zeichnen sich vor allem durch die folgenden Merkmale aus: • Situationsbezug • Interdisziplinarität • Schülerorientierung • Selbstorganisation und Selbstverantwortung • Produktorientierung • Prozessorientierung • Soziales Lernen Nach Frey läuft ein Projekt in fünf Phasen ab, die durch regelmäßige Fixpunkte und Metainteraktion begleitet werden: 1. Projektinitiative 2. Projektskizze 3. Projektplanung 4. Projektdurchführung 5. Projektabschluss Von der Durchführung von Projekten versprechen Lehrkräfte und Theoretiker sich vor allem eine Förderung von Selbst- und Sozialkompetenz – speziell der Verantwortungsbereitschaft, Kooperationsfähigkeit und Selbstständigkeit.

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Schulpädagogik

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Die Begriffe Instruktion und Konstruktion sind in der aktuellen Debatte um guten Unterricht omnipräsent: • Erstellen Sie gemeinsam eine Mindmap zu dem Thema Instruktion/Konstruktion. • Sammeln Sie dazu zunächst alle Begriffe, die Sie mit den beiden Konzepten verbinden. • Achten Sie in einem zweiten Schritt darauf, in Ihrer Mindmap Zusammenhänge darzustellen. • Abschließend integrieren Sie konkrete schulpraktische Beispiele in Ihrer Mindmap. Verwenden Sie dazu eine andere Farbe. 2. Bestimmen Sie den Begriff Direkte Instruktion: • Führen Sie dazu eine Definition an. • Nennen Sie die einzelnen Merkmale direkter Instruktion. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: • Führen Sie die drei Stärken direkter Instruktion an. • Begründen Sie gemeinsam, weshalb direkte Instruktion diese Vorteile aufweist. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden: • Führen Sie gemeinsam die sieben Schritte direkter Instruktion an. • Entscheiden Sie sich für einen Unterrichtsinhalt, den Sie gemeinsam umsetzen möchten. • Entwerfen Sie gemeinsam eine Unterrichtseinheit (Stunde oder Sequenz), bei der Sie gezielt die sieben Phasen direkter Instruktion planen. • Stellen Sie Ihren Unterrichtsentwurf den anderen Gruppen vor. 5. Bestimmen Sie den Begriff Offener Unterricht: • Führen Sie dazu eine zitierfähige Definition an. • Nennen Sie die wichtigsten Formen offenen Unterrichts. 6. Bestimmen Sie den Begriff Projekt: • Führen Sie dazu eine zitierfähige Definition an. • Nennen Sie die wichtigsten Merkmale offenen Unterrichts. 7. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden: • Führen Sie gemeinsam die fünf Phasen eines Projekts nach Frey an. • Welche Projekte haben Sie kennengelernt? Berichten Sie! • Zentral für den Lernerfolg bei einem Projekt ist die Metainteraktion. Diskutieren Sie in der Gruppe, wie Sie als Lehrkraft diese anregen und fördern können.

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13 Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht

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13.1 Begriliches 13.2 Der Beitrag didaktischer Medien zu erfolgreichem Unterricht 13.3 Grundsätzliche Auswahlkriterien Seit alters her setzen Lehrkräfte Medien in organisierten Lehr- und Lernprozessen ein, um diese zu optimieren. Heute stehen Lehrkräften nie dagewesene Möglichkeiten zur Verfügung, den eigenen Unterricht durch den Einsatz von Medien eizienter zu gestalten. Durch die Vielzahl verfügbarer Unterrichtsmedien jedoch gewinnen die Frage nach Medienauswahl und -einsatz an Bedeutung. Mit anderen Worten: Lautete die Frage noch vor wenigen Jahrzehnten „Wo bekomme ich ein passendes Bild her?“, steht die Lehrkraft heutet vor der Entscheidung: „Zu welchem der zur Verfügung stehenden Medien greife ich?“ Zu diesem für die meisten Studierenden sehr angenehmen Thema liefert dieses Kapitel die folgenden Informationen: • Die Begrifflichkeit wird besonders ausführlich behandelt, da der Begriff nicht so eindeutig zu bestimmen ist, wie dies auf den ersten Blick den Anschein hat. Außerdem ist es an dieser Stelle notwendig, Klassifizierungsmöglichkeiten aufzuzeigen und unterschiedliche Medientypen zu unterscheiden. • Die vielfältigen Leistungen didaktischer Medien werden lediglich additiv genannt, da dies andernfalls den Rahmen sprengen würde. • Für die Praktikerin und den Praktiker besonders relevant sind die Ausführungen zu den Kriterien, anhand derer didaktische Medien ausgewählt werden können.

Reflexionsaufgaben • Welche Unterrichtsmedien kennen Sie? Sammeln Sie. • Formulieren Sie eine Definition des Begriffs Unterrichtsmedien. • Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Stellen Sie die einzelnen Definitionen von Unterrichtsmedien vor und diskutieren Sie diese. Welche Aspekte nennen Sie alle, bei welchen Aspekten vertreten Sie unterschiedliche Meinungen? • Berichten Sie aus Ihrer eigenen Schulzeit oder aus dem von Ihnen beobachteten Unterricht: Hatten Sie jemals das Gefühl, ein Medium werde nur als Selbstzweck eingesetzt? 293

Schulpädagogik

• Erarbeiten Sie einen Fragenkatalog, der Lehrkräfte bei der Auswahl von Unterrichtsmedien unterstützt. Notieren Sie, wann der Einsatz eines konkreten Mediums sinnvoll ist.

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13.1 Begriffliches Ursprung

Lehrmittel oder Lernmittel

294

Ursprünglich geht der Begrif Medium auf das lateinische Adjektiv medius zurück, was so viel bedeutet wie in der Mitte beindlich oder, im übertragenen Sinn, öfentlich, allen zugänglich. Diese Wortbedeutung ist auch heute noch deutlich zu sehen, da Medien als „Vermittler zwischen Menschen“ (Köck 2005: 361) fungieren. Innerhalb der Schulpädagogik wird der Begrif Medien oder aber Unterrichtsmedien verwendet, um ein Mittel zu bezeichnen, „mit dessen Hilfe der Unterrichtsinhalt an die Schüler vermittelt werden kann“ (Meyer 2011c: 148). Schulz (1965: 34) unterscheidet dabei zwischen Medien als Lehrmittel und Medien als Lernmittel. Erstere sind für die Hand der Lehrkraft bestimmt und unterstützen deren Lehrtätigkeit, während zweite für den Einsatz durch Schülerinnen und Schüler bestimmt sind. Wenngleich sowohl diese Sichtweise wie auch diese Unterscheidung lange Zeit so gehandhabt wurden und auf den ersten Blick nachvollziehbar scheinen, ist fraglich, inwieweit diese heute zeitgemäß sind: Heute, in einem auf Selbsttätigkeit ausgerichteten Unterricht, in dem unterschiedliche Formen ofenen Unterrichts verwirklicht werden, Schülerinnen und Schüler als Lehrende agieren und Lehrkräfte häuig in die Rolle des Beraters und Lernorganisators schlüpfen, werden ehemals durch die Lehrkraft eingesetzte Medien wie selbstverständlich von Schülerinnen und Schülern verwendet. Darüber hinaus wäre in vielen Situation (oder immer?) davon zu sprechen, dass Unterrichtsmedien Mittel bezeichnen, mit deren Hilfe sich die Schülerinnen und Schüler Lerninhalte aneignen. Anders als aus unterrichtspraktischer Sicht ist unter theoretischen schulpädagogischen und unter didaktischen Gesichtspunkten nicht klar, was genau in die Kategorie Unterrichtsmedien fällt. Hilbert Meyer bringt dies mit seiner Feststellung, „der Medienbegrif [muss] theoretisch unbestimmt bleiben“ (Meyer 2011c: 150) auf den Punkt. Im Folgenden werden Unterrichtsmedien oder didaktische Medien folgendermaßen verstanden:

13 Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht

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Didaktische Medien sind technische Hilfsmittel, die der Kommunikation sowie der Gestaltung, dem Austausch und/oder der Weitergabe von Informationen dienen. Sie werden von Lehrkräften oder Lernenden im schulischen Lehr- und Lernprozess eingesetzt. Ganz bewusst verzichtet diese Deinition auf einen Einbezug nichttechnischer Medien wie Lehrkraft, Rollenspiel und ähnlichen, wie sich dies beispielsweise bei Köck (2005: 366) indet. Eine Annäherung an den Begrif der didaktischen Medien bieten auch die unterschiedlichen Klassiizierungsmöglichkeiten. Folgende Unterscheidungen sind üblich: • Die Unterscheidung nach angesprochenem Sinneskanal: Während auditive Medien den Hörsinn und visuelle Medien den Sehsinn ansprechen, muss bei der Bezeichnung Audiovisuelle Medien weiter differenziert werden. Audiovisuelle Medien im engeren Sinn sprechen sowohl Hör- als auch Sehsinn an. Audiovisuelle Medien im weiteren Sinn hingegen stellen eine Sammelbezeichnung dar, unter der sowohl auditive Medien als auch visuelle Medien zusammengefasst werden. • Bei einer Klassifizierung nach Darstellungsebene werden ebenfalls drei Medienarten unterschieden. Medien, die als Gegenstand vorliegen (objektale Medien wie bspw. Modelle und Pflanzen) werden von ikonischen Medien (bspw. Bilder und Filme) abgegrenzt, die auf visuellem und/oder akustischem Weg Informationen vermitteln. Bei der dritten Kategorie handelt es sich um symbolische Medien wie Texte und Kartenmaterial aber auch Tonbänder, die Symbolcharakter haben (vgl. Schröder 2002: 254). Hinsichtlich ihrer unterrichtlichen Funktion unterscheidet Schröder vier Medientypen: • Selbstunterrichtende Medien wie interaktive Lernprogramme, die über längere Zeit hinweg die „wesentliche Lehrfunktion“ (Schröder 2002: 254) übernehmen; Köck spricht hierbei von einer Leitfunktion, die ein Medium übernimmt (Köck 2005: 370) • Selbstinformierende Medien wie Filme oder Bildreihen, die ohne weiteres Zutun der Lehrkraft alle wesentlichen Informationen liefern • Selbstkontrollierende Medien, die Lernende mit Aufgaben konfrontieren und ihnen Rückmeldung über die Richtigkeit der Lösung und/oder die Möglichkeit zur Selbstkontrolle geben

Deinition

Sinneskanal

Darstellungsebene

Funktion Selbstunterrichtende Medien

Selbstinformierende Medien Selbstkontrollierende Medien

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Schulpädagogik

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Ergänzende Medien

• Ergänzende Medien wie Abbildungen oder Modelle, die die Lehrkraft bei der Informationsvermittlung unterstützen, diese jedoch nicht aus dem Mittelpunkt des Unterrichts verdrängen (vgl. Schröder 2002: 254f ); ihnen kann dienende Funktion zugesprochen werden Um für die Praktikerin und den Praktiker Licht in das Dickicht unterschiedlicher Deinitionen und Klassiizierungsversuche zu bringen, können, wie Tabelle 22 zeigt, auf einfachster Ebene vier Medientypen unterschieden werden. Tabelle 22 | Klassiikation Unterrichtsmedien

klassische Unterrichtsmedien

neue Unterrichtsmedien

abgeschlossen

Bilder, Filme, Abbildungen, Karikaturen

computergestützte Präsentationen

ofen

Tafel, Flipchart, Whiteboard, Pinnwand

interaktive Softwareprogramme

• Klassische, abgeschlossene Unterrichtsmedien: Zu den klassischen, abgeschlossenen und somit unveränderlichen Unterrichtsmedien können neben Bildern und Filmen auch Abbildungen und Karikaturen gezählt werden. Die Art und Weise, wie diese präsentiert werden  – ob als Plakat an der Tafel oder als Transparentbild mittels des Overheadprojektors – ist dabei irrelevant. • Klassische, offene Unterrichtsmedien: Die Bezeichnung Klassische Unterrichtsmedien grenzt Tafel, Flipchart, Whiteboard, Overhead und Pinwand von den Neuen Medien ab, das Attribut offen von vorgefertigten, nicht veränderbaren Bildern, Abbildungen und Karikaturen. Diese Offenheit ist eine der zwei zentralen Stärken all dieser Unterrichtsmedien. Diese präsentieren den Lernenden keine fertigen Ergebnisse. Das Tafelbild, die Whiteboardanschrift, aber auch die fertig ausgefüllte Overheadprojektorfolie entstehen vor den Augen der Schülerinnen und Schüler und begleiten somit den Lern- und Erkenntnisprozess. Die damit einhergehende Flexibilität erlaubt es der Lehrkraft, Bedürfnisse und Anregungen der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, und gibt den in Gruppenarbeit agierenden Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, in einem höheren Maß selbsttätig und aktiv zu werden (vgl. Hofmann 2003: 354). Der zweite große Vorteil dieser Medien ist ihre Dauerhaftigkeit. Anders als Filme, Tutorials und viele softwarebasierte 296

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13 Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht

Lernspiele haben Tafel und Co, den Charakter eines Standbildes, das zum verweilenden Lernen einlädt und den unterschiedlichen Lerntempi der Schülerinnen und Schüler gerecht wird. • Neue, abgeschlossene Medien: Der vor allem im nicht- und semiwissenschaftlichen Bereich genutzte Begriff Neue Medien ist insofern irreführend, als selbstverständlich jedes Medium zum Zeitpunkt seines erstmaligen Erscheinens neu gewesen ist. So gab es nicht nur eine Zeit, zu der das Fernsehen in den Bereich der neuen Medien fiel, sondern sogar eine Zeit, zu der Texte und Abbildungen neu gewesen sein mögen. Von daher scheint der Begriff Digitale Medien hier zielführender, der alle computerbasierten Medien umfasst. Als abgeschlossen gelten diese ebenso wie klassische Medien, wenn Sie während der Nutzung nicht veränderbar sind. Dies ist vor allem bei computergestützten Präsentationen der Fall, obgleich auch hier moderne Präsentationssoftware – selten genutzte – Möglichkeiten zur Interaktivität bieten. • Neue, offene Medien: Als offen können im Bereich der neuen oder digitalen Medien solche bezeichnet werden, die mittels Volltextsuche, Verknüpfungen sowie Kommunikation und Kooperation über Distanz hinweg Interaktivität ermöglichen. Die zuletzt getrofene Unterscheidung zwischen ofenen und abgeschlossenen Medien im Bereich der neuen Medien ist insofern nicht unproblematisch, als Bollmann unter dem Begrif Neue Medien „alle Verfahren und Mittel, die mit Hilfe digitaler Technologie, also computerunterstützt, bislang nicht gebräuchliche Formen von Informationsübertragung, Informationsspeicherung und Informationsübertragung, aber auch neuartige Formen von Kommunikation ermöglichen“ (Bollmann 1998: 12) zusammenfasst. Auch Weidenmann verdeutlicht, dass die hier genutzte Einteilung didaktischer Medien in vier Kategorien einerseits der Orientierung angehender Unterrichtspraktiker und andererseits der in der Praxis üblichen Nutzung von Präsentationssoftware geschuldet ist: Ihm zufolge zeichnen sich neue Medien dadurch aus, dass die darüber vermittelten Anwendungen multimodal und multicodal sind und der Nutzer und das mediale Angebot über neue Formen der Interaktivität (z.B. Volltextsuche, Erstellen von Verknüpfungen (Links) verbunden sind (Weidenmann 2002: 46).

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Schulpädagogik

13.2 Der Beitrag didaktischer Medien zu erfolgreichem Unterricht

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Der Einsatz von Unterrichtsmedien ist kein Selbstzweck, sondern dient der Unterstützung und Initiierung von Lehr- und Lernprozessen. Der Versuch, die Funktionen und Leistungen von Unterrichtsmedien aufzuzeigen, hat mit der Vielschichtigkeit des Medienbegrifs zu kämpfen. Von daher muss einerseits die folgende Aufzählung unvollständig bleiben und wird andererseits nicht jedes Unterrichtsmedium jede einzelne der aufgelisteten Funktionen erfüllen können: • Sie unterstützen die Lehrkraft bei der abwechslungsreichen Darbietung sowie Vermittlung von Informationen und strukturieren Lernprozesse. • Medien ermöglichen Schülerinnen und Schülern dort Sekundärerfahrungen, wo Primärerfahrungen nicht möglich sind. • Sie stellen ein wichtiges Werkzeug dar, mittels dessen die Lehrkraft den Lernenden einen Lerninhalt zu veranschaulichen versucht. • Auf diese Weise wecken sie das Interesse der Schülerinnen und Schüler und dienen der Motivation. • Unterrichtsmedien unterstützen die Lernenden bei der Verarbeitung und Vernetzung von Informationen sowie bei der Konstruktion neuen Wissens. • Sie dienen der Aktivierung Sicherung, Kontrolle und Übung. • Im Sinne transparenter Leistungserwartungen verdeutlichen Medien den Lernenden die von Ihnen erwartete Leistung. • Sie unterstützen Differenzierung und Individualisierung. Die wohl umfangreichste Zusammenschau über die Funktionen didaktischer Medien indet sich bei Martial (2002: 49f): • Aktivierung • Unterstützung der • Vorstellung der erwarteten InformationsverarLeistung bereitstellen beitung • Mitteilung • Akzentuierung • Themengebundene Informa- • Elementarisierung tionsvermittlung • Strukturierung des Lernob• Lenken der Aufmerksamkeit jekts • Denken anregen und • Abstraktion steuern • Verallgemeinerung • Strukturierung von Lernpro- • Lernen von Arbeits- und zessen Denktechniken 298

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13 Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht

• Gedächtnisstützende Funktion • Ermöglichung von Erfahrung durch Handhabung • Äußere Hilfe geben • Arbeitsergebnisse sammeln und ordnen

• • • • • •

Rückmeldung vermitteln Ergebnisse überprüfen Diagnostische Funktion Übung Differenzierung Medienerzieherische Funktion

Die letzte Funktion der Medienerziehung wird von vielen Lehrkräften gelegentlich übersehen: Der Einsatz von Unterrichtsmedien kann auch medienerzieherische Funktion haben und Medienkompetenz vermitteln. Als Beispiel führt Martial den Einsatz des Schulfernsehens an, der auch unter dem Gesichtspunkt der Erziehung zur kritischen „Rezeption von Fernsehsendungen“ (Martial 2002: 59) zu sehen ist.

13.3 Grundsätzliche Auswahlkriterien Wurde die Medienauswahl zu früheren Zeiten oftmals von der Verfügbarkeit der Unterrichtsmedien bestimmt, so hat sich dies mittlerweile geändert. Während sich Lehrkräfte noch bis weit in die 1990er Jahre mit dem begnügen mussten, was schulische Mediensammlung oder privater Fundus hergab, so bieten das Internet im Allgemeinen und unterschiedliche Bildersuchmaschinen und Videoplattformen im Speziellen heute reichhaltige Möglichkeiten. In dieser Vielfalt liegt einerseits die Chance, sich im Rahmen der Unterrichtsplanung ganz bewusst für ein bestimmtes Unterrichtsmedium zu entscheiden, andererseits die Herausforderung, nicht für den Einsatz im Unterricht konzipierte Medien sinnvoll in diesen einzubetten. Generell kann festgestellt werden, dass sich der Schwerpunkt der Lehrertätigkeit vom Beschafen hin zum Trefen einer sinnvollen Auswahl und hin zu einem sinnvollen Einsatz verschiebt. Hier bietet sich eine Orientierung an den bereits besprochenen fundierenden und regulierenden Unterrichtsprinzipien an: • Zielgemäßer Medieneinsatz im Unterricht heißt, Medien nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern als Mittel zum Erreichen der gesetzten Unterrichtsziele zu bewerten und entsprechend auszuwählen. • Das fundierende Unterrichtsprinzip der Sachgemäßheit gewinnt zunehmend an Bedeutung, da die Zahl der für den Unterricht ver-

Zielgemäßer Medieneinsatz

Sachgemäßheit 299

Schulpädagogik

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Schülergemäßheit

Selbsttätigkeit

Anschaulichkeit

Diferenzierung

Ergebnissicherung

fügbaren Medien in Zeiten des Internets unermesslich scheint. Gerade der Einsatz von Bildern und Videos erfordert von der Lehrkraft im Vorfeld eine kritische Bewertung der sachlichen Richtigkeit des Gezeigten. • Vor dem Hintergrund der Schülergemäßheit müssen eingesetzte Medien gezielt für eine bestimmte Lerngruppe, im Extremfall für eine bestimmte Schülerin oder einen bestimmten Schüler ausgewählt werden. Ein Medium, dessen Einsatz in der einen Schulklasse Erfolg verspricht, mag in einer anderen Klasse der gleichen Jahrgangsstufe ungeeignet sein. So sind Alter, Entwicklungsstand, Vorwissen und Vorerfahrung, aber auch Interessen und Mediennutzungsverhalten der Lerngruppe zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung der fundierenden Unterrichtsprinzipien klingt bei Martial unter den Stichpunkten Adressatengerechtigkeit, Thema und Wirksamkeit der Medien an (vgl. Martial 2002: 62f). Darüber hinaus gilt es für Lehrkräfte auch, die regulierenden Unterrichtsprinzipien zu berücksichtigen: • Je nach Medium und Art des Einsatzes besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler in die Rolle des passiv Konsumierenden gedrängt werden. Hier ist die Lehrkraft gefragt, dem Unterrichtsprinzip der Selbsttätigkeit Rechnung zu tragen. Anders als in der außerschulischen Mediennutzung häufig praktiziert, muss die unterrichtliche Entscheidung für den Einsatz eines didaktischen Mediums auch davon abhängig gemacht werden, ob dieses Aufforderungscharakter besitzt und die Schülerinnen und Schüler zur Selbsttätigkeit anhält. • Das Unterrichtsprinzip der Anschaulichkeit verlangt, einen Lerngegenstand mittels eines medialen Arrangements für die Schülerin oder den Schüler sinnlich wahrnehmbar zu machen. Dies bedeutet nicht zwingend, das Medium mit dem höchsten Grad an Realitätsnähe zu wählen. Vielmehr kann unter Umständen auch ein höherer Grad an Abstraktheit sinnvoll sein. • Bei der Entscheidung für den Einsatz eines bestimmten Mediums sollte stets hinterfragt werden, ob dies der Differenzierung und dem individuellen Lernen zuträglich ist. • Medien können der Ergebnissicherung dienen und somit dazu, Lerninhalte dauerhaft gegen Vergessen abzusichern. Neben diesen schulpädagogischen Kriterien soll ein zentrales, eher auf dem Unterrichtsalltag basierendes Kriterium nicht unterschla-

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13 Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht

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gen werden: Die Unterrichtsökonomie. Dabei stehen auf der einen Seite zeitliche und inanzielle Ressourcen für Beschafung, Erstellung und Einsatz des Mediums, auf der anderen Seite der aus diesem resultierende Nutzen. Diese in Balance zu halten ist eine Herausforderung, die es für Lehrkräfte zu bewältigen gilt.

Literaturtipp Zum Bereich der Mediendidaktik sei Ihnen als angehende Praktikerin oder angehenden Praktiker das folgende Grundlagenwerk ans Herz gelegt, das jedoch aktuelle und aktuellste Entwicklungen nicht berücksichtigt. Vielmehr kann es dazu dienen, die Systematik und das Grundkonzept des Einsatzes von Unterrichtsmedien zu erfassen: Martial, Ingbert von & Ladenthin, Volker. Medien im Unterricht, Grundlagen und Praxis der Mediendidaktik. Baltmannsweiler.

Zusammenfassung • Der Begriff Medium geht auf das lateinische Adjektiv medius (in der Mitte befindlich, öffentlich, allen zugänglich) zurück. Heute bezeichnet dieser Begriff Vermittler zwischen Menschen. • Als Unterrichtsmedien werden Mittel bezeichnet, die eingesetzt werden, um Unterrichtsinhalt an Schülerinnen und Schüler zu vermitteln. Unterrichtsmedien lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: • Lehrmittel werden von der Lehrkraft im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit eingesetzt. • Lernmittel werden durch die Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihrer Lernprozesse eingesetzt. • Aktueller sind die folgenden Kategorisierungen: • Kategorisierung nach angesprochenem Sinneskanal (auditive, visuelle, audiovisuelle Medien) • Kategorisierung nach Darstellungsebene (objektale, ikonische, symbolische Medien) • Kategorisierung nach Funktion (selbstunterrichtende, selbstinformierende, selbstkontrollierende und ergänzende Medien) • Kategorisierung nach Status (klassische abgeschlossene Unterrichtsmedien, klassische offene Unterrichtsmedien, neue abgeschlossene Medien, neue offene Medien) • Unterrichtsmedien erfüllen unterschiedliche Funktionen und unterstützen die Lehrkraft unter anderem bei Folgendem: • abwechslungsreiche Darbietung von Informationen • Vermittlung von Informationen 301

Schulpädagogik

Strukturierung von Lernprozessen Ermöglichen von Sekundärerfahrungen Veranschaulichung von Lerninhalten Wecken von Interesse und Motivation Unterstützung der Lernenden bei Verarbeitung und Vernetzung von Informationen • Unterstützung der Lernenden bei der Konstruktion neuen Wissens • Aktivierung der Schülerinnen und Schüler • Sicherung, Kontrolle und Übung • Verdeutlichen der erwarteten Leistung • Differenzierung und Individualisierung • Medienerziehung • Aufgrund der vielfältigen zur Verfügung stehenden Medien ist es notwendig, eine gezielte Auswahl zu treffen. Dabei sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen: • Zielgemäßheit • Sachgemäßheit • Schülergemäßheit • Selbsttätigkeit • Anschaulichkeit • Differenzierung • Ergebnissicherung • Unterrichtsökonomie

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Unterrichtsmedium: • Gehen Sie dabei auch auf den Begriff Medium und dessen etymologische Herkunft ein. • Begründen Sie, weshalb diese Herkunft aus heutiger Sicht sehr treffend ist. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Lange Zeit wurden Medien als Lehrmittel und Medien als Lernmittel unterschieden. Diskutieren Sie, weshalb dies aus heutiger Sicht nicht sinnvoll ist. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Führen Sie die unterschiedlichen Aspekte an, nach denen Unterrichtsmedien kategorisiert werden. • Nennen Sie die jeweils unterschiedenen Medienarten. • Sammeln Sie gemeinsam konkrete unterrichtspraktische Beispiele. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Unterrichtsmedien erfüllen unterschiedliche Funktionen: • Erstellen Sie gemeinsam eine Liste mit den Ihnen bekannten Funktionen. 302

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13 Sinnvoller Medieneinsatz statt Medienschlacht

• Markieren Sie mit Hilfe von Klebepunkten oder farbigen Strichen, welche Funktionen die einzelnen Gruppenmitglieder am wichtigsten finden. • Erstellen Sie somit eine Rangliste der wichtigsten Funktionen. • Diskutieren Sie das Ergebnis. 5. Erstellen Sie für sich eine Mindmap zum Thema Unterrichtsmedien: • Integrieren Sie die Punkte Begriff, Kategorisierung, Funktion und Auswahl. • Arbeiten Sie jeden einzelnen dieser Punkte detailliert aus. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Unterrichtsmedien müssen sinnvoll ausgewählt werden: • Führen Sie sinnvolle Kriterien für die Auswahl von Unterrichtsmedien an. • Sammeln Sie gemeinsam unterrichtspraktische Beispiele, in denen Sie selbst Medien eingesetzt haben oder deren Einsatz beobachten konnten. • Nach welchen Kriterien haben Sie die eingesetzten Medien ausgewählt? • War die Medienauswahl sinnvoll? • Welche Alternativen hätte es gegeben? 7. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Studieren Sie zunächst das folgende Zitat eines Nicht-Lehrers: So schnell wie die technische Entwicklung voranschreitet, werden Lehrer wohl bald überflüssig sein. Das Unterrichten übernimmt dann ein Computer, der viel besser auf den Lernstand einzelner Schüler eingehen kann. • Teilen Sie die Gruppe in die zwei Hälften A und B. • Während Teil A Argumente für diese These sucht, sammelt Teil B Argumente gegen diese These. • Kommen Sie erneut zusammen und tauschen Sie Ihre Argumente aus.

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Psychologie

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Selbstverständlich beginnt auch das letzte Hauptkapitel dieses Buchs, das Kapitel zur Psychologie, mit einer knapp gehaltenen Auseinandersetzung mit der Disziplin der Psychologie an sich. Darüber hinaus bereitet dieses Kapitel größere inhaltliche und strukturelle Probleme als die Kapitel Pädagogik und Schulpädagogik. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass der Gegenstand der Psychologie einerseits an vielen Stellen komplexer scheint als der der anderen beiden Erziehungswissenschaften und andererseits für viele Lehramtsstudierende theoretischer und weiter entfernt vom schulischen Alltag wirkt. Demzufolge existieren für ein Kapitel Psychologie in einem hier vorliegenden Grundlagen- und Überblickswerk eigentlich zwei Möglichkeiten: 1. Der Bereich Psychologie wird ausgedehnt und deutlich umfangreicher als die Kapitel Pädagogik und Schulpädagogik gestaltet, um somit besonders detailliert zu arbeiten und Zusammenhänge besonders genau aufzuzeigen. 2. Die Ausführungen zur Psychologie werden im Umfang den anderen beiden Hauptkapiteln dieses Buches angepasst und erhalten dadurch jedoch mehr als diese Überblickscharakter. Im Falle dieses Buches iel die Entscheidung auf die zweite Variante, wobei jedoch drei Besonderheiten der interessierten Leserin und dem interessierten Leser entgegenkommen: 1. Die Literaturtipps fallen hier umfangreicher aus als in den Bereichen Pädagogik und Schulpädagogik, um hier ausreichend Anregungen zur weiteren Lektüre zu bieten. 2. Es findet eine Konzentration auf sechs Bereiche statt. Verzichtet wird auf die Themenbereiche Persönlichkeitspsychologie und Lernen im sozialen Kontext, die häufig Bestandteil der universitären Lehrerbildung sind. 3. Es wird mit drei Unterkapiteln gezielt ein Schwerpunkt gesetzt – auf dem zentralen Interessengebiet angehender Lehrerinnen und Lehrern: dem Lernen. So gestalten sich die Inhalte dieses Kapitels wie in Abbildung 28 dargestellt.

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Psychologie

Abb. 28 | Inhalte Psychologie

Auf Basis einer knappen Klärung der wissenschaftlichen Disziplin Psychologie besteht dieses Kapitel aus drei Säulen: Die erste Säule umfasst mit pädagogisch-psychologischer Diagnostik und Entwicklungspsychologie für das Lehramtsstudium grundlegende Teildisziplinen der Psychologie. • Dabei setzt sich pädagogisch-psychologische Diagnostik mit psychischen Aspekten der Erziehung auseinander und dient dem Erkenntnisgewinn, um pädagogisch-psychologische Entscheidungen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. • Entwicklungspsychologie beschreibt und erklärt psychische Veränderungen im Verlauf des menschlichen Lebens und erklärt, wie diese beeinflusst werden können. Die zweite Säule widmet sich in drei Unterkapiteln besonders umfangreich dem Lieblingsthema von Schule und Lehrkräften, dem Lernen: • Dabei werden im Kapitel Lernen behavioristische, kognitivistische und konstruktivistische Lerntheorien vorgestellt. • Das Kapitel Lernen als aktive Verarbeitung von Informationen setzt sich mit dem menschlichen Gehirn und Gedächtnisprozessen auseinander. • Selbstgesteuertes Lernen ist ein für Lehrkräfte besonders aktuelles Thema, das in engem Zusammenhang mit dem schulpädagogischen Konzept des offenen Unterrichts steht. Den letzten Bereich macht der Themenkomplex Motivation und somit ein Thema aus, das in Lehrerzimmern oftmals thematisiert und heiß diskutiert wird.

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1 Psychologie als Wissenschaft

1 Psychologie als Wissenschaft

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1.1 Begriliches 1.2 Alltagspsychologie vs. wissenschaftliche Psychologie 1.3 Teilgebiete Auch die Ausführungen zur Psychologie beginnen mit einer knappen Einführung, die Sie auf den Themenbereich der Psychologie einstimmt. Dabei erfahren Sie … • woher der Begriff Psychologie stammt und was er bedeutet. • welche Aufgaben und Ziele die Psychologie verfolgt. • was die Psychologie als Wissenschaft ausmacht und von der Alltagspsychologie unterscheidet. • welche Teilgebiete innerhalb der Psychologie unterschieden werden können.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Setzen Sie sich bitte kurz mit dem Begriff Psychologie auseinander: • Was verstehen Sie darunter? Versuchen Sie, den Begriff Psychologie zu erklären, ohne im folgenden Kapitel nachzulesen. • Was meinen Sie? In welchen Berufsfeldern enthält die Ausbildung Elemente der Psychologie? Nennen Sie sie.

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Ihr aller Berufswunsch ist es, Lehrerin oder Lehrer zu werden: • Weshalb benötigen Lehrkräfte psychologisches Wissen? Sammeln Sie stichpunktartig Gründe. • Diskutieren Sie die folgende, im Rahmen eines Elternabends getätigte Aussage des Vaters eines Schülers: Eine Lehrerin ist keine Psychologin und auch kein Psychologe. Die soll sich darauf konzentrieren, Wissen zu vermitteln und mit meinem Sohn zurechtzukommen. Sie hat keine Gründe für das Verhalten meines Sohnes zu suchen.

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Psychologie

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1.1 Begriffliches Etymologie

Der Begrif der Psychologie entstammt dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern psyche (Seele) und logos (Lehre, Wissenschaft) zusammen, sodass er sich eigentlich als die Lehre von der Seele übersetzen lässt. Als Begrifsklärung taugt diese Übersetzung jedoch nicht wirklich, da der Begrif der Seele zu wenig konkret ist und heute eher dem Bereich der Religionen zuzuordnen ist.

Deinitionen

Myers definiert Psychologie als „die Wissenschaft vom Verhalten und von den mentalen Prozessen.“ (Myers 2014: 6)

Demzufolge dient die Psychologie dazu, „das Erleben und Verhalten von Menschen zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und gegebenenfalls Anleitungen zur Modifikation zu geben.“ (Bak 2016: 7)

Verhalten und Erleben

Aufgaben

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Dabei bezeichnet Verhalten alle von außen beobachtbaren Äußerungen einer Person und somit Äußerungen, die einer Fremdbeobachtung zugänglich sind. Erleben hingegen bezeichnet die von außen nicht beobachtbaren Vorgänge; eben die Vorgänge, die nur von der Person selbst wahrgenommen werden und somit Gegenstand der Selbstbeobachtung sein können. Typisch für eine Deinition des Begrifs Psychologie sind die vier bei Bak angeführten Aufgaben, die sich beispielsweise auch bei Langfeldt und Nothdurft (2015: 24) inden: • Das Beschreiben menschlichen Verhaltens leistet die Psychologie mittels des Sammelns von Daten. Bei dieser Form der deskriptiven (beschreibenden) Forschung werden spezielle Messmethoden der Psychologie eingesetzt. Die grundlegende Frage lautet: Wie sieht die Realität aus? • Bei der Erklärung menschlichen Verhaltens geht die Psychologie entweder induktiv oder deduktiv vor. Das heißt, es wird entweder vom Einzelnen auf das Allgemeine geschlossen oder aber vom Allgemeinen auf den Einzelnen. Diese hypothesen- oder theorien-überprüfende Psychologie stellt die grundlegende Frage: Weshalb ist etwas, wie es ist? • Für die Vorhersage menschlichen Verhaltens setzt die Psychologie statistische Methoden ein, die eine Wahrscheinlichkeitsaussage ermöglichen.

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1 Psychologie als Wissenschaft

• Die Modifikation menschlichen Verhaltens und Erlebens wird entweder durchgeführt, um einen problematischen Ausgangszustand aufzuheben (Korrektur), um einen nicht problematischen Ausgangszustand zu optimieren (Förderung) oder um das Auftreten von Problemen zu verhindern (Prävention) (vgl. Schmithüsen & Ferring 2015: 24 f.). Die grundlegende Frage der Wirkungsforschung lautet: Wie kann die Realität verändert werden?

Aus der Praxis für die Praxis Gerade die Tatsache, dass es sich bei psychologischen Aussagen um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt, ist für Lehrkräfte besonders relevant, da Lehrkräfte eher an Einzelfällen interessiert sind. Beispielsweise: Wird Schüler X wieder bessere Leistungen zeigen, wenn ich ihm mehr Aufmerksamkeit schenke? Die Psychologie jedoch kann lediglich aufzeigen, ob ein Schüler in der Situation von Schüler X normalerweise von erhöhter Aufmerksamkeit profitiert. Für Lehrkräfte ist deshalb die Erkenntnis wichtig, dass die Psychologie lediglich Entscheidungshilfen für den Einzelfall liefert.

1.2 Alltagspsychologie vs. wissenschaftliche Psychologie Psychologie an sich betrift das menschliche Leben auf besondere Weise, da tatsächlich jede Person psychologisch tätig ist. Sobald jemand seine Menschenkenntnis bemüht, ein Urteil über den Charakter einer anderen Person fällt oder das Verhalten eines anderen in einer bestimmten Situation, dessen Reaktion auf bestimmte Geschehnisse, vorherzusagen versucht, nutzt er seine persönlichen Erfahrungen, um psychologische Erkenntnisse zu gewinnen. Dass es sich dabei nicht um wissenschaftliche Psychologie handelt, ist einleuchtend. Vielmehr spricht man von Alltagspsychologie, bei der eigene Erfahrungen, die Erfahrungen anderer, Traditionen oder Alltagsweisheiten genutzt werden, um die Wirklichkeit zu erklären und zu verstehen. Tabelle 23 zeigt die Unterschiede zwischen wissenschaftlicher Psychologie und Alltagspsychologie.

Alltagspsychologie vs. wissenschaftliche Psychologie

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Psychologie

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Tabelle 23 | Unterschiede Alltagspsychologie – wissenschaftliche Psychologie

Alltagspsychologie

Wissenschaftliche Psychologie

…ist subjektiv – verschiedene Personen kommen bei ein und demselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Erkenntnissen

…ist objektiv – verschiedene Personen kommen bei ein und demselben Sachverhalt unter den gleichen Bedingungen zu identischen Ergebnissen

…ist nicht überprüfbar – die Art und Weise wie eine Person zu alltagspsychologischen Erkenntnissen kam, lässt sich nicht mehr nachvollziehen

…ist überprüfbar – die Art und Weise, wie Forscher psychologische Erkenntnisse gewonnen haben, ist nachvollziehbar und wiederholbar

…ist unzulässig verallgemeinernd – es wird von einigen wenigen Einzelfällen auf alle Personen einer Gruppe geschlossen

…ist allgemeingültig – die gewonnenen Erkenntnisse trefen auf alle in der Aussage angegebenen Personen und Personengruppen zu

…gewinnt ihre Erkenntnisse nicht systematisch – vielmehr werden diese durch zufällige Beobachtungen und Erfahrungen gewonnen und Hypothesen und Vermutungen für bare Münze genommen

…gewinnt ihre Erkenntnisse systematisch – dabei werden wissenschaftliche Methoden geplant eingesetzt

1.3 Teilgebiete Die Nennung der psychologischen Teilgebiete muss insofern unbefriedigend bleiben, als die Gebiete nicht eindeutig gegeneinander abzugrenzen sind, viele Fragestellungen aus der Sicht unterschiedlicher Teildisziplinen beleuchtet werden können und unterschiedli-

Abb. 29 | Teilgebiete der Psychologie

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1 Psychologie als Wissenschaft

che Kriterien für eine Einteilung zugrunde gelegt werden können. Dennoch erleichtert die Übersicht in Abbildung 29 die Orientierung im weiten Feld der Psychologie. Dabei werden unter dem Stichwort Grundlagengebiete solche zusammengefasst, die relativ unabhängig von sozialen Bezügen bearbeitet werden. Als Anwendungsgebiete hingegen gelten solche, deren Bearbeitung nicht unabhängig vom jeweiligen sozialen Kontext möglich ist (vgl. Langfeldt & Nothdurft 2015: 24).

Zusammenfassung • Der Begriff der Psychologie entstammt dem Griechischen und lässt sich eigentlich als Lehre von der Seele übersetzen. • Psychologie ist die Wissenschaft, „deren Aufgabe es ist, das Erleben und Verhalten von Menschen zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und gegebenenfalls Anleitungen zur Modifikation zu geben.“ (Bak 2016: 7) • Verhalten bezeichnet alle von außen beobachtbaren Äußerungen einer Person. Äußerungen also, die einer Fremdbeobachtung zugänglich sind. • Erleben bezeichnet die von außen nicht beobachtbaren Vorgänge. Vorgänge also, die nur der Selbstbeobachtung zugänglich sind. • Die Psychologie hat vier Aufgaben: • menschliches Verhalten zu beschreiben • menschliches Verhalten zu erklären • menschliches Verhalten vorherzusagen • menschliches Verhalten zu verändern • Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Psychologie werden in der Alltagspsychologie eigene Erfahrungen, die Erfahrungen anderer, Traditionen oder Alltagsweisheiten genutzt, um die Wirklichkeit zu erklären und zu verstehen: • Alltagspsychologie ist subjektiv, nicht überprüfbar, unzulässig verallgemeinernd und unsystematisch. • Wissenschaftliche Psychologie ist objektiv, überprüfbar, allgemeingültig und systematisch. • Neben einer Vielzahl anderer Klassifizierungsansätze können die Teilgebiete der Psychologie den Bereichen Grundlagengebiete und Anwendungsgebiete zugeordnet werden: • Grundlagengebiete: Allgemeine Psychologie, Differenzielle Psychologie, Entwicklungspsychologie und Sozialpsychologie • Anwendungsgebiete: Arbeits- und Organisationspsychologie, Klinische Psychologie und Pädagogische Psychologie

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Psychologie

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Psychologie: • Erläutern Sie dabei seine etymologische Herkunft. • Führen Sie aus, weshalb eine wörtliche Übersetzung heute nicht mehr sinnvoll ist. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. 2. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Erläutern Sie die zwischen den psychologischen Zielgrößen Erleben und Verhalten bestehenden Unterschiede. • Handelt es sich bei den folgenden Aspekten um Erleben oder um Verhalten? Urteilen Sie. • Schüler A hat Magenschmerzen. • Schülerin B sieht aus dem Fenster. • Schüler C ist aggressiv. • Die letzte der drei Aussagen lässt sich kaum zuordnen. Woran liegt das? Weshalb ist eine derartige Äußerung – wird sie von einer Lehrkraft getätigt – problematisch? Diskutieren Sie. 3. Der Psychologie werden im Großteil der Begriffsdefinitionen vier Aufgaben zugesprochen: • Nennen Sie diese Aufgaben. • Erläutern Sie diese Aufgaben. 4. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe. Die Psychologie kann das konkrete Verhalten einzelner Schülerinnen und Schüler nicht zuverlässig vorhersagen: • Diskutieren Sie, weshalb psychologische Erkenntnisse für Sie als Lehrkraft dennoch wichtig sind. • Wie können Sie im konkreten Fall mit psychologischen Erkenntnissen umgehen? 5. Es gilt, streng zwischen Alltagspsychologie und Psychologie als Wissenschaft zu unterscheiden: • Führen Sie jeweils mindestens drei Merkmale an. • Finden Sie für Alltagspsychologie und wissenschaftliche Psychologie je ein Beispiel und nutzen Sie diese, um die einzelnen Merkmale näher zu erläutern. • In welchen Situationen wenden Personen Alltagspsychologie an? • Entscheiden Sie, ob es sich bei den folgenden Aussagen (eher) um Alltagspsychologie oder wissenschaftliche Psychologie handelt. Begründen Sie Ihre Entscheidungen. • Schotten geben Geld unwilliger aus als Deutsche. • Soziale Interaktion in den ersten Lebensjahren vermindert die Wahrscheinlichkeit von Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter. • Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. 314

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1 Psychologie als Wissenschaft

• Eine autoritäre Lehrkraft vermindert die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Schülerinnen und Schüler selbstständig werden. 6. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in zwei Gruppen: • Gruppe A vertritt die Meinung, für Lehrkräfte sei eine streng wissenschaftliche Psychologie von Bedeutung und Alltagspsychologie kontraproduktiv. • Gruppe B vertritt die Meinung, für Lehrkräfte sei eine streng wissenschaftliche Psychologie nicht zielführend. Vielmehr sei im Schulalltag auf alltagspsychologische Erkenntnisse zurückzugreifen. • Sammeln Sie in den Gruppen Argumente und erstellen Sie je eine Flipchart. • Versuchen Sie, die jeweils andere Gruppe durch einen schlüssigen Vortrag von Ihrer Position zu überzeugen. 7. Nennen Sie mindestens sechs psychologische Teilgebiete.

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

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2.1 Begriliches 2.2 Diagnostische Ziele 2.3 Diagnostischer Prozess, Methoden und Gütekriterien 2.4 Themenfelder pädagogisch-psychologischer Diagnostik Der Bereich der pädagogisch-psychologischen Diagnostik indet sich  – mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Akzentuierungen – an der Schnittstelle zwischen Pädagogik und Psychologie. Für Studierende ist erfahrungsgemäß gerade dieser Bereich besonders interessant, setzt er sich doch einerseits mit Themen wie Legasthenie, Dyskalkulie und Hochbegabung auseinander und liefert doch andererseits viele Ansatzpunkte, die eigene Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung zu überdenken. In diesem Kapitel erfahren Sie… • was pädagogische Psychologie und pädagogisch-psychologische Diagnostik sind. • welche diagnostischen Ziele mit welchen Methoden verfolgt werden. • welche Gütekriterien einzuhalten sind. • mit welchen Themen sich die pädagogisch-psychologische Diagnostik auseinandersetzt. Außerdem wird aus Sicht der pädagogisch-psychologischen Diagnostik ein kurzer Einblick in die Bereiche Schulreife und Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme gegeben.

Reflexionsaufgabe Dass sich Fragestellungen der pädagogisch-psychologischen Diagnostik um Legasthenie, Dyskalkulie und Hochbegabung drehen, wurde bereits angesprochen. Welche Themen und Fragestellungen vermuten Sie darüber hinaus im Bereich der pädagogisch-psychologischen Diagnostik? Sammeln Sie.

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

2.1 Begriffliches

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2.1.1 Pädagogische Psychologie Wurde die pädagogische Psychologie bereits als Teilbereich der Psychologie genannt, so gilt es an dieser Stelle, sie einer detaillierten Betrachtung zu unterziehen. Zunächst ist festzustellen, dass – wie so oft in pädagogischen Kontexten – weitere Begrife zum Teil synonym zu Pädagogischer Psychologie verwendet werden: Erziehungspsychologie, Lehr-Lernforschung, Psychologie des Unterrichts. Einen ersten Anhaltspunkt für die Bedeutung des Begrifs Pädagogische Psychologie liefert bereits eine Unterteilung in seine beiden Wortbestandteile (siehe auch Abbildung 30): 1. Der erste Bestandteil, „pädagogische“, verweist auf den Gegenstandsbereich Erziehung und Bildung der Pädagogik. 2. Der zweite Bestandteil, „Psychologie“, bestimmt die Pädagogische Psychologie als Teildisziplin der Psychologie und legt vor allem die Fragestellungen, Konzepte, Theorien und Methoden fest, die ‚psychologisch‘ sein müssen.

Synonyme

Wortbestandteile

Von daher ist die folgende, äußerst umfangreiche, mittlerweile über 100 Jahre alte Deinition noch immer gültig: Pädagogische Psychologie ist die wissenschaftliche Erforschung der psychischen Seite der Erziehung; sie setzt Erziehungen und Erziehung als gegebene Tatsache voraus und bemüht sich, diese eigenartige Realität, Erziehung genannt, auf ihre psychologischen Einschläge hin zu analysieren. In diesem Sinn handelt sie von den psychologischen Voraussetzungen, Grundlagen und Wirkungen aller Erziehungstechniken, von den psychischen Vorgängen in der erziehenden und in der Erziehung empfangenden Generation, von den psychischen Seiten aller dinglichen und institutionellen Erziehungsmittel.

Deinition

(Fischer 1917: 116–117, zitiert nach Hasselhorn & Gold 2009: 16)

Wurde bereits in Kapitel Psychologie 1 ausgeführt, dass Psychologie sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen auseinandersetzt, so ist das Erleben und Verhalten speziell „im Zusammenhang mit den Prozessen des Erziehens, des Unterrichtens und des Bildens“ (Fritz et al. 2014: 15) Gegenstand der pädagogischen Psychologie.

Gegenstand

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Verhältnis Pädagogik – Psychologie

Dabei kann das Verhältnis von Pädagogik, Psychologie und pädagogischer Psychologie unterschiedlich gesehen werden. Prinzipiell existieren drei Positionen: 1. Pädagogische Psychologie wird als Teilgebiet der Psychologie gesehen. 2. Pädagogische Psychologie wird als Teilgebiet der Pädagogik gesehen. 3. Pädagogische Psychologie wird sowohl als Teil der Psychologie als auch als Teil der Pädagogik gesehen (vgl. Steinbach et al. 2006: 12f.) Stark vereinfacht gesagt, führt pädagogische Psychologie ein Dasein an der Schnittstelle von Psychologie und Pädagogik (siehe Abbildung 30).

Abb. 30 | Pädagogische Psychologie

2.1.2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik Ausgehend vom Begrifsbestandteil Diagnostik kann darauf geschlossen werden, dass es auch bei der pädagogisch-psychologischen Diagnostik um die Feststellung von Tatsachen, Sachverhalten, Eigenschaften, Merkmalen oder Ähnlichem geht. Dabei existiert für den Begrif Pädagogisch-psychologische Diagnostik prinzipiell eine Vielzahl unterschiedlicher Deinitionen, denen unterschiedliche Schwerpunkte zugrunde liegen. Ausgangspunkt der Begrifsklärung an dieser Stelle ist das in folgenden Deinitionen zum Ausdruck kommende, sehr umfassende Verständnis von pädagogisch-psychologischer Diagnostik: 318

2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

Pädagogische Diagnostik ist das Insgesamt von Erkenntnisbemühungen im Dienste aktueller pädagogischer-psychologischer Entscheidungen.

Deinitionen

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(Klauer 1982: 5)

Pädagogisch-psychologische Diagnostik […] ist psychologische Diagnostik im Dienste pädagogischer Entscheidungen. (Leutner 2010: 624)

Deutlich detaillierter und erhellender für Lehrkräfte sind die Ausführungen von Reulecke und Rollte, denen zufolge… Diagnostik in schulischen Entscheidungssituationen den Zweck hat, Informationen zur Optimierung des pädagogischen Handelns zu gewinnen. (Reulecke und Rollte 1976: 177).

Dabei ist eine Unterscheidung zwischen pädagogischer Diagnostik im engeren und im weiteren Sinn möglich: • Dabei meint Diagnostik im engeren Sinn „die Planung und Kontrolle von Lehr- und Lernprozessen“ (Reulecke und Rollte 1976: 177). • Hingegen umfasst Diagnostik im weiteren Sinn „alle diagnostischen Aufgaben im Rahmen der Bildungsförderung“ (Reulecke und Rollte 1976: 177).

Pädagogische Diagnostik im engeren und im weiteren Sinne

Wird der Ursprung der pädagogisch-psychologischen Diagnostik in der Regel in der psychologischen Diagnostik verortet, so existieren auch Gegenpositionen. Dabei wird die pädagogisch-psychologische Diagnostik als eigenständige Diagnostik betrachtet, die sich auf Basis ihrer Aufgaben, Ziele und Handlungsfelder entwickelte. Lediglich einige Methoden und Denkweise seien der psychologischen Diagnostik entlehnt (vgl. Ingenkamp & Lissmann 2005: 12). Die folgende Deinition von Ingenkamp und Lissmann weist auf zwei Aufgaben pädagogischer Diagnostik hin: Pädagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu

2 Aufgaben pädagogischer Diagnostik

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Psychologie

optimieren. Zur Pädagogischen Diagnostik gehören ferner die diagnostischen Tätigkeiten, die die Zuweisung zu Lerngruppen oder zu individuellen Förderungsprogrammen ermöglichen sowie die mehr gesellschaftlich verankerten Aufgaben der Steuerung des Bildungsnachwuchses oder der Erteilung von Qualifikationen zum Ziel haben. Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

(Ingenkamp & Lissmann 2005: 13)

1. Erste Aufgabe pädagogischer Diagnostik ist es demnach, das Lernen zu verbessern. 2. Zweite Aufgabe ist es, die Grundlage für die Erteilung von Qualifikationen zu bieten. Aufgrund des von Ihnen angestrebten Berufes, der Sie zur Praktikerin oder zum Praktiker in der Gestaltung von Bildungsprozessen und zum Arbeitnehmer des jeweiligen Bundeslandes macht, soll an dieser Stelle keine Konzentration auf rein wissenschaftliche Erklärungen stattinden. Vielmehr wird auch die Deinition der BundLänder-Kommission angeführt, die den Schwerpunkt auf die Schullaufbahnberatung legt: Bund-LänderKommission

Unter pädagogischer Diagnostik werden alle Maßnahmen zur Aufhellung von Problemen und Prozessen sowie zur Messung des Lehr- und Lernerfolges und der Bildungsmöglichkeiten des einzelnen im pädagogischen Bereich verstanden, insbesondere solche, die der individuellen Entscheidung über die Wahl der anzustrebenden Qualifikationen der Schullaufbahn, des Ausbildungsganges im Tertiären Bereich und der der Berufsausbildung sowie der Weiterbildung dienen. (Bund-Länder-Kommission Bildungsgesamtplan 1973: 75)

Das Ziel pädagogisch-psychologischer Diagnostik lässt sich folgendermaßen formulieren: Ziel

Pädagogisch-psychologische Diagnostik dient „der Lösung praktischer, pädagogischer, schulischer oder bildungsbezogener Probleme und Fragestellungen.“ (Wild & Möller 2014: 307)

Typische Probleme oder Fragestellungen der Pädagogischen-Psychologie sind die folgenden: 320

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

• Welche spezifischen Bedingungen seitens der Schülerinnen und Schüler beeinflussen die von ihnen erbrachten Leistungen? • Welche äußeren Faktoren beeinflussen die von Schülerinnen und Schüler erbrachten Leistungen? • Wie genau können wir die (Lern-)Leistungen der Schülerinnen und Schüler erfassen? • Wie können Lernprozesse optimiert und ihr Erfolg gesteigert werden?

Typische Fragestellungen

2.2 Diagnostische Ziele Lassen Sie sich an dieser Stelle nicht von unterschiedlichen, in der Literatur üblichen Bezeichnungen verwirren. Anstelle von Diagnostischen Zielen (vgl. Wild & Möller 2014) indet sich auch die Bezeichnung Diagnostische Entscheidungsfelder (Leutner 2010: 625). Beide Termini bezeichnen dasselbe, beziehen sich jedoch auf unterschiedliche Gesichtspunkte. Üblich ist es, diagnostische Entscheidungsfelder hinsichtlich der in Abbildung 31 dargestellten Dimensionen zu unterscheiden.

Abb. 31 | Dimensionen diagnostischer Entscheidungsfelder

Anstelle des Begrifs Selektionsdiagnostik wird Ihnen auch Auslesediagnostik begegnen. Diese Art der Diagnostik liegt dann vor, wenn das Ziel die „Auswahl (Klassiikation, Platzierung) von Personen oder (Lern- bzw. Erziehungs-)Bedingungen“ (Leutner 2010: 625) ist. Modiikationsdiagnostik hingegen wird auch als Förderdiagnostik bezeichnet und verfolgt das Ziel, „Entscheidungen über geeignete Maßnahmen zur Veränderung von Personen […] oder (Lern- bzw. Erziehungs-)Bedingungen vorzubereiten“ (Leutner 2010: 625). In-

Selektions- vs. Modiikationsdiagnostik

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nerhalb der schulischen pädagogisch-psychologischen Diagnostik ist diese Unterscheidung eher wenig relevant, da in diesem Kontext Selektionsentscheidungen nahezu immer auch Modiikationsentscheidungen sind.

Aus der Praxis für die Praxis Klassisches Beispiel für die Selektionsdiagnostik ist die Auswahl geeigneter Schülerinnen und Schüler für eine Hochbegabtenklasse, deren Plätze stark beschränkt sind. Modifikationsdiagnostik liegt beispielsweise vor, wenn bei einer Schülerin oder einem Schüler Legasthenie diagnostiziert wird und Strategien entwickelt werden sollen, hier gegenzusteuern. Status- vs. Prozessdiagnostik

Des Weiteren ist die Unterscheidung zwischen Status- und Prozessdiagnostik üblich. Mit Statusdiagnostik wird das Ziel verfolgt, den aktuellen Status einer Person festzustellen. Es geht darum, festzustellen, wie stark eine bestimmte Eigenschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgeprägt ist. Dabei indet eine Konzentration auf die Merkmale statt, die für eine pädagogische Entscheidung relevant sind. Prozessdiagnostik hingegen soll pädagogische Entscheidungen erleichtern, indem die bei einer Person stattindenden Veränderungen im Verhalten und Erleben erfasst werden (vgl. Leutner 2010: 626).

Aus der Praxis für die Praxis Als Beispiel für die Statusdiagnostik lässt sich die Schuleingangsuntersuchung nennen, die den aktuellen Status eines Kindes in vielen unterschiedlichen Bereichen festhält, um eine Entscheidung über den Zeitpunkt der Einschulung zu ermöglichen. Veränderungen der sprachlichen Denkleistung dagegen werden häufig im Rahmen der Therapie einer Lese-Rechtschreibschwäche erfasst (vgl. Wild & Möller 2014: 307). Kriteriums- vs. normorientierte Diagnostik

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Die dritte Dimension pädagogisch-psychologischer Diagnostik betrift die Frage nach der Beurteilung der Ausprägung gemessener Merkmale. Hier ist zu unterscheiden zwischen kriteriums- und normorientierter Diagnostik. Als kriteriumsorientiert ist Diagnostik dann zu bezeichnen, wenn sie das bei Schülerin oder Schüler gemessene Merkmal in Bezug zu einem klar deinierten, sachlichen

2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

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Kriterium setzt. Einzig relevante Frage ist dabei demnach, ob eine Person ein Kriterium erfüllt oder nicht. Normorientierte Diagnostik hingegen stellt Unterschiede zwischen einer Person und einer relevanten Bezugsgruppe fest. Dabei werden in der Regel sachliche oder soziale Bezugsnormen angewandt (vgl. Wild & Möller 2014: 308).

Aus der Praxis für die Praxis Als Beispiel für kriteriumsorientierte Diagnostik lässt sich nach Wild und Müller (2014: 308) die Vergabe von Bildungszertifikaten anführen. Dabei wird die von einer Schülerin oder einem Schüler erbrachte Leistung in Bezug gesetzt zu den inhaltlichen Anforderungen beispielsweise einer Prüfung. Normorientierte Diagnostik liegt beispielsweise vor, wenn im Sportunterricht die Ausdauerleistung eines Schülers dann mit der gleichaltriger Jungen verglichen wird.

2.3 Diagnostischer Prozess, Methoden, Gütekriterien 2.3.1 Diagnostischer Prozess Der diagnostische Prozess bezeichnet prinzipiell „den gesamten Ablauf psychodiagnostischer Untersuchungen – von der Fragestellung bis zur Mitteilung des Ergebnisses“ (Langfeldt und Tent 1999: 35). Demnach beschreibt der Begrif Diagnostischer Prozess die Abfolge einzelner Maßnahmen, mittels derer eine diagnostische Fragestellung als Basis für eine Entscheidung beantwortet werden soll. Der diagnostische Prozess kann deiniert werden als „eine systematische Abfolge psychodiagnostischer Handlungen mit dem Ziel, entscheidungsrelevante Informationen über eine Person verfügbar zu machen“ (Langfeldt und Tent 1999: 34). Der diagnostische Prozess lässt sich, wie Abbildung 32 zeigt, in fünf Schritte untergliedern: 1. Am Anfang des diagnostischen Prozesses steht die Anlauf- oder Orientierungsphase, in der die Fragestellung eindeutig zu klären ist, die es zu beantworten gilt. Eine solche kann beispielsweise folgendermaßen lauten: Ist es sinnvoll, Schüler A noch nicht einzuschulen, sondern ihn für ein weiteres Jahr den Kindergarten besuchen zu lassen?

Deinition diagnostischer Prozess 5 Schritte 1. Anlaufphase

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Psychologie

Abb. 32 | Diagnostischer Prozess

2. vorbereitende Orientierung

3. Planung, Hypothesenbildung, Einsatz diagnostischer Verfahren 4. Evaluationsphase

5. Stellungnahme, Übersetzung, Prognose

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2. Die Phase der vorbereitenden Orientierung dient vor allem dem Untersuchenden zur Klärung, ob die Frage überhaupt beantwortet werden kann. Dabei gilt es auch, rechtliche und ethische Aspekte zu berücksichtigen. 3. Die dritte Phase macht die Untersuchung im engeren Sinne aus. Diese setzt sich zusammen aus Planung, Hypothesenbildung und dem Einsatz diagnostischer Verfahren (vgl. Langfeldt & Tent 1999: 37). 4. Die Evaluationsphase umfasst das Ordnen, Verdichten und Interpretieren der erhobenen Daten und den Rückbezug auf die in der Planungsphase aufgestellten Hypothesen (vgl. Langfeldt 2014: 380). 5. Den Abschluss bildet die Stellungnahme und somit eine Art Übersetzung der gewonnenen Erkenntnisse in eine auch für Laien und somit für den Auftraggeber verständliche Sprache. Die ursprünglich an den Untersuchenden herangetragene Fragestellung wird beantwortet, auf Ungeklärtes wird hingewiesen und es werden Empfehlungen ausgesprochen (vgl. Langfeldt & Tent 1999: 37). Außerdem kann eine Prognose gestellt werden, die die Folgen unterschiedlicher pädagogischer Maßnahmen abschätzt. Auf dieser Basis können die zuständigen Personen eine Entscheidung zu treffen.

2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

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2.3.2 Methoden der pädagogisch-psychologischen Diagnostik Wurden bereits Ziele und einzelne Fragestellungen ausgeführt, mit denen sich die pädagogische Psychologie auseinandersetzt, so sind an dieser Stelle die dabei zum Einsatz kommenden Methoden Gegenstand der Darstellung. Dabei ist die pädagogische Psychologie trotz ihrer weitgehenden Eigenständigkeit auf die Verfahrensweisen der allgemeinen psychologischen Diagnostik angewiesen. In erster Linie lassen sich, wie Abbildung 33 zeigt, fünf Methoden unterscheiden, mit deren Hilfe Daten erhoben werden und die eine pädagogische Entscheidungsindung ermöglichen sollen.

Gesprächsmethoden

schriftliche Befragung

Beobachtungsverfahren

Beurteilungsverfahren

Testmethoden

Abb. 33 | Methoden der pädagogisch-psychologischen Diagnostik

• Gesprächsmethoden kommt im Bereich der pädagogischen Psychologie eine große Bedeutung zu, wenngleich für Lehrkräfte nur wenig Fortbildungen und Materialien angeboten werden, die ihre Kompetenz der Gesprächsführung trainieren. Werden nach der Vorstellung der einzelnen Methoden der pädagogisch-psychologischen Diagnostik die vor allem für Testverfahren gültigen Gütekriterien besprochen, so müssen diese prinzipiell auch im Rahmen diagnostischer Gespräche und Interviews gelten. Sinnvoll sind deshalb leitfadengestützte Gespräche und Interviews. Die Orientierung an einem Leitfaden stellt weitgehend sicher, dass alle relevanten Aspekte systematisch angesprochen werden und gewährleistet ein höheres Maß an Objektivität. Diagnostische Gespräche und Interviews werden beispielsweise bei Schuleintrittsuntersuchungen mit den Eltern eines einzuschulenden Kindes geführt. Generell gilt es, im Bereich der Gesprächsmethoden zwischen Exploration (Erkundungsgespräch), Anamnese (Erfassung der bewusstseinsnahen Aspekte der Lebensgeschichte) und Interview (Befragung) zu unterscheiden (vgl. Lukesch 1994). • Schriftliche Befragungen und Fragebögen benötigen, verglichen mit Gesprächsmethoden, weniger Aufwand und Ressourcen, was sie attraktiv macht. Abgesehen von der klassischen Variante, bei der einzelne Fragen zu beantworten sind, können schriftliche

Gesprächsmethoden

Schriftliche Befragungen und Fragebögen

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Psychologie

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Beobachtungsverfahren

Beurteilungsverfahren

Testmethoden

Befragungen so umgesetzt werden, dass beispielsweise Satzanfänge zu ergänzen sind (vgl. Schmitt & Gerstenberg 2014: 43ff.). • Beobachtungsverfahren wurden im pädagogischen Kontext schon lange, bevor Testverfahren entwickelt wurden, eingesetzt. Dabei gilt es zu folgende Unterscheidungen zu treffen: • naive Beobachtung vs. systematische Beobachtung • Beobachtung durch Außenstehende vs. Beobachtung durch Teilnehmende • offene Beobachtung vs. verdeckte Beobachtung • technisch vermittelte Beobachtung vs. unvermittelte Beobachtung • kontinuierliche Beobachtung vs. diskontinuierliche Beobachtung • Feldbeobachtung vs. Laborbeobachtung • Fremdbeobachtung vs. Selbstbeobachtung • Beurteilungsverfahren werden in der Schule sowohl „zur Einschätzung von Leistungsaspekten […] wie auch zur Feststellung von Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmalen“ (Lukesch 1994: 96) eingesetzt. Dabei arbeiten Beurteilungen mit Skalen und basieren auf Beobachtungen. Möglich sind dabei beispielsweise im Bereich der schulischen Verhaltensauffälligkeiten Skalen für die Selbstbeobachtung durch die Schülerin oder den Schüler selbst und die Fremdbeobachtung durch die Lehrkraft oder andere Beobachterinnen und Beobachter. • Testmethoden finden sich beispielsweise bei Einschulungstests und Intelligenztests. Dabei ist „Ein psychologischer Test […] ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung“ (Lienert & Ratz 1998). Über diese Methoden hinaus werden textanalytische und computerbasierte Verfahren ebenso eingesetzt wie apparative, psychobiologische und projektive Verfahren (vgl. Schmitt & Gerstenberg 2014: 5). Setzt sich die pädagogische Psychologie mit dem Verhalten und Erleben von Menschen auseinander, so gilt es zwei Dinge festzuhalten: 1. Lediglich das Verhalten, nicht jedoch das Erleben ist dem Beobachtenden zugänglich.

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

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2. Selbstverständlich findet im Unterricht ständig eine  – in der Praxis eher weniger als mehr systematische – Beobachtung der Schülerinnen und Schüler durch die Lehrkraft statt. Im Kontext pädagogisch-psychologischer Diagnostik unterscheiden sich Beobachtungsverfahren jedoch deutlich von dieser unterrichtsbegleitenden Beobachtung durch die Lehrkraft.

2.3.3 Gütekriterien von Messverfahren Unabhängig von der Art der zum Einsatz kommenden Methode muss diese drei Gütekriterien entsprechen (siehe auch Abbildung 34):

Abb. 34 | Testgütekriterien

• Das Testgütekriterium Objektivität besagt, dass Durchführung, Auswertung und Interpretation unabhängig von der Person des Untersuchenden sind. Demnach wird unterschieden zwischen Durchführungsobjektivität, Auswertungsobjektivität und Interpretationsobjektivität. In einfachen Worten: Ein Test ist dann objektiv, wenn er auch durch eine andere Person durchgeführt die gleichen Ergebnisse liefert. • Als reliabel gilt ein Test dann, wenn das Ergebnis nicht durch Störeinflüsse und Fehler verfälscht wird. In einfachen Worten: Ein Test ist dann reliabel, wenn er erneut angewandt die gleichen Ergebnisse liefert. • Die Validität eines Tests besagt, dass dieser auch wirklich das misst, was er zu messen vorgibt. Hierbei wird unterschieden zwischen inhaltlicher Validität, empirischer Validität und KonstruktValidität.

Objektivität

Reliabilität

Validität

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Psychologie

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Weitere Gütekriterien

Lukesch führt darüber hinaus auch die Gütekriterien Testnormierung, Ökonomie, Nützlichkeit und Vergleichbarkeit an (vgl. Lukesch 1998: 1).

2.4 Themenfelder pädagogisch-psychologischer Diagnostik

Themenfelder

Selbstverständlich benötigen Sie als Lehrkraft diagnostische Kompetenz (siehe auch Kapitel Erziehungswissenschaften im Kontext Kapitel 2), weshalb ein Grundverständnis pädagogisch-psychologischer Diagnostik hilfreich ist. Dennoch gilt es festzuhalten, dass in vielen Fällen die Kooperation mit einer Schulpsychologin, einem Schulpsychologen oder weiteren ExpertInnen nicht nur sinnvoll, sondern sogar vorgeschrieben ist. An dieser Stelle kann und soll deshalb lediglich ein kurzer Einblick in einzelne, ausgewählte Felder pädagogisch-psychologischer Diagnostik gegeben werden. Gewählt für diesen exemplarischen Einblick in die pädagogisch-psychologische Diagnostik wurden die Themen Schulreife als erste Laufbahnentscheidung bei Kindern und Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen als hochaktuelles Thema. Weitere Themenfelder pädagogisch-psychologischer Diagnostik sind beispielsweise die folgenden: • Übertritt in die Sekundarstufe I • Hochschulzugang • Hochbegabungsdiagnostik • Diagnostik von Legasthenie • Diagnostik von Dyskalkulie • Diagnostik von dissozialem Verhalten

2.4.1 Schulreife Schulreifefeststellung als erste Laufbahnentscheidung Deinition Schulreife

328

Die erste Entscheidung über die schulische Laufbahn von Kindern wird bereits bei deren Einschulung getrofen. Denn zwar ist der Zeitpunkt der Einschulung gesetzlich geregelt, doch gibt es die Möglichkeit, nicht schulreife Kinder zurückzustellen. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Schulreife fand bereits Mitte des 20. Jahrhunderts statt. Dabei wurde Schulreife deiniert „als die Fähigkeit, sich durch planmäßige Arbeit in Gemeinschaft Gleichaltriger die traditionellen Kulturgüter anzueignen“ (Hetzer 1948: 63 zitiert nach Langenfeldt & Tent 1999: 136). Die Verwen-

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

dung des Begrifs Schulreife an sich ist zwar auch heute noch üblich, jedoch nicht ganz unumstritten, da diesem eine Nähe zu biologischen Reifungsprozessen immanent ist. Aus diesem Grund werden Sie gelegentlich auch auf die Bezeichnungen Schulfähigkeit oder Einschulungstest trefen. Leider jedoch handelt es sich bei Schulreife nicht um ein äußerliches, auf den ersten Blick erkennbares Merkmal, sondern um ein Konstrukt, das einerseits abhängig ist von Anlage, Reifung, Lerngeschichte und Schule und das andererseits deutlich komplexer zu erfassen ist. Dabei eingesetzt werden beispielsweise die folgenden Schulreifetests: • Duisburger Vorschul- und Einschulungstest • Frankfurter Schulreifetest • Göppinger Sprachfreier Schulreifetest • Kettwiger Schuleingangstest • Reutlinger Test für Schulanfänger • Weilburger Testaufgaben • Kieler Einschulungsverfahren • Mannheimer Schuleingangsdiagnostikum • Visuomotorischer Schulreifstes Aufällig bei diesen Schulreifetests sind zwei Dinge: 1. Obwohl das Konstrukt Schulreife intensiv, teils hitzig diskutiert wird, sind sich die aufgeführten Tests recht ähnlich. 2. Die aufgeführten Tests überprüfen in erster Linie kognitive Fähigkeiten (vgl. Langenfeldt & Tent 1999: 136). Aus dem Rahmen fällt das Kieler Einschulungsverfahren aus unterschiedlichen Gründen: • Es umfasst elf Inhaltsbereiche: Wahrnehmung, Mengen, Denkfähigkeit, Kenntnisse, Sprache, Gedächtnis, Motorik, Leistungsmotivation, Arbeitsverhalten, sozialer Bereich und emotionaler Bereich. • Es setzt sich zusammen aus Elterngespräch, Unterrichtsspiel und Einzeluntersuchung. • Es verzichtet sowohl auf eine Standardisierung der Testdurchführung als auch auf eine Normierung der Ergebnisse.

Schulreifetests

Aufälligkeiten bei Schulreifetests

Besonderheiten des Kieler Einschulungsverfahrens

In der schulischen Realität kommen derartige Testverfahren nur noch selten zum Einsatz. In der Regel wird die Entscheidung über Einschulung oder Zurückstellung „in den Schulen inzwischen vornehmlich mit Hilfe informeller, selbst entwickelter, mehr oder weni329

Psychologie

ger subjektiven Verfahren entschieden“ (Langenfeldt & Tent 1999: 146).

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2.4.2 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen Aufmerksamkeitsund Konzentrationsstörungen als abweichendes Verhalten

Vorteile der Diagnose Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung

Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen fallen in den Bereich der Verhaltensstörungen – freundlicher klingt an dieser Stelle sicherlich der synonym gebrauchte Begrif Abweichendes Verhalten. Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, die häuig synonym verwendet werden, werden gerade von Laien, als die die meisten Lehrkräfte und Eltern zu bezeichnen sind, häuig ‚diagnostiziert‘. Grund hierfür ist möglicherweise, dass Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen als Ausrede oder kleineres Übel gesehen werden: • Für Eltern ist es angenehmer, das eigene Kind ist „zerstreut als dumm oder faul“ (Kleber 1991, zitiert nach Langenfeldt & Tent 1999: 221). • Lehrkräfte entlastet die Diagnose Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, da Leistungsprobleme dementsprechend nicht auf ihren Unterricht zurückzuführen sind. Konzentration stellt sowohl einen in einer speziischen Situation vorhandenen Zustand als auch ein grundsätzlich vorhandenes Persönlichkeitsmerkmal dar. Von einer Störung der Konzentration wird dann gesprochen, wenn … 1. Die Konzentrationsfähigkeit (Konzentration als Persönlichkeitsmerkmal) nur schwach ausgeprägt ist und/oder 2. die Konzentration in einer konkreten Situation (Konzentration als Zustand) durch einen der folgenden Faktoren beeinträchtigt wird: • körperliche Voraussetzungen • motivationale Bedingungen • äußere Bedingungen • intellektuelle Lernfähigkeit • soziale Bedingungen • emotionale Bedingungen (Langenfeldt & Tent 1999: 225) In den Bereich der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen fällt selbstverständlich auch das mittlerweile im schulischen Kontext omnipräsente ADHS  – Aufmerksamkeits-Deizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (oder auch ADS  – Aufmerksamkeits-Deizit-Syn-

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

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drom). Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie deiniert ADHS folgendermaßen: Hyperkinetische Störungen sind durch ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität gekennzeichnet, das in einem für den Entwicklungsstand des Betroffenen abnormen Ausmaß situationsübergreifend auftritt. Die Störung beginnt vor dem Alter von 6 Jahren und sollte in mindestens zwei Lebensbereichen/Situationen (z. B. in der Schule, in der Familie, in der Untersuchungssituation) konstant auftreten. (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2003)

Das DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), das Klassiikationssystem der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, ordnet die diagnostischen Kriterien für Aufmerksamkeitsdeizit-/Hyperaktivitätsstörungen zwei Bereichen zu: 1. Unaufmerksamkeit 2. Hyperaktivität und Impulsivität Die Bundesärztekammer bezeichnet die Diagnose von ADHS explizit als aufwändigen Prozess, der nicht „ausschließlich auf der Grundlage von Fragebögen, testpsychologischen Untersuchungen oder videogestützten Verhaltensbeobachtungen“ (Bundesärztekammer 2005: 13) möglich ist. Gerade der Hinweis auf die selbst in Kombination mit Fragebögen, Tests und Videoaufzeichnungen nicht ausreichenden Verhaltensbeobachtungen widerspricht der Meinung vieler Lehrkräfte und Erziehenden, mittels geübten Blickes die Diagnose ADHS stellen zu können und unterstützt die eingangs angesprochene Notwendigkeit des Einsatzes von Experten und Expertinnen.

Literaturtipp Das zweibändige Werk von Tent und Langfeldt bzw. Tent und Stelzl mag bereits etwas in die Jahre gekommen sein, bietet jedoch einen umfassenden, gut verständlichen Überblick über die pädagogisch-psychologische Diagnostik. Interessant für angehende Lehrkräfte ist vor allem Band 2, da dieser viele für Lehrkräfte relevante Themenbereiche wie den Übertritt in die Sekundarstufe, Hochbegabungsdiagnostik oder die Diagnostik von Lernstörungen anspricht: 331

Psychologie

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Stelzl, Ingeborg & Tent, Lothar. Pädagogisch-psychologische Diagnostik. Band 1. Theoretische und methodische Grundlagen. Göttingen. Langfeldt, Hans Peter & Tent, Lothar. Pädagogisch-psychologische Diagnostik. Band 2. Anwendungsbereiche und Praxisfelder. Göttingen. Speziell aus Sicht der Lehrkraft widmen sich Hesse und Latzko der pädagogisch-psychologischen Diagnostik: Hesse, Ingrid & Latzko, Brigitte. Diagnostik für Lehrkräfte. Opladen. Spannend, interessant und umfangreich, aber für Lehramtsstudierende schon fast zu weit führen: Amelang, Manfred & Schmidt-Atzert, Lothar. Psychologische Diagnostik und Intervention. Berlin.

Zusammenfassung • Synonym zu Pädagogische Psychologie werden auch die Begriffe Erziehungspsychologie, Lehr-Lernforschung und Psychologie des Unterrichts verwendet. Sie setzt sich mit dem Erleben und Verhalten „im Zusammenhang mit den Prozessen des Erziehens, des Unterrichtens und des Bildens“ (Fritz et al. 2014: 15) auseinander und bildet die Schnittmenge aus Pädagogik und Psychologie. • In diesem Kontext gilt psychologische Diagnostik als pädagogisch-psychologische Diagnostik. Es handelt sich demnach um psychologische Diagnostik, die der Informationsgewinnung zum Zwecke der Optimierung von Erziehung sowie von Lehrund Lernprozessen dient. Die pädagogisch-psychologische Diagnostik dient der: • Verbesserung des Lernens • Erteilung von Qualifikationen • Unterschieden werden kann folgendermaßen: • Selektionsdiagnostik oder Auslesediagnostik liegt dann vor, wenn das Ziel die Auswahl von Personen oder Bedingungen ist. Modifikationsdiagnostik oder Förderdiagnostik hingegen liegt vor, wenn Diagnostik dem Treffen von Entscheidungen über geeignete Maßnahmen dient. • Statusdiagnostik dient dazu, den aktuellen Status einer Person festzustellen, während Prozessdiagnostik die bei einer Person stattfindenden Veränderungen erfasst. • Kriteriumsorientierte Diagnostik setzt ein bei einem Lernenden gemessenes Merkmal in Bezug zu einem klar definierten, sachlichen Kriterium. Normorientierte Diagnostik hingegen stellt Unterschiede zwischen einer Person und einer relevanten Bezugsgruppe fest. • Der diagnostische Prozess bezeichnet „den gesamten Ablauf psychodiagnostischer Untersuchungen“ und kann definiert werden als „eine systematische Abfolge psy332

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

chodiagnostischer Handlungen mit dem Ziel, entscheidungsrelevante Informationen über eine Person verfügbar zu machen“ (Langfeldt und Tent 1999: 34). Er besteht aus fünf Schritten: 1. Am Anfang des diagnostischen Prozesses steht die Anlauf- oder Orientierungsphase, in der die Fragestellung eindeutig zu klären ist, die es zu beantworten gilt. 2. Die Phase der vorbereitenden Orientierung dient der Klärung, ob die Frage überhaupt beantwortet werden kann. 3. Die Untersuchung im engeren Sinne umfasst Planung, Hypothesenbildung und den Einsatz diagnostischer Verfahren. 4. Die Evaluationsphase umfasst das Ordnen, Verdichten und Interpretieren der erhobenen Daten und der Rückbezug auf die in der Planungsphase aufgestellten Hypothesen. 5. Die abschließende Stellungnahme bietet den Auftraggebern die Basis für pädagogische Entscheidungen. • Im Rahmen pädagogisch-psychologischer Diagnostik werden vor allem fünf Methoden eingesetzt: • Gesprächsmethoden • Beobachtungsverfahren • Schriftliche Befragung und Fragebogen • Beurteilungsverfahren • Testmethoden • Die eingesetzten Methoden müssen den drei klassischen Gütekriterien entsprechen: • Das Testgütekriterium Objektivität besagt, dass Durchführung, Auswertung und Interpretation unabhängig von der Person des Untersuchenden sind. • Als reliabel gilt ein Test dann, wenn das Ergebnis nicht durch Störeinflüsse und Fehler verfälscht wird. • Die Validität eines Tests besagt, dass dieser auch wirklich das misst, was er zu messen vorgibt. • Klassische Themenfelder pädagogisch-psychologischer Diagnostik sind die folgenden: • Schulreife • Übertritt in die Sekundarstufe I • Hochschulzugang • Hochbegabungsdiagnostik • Diagnostik von Legasthenie • Diagnostik von Dyskalkulie • Diagnostik von dissozialem Verhalten

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Psychologie

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Wissens- und Transferaufgaben 1. Klären Sie den Begriff Pädagogische Psychologie: • Führen Sie dazu unterschiedliche, synonym verwendete Begriffe an. • Erläutern Sie den Begriff in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Grenzen Sie den Gegenstand der pädagogischen Psychologie ein. 2. Klären Sie den Begriff Pädagogisch-psychologische Diagnostik: • Erläutern Sie den Begriff in eigenen Worten. Gehen Sie dabei auf den Unterschied zwischen pädagogisch-psychologischer Diagnostik im engeren und im weiteren Sinn ein. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Nennen Sie Ziele pädagogisch-psychologischer Diagnostik. • Führen Sie die Aufgaben pädagogisch-psychologischer Diagnostik an. 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Es wird zwischen Selektions- und Modifikationsdiagnostik, zwischen Status- und Prozessdiagnostik sowie zwischen kriteriums- und normorientierter Diagnostik unterschieden: • Informieren Sie sich in Kleingruppen über die einzelnen Begriffspaare. Sammeln Sie entsprechende schulpraktische Bezugspunkte und Fragestellungen. • Stellen Sie sich gegenseitig das von Ihnen erarbeitete Begriffspaar vor. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Erschließen Sie den Begriff Diagnostischer Prozess: • Formulieren Sie dazu gemeinsam auf Basis der in diesem Kapitel angeführten Definitionen eine eigene. • Stellen Sie den diagnostischen Prozess auf einem Flipchart-Papier grafisch dar. • Spielen Sie die einzelnen Phasen des diagnostischen Prozesses anhand schulpraktischer Fragestellungen durch. 5. Stamm-Experten-Gruppen! Bilden Sie gemeinsam mit anderen Studierenden vier Kleingruppen A, B, C und D: • Gruppe A setzt sich intensiv mit Gesprächsmethoden auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel und sammeln Sie weitere Informationen. Überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Methode sinnvoll ist. • Gruppe B setzt sich intensiv mit Beobachtungsverfahren auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel und sammeln Sie weitere Informationen. Überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Methode sinnvoll ist. • Gruppe C setzt sich intensiv mit schriftlicher Befragung und Fragebogen auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel und sammeln Sie weitere Informationen. Überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Methode sinnvoll ist. 334

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2 Pädagogisch-psychologische Diagnostik

• Gruppe D setzt sich intensiv mit Testmethoden auseinander. Studieren Sie den dazugehörigen Abschnitt in diesem Kapitel und sammeln Sie weitere Informationen. Überlegen Sie gemeinsam konkrete schulpraktische Beispiele, wann die Anwendung dieser Methode sinnvoll ist. • Anschließend bilden je ein Vertreter von Gruppe A, B, C und D eine neue Gruppe. In diesen neuen Gruppen stellt jedes Mitglied als Expertin oder Experte die von ihr oder ihm erarbeitete Methode den anderen vor. 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: • Besprechen Sie die drei Testgütekriterien. • Überlegen Sie gemeinsam, wie Sie bei der Leistungsfeststellung ihrer Schülerinnen und Schüler vorgehen können, um die Gütekriterien möglichst gut zu berücksichtigen.

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3 Entwicklungspsychologie

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3.1 Begriliches 3.2Konzepte, Ursachen und Modelle von Entwicklung 3.3 Die Entwicklung menschlichen Denkens Innerhalb des bereits als schwierig angekündigten Kapitels Psychologie bereitet das Unterkapitel Entwicklungspsychologie die größten Probleme. Grund hierfür ist das weite Feld der Entwicklungspsychologie, was auch der enorme Umfang der Standardwerke – das als Literaturtipp angegebene Werk von Schneider und Lindenberger beispielsweise umfasst mehr als 800 Seiten – verdeutlicht. Einerseits sollte der Rahmen dieses Buches nicht gesprengt werden, andererseits sollten Zusammenhänge nicht zu stark vereinfacht und Fakten unterschlagen werden. Deshalb wurde in diesem Kapitel besonders großer Wert auf die Vermittlung von Basiswissen gelegt, während die konkrete Entwicklung lediglich exemplarisch anhand eines einzelnen, knapp dargestellten Bereichs ausgeführt wird. In diesem Kapitel erfahren Sie… • weshalb eine Begriffsbestimmung der Termini Entwicklung und Entwicklungspsychologie äußerst anspruchsvoll ist. • wie sich diese beiden Begriffe dennoch bestimmen lassen. • welche Konzepte und Ursachen menschliche Entwicklung bestimmen. • wie Phasen- und Stufenmodelle menschliche Entwicklung beschreiben. • wie sich die Entwicklungen menschlichen Denkens vollziehen.

Reflexionsaufgabe Aufgabe 1 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: Sammeln Sie Beispiele aus Ihren Schulpraktika und/oder Ihrem Verwandtenkreis. Welche alterstypischen Entwicklungen und welches alterstypische Verhalten können Sie bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlichen Alters vermeintlich feststellen?

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3 Entwicklungspsychologie

Aufgabe 2

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Das Kapitel Pädagogik haben Sie vermutlich schon studiert. Überlegen Sie, welche dort vermittelten Inhalte den Bereich der Entwicklungspsychologie berühren.

3.1 Begriffliches 3.1.1 Entwicklung Die an dieser Stelle stattindende Klärung des Begrifs Entwicklung fällt besonders umfangreich aus und bezieht dabei bereits Theorien der Entwicklungspsychologie ein – noch bevor diese begrilich geklärt ist. Diese Vorgehensweise erscheint insofern sinnvoll, als nur ein Einbezug dieser Theorien den Begrif Entwicklung tatsächlich bestimmbar macht. Denn dieser wurde und wird in der Psychologie nicht immer eindeutig und nicht immer in der heutigen Bedeutung verwendet. So bezeichnete Entwicklung ursprünglich „einen Vorgang, bei dem sich Erbanlagen weitgehend ohne äußere Umwelteinlüsse entfalten“ (Hobmair et al. 1995: 257). Eine dementsprechende Deinition indet sich bei Edelmann: Entwicklung ist „eine nach immanenten Gesetzen (Bauplan) sich vollziehende Diferenzierung (Ausgliederung) einander unähnlicher Teile bei zunehmender Strukturierung und Diferenzierung“ (Edelmann 1980: 29). Diesem endogenistischen Entwicklungsbegrif zufolge meinte Entwicklung ursprünglich lediglich das Zum-Vorschein-Kommen dessen, was in einem Menschen als eine Art Bauplan bereits angelegt ist. Aus pädagogischer Sicht haben Sie diese Sichtweise unter dem Stichwort Pädagogischer Pessimismus bereits in Kapitel Pädagogik 3 kennengelernt. Mit dem pädagogischen Optimismus hingegen ist innerhalb der Psychologie der exogenistische Entwicklungsbegrif verwandt. Demzufolge ist Entwicklung lediglich auf Lernprozesse zurückzuführen, was den Begrif der Entwicklung selbst überlüssig macht (vgl. Ahnert 2013: 5f.). Diese beiden einseitigen Sichtweisen lassen sich wie in Abbildung 35 als extreme Gegensätze darstellen. Haltbar sind diese Extrempositionen selbstverständlich nicht, weshalb Entwicklung häuig auf das Zusammenspiel von inneren Anlagen und äußeren Umwelteinlüssen zurückgeführt wird. Demzufolge lassen sich endogenistische und exogenistische Positionen als

Deinition

Endogenistischer Entwicklungsbegrif

Exogenistischer Entwicklungsbegrif

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Psychologie

Abb. 35 | Entwicklungsbegriff als Gegensatz

Endpunkte eines Kontinuums ansehen, zwischen denen die Entwicklung eines Menschen zu verorten ist (Abbildung 36).

Abb. 36 | Entwicklungsbegriff als Kontinuum

Eine mögliche Deinition von Entwicklung wäre demnach – wenngleich hier der Schwerpunkt auf der seelischen Entwicklung liegt – die folgende: Seelische Entwicklung ist nicht bloßes Hervortretenlassen angeborener Eigenschaften, aber auch nicht ein bloßes Empfangen äußerer Einwirkungen, sondern das Ergebnis einer Konvergenz innerer Angelegenheiten mit äußeren Entwicklungsbedingungen. (Stern 1914 zitiert nach Edelmann 1980: 29)

Interaktionistische Theorien

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Dass menschliche Entwicklung tatsächlich ein Ergebnis des Zusammenspiels endogener Anlagen und exogener Umwelteinlüsse ist, ist unstrittig. Doch fehlt in der Gleichung Anlage + Umwelt = Entwicklung eine wichtige Variable: Die Person an sich. Seit den 1970er und 1980er Jahren rückt der Mensch als in der MenschUmwelt-Interaktion aktiv handelndes Subjekt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei wird dem Individuum eine dreifache Rolle zugewiesen: 1. Reaktiv – Individuen interpretieren objektive Umweltgegebenheiten unterschiedlich […].

3 Entwicklungspsychologie

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2. Evokativ – Individuen rufen durch ihr Verhalten unterschiedliche Reaktionen in der Umwelt hervor […]. 3. Proaktiv – Individuen treffen Wahlentscheidungen, die ihren Lebensweg nachhaltig beeinflussen […]. (Ahnert 2013: 9) Wurde bislang gezeigt, wie schwierig die Festlegungen auf einen Entwicklungsbegrif ist, so bietet sich eine Zusammenschau unterschiedlicher Deinitionen an: Entwicklung bezieht sich auf relativ überdauernde intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens über die Zeit hinweg.

Deinitionen

(Trautner 1992: nach Lohaus & Vierhaus 2015: 2)

Aus Dollases Deinition von Entwicklungspsychologie lässt sich die folgende, knappe Bestimmung von Entwicklung ableiten: Entwicklung bezeichnet „Veränderungen psychischer Phänomene […] während des menschlichen Lebenslaufes“ (Dollase 1999: 137). Auf Basis dieser Deinitionen lassen sich Veränderungen ausschließen, die nicht zur Entwicklung im psychologischen Sinne zählen: • interindividuelle Veränderungen in der zwischen mehreren Personen bestehenden Beziehung • kurzfristige Veränderungen von Stimmung und Empfinden durch plötzlich auftretende Ereignisse • dauerhafte Veränderungen, die auf plötzlich eintretenden Ereignissen beruhen • körperliche Entwicklungen Ein mehr oder weniger eleganter Ausweg aus dem Irrgarten der Begrifsdeinitionen und Begrifsverständnisse ist der, den nach Trautner viele Autoren einschlagen. Diese verzichten auf eine Deinition des Begrifs Entwicklung gänzlich (Trautner 1992: 41).

Nicht entwicklungsbedingte Veränderungen

Verzicht auf eine Deinition

3.1.2 Entwicklungspsychologie Ausgehend von diesem komplexen, in der Literatur häuig noch deutlich diferenzierter als hier diskutierten Begrif der Entwicklung, kann die Disziplin der Entwicklungspsychologie bestimmt und eingegrenzt werden. Vorwegzuschicken jedoch sind zwei Einschränkung: 339

Psychologie

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Einschränkungen

Deinitionen

1. Es existiert kein einheitlicher, klar abzugrenzender Forschungsgegenstand der Entwicklungspsychologie. 2. Es gibt nicht die eine Entwicklungspsychologie, sondern mehrere Entwicklungspsychologien mit unterschiedlichen Vorgehensweisen (vgl. Trautner 1992: 11). Entwicklungspsychologie ist die Teildisziplin der Psychologie, die sich wissenschaftlich mit den „in einem inneren Zusammenhang stehenden psychischen Veränderungen im Verlauf der individuellen Entwicklung [auseinandersetzt].“ (Nickel 1975: 17)

Sie beschäftigt „sich mit der Beschreibung und Erklärung von Veränderungen psychischer Phänomene sowie deren Beeinflussung während des menschlichen Lebenslaufs.“ (Dollase 2000: 137)

Aspekte der Deintion

Gegenstände der Entwicklungspsychologie

340

Diesen Deinitionen sind drei zentrale Aspekte immanent: 1. Entwicklungspsychologie beschreibt Veränderungen psychischer Variablen. 2. Sie setzt sich mit den zugrunde liegenden Ursachen auseinander. 3. Sie setzt sich mit deren Einflussfaktoren auseinander. Darüber hinaus trägt Entwicklungspsychologie zur Bildung von Theorien und Modellen dieser Veränderungen bei (vgl. Dollase 2000: 137) und bemüht sich, Entwicklungsverläufe vorherzusagen und diese gegebenenfalls gezielt zu verändern (vgl. Schmithüsen 2015: 246). Der Entwicklungspsychologie lassen sich drei primäre Gegenstände zuordnen: 1. intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens – Wie verläuft die Sprachentwicklung eines einzelnen Kindes? 2. interindividuelle Veränderungen bei den intraindividuellen Veränderungen des Erlebens und Verhaltens – Welche individuellen Unterschiede lassen sich bei der Sprachentwicklung mehrerer Kinder feststellen? 3. Einfluss von materieller und sozialer Umgebung auf intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens – Welche Faktoren beeinflussen die individuelle Sprachentwicklung? (vgl. Lohaus & Vierhaus 2015: 3)

3 Entwicklungspsychologie

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Prinzipiell gilt es bei allen entwicklungspsychologischen Erkenntnissen im Hinterkopf zu behalten: • Menschliche Entwicklung verläuft nicht gleichmäßig. • Menschliche Entwicklung verläuft nicht bei jedem Menschen identisch (vgl. Steinebach 2000: 33). Gelegentlich wird Ihnen neben der Entwicklungspsychologie auch der Begrif Entwicklungspädagogik begegnen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich folgendermaßen beschreiben: • Sowohl Entwicklungspsychologie als auch Entwicklungspädagogik gehen von altersgradierten Stadien und Prozessen aus, die von allen Menschen durchlaufen werden. • Während die Entwicklungspsychologie ihr Augenmerk auf prinzipielle Aspekte legt, die unabhängig von sozialer und kultureller Umwelt durchlaufen werden, konzentriert sich die Entwicklungspädagogik auf die spezifischen Umweltbedingungen, um durch pädagogische Maßnahmen die Bewältigung einzelner, im Verlauf der Entwicklung auftretender Aufgaben zu ermöglichen (vgl. Seel & Hanke 2015: 339).

Entwicklungspsychologie vs. Entwicklungspädagogik

Seel und Hanke fassen zusammen: „Entwicklungspsychologie ist deskriptiv [beschreibend], Entwicklungspädagogik ist präskriptiv [vorschreibend]“ (Seel und Hanke 2015: 339).

3.2 Konzepte, Ursachen und Modelle von Entwicklung 3.2.1 Konzepte und Ursachen Im Kontext der Entwicklung bzw. Entwicklungspsychologie werden Ihnen weitere Begrife und Konzepte begegnen, die bemüht werden, um Entwicklung zu erklären. Sinnvoll ist hier, sich vorab einen kurzen Überblick zu verschafen: Der Begrif Reifung wird in der Regel nicht zur Beschreibung psychologischer Veränderungen verwendet, sondern bezieht sich in erster Linie auf körperliche Veränderungen. Reifungsprozesse basieren ausschließlich auf Vorgängen, die aufgrund von Vererbung einsetzen und durch diese gesteuert werden. Dadurch sind exogene Faktoren für Reifungsprozesse nicht relevant (vgl. Trauter 1992: 62). Reifungsprozesse sind universell und betrefen jeden Menschen. Dabei inden keine Lernprozesse statt (vgl. Schmithüsen 2015: 249).

Reifung

341

Psychologie

Wachstum

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Sensible Perioden

Prägung

Krise

Häuig wird der Begrif der Entwicklung mit quantitativen Veränderungen und somit mit Wachstum in Verbindung gebracht. Dabei jedoch gilt es festzuhalten, dass sich nicht alle durch Entwicklung hervorgerufenen Veränderungen als Mengenzuwachs bestimmen lassen (vgl. Steinebach 2000: 30). Sensible Perioden bezeichnen Zeitfenster, innerhalb derer Heranwachsende für bestimmte Erfahrungen und Einlüsse besonders empfänglich sind. In diesen Zeitspannen haben Erfahrungen einen „außerordentlich […] dauerhaften Einluss auf die Anlage der Schaltkreise im Gehirn“ (Aamodt & Wang 2012: 66). Eng verknüpft mit sensiblen Perioden ist das Konzept der Prägung. Dieses geht von Veränderungen im Verhalten eines Menschen aufgrund von Erfahrungen während einer entsprechenden sensiblen Periode aus. Während die sensible Periode den Zeitabschnitt bezeichnet, bezeichnet Prägung somit das entsprechende Verhalten (vgl. Schmithüsen 2015: 249). Der Begrif Krise kann Ihnen mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen begegnen: • So bezeichnet Krise Situationen, „in denen es sich entscheidet, ob ein Prozeß oder eine Entwicklung einen günstigen oder ungünstigen Verlauf nimmt“ (Brandtstädter zitiert in Steinebach 2000: 31). • Daneben kann mit Krise auch das individuelle Erleben einer solchen Situation bezeichnet werden. Begegnen werden Ihnen im Kontext der Entwicklungspsychologie auch die Begrife Erziehung, Lernen, Sozialisation und Enkulturation, doch sind diesen innerhalb dieses Buches bereits eigenständige (Teil-)Kapitel gewidmet.

3.2.2 Phasen- und Stufenmodelle der Entwicklung

Phasenmodelle

342

Entwicklungspsychologie beschäftigt sich mit der Entwicklung des Menschen, wobei sie sich auf den ersten Blick auf die Entwicklung im Kleinkind-, Kindes- und Jugendalter zu konzentrieren scheint. Dass dem nicht zwingend so ist, betonen Schneider und Lindenberger in ihrem auch als Literaturtipp aufgeführten Mammutwerk Entwicklungspsychologie. Menschliche Entwicklung wird häuig mittels Phasenmodellen beschrieben. Diese erklären Entwicklung durch festgelegte Entwicklungsschritte und unterteilen das parallel mit dem Alter ablau-

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3 Entwicklungspsychologie

fende Entwicklungsgeschehen in einzelne Phasen. Sie beschreiben die Besonderheiten der einzelnen Phasen, die in dieser Form weder zu einem früheren noch zu einem späteren Zeitpunkt gegeben sind. Zielsetzung dabei ist es, die Funktion der einzelnen Phasen im Entwicklungsverlauf festzustellen. Ihren Ursprung haben Phasenmodelle der Entwicklung im Modell des Psychologen Karl Bühlers (1879–1963), der unterschiedliche Phasen im Kindesalter unterschied (siehe Abbildung 37). Sein Konzept endet nicht zwangsweise mit der Schulreife, sondern wurde durch andere Entwicklungspsychologen auch auf das Jugend- und Erwachsenenalter ausgedehnt (vgl. Montada et al. 2012: 28).

Abb. 37 | Phasen im Kindesalter

Entwicklungsstufenmodelle gehen im Gegensatz zu Phasenmodellen von einem End- oder Reifestadium aus und betonen die zwingende Abfolge der einzelnen Stufen. Schneider und Lindenberger betonen, dass das Konzept der Entwicklungsstufen mit folgenden Grundannahmen verbunden ist: • Es liegt eine Veränderungsreihe mit mehreren Schritten vor, • die eine Richtung auf einen End- oder Reifezustand aufweist, • der gegenüber dem Ausgangszustand höhenwertig ist. • Die Schritte sind unumkehrbar […]. • Die Stufen sind als qualitative, strukturelle Transformationen im Unterschied zu quantitativem Wachstum beschreibbar.

Entwicklungsstufenmodelle

Grundannahmen bei Entwicklungsstufenmodellen

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Psychologie

• Die früheren Stufen werden als Voraussetzung der jeweils folgenden angesehen. • Die Veränderungen sind mit dem Lebensalter korreliert. • Sie werden als universell in dem Sinn angesehen, dass sie in allen für die Spezies Homo sapiens normalen Entwicklungsumwelten auftreten, insofern natürlich und nicht kulturgebunden sind (Schneider & Lindenberger 2012: 28).

Weiter Entwicklungsbegrif

Betont werden muss an dieser Stelle, dass sowohl Phasen- als auch Stufenmodell von einem engen Entwicklungsbegrif ausgehen. Dennoch wurden diese besonders ausführlich dargestellt, da diese gerade Lehrkräften und somit Nicht-Psychologen einen guten Einblick in die Thematik gewähren. Der weite Entwicklungsbegrif erweitert Phasen- und Stufenmodelle um folgende Elemente: • Ausdehnung auf gesamte Lebensspanne • Erfassung vieler differenzieller Entwicklungen anstelle der allgemeinen Entwicklung • Entwicklung von Sondergruppen (Hochbegabten) • Entwicklung von Störungen • Entwicklung auch als Verlust und Einschränkung (vgl. Schneider & Lindenberger 2012: 31)

3.3 Die Entwicklung menschlichen Denkens Einschränkung

344

Dieses Kapitel einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, dass nicht allein der Bereich der Psychologie, sondern gerade auch ihre Teildisziplin Entwicklungspsychologie so umfangreich ist, dass jede knappe Zusammenfassung Gefahr läuft, Wichtiges auszulassen und Komplexes zu stark zu vereinfachen. Gerade die unterschiedlichen Bereiche der Entwicklung sind hiervon besonders stark betrofen, da Inhalte hier ganze – teilweise mehrbändige – Lehrwerke füllen. Prinzipiell bestehen bei einer Darstellung der Bereiche menschlicher Entwicklung zwei Vorgehensmöglichkeiten: 1. Es kann eine Orientierung an den einzelnen Bereichen stattfinden, sodass beispielsweise zunächst die Sprachentwicklung dargestellt wird, bevor das Augenmerk auf weitere Bereiche der Entwicklung gelenkt wird. 2. Alternativ ist eine Orientierung am Altersverlauf möglich. So könnte zunächst das erste Lebensjahr oder die ersten Lebensjahre zur Darstellung kommen, bevor an späterer Stelle beispielsweise die Phase der Schulreife besprochen wird.

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3 Entwicklungspsychologie

Darüber hinaus erscheint im Rahmen eines Überblicks- und Einführungswerks wie diesem auf den ersten Blick sogar die Lösung sinnvoll, auf jegliche Darstellung konkreter Entwicklung zu verzichten und sich gänzlich auf die Theorien und Hintergründe der Entwicklungspsychologie zu beschränken. Dennoch wird an dieser Stelle die Entscheidung getrofen, zumindest die Entwicklung in einem einzelnen Funktionsbereich knapp darzustellen – wohlwissend, dass dabei zahlreiche Zusammenhänge zu kurz kommen, die Ausführungen nur einen ersten Einstieg in die Thematik bieten können und gerade verglichen mit der universitären Lehrerbildung viele Aspekte zu stark vereinfacht werden. Exemplarisch wird die Entwicklung des Denkens nach Piaget dargestellt – auf die sich häuig in Lehrbüchern indenden Darstellungen der Entwicklung in den Bereichen Sprache, Wahrnehmung, Motorik, Gedächtnis, Motivation oder auch Moral wird verzichtet, um den Rahmen dieses Buches nicht zu sprengen. Die Entwicklung des Denkens vollzieht sich bis deutlich hinein in das Schulalter und ist von daher für Lehrkräfte von ganz zentralem Interesse. Untersucht wurde sie vor allem vom Mitbegründer der kognitiven Entwicklungspsychologie, Jean Piaget. Unter anderem wurde die Entscheidung getrofen, an dieser Stelle auf die von ihm gewonnenen Erkenntnisse einzugehen, da diese einen der Eckpfeiler für die Entwicklung der konstruktivistischen Lerntheorie bildet. Piaget unterscheidet vier Phasen: • Sensomotorisches Stadium – die ersten zwei Lebensjahre • Präoperationales Stadium – zwei bis sieben Jahre • Konkret-operationales Stadium – sieben bis zwölf Jahre • Formal-operationales Stadium – ab zwölf Jahren

Abb. 38 | Phasen der kognitiven

345

Psychologie

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Sensomotorisches Stadium

Präoperationale Stadium

Phase konkreter Operationen 346

In den ersten beiden Lebensjahren kommt es zu einer Modiikation angeborener Relexe, zu einer Ausbildung der motorischen Fähigkeiten und zu deren schrittweiser Verknüpfung mit Sinneswahrnehmungen. Den ersten Schritt machen sogenannte primäre Kreisbewegungen aus, bei denen der Säugling mit den Armen in der Luft herumfuchtelt, ohne dabei gezielt etwas erreichen zu wollen. In einem zweiten Schritt inden sekundäre Kreisbewegungen statt, bei denen er bereits erste Zusammenhänge zwischen den eigenen Bewegungen und deren Auswirkungen realisiert. Nicht möglich ist es dem Säugling dabei jedoch, Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten. Wirklich beabsichtigtes Verhalten lässt sich bei Kindern etwa ab dem achten Lebensmonat feststellen. Ab diesem Zeitpunkt werden zum einen erste Schemata – beispielsweise Sehen => Greifen => Heranziehen – angewendet und die Existenz von Gegenständen auch in deren Abwesenheit erkannt. Piaget spricht vom Begrif des permanenten Gegenstandes. Durch handelndes Erfahren der dinglichen Welt bilden sich weitere Schemata heraus. Das Kind wirkt gezielt auf seine Umwelt ein und erwirbt dabei „Grundlagen für vorstellendes Denken“ (Pracht 2015: 85). Gegen Ende dieses Stadiums kommt es zu einem rasanten Ausbau des Wortschatzes und zum Symbolgebrauch (vgl. Schneider & Lindenberger 2012: 388; Pracht 2015: 84f.). Das darauf folgende präoperationale Stadium dauert nach Piaget bis zum Alter von sieben Jahren. Dabei wird die Entwicklung des Denkens zunächst stark von der Sprachentwicklung beeinlusst, die sich zügig vollzieht. Nach und nach löst das Denken in Worten das Denken in Bildern ab. Neben den Begrif des permanenten Gegenstandes treten nun symbolische Handlungen, bei denen das Experimentieren mit Schemata und das Kombinieren verschiedener Schemata mehr und mehr in der Vorstellung stattinden kann. Dennoch ist das Denken in dieser Phase vor allem von konkreten Erfahrungen abhängig. Den Kindern fehlt in diesem Stadium die Fähigkeit zu logischen Operationen, was Piaget als ‚Denkfehler‘ bezeichnet: Selbst, wenn Kinder beobachten, wie Flüssigkeit von einem breiten Glas A in ein schmales Glas B umgefüllt wird, werden sie die Flüssigkeitsmenge in Glas B als größer einschätzen, da die Flüssigkeit dort höher steht. Sie konzentrieren sich also auf einen Aspekt (Höhe des Flüssigkeitsspiegels). Darüber hinaus erfassen Kinder in diesem Stadium das Konzept der Klassenhierarchisierung und das von Ober- und Unterbegrifen noch nicht (vgl. Schneider & Lindenberger 2012: 388f). Die Phase konkreter Operationen beginnt im Alter von sieben Jahren und somit knapp nach der Einschulung. Dabei löst sich das

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3 Entwicklungspsychologie

Denken des Kindes zunehmend von konkreten Handlungen. Es erwirbt grundlegende Begrife und Konzepte wie Zahl, Zeit und Kausalität und kann einfache logische Operationen durchführen (vgl. Schneider & Lindenberger 2012: 389). Das Kind ist in der Lage zu erkennen, dass eine Menge – beispielsweise an Äpfeln – sich nicht ändert, selbst wenn die Anordnung seiner einzelnen Teile variiert wird. Innerhalb dieser Phase können Kinder mehrere Aspekte einer Situation erfassen und in der Kombination betrachten. Die von einem schmalen in ein breites Glas umgefüllte Flüssigkeitsmenge wird nun besser erfasst. Das Stadium formaler Operationen, das nach Piaget nicht von allen Erwachsenen erreicht wird, beginnt mit zwölf Jahren und ist durch einen Fokuswechsel bestimmt. Im Mittelpunkt des Denkens steht nicht länger allein das, was ist, sondern zusätzlich auch das, was sein könnte. Hypothesen werden aufgestellt und mittels Experimenten überprüft. Schlussfolgerungen werden gezogen und Erkenntnisprozesse selbst zum Gegenstand der Relexion gemacht. Das formal-operationale Denken ist rational, systematisch und abstrakt (vgl. Schneider & Lindenberger 2012: 390).

Phase formaler Operationen

Literaturtipp Galt das Werk von Oerter und Montada Generationen von Studierenden als Bibel der Entwicklungspsychologie, so steht das oizielle Nachfolgewerk von Schneider und Lindenberger dem Original in nichts nach; übersichtlich und strukturiert im Aufbau, detailliert und gut verständlich im Inhalt: Schneider, Wolfgang & Lindenberger, Ulmen (Hrsg.). Entwicklungspsychologie. München und Weinheim.

Zusammenfassung • Entwicklung bezeichnete ursprünglich „einen Vorgang, bei dem sich Erbanlagen weitgehend ohne äußere Umwelteinflüsse entfalten“ (Hobmair et al. 1995: 257). • Der endogenistische Entwicklungsbegriff sieht Entwicklung als das Zum-VorscheinKommen dessen, was in einem Menschen bereits angelegt ist. • Der exogenistische Entwicklungsbegriff sieht Entwicklung auf Lernprozessen basierend. • „Entwicklung bezieht sich auf relativ überdauernde intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens über die Zeit hinweg.“ (Trautner 1992: nach Lohaus & Vierhaus 2015: 2) 347

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Psychologie

• Nicht zur Entwicklung zählen: • interindividuelle Veränderungen in der zwischen mehreren Personen bestehenden Beziehung • kurzfristige Veränderungen von Stimmung und Empfinden • dauerhafte Veränderungen, die auf plötzlich eintretenden Ereignissen beruhen • körperliche Veränderungen • Entwicklungspsychologie ist die Teildisziplin der Psychologie, die sich wissenschaftlich mit den „in einem inneren Zusammenhang stehenden psychischen Veränderungen im Verlauf der individuellen Entwicklung“ (Nickel 1975: 17) auseinandersetzt. Sie beschäftigt „sich mit der Beschreibung und Erklärung von Veränderungen psychischer Phänomene sowie deren Beeinflussung während des menschlichen Lebenslaufs“ (Dollase 2000: 137). • Innerhalb der Entwicklungspsychologie lassen sich drei Gegenstände feststellen: • intraindividuelle Veränderungen des Erlebens und Verhaltens • interindividuellen Unterschiede bei den intraindividuellen Veränderungen • Einfluss von materieller und sozialer Umgebung auf intraindividuelle Veränderungen • Der Entwicklungspsychologie kommt die Aufgabe zu, Entwicklungsverläufe vorherzusagen und diese gegebenenfalls gezielt zu verändern. • Der Begriff Reifung bezieht sich in erster Linie auf körperliche Veränderungen. • Sensible Perioden sind Zeitfenster, innerhalb derer Heranwachsende für bestimmte Erfahrungen und Einflüsse besonders empfänglich sind. • Das Konzept der Prägung geht von Veränderungen im Verhalten eines Menschen aufgrund von Erfahrungen während einer entsprechenden sensiblen Periode aus. • Phasenmodelle erklären Entwicklung durch festgelegte Entwicklungsschritte und unterteilen das parallel mit dem Alter ablaufende Entwicklungsgeschehen in einzelne Phasen. • Entwicklungsstufenmodellen gehen im Gegensatz zu Phasenmodellen von einem End- oder Reifestadium aus und betonen die zwingende Abfolge der einzelnen Stufen. • Der weitere Entwicklungsbegriff erweitert Phasen- und Stufenmodelle um folgende Elemente: • Ausdehnung auf die gesamte Lebensspanne • Erfassung vieler differenzieller Entwicklungen anstelle der allgemeinen Entwicklung • Entwicklung von Sondergruppen (Hochbegabten) • Entwicklung von Störungen • Entwicklung auch als Verlust und Einschränkung • Jean Piaget unterscheidet bei der kognitiven Entwicklung vier Phasen: • Die ersten zwei Lebensjahre werden als Phase der sensumotorischen Intelligenz bezeichnet. Hier kommt es zu einer Ausbildung der motorischen Fähigkeiten und zu deren schrittweiser Verknüpfung mit Sinneswahrnehmungen. 348

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3 Entwicklungspsychologie

• Das präoperationale Stadium dauert bis zum Alter von sieben Jahren. Dabei löst das Denken in Worten das Denken in Bildern ab. Das Denken in dieser Phase ist vor allem von konkreten Erfahrungen abhängig. • Die Phase konkreter Operationen beginnt im Alter von sieben Jahren. Dabei löst sich das Denken des Kindes zunehmend von konkreten Handlungen. Es erwirbt grundlegende Begriffe und Konzepte wie Zahl, Zeit und Kausalität und kann einfache logische Operationen durchführen. • Das Stadium formaler Operationen beginnt mit zwölf Jahren. Das Denken ist rational, systematisch und abstrakt.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Entwicklung: • Erläutern Sie diesen Begriff in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Entwicklung an. • Nennen Sie Veränderungen, die nicht zur Entwicklung im psychologischen Sinne zählen. Begründen Sie dies. 2. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden. In der Entwicklungspsychologie wird zwischen dem endogenistischen und exogenistischen Entwicklungsbegriff unterschieden: • Führen Sie die zentralen Unterschiede dieser Positionen an. • Beziehen Sie beide Positionen auf verwandte Konzepte in der Pädagogik. • Begründen Sie, weshalb beide Positionen nicht haltbar sind. • Führen Sie die dreifache Rolle aus, die der Mensch in interaktionistischen Theorien spielt. 3. Klären Sie den Begriff Entwicklungspsychologie: • Erklären Sie diesen Begriff in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Erläutern Sie, was Trauter mit der Aussage meint, es gebe nicht eine, sondern mehrere Entwicklungspsychologien. • Beschreiben Sie die zentralen Aufgaben der Entwicklungspsychologie. 4. Entwicklungspsychologie setzt sich mit drei Themenbereichen oder Fragestellungen auseinander: • Nennen und erklären Sie diese. • Zeigen Sie konkrete, sich daraus ergebende Fragestellungen auf. 5. Weniger bekannt als die Disziplin der Entwicklungspsychologie ist die Entwicklungspädagogik: • Zeigen Sie Gemeinsamkeiten auf. • Führen Sie Unterschiede an.

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Psychologie

6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Informieren Sie sich über die Begriffe und Konzepte Reifung, Wachstum, sensible Perioden, Prägung und Krise: • Lesen Sie dazu die entsprechenden Stellen in diesem Kapitel nach und informieren Sie sich in weiterführender Literatur. • Stellen Sie sich gegenseitig die Begriffe und Konzepte vor. • Erstellen Sie gemeinsam eine Conceptmap, in der Sie diese Begriffe und Konzepte integrieren und Zusammenhänge darstellen. 7. Oftmals wird menschliche Entwicklung mittels Phasenmodellen beschrieben: • Erläutern Sie, was Phasenmodelle ausmacht. • Nennen Sie die einzelnen Phasen des Modells nach Karl Bühler. • Erläutern Sie die Unterschiede zwischen Entwicklungsstufen- und Phasenmodellen. • Führen Sie die Grundannahmen aus, mit denen Entwicklungsstufenmodelle verbunden sind. 8. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: • Erläutern Sie sich gegenseitig die hinter Entwicklungsphasenmodellen und Entwicklungsstufenmodellen stehenden Konzepte. • Grenzen Sie gemeinsam den weiten Entwicklungsbegriff gegen den Entwicklungsphasenmodellen und Entwicklungsstufenmodellen zugrundeliegenden engen Entwicklungsbegriff ab. 9. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden vier Gruppen A, B, C und D: • Jede der Gruppen A, B, C und D informiert sich gezielt über eines der Stadien der kognitiven Entwicklung nach Piaget (sensumotorisches, präoperationales, konkret-operationales und formal-operationales Stadium). • Jede der Gruppen überlegt sich, was die markanten Merkmale dieses Stadiums sind und wie sie dieses anderen am besten präsentieren können. • Je ein Mitglied der Gruppen A, B, C und D bilden eine neue Gruppe und stellen dort als Experten das erarbeitete Stadium vor.

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4 Lernen 4.1 Begriliches 4.2 Behavioristische Lerntheorie 4.3 Kognitive Lerntheorie 4.4 Lernen am Modell – die sozial-kognitive Lerntheorie 4.5 Konstruktivistische Lerntheorie Als Lehramtsstudierender werden Sie mehr oder weniger zum Experten für Lehr- und Lernprozesse ausgebildet, weshalb Kapitel 4 Lernen zusammen mit den Kapiteln Lernen als aktive Informationsverarbeitung und Selbstgesteuertes Lernen die größte der drei Säulen des Abschnitts Psychologie ausmacht. Dabei macht dieses Unterkapitel den Anfang, indem es… • Ihnen den Begriff Lernen aus psychologischer Sicht näher bringt. • die drei Lerntheorien des Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus vorstellt. • Banduras sozial-kognitive Lerntheorie als Mittler zwischen Behaviorismus und Kognitivismus erläutert.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lernen? • Einigen Sie sich gemeinsam auf eine schlüssige Definition. • Sammeln Sie Situationen, in denen Sie erfolgreiche Lernprozesse besonders eindrucksvoll erlebten. • Tauschen Sie sich über Ihre ganz persönlichen Erfolgsstrategien beim Lernen für Prüfungen aus.

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: Lange Zeit wurde in der Fachliteratur, aber auch in Lehrerzimmern von Schulischen Lernprozessen gesprochen. Mittlerweile findet sich – zumindest in der Literatur – eher der Begriff Schulische Lehr- und Lernprozesse. Welche Gründe für diese Veränderung vermuten Sie? Wie stehen Sie dazu? Diskutieren Sie in der Gruppe. 351

Psychologie

4.1 Begriffliches

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Alltagsbegrif Lernen

Schulisches Begrifsverständnis

Deinitionen

Ist im Alltag die Rede vom Lernen, so ist damit in der Regel der Erwerb von Wissen – beispielsweise von historischen Daten, Personennamen oder biologische Fakten – oder aber der Erwerb von Fertigkeiten – beispielsweise Fahrradfahren oder das Spielen eines Musikinstruments – gemeint. Aus schulischer Sicht ist Lernen der zentrale Grund, weshalb Schule und Unterricht stattinden, weshalb Lehrkräfte zu Experten für das Lernen bzw. für die Initiierung von Lernprozessen ausgebildet und für ihre Tätigkeit angestellt und entlohnt werden. Für Schülerinnen und Schüler, aber auch für viele Lehrkräfte ist Lernen eben nichts anderes als das, was zwischen Wissen und Nicht-Wissen, zwischen Können und Nicht-Können und letztendlich zwischen guten Noten und schlechten Noten liegt. Selbstverständlich sind all diese Überlegungen zum Begrif Lernen nicht grundsätzlich falsch, aus wissenschaftlicher Sicht jedoch unzureichend. Aus Sicht der Psychologie lauten mögliche Deinitionen folgendermaßen: Lernen ist „die Veränderung im Verhalten oder Verhaltenspotenzial eines Organismus in einer bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des Organismus in dieser Situation zurückgeht.“ (Bower & Hilgard 1983: 31)

Lernen ist ein Prozess, „der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrungen aufbaut.“ (Zimbardo & Gerrig 2008: 206)

Lernen bezeichnet: „Alle relativ dauerhaften Veränderungen im Verhaltenspotenzial, die aus Erfahrung resultieren, aber nicht durch Müdigkeit, Reifung, Drogengebrauch, Verletzung oder Krankheit verursacht sind.“ (Lefrancois 2015: 6)

Diese Zusammenschau unterschiedlicher fachwissenschaftlicher Deinitionen weist auf einige zentrale Aspekte hin: 352

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4 Lernen

• Entsprechend dieser Definitionen lassen sich vielleicht nicht Lernprozesse an sich, jedoch die Ergebnisse von Lernprozessen beobachten, wenn diese das Verhalten betreffen. Betreffen sie jedoch lediglich das Verhaltenspotenzial, ohne sich im Verhalten selbst niederzuschlagen, erschließen sie sich dem Außenstehenden nicht. Der Einbezug des Begriffs Verhaltenspotenzial verdeutlicht, dass Lernen auch stattgefunden haben kann, ohne dass sich dies in einer Messung der Leistung widerspiegelt. • Außerdem lässt Lernen sich auf Erfahrungen zurückführen und schließt somit Prozesse und Veränderungen aus, die aufgrund von altersbedingten physiologischen Veränderungen zustandekommen. • Dass Veränderungen des Verhaltens oder der Verhaltensmöglichkeiten relativ stabil sind, schließt des Weiteren Prozesse aus, die sich auf temporäre Erscheinungen wie Motivationsschübe, Müdigkeit oder Rauschzustände zurückführen lassen.

Aspekte des fachwissenschaftlichen Begrifs Lernen

Aus neurobiologischer Sicht deiniert der bekannte Hochschullehrer und Autor (auch) populärwissenschaftlicher Bücher, Manfred Spitzer, Lernen folgendermaßen: Die bleibenden Spuren der flüchtigen Eindrücke von draußen in uns haben einen Namen: Man spricht von Repräsentationen der Außenwelt. Diese Repräsentationen entstehen und ändern sich, und man bezeichnet genau diese Vorgänge als Lernen.

Neurobiologische Deinition Lernen

(Spitzer 2002: 12)

Demzufolge ist Lernen ein Vorgang, der von äußeren Einlüssen angestoßen wird und zu Veränderungen innerhalb des Körpers führt. Da Menschen jedoch kontinuierlich mit äußeren Einlüssen konfrontiert werden, inden derartige Prozesse und somit Lernen ebenfalls kontinuierlich statt. Spitzer bringt dies mit einem seiner wohl bekanntesten Zitate auf den Punkt: Ob wir es wollen oder nicht – wir lernen immer. (Spitzer 2002: 19)

Nachdem Sie sich in Kapitel 1 dieses Buches bereits ausführlich mit dem Begrif Erziehung auseinandergesetzt haben, ist es interessant, wie Erziehung und Lernen sich unterscheiden. Dies bringt der in diesem Buch bereits mehrfach angeführte Herbert Gudjons auf den Punkt: 353

Psychologie

Lernen vs. Erziehung

Lernen ist also  – anders als „Erziehung“  – ein wertneutraler Begriff. Es geht um die Kennzeichnung von Änderungen (nicht wie beim Erziehungsbegriff um Verbesserungen) menschlicher Verhaltensdispositionen, die durch Verarbeitung von Erfahrungen erklärt werden können.

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(Gudjons, Pädagogisches Grundwissen: 220)

Deklaratives Wissen

Prozedurales Wissen

Lerntheorien

Behaviorismus 354

Wurden eingangs bereits die Begrife Wissen und Können angesprochen, so gilt es, diese einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. In der Fachliteratur wird unter anderem unterschieden zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen. Beide Formen von Wissen werden im Langzeitgedächtnis gespeichert. Diese Unterscheidung geht auf den Chemiker und Philosophen Michael Polyani (1891– 1976) zurück: • Deklaratives Wissen ist rational und für den Lernenden zugänglich und verbalisierbar. Dadurch kann er es beschreiben und bewusst strukturieren. Es lässt sich in Büchern, Dokumenten und anderen Formen aufzeichnen. Jeder Einzelne kann sein explizites Wissen bei Bedarf bewusst abrufen. Deklaratives Wissen umfasst das Wissen über Alltags- und Klassifikationsbegriffe. • Prozedurales Wissen hingegen schlummert im Verbogenen und ist nur schwer formalisierbar oder verbalisierbar. Der Lernende kann sein implizites Wissen zwar als Handlungsgrundlage nutzen, verfügt jedoch nicht bewusst darüber. Es setzt sich zusammen aus theoretischen und praktischen Kenntnissen und zeigt sich im konkreten Können. Prozedurales Wissen ist handlungsgebunden und subjektiv (vgl. Escher & Messner 2015: 133). Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Untersuchung von Lernprozessen werden in Lerntheorien zusammengefasst, „deren Ziel es ist, gestützt auf empirische Untersuchungen, Voraussetzungen, Bedingungen und Prozesse des Lernens zu erklären“ (Fritz & Hussy & Tobinski 2014: 224). Für Sie als angehenden Experten für Lehrund Lernprozesse bilden die Lerntheorien demnach die Basis für Ihre tägliche Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. Da Lerntheorien auf den bekannten Erkenntnissen über Lernprozesse basieren, wandeln und entwickeln diese sich im Laufe der Zeit. Im Allgemeinen werden die drei großen Theoriesysteme des Lernens als die Lerntheorien bezeichnet, die Sie bitte nicht in Konkurrenz zueinander sehen: • Grundlage des Behaviorismus ist das Reiz-Reaktions-Modell. An den zwischen Reiz und Reaktion ablaufenden mentalen Prozes-

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4 Lernen

sen ist der Behaviorismus nicht interessiert. An dieser Stelle werden das klassische Konditionieren und das operante Konditionieren dargestellt. • Das zentrale Modell des Kognitivismus ist das der Informationsverarbeitung. Somit interessiert sich der Kognitivismus anders als der Behaviorismus gerade für die zwischen Reiz und Reaktion ablaufenden Prozesse. • Das Lernen am Modell nach Bandura wird als Mittler zwischen Behaviorismus und Kognitivismus beschrieben. • Der Konstruktivismus geht davon aus, dass jeder Wahrnehmungs-, Denk- und Erkenntnisprozess auf der Konstruktion des Beobachtenden beruht.

Kognitivismus

Konstruktivismus

4.2 Behavioristische Lerntheorie Der Behaviorismus ist ein psychologisches Konzept, das sich, wie der Ursprung des Namens behaviour/behavior (Verhalten) bereits vermuten lässt, bei der Beschreibung von Lernprozessen auf das menschliche Verhalten konzentriert. Im Zentrum dieser psychologischen Richtung stehen darüber hinaus die auf den Lernenden einwirkenden Umweltreize. Sowohl menschlichem Verhalten als auch den Umweltreizen ist gemeinsam, dass diese direkt beobachtbar sind. Der Mensch selbst wird als Produkt seiner Umwelt, sein Verhalten als Resultat der Umweltreize gesehen. Von daher bleiben sein Innenleben und interne Prozesse sowie deren Einluss auf das Lernen unbeachtet, weshalb, wie in Abbildung 39, von einer Blackbox gesprochen wird. Aus behavioristischer Sicht werden lediglich objektiv messbare Veränderungen als Ergebnisse erfolgreicher Lernprozesse gewertet (vgl. Gröschke 1992).

Konzept des Behaviorismus

Abb. 39 | Reiz-Reaktions-Schema

Aus behavioristischer Sicht zieht ein Reiz oder ein Stimuli eine Reaktion nach sich, weshalb Lernen als Bildung neuer Reiz-Reaktions-Ket-

S-R-Theorien 355

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Psychologie

Rollen von Schülerinnen, Schülern und Lehrkraft

ten gesehen wird. Reaktionen auf einen Reiz können als positiv oder als negativ bewertet werden. Entsprechend werden diese durch Belohnungen positiv verstärkt oder durch Bestrafung dezimiert. In der Literatur inden Sie deshalb auch die Bezeichnung Reiz-ReaktionsLernen. Da die englischen Begrife für Reiz und Reaktion Stimulus und Response sind, werden behavioristische Lerntheorien häuig auch kurz und knapp als S-R-Theorien bezeichnet. Im Element der Blackbox werden all die beispielsweise motivationalen und kognitiven Prozesse zusammengefasst, die zwar Bestandteil des Lernprozesses sind, die dem Auge des Beobachtenden jedoch verborgen bleiben. Aus schulischer Sicht sind die Rollen interessant, die sich aus behavioristischer Perspektive für Lehrkraft und Lernende ergeben. Die Schülerinnen und Schüler werden dabei als lediglich reagierend beschrieben. Ihre Rolle ist darauf beschränkt, auf einen äußeren Reiz hin aktiv zu werden und zu reagieren. Interessanter und ergiebiger hingegen ist die Rolle der Lehrkraft. Diese ist aus behavioristischer Perspektive die zentrale Figur in Lernprozessen, da ihr die Aufgabe zukommt, gezielt Reize zu setzen und die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler positiv oder negativ zu werten und somit gegebenenfalls zu verstärken oder zu bestrafen. Im konkreten Unterrichtsalltag sind es Lob und Tadel, die dazu führen (sollen), dass ein positiv bewertetes Verhalten häuiger, ein negativ bewertetes Verhalten nicht mehr gezeigt wird. Dass dies nicht immer funktioniert, zeigt die Schwachstelle der behavioristischen Lerntheorie: Der Mensch als aktiv handelndes, bewusst entscheidendes Subjekt bleibt unberücksichtigt. Bekannte Namen, die Ihnen im Rahmen Ihres Studiums begegnen werden, sobald die behavioristische Lerntheorie thematisiert wird, sind Pawlow, Skinner, Thorndike oder auch Watson. Im Folgenden werden die Leistungen der beiden Erstgenannten kurz aufgezeigt.

4.2.1 Klassisches Konditionieren Ursprünge

356

Klassisches Konditionieren bezeichnet ein Lernen, das durch die Verknüpfung unterschiedlicher Reize zustande kommt und geht auf den russischen Mediziner und Physiologen Pawlow (1849– 1936) zurück, dessen folgendes Experiment wohl zu einem der bekanntesten Experimente überhaupt zählt, das sich nicht nur in psychologischen Fachbüchern indet, sondern das sogar Eingang in zahlreiche Schulbücher gefunden hat:

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4 Lernen

Pawlow stellte – eigentlich nebenbei – fest, dass nahezu jeder Reiz (beispielsweise der Anblick eines Plegers oder das Ertönen eines Summers) den Speichelluss eines Laborhundes auslösen konnte, wenn dieser zuvor nur oft genug an die Futtergabe geknüpft wurde (vgl. Lefrancois 2015: 35). Das klassische Konditionieren unterscheidet zunächst zwischen folgenden Elementen: • Spezifische, unkonditionierte Reize (Futtergabe) lösen eine angeborene, unkonditionierte Reaktion (Speichelfluss) aus. • Neutrale Reize (Summer) lösen ursprünglich keine Reaktion aus. • Im Rahmen der Konditionierung findet eine Kopplung von spezifischem Reiz und neutralem Reiz statt. • In Folge dieser Koppelung löst auch der neutrale Reiz allein die angeborene Reaktion aus. Der ehemals neutrale Reiz ist zu einem konditionierten Reiz geworden, die Reaktion zu einer konditionierten Reaktion (vgl. Lefrancois 2015: 35).

Grundlegendes Experiment

Somit meint Klassische Konditionierung, dass zunächst auf unkonditionierte Reize unkonditionierte oder unbedingte Reaktionen erfolgen. Wird nun bei dieser Reiz-Reaktionsabfolge stets ein neutraler Reiz zusätzlich dargeboten, wird dieser fortan auch alleine die Reaktion auslösen. Hierbei handelt es sich nun um eine konditionierte, bedingte Reaktion. Voraussetzung für erfolgreiches klassisches Konditionieren ist die zeitliche Nähe von unkonditioniertem und konditioniertem Reiz. Aus Sicht der Lehrkraft ist die klassische Konditionierung weniger interessant als andere Lerntheorien.

Erklärung Konditionierung

4.2.2 Operantes Konditionieren Relevanter als das klassische Konditionieren ist aus Sicht der Lehrkraft das operante Konditionieren, das Ihnen in der Literatur auch unter folgenden Bezeichnungen begegnen wird: • Lernen am Erfolg, da der Erfolg eines Verhaltens über dessen zukünftige Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmt. • Instrumentelles Lernen, da das Verhalten das Instrument ist, das eine Reaktion hervorruft (vgl. Escher & Messner 2015: 42). Operantes Konditionieren geht auf den Psychologen Burrhus Frederic Skinner (1904–1990), einen der prominentesten Vertreter des Behaviorismus, zurück, der sich im Gegensatz zur klassischen

Synonyme

Ursprung und Konzept 357

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Psychologie

Grundlegendes Experiment

Reizarten

Konditionierung nicht mit dem Verhalten des Menschen als Reaktion auf seine Umwelt, sondern mit dessen willkürlichem Verhalten auseinandersetzt. Anders als bei der klassischen Konditionierung steht bei der operanten Konditionierung nicht die Verknüpfung zweier Reize im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Konsequenz, die auf ein Verhalten folgt. Diese Konsequenz einer Handlung bestimmt darüber, ob diese erneut vollzogen wird oder nicht. Somit beeinlusst operante Konditionierung die Häuigkeit, mit der ein Verhalten gezeigt wird. Skinners bekanntestes Experiment fand unter Einsatz einer Ratte statt, die in einen Käig gesetzt wurde. Zunächst betätigte diese dort nach einiger Zeit aus Zufall mehrmals einen Hebel, woraufhin ihr jedes Mal Futter zugeführt wurde. Nach einer Weile betätigte sie diesen Hebel sofort nachdem sie in den Käig gesetzt wurde, um somit unmittelbar an Futter zu gelangen (vgl. Lefrancois 2015: 99). Grundannahme des operanten Konditionierens ist demnach, dass der Aufbau von Verhaltensweisen auf den Reaktionen der Umwelt beruht. Dies bedeutet demnach, dass ein Verstärker, der auf ein Verhalten folgt, dessen zukünftige Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht. Bei derart operantem Konditionieren werden drei Arten von Reizen unterschieden: 1. Verstärkerreize, die das Auftreten eines Verhaltens positiv beeinflussen 2. Strafreize, die das Auftreten eines Verhaltens negativ beeinflussen 3. neutrale Reize, die das Auftreten eines Verhaltens nicht beeinflussen

Aus der Praxis für die Praxis Im schulischen Kontext werden Grundzüge der operanten Konditionierung (in stark vereinfachter Form) sehr häufig eingesetzt: So erfahren Schülerinnen und Schüler nach einer Handlung, die von der Lehrkraft positiv bewertet wird, Lob, Belohnung oder Zuwendung. Damit soll die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass die konkrete Handlung in Zukunft häufiger gezeigt wird. Wird ein Verhalten von der Lehrkraft negativ bewertet, erfolgt anstelle einer Belohnung eine Bestrafung. Dabei wird die Konfrontation mit einem unangenehmen Reiz als direkte Bestrafung, das Verwehren eines positiven Reizes als indirekte Bestrafung bezeichnet. 358

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4 Lernen

Petermann et al. führen fünf Voraussetzungen für das Funktionieren operanten Konditionierens an: 1. Kontingenz – die Schülerinnen und Schüler müssen die Verstärkung als direkte Konsequenz ihres Verhaltens erkennen 2. Kontiguität  – die Verstärkung muss möglichst zeitnah auf das Verhalten folgen 3. Wiederholung – wird mittels Verstärkung erlerntes Verhalten erneut gezeigt, muss dieses erneut verstärkt werden 4. Reihenfolge – die Verstärkung darf ausschließlich nach dem zu verstärkenden Verhalten erfolgen 5. Folgerichtigkeit – ein erwünschtes Verhalten darf nicht negativ verstärkt werden, ein unerwünschtes Verhalten nicht positiv (vgl. Petermann & Petermann & Winkel 2006: 118)

Voraussetzungen operanten Konditionierens

4.3 Kognitive Lerntheorie Der Kognitivismus ist ein Teilgebiet der Psychologie, bei dem die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen im Vordergrund steht. Anders als behavioristische Lerntheorien setzen sich kognitive Lerntheorien mit dem Innenleben des Menschen und internen Prozessen auseinander. So bringen kognitive Lerntheorien Licht in das Dunkel der behavioristischen Blackbox (siehe auch Abbildungen 40).

Erklärung

Abb. 40 | Erhellung der behavioristischen Blackbox

Im Zentrum kognitiver Lerntheorien stehen Lernprozesse, die den Aufbau und die Modiikation von Wissensrepräsentationen verursachen (vgl. Mayer 1992: 407). Dabei werden Informationen… • im Gedächtnis abgespeichert und bei Bedarf abgerufen. • mit anderen Informationen verknüpft. • mit anderen Informationen verglichen. Dies heißt, im Verlauf von Lernprozessen ist es der Lernende selbst, der Informationen verarbeitet, Hypothesen über Zusammenhänge

Prozesse

Der Mensch als aktives Wesen 359

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Psychologie

aufstellt, überprüft und seine Wahrnehmung vervollständigt. Somit befreit der Kognitivismus den Menschen aus seiner Objektrolle, da er Wahrnehmung nicht als passiven Prozess, sondern als aktive Informationserarbeitung betrachtet. Dem Kognitivismus werden unter anderem das Entwicklungsstufenmodell nach Piaget oder das Regellernen nach Gagń zugeordnet.

4.4 Lernen am Modell – die sozial-kognitive Lerntheorie Lernen am Modell – zwischen Behaviorismus und Kognitivismus

Grundlegendes Experiment

4 Subprozesse Aufmerksamkeitsprozesse

Gedächtnisprozesse

360

Das Lernen am Modell gilt als Mittler zwischen Behaviorismus und Kognitivismus und geht auf den Psychologen Bandura (1925) zurück, der Grundlagen der Konditionierung mit Elementen der kognitiven Theorie verbindet und seine Erkenntnisse anders als Pawlow und Skinner nicht mittels Untersuchungen an Tieren, sondern mittels Humanstudien gewann. Das Lernen am Modell beschreibt, wie sich Lernen durch die Beobachtung und Imitation anderer Personen vollzieht. Dazu ließ Bandura in seinem wohl bekanntesten Experiment vier Gruppen von Vorschulkindern unterschiedliche Erfahrungen machen: • Gruppe A beobachtete einen aggressiven Erwachsenen. • Gruppe B beobachtete einen aggressiven Erwachsenen in einem Film. • Gruppe C beobachtete eine aggressive, als Katze verkleidete Person in einem Film. • Gruppe D fungierte als Kontrollgruppe, die kein aggressives Modell beobachtete. Im Anschluss an ihre Beobachtungen zeigten Gruppen A, B und C fast doppelt so viele aggressive Verhaltensweisen wie Kontrollgruppe D ohne entsprechende Beobachtungen (vgl. Badura 1979). Beobachtungslernen beinhaltet nach Bandura, wie Abbildung 41 zeigt, vier Subprozesse: 1. Aufmerksamkeitsprozesse  – Lernen durch Beobachtung erfordert nicht nur die bloße Beobachtung eines Modells, sondern die Beachtung oder Beobachtung der relevanten Merkmale des Modellverhaltens. 2. Gedächtnisprozesse – Ohne die langfristige Abspeicherung der eigenen Beobachtungen findet kein Lernen am Modell statt, da das Modellverhalten andernfalls in Abwesenheit des Modells nicht reproduziert werden kann.

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4 Lernen

3. Motorische Reproduktionsprozesse  – Lernen am Modell setzt voraus, dass der Lernende über die grundlegenden Teilfertigkeiten verfügt, die zur Ausführung des am Modell beobachteten Verhaltens notwendig sind. 4. Bekräftigungs- und Motivationsprozesse – Am Modell Gelerntes wird dann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeführt werden, wenn dafür positive Anreize existieren. Bekräftigungsprozesse wirken sich jedoch nicht nur auf die Reproduktion des Modellverhaltens aus, sondern auch auf die Aufmerksamkeitsprozesse.

Motorische Reproduktionsprozesse Bekräftigungsund Motivationsprozess

Abb. 41 | Subprozesse des Modell-Lernens

Zentral für die Wirksamkeit des Modelllernens in den Untersuchungen Banduras war die Identiikation der Kinder mit dem Modell und die Tatsache, dass dieses in den Augen des Beobachters einen hohen sozialen Status inne hat. Lernen indet nach Bandura bereits im Verlauf der ersten beiden Prozesse statt. Über die tatsächliche Ausführung des erlernten Verhaltens bestimmen dann kognitive Prozesse: • Selektion der Beobachtungen in der Wahrnehmungsphase • stellvertretende Verstärkung des Modellverhaltens • Antizipieren äußerer Verstärkung des Verhaltens • Selbstverstärkung des Beobachters Demnach darf Lernen nicht als bloße Imitation des Beobachteten gesehen werden, sondern ist vielmehr eine „Person-Situation-Interaktion“ (Weidenmann 1989: 1004).

361

Psychologie

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Aus der Praxis für die Praxis Genau diese Identifikation der Lernenden mit dem Modell und diese vier Aspekte sind es, die Ihnen als Lehrkraft bewusst sein müssen. Bemühen Sie sich, einen pädagogischen Bezug (siehe Kapitel Pädagogik 7) aufzubauen, um von den Schülerinnen und Schülern als Modell anerkannt zu werden und achten Sie darauf … • die Beobachtung Ihrer Schülerinnen und Schüler zu lenken. • beobachtetes Modellverhalten zu verstärken. • das von den Lernenden gezeigte positive Verhalten zu verstärken.

4.5 Konstruktivistische Lerntheorie

Alleinstellungsmerkmal Konstruktivismus

Da der Konstruktivismus bereits angesprochen wurde (siehe Kapitel Schulpädagogik 12), soll er an dieser Stelle vergleichsweise knapp gehalten werden. Sowohl Behaviorismus als auch Kognitivismus haben nach allgemeinen Strukturen und Gesetzmäßigkeiten gesucht, die für Lernprozesse grundlegend sind, und haben dabei dem Lernenden selbst relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Einen gänzlich anderen Weg geht der Konstruktivismus. Er rückt die individuelle Wahrnehmung und Interpretation von Informationen durch den Lernenden und somit ganz individuelle und unverwechselbare Organisationsprozesse in den Mittelpunkt. Aus konstruktivistischer Perspektive wird nicht länger das Wissen an den Menschen herangetragen, sondern vielmehr ist er es, der aus seiner individuellen Wahrnehmung der Umwelt heraus seine Wirklichkeit konstruiert und Wissen aufbaut. Dementsprechend kann Wissen nicht vermittelt, nicht gelehrt werden, denn Lernen geschieht durch den Lernenden selbst, der Wissen konstruiert, reorganisiert und erweitert. Der Psychologe Issing bringt dies auf den Punkt: Das bedeutet, dass [...] Wissen durch Instruktion nicht ‚vermittelt‘ werden kann, sondern vom Lernenden aktiv in seine vorhandenen mentalen Modelle und Wirklichkeitskonstrukte integriert werden muss. (Issing 1995: 198)

Die Professorin für Lehren und Lernen Reinmann-Rothmeier schlussfolgert: 362

4 Lernen

In Lehr- und Lernsituationen bedeutet das, dass konstruktivistische Ansätze nicht das Lösen didaktisch aufbereiteter Probleme, sondern das eigenständige Auffinden und Konstruieren von Problemen sowie den Umgang mit authentischen Situationen in den Vordergrund rücken.

Schlussfolgerungen für Lehr- und Lernprozesse

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(Reinmann-Rothmeier 2003: 36)

Als Lehrkraft verweist der Konstruktivismus Sie auf die Rolle der Moderatorin oder des Moderators, die oder der bei ihren/seinen Schülerinnen und Schülern individuelle Konstruktionsprozesse anregt und unterstützt. Dies geschieht durch die Schafung einer positiven Lernatmosphäre, durch die Bereitstellung von Lerngelegenheiten und somit durch die Bereitstellung einer herausfordernden, authentischen Lernumgebung. Die Schülerinnen und Schüler sind es, die unter konstruktivistischer Sicht im Mittelpunkt stehen. Individuell konstruieren sie auf Basis der dargebotenen Informationen Probleme und lösen diese. Dabei handelt der Lernende zielgerichtet, selbstständig, selbstorganisiert und eigenverantwortlich. Neben der bereits im Rahmen des Kapitels Schulpädagogik stattgefunden Thematisierung existiert ein weiterer Grund, weshalb die Ausführungen zum Konstruktivismus an dieser Stelle bewusst kurz gehalten werden: Die unterschiedlichen Verwendungsweisen dieses Begrifs und seine Vielfalt würde den Rahmen nicht nur dieses (Unter-)Kapitels, sondern dieses Buchs sprengen. In der Psychologie wird neben dem moderaten Konstruktivismus unter anderem zwischen folgenden (Spiel-)Arten des Konstruktivismus unterschieden (vgl. Westmeyer 1999): • Radikaler Konstruktivismus nach von Glasersfeld • Sozialer Konstruktivismus nach Gergen • Individuumbezogener Konstruktivismus nach Kelly

Rolle der Lehrkraft

(Spiel-)Arten des Konstruktivismus

Aus der Praxis für die Praxis Aus schulischer Sicht hat der Konstruktivismus zu der Erkenntnis geführt, dass Unterrichtsprozesse an der Erfahrungswelt der Lernenden anknüpfen müssen und so zu gestalten sind, dass die Schülerinnen und Schülern individuelle Erfahrungen machen und eigenständig Wissen aufbauen. Als angehende Lehrkraft mag für Sie die folgende Darstellung der Prozessmerkmale des Lernens aus Sicht des Moderaten Konstruktivismus besonders interes-

Schulische Schlussfolgerungen

363

Psychologie

sant sein, da diese Rückschlüsse auf eine sinnvolle Gestaltung von Lernprozessen im Unterricht ermöglicht.

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Tabelle 24 | Prozessmerkmale des Lernens aus der Sicht des Moderaten Konstruktivismus (Reinmann-Rothmeier und Mandl 2001)

Prozessmerkmale

Erläuterung

Voraussetzungen

Aktiv

Aktive Beteiligung des Lerners notwendig

Lernmotivation, Bezug zum Interesse

Selbstgesteuert

Verantwortung des Lerners für die Steuerung und Kontrolle des Lernens

Ausmaß abhängig von den Gegebenheiten der Lernsituation

Konstruiert

Aufbau neuer und/oder Veränderung vorhandener kognitiver Strukturen beim Lerner

Vorhandene kognitive Strukturen und damit Kenntnisse und Fähigkeiten

Situiert

Konkretes Lernen nur in inhaltsbezogenen Kontexten möglich

Mindestmaß an Situiertheit der Lernsituation

Sozial

Wirkung von soziokulturellen Einlüssen auf den Lerner und Interaktivität von Lernsituation



Literaturtipp Einen sehr gut verständlichen, an manchen Stellen etwas knappen oder lückenhaften Überblick über das Lernen aus psychologischer Sicht bieten Petermann, Petermann und Winkel: Petermann, Franz & Petermann, Ulrike & Winkel, Sandra. Lernpsychologie. Paderborn. Auch ein Blick in das Werk von Fritz, Hussy und Tobinski lohnt sich, wenn Sie weitere Informationen über schulische Lernprozesse und Einlussfaktoren suchen: Fritz, Annemarie & Hussy, Walter & Tobinski, David. Pädagogische Psychologie. Stuttgart.

Zusammenfassung • Lernen lässt sich definieren als „die Veränderung im Verhalten oder Verhaltenspotenzial eines Organismus in einer bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des Organismus in dieser Situation zurückgeht“ (Bower & Hilgard 1983: 31) oder als den Prozess, „der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrungen aufbaut“ (Zimbardo & Gerrig 2008: 206). 364

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4 Lernen

• Zentrale Aspekte des Begriffs Lernen sind: • Lernprozesse an sich sind nicht beobachtbar. • Ergebnis von Lernprozessen sind Veränderungen des (beobachtbaren) Verhaltens und des (nicht beobachtbaren) Verhaltenspotenzials. • Lernen basiert auf Erfahrungen. • Ergebnisse von Lernprozessen sind relativ stabil. • Lernen ist ein wertneutraler Begriff. • Es wird unterschieden zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen: • Deklaratives Wissen ist rational und für den Lerner zugänglich und verbalisierbar. • Prozedurales Wissen schlummert im Verbogenen und ist nur schwer formalisierbar oder verbalisierbar. • Lerntheorien fassen wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen, um „Voraussetzungen, Bedingungen und Prozesse des Lernens zu erklären“ (Fritz et al. 224). • Im Allgemeinen werden drei Lerntheorien unterschieden: 1. Grundlage des Behaviorismus ist das Reiz-Reaktions-Modell. • Der Behaviorismus konzentriert sich ausschließlich auf Beobachtbares und somit auf menschliches Verhalten und Umweltreize. • Interne Prozesse bleiben unbeachtet. • Er ist mit den Namen Pawlow, Skinner, Thorndike und Watson verknüpft. • Klassisches Konditionieren bezeichnet ein Lernen, das durch die Verknüpfung unterschiedlicher Reize zustande kommt. • Unterschieden wird dabei zwischen folgenden Elementen: • Spezifische Reize lösen eine angeborene Reaktion aus. • Neutrale Reize lösen keine Reaktion aus. • Im Rahmen der Konditionierung findet eine Kopplung beider Reize statt. • Infolgedessen löst auch der ehemals neutrale Reiz die Reaktion aus. • Das operante Konditionieren wird auch als Lernen am Erfolg oder instrumentelles Lernen bezeichnet. • Im Mittelpunkt steht die auf ein Verhalten folgende Konsequenz. Diese bestimmt, ob das Verhalten erneut gezeigt wird oder nicht. • Bei operantem Konditionieren werden drei Arten von Reizen unterschieden: • Verstärkerreize, die das Auftreten eines Verhaltens positiv beeinflussen • Strafreize, die das Auftreten eines Verhaltens negativ beeinflussen • neutrale Reize, die das Auftreten eines Verhaltens nicht beeinflussen 2. Kognitive Lerntheorien setzen sich mit den internen Prozessen auseinander, die beim Lernenden ablaufen. Dieser ist es, der… • Informationen verarbeitet. • Hypothesen über Zusammenhänge aufstellt und überprüft. • seine Wahrnehmung vervollständigt. 3. Das Lernen am Modell (sozial-kognitive Lerntheorie) beschreibt, wie sich Lernen durch die Beobachtung und Imitation anderer Personen vollzieht. 365

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Psychologie

• Diese Theorie gilt als Mittler zwischen behavioristischer und kognitivistischer Lerntheorie. • Beobachtungslernen umfasst vier Subprozesse: • Aufmerksamkeitsprozesse • Gedächtnisprozesse • motorische Reproduktionsprozesse • Bekräftigungs- und Motivationsprozesse 4. Der Konstruktivismus rückt die individuelle Wahrnehmung und Interpretation von Informationen durch den Lernenden in den Mittelpunkt: • Wissen wird demnach nicht an den Menschen herangetragen, sondern durch diesen konstruiert und aufgebaut. • Der moderate Konstruktivismus kennt fünf Prozessmerkmale des Lernens. Dieses ist… • aktiv • selbstgesteuert • konstruktiv • situativ • sozial

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Lernen: • Definieren Sie diesen Begriff in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Nennen Sie zentrale Aspekte des psychologischen Lernbegriffs. 2. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe: Diskutieren Sie die folgende Aussage Manfred Spitzers: „Ob wir es wollen oder nicht – wir lernen immer.“ 3. Unterscheiden Sie die Begriffe Deklaratives und Prozedurales Wissen. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Bestimmen Sie den Begriff Lerntheorien: • Führen Sie dazu eine zitierfähige Definition an. • Diskutieren Sie, welchen Zweck diese verfolgen. • Stellen Sie sich gegenseitig die drei grundlegenden Lerntheorien in Grundzügen vor. 5. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden drei Gruppen A, B und C: • Jede der Gruppen A, B und C informiert sich gezielt über eine der grundlegenden Lerntheorien (behavioristische, kognitive, konstruktivistische Lerntheorie). • Jede der Gruppen überlegt sich, was die zentralen Kennzeichen dieser Lerntheorie sind und wie sie diese anderen am besten präsentieren können. 366

4 Lernen

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6.

7. 8.

9.

10.

• Jede der Gruppen recherchiert weitere Experimente zu der jeweiligen Lerntheorie. • Je ein Mitglied der Gruppen A, B und C bilden eine neue Gruppe und stellen dort als Experten die erarbeitete Lerntheorie vor. Erläutern Sie das Konzept des Behaviorismus: • Erklären Sie, weshalb die behavioristische Lerntheorie auch als S-R-Theorie bezeichnet wird. • Gehen Sie auf die behavioristische Sicht von Lernprozessen ein. • Erstellen Sie eine Zeichnung, die dies unterstützt. • Erläutern Sie den Begriff Blackbox. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: Stellen Sie sich gegenseitig die Konzepte des klassischen und operanten Konditionierens vor. Erläutern Sie das Konzept des Kognitivismus: • Gehen Sie dabei auf die Unterschiede zum Behaviorismus ein. • Nennen und führen Sie die im Zentrum des Kognitivismus stehenden Teilprozesse aus. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Erschließen Sie sich Banduras Lernen am Modell: • Besprechen Sie Banduras bekanntestes Experiment. Welche Rückschlüsse ermöglicht dies? Was überrascht Sie dabei? Welche ähnlichen Experimente sind denkbar, um Banduras Erkenntnisse zu bestätigen? • Sammeln Sie Argumente, weshalb das Lernen am Modell als Mittler zwischen Behaviorismus und Kognitivismus gilt. • Nennen Sie die vier Subprozesse des Beobachtungslernens und besprechen Sie deren Notwendigkeit. • Der Erfolg des Modelllernens hängt von der Identifikation der Kinder mit dem jeweiligen Modell ab. Was bedeutet dies für die Schulpraxis? Diskutieren Sie unter Einbezug pädagogischer (!) Konzepte und Fachtermini. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Erschließen Sie sich das Konzept des Konstruktivismus: • Führen Sie dazu die Unterschiede zu Behaviorismus und Kognitivismus auf. • Erläutern Sie den konstruktivistischen Lernbegriff. • Gehen Sie auf schulpraktische Konsequenzen ein. • Übertragen Sie die Tabelle der Prozessmerkmale des Lernens aus der Sicht des Moderaten Konstruktivismus auf ein Flipchart-Papier und vervollständigen Sie diese:

367

Psychologie Prozessmerkmale

Erläuterung

Schulpraktische Konsequenzen

Aktiv Verantwortung des Lerners für die Steuerung und Kontrolle des Lernens

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Konstruktiv Konkretes Lernen nur in inhaltsbezogenen Kontexten möglich Sozial

11. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden zusammen. Diskutieren Sie die Bedeutung der drei Lerntheorien aus schulischer Sicht.

368

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5 Gehirn und Gedächtnis als Grundlage von Lernprozessen – Lernen als aktive Verarbeitung von Informationen 5.1 Das menschliche Gehirn 5.2 Das menschliche Gedächtnis 5.2.1 Begriliches 5.2.2 Gedächtnisprozesse 5.2.3 Gedächtnismodelle Lernen und Gedächtnis sind nicht allein in der Alltagssprache untrennbar miteinander verbunden. Lern- und Gedächtnisprozesse zählen zu den grundlegenden Leistungen und Fähigkeiten des Menschen, die diesem die Bewältigung seines Lebens erst ermöglichen. Das Gedächtnis ist es, das es dem Menschen ermöglicht, sich an Vergangenes zu erinnern und Beziehungen zwischen zeitlich getrennten Ereignissen herzustellen. Somit ist es erst das Gedächtnis, das den Menschen zu dem macht, was er ist. So wünschen sich nicht nur Schülerinnen und Schüler ein gutes Gedächtnis, sondern gerade im Alltag sind wir jederzeit auf seine Funktion angewiesen und sprechen im negativen Fall davon, dass unser Gedächtnis nachlässt oder uns im Stich lässt. Dieses Kapitel setzt sich auseinander mit… • dem Aufbau des Gehirns. • dessen Funktionsweise. • Gedächtnisprozessen. • Gedächtnismodellen.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Viele Menschen beklagen ihre Vergesslichkeit und wünschen sich ein besseres Gedächtnis: • Diskutieren Sie diese Aussage und sammeln Sie Situationen, in denen Sie persönlich sich ein besseres Gedächtnis wünschen würden. • Überlegen Sie: Woran würden Sie es merken, wenn sich Ihr Gedächtnis schlagartig verbessern würde?

369

Psychologie

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Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden. Diskutieren Sie die folgenden Fragestellungen: Worauf führen Sie es zurück, dass uns in Prüfungen, aber auch in alltäglichen Situationen wie dem Einkauf oder der Begegnung mit neuen Bekannten eigentlich selbstverständliche Dinge wie grundlegende Formeln, der Griff zu Milch und Butter oder weit verbreitete Namen wie Matthias und Susanne entfallen?

5.1 Das menschliche Gehirn Das Gehirn bildet gemeinsam mit dem Rückenmark das Zentralnervensystem und steuert sämtliche Abläufe im menschlichen Körper. Es ist neben Herz und Lunge das Organ, das selbst während des Schlafs aktiv ist. Seine Aufgabe ist es, „Verhaltensweisen hervorzubringen“ (Thompson 2001: 287). Grundlegend beschreibt der Neurobiologe Gerald Hüther die Aufgabe dieses komplexen Gebildes damit, Beziehungen zwischen Körper und Neuronen, zwischen Neuronen selbst und zwischen Menschen herzustellen, aufrechtzuerhalten und zu gestalten (vgl. Hüther & Krens 2007: 100). Enorme Komplexität

Das menschliche Gehirn ist das komplexeste System des Universums (vgl. LeDoux 2004: 112). Es besteht aus etwa einer Billion Nervenzellen, von denen jede mit 1 000 weiteren in Verbindung stehen kann (vgl. Thompson 2001: 1ff.). Die faserigen Verbindungen, über die die Neuronen kommunizieren, würden aneinander gelegt eine Strecke von 500 000 Kilometern ergeben. (Welzer 2002: 7)

Allein diese Aussagen verdeutlichen die Komplexität des menschlichen Gehirns. Die grundsätzliche Struktur dieses komplexen Gebildes ist bereits zum Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle in den Genen festgelegt und bei allen Menschen gleich (vgl. Thompson 2001: 323). Worin jedoch von Mensch zu Mensch Unterschiede bestehen, ist die Feinstruktur, die nicht allein durch Erbfaktoren, sondern auch durch individuelle Erfahrungen festgelegt wird (vgl. Thompson 2001: 356). Ausschlaggebend für die Ausbildung des 370

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5 Gehirn und Gedächtnis

menschlichen Gehirns ist demnach ein Zusammenspiel aus Anlage und Umwelt, aus Erbfaktoren und Milieu (siehe auch Kapitel Pädagogik 3). Wichtige Bestandteile des Gehirns sind die folgenden: • Hirnstamm • Kleinhirn • Großhirn • Großhirnrinde • limbisches System Wenn diese einzelnen Bausteine des Gehirns im Folgenden knapp beschrieben und ihre jeweiligen Verantwortungsbereiche dargelegt werden, geschieht dies in dieser isolierten Form lediglich aus Gründen der Verständlichkeit. Dennoch muss das Gehirn als Gesamtorgan gesehen werden. Es ist „nicht einfach eine Ansammlung spezieller Strukturen, sondern ein riesiges informationsverarbeitendes System“ (Thompson 2001: 26). Der Hirnstamm ist entwicklungsgeschichtlich der älteste Teil des menschlichen Gehirns. Er bildet die Verlängerung des Rückenmarks, regelt die Stufen des Bewusstseins zwischen Schlaf und Wachzustand und kontrolliert Atmung sowie Kreislauf. Außerdem verarbeitet der Hirnstamm eingehende Sinneseindrücke (vgl. Pracht 1996: 60; Schaade 2016: 14f.). Das Kleinhirn steuert die Muskelkoordination bei feinmotorischen Bewegungen und ist verantwortlich für die Erhaltung des Gleichgewichts, die Lageorientierung und für die Automatisierung von Bewegungen (vgl. Pracht 1996: 60; Schaade 2016: 15). Das Großhirn ist der wohl bekannteste Baustein des Gehirns. Es besteht aus der Großhirnrinde und vier so genannten Lappen (Hinterhauptslappen, Scheitellappen, Schläfenlapen und Stirnlappen), die symmetrisch auf den zwei Hälften des Gehirns – man spricht von linker und rechter Hemisphäre  – angeordnet sind. Jede Hemisphäre ist mit der gegenüberliegenden Körperhälfte verbunden. Während die Struktur der beiden Hemisphären identisch ist, gilt dies, wie Tabelle 25 zeigt, nicht für ihre Funktionen. Die Großhirnrinde ist laut Spitzer neben dem Hippokampus der zweite für Gedächtnisleistung und Lernen zentrale Bestandteil des menschlichen Gehirns (vgl. Spitzer 2002: 23). Es handelt sich dabei um die Oberlächenschicht des Großhirns, an der der Großteil der Nervenbahnen ansetzt, die an motorischen Bewegungen und an Empindungen beteiligt sind. Die Großhirnrinde ist unter anderem für das menschliche Denk- und Vorstellungsvermögen sowie

Bestandteile des Gehirns

Hirnstamm

Kleinhirn

Großhirn

Großhirnrinde

371

Psychologie

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Tabelle 25 | Funktionen der einzelnen Hemisphären (nach Solso 2005: 61)

Funktion

Linke Hemisphäre

Gedächtnis

Verbales Gedächtnis

Nonverbales Gedächtnis

Sprachverarbeitung

Sprechen, Lesen, Schreiben, Rechnen

Metrische Prosodie

Visuelles System

Buchstaben, Wörter, surrealistische Kunst

Geometrische Muster, Gesichter, realistische Kunst

Bewegung

Komplexe, willkürliche Bewegungen

Bewegungen mit räumlichen Mustern

Limbisches System

372

Rechte Hemisphäre

für die sprachlichen Fähigkeiten zuständig. Somit ist sie verantwortlich für die höheren kognitiven Fähigkeiten, die den Menschen vom Tier unterscheiden, wird als Sitz des Bewusstseins bezeichnet und „macht den Menschen zu dem, was er ist“ (Thompson 2001: 20). Wenngleich die Großhirnrinde somit eine zentrale Funktion innerhalb des menschlichen Gehirns einnimmt, darf sie nicht als dessen Steuerungszentrale gesehen werden. Denn es ist vor allem das limbische System und somit ein weitaus älterer Teil des Gehirns, der das menschliche Handeln bestimmt. Es setzt sich aus unterschiedlichen Bausteinen zusammen, wobei es sich nicht topographisch deinieren lässt, sondern vielmehr über die bestehenden funktionalen Verbindungen. Interessant ist, dass das limbische System zwar prinzipiell für die primitiven Funktionen des Gehirns zuständig ist, einzelne seiner Bestandteile im Laufe der Evolution jedoch weitere Aufgaben übernommen haben. Dies gilt beispielsweise für den Hippokampus, der heute verantwortlich für Lern- und Gedächtnisvorgänge ist. Er gilt als unabdingbar für menschliches Lernen und ist somit für Sie als angehende Lehrkraft besonders relevant (vgl. Thompson 2001: 19). Mit seiner Hilfe werden Ereignisse verarbeitet und in Form neuronaler Repräsentationen gespeichert. Voraussetzung dafür jedoch ist, dass ein Ereignis als neu und interessant eingeschätzt wird (vgl. Spitzer 2002: 23-34).

5 Gehirn und Gedächtnis

5.2 Das menschliche Gedächtnis

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5.2.1 Begriffliches Wurde eingangs bereits der enge Zusammenhang zwischen Lernen und Gedächtnis angesprochen, so wird dieser in folgender Deinition besonders deutlich: Learning is the process of acquiring new information, while memory refers to the persistence of learning in a state that can be revealed at a later time. (Squire 1987: 3)

Übersetzt: Lernen ist der Prozess des Erlangens neuer Informationen, während Gedächtnis sich auf das Fortbestehen des Lernens in einem Zustand bezieht, der zu einem späteren Zeitpunkt eröfnet werden kann. Alternativ formulieren Thöne-Otto und Markowitsch:

Lernen und Gedächtnis

Lernen stellt die erfahrungsbedingte Modifikation von Verhalten dar und Gedächtnis das Endprodukt eines Lernvorgangs. (Thöne-Otto & Markowitsch 2004: 2)

Bei den Ausführungen zum menschlichen Gehirn wurde dieses in einzelne Bausteine separiert, sodass diese isoliert dargestellt werden konnten. In anatomischen Lehrwerken würden Sie für all diese Bestandteile Abbildungen und genaue Ortsangaben inden. Bei der Darstellung des Gedächtnisses ist dies so nicht möglich, da sich dieses nicht in einer bestimmten Region des Gehirns lokalisieren lässt. Vielmehr scheint es auf mehrere Orte des Gehirns verteilt zu sein und wird eher durch die ihm zugrundeliegenden Prozesse und Funktionen beschrieben. Dies zeigt auch die folgende, sehr aussagekräftige, jedoch auch schwer lernbare Begrifsbestimmung: Unter Gedächtnis verstehen wir die lernabhängige Speicherung ontogenetisch erworbener Informationen, die sich phylogenetischen neuronalen Strukturen selektiv artgemäß einfügt und zu beliebigen Zeitpunkten abgerufen, d.h. für ein situationsangepasstes Verhalten verfügbar gemacht werden kann. Allgemein formuliert handelt es sich um konditionierte Veränderungen der Übertragungseigenschaften im neuronalen ‚Netzwerk‘, wobei unter bestimmten Bedingungen den Systemmodifikationen (En-

Deinition

373

Psychologie

grammen) entsprechende neuromotorische Signale und Verhaltensweisen vollständig oder teilweise reproduziert werden können.

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(Sinz 1979: 19)

Als geradezu klassische Deinition, die ebenfalls den Prozesscharakter des Gedächtnisses in den Mittelpunkt rückt, kann die folgende gelten: Gedächtnis ist „die mentale Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und wieder abzurufen“ (Gerrig & Zimbardo 2008: 232)

Mentale Prozesse

Die drei von Gerrig und Zimbardo angeführten mentalen Prozesse gelten als Hauptfunktionen des Gedächtnisses und sind notwendig, damit Wissen zu einem späteren Zeitpunkt genutzt werden kann: • Informationen aufnehmen (Enkodierung) • Informationen speichern • Informationen abrufen (Dekodierung, Reproduktion)

5.2.2 Gedächtnisprozesse

Enkodierung

Speicherung 374

Deutlich vereinfachend lassen sich die drei Stufen der Informationsverarbeitung folgendermaßen zusammenfassen: Durch Enkodieren gelangen die Information ins Gedächtnis, durch Speicherung werden sie dort so lange aufbewahrt, bis sie benötigt werden, und durch Dekodierung werden sie im Bedarfsfall aus dem Gedächtnis abgerufen. Die drei dabei ablaufenden Prozesse lassen sich folgendermaßen beschreiben: • Der Prozess der Enkodierung wird auch als Enkodieren, Einspeichern, Verschlüsseln, Kodierung und gelegentlich sogar als Lernen bezeichnet. Bei dieser erstmaligen Verarbeitung von Informationen werden die über die Sinne aufgenommenen Informationen transformiert. Es kommt zu einer Art Übersetzung der aufgenommenen Information in einen für das Gehirn verständlichen Code. Mentale „Repräsentationen der Information aus der externen Welt“ (Gerrig & Zimbardo 2008: 235) werden gebildet, um diese speichern zu können. • Die Speicherung wird auch als Retention oder Behalten bezeichnet und meint die nachhaltige, „dauerhafte“ (Horstmann & Dreis-

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5 Gehirn und Gedächtnis

bach 2012: 147) Aufbewahrung der enkodierten Informationen. Dazu sind sowohl kurzfristige wie auch langfristige Veränderungen der Gehirnstrukturen notwendig. • Für den Prozess der Dekodierung finden sich die Synonyme Abruf, Erinnern oder Wiedergabe. Dabei werden die enkodierten Informationen im Gedächtnis wiederaufgefunden. Dies geschieht oftmals innerhalb von Sekundenbruchteilen (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008: 235f.; Schmithüsen 2015: 40).

Dekodierung

Wenngleich die Prozesse Enkodierung, Speicherung und Dekodierung an dieser Stelle isoliert und getrennt voneinander dargestellt werden, so gilt es dennoch zu beachten, dass diese eng miteinander verbunden sind, miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinlussen.

Aus der Praxis für die Praxis Gerade für Lehrkräfte ist das Wissen wichtig, dass das Gedächtnis bei jedem einzelnen der drei Prozesse versagen kann, dass eine Störung des Lernprozesses demnach sowohl auf Fehler beim Einspeichern als auch beim Speichern oder Abrufen zurückgeführt werden kann. Wo das Gedächtnis einer Schülerin oder eines Schülers jedoch versagt, lässt sich im Schulalltag nicht so ohne Weiteres erkennen (vgl. Storck 2003: 56; Horstmann & Dreisbach 2012: 14). Machen Sie sich deshalb die drei der Gedächtnisleistung zugrundeliegenden Prozesse bewusst und vernachlässigen Sie in Ihrem Unterricht keinen. Bieten Sie Ihrer Klasse Hilfestellungen und Techniken für jeden der Prozesse an.

5.2.3 Gedächtnismodelle Setzten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bestrebungen ein, das Konstrukt Gedächtnis wissenschaftlich zu erfassen, so kam es erst in den 1960er Jahren zur Entstehung erster kognitiver Gedächtnismodelle (vgl. Solso 2005: 268). Grund hierfür war die zunehmende Abwendung der psychologischen Gedächtnisforschung vom behavioristischen Ansatz (siehe auch Kapitel Psychologie 4), an dessen Stelle die Betonung kognitiver trat. Infolgedessen kam es zu den unterschiedlichsten Gedächtnismodellen mit unterschiedlichen Ansatzpunkten (siehe Tabelle 26). 375

Psychologie

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Tabelle 26 | Gedächtnismodelle

Autor

Gedächtnisarten

Atkinson und Shifrin (1968)

Kurzeit- und Langzeitgedächtnis

Tulving (1972)

semantisches und episodisches Gedächtnis

Cohen und Squire (1980)

prozedurales und deklaratives Gedächtnis

Graf und Schacter (1985)

verbales und nonverbales Gedächtnis

Im Folgenden wird jeweils ein zeitbezogenes, prozessbezogenes und inhaltsbezogenes Gedächtnismodell vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem zeitbezogenen Mehrspeichermodell.

Mehrspeichermodelle oder zeitbezogene Gedächtnismodelle

Sensorischer Speicher

Kurzzeitspeicher

376

Zeitbezogene Gedächtnismodelle Mehrspeichermodelle stellen die traditionellen kognitiven Gedächtnismodelle dar und sind in Teilen selbst Laien vertraut. Grundannahme dabei ist, dass das Gedächtnis aus mehreren Untersystemen besteht, die unterschiedliche Funktionen innehaben und unterschiedlich arbeiten. Die Psychologen Atkinson und Shifrin (1968) gehen in ihrem Modell davon aus, dass Informationen in den einzelnen Speichern für eine bestimmte Zeit gespeichert werden können, bevor sie entweder an einen weiteren, dauerhafteren Speicher weitergegeben oder vergessen werden. Das mehrfach weiterentwickelte Mehrspeichermodell von Atkinson und Shifrin geht von drei interagierenden Speichern innerhalb des Konstrukts Gedächtnis aus: • Der sensorische Speicher oder das sensorische Gedächtnis kann große Mengen wahrgenommener Informationen für sehr kurze Zeit behalten. Er stellt das „Bindeglied an der Schnittstelle zwischen Wahrnehmung und Gedächtnis“ (Horstmann & Dreisbach 2012: 152) dar. Nach einigen wenigen Millisekunden gehen die Informationen entweder verloren oder werden, wenn ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird, an die zweite Speichereinheit, den Kurzzeitspeicher weitergegeben. • Dem Kurzzeitspeicher kommt die Funktion eines Bindeglieds zwischen sensorischem Gedächtnis und Langzeitgedächtnis zu. Während es deutlich weniger Informationen (etwa sieben +/zwei Informationseinheiten) speichern kann als das sensorische Gedächtnis, werden diese dort für einige Sekunden und somit deutlich länger aufbewahrt. Eine Methode, Informationen länger im Kurzzeitspeicher zu behalten, ist das als ‚rehearsal‘ bezeichnete innere Wiederholen. Dies wird beispielsweise praktiziert, wenn Sie eine eben gehörte Telefonnummer so lange wieder-

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5 Gehirn und Gedächtnis

holen, bis Sie Stift und Papier gefunden oder aber die Nummer gewählt haben. Anschließend gehen die Informationen entweder verloren oder werden an die dritte Speichereinheit, den Langzeitspeicher weitergegeben. • Der Langzeitspeicher oder das Langzeitgedächtnis ist der Ort, an dem Informationen dauerhaft abgespeichert werden können. Das Modell von Atkinson und Shiffrin geht von einer unbegrenzten Speicherkapazität und einer unbegrenzten Behaltensdauer aus. Sind einmal im Langzeitgedächtnis gespeicherte Informationen scheinbar vergessen, ist dies dem Modell entsprechend auf Probleme beim Abrufen zurückzuführen (vgl. Atkinson & Shiffrin 1968; Horstmann & Dreisbach 2012: 152f.).

Langzeitspeicher

Aus der Praxis für die Praxis Gerade beim Kurzzeitgedächtnis weichen Alltagsbegriff und Fachbegriff deutlich voneinander ab. So wird in der Psychologie wirklich nur das dem Kurzzeitspeicher zugerechnet, was sofort abgerufen wird. Im Gegensatz dazu sprechen beispielsweise auch Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler davon, Prüfungswissen im Kurzzeitgedächtnis gespeichert zu haben, wenn dies kurzfristig gelernt und nach mehr oder weniger erfolgreich absolviertem Test wieder vergessen wird.

Inhaltsbezogene Gedächtnismodelle Verschiedene Weiterentwicklungen der Mehrspeichermodelle betonen nicht länger den Zeitfaktor, sondern verstärkt inhaltliche Merkmale. Ein Beispiel eines inhaltsbezogenen Gedächtnismodells ist das Konzept des Arbeitsgedächtnisses, das neben dem Langzeitgedächtnis existiert. Dabei dient das Arbeitsgedächtnis dazu, Informationen temporär zu behalten und zu bearbeiten und ist damit Grundlage für kognitive Prozesse wie Lernen, Argumentieren und Verstehen (vgl. Baddeley 1990). Im Arbeitsgedächtnis steuert eine zentrale Einheit die Aufmerksamkeit, fungiert, wie Abbildung 42 zeigt, als Bindeglied zum Langzeitgedächtnis und steuert mit phonologischer Schleife und visuellräumlichem System auch zwei Subsysteme (vgl. Berti & Schröger 2003). Die phonologische Schleife unterteilt sich in einen phonologischen Speicher und ein artikulatorisches Wiederholungssystem und

Phonologische Schleife 377

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Psychologie

Abb. 42 | Arbeitsgedächtnis (eigene Darstellung in Anlehnung an Baddeley 2003)

Visuell-räumliches Notizbuch

378

dient der Aufrechterhaltung akustischer und verbaler Informationen. Das artikulatorische Wiederholungsystem dient der Wiederholung wahrgenommener Informationen, ohne die eine dauerhafte Speicherung im phonologischen Speicher nicht möglich wäre. Finden diese subvokalen Wiederholungsprozesse nicht statt, sind akustische oder verbale Informationen nach zwei Sekunden vergessen. Relevant für Lehrkräfte ist vor allem die Erkenntnis, dass schriftliche Informationen anders als gesprochene Informationen im phonologischen Dienstleistungssystem zunächst umcodiert werden müssen, um gespeichert werden zu können. Dabei steht das phonologische Subsystem in direkter Interaktion mit dem Langzeitgedächtnis. Die phonologische Schleife ist von besonderer Bedeutung beim Lesenlernen, Sprachverstehen und bei der Aufmerksamkeitssteuerung. Neben dem phonologischen Subsystem existiert das visuellräumliche System, das auch als visuell-räumliches Notizbuch bezeichnet wird. Dieses dient der Aufrechterhaltung aller non-verbalen Informationen und ist für die Verarbeitung und Speicherung mentaler Bilder, der Raumlage oder von Zeichen verantwortlich. Seine Kapazität beträgt durchschnittlich drei bis vier Objekte. Auch

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5 Gehirn und Gedächtnis

das visuell-räumliche System setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: räumlicher Orientierung und visuellem Gedächtnis (vgl. Baddeley 1986). Bei der Weiterentwicklung dieses Konzepts tritt mit dem episodischen Pufer ein weiteres Subsystem neben phonologische Schleife und visuell-räumliches System. Dieser temporäre Speicher steht im Austausch mit dem Langzeitgedächtnis und ermöglicht die Integration von Informationen aus verschiedenen Teilsystemen zu einer integrierten Episode (Baddeley 2003).

Episodischer Pufer

Prozessbezogene Gedächtnismodelle Neben den zeit- und inhaltsbezogenen Gedächtnismodellen existiert ein weiteres Modell zur Beschreibung von Gedächtnisprozessen: das Modell der Verarbeitungstiefe. Dabei wird „eine stufenweise Kodierung und Verarbeitung von Informationen“ (Roth 2015: 43) angenommen: Die Theorie der Verarbeitungstiefe („levels of processing“) verweist darauf, dass es bei größerer Tiefe der Informationsverarbeitung wahrscheinlicher ist, dass die Information im Gedächtnis eingeprägt wird. (Zimbardo 2008: 251)

Diesem Modell entsprechend wird ein aufgenommener Reiz bis zur dauerhaften Speicherung auf verschiedenen Stufen verarbeitet. Diese lassen sich hinsichtlich der stattindenden kognitiven Aktivitäten unterscheiden (vgl. Craik und Lockhart 1972: 675f.).

Abb. 43 | Kontinuum der Verarbeitungstiefe

Dabei wird Verarbeitungstiefe, wie Abbildung 43 zeigt, als Kontinuum mit folgenden zwei Endpunkten verstanden: 1. Den ersten Endpunkt bildet die oberflächliche sensorische Analyse von Reizen hinsichtlich ihrer physikalischen oder sensorischen

Sensorische Analyse 379

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Psychologie

Semantische Elaboration

Verarbeitungstiefen

Charakteristika wie Linien, Winkel, Helligkeit und Lautstärke. Dabei werden neue Informationen nur sehr oberflächlich, nur sehr ‚flach‘ verarbeitet. Sie werden wenig mit bereits vorhandenen Informationen verknüpft, was kaum zu nachhaltigem Behalten führt. 2. Anders der zweite Endpunkt des Kontinuums: die semantische Elaboration. Hier findet eine sehr tiefe Verarbeitung des aufgenommenen Reizes statt. Dabei wird die neue Information mit vielfältigen bereits vorhandenen Informationen verknüpft. So führt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Information zu stärkeren Gedächtnisspuren und erleichtert das Abrufen (vgl. Bredenkamp & Wippich 1977: 96ff.; Craik & Lockhart 1972: 676). Je mehr Aufwand betrieben wird, desto dauerhafter wird die neue Information gespeichert: • Die flache Verarbeitung eines geschriebenen Wortes, beispielsweise die grafische Analyse der Buchstaben (Betrachtung der Form) führt zu einer geringen Behaltensleistung. • Die mittlere Verarbeitung eines geschriebenen Wortes, beispielsweise die phonemische Analyse (Suche eines Reimwortes) führt zu einer mittleren Behaltensleistung. • Die tiefe Verarbeitung eines geschriebenen Wortes, beispielsweise die semantische Analyse (Bilden eines Satzes mit diesem Wort) führt zu einer hohen Behaltensleistung. Die Darstellung der Verarbeitungsprozesse als Kontinuum ist insofern wichtig, als auch bei der semantischen Verarbeitung unterschiedliche Tiefen existieren (vgl. Craik & Tulving 1975).

Literaturtipp Für dieses Kapitel fallen konkrete Literaturtipps sehr schwer – für angehende Lehrkräfte ist es wenig gewinnbringend, sich mit medizinischen Fachbüchern auseinanderzusetzen, um sich detailliert über den Aufbau und die Bestandteile des menschlichen Gehirns zu informieren. Deshalb soll der Schwerpunkt der Empfehlungen auf dem Gedächtnis und Gedächtnisprozessen liegen. Sollten Sie es nicht lassen können oder wollen, sich eingehend mit dem menschlichen Gehirn auseinanderzusetzen, bietet sich die Publikation von Thompson und Held an, da diese tatsächlich sehr anschaulich und gut verständlich geschrieben ist: Thompson, Richard & Held, Andreas. Das Gehirn: Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung. Berlin 380

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Interessante Ausführungen zum Gedächtnis inden Sie in den entsprechenden Kapiteln bei Horstmann & Dreisbach sowie bei Schmithüsen: Horstmann, Gernot & Dreisbach, Gesine. Allgemeine Psychologie 2. KOMPAKT. Weinheim Schmithüsen, Franziska. Lernskript Psychologie. Die Grundlagenfächer kompakt. Berlin Darüber hinaus kann aus Sicht der Praktikerin und des Praktikers – Ihre Universitätsprofessorinnen und -professoren würden vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – ein Blick in das ein oder andere Werk zu Gedächtnistricks und Mnemotechniken nichts schaden, beispielsweise in das folgende: Staub, Gregor. Fitnessstudio fürs Gehirn: Optimales Gedächtnistraining für Privatleben, Schule und Beruf. München

Zusammenfassung • Das Gehirn bildet gemeinsam mit dem Rückenmark das Zentralnervensystem und steuert sämtliche Abläufe im menschlichen Körper. Es ist selbst während des Schlafs aktiv. • Die grundsätzliche Struktur dieses komplexen Gebildes ist bereits zum Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle in den Genen festgelegt und bei allen Menschen gleich. • Worin jedoch von Mensch zu Mensch Unterschiede bestehen, ist die Feinstruktur, die nicht allein durch Erbfaktoren, sondern auch durch individuelle Erfahrungen festgelegt wird (vgl. Thompson 2001: 356). • Wichtige Bestandteile des Gehirns sind die folgenden: • Der Hirnstamm bildet die Verlängerung des Rückenmarks, regelt die Stufen des Bewusstseins zwischen Schlaf und Wachzustand und kontrolliert Atmung sowie Kreislauf. • Das Kleinhirn steuert unter anderem die Muskelkoordination bei feinmotorischen Bewegungen. • Das Großhirn besteht aus Großhirnrinde und Hinterhauptslappen, Scheitellappen, Schläfenlappen und Stirnlappen. • Die Großhirnrinde ist neben dem Hippokampus der zweite für Gedächtnisleistung und Lernen zentrale Bestandteil des menschlichen Gehirns. Die Großhirnrinde ist verantwortlich für die höheren kognitiven Fähigkeiten, die den Menschen vom Tier unterscheiden und wird als „Sitz des Bewusstseins“ bezeichnet. • Das limbische System steuert und bestimmt das menschliche Handeln. Einer seiner Bestandteile, der Hippokampus, ist verantwortlich für Lern- und Gedächtnisvorgänge. • Lernen stellt die erfahrungsbedingte Modifikation von Verhalten dar und Gedächtnis das Endprodukt eines Lernvorgangs (Thöne-Otto und Markowitsch 2004: 2). 381

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Psychologie

• Gedächtnis lässt sich als „die mentale Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und wieder abzurufen“ (Gerrig und Zimbardo 2008: 232) definieren. • Die Hauptfunktionen des Gedächtnisses sind: • Informationen aufnehmen • Informationen speichern • Informationen abrufen • Es werden vor allem drei Arten von Gedächtnismodellen unterschieden: • Zeitbezogene Gedächtnismodelle oder Mehrspeichermodelle gehen von der Grundannahme aus, dass das Gedächtnis aus mehreren Untersystemen besteht, die unterschiedliche Funktionen innehaben und unterschiedlich arbeiten. • Verschiedene Weiterentwicklungen der Mehrspeichermodelle betonen verstärkt inhaltliche Merkmale. Im Konzept des Arbeitsgedächtnisses dient dieses dazu, Informationen temporär zu behalten und zu bearbeiten. • Prozessbezogene Gedächtnismodelle betonen die Verarbeitungstiefe und gehen von einer stufenweisen Kodierung und Verarbeitung von Informationen aus. Ein aufgenommener Reiz wird demnach bis zur dauerhaften Speicherung auf verschiedenen Stufen verarbeitet. Je mehr Speicheraufwand betrieben wird, desto dauerhafter wird die neue Information gespeichert.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Das menschliche Gehirn ist die Grundlage für Gedächtnisprozesse: • Nennen Sie die wichtigsten Bestandteile des menschlichen Gehirns. • Führen Sie deren Funktionen aus. 2. Erklären Sie den Begriff Gedächtnis: • Grenzen Sie dazu die Begriffe Gedächtnis und Lernen gegeneinander ab. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Nennen und erläutern Sie die drei Hauptfunktionen des Gedächtnisses. 3. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden drei Gruppen A, B und C: • Jede der Gruppen A, B und C informiert sich gezielt über eine der Hauptfunktionen des Gedächtnisses (Enkodieren, Speichern, Dekodieren). • Jede der Gruppen überlegt sich, wie der jeweilige Prozess in schulischen Lernprozessen gezielt gefördert und berücksichtigt werden kann. • Je ein Mitglied der Gruppen A, B und C bilden eine neue Gruppe und stellen dort als Experten die erarbeitete Aufgabe vor. 4. Verwenden Sie ein DIN-A4-Papier im Querformat. Noch besser verwenden Sie ein DIN-A3-Papier oder ein Flipchart-Papier: • Übertragen Sie die folgende Mindmap.

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5 Gehirn und Gedächtnis

5.

6.

7.

8.

• Ergänzen Sie diese aus dem Kopf. • Lesen Sie anschließend in diesem Kapitel nach und ergänzen Sie mit einer anderen Farbe wichtige Begriffe und Zusammenhänge. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden drei Gruppen A, B und C: • Jede der Gruppen A, B und C informiert sich gezielt über zeitbezogene, prozessbezogene und inhaltsbezogene Gedächtnismodelle. • Jede der Gruppen überlegt sich, was die jeweiligen Modelle auszeichnet und stellt diese auf einem Flipchart-Papier graphisch dar. • Je ein Mitglied der Gruppen A, B und C bilden eine neue Gruppe und stellen dort als Experten das erarbeitete Modell vor. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Erläutern Sie das Mehrspeichermodellen zugrundeliegende Konzept. • Informieren Sie sich im Internet über die Arbeit der Psychologen Atkinson und Shiffrin. • Grenzen Sie sensorischen Speicher, Kurzzeitspeicher und Langzeitspeicher gegeneinander ab. • Diskutieren Sie gemeinsam Folgerungen für die Gestaltung schulischer Lehrund Lernprozesse, die sich aus dem Konzept des Mehrspeichermodells ergeben. Erklären Sie das inhaltsbezogenen Gedächtnismodellen zugrundliegende Konzept: • Erläutern Sie dazu das Konzept des Arbeitsgedächtnisses. • Grenzen Sie phonologische Schleife und visuell-räumliches System gegeneinander ab. • Erläutern Sie Aufgabe und Funktion des episodischen Puffers. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Prozessbezogene Gedächtnismodelle gehen von unterschiedlicher Verarbeitungstiefe von Informationen aus: • Unterscheiden Sie zwischen sensorischer Analyse und semantischer Elaboration. • Grenzen Sie flache, mittlere und tiefe Verarbeitung voneinander ab und finden Sie schulpraktische Beispiele. • Leiten Sie daraus gemeinsam Konsequenzen für die Gestaltung schulischer Lehr- und Lernprozesse ab. 383

6 Selbstgesteuertes Lernen 6.1 Begriliches 6.2 Selbstgesteuertes Lernen als Zielsetzung von Lernprozessen 6.3 Selbstgesteuertes Lernen lernen und lehren Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.214.78 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 29.09.2019 um 15:20 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.

Der Begrif des selbstgesteuerten Lernens – in der englischsprachigen Literatur als self-directed learning bezeichnet – wird bereits seit den 1990er Jahren diskutiert. Dennoch ist er aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen gerade heute sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch in der konkreten Unterrichtspraxis aktueller denn je: • Das rasante Tempo gesellschaftlicher Veränderungen und technischen Fortschritts erfordert von jedem Einzelnen die Fähigkeit des lebenslangen Lernens, bei dem er nicht auf die Anweisungen und Hilfe anderer angewiesen ist. • Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien haben das Potenzial, selbstgesteuertes Lernen in vielen Bereichen und auf vielen Wegen besonders effektiv zu ermöglichen. • Psychologische und didaktische Entwicklungen haben zu einem Perspektivenwechsel geführt, in dessen Verlauf der Lernende als aktives, konstruktives Subjekt und somit dessen individuelle Rolle im Lernprozess in den Fokus rückt. • Darüber hinaus legen unterschiedliche internationale Vergleichsstudien die Vermutung nahe, dass deutsche Schülerinnen und Schüler neben Faktenwissen zu wenig lernen, wie dieses angewandt und auf neue Probleme übertragen wird (vgl. Moschner 2003). Angesichts dieser Entwicklung kann selbstgesteuertes Lernen als Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts bezeichnet werden. In diesem Kapitel erfahren Sie, … • was unter dem Begriff Selbstgesteuertes Lernen zu verstehen ist. • dass selbstgesteuertes Lernen nicht allein Werkzeug in, sondern auch Zielsetzung von Lernprozessen ist. • wie Sie selbstgesteuertes Lernen bei Ihren Schülerinnen und Schülern schulen.

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6 Selbstgesteuertes Lernen

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Reflexionsaufgaben Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Was verstehen Sie unter selbstgesteuertem Lernen? Versuchen Sie sich an einer Begriffsdefinition, ohne im Kapitel nachzulesen. • Was haben Sie in Ihrem bisherigen Leben selbstgesteuert gelernt? • Wie sind Sie dabei vorgegangen?

6.1 Begriffliches Wurde einleitend bereits ausgeführt, dass der Begrif des selbstgesteuerten Lernens schon über mehrere Jahrzehnte diskutiert wird, so gilt es festzuhalten, dass sich in dieser Zeitspanne zwei deinitorische Probleme ergeben haben: 1. So hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe entwickelt, die teilweise synonym, teilweise in ähnlicher Bedeutung verwendet werden: autodidaktisches Lernen, autonomes Lernen, selbstbestimmtes Lernen, selbstorganisiertes Lernen. 2. Darüber hinaus wird der Begriff Selbstgesteuertes Lernen nicht immer mit derselben Bedeutung gebraucht.

Deinitorische Probleme

Der Begrif Selbstgesteuertes Lernen ist „weder präzise wissenschaftlich deiniert noch wird er in der Alltagssprache einheitlich gebraucht“ (Noß & Achtenhagen 2000: 235). Die Ursprünge der Begrilichkeit des selbstgesteuerten Lernens lassen sich auf das englische self-directed learning zurückführen, das folgendermaßen deiniert wird: In its broadest meaning, ‚self-directed learning‘ describes a process in which individuals take the initiative, with or without help of others, in diagnosing their learning needs, formulating learning goals, identifying human and material resources for learning, choosing and implementing appropriate learning strategies, and evaluating learning outcomes.

Self-directed learning als Ursprung

(Knowles 1975 zitiert nach Siebert 2001: 25)

Bereits dieser erste Ansatz weist auf die Komplexität selbstgesteuerten Lernens und die damit einhergehenden, hohen Anforderungen an den Lernenden hin. Dies zeigt sich auch in Begrifsdeinitionen aus dem deutschsprachigen Raum: 385

Psychologie

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Deinitionen

Selbstgesteuertes Lernen wird [...] als Prozess definiert, in dem Individuen die Initiative ergreifen, um mit oder ohne Hilfe anderer ihre Lernbedürfnisse zu diagnostizieren, ihre Lernziele zu formulieren, menschliche und materielle Ressourcen des Lernens zu ermitteln, angemessene Lernstrategien auszuwählen und umzusetzen und ihre Lernergebnisse zu evaluieren. (Konrad 1996: 49)

Selbstgesteuertes Lernen steht in engem Zusammenhang mit offenem Unterricht und ist eine Idealvorstellung, die verstärkte Selbstbestimmung der Lernziele, der Zeit, des Ortes, der Lerninhalte, der Lernmethoden und Lernpartner sowie vermehrter Selbstbewertung des Lernerfolgs beinhaltet. (Deitering 1996: 18)

Bei selbstgesteuertem Lernen ist es der Lernende, der „die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann.“ (Weinert 1982: 102)

Selbstgesteuertes Lernen zeichnet sich durch ein dynamisches Zusammenwirken von Wollen, Wissen und Können aus; es impliziert, dass der Lernende über gut organisierte Wissensbestände verfügt und bereit und fähig ist, sein Lernen eigenständig und eigenverantwortlich zu planen, zu organisieren, umzusetzen, zu kontrollieren und zu bewerten, sei es in Lerngruppen, in Lernpartnerschaften oder als Einzelner. (Straka et al. 1996: 78)

Bereiche der Selbststeuerung

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Die Selbststeuerung des Lernenden zeigt sich demnach in vielen unterschiedlichen Bereichen. Er ist es, der… • die Notwendigkeit erkennt, Neues zu lernen. • Lerninhalte und Lernziele festlegt. • zur Verfügung stehende Lernpartner und Lernmittel feststellt und gezielt auswählt. • passende Lernstrategien auswählt und einsetzt. • den Lernprozess überwacht und kontrolliert. • diesen abschließend bewertet.

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6 Selbstgesteuertes Lernen

Häuig werden die Begrife Selbstgesteuertes und Autonomes Lernen synonym verwendet. Dies ist insofern nicht korrekt, als selbstgesteuertes Lernen zwar autonomes Lernen sein kann, dies jedoch nicht zwingend sein muss. Die ausgeprägte Selbststeuerung im Rahmen selbstgesteuerter Lernprozesse, die sich in den Entscheidungen des Lernenden über beispielsweise Lerninhalte, Ziele und Strategien äußert, bedeutet nicht, dass keinerlei Fremdsteuerung stattindet (vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl 1995: 65). Vielmehr ist die gezielte Förderung und Unterstützung von Lernprozessen durch eine Lehrkraft in vielen Situationen unverzichtbar. Der bewusste Zugrif auf das Wissen und die Kompetenz einer Lehrkraft durch den Lernenden ist Bestandteil selbstgesteuerten Lernens. Selbstgesteuertes Lernen kann autonom erfolgen, meint aber vor allem auch Lernprozesse in Schulen, an Universitäten und in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Hier liegt der Unterschied zum autonomen Lernen, von dem nur dann die Rede sein kann, wenn der Lernprozess tatsächlich autonom, das heißt, unabhängig von einer Lehrkraft oder einer Bildungseinrichtung, stattindet. Noch häuiger als autonomes Lernen wird selbstgesteuertes Lernen mit selbstreguliertem Lernen gleichgesetzt. Hier sind die Unterschiede jedoch zum einen äußerst gering und zum anderen für Sie als Lehrkraft kaum von Bedeutung: „Aus unterrichtspraktischer Sicht können die Unterschiede als gering eingestuft werden“ (Levin & Arnold 2006: 206). Wichtig und begrifsbestimmend hingegen ist es, selbstgesteuertes Lernen eindeutig von fremdgesteuertem Lernen abzugrenzen. Diese Abgrenzung gelingt durch eine Unterscheidung der Folgen fremdgesteuerten und selbstgesteuerten Lernens (vgl. Tabelle 27).

Abgrenzung selbstgesteuertes Lernen – autonomes Lernen

Tabelle 27 | Folgen fremdgesteuerten und selbstgesteuerten Lernens nach Gordon 2001: 22

fremdgesteuertes Lernen

selbstgesteuertes Lernen

Abhängigkeit

Unabhängigkeit

Unreife

Reife

Infantilität

Entwicklung

Fehlende Verantwortungsübernahme

Verantwortungsbewusstsein

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Psychologie

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Aus der Praxis für die Praxis Darüber hinaus ist bei einer Unterscheidung von fremd- und selbstbestimmtem Lernen die Rolle der Lehrkraft relevant. Diese verhält sich im Rahmen selbstgesteuerter Lernprozesse nicht wie häufig behauptet – auch und vor allem in Lehrerzimmern – passiv. Vielmehr schlüpft die Lehrkraft in die Rolle des Lernhelfers und Lernorganisators, der Lernprozesse anregt: „Offene Lernsituationen brauchen keine passiven Lehrerinnen und Lehrer, sondern aktive, forschende, reflexive, neugierige Lehrerinnen und Lehrer, die es verstehen, Kinder herauszufordern und anzuregen“ (Lipowsky 2002: 156).

6.2 Selbstgesteuertes Lernen als Zielsetzung von Lernprozessen Selbstgesteuertes Lernen als Methode und Ziel

Durch fremdgesteuertes Lernen zu selbstgesteuertem Lernen

Wurden eingangs gesellschaftliche Entwicklungen skizziert, die lebenslanges Lernen und somit selbstgesteuertes Lernen zu einer Notwendigkeit machen, so zeigen die hohe Komplexität und die mit selbstgesteuertem Lernen einhergehenden Anforderungen an den Lernenden, dass selbstgesteuertes Lernen nicht einfach nur zum Wissenserwerb eingesetzt werden kann, sondern vorab gezielt erlernt werden muss. Selbstgesteuertes Lernen ist demnach nicht nur Methode, sondern darüber hinaus auch Voraussetzung und Ziel (vgl. Weinert 1982). Einsiedler spricht deshalb von „Unterricht als Kontinuum von Lehr-Lern-Situationen zwischen Fremd- und Selbststeuerung“ (Einsiedler 1978: 201). Das Erlernen des selbstgesteuerten Lernens muss demnach anfangs fremdgesteuert geschehen. So ist es in der Grundschule notwendig, dass Schülerinnen und Schüler einerseits in lehrergesteuerten Lehr- und Lernsituationen lernen und andererseits die Möglichkeit erhalten, sich zu selbstgesteuerten Lernenden zu entwickeln. Die Notwendigkeit, selbstgesteuertes Lernen in der Schule gezielt zu fördern, betont auch die Kultusministerkonferenz: Damit das Konzept des selbstgesteuerten lebenslangen Lernens seine positiven Wirkungen voll entfalten kann, erscheinen u.a. folgende Rahmenbedingungen und flankierende Maßnahmen erforderlich: Entwicklung neuer Lehr- und Lernkulturen schon im Pflichtschulbereich […]. (KMK 2000: 6)

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6 Selbstgesteuertes Lernen

Selbstgesteuertes Lernen kann gefördert werden durch Unterrichtssituationen, in denen die Schülerinnen und Schüler sich nicht engen Vorgaben und absoluter Lehrerlenkung ausgesetzt sehen, sondern in denen sie die Freiheit haben, über einzelne Aspekte des Lernprozesses selbst zu entscheiden. Dazu bieten sich Unterrichtsmethoden an, die den Lernenden Freiräume für eigene Entscheidungen einräumen  – unter anderem die folgenden, aus der Schulpädagogik bekannten: • Lernen an Stationen • Wochenplanarbeit • Projektmethode • Freiarbeit

Möglichkeiten der unterrichtlichen Förderung

Aus der Praxis für die Praxis Selbstgesteuertes Lernen will gelernt sein – dies ist ein Prozess, der sich über nahezu die gesamte Schullaufbahn hinzieht und das Zusammenwirken möglichst vieler Lehrkräfte erfordert. Sehen Sie selbstgesteuertes Lernen als ein Ideal an, dem sich die Schülerinnen und Schüler im Verlauf ihrer Schulzeit kontinuierlich annähern. Sie können diesen Annäherungsprozess unterstützen, indem Sie den Lernenden Freiräume geben, wie dies beispielsweise im offenen Unterricht üblich ist (vgl. Kapitel Schulpädagogik 12.3). Außerdem ist es für eine Förderung des selbstgesteuerten Lernens zwingend notwendig, dass Sie einen partnerschaftlich-demokratischen Erziehungsstil pflegen. Selbstgesteuertes Lernen erfordert eine veränderte Rolle der Lehrkraft. Verlassen Sie die Rolle des Wissensvermittlers und werden Sie zum Initiator von Lernprozessen.

6.3 Selbstgesteuertes Lernen lernen und lehren 6.3.1 Lernstrategien – Grundlage selbstgesteuerten Lernens Vor dem Hintergrund des selbstgesteuerten Lernens als Zielsetzung gilt es aus Sicht der Lehrkraft zu hinterfragen, welche Eigenschaften und Kompetenzen der erfolgreich selbstgesteuert Lernende aufweist, um diese gezielt bei den eigenen Schülerinnen und Schülern fördern zu können. Kommt im traditionellen Unterricht 389

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Psychologie

Aufgaben des selbstgesteuert Lernenden

Lernstrategien als Voraussetzung

Deinition

der Lehrkraft eine zentrale Rolle zu, so können aus deren Aufgaben die Anforderungen an den Lernenden im selbstgesteuerten Lernen abgeleitet werden. Hier ist es nicht mehr die Lehrkraft, sondern die Lernenden selbst, die … • das Lernen vorbereiten. • erforderliche Lernschritte ausführen. • Lernprozesse überwachen und kontrollieren. • sich Rückmeldung geben und diese auswerten. • sich motivieren können müssen (vgl. Simons 1992: 254) Einigkeit besteht in der Literatur dahingehend, dass die „aktive Steuerung des Lernprozesses […] erst über den Einsatz von Lernstrategien erreicht werden“ (Killus 2009: 132) kann. Somit ist das Erlernen von Lernstrategien Voraussetzung für selbstgesteuertes Lernen. Nachdem Strategien einen genauen Plan bezeichnen, mit dem ein Ziel erreicht oder verwirklicht werden soll, können Lernstrategien als „Lernhandlungen und Vorgehensweisen, die Lernende bewusst oder weniger bewusst einsetzen, um ein Lernziel zu erreichen“ (Escher & Messner 2015: 233) deiniert werden. Eine weitere Deinition lautet: Lernstrategien sind „Aktivitäten, die Lernende einsetzen, um die eigentlichen Ziele des Lernens – das Verstehen, Behalten, Abrufen und Anwenden von Wissen oder den Erwerb von Fertigkeiten – zu erreichen“ (Steiner 2006: 106)

Diese Deinition weist sehr schön auf den doppelten Charakter von Lernstrategien im Kontext schulischen Lernens hin (siehe Abbildung 44).

Abb. 44 | Doppelter Charakter von Lernstrategien

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6 Selbstgesteuertes Lernen

1. Einerseits sind Lernstrategien nicht Ziel des eigentlichen Lernens. Vielmehr handelt es sich dabei um Werkzeuge, mit denen Wissen angeeignet und Fertigkeiten erlernt werden. 2. Andererseits müssen diese Fähigkeiten und ihr Einsatz selbstverständlich erlernt werden, wodurch sie doch wieder zu Lernzielen des Unterrichts werden. Unterschieden werden können folgende Lernstrategien:

Doppelter Charakter der Lernstrategien

Abb. 45 | Lernstrategien

• Strategien der Informationsverarbeitung und des Wissenserwerbs dienen dem Verstehen und Strukturieren von Begriffen und Zusammenhängen. • Ziel von Gedächtnisstrategien ist das Abspeichern und langfristige Behalten von Informationen. • Mit Hilfe von Problemlösestrategien werden komplexe Aufgaben bearbeitet. • Übungs- und Trainingsstrategien werden beispielsweise im Sportunterricht eingesetzt, um Fertigkeiten zu erlernen.

Informationsverarbeitung GedächtnisstrategienProblemlösestrategien Übungs- und Trainingsstrategien

Letztgenannte Übungs- und Trainingsstrategien werden lediglich dann zu den Lernstrategien gezählt, wenn dieser Begrif im weiteren Sinn verwendet wird (vgl. Escher & Messner 2015: 233). Neben dieser Einteilung sind weitere Klassiizierungen üblich: Spezifische Lernstrategien vs. Allgemeine Lernstrategien • Zu den spezifischen Lernstrategien zählen Strategien, die nur auf bestimmte Lernaufgaben und nur in bestimmten Lernsituationen angewendet werden können. • Allgemeine Lernstrategien hingegen können in unterschiedlichen Kontexten angewendet werden (vgl. Klauer 1988: 351ff.). 391

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Psychologie

Beobachtbare Lernstrategien vs. nicht direkt beobachtbare Lernstrategien • Beobachtbare Lernstrategien werden auch als Lern- oder Arbeitstechniken bezeichnet. Hierbei handelt es sich um bestimmte Vorgehensweisen – beispielsweise konkrete Lesestrategien – die für bestimmte Lernaufgaben empfohlen werden. • Als Beispiele für nicht beobachtbare Lernstrategien hingegen führen Escher und Messner unter Verweis auf Büchel „vergleichen, kategorisieren, schlussfolgern“ (Escher & Messner 2015: 235) an. Lernstrategien vs. Lerntechniken

Bitte beachten Sie, dass auch hier wie so häuig unterschiedliche Begrifsvorstellungen existieren. So unterscheidet beispielsweise Woolfolk dezidiert zwischen Lernstrategien und Lerntechniken: • „Lernstrategien sind Vorstellungen davon, wie ein Lernziel am besten zu erreichen ist, eine Art Generalplan, wie man das Ziel angeht“ (Woolfolk 2008: 379). • „Lerntechniken sind die spezifischen Mittel, die in den Generalplan eingehen“ (Woolfolk 2008: 379).

4 Kategorien Lernstrategien

Hinsichtlich der Systematik von Lernstrategien existieren unterschiedliche Ansätze. Eine ausführliche, sehr praxisnahe Darstellung inden Sie bei Mandl und Friedrich (2006). In ihrem Handbuch unterscheiden Sie für die Praktikerin und den Praktiker gut verständlich zwischen vier Kategorien spezieller Lernstrategien: 1. Kognitive Lernstrategien wie Elaborations-, Organisations- und Wissensnutzungsstrategien dienen dem Aufnehmen, Verarbeiten, Speichern und Abrufen sowie dem Nutzen von neuen Informationen in neuen Situationen ebenso wie der situations- und aufgabenangemessenen Steuerung dieser Prozesse. 2. Motivations- und Emotionsstrategien dienen der Aktivierung kognitiver Lernstrategien. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen individueller motivationalen Orientierung des Lernenden wie Motivation, Interessen und Zielen sowie der Gestaltung der Lernumgebung. 3. Strategien für das kooperative Lernen tragen der Tatsache Rechnung, dass Lernen häufig in Zusammenarbeit und im Austausch mit anderen stattfindet. Sie wirken sich sowohl auf Kognition als auch auf Motivation aus. 4. Unter dem Stichwort Nutzung von Ressourcen führen Mandl und Friedrich das Nutzen von Zetteln, Computern und weiteren Hilfsmitteln ebenso an wie die eigenständige Wahl und Gestaltung des Lernortes und die Gestaltung von Zeitplänen (vgl. Mandl & Friedrich 2006: 1-9).

1. Kognitive Lernstrategien

2. Motivationsund Emotionsstrategien 3. Kooperative Lernstrategien

4. Strategien der Ressourcennutzung

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6 Selbstgesteuertes Lernen

Abb. 46 | Lernstrategien

Daneben wird in der Literatur zwischen kognitiven Strategien, metakognitiven Strategien und Strategien des Ressourcenmanagements unterscheiden (vgl. Weinstein & Mayer 1986 nach Wild 2010: 482f). Im Folgenden wird dieses Modell in Anlehnung an Escher und Messner (2015) jedoch mit dem Bereich des metakognitiven Wissens um ein viertes Element erweitert (siehe Abbildung 47).

Abb. 47 | Lernstrategien, erweitert

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Psychologie

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6.3.2 Metakognitive Kontrollstrategien Metakognitive Kontrollstrategien (Escher & Messner 2015: 244) oder metakognitive Strategien (Weinstein & Mayer 1986 nach Wild 2010: 482f.) bezeichnen Strategien, die der Steuerung des Lernens dienen. Dabei denkt der Lernende bewusst über einzelne Elemente des eigenen Lernprozesses nach. Gegenstand der Metakognition sind: • eigene Lernbereitschaft • selbstgesetzte Ziele • Verstehen • Vorgehensweise • eigenes Wissen • das Lernen selbst (vgl. Escher & Messner 2015: 244)

Metakognitive Kontrollstrategien auf 3 Ebenen

Metakognitive Kontrollstrategien sind die Grundlage jeglicher Regulation des eigenen Lernprozesses und lassen sich prinzipiell auf drei Ebenen verorten: 1. Metakognitive Kontrollstrategien zur Planung von Lernzielen und Lernprozess: Dabei sind Anforderungen und Rahmenbedingungen zu analysieren, Teilziele festzulegen, Inhalte vorzustrukturieren sowie aufzuteilen und die einzusetzenden Lernstrategien vorzubereiten. 2. Metakognitive Kontrollstrategien zur Überwachung der Lernfortschritte und des Lernprozesses: Dabei sind die eigene Aufmerksamkeit oder das Verstehen des Lerninhalts Ziel des Denkens. 3. Metakognitive Kontrollstrategien zur Regulierung des eigenen Lernverhaltens: Dabei wird die Vorgehensweise beim Lernen aufgrund von ursprünglicher Planung und Überwachung des Lernprozesses verändert (vgl. Wild 2010: 483; Escher & Messner 2015: 244).

6.3.3 Metakognitives Wissen Metakognitives Wissen als Basis metakognitiver Kontrollstrategien

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Das vierte Element in Eschers und Messners Modell ist das metakognitive Wissen. Dieses umfasst das Wissen „um eigene Fähigkeiten und Schwächen, um angestrebte Ziele und Anforderungen von Lernaufgaben und Situationen“ (Escher & Messner 2015: 234) zu verstehen. Außerdem gehen die Erfahrungen vergangener Lernprozesse ebenso in dieses Wissen ein wie das Wissen um die zur Verfügung stehenden kognitiven Strategien und Ressourcen. Nur

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6 Selbstgesteuertes Lernen

auf Basis des metakognitiven Wissens können metakognitive Kontrollstrategien eingesetzt werden: • Der Lernende, der um seine leichte Ablenkbarkeit weiß, kann Schwierigkeiten im Lernprozess vorbeugen und von vornherein Wert auf einen ruhigen Arbeitsplatz legen. • Der Lernende, der um seine Ziele weiß, kann den Erfolg des bisherigen Lernprozesses feststellen und diesen gegebenenfalls anpassen. • Der Lernende, der über die besonderen Anforderungen einer mündlichen Prüfung Bescheid weiß, wird Wiederholungsphasen innerhalb des Lernprozesses eher mündlich als schriftlich gestalten.

6.3.4 Primäre Lernstrategien Primäre Lernstrategien werden auch als kognitive Lernstrategien bezeichnet und wirken direkt auf die Informationen, die verarbeitet und abgespeichert werden sollen. Dabei gilt es, wahrgenommene Informationen „zu individuellem Wissen zu transformieren oder Fertigkeiten zu erwerben“ (Escher & Messner 2015: 235). Dabei ist das Vorwissen insofern relevant für Lernprozesse, als es die Basis für das Erlernen von Neuem bildet. Notwendig sind Strategien, die die folgenden Teilprozesse unterstützen: 1. Informationen und Inhalte verstehen 2. Informationen und Inhalte mit dem eigenen Vorwissen verknüpfen 3. Einzelne Wissenselemente miteinander verknüpfen und in Bezug zueinander setzen

Primäre oder kognitive Lernstrategien

Des Weiteren lassen sich bei Lernprozessen zwei unterschiedliche Verarbeitungstiefen der dabei stattindenden Informationsverarbeitung unterscheiden: 1. Oberflächenorientierte Strategien des Enkodierens befähigen den Lernenden zur reinen Reproduktion des Gelernten. Dies ist beispielsweise beim bloßen Auswendiglernen von Zahlen, Daten und Fakten der Fall. 2. Tiefenorientierte Strategien des Enkodierens sind gerade im schulischen Kontext als sinnvoller anzusehen und zielen auf das bessere Erfassen und Verstehen des Lerninhalts ab (vgl. Escher & Messner 2015: 235f.).

2 Verarbeitungstiefen

Strategien zur Unterstützung dreier Teilprozesse

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Psychologie

Escher und Messner (2015: 236f.) konzentrieren sich auf die tiefenorientierten Strategien und unterscheiden dabei vier Kategorien (siehe Tabelle 28).

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Tabelle 28 | Tiefenorientierte Lernstrategien (nach Escher und Messner 2015: 235ff.)

Lerninhalte elaborieren

Inhalte strukturieren und reduzieren

Neu Gelerntes wiederholen

Gelerntes abrufen und anwenden

Erläuterungen

Der Lernende… • verknüpft einen Lerninhalt mit seinem Vorwissen • reichert diesen verbal und bildhaft an

Der Lernende… • unterscheidet Wichtiges von Unwichtigem • identiiziert Kernaussagen • gliedert, organisiert und strukturiert Informationen

Der Lernende… • wiederholt die Lernaktivität • encodiert dabei Wissensinhalte im Kurzzeitgedächtnis erneut

Der Lernende… • ruft Gelerntes wiederholt ab • reproduziert Gelerntes • bahnt dabei vielseitige Abrufwege an

Tätigkeit des Lernenden

• Aktivieren des Vorwissens • Formulieren von Fragen an einen Text • Erfahrungen rekapitulieren • eine Erwartungshaltung an einen Text aufbauen • Beispiele inden • einen Lerninhalt in Skizzen und Bildern festhalten • Textinhalte in eigenen Worten formulieren

• Texte oder Vorlesungen zusammenfassen • Notizen erstellen • Mind- und Conceptmaps anlegen • Schlüsselbegrife notieren • Abbildungen und Diagramme erstellen

• Einsatz von Mnemotechniken • isolierte Informationselemente zu sinnvollen Blöcken zusammenfassen (Chunking) • Wiederholen in wechselnden Kontexten • Einsetzen von Karteikarten • zunehmende Vergrößerung des Abstands zwischen einzelnen Wiederholungen

• Austauschen zwischen mehreren Lernenden • gegenseitiges Erläutern und Fragen stellen • Gelerntes in neuen Situationen abrufen oder anwenden • Gelerntes unter veränderten Bedingungen abrufen oder anwenden

Eine zusätzliche Kategorie wäre das kritische Denken, unter dem Weinstein und Mayer Lernstrategien verstehen, „bei denen Lernende u.a. kritische Vergleiche zwischen neuen und bekannten Konzepten durchführen“ (Wild 2010: 482).

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6 Selbstgesteuertes Lernen

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6.3.5 Sekundäre Lernstrategien Sekundäre Lernstrategien werden von Escher und Messner auch als Stützstrategien bezeichnet, während sie bei Weinstein und Mayer unter dem Begrif Ressourcenmanagement auftauchen (vgl. Weinstein & Mayer 1986 nach Wild 2010: 483). Stützstrategien dienen dazu, für das Lernen optimale Rahmenbedingungen zu schafen. Somit unterstützen sie die beim Lernen ablaufenden Prozesse der Informationsverarbeitung. In die Kategorie der sekundären Lernstrategien fallen so profane Dinge wie die Sicherstellung eines ablenkungsfreien, gut beleuchteten Arbeitsplatzes, aber auch deutlich anspruchsvollere Strategien: • Im Sinne eines sinnvollen Zeitmanagements gilt es, die zur Verfügung stehende Arbeitszeit gut einzuteilen und Pausen gezielt zu setzen. • Der Arbeitsplatz muss nicht allein möglichst frei von Ablenkungen und Störquellen eingerichtet werden. Darüber hinaus ist das Anbringen von Lernplakaten und das Bereitlegen von Hilfsmitteln sinnvoll. • Die Beurteilung und Nutzung der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel kann entscheidend zum Lernerfolg beitragen. Hier stellen Bücher, Nachschlagewerke, Papier und Stifte, aber auch Lern-Apps und Computer nur eine kleine Auswahl der Dinge dar, deren gezielter Einsatz Lernen begünstigen kann (vgl. Escher & Messner 2015: 242f.).

Sekundäre Lernstrategien oder Stützstrategien

6.3.6 Förderung von Lernstrategien Allein die Tatsache, dass für selbstgesteuertes Lernen notwendige Lernstrategien zunächst erlernt werden müssen, zeigt die weiterhin wichtige Rolle der Lehrkraft. Einsiedler weist darauf hin, dass „selbstgesteuertes Lernen nur zum Teil vorausgesetzt werden kann. Es muss durch Lernhilfen angeregt und unterstützt werden“ (Einsiedler 1978: 194). Ihnen als Lehrkraft kommt die Aufgabe zu, den Schülerinnen und Schülern das Erlernen eben dieser Lernstrategien zu ermöglichen und ihnen bei deren Einsatz unterstützend zur Hand zu gehen. Prinzipiell existieren, wie Abbildung 48 zeigt, zwei unterschiedliche Möglichkeiten, Lernstrategien zu fördern.

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Psychologie

Abbildung 48 | Förderung von Lernstrategien (eigene Darstellung nach Killus 2009: 132)

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Direkte Förderung von Lernstrategien

Für eine direkte Förderung von Lernstrategien bieten sich die folgenden Vorgehensweisen an: • „explizite Beschreibung von Strategien und ihrer Anwendungsbedingungen • modellhaftes („laut denkendes“) Demonstrieren von Strategien durch den Lehrer oder einen Mitschüler • gemeinsame Anwendung von Strategien in kleinen Schülergruppen • gemeinsame Reflexion über Auswahl und Einsatz von Strategien • Üben von Strategien an wechselnden Aufgaben und Inhalten • Rückmeldung der individuellen Fortschritte der [Schülerinnen und] Schüler im Umgang mit Strategien • Abbau der Unterstützung mit zunehmender Beherrschung von Strategien durch den Schüler“ (Killus 2009: 132).

Indirekte Förderung von Lernstrategien

Bei einer indirekten Förderung bestimmter Lernstrategien werden diese nicht auf eine dieser Arten explizit im Unterricht thematisiert. Vielmehr regen passend gestaltete Lernmaterialien, Aufgabenstellungen oder Lernsituationen die Schülerinnen und Schüler zum Einsatz von Lernstrategien an. Somit zeichnet sich die indirekte Förderung von Lernstrategien gerade durch die Freiräume aus, die auch selbstgesteuertes Lernen auszeichnen. In der schulischen Praxis wird es meist automatisch zu der in der Literatur empfohlenen Kombination von direkter und indirekter Förderung kommen (vgl. Killus 2009: 132f.).

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6 Selbstgesteuertes Lernen

Einsiedler schlägt vor, selbstgesteuertes Lernen durch folgende Maßnahmen zu fördern: Die Lehrkraft … • unterstützt bei der Entwicklung von Alternativen. • ermutigt zur Untersuchung der Umwelt. • ermutigt zur Anwendung selbst entwickelter Regeln. • reduziert zu große Umweltkomplexität. • hilft den Lernenden, neue Informationen besser in die vorhandene Wissensstruktur zu integrieren. • spricht mit den Schülerinnen und Schülern sowohl über Unterrichtsformen als auch über den Sinn schulischer Lehrziele und Lehrinhalte. • stellt Materialien und Gegenstände bereit, mit denen die Lernenden aktiv umgehen können. • strukturiert Inhalte und Lernmaterialien gegebenenfalls vor. • regt an zur Herstellung von Objekten, Dokumenten und Zeichnungen. • regt an zum kritischen Hinterfragen von Sachverhalten. • gestaltet die Lernumgebung (vgl. Einsiedler 1978: 198ff.).

Literaturtipp An dieser Stelle sei ein Hinweis bzw. eine Warnung erlaubt: Für nahezu jedes Unterrichtsfach, das Sie möglicherweise studieren, inden sich Unterrichtsmaterialien, die vorgeben, selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen bzw. zu fördern. Seien Sie hier besonders kritisch, da die Verlagshäuser praktischer Unterrichtsmaterialien hier erfahrungsgemäß sehr großzügig mit dem Begrif Selbstgesteuertes Lernen sind. Konrad und Traub verbinden theoretischen Hintergrund mit konkreten Hinweisen: Konrad, Klaus & Traub, Silke. Selbstgesteuertes Lernen. Grundwissen und Tipps für die Praxis. Baltmannsweiler.

Zusammenfassung • Die Begriffe Autodidaktisches Lernen, Autonomes Lernen, Selbstbestimmtes Lernen, Selbstorganisiertes Lernen werden häufig synonym zu Selbstgesteuertem Lernen verwendet. • Selbstgesteuertes Lernen geht auf das englischsprachige self-directed learning zurück. • Definition nach Deitering: „Selbstgesteuertes Lernen steht in engem Zusammenhang mit offenem Unterricht und ist eine Idealvorstellung, die verstärkte Selbstbe399

Psychologie



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stimmung der Lernziele, der Zeit, des Ortes, der Lerninhalte, der Lernmethoden und Lernpartner sowie vermehrter Selbstbewertung des Lernerfolgs beinhaltet.“ Definition nach Weinert: Bei selbstgesteuertem Lernen ist es der Lernende, der „die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann.“ Der selbstgesteuert Lernende ist in vielen unterschiedlichen Bereichen aktiv: • Er erkennt die Notwendigkeit, Neues zu lernen. • Er legt Lerninhalte und Lernziele fest. • Er wählt Lernpartner und Lernmittel gezielt aus. • Er setzt passende Lernstrategien gezielt ein. • Er überwacht und kontrolliert den Lernprozess. • Er bewertet diesen abschließend. Selbstgesteuertes ist nicht dasselbe wie autonomes Lernen. Selbstgesteuertes Lernen kann autonom geschehen, muss dies jedoch nicht. Fremdsteuerung kann in Form von gezielter Förderung und Unterstützung stattfinden. Selbstgesteuertes Lernen ist geradezu der Gegenpol zu fremdgesteuertem Lernen, von dem es sich durch seine Folgen hinsichtlich Unabhängigkeit, Reife, Entwicklung und Verantwortungsbewusstsein der Lernenden unterscheidet. Selbstgesteuertes Lernen ist nicht nur Methode, sondern muss gerade anfangs fremdgesteuert erlernt werden. Wichtig sind dabei Methoden des offenen Unterrichts: Lernen an Stationen, Wochenplanarbeit, Projektmethode, Freiarbeit. Im selbstgesteuerten Lernen ist es der Lernende, der … • das Lernen vorbereitet. • erforderliche Lernschritte ausführt. • Lernprozesse überwacht und kontrolliert. • sich Rückmeldung gibt und diese auswertet. • sich motivieren können muss. Selbstgesteuertes Lernen erfordert die Beherrschung von Lernstrategien. Dabei sind Lernstrategien „Lernhandlungen und Vorgehensweisen, die Lernende bewusst oder weniger bewusst einsetzen, um ein Lernziel zu erreichen.“ (Escher & Messner 2015: 233) In der Schule kommt Lernstrategien eine zweifache Bedeutung zu: 1. Lernstrategien sind insofern Ziel des Lernens, als sie und ihr Einsatz erlernt werden müssen. 2. Lernstrategien sind Werkzeuge, mit denen die Lernenden Lernprozesse gestalten. Unterschieden werden folgende Lernstrategien: • Lernstrategien im engeren Sinne und Lernstrategien im weiteren Sinne • Spezifische Lernstrategien und Allgemeine Lernstrategien • Beobachtbare Lernstrategien und nicht direkt beobachtbare Lernstrategien • Lernstrategien und Lerntechniken

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6 Selbstgesteuertes Lernen

• Escher und Messner integrieren in ihr Modell der Lernstrategien vier Elemente: 1. Metakognitive Kontrollstrategien sind Strategien, die der Steuerung des Lernens dienen. Dabei denkt der Lernende bewusst über einzelne Elemente des eigenen Lernprozesses nach. 2. Metakognitives Wissen ist die Grundlage für den Einsatz metakognitiver Kontrollstrategien und umfasst das Wissen um Stärken, Schwächen, Ziele und Anforderungen. 3. Kognitive oder primäre Lernstrategien wirken direkt auf die Informationen, die verarbeitet und abgespeichert werden sollen. Dabei wird zwischen oberflächenorientierten und tiefenorientierten Strategien unterschieden. 4. Sekundäre Lernstrategien oder Stützstrategien optimieren die Rahmenbedingungen des Lernens. • Gefördert werden können Lernstrategien sowohl direkt als auch indirekt: • Bei der direkten Förderung werden Lernstrategien explizit zum Unterrichtsgegenstand gemacht. • Bei der indirekten Förderung wird die Lernumgebung so gestaltet, dass der Einsatz bestimmter Lernstrategien angeregt wird.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Erläutern Sie den Begriff Selbstgesteuertes Lernen. • Führen Sie seinen Ursprung an. • Führen Sie dazu eine zitierfähige Definition an. • Erklären Sie diesen Begriff in eigenen Worten. • Nennen Sie synonym verwendete Begriffe. • Gehen Sie auf die unterschiedlichen Bereiche ein, in denen sich die Selbststeuerung des Lernenden zeigt. 2. Grenzen Sie selbstgesteuertes Lernen gegenüber autonomem Lernen ab. Weshalb handelt es sich dabei nicht um dasselbe? 3. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Diskutieren Sie die Notwendigkeit selbstgesteuerten Lernens. • Erörtern Sie, weshalb selbstgesteuertes Lernen die Lehrkraft nicht überflüssig macht. • Entwickeln Sie gemeinsam den Werbetext für eine Lehrerfortbildung zum selbstgesteuerten Lernen. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden. Bestimmen Sie den Begriff Lernstrategien: • Erklären Sie diesen in eigenen Worten und gehen Sie dabei auf den doppelten Charakter von Lernstrategien im Bereich schulischen Lernens ein. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. 401

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• Begründen Sie, weshalb Lernstrategien im Rahmen selbstgesteuerten Lernens so wichtig sind. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in einer Großgruppe. Schülerinnen und Schüler benötigen Lernstrategien, um (1) Zusammenhänge zu verstehen, (2) um Fakten langfristig zu behalten und (3) um komplexe Probleme und Aufgaben zu lösen: • Bilden Sie drei kleine Gruppen und teilen Sie jeder Gruppe eine der drei Zielsetzungen zu. • Jede Gruppe recherchiert konkrete Strategien, die der genannten Zielsetzung dienen. • Erstellen Sie dabei auch eine Übersicht auf einem Flipchart-Blatt. • Diskutieren Sie gemeinsam sinnvolle Möglichkeiten, einzelne der von Ihnen gesammelten Strategien in der Schule zu vermitteln. • Stellen Sie der Großgruppe die von Ihnen gesammelten Strategien und Umsetzungsmöglichkeiten in einem Kurzvortrag vor. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden. Unterscheiden Sie die folgenden Begriffspaare, indem jeder von Ihnen jeweils einen Begriff vorstellt: • Spezifische Lernstrategien vs. Allgemeine Lernstrategien • Beobachtbare Lernstrategien vs. nicht direkt beobachtbare Lernstrategien • Lernstrategien vs. Lerntechniken Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Escher und Messner unterscheiden in ihrem Modell der Lernstrategien zwischen kognitiven Strategien, metakognitiven Strategien, Strategien des Ressourcenmanagements und metakognitivem Wissen: • Gestalten Sie auf einem Flipchart-Blatt gemeinsam eine Übersicht, in der Sie diese vier Komponenten miteinander verknüpfen. • Legen Sie dabei Wert darauf, Zusammenhänge darzustellen. • Stellen Sie Ihr Modell den anderen Studierenden vor. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden drei Gruppen A, B und C: • Gruppe A informiert sich gezielt über kognitive Lernstrategien, Gruppe B über metakognitive Lernstrategien und Gruppe C über Strategien des Ressourcenmanagements. Sammeln und diskutieren Sie dabei konkrete Strategien und Möglichkeiten der Umsetzung im Unterricht. • Anschließend bilden je ein Mitglied der Gruppen A, B und C eine neue Gruppe und stellen dort als Experten die erarbeiteten Lernstrategien vor. Übertragen Sie die folgende Mindmap auf ein DIN-A3-Papier (besser: FlipchartBlatt) im Querformat.

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6 Selbstgesteuertes Lernen

• Ergänzen Sie aus dem Gedächtnis weitere Details. • Lesen Sie anschließend in diesem Kapitel nach und ergänzen Sie in einer anderen Farbe wichtige Informationen, die Ihnen nicht mehr eingefallen waren. 10. Bei kognitiven Lernstrategien werden oberflächenorientierte und tiefenorientierte Strategien unterschieden: • Formulieren Sie für jeden der beiden Begriffe eine kurze Erklärung, in der die Unterschiede deutlich werden. • Übertragen Sie anschließend die hier angedeutete Tabelle auf ein Blatt Papier und ergänzen Sie diese. Lerninhalte elaborieren

Inhalte strukturieren und reduzieren

Neu Gelerntes wiederholen

Gelerntes abrufen und anwenden

Erläuterungen Tätigkeit des Lernenden

11. Arbeiten Sie gemeinsam mit einem anderen Studierenden: • Erläutern Sie sich gegenseitig den Begriff Sekundäre Lernstrategien. Begründen Sie dabei, weshalb diese auch als Stützstrategien oder Strategien des Ressourcenmanagements bezeichnet werden. • Erstellen Sie eine Sammlung sekundärer Lernstrategien, die Ihnen in der Prüfungsvorbereitung bislang geholfen haben. 12. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Lernstrategien müssen von Schülerinnen und Schülern gelernt werden. Diskutieren Sie die direkte und die indirekte Förderung von Lernstrategien. Was spricht für die eine, was für die andere Variante? • Entwickeln Sie einen Maßnahmenkatalog für Lehrkräfte, mit dem diese das Erlernen von Lernstrategien bei ihren Schülerinnen und Schülern gezielt fördern können.

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7 Motivation in Lernprozessen

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7.1 Begriliches 7.2 Lernmotivation 7.3 Motivationstheoretische Ansätze – Motivationsmodelle 7.4 Motivation und Schule – bemerkenswerte Zusammenhänge Das Thema Motivation ist erfahrungsgemäß eines der spannendsten Themen für Lehramtsstudierende und eines der meistbeklagten bei Lehrkräften. In diesem Kapitel erfahren Sie… • was die Begriffe Motivation und Lernmotivation genau bezeichnen. • weshalb Sie auf verlorenem Posten stehen, wenn Sie glauben, einen Lernenden überhaupt motivieren zu können. • mit Hilfe welcher Modelle Motivationsprozesse erklärt werden und wurden. Darüber hinaus endet dieses Kapitel mit einigen bemerkenswerten Zusammenhängen zwischen Motivation und Schule bzw. Schulleistung, die gerade für Lehrkräfte von Interesse sein dürften.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Der Begriff Motivation wird auch im Alltag sehr häufig verwendet. Überlegen Sie: • In welchen Situationen sprechen Sie persönlich von Motivation oder motiviertem Verhalten? • Wie würden Sie den Begriff Motivation erklären?

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden. Versetzen Sie sich zurück in Ihre eigene Schulzeit. Diskutieren Sie die folgenden Fragestellungen: • Wann waren Sie besonders motiviert? Worauf führen Sie dies zurück? Welche Rolle spielten dabei Inhalte, Lehrkraft, Situation und Noten? • Ist es Aufgabe einer Lehrkraft, ihre Schülerinnen und Schüler zu motivieren, oder obliegt es jedem Einzelnen, sich selbst zu motivieren?

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7 Motivation in Lernprozessen

7.1 Begriffliches

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So selbstverständlich der Begrif Motivation im Alltag, aber auch im Kontext schulischen Lernens verwendet wird, so schwierig lässt dieser sich wissenschaftlich greifen: […] it is rather surprising how little agreement there is in the literature with regard to the exact meaning of the concept.

Begriliche Schwierigkeiten

(Dörnyei 1998: 117)

Übersetzt: Es ist überraschend, wie wenig Übereinstimmung in der Literatur hinsichtlich der genauen Bedeutung des Konzepts [der Motivation] besteht. Die Begrife Motiv und Motivation lassen sich auf das lateinische Substantiv motivum (Beweggrund, Antrieb) und das Verb movere (bewegen) zurückführen. Aus Sicht der Schulpädagogik – bitte führen Sie diese Deinitionen im eigenen Interesse nicht im Rahmen psychologischer Lehrveranstaltungen an – lassen sich die Begrife Motivation, Motiv und Motivierung relativ einfach klären: Motiv ist ein Wirkfaktor als Antriebskraft (des Verhaltens, der Einstellung u. ä.), der sich als Bedürfnis zeigt.

Schulpädagogische Deinition

(Schröder 2002: 161)

Motivation meint einen Komplex der Motive, das ist die Gesamtheit der Antriebskräfte, welche das Verhalten und die Einstellungen bestimmen. Motivierung bezieht sich auf Maßnahmen zur Schaffung von und Einwirkung auf die Motivation. (Schröder 2002: 162)

Motivierung im Unterricht heißt Weckung und Berücksichtigung von Lern- und Leistungsbedürfnissen der Schüler. (Schröder 2002: 161)

Aus psychologischer Sicht verhält es sich nicht ganz so einfach; aus psychologischer Sicht greifen diese Ansätze zu kurz. Gerade die 405

Psychologie

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Frage, ob eine Person überhaupt motiviert werden könne, spaltet Psychologie und Schulpädagogik. Mögliche psychologische Deinitionen für den Begrif der Motivation lauten folgendermaßen: Psychologische Deinition

Motivation bezeichnet „die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand.“ (Rheinberg 2008: 16)

Bezeichnet werden damit „Prozesse, die dem Verhalten Intensität, bestimmte Richtung und Ablaufform verleihen, d.h. als abgehobene Phasen des individuellen Aktivitätsverlaufs hervortreten. Im weitesten Sinne dient das Motivationskonstrukt der Erklärung, warum und wie Verhalten in spezifischen Situationen an bestimmten Zielen orientiert und in Richtung auf die Zielerreichung gesteuert wird.“ (Fröhlich 2010: 328)

Merkmale motivierten Verhaltens

Die Motivationspsychologie setzt sich mit den Ursachen und Gründen menschlichen Verhaltens oder, wie Heckhausen und Heckhausen es formulieren, mit dem Wozu und Wie zielgerichteten Handelns auseinander (vgl. Heckhausen & Heckhausen 2010: 1). Dabei bemüht sich die Motivationspsychologie, „Richtung, Ausdauer und Intensität von Denken, Fühlen und Handeln zu erklären“ (Rheinberg & Vollmeyer 2012: 13) und setzt sich wissenschaftlich mit den vier Merkmalen motivierten Verhaltens auseinander: 1. Auswahl von Handlungsalternativen 2. Latenz – Beginn und Ende der Handlung 3. Intensität der Handlung 4. Persistenz – Dauer der Handlung Die große Herausforderung dabei ist, dass zwar im Alltag  – beispielsweise im schulischen Kontext  – oftmals davon gesprochen wird, eine Person sei motiviert oder unmotiviert, tatsächlich aber keine äußeren Anzeichen existieren, die direkt auf Motivation oder die Abwesenheit von Motivation schließen lassen. Es ist lediglich möglich, Verhalten und erbrachte Leistungen wahrzunehmen und daraus indirekt Rückschlüsse zu ziehen.

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7 Motivation in Lernprozessen

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7.2 Lernmotivation Gerade als angehende Lehrkraft wird Ihnen häuig der Begrif der Lernmotivation begegnen, der deiniert werden kann als Absicht, „speziische Inhalte oder Fertigkeiten zu lernen, um damit bestimmte Ziele bzw. Zielzustände zu erreichen“ (Wild & Möller 2014: 155). Bei den in dieser Deinition angeführten Zielen lassen sich zwei unterschiedliche Kategorien und dementsprechend zwei unterschiedliche Arten von (Lern-)motivation unterscheiden: Dabei dürfen intrinsische und extrinsische Lernmotivation nicht als Extrempole eines Kontinuums gesehen werden. Vielmehr können extrinsische Belohnungen unter Umständen die intrinsische Motivation aufrechterhalten und es können Mischkonstrukte zustande kommen (vgl. Ryan 1982). Liegen Ziele außerhalb der Handlung selbst  – beispielsweise eine gute Note, eine inanzielle Belohnung für das Bestehen eines Tests oder soziale Anerkennung – so ist die Rede von extrinsischer Lernmotivation, da die Konsequenzen der Handlung selbst ausschlaggebend sind. Diese können entweder an sich positiv sein, oder aber in der Vermeidung einer negativen Konsequenz  – im schulischen Kontext beispielsweise Wiederholen einer Jahrgangsstufe – bestehen. Nach der Selbstbestimmungstheorie lassen sich vier Formen extrinsischer Motivation unterscheiden (siehe Abbildung 49).

Deinition Lernmotivation

Abb. 49 | Formen extrinsischer Motivation

• Ein von außen gewünschtes Verhalten wird gezeigt, um eine Belohnung zu erhalten oder einer Strafe zu entgehen. Auf die Konsequenz an sich hat das lernende Individuum keinen unmittelbaren Einfluss. • Ein Verhalten wird aufgrund von Pflichtgefühl oder innerem Druck gezeigt. Dieses Verhalten „gehört sich eben“.

Externale Regulation

Introjizierte Regulation 407

Psychologie

Identiizierte Regulation

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Integrierte Regulation

Intrinsische Lernmotivation

• Ein Verhalten wird als sinnvoll und wichtig anerkannt und deshalb gezeigt. Selbst wenn der Lernprozess im Rahmen der Prüfungsvorbereitung nicht als positiv erlebt wird, wird es als zielführend für den angestrebten Abschluss anerkannt. • Ein Verhalten wird als Teil der eigenen Persönlichkeit, als Folge von Zielen und Werthaltungen, mit denen der Lernende sich identifiziert, angesehen und demzufolge gezeigt. Die integrierte Regulation als Form der extrinsischen Motivation ist nur schwer von der intrinsischen Motivation zu trennen. Dies jedoch muss Sie als Praktikerin oder Praktiker nicht weiter beschäftigen, da extrinsische und intrinsische Motivation sich generell häuig nur schwer unterscheiden lassen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Handlungen zunächst aus extrinsischer Motivation heraus aufgenommen werden, später jedoch aus intrinsischer Motivation zu Ende gebracht werden (vgl. Heckhausen & Heckhausen 2010: 152). Dies lässt sich gerade bei besonders herausfordernden Aufgaben beobachten, wenn die Lösung an sich in den Hintergrund tritt und Schülerinnen und Schüler sich aus Lust am Knobeln mit dieser auseinandersetzen. Ziele, die innerhalb der Handlung selbst liegen – beispielsweise das Kompetenzgefühl, eine Fremdsprache zu beherrschen oder die Befriedigung, ein Musikinstrument zu spielen – werden der intrinsischen Lernmotivation zugerechnet, da die Handlung selbst als positiv empfunden wird. Hier liegt die Absicht, eine Handlung auszuführen, darin begründet, dass diese als interessant oder herausfordernd erlebt wird. Im Bereich des schulischen Lernens ist dies gegeben, wenn Schülerinnen und Schüler sich aus Eigeninteresse und aus eigenem Antrieb mit einem Lerninhalt auseinandersetzen und nicht, weil die Lehrkraft sie dazu aufordert.

Aus der Praxis für die Praxis Häufig werden Sie in Lehrerzimmern, aber auch von Laien die Unterscheidung hören, intrinsische Motivation käme von innen, extrinsische Motivation hingegen käme von außen und sei dementsprechend Aufgabe der Lehrkraft. Dies ist insofern falsch, als das Individuum selbst eine zu erwartende Belohnung oder Strafe als ausreichenden Anreiz für das eigene Handeln einstufen muss. Eng verknüpft mit der Lernmotivation ist gerade in schulischen Lehr- und Lernprozessen die Leistungsmotivation: 408

7 Motivation in Lernprozessen

Leistungsmotiviert im psychologischen Sinn ist ein Verhalten nur dann, wenn es auf die Selbstbewertung eigener Tüchtigkeit zielt, und zwar in Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab, den es zu erreichen oder zu übertreffen gilt.

Deinition Leistungsmotivation

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(Rheinberg 2008: 60)

7.3 Motivationstheoretische Ansätze – Motivationsmodelle 7.3.1 Historische Entwicklung Obgleich sich dieses Buch an die Praktikerin und den Praktiker richtet, wird an dieser Stelle ein Blick in die Geschichte geworfen. Dies ist insofern sinnvoll, als gerade bei der Thematik der Motivation unglaublich viele, teils überholte, teils zu stark vereinfachende und teils gänzlich falsche Alltagstheorie existieren. Der kurze Blick in die Geschichte gibt einen Einblick in die Basis heutiger Motivationspsychologie und die Entstehung von Motivationstheorien. Die meisten Standardwerke zur Motivationspsychologie verweisen an der einen oder anderen Stelle auf den antiken griechischen Philosophen Epikur, der sich mit der Frage nach den Gründen menschlichen Verhaltens auseinandersetzte. Seine auch aus heutiger Sicht sehr schlüssige Antwort lautet: Wir handeln, um uns Lust zu bereiten und um Schmerzen zu vermeiden. Heute wird diese Formel häuig als Lust-Unlust-Prinzip bezeichnet (vgl. Rudolph 2009: 1). Anders als bei Epikur hat die moderne Psychologie viele unterschiedliche Theorien hervorgebracht, um menschliches Verhalten zu erklären. Beispielsweise indet sich an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert mit Sigmund Freud (1856–1939) der Begründer der Psychoanalyse. Er sah in Trieben und Instinkten die Erklärung menschlichen Handelns (vgl. Rheinberg & Vollmeyer 2012: 31f.). In den 1920er Jahren wurde zielgerichtetes menschliches Handeln im Zuge des Behaviorismus auf erlernte Motive und die Steuerung durch Bestrafung und Belohnung zurückgeführt (vgl. Rheinberg & Vollmeyer 2012: 36). Zu Beginn der 1950er Jahre setzte sich die Sichtweise durch, der Mensch sei weder trieb-, noch durch Umgebung fremdgesteuertes Objekt, sondern vielmehr selbstverantwortliches, aktives Subjekt. Ein Modell, das heute noch – vor allem im semiwissenschaftlichen Bereich – weitverbreitet ist, ist das Stufenmodell des US-amerika-

Epikurs LustUnlust-Prinzip

Sigmund Freuds Psychoanalyse

Behaviorismus

Stufenmodell

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Psychologie

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Prozesstheorien

nischen Psychologen und Begründers der Humanistischen Psychologie Abraham Maslow (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008: 12 und 421). Für die 1960er Jahre ist innerhalb der Motivationspsychologie ein Wandel festzustellen. Nicht länger stehen die Motive menschlichen Verhaltens und deren Klassiikation im Mittelpunkt. Anstelle dieser Inhaltstheorien rücken fortan Prozesstheorien, die den Motivationsverlauf und die dabei ablaufenden kognitiven Prozesse in den Fokus nehmen (vgl. Böhner 2000: 1). Im Folgenden werden drei unterschiedliche Motivationsmodelle in aller Kürze dargestellt: 1. Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie 2. Erweitertes kognitives Motivationsmodell 3. Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf

7.3.2 Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie Das motivationspsychologische Grundmodell wird auf den Psychologen und 2007 emeritierten Universitätsprofessor Falko Rheinberg zurückgeführt und integriert personen- und situationsbezogenen Faktoren (siehe Abbildung 50).

Abb. 50 | Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie nach Rheinberg 1995

Innerhalb dieses Modells ist es die passende Kombination aus personenbezogenen und situationsbezogenen Faktoren, die die aktuelle Motivation ausmachen und dadurch das Verhalten einer Person bestimmen. Dabei entsprechen personenbezogene Faktoren den Motiven der Person. Motive sorgen dafür, dass bestimmte Anreize und Folgen als positiv sowie bestimmte Ziele als besonders motivierend empfunden werden. Situationsfaktoren hingegen 410

7 Motivation in Lernprozessen

sind alle in einer konkreten Situation vorhandenen Anreize und lösen das zielorientierte Handeln aus (vgl. Rheinberg & Vollmeyer 2012: 70f.).

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7.3.3 Erweitertes kognitives Motivationsmodell Das erweiterte kognitive Motivationsmodell geht auf den Professor für Psychologie Heinz Heckhausen (1926–1988) zurück. Dieses besteht aus vier Elementen. Neben die konkrete Situation, mögliche Handlung und deren Ergebnis treten nun als wichtiges, viertes Element die zusätzlich aus dem Ergebnis resultierenden Folgen (siehe Abbildung 51).

Abb. 51 | Erweitertes kognitives Motivationsmodell nach Heckhausen & Rheinberg, 1980 (eigene Darstellung).

Eben dieses vierte Element ist es, das Heckhausens Modell ausmacht: Nicht mehr ist es allein das Ergebnis einer Handlung, sondern vielmehr die Überzeugung, dass dieses Ergebnis relevante Folgen nach sich zieht. Dabei geht Heckhausen von drei unterschiedlichen Erwartungstypen aus: 1. Situations-Ergebnis-Erwartung (S-E-Erwartung): Wird das Ergebnis auch ohne eigenes Zutun eintreten oder erreicht? Ist es durch die spezifische Situation bereits festgelegt? 2. Handlungs-Ergebnis-Erwartung (H-E-Erwartung): Ist es überhaupt möglich, das Ergebnis durch eigenes Handeln zu erreichen? 3. Ergebnis-Folge-Erwartung (E-F-Erwartung): Wird das Ergebnis überhaupt die gewünschten Folgen nach sich ziehen? (vgl. Heckhausen 1977 zitiert nach Heckhausen & Heckenhausen 2010: 373 f.)

S-E-Erwartung

H-E-Erwartung

E-F-Erwartung

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Psychologie

Um eine Handlung auszuführen, müsste die erste Frage mit Nein beantwortet werden, die Fragen 2 und 3 hingegen jeweils mit Ja.

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7.3.4 Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf Das letzte an dieser Stelle dargestellte Modell verknüpft die beiden bislang vorgestellten Modelle miteinander. Es handelt sich dabei um das Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf. Neben personen- und situationsbezogenen Faktoren integriert dieses die erwarteten Ergebnisse einer Handlung ebenso wie deren Folgen (siehe Abbildung 52).

Abb. 52 | Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf (nach Heckhausen & Heckhausen 2010: S. 5)

3 Kategorien Personenfaktoren

Innerhalb dieses Modells ist die Motivation einer Person, ein bestimmtes Ziel anzustreben, von personenbezogenen und situationsbezogenen Faktoren sowie von deren Zusammenspiel abhängig. Dabei werden drei Kategorien von Personenfaktoren unterschieden: 1. universelle Verhaltenstendenzen und Bedürfnisse – grundlegende physische Bedürfnisse und das Streben nach Wirksamkeit 2. implizite Motive  – in der frühen Kindheit erlernte, emotional getönte Präferenzen, sich immer wieder mit bestimmten Arten von Anreizen auseinanderzusetzen 3. explizite Motive – Selbstbilder, Werte und Ziele, die sich eine Person selbst zuschreibt (vgl. Heckhausen & Heckhausen 2010: 3f.) Allerdings dürfen personenbezogene und situationsbezogene Faktoren nicht isoliert betrachtet werden. Erst ihr Zusammenspiel

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7 Motivation in Lernprozessen

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bringt aktuelle Motivation hervor und beeinlusst aktuelles Verhalten. Heckhausen und Heckhausen formulieren: Der Einzelne versucht das Ziel anzustreben, das bei einer realistischen Erreichbarkeit den höchstmöglichen Anreizwert hat. Dabei ist der Anreizcharakter der situativen Gelegenheiten für eine bestimmte Person davon abhängig, ob sie mit den impliziten und expliziten Motiven der Person übereinstimmen oder nicht. (Heckhausen & Heckhausen 2010: 6)

7.4 Motivation und Schule – (be-)merkenswerte Zusammenhänge Wurde in diesem Buch durchgängig versucht, die erziehungswissenschaftliche Theorie auf die schulische Praxis zu beziehen, so wird es als notwendig erachtet, diese Vorgehensweise beim Thema Motivation nochmals zu intensivieren: Kaum ein anderes Thema beschäftigt Lehrkräfte mehr als die Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler. Deshalb an dieser Stelle eine knappe Zusammenschau relevanter, wissenschaftlicher Erkenntnisse: • Intrinsische Motivation bei Schülerinnen und Schülern führt zu gründlichem Lernen und dem Einsatz tiefenorientierter Lernstrategien, während extrinsische Motivation zu oberflächlichem Lernen führt, das ausschließlich auf das Bestehen von Prüfungen ausgerichtet ist (vgl. Wild & Krapp 1995: 579). • Die Zusammenhänge zwischen extrinsischer Lernmotivation und Schulleistung sind äußerst gering (vgl. Wild & Krapp 1995: 579). • Materielle Belohnungen wie Geld oder Süßigkeiten, die für gute Noten gewährt werden, können unter Umständen die intrinsische Motivation sogar negativ beeinflussen, da sich bei den Lernenden ein Gefühl der Fremdbestimmung einstellt (vgl. Cameron & Pierce 1994). • Positiven Einfluss auf die intrinsische Lernmotivation hat eine Erziehung, die Lernenden das Gefühl der Selbstständigkeit und Autonomie gibt und diese dabei unterstützt, eigenständig Lernziele zu setzen und individuelle Lösungswege zu gehen (vgl. Grolnick et al. 1991). • Kinder, deren Eltern einen höheren Bildungsgrad aufweisen, zeichnen sich durch eine geringe extrinsische Lernmotivation aus (Wild & Krapp 1995). 413

Psychologie

• Das Lernverhalten wird besonders stark von extrinsischer Lernmotivation beeinflusst, wenn Kinder die eigenen Eltern als wenig fürsorglich empfinden (Wild & Krapp 1995).

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Literaturtipp Einen sehr schönen Überblick über einzelne Theorien der Motivation bietet Rudolph: Rudolph, Udo. Motivationspsychologie kompakt. Weinheim. Aus schulischer Sicht liefern Schmithüsen (Leistungsmotivation) und Lefrancois (Anwendung der Motivationstheorie für den Unterricht und andere Zwecke) wichtige Informationen: Lefrancois, Guy, R. Psychologie des Lernens. Berlin. Schmithüsen, Franziska. Lernskript Psychologie. Die Grundlagenfächer kompakt. Berlin.

Zusammenfassung • Motivation lässt sich auf das lateinische Wort Motiv zurückführen, das die Bedeutung Bewegung auslösend besitzt. • Die Schulpädagogik – hier stellvertretend Schröder (2002) – macht es sich mit der Definition von Motivation und verwandten Begriffen recht einfach: • „Motiv ist ein Wirkfaktor als Antriebskraft […], der sich als Bedürfnis zeigt.“ • „Motivation meint einen Komplex der Motive, das ist die Gesamtheit der Antriebskräfte, welche das Verhalten und die Einstellungen bestimmen.“ • „Motivierung im Unterricht heißt Weckung und Berücksichtigung von Lern- und Leistungsbedürfnissen der Schüler.“ • Aus psychologischer Sicht bezeichnet Motivation „die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg 2008: 16). • Motivationspsychologie setzt sich mit den Ursachen und Gründen menschlichen Verhaltens und mit vier Merkmalen motivierten Verhaltens auseinander: 1. Auswahl von Handlungsalternativen 2. Latenz – Beginn und Ende der Handlung 3. Intensität der Handlung 4. Persistenz – Dauer der Handlung • Lernmotivation kann definiert werden als Absicht, „spezifische Inhalte oder Fertigkeiten zu lernen, um damit bestimmte Ziele bzw. Zielzustände zu erreichen.“ (Wild & Möller 2009: 154) • „Leistungsmotiviert im psychologischen Sinn ist ein Verhalten nur dann, wenn es auf die Selbstbewertung eigener Tüchtigkeit zielt, und zwar in Auseinandersetzung 414

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7 Motivation in Lernprozessen

mit einem Gütemaßstab, den es zu erreichen oder zu übertreffen gilt“ (Rheinberg 2008: 60). • Im Bereich der Lernmotivation, aber auch bei Motivation im Allgemeinen, wird unterschieden zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Dabei dürfen intrinsische und extrinsische Lernmotivation nicht als Extrempole eines Kontinuums gesehen werden, da diese sich unter Umständen gegenseitig positiv oder sogar negativ beeinflussen. • Liegen Ziele außerhalb der Handlung selbst, spricht man von extrinsischer Lernmotivation, da die Konsequenzen der Handlung ausschlaggebend sind. Nach der Selbstbestimmungstheorie lassen sich vier Formen extrinsischer Motivation unterscheiden: • externale Regulation • introjizierte Regulation • identifizierte Regulation • integrierte Regulation • Liegen Ziele innerhalb der Handlung selbst, spricht man von intrinsischer Lernmotivation, da die Handlung selbst als positiv empfunden wird. • Die moderne Psychologie hat viele unterschiedliche Theorien hervorgebracht, um menschliches Verhalten zu erklären: • Sigmund Freud sah in Trieben und Instinkten die Erklärung menschlichen Handelns. • Im Zuge des Behaviorismus wurde Handeln auf erlernte Motive und die Steuerung durch Bestrafung und Belohnung zurückgeführt. • Das Stufenmodell von Abraham Maslow sieht den handelnden Menschen als selbstverantwortliches, aktives Subjekt. • Seit den 1960er Jahren interessiert sich die Motivationspsychologie weniger für die Motive menschlichen Verhaltens als für den Motivationsverlauf und die dabei ablaufenden kognitiven Prozesse. • Das motivationspsychologische Grundmodell integriert personen- und situationsbezogenen Faktoren. Die passende Kombination dieser Faktoren macht die aktuelle Motivation aus und bestimmt somit das Verhalten einer Person. • Das erweiterte kognitive Motivationsmodell besteht aus vier Elementen: 1. konkrete Situation 2. mögliche Handlung 3. Ergebnis der Handlung 4. erwartete Folgen • Dieses Modell geht von drei unterschiedlichen Erwartungstypen aus: 1. Situations-Ergebnis-Erwartung (S-E-Erwartung): Wird das Ergebnis auch ohne eigenes Zutun eintreten oder erreicht? 2. Handlungs-Ergebnis-Erwartung (H-E-Erwartung): Ist es überhaupt möglich, das Ergebnis durch eigenes Handeln zu erreichen? 3. Ergebnis-Folge-Erwartung (E-F-Erwartung): Wird das Ergebnis überhaupt die gewünschten Folgen nach sich ziehen? 415

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Psychologie

• Das Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf vereint die beiden aufgezeigten Modelle. Es integriert sowohl personen- und situationsbezogene Faktoren als auch die erwarteten Ergebnisse einer Handlung und deren Folgen. • Selbst wenn beide Varianten nicht als Gegensätze betrachtet werden dürfen, belegen empirische Studien die Überlegenheit intrinsischer Motivation gegenüber extrinsischer Motivation: • Intrinsische Motivation bei Schülerinnen und Schülern führt zu gründlicherem Lernen und tiefenorientierten Lernstrategien. • Extrinsische Lernmotivation und Schulleistung hängen nur schwach zusammen. • Eine Erziehung, die Lernenden das Gefühl der Selbstständigkeit und Autonomie gibt, wirkt sich positiv auf die intrinsische Lernmotivation aus.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Erläutern Sie den Begriff Motivation: • Gehen Sie dabei auf seinen sprachhistorischen Ursprung ein. • Erläutern Sie ihn aus schulpädagogischer Sicht. • Führen Sie eine zitierfähige psychologische Definition an. • Erläutern Sie, was die Schulpädagogik unter dem Begriff Motivierung versteht. 2. Erläutern Sie Begriff, das Erkenntnisinteresse und die Aufgaben der Motivationspsychologie. 3. Erklären Sie die Begriffe Lernmotivation und Leistungsmotivation. 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Setzen Sie sich mit den Begriffen Extrinsische und Intrinsische Motivation auseinander: • Grenzen Sie beide Begriffe gegeneinander ab und zeigen Sie Zusammenhänge auf. • Finden Sie schulpraktische Beispiele für beide Motivationsarten. • Nennen und erläutern Sie die vier Formen extrinsischer Motivation. 5. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Bereiten Sie die historische Entwicklung der Motivationspsychologie und ihrer Vorläufer für einen Vortrag auf. • Erstellen Sie dazu auf einem Flipchart-Papier eine grafische Darstellung. 6. Stamm-Expertengruppen! Bilden Sie mit anderen Studierenden drei Gruppen A, B und C: • Jede der Gruppen A, B und C informiert sich gezielt über eines der folgenden Modelle: Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie, Erweitertes kognitives Motivationsmodell, Überblicksmodell der Motivation im Handlungsverlauf. • Jede der Gruppen überlegt sich, was die markanten Merkmale dieses jeweiligen Modells sind und wie sie dieses anderen am besten präsentieren können. 416

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7 Motivation in Lernprozessen

• Je ein Mitglied der Gruppen A, B und C bilden eine neue Gruppe und stellen dort als Experten das erarbeitete Modell vor. 7. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Diskutieren Sie die Bedeutung von Motivation im Rahmen schulischer Lehr- und Lernprozesse: • Sammeln Sie Belege, an denen Sie als Lehrkraft die hohe Motivation einer Schülerin oder eines Schülers erkennen. • Tragen Sie wissenschaftliche Belege zur Bedeutung der intrinsischen Motivation für schulische Lernerfolge zusammen und diskutieren Sie diese. Gehen Sie dabei über die in diesem Kapitel genannten wissenschaftlichen Belege hinaus. • Diskutieren Sie abschließend die folgende, der Lehrkraft gegenüber getätigte Aussage eines 17-jährigen Schülers im Rahmen des Englischunterrichts: „Motivation is not our job. It’s your job to entertain us. It’s your job to motivate us!“ 8. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Bereiten Sie ein Rollenspiel mit folgenden Rollen vor: • Tochter: Ist relativ gut in der Schule; möchte ab sofort wie ihre Klassenkameradinnen und Klassenkameraden für gute Noten mit festgesetzten Geldbeträgen belohnt werden. • Vater: Ist im Sinne eines guten Abschlusszeugnisses gerne bereit, für gute Noten zu bezahlen. • Mutter: Ist strikt gegen dieses Modell, da jedes Familienmitglied seine Aufgaben habe und Aufgabe der Tochter eben das Lernen für die Schule sei. Sammeln Sie im Vorfeld gemeinsam Argumente für jede der Positionen. Führen Sie anschließend im Stile eines Rollenspiels eine Diskussion, die während des Abendessens am Küchentisch stattfindet.

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Weitere Aspekte – oder: Was nicht unterschlagen werden darf

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1 Schulleben

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1.1 Begriliches 1.2 Begründung und Zielsetzung 1.3 Umsetzung Schulleben ist eines der Themen, die klassischerweise meist innerhalb der Schulpädagogik behandelt werden, gleichzeitig jedoch auch viele Schnittstellen mit der Pädagogik aufweisen. Angesichts der veränderten Lebensbedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, scheint die Bedeutung eines gestalteten Schullebens zunehmend zu steigen. Dieses Kapitel setzt sich mit den Fragen auseinander, … • was unter dem Begriff Schulleben zu verstehen ist. • welche Ziele eine Gestaltung des Schullebens verfolgt. • welche Bedeutung dem Schulleben in Vergangenheit und Gegenwart zukommt. • welche Ansatzpunkte sich für eine sinnvolle Gestaltung des Schullebens anbieten.

Reflexionsaufgaben Aufgabe 1 Erinnern Sie sich zurück an Ihre eigene Schulzeit. An welche konkreten Ereignisse erinnern Sie sich gerne zurück? Erstellen Sie eine Liste.

Aufgabe 2 Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Erstellen Sie auf einem Flipchart-Papier eine Mindmap zum Begriff Schulleben. Sammeln und organisieren Sie darin alle Dinge, die Ihrer Meinung nach zum Feld Schulleben gehören.

1.1 Begriffliches Bereits Herbart sah eine Trennung von Unterricht und Erziehung als unmöglich an: Jeder Unterricht erzieht (Herbart nach Czerwanski 2004: 7) 421

Was nicht unterschlagen werden darf

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Historische Entwicklung

Positionen

Die daraus resultierende Diskussion um die Einheit von Unterrichtsund Erziehungsaufgaben thematisiert den Aspekt des Schullebens. Dieser Begrif geht auf den Pädagogen Friedrich Fröbel (1782–1852) zurück. Dieser Schüler Pestalozzis vertrat die Überzeugung, im Sinne einer ganzheitlichen Bildung ermögliche ein verantwortlich gestaltetes Schulleben ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Auch Küfer sieht im Schulleben den Versuch, Schülerinnen und Schüler ganzheitlich zu fordern und das Erzieherische gegenüber dem Unterricht zu stärken. Dabei existieren historisch betrachtet zwei unterschiedliche Positionen: • Entweder wurde das Schulleben als Basis und somit als Voraussetzung des Unterrichts gesehen • oder dem Schulleben wurde lediglich die Rolle einer bloßen Ergänzung des Unterrichts zugesprochen (vgl. Küffer 1986: 81). Tatsächlich in den Fokus schulischer Bildungsbemühungen rückt das Konzept des Schullebens vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. Hintz et al. 1993: 288). Dabei kann es folgendermaßen deiniert werden:

Deinition Schulleben

Schulleben kann man begreifen als „den ideellen und faktischen Zusammenhang von Maßnahmen, Traditionen, Anregungen und Vorstellungen, die Schule als lebendige Gemeinschaft zu gestalten, d.h. atmosphärische und institutionelle Bedingungen dafür zu schaffen, dass der einzelne Schüler, seine Beziehungen zu den Mitschülern in der Klasse, der Jahrgangs- und Schulstufe, zu den Lehrern und zu der zugeordneten Elternschaft als positiv erfahren werden können. (Keck 1994: 293)

1.2 Begründung und Zielsetzung

Notwendigkeit

Aus gesellschaftlicher Perspektive führt Küfer Mitte der 1980er Jahre zwei Gründe für die Notwendigkeit des Schullebens an: • Die hohe Arbeitslosigkeit macht es notwendig, Schülerinnen und Schüler möglichst lange in der Schule zu halten. • Schule dient der Förderung staatsbürgerlichen Denkens und Handelns. Beide Gründe lassen sich bedenkenlos auf die Gegenwart übertragen:

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1 Schulleben

• Jedoch ist es heute nicht mehr der Mangel an Arbeits- und Ausbildungsstellen, der es sinnvoll erscheinen lässt, die Schülerinnen und Schüler lange in der Schule zu behalten. Vielmehr ist es die hohe Zahl der Doppelverdienerhaushalte, die es sinnvoll macht, Schülerinnen und Schüler eben nicht um ein Uhr zu entlassen, sondern auch nachmittags zu beschulen. • War das Schulleben in den 1980er Jahren wichtig, damit Schülerinnen und Schüler staatsbürgerliches Denken und Handeln erlernen, so ist diese Aufgabe heute wichtiger denn je. Seit 2015 stieg die Zahl der Asylanträge in Deutschland drastisch an. Da diese nicht ausschließlich von Erwachsenen, sondern in vielen Fällen von Kindern und Heranwachsenden gestellt wurden, unterrichten deutsche Schulen seitdem besonders viele Kinder und Jugendliche aus fremden Herkunftskulturen. Diese müssen in vielen Fällen die kulturelle Lebensweise ihres neuen Gast- oder Heimatlandes erst erlernen. Hier spielen staatsbürgerliches Denken und Handeln eine zentrale Rolle. Viele Pädagogen, Schulpädagogen und Praktiker sehen Schulleben als Gegengewicht zu Leistungsdruck, Verkopfung und Verplanung. Ein gestaltetes Schulleben soll die erzieherische Arbeit der Schule stärken und die an der Schule herrschende Atmosphäre verbessern, um dazu beizutragen, dass Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrkräfte sich an der Schule wohlfühlen. Ein Blick auf die Zeit, die Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler an ihrer Schule verbringen, verdeutlicht die Wichtigkeit dieser Zielsetzung: Geht man von einem Schulbeginn um 08:00 und einem Schulende um 13:00 Uhr aus, rechnet man zusätzlich für einen Wochentag Nachmittagsunterricht ein und geht man davon aus, dass die wenigsten Schülerinnen und Schüler erst um Punkt 8 Uhr in der Schule erscheinen, halten diese sich Woche für Woche etwa 30 Stunden an diesem Ort auf. Weitere Zielsetzungen sind, ein „menschenwürdiges Leben und Zusammenleben“ (Hintz et al. 1993: 289) erfahrbar und lernbar zu machen und die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden zu fördern. Demnach muss Schule bei Schülerinnen und Schülern auf die folgenden Dimensionen abzielen: • kognitive Fähigkeiten • Empfindsamkeit • Feinfühligkeit für eigenes und fremdseelisches Geschehen • musische, gestalterische und spielerische Fähigkeiten • intuitive Fähigkeiten

Schulleben als Gegengewicht zu Leistungsdruck und Co.

Zieldimensionen

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Was nicht unterschlagen werden darf

• Bereitschaft und Kompetenz für praktisches verantwortliches Handeln in öffentlichen Angelegenheiten (vgl. Küffer 1986: 84)

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1.3 Umsetzung Schulleben als Gemeinschaftsaufgabe

Zentral für die verantwortliche Gestaltung des Schullebens ist, dass dieses den Schülerinnen und Schülern nicht seitens der pädagogischen Akteure  – Schulleitung, Lehrkräfte, Sozialpädagogen – vorgesetzt oder gar aufgezwungen wird, sondern dass diese Partizipationsmöglichkeiten haben und Schulleben aktiv mitgestalten. Notwendig ist, dass alle Beteiligten sich gemeinsam auf den Weg machen, Schule „von der Unterrichtsanstalt zur Lebensstätte“ (Struck 1980: 5) weiterzuentwickeln. Abbildung 53 zeigt Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler auf unterschiedlichen Ebenen. Dabei führt Maulbetsch ausschließlich Beispiele an, die tatsächlich bereits an Schulen praktiziert werden.

Abb. 53 | Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitgestaltung des Schullebens durch Schülerinnen und Schüler (Maulbetsch 2011: 10)

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1 Schulleben

Konkrete Beispiele für die verantwortliche Gestaltung des Schullebens lassen sich vor allem dann inden, wenn man potenzielle Bereiche betrachtet, in denen sich dieses fördern lässt: • Schuljahresbeginn und Schuljahresende, Wochenbeginn und Ende der Schulwoche, der erste Schultag nach den Ferien und der letzte Schultag vor den Ferien – gerade Anfang und Ende von Arbeits- und Zeitabschnitten bedürfen der besonderen Akzentuierung und des gemeinsamen, bewussten Begehens. • Gestaltung der Klassenräume und des Schulgebäudes  – hier entscheidet sich, ob Schule lediglich Unterrichts- und Verwahranstalt ist oder im Sinne einer lebendigen Gemeinschaft Ort gemeinsamen Lebens. • Regeln – jegliches menschliche Zusammenleben ist auf Regeln angewiesen. Dort, wo diese konsequent umgesetzt werden, erhalten Schülerinnen und Schüler Orientierung im täglichen Miteinander. Dort, wo diese im gemeinsamen Austausch aller schulischen Akteure entwickelt, beständig überprüft und gegebenenfalls an veränderte Situationen angepasst werden, erfahren Schülerinnen und Schüler menschliches Zusammenleben. • Feste, Feiertage, sonstige Veranstaltungen  – solch besondere Tage und Veranstaltungen im Schuljahr bieten vielfältige Anlässe zum Musizieren, Gestalten, Organisieren, aber auch zu Heiterkeit, Vergnügen und Besinnlichkeit und somit zur ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung. • Unterrichtsgänge, Klassenfahrten, gemeinsame Ausflüge und Aufenthalte im Schullandheim schaffen gemeinsame, verbindende Erlebnisse und stärken nicht allein die Klassengemeinschaft, sondern auch die Identifikation der Schülerinnen und Schüler mit der Schule als solcher. Entscheidend ist dabei, dass Ziele und Inhalte nicht allein von Lehrkräften und Schulleitung vorgegeben werden, sondern dass die Lernenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume haben.

Bereiche

Struck (1980) führt folgende Handlungsfelder auf: • die pädagogische Unter• Integration von Schule und richtspause Ferien • Schulisches Handeln am • der Schullandheimaufenthalt Nachmittag • Feste und Feiern in der • Schulleben am Abend Schule • das Wochenende als schuli- • das Klassenfest sche Investition • das Schulfest • das Sportfest

Handlungsfelder

Besondere Zeitpunkte

Raumgestaltung

Regeln

Feste und Veranstaltungen

Außerschulische Lernorte

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Was nicht unterschlagen werden darf

• die Schülerzeitung • Kommunikation von Schule • der pädagogische Schulleiter und Elternhaus • Schülermitbestimmung

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Schulleben und Unterricht

Wenngleich ein verantwortlich gestaltetes Schulleben Schule zum „Lebens-, Lern- und Lehrraum“ (Hinz et al. 1993: 288) macht, geht Schulleben über die eben angeführten außerunterrichtlichen Veranstaltungen hinaus. Im Kontext Unterricht meint Schulleben auch die „gemeinsame Gestaltung des Unterrichts“ (Hinz et al. 1993: 288) durch Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler.

Zusammenfassung • Schulleben lässt sich definieren als „den ideellen und faktischen Zusammenhang von Maßnahmen, Traditionen, Anregungen und Vorstellungen, die Schule als lebendige Gemeinschaft zu gestalten“ (Keck 1994: 293). • Historisch betrachtet existieren zwei unterschiedliche Sichtweisen auf Schulleben: • Schulleben als Basis und Voraussetzung des Unterrichts • Schulleben als bloße Ergänzung des Unterrichts • Schulleben soll der einzelnen Schülerin und dem einzelnen Schüler die Möglichkeit geben, ihre bzw. seine Beziehungen zu Mitschülerinnen und Mitschülern, zu Lehrkräften und Elternschaft als positiv zu erfahren. • Aus gesellschaftlicher Perspektive machen vor allem zwei Gründe Schulleben notwendig: • Schülerinnen und Schüler müssen möglichst viel Zeit in der Schule verbringen. • Schule dient der Förderung staatsbürgerlichen Denkens und Handelns. • Für eine Gestaltung des Schullebens bieten sich unter anderem die folgenden Ansatzpunkte: • Schuljahresbeginn und Schuljahresende, Wochenbeginn und Ende der Schulwoche • Gestaltung der Klassenräume und des Schulgebäudes • Regelfestsetzung und Regeldurchsetzung • Feste, Feiern und Feiertage • Unterrichtsgänge, Klassenfahrten, gemeinsame Ausflüge und Aufenthalte im Schullandheim • die pädagogische Unterrichtspause • schulisches Handeln am Nachmittag • Schulleben am Abend • das Wochenende als schulische Investition • Integration von Schule und Ferien • die Schülerzeitung 426

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1 Schulleben

• der pädagogische Schulleiter • Kommunikation von Schule und Elternhaus • Schülermitbestimmung • Neben all diesen Aspekten wird oftmals vergessen, dass ein verantwortlich gestaltetes Schulleben sich nicht auf außenunterrichtliche Veranstaltungen beschränkt, sondern auch eine von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern gemeinsam verantwortete Gestaltung des Unterrichts einschließt.

Wissens- und Transferaufgaben 1. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe: • Versuchen Sie sich gemeinsam an einer eigenen Definition von Schulleben. • Diskutieren Sie die Notwendigkeit eines gestalteten Schullebens. 2. Führen Sie eine zitierfähige Definition des Begriffs Schulleben an. 3. Aus historischer Perspektive existieren zum Schulleben zwei unterschiedliche Positionen: • Führen Sie diese Positionen aus. • Was spricht für die eine, was für die andere Sichtweise? 4. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in zwei Gruppen: • Gruppe A vertritt die Meinung, das Schulleben sei Basis und Voraussetzung des Unterrichts. Sammeln Sie Argumente für diese Position. • Gruppe B vertritt die Meinung, dem Schulleben komme lediglich die Rolle der Ergänzung des Unterrichts zu. Sammeln Sie Argumente für diese Position. • Führen Sie nun eine Pro- und Kontradiskussion durch, bei der abwechselnd ein Mitglied jeder Gruppe ein Argument vorbringt und ausführt. 5. Mit der Gestaltung des Schullebens werden seit jeher unterschiedliche Ziele verfolgt: • Welche Zielsetzungen verfolgt ein gestaltetes Schulleben? • Auf welche Dimensionen der Schülerinnen und Schüler muss Schulleben abzielen? 6. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe. Versetzen Sie sich in die Situation einer Schulleiterin oder eines Schulleiters, die/der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das kaum existierende Schulleben an ihrer/seiner Schule zu beleben: • Skizzieren Sie zunächst Eckpunkte eines in Ihren Augen optimalen Schullebens. • Erstellen Sie eine mediengestützte Präsentation, in der Sie diese Eckpunkte den anderen Studierenden vorstellen. • Sammeln Sie Ideen, um Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Eltern in die Neugestaltung des Schullebens einzubeziehen. 427

Was nicht unterschlagen werden darf

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7. Arbeiten Sie gemeinsam mit anderen Studierenden in der Gruppe:

• Übertragen Sie sie die Mindmap auf ein Flipchart-Papier. • Ergänzen und vervollständigen Sie diese.

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2 Lehrpläne, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung 2.1 Lehrpläne 2.2 Bildungsstandards 2.3 Lehrpläne und Bildungsstandards im Vergleich 2.4 Kompetenzen und Kompetenzorientierung Dieses abschließende Kapitel widmet sich den Themen Lehrpläne, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung und somit den Grundlagen Ihrer schulischen Tätigkeit. Deshalb und auch aufgrund der Aktualität dieser Themen erscheint die Platzierung am Ende dieses Buchs auf den ersten Blick überraschend. Dafür jedoch sprechen gleich mehrere Gründe: • Lehrpläne und Bildungsstandards mögen zwar einerseits die Grundlage für Ihr praktisches Arbeiten in der Schule sein, bedürfen aber andererseits all des erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissens und Könnens, um in die Tat umgesetzt zu werden. • Der Großteil der bisherigen Inhalte dieses Buchs ist auf das konkrete Handeln der Lehrkraft ausgerichtet und – die folgenden Ausführungen betreffen deutlich stärker die unterrichtstheoretische Ebene. • Außerdem sind die folgenden Ausführungen bewusst knapp gehalten, da speziell die Themenkomplexe Bildungsstandards und Kompetenzorientierung ein aktuell besonders intensiv diskutiertes Thema sind, sodass der Verweis auf umfangreichere Literatur sinnvoll erscheint. Während Lehrpläne seit jeher traditioneller Bestandteil schulischen Unterrichtens sind, sind Bildungsstandards und Kompetenzorientierung Elemente, die eine systematische Qualitätssicherung und eine wissenschaftlich fundierte Schulentwicklung ermöglichen sollen.

2.1 Lehrpläne Wie auch Bildungsstandards fallen Lehrpläne in den Bereich der staatlichen Vorgaben unterrichtlichen Handelns. Lehrpläne geben Ihnen als Lehrkraft Orientierung bei der Erfüllung Ihrer Unterrichtsaufgabe und sollen somit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Bildungsziele erreicht werden. 429

Was nicht unterschlagen werden darf

Synonyme

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Lehrplan ≠ Curriculum

Neben dem Begrif Lehrplan werden in Literatur und schulischer Praxis die Begrife Richtlinie, Bildungsplan, Rahmenpläne oder auch Stofpläne synonym verwendet. Leider werden in der schulischen Praxis gelegentlich Lehrplan und Curriculum fälschlicherweise gleichgesetzt. Anders als Lehrpläne jedoch geben Curricula nicht nur Auskunft über Lerninhalte, eventuell noch über Lernziele, sondern auch über die einzusetzenden Methoden.

2.2 Bildungsstandards Deinition Bildungsstandards

Bildungsstandards unterscheiden sich von Lehrplänen durch ihre Output-Orientierung. Sie zeigen nicht die zu vermittelnden Stofe auf, sondern die fachlichen Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Schullaufbahn erworben haben sollen. So sind Bildungsstandards „normativ festgelegte Werte, die angeben, inwiefern eine Zieldimension bezogen auf einzelne Kriterien und Indikatoren […] erfüllt ist.“ (Zeitler 2013: 38) Bildungsstandards geben also Auskunft über das Ausmaß von Erfolg und Misserfolg von Bildungsprozessen. Sie ermöglichen es, den „Auftrag der Schule präziser, überprüfbar und verbindlicher“ (Künzli 2010: 440) zu formulieren.

2.3 Lehrpläne und Bildungsstandards im Vergleich OutputOrientierung

Bildungsstandards zielen nicht darauf ab, Lehrpläne überlüssig zu machen oder zu ersetzen. Vielmehr stellen sie ein weiteres Steuerungselement schulischer Bildungsprozesse dar und ermöglichen durch ihre Output-Orientierung die Überprüfung der Erfolge. Weitere Unterschiede zeigt Tabelle 29. Tabelle 29 | Vergleich Lehrpläne | Bildungsstandards

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Lehrpläne

Bildungsstandards

Tradition zurückverfolgbar bis in das antike Griechenland

Anfang des 21. Jahrhunderts

formuliert von den Kultusministerien der einzelnen Bundesländer

erarbeitet von Expertengruppen und von der Kultusministerkonferenz beschlossen

schulartspeziisch

abschlussbezogen

Input-orientiert

Output-orientiert

2 Lehrpläne, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

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Seit der Einführung der Bildungsstandards ist eine Annäherung von Lehrplänen und Bildungsstandards zu beobachten (vgl. Zeitler 2013: 41). So werden Lehrpläne nun zunehmend auch kompetenzorientiert formuliert.

2.4 Kompetenzen und Kompetenzorientierung Im Zuge der Verabschiedung von Bildungsstandards „in den Jahren 2003 und 2004 wurden bestimmte Kompetenzen für den Unterricht in den so genannten ‚Kernfächern‘ festgelegt, über die Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Jahrgangsstufe und der Sekundarstufe I verfügen sollen“ (KMK 2009: 2). Der Begrif der Kompetenzen oder Kompetenzorientierung ist bezeichnend für einen der größten Reformprozesse im deutschen Schulwesen. Er steht sinnbildlich für die neue Lernkultur, die aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Vorgang des Lernens in Schulen Einzug gehalten hat. Innerhalb dieser neuen Lernkultur ist die Kompetenzorientierung die „wohl pädagogisch bedeutsamste Veränderung“ (Künzli 2010: 442), da sie nicht allein Form und Verbindlichkeit ofizieller Vorgaben berührt, sondern ebenso deren inhaltliche Substanz (vgl. Künzli 2010: 442). Konkreter Ausgangspunkt für die Orientierung an Kompetenzen war das vergleichsweise schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler in internationalen Vergleichsstudien. So wurde deutschen Schülerinnen und Schülern vor allem träges, isoliertes Wissen attestiert, das in Alltagssituation nicht angewandt werden kann. Ebenso wie auch die Einführung von Bildungsstandards soll auch die Orientierung an Kompetenzen nachhaltiges Lernen und anwendungsbezogenes, ganzheitliches Können nach sich ziehen. Dementsprechend ist das aktuell eingeführte Konzept der Kompetenzorientierung nichts anderes als die Umsetzung der althergebrachten Weisheit Nicht für die Schule lernen wir, sondern fürs Leben. Dabei lässt sich der Begrif Kompetenz folgendermaßen bestimmen: „Eine Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, durch Erfahrung und Lernen erworbenes Wissen und Können in immer wieder neuen Handlungssituationen selbstständig, verantwortungsbewusst und situationsangemessen anzuwenden.“

Kompetenzorientierung als grundlegende Reform

Kompetenzorientierung als Antwort auf Vergleichsstudien

Deinitionen Kompetenz

(Meyer 2012: 148) 431

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Was nicht unterschlagen werden darf

Weinert bestimmt Kompetenzen als die „bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert 2001: 27f.)

Dimensionen

Wissen als Bestandteil von Kompetenz

Kompetenzstufen

432

Gerade die Deinition von Weinert zeigt die Mehrdimensionalität von Kompetenzen sehr deutlich. So umfassen Kompetenzen die folgenden Dimensionen: • Wissen • Volition • Fähigkeiten • soziale Aspekte • Fertigkeiten • Erfahrung • Einstellungen • konkretes Handeln • Motivation Hervorzuheben sind die Dimensionen Volition und konkretes Handeln, da Kompetenzen darauf abzielen, bei der Bewältigung von Aufgaben im Alltag tatsächlich eingesetzt zu werden. Der erste Punkt in der Aufzählung der unterschiedlichen Dimensionen macht deutlich, dass die häuig  – auch in Lehrerzimmern – geäußerte Kritik an der Kompetenzorientierung, diese lasse kontinuierlichen Wissensaufbau außen vor, falsch ist. Vielmehr ist Wissen eine zentrale Dimension jeder Kompetenz. Jedoch handelt es sich dabei nicht um träges, isoliertes Wissen, sondern um anwendungsbezogenes Wissen (vgl. Klieme und Hartig 2007: 13). Kompetenzstufenmodelle zeigen an, welche Kompetenzen die Lernenden bis zu welchem Abschnitt ihrer Schullaufbahn erworben haben sollen. Die Kultusministerkonferenz unterscheidet fünf Kompetenzstufen: • Auf Niveaustufe I finden sich Kompetenzen unterhalb der gesetzten Mindeststandards. • „Mindeststandards beschreiben auf Niveaustufe II ein definiertes Minimum an Kompetenzen, das von allen Schülerinnen und Schülern zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollte. • Regelstandards beschreiben Kompetenzen auf einer Niveaustufe (Stufe III), die im Durchschnitt von den Schülerinnen und Schülern bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollte.

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2 Lehrpläne, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

• Um Schulen für die Weiterentwicklung von Unterricht Ziele anzubieten, die über die Regelstandards hinausgehen, wird eine Niveaustufe (Stufe IV) definiert, die als Regelstandard plus bezeichnet wird. • Maximalstandards beschreiben Leistungserwartungen auf einer Niveaustufe (Stufe V), die unter sehr guten bzw. ausgezeichneten individuellen Lernvoraussetzungen und der Bereitstellung gelingender Lerngelegenheiten innerhalb und außerhalb der Schule erreicht werden kann und bei Weitem die Erwartungen der Bildungsstandards übertrifft“ (KMK 2009: 7). Bereits heute hat Kompetenzorientierung nicht nur in die Forschung und Lehrerbildungsstätten Einzug gehalten. Vielmehr ist mittlerweile in den Bereichen Lehrplanentwicklung, Schulentwicklung und Fortbildung eine Orientierung an Kompetenzen und eine Berücksichtigung der Kompetenzorientierung geradezu selbstverständlich. Bis tatsächlich kompetenzorientierter Unterricht in allen Klassenzimmern Deutschlands stattindet, wird es aller Voraussicht nach dennoch noch lange dauern, da dies nicht nur eine Nachqualiikation und eine Fortbildung der Lehrkräfte, sondern ein generelles Umdenken erfordert.

Zusammenfassung • Lehrpläne werden auch als Richtlinien, Bildungspläne, Rahmenpläne oder Stoffpläne bezeichnet. • Als staatliche Vorgaben unterrichtlichen Handelns sollen Lehrpläne das Erreichen von Bildungszielen wahrscheinlicher machen und geben Ihnen als Lehrkraft Orientierung bei der Erfüllung Ihrer Unterrichtsaufgabe. • Anders als Lehrpläne sind Bildungsstandards output-orientiert. Sie zeigen die fachlichen Kompetenzen, über die Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Zeitpunkten verfügen sollen. • Bildungsstandards lassen sich definieren als „normativ festgelegte Werte, die angeben, inwiefern eine Zieldimension bezogen auf einzelne Kriterien und Indikatoren […] erfüllt ist“ (Zeitler 2013: 38). • Somit geben Bildungsstandards Auskunft über Erfolg und Misserfolg von Bildungsprozessen. • Die Unterschiede zwischen Lehrplänen und Bildungsstandards zeigt die Tabelle 30.

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Tabelle 30 | Unterschiede Lehrpläne | Bildungsstandards

Lehrpläne

Bildungsstandards

Tradition zurückverfolgbar bis in das antike Griechenland

Anfang des 21. Jahrhunderts

formuliert von den Kultusministerien der einzelnen Bundesländer

erarbeitet von Expertengruppen und von der Kultusministerkonferenz beschlossen

schulartspeziisch

abschlussbezogen

Input-orientiert

Output-orientiert

• Mit der Verabschiedung von Bildungsstandards wurden Kompetenzen für den Unterricht in den Kernfächern festgelegt, die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der vierten Jahrgangsstufe und der Sekundarstufe I erworben haben sollen. • Dabei bezeichnet eine Kompetenz nach Meyer (2012: 148) „die Fähigkeit, durch Erfahrung und Lernen erworbenes Wissen und Können in immer wieder neuen Handlungssituationen selbstständig, verantwortungsbewusst und situationsangemessen anzuwenden.“ • Für Weinert (2001: 27f.) sind Kompetenzen die „bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ • Kompetenzorientierung ist bezeichnend für einen der größten Reformprozesse im deutschen Schulwesen und steht für eine neue Lernkultur, die aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse in Schulen Einzug gehalten hat. • Die Kultusministerkonferenz unterscheidet fünf Kompetenzstufen: 1. Kompetenzen unterhalb der gesetzten Mindeststandards 2. Mindeststandards – ein definiertes Minimum, das von allen Schülerinnen und Schülern zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollte 3. Regelstandards – Kompetenzen, die im Durchschnitt von den Schülerinnen und Schülern bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollten 4. Regelstandard plus – Kompetenzen, die über die Regelstandards hinausgehen 5. Maximalstandards – Kompetenzen, die die Erwartungen der Bildungsstandards bei Weitem übertreffen

Wissens- und Transferaufgaben 1. Bestimmen Sie den Begriff Lehrplan: • Nennen Sie dazu Synonyme. • Führen Sie die Funktionen von Lehrplänen an. 434

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2 Lehrpläne, Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

• Versuchen Sie sich an einer Begriffsbestimmung in eigenen Worten. • Grenzen Sie Lehrpläne gegenüber Curricula ab. 2. Bestimmen Sie den Begriff Bildungsstandards: • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Grenzen Sie dazu Bildungsstandards gegenüber Lehrplänen ab. • Nennen Sie die Vorteile, die Bildungsstandards mit sich bringen. • Ergänzen Sie die folgende Tabelle: Lehrpläne

Bildungsstandards

Tradition zurückverfolgbar bis in das antike Griechenland erarbeitet von Expertengruppen und von der Kultusministerkonferenz beschlossen schulartspeziisch Output-orientiert

3. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe: Weshalb ist eine Annäherung von Lehrplänen und Bildungsstandards zu beobachten? • Sammeln Sie mögliche Gründe. • Welche Problematik sehen Sie in dieser Entwicklung? Diskutieren Sie. 4. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe. Nähern Sie sich dem Begriff der Kompetenzorientierung: • Versuchen Sie sich dabei an einer Definition des Begriffs Kompetenzen in eigenen Worten. • Führen Sie eine zitierfähige Definition an. • Was mag mit der Äußerung gemeint sein, Kompetenzorientierung stehe sinnbildlich für eine neue Lernkultur? Diskutieren Sie. • Tragen Sie die Dimensionen zusammen, die Kompetenzen in sich bergen. 5. Die Kultusministerkonferenz unterscheidet in ihrem Kompetenzstufenmodell fünf Stufen. Nennen und erläutern Sie diese knapp. 6. Arbeiten Sie mit anderen Studierenden in der Gruppe. Diskutieren Sie die folgende Äußerung einer erfahrenen Praktikumslehrkraft: Kompetenzorientierung? Manche brauchen eben ein paar neue, schlaue Begriffe, um sich wichtig zu machen. Außerhalb der Uni, im Lehrerzimmer, spricht niemand von Kompetenzen. Merkt euch einfach, dass die alten Lernziele in den Lehrplänen jetzt eben Kompetenzen heißen. • Die Kompetenzorientierung kommt nur langsam in den Lehrerzimmern an. Diskutieren Sie mögliche Ursachen.

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Literatur

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Register abgebildete Wirklichkeit 204, 206 Additamentum 214, 217, 218 Aktionismus 174, 179 Aktionsform 235, 236, 242, 243 aktives Zuhören 150, 224 Aktivierung 179, 187, 298, 302, 392 Alltagspsychologie 309, 311-315 Amtsautorität 102, 106, 115 Anpassung 70, 89, 91, 94, 247 Anschaulichkeit 200, 206, 207, 300, 302 Anwenden 189, 194, 196, 197, 230, 275, 390 Aspekte pädagogischer Autorität 102 aufgebende Unterrichtsform 239-243 aufgesuchte Wirklichkeit 203, 206 Auftragsautorität 102, 103 äußere Anschauung 201, 204, 206, 207 äußere Differenzierung 210, 211, 217, 218 Authentizität 118, 128, 248 autogene Faktoren 71 autokratischer Erziehungsstil 124, 127 Automatisieren 189, 184, 197 autonomes Lernen 385, 387, 399, 400 Autonomie 93, 110, 180, 269, 280, 413, 416 autoritärer Erziehungsstil 122-124, 128 Autorität 38, 47, 98-107, 112, 115, 118, 120, 124, 129, 439, 445 Autoritätsverhältnis 98, 104-106 Bayerische Verfassung 24, 182 Bayerisches Gesetz über das Erziehungsund Unterrichtswesen 154 BayEUG s. Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Behaviorismus 351, 354, 355, 357, 360, 362, 365, 367, 409, 415 Belohnung 51, 111, 145-148, 156, 157, 159, 358, 407-409, 413, 415

Beobachtungsverfahren 326, 327, 333, 334 Berufsbild 29-31, 33 Bestrafung 111, 150-153, 158, 159, 214, 356, 358, 409, 415 Beurteilungsfehler 263 Beurteilungsverfahren 326, 333 Bezugsnormen 259, 260, 323 Bildung 24, 25, 33, 40, 44, 49, 50, 52, 53 Bildungsrat 29-31, 44 Bildungsstandard 429-431, 433-435, 441, 447 Binnendifferenzierung 211, 217, 274, 278 BLEIB 30 darbietende Unterrichtsform 164, 235239, 242, 243 darstellende Unterrichtsform 235, 237, 242 deklaratives Wissen 354, 365, 366, Dekodierung/Dekodieren 374, 375, 382 demokratischer Erziehungsstil 122-124, 128 deskriptiv-wertneutraler Erziehungsbegriff 48 diagnostische Kompetenz 31, 32, 33, 195, 212-214, 217, 328 dialogische Unterrichtsform 241-243 didaktische Kompetenz 32, 103, 183, 187 Didaktisches Dreieck 171, 200 Differenzierung 138, 139, 149, 164, 196, 209-219, 265, 273-278, 298-302, 446 dimensionsorientiertes Konzept 120, 121, 125, 128, 129 direkte Instruktion 249, 271, 273-276, Dirigierung 126 Distanzierungsfähigkeit 61, 93 Disziplin 26, 28, 37, 39, 82, 87, 99, 132134, 137-140, 151, 156, 165-167, 259, 284, 291, 307 449

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Dressur 44, 50-53, 156 Drohung 150, 151, 155, 158, 159 Echtheit 114, 115, 119, 126, 128 egalitärer Erziehungsstil 124, 127 Einprägen 194, 196, 197 Einzelarbeit 227, 228, 230-233 Emanzipation 48, 80, 83, 85, 88, 438 Emotionsstrategien 392 endogenistischer Entwicklungsbegriff 337, 347, 349 Enkodieren 374, 382, 395 Enkulturation 49, 89-96, 256, 342, entdeckenlassende Unterrichtsform 235, 241-244 Entfaltung 30, 38, 45, 81, 89, 90, 93-97, 256 entwickelnde Unterrichtsform 239, 240, 243 Entwicklungspädagogik 341 Entwicklungspsychologie 308, 336-345, 348, 349 episodischer Puffer 379, 383 Erbanlage 66-71, 337, 347 Erbtheorie 66 ergänzende Medien 295, 301 Ermutigung 138, 148, 149, 158, 159, 278 Erziehung 15, 25, 30, 31, 34, 37, 40-51, 55-71, 74, 75, 77-86, 89, 90, 93-102, 105, 109-113, 116 – direkte Erziehung 48, 52 – formale Erziehung 48 – funktionale Erziehung 48, 52, 53 – indirekte Erziehung 48, 52 – informelle Erziehung 48 – intentionale Erziehung 48, 52 Erziehungsmaßnahme 38, 138, 143-148, 150-152, 156-159 – direkte Erziehungsmaßnahme 145, 157, 158 450

– gegenwirkende Erziehungsmaßnahme 38, 139, 143, 145, 150, 151, 153, 157, 158 – indirekte Erziehungsmaßnahme 145, 157, 158 – unterstützende Erziehungsmaßnahme 143, 145, 146, 152, 156-158 Erziehungsziel – Minimalbegriff 74, 75, 86, 87 – Normbegriff 75, 86, 87 ErziehungUndBildung 44, 49, 52 exogene Faktoren 69, 71, 338, 341 exogene Umwelteinflüsse s. exogene Faktoren exogenistischer Entwicklungsbegriff 337, 347, 349 externale Regulation 407, 415 Freiarbeit 131, 224, 250, 277, 281, 389, 400 fremdgesteuertes Lernen 387, 388, 400 Frontalunterricht 131, 227, 228, 230, 232234, 269, 273-276, 290, 446 Fundamentum 213, 217, 218 Gedächtnis 50, 202, 271, 290, 299, 329, 345, 354, 359, 369-383, 391, 403, Gedächtnisprozesse 308, 360, 366, 374 Gehirn 58, 70, 308, 342, 369-375, 382, genetische Ausstattung 65, 66, 68, 71 Gesprächsmethode 325, 333, 334 Großhirn 371, 381 Großhirnrinde 58, 371, 372, 381 Grundgesetz 23, 48 Gruppenarbeit 227-232, 278, 287, 296 Gruppennoten 262, 265 Gruppenunterricht 228, 232 Gütekriterien 260, 261, 264, 316, 323, 325, 327, 328, 333, 335 Handlungsorientierung 138, 163, 170, 171, 174-176, 291, 445

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Hattie-Studie 164, 245-253, 268, 270-273, 280, 290, 439, 441, 445, 447 hereingeholte Wirklichkeit 204, 206 Heterogenität 164, 209, 210, 216, 288 Hirnstamm 371, 381 Homogenität 209 Hospitalismus 37, 61, 71 Ich-Botschaft 137, 150, 160 identifizierte Regulation 408, 415 Ideologie 76, 81 immaterieller Aktivitätsverstärker 147, 157 impulsgebende Unterrichtsform 239, 240, 243 Individualisierung 33, 164, 209, 210, 214218, 250, 260, 262, 278, 298, 302 Individuation 93, 96 Inklusion 209, 210, 216-219, 437 innere Anschauung 201, 207 innere Differenzierung 209-213, 217, 218, 230 Instruktion 164, 180, 250, 268-270, 290, 292, 362, integrierte Regulation 408, 415 interschulische Differenzierung 211, 217, 218 Intervention 139, 249 intraschulische Differenzierung 211, 217, 218 introjizierte Regulation 407, 415 Klassenführungskompetenz 32, 33, 183, 187, 214 Klassenunterricht 225, 228, 229, 232, 236 Kleinhirn 371, 381 Kognitivismus 351, 355, 359-362, 367 Kompetenzen 29-34, 37, 89, 101, 113, 180, 184, 191, 217, 218, 224, 231, 239, 240, 279, 285, 389, 429-435, 438 Kompetenzorientierung 172, 224, 258, 265, 288, 429, 431-435

Kompetenzstufenmodell 432 Kompetenztrias 84 Konditionieren 181, 355-359, 365, 367 Königsmethode 268, 270, 282 Konstruktivismus 269, 290, 351, 356, 362-366, 367, 446 Koppelung 357 Krise 342, 350 Krisenthese 282, 283 kriteriumsorientierte Diagnostik 323, 332 Kultusministerkonferenz 29, 31, 33, 388, 430, 432, 434, 435 Kurzzeitspeicher 376, 377, 383 kustodiale Funktion 28 laissez-faire Erziehungsstil 122-124, 127, 128 Langzeitspeicher 377, 383 Legitimationsfunktion 26, 27 Lehrmittel 294, 301, 302 Lehrplan 23, 27, 48, 79, 81, 105, 165, 166, 172, 186, 195, 204, 257, 277, 279, 430, 433, 434 Leistung 27, 34, 104, 114, 117, 121, 122127, 164, 181, 190-197, 209-218, 230, 237, 241, 245, 247-267, 283, 389, 316, 321-323, 326, 329, 330, 353, 404-409, 413-416 Leistungsbewertung 164, 195, 197, 215, 218, 254-265, 289 Leistungsfeststellung 193, 215, 241, 254259, 262-266, 335 Leistungsmessung 245, 254-263, 265, 267, 316, 440, 446 Leistungsmotivation 181, 408, 414, 416 Lenkung 125-128, 239, 389, 397 Lernen am Erfolg 357, 365 Lernen am Modell 351, 355, 360, 361, 367 Lernen an Stationen 185, 281, 389, 400 Lernmittel 294, 301, 302, 386, 400 Lernmotivation 281, 364, 404, 407, 408, 413-416 451

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Lernstrategien 185, 215, 247, 280, 386403, 416, Lerntechniken 249, 392, 400, 402 Lernziel 76, 86, 174, 215, 231, 245, 248, 250, 256, 257, 260, 265, 269-272, 276, 280, 281, 290, 386, 390-394, 400, 430, 435 limbisches System 371, 372, 381 Lob 50, 111, 123, 145-149, 156-159, 356, 358 logische Folge 154 Makromethodik 223, 225 Mängelwesen 57, 60 Manipulation 44, 51-53, 81, 87, 112, 117, 156, 205 Medien 43, 80, 164, 199, 201-206, 213218, 225, 250, 293-303 Medienschlacht 204-206, 293 Mehrspeichermodell 376, 377, 382, 383 Mesomethodik 205, 223-227 Meta-Meta-Studie 248, 252 Methodenkompetenz 179, 180, 220, 224, 258, 288 Mikromethodik 223, 225 Milieutheorie 67 Modifikationsdiagnostik 322-334 Motiv 144, 405 Motivation 33, 69, 117, 149, 170, 173, 181, 193, 196, 202, 203, 206, 209, 214, 246, 251, 254, 274, 280, 288, 298, 302, 308, 345, 353, 404-417, 432 Motivationsstrategie 392 Motivierung 170, 405, 414, 416 Mündigkeit 37, 48, 50, 80, 83-89, 95, 96, 101, 105, 106, 170, 175, 176, 182 nachgeahmte Wirklichkeit 204, 206 natürliche Folge 153 negierender Erziehungsstil 124, 127 Nestflüchter 57, 58, 70 452

Nesthocker 57-59, 70 nonformale Erziehung 48 normorientierte Diagnostik 322, 323, 334 Objektivität 260, 261, 325, 327, 333 Ordnungsmaßnahme 98, 106, 139, 143, 154-160 pädagogisch-psychologische Diagnostik 308, 316-320, 325, 327, 328, 331-334, pädagogische Mythen 63, 71 pädagogischer Bezug 38, 47, 109-120, 126, 129, 137, 149, 152, 215, 274, 278, 362, 367 pädagogischer Realismus 67-71 pädagogischer Takt 101, 104 Partizipation 83, 85, 87, 88, 138, 424 Partnerarbeit 185, 227-230, 232, 233 permissiver Erziehungsstil 124, 127 Personalisation 49, 89-97 Personalität 93 Personenautorität 102, 106, 115 Phasenmodell 336, 342, 346, 350 phonologische Schleife 377, 378, 383 physiologische Frühgeburt 58, 63 Plenum 229, 241 Plenumsunterricht 228, 231, 232 Portfolio 262, 265 Prägung 342, 348, 350 Prävention 137-139, 311 primäre Prävention 137 programmatisch-präskriptiver Erziehungsbegriff 48 Projektorientierter Unterricht 283 prozedurales Wissen 354, 365, 366 prozessbezogene Gedächtnismodelle 376, 379, 382 Prozessdiagnostik 332, 334 psychische Dispositionen 47, 52, 86 Qualifikationsfunktion 26, 27

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Reifung 329 , 341, 348, 350, 352 Reifungsprozess s. Reifung Reliabilität 260, 261, 327 Ressourcennutzung 392 Sachautorität 103, 107 Sachgemäßheit 172, 176, 299, 302 Sachkompetenz 32, 33, 83-85, 89, 103, 105, 180, 191, 288, 289 Sachorientierung 163, 170-173, 175, 176, 238 Schereneffekt 218, 219 schülerkooperierende Unterrichtsform 241-243 Schülerorientierung 163, 170-176, 232, 238, 262, 284, 285, 291 Schülerselbstbeurteilung 262, 265 Schulgesetz NRW 154, 155 Schulleben 31, 115, 118, 167, 421-427 Schulreife 316, 328, 329, 333-344 sekundäre Prävention 137, 138 selbstinformierende Medien 295, 301 Selbstkompetenz 37, 83-85, 89, 105, 172, 180, 181, 184, 186, 187, 191, 242, 256, 288, 289, 291 selbstkontrollierende Medien 295, 301 Selbstständigkeit 45, 52, 75, 113, 126, 182, 183, 213, 230, 284, 288, 291, 413, 416 Selbststeuerung 37, 69, 71, 281, 291, 386-388 Selbsttätigkeit 138, 164, 170, 178-189, 193, 196, 224, 237, 241, 262, 290, 294, 300, 302, 438 Selbstunterrichtende Medien 295, 301 Selektionsdiagnostik 321, 322, 332 Selektionsfunktion 26-28, 118, 258 self-directed learning 384, 385, 399 semantische Elaboration 380 sensible Perioden 342, 348, 350 sensorische Analyse 379 Sensorischer Speicher 376, 383

Sozialformen 164, 195, 197, 214, 217, 218, 223, 225-233, 236, 243, 278 Sozialisation 23, 42, 49, 76, 81, 89-97, 133, 342 Sozialkompetenz 38, 83-85, 89, 105, 180, 187, 191, 241, 242, 258, 262, 288, 289, 291 Spontaneität 93 Statusdiagnostik 322, 332 Stillarbeit 228, 230, 232 Stimulus 356 Strafe 50, 51, 68, 145, 151-153, 156-160, 407, 408 Stufenmodell 336, 342-344, 348, 350, 360, 409, 415, 432, 435 Tadel 123, 145, 150, 151, 156, 158, 159, 356 Tandemarbeit 228, 232 Testmethode 326, 333, 335 Transfer 30, 194, 197, 198, 230, 272, 273, 275 Transferdenken s. Transfer Transferieren 194, 196, 275 typologisches Konzept 120-122, 127 Üben 194, 196, 197, 230, 247, 249, 252, 272-276, 291 Umwelteinflüsse 37, 66-71, 347 Unterrichtsmethode 32, 164, 183, 220226, 247, 285 Validität 260, 261, 327, 333 Verantwortlichkeit 93 Verarbeitungstiefe 379, 382, 383, 395 Verfassung Nordrhein-Westfalen 24, 182 Verstärker 146, 147, 157, 358, 365 Verstehen 114, 115, 118, 119, 126, 128, 377, 390, 391, 394 Verwahrlosung 37, 64, 65, 71 visuell-räumliches Notizbuch 378 453

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Wachstum 58, 342, 343, 350 Wärme 64, 126, 128, 278 Wertschätzung 26, 104, 107, 114-119, 125 Wiedergutmachung 152, 153, 158, 159 Wiederholen 189, 193, 194, 197, 209, 230, 274, 376, 407 Wiederholungsstunde 195, 196 wilde Kinder 55, 56, 64 Wochenplan 185, 224, 280, 281, 291, 389, 400,

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Wolfskinder 55, 56 Zensuren 246, 261 Zielgemäßheit 171, 175, 302 Zielorientierung 163, 170-172, 175, 176, 238 Zukunftsoffenheit 81, 87

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