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German Pages 280 [284] Year 2007
Linguistische Arbeiten
511
Herausgegeben von Klaus von Heusinger, Gereon Müller, Ingo Plag, Beatrice Primus, Elisabeth Stark und Richard Wiese
Christina Kauschke
Erwerb und Verarbeitung von Nomen und Verben
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2007
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-30511-3
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2007 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Einband: Laupp & Göbel GmbH, Nehren
Inhalt
Verzeichnis der Abbildungen
IX
Verzeichnis der Tabellen
XI
Einleitung
1
1 Zur Unterscheidung zwischen Nomen und Verben 1.1 Morphologische Kriterien 1.2 Phonologische Kriterien 1.3 Syntaktische Kriterien 1.4 Semantische Kriterien 1.5 Semantisch-konzeptuelle Faktoren: Objekt- versus Handlungsreferenz 1.6 Kritik an Klassifikationskriterien und Alternativen 1.7 Nomen und Verben als kognitive Kategorien 1.8 Zur Universalität der Nomen-Verb-Distinktion 1.8.1 Debatte um die Universalität von Nomen und Verben 1.8.2 Nomen-Verb-Distinktion in ausgewählten Einzelsprachen 2 Erwerb 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.4
von Nomen und Verben Kategorisierung im frühen Spracherwerb Phonologische cues Konzeptuelle cues Semantische cues Distributionelle cues Syntaktische cues Pragmatische cues Fazit Entwicklung des Nomen- und Verblexikons Experimentelle Befunde zum Wortlernen Frühe kindliche Lexikonentwicklung Inputeigenschaften Wortartspezifische Verarbeitung in späteren Phasen des Spracherwerbs Subkategorien von Nomen und Verben im Spracherwerb Überblick über den Spracherwerb im Koreanischen und Türkischen
75 8 10 11 13 14 17 19 28 28 32 41 42 44 44 45 46 50 51 53 55 55 59 63 68 70 73
VI 3 Verarbeitung von Nomen und Verben bei Erwachsenen 3.1 Psycholinguistische Verarbeitung von Nomen und Verben 3.2 Neurolinguistische Aspekte der Nomen-Verb-Distinktion
76 76 80
4 Störungen des Erwerbs und der Verarbeitung von Nomen und Verben .. 4.1 Kategoriespezifische Defizite bei Aphasie 4.2 Verbdefizite bei Sprachentwicklungsstörungen
91 91 96
5 Bildbenennen als Methode zur Erfassung der Wortverarbeitung 5.1 Komponenten des Benennprozesses 5.2 Einflussvariablen 5.2.1 Itemeigenschaften 5.2.2 Aufgabenstellung 5.3 Benennen bei Kindern
102 102 103 104 107 109
6 Fazit
114
7 Empirischer Teil 7.1 Hypothesen 7.2 Material und Methode 7.3 Aufbereitung und statistische Auswertung der Daten 7.4 Ergebnisse 7.4.1 Empirische Untersuchungen I: Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen 7.4.1.1 Auftreten von Nomen und Verben in der Spontansprache bei Erwachsenen 7.4.1.2 Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen 7.4.1.3 Reaktionszeiten beim Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen 7.4.1.4 Reaktionszeiten beim lexikalischen Entscheiden über Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen 7.4.2 Empirische Untersuchungen II: Nomen und Verben im ungestörten deutschen Spracherwerb 7.4.2.1 Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten deutschen Kindern 7.4.2.2 Ermittlung des Benennalters 7.4.2.3 Fehlerstrategien beim Benennen 7.4.2.4 Verstehen von Nomen und Verben bei ungestörten Kindern . . . . 7.4.2.5 Vergleich zwischen produktiven und rezeptiven Leistungen . . . . 7.4.2.6 Vergleich der Benennleistungen in Abhängigkeit vom Stimulusmaterial 7.4.3 Empirische Untersuchungen III: Nomen und Verben bei ungestörten Kindern im Sprachvergleich
117 117 122 125 127 127 127 133 134 136 140 140 144 147 152 154 157 158
VII 7.4.3.1 7.4.3.2 7.4.3.3 7.4.4 7.4.4.1 7.4.4.2
Benennen und Verstehen von Nomen und Verben bei koreanischen Kindern Benennen von Nomen und Verben bei türkischen Kindern Benennen von Nomen und Verben bei englischen Kindern Empirische Untersuchungen IV: Störungen der Verarbeitung von Nomen und Verben Benennen von Nomen und Verben bei Aphasie Benennen von Nomen und Verben bei sprachentwicklungsgestörten Kindern
158 168 174 178 178 182
8 Diskussion der Befunde 8.1 Daten der Erwachsenen 8.2 Deutsche Kinderdaten 8.2.1 Benennen 8.2.2 Verstehen 8.3 Sprachvergleichende Daten 8.4 Patholinguistische Daten 8.4.1 Aphasie 8.4.2 Sprachentwicklungsstörungen 8.5 Ausblick und Schlussfolgerungen 8.5.1 Ausblick auf weiterführende Studien 8.5.2 Schlussfolgerungen
195 195 199 199 204 207 215 215 217 220 220 224
Anhang
229
Literatur
253
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
1: 2: 3: 4: 5: 6:
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
7: 8: 9: 10: 11: 12: 13: 14: 15: 16: 17: 18: 19: 20: 21: 22: 23: 24: 25: 26: 27:
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
28: 29: 30: 31: 32: 33:
Wortartenverteilung für Types bei Müttern Wortartenverteilung für Token bei Müttern Verteilung der Verb-Subkategorien (Types) bei Müttern Verbkomposition der Types bei Müttern Verbkomposition der Token bei Müttern Wortartenverteilung Mütter-Kinder und Erwachsenengespräch (Token) Reaktionszeiten beim Benennen und lexikalischen Entscheiden Benennleistungen bei deutschen Kindern Benennen der Verb-Subkategorien bei deutschen Kindern
Grammatikstörungen
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6 Tabelle 7 Tabelle 8 Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle
13: 14: 15: 16: 17: 18: 19:
Items des Benenntests, mit Matching für das Erwerbsalter, aufgelistet in alphabetischer Reihenfolge Wortartenverteilungen im Vergleich Benennlatenz in Millisekunden (n = 29) Reaktionszeiten beim lexikalischen Entscheiden in Millisekunden (n = 30), Material: Set mit 36 Nomen und 36 Verben Reaktionszeiten beim lexikalischen Entscheiden in Millisekunden (n = 30), Material: aufgestocktes Set mit 72 Nomen und 72 Verben Stichprobenbeschreibung für Benennstudie mit deutschen Kindern Mittelwerte Erwerbsalter-Messungen in Monaten Stichprobenbeschreibung für den Verstehenstest mit deutschen Kindern Prozentsatz der nahen Ablenker unter allen Fehlreaktionen im Verständnistest (n = 233) Individuelle Muster beim Benennen von Nomen und Verben, koreanische Kinder (n = 7 pro Altersgruppe) Durchschnittlicher Anteil der korrekten Benennungen in Prozent bei deutschen (n = 150) und koreanischen (n = 35) Kindern (Pilotstudie) Prozentualer Anteil korrekter Benennungen bei deutschen und koreanischen Kindern (n = 30 in jeder Altersgruppe) Ergebnisse der Aphasiestudien im Überblick Stichprobenbeschreibung der SSES-Kinder (1. Studie) Beispiele für Fehlbenennungen bei Verben Prozentsatz naher Ablenker an rezeptiven Fehlreaktionen Verbqualität bei Umschreibungen Einzelergebnisse im Benenn- und Verstehenstest, SSES-Kinder Beispiele für Fehlbenennungen bei Verben bei SSES-Kindern
Einleitung
Das Wort gilt als grundlegende Einheit der Sprache und als wesentliche Beschreibungseinheit in der Linguistik. Seit jeher wurden in der Geschichte der Sprachwissenschaft Versuche unternommen, die Vielzahl unterschiedlicher Wörter in einer begrenzten Anzahl von Kategorien, den so genannten Wortarten, zusammenzufassen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Nomen und Verben ein zentraler Bestandteil jeglicher Klassifikationsbestrebungen. Wortarten - und damit auch Nomen und Verben - sind jedoch nicht nur als Einheiten des Sprachsystems zu beschreiben, sondern sie können auch als kognitive Einheiten aufgefasst werden, die eine wesentliche Rolle im Prozess der Sprachverarbeitung spielen. Die kognitiven Aspekte der Wortarten-Thematik stellen laut Knobloch und Schaeder (2000:690) einen „Konvergenzpunkt für typologisch-vergleichende, psycholinguistische und historiographische Studien zum Wortartenproblem" dar. In der vorliegenden Arbeit stehen die psycholinguistischen Aspekte im Vordergrund. Unter einer psycholinguistischen Perspektive wird betrachtet, wie sich Wortarten im Erwerb, im Sprachgebrauch und bei der Wortverarbeitung verhalten. Um Aussagen über sprachliche Verarbeitungsprozesse und Erwerbsverläufe treffen zu können, wird sowohl eine sprachvergleichende als auch eine populationsvergleichende Herangehensweise gewählt. Vergleiche zwischen Sprechern verschiedener Sprachgemeinschaften geben in der Frage nach universalen gegenüber sprachspezifischen Aspekten Aufschluss, während Vergleiche zwischen gestörten und ungestörten Personengruppen zeigen, welche Bereiche oder Mechanismen der Sprache störanfällig sind. Dieser Gedankengang wird in der vorliegenden Arbeit auf die Verarbeitung, den Erwerb und die Störbarkeit von Nomen und Verben angewandt. Das übergeordnete Ziel dieses Buches ist es, ausgehend von deskriptiv erfassbaren Unterschieden zwischen Klassen von Wörtern deren Einfluss auf psycholinguistische Prozesse (wie Verarbeitung, Erwerb, Störbarkeit und sprachspezifische Variation) zu untersuchen. Für das Deutsche wird geprüft, wie erwachsene Sprecher Nomen und Verben verarbeiten und wie Kinder im Spracherwerb produktiv und rezeptiv mit diesen Kategorien umgehen. Weiterhin wird untersucht, wie sich das Benennen und Verstehen von Nomen und Verben in weiteren Sprachen entwickelt (sprachvergleichender Aspekt) und welche wortartspezifischen Effekte bei Personen bzw. Gruppen mit Sprachstörungen bestehen (klinischer Aspekt). Bei diesem Buch handelt es sich um eine überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner Habilitationsschrift. Den Ausgangspunkt des theoretischen Teils (Kapitel 1) bildet eine deskriptive Betrachtung von Nomen und Verben als Einheiten der Sprachbeschreibung. Dabei wird untersucht, ob sich Nomen und Verben durch sprachspezifische Faktoren unterscheiden lassen und ob darüber hinaus eine Entsprechung zwischen formalen Kriterien und Bedeutungsklassen besteht. Eine in
2 vielen Sprachen anzutreffende typische Korrelation von morphologischen und syntaktischen Kriterien, diskurspragmatischen Funktionen und semantischen Bezügen kann die Wortarten Nomen und Verb voneinander differenzieren, jedoch lässt sich kein einzelner Parameter ausmachen, der für die Unterscheidung der Wortarten oder für die Zuordnung eines Wortes zu einer der Kategorien hinreichend wäre. In diesem Zusammenhang wird die Kontroverse um den Status von Nomen und Verben als kognitive Kategorien aufgegriffen. Einem Verständnis von Nomen und Verben als kognitiv und semantisch motivierte Kategorien stehen Ansätze entgegen, die Wortarten als rein einzelsprachspezifische Konstrukte sehen. Die verbreitete Annahme, dass es sich gerade bei Nomen und Verben um universale Kategorien handelt, wurde und wird durch die Analyse von Sprachen herausgefordert, bei denen typische Konstellationen von wortartkonstituierenden Parametern offensichtlich durchkreuzt werden. Die Debatte um die Universalität der Nomen-VerbDistinktion wird in Kapitel 1.8 ausgeführt, wo auch die vier in die empirischen Studien einbezogenen Einzelsprachen auf das Ausmaß und die Eindeutigkeit ihrer Nomen-Verb-Unterscheidung hin beschrieben werden. Daraufhin wird gefragt, ob sich sprachsystematische Differenzen zwischen Nomen und Verben auf die Verarbeitung dieser Wortarten auswirken, womit eine psycholinguistische Dimension eröffnet wird. Diese wird eingehend verfolgt durch die Beschreibung des Wortartenerwerbs bei Kindern verschiedener Sprachgemeinschaften (Kapitel 2). Psycholinguistische Evidenzen zur Verarbeitung von Nomen und Verben bei Erwachsenen werden in Kapitel 3 dargestellt. Darüber hinaus wird anhand neurolinguistischer Befunde die neurologische Basis beobachtbarer Wortarteneffekte in den Blick genommen. Schließlich werden patholinguistische Aspekte des Themas fokussiert (Kapitel 4), indem die Störbarkeit des Umgangs mit den Wortarten bei Erwachsenen und Kindern mit Sprachstörungen thematisiert wird. Bevor im empirischen Teil eigene Studien präsentiert werden, werden in Kapitel 5 psycholinguistische Aspekte des Benennens behandelt. Da sich ein großer Teil der vorzustellenden empirischen Befunde auf die Methode des Bildbenennens stützt, werden die kognitiven Mechanismen und Verarbeitungsschritte, die diesen Vorgang ermöglichen, betrachtet und mögliche Faktoren angesprochen, die diesen Prozess beeinflussen. Im empirischen Teil der Arbeit (Kapitel 7) wird über Studien berichtet, die in vier Blöcken angeordnet sind: Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen, Nomen und Verben im ungestörten deutschen Spracherwerb, Nomen und Verben bei ungestörten Kindern im Sprachvergleich und Störungen der Verarbeitung von Nomen und Verben bei Erwachsenen und Kindern. Im sprachvergleichenden Teil werden wortartspezifische lexikalische Fähigkeiten bei deutschen, englischen, koreanischen und türkischen Kindern untersucht. Nach einer eingehenden Darstellung der Methoden und der Ergebnisse werden die wesentlichen Befunde zusammengefasst und auf der Basis des derzeitigen Forschungsstandes interpretiert (Kapitel 8). Darüber hinaus werden Perspektiven für weitere empirische und experimentelle Forschungsvorhaben entwickelt. Die erzielten Befunde werden abschließend mit Bezug zu Modellen zum Status von Wortarten diskutiert. Dabei
3
werden die Gründe für die psycholinguistischen Effekte der Nomen-Verb-Distinktion und mögliche Konsequenzen für die Erfassung und Kategorisierung der Wirklichkeit beleuchtet. An dieser Stelle möchte ich allen, die an der Umsetzung der empirischen Studien mitgewirkt sowie allen, die mich beim Verfassen dieser Arbeit unterstützt haben, meinen herzlichen Dank aussprechen. Zuerst danke ich Gisela Klann-Delius (Freie Universität Berlin), die diese Arbeit in allen Phasen äußerst hilfreich begleitet hat. Durch zahlreiche Gespräche zu den hier behandelten Themen und durch wertvolle Kommentare zu früheren Versionen der schriftlichen Arbeit hat sie mir besondere Unterstützung gegeben. Um die diversen empirischen Einzelstudien zu realisieren, habe ich mit vielen Kolleginnen und Kollegen kooperiert: -
Die Idee zur Erstellung eines Nomen-Verb-Tests für die deutsche Sprache und die ersten Schritte der Testkonstruktion entstanden gemeinsam mit Jackie Masterson (University of Essex), Jules Davidoff (Goldsmiths College, University of London), Ria De Bleser (Universität Potsdam) und Julia Siegmüller (Universität Potsdam). Die Treffen dieser Arbeitsgruppe, die das Nomen-Verb-Projekt begründet haben, wurden in den Jahren 1996 bis 1999 durch ein ARC-DAAD Programm gefördert. - Die Zusammenarbeit mit Hae-Wook Lee (Pusan University of Foreign Studies) und Soyeong Pae (Hallym University) hat es ermöglicht, die Verfahren zum Benennen und Verstehen von Nomen und Verben auf die koreanische Sprache auszuweiten. Durch zwei gemeinsame, von der Korean Research Foundation geförderte Projekte in den Jahren 2002 bis 2004 konnte die Erhebung von Daten an einer umfangreichen Stichprobe ungestörter koreanischer Kinder und einer weiteren Stichprobe sprachauffälliger koreanischer Kinder realisiert werden. - Christina Schelletter (University of Hertfordshire) hat die Daten englischer Erwachsener und Kinder erhoben und mit mir an der Auswertung des deutsch-englischen Sprachvergleiches gearbeitet. - Alkim Ari (Freie Universität Berlin) hat die Daten der türkischen Kinder sowie der erwachsenen türkischen Sprecher erhoben und die türkischen Kinderdaten qualitativ ausgewertet. - Das Schema zur Klassifikation der Fehlbenennungen wurde gemeinsam mit Anke Stan (Neurologisches Rehabilitationszentrum Leipzig) erarbeitet, die auch die qualitative Kodierung der deutschen Kinderdaten durchgeführt hat. - Die Daten zum Umgang mit Nomen und Verben bei Aphasie konnte ich mit Ria De Bleser (Universität Potsdam) gewinnbringend diskutieren. - Britta Schoregge (Köln) hat im Rahmen ihrer praktischen sprachtherapeutischen Arbeit Daten von sprachentwicklungsgestörten Kindern gesammelt und mir die Daten zur Verfügung gestellt. Natalie Oberlies (Berlin) war an der Verarbeitung dieser Daten beteiligt.
4 -
Auf der Basis der deutschen Benenndaten habe ich mit Astrid Schröder (Universität Potsdam) am Vergleich von Messungen des Erwerbsalters gearbeitet. - Eine intensive Kooperation zu verschiedenen empirischen Teilaspekten bestand mit Jenny Postler (Universität Potsdam), mit der ich Ratings zu den Itemcharakteristika und Kontrolldaten erhob sowie das Reaktionszeitexperiment zum Benennen gemeinsam durchführte. Mit Jenny Postler habe ich darüber hinaus viele anregende Gespräche zu den psycholinguistischen Auswirkungen der Nomen-Verb-Distinktion geführt. - Die Konzeption und Durchführung des Experimentes zum lexikalischen Entscheiden erfolgte gemeinsam mit Prisca Stenneken (Freie Universität Berlin/ Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt). Allen hier genannten Kolleginnen und Kollegen danke ich sehr herzlich für die effektive und positive Zusammenarbeit, ohne die die Durchführung der empirischen Untersuchungen nicht möglich gewesen wäre. Die Realisierung von einzelnen Teilstudien wurde durch einen finanziellen Zuschuss der ständigen Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Freien Universität Berlin gefördert. Zahlreiche Studentinnen und Studenten waren im Rahmen ihrer Diplomarbeiten oder als studentische Hilfskräfte an der Erhebung und Verarbeitung der Daten beteiligt. Mitgewirkt haben: -
-
Silke Neumann, Janet Hiller und Frauke Balders an der Testkonstruktion Alexandra List, Beate Hardel und Anne-Maria Rosenthal an der Erhebung der deutschen Kinderdaten Sunjueng Lim an der Erhebung weiterer koreanischer Daten Jana Schuchardt und Sandra Ryll an der Erhebung der Kontrolldaten von Erwachsenen Raik Hachmeier an der Kodierung der Spontansprachdaten der Erwachsenen Karen Shatov an der Erhebung der Daten sprachentwicklungsgestörter Kinder und Ulrike Koch an der parallelen Erhebung der Kontrolldaten ungestörter Kinder Jana Schmidt an der Erhebung von Aphasiedaten Tanja Melzer und Steffi Heinemann an der Durchführung der Reaktionszeitexperimente.
Bei allen bedanke ich mich herzlich für ihren sorgfältigen Umgang mit den empirischen Daten und für die gute Zusammenarbeit. Weiterhin danke ich Christoph Hofmeister (München) für die Erstellung einer Datenbank sowie statistische Beratung und Marita Böhning (Universität Potsdam) ebenfalls für Hilfe bei Fragen zur Statistik. Ein besonderer Dank geht an Lutz Gunkel (Institut für Deutsche Sprache, Mannheim) für Anregungen und Ratschläge zu sprachsystematischen Themen, die im theoretischen Teil der Arbeit angesprochen werden. Für hilfreiche Gespräche zu vielen Aspekten dieser Arbeit danke ich außerdem Stefanie Haberzettl (Universi-
5 tät Bremen), Cornelia Müller (Freie Universität Berlin) und Julia Siegmüller (Universität Potsdam). Bei Richard Wiese (Universität Marburg) bedanke ich mich herzlich für Kommentare und Anregungen zur vorliegenden Buchfassung und bei Manuela Koch für das sorgfältige Korrekturlesen.
1
Zur Unterscheidung zwischen Nomen und Verben
Die Unterscheidung zwischen Nomen und Verben ist ein zentraler Bestandteil jeglichen Versuchs, Wörter bestimmten Kategorien zuzuordnen. Dies wird bereits bei einem Blick auf die Geschichte der Wortartenforschung (vgl. Lyons 1987, Trask 1999) deutlich. Der Ausgangspunkt einer Klassifizierung von Wörtern liegt bei Plato in der Differenzierung zwischen Argumenten (onoma) und Prädikaten (rhema), die eher im Sinne von Subjekt und Prädikat zu verstehen ist. Nach Piatos Definition sind Nomen Ausdrücke, die in Sätzen als Subjekt einer Aussage fungieren, während mit Verben und Adjektiven zu diesem Subjekt gehörige Handlungen oder Eigenschaften ausgedrückt werden. Eine klare Trennung zwischen Wortkategorie und Satzgliedfunktion wird nicht vorgenommen. Aristoteles behielt Piatos Unterscheidung zwischen Nomen und Verben bei, fügte dieser aber die eigenständige Gruppe der „Konjunktionen" (syndesmoi) hinzu. In der Zeit der Stoiker (3. und 2.Jh. v.Chr.) wurden weitere Differenzierungen vorgenommen. So wurden vier „Redeteile" (Nomen, Verb, Konjunktion und Präposition, Artikel und Pronomen) unterschieden, das Adjektiv wurde nun zur Klasse der Nomen gerechnet. Mit der Grammatik des alexandrinischen Gelehrten Dionysius Thrax im späten 2. Jh. vor Christus wurde die erste umfassende und systematische Grammatik des Griechischen vorgelegt, die hinsichtlich der Wortartenkategorisierung bis heute ihre Einflüsse zeigt. Dionysius Thrax unterschied Nomen, Pronomen, Artikel, Verb, Partizip, Adverb, Präposition und Konjunktion (siehe auch Hentschel & Weydt 1995). In lateinischen Grammatiken der römischen Epoche (ζ. B. Priscian) war eine enge Anlehnung an griechische Grammatiken gegeben, die „Redeteile" wichen nicht wesentlich von der Einteilung von Thrax ab. Im Mittelalter wurde die griechisch-römische Tradition der Sprachbetrachtung fortgeführt. Die traditionelle Wortartenklassifikation umfasste nun die Wortarten: Nomen, Verb, Adjektiv, Adverb, Pronomen, Präposition, Konjunktion. Nomen und Adjektive wurden als separate Kategorien behandelt. In heutiger Zeit schwankt die Anzahl angenommener Wortkategorien je nach theoretischer Ausrichtung zwischen zwei und fünfzehn (Rauh 2000), die acht traditionellen Kategorien (bzw. sieben, je nach Einbeziehung von Artikel, Partizip und Interjektion) sind weiterhin weit verbreitet. In der generativen Grammatik werden vier große lexikalische Klassen (Nomen, Verb, Adjektiv, Präposition) unterschieden, die sich aus Kombinationen der Merkmale [± N] und [± V] ableiten, wobei diesen Merkmalen universelle Gültigkeit zugeschrieben wird. Der kurze Abriss der Geschichte der Wortartenforschung zeigt, dass die Unterscheidung zwischen Nomen und Verben sowohl den historischen Ausgangspunkt als auch einen in der Entwicklung beständigen Fixpunkt der Wortartenklassifikation darstellt. Obwohl durch die Jahrhunderte hindurch unterschiedliche Systeme aufgestellt wurden, sind diese beiden Kategorien in jedem System verankert.
8 Unter einer Kategorie wird eine Menge von sprachlichen Einheiten verstanden, die bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben. Pullum (1999:70) definiert den Begriff der linguistischen Kategorie enger als „class of expressions sharing a particular grammatical description". Nach Eisenberg (2004a: 35) sind Wortarten syntaktische Kategorien und umfassen als solche Mengen von syntaktischen Einheiten. Um den Unterschied zwischen den Kategorien Nomen und Verben zu explizieren, wird eine Vielzahl von Kriterien herangezogen, die außer phonologischen, syntaktischen, morphologischen und distributionellen Aspekten auch semantische und pragmatische Faktoren umfassen. Keines dieser Kriterien ist allein für eine eindeutige Wortartzuweisung ausreichend. Die Klassifikation eines Wortes als Nomen oder Verb resultiert vielmehr aus einer sprachspezifischen Kombination von unterschiedlichen, aber systematisch miteinander verbundenen Eigenschaften auf verschiedenen Ebenen: „The noun/verb dissociation emerges from the pattern of partial but regular connections among properties at different levels" (Black & Chiat 2003: 234). Im Folgenden wird ein Überblick über einige wesentliche sprachsystematische Eigenschaften von Nomen und Verben auf verschiedenen sprachlichen Ebenen gegeben. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit diese Kriterien zur Identifikation der Wortart beitragen.
1.1
Morphologische Kriterien
Anhand morphologischer Kriterien kann festgestellt werden, ob sich Mengen von Wörtern, die durch einen gemeinsamen, typischen Bedeutungsbezug miteinander verbunden sind, auch formal unterscheiden lassen, d. h. inwieweit eine lexikalische Klasse auch durch eine wortarttypische Morphologie charakterisiert ist. Unter diesem Gesichtspunkt unterscheiden sich Nomen und Verben durch ihre Zugänglichkeit für bestimmte morphologische Markierungen. Anward (2001) nennt die Merkmale Finitheit, Tempus, Modus, Aspekt und Kongruenz mit dem Subjekt bzw. Objekt als typisch für Verben, während die nomentypische Morphologie die Markierung von Definitheit, Numerus, Genus, Kasus und Person umfasst. Nach Evans (2000) sind Verben die Wortart mit den umfangreichsten morphologischen Möglichkeiten, die natürlich je nach Einzelsprache in unterschiedlicher Ausprägung genutzt werden. Verben sind eine konjugierbare Wortart; im Deutschen flektiert das Verb in Hinsicht auf Person, Numerus, Tempus und Modus (Eisenberg 2004a: 184). Nicht jedes syntaktische Wort, das durch die jeweiligen Flexionsmerkmale in diesen vier Kategorisierungen markiert ist, kommt in einer eigenen Wortform zum Ausdruck, es bestehen zahlreiche Synkretismen (ζ. B. „wir such-en" - „sie such-en"; „ich lege" als Indikativ oder Konjunktiv Präsens). Deutsche Nomen werden wie auch Adjektive, Artikel und Pronomen dekliniert, d. h. hinsichtlich Kasus, Genus und Numerus flektiert. Auch bei der Deklination der Nomen sind nicht alle gramma-
9 tisch unterscheidbaren Formen durch unterschiedliche Flexionsformen ausgedrückt (ζ. B. „das Kind" als Nominativ oder Akkusativ). Morphologische Kriterien, die prinzipiell auf die Wortart schließen lassen, kommen allerdings nicht bei allen Vertretern der Wortart zur Anwendung. So verlieren zum Beispiel gerade „untypische" Nomen wie Stoffsubstantive („Wasser") oder Oberbegriffe („Obst") ihre Pluralisierbarkeit (Leiss 1992). Morphologische Hinweise auf die Wortartzugehörigkeit finden sich somit im Deutschen nicht durchgängig und zuverlässig. Auch Hentschel und Weydt (1995) werten die Aussagekraft morphologischer Kriterien als begrenzt. So könne anhand des Deklinationsverhaltens (Flektierbarkeit für Numerus, Genus und Kasus) keine unmittelbare Differenzierung zwischen Adjektiven und Nomen vorgenommen werden. Ein vergleichbares Problem tritt bei Verben nicht auf, da Verben die einzige konjugierbare Wortart sind. Der Umfang und die Art der Formveränderungen, die sich durch Konjugation oder Deklination ergeben, variieren in Abhängigkeit von der Einzelsprache. Typologische Unterschiede verhindern somit eine einfache, sprachübergreifende Klassifizierungsmöglichkeit von Wortarten anhand morphologischer Kriterien. Das für das Deutsche wesentliche Kriterium der Flektierbarkeit fällt in flexionslosen bzw. flexionsarmen Sprachen als wortartkonstituierendes Merkmal aus (Steinitz 1997:2). Selbst in flexionsreichen Sprachen können morphologische Unterscheidungskriterien nicht ausreichen. So gibt es ζ. B. innerhalb der Substantive Wörter mit unterschiedlichem Deklinationsverhalten (Hentschel & Weydt 1995:42). Andererseits enthält die Gruppe der „Unflektierbaren" unterschiedliche Wortarten, die sich morphologisch nicht voneinander differenzieren lassen. Flexionsmorphologische Eigenschaften sind auch dann für die Identifikation einer Wortart nur mit Einschränkungen zu verwenden, wenn dieselben morphologischen Markierungen für Nomen und Verben benutzt werden, wie es zumTeil im Türkischen der Fall ist (Beispiele in Hentschel & Weyd 1995:43 sowie Kapitel 1.8.2). Nicht nur im Bereich der Flexion, auch im Bereich der Wortbildung lassen sich wortarttypische morphologische Prozesse feststellen. Monomorphematische Nomen und Verben können durch Wortbildungsprozesse zu komplexen Wörtern erweitert werden. Im Deutschen steht dazu eine Vielzahl wortarttypischer Affixe zur Verfügung, auf deren Basis die Form eines Affixes als Hinweis auf die Wortartzugehörigkeit herangezogen werden kann. 1 Durch Derivationsprozesse können außerdem Transpositionen von Wörtern in eine andere Wortart erzielt werden, wie es bei deverbalen Nomen oder denominalen Verben der Fall ist. Verben können durch explizite Ableitung („lehr-" -» „Lehrer"), implizite Ableitung („werf-" -» „Wurf") oder Konversion („lauf-" -» „der Lauf", „gehen" -» „das Gehen") in Nomen überführt werden. Die Ableitung von Verben aus Nomen ist seltener, jedoch durch Konz. B. -keit als Substantivsuffix; zur Übersicht über die Verb- und Substantivableitung siehe Duden-Grammatik 1998:454f. für Verben, 528f. für Substantive.
10 version möglich (ζ. Β. „Filter" - » „filtern"), wobei die wortarttypischen Flexionsmorpheme der neu entstandenen Wortart ohne Verwendung von Wortbildungsmorphemen dem Stamm angefügt werden. Aufgrund der für deutsche Verben geltenden Stammflexion bei gleichzeitig vorliegender Grundformflexion für Nomen (Eisenberg 2004a: 153) müssen Verben zumindest ein fakultatives Suffix enthalten, so dass sich ein Formunterschied zum Nomen ergibt („Hamster" versus „hamstern"). Im Gegensatz zum Deutschen entsteht im Englischen, das durch Grundformflexion gekennzeichnet ist, durch Konversion eine Vielzahl homophoner Nomen und Verben (vgl. „a kiss - to kiss" versus „küssen - Kuss", siehe dazu auch Vogel 2000). B e i derartigen durch morphologische Prozesse bedingten Wortartwechseln bleibt der semantische Kern zwar im Groben erhalten, es ergeben sich jedoch durch die Veränderung der Wortart subtile Bedeutungsveränderungen. 2 J e nach Einzelsprache werden Wortartenzugehörigkeiten also entweder durch distinkte morphologische Formparadigmen (vgl. im Deutschen: „Fieber", „fiebern", „fiebrig") oder aber erst durch ihre syntaktische Verlaufsqualität bzw. durch ihre Distribution ersichtlich (Englisch: „open") (Knobloch & Schaeder 2000).
1.2
Phonologische Kriterien
Die Bedeutung phonologischer Kriterien wird insbesondere für die Differenzierung von Nomen und Verben im Englischen hervorgehoben. Segmentale phonologische Faktoren wie die phonotaktische Struktur von Wörtern sind nicht zur Differenzierung von Nomen und Verben geeignet (Storkel 2003). Englische Nomen und Verben lassen sich jedoch recht zuverlässig durch suprasegmentale prosodische Eigenschaften unterscheiden (Black & Chiat 2003, Kelly 1996, Monaghan et al. 2003). Hinsichtlich des Betonungsmusters lässt sich feststellen, dass Nomen überwiegend mit dem zielsprachentypischen trochäischen Muster realisiert werden (Betonung auf der ersten Silbe), während Verben zur stärker markierten Zweitbetonung tendieren. In Experimenten zeigte sich, dass englische Sprecher zweisilbige Nichtwörter, die im syntaktischen Kontext als Nomen erscheinen, meist mit Erstbetonung lesen, Nichtwörter im Verbkontext dagegen mit Zweitbetonung realisieren. Weitere Unterschiede bestehen hinsichtlich der Wortlänge und der Silbenanzahl: Englische Nomen haben typischerweise mehr Silben und werden in der Spontansprache prosodisch durch Längung hervorgehoben, was darauf zurückgeführt wird, dass Nomen im Englischen oft am Satzende positioniert sind. Neueren Ergebnissen zufolge (Nazzi & Houston 2006) geben auch der Tonhöhenakzent und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer prosodischen Phrasengrenze nach dem Wort verlässliche Hinweise auf die Kategorie. 2
vgl. Kapitel 1.5 und 1.7.
11 Die phonologischen Eigenschaften zeigen für das Englische, dass es Korrelationen zwischen syntaktischer Kategorie und prosodischer Form gibt, die sich jedoch nicht auf andere Sprachen übertragen lassen. So bestehen im Deutschen nicht im selben Maße systematische Betonungsunterschiede zwischen Nomen und Verben. Die Akzentplatzierung monomorphematischer Wörter ist eher wortartunabhängig und kann durch Präfigierung oder Suffigierung systematisch modifiziert werden (Eisenberg 2004a: 139f.). Für Nomen und Verben gilt zunächst das Prinzip der Stammbetonung, d. h. der Wortstamm wird betont und ist aufgrund der Betonung identifizierbar; nichtbetonbare Silben können hinzutreten. Bei der Kombination einer Stammsilbe mit nichtbetonten Flexionssuffixen findet sich für Substantive eine „Fixierung auf den Trochäus" (Eisenberg 2004a: 141), die sich ζ. B. bei der Pluralbildung deutlich zeigt. Die Prosodie flektierter Verbformen ist von größerer Heterogenität geprägt (Eisenberg 2004a: 141). Eine Längung von Wörtern aufgrund ihrer prosodisch prominenten satzfinalen Position beträfe im Deutschen ebenfalls nicht nur Nomen, da die deutsche Satzstruktur auch Verben in satzfinaler Position vorsieht.
1.3
Syntaktische Kriterien
Zur Abgrenzung zwischen Nomen und Verben lassen sich verschiedene Arten syntaktischer Kriterien heranziehen, die die Distribution, Position und Funktion der Wörter im Satzkontext sowie die Argumentstruktur betreffen. Distributionelle Kriterien werden als relevante Hinweise auf die Wortart angesehen. „The contextual information of a word is extremely useful as a reflection of syntactic category" (Monaghan et al. 2003: 811). Wörter werden nicht nur isoliert, sondern auch hinsichtlich ihres Vorkommens im Syntagma betrachtet, d.h. die Strukturposition eines Wortes wird berücksichtigt. Diejenigen sprachlichen Einheiten, die in denselben Kontexten vorkommen können, bilden jeweils eine Distributionsklasse. Nomen und Verben unterscheiden sich systematisch hinsichtlich der Kontexte, in denen sie auftreten. So sind Substantive im Deutschen mit Artikeln kombinierbar, das Vorhandensein eines Artikels weist also darauf hin, dass das nachfolgende Wort mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Substantiv ist. Auch hier ist keine vollständige Zuverlässigkeit gegeben, ζ. B. werden Stoffsubstantive ohne Artikel gebraucht. Kookkurrenzmuster zwischen Inhaltswörtern und Funktionswörtern können zur Erkennung der Wortart beitragen, sofern in der Einzelsprache entsprechende Kookkurrenzen auftreten. In artikellosen Sprachen wie dem Koreanischen kann dagegen die Kombinierbarkeit mit einem Artikel kein Kriterium sein (Dürscheid 2000:24). Auch wortarttypische Affixe, die systematisch mit bestimmten Wortarten auftreten, geben distributionelle Hinweise auf die Wortart (vgl. morphologische Kriterien).
12 Im Hinblick auf die Verwendung distributioneller Kriterien als Verfahren zur Ermittlung von Wortklassen wird oft auf die Gefahr der Zirkularität hingewiesen, da zur Feststellung gleicher Umgebungen bereits auf Kategorien zurückgegriffen werden muss. Die Ausgangselemente müssen also auf andere Art gewonnen werden (Knobloch & Schaeder 2000). Auch Trask (1999) sieht das Problem, dass der Bezug auf distributioneile Kriterien Wissen voraussetzt. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Tatsache, dass ähnlichen Wortsequenzen unterschiedliche syntaktische Strukturen zugrunde liegen können, so dass die Distribution keinen eindeutigen Rückschluss erlaubt. 3 Croft (2000) wendet gegen das distributionelle Verfahren als Mittel zur Wortklassifikation ein, dass nur ausgesagt werden könne, welche Wörter in welchen Konstruktionen auftreten. Ob das unterschiedliche Auftreten jedoch auf distinkte Wortkategorien oder auf kleinere Subkategorien innerhalb einer Klasse hinweist, sei über distributioneile Faktoren nicht zu entscheiden. Trotz zahlreicher Einwände wertet Trask (1999:281) distributionelle Kriterien als grundlegendes Verfahren zur Identifikation von Wortarten, dessen Leistungsfähigkeit besonders für Sprachen ohne morphologische Differenzierungsmöglichkeiten gelte. Die Satzgliedfunktion eines Wortes bzw. einer Phrase wird als weiteres syntaktisches Merkmal der Wortarten herangezogen (z.B. von Hentschel & Weydt 1995: 41). Nomen und Verben unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Fähigkeit, bestimmte syntaktische Funktionen übernehmen zu können. Nomen bzw. Nominalphrasen sind für vielfältige Satzgliedfunktionen geeignet, sie können das Subjekt oder Objekt eines Satzes bilden oder auch als adverbiale Bestimmung oder Attribut erscheinen. Alle genannten syntaktischen Funktionen können jedoch auch von anderen Kategorien ausgefüllt werden. Bei Verben besteht eine engere Verbindung zwischen Kategorie und Funktion. Verben fungieren vor allem als Prädikat (Ausnahmen sind Subjekte oder Objekte aus Infinitivkonstruktionen); außerdem kann das Prädikat ausschließlich durch ein Verb realisiert werden. Schließlich können Nomen und Verben anhand positionaler Kriterien differenziert werden. Nomen und Verben werden im Satzkontext an unterschiedlichen Positionen realisiert, wobei die jeweilige Einzelsprache Regularitäten für die Wortstellung und damit für die mögliche Platzierung bestimmter Elemente vorsieht. Aufgrund der festen SVO-Struktur erscheinen Verben im Englischen beispielsweise häufiger in satzmedialer als in initialer oder finaler Position. In SOV-Sprachen wie beispielsweise dem Koreanischen oder Türkischen ist dagegen mit dem Auftreten des Verbs am Satzende zu rechnen. Einen Einfluss auf die Position des Verbs nimmt auch die Eigenschaft von Sprachen, das Subjekt obligatorisch zu realisieren oder nicht: Kann das Subjekt systematisch ausgelassen werden, so steht das Verb bei Subjektauslassung auch in Verbzweitsprachen an erster Stelle des Satzes (ζ. B. im Chinesischen). Das Deutsche sieht unterschiedliche Strukturpositionen für das Verb vor. Zur Beschreibung der Topologie deutscher Sätze ist das Stellungsfelder3
Trask (1999:281) nennt als Beispiel die Sequenzen „a red dress" versus „a nylon dress".
13 Modell geeignet (siehe Eisenberg 2004b: 397f.). Den syntaktischen Fixpunkt bildet das finite Verb, um das sich das Vorfeld sowie das Mittel- und Nachfeld gruppieren. In Verberstsätzen oder Stirnsätzen steht das finite Verb an erster Stelle, dies ist in Entscheidungsfragen, Imperativen, in Exklamativsätzen sowie bei kontextbedingten Subjektellipsen der Fall. In Verbzweitsätzen steht das finite Verb an zweiter Stelle, diese Verbposition ist charakteristisch für einfache Aussagesätze, kommt jedoch auch in Ergänzungsfragen und Exklamativsätzen vor. Wird ein Verb im Aussagesatz diskontinuierlich realisiert (ζ. B. in den zusammengesetzten Verbformen des Futurs oder Perfekts oder in Konstruktionen mit Modalverb), steht das flektierte Hilfs- oder Modalverb an zweiter Position, das Vollverb jedoch am Ende (rechter Teil der Satzklammer). In Nebensätzen sowie in einigen Exklamativsätzen steht das flektierte Verb in finaler Position. Für das Verb bestehen also strukturell festgelegte, jedoch variable Auftretensmöglichkeiten. Aufgrund der verschiedenen möglichen Positionen, in denen Nomen und Verben auftreten können, ist eine enge Korrespondenz zwischen Wortart und Satzposition im Deutschen nicht gegeben. Ein weiterer zentraler Unterschied zwischen Nomen und Verben ist in der Gewichtung syntaktischer Information zu sehen, denn die an Verben gebundene Argumentstruktur ist konstitutiv für den Aufbau syntaktischer Strukturen. Lehmann (1992: 156f.) erfasst die Eigenschaft von Wörtern, Leerstellen für Argumente zu eröffnen, mit dem Begriff der Relationalität und sieht in dem unterschiedlichen Grad der Relationalität von Nomen und Verben ein wesentliches Merkmal zur Unterscheidung der beiden Wortarten. Da Verben syntaktische Positionen um sich herum eröffnen, besitzen sie satzbegründenden Charakter. Unter Valenz wird die Eigenschaft des Verbs verstanden, eine bestimmte Anzahl von Komplementen zu haben, denen spezifische Rollen zukommen (siehe Eisenberg 2004b: 35). Inhärente Eigenschaften des Verbs legen fest, wie viele und welche Elemente benötigt werden, damit ein grammatisch vollständiger Satz entsteht. Über das Verb werden die Anzahl, die Art und die morphologische Markierung der Mitspieler geregelt. Aufgrund der unterschiedlichen Forderungen für die Argumentstruktur des Satzes lassen sich die Subgruppen der intransitiven, transitiven und ditransitiven Verben unterscheiden. Die Selektionsbeschränkungen des Verbs beeinflussen darüber hinaus den Inhalt der Argumente (ζ. B. hinsichtlich der Belebtheit), so dass sich hier semantische und syntaktische Faktoren überschneiden. Verben als „relationale Kategorie par excellence" (Evans 2000:712) unterscheiden sich somit von Nomen durch ein höheres Maß syntaktisch relevanter Information.
1.4
Semantische Kriterien
Aufgrund semantischer Kriterien lassen sich Subgruppen von Nomen und Verben ermitteln (vgl. Duden-Grammatik 1998: 90f., 194f.). Bei Nomen wird eine grundlegende Differenzierung in Konkreta, d. h. Wörter, die Gegenständliches bezeich-
14 nen, und Abstrakta vorgenommen. Innerhalb der Konkreta werden Eigennamen von Gattungsnamen (Appellativa) unterschieden. Die Gattungsnamen umfassen zählbare Nomen mit Bezug auf Personen, Tiere, Pflanzen oder Dinge, außerdem Stoff- und Massenbezeichnungen sowie Sammelbezeichnungen (Kollektiva). Verben werden unter semantischen Gesichtspunkten in Handlungsverben (mit belebtem Subjekt), Vorgangsverben (mit Bezug auf Veränderungen, ζ. B. „regnen"), und Zustandsverben (ohne Bewegung und Aktivität, ζ. B. „wohnen") eingeteilt. Unterschiede zwischen Nomen und Verben bestehen auch hinsichtlich der semantischen Organisation. Nomen sind in hierarchisch angeordneten Taxonomien organisiert, was durch Begriffe wie „layered structure" (Aitchison 1994:103) oder „multilevel hierarchy" (Huttenlocher & Lui 1979: 153) zum Ausdruck gebracht wird. Innerhalb dieser Taxonomien lassen sich über- und untergeordnete Ebenen festlegen. Damit können Nomen in den Relationen der Hyperonomie, Hyponomie oder Kohyponomie zueinander stehen. Auch Verben lassen sich in einer hierarchischen Struktur, der so genannten Troponymie, anordnen. Diese ist im Vergleich zur taxonomischen Organisation bei Nomen flacher aufgebaut (Fellbaum 1990:287, Miller 1990: 252). Eine Troponymie stellt ein semantisches Feld dar (z.B. Bewegungsverben), um das sich Teilmengen von Verben gruppieren. Im engeren Sinne meint die Troponymie die semantische Beziehung „ist eine Art von" (ζ. B. „flüstern ist eine Art zu sprechen", „schleichen ist eine Art zu laufen"). Zur semantischen Charakterisierung von Verben werden außerdem Implikationsbeziehungen herangezogen (Miller 1993). Eine Implikation liegt dann vor, wenn die Beteiligung an einer Aktivität auch die Beteiligung an der anderen Aktivität impliziert. Bei einer Implikation wird weiterhin unterschieden, ob die Handlungen zeitgleich ablaufen oder nicht, d. h. ob eine zeitliche Inklusion vorliegt. Die semantischen Relationen, in denen Wörter aus derselben Klasse zueinander stehen können, sind somit wortartspezifisch ausgebildet.
1.5
Semantisch-konzeptuelle Faktoren: Objekt- versus Handlungsreferenz
Ein grundlegendes, aber ebenso strittiges Merkmal der Nomen-Verb-Unterscheidung betrifft semantische, aber auch über sprachinterne Faktoren hinausgehende konzeptuelle Aspekte. Der Ausgangspunkt ist die intuitiv einleuchtende Beobachtung, dass bestimmte Wortarten prototypisch mit bestimmten Inhalten verbunden sind. So sollen Nomen vornehmlich auf Objekte, Substanzen und Personen, Verben dagegen auf Vorgänge und Zustände referieren. Diese Korrespondenz spiegelt sich auch in den alltagssprachlichen Bezeichnungen „Gegenstandswörter" und „Tätigkeitswörter" wieder. Anward (2001) listet detaillierter auf, welche Inhalte Nomen und Verben lexikalisieren. Verben beziehen sich auf Konzepte wie Bewegung, Haltung, Prozesse, Aktivitäten, Existenz, Produktion, Besitz, Transfer, Kontakt, De-
15 struktion und Transaktion. Nomen referieren auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Gegenstände, unbelebte Objekte, Umweltphänomene, abstrakte Einheiten, Verwandtschaftsbezeichnungen, Körperteile sowie Teile von Objekten und Pflanzen. Außerdem sind in der Kategorie der Nomen die Namen enthalten (Personennamen, Städtenamen etc.). The main conceptual-semantic difference appears to be that the noun represents a thing, an individual physical entity, while the verb expresses the event in which the physical entity participates. They represent different conceptual types which map onto linguistic forms in different ways. The difference, in general can be expressed as one between entities and relations (...). (Black & Chiat 2003:240)
Allerdings lassen sich schnell Gegenbeispiele für derartige vertraute, aber unscharfe Definitionen wie „ein Nomen ist eine Bezeichnung für eine Person, einen Ort, oder ein Ding" oder „ein Verb ist die Bezeichnung für einen Vorgang" finden, da beispielsweise Substantive nicht nur konkrete oder abstrakte Objekte benennen, sondern auch auf Zustände („Kälte") oder Vorgänge und Handlungen („Fahrt", „Mord") referieren können. Die Referenz auf konkrete Objekte ist nur ein teilweise gültiger, probabilistischer Prädiktor für die Wortart der Nomen (Maratsos 1990:1374). Die Objekt- bzw. Handlungsreferenz trifft auf bestimmte Subgruppen der Wortart zu, aber nicht auf sämtliche ihrer Vertreter. Der konzeptuelle oder referentielle Bezug steht somit nicht in einer l:l-Beziehung mit der syntaktischen Kategorie. Einfache Zuschreibungen wie „it refers to a thing, well then it must be a noun" stellen für Gil (2000:203) daher eine „Zwangsjacke" dar. Eine weitere semantisch-konzeptuell begründete Unterscheidung findet sich im Kriterium der Zeitstabilität (Lehmann 1992: 156). Nomen beziehen sich eher auf zeitlich stabile und beständige, Verben eher auf vorübergehende, zeitinstabile Entitäten. Da Ereignisse Veränderungen umfassen, sind Wörter, die Ereignisse bezeichnen, typischerweise zeitgebunden und haben dynamischen Charakter. Auch hier können als Gegenbeispiele untypische Vertreter genannt werden, bei denen mit Nomen zeitlich gebundene (ζ. B. „Schnitt") oder mit Verben zeitlich stabile Inhalte („bleiben") ausgedrückt werden. Auf Widersprüche einer rein semantisch basierten Distinktion hat bereits B. L. Whorf hingewiesen. Er führt aus, dass die gängige Unterscheidung zwischen zeitstabilen Konzepten, die durch Nomen ausgedrückt werden und vergänglichen Konzepten, die von Verben abgedeckt werden, schon durch einfache Gegenbeispiele wie das Verb „behalten" oder das Nomen „Blitz" widerlegt werde. Laut Whorf ist es daher nicht so, dass ein Verb etwas bezeichnet, was in der Welt ein zeitinstabiler Vorgang ist, sondern umgekehrt, dass „ein Vorgang für uns das ist, was unsere Sprache als ein Verb klassifiziert" (Whorf 1956/1986:14). Whorf folgert, dass Konzepte wie „Objekt" oder „Vorgang" nicht aus der Natur der Phänomene hergeleitet werden können, sondern sprachlich vermittelt sind. Semantische Kriterien als Mittel der Wortartenklassifikation gelten laut Knobloch und Schaeder (2000:687) als „beinahe überall verpönt", lautTrask (1999:280)
16 als „hopelessly misleading". Pullum (1999) räumt ein, dass zumindest bei den großen Klassen der Nomen, Verben und Adjektive eine gewisse semantische Basis vorhanden, wenn auch definitorisch nicht ausreichend ist. Sicherlich treffen semantische Kriterien nie auf alle Vertreter der Klassen, sondern nur auf einen repräsentativen, prototypischen Ausschnitt zu. Langacker (1987) betont, dass Objekte bzw. Handlungen den Prototyp der jeweiligen Kategorie repräsentieren. Da nach einem Prototypenmodell nicht alle Kriterien gleichermaßen auf zentrale und periphere Mitglieder der Kategorie zutreffen, spricht das Nicht-Vorliegen eines wortarttypischen semantischen Bezuges bei untypischen Vertretern nicht gegen das Kriterium als solches. Trotz berechtigter Kritik an der Verwendung semantisch-konzeptueller Kriterien wird postuliert, dass sich im Falle der Nomen, insbesondere bei Objektbegriffen, ein klarerer Zusammenhang zwischen der perzeptuellen Welt, d.h. den sensorischen Merkmalen, und dem versprachlichten Konzept herstellen lasse als bei Verben, die sich auf komplexe Relationen zwischen Entitäten beziehen. Während objektbezogene Nomen auf abgegrenzte, konturierte und damit perzeptuell gut wahrnehmbare Entitäten bezogen sind, muss bei Verben erschlossen werden, welche der wahrnehmbaren Aspekte einer Handlung durch ein Verb versprachlicht werden. Der Abbildungsprozess zwischen konkreten Objekten und Nomen wird daher als eindeutiger eingestuft als der zwischen Handlungen oder Zuständen und Verben: The correspondence between linguistic forms and perceptual categories is at its tightest in the case of nouns, yet it is still not watertight. ( . . . ) When we turn to words encoding properties, relations, states and events, even where these are of a sensori-motor nature, the word-world correspondence is markedly looser. (Black & Chiat 2000:54f.) The more individualised, stable and closely defined by sensory properties a concept is, the more likely that it will be expressed by a noun in human languages. (Black & Chiat 2003: 240)
Nach Maratsos (1990) sollte die Rolle semantischer und sprachstruktureller Faktoren als definierende Merkmale für Wortkategorien im Falle von Nomen und Verben unterschiedlich gewichtet werden. Aufgrund der Beobachtung, dass zwar nicht alle Nomen Objektbegriffe sind, jedoch alle Objektbegriffe durch Nomen ausgedrückt werden, wird argumentiert, dass „Objekthaftigkeit" ein stärkeres Kennzeichen für Nomen sei als „Aktionalität" für Verben. Für Nomen und Verben bestehe eine komplementäre Beziehung zwischen der Stärke des semantischen Kerns und dem Grad der strukturellen Definitionsmöglichkeiten. Bei Nomen ist eine prototypische semantische Eigenschaft, die Referenz auf konkrete Objekte, definitorisch. Diese verhilft zum ersten Erkennen der Kategorie. Untypische Vertreter der Wortart (wie Nomen ohne Objektreferenz) werden dann aufgrund gemeinsamer formaler Merkmale zur Nomenkategorie hinzu gezählt. Verben lassen sich dagegen besser anhand von strukturellen Kriterien charakterisieren.
17 1.6
Kritik an Klassifikationskriterien u n d Alternativen
Bis hierher ist deutlich geworden, dass eine Vielzahl von Kriterien zur Differenzierung der Wortarten Nomen und Verben herangezogen werden kann. Da sich auf mehreren sprachlichen Ebenen wortarttypische Unterschiede feststellen lassen, leitet sich die Information über die Wortartzugehörigkeit aus komplementären Quellen ab. Es lässt sich kein einzelnes Kriterium isolieren, das zu einer eindeutigen Differenzierung geeignet ist. Darüber hinaus sind die Kriterien nicht sprachübergreifend gültig und lassen sich auch innerhalb einer Sprache nie auf alle Vertreter einer Wortart, sondern immer nur auf Teilmengen anwenden (Rauh 2000). Es bleiben jeweils Mitglieder der Kategorien, für die die wortarttypischen Kriterien nicht zutreffen. Eisenberg (2004a: 36) betont ebenfalls, dass es keine homogenen Klassen und keine ,richtige' Einteilung für Wortarten gebe. Rauhs Kritik an bestehenden Wortartenklassifikationen hebt die fehlende Trennschärfe der Kriterien hervor, die fließende Übergänge zwischen Kategorien impliziere, weiterhin die fehlende Deckungsgleichheit zwischen den definierenden Kriterien und den Vertretern für die Wortart, die Theorieabhängigkeit jeder Wortartenklassifikation sowie die fehlende Übertragbarkeit von Kriterien auf andere Sprachen. Die offensichtlichen Unzulänglichkeiten einzelner Kriterien zur Wortartenklassifikationen führten zu einer Ablehnung einer strikten Nomen-Verb-Dichotomie und zur Formulierung alternativer Ansätze. Diesen Vorschlägen ist der Bezug auf ein Kontinuum der Wortartenklassifikation bzw. auf Prototypen gemeinsam. Da die Zugehörigkeit eines Wortes nicht durch ein „Checklist-Verfahren" (Rauh 2000:488) ermittelt werden kann, bei dem die Präsenz aller kategoriedefinierenden Eigenschaften als Voraussetzung für die Kategorienzugehörigkeit festgestellt werden müsste, werden Wortarten als prototypisch organisiertes Feld verstanden, bei dem die Kategorienzugehörigkeit über Familienähnlichkeit bestimmt wird. Nach dieser Sichtweise müssen nicht alle Elemente einer Kategorie alle definierenden Eigenschaften aufweisen. Es gibt jedoch einen Prototyp, der als bester Vertreter den Kern der Kategorie bildet und der die meisten dieser charakteristischen Eigenschaften auf sich vereint. Weitere Vertreter haben einzelne Eigenschaften mit dem Prototypen gemeinsam (ebenso Langacker 1987). Word classes typically have a gradient structure, with prototypical (or core) members displaying all defining characteristics of the class, and peripheral members dropping certain characteristics and perhaps also manifesting characteristics of other classes. (Evans 2000: 709)
Typische Vertreter einer Wortart vereinigen eine bestimmte, sprachspezifisch geprägte Konstellation von Kriterien auf sich. So beschreibt der Duden (1998: 88) deutsche Substantive als deklinierbare Wörter, die syntaktisch die Funktionen Objekt, Subjekt, adverbiale Bestimmung und Attribut einnehmen können, in ihrer Distribution mit Artikeln auftreten und sich semantisch auf Lebewesen, Dinge und Be-
18 griffe beziehen. Verben werden als konjugierbare Wörter beschrieben, die in der syntaktischen Funktion des Prädikats auftreten, mit dem Subjekt kongruieren und Vorgänge, Tätigkeiten, Handlungen und Zustände bezeichnen. Typische englische Nomen werden von Black und Chiat (2003: 247) dargestellt als „initially-stressed items which frequently occur with sentence-final lengthening, and which express concrete bounded entities and so do not take arguments (...)", Verben als „monosyllabic or non-initially stressed items which occur sentence-medially, without sentence-final lengthening and which express temporally distributed events or relations between a number of arguments". In der Gegenüberstellung der Merkmalsbeschreibungen für deutsche und englische Nomen und Verben wird die sprachabhängige Ausprägung und Gewichtung unterschiedlicher Kriterien deutlich. Eine dem Prototypenansatz ähnliche Vorstellung ist die des Nomen-Verb-Kontinuums. The distinction between nouns and verbs is not a pure, syntactically defined distinction, but a continuum which itself emerges from continua of phonological, conceptual-semantic, and syntactic properties. Having outlined some of the relevant properties, we can now identify prototypical nouns and verbs as those which fall at one or other end of every one of these continua. (Black & Chiat 2003:247)
Welche Eigenschaften jeweils die Enden des Kontinuums (bzw. der jeweiligen Kontinua) bestimmen und damit den Prototyp charakterisieren, wird unterschiedlich gehandhabt. Lehmann (1992) organisiert das Nomen-Verb-Kontinuum anhand der Parameter Zeitstabilität (maximal bei Nomen, minimal bei Verben), Relationalität (minimal bei Nomen, maximal bei Verben) und Funktion (Referenz für Nomen, Prädikation für Verben). Prototypische Vertreter einer Wortart besetzen die äußeren Ränder des Kontinuums. Klare kategoriale Zuordnungen können nur an den Polen der Kontinua herrschen; dazwischen sind die Grenzen und mithin die Zuordnungen zwischen Instanzen auf verschiedenen Parametern instabil. (Lehmann 1992:157)
Lehmann (1992:158) definiert das Substantiv als Wortart, „für deren prototypische Mitglieder gilt: sie bezeichnen konkrete Gegenstände, sind semantisch nullwertig, und ihre primäre Funktion ist die Referenz". Verben sind die Wortart, „für deren prototypische Mitglieder gilt: sie bezeichnen Ereignisse, sind semantisch mehrwertig, und ihre primäre Funktion ist die Prädikation". Eisenberg (2004a: 38, siehe auch Leiss 1992:128) sieht das Substantiv als Wort mit einer engen Extension, d. h. mit vielen semantischen Merkmalen, und als konkreten, statischen und kategorialen Begriff, mit dem referiert wird. Das Verb am anderen Ende des Kontinuums hat eine weitere Extension, ist dynamisch, abstrakt und relational und dient der Prädikation. Maguire et al. (2006) entwickeln ein so genanntes SICI-Kontinuum, wobei die Bezeichnung für ein Akronym aus den Parametern shape, individuation, concreteness und imageability steht. Während auf der einen Seite eine abgegrenzte Form, ein direkter Bezug zu perzeptuellen Eindrücken, ein hoher Konkretheits-
19 grad und eine hohe Vorstellbarkeit liegen, zeichnet sich der Gegenpol durch geringere Formbezogenheit und Vorstellbarkeit sowie durch höhere Abstraktheit aus. Wiederum besetzen Nomen und Verben unterschiedliche Positionen auf dem SICIKontinuum, wobei die Möglichkeit von Überlappungen ausdrücklich eingeräumt wird. Eine sprachübergreifende, formalisierte Definition für nominale und verbale Prototypen gibt Broschart (1991: 67f.). Danach gibt es eine Reihe typischer Eigenschaften, die die „Nominalität" und „Verbalität" von Wörtern kennzeichnen. J e mehr Merkmale der Nominalität auf ein Wort zutreffen (ζ. B. „ist ein Inhaltswort", „steht für ein stabiles Objekt", „erscheint syntagmatisch als relatierter Ausdruck", „wird zur Identifikation eines Referenten verwendet"), während gleichzeitig die Kriterien der Verbalität nicht gegeben sind, umso höher ist die Nominalität und umso prototypischer ist das Nomen. Bei Anwesenheit zahlreicher Kriterien für Verbalität (ζ. B. „steht für einen temporären, dynamischen Vorgang", „erscheint syntagmatisch als relationaler Ausdruck", „wird verwendet, um einen Referenten zu charakterisieren") und bei Abwesenheit von Nominalitätsanzeigern liegt ein prototypisches Verb vor. Auf dieser Skala sind graduelle Übergänge möglich, auf denen lexikalische Einheiten anzusiedeln sind, die weniger typische Vertreter sind, da für sie sowohl Kriterien für Nominalität als auch für Verbalität gelten. Am Beispiel der Nomen zeigt Evans (2000) mögliche Abweichungen von der prototypischen Eigenschaftsbündelung auf. So tragen Verwandtschaftsbezeichnungen relationalen Charakter; Wörter, die Landschafts- und Wetterphänomene bezeichnen (ζ. B. „Donner"), sind eher prozessbezogen als statisch. Bei Stoffsubstantiven (z.B. „Wasser") sind keine abgegrenzten Konturen und keine Stabilität vorhanden (Leiss 1992: 51). Ebenso finden sich Verben mit zeitstabilem Gehalt (z.B. „existieren", Broschart 1991:66). Derartige untypische Vertreter entfernen sich von den Rändern des Kontinuums. Markierte Formen wie deverbale Nomen befinden sich etwa in der Mitte des Kontinuums, da sie sowohl Kriterien für Verbalität als auch für Nominalität erfüllen. Hier wird ein dynamisches Verständnis der NomenVerb-Distinktion entwickelt, das die Wortarten flexibel auf einer Skala zunehmender bzw. abnehmender Differenzierbarkeit ansiedelt.
1.7
Nomen und Verben als kognitive Kategorien
Bis hierher wurden Wortarten als deskriptive Kategorisierungsinstrumente im Rahmen einer sprachstrukturellen Beschreibung behandelt. Wortarten können aber auch als „aktive Gliederungs- und Auffassungsprinzipien unserer Erfahrung" (Knobloch & Schaeder 2000) verstanden werden. Mit dem Bezug auf Prototypen wurde im vorangehenden Abschnitt bereits eine stärker kognitive Dimension des Phänomens der Wortarten angesprochen:
20 Wortarten dienen der kognitiven Strukturierung des Vokabulars einer Sprache und repräsentieren eine Kategorisierung von lexikalischen Einheiten auf prototypischer Basis. (Rauh 2000:494)
Ein strittiges Thema in der theoretischen Auseinandersetzung mit Wortarten ist, ob Wortarten wie Nomen und Verben kognitiv relevante oder rein sprachlich vermittelte Kategorien darstellen. Broschart (1991) interpretiert Nomen und Verben als Ergebnis einer linguistischen Operation, die konzeptuelle bzw. kognitive Unterscheidungen reflektiert. Im Folgenden werden zunächst Ansätze vorgestellt und diskutiert, die von einer kognitiv und semantisch basierten Distinktion ausgehen. Diesen werden Ansätze gegenübergestellt, die Wörtern keinen kategorialen Status unterhalb der syntaktischen Ebene zusprechen. Kategorien als Mengen von Einheiten, die bestimmte Merkmale gemeinsam haben, sind nicht als solche in der äußeren, wahrnehmbaren Umwelt vorgegeben, sondern sie sind ein Ergebnis einer kognitiven Tätigkeit. Da sich Kategorien durch den Versuch der Strukturierung und Organisation von Sinneseindrücken ergeben, sind die Möglichkeiten der Kategoriebildung prinzipiell durch die Art der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit begrenzt. Nach Leiss (1992:7) besteht die Funktion grammatischer Kategorien darin, „den Ort zu rekonstruieren, von dem aus auf die Welt verwiesen wird". Eine basale Art der Gliederung von Erfahrungen und Eindrücken ist die Unterscheidung von Dingen und Ereignissen, die von vielen Autoren (siehe bereits Chafe 1970) als Quelle der sprachlichen Nomen-Verb-Distinktion angesehen wird: My assumption will be that the total human conceptual universe is dichotomized initially into two major areas. One, the area of the verb, embraces states (conditions, qualities) and events; the other, the area of the nouns, embraces „things" (both physical objects and reified abstractions). (Chafe 1970: 96)
Nach Hentschel und Weydt (1995) kommt den Wortarten Nomen und Verb eine kategorielle Bedeutung zu, die unterschiedliche Weisen der Erfassung der Wirklichkeit widerspiegelt. Inhaltswörter fixieren danach zunächst einen Wirklichkeitsausschnitt, der durch die lexikalische Bedeutung eines Wortes definiert wird. Darüber hinaus wird durch die Wortart das „Wie der Erfassung" festgelegt. Ein Wirklichkeitsausschnitt wird damit nicht nur bezeichnet, sondern auch in spezifischer Weise gestaltet. Durch seine Erfassung als Substantiv wird ein Ausschnitt aus der außersprachlichen Wirklichkeit als ein Etwas, eine Entität, ein Gegenstand des Sprechens gestaltet ( . . . ) und eine verbale erfasst ihn als einen sich in der Zeit vollziehenden Prozeß. (Hentschel & Weydt 1995:47)
Eine bestimmte Perspektive der Welterfassung, nämlich die Auffassung eines Eindrucks als Gegenstand oder als Ereignis, kommt dann in der Wortart zum Ausdruck. Daher bieten sich abgeschlossene Objekte für eine substantivische Umsetzung an; für Handlungen und Vorgänge, die in der Zeit ablaufen, bietet sich die sprachliche
21 Erfassung als Verb an. Bei prototypischen Nomen und Verben ist eine direkte Art der Umsetzung von kognitiven in sprachliche Kategorien gegeben. Mit der Etablierung einer sprachlichen Kategorie, die durch formale Kennzeichen bestimmt werden kann, ist es dann möglich, einer Wortart untypische Bedeutungsbezüge zuzuordnen. Dies bringt eine Perspektivenveränderung mit sich, wie Langacker (1987) zeigt, der eine kognitiv motivierte Nomen-Verb-Unterscheidung ausarbeitet. In Langackers Modell der kognitiven Grammatik werden Wortarten als kognitiv relevante Kategorien gesehen, die dann in spezifische sprachliche Konstruktionen umgesetzt werden: The noun and verb categories are universal and fundamental to grammatical structure. That such a distinction should have a conceptual basis is (...) hardly surprising. (Langacker 1987:92) The grammatical behavior of the noun or verb class is best regarded as SYMPTOMATIC of its semantical value, not the sole basis for a criterial definition. (Langacker 1987: 55)
Der Zugang zu Wortarten kann nicht über eine Liste von Kriterien erfolgen, die als notwendige und hinreichende Bedingungen für die Klassenzugehörigkeit von Wörtern gelten, da derartige Listenmodelle keine psychologische Validität beanspruchen. Semantische Kriterien der Wortartbestimmung, die an kognitive Domänen gebunden sind, werden jedoch als valide angesehen. Langackers kognitives Modell sieht die Bildung von Prototypen und Schemata als kognitive Aktivitäten vor, die die Grundlage der Kategorisierung darstellen. Sprachliche Kategorien sind prototypisch aufgebaut, wobei die Mitgliedschaft eines Wortes zu einer Kategorie durch die Ähnlichkeit zu typischen Vertretern bestimmt wird. Darüber hinaus werden Wortarten als kognitive Schemata aufgefasst. Ein Schema ist ein abstraktes Muster, das die Gemeinsamkeiten der Strukturen repräsentiert, die unter dieses Schema fallen. Damit werden sämtliche spezifischen Belege dieses Schemas unter dieses gemeinsame Muster subsumiert. Kognitive Schemata für Nomen und Verben sieht Langacker als universal an. Nach einem Prototypenmodell müssen Kriterien nicht auf zentrale und periphere Vertreter der Kategorie gleichermaßen zutreffen. Eine Beschreibung, die für alle Vertreter der Kategorie gültig ist, muss dagegen hoch schematisch sein und ζ. B. Objekte als speziellen, aber privilegierten Fall des Nomenschemas behandeln. Eine solche schematische Charakterisierung für Nomen besagt, dass Nomen sich auf eine bestimmte Region innerhalb einer kognitiven Domäne beziehen. Für den Fall der Gattungsbegriffe ist dies eine gebundene Region. Abweichungen von diesem Schema (wie nominalisierte Verben) sind nur scheinbare Gegeneinwände gegen das Modell. Am Beispiel der Nominalisierung von Handlungsbegriffen führt Langacker den Prozess der „konzeptuellen Verdinglichung" aus. Das Erscheinen eines Wortes als Nomen oder Verb kann eine Wahrnehmung von „Objekthaftigkeit" bzw. „Handlungscharakter" nahelegen. Die sprachliche Realisierung eines Inhaltes durch ein Wort einer bestimmten Kategorie lenkt die Perspektive um. Black und Chiat (2003)
22 zeigen am Beispiel der Sätze: „A smile always makes me feel better" versus „Smiling always makes me feel better", dass die Wortart subtile Bedeutungsverschiebungen impliziert: Die Verbverwendung lässt die angesprochene Handlung als andauernd und weniger zeitlich gebunden erscheinen, während man bei der Nomenverwendung von einem begrenzten Zeitraum ausgeht. Durch die nominale Verwendung wird die Vorstellung eines homogenen, begrenzten und zeitstabilen „Objektes" suggeriert: „the linguistic form biases us to see ,things' when we are really talking about actions" (Black & Chiat 2003: 246). Obwohl zur Beschreibung eines semantisch ähnlichen Gehaltes zwar zum Teil sowohl Nomen als auch Verben fungieren können (ζ. B. „Explosion" und „explodieren"), wird nach Langacker in den beiden Varianten ein Ereignis auf unterschiedliche Weise konstruiert. Objekte repräsentieren demnach zwar den Prototyp der Nomenkategorie, das allgemeinere Nomenschema erfordert jedoch nicht zwingend den Bezug auf Objekte, sondern es etabliert in einem abstrakteren Sinne eine abgegrenzte Region im konzeptuellen Raum. Werden Begriffe, die sich nicht auf Objekte beziehen, als Nomen verwendet, so werden sie in Anlehnung an das Nomenschema als abgegrenzte Einheiten konzeptualisiert und erhalten so ihren dinglichen oder objektähnlichen Charakter. Ähnlich haben nach Wierzbicka (2000: 310) Nomen die Funktion „of focusing the thought on what is perceived as ,stable' elements in human experience". Im Gegensatz dazu sind relationale Ausdrücke wie Verben nach Langacker auf eine andere konzeptuelle Domäne ausgerichtet, in der nicht eine Region, sondern Verbindungen zwischen den Elementen innerhalb einer Region angesprochen werden. Mit Verben werden prototypisch Prozesse ausgedrückt und im Sinne des relationalen Schemas Verbindungen hervorgehoben. Die Verwendung eines Wortes als Nomen oder Verb geht somit mit unterschiedlichen konzeptuellen Gewichtungen oder Perspektiven einher, die entweder die Begrenzung einer Wahrnehmung oder die prozesshafte, relationale Komponente betonen. Wortarten gehen somit auf eine abstrakt zu definierende grundlegende und universelle Distinktion in der Erfassung und Organisation von Wahrnehmungen zurück; die sprachliche Form hat dann wiederum Auswirkungen für die Konzeptualisierung von Wortbedeutungen. Knobloch und Schaeder (2000:687) sehen hier einen „Zirkel, der gegenstände' und Substantive, ,Handlungen' und Verben miteinander verbindet". Auf die Zirkelhaftigkeit einer konzeptuellen Basis der Nomen-Verb-Distinktion weist auch das folgende Zitat hin: The word conversation can be seen as the name of a 'thing' for the circular reason that one uses the word thing as a cover term for all count nouns. (Pullum 1999:66)
Langackers Modell ist ein Beispiel für einen Ansatz, der der Kognition klare Priorität bei der Wortartenunterscheidung zuspricht. Eine polare kognitive Aufgliederung wird auch von weiteren Autoren als universell angesehen. Für Tomasello (2003) stellen Nomen und Verben sprachübergreifende Phänomene dar, die aus kognitiven und kommunikativen Grundbedingungen heraus entstanden sind. Das Bedürfnis, im Zuge der Kommunikation mit anderen entweder auf spezifische Ein-
23 heiten zu referieren oder etwas über diese Einheiten zu prädizieren, führte demnach zur Herausbildung von Nomen und Verben als Kategorien, die diese Funktionen in besonderer Weise erfüllen. Of course there are language universale. It is just that they are not universale of form that is, not particular kinds of linguistic symbols or grammatical categories or syntactic constructions - but rather they are universale of communication and cognition and human physiology. (Tomasello 2 0 0 3 : 1 9 )
Insofern handelt es sich nicht um sprachliche Universalien im engeren Sinne, sondern um ein emergentes Phänomen, das auf allgemeinen Strukturen der menschlichen Kognition und Kommunikation basiert. Kognitive und wahrnehmungspsychologische Aspekte der Nomen-Verb-Unterscheidung finden sich auch in Theorien, die sprachliche Kategorisierung mit einem analytischen versus holistischen Zugang verknüpfen. Die Einnahme einer Innenbzw. Außenperspektive wird von Leiss (1992) als Basisopposition gewertet, die der Kategorisierung generell zugrunde liegt. Sprecher können sich in bezug auf die von ihnen betrachteten Gegenstände oder Ereignisse innen bzw. außen befinden. Mit dem jeweiligen Standort und der damit verbundenen Perspektive werden Wahrnehmungsvorgaben gemacht. Die Perspektive bestimmt, ob ein Gegenstand oder ein Ereignis als Ganzes wahrgenommen wird (Außenperspektive) oder nicht (Innenperspektive). (Leiss 1992:285)
Etwas als Ganzes, also mit seiner Begrenzung zu sehen, erfordert eine Außen- oder auch holistische Perspektive: „Ein Gegenstand (oder eine Handlung), der mit Konturen und damit als Ganzes wahrgenommen wird, evoziert das Merkmal der Begrenztheit und damit der Abgeschlossenheit" (Leiss 1992: 46). Typischerweise werden Objekte aus dieser holistischen Perspektive wahrgenommen. Aus der Innenperspektive heraus können dagegen die äußeren Grenzen oder auch der Anfang und das Ende einer Handlung nicht wahrgenommen werden. Typische Verben sind daher auch auf Vorgänge bezogen, die ohne eine klare zeitliche Begrenzung verlaufen (ζ. B. „lieben"). Unmarkierte Verben sind laut Leiss partitiv, womit ausgesagt wird, dass eine Handlung in verschiedene Phasen unterteilt werden könnte, die immer mit dem gleichen Verb bezeichnet werden könnte. Bei Verben mit einem klar definierten Zeitverlauf (wie „verlassen", „erblicken") wird dagegen durch den (durch Wortbildungsmorpheme angezeigten) Aspekt ein Perspektivenwechsel vorgenommen, indem eine Außenperspektive hergestellt wird, die das Erkennen des Anfangs- oder Endzustandes der Handlung erlaubt. Der Aspekt der Teilbarkeit oder Nicht-Teilbarkeit wird als wesentliches wortartkonstituierendes Merkmal, als „kategoriales Elementarteilchen von Nominal- und Verbalkategorien" (Leiss 1992: 52) gewertet. Lehmann (2002) unterscheidet in ähnlicher Weise einen analytischen und einen holistischen Zugang, um Wahrnehmungen zu verarbeiten. Beim analytischen Zugang werden Einzelteile von Objekten wahrgenommen, beim holistischen Zugang wird eine Ganzheit ohne Berücksichtigung von Einzelheiten mental repräsentiert.
24 Weitere Herangehensweisen an Wortarten zeichnen sich dadurch aus, dass die Relevanz kognitiver Faktoren für Nomen bzw. Verben unterschiedlich stark gewertet wird. Maratsos' Vorschlag, bei Nomen eher semantische, bei Verben eher formale Kriterien anzusetzen, 4 findet sich im Modell der division of dominance (Gentner & Boroditsky 2000) wieder. Danach werden Teile des Lexikons eher über konzeptuelle Faktoren definiert, andere eher über sprachinterne. Kognitive Dominanz liegt vor, wenn ein Konzept direkt aus der kognitiv-perzeptuellen Domäne entnommen und in einem einfachen Abbildungsprozess mit einer sprachlichen Bezeichnung versehen wird, wie es bei prototypischen Nomen der Fall sei. Die eindeutigste Bindung zwischen außersprachlichem Referenten und sprachlicher Bezeichnung sei bei Eigennamen gegeben, gefolgt von konkreten Objektbegriffen, deren denotative Bedeutung ebenfalls direkt aus der Wahrnehmung von Objekten erschlossen werden könne. Objekte werden laut Gentner (1981) in unterschiedlichen Sprachen in ähnlicher Weise konzeptualisiert und versprachlicht; die höhere Übereinstimmung entstehe aufgrund der klar wahrnehmbaren Eigenschaften, die ein Objekt als kohärente Einheit charakterisieren. Die Verbindung von Ereignissen mit Verbbedeutungen sei dagegen stärker einzelsprachlich determiniert, somit überwiege hier die linguistische Dominanz. Die Bedeutung von Verben variiert zwischen Einzelsprachen hinsichtlich der Aspekte der Ereignisse, die mit einem Verb lexikalisiert werden. Ein Beispiel für das unterschiedliche conceptual packaging ist die Beobachtung, dass manche Sprachen (ζ. B. Englisch und Deutsch) die Art und Weise einer Bewegung im Verb lexikalisieren, während die Bewegungsrichtung durch zusätzliche Partikeln ausgedrückt wird, während andere Sprachen, ζ. B. Spanisch, die Bewegungsrichtung im Verb ausdrücken und die Art der Bewegung zusätzlich angegeben werden muss (Gentner 1981). Eine noch stärkere sprachliche Festlegung und Loslösung von außersprachlichen Konzepten sei bei Präpositionen gegeben, gefolgt von weiteren Funktionswörtern wie Artikeln und Konjunktionen. Nomen und Verben liegen auch in diesem Modell an verschiedenen Punkten der Skala eines Kontinuums. Die direkte abbildtheoretische Beziehung, die im Modell der division of dominance für Nomen angenommen wird, ist jedoch kritisch zu sehen. Einem strukturalistischen Bedeutungsbegriff folgend bezieht sich jeglicher sprachliche Ausdruck nur indirekt auf ein außersprachliches Relatum. Nach Lyons (1984: 434) können zwar „zumindest bestimmte Einheiten des Vokabulars einer Sprache mit Merkmalen der physischen Welt in einem korrespondierenden Verhältnis gesehen werden", aber der Wortschatz einer Sprache enthält immer auch Elemente, „die nicht in einem Referenzverhältnis zu etwas Außersprachlichem stehen" (Lyons 1984: 435). Diese Tatsache gilt für Inhaltswörter wie Nomen oder Adjektive genauso wie für Verben. Dass das begriffliche Konzept, das wiederum mit einer Wortform verbunden wird, bei Nomen grundsätzlich leichter aus der Wahrnehmung physischer Gegebenheiten abgeleitet werden kann, ist zumindest als verallgemeinernde Schluss4
vgl. Kapitel 1.5.
25 folgerung fraglich. Außerdem wird in Gentners Modell die Existenz einer sprachunabhängig existierenden Distinktion („naturalpartitition", Gentner 1982) vorausgesetzt, die laut Lyons nicht gegeben sein muss, denn die Tatsache, dass sich bestimmte lexikalische Einheiten auf bestimmte außersprachliche Gegebenheiten beziehen, impliziere nicht, „dass alle durch einen bestimmten Ausdruck bezeichneten Gegenstände eine .natürliche Klasse' in dem Sinne bilden, dass sie unabhängig von der allgemeinen Konvention der entsprechenden Sprachgemeinschaft, sie unter einen gemeinsamen Ausdruck zu stellen, zusammengehören" (Lyons 1984:436). Für Croft (2000) sind Wortarten sprachlich definierte Kategorien, die j edoch in einer konzeptuellen Basis verankert sind. Wortarten werden nicht als universal angesehen, sondern sprachspezifisch und konstruktionsgebunden definiert. Grammatische Kategorien lassen sich aus sprachlichen Konstruktionen ableiten; sie sind nicht die Basisbestandteile von sprachlichen Konstruktionen, sondern gehen aus diesen hervor. Syntactic categories, including those commonly labelled as parts of speech, are derivative from the constructions they occur in. (Croft 2000: 85)
In Crofts construction grammar sind syntaktische Kategorien keine inhärenten Eigenschaften von Wörtern, sondern Epiphänomene syntaktischer Konstruktionen und damit auch emergente sprachspezifische Konstrukte. Eine enge Anbindung an den konkreten sprachlichen Kontext impliziert eine stark einzelsprachspezifische Ausgestaltung der entstehenden Kategorien und lässt sprachspezifische Erwerbsdifferenzen erwarten (Behrens 2000). Trotz dieser konstruktionsbasierten Definition von Wortarten nimmt Croft einen universellen Rahmen an, der durch eine prototypische Aufgliederung des konzeptuellen Raumes gegeben ist. Dieser „konzeptuelle R a u m " sieht Kombinationen von semantischem Gehalt (wie Objekt, Aktion, Eigenschaft) und pragmatischer Funktion (Referenz, Prädikation, Modifikation) vor. In diesem Raster gibt es typische Bündelungen von Funktion und Bedeutung sowie markierte Konstellationen. Prototypische Belege für diese Grundkonstellationen sind Nomen und Verben, bei denen Referenz und Objekt sowie Prädikation und Handlung konvergieren. Unmarkierte, prototypische Nomen sind durch Referenz auf Objekte gekennzeichnet, unmarkierte Verben durch die Prädikation von Aktionen. Sprachen unterscheiden sich dahingehend, inwieweit auch markierte Kombinationen möglich sind (ζ. B. Referenz auf eine Aktion durch ein deverbales Nomen wie „Wurf"). Semantisch untypische Mitglieder einer Wortart tendieren dazu, morphologisch komplex und hinsichtlich ihrer Flexionsmöglichkeiten beschränkt zu sein, sie büßen zum Teil typische kategoriale Eigenschaften ein, und sie zeigen mehr crosslinguistische Variation in der Wortartenzugehörigkeit. Aus dieser Sichtweise folgt, dass zwischen prototypisch verwendeten Nomen und Verben ein maximaler Kontrast besteht, der in weniger prototypischen Fällen (ζ. B. bei deverbalen Nomen oder denominalen Verben) reduziert oder tendenziell neutralisiert werden kann (Hopper & Thompson 1983:157, Broschart 1991). Crofts Ansatz
26 nimmt damit eine Mittelposition zwischen kognitiv-universal orientierten Modellen und Ansätzen, die die sprachspezifische Determiniertheit von Kategorien betonen, ein: There is no inherent conflict between these two theories of parts of speech. (...) The difference between the cognitive and typological theories of parts of speech is chiefly a matter of emphasis. (Croft 2000:98)
Eine noch stärkere Loslösung von kognitiv motivierten Kategorien liegt in Modellen vor, in denen ein kategorialer Status von Wörtern gänzlich abgelehnt wird. In der Theorie der distribuierten Morphologie (Harley & Noyer 2003) sind Wortarten abgeleitete, epiphänomenale Kategorien, die sich ausschließlich durch sprachliche Faktoren definieren lassen. Wortstämme sind demnach akategoriale Wurzeln (roots), die je nachdem, in welchen lizensierenden Rahmen sie eingesetzt werden, oberflächlich als Nomen und Verben erscheinen. Die Wurzeln selbst besitzen keine kategoriale Zuschreibung, sondern erhalten ihre Kategoriebestimmung erst in der Syntax. Wurzeln sind einfache Morpheme, die in bestimmten lokalen Relationen mit kategoriedefinierenden Morphemen stehen. Ein Nomen in der traditionellen Terminologie wäre in der distribuierten Morphologie eine kategorielose Wurzel mit Nähe zu einem Determinierer, Verben analog dazu Wurzeln, die mit Aspekt- oder Zeitmarkierungen erscheinen. Die Assoziation der kategorielosen Wurzeln mit funktionalen Morphemen geschieht im Prozess des spell out. Syntactic categories are purely abstract (...). Only after syntax are phonological expressions, called Vocabulary Items, inserted in a process called Spell-Out. (Harley & Noyer 2003: 464)
Eine präsyntaktische Differenzierung oder Kategorisierung von Wörtern ist nicht vorgesehen. Ein Item wie „destroy" ist kategorial nicht festgelegt, erst nach dem spell out (zu „destroys" oder „destruction") wird eine oberflächliche Zugehörigkeit zur traditionellen Kategorie Nomen oder Verb ersichtlich. Ein naheliegender Einwand ist, dass bei diesem Beispiel im Falle von „destruction" zunächst ein Wortbildungsprozess notwendig ist, damit sich das Wort wie ein Nomen verhalten kann, während im Verbkontext direkt die wortarttypische Flexionsmorphologie greift. In der distribuierten Morphologie wird die Unterscheidung zwischen Flexionsmorphologie und Derivationsmorphologie jedoch aufgehoben. Es werden lediglich lexikalische und funktionale Morpheme unterschieden. L-Morpheme denotieren sprachspezifische Konzepte. Da sie akategorial sind, gibt es für diesen Morphemtyp eine Wahl: Je nach konkretem spell out können unterschiedliche Oberflächenkategorien angenommen werden. Für F-Morpheme, die im Groben Elementen der geschlossenen Klasse entsprechen, besteht keine Option, da ihre Funktion determiniert ist (Harley & Noyer 2003:469). Nur mit der Gleichsetzung von Flexions- und Derivationsmorphemen lässt sich der kategorial unbestimmte Status der L-Morpheme begründen. Eisenberg (2004a) setzt sich mit der Konzeption von akategorialen Wortstämmen am Beispiel des Deutschen auseinander.
27 Eine alte Idee ist, morphologisch einfache Stämme in Hinsicht auf die offenen Kategorien Substantiv, Adjektiv und Verb nicht zu differenzieren. Jeder Stamm könnte im Prinzip jeder der Kategorien angehören wie das bei laut - lauten - der Laut oder grün - grünen - das Grün der Fall ist. Dass bei vielen Stämmen nur zwei der drei Möglichkeiten ausgenutzt werden und bei den meisten nur eine, wäre nicht systematischen Beschränkungen geschuldet. Bei Bedarf stünden jedoch jederzeit alle drei Versionen zur Verfügung. (Eisenberg 2004a: 297)
Besonders im Fall von Konversion bietet sich eine solche Sichtweise an. Eisenberg führt dagegen an, dass es Stämme gibt, „die offensichtlich und als Prototypen in eine der drei Kategorien gehören, d. h. in keiner Weise neutral sind" (Eisenberg 2004a: 297). Im Bereich der Substantive seien dies konkrete Appellativa („Stuhl", „Baum") und bei Verben Tätigkeitsbezeichnungen („tragen", „lesen"). Derartige Stämme seien im Allgemeinen kategoriegebunden, für eine Konversion bedürfe es besonderer Voraussetzungen. Ein weiteres Argument von Eisenberg beruht auf der Beobachtung, dass bestimmte Typen von Konversionen gar nicht oder nur sehr selten vorkommen. Wenn eine Kategorieneutralität vorläge, müssten alle prinzipiell möglichen Konversionen auch in der Sprache auftreten, was jedoch nicht der Fall sei. Möglich und existent sind zwar die Konversionstypen Verb -» Substantiv („lauf- -» der Lauf") und Substantiv -» Verb („Gras -» grasen"), diese sind aber in unterschiedlichem Umfang produktiv. Verb -> Substantiv-Konversionen sind meist stark lexikalisierte und idiomatisierte Formen (Beispiel „der Knall", Eisenberg 2004a: 298), Neubildungen nach diesem Muster kommen sehr selten vor. Substantiv -» Verb-Konversionen sind zwar häufiger, aber nur bei einfachen Stämmen möglich („*•Verdeutlichungen"). Das Muster findet sich oft auch bei Entlehnungen („shoppen", „bluffen", „jobben"). Da dieses Wortbildungsmuster nur mit einfachen Stämmen funktioniert, ist die Basis für Neubildungen und damit die Produktivität dieses Musters außerhalb von Entlehnungen begrenzt. Insgesamt wertet Eisenberg die These der Kategorieneutralität aufgrund der genannten Gegenargumente als hinfällig. Allerdings wird eingeräumt, dass die kategoriale Festlegung von einfachen Stämmen schwächer ist als bei morphologisch komplexen Formen, bei denen die Kategoriezugehörigkeit durch ein wortarttypisches Suffix explizit markiert wird. Dies erkläre auch, warum Konversionen mit morphologisch komplexen Basen nicht möglich sind: Die eindeutige Kategoriezugehörigkeit lasse sich nicht überschreiben. Mit der Diskussion um den Status von Wortarten als sprachliche Konstrukte gegenüber Wortarten als kognitive Kategorien wurde bereits die Frage nach deren Universalität berührt. Geht man von einer grundlegenden kognitiven Unterscheidung aus, die sich sprachlich in den Kategorien Nomen und Verb spiegelt, so impliziert dies eine stärkere Verbreitung über unterschiedliche Sprachen. Wird hingegen angenommen, dass Wortarten sich als sprachlich erzeugte, epiphänomenale Kategorien ergeben, die nicht durch eine nichtsprachliche Grundunterscheidung motiviert sind, so ist eine größere Variation zwischen Sprachen denkbar.
28 1.8
Z u r Universalität d e r Nomen-Verb-Distinktion
1.8.1
Debatte um die Universalität von Nomen und Verben
An verschiedenen Stellen ist bereits angeklungen, dass eine einheitliche und sprachübergreifende Klassifikation von Wortarten kaum möglich ist. Auf die eingeschränkte Übertragbarkeit von Kriterien zur Wortartbestimmung für eine Vielzahl typologisch unterschiedlicher Sprachen wird häufig hingewiesen. Wenn jedoch diskutiert wird, ob es in allen Sprachen vorkommende Wortarten gibt, sind Nomen und Verben die Kandidaten, die als Vertreter universaler Kategorien der offenen Klasse am ehesten in Frage kommen (Hopper & Thompson 1983:152). Auch Sapir (vgl. Trask 1999: 279) zweifelte die Tauglichkeit klassischer europäischer Wortartenklassifikationen aus einer sprachvergleichenden Perspektive an, sah aber für Nomen und Verben eine - wenngleich schwer fassbare - Universalität gegeben. Nicht immer wird die Existenz einer universalen Unterscheidbarkeit von Nomen und Verben so eindeutig postuliert wie in der ersten der folgenden Aussagen: The noun and verb categories are universal and fundamental to grammatical structure. (Langacker 1987:92)
Trask (1999) dagegen stellt fest: Indeed, it appears that nouns and verbs are the only classes for which anyone wants to defend universal status. However, the universal status of these two categories is not beyond dispute. (Trask 1999:282)
Zweifel an der Universalität der Nomen-Verb-Distinktion entstanden durch die Untersuchung von nicht-indoeuropäischen Sprachen, die Anhaltspunkte für einen fließenden Übergang bis hin zu einer Nicht-Unterscheidbarkeit dieser Wortarten bieten (Gil 2000). Um einem vermeintlichen Zusammenfallen typologisch nachzugehen, muss nach Evans (2000) die syntaktische Dimension der Nomen-Verb-Dinstinktion von der morphologischen theoretisch differenziert werden. Evans (2000) betrachtet zunächst syntaktisch unikategoriale Sprachen, die Nomen und Verben syntaktisch gleich behandeln, aber über morphologische Differenzierungsmöglichkeiten verfügen. Eine Debatte besteht beispielsweise für die Sprachen Nootka (eine nordamerikanische Sprache der Wakashanischen Familie), Tagalog (eine austronesische Sprache, die auf den Philippinen gesprochen wird), für die nordamerikanische Sprachgruppe Salisch und (nach Walter 1981) auch Grönländisch (eskimo-aleutische Familie). Der wesentliche Punkt ist, dass hier sowohl Nomen als auch Verben als Prädikat und als Subjekt auftreten können. Damit haben Sätze einen „äquationalen" Charakter, d. h. Topik und Prädikat werden gleichwertig einander gegenüber gestellt, ohne dass dabei grammatische Relationen wie Subjekt oder Objekt entstehen. Allerdings lassen sich durchaus Differenzen zwischen den Kategorien hinsichtlich ihres morphologischen Verhaltens nach-
29 weisen. Darüber hinaus arbeitet Evans subtile Einschränkungen heraus, die gegen ein gänzliches syntaktisches Zusammenfallen von Nomen und Verben sprechen. So können im Nootka zwar Nomen die Prädikatsstellen und Verben auch Argumentstellen einnehmen, letztere allerdings nur, wenn sie vorher nominalisiert wurden. Auch für Salisch führen Broschart und Dawuda (2000) an, dass dieselben lexikalische Einheiten zwar in verschiedenen Funktionen auftreten können, die entstehenden Ausdrücke jedoch unterschiedlich stark markiert sind. So sind Äußerungen des Typs „der Mann lachte" auch in dieser Sprache einfacher und kürzer als im umgekehrten Fall „der Lachende ist ein Mann". Evans (2000) gelangt für Salisch und verwandte Sprachen zu dem Schluss, dass zwar von einer übergreifenden Prädikatsklasse, die Wörter für Entitäten (im Sinne von Dingen, Objekten), Qualitäten und Ereignisse enthält, auszugehen ist. Aufgrund morphologischer Besonderheiten lassen sich aber Subkategorien ermitteln, die nicht ganz der traditionellen NomenVerb-Distinktion entsprechen, sondern eher statische und nicht-statische Aspekte differenzieren. Nachdem deutlich wurde, dass einige Sprachen Indizien für das syntaktische Zusammenfallen von Nomen und Verben aufweisen, während morphologisch jedoch Differenzierungen existieren, fragt es sich, ob es Sprachen gibt, in denen weder syntaktische noch morphologische Differenzierungen bestehen. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn die betreffende Sprache gar keine Flexionsmorphologie enthält, zum anderen, wenn eine Sprache über Flexion verfügt, diese aber nicht zur Differenzierung von Wortarten einsetzt, weil dieselben Markierungen mit allen Wortstämmen auftreten können. Der erste Fall betrifft isolierende Sprachen wie Vietnamesisch oder klassisches Chinesisch. Im Vietnamesischen werden Nomen mit Numeralia, Pluralpartikeln und Klassifizierern oder Determinierern kombiniert; Verben mit Partikeln für Tempus, Resultat, Richtung, Intensität und Orientierung. Aufgrund der distributionellen Einschränkungen lässt sich laut Evans eine NomenVerb-Distinktion trotzdem aufrecht erhalten, denn nur in eingeschränkter Weise können Nomen als Prädikate und Verben als Argumente fungieren. Das klassische Chinesisch wird als typischer Fall für ein Fehlen der Nomen-Verb-Distinktion diskutiert. Die meisten Inhaltswörter können ohne overte Markierung als Argumente oder als transitive oder intransitive Prädikate auftreten. Evans gibt zu bedenken, dass selbst bei diesen Phänomenen immer ein semantischer Effekt und damit ein markierter Fall entsteht. Evans folgert, dass man im klassischen Chinesisch nicht von einer Nicht-Unterscheidbarkeit zwischen Nomen und Verben sprechen sollte, sondern davon, dass Möglichkeiten der Konversion sehr produktiv genutzt werden. Eine ähnliche Beschreibung einer isolierenden Sprache mit fraglicher NomenVerb-Distinktion liefert Broschart (1997) mit seiner Darstellung der polynesischen Sprache Tonganisch, die von Vogel (2000) aufgegriffen wird. Wortstämme sind hier neutral oder multifunktional. Erst auf Phrasenebene findet eine kategorielle Festlegung statt. Werden Wörter mit phrasalen Markern kombiniert, die die Funktion der Referenz herstellen (z.B. mit Artikeln), kann von einer nomenähnlichen Verwendung gesprochen werden. Ebenso kann eine Kombination mit phrasalen Mar-
30 kern für Tempus, Modus und Aspekt erfolgen und damit die Funktion der Prädikation hergestellt werden. Der zweite Fall betrifft Sprachen, bei denen die morphologischen Markierungen auf alle Lexeme passen, so dass man „elastische Wortarten" annehmen könnte. Ein Beispiel dieses Typs stellt die austro-asiatische Sprache Mundari dar, die von Bhat (2000) als extremes Beispiel einer Sprache mit nahezu aufgehobener Nomen-VerbDistinktion beschrieben wird. Wortarten bzw. Positionen für Wortarten lassen sich hier zwar durch wortarttypische Flexionsmorpheme bestimmen, die lexikalischen Stämme selbst seien aber „fließend", d. h. sie können in allen Positionen stehen und dabei verschiedene, jeweils passende Markierungen annehmen. Jedes Wort kann als Prädikat eingesetzt werden und direkt verbale Flexionsmerkmale (wie Tempus und Aspekt) annehmen. Außerdem kann jedes Wort als Argument erscheinen und mit Kasusmarkierungen versehen werden. Vorgängige Derivationsprozesse sind nicht notwendig. Auch eine semantisch basierte Distinktion kann nicht getroffen werden, weil dasselbe Wort sowohl Dinge als auch Ereignisse ausdrücken kann (ζ. B. kumRu = Dieb, stehlen; lutur = Ohr, hören, Beispiele aus Bhat 2000: 57). Auch Evans erörtert das Problem des Mundari und bringt drei Argumente gegen eine Interpretation als unikategoriale Sprache vor: Erstens gibt es semantische Unterschiede zwischen noun-slot- und verft-v/of-Konstruktionen. Zweitens erstreckt sich die „Fluidität" (Evans 2000: 726) nicht auf alle Vertreter der Inhaltswörter, denn einige Wörter können flexible Positionen und Markierungen annehmen, während andere eingeschränkter sind. Drittens ist die Flexibilität nicht bidirektional: Es gibt mehr Möglichkeiten für Nomen, als Prädikate zu fungieren als für Verben, Argumente zu sein und Köpfe von Nominalphrasen zu bilden. Die Sprache enthält also die Kategorien Nomen und Verb, die Grammatik erlaubt allerdings einen produktiven Gebrauch von Nomen als Prädikate und hat ein hohes Vorkommen von Konversionen. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt Walter (1981) in seiner Analyse des Türkischen. Nomen können unter bestimmten Bedingungen im Kontext der Prädikation gebraucht werden. Dazu werden sie mit einer Untergruppe der verbtypischen Flexive markiert, während typische Argumentfunktionen verloren gehen. Broschart (1991) bestätigt, dass türkische Nomen zwar vergleichsweise „mobil", aber in ihrer Zugänglichkeit für verbspezifische Prozesse trotzdem eingeschränkt sind. Hentschel und Weydt (1995: 43) weisen darauf hin, dass auch im Türkischen eine Nomen-Verb-Unterscheidung auf morphologischer Basis möglich ist. Um die sprachspezifisch ausgeprägte Stärke und Eindeutigkeit der Nomen-VerbDistinktion zu erfassen, werden Nomen und Verben auf einem Kontinuum angesiedelt, wobei in Abhängigkeit von der Einzelsprache unterschiedliche „Grade der relativen Indistinktion" bestehen (Walter 1981:86, siehe auch Broschart 1991:105). Ein grundlegender polarer Gegensatz zwischen Nomen und Verben wird nach Lehmann (1992) in allen Sprachen „in der einen oder anderen Weise umgesetzt, wobei die strukturelle Salienz der sich ergebenden Kategorien freilich variieren kann" (Lehmann 1992: 159). Eine skeptischere Haltung bezüglich der Universalität der
31 Nomen-Verb-Distinktion formuliert Sasse (1993). Gerade die (auch von Evans besprochenen) Sprachen mit einer fraglichen Differenzierung führen für Sasse zu dem Schluss, dass sich die semantische Unterscheidung zwischen Objekt und Ereignis und die Unterscheidung zwischen Referenz und Prädikation (von Sasse gewertet als pragmatische, diskursfunktionale Größen, die durch syntaktische Operationen entstehen) nicht in allen Sprachen dergestalt niederschlägt, dass klare, formale kategoriale Unterschiede belegt werden könnten. Nouns and verbs are language-specific expressions of a widespread though not universal tendency to grammaticalize (and therefore prototypicalize) certain combinations of semantic and pragmatic features. (Sasse 1993:657)
In den kritischen Sprachen ließen sich zwar aufgrund pragmatischer Faktoren Nomen- und Verbverwendungen abgrenzen, die Existenz „echter" Kategorien sei aber erst gegeben, wenn aufgrund von morphosyntaktischer Evidenz zwei distinkte Kategorien auszumachen sind, die auf der einen Seite mit Objekt-Konzepten und Referenz und auf der anderen Seite mit Ereignis-Konzepten und Prädikation korrespondieren. Der Grad der Unterscheidbarkeit zwischen Nomen und Verben werde von dem Ausmaß bestimmt, in dem Funktionen wie Referenz und Prädikation durch sprachsystematische Mittel grammatikalisiert werden. Definite Artikel betonen die referentielle Funktion von Nomen, Pluralmarkierungen beziehen sich auf die Zählbarkeit konkreter Objekte, der Kasus zeigt den Status von Nomen als Beteiligte an Ereignissen an. Der Handlungsbezug von Verben wird durch die Kategorisierungen Tempus, Modus und Aspekt hervorgehoben. Kongruenzphänomene betonen den relationalen Charakter von Verben. Außerdem ist relevant, inwieweit eine klare kategorienetablierende und kategorienverändernde Morphologie zur Erkennbarkeit der Wortartzugehörigkeit verhilft. Sasse schließt sich der These der Universalität der Nomen-Verb-Distinktion daher nur vorsichtig an: One can say that there is a fairly general tendency among the languages of the world to combine predicativity with event expressions and referentiality with participant expressions in a way that gives rise to prototypical nouns and verbs. (Sasse 1993: 657)
Die beobachtbaren typologischen Unterschiede zwischen Einzelsprachen liegen auch für Sasse auf einem Kontinuum zwischen einer klaren Unterscheidung und einer (theoretischen) Nicht-Unterscheidbarkeit für Sprachen mit weniger typischen Konstellationen. Vogel (2000) entwickelt den in Sasse (1993) angesprochenen Aspekt der Grammatikalisierung weiter. Ein Grammatikalisierungsprozess lässt sich an dem Grad festmachen, in dem Klassen von Lexemen und bestimmte syntaktische Verwendungsweisen (syntactic slots) fest miteinander verbunden sind. Um Referenz bzw. Prädikation anzuzeigen, steht jeweils ein slot zur Verfügung. Nicht alle Lexeme können normalerweise in diesen beiden slots erscheinen, ohne dass zusätzliche Markierungen vorgenommen werden müssen. Je weniger Variation möglich ist und je stärker bestimmte Lexeme auf eine dieser Funktionen beschränkt sind, umso mehr
32 hat die Sprache ein grammatikalisiertes Wortartensystem. Wenn ein hohes Maß an Festgelegtheit besteht, gibt es wenige Überschneidungen zwischen Lexemen, die Lexeme gehören dann entweder der referentiellen oder der prädikativen Kategorie an. „In this case the assignment to a particular syntactic category is already an obligatory and integrative characteristic of the lexeme itself" (Vogel 2000:260). Diese Art der Organisation ist aber nicht in allen Sprachen gegeben. In Sprachen mit schwach grammatikalisierten Wortartsystemen können Lexeme relativ frei in verschiedenen slots auftreten. Hier sind die Lexeme „neutral", also noch nicht festgelegt hinsichtlich ihrer möglichen Funktionen. Die syntaktische Spezifikation geschieht auf Phrasenebene, wenn die lexikalischen Types in syntaktische Token umgewandelt werden. Damit wird eine grundlegende Unterscheidung zwischen Nomen-Verb-Sprachen und Type-Token-Sprachen getroffen (siehe auch Broschart 1997, Broschart & Dawuda 2000). Letztere zeichnen sich durch multifunktionale Lexeme aus, die erst durch die syntaktische Verwendungsweise spezifiziert werden, wie oben für das Beispiel Tonganisch ausgeführt wurde. Erst durch die Verwendung mit bestimmten Elementen (wie Artikeln oder Markern für Tempus/Aspekt/Modus) wird das Merkmal ± prädikativ aktiviert (+prädikativ entspricht verbal, - p r ä dikativ entspricht nominal, Vogel 2000:279). In Nomen-Verb-Sprachen, für die Vogel als klassisches Beispiel das Deutsche nennt, ist die syntaktische Kategorie integrativer Bestandteil des Lexems. Es gibt also schon auf Lexemebene nominale und verbale Stämme, die hinsichtlich des Merkmals ±prädikativ positiv oder negativ spezifiziert sind. Damit sind die lexikalischen Items prädestiniert für die Übernahme einer bestimmten Funktion (Broschart & Dawuda 2000:4). Veränderungen der Wortartzugehörigkeit erfordern daher auch eine lexikalische Konversion oder Derivation, bevor die Flexive der anderen Wortart verwendet werden können. Dieser Sprachtyp geht mit Flexion einher, denn Flexionssysteme sind ein Kennzeichen von Sprachen mit grammatikalisierten Wortartsystemen. Vogel (2000) sieht zusammengefasst einen wesentlichen Unterschied zwischen Nomen-Verb-Sprachen, in denen die Wortart lexikalisch spezifiziert ist, und Type-Token-Sprachen, in denen die Spezifikation erst auf Phrasenebene erfolgt. Während das Merkmal „+prädikativ" in den Type-Token-Sprachen erst durch die syntaktische Verknüpfung aktiviert wird, ist es in Nomen-Verb-Sprachen bereits Bestandteil des Lexems.
1.8.2
Nomen-Verb-Distinktion in ausgewählten Einzelsprachen
Die Frage, wie deutlich die Unterscheidbarkeit von Nomen und Verben ausgeprägt ist und ob diese sich bereits als wortbezogene Eigenschaft zeigt oder sich erst auf der syntaktischen Ebene manifestiert, muss somit für jede Einzelsprache separat beantwortet werden. An dieser Stelle sollen unter diesem Gesichtspunkt die Sprachen näher betrachtet werden, zu denen in den empirischen Studien Daten erhoben werden. Dazu werden kurz strukturelle Eigenschaften dieser Sprachen erläutert, sofern sie die Charakterisierung von Nomen und Verben betreffen. Ein
33
umfassender typologischer Vergleich wird hier nicht angestrebt, im Vordergrund stehen vielmehr die Eigenschaften der beiden Wortarten und mögliche Konsequenzen für deren Erwerb und Verarbeitung. In diesem Zusammenhang ist zunächst relevant, wie stark die Grammatikalisierung der Nomen-Verb-Distinktion ausgeprägt ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Position des Verbs im Satz, da die Wahrnehmbarkeit und Salienz von Wörtern von der Auftretensposition beeinflusst wird. Für den sprachvergleichend angelegten Teil der Untersuchung wurden zwei nichtindoeuropäische Sprachen - Koreanisch und Türkisch - ausgewählt, die in wesentlichen Merkmalen mit der deutschen Sprache kontrastieren. In geringerem Umfang werden außerdem Daten zum Englischen, einer weiteren indoeuropäischen Sprache, einbezogen, die jedoch hinsichtlich der Organisation der Wortarten Unterschiede zum Deutschen aufweist. Türkisch ist die größte Sprache innerhalb der Gruppe der Turksprachen, die zur Altaischen Sprachfamilie gehören (Kornfilt 1990). Eine Zurechnung des Koreanischen zur Altaischen Sprachfamilie wird ebenfalls erwogen, ist jedoch strittig (Kim 1990). Deutliche typologische Ähnlichkeiten bestehen auch mit dem Japanischen (Kim 1997). Ungeachtet der Frage nach einer möglichen Verwandtschaftsbeziehung zwischen Türkisch und Koreanisch lassen sich typologische Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Sprachen feststellen, die einen Vergleich der Erwerbsverläufe in diesen Sprachen mit dem Deutschen in besonderer Weise interessant erscheinen lassen. Türkisch und Koreanisch sind durch eine suffixagglutinierende Morphologie, das Fehlen von definiten Artikeln und Genusmarkierungen sowie durch eine kanonische SOV-Stellung gekennzeichnet. Das Koreanische ist eine agglutinierende Sprache mit über 400 Suffixen, die an die Wortstämme angefügt werden können (Kim 1990: 891), wobei die Flexive vorrangig zur Markierung von Verben dienen. Es gibt eigene Morpheme für den Ausdruck verschiedener Grade von Höflichkeit (Honorativ), deren Verwendung sich nach der sozialen Stellung von Sprecher und Hörer richtet. Sowohl das Verb als auch das Subjekt müssen in Abhängigkeit von der passenden Höflichkeitsform markiert werden. Nomen können mit einem Pluralmarker versehen werden, die Numerusmarkierung ist jedoch nicht obligatorisch. Treten Nomen mit Numeralen auf, steht ein reiches System an Klassifizierern zur Verfügung (Kim 1990: 895). Definite Artikel existieren nicht. Obwohl Definitheit durch Demonstrativa angezeigt werden kann, geht Kim (1990) davon aus, dass die Unterscheidung zwischen Definitheit und Indefinitheit im Koreanischen nicht grammatikalisiert ist. Die unmarkierte Wortstellung ist SOV, in der Schriftsprache muss die Finalstellung des Verbs auch strikt eingehalten werden. In der informellen gesprochenen Sprache sind sechs unterschiedliche Wortfolgen in einfachen Sätzen und in Matrixsätzen möglich und grammatisch akzeptabel, zwei davon (VSO und VOS) sind jedoch stark markiert (Kim 1997). Durch diese Variationen ergeben sich pragmatische Effekte. In eingebetteten Sätzen muss die Verbletztstellung auch in der gesprochenen Sprache realisiert werden. Die relative Freiheit der Wortstellung wird durch postpositionale Partikeln
34 möglich, die die grammatische Rolle jeder Konstituente kennzeichnen. Variable Abfolgen der Konstituenten sind auch im kindgerichteten Input zu finden, mit 74,5% dominiert jedoch die SOV-Stellung (Kim 1997:351). Im Koreanischen können das Subjekt sowie alle nominalen Argumente des Prädikats ausgelassen werden, solange der linguistische oder außersprachliche Kontext einen Bezug erlaubt (Kim 1990:895). Relativsätze stehen ohne Relativsatzeinleiter vor dem modifizierten Nomen. Als Besonderheit des Verbwortschatzes ist zu sehen, dass es zahlreiche zusammengesetzte Verben gibt, die aus einem Nomen und einem leichten Verb („ha" entspricht „machen") bestehen (ζ. B. „ppoppo-ha" - küssen = „Kuss machen"; „mokyok-ha" - baden = „Bad machen"). Das Türkische ist ebenfalls eine Sprache mit agglutinierender Morphologie und einem hochgradig regulären Flexionssystem. Die Suffixe bleiben unverändert und behalten ihre relative Position in Ketten von Suffixen bei. Homophone Morphe kommen nicht vor. In den Wörtern, die aus Morphemketten bestehen, liegt wortfinale Betonung vor, d. h. grammatische Morpheme werden betont. Für die Suffixe gilt das Prinzip der Vokalharmonie, d. h. die Vokale innerhalb eines Wortes müssen bestimmte Merkmale teilen; die Vokale in den Suffixen richten sich daher nach dem letzten Vokal des Wortstamms (Näheres in Kornfilt 1990: 626). Nomen sowie Personalpronomen, Demonstrativa und Fragewörter werden innerhalb eines regelmäßigen Kasussystems (für Genitiv, Akkusativ, Dativ, Lokativ, Ablativ) markiert. Bei Verben wird durch Suffixe Genus Verbi, Negation, Modalität, Aspekt, Tempus, Numerus und Person markiert. Türkisch ist eine relativ reine Form einer ObjektVerb-Sprache mit Postpositionen. Die kanonische und grundlegende Wortreihenfolge ist SOV. Trotzdem sind Wortfolgevariationen möglich, um pragmatische Effekte hervorzurufen. Kornfilt (1990: 638) wertet das Türkische im Vergleich zu anderen SOV-Sprachen als relativ flexibel in Bezug auf Stellungsvarianten, so seien auch Konstruktionen ohne Verbletztstellung möglich. Erguvanli (1984) beschreibt Abweichungen von der kanonischen Reihenfolge als stark markiert und an bestimmte Bedingungen und Restriktionen geknüpft. Durch OVS wird das Objekt fokussiert, durch OSV das Subjekt. Der kindgerichtete Input enthält Satztypen mit unterschiedlicher Abfolge der Konstituenten und unterschiedlicher Verbposition, in 48 % der Äußerungen ist dies die SOV-Stellung (Aksu-Κος & Slobin 1985: 866). Pronominale Subjekte können ausgelassen werden,zumal Person und Numerus des Subjekts am Verb markiert werden. Nebensätze erscheinen eher in Form nominalisierter Prädikate (Nominalisierungen, Partizipial- und Gerundivkonstruktionen) ohne Finitheitsmerkmale und ohne Konjunktionen. Die Möglichkeit einer kategorieübergreifenden Flexion - der „Prädikatsflexion" von Nomen - im Türkischen wird oft als Argument für einen teilweisen Zusammenfall von Nomen und Verben angeführt. Im Türkischen können Konstruktionen gebildet werden, die in etwa deutschen Kopulasätzen entsprechen, wobei dem Nomen direkt verbtypische Suffixe angefügt werden. Nach Walter (1981) ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das nominale und verbale Flexionspotential
35 identisch seien. Derartige Konversionsphänomene sind laut Walter nur mit einem geringen Teil des verbalen Flexionsrepertoires durchführbar. „Nominale Prädikatsflexion hebt also die Nomen-Verb-Unterscheidung nicht auf, sie kann jedoch als ein Symptom einer weniger rigiden Trennung dieser Kategorien ( . . . ) gewertet werden" (Walter 1981:85). Broschart und Dawuda (2000:76) kommen zu dem Schluss, dass es im Türkischen eine funktionale Überlappung zwischen Nomen und Verben in Prädikatsposition gibt, während die Kategorien in der referentiellen Funktion klar zu unterscheiden sind. Walter folgert aufgrund seiner Analyse der Sprachen Türkisch, Grönländisch und Ungarisch, dass in keiner der untersuchten Sprachen ein völliger Zusammenfall von Nomen und Verben zu beobachten ist. Gleichwohl unterscheiden sich Sprachen dahingehend, wie stark sie zwischen Nomen und Verben differenzieren bzw. nicht differenzieren. Durch Ambivalenz-, Konversions- und Überschneidungsphänomene ergibt sich in manchen Sprachen ein näheres Aneinanderrücken der Kategorien. Im Fall des Türkischen ist von einer größeren Überlappung zwischen Nomen und Verben auszugehen als im Deutschen, das durch eine recht klare Nomen-Verb-Trennung und damit eine enge Annäherung an prototypische Konstellationen gekennzeichnet ist. ( . . . ) the noun-verb distinction (in Turkish, A n m . d. V.) is indeed less evident than in G e r man, but there is no substantial reason to say that Turkish is anywhere near a N/V-indistinction. ( B r o s c h a r t 1991: 8 3 )
Es wurde bereits erläutert, dass Vogel (2000) das Deutsche als typischen Vertreter eindeutiger Nomen-Verb-Sprachen behandelt. Lehmann (1992) betont, dass der Strukturunterschied zwischen Nomen und Verben im Deutschen stärker ausgeprägt ist als in anderen Sprachen, da die Wortarten durch morphologische und syntaktische Kriterien klar voneinander zu unterscheiden seien. Die sprachspezifische Grammatikalisierung semantisch-pragmatischer Faktoren fällt auch laut Sasse (1993: 658f.) im Deutschen sehr prototypisch aus: Dass Nomen „Ding-Konzepte" repräsentieren, zeige sich an den morphologischen Kategorisierungen Numerus (konkrete Objekte sind zählbar) und durch das substantivische Genus. Der Status als Beteiligte an Ereignissen werde durch die Kategorisierung für Kasus und durch die Kombinierbarkeit mit Präpositionen ersichtlich. Das referentielle Potential von Nomen zeige sich an ihrer Kombinierbarkeit mit definiten Artikeln und Demonstrativpronomen. Der relationale Charakter von Verben (ihre Beziehung zu Argumenten) finde eine Entsprechung in der Verbvalenz und in Kongruenzphänomenen. Die Beziehung zwischen Handlungen und Verben wird zudem durch die Verbalkategorien betont, die von Leiss (1992) generell als Mittel der Perspektivenübernahme gegenüber Ereignissen angesehen werden. Deutsche Verben werden hinsichtlich Tempus und Modus kategorisiert und markiert, was eng mit der Strukturierung und Perspektivierung von Ereignissen zusammenhängt. Moduskategorien betreffen laut Eisenberg (2004a: 205) die Möglichkeiten der Realisierung von Handlungen, während Tempuskategorien sich auf ihre zeitliche Situierung beziehen. Die Struktur und der Verlauf von Ereignissen werden außerdem durch Aspekt-
36
kategorien angezeigt, die im Deutschen oft mit Wortbildungsmorphemen realisiert werden. Das Deutsche verfügt über ein reichhaltiges Flexionssystem (Numerus und Kasus für Nomen; Person, Numerus, Tempus und Modus für Verben). Aufgrund zahlreicher Synkretismen und homophoner Morphe ist das morphologische System allerdings weitaus weniger regulär und transparent als z.B. im Türkischen. Die Transposition von Wortarten wird im Deutschen durch kategoriespezifische morphologische Prozesse realisiert. Mittels Derivation und Konversion können Nomen in Verben und Verben in Nomen umgewandelt werden. Im Falle der expliziten und impliziten Ableitung entstehen dabei klar zu unterscheidende Wortformen (wie „trinken" versus „Trinker", „küssen" versus „Kuss"). Bei der Konversion findet der Wortartwechsel ohne Wortbildungsmorpheme statt. Nach erfolgter Konversion wird der Stamm mit Flexionsmorphemen verbunden, die für die jeweils andere Wortart typisch sind. Bei der Konversion von Nomen zu Verben ergeben sich im Deutschen im Gegensatz zum Englischen jedoch keine homophonen Formen (ζ. B. „Zelt" versus „zelten/er zeltet", „treffen" versus „der Treff" gegenüber „to hammer" versus „hammer"). Während für englische Verben der Typ der Grundformflexion gilt, so dass kein weiteres Suffix obligatorisch und der Stamm identisch mit der Grundform ist, enthalten deutsche Verben aufgrund der Stammflexion (Eisenberg 2004a: 153) ein (fakultatives) Suffix. Nach einer Konversion von Verben zu Nomen im Deutschen kann das konvertierte Verb ebenfalls mit der nominaltypischen Flexion versehen werden, was für den Nominativ Singular (ζ. B. „der Treff") bedeutet, dass keine Flexive benötigt werden, weil dieser Kasus nicht flexivisch markiert wird (aber: „des Treffs"). Ein Vergleich der Wortbildungsprozesse im Deutschen und Englischen zeigt, dass in beiden Sprachen Lexeme über Wortbildungsprozesse in eine andere Wortart überführt werden können; im Falle der Derivation explizit über Wortbildungsmorpheme, im Fall der Konversion ohne Wortbildungselemente. Die Erkennbarkeit des Wortbildungsproduktes als Nomen oder Verb ist jedoch im Deutschen größer, da die entstandene Wortform aufgrund wortarttypischer Flexionsmarkierungen leichter identifiziert werden kann. Eine weitere Form der Konversion liegt bei substantivierten Infinitiven („laufen" - „das Laufen") vor. Hier ist ein Fall von syntaktischer Konversion gegeben (Eisenberg 2004a: 295, Meibauer 2002), wobei Einschränkungen in der Verwendung als Nomen bestehen; ζ. B. ist kein Plural möglich („*zwei Laufen") und eine Verbindung mit indefiniten Artikeln nur eingeschränkt akzeptabel. Vogel (2000) weist darauf hin, dass deutsche deverbale Nomen hinsichtlich ihrer „nouniness" bzw. „verbiness" sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Substantivierte Infinitive (wie „das Lesen") verlieren typische Nomeneigenschaften, während deverbale Nomen vom Typ „der Treff" dagegen mehr nominale Charakteristika enthalten. Zusammenfassend liegt laut Sasse (1993) im Deutschen eine recht klare kategorienetablierende und kategorienverändernde Morphologie vor. Unter syntaktischen Aspekten ist festzustellen, dass Nomen im Deutschen von Artikeln begleitet werden, wobei Stoffbezeichnungen, Kollektiva und Abstrakta
37 ohne unbestimmten Artikel auftreten. Subjekte müssen obligatorisch realisiert werden, in der gesprochenen Sprache können sie unter bestimmten Kontextbedingungen elliptisch ausgelassen werden. Die Position des Verbs ist im Deutschen in Abhängigkeit von der Satzart geregelt, es besteht somit eine variable, aber regelbasierte Wortstellung (siehe auch Mills 1985). So steht das finite Verb in Entscheidungsfragen in Spitzenstellung, in Aussagesätzen und Ergänzungsfragen in Zweitposition, in Nebensätzen und manchen Exklamativsätzen in Finalposition. 5 Solange das finite Verb im Aussagesatz in der zweiten Position steht, können andere Konstituenten relativ frei bewegt werden, daher sind im Gegensatz zum Englischen ζ. B. auch OVS-Strukturen mit topikalisiertem Objekt möglich. Während im Koreanischen und Türkischen das Verb überwiegend am Satzende und im Englischen überwiegend innerhalb des Satzes erscheint, sind im Deutschen unterschiedliche Positionen erwartbar. Durch die Verbklammer (bei Konstruktionen mit Auxiliar oder Modalverb) und die Nebensatzstellung erscheinen die Vollverben häufig auch in satzfinaler Position. Insgesamt ist die Wortartzugehörigkeit von Wörtern im Deutschen anhand morphologischer und distributioneller Kriterien klar erkennbar. Auch die zweite in der empirischen Studie untersuchte indoeuropäische Sprache, das Englische, unterscheidet sich in vielfältiger Weise vom Koreanischen und Türkischen. Morphologische Markierungen an Nomen und Verben sind in wesentlich geringerem Ausmaß vorhanden. Kasusmarkierungen finden sich nur im pronominalen Bereich, nicht an Substantiven und Adjektiven. Die Markierung des Verbs hinsichtlich der Person findet nur für die 3. Person Singular statt. Angesichts der schwach ausgeprägten Flexion werden grammatische Funktionen vor allem durch die Wortstellung kodiert. Zur Anzeige der Funktion von Konstituenten dient eine recht rigide Wortreihenfolge, die durch eine SVO-Abfolge charakterisiert ist. Pragmatische Effekte wie Veränderungen des Fokus werden eher durch Betonung unter Beibehaltung der SVO-Reihenfolge signalisiert. Wortstellungsvarianten können außerdem durch Hilfskonstruktionen erfolgen, die jedoch eher selten auftreten (de Villiers & de Villiers 1985). Im englischen kindgerichteten Input werden dementsprechend in der Finalposition deutlich mehr Nomen als Verben gefunden, womit ein klarer Gegensatz zum Koreanischen besteht. Wie im Deutschen sind Artikel vorhanden und obligatorisch. Eine Genusunterscheidung am Nomen existiert nicht. Subjekte können nicht systematisch ausgelassen werden. Als Besonderheit des Englischen sind umfangreiche Konversionsmöglichkeiten zu nennen, so dass gleichlautende Nomen und Verben (ζ. B. „to kiss/smile" versus „a kiss/smile") entstehen. Die Wortartzugehörigkeit ist hier vor allem durch distributioneile Faktoren wie die Artikelverwendung erkennbar. Aufgrund dieses Phänomens sieht Vogel (2002) für das Englische sogar eine Entwicklung in Richtung einer Type-Token-Sprache. Diese Veränderung wird durch den weitgehenden Verlust der Flexion und durch zahlreiche morphologisch unmarkierte Wortartwechsel (durch Konversion/Nullderiva5
vgl. Kapitel 1.3.
38 tion) charakterisiert. „Here the naked stem, without any further measures being obligatorily taken, can appear in syntactic slots and with inflectional endings of different parts of speech" (Vogel 2000:274). Aufgrund von Beispielen wie „to bike" oder „to microwave" lasse sich folgern, dass zahlreiche englische Lexeme eher unspezifiziert hinsichtlich der Wortart seien und erst auf Syntaxebene ihre kategoriale Festlegung erhielten. In diesem Sinne rücke das Englische in die Nähe von Sprachen wie Chinesisch und entferne sich von Sprachen wie dem Deutschen (Vogel 2000: 274). Auch Bates et al. (2003) werten das Englische in einem Vergleich von sieben verschiedenen Einzelsprachen als Sprache mit einer hohen lexikalischen Ambiguität, womit eine ausgeprägte Mehrdeutigkeit hinsichtlich der Zugehörigkeit von Wörtern zur Kategorie Nomen oder Verb gemeint ist. Nelson (1995) sieht die unklare Wortartzugehörigkeit zahlreicher englischer Wörter als charakteristisches Problem für den englischen Spracherwerb, zeigt jedoch, dass Kinder in der Lage sind, gleichlautende Wörter in unterschiedlichen Funktionen zu verwenden.
Überblick zum Sprachvergleich Englisch
Deutsch
Koreanisch
Türkisch
Markierung von
indefinite und
indefinite und
keine definiten
keine definiten
Nomen
definite Artikel
definite Artikel
Artikel, kein
Artikel, kein
vorhanden und
vorhanden und
Genus, Nume-
Genus, Nume-
obligatorisch,
obligatorisch,
rus nicht
rus markiert
kein Genus,
Genus vorhan-
obligatorisch
durch Plural-
Pluralmar-
den, markiert
markiert,
suffixe -1er, -lar,
kierung, keine
für Numerus
Pluralmarker
keine Plural-
Kasusflexion
(komplexes
„dul" bzw.
markierung
Pluralsystem),
Numerusklas-
am Substantiv
markiert für
sifikatoren,
bei Zahl-
Kasus
flektiert nach
wörtern und
Kasus, Subj.
Quantoren,
markiert für
regelmäßige
Höflichkeits-
Kasusmarkie-
form
rung
Markierung von
markiert für
markiert für
markiert für
markiert für
Verben
Person, Tempus
Person, Tempus
Tempus, Modus,
Person, Tempus,
(u. a.), SV-Kon-
Aktionsart,
Modus (u. a.),
gruenz
und Modus (u.a.), SV-Kon-
SV-Kongruenz
(für 3. pers. sg.)
gruenz
Aspekt, Höflichkeitsform (Honorativ), konjunktionale Suffixe, keine SV-Kongruenz
39
Verbposition
Englisch
Deutsch
Koreanisch
Türkisch
S V O in Haupt-
Hauptsätze
SOV
SOV
und Neben-
SVO,
markierte
andere
sätzen
Nebensätze
Varianten
Stellungs-
SOV
möglich
varianten möglich (markiert)
Subjekt-
Subjekt
Subjekt
Nullsubjekte
Nullsubjekte
realisierung
obligatorisch
obligatorisch
Objektellipsen
Objektellipsen
Wortbildungs-
WB-Suffixe,
W B - A f f i x e für
Nominalisie-
zahlreiche
phänomene
Konversions-
Transposition
rungssuffixe für
Phänomene, die
von Wortarten,
die Transposi-
Wortbildungssuffixe für die
zu homophonen
Wortarttypische
tion vorhanden
Transposition
Nomen und
Suffixe
Verben führen ( - » Grundformflexion bei Verben) Ν und V
Ν und V
N-V-Unter-
N-V-Unter-
unterschieden
deutlich unter-
scheidung vor-
scheidung vor-
(außer bei
schieden
handen, Verben
handen, mehr
komplexer
Markierungen
markiert als Nomen
an Verben,
Konversionen)
Wortstämme relativ „flexibel"
Betrachtet man die morphologisch und distributioneil gekennzeichnete Unterscheidung zwischen Nomen und Verben sowie die Verbposition für die hier interessierenden Sprachen in einem groben tabellarischen Überblick, so wird deutlich, dass die Konstellation in allen Sprachen unterschiedlich ist. In keiner der Sprachen scheint eine fehlende Unterscheidbarkeit von Nomen und Verben gegeben. Der Grad der Differenzierung zwischen Nomen und Verben aufgrund morphologischer, syntaktischer, distributioneller und semantischer Faktoren variiert jedoch in A b hängigkeit von der Einzelsprache. Der Überblick hat gezeigt, dass die Trennung zwischen Nomen und Verben in verschiedenen Sprachen mit unterschiedlichen Mitteln hergestellt wird und in manchen Sprachen weniger rigide ausfällt. Eine völlige UnUnterscheidbarkeit der Kategorien Nomen und Verb wird gegenwärtig nicht postuliert.
40 Although there is no question that most languages, if not all, do differentiate between relatively verbal and relatively nominal elements, it is obvious that languages do so by different degree and by different means. (Broschart 1991:67)
Eine Gegenüberstellung dieser Kategorien in empirischen Untersuchungen scheint damit - auch mit einer sprachübergreifenden Perspektive - gerechtfertigt. Insbesondere erscheint es Gewinn bringend, solche Sprachen vergleichend zu untersuchen, bei denen die wortartkonstituierenden Eigenschaften von Nomen und Verben unterschiedlich sind. Die hier betrachteten Sprachen unterscheiden sich stark hinsichtlich der Komplexität und Transparenz der morphologischen Markierungen an Nomen und Verben, hinsichtlich der Position des Verbs im Satz und hinsichtlich der Notwendigkeit, Nominalphrasen (als Subjekte oder Objekte) zu realisieren. Alle diese Aspekte können sich auf den Erwerb der Wortarten in den Sprachen auswirken (Aksu-Κος & Slobin 1985: 871f.). Eine regelmäßige, transparente Morphologie mit worarttypischen Affixen, klare Distributionsverhältnisse (wie Artikel mit Nomen) und eine gut wahrnehmbare Position von Wörtern (insbesondere die finale Position) innerhalb des Satzes können erwerbserleichternd wirken. Wird durch Auslassung von Nominalphrasen die Anzahl der auftretenden Nomen im Satz reduziert, führt dies zu einer erhöhten Frequenz und damit möglicherweise zu einem Erwerbsvorteil von Verben.
2
Erwerb von Nomen und Verben
Die folgende Darstellung nimmt die Überlegung zum Ausgangspunkt, ob die auf mehreren Ebenen nachzuweisende Unterschiedlichkeit der Wortarten Nomen und Verben Konsequenzen für deren Erwerb hat. Mit dem Thema des Erwerbs von Nomen und Verben ist ein zentraler Bereich der kindlichen Lexikon- und Grammatikentwicklung angesprochen. The acquisition of grammatical categories - e. g. Noun, Verb - is an important aspect of acquisition because these categories are fundamental and universal primitives from which grammars are constructed. Every language draws from a common set of lexical categories, and every language utilizes a core subset including Noun and Verb. Grammatical category acquisition, thus, provides a significant test case for the evaluation of any acquisition theory. (Mintz et al. 2002: 394)
Der Aufbau des Vokabulars der Muttersprache umfasst unter quantitativen Gesichtspunkten die Übernahme einer Vielzahl lexikalischer Einheiten aus unterschiedlichen Wortklassen in das mentale Lexikon, unter qualitativen Gesichtspunkten den Aufbau differenzierter Bedeutungskonzepte und die Vernetzung und Organisation lexikalischer Einheiten untereinander. Kinder lernen und produzieren in den ersten Lebensjahren eine Vielfalt von lexikalischen Kategorien, unter denen Nomen und Verben einen substanziellen Bestandteil bilden. Unter Erwerbsaspekten müssen unterschiedliche Schritte betrachtet werden: Zunächst ist zu fragen, wie Kinder in den frühen Phasen des Spracherwerbs grammatische Kategorien (hier speziell Nomen und Verben) erkennen und zur Kategorisierung neu erworbener Wörter nutzen; eine komplexe Lernaufgabe, die Hollich et al. (2000:4) als das „unit problem" bezeichnen. To learn the grammar of a language children must discover both these units and identify them (e. g., This is a noun). (Hollich et al. 2000:4)
In Bezug auf Wortlernmechanismen werden vor allem Experimente zum Lernen neuer Wörter eingesetzt. Ein weiterer untersuchter Aspekt ist das Auftreten von Nomen und Verben in der produktiven Lexikonentwicklung, also die konkrete Komposition des kindlichen Wortschatzes in der Spontansprache. Darüber hinaus kann bei älteren Kindern nach dem Umgehen mit Nomen und Verben in gelenkten Situationen bzw. im Kontext spezieller Aufgaben gefragt werden. Die genannten Punkte (Kategorisierung, Wortlernen in experimentellen Situationen, spontane produktive Lexikonentwicklung, Testaufgaben) werden im Folgenden anhand verfügbarer Forschungsergebnisse ausgeführt.
42 2.1
Kategorisierung im f r ü h e n Spracherwerb
Wie Kinder aus dem Input Worteinheiten extrahieren und diese kategorisieren, ist eine erklärungsbedürftige Frage, der sich jede Spracherwerbstheorie zu stellen hat. Diese Erwerbsaufgabe, nämlich das Erkennen von Einheiten und die Identifikation dieser Einheiten als Vertreter von sprachlichen Kategorien, gilt zunächst für alle Sprachen. Angesichts der Beobachtung, dass sich das Wortarteninventar jeder Sprache auf ein relativ begrenztes Set von Auswahlmöglichkeiten bezieht, das in jedem Fall Nomen und Verben vorsieht, auch wenn nicht in allen Sprachen dieselbe Anzahl von Wortarten realisiert wird,1 ist die grundlegende Lernaufgabe sprachübergreifend vergleichbar. Der konkrete Erwerbsinhalt richtet sich jedoch nach der Organisation und den Merkmalen der Wortkategorien, die in der zu erwerbenden Sprache gelten. To learn a language, a child must first find the units that compose that language. Although languages seem to draw universally from the same finite set of units, the child faces a somewhat different task in uncovering what these units are depending on the language to be learned. (Hirsh-Pasek & Golinkoff 1996:14)
Zur Erklärung der Genese syntaktischer bzw. lexikalischer Kategorien als Gliederungsprinzip innerhalb des Lexikons sind unterschiedliche Modelle denkbar. Kinder könnten entweder mit einem vorgegebenen Set an Kategorien operieren und erworbene Wörter in dieses Raster einordnen oder sie müssen die Kategorien anhand von Informationen aus der Umwelt und aus dem sprachlichen Input selbst generieren. Innerhalb nativistischer Ansätze zum Spracherwerb wird davon ausgegangen, dass dem Kind aufgrund universalgrammatischer Vorgaben basale Kategorien bereits zur Verfügung stehen. Wörter werden in der generativen Grammatik nach dem Auftreten kategorialer Merkmale klassifiziert (vgl. Steinitz 1997). Die vier großen lexikalischen Kategorien (Nomen, Verb, Adjektiv und Präposition) sind als theoretisch mögliche Kombinationen der Merkmale „nominal" und „verbal", d.h. [±N] und [±V], ableitbar. Nomen werden durch das Merkmalsbündel -V/+N, Verben durch die Eigenschaften + V / - N spezifiziert. Diese kategorialen Merkmale werden als universal angesehen, auch wenn nicht in allen Sprachen sämtliche Merkmalskombinationen vorkommen. Kinder können sich auf diese vorgegebenen Merkmale stützen, wenn sie mit Wörtern konfrontiert werden (z.B. Stenzel 1997). Sie gehen von der Erwartung aus, dass ihre Sprache Nomen und Verben enthält und suchen im Input dann Belege von Wörtern, die zu diesen vorgegebenen Kategorien passen. Wie diese Verbindung hergestellt wird, ist jedoch nicht ausreichend geklärt:
siehe auch Kapitel 1.8 zur Universalität von Nomen und Verben.
43 It thus turns out that this acquisition theory which claims the pre-existence of syntactic categories as a starting point for acquisition ends up in an infinite logical loop: innate syntax can only kick in with knowledge of the syntactic category of words, but categories cannot be identified without knowledge of syntax, i. e., the distribution of these word forms in context. (Behrens 2000:26)
Ansätze, die kein vorgegebenes Wissen über Kategorien bzw. kategoriale Merkmale postulieren, müssen dagegen die Entstehung von Kategorien erklären und die Mechanismen explizieren, mit denen Kinder diese Erwerbsaufgabe bewältigen. Im Rahmen neuerer Ansätze zum Spracherwerb wird angenommen, dass Kinder neu gewonnene Informationen aus verschiedenen sprachlichen und nichtsprachlichen Bereichen für die Weiterentwicklung ihres sprachlichen Wissens nutzen, wobei sich die Gewichtung der Faktoren im Laufe der Entwicklung verändert. Im Sinne solcher „multiple cues "-Modelle (siehe z.B. Hirsh-Pasek et al. 2000) tragen soziale, perzeptuelle, kognitive und linguistische Hinweise zum Aufbau sprachlichen Wissens im Allgemeinen und zum Wortlernen im Besonderen bei. Children must be able to assign open-class words to the correct part-of-speech-category; knowing a word's class is central to learning how that word can be expected to function syntactically. (...) We suggest that during both comprehension and production children have access to a variety of cues in the input that enable them to assign new words to the different word classes. (Hirsh-Pasek & Golinkoff 1996:173)
Generell impliziert ein solcher Ansatz die Annahme, dass das Kind Korrelationen zwischen unterschiedlichen sprachlichen Ebenen erkennt und diese für den Erwerb und Ausbau sprachspezifischen Wissens nutzt. Ein solcher Erwerbsmechanismus wird als bootstrapping bezeichnet, bei dem das Kind spezifische Informationen als Steigbügel oder Einstiegshilfe für weitere Entwicklungsschritte verwendet. Behrens (1999: 40) weist darauf hin, dass bootstrapping nur funktionieren kann, wenn die Relationen zwischen unterschiedlichen Ebenen bestehen, die überzufällig korrekte Vorhersagen erlauben. Auch bei der Entstehung von Wortarten wie Nomen und Verben kann davon ausgegangen werden, dass Kinder vielfältige Hinweise heranziehen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Spracherwerb wirksam werden. In diesem Sinne sind die Wortarten nicht a priori vorgegeben, sondern als emergente Kategorien zu verstehen. Im Folgenden werden die Informationsquellen erörtert, die von Kindern ausgeschöpft werden können, um Wortkategorien zu entwickeln und Wörter diesen Kategorien zuzuweisen (siehe auch Höhle 2002: 26f). Dabei ist anzunehmen, dass die Bedeutung und Gewichtung dieser Hinweisreize in Abhängigkeit von der Wortart variieren kann: The emergentist coalition model predicts that children use multiple cues to learn new words and that cue use may vary across different types of words. (...) It is possible that the cues that are important for noun learning may not be the same cues that are useful for verb learning. (Storkel 2003:1320/1313)
44 2.1.1
Phonologische cues
Aufgrund der partiellen Korrelationen zwischen prosodischen Variablen wie Betonungsmuster oder Silbenzahl und der Wortartzugehörigkeit, die für englische Nomen und Verben gelten, wird angenommen, dass die Zuweisung von Wörtern zu diesen Kategorien durch prosodische Faktoren mitbestimmt wird (Hollich et al. 2000, Black & Chiat 2003, Monaghan et al. 2003). Black und Chiat (2003) folgern, dass die Segmentation von Verben aus dem Input schwieriger sein müsse als für Nomen. Wie Studien zur frühen Sprachwahrnehmung (für einen Überblick siehe Jusczyk 1999, Höhle 2002) zeigen, sind Kinder schon früh sensibel für die vorherrschenden Betonungsmuster ihrer Sprache. Englische Kinder gehen von einem trochäischen Muster aus und leiten daraus die Annahme ab, dass Wortgrenzen vor betonten Silben liegen. Da Verben jedoch häufiger als Nomen von dem unmarkierten trochäischen Wortakzent abweichen (Kelly 1996), erhalten Nomen im Englischen einen Erwerbsvorteil. Nazzi & Houston (2006) konnten nachweisen, dass englische Kinder bereits mit 13,5 Monaten in der Lage sind, Verben anhand des Wortonsets und des Wortbetonungsmusters aus dem Sprachstrom zu segmentieren. Kinder sind damit früh in der Lage, Verben zu segmentieren, die Segmentationsfähigkeit für Nomen erfolgt sogar noch früher (Nazzi & Houston 2006: 82). Auch wenn aufgrund prosodischer cues nicht alle Items zweifelsfrei als Nomen oder Verben identifiziert werden können, ist anzunehmen, dass Kinder Hinweise dieser Art heranziehen, sofern diese in ihrer jeweiligen Sprache hilfreiche Informationen zur Wortarterkennung bieten. Dem Einfluss phonotaktischer Hinweise für das Lernen von Nomen und Verben geht Storkel (2001,2003) nach. In ihren Wortlernexperimenten stellte sich heraus, dass neue Wörter mit gebräuchlichen Lautsequenzen generell besser gelernt werden als Wörter mit einer geringen phonotaktischen Wahrscheinlichkeit. Die Nutzung dieser cues für das Wortlernen schien für Nomen und Verben in gleicher Weise und in gleichem Umfang zu erfolgen. Phonotaktische Faktoren beeinflussen den Lernerfolg somit für beide Wortarten in ähnlicher Weise.
2.1.2
Konzeptuelle cues
Bereits im ersten Lebensjahr konzeptualisieren Kinder die Dinge und Ereignisse in ihrer Umwelt auf der Basis ihrer konkreten Erfahrung und bauen damit die konzeptuellen Basiseinheiten auf, die später mit den aus dem Input extrahierten sprachlichen Einheiten verbunden werden. Dabei setzt sich das Kind sowohl mit Objekten auseinander, was die sich entwickelnden Fähigkeiten der Objektpermanenz und der Kategorisierung zeigen, als auch mit dynamischen und relationalen Qualitäten von Ereignissen. From before their first birthdays infants do not just perceive but also conceptualize the dynamic and relational aspects of their experience, involving such things as animate motion, caused motion, containment, and support. These are just as basic as object conceptualizations. (Tomasello 2003:63)
45 Vertreter einer eher kognitivistischen Ausrichtung sehen in der Herausbildung von prälinguistischen kognitiven Repräsentationen eine wesentliche Voraussetzung für den Spracherwerb. Maia und Chang (2001) wenden diesen Ansatz auf den Erwerb der Kategorien Nomen und Verben an. Zu Beginn der kindlichen Entwicklung ist das Kind in sensomotorische Aktivitäten involviert, die zum Aufbau von kognitiven Konzepten und Kategorien wie „Handlung", „Handelnder", „Objekt", „belebt" etc. führen. Durch die Beobachtung von konkreten Ereignissen wird zunächst eine spezifische Repräsentation für die aktuelle Handlung erstellt. Im Zuge weiterer Erlebnisse kann sich diese spezifische Repräsentation zu einem generalisierten Schema erweitern (z.B. das Schema der „gerichteten Handlung", das die Bestandteile eines belebten Agenten, einer Handlung und eines belebten oder unbelebten Betroffenen enthält). Es wird angenommen, dass die kognitiv repräsentierten Schemata die Basis für die ersten grammatischen Formen im Spracherwerb bilden. Der Rahmen „gerichtete Handlung" könnte somit die Grundlage für die ersten aktiven transitiven Konstruktionen mit Nomen und Verben darstellen. Zweifellos ist Wissen über Objekte und Ereignisse eine wichtige und notwendige Voraussetzung, um Korrespondenzen zwischen diesen Konzepten und sprachlichen Einheiten festzustellen. Maia und Chang (2001) nehmen jedoch eine sehr enge und direkte Entsprechung zwischen kognitiven Repräsentationen und deren Umsetzung in Sprache an. So soll die anfänglich lexemgebundene Verwendung von Verben mit den frühen handlungsspezifischen kognitiven Schemata, der Erwerb von regelhaften Sprachstrukturen (z.B. ein generalisiertes, von einzelnen Verben abgekoppeltes Wissen über Transitivität) dagegen mit der Ausbildung von generalisierten Handlungsrepräsentationen korrespondieren. Sprache wird hier nicht als eigene Erwerbsaufgabe gesehen, die einen aufgabenspezifischen Abstraktionsprozess erfordert. Obwohl die Annahme einer direkten Umsetzung der kognitiven Generalisierung von Handlungsschemata in sprachliche Strukturen kritisch zu sehen ist, ist der Aufbau von konzeptuellen Repräsentationen über Objekte und Handlungen ein wichtiger Aspekt des Wortartenerwerbs, da dabei die Inhalte erworben und repräsentiert werden, die dann prototypisch mit Nomen und Verben verbunden werden.
2.1.3
Semantische cues
Die von Pinker (1987) formulierte Idee des semantischen bootstrappings basiert auf der Annahme, dass Kinder ihr Wissen über Wortarten auf einer induktiven Basis aufbauen, indem sie Korrelationen zwischen semantischen und syntaktischen Kategorien herstellen. Die häufig gegebenen Korrespondenzen zwischen Objekten und Nomen sowie Handlungen und Verben werden so gedeutet, dass bestimmte Bedeutungsinhalte auf bestimmte Einheiten des Inputs und diese wiederum auf syntaktische Kategorien abgebildet werden. Für Pinker sind die sprachlichen Kategorien selbst jedoch aufgrund universalgrammatischer Vorgaben bereits angelegt, die Er-
46 werbsaufgabe des Kindes liegt in der Zuordnung bestimmter Inputeinheiten zu diesen Kategorien. Der Erwerb von Wortarten ist hier also zumindest in der Einstiegsphase an semantisch-konzeptuelle Faktoren gebunden. Laut Maratsos (1990) ist die Annahme einer semantisch basierten Strategie für den Aufbau von Wortkategorien besonders für Nomen plausibel. Die konkrete Objektreferenz bildet als bindende und organisierende Kraft den Einstiegspunkt in den Aufbau formaler Kategorien. „For nouns, the best account does take concrete-object reference to be an initial and later organizer of great power" (Maratsos 1990: 1366). Zu Beginn des Spracherwerbs gruppieren Kinder Wörter mit konkreter Objektreferenz zu einer ersten lexikalischen Kategorie „Nomen". Danach wird eine Kategorie der „nonnouns" aufgebaut. Für nicht-nominale Kategorien spielen strukturelle Faktoren jedoch eine größere Rolle, weil die rein semantisch-konzeptuellen Hinweise weniger zuverlässig sind. „Semantic core"-Ansätze funktionieren beim Verberwerb somit weniger effektiv. Maratsos (1990) führt anhand von kindersprachlichen Daten aus, dass früh auftretende Verben oft nicht auf Handlungen bezogen sind, ihr Erwerb damit nicht über eine rein semantische Strategie erfolgt sein kann.
2.1.4
Distributionelle cues
Ein weiterer Mechanismus zur Wortartzuweisung besteht in der Ausnutzung distributioneller Muster der Sprache. Nach Maratsos und Chalkley (1980) bauen Kinder formale Kategorien auf, indem sie strukturelle Eigenschaften analysieren, ohne sich auf semantische Faktoren zu verlassen. Kinder nehmen distributioneile Muster (ζ. B. zwischen Verben und verbspezifischen Flexionsmorphemen oder zwischen Nomen und Artikeln) wahr und sehen diese als prädiktive Hinweise auf das Vorhandensein von Kategorien. Noticing the endings of words helps the child to discover whether a word names an object or an action and to discover the grammatical categories to which the word belongs. (Hakuta & Bloom 1986:275)
Das Kind formt eine Kategorie, wenn sich Wörter aufgrund gemeinsamer struktureller Merkmale gruppieren lassen. Weitere Wörter werden dann mit Hilfe dieser distinktiven Merkmale der Kategorie zugewiesen. This theoretical account thus claims that apparently the child is UNbiased. He or she faithfully records the cross-correlations of semantic and semantic-structural patterns on terms to develop a predictive network in which the predictive power of various properties is identified naturally in a fairly objective way from the input. (Maratsos 1990: 1373)
Maratsos (1988) sieht dieses Verfahren insbesondere als Erklärung für den Erwerb der Kategorie der Verben an, die auch im frühen Spracherwerb nicht durchgängig durch semantische Faktoren wie „Aktionaliät" definiert sind.
47 The child progresses to the verb category by a remarkably direct and accurate structural route that does not involve action predicates as a developmental intermediate. (Maratsos
1988:39) Basierend auf den Annahmen von Maratsos und Chalkley (1980) über die Relevanz distributioneller Kriterien wurden moderne Netzwerkmodelle entwickelt, um zu prüfen, ob der an das Kind gerichtete Input tatsächlich ausreichend Informationen enthält, aus denen das Kind grundlegende Wortkategorien ableiten kann. Dazu werden große Datenmengen kindgerichter Sprache statistisch aufbereitet und als Input vorgegeben. Die Aufgabe für ein simuliertes lernendes System ist es nun, bestimmte Zielwörter zu gruppieren, wobei die Wörter, die in deren unmittelbaren Umgebung vorkommen, berücksichtigt werden sollen. Als Ergebnis ordnet das System den Zielwörtern einen bestimmten Raum zu, indem Wörter mit ähnlichen Kontextwörtern cluster bilden. Studien von Redington et al. (1998) und Mintz et al. (2002) kommen mit einer vergleichbaren Methodik übereinstimmend zu dem Schluss, dass distributioneile Informationen wesentliche Hinweise für den Aufbau von Kategorien geben, die für eine erste Grobklassifizierung von Wörtern auch ausreichend sind. In der Studienserie von Redington et al. (1998) wurde ein Korpus mit englischer child directed speech verwendet, das über 2,5 Millionen Wörter enthält. Ein Netzwerksystem wurde aufgebaut, das drei Verfahren vollzieht: Es misst die Distribution von Kontexten, in denen vorgegebene Zielwörter auftreten; es vergleicht die Distribution von Kontexten für Wortpaare und es gruppiert Wörter mit ähnlichen distributionellen Kontexten (similarity space). Die Ergebnisse zeigen, dass die cluster, die sich aus der Analyse des Lernsystems ergeben, den traditionellen Wortarten sehr nahe kommen. Je näher Zielwort und Kontextwort zueinander stehen, umso größer ist die Information über die Kategorie des Zielwortes. Dabei sind vorangehende Kontexte (das Wort, das vor dem Zielwort liegt bzw. das vorletzte Wort) informativer als folgende Kontexte (das nächste oder übernächste Wort). Die besten Ergebnisse ergeben sich bei der Kombination der Information aus vorangehenden und folgenden Kontexten. Die distributionelle Methode ist für verschiedene Wortarten unterschiedlich wirksam. Die besten Ergebnisse wurden für Nomen erzielt, gefolgt von Verben. This model uses highly local distributional information, concerning the immediately preceding and succeeding items surrounding the target word, (...), and is most effective for learning nouns and then verbs, and least effective for function words. (Redington et al.
1998:462) Aus dem Verhalten des Netzwerkmodells wird geschlossen, dass distributionelle Information einen wichtigen Beitrag für die Erschließung grammatischer Kategorien leisten kann. Auch in Mintz et al. (2002) wird eine statistische Analyse eines Input korpus durchgeführt, um den Beitrag distributioneller Information für den Erwerb der Kategorien Nomen und Verb einzuschätzen. Es wurde ein Korpus zusammengestellt, das sich auf die Sprache von Eltern gegenüber Kindern unter zweieinhalb Jahren bezieht. Das lernende System sollte 200 frequente Nomen und Verben klas-
48 sifizieren. Die erfolgte Klassifikation ergab eine gute Trefferquote für Nomen und Verben, wobei die Leistung für Nomen auch hier besser war als für Verben. Die Klassifikationsleistung wurde sowohl erzielt, wenn je ein Wort vor und nach dem Zielwort verarbeitet wird, als auch, wenn das Fenster je zwei Wörter links und rechts vom Zielwort umfasste. Wurde das Fenster auf acht Wörter erweitert, verbesserten sich nochmals die Ergebnisse in der Verbklassifikation. Der an Kinder gerichtete Input enthält offensichtlich ausreichend Informationen, damit über eine distributioneile Analyse zumindest die grundlegenden Kategorien Nomen und Verb herausgefiltert werden können. Allerdings räumen die Autoren ein, dass Fehlklassifikationen nicht auszuschließen seien, die Arbeitsleistung des Modells also nicht perfekt sei. So wurden „verwandte" Wortarten zum Teil fälschlich klassifiziert, ζ. B. wurden einige Adjektive mit den Nomen in ein cluster aufgenommen oder Adverbien als Verben klassifiziert. Nach der ersten Grobklassifizierung müssten die Kategorien also verfeinert werden, wobei die Autoren annehmen, dass weitere Hinweise (wie semantische und morphologische Faktoren) eine Rolle spielen, die die erste Klassifikation ergänzen und korrigieren. In beiden Studien wird angemerkt, dass die Art und Weise, wie verschiedene Hinweisreize mit den distributionellen Informationen zusammenwirken, empirisch noch offen sei. Außerdem müssen in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Einheiten innerhalb einer distributionellen Analyse berücksichtigt werden. In den hier berichteten Studien wurden nur Wortkontexte verarbeitet. Insbesondere in morphologiereichen Sprachen könnte jedoch die Distribution bestimmter wortarttypischer Morpheme wesentlich aussagekräftiger sein. Ketrez (2002) untersuchte die türkische kindgerichtete Sprache mit der Fragestellung, ob distributionelle Regularitäten den Erwerb der Kategorien Nomen und Verb im Türkischen erklären können. Dazu wurde anhand von Spontansprachanalysen bei vier Mutter-Kind-Paaren statistisch überprüft, ob Nomen und Verben mit ihren unmittelbaren Umgebungen typische cluster bilden. Die 200 häufigsten Wörter wurden extrahiert und hinsichtlich ihrer Wortart kategorisiert. Die Kontexte, d. h. die Wörter vor und nach diesen Zielwörtern wurden erfasst und die Kontextähnlichkeit der Zielwörter wurde berechnet. Bei Nomen ergeben sich keine klaren Wortcluster, bei Verben findet sich jedoch eine stärkere Clusterbildung,d. h. Verben tauchen eher in festen Kontexten auf (verb purity). Bei Verben kommen außerdem dieselben Stämme mit zahlreichen morphologischen Varianten vor, während unter den Nomen mehr unterschiedliche Stämme auftreten. Es wird geschlossen, dass es distributionelle Regularitäten im türkischen Input gibt, die allerdings für Nomen schwächer ausgeprägt sind als für Verben. Die distributionelle Information wird in dieser Studie zum Türkischen für Verben als aussagekräftiger eingeschätzt als für Nomen, was im Vergleich zu den oben genannten Studien zeigt, dass distributionelle Faktoren in unterschiedlichen Sprachen den Wortartenerwerb in unterschiedlicher Weise begünstigen können. Im Unterschied zu den ursprünglichen Annahmen von Maratsos (1988) zeigen die modernen Netzwerkstudien, dass distributionelle Information für die Erken-
49 nung und erste Kategorisierung von Nomen und Verben hilfreich sein kann. Diese Faktoren können sich je nach Einzelsprache in unterschiedlichem Maße erleichternd auf den Erwerb einer Wortart auswirken. Redington et al. (1998) und Mintz et al. (2002) lassen offen, ob und warum Kinder über die Fähigkeit verfügen, komplexe statistische Berechnungen über Inputdaten durchzuführen. Das lernende System und damit auch das Sprache lernende Kind muss zum einen in der Lage sein, distributionelle Analysen auszuführen, es muss anhand dieser Analysen unterscheidbare Kategorien konstruieren, danach andere Informationsquellen heranziehen und integrieren, um die ursprünglichen Kategorien zu verfeinern und letztlich aus rein statistisch erzielten Clustern strukturell definierte syntaktische Kategorien aufbauen. Im Gegensatz zu Maratsos, der hier keine angeborenen Voreinstellungen annimmt (siehe obiges Zitat), schließen die Autoren nicht aus, dass das Kind für diese Erwerbsaufgabe über Prädispositionen verfügen muss. Given a learner who is predisposed to calculate distributions over words, the input contains information from which the grammatical categories of at least nouns and verbs could be constructed. (Mintz et al. 2002:419)
Die hier angesprochenen Studien legen nahe, dass die Struktur des Inputs so beschaffen ist, dass ausreichend aussagekräftige Informationen enthalten sind. Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, inwieweit das Kind diese Verhältnisse entdecken und nutzen kann. Einen empirischen Beleg für die Fähigkeit junger Kinder, eine WortartzuWeisung aufgrund distributioneller Faktoren vorzunehmen, liefern die Experimente von Höhle und anderen (Höhle 2002, Höhle et al. 2004) zur Klassifizierung von Pseudowörtern im Deutschen. Höhle zeigt, dass Kinder im Alter von 15 Monaten über Wissen über Kookkurrenzmuster zwischen Funktions- und Inhaltswörtern verfügen und dass sie dieses Wissen einsetzen, um Wörter zu kategorisieren. In einem Experiment, das auf der Methode des preferential head Hirn-Paradigmas beruht, wurden Kinder mit Kunstwörtern familiarisiert, denen ein Artikel vorangestellt wurde. In der anschließenden Testphase wurden den Kindern Textpassagen präsentiert, die das Kunstwort einmal im Nomenkontext und einmal im Verbkontext enthielten. Es wurde geprüft, ob die Kinder aufgrund des vorher angebotenen Artikels in der Lage waren, das Wort als Nomen zu klassifizieren. In diesem Fall sollten sie unterschiedlich auf Nomen- und Verbkontexte reagieren. Bei Kindern zwischen 13 und 15 Monaten war dies nicht der Fall. Kinder zwischen 14 und 16 Monaten jedoch unterschieden sich in ihrer Orientierungszeit je nach Präsentationskontext. Die Kinder nutzten also die Vorgabe des Artikels in der Familiarisierungsphase, um das Wort später als Nomen zu identifizieren und von einem gleichlautenden Verb zu unterscheiden. Mit diesem Experiment konnte die Sensitivität junger Kinder für das gemeinsame Auftreten von Nomen und Artikeln und die Nutzung dieser Information für die syntaktische Klassifizierung nachgewiesen werden. Pronomen wurden nicht in vergleichbarer Weise erfolgreich verarbeitet, um Verben zu identifizieren. In einem ähnlich aufgebauten Experiment mit englischen Kindern
50 kam Mintz (2006) dagegen zu konträren Resultaten. Untersucht wurden die Reaktionen zwölf Monate alter Kinder auf grammatische und ungrammatische Sätze, die zuvor eingeführte NichtWörter in Nomen- oder Verbkontexten enthielten. Der Grammatikalitätseffekt fiel in den Verbkontexten besser aus als in den Nomenkontexten, was als Hinweis auf eine effiziente Nutzung distributioneller Hinweise insbesondere für die Verbkategorisierung gewertet wird. Dass distributionelle morphosyntaktische Hinweise selbst im Vorschulalter wenig zur Identifikation eines neuen Wortes als Verb beitragen, zeigen wiederum die Ergebnisse der Studie von Eyer et al. (2002). Ein eindeutiger Nachweis der Eignung distributioneller Faktoren für die Klassifikation von Verben steht somit noch aus. Generell stellt sich bei den distributionellen Ansätzen die logische Frage, inwieweit distributionelle Faktoren als Einstiegshinweise in Frage kommen, weil das Erkennen des gemeinsamen Auftretens (ζ. B. von Nomen und Artikel) die vorgängige Wahrnehmung einer der beiden Kategorien voraussetzt. Auch Redington et al. (1998) setzen sich mit dem Einwand auseinander, dass es kaum erstaunlich sei, dass distributionelle Kriterien Informationen über die Kategoriezugehörigkeit geben, wenn die Kategorien selbst anhand distributioneller Kriterien definiert werden. Die Autoren wenden gegen dieses Argument ein, dass es sich nur dann um einen Zirkelschluss handele, wenn man das Phänomen metalinguistisch, also mit einem Vorwissen über die Kriterien der Wortartklassifikation, betrachte. Das sprachlernende Kind dagegen müsse Wörter ohne Vorwissen klassifizieren. In den Studien von Redington et al. (1998) und Mintz et al. (2002) wurde dem System allerdings vorgegeben, welches die zu klassifizierenden Zielwörter sind. Mit der Vorgabe von Zielund Kontextwörtern ist jedoch ein erster Einstieg gegeben, der für ein Kind so nicht vorliegt. Es bleibt also das Problem bestehen, wo der Ausgangspunkt anzusetzen ist, der es dem Kind erlaubt, eine Klasse von Wörtern anhand des benachbarten Auftretens mit anderen Wortkategorien zu definieren. Because categories are defined in terms of other categories in a perfectly circular system, infants require some independent means for breaking into this system. (Shi et al. 1998: 170)
Möglicherweise bietet hier die Frequenz von Wörtern eine Hilfestellung. Kinder sind früh in der Lage, hochfrequente Einheiten aus dem Input wiederzuerkennen. Daraufhin könnten sie den lokalen Kontext dieser häufig gehörten Wörter verarbeiten, um dann typische Distributions Verhältnisse zu erkennen und für eine erste Klassifizierung zu nutzen.
2.1.5
Syntaktische cues
Beim syntaktischen bootstrapping wird ein dem semantischen bootstrapping komplementärer Mechanismus angenommen, der insbesondere beim Erwerb von Verben eine Rolle spielt. Eine Beobachtung des situativen Kontextes kann möglicher-
51 weise zur Zuordnung von Objekten zu Nomen und von Aktionen zu Verben führen, diese Informationen reichen jedoch für den Erwerb komplexer relationaler Bedeutungen nicht aus. Syntaktisches bootstrapping müsse das semantische daher ergänzen (Gleitman & Gilette 1995). Mit Hilfe des syntaktischen bootstrapping erkennt das Kind zunächst durch ein Ausschluss verfahren, welches Element im Satz das Verb ist. Außerdem kann es anhand der Anzahl und Konstellation der Argumente die mögliche Verbbedeutung eingrenzen. Nach dem ersten „Durchbruch" werden Syntax und Semantik in einem dialektischen Verhältnis verarbeitet, um Form-Funktions-Paarungen herzustellen. Diverse empirische Studien konnten nachweisen (für einen Überblick siehe Hirsh-Pasek & Golinkoff 1996), dass Kinder ab etwa 24 bis 28 Monaten syntaktische Informationen (vor allem die Anzahl und die Position von Argumenten innerhalb von Sätzen) nutzen, um Verbbedeutungen zu erschließen. Aufgrund des syntaktischen Rahmens kann das Kind ζ. B. Annahmen darüber ableiten, ob ein Verb transitiv und damit auf ein Objekt ausgerichtet ist oder ob es als intransitives Verb die nicht objektgerichtete Handlung einer Person bezeichnet. Da diese Fähigkeiten bei jüngeren Kindern noch nicht ausgebildet sind, sehen auch Hirsh-Pasek und Golinkoff (1996) das syntaktische bootstrapping nicht als die erste wirksame Strategie an. Die Prozesse des semantischen und syntaktischen bootstrapping sind somit in unterschiedlichen Zeiträumen in der Entwicklung relevant. Der Begriff des syntactic bootstrapping wird auf ein Stadium bezogen, in dem Wortarten grundsätzlich als erworben gelten, während semantic bootstrapping gerade zur Identifikation von Wortarten genutzt werden soll (Rothweiler & Meibauer 1999:15). Der syntaktische Mechanismus kann erst wirksam werden, wenn Wissen über Wortarten bereits angelegt ist: Damit diese Hebelwirkung ansetzen kann, muß das Kind über genügend syntaktisches Wissen verfügen, weil syntaktisches bootstrapping Wissen über die Kategorie „Verb" und über die Bedeutung syntaktischer Strukturen voraussetzt. (Behrens 1999:40)
2.1.6
Pragmatische cues
Die Bedeutung sozialer und interaktionaler Faktoren für den Wortlernprozess im Allgemeinen wird in verschiedenen Ansätzen betont (Hollich et al. 2000, Akthar & Tomasello 2000), denn „children learn most of their words within the natural flow of human action and social intercourse" (Tomasello & Kruger 1992: 331). Die Fähigkeiten zur gemeinsamen Aufmerksamkeit und zur Erschließung der Intentionen des Gesprächspartners sowie zur Beachtung nichtverbaler Hinweise (ζ. B. Blickrichtung) sind generell wesentlich für die Zuordnung von Wörtern zu Referenten. Tomasello (2003) betont die maßgebliche Rolle, die pragmatische Faktoren beim Worterwerb spielen. Da Kinder im frühen Lexikonerwerb offensichtlich nicht nur konkrete Objektbegriffe, sondern auch Nomen, die nicht auf Objekte referieren, sowie relationale und soziale Wörter lernen, seien Nomen nicht aufgrund ihrer konzep-
52 tuellen Eindeutigkeit privilegiert für den Spracherwerb. Kinder könnten verschiedene Arten von Wörtern gleichermaßen gut lernen, sofern diese in lernerleichternden pragmatischen Kontexten angeboten würden, in denen die kommunikative Intention des Erwachsenen klar zu erschließen ist. Dies sei allerdings bei Nomen oft der Fall. Beispielsweise zeigen Erwachsene häufig auf ein Objekt und benennen dies gleichzeitig, sodass ein pragmatisch eindeutiger Lernkontext geschaffen werde. Dazu gibt es empirische Hinweise darauf, dass Erwachsene, die Kindern im Input Nomen oder Verben präsentieren, dies in unterschiedlichen pragmatischen Kontexten tun. Nomen werden meist in Anwesenheit des zu benennenden Objektes, Verben dagegen vor oder nach einer Handlung angeboten. Tomasello & Kruger (1992) beobachteten bei Müttern in Interaktion mit ihren 1;03 bis l;09jährigen Kindern, dass Verben meist dann geäußert wurden, bevor eine Handlung des Kindes entweder gefordert oder antizipiert wurde. Goldfield (2000) fand heraus, dass Eltern ihre Kinder oft explizit zur Produktion von Nomen ermutigen, während sie Verben mit der impliziten Erwartung äußern, dass das Kind eine bestimmte Handlung durchführt. Unter pragmatischen Gesichtspunkten wird so durch das Verhalten der Eltern die Produktion von Nomen gefordert und gefördert, während bei Verben eher eine adäquate Verhaltensreaktion erwartet wird, was das Verstehen der Verbbedeutung durch das Kind voraussetzt. Es lässt sich festhalten, dass die pragmatischen Hinweise, die Kinder beim Wortlernen erhalten, in Abhängigkeit von der Wortart variieren. Die Tatsache, dass das Angebot von Verben nicht direkt mit einem anwesenden Referenten (d.h. der Handlung) zusammenfällt, muss jedoch nicht wie bei Gleitman und Gillette (1995) als Lernnachteil aufgefasst werden. Tomasello und Kruger (1992) führten ein Experiment zum Verstehen und Produzieren neuer Verben durch. Der beste Lerneffekt ergab sich, wenn die neuen Wörter vor der unbekannten Handlung eingeführt wurden. Die Präsentation des neuen Verbs zeitgleich mit der Handlung, also die Herstellung eines anschaulichen Kontextes, wirkte sich nicht erleichternd aus. Diese pragmatischen Differenzen machen deutlich, dass sich die Prinzipien und Mechanismen, die den Verberwerb leiten, vom Nomenerwerb unterscheiden können (Tomasello 2000). Das anschauliche Angebot erweist sich als die beste Lern Voraussetzung für den Nomenerwerb. Bei der Einführung von Objekten ist es sinnvoll, dass das Kind und der Erwachsene einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus herstellen. Dies kann dadurch geschehen, dass der Erwachsene die Aufmerksamkeitsausrichtung des Kindes aufgreift oder dadurch, dass das Kind der Blickrichtung des Erwachsenen folgt. Nachdem der Fokus der gemeinsamen Aufmerksamkeit auf ein Objekt hergestellt ist, kann die Benennung erfolgen. Während dieses Ablaufs ist das zu benennende Objekt präsent. Im Gegensatz zu diesem Szenario ist für den Verberwerb die der Handlung vorangehende oder folgende Versprachlichung optimal. Tomasello und Kruger (1992: 330) folgern, „nouns and verbs as linguistic symbols fit into social interactions in different ways". Darüber hinaus werden sozial-pragmatische Hinweise von Kindern genutzt, um Wörter den Kategorien Nomen oder Verb zuzuordnen. Tomasello und Akthtar
53 (1995) stellten fest, dass zweijährige Kinder aus der vermuteten Intention eines Sprechers und aus dem Diskurskontext Schlüsse darüber ziehen, ob ein neues Wort mit Objekt- oder Handlungsreferenz geäußert wurde. Wurde Kindern ein neues Wort ohne morphologische oder syntaktische Hinweise präsentiert, während ein unbekanntes bzw. bekanntes Objekt anwesend war und gleichzeitig eine unbekannte bzw. bekannte Handlung durchgeführt wurde, so wiesen sie das neue Wort der Einheit zu, die im laufenden Diskurskontext neu war. Mit einer ähnlichen pragmatisch orientierten Strategie waren auch die in Eyer et al. (2002) untersuchten Vorschulkinder in der Lage, neue Verben für unbekannte Handlungen zu erlernen. In diesem Experiment bezogen Kinder ein neues Wort auf eine unbekannte Handlung, wenn die an der Handlung beteiligten Akteure bekannt waren. Musste die Objektoder Handlungsreferenz dagegen durch distributionelle Information erschlossen werden (ζ. B. „we want to/the koob") hatten die Kinder größere Schwierigkeiten. Insbesondere für die Erkennung eines Wortes als Verb wurden distributionelle Hinweise nur unzureichend genutzt. 2
2.1.7
Fazit
Die Betrachtung unterschiedlicher Hinweisreize, die für den Aufbau von syntaktischen Kategorien bzw. für die Zuordnung neu erworbener Wörter zu diesen Kategorien geeignet sind, hat gezeigt, dass kein einzelner Faktor ausreichend ist, da es keine isomorphen und ohne Ausnahmen gültigen Verbindungsregeln gibt. Um die beschriebene Erwerbsaufgabe zu meistern, muss das Kind also unterschiedliche Hinweise erkennen und integrieren. Dabei hängt es von der zu erwerbenden Sprache ab, welche cues für die Kategorisierung von Wörtern aussagekräftig und reliabel sind. Christiansen & Monaghan (2006) betonen, dass bestimmte cues komplementäre Rollen einnehmen. So stellte sich in ihrem Modellierungsexperiment mit englischen Wortkorpora heraus, dass distributionelle Hinweise nützlicher für die Klassifikation von Nomen waren, während die Verbklassifikation eher durch phonologische Hinweise erleichtert wurde. Generell sind die vom Kind identifizierten Wörter durch eine Vielfalt von Merkmalen charakterisiert, also „multiply determined" (Hirsh-Pasek & Golinkoff 1996:5). Prototypische Vertreter einer Wortart müssten daher leichter erkannt werden, da viele konvergierende cues zusammenkommen. So kann ein englisches Kind leicht auf ein Nomen schließen, wenn es ein Element wahrnimmt, das im Satz betont wird, an initialer oder finaler Position steht, einem Artikel folgt und sich auf ein konkretes Objekt bezieht, das gerade im Aufmerksamkeitsfokus des Kindes steht (Hirsh-Pasek & Golinkoff 1996:5). Auch wenn nicht alle typischen Hinweise in jedem Falle zutreffen, so kann die Zuweisung erfolgen, wenn eine ausreichende Anzahl von definierenden Eigenschaften zusammentrifft (Kookkurrenz). 2
vgl. Kapitel 2.1.4.
54 Die Hinweise aus verschiedenen sprachlichen und außersprachlichen Bereichen werden mit den wachsenden und sich verändernden Kapazitäten des Kindes im Laufe der Entwicklung in unterschiedlichem Maße wahrgenommen und verarbeitet. Aufgrund der frühen Sensitivität von Kindern für prosodische und distributioneile Eigenschaften des Inputs ist davon auszugehen, dass entsprechende cues schon im ersten Lebensjahr für die Identifikation von Wortkategorien genutzt werden. Um den referentiellen Bezug der formal abgrenzbaren Wortkategorien herzustellen, werden später auch semantische und konzeptuelle Faktoren mitberücksichtigt. Unter der Voraussetzung, dass aufgrund sensomotorischer Erfahrung nichtsprachliche kognitive Repräsentationen für Objekte und Handlungen ausgebildet wurden, können Wörter für Objekte den Nomen, Wörter für Handlungen den Verben zugerechnet werden, auch wenn diese Beziehung zwischen Form und Inhalt nicht in jedem Fall zutreffend ist. The first basic discoveries about their grammar come when children pair concrete objects with the grammatical category of nouns and actions with the category of verbs. (HirshPasek & Golinkoff 1996:124)
Die semantische Basis ist möglicherweise insbesondere für den Aufbau der Nomenkategorie wesentlich, beim Verberwerb jedoch nicht ausreichend. Um die Wortklassenzugehörigkeit von Wörtern, die keine konkreten Objekte oder Handlungen bezeichnen bzw. die von der prototypischen Form-Funktionsbeziehung abweichen, müssen wiederum strukturelle Aspekte stärker beachtet werden. Die Ausnutzung des syntaktischen Rahmens im syntaktischen bootstrapping baut auf dem Vorhandensein von Wissen über Kategorien auf und verhilft wiederum zu einer Ausdifferenzierung von Bedeutungskonzepten und zur Erkennung von Subkategorien innerhalb der Verben. Mit der wachsenden Verfügbarkeit von Intersubjektivität und Intentionalität können ab circa zwei Jahren verstärkt auch sozial-pragmatische Hinweise mit einbezogen werden. In dieser Konzeption der Wortartenentstehung werden Wortarten als emergente, nicht als a priori vorgegebene Wissensstrukturen verstanden (siehe auch Elman 2004 und Maguire et al. 2006). Nach dem Erreichen dieses wichtigen Erwerbsschrittes ist die nächste Aufgabe im Spracherwerb, Relationen zwischen den identifizierten und klassifizierten Einheiten herzustellen, d. h. zu erkennen, was mit diesen Einheiten geschieht. Der weitere Verlauf des Syntaxerwerbs erfordert somit das Erkennen der hierarchischen und rekursiven Struktur von Sprache.
55 2.2
Entwicklung des Nomen- und Verblexikons
2.2.1
Experimentelle Befunde zum Wortlernen
Nach bzw. neben der Erkenntnis, dass Wörter verschiedenen Wortkategorien angehören, muss das Kind Wortbedeutungen aufbauen, diese mit den entsprechenden Wortformen verbinden und die Wörter in sein rezeptives und produktives Lexikon integrieren. Während bislang zur frühen Genese von grammatischen Kategorien insbesondere der Verbkategorie - weder ausreichende Befunde noch umfassende Erklärungsmodelle vorliegen, gibt es zu den darauf folgenden Erwerbsschritten experimentelle Befunde, die das Wortlernen und den Bedeutungsaufbau sowie den produktiven Umgang mit neuen Nomen und Verben mit Hilfe von bekannten Wörtern oder Kunstwörtern untersuchen. In einfachen fast mapping-S\xid\en werden Kindern neue Wörter für unbekannte Inhalte präsentiert, wobei die Art und die Frequenz der Präsentation variieren. Als Maß für das erfolgte Wortlernen wird meist das Verständnis oder auch die Produktion der neuen Wörter zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Präsentation überprüft. Bisherige Ergebnisse erlauben keine eindeutigen Schlussfolgerungen in Bezug auf Wortarteffekte. In einer Studie (Rice et al. 1990) wurden insgesamt zwanzig Wörter aus vier unterschiedlichen Kategorien eingeführt. Es stellte sich heraus, dass objektbezogene Nomen und Adjektive besser gelernt wurden als Emotionswörter und Aktionsverben. Der sich hier andeutende Vorteil von Nomen gegenüber Verben konnte in einem Experiment, in dem vier neue Nomen und vier neue Verben präsentiert wurden, nicht bestätigt werden (Rice et al. 1994). Hier waren sprachunauffällige und gestörte Kinder besser im Verstehen von Verben. Während in den Studien von Rice und Mitarbeitern ungestörte Kinder nur als Kontrollgruppen in Studien verwendet wurden, die primär auf die Wortlernfähigkeiten sprachentwicklungsgestörter Kinder ausgerichtet waren, beschäftigt sich Storkel (2001,2003) explizit mit den Lernmechanismen im ungestörten Spracherwerb. In zwei parallelisierten Wortlernexperimenten (2001 für Nomen, 2003 für Verben) stellte sich heraus, dass unter kontrollierten Bedingungen kein Nomenvorteil auftrat. Kinder im Vorschulalter erwarben neue Nomen und Verben, die im Kontext einer Geschichte präsentiert wurden, gleich gut. In Testaufgaben zum Verstehen und Benennen der neuen Begriffe wurde kein Wortarteneffekt beobachtet. Da die Nomen- und Verbstimuli in den beiden Experimenten identisch waren, lässt sich folgern, dass bei sorgfältiger Kontrolle anderer Einflussfaktoren (wie der phonologischen und morphologischen Komplexität der Zielwörter und der Frequenz und Art des Angebots) Nomen keinen Erwerbsvorteil haben. Auch Eyer et al. (2002) wiesen für unauffällige und sprachentwicklungsgestörte Vorschulkinder nach, dass neue Verben in einer fast mapping-Aufgabe erfolgreich gelernt werden können. Um jedoch zu entscheiden, ob sich ein neues Wort auf ein Objekt oder eine Handlung bezieht, wurden morphosyntaktische Hinweise nur ansatzweise und nur im Nomenkontext genutzt.
56
Mit einer fast mapping-Aufgabe kann festgestellt werden, ob Kinder ein gelerntes neues Wort abrufen können, wenn später derselbe Referent nochmals präsentiert wird. Damit ist jedoch noch nichts darüber ausgesagt, wie die Bedeutungsentwicklung für neue Nomen und Verben verläuft und inwieweit die Übertragung eines Wortes aus dem ersten Lernkontext auf andere Situationen gelingt. Rege Forschungsaktivitäten zum Erwerb von Objektbegriffen führten zu Modellen darüber, welchen Lernbeschränkungen Kinder beim Nomenlernen folgen (siehe ζ. B. Woodward 2000 zu constraints) und welche Rolle Objekteigenschaften wie die Form für Generalisierungsaspekte spielen (Smith 2000 zum shape bias). Zum Aufbau von Verbbedeutungen wurde in einigen Studien untersucht, wie Kinder lernen, von einem ersten Ereignis, in dem ein Verb eingeführt wurde, soweit zu abstrahieren, dass ein verallgemeinerter Bedeutungskern erworben wird, der es erlaubt, das Verb auch auf andere Situationen anzuwenden. Forbes und Poulin-Dubois (1997) zeigen in Experimenten mit Kindern im Alter von 1;08 und 2;02 Jahren, dass die Generalisierungsfähigkeit für bekannte Verben eine Wandlung durchläuft. Anfangs können Kinder ein gelerntes Verb nicht auf eine ähnliche Handlung übertragen, sie koppeln die Verbbedeutung also an eine spezifische Situation. Später erweitern sie das Schema der möglichen Ereignisse, die mit diesem Verb bezeichnet werden können. Sie abstrahieren dabei zuerst von der handelnden Person, dann von der Art und Weise des Ausführens. Die Abstraktionsfähigkeit, die zur Verbindung zwischen beobachtbaren Ereignissen und Verben verhilft, setzt nicht plötzlich ein, sondern vollzieht sich allmählich und lexemgebunden, jedes Verb folgt seiner eigenen Entwicklungslinie. Kersten und Smith (2002) untersuchten in einem Wortlern- und Generalisierungsexperiment sowohl das Nomen- als auch das Verblernen mit Kunstwörtern. Dazu wurden neue handelnde Objekte eingeführt, die bestimmte Bewegungen vollführten. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder zwischen 3;05 und 4 Jahren ein neues Bewegungsverb, das in Verbindung mit einem neuen Objekt angeboten wurde, nicht zuverlässig wiedererkennen, wenn die Bewegung durch ein anderes Objekt ausgeführt wurde. Offensichtlich ist das ausführende Objekt genauso Bestandteil der Verbbedeutung wie die Art der Bewegung oder die Bewegungsrichtung. Im umgekehrten Fall spielte die Bewegungsart keine Rolle, wenn die neuen Objektbegriffe wiedererkannt werden sollten. In einer Studienserie gehen Imai und andere (Imai et al. 2005) der Frage nach, ob der langsamere Generalisierungsprozess bei Verben auch in einer verbfreundlichen Sprache zu beobachten ist. In vier aufeinander aufbauenden Experimenten wurde überprüft, wie das Nomen- und Verblernen bei drei- und fünfjährigen japanischen Kindern verläuft. In allen Experimenten wurden neue Handlungen und Objekte mittels Videosequenzen präsentiert. Nach einer Familiarisierungsphase, in der die Handlung mit einem Objekt gezeigt und ein Kunstwort dazu genannt wurde, wurde den Probanden entweder dieselbe Handlung mit einem anderen Objekt oder dasselbe Objekt innerhalb einer anderen Handlung dargeboten. Ausgewertet wurde, ob Kinder soweit generalisieren, dass sie das Objekt auch mit dem neuen Wort verbinden, wenn es im Rahmen einer anderen Handlung erscheint und ob sie
57 das neue Handlungsverb auch mit derselben Handlung verbinden, wenn diese mit einem anderen Objekt ausgeführt wird. Zunächst zeigte sich, dass fünfjährige Kinder sowie Erwachsene sowohl neu gelernte Nomen als auch Verben auf gleiche Objekte und Handlungen generalisieren können, auch wenn sich ein Element des Ereignisses verändert. Dreijährige Kinder dagegen bewältigen die Generalisierungsleistung nur für die Objektbegriffe, nicht für die Verben. Auch bei Einsatz einer einfacheren Reaktionsanforderung konnten Verben nicht auf eine gleiche Handlung ausgedehnt werden, wenn diese mit einem anderen Objekt stattfand. Wurde dagegen nicht das von der Handlung betroffene Objekt, sondern die Person, die die Handlung ausführt, verändert, konnten auch dreijährige Kinder das Verb übertragen, also von der handelnden Person abstrahieren. Die Studien bestätigen somit, dass die Generalisierungsfähigkeit für Verben schrittweise verläuft und mehr Zeit als der entsprechende Prozess beim Nomenerwerb erfordert. Mit drei Jahren ist der Aufbau von Verbbedeutungen instabiler als der von Nomenbedeutungen. Die Übertragung eines Verbs auf andere Ereignisse erfolgt vielmehr auf der Basis einer engen Objekt-Handlungs-Repräsentation, die erst in einer späteren Phase aufgebrochen wird. Erst mit fünf Jahren können die Kinder sowohl von den beteiligten Handelnden als auch von den involvierten Objekten oder Instrumenten abstrahieren. Eine Asymmetrie im Umgang mit Nomen und Verben auf der produktiven Ebene fanden Tomasello und Mitarbeiter. Ausgehend von dem Grundgedanken, dass es im frühen Spracherwerb eine Phase gibt, in der lexikalische Items als solche zwar erworben, aber noch nicht in Form generalisierter grammatischer Kategorien organisiert sind, wurde eine Serie von Wortlernexperimenten durchgeführt. Dabei wurde gefragt, ob zweijährige Kinder, die neue Wörter lernen, diese auch als Vertreter einer bestimmten grammatischen Kategorie erkennen und dementsprechend produktiv verwenden. Produktivität ist gegeben, wenn ein neu erlerntes Wort aktiv in Satzrahmen bzw. Argumentstrukturen eingebettet wird, die von dem sprachlichen Kontext, in dem das Wort erworben wurde, abweichen. Lernen Kinder neue Nomen für unbekannte Objekte, so gebrauchen sie diese in ihrer Spontansprache als Agens oder als Patiens, unabhängig davon, in welchem Rahmen das Wort präsentiert wurde, wie Tomasello und Olguin (1993) zeigten. Fünf der acht untersuchten Kinder, deren Alter durchschnittlich 23 Monate betrug, bildeten produktiv auch Pluralformen mit den neuen Nomen, obwohl die Präsentation nur im Singular erfolgte. Zu ähnlichen Transferleistungen sind Kinder beim Umgang mit Verben offenbar nicht in der Lage. Nachdem die Kinder intensiv Gelegenheit hatten, im freien Spiel acht neue Handlungsverben zu lernen, wurde ihre Produktivität mit diesen Verben in der Spontansprache und unter Elizitationsbedingungen überprüft (Olguin & Tomasello 2003). Dabei wurde festgestellt, dass die Kinder die neuen Verben oft isoliert verwendeten. Insgesamt orientierten sie sich eng am Modell, d. h. sie behielten die Abfolge von Argument und Verb bei, die sie im Angebot gehört hatten. Bei den seltenen Veränderungen der angebotenen Satzstruktur bevorzugten sie die präverba-
58 le Position des Arguments. Außerdem fiel es den Kindern sehr schwer, die neuen Verben mit Argumenten zu kombinieren, die andere als die zuvor angebotenen semantischen Rollen innehaben (ζ. B. Verb mit Agens, wenn es mit Patiens angeboten wurde). Wenn die Kinder ein Argument in der Rolle ausdrücken wollten, die dem vorher gehörten Modell entsprach, machten sie keine Fehler (d. h. sie platzierten die Objekte postverbal und die Subjekte präverbal). Die Stellung des Verbs befand sich dagegen auf dem Zufallslevel, wenn eine andere Rolle verbalisiert werden sollte als das Modell vorgab. Auch die Fähigkeit zur morphologischen Markierung von Verben war eingeschränkt. Keines der Kinder verwendete die Verben bei einer Elizitierungsfrage („was ist passiert?") in der Vergangenheitsform, es wurden also keine Verwendungen des -ed Suffixes belegt. Die Autoren folgern, dass die Kinder offenbar noch kein Wissen über Verben als grammatische Kategorie aufgebaut haben, da es kaum Hinweise auf Produktivität im Umgang mit neuen Verben gab. Die Art der syntaktischen Markierung von Verb-Argument-Strukturen sprach nicht dafür, dass generelles Wissen über die Verwendbarkeit von Verben mit verschiedenen Argumenten angewendet werden kann. Die Kinder waren von dem Modell abhängig, das sie für ein spezifisches neues Verb gehört hatten. Auch verbtypische morphologische Markierungen wurden in diesem Alter noch nicht auf neue Verben übertragen, obwohl die Kinder in der Spontansprache bereits Vergangenheitsmarkierungen mit konventionellen Verben anwendeten. Der Umgang mit Verben folgt also einem Mosaikmuster, keinem generalisierten Wissen. Im Kontrast zu den Fähigkeiten im Zusammenhang mit Nomen wird eine Entwicklungsasynchronie deutlich: Children operate with something resembling a grammatical category of noun before they operate with anything resembling a grammatical category of verb. (Tomasello & Olguin 1993:461) Diese Hypothese ließ sich in einem weiteren Wortlernexperiment (Tomasello et al. 1997) bestätigen, in dem jüngere Kinder (zwischen 1;06 und 1;11) zwei neue Nomen und zwei neue Verben lernten, die isoliert angeboten wurden. Nach Beendigung der Testphase waren die Kinder in der Lage, die neuen Kunstwörter zu verstehen und isoliert zu produzieren, wobei keine Unterschiede zwischen Nomen und Verben auftraten. Eine Diskrepanz bestand jedoch hinsichtlich des Ausmaßes, mit dem die neu gelernten Wörter eigenständig und produktiv verwendet wurden. Während die Nomen (d. h. Bezeichnungen für unbekannte Objekte) mit anderen Wörtern kombiniert und von einigen Kindern auch mit einer Pluralmarkierung versehen wurden, wurde bei den Verben kaum syntaktische oder morphologische Produktivität beobachtet. Eine Einbindung der Verben in Mehrwortäußerungen trat nur sehr spärlich auf, produktive morphologische Prozesse (ζ. B. die Verwendung des Verbs in der Vergangenheitsform) wurden gar nicht beobachtet. Die Autoren folgern, dass trotz vergleichbarer Wortlernfähigkeit Nomen leichter in weitere sprachliche Kontexte integriert werden können als Verben, bei denen Kinder stark auf den sprachlichen Input angewiesen sind.
59 Conti-Ramsden und Mitarbeiter erweiterten die bestehenden Befunde durch die Untersuchung von sprachentwicklungsgestörten Kindern mit einer vergleichbaren Methodik. 3 Als Kontrollgruppe wurden in diese Studien auch 28 ungestörte Kinder mit einem durchschnittlichen Alter von 34 Monaten einbezogen. Die Ergebnisse dieser Kinder ergänzen somit die oben dargestellten Befunde von Tomasello und anderen, die sich auf jüngere Kinder bezogen. Alle nun untersuchten Kinder lernten vier neue Nomen und vier neue Verben, die wiederum mit unterschiedlichen Argumentstrukturen präsentiert wurden. Auch die ungestörten, knapp dreijährigen Kinder erwiesen sich als konservative Lerner. Verben wurden meist isoliert oder aber in enger Anbindung an das Modell reproduziert (Skipp et al. 2002). Der Umgang mit Nomen war etwas flexibler, aber auch bei Nomen traf die Annahme eines eher lexemgebundenen und inputabhängigen Lernprozesses zu. Produktive morphologische Markierungen kamen ebenfalls selten vor, die Produktivität bei Nomen war jedoch größer (Conti-Ramsden et al. 2002). Wird allerdings bewertet, wie oft die Kinder die neu gelernten Wörter anwenden, so ergab sich der überraschende Befund, dass die ungestörten dreijährigen Kinder die neuen Verben öfter als die neuen Nomen produzieren (Windfuhr et al. 2002). Die Autoren leiten daraus einen besonderen Fokus auf den Verberwerb mit etwa drei Jahren ab. Nach einem Nomenvorteil mit etwa zwei Jahren entspreche ein verstärktes Interesse an Verben den aktuellen Spracherwerbserfordernissen. Eine Hinwendung zum Verblernen und zum Verbgebrauch in einer Phase deutlicher Entwicklungsfortschritte im Bereich der Grammatik stelle somit eine entwicklungslogische Koinzidenz dar. Die häufigere Verwendung von Verben als Nomen im Experiment entspricht auch Befunden zum spontansprachlichen Gebrauch der Wortarten mit drei Jahren. 4
2.2.2
Frühe kindliche Lexikonentwicklung
Über die dargestellten experimentellen Befunde hinaus erfasst eine Vielzahl empirischer Studien die produktive Lexikonentwicklung von Kindern, d. h. das konkrete Vorkommen von Nomen und Verben im kindlichen Wortschatz. Daten zur Entwicklung des Verständnisses von Nomen und Verben sind in deutlich geringerem Umfang vorhanden (Goldfield 2000). Insbesondere bei der Analyse des produktiven Wortartenerwerbs rückt ein sprachvergleichendes Interesse verstärkt in den Vordergrund. Allerdings erlaubt die Feststellung, dass Kinder Wörter bestimmter Kategorien in ihrer Spontansprache verwenden, keine direkten Rückschlüsse auf das Wissen über bzw. die mentale Repräsentation und Organisation von Wortarten beim Kind, sondern nur darauf, „inwieweit Kinder im frühen lexikalischen Erwerb Einheiten bevorzugen, die aus zielsprachlicher Sicht zur Wortart Nomen oder zu anderen Wortarten gehören" (Rothweiler & Meibauer 1999:16). 3 4
Zu den Ergebnissen der sprachauffälligen Kinder siehe Kapitel 4.2. siehe Kapitel 2.2.2.
60 Die Frage, welche dieser Einheiten in der frühen Sprachentwicklung zentral sind, hat die Spracherwerbsforschung zu zahlreichen, auch sprachvergleichenden Studien angeregt (siehe auch Kauschke & Hofmeister 2002). Den Ausgangspunkt bildete die von Gentner (1981,1982) postulierte und von Gentner und Boroditsky (2000) und Gentner (2006) sowohl bekräftigte als auch modifizierte noun bias-Hypothese, nach der Nomen sprachübergreifend eine früh auftretende und quantitativ dominierende Wortart im frühen Spracherwerb darstellen. Eine Diskrepanz zwischen Nomen und Verben im Spracherwerb kann sich zum einen als zeitliche Asynchronie in der Erwerbsreihenfolge und zum anderen als quantitative Dominanz einer Wortart niederschlagen. Eine quantitative Überlegenheit von Nomen im frühen Vokabular wurde zunächst für das Englische ermittelt (Bates et al. 1994, 1995) und auch für andere Sprachen bestätigt (z.B. Caselli et al. 1995 für das Italienische, Maital et al. 2000 für das Hebräische, Gillis und Verlinden 1988 für das Niederländische, Grimm et al. 1996, Kauschke 2000 und Szagun 2002 für Deutsch, Vollmann et al. 2000 und Marschik et al. 2005 für österreichisches Deutsch). Szagun (2002) stellte anhand eines von Eltern erstellten Lexikoninventars fest, dass unter den ersten 50 Wörtern bei 17 deutschen Kindern 60 % Nomen und nur 7 % Verben vertreten waren. Bassano (2000) fand bei einem französisch sprechenden Kind, dass Nomen und Verben zeitgleich im Alter von 1;02 auftraten, Nomen jedoch bis zum Alter von etwa zwei Jahren quantitativ dominierten. Danach wurde die Nomenfrequenz von der Verbfrequenz übertroffen. Die Beobachtung, dass sich das quantitative Verhältnis zwischen Nomen und Verben im Laufe der Entwicklung umkehrt, wurde in einer Gruppenstudie mit Kindern im Alter von 1;08 und 2;06 Jahren repliziert (Bassano et al. 1998). Die Daten von Parisse und LeNormand (2001) zeigen einen ähnlichen Trend: Während Kinder mit 1;06 Jahren mehr Nomen als Verben verwenden (29 % gegenüber 14 %), nähern sich die Anteile in den folgenden Monaten einander an; mit 2;06 Jahren stehen schließlich 25 % Verben 18 % Nomen gegenüber. Die französischen Befunde decken sich überdies mit deutschen Daten zum Wortartenerwerb im zweiten und dritten Lebensjahr, nach denen der Anteil der Nomen nach einem anfänglichen Zuwachs zurückgeht, während die Verben linear anwachsen, bis ihr Anteil mit 36 Monaten den der Nomen übersteigt (Kauschke 1999,2000). Befunde aus indoeuropäischen Sprachen zeigen außerdem, dass Nomen zwar oft zeitlich vor Verben auftauchen (ζ. B. Bates et al. 1995 für Englisch, D'Odorico et al. 2001 für Italienisch, Kauschke 2000 für Deutsch), damit jedoch nicht die erste Wortart im frühen Lexikon von Kindern sind. So sind insbesondere personal-soziale und relationale Wörter frühe und stark vertretende Kategorien des kindlichen Lexikons (Gopnik 1988 für Englisch, Caselli et al. 1995 und D'Odorico et al. 2001 für Italienisch, Kauschke 2000 für Deutsch, Bassano et al. 1998 für Französisch). Parisse und LeNormand (2001) stellten für Französisch und Englisch fest, dass Nomen und Verben zusammen 42% bzw. 43% des kindlichen Lexikons ausmachen, ein bedeutender Teil somit aus anderen Wortkategorien besteht.
61 Die bisher genannten Befunde lassen vermuten, dass Nomen in vielen Sprachen zwar nicht als erste Wortart, aber doch vor Verben erscheinen, in den frühen Phasen der Lexikonentwicklung quantitativ überwiegen, früher auf neue Kontexte generalisiert werden und leichter für produktive syntaktische und morphologische Prozesse zugänglich sind. Dennoch haben sprachvergleichende Untersuchungen der letzten Jahre Zweifel an der Gültigkeit einer strengen Version der noun biasHypothese aufkommen lassen. Eine besondere Herausforderung stellt eine Reihe von empirischen Studien dar, die sich vor allem auf asiatische Sprachen, insbesondere auf Mandarin-Chinesisch (Sino-Tibetanische Sprachfamilie) und Koreanisch beziehen. Sprachvergleichende Ergebnisse, überwiegend zur Sprachentwicklung im zweiten Lebensjahr, unterstützen die Beobachtung, dass die Reihenfolge des Auftretens von Nomen und Verben und der Anteil dieser Wortarten am gesamten Vokabular in Abhängigkeit von der Muttersprache variieren kann. Kinder, die Mandarin, Koreanisch oder auch die Mayasprache Tzeltal erwerben, produzieren schon in frühen Phasen der Lexikonentwicklung einen substanziellen Anteil an Verben, die semantisch spezifisch sind (Brown 1998), morphologisch markiert werden (Choi 1998) und als produktive Bestandteile früher Mehrwortäußerungen erscheinen (Tardif 1996 für Mandarin, Brown 1998 für Tzeltal, Choi 1998 für Koreanisch). In diesen Sprachen wird das Verblexikon simultan zum Nomenlexikon und damit früher als im Englischen aufgebaut (Gopnik & Choi 1995 für Koreanisch). Der Anteil der Verben am Gesamtlexikon ist dabei mindestens so hoch wie der der Nomen, in Studien zum Mandarin überwogen die Verben sogar (Tardif 1996). Bei einigen koreanischen Kindern ist bereits im zweiten Lebensjahr ein sprunghafter Anstieg von Verben zu beobachten (Choi & Gopnik 1995). Im Sprachvergleich fand sich bei koreanischen Kindern ein Nomenwortschatz, der dem englischer Kinder vergleichbar ist, jedoch eine größere Verbmenge als bei den englischen Kindern (Kim et al. 2000). In Studien von Tardif und anderen (Tardif et al. 1997,1999) produzierten Mandarin sprechende Kinder signifikant weniger Nomen und mehr Verben als englische und italienische Kinder. Die Klasse der Nomen erweist sich in den genannten Studien weder als eine früher erscheinende noch als eine quantitativ überwiegende Wortart des frühkindlichen Lexikons. Allerdings fanden Au et al. (1994) und Kim et al. (2000) bei der Verwendung von Vokabularchecklisten, dass in der frühen Phase der Lexikonentwicklung auch im Koreanischen mehr neue Nomen als neue Verben in das Lexikon aufgenommen werden. Während sich die bisher genannten koreanischen Studien auf relativ kleine Stichproben beziehen (unter zehn Kindern), untersuchte Pae (1993) das Lexikon von 90 ein- bis zweijährigen koreanischen Kindern mit Hilfe eines Elternfragebogens. Diesen Ergebnissen zufolge waren im kindlichen Vokabular in dieser Altersstufe deutlich mehr Nomen als Verben sowie mehr morphologische Markierungen im Zusammenhang mit Nomen als mit Verben vertreten. Aus einem vergleichenden Überblick über die Befunde aus acht koreanischen Studien folgern Chang-Song und Pae (2003), dass auch in der frühen Lexikonentwicklung des Koreanischen Nomen gegenüber Verben privilegiert seien. Dies schließe aber nicht aus, dass koreanische Kinder in frü-
62 hen Phasen der Lexikonentwicklung mehr Verben erwerben als ζ. B. englische Kinder. Für das Japanische, das strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem Koreanischen aufweist, ergibt sich ebenfalls ein differenziertes Bild. In Checklistendaten wurde eine Nomendominanz beobachtet (Ogura 1999, Miyata et al. 1999), während sich bei Verwendung von Beobachtungsmethoden nach einer anfänglichen Nomendominanz eine Verbdominanz zeigte, die jedoch im Buchlesekontext nicht auftrat. In einer Studie von Ogura et al. (2006) wurde bei Kindern in einem frühen, präsyntaktischen Stadium eine Nomendominanz ermittelt, im Verlauf der Sprachentwicklung verschob sich das Verhältnis von Nomen und Verben jedoch hin zu einer ausgeglichenen oder sogar verbdominanten Verteilung. Nach den Ergebnissen von Miyata und Naka (1998) sind bei japanischen Kindern ausgeprägte individuelle Unterschiede zu beobachten, die in einer Nomendominanz, einem ausbalancierten Vokabular oder in einer Verbbetonung bestehen können. Derartige Präferenzen sind typische Phänomene der frühen Entwicklungsphase, später gleichen sich die individuellen Differenzen aus. Korrespondierende individuelle Unterschiede in der Fokussierung von Nomen und Verben wurden im Input der Mütter gefunden, die Art des individuellen Inputs scheint somit die Vokabularkomposition einzelner Kinder, insbesondere den Nomenanteil, zu beeinflussen (Miyata et al. 1999,2002). Daten zum Wortartenerwerb im Türkischen sind nur in sehr geringem Umfang zu finden. Gentner (1982) bezieht sich auf Daten von zwei Einzelfällen im Alter von 1;02 und 1;04 Jahren. Die Kinder produziertem zu dem Zeitpunkt 27 bzw. 42 Wörter, unter denen zu 71 % bzw. 57 % Nomen zu finden waren. Diese Einzelbeobachtungen lassen wenig Rückschlüsse auf den Status von Nomen und Verben im türkischen Spracherwerb zu. Karacan (1998) beobachtete 71 türkische Kinder im ersten Lebensjahr und erhob Elternberichte über den produktiven Wortschatz der Kinder mit 12 Monaten. Interessant ist, dass das berichtete frühe Lexikon außer Nomen und personal-sozialen Wörtern auch Verben enthält. Unter den aufgelisteten Nomen sind vor allem Namen und Verwandtschaftsbezeichnungen enthalten. Schon mit 12 Monaten finden sich jedoch auch bereits Wörter für „kommen", „gehen", „nehmen", „festhalten", „fallen", „auf- und zumachen". Einige Verbstämme erscheinen in verschiedenen Wortformen (ζ. B. gel/geldi - komm/ist gekommen oder gitlgitti - geh/ist gegangen, Karacan 1998:46). Hier wird deutlich, dass die erste Phase des Lexikonerwerbs im Türkischen in einem größeren Maße, als es ζ. B. für das Deutsche bekannt ist, Verben enthält. Nomen erscheinen hier nicht notwendigerweise früher als Verben. Die offensichtlichen crosslinguistischen Differenzen im Anteil von Nomen und Verben im frühen Lexikon veranlassten Bornstein et al. (2004) zu einer umfassenden sprach vergleichenden Studie. Ähnlich wie in Gentner (1982) sollten mehrere typologisch unterschiedliche Sprachen untersucht werden. Nachdem gegen Gentners Pionierstudie zu den Sprachen Mandarin, Japanisch, Kaluli, Türkisch und Deutsch methodische Einwände formuliert wurden, setzten sich Bornstein und andere zum Ziel, die Erhebungen in allen Sprachen mit einer vergleichbaren Metho-
63 dik und einer größeren Stichprobe durchzuführen. Daher wurden Vokabularchecklisten an Mütter von insgesamt 269 Kindern im Alter von 20 Monaten verteilt, wobei die Sprachen Spanisch, Niederländisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch, Koreanisch und (amerikanisches) Englisch vertreten waren. Die Ergebnisse brachten nur wenig Evidenz für sprachspezifische Unterschiede. Für alle Sprachen wurde berichtet, dass die Kinder mehr Nomen als Verben produzieren. Lediglich bei Kindern mit einer geringen Vokabulargröße von 0-50 Wörtern fiel der Wortartunterschied nicht erheblich aus. Von dem Zeitpunkt an, an dem Kinder in den Vokabularspurt eintreten, war jedoch eine sprachübergreifende Nomendominanz zu sehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Erhebung auf nur einen Altersbereich bezog, also keine Prozesse der Wortartenentwicklung abzuleiten sind und dass ausschließlich mit Befragungsdaten gearbeitet wurde. Während bei der Verwendung von Checklisten aus methodischen Gründen eine Tendenz zur Überschätzung des Nomenanteils besteht, fällt die Betrachtung von Beobachtungsdaten erfahrungsgemäß stärker zugunsten von Verben aus (siehe dazu Pine et al. 1996 sowie Kauschke 2000: 78f.). Bornstein et al. (2004) werten ihre Ergebnisse als Bestätigung der noun fo/os-Hypothese, die sich hier unabhängig von der Zugänglichkeit der Wortarten im sprachlichen Input zeige.
2.2.3
Inputeigenschaften
A thorough understanding of language input will be crucial to explaining language learning in general and differences in language learning across individuals and languages. (Sandhofer et al. 2000: 562)
Eine mögliche Erklärung für die Erwerbsunterschiede in unterschiedlichen Einzelsprachen liegt in sprachspezifischen Charakteristika des Inputs wie der Frequenz und Salienz der Wortarten sowie dem pragmatischen Fokus der kindgerichteten Äußerungen. Die von Gentner (1982) in die Debatte um den noun bias eingebrachten Faktoren der Auftretensfrequenz, der Verbposition, der Morphologie und der Pragmatik werden in den meisten im Folgenden dargestellten Studien zum Wortartenangebot berücksichtigt. Dabei wird angenommen, dass ein häufiges Vorkommen, eine gut wahrnehmbare Positionierung, eine transparente Morphologie und eine pragmatische Hervorhebung generell erwerbserleichternd wirken (dazu AksuK09 & Slobin 1985). In SOV-Sprachen wie dem Japanischen und Koreanischen erscheint das Verb konsistent in finaler Satzposition und ist damit für Kinder besonders gut wahrnehmbar. Im Koreanischen und Chinesischen sind Subjekte optional und werden häufig ausgelassen, was die Auftretenshäufigkeit und Wahrnehmbarkeit von Verben erhöhen könnte. Auch die für Nomen und Verben sprachabhängig unterschiedliche morphologische Komplexität und Transparenz könnte sich auf den Erwerbsprozess auswirken. Unter pragmatischen Gesichtspunkten sind Unterschiede im Ausmaß handlungsbezogener versus objektbenennender Äußerungen
64 möglich. Sprachstrukturelle Eigenschaften sowie kulturbedingte Interaktionsformen könnten daher zu einer Hervorhebung bestimmter Wortarten im Input führen und damit die Lernbarkeit von Nomen und Verben mitbestimmen. Ergebnisse sprachvergleichender Studien bestätigen, dass der an Kinder gerichtete Input im Koreanischen und im Chinesischen tatsächlich Verben betont, während der englische und niederländische Input Nomen fokussiert. Für den englischen Input wurde gefunden, dass mehr unterschiedliche Nomen (Nomentypes) als unterschiedliche Verben produziert werden (Choi & Gopnik 1995,Tardif et al. 1999, Choi 2000, Kim et al. 2000, Sandhofer et al. 2000) oder eine ausgewogene Verteilung der Nomen- und Verbanteile vorliegt (Au et al. 1994,Tardif et al. 1997, Goldfield 2000). Betrachtet man die insgesamt geäußerte Wortanzahl (Token), so wurde auch im Englischen entweder ein gleicher Anteil der Wortarten (Sandhofer et al. 2000) oder häufiger ein höherer Verbanteil als Nomenanteil gefunden (Au et al. 1994,Tardif et al. 1997, Goldfield 2000, Parisse & LeNormand 2001). Auch im italienischen und französischen Input überwiegen Verben gegenüber Nomen (Tardif et al. 1997, Camaioni & Longobardi 2001, Parisse & LeNormand 2001), zumindest im Anteil der Token. Chinesische und koreanische Mütter äußern dagegen durchgängig mehr Verben als Nomen (Au et al. 1994, Tardif et al. 1997, Kim et al. 2000, Sandhofer et al. 2000 für Verbtoken) oder einen vergleichbaren Anteil (Choi 2000), und sie produzieren deutlich mehr Verben als englische Mütter. Sandhofer et al. (2000) stellen bei einem Vergleich der Inputeigenschaften des Englischen und des Chinesischen fest, dass trotz sprachspezifischer Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens von Verben Gemeinsamkeiten in der Art der Distribution der Wortarten bestehen. In beiden Sprachen liegt beim Angebot von Nomen eine flache Verteilung vor, denn viele verschiedene Nomen werden mit mittlerer und niedriger Frequenz produziert. Bei Verben dagegen lässt sich eine steile Verteilung beobachten: Mütter wenden eine kleine Auswahl von hochfrequenten Verben überproportional häufig an. Dieses Muster erklärt, warum in mehreren der untersuchten Sprachen oft bei Auswertung der Token ein Verbvorteil besteht, während unter den Types oft die Nomen überwiegen. Außerdem zeigte sich, dass koreanische Mütter mehr handlungsgerichtete Äußerungen formulieren als englische Mütter und sich mehr auf Aktionen als auf Objekte beziehen (Kim et al. 2000). Im Gegensatz dazu neigen die englischen Mütter eher dazu, Objekte zu benennen. Die koreanischen Mütter in der Studie von Choi (2000) benutzen beide Äußerungstypen etwa gleich häufig, wobei auch Kontexteffekte deutlich wurden: Im Kontext des freien Spiels steigen bei den koreanischen Müttern die handlungsbezogenen Äußerungen an, während im Kontext des gemeinsamen Bücherlesens in beiden Sprachen Objekte benannt werden. In mehreren Studien wurde übereinstimmend festgestellt, dass Ergebnisse über die Inputeigenschaften abhängig von der Erhebungsmethode (Checklisten versus Spontansprachdaten), von der Auswertungsweise (Types oder Token) und vom Kontext der Erhebung (Buchleseformat oder freies Spiel) sind (Tardif et al. 1999, Choi 2000, Ogura 2002, Ogura et al. 2006). Außerdem spielen individuelle Präferenzen der
65 Mütter und die Entwicklungsphase des Kindes eine Rolle. So ist der japanische Input insgesamt verbzentriert, wird jedoch in einer bestimmten Phase durch explizite Nomenvermittlung temporär nomenbetont (Miyata et al. 1999). Über die reine Häufigkeit des Vorkommens hinaus wird auch die Salienz von Nomen und Verben im Input als ein wichtiger Einflussfaktor angesehen. So soll die erste, besonders aber die letzte Position in einer Äußerung für Kinder besonders gut wahrnehmbar sein. Wörter, die am Satzanfang oder -ende stehen, können leichter erkannt und damit verarbeitet werden als Wörter innerhalb eines Satzes. Dies wird in weiten Teilen von der syntaktischen Struktur und den Wortstellungsregeln und -beschränkungen determiniert, die der jeweiligen Sprache zugrunde liegen.5 In einigen Studien wurde untersucht, in welcher Position Nomen und Verben im Input tatsächlich präsentiert werden. Als übergreifendes Ergebnis verschiedener Inputstudien lässt sich feststellen, dass im Koreanischen, Chinesischen und Japanischen eindeutig häufiger Verben als Nomen in der Finalposition stehen (Au et al. 94, Tardif et al. 1997, Kim et al. 2000, Ogura et al. 2006). Im türkischen kindgerichteten Input werden verschiedene Verbpositionen realisiert, bei 56 % der Äußerungen steht das Verb an letzter Stelle (Aksu-Κος & Slobin 1985, Erguvanli 1984). Im Englischen und Niederländischen verwenden die Mütter final häufiger Nomen als Verben, als Tendenz gilt das auch im Italienischen (Gillis & Verlinden 1988, Tardif et al. 1997, Camaioni & Longobardi 2001). Die initiale Position wird im Englischen, Chinesischen und Italienischen häufiger von Verben als von Nomen besetzt. In Bezug auf die morphologische Komplexität und Variation der Wortarten wurde festgestellt, dass im Englischen, Italienischen, Japanischen und Koreanischen mehr morphologische Markierungen an Verben auftreten als an Nomen. Eine transparente und konsistente Verbmorphologie wie im Koreanischen wird als erwerbserleichternd gewertet. Zur Frequenz und Salienz von Nomen und Verben im kindgerichteten Input im Deutschen sind bislang keine Daten verfügbar. Nimmt man die Befunde zur Frequenz, zum pragmatischen Fokus und zur Auftretensposition zusammen, lässt sich generalisieren, dass der Input im Koreanischen, im Chinesischen und im Japanischen Verben mehr betont als Nomen, während es sich im Englischen und Niederländischen umgekehrt verhält. Damit stellt sich die Frage nach der Bedeutung derartiger Inputfaktoren für die Auftretensreihenfolge und die Dominanz von Wortarten im kindlichen Lexikonerwerb. Vollzieht sich die kindliche Entwicklung unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Inputs oder hat der Input eine erwerbserleichternde oder gar determinierende Funktion? Bornstein et al. (2004) folgern aus den Resultaten ihrer Studie, dass sich Nomen und Verben in den sieben von ihnen untersuchten Sprachen hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit, der Salienz, der morphologischen Markierung und hinsichtlich pragmatischer Aspekte des Angebotes zwar deutlich unterscheiden, sich diese Faktoren jedoch nicht wesentlich auf die frühe Lexikonkomposition auswirken. Im Hinblick auf die heterogenen Ergebnisse aus Studien zu verschiedenen Ein5
vgl. Kapitel 1.8.
66 zelsprachen scheinen eindeutige Aussagen dieser Art nicht gerechtfertigt. Der Nomenbetonung im englischen und niederländischen Input entspricht eine klare Nomendominanz im frühen Lexikonerwerb der Kinder. Die Verbbetonung im Koreanischen, Chinesischen und Japanischen steht heterogenen Mustern der kindlichen Lexikonentwicklung gegenüber. In allen Sprachen wird mit Checklistenmethoden anfangs ein größerer Nomen- als Verbwortschatz ermittelt, in Spontansprachauswertungen zeigen sich unterschiedliche Verteilungen. So können im Lexikon der Kinder überwiegend Nomen, eine ausgewogene Verteilung oder auch überwiegend Verben erscheinen, wobei sich individuelle Unterschiede, der Sprachentwicklungsstand und die Erhebungssituation niederschlagen. Bei einem „verbfreundlichen" Input zeigt sich also keine klare Präferenz der Kinder, in den „nomenfreundlichen" Sprachen dagegen eine Entsprechung zwischen dem Input und dem kindlichem Lexikon. Ein Widerspruch ergibt sich für das Italienische, dessen Input als eher verbfreundlich beschrieben wird, während bei den Kindern eine klare Nomenpräferenz vorliegt. Einen ähnlichen Kontrast sehen Ogura et al. (2006) für die japanische Sprache, da trotz eines verbbetonten Inputs eine frühe Nomendominanz bei Kindern vorliegt, die erst mit der Zeit durch einen verstärkten Verbzuwachs abgelöst wird. Der umgekehrte Fall einer Sprache mit einem eher nomenbetonten Input, aber einer Verbpräferenz bei Kindern wird nicht berichtet. Möglicherweise wird die Neigung zum frühen Erwerb von Objektbegriffen durch einen nomenfokussierten Input noch verstärkt, während der verbbetonte Input anderer Sprachen zu einer Erleichterung des Verberwerbs und damit zu einer Abschwächung der Nomen-Verb-Diskrepanz führen kann. Ungeachtet der sprachspezifischen Unterschiede bleibt festzuhalten, dass Kinder in allen hier betrachteten Sprachen innerhalb der ersten beiden Lebensjahre Nomen und Verben erwerben und auch produzieren, so dass die unten zitierte Beobachtung auch auf den Wortartenerwerb übertragbar zu sein scheint: The differences lay more in the timing and the route by which children converged on the solutions than in the solutions themselves. (Gopnik 2001:58)
Offensichtlich unterscheiden sich die Erwerbssequenzen und die Komposition in Bezug auf Nomen und Verben in Abhängigkeit von der zu erwerbenden Sprache. Kontroversen bestehen allerdings zu der Frage, ob die festgestellten Inputfaktoren ausreichend sind, um kindliche Entwicklungsmuster zu erklären, oder ob sprachübergreifende kognitive Faktoren einen relevanten Einflussfaktor darstellen. Clark (2001) formuliert die Debatte so: Gehen Kinder aller Sprachgemeinschaften von universellen kognitiven Kategorien aus und suchen im Input nach Modellen, diese zu versprachlichen? Oder wird die Kategorienbildung von Anfang an durch den Input sprachspezifisch geformt und beeinflusst? Laut Gentner (1981,1982) bildet der Erwerb von Nomen einen natürlichen Einstieg in den Lexikonerwerb, unabhängig von der Prominenz der Wortarten in der jeweiligen Muttersprache. Gentner postuliert einen entscheidenden perzeptuellen sowie konzeptuellen Unterschied zwischen objektbezogenen und relationalen Kon-
67 zepten. Da die Beziehung zwischen der wahrnehmbaren Welt und der sprachlichen Bezeichnung im Falle der Nomen transparenter und enger sei als bei Verben, sollten Konzepte, die durch Nomen ausgedrückt werden, basaler sein als Handlungskonzepte, die durch eine geringere konzeptuelle Kohäsion gekennzeichnet seien. 6 Aus diesem grundlegenden kognitiven Unterschied resultieren für Gentner Konsequenzen für den Erwerb von Nomen und Verben. Die kognitive Komplexität von Objekt- und Handlungskonzepten beeinflusse die Reihenfolge des Erwerbs dahingehend, dass kognitiv weniger komplexe Phänomene früher erworben werden. In diesem Sinne führen Bedingungen der Wahrnehmung und Kognition zu universellen Erwerbssequenzen, hier von Nomen zu Verben. Während die linguistischen Kategorien Nomen und Verb bei Gentner auf fundamentalen kognitiven Grundprinzipien fußen, wird von Vertretern einer entgegen gesetzten Sichtweise angenommen, dass die Reihenfolge des Erwerbs grammatischer Kategorien von einzelsprachlichen Besonderheiten entscheidend beeinflusst wird. Die Erwerbssequenz richtet sich dann stärker nach der Frequenz und Salienz, die den jeweiligen Kategorien im Input der Muttersprache zukommt. Erscheinen Verben im Input an Kinder hochfrequent und gut wahrnehmbar, müssen sie nicht aufgrund universaler kognitiver Bedingungen später als Nomen erworben werden. Sprachvergleichende Befunde zur Vertretung von Nomen und Verben im Input und im frühen Lexikon der Kinder werden als Beleg dafür herangezogen, dass sich die Eigenschaften der Muttersprache stärker als kognitive Prädispositionen auf die Erwerbssequenzen auswirken, so dass Gentners Annahme einer universalen Entwicklungsreihenfolge von Nomen zu Verben explizit zurückgewiesen wird (ζ. B. in Tardif 1996:500). Gentner und Boroditsky (2000) bleiben jedoch bei der Auffassung, dass der Erwerb von Nomen aufgrund kognitiver Bedingungen sprachübergreifend gegenüber dem Verberwerb privilegiert sei. Sprachspezifische Eigenschaften spielten dann eher für den Zeitpunkt und die Geschwindigkeit des Verberwerbs eine Rolle. Taken together, the new crosslinguistic findings point to two conclusions. First, there is an early noun advantage across languages. Even in verb-friendly languages like Korean, Mandarin, and Italian, concrete nouns seem to serve as the entry-points to referential language. Second, there are clear effects of the input language. The accessibility of verbs in the input influences how early they are acquired. (Gentner & Boroditsky 2000: 241)
Einzelsprachspezifische Effekte werden hier nicht ausgeschlossen, aber erst für spätere Phasen des primär kognitiv gesteuerten Spracherwerbs anerkannt. Dies scheint zunächst nicht kompatibel mit Studien, die ein zeitgleiches Auftreten von Nomen und Verben (Gopnik & Choi 1995, Bassano 2000) oder einen gleich starken Anteil der Wortarten (Tardif 1996) bei Kindern im zweiten Lebensjahr finden. Gegen den sprachunabhängigen Einstieg in die Lexikonentwicklung spricht auch der folgende Einwand (siehe auch Tardif et al. 1999): Selbst wenn Nomen eine besser zugängliche Kategorie sein sollten und somit einen Erwerbsvorteil böten, unterscheiden 6
vgl. Kapitel 1.5 und 1.6.
68 sich Kinder unterschiedlicher Sprachen offensichtlich dahingehend, wie sehr sie von einem solchen Vorteil Gebrauch machen. In diesem Sinne kann ein verbbetonter, verbfreundlicher Input einen angenommenen kognitiven Nomenvorteil ausgleichen. Sollten Kinder eine kognitive Erwerbshilfe nur dann ausnutzen, wenn diese mit den Eigenschaften ihrer Muttersprache verträglich ist, so wird die Annahme des kognitiven Primats jedoch geschwächt. Kim et al. (2000) interpretieren ihre Ergebnisse dahingehend, dass im frühen Lexikonerwerb allgemeine Erwerbsprinzipien (wie die Tendenz zum Nomenerwerb aufgrund der leichten Wahrnehmbarkeit von Objekten) sowie sprachspezifische Faktoren zusammenwirken. Fraglich ist auch, ob die „Objekthaftigkeit" der Nomenkategorie notwendigerweise einen so starken Erwerbsvorteil für Kinder bildet und ob perzeptuelle Merkmale von Kindern tatsächlich leichter verarbeitet werden als funktionale. Goldfield (2000) wendet ein, dass es keine empirischen Hinweise darauf gibt, dass kleine Kinder Objekte besser wahrnehmen können als Aktionen. Bereits Neugeborene werden von Bewegungen angezogen, die differenzierte Wahrnehmung von Bewegungen löst Fortschritte in der Wahrnehmungsentwicklung aus. Säuglinge verwenden Bewegungen als Hinweisreize, was die Wahrnehmung von Handlungen unterstützt (Hennon et al. 2000:75). In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres können Kinder Handlungen unterscheiden, Repräsentationen von Ereignisschemata aufbauen und kausale Ereignisabfolgen erkennen. Hennon et al. (2000:72) zeichnen zwar das „Bild eines Säuglings, der in frühem Alter das konzeptuelle Gerüst für das Lernen von Verben aufbauen kann", weisen aber darauf hin, dass die Forschungsergebnisse in diesem Bereich noch nicht ausreichen. Auch die frühe Lexikonentwicklung zeigt nach Goldfield (2000), dass Handlungen von Beginn an im Fokus der Kinder stehen. Kinder beziehen sich früh auf Aktionen und Zustände. Dazu verwenden sie zwar nicht in jeder Sprache Verben, sondern oft relationale oder auch personal-soziale Wörter, die sich auf das Gelingen oder auf die Wiederholung von Handlungen und auf Zustandsveränderungen beziehen. Wörter ohne Objektbezug sind somit im frühen Vokabular durchaus vertreten, was wiederum gegen die Vorstellung der Objektpräferenz als hauptsächlicher Einstiegshilfe spricht. Die Frage, in welchem Maße und unter welchen Bedingungen Kinder unterschiedlicher Sprachen Nomen gegenüber Verben bevorzugen, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beantwortet werden. In Sprachen wie dem Deutschen oder Englischen, für die die Erwerbssequenz „Nomen vor Verben" nachgewiesen werden konnte, bleibt noch offen, worauf der anfängliche Nomenvorteil bzw. das spätere Auftauchen der Verben zurückzuführen ist.
2.2.4
Wortartspezifische Verarbeitung in späteren Phasen des Spracherwerbs
War bislang von den frühen Phasen der spontanen Wortproduktion bzw. des Wortlernens die Rede, kann für spätere Phasen des Spracherwerbs anhand direkter Testverfahren die Frage nach einem differentiellen Umgang mit Nomen und Verben
69 weiter verfolgt werden. Eine Möglichkeit, die Verfügbarkeit von Nomen und Verben zu vergleichen, stellen Benennstudien dar. Beim Benennen wird nicht der Erwerb der Wortkategorien überprüft, sondern die Fähigkeit von Kindern, auf schon erworbene lexikalische Einheiten zuzugreifen. 7 Die Mehrheit der Studien, die sich mit Bildbenennleistungen von Kindern befassen, stammt aus dem angloamerikanischen Raum. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen dabei meist sprachentwicklungsgestörte Kinder. Zudem konzentrieren sich die Untersuchungen auf die Wortart der Nomen, wohingegen nur wenige Studien auch Verben einbeziehen. Eine vergleichende Betrachtung der Ergebnisse ist vor allem hinsichtlich der Fehlerarten nur begrenzt möglich, da erhebliche Unterschiede in den verwendeten Fehlerklassifikationssystemen bestehen. Was die Benennlatenzen bei Kindern betrifft, sprechen Studien zum Italienischen (D'Amico et al. 2002) und zum Deutschen (Begander 2003) für längere Latenzen beim Benennen von Verben gegenüber Nomen beim einfachen Benennen. Zur Benenngenauigkeit lässt sich als Tendenz festhalten, dass meist kein eindeutiger Einfluss der Wortart auf die Benenngenauigkeit gefunden wurde (Davidoff & Masterson 1996, McGregor 1997, Dockrell et al. 2001, Rothweiler 2001, aber D'Amico et al. 2002). Davidoff und Masterson (1996) weisen zudem auf die Bedeutung der Berücksichtigung von Subkategorien bei Verben hin, da die von ihnen untersuchten Kinder bessere Leistungen beim Benennen von transitiven gegenüber intransitiven Verben zeigten und ein Nomenvorteil nur im Vergleich zu intransitiven Verben bestätigt werden konnte. Häufiger wurde dagegen beobachtet, dass Kinder angesichts von Benennunsicherheiten auf wortartspezifische Fehlerstrategien zurückgreifen. McGregor et al. (2002a) berichten eine Dominanz semantischer Fehler beim Benennen von Nomen. Dockrell et al. (2001) beobachteten bei englischen Kindern mit Wortfindungsstörungen sowie für entsprechend ausgewählte Kontrollgruppen, dass bei Nomen die Produktion semantisch relationierter Ersatzbegriffe vorherrschend war, während sich bei Verben Umschreibungen als häufiger Fehlertyp erwiesen. Auch Davidoff und Masterson (1996) fanden, dass oftmals auf Umschreibungen ausgewichen wurde, wenn eine Aktion nicht mit einem spezifischen Verb bezeichnet werden konnte. Als weitere Fehlertypen bei Verben traten Nonsenswörter oder thematisch verwandte Wörter sowie die Nennung eines hervorstechenden visuellen Merkmals der dargestellten Handlung auf (siehe auch Dockrell et al. 2001). Wortartwechsel bei Verbstimuli, d. h. die Nennung eines Nomens anstelle eines geforderten Verbs, fanden Wiegel-Crump und Dennis (1986) bei Kindern ab sechs Jahren beim Bildbenennen nicht mehr, dieser Fehlertyp trat nur bei der Elizitierung von Verben anhand von Beschreibungen auf. D'Amico et al. (2002) nennen als Fehlreaktionen auf Objektstimuli phonologische Vereinfachungen, Teil-Ganzes-Beziehungen und Hyperonyme. Bei Verben wurden mehr umschreibende Reaktionen gefunden, ζ. B. Szenenbeschreibungen oder periphrastische Konstruktionen, die meist ein unspezifisches Allzweckverb enthielten. Eine weitere Beobachtung einiger Studien ist die Ausführlicheres zum Thema Benennen in Kapitel 5.
70 starke Präsenz von Nullreaktionen („ich weiß nicht"-Antworten) bei Nomen. Für die von Davidoff und Masterson (1996) untersuchten Kinder waren refusals bei Nomen die häufigste Fehlerart nach semantisch-relationierten Reaktionen. Bei Verben hingegen reagierten die Untersuchungsteilnehmer weitaus seltener mit antwortverweigerndem Verhalten. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich in einer der wenigen deutschen Studien zu dieser Thematik (Rothweiler 2001). Die Befundlage lässt folgern, dass das Benennverhalten in Abhängigkeit von der Wortart variiert. Ob Nomen einen grundsätzlichen Benennvorteil haben, ist anhand der verfügbaren Befunde nicht eindeutig auszumachen. Klare Wortarteffekte zeigen sich aber in der Art der Behandlung von Lücken im kindlichen Lexikon. Einen anderen methodischen Zugang mit älteren Kindern wählte Schelletter (2005). In ihrem Experiment sollten sieben- bis zehnjährige bilinguale Kinder Nomen und Verben übersetzen. Dabei brauchen die Kinder signifikant länger, um ein Verb zu übersetzen als für die Übersetzung eines Nomens. Während sich bei der Betrachtung des spontanen Lexikonerwerbs Hinweise auf unterschiedliche Erwerbszeitpunkte von Nomen und Verben sowie auf eine anfängliche Nomenüberlegenheit herausgestellt haben, die allerdings nicht in allen Sprachen die gleiche Gültigkeit hat, sprechen Befunde zum Umgang mit Nomen und Verben unter kontrollierten Bedingungen nicht so klar für einen Nomenvorteil. In frühen Wortlernexperimenten wurde eine frühere Generalisierungsfähigkeit beim Erwerb von Nomenbedeutungen festgestellt. In Benenntests und fast mapping-Experimenten zeigte sich dagegen kein eindeutiger Wortarteneffekt. Da die direkteren Verfahren meist mit älteren Kindern (im Vorschul- und Grundschulalter) durchgeführt wurden, ist als Erklärung denkbar, dass sich eine Präferenz für Nomen als leichter zu verarbeitende Wortart mehr in den früheren Phasen des Spracherwerbs zeigt und sich allmählich verliert.
2.3
Subkategorien von N o m e n und V e r b e n im Spracherwerb
Bislang wurden Nomen und Verben als homogene Gruppe von Wörtern betrachtet, obwohl sich die lexikalischen Einheiten, die als Vertreter dieser großen offenen Klassen gelten, hinsichtlich vieler Merkmale unterscheiden können. Daher ist es sinnvoll, innerhalb der Wortarten Subkategorien separat zu betrachten. Wie aus Kapitel 4.1 zu kategoriespezifischen Effekten bei erworbenen Sprachstörungen hervorgeht, können Subkategorien von Nomen - wie belebte versus unbelebte Objektbegriffe - und von Verben - wie transitive versus intransitive Verben - selektiv gestört sein. Daher wäre zu überprüfen, ob Subkategorien dieser Art auch im Erwerb eine Rolle spielen. Direkte empirische Befunde zu dieser Frage sind spärlich. Neben dem von Davidoff und Masterson (1996) gefundenen Vorteil für transitive
71 Verben beim Benennen gibt es einige wenige Studien, die sich explizit einer Gegenüberstellung dieser Kategorien widmen. Valian (1991) untersuchte die Spontansprache von 21 Kindern zwischen 1;10 und 2;08 Jahren und stellte fest, dass im frühen Verblexikon mehr intransitive als transitive Verben auftreten. Mit zunehmendem Alter nahm die Anzahl rein transitiver Verben zu und die Anzahl rein intransitiver Verben ab. Für gemischte Verben, die transitiv und intransitiv gebraucht werden können, war ein leichter Rückgang zu beobachten. Eine Betrachtung der Objektverwendung zeigte, dass Objekte bei rein transitiven Verben selten ausgelassen wurden und dass es so gut wie gar nicht vorkam, dass ein intransitives Verb mit Objekt verwendet wurde. Häufigere Objektauslassungen gab es bei gemischten Verben. Kinder erkennen somit, dass ein Objekt optional oder obligatorisch sein kann. Im Verbgebrauch spiegele sich ein Wissen über die Argumentstruktur, d. h. darüber, dass syntaktische Informationen berücksichtigt werden müssen.Theakston et al. (2001) konnten den Befund replizieren, dass zwischen 1;10 und 2;00 Jahren mehr intransitive als transitive Verben produziert werden. Der Anteil transitiver Verben nahm mit Anwachsen der MLU auch in ihrer Studie zu, der Anteil intransitiver Verben ab. Im Gegensatz zu Valian (1991) erklären Theakston und andere diesen Befund nicht durch eine höhere grammatische Komplexität von transitiven Verben oder durch eine Begrenzung der Verarbeitungskapazität, die die Kinder zunächst auf kürzere Äußerungen zurückgreifen lässt, sondern durch eine enge Anbindung an das Verbvorkommen im Input. Rispoli (1987) stellte in Fallstudien mit zwei zweijährigen japanischen Kindern fest, dass das Verblexikon bereits in diesem Alter eine semantisch basierte Differenzierung in transitive und intransitive Verbklassen erkennen lässt. Experimente zum syntaktischen bootstrapping (Hirsh-Pasek und Golinkoff 1996) ergaben, dass die rezeptive Verarbeitung transitiver Stimulussätze leichter fällt und etwas früher nachgewiesen werden kann als die Verarbeitung intransitiver Sätze. Tomasello und Mitarbeiter überprüften in einer Reihe von Studien (für einen Überblick siehe Tomasello 2000), ob und wann Kinder über Flexibilität bei der Produktion von Argumentstrukturen verfügen. In einem Experiment (Tomasello & Brooks 1998) lernten Kinder neue Verben für unbekannte Handlungen. Die Verben wurden einmal in einem transitiven Kontext, einmal in einem intransitiven Kontext angeboten. Daraufhin wurde beobachtet, wie die neu erworbenen Verben in der Spontansprache angewendet wurden. Das Ergebnis war, dass die Kinder die Verben nur in der vorher gehörten Bedingung (d. h. entweder nur transitiv oder nur intransitiv) verwenden. Die Produktivität, die sich in einer Variation der Argumentstruktur zeigen würde, ist mit zwei Jahren noch nicht gegeben. Kinder können offensichtlich beide Verbtypen gleich gut lernen, sie abstrahieren aber noch nicht in dem Maße, dass sie die neuen Verben in andere grammatische Kontexte übertragen. Dies ist erst mit zweieinhalb Jahren in Ansätzen möglich; zwischen vier und fünf Jahren sind produktive Alternationen der Argumentstruktur kein Problem mehr (Tomasello 2000).
72 Ninio (1999a, b) beschäftigt sich mit der Frage, wie Kinder in ihrer frühen Grammatikentwicklung Konstruktionen mit transitiven und intransitiven Verben bilden. Danach werden als Einstieg in ein grammatisches Muster Verben gewählt, die das neu zu erwerbende grammatische Konzept (ζ. B. Wortkombinationen mit transitivem Verb) deutlich verkörpern. Diese pathbreaking verbs sind die besten Repräsentanten für die neu zu lernende Domäne. Sie sind als allgemeine, zentrale, prototypische, wenig komplexe und wenig spezifische Vertreter die besten Ausgangspunkte für eine Analogiebildung und einen Transfer auf spezifischere Einheiten. Sowohl bei den transitiven als auch bei den intransitiven Verben verläuft die Entwicklung von den prototypischen Einstiegsverben zu immer spezifischeren Einheiten. In Untersuchungen englischer und hebräischer Kinder stellte sich heraus, dass transitive Strukturen häufig mit „want" (bzw. der hebräischen Entsprechung) sowie „make/ do" realisiert wurden. Konstruktionen, die ein solches obtaining verb enthalten, können somit prototypische transitive Ereignisse ausdrücken. So ist mit dem Ausdruck des Wunsches nach einem Objekt die Domäne der Transitivität angebahnt und kann mit weiteren Verbtypen aufgefüllt werden. Konstruktionen mit intransitiven Verben erfolgen zu Beginn der Sprachentwicklung oft mit den Verben „come" und „go", die grundlegende Bewegungsverben darstellen. Gleichzeitig sind allgemeine Verben wie „want", „do", „come" und „go" Verben, die in vielen Sprachen einer Grammatikalisierung unterliegen. Auch dieses Phänomen illustriert laut Ninio die basale Funktion dieser Verben. Behrens (2003) weist anhand spontansprachlicher Beobachtungen nach, dass das Verb „gehen", das in verschiedenen germanischen Sprachen unterschiedlich starken Grammatikalisierungsprozessen unterworfen ist, tatsächlich in den frühesten Verbverwendungen im Deutschen auftaucht. Gegen Ninios Annahme, dass grammatische Strukturen zunächst aus einer einzigen, prototypischen Grundbedeutung heraus projiziert werden, wendet Behrens allerdings ein, dass schon früh unterschiedliche Bedeutungsvarianten dieses Verbs nachzuweisen sind (ζ. B. „gehen" als Bewegungsverb, als Verb im Sinne von „etwas geht (nicht)" oder mit hilfsverbartigem Charakter wie in „spazieren/schlafen gehen"). Das Konzept der pathbreaking verbs macht deutlich, dass transitive und intransitive Verben jeweils zum Aufbau korrespondierender grammatischer Strukturen von Bedeutung sind, wobei in jeder Subkategorie prototypische Vertreter als Einstieg in die Domäne dienen. Die Art des Erwerbs ist für die beiden Verbkategorien jedoch nicht unterschiedlich. Eine Differenzierung von Verb-Subkategorien im Spracherwerb ist sicherlich von Bedeutung, da „Verben keineswegs eine homogene Klasse bilden, die bruchlos mittels eines homogenen Mechanismus gelernt werden kann" (Behrens 2003: 161). Wichtiger als die Unterscheidung von transitiven und intransitiven Verben scheint dabei die Unterscheidung zwischen allgemeinen und spezifischen Verben zu sein. Für die Dominanz semantisch leichter Verben im frühen Spracherwerb ist auch die hohe Inputfrequenz dieser Verben mit verantwortlich, wie Theakston et al. (2004) für das Englische zeigen.
73 2.4
Überblick ü b e r d e n Spracherwerb im Koreanischen und Türkischen
Im empirischen Teil dieser Arbeit wird untersucht, wie deutsche, koreanische, türkische und englische Kinder mit Nomen und Verben umgehen. Über Befunde zum Lexikon- und Wortartenerwerb in diesen Sprachen wurde bereits in Kapitel 2.2.2 berichtet. Ergänzend dazu soll hier ein kurzer Abriss der allgemeinen Sprachentwicklung bei koreanischen und türkischen Kindern gegeben und in Relation zu bekannten Erwerbsphänomenen des deutschen und englischen Spracherwerbs gestellt werden. Laut Kim (1997) sind im koreanischen Spracherwerb frühe morphologische Fähigkeiten zu beobachten: Sowohl die Verbflexion (hinsichtlich Tempus, Aspekt und Modus) als auch die Nominalflexion erscheinen früh, das heißt vor dem Alter von zwei Jahren, meist in korrekter Form. Die Verbflexion tritt schon in der Einwortphase auf, es gibt keine Fehler in der Reihenfolge der verschiedenen Suffixe. Erste Markierungen des Verbs werden ab 1 ;07 Jahren beobachtet; ab 2 Jahren existiert bereits eine Vielfalt von Formen. Mit nur wenigen Ausnahmen werden Verben von Anfang an korrekt flektiert. Die ersten Markierungen beziehen sich auf Deklarative und Interrogative. Hier besteht eine Gemeinsamkeit mit dem Spracherwerb im Türkischen, denn eine frühzeitige Entwicklung der Verbflexion wird auch beim Erwerb anderer Sprachen mit reichhaltiger und regulärer Flexion beobachtet (Kim 1997:362). Einige Formen der koreanischen Höflichkeitsmarkierung werden später erworben. Flexionsfehler treten nur in den frühen Stadien auf, die Fehlerrate ist insgesamt gering, gemessen an der hohen Auftretensfrequenz von Markierungen. Wenn es Fehler gibt, bestehen diese in Übergeneralisierungen (ζ. B. Übertragung der Deklarativendung auf den interrogativen Kontext). We can conclude that Korean-speaking children's acquisition of inflection is precocious and largely error-free. (Kim 1997: 370)
In Bezug auf die Wortstellung beschreibt Kim (1997), dass Kinder von den frühen Phasen des Spracherwerbs an die kanonische Wortfolge SOV einhalten. Bei Kindern im dritten Lebensjahr wurde festgestellt, dass 83 % der Mehrwortäußerungen aus SOV-Konstruktionen bestehen. In einer weiteren longitudinalen Studie konnte bestätigt werden, dass SOV die dominierende Struktur bei Kindern ist. Die Verwendung der SOV-Strukturen zeigt eine enge Korrelation zu den Strukturen, die das Kind im Input vorfindet. Darüber hinaus gibt es auch OSV-Konstruktionen, bei denen Objekte topikalisiert werden. Nach einer strengeren Beachtung der kanonischen Anordnung in der frühen Phase werden die Äußerungen mit der Zeit flexibler. Wie bereits in Kapitel 1.8.2 erwähnt wurde, ist die Realisierung des Subjekts im Koreanischen optional. In der spontanen Sprachproduktion von Kindern stabilisiert sich der Anteil overter Subjekte zwischen 1;10 und 2;02 Jahren auf etwa 35-
74 45 %, im Gegensatz ζ. Β. zum englischen Spracherwerb, wo in 70-90% der Äußerungen Subjekte realisiert werden (Kim 1997:425). Eine Analyse von Äußerungen, die Verben enthalten, zeigt, dass die Kinder mit isolierten Prädikaten beginnen. Danach wächst der Anteil realisierter Subjekte an und erreicht die Verhältnisse der Erwachsenensprache im Alter von 2;03 bis 2;09 Jahren. Um die Subjektbesetzung im Deutschen als Vergleich heranzuziehen, zeigt Weissenborn (1990), dass der Anteil von Nullsubjekten zwischen 22 und 32 Monaten von 82% auf 17% absinkt. Nach einer anfänglichen Übergeneralisierung der pragmatisch lizenzierten Variante der Subjektauslassung erwerben deutsche Kinder allmählich die Regel der obligatorischen Subjekteinsetzung. Wenn koreanische Kinder Subjekte und Objekte in Äußerungen auslassen, berücksichtigen sie dabei ebenfalls die Prinzipien, die die Ellipsenbildung im Koreanischen bestimmen. Subjekte werden häufiger ausgelassen als Objekte, was den Gegebenheiten im Input entspricht. Aus den verfügbaren Daten leitet Kim (1997) als generelles Bild des koreanischen Spracherwerbs ab, dass die Kindersprache schon früh in wesentlichen Grundzügen mit der Erwachsenensprache vergleichbar sei, was sich in anderen Sprachen - wie dem Englischen so nicht zeige. The general picture that emerges from early data is that Korean-speaking children speak very much like adults in many respects from the early stages of acquisition, except for the phonological immaturity that early utterances exhibit. (Kim 1997:346)
Ähnliche Phänomene werden für den Spracherwerb im Türkischen beschrieben (Aksu-Κος & Slobin 1985). Flexionen tauchen früh auf, die Nominalflexion und große Teile der Verbflexion werden bis zum Alter von 24 Monaten beherrscht. Nomen- und Verbflexionen sind schon in der Einwortphase zu beobachten, der produktive Gebrauch ist bei Kindern ab 15 Monaten belegt. Aufgrund der extrem regelhaften Morphologie gibt es auffallend wenig morphologische Fehler. Turkish child speech is almost entirely free of errors. Most of the agglutinative morphology - nominal and verbal - is used productively at the two-word-period, before the age of 2. (Aksu-Κος & Slobin 1985:854)
Diese Befunde stehen in Kontrast zum deutschen Flexionserwerb. So beginnt der Erwerb des deutschen Kasussystems erst relativ spät (ab dem dritten Lebensjahr) und zieht sich noch weit ins Vorschulalter hinein (Clahsen 1984). In längeren Entwicklungsphasen finden sich zunächst kasusneutrale Formen ohne Markierung, später Übergeneralisierungen des Akkusativs auf Dativkontexte. Für die Probleme der deutschen Kinder beim Kasuserwerb werden die fehlende Eindeutigkeit des deutschen Kasussystems und die Homonymie von Formen verantwortlich gemacht. Zur Erklärung der guten und frühen morphologischen Fähigkeiten türkischer Kinder tragen verschiedene Faktoren bei: Morpheme stehen hinter dem Wortstamm, sind betont, treten obligatorisch auf, sind fest an die Wortart gebunden und hochgradig regulär. Homonyme Morphe und fusionierte Formen kommen nicht vor. Jedes Morphem transportiert eine bestimmte grammatische Bedeutung bzw. Funk-
75 tion, so dass eine hohe Transparenz entsteht (Kornfilt 1990: 628). Diese Faktoren führen, auch im Sinne der Operationsprinzipien von Slobin, dazu, dass die Morphologie im Türkischen höchst salient und leicht erwerbbar ist (Aksu-Κος & Slobin 1997:875). Auch die Vokalharmonie wird von türkischen Kindern früh eingehalten. In syntaktischer Hinsicht sind die türkischen Kinderäußerungen kurz und einfach, aber aufgrund der früh erworbenen Flexionsfähigkeiten und des Fehlens von Übergeneralisierungen ergibt sich nicht der typische Eindruck der „Kindersprache", wie er ζ. B. aus dem englischen oder deutschen Spracherwerb bekannt ist. Satzverständnisaufgaben zeigen, dass Kinder sensitiv für die grundlegende SOVWortstellung sind. Alle sechs möglichen Wortreihenfolgen von Subjekt, Verb und Objekt werden bereits mit 24 Monaten verstanden. Beim Satzverständnis verlassen sich die Kinder stärker auf Flexionsmerkmale als auf die Wortstellung, um grammatische Rollen zu erkennen. Wortstellungsregeln werden in der Produktion ebenfalls relativ fehlerfrei eingehalten. Dies steht im Gegensatz zum deutschen Spracherwerb, in dem Wortstellungsfehler als typisches Phänomen gelten (Mills 1985:158). So wurde für das Deutsche eine Phase der Verbendstellung im Aussagesatz häufig beschrieben (ζ. B. Mills 1985, Clahsen et al. 1996). Eine flexible Verwendung der Wortfolge zu pragmatischen Zwecken tritt im Türkischen früh produktiv auf. Unangemessene Wortstellungen sind extrem selten. Längere Erwerbszeiten benötigt der Erwerb von Relativsätzen. Der Überblick über die Erwerbsverläufe in den vier Sprachen macht deutlich, dass die Muster und Meilensteine des Spracherwerbs von den strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Sprache beeinflusst werden. Dies wurde für Aspekte wie den Erwerb der Morphologie, der Verbposition und der Subjektrealisierung aufgezeigt. Insofern ist die Annahme plausibel, dass auch der Umgang mit den Kategorien Nomen und Verb im Spracherwerb von einzelsprachspezifischen Faktoren beeinflusst werden könnte.
3
Verarbeitung von Nomen und Verben bei Erwachsenen
3.1
Psycholinguistische Verarbeitung von Nomen und Verben
Aufgrund der formalen Unterschiede zwischen Nomen und Verben, die auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen zu lokalisieren sind, kann angenommen werden, dass die beiden Wortkategorien unterschiedliche Ansprüche an die Verarbeitung stellen. Im Folgenden wird daher der Forschungsstand zu Wortarteffekten in der Wortverarbeitung bei Erwachsenen dargestellt. Laut Gentner (1981) hat die engere Anbindung von Nomen an perzeptuelle Gegebenheiten Folgen für Verarbeitungsvorgänge bei Erwachsenen. So seien Verben schlechter zu erinnern, wie ein Experiment zum Wiedererkennen von Nomen und Verben aus zuvor gelesenen Texten zeige. In doppelten Übersetzungsaufgaben (ein Text wird von einem bilingualen Sprecher in eine andere Sprache übersetzt und von einem weiteren Sprecher rückübersetzt) erwiesen sich Nomen als stabiler als Verben; bei Paraphrasierungsaufgaben tendierten Versuchspersonen dazu, Verbbedeutungen semantisch zu verändern. Gentner (1981) erklärt diese Phänomene damit, dass die Repräsentation von Verbbedeutungen weniger festgelegt sei; die konkrete Verbbedeutung werde vielmehr in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext zugewiesen, während Objektbegriffe eine fixe Bedeutung beibehielten. In einer Studie zum Benennen von Objekten und Handlungen konnten D'Amico et al. (2002) bestätigen, dass die Benennübereinstimmung bei Verben geringer ist als bei Nomen, d. h. ein geringerer Prozentsatz von Personen reagierte mit demselben Wort, der dominanten Antwort. Zudem gab es bei Handlungsdarstellungen eine höhere Anzahl alternativer Bezeichnungen. Das Ziel weiterer und neuerer psycholinguistischer Studien richtet sich darauf, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Verarbeitung von Nomen gegenüber Verben bei unterschiedlichen Anforderungen (wie Benennen, lexikalisches Entscheiden oder Kategorisieren) herauszuarbeiten sowie die Variablen zu bestimmen, die dieses Verhalten vorhersagen. In einer Aufgabe zum einfachen lexikalischen Entscheiden über Nomen- und Verbstimuli ergaben sich sowohl bei Sereno (1999) als auch bei Tyler et al. (2001) längere Reaktionszeiten für Verben als für Nomen. Ein Nomenvorteil wurde auch in anderen Aufgabentypen gefunden; so von Tyler et al. (2001) für das semantische Kategorisieren (passt ein Stimuluswort zu einer vorher vorgegebenen Reihe von Wörtern) und von Sereno (1999) für die Kategorisierung eines Wortes hinsichtlich seiner Wortartzugehörigkeit (handelt es sich bei einem Stimuluswort um ein Nomen oder ein Verb). Rosier et al. (2001) führten eine modifizierte Aufgabe zum lexikalischen Entscheiden über Nomen- und Verbstimuli durch. Nach der Präsentation von primes mit unterschiedlich starker semantischer Nähe zum Zielwort sollten die Versuchspersonen entscheiden, ob es sich bei dem
77 schriftlich dargebotenen Zielstimulus um ein Wort oder ein Nichtwort handelt. Bei beiden Wortarten wirkte sich eine zunehmende semantische Nähe zwischen prime und Zielwort beschleunigend auf die Entscheidung aus, wobei der Effekt für die Nomen stärker ausfiel als für die Verben. Bei den Leistungen in der Entscheidungsaufgabe wurde ein klarer Wortarteffekt deutlich: Unabhängig von der semantischen Nähe waren die Reaktionen auf die Nomen sowohl häufiger korrekt als auch schneller als bei Verben. Die Autoren folgern daher: (...) there seems to be some verb-specific process that, in general, prolongs lexical decision time for a verb target following a verb prime. (Rosier et al. 2001:700)
Eine andere Art des lexikalischen Entscheidens forderten Dietrich et al. (2001) von ihren Probanden. Bei einer schriftlichen Vorgabe von Wortreihen sollte entschieden werden, ob ein Wort zum ersten Mal vorkam oder schon einmal präsentiert wurde (alt/neu-Effekt). Als Stimuli wurden Wörter mit unterschiedlichem emotionalen Gehalt eingesetzt. Neben dem generellen Resultat, dass positiv oder negativ getönte Wörter schneller verarbeitet wurden als neutrale, ergab sich wiederum ein Wortarteffekt: Die Entscheidungszeiten für Nomen waren schneller als für Verben. Der Einfluss des emotionalen Gehaltes schien für die Verben noch stärker ausgeprägt zu sein als für die Nomen. Chiarello und andere erheben kritische Einwände gegen die Folgerung, dass Nomen generell schneller verarbeitet werden. In ihrem Entscheidungsexperiment (Chiarello et al. 2002) ergaben sich keine konsistenten Wortarteffekte, was auf die sorgfältige Kontrolle der Stimuli hinsichtlich ihrer Vorstellbarkeit (imageability, vgl. Kapitel 5.2) zurückgeführt wird. Der oft, aber nicht durchgängig replizierte Vorteil für Nomen in rezeptiven Aufgaben korrespondiert mit empirischen Befunden zum Benennen. So benannten italienische und spanische Erwachsene Nomen signifikant schneller als Verben (D'Amico et al. 2002, Cuetos & Alija 2003). Dasselbe Muster fand Begander (2003) bei deutschen Erwachsenen, jedoch nur für die Aufgabe des einfachen Benennens, nicht unter der Bedingung des mehrfachen Schnellbenennens. 1 Szekely et al. (2005) untersuchten die Reaktionen 100 erwachsener englischer Versuchspersonen beim Benennen von Objekt- und Aktionsbildern und fanden ebenfalls einen stabilen Effekt zugunsten der Nomen. Für Verbstimuli gab es eine geringere Benennkonsistenz, mehr Benennfehler, mehr synonyme Antworten und längere Benennlatenzen. Diese Effekte zeigten sich, obwohl die verwendeten Aktionswörter insgesamt kürzer und höher frequent waren als die getesteten Nomen. Auch nach einer genaueren Kontrolle verschiedener lexikalischer Parameter blieb der Wortartunterschied bestehen. Even when picture- and target-name-related differences have been factored out, significant differences between action and object naming remain. (Szekely et al. 2005: 20)
Zu gemischten Resultaten führte eine Studie zum Benennen von Objekten und Handlungen mit englischen und griechischen Probanden (Bogka et al. 2003). In beivgl. Kapitel 5.2 zum Benennen.
78 den Sprachen wurden Nomen signifikant schneller benannt als Verben. Dieser Effekt trat bei früh und bei spät erworbenen Wörtern auf und zeigte sich im Englischen unabhängig davon, ob die Verbreaktionen in der Verlaufsform (sleeping) oder in der unflektierten Stammform (sleep) erfolgten. Wurden jedoch in der statistischen Auswertung die Faktoren Vorstellbarkeit (imageability) und visuelle Komplexität mit einbezogen, so waren die Wortarteffekte nicht mehr signifikant. Damit besteht die Möglichkeit, dass Wortartdifferenzen zumindest zum Teil auf Unterschiede in der Vorstellbarkeit und der visuellen Komplexität zurückgeführt werden können. Außer der Differenz in der Benenngeschwindigkeit und Benenngenauigkeit wurde anhand der berichteten Befunde bereits deutlich, dass sich auch die Variablen unterscheiden, die die Benenngeschwindigkeit für Nomen bzw. Verben beeinflussen. 2 Der Frage, welche Hinweise von erwachsenen Sprechern bei der Verarbeitung von Nomen und Verben genutzt werden, gehen weitere Untersuchungen nach. Kelly (1996) betont die Rolle phonologischer und prosodischer cues für den Umgang mit Nomen und Verben im Englischen. Wenn beispielsweise erwachsene Sprecher vorgegebene Verben als Nomen benutzen sollen und umgekehrt, wählen sie dazu Items mit prototypischem Wortakzent aus. In einer Kategorisierungsaufgabe (Entscheidung, ob ein Wort ein Nomen oder Verb ist), erfolgte die Reaktion schneller für trochäische Nomen und jambische Verben. Durieux & Gillis (2001) bestätigten Kellys Befunde zur Bedeutung phonologischer Faktoren durch Simulationsexperimente. Monaghan et al. (2003) führten Reaktionszeitexperimente zum Wortlesen, zum lexikalischen Entscheiden und zur Wortartbestimmung bei Erwachsenen durch und untersuchten dabei den Einfluss distributioneller und phonologischer cues auf die Verarbeitung. Auch hier zeigte sich, dass Nomen und Verben in unterschiedlicher Art von den verschiedenen cues beeinflusst werden. Phonologische Faktoren wirken sich beim Benennen besonders auf Verben, beim lexikalischen Entscheiden sowohl auf Nomen als auch auf Verben aus. Generell wurde die Reaktionszeit beschleunigt, wenn die Wörter hinsichtlich ihrer phonologischen Merkmale wortarttypisch waren. Bei der Entscheidung, ob ein Wort ein Nomen oder Verb ist, kamen distributionelle Faktoren zum Tragen, jedoch nur in Bezug auf Nomen. Die Autoren folgern: Words from different syntactic classes are influenced differentially by psycholinguistic variables. (Monaghan et al. 2003:812)
Cuetos und Alija (2004) kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Eigenschaften, die das Benennen von Wörtern beeinflussen, nicht für jede Wortart in gleicher Weise relevant sind. So ist die Benennübereinstimmung ein wesentlicher Prädiktor für das Benennen von Verben, dieselbe Variable hat dagegen keinen bedeutsamen Einfluss auf die Benennlatenzen bei Nomen. Bei dem Faktor der Frequenz verhält es sich umgekehrt. 2
Genaueres zu Einflussfaktoren auf das Benennen siehe Kapitel 5.2.
79 Obwohl Kategorien wie Nomen und Verben erwachsenen Sprechern zur Verfügung stehen, Nomen und Verben im rezeptiven und produktiven Lexikon in großer Zahl vorhanden sind und mit Leichtigkeit in der alltäglichen Kommunikation abgerufen und verwendet werden, sprechen experimentelle Befunde für eine differentielle Verarbeitung der Kategorien. Diese besteht zum einen in einer längeren Abrufzeit für Verben beim Benennen und beim lexikalischen Entscheiden, zum anderen in einer wortarttypischen Konstellation von Einflussfaktoren, d. h. lexikalische Variablen, die die Reaktionen beeinflussen, wirken sich in Abhängigkeit von der Wortart unterschiedlich aus. Faktoren, die die Verarbeitung einer Wortart bei Erwachsenen erleichtern oder erschweren, könnten entsprechend auch für die Erklärung von Erwerbsdifferenzen eine Rolle spielen. Neben der grundlegenden Differenz zwischen Nomen und Verben können auch Subkategorien innerhalb einer Wortart Effekte auf die Verarbeitung ausüben. Diese Annahme wurde in Bezug auf die ungestörte Verarbeitung insbesondere für Subkategorien der Nomen aufgestellt und empirisch überprüft. Dazu finden sich Belege, die dafür sprechen, dass Objektbegriffe, die natürlichen Kategorien angehören (wie Obst, Gemüse, Tiere) schwerer zu verarbeiten sind als Artefakte (wie Möbel, Werkzeuge, Kleidung etc.). Damit stellt sich die Frage, wie derartige Kategorieeffekte zustande kommen. Eine Möglichkeit wäre, davon auszugehen, dass das Wissen über belebte und unbelebte Objekte unterschiedlich organisiert ist, dass also eine funktionale Differenzierung besteht, die dann auch selektiv störbar sein könnte. Andere Annahmen gehen von Verarbeitungsunterschieden aus, die aus visuellen und perzeptuellen Charakteristika der Stimuli resultieren. In einem Überblick über verfügbare empirische Befunde zeigen Humphreys et al. (1999) auf, dass bei ungestörten Erwachsenen in Aufgaben zur Objektentscheidung die Reaktionszeiten für natürliche Objekte länger sind als für Artefakte. Dieser Subkategorieeffekt ist umkehrt, wenn Kategorisierungsaufgaben (ζ. B. „ist das Objekt belebt oder unbelebt?") gestellt werden. Lloyd-Jones und Humphreys (1997a, b) untersuchten in zwei Experimentreihen Kategorieeffekte beim Objektentscheiden, Objektkategorisieren und beim Benennen mit Stimuli aus zwei Kategorien: Obst und Gemüse (perzeptuell ähnlich) sowie Kleidung und Möbel (perzeptuell unähnlich). Die Ergebnisse weisen auf längere Reaktionszeiten und eine höhere Fehleranzahl für die natürlichen Objekte als für die Artefakte bei der Objektentscheidung, bei der Zuordnung von Objekten zu Oberbegriffen und beim Benennen hin, wobei der Kategorieeffekt beim Benennen am stärksten ausgeprägt ist. Die Effekte wurden nicht durch Faktoren wie Frequenz oder Familiarität herbeigeführt. In weiteren Experimenten fanden sich Pnm/ng-Effekte dahingehend, dass das Durchlaufen einer Aufgabe (Benennen oder Objektentscheiden) die Reaktionszeit bei der folgenden Zielaufgabe (Benennen) beschleunigte. Die Beschleunigung wirkte sich jedoch bei perzeptuell ähnlichen Stimuli (Obst und Gemüse) stärker aus als bei den Artefakten. Es zeigt sich somit ein aufgabenübergreifender, besonders beim Benennen zutage tretender Vorteil im Umgang mit Artefakten.
80 Dieses Ergebnis wird auf perzeptuelle Faktoren zurückgeführt. Objekte, die natürlichen Kategorien angehören, haben viele äußere Ähnlichkeiten untereinander und sind aufgrund dieser Überlappung schwerer abrufbar. Items mit großer Ähnlichkeit führen nach diesem Erklärungsansatz zu einer Aktivierung vieler Kandidaten, so dass sich der Wettbewerb bei der Wortselektion erhöht und die Benenngeschwindigkeit verlangsamt. Durch vorausgehendes Priming wird die Anzahl der voraktivierten Kandidaten eingeschränkt und der Zugriff beschleunigt. (L)iving things typically are globally visually similar and share more common parts with other members of their category than do nonliving things. These differences in the degree of overlap of the perceptual structure of living and nonliving things may have important consequences for visual object recognition and naming. (Lloyd-Jones & Humphreys 1997a: 19) Nach dieser „visual crowding"-Hypothese wird angenommen, dass die visuelle Ähnlichkeit innerhalb einer Kategorie den Zugriff auf gespeicherte strukturelle, semantische und lexikalische Repräsentationen verlangsamt. Da zum Benennen eine feinere perzeptuelle Differenzierung notwendig ist als zur Objektentscheidung oder zum Kategorisieren, ist der Effekt der strukturellen Ähnlichkeit beim Benennen am größten. Den Einfluss der Aufgabenstellung und der konkreten Experimentgestaltung bei derselben Anforderung unterstreichen auch Objektentscheidungsexperimente von Gerlach (2001): Ein Nachteil für natürliche Objekte ergab sich nur bei schwierigen, nicht bei einfachen Objektkategorisierungsaufgaben. Unter besonderen, verzerrten Präsentationsbedingungen kann sogar der umgekehrte Effekt entstehen. Die größere Ähnlichkeit von natürlichen Objekten wirkt sich offensichtlich unter verschiedenen Bedingungen unterschiedlich aus. Übereinstimmend wird die Erklärung für bestehende Subkategorieeffekte beim Benennen von Objekten nicht in unterschiedlichen kognitiven Subdomänen für Artefakte und natürliche Objekte angesiedelt, sondern in Faktoren der visuellen Verarbeitung. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit von natürlichen Objekten verlangsamt sich der Zugriff auf die Objektrepräsentation und in Folge die Auswahl der dazu passenden Worteinträge.
3.2
Neurolinguistische Aspekte der Nomen-Verb-Distinktion
Die bisher berichteten Befunde lassen erkennen, dass sich die Kategorien Nomen und Verben nicht nur anhand unterschiedlicher linguistischer Merkmale beschreiben lassen, sondern sich auch im Erwerb und in ihrer kognitiven Verarbeitung unterschiedlich verhalten. So wurde ersichtlich, dass sich die Wortart auf die Leistungen in verschiedenen Anforderungen und Aufgabenstellungen bei sprachungestörten Erwachsenen auswirkt. Offensichtlich haben die deskriptiv erfassbaren Differenzen
81 auch mentale/kognitive Auswirkungen, womit der Wortart „psychologische Realität" zukommt. Ist darüber hinaus auch von „biologischer Realität" zu sprechen; d. h. sind die Verarbeitungsdifferenzen an spezifische neuronale Substrate gebunden? Mit dieser Frage wird die Lokalisation bzw. Verankerung spezieller funktionaler Verarbeitungseinheiten für Nomen und Verben im Gehirn angesprochen. Eine umschriebene neurologische Entsprechung für beobachtbare Verhaltensphänomene muss nicht zwingend angenommen werden, denn „behavioral differences do not necessitate neural specialization" (Tyler et al. 2001:1620). Hier haben sich in jüngster Zeit Forschungsbemühungen entwickelt, die bislang noch kein eindeutiges Ergebnis erkennen lassen. Methodisch werden unterschiedliche Herangehensweisen gewählt. In Läsions-Verhaltens-Studien wird der Ausfall beobachtbarer sprachlicher Funktionen mit dem Ort der Gehirnschädigung in Beziehung gesetzt und somit eine Übertragung pathologischer Bedingungen auf die ungestörte Verarbeitung hergestellt. Direkteren Einblick in ungestörte Prozesse erhofft man sich durch experimentelle Studien, die mit elektrophysiologischen Methoden (ereigniskorrelierte Potentiale, EKP) oder mit bildgebenden Verfahren (Positronen-Emissions-Tomographie, PET; funktionelle Kernspintomographie, fMRI; Magnetenzephalographie, MEG) arbeiten (zu EKP und MEG siehe Heil & Rosier 2000, zu den bildgebenden Verfahren Weiller 2000). Die ursprünglichen Hypothesen über die Existenz von Gehirnarealen, die auf die Verarbeitung von Nomen bzw. Verben spezialisiert sein könnten, entstanden aufgrund der Beobachtung klinischer Fälle. So beschreiben Damasio und Tranel (1993) drei Patienten mit selektiven Wortfindungsstörungen. Die Patienten zeigten nur leichte aphasische Symptome; ihre Hirnläsionen lagen außerhalb der bekannten sprachrelevanten Areale (Broca- und Wernickezentrum, siehe Huber & Ziegler 2000). Mit den Patienten wurden Bildbenennungsaufgaben durchgeführt, die Stimuli stellten konkrete Objekte und Handlungen dar. Bei zwei Patienten ergab sich eine ungestörte Verbproduktion bei gleichzeitig eingeschränkter Nomenproduktion. Für beide konnten Läsionen in anterioren und mittleren Bereichen des linken Temporallappens gefunden werden. Ein dritter Patient, der beim Benennen von Nomen ungestört, bei Verben jedoch eingeschränkt war, hatte eine Schädigung im Bereich des linken Frontallappens. Die Verhaltensdaten zeigen also eine klassische doppelte Dissoziation im Umgang mit Nomen und Verben. Aufgrund der Schädigungsorte wurde gefolgert, dass separate neuronale Systeme für die Verarbeitung der Wortarten zuständig sein könnten. Diese Vermutung bestätigt eine klinische Studie von Daniele et al. (1994), in der weitere drei Einzelfälle vorgestellt werden. Es handelt sich um Patienten mit degenerativen Erkrankungen des Gehirns, die progressive Sprachstörungen zeigten. Zwei Patienten hatten deutliche Probleme mit Verben. Mit fortschreitendem Sprachverlust wurde das Verbdefizit ausgeprägter; während anfänglich nur die Produktion betroffen war, verschlechterte sich zunehmend auch das Verbverstehen. Die Atrophie dieser Patienten betraf Bereiche des linken Frontallappens. Der Patient mit einer Atrophie im linken Temporallappen dagegen wies Defizite beim Verstehen und Benennen von Nomen auf. Zur Un-
82 terstützung ihrer Befunde stellen die Autoren weitere bisher berichtete klinische Fälle zusammen, die das gefundene Muster bestätigen und folgern: These findings suggest that anatomically distinct neural systems in the temporal and frontal lobes of the dominant hemisphere might play a critical role in lexical processing of nouns and verbs, respectively. (Daniele et al. 1994:1325) Aggujaro et al. (2006) untersuchten die Läsionsorte von aphasischen Patienten mit besonderen Einschränkungen beim Benennen von Nomen bzw. Verben. Beeinträchtigungen des Nomenbenennens gingen auf Schädigungen in mittleren und unteren Teilen des linken Temporallappens zurück, während bei den Patienten mit Verbdefiziten ein komplexeres Schädigungsmuster vorlag, das entweder Bereiche des posterioren Temporallappens und des Parietallappens betraf oder sich umfassend auf große fronto-temporale Areale der linken Hemisphäre erstreckte. Insbesondere Verbdefizite scheinen nach dieser neueren Studie weniger an umschriebene Läsionsorte gebunden zu sein, die zugrunde liegenden Läsionen sind vielmehr stärker distribuiert. Eine anhand pathologischer Fälle getroffene Generalisierung wie im obigen Zitat impliziert die Gültigkeit der in der kognitiven Neuropsychologic gängigen Transparenzannahme (Willmes 2000:86), nach der das kognitive und neuronale System eines hirngeschädigten Patienten in seinem Aufbau und seiner Funktionsweise grundsätzlich dem ungestörten System entspricht, mit Ausnahme der lokalen Modifikation durch eine umschriebene Hirnläsion. Da jedoch auch mit Kompensations- und Reorganisationsprozessen zu rechnen ist, ist fraglich, ob die Übertragbarkeit von klinischen Befunden auf die ungestörte kognitive Verarbeitung sowie auf die ungestörte Organisation und Funktionsweise des Gehirns uneingeschränkt möglich ist. Daher wurde versucht, die aufgestellten Hypothesen durch experimentelle Studien mit ungestörten Erwachsenen zu verifizieren. Mit der Methode der gesichtfeldabhängigen Reizdarbietung wurde die Hypothese überprüft, ob die beiden Gehirnhemisphären unterschiedlich stark an der Verarbeitung von Nomen und Verben beteiligt sein könnten. Sereno (1999) bot ungestörten Erwachsenen Nomen und Verben zum lexikalischen Entscheiden und zum Lesen kurz im linken bzw. rechten Gesichtsfeld an, so dass der Stimulus entweder in der rechten oder der linken Hemisphäre primär verarbeitet werden musste. Während sich das Gesichtsfeld bei Nomen nicht auf die Geschwindigkeit und die Korrektheit der Reaktionen auswirkte, ergab sich bei Verben ein Vorteil für die rechts präsentierten Stimuli. Die linke Hemisphäre scheint somit bei der Verarbeitung von Verben stärker involviert zu sein als die rechte, während die Differenz bei Nomen geringer war. Ähnliche Ergebnisse erzielten Nieto et al. (1999:432), die folgern, dass „nouns and verbs differ in their degree of lateralization, verbs being more strongly lateralized than nouns". Chiarello et al. (2002) konnten diesen Befund mit einer vergleichbaren Methodik nicht replizieren. Im Gegensatz zu den genannten Studien verwendeten sie Stimuli, die hinsichtlich ihrer Vorstellbarkeit (imageability) streng kontrolliert waren. Um entsprechendes Material zu erhalten, müssen Nomen mit moderater Vorstellbarkeit ausgewählt werden. Da Nomen grundsätzlich
83 als besser vorstellbar eingeschätzt werden als Verben, müssen viele typische Nomen herausfallen. Im lexikalischen Entscheiden und beim Aussprechen von Nomen und Verben, die hinsichtlich der Vorstellbarkeit ausgeglichen waren, wurden nun keine Effekte der Gesichtsfelddarbietung mehr gefunden. Generell wurden rechts präsentierte Wörter schneller verarbeitet als links präsentierte. Eine wortartabhängige unterschiedliche Beteiligung der Hemisphären wird daher abgelehnt. Befunde, die in die andere Richtung weisen, lassen sich laut Chiarello et al. (2002) auf die semantische Dimension der Vorstellbarkeit reduzieren und spiegeln damit keine echten Wortarteffekte. In der Frage, ob es möglich ist, separate neuronale Strukturen zu lokalisieren, die speziell in die Verarbeitung von Nomen und Verben involviert sind, wurden mit elektrophysiologischen Methoden sowohl bestätigende als auch einschränkende Befunde erzielt. Preisl et al. (1995) erfassten ereigniskorrelierte Potentiale von 32 deutschen Erwachsenen während einer Aufgabe zum lexikalischen Entscheiden über konkrete Nomen- und Verbstimuli. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass in Abhängigkeit von der Wortart unterschiedliche topographische Areale aktiv sind. Der Effekt fand sich etwa nach 200ms (P 200), hier waren bei Verben in beiden Hemisphären stärkere Potentiale in frontalen und zentralen Regionen zu beobachten. Die Autoren folgern, dass über die gemeinsame Aktivierung sprachrelevanter Areale bei der Wortverarbeitung hinaus wortarttypische Regionen für die Verarbeitung von Nomen und Verben zuständig sind. Der Lokalisationsunterschied wird auf semantische Differenzen zurückgeführt: Nomen sprechen eher visuelle Assoziationen an, Verben eher motorische. Dies könnte erklären, dass die verbrelevanten Regionen mehr frontal in der Nähe des motorischen Kortex liegen. Um diese Interpretation zu überprüfen, führten Pulvermüller et al. (1999a) ein weiteres Experiment zum lexikalischen Entscheiden durch. Als Stimuli wurden nun Handlungsverben verwendet, Nomen mit visuellen Assoziationen sowie auch Nomen, die Handlungsassoziationen hervorrufen. Die EKPs zeigten nun Gehirnreaktionen etwa 500600 ms nach Präsentation des Stimulus, die zwischen den visuell betonten Nomen und den Handlungsverben unterschieden. Eine ähnliche Differenz fand sich aber auch zwischen visuellen Nomen und handlungsbezogenen Nomen. Dagegen gab es keine Unterschiede zwischen Handlungsverben und handlungsbezogenen Nomen. Unterschiedliche Muster zeigen sich also auch innerhalb einer Wortkategorie, wenn der semantische Gehalt variiert. Die Befunde werden als weiterer Hinweis darauf gewertet, dass der ausschlaggebende Faktor die Bedeutungsaspekte und nicht syntaktische Eigenschaften der Wortart sind. Pulvermüller (1999b, 2001) entwickelt aus den genannten und weiteren Befunden eine Theorie über die Organisation des Gehirns, nach der Nomen-Verb-Differenzen in der Topologie des Gehirns verankert sind, so dass kategoriespezifische sprachrelevante neurologische Prozesse angenommen werden können. Die kritischen Strukturen liegen sowohl in der linken als auch in der rechten Hemisphäre und werden aufgrund eher visueller bzw. motorischer Bedeutungskomponenten aktiviert. Im einzelnen würden Wörter generell im perisylvanischen Areal der linken Hemisphäre verarbeitet, Verben außerdem im
84 motorischen, präfrontalen und frontalen Kortex beider Hemisphären und visuell geprägte Wörter (Nomen) in weiteren temporalen und okzipitalen Bereichen. Neurologisch fassbare Differenzen bei der Verarbeitung von Nomen und Verben fanden sich auch in einer Studie von Federmeier et al. (2000). In dieser Studie wurden PseudoWörter, wortartambige Wörter (ζ. B. „joke", „drink") und Wörter mit eindeutiger Wortklassenzugehörigkeit in Satzkontexte eingebettet, wobei die Stimuluswörter entweder als Nomen oder als Verb angeboten wurden („he learned to/ the joke, b u t . . . " ) . Die Ableitung von EKPs bei der Verarbeitung dieser Sätze wies auf Effekte der Wortart, des Ambiguitätsstatus' und des Präsentationskontextes hin. So fand sich mehr negative frontale Aktivierung für ambige Items als für nicht ambige, auch wenn sie in eindeutigen Kontexten erschienen. Der Aspekt der Ambiguität ist bei der Verarbeitung offensichtlich entscheidend, da es hier auch in desambiguierenden Kontexten Effekte gab. Wortartambige Stimuli zeigten mehr frontozentrale Negativität, wenn sie als Nomen verwendet wurden, als wenn sie als Verben erschienen. Bei Pseudowörtern und bei ambigen Wörtern war ein Wortarteffekt in verschiedenen Richtungen zu sehen: Nicht ambige Nomen führen zu stärkerer Negativität als nicht ambige Verben, dagegen war bei PseudoWörtern die Reaktion im Verbkontext größer. Ein topologischer Effekt fand sich außerdem für nicht ambige Verben, wenn sie im angemessenen Kontext verwendet wurden. Nur unter dieser Bedingung fand sich ein spezifisches Aktivierungsmuster im linken Frontallappen, das wahrscheinlich typisch für die syntaktische Verarbeitung von Verben ist. Zusammenfassend fanden sich unter allen Bedingungen Wortarteffekte, die jedoch in ihrer Verortung, ihrem zeitlichen Verlauf und hinsichtlich der Stärke der Reaktion durch den Stimulustyp modifiziert wurden. Diese Effekte können nicht auf rein semantische Faktoren zurückzuführen sein, da sie auch bei gleichlautenden ambigen Wörtern („to joke", „the joke") auftraten, bei denen die assoziierten Bedeutungskomponenten grob vergleichbar sind. Neben der Wortart tragen also auch andere Faktoren zu den beobachteten neuronalen Prozessen und Mustern bei: While word class seems to be a variable that has definite effects on neural representation and processing, therefore not surprisingly from a neurobiological perspective these effects are modulated by the nature of the stimulus as well as the context in which that stimulus appears. (Federmeier et al. 2000: 2564)
Die Wortart wird daher nicht als inhärente und statische Eigenschaft gesehen, die fest an bestimmte Gehirnareale geknüpft ist. Die jeweilige neuronale Konstellation entsteht vielmehr während der echtzeitlichen Verarbeitung. While the results from this experiment suggest that the brain does indeed represent, and process, different types of lexical items in different ways, the results also show that word class does not „reside" in a neural representation, but rather emerges - in real time - from an interaction of semantic and syntactic properties at both the single-word and the discourse level. (Federmeier et al. 2 0 0 0 : 2 5 6 5 )
Die Verwendung von ereigniskorrelierten Potentialen führte jedoch nicht einhellig zu einem Nachweis von neuronalen Differenzen. In der in Kapitel 3.1 bereits erwähnten
85 Studie (Rosier et al. 2001) zum lexikalischen Entscheiden nach der Vorgabe von semantisch verwandten bzw. unrelationierten primes (entweder Nomenpaare oder Verbpaare) wiesen die Daten nicht eindeutig auf topographische Unterschiede zwischen den Wortarten hin. Es gab zwar Differenzen in der angenommenen Richtung, die sich bei genauer statistischer Analyse aber als nicht mehr signifikant erwiesen. D e r Ν 400-Effekt, eine negative Aktivierung 400 ms nach Präsentation des Stimulus, der die Erwartbarkeit eines Wortes in einem bestimmten semantischen Kontext widerspiegelt, war bei beiden Wortarten in ähnlicherWeise zu beobachten. Die verfügbaren Evidenzen für eine elektrophysiologisch nachweisbare Nomen-Verb-Unterscheidung werden als nicht überzeugend bewertet (Rosier et al. 2001:701). Allerdings ist es auch möglich, dass die verwendeten Verbstimuli einen Primingeffekt ausgelöst haben, der Nomen evoziert. In einer Folgestudie (Khader et al. 2003) wurde daher eine Aufgabenstellung gewählt, die eindeutig ein Wort einer bestimmten Kategorie erwartbar macht. Als primes werden nun zwei Wörter vorgegeben, denen ein Zielwort folgt. Die Aufgabe der Versuchsperson ist, die Nähe des Zielwortes zu den primes einzuschätzen. Als Stimuli wurden entweder Nomen-Nomen-Paare vorgegeben, denen ein Zielverb folgte (ζ. B. „Holz - Tischler - sägt") oder Verb-Nomen-Paare, denen ein Nomen folgt („sägt - Tischler - Holz"). In einer zweiten Bedingung sollten die Versuchspersonen nach der Vorgabe der primes ein passendes Wort denken und dann einschätzen, ob das Zielwort mit dem selbst gewählten Wort übereinstimmt oder nicht. Die EKPAbleitungen erbrachten für die verschiedenen Bedingungen (Aufgabentyp), die verschiedenen gemessenen Gehirnareale (Ort der Elektrode) und die verschiedenen Zeitfenster (Zeitraum nach Präsentation des Stimulus) eine Vielzahl von Einzelergebnissen, die kein vollkommen klares Bild ergeben, aber auf einen Haupteffekt hinweisen, der etwa nach 300-500 ms eintritt und eine topographische Differenz in Abhängigkeit von der Wortart widerspiegeln soll. Nomen und Verben könnten demnach unterschiedlich lokalisiert sein, während sich der Ν 400-Effekt als invariant erweist und keine wortartabhängige Topographie zeigt. Dieser Effekt scheint also Prozesse zu reflektieren, die allgemeine semantische Integrationsfähigkeiten betreffen und unabhängig von den topographisch getrennten lexikalischen Repräsentationen ablaufen. The results suggest that access to noun and verb representations involves topographically distinct cell assemblies while the Ν 4000 effect seems to reflect semantic evaluation and integration processes which are more abstract and independent from a particular word category. (Khader et al. 2003:293)
Die beschriebenen EKP-Daten wurden weiteren Auswertungsprozeduren unterzogen, bei denen andere Frequenzbereiche und eine andere spektrale Auflösung der EKP-Rohdaten gewählt wurden (Khader et al. 2004). Bei dieser Auswertung ergaben sich in linken frontalen Regionen stärkere Reaktionen bei Verben. Damit zeigt sich eher ein Unterschied im Ausmaß der elektrophysiologischen Reaktion als eine differentielle Lokalisation der Verarbeitung. Die Autoren interpretieren die Befunde beider Studien als vorsichtige Hinweise auf neurologische Verarbeitungsdifferenzen und eventuell auch auf eine topographische Nomen-Verb-Distinktion, die nicht mit se-
86 mantischen Faktoren, sondern mit dem Wortartstatus zusammenhänge. Dafür spricht zum einen der wortartenunabhängige Ν 400-Effekt, der ja semantische Prozesse reflektiert, zum anderen die Aufgabenstellung: In Kontexten, in denen der erste prime ein Verb war, war die weitere Verarbeitung möglicherweise erleichtert, da aufgrund der Argumentstruktur des Verbs Nomen zu erwarten waren. Bei der Vorgabe von Nomen ist dies nicht der Fall; die weitere Verarbeitung wird also erschwert, was die stärkere Aktivierung bei der Entscheidung über Verb-Zielwörter erklären könnte. Die Verarbeitungsdifferenzen werden somit im Gegensatz zu Pulvermüller und anderen auf den grammatischen Status und die Argumentstruktur der Stimuli zurückgeführt. Der Überblick über EKP-Studien hat vorsichtige, aber inkonsistente Hinweise auf neuronale Unterschiede ergeben. Dieselbe Fragestellung wurde auch mit bildgebenden Verfahren wie PET und fMRI verfolgt; die dabei zunächst erzielten Befunde lassen die Annahme neuronaler Differenzen weniger plausibel erscheinen, obwohl zwei neuere Studien wiederum entsprechende Differenzen bekräftigen. Perani et al. (1999) untersuchten mit PET die Aktivierung von Gehirnarealen bei italienischen Erwachsenen während des lexikalischen Entscheidens. Als Stimuli dienten konkrete und abstrakte Nomen sowie konkrete und abstrakte Verben. Durch das Einbeziehen von Abstrakta wird die Festlegung von Nomen auf visuell wahrnehmbare Objekte und von Verben auf handlungsbezogene Aktionsbezeichnungen umgangen. Generell wurde ein Aktivierungsmuster im linken perisylvanischen Kortex gefunden, das typisch für die Wortverarbeitung im Allgemeinen ist. Beim Wortartvergleich ergaben sich keine zusätzlichen Aktivierungsbereiche für Nomen, dagegen aber ein spezifisches Aktivierungsmuster für Verben in den linken Frontal-,Temporal- und Parietallappen. Einen ähnlichen Befund erzielten Thompson et al. (2004), die für Verben Aktivierungen in anterioren und posterioren perisylvanischen Bereichen (Broca- und Wernicke-Areale) sowie in den homologen rechtshemisphärischen Bereichen fanden. Außerdem wurden bei der Verarbeitung von Verben auch superiore und posteriore Regionen des Parietallappens aktiviert. Bei Nomen fand sich ein weiter gestreutes Aktivierungsmuster. Auch der Abstraktheitsgrad hatte in der Studie von Perani et al. (1999) unabhängige Effekte auf die Wortverarbeitung. Für Abstrakta (Nomen und Verben) wurden zusätzliche bilaterale Aktivierungsmuster gefunden,nicht jedoch für Konkreta. Sowohl die Abstraktheit als auch die Kategorie eines Wortes wirken sich somit in der neuronalen Verarbeitung aus, wobei bestimmte Bereiche nur aktiv werden, wenn Verben verarbeitet werden. Da die Stimuluswörter hinsichtlich Wortlänge und Wortfrequenz ausgeglichen waren, führen die Autoren den Wortarteffekt auf syntaktische Differenzen zurück. Die zusätzliche Aktivierung sei notwendig, weil Verben über reichere strukturelle Informationen verfügen als Nomen. The differential activations associated with verb processing might thus be, at least in part, related to the automatic access of structural (syntactic) information associated with active verbs. (Perani et al. 1999:2341)
Im Vergleich zu den oben genannten Befunden von Pulvermüller und anderen werden auch hier topographische Differenzen belegt, aber auf andere (syntaktische
87 statt semantische) Faktoren zurückgeführt. Da sich bei Perani et al. (1999) zwar verbspezifische, aber keine entsprechenden nomenspezifischen Areale fanden, lässt sich auch die Behauptung einer „physiologischen doppelten Dissoziation" (Pulvermüller 1999:272) nicht einhellig bestätigen. Ebenso wird Rolle der rechten Hemisphäre für kategoriespezifische Prozesse durch diese PET-Studie nicht untermauert. Warburton et al. (1996) kommen dagegen zu der Schlussfolgerung, dass bei der Wortverarbeitung generell ein Netzwerk in temporalen, parietalen und präfrontalen Regionen involviert ist. Dabei gebe es keine spezifischen Regionen für Nomen bzw. Verben, allerdings werde das gemeinsame Netzwerk bei der Verarbeitung von Verben stärker aktiviert. In diese Richtung gehen auch die Studien von Tyler und anderen. In der Studie von Tyler et al. (2001) wurden die Versuchspersonen mittels PET bei der Bewältigung von zwei Aufgaben beobachtet. Beim lexikalischen Entscheiden musste über den Wortstatus entschieden werden, bei der semantischen Kategorisierung musste eingeschätzt werden, ob ein Zielwort in dieselbe semantische Kategorie wie drei zuvor vorgegebene Einzelwörter gehört. Als Stimuli wurden konkrete und abstrakte Nomen und Verben verwendet, die hinsichtlich der Frequenz und der Wortlänge vergleichbar waren. Die Aktivierungsmuster beim lexikalischen Entscheiden sprachen nicht für spezifische Regionen für Nomen oder Verben. Bei der semantischen Kategorisierung gab es insgesamt mehr Aktivierung, jedoch wiederum keine klaren Wortarteffekte. Da keine spezifischen Aktivierungsorte für Nomen und Verben gefunden wurden, wird gefolgert, dass ein gemeinsames kortikales Netzwerk, das sich vom linken präfrontalen Kortex bis zum inferioren Temporallappen erstreckt, wortartenunabhängig für die lexikalische Verarbeitung zuständig ist. Aufgrund einer weiteren Studie (Tyler et al. 2003) wird vermutet, dass die gemeinsame Aktivierung zum Teil dadurch zustande kommt, dass Objektkonzepte (ζ. B. bei Werkzeugen) automatisch passende Bewegungskonzepte mitaktivieren. Beobachtbare Verhaltensdifferenzen korrespondierten somit nicht mit einer entsprechenden Differenzierung in der neuronalen Organisation. Die Inkonsistenz der Forschungslage motivierte Tyler et al. (2004) zu einer Folgestudie, die morphologische Aspekte in den Blick nimmt. Dabei wurde die Verarbeitung von regulär flektierten Nomen und regulär flektierten Verben verglichen. Es handelte sich um die gleiche Aufgabe zur semantischen Kategorisierung wie in Tyler et al. (2001); diesmal wurden alle Nomen im Plural und alle Verben in der Verlaufsform präsentiert und die Reaktionen über fMRI erfasst. Wiederum aktivierten sowohl Nomen als auch Verben, hier in flektierter Form, frontale und temporale Strukturen. Im Temporallappen unterschieden sich die Aktivierungsmuster nicht, bei Verben zeigte sich aber eine stärkere linkshemisphärische Aktivierung in der inferioren frontalen Region als bei Nomen. Die im Gegensatz zur früheren Studie nun doch beobachtbaren Wortarteffekte werden folglich auf morphologische Faktoren zurückgeführt. Nomen und Verben werden im selben Netzwerk verarbeitet, bei der Verarbeitung von flektierten Verben spiele zusätzlich der linke Frontallappen eine stärkere Rolle. Der erhöhte Verarbeitungsaufwand bei Verben wird auf die
88 syntaktische Bedeutung morphologischer Markierungen von Verben bezogen. Eine Studie von Shapiro et al. (2005), in der deutsche Probanden schriftlich vorgegebene Nomen und Verben mit einer Flexionsmarkierung versehen mussten (Plural für Nomen und Personalendung für Verben) brachte den Befund, dass bei beiden Wortarten ein gemeinsames kortikales Netzwerk aktiviert wurde. Darüber hinaus gab es zusätzliche Aktivierungen im linken präfrontalen Kortex bei der Verbverarbeitung und bilateral in temporalen Bereichen bei der Nomenverarbeitung. Die Autoren werten ihre Befunde als Unterstützung einer neuronalen Dissoziation in einer Wortproduktionsaufgabe, in der auch grammatische Informationen verarbeitet werden müssen. Tranel et al. (2005) untersuchten in einer weiteren PET-Studie das Benennen homonymen und nicht-homonymen Nomen und Verben. Nach ihren Ergebnissen gab es unterschiedliche Aktivierungsmuster bei homonymen Wörtern (ζ. B. „comb"), je nachdem, ob sie in einem Nomenkontext oder in einem Verbkontext erschienen (erkennbar anhand von Bildern, die entweder Werkzeuge oder Aktivitäten darstellen). Daher wird die Wortart als wichtiger einflussnehmender Faktor auf behaviorale und neuronale Korrelate der Wortverarbeitung hervorgehoben (Tranel et al. 2005:296). Einen Effekt der Komplexität der Argumentstruktur von Verben fanden Thompson et al. (2004) in einer fMRI-Studie. Verben mit drei Argumenten führten beim lexikalischen Entscheiden zu einer größeren Aktivierung in posterioren Bereichen (Wernicke-Areal) als Verben mit einfacherer Argumentstruktur. In einer Studie von Sörös et al. (2003) wurde das Benennen von Nomen und Verben mit bildgebenden Verfahren bei ungestörten und sprachgestörten Probanden vergleichend untersucht. Mit Hilfe von MEG-Aufnahmen wurden magnetische Korrelate der Hirnaktivität bei zehn ungestörten finnischen Erwachsenen sowie bei einem Aphasiepatienten während des Benennens gemessen. Dabei ergaben sich klare Unterschiede zwischen den ungestörten Probanden und dem hirngeschädigten Patienten. Für die ungestörten Personen wurden beim Benennen von Nomen und Verben die gleichen Aktivierungsmuster gefunden. Okzipitale, tempoparietale und frontale Areale wurden bei allen Personen unabhängig von der Wortart aktiviert, wobei es individuelle Differenzen hinsichtlich der genauen Lokalisierung sowie des Zeitablaufs und der Stärke der Aktivierung gab. Beim Benennen waren beide Hemisphären beteiligt, die Hauptaktivität lag aber nicht in den klassischen Broca- und Wernickearealen. Die Autoren teilen somit die These von Tyler und anderen, nach der Nomen und Verben in dem gleichen neuronalen Netzwerk verarbeitet werden. Im Gegensatz zu den ungestörten Erwachsenen unterschieden sich die Aktivierungsmuster bei dem Aphasiker in Abhängigkeit von der Wortart. Bei diesem Patienten lag infolge eines Schlaganfalls eine Schädigung in Teilen des Parietal- und Temporallappens vor. Die Symptomatik äußerte sich in einer relativ flüssigen Spontansprache mit Wortfindungsstörungen. Die Benennleistungen waren für Nomen und Verben beeinträchtigt, wobei deutlich größere Probleme bei Nomen auftraten. Im M E G zeigten sich im Broca-Areal und im mittleren Temporal· und Parietallappen stärkere Reaktionen bei Nomen, im linken unteren Parie-
89 tallappen stärkere Reaktionen bei Verben. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Läsion entstanden bei dem Patienten also im Unterschied zu ungestörten Fällen wortartspezifische Gehirnreaktionen. Offensichtlich kann das normalerweise für beide Wortarten gemeinsam zuständige Netzwerk bei Aphasie gestört werden, was wiederum zu wortartspezifischen kortikalen Reaktionen führen kann. Der Einzelfall verdeutlicht, dass die neuronalen Aktivitäten aufgrund der Läsion und aufgrund von Reorganisationsprozessen im pathologischen Fall anders verlaufen können als unter Normalbedingungen. Die neurologische Dissoziation ist möglicherweise ein Anzeichen für eine untypische Verarbeitung des Gehirns. Rückschlüsse von der gestörten auf die normale Verarbeitung, die ja den Ausgangpunkt der Debatte um wortartspezifische Hirnareale darstellten, können nach diesem Befund also nur mit äußerster Vorsicht gezogen werden. Abschließend sei eine ereigniskorrelierte fMRI-Studie zur neuronalen Verarbeitung von Nomen und Verben im Deutschen erwähnt (Postler et al. 2004, Postler 2006). Das verwendete Material lehnte sich an das Material an, das für die in der vorliegenden Arbeit berichteten Studien entwickelt wurde. 18 erwachsene Versuchspersonen wurden mit dem Bildmaterial (je 32 schwarz-weiß-Zeichnungen von Objekten und Handlungen) und den erwarteten Zielwörtern vertraut gemacht. Während der folgenden fMRI-Aufnahme sollte das Bild mit dem vorher vereinbarten Wort intern benannt werden. Ob das Zielwort ein Nomen oder Verb war, wurde durch Symbole veranschaulicht. Als Ablenker wurden verzerrte Zeichnungen präsentiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Nomen und Verben ähnliche Aktivierungsmuster hervorrufen, die bei Verben jedoch signifikant stärker ausfallen. Für beide Wortarten wurden Aktivierungen in linkshemisphärischen frontalen und beidseitig temporo-okzipitalen Bereichen gefunden. Lokal abgegrenzte eigene Funktionsbereiche für Nomen und Verben konnten in dieser Studie nicht ermittelt werden. Vielmehr sprechen die Ergebnisse für einen erhöhten Verarbeitungsaufwand bei Verben. Ein Fazit der Forschungslage lässt sich nur eingeschränkt formulieren. Obwohl es klare Unterschiede zwischen Nomen und Verben gibt, was deren sprachsystematische Eigenschaften, deren Erwerb und deren Verarbeitung betrifft, ist derzeit noch unklar, wie diese an neuronale Substrate gebunden sind. Neuronale Wortarteffekte könnten sich in unterschiedlichen, lokal abgrenzbaren kortikalen Arealen manifestieren, die auf die Repräsentation und Verarbeitung einer bestimmten Wortart spezialisiert sind, oder auch darin, dass dieselben Areale genutzt, aber in unterschiedlichem Ausmaß oder in einem unterschiedlichen zeitlichen Verlauf aktiviert werden. Einige Forscher argumentieren für die Existenz unterschiedlicher lokaler Bereiche, hier ist die Befundlage jedoch sehr inkonsistent. Andere Studien lassen vermuten, dass zwar ähnliche Bereiche kategorieunabhängig in die Wortverarbeitung involviert sind, bei Verben aber in diesen Bereichen stärkere Aktivierungen auftreten. Selbst wenn man wortartspezifische neuronale Aktivitäten annimmt, bleibt noch unklar, auf welche Faktoren der Wortarteffekt zurückzuführen ist.
90 Insgesamt machen die bisher verfügbaren Studien deutlich, dass die Wortverarbeitung nicht nur von der Wortart, sondern von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst und modifiziert wird. Dazu zählen der Aufgabentyp (ζ. B. lexikalisches Entscheiden, Einschätzen semantischer Nähe, semantisches Kategorisieren, Benennen etc.), der Präsentationskontext (Aufgaben zur Einzelwortverarbeitung oder Angebot der Wörter im Satzkontext), der Stimulustyp (Wort oder Pseudowort, konkrete versus abstrakte Wörter, wortartambige versus nicht ambige Wörter etc.), morphologische Aspekte (flektierte versus unflektierte Wörter) und syntaktische Aspekte (Argumentstruktur). Ob neuronale Differenzen gefunden wurden, hängt somit auch davon ab, mit welchen Aufgaben und welchem Stimulusmaterial gearbeitet wurde. So müssen je nach Konstellation und Design des Experimentes semantische bzw. syntaktische Eigenschaften von Wörtern in unterschiedlichem Ausmaß bei der Bewältigung der Aufgabe berücksichtigt werden. Die neuronale Aktivität entsteht dabei on-line, angepasst an die Bedingungen der jeweiligen kognitiven Anforderung.
4
Störungen des Erwerbs und der Verarbeitung von Nomen und Verben
„People with language impairments often show word class effects, or differential impairments for nouns and verbs" (Marshall 2003: 67). Dissoziierende Leistungen werden unter pathologischen Bedingungen oftmals deutlicher sichtbar als bei ungestörten Abläufen, so dass die Untersuchung gestörter Prozesse in der neuropsychologischen Forschung zum Zweck eines verbesserten Einblicks in Mechanismen der Sprachverarbeitung im Allgemeinen eingesetzt wird. Darüber hinaus ist die Suche nach selektiven, ζ. B. kategoriespezifischen Defiziten auch zum besseren Verständnis klinischer Störungsbilder relevant. Leistungsdifferenzen zwischen Nomen und Verben wurden besonders intensiv im Rahmen der Aphasieforschung thematisiert (für einen Überblick siehe Druks 2002). Untersuchungen kindlicher Sprachentwicklungsstörungen fokussieren eher den Erwerb von Verben als möglichen Problembereich eines gestörten Entwicklungsverlaufes.
4.1
Kategoriespezifische Defizite bei Aphasie
Störungen der Wortverarbeitung sind ein häufiges Symptom bei erworbenen Sprachstörungen, das bei unterschiedlichen Formen der Aphasie auftritt (Tesak 1997, Blanken 2002). Eine schon seit langem verfolgte Frage in der Aphasieforschung ist, ob man den Erhalt bzw. die Beeinträchtigung bestimmter Wortarten mit spezifischen Aphasietypen oder Aphasiesyndromen in Verbindung bringen kann. Zunächst wurde eine doppelte Dissoziation postuliert und auch durch Befunde gestützt, nach der bei nichtflüssigen Aphasieformen ein Verbdefizit vorliegt, während bei flüssigen Aphasien eher die Nomen beeinträchtigt sind (ζ. B. Zingeser & Berndt 1990). Ein solches Muster wurde zumeist in Wortproduktionsaufgaben (Benennen) ersichtlich, nach der Studie von Miceli et al. (1988) kann es jedoch auch im Bereich des Wortverstehens auftreten. Das Verstehen und Produzieren von Nomen oder Verben kann selektiv beeinträchtigt sein, wobei sich die Wortarteffekte nicht unbedingt in beiden Modalitäten entsprechen müssen. Der Trend zu kategoriespezifischen Dissoziationen zeigte sich nicht nur in unterschiedlichen Aufgabenstellungen, sondern tendenziell auch in der spontanen Sprachproduktion, ζ. B. an einer verminderten Auftretenshäufigkeit von Verben bei Agrammatikern (Zingeser & Berndt 1990). Neuere Studien (z.B. Berndt et al. 1997, Jonkers & Bastiaanse 1996,1998) kommen jedoch übereinstimmend zu dem Schluss, dass keine l:l-Beziehung zwischen Leistungsmuster und Aphasiesyndrom besteht: „the association between preservation/impairment of grammatical class and aphasic diagnostic category is less
92 than perfect" (Druks 2002: 295). Selektive Verbprobleme sind offensichtlich nicht auf nicht-flüssige/agrammatische Patienten beschränkt, obwohl diese Assoziation häufig berichtet wird. Auch bei flüssigen Aphasieformen sind in Einzelfällen Verbprobleme zu beobachten. Luzzatti et al. (2002) konnten in ihrer Benennstudie mit 58 aphasischen Patienten den Befund untermauern, dass Verbdefizite typisch für agrammatische Aphasieformen sind. Bei den untersuchten Patienten mit flüssigen Aphasien ergab sich ein heterogenes Bild: Es fanden sich Einzelfälle mit Nomenvorteil, mit Verbvorteil und auch ohne Wortartpräferenz. Aufgrund der gemischten Muster entstanden für die Gruppe der flüssigen Aphasiker keine deutlichen Wortarteffekte. In ähnlicher Weise zeigte die Studie von Berndt et al. (1997), dass Verbdefizite sowohl bei agrammatischen als auch bei flüssigen Aphasien auftraten, während selektive Nomendefizite ausschließlich bei Fällen reiner Anomie vorkamen. Pashek und Tompkins (2002) fanden in einer Gruppe von 20 anomischen Aphasikern zwar das erwartete Bild einer größeren Wortfindungsproblematik für Nomen, konnten aber zeigen, dass die bestehende Verbproblematik zu einem großen Teil auf Effekte der Wortfrequenz und Wortlänge zurückzuführen war. Den Einfluss der Wortfrequenz veranschaulicht auch eine Studie mit einer flüssigen, nicht-aphasischen Patientengrupppe (Bird et al. 2000b): Bei Patienten mit fortschreitender semantischer Demenz stellte sich bei der Analyse von spontansprachlichen Erzählungen heraus, dass die Wortfindung für Nomen wie für Verben zunehmend nachließ. Dass in einem fortgeschrittenen Stadium eine größere Verfügbarkeit von Verben als von Nomen zu beobachten war, lag an der Tatsache, dass vor allem niedrigfrequente Wörter nicht mehr abrufbar waren. So verließen sich die Patienten letztlich stark auf hochfrequente Verben wie be, come, do, go, have. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass agrammatische Patienten eine relativ homogene Gruppe darstellen, die recht einhellig durch Verbdefizite auffällt. Flüssige Aphasiker zeigen dagegen das Bild einer Benennstörung, bei der beide Wortarten gleichermaßen oder auch selektiv betroffen sein können. Über die reine Beobachtung kategoriespezifischer Defizite und ihr Vorkommen bei verschiedenen Aphasieformen hinaus wird diskutiert, welche funktionale Ursache für die jeweiligen Wortarteffekte in Betracht kommt. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen semantisch-konzeptuellen Erklärungen, die Leistungsunterschiede zwischen beiden Wortkategorien auf semantische Faktoren oder auf Effekte der Konkretheit oder der Vorstellbarkeit (imageability) zurückführen, und grammatischen Erklärungen, die das unterschiedliche Verhalten von Nomen und Verben in morphologisch-syntaktischer Hinsicht in den Vordergrund stellen. Ein semantischer Ansatz wird ζ. B. von Bird et al. (2000a) vertreten, die die sensorisch-funktionale Theorie zur Erklärung der Nomen-Verb-Dissoziation heranziehen. Dabei wird angenommen, dass semantische Informationen so organisiert sind, dass visuelle und motorische Eigenschaften in eigenen, speziellen neuronalen und funktionalen Bereichen verarbeitet werden. Wenn das visuelle Subsystem selektiv geschädigt ist, betrifft das Konzepte, bei denen die visuelle Verarbeitung eine große Rolle spielt, was für Objekte, insbesondere für belebte Objekte, zutrifft. Handlungen werden dagegen eher durch Be-
93 wegungseigenschaften bzw. motorische Aspekte gekennzeichnet, somit sind bei einem Ausfall des für die Wahrnehmung motorischer Aspekte zuständigen Subsystems eher Verben betroffen. Da dieser Annahme zufolge kategoriespezifische Defizite eine klar semantische Basis haben, müssten die Kategorieeffekte verschwinden, wenn sensorisch basierte Dimensionen, zu denen auch die Vorstellbarkeit (imageability) gehört, kontrolliert werden. Dies ist aber nicht immer der Fall, wie eine Studie von Berndt et al. (2002) nachweisen konnte. Sie fanden sowohl Fälle, bei denen eine Nomen-Verb-Diskrepanz bestehen blieb, auch wenn die imageability gleich gehalten wurde, als auch Fälle, bei denen der Wortabruf stark durch die imageability beeinflusst wurde, ohne dass ein Wortarteffekt auftrat. Offensichtlich können nicht alle Nomen-Verb-Dissoziationen durch semantische Faktoren erklärt werden. Laiacona und Caramazza (2004) setzen sich intensiv mit dem Erklärungswert grammatischer Ansätze auseinander. Für die Relevanz grammatischer Aspekte für die Organisation lexikalischen Wissens spricht zum einen die häufig beobachtete Assoziation zwischen Verbdefiziten und Agrammatismus. Als weiteres Argument wird die Existenz von modalitätsspezifischen grammatischen Kategorieeffekten angeführt. Laiacona und Caramazza (2004) berichten über zahlreiche Einzelbeispiele, die belegen, dass selektive Störungen für eine Wortart in nur einer Output- oder Inputmodalität, d. h. nur beim Sprechen oder nur beim Schreiben, auftreten können (ζ. B. mehr Fehler bei Nomen als bei Verben in der mündlichen, mehr Fehler mit Verben als mit Nomen in der schriftlichen Modalität). Derartige Profile (auch dargestellt in Caramazza & Hillis 1991) lassen vermuten, dass ein rein semantisches Defizit nicht die Ursache kategoriespezifischer Defizite sein kann. Das semantische System scheint intakt zu sein, da die Leistungen in der jeweiligen unbeeinträchtigten Modalität sonst nicht zustande kommen können. Die Autoren berichten außerdem von Befunden, nach denen kategoriespezifische Störungen mit typischen morphologischen Problemen einhergehen können. So fanden sich Patienten mit Schwierigkeiten in der Nomenproduktion, die Probleme mit der Pluralmarkierung haben, und Patienten mit Verbproblemen, die in der Kongruenzmarkierung auffallen. Auch die Neigung mancher Patienten, Verben zu nominalisieren, zeigt, dass das Problem in diesem Fall eher mit der Wortart als mit dem semantischen Gehalt zu tun hat. Um der grammatischen Basis von kategoriespezifischen Defiziten weiter nachzugehen, untersuchten Laiacona und Caramazza (2004) zwei italienische Aphasiepatienten, die die oft beobachtete klassische Dissoziation zeigen: Patient EA mit einer flüssigen, amnestischen Aphasie (Anomie) hatte größere Probleme mit Nomen als mit Verben, während die agrammatische Patientin MR ein deutliches Verbproblem aufwies. Die kategoriespezifischen Defizite, die bereits in der Spontansprache auffielen, bestätigten sich in Testaufgaben zum Benennen, lauten Lesen und Benennen nach Definition von Nomen und Verben. In weiteren Detailanalysen wurde eine rein semantische Ursache (funktionale versus sensorische Attribute oder Objekt versus Handlung als erklärender Faktor) als wenig plausi-
94 bei ausgeschlossen. Als nächstes wurde daher geprüft, ob es positive Hinweise auf grammatische Einflussfaktoren gibt. In Satzvervollständigungsaufgaben wurden morphologische Veränderungen (z.B. Pluralbildung bei Nomen, Subjekt-VerbKongruenz im Präsens bei Verben) an regulären und irregulären Nomen und Verben sowie bei homonymen Formen elizitiert. Morphologische Veränderungen an Wörtern können nur vorgenommen werden, wenn Zugriff auf die Wortartinformation besteht, um dann die entsprechenden morphologischen Transformationen, die für die Wortart typisch sind, vorzunehmen. Es stellte sich heraus, dass der Patient E A keine morphologischen Probleme mit Verben und regelmäßigen Nomen hatte. Lediglich bei unregelmäßigen Pluralformen traten Schwierigkeiten auf, was als lexikalisches Problem gewertet wird. Eine rein grammatische Erklärung für das Nomendefizit ist in diesem Einzelfall somit nicht ausreichend. MR dagegen hatte schwere Einschränkungen bei der regulären und irregulären Verbmorphologie, was auf ein grammatisches Problem hindeutet. Bei dieser Patientin ist die morphologische Verarbeitung selektiv gestört für die Wortart, die auch beim Benennen beeinträchtigt ist. Unter Berücksichtigung weiterer in der Literatur berichteter Einzelfälle stellen die Autoren fest, dass es sowohl weitere Patienten gibt, bei denen parallele kategoriespezifische Defizite beim Benennen und in der morphologischen Verarbeitung auftreten (wie bei MR) als auch weitere Patienten, bei denen die kategoriespezifischen Defizite nicht von entsprechenden Problemen begleitet werden (wie bei EA). Beide Varianten sind nicht an eine Kategorie gebunden, sondern können jeweils bei selektiven Nomen- oder Verbproblemen auftreten. Kategoriespezifische Defizite können also unterschiedliche Ursachen haben; bei manchen Patienten kommen eher grammatische, bei anderen eher semantische Faktoren in Frage. The picture that is emerging is that even if some cases of putative grammatical categoryspecific deficit may actually have a semantic cause there are others for which a grammatical cause is the most plausible account. (Laiacona & Caramazza 2004:120)
Die Befunde und die Argumentation von Laiacona und Caramazza (2004) machen deutlich, dass Nomen- und Verbdefizite auf unterschiedliche Störungsursachen zurückgeführt werden können. Zu dieser Einschätzung kommt auch Druks in ihrem Forschungsüberblick: Verb/noun differences occur in different patients for different reasons. (Druks 2002:312)
Die nachgewiesene Relevanz grammatischer Faktoren impliziert, dass „some aspect of lexical access is structured in such a way that this distinguishes between nouns and verbs, strictly by virtue of their grammatical properties" (Laiacona & Caramazza 2004:120). Grammatische Aspekte sind beim Zugriff auf Wortartinformation und insbesondere bei der Verarbeitung von Verben maßgeblich. Da gerade Verbdefizite häufig mit Grammatik- und Morphologieproblemen verbunden sind, spielen hier lexikalische und grammatische Faktoren stärker zusammen als bei Nomendefiziten.
95 Die stärkere Beachtung grammatischer Faktoren für die Erklärung kategoriespezifischer Defizite führte auch zu einer intensiveren Berücksichtigung der Argumentstruktur. Verbgebundene Informationen, die die Argumentstruktur festlegen, sind auf der Schnittstelle zwischen lexikalischem und syntaktischen Wissen anzusiedeln. Ein Einfluss der Transitivität von Verben wurde in mehreren Studien gefunden, wobei die Ergebnisse dahingehend divergieren, welche Subgruppe von Verben störanfälliger ist. In Studien mit holländischen Aphasikern (Jonkers 2000, Jonkers & Bastiaanse 1996,1998) hatten die Versuchspersonen größere Schwierigkeiten mit intransitiven als mit transitiven Verben. Dieses Muster wurde damit erklärt, dass die mit dem Verb verbundenen Argumente eine „Ankerfunktion" ausüben und damit den Zugriff erleichtern. B e i den von Thompson et al. (1997) sowie Kim und Thompson (2000) untersuchten Aphasikern wirkte sich dagegen eine Zunahme der Argumente erschwerend auf den Zugriff aus, so dass Verben mit nur einem Argument besser produziert werden konnten als Verben mit zwei oder drei Argumenten. Daher wurde eine Hierarchie der Schwierigkeit von Verben postuliert, die die Komplexität der Argumentstruktur reflektiert. Wichtig für das Verständnis von Verbstörungen ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein Verbdefizit die Ursache oder die Konsequenz syntaktischer Einschränkungen ist. Hier stehen sich unterschiedliche Annahmen und Befunde gegenüber, wobei davon ausgegangen werden muss, dass Verbdefizite aufgrund von Beeinträchtigungen unterschiedlicher Verarbeitungskomponenten zustande kommen können (Berndt et al. 1997, Laiacona & Caramazza 2004). Die Symptomatik kann j e nach individuellem Störungsprofil auf verschiedene Funktionsstörungen zurückzuführen sein und damit auch unterschiedlich mit syntaktischen Problemen zusammenhängen. Einerseits ist der eingeschränkte Zugang zu morphosyntaktischer Information eine mögliche Erklärung für ein Verbdefizit, umgekehrt ist aber auch denkbar, dass lexikalische Verbdefizite zur Ausprägung einer agrammatischen Symptomatik beitragen (Laiacona & Caramazza 2004). Subkategorien spielen nicht nur im Rahmen von Verbdefiziten eine Rolle, auch Subkategorien von Nomen können sich auf die Leistungen auswirken. So wurden mehrere Patienten beschrieben, deren Leistungen beim Verstehen und Benennen belebter, biologischer Objekte (ζ. B. aus der Kategorie Tiere) deutlich schlechter waren als im Umgang mit Artefakten (z.B. Werkzeugen). Auch das umgekehrte Leistungsmuster kann vereinzelt auftreten, womit eine kategorieabhängige doppelte Dissoziation vorliegt (für einen Überblick siehe Caramazza 1994 und Weniger 2003). Dies wird unter anderem auf eine unterschiedliche Gewichtung von Merkmalen zurückgeführt, die zur Erfassung der Objektkonzepte notwendig sind. Belebte Objekte lassen sich danach vor allem durch sensorisch wahrnehmbare Eigenschaften (Form, Größe, Farbe etc.) definieren, während unbelebte Objekte (wie Werkzeuge oder Musikinstrumente) im Zusammenhang mit ihren Funktionen oder zugehörigen Bewegungen wahrgenommen werden. 1 Ist aufgrund von Störungen vgl. dazu auch Kapitel 3.1.
96 die Wahrnehmung dieser Eigenschaften selektiv betroffen, führt dies als Konsequenz zu einem kategoriespezifischen Defizit innerhalb der Nomen. Bird et al. (2000a) erweitern die Tragweite der Unterscheidung zwischen sensorischen und funktionalen Merkmalen, indem sie diese Diskrepanz nicht nur für Differenzen innerhalb nominaler Subkategorien, sondern auch für Verarbeitungsunterschiede zwischen Nomen (sensorisch determiniert) und Verben (funktional determiniert) verantwortlich machen. Dass dieser semantische Aspekt jedoch nicht alle kategoriespezifischen Dissoziationen zwischen Nomen und Verben erklären kann, wurde oben bereits erwähnt. Die Anbindung selektiver Defizite an spezifische Subsysteme, die für perzeptuelle gegenüber funktionalen Merkmalen zuständig sind, muss jedoch vorsichtig betrachtet werden (vgl. Lloyd-Jones & Humphreys 1997a: 19). Humphreys et al. (1999) beschreiben zwei Patienten mit erworbenen Sprachstörungen, bei denen das typische Profil, nämlich Probleme beim Benennen von natürlichen Objekten im Gegensatz zu einer relativ guten Leistung bei Artefakten, vorlag. Beim Zeichnen von vorgegebenen Objektbegriffen aus dem Gedächtnis wurden Artefakte besser und detailreicher dargestellt als natürliche Objekte. Das gespeicherte perzeptuelle Wissen über natürliche Objekte schien eingeschränkt zu sein. Beide Patienten waren jedoch in der Lage, die Items, die sie nicht benennen konnten, angemessen zu beschreiben und dabei visuelle Einzelheiten der Objekte anzugeben. Auch in Aufgaben zur Entscheidung über die semantische Zusammengehörigkeit von Begriffen schnitten sie gut ab. Lloyd-Jones und Humphrey (1997a) berichten von Patienten, deren Probleme mit natürlichen Objekten nur bei der Bildbenennung, nicht jedoch beim Umgang mit schriftlichem Material auftraten. Subkategorieeffekte kommen offensichtlich dann zustande, wenn die Verarbeitung perzeptueller Eigenschaften gefordert ist, was offensichtlich beim Benennen visuell präsentierter Stimuli in besonderem Maße der Fall ist. Dies schließt den Zugriff auf semantische Informationen jedoch nicht aus (Humphreys et al. 1999:124). Das zugrunde liegende Problem wird in der größeren visuellen Ähnlichkeit natürlicher Objekte untereinander gesehen, die sich bei den Patienten besonders erschwerend auswirkt. Damit werden die Subkategorieeffekte, die unter gestörten Bedingungen auftreten, überwiegend auf dieselben Faktoren zurückgeführt, die auch bei ungestörten Erwachsenen ausschlaggebend sind.2
4.2
Verbdefizite bei Sprachentwicklungsstörungen
Kategoriespezifische Defizite können auch bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen vermutet und untersucht werden. Auch hier stellt sich die Frage nach der Störanfälligkeit bestimmter Wortarten und nach einem möglichen Zusammenhang 2
siehe Kapitel 3.1.
97 mit grammatischen Einschränkungen. Bei der Gruppe von Kindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES) 3 liegen Beeinträchtigungen rezeptiver und/oder produktiver Sprachfähigkeiten ohne begleitende organische, mentale oder emotionale Schädigungen vor (Fletcher 1999, Leonard 1998,2003). Die verzögerten oder gestörten Spracherwerbsprozesse können sich als Symptome auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen niederschlagen. Da sich die frühe Sprachentwicklung von Kindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen dadurch auszeichnet, dass die ersten Wörter später erworben werden, der Wortschatz insgesamt langsamer anwächst und weniger differenziert ist, ist im Zuge dieser allgemeinen lexikalischen Verzögerung auch ein verzögerter Auf- und Ausbau des Verblexikons zu erwarten. Eine darüber hinausgehende Frage ist, ob die Entwicklung des Verblexikons ein besonders störanfälliger Bereich bei Kindern mit SSES ist, so dass Probleme mit Verben aus den allgemeinen lexikalischen Einschränkungen herausstechen. Ausgehend von der traditionellen Sicht, dass Verben aufgrund ihrer größeren kognitiven und syntaktischen Komplexität schwerer zu erwerben sind als Nomen, wurde vermutet, dass diese Wortart für Kinder mit Sprachentwicklungsproblemen eine besondere Lernherausforderung darstellt. Rothweiler formuliert, dass „Verben .grammatischer' sind als Nomen, so dass sie besonders für sprachentwicklungsgestörte Kinder schwieriger sein könnten als Nomen" (Rothweiler 2004:123). Eine spezielle Anfälligkeit in Bezug auf Verben (verb-related vulnerability, Hadley 1998: 1398) wird auch von Watkins (1994), Leonard (1998), Chiat (2001) und Marshall (2003) als gegeben angenommen. Verbdefizite sollten darüber hinaus weit reichende negative Konsequenzen nach sich ziehen, da aufgrund der nicht erworbenen verbgebundenen syntaktischen Informationen eine wesentliche Grundlage für den Grammatikerwerb fehlt. Zunächst schienen empirische Befunde die Annahme eines selektiven Verbdefizites bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen durchaus zu unterstützen. Für die frühe Phase des Spracherwerbs fand Hadley (1998), dass sprachentwicklungsverzögerte Kinder im dritten Lebensjahr besonders in der Elaboration von Verbalphrasen zurückfallen. Olswang et al. (1997) verfolgten die Entwicklung von sprachentwicklungsgestörten Kindern von der Einwortphase bis zum Auftauchen von Wortkombinationen, um den Zusammenhang zwischen lexikalischen und syntaktischen Entwicklungsschritten näher zu beleuchten. Generell erwies sich die Lexikongröße als prädiktiv für den Einstieg die Grammatik. Dabei machten Kinder, die ein größeres und vielfältigeres Verblexikon hatten, bessere Fortschritte als die Kinder, die eine weniger positive Entwicklung nahmen. In Untersuchungen der Spontansprache wurde festgestellt, dass sprachentwicklungsgestörte Kinder im Vergleich zu ungestörten Kindern einen geringeren Verbanteil und eine geringere lexikalische Vielfalt im Verblexikon aufweisen und die Verben seltener flektieren (Conti-Ramsden & Jones 1997). Rice und Mitarbeiter fanden, dass SES-Kinder sich stark auf ein 3
entspricht dem im angloamerikanischen Raum gebräuchlichen Terminus specific language impairment (SLI).
98 eingeschränktes Kernlexikon aus GAP-Verben (general all-purpose verbs) verlassen. Verben wie „want", „go", „get", „do", „put", „come", „make" sind phonetisch relativ einfach und semantisch und syntaktisch eher unspezifisch. Mit diesem begrenzten Repertoire können die Kinder zwar kommunikative Bedürfnisse erfüllen, es mangelt jedoch an der Versprachlichung spezifischer Inhalte sowie an notwendigen grammatischen Informationen. Dies kann zur Folge haben, dass das System der semantischen und syntaktischen Merkmale und Funktionen von Verben unzureichend aufgebaut und integriert wird (Rice & Bode 1993, Watkins et al. 1993). Einige Befunde zum fast mapping (Rice et al. 1990) sprechen außerdem für eine wortartspezifische Problematik bei der Übernahme und Speicherung von Verben, die Befundlage ist hier jedoch sehr heterogen (für einen Überblick siehe Rothweiler 2001).
Neuere empirische Studien widersprechen den genannten Befunden. Zwei Studien widmen sich unter Verwendung von Vokabularchecklisten der Komposition im frühen Lexikon bei sprachauffälligen Kindern. In einer Untersuchung mit zweijährigen Kindern mit verspätetem Sprechbeginn (Late Talker) konnten Ellis Weismer et al. (2001) feststellen, dass die Late 7a/A:er-Gruppe erwartungsgemäß über ein eingeschränktes Gesamtvokabular verfügte. Der Anteil von Verben war geringer als bei gleichaltrigen ungestörten Kindern, entsprach jedoch dem Verbanteil jüngerer Kinder auf einem vergleichbaren Vokabularlevel. Während der weiteren Entwicklung wuchs der Verbanteil auch bei den gestörten Kindern im Zuge des allgemeinen Lexikonwachstums an. Trotzdem zeigte sich anhand der Äußerungslänge, dass die Late Talker mit 30 Monaten in ihrer Grammatikentwicklung auffällig blieben. Ellis Weismer et al. (2001) werten ihre Befunde nicht als Hinweise auf spezielle verbbezogene Einschränkungen, sondern auf typische Entwicklungsmuster in Bezug auf den Verberwerb. Der Aufbau der lexikalischen Basis sei nicht ausreichend für einen adäquaten Einstieg in die Grammatik. Zu ähnlichen Folgerungen kommen Hick et al. (2002), die die Entwicklung von drei sprachentwicklungsgestörten Kindern über einen Zeitraum von 12 bis 15 Monaten verfolgten. Die untersuchten Kinder hatten massive Einschränkungen im produktiven Lexikon. Verglichen mit jüngeren Kindern auf einem vergleichbaren Vokabularlevel war bei den sprachgestörten Kindern jedoch der gleiche relative Anteil von Nomen und Verben zu finden. Die Rate der Entwicklung von Nomen und Verben in Relation zum Gesamtvokabular fiel nicht auf. Thordardottir und Ellis Weismer (2001) führten eine groß angelegte Studie mit 100 Schulkindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen durch. In Spontansprachanalysen erwies sich die Verbvielfalt nicht als hervorstechend eingeschränkt. Auch der Anteil von unspezifischen, hochfrequenten Allzweckverben war bei der gestörten Gruppe und der Kontrollgruppe vergleichbar. Ein häufiger Gebrauch allgemeiner Verben wird nun nicht mehr entwicklungshemmend, sondern als typische Strategie in der Sprachentwicklung und im Sprachgebrauch interpretiert, die sowohl von sprachunauffälligen als auch von sprachlich beeinträchtigten Kindern genutzt wird. Die positive Wertung von prototypischen Verben als Einstieg in den
99 Aufbau des Verblexikons wird auch in Ninios (1999a, b) Konzept der pathbreaking verbs unterstützt. 4 Bei einer Analyse der in der Spontansprache realisierten Verb-Argument-Strukturen stellten Thordardottir und Ellis Weismer (2002) bei denselben sprachentwicklungsgestörten Schulkindern fest, dass die produzierten Strukturen im allgemeinen korrekt waren und keine gehäuften Auslassungen obligatorischer Argumente auftraten. Es zeigten sich aber subtile Defizite in der Elaboration von Verb-ArgumentStrukturen. Die sprachgestörten Kinder verwendeten eine geringere Vielfalt unterschiedlicher Typen von Argumentstrukturen. Außerdem wurden weniger Verben in mehrere unterschiedliche Argumentstrukturen eingebettet. In fast mapping-Studien (Rice et al. 1994, Rothweiler 1999) konnten die oben beschriebenen Wortarteffekte nicht mehr repliziert werden. Auch bei der Verwendung von Benennaufgaben mit Nomen und Verben wurde kein klarer Effekt zu Lasten der Verben festgestellt, die Fehlermuster der sprachentwicklungsgestörten Kinder unterschieden sich jedoch von denen ungestörter Kinder (McGregor 1997, Rothweiler 2001). Die in Dockreil et al. (2001) getesteten Kinder reagierten beim Verbbenennen häufiger als Kontrollkinder mit der Nennung unspezifischer Allzweckverben anstelle der geforderten spezifischen Verben. Zu einer differenzierten Betrachtung einer möglichen spezifischen Verbproblematik tragen die Befunde von Conti-Ramsden und Mitarbeitern bei. In einem kontrollierten Experiment zum Lernen neuer Nomen und Verben wurden lexikalische, syntaktische und morphologische Aspekte des Lernens und der Verwendung von Nomen und Verben bei 28 fünfjährigen Kindern mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen untersucht und mit einer jüngeren Kontrollgruppe verglichen, die den gestörten Kindern hinsichtlich der Größe des Verblexikons entsprach. 5 Nachdem die Kinder in einigen Sitzungen mit unbekannten Objekten und Handlungen und neuen Nomen und Verben vertraut gemacht wurden, stellte sich heraus, dass die gestörten Kinder beim Verblernen deutlich langsamer waren. Sie brauchten die doppelte Menge an Input, bis sie die neuen Verben verwendeten (Windfuhr et al. 2002). In der Produktion neuer Nomen waren sie dagegen den ungestörten, aber deutlich jüngeren Kindern sogar überlegen. Im Bezug auf die Produktivität des Umgangs mit neuen Wörtern zeigten gestörte und ungestörte Kinder ähnliche Muster dahingehend, dass sie sich in ihren Äußerungen eng am Modell orientierten und meist die präsentierten Strukturen beibehielten. Verben wurden in beiden Gruppen häufig nur isoliert verwendet, die Flexibilität bei Nomen war etwas deutlicher ausgeprägt. Die SSES-Kinder waren jedoch auch in Bezug auf die Nomen noch stärker inputfixiert als die ungestörten Kinder, was darauf hinweist, dass ihre Problematik nicht auf Verben beschränkt ist (Skipp et al. 2002). Auch im Bereich der Morphologie gab es Ähnlichkeiten, denn beide Gruppen verhielten sich wiederum stark inputabhängig und verwendeten nach Elizitierungsfragen nur wenige produk4 5
vgl. Kapitel 2.3. Zu den Leistungen der ungestörten Kontrollkinder siehe auch 2.2.1.
100 tive Markierungen, die jedoch eher bei Nomen als bei Verben zu finden waren. Während sich die Gruppen bei der Pluralmarkierung nicht unterschieden, waren die SSES-Kinder noch schwächer als die ungestörten bei der Markierung der Vergangenheitsform, was als verbbezogenes morphosyntaktisches Defizit gewertet wird (Conti-Ramsden et al. 2002). Weitere Tests zur Morphologie ergaben, dass in speziellen Aspekten der Pluralbildung ebenfalls Schwächen der gestörten Kinder zutage traten, so dass die Probleme über die Kategorie der Verben hinausgehen. Die Ergebnisse dieser Experimente weisen darauf hin, dass Verben durchaus schwerer gelernt werden als Nomen, denn die gestörten Kinder benötigten zum Lernen neuer Verben mehr Stimulierung und Inputangebot als ungestörte Kinder. Hinsichtlich morphologischer und syntaktischer Fähigkeiten scheinen sich die Probleme jedoch auch auf die Kategorie der Nomen zu erstrecken. Angesichts der jüngeren Befunde muss die Annahme relativiert werden, dass der Aufbau des Verblexikons notwendigerweise einen besonderen Schwierigkeitsbereich bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen darstellt. Im Gegensatz zu den experimentellen Ergebnissen von Conti-Ramsden und anderen, bei denen das Verblernen eine klare Schwäche der sprachgestörten Kinder war, lässt sich bei der Betrachtung von Befunden, die über Checklisten, Benenntests und Analysen der spontanen Verbverwendung gewonnen wurden, kein hervorstechendes, selektives Verbdefizit belegen. Dennoch ist das Verbvokabular im Zuge der allgemeinen lexikalischen Problematik mit betroffen, was Auswirkungen auf die weitere Sprachentwicklung haben kann. Die Schwierigkeiten mit Verben manifestieren sich möglicherweise besonders auf der Ebene der Syntax und/oder Morphologie, wo Probleme mit der Verbflexion oder der Argumentstruktur bestehen bleiben können. These children may have only partial representations of complex verbs, resulting in overall correct but less sophisticated use of verbs. (Thordardottir & Ellis Weismer 2002:246)
Eindeutige Aussagen über die Betroffenheit bestimmter Wortarten bei bestimmten Sprachstörungen lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht treffen. Bei erworbenen Sprachstörungen scheinen Verben störanfälliger zu sein als Nomen, während für Sprachentwicklungsstörungen eher die Verwendung von Verben im Satz problematisch ist. Wie für die Aphasie bleibt auch für spezifische Sprachentwicklungsstörungen die Frage bestehen, ob Einschränkungen bei Verben Ursache oder Folge grammatischer Störungen sind. Werden Verben mit ihren syntaktischen und morphologischen Informationen unzureichend erworben, wirkt sich dies auf die realisierbaren Argumentstrukturen und auf die verbbezogene Morphologie aus. In der Entwicklungschronologie erscheint dann das lexikalische Problem (reduziertes Verblexikon) vor den in der Produktion sichtbaren grammatischen Symptomen. Umgekehrt ist auch denkbar, dass grammatische Störungen den Erwerb von Verben und die Ausdifferenzierung des Verblexikons erschweren, weil das syntaktische bootstrapping6 nicht effektiv genutzt werden kann. Der Aufbau des Verblexikons 6
vgl. Kapitel 2.1.5.
101 und Fortschritte in der Grammatikentwicklung stehen offensichtlich in einem wechselseitigen Zusammenhang. Wie bereits in 4.1 für die Aphasie argumentiert wurde, kann die Art des Zusammenhangs zwischen Verbproblemen und grammatischen Auffälligkeiten auch bei SSES je nach individuellem Fall variieren. Das Ausmaß von Verbdefiziten und der Zusammenhang mit Einschränkungen grammatischer Fähigkeiten ist in der patholinguistischen Forschung offensichtlich noch unklar: „The relationship between verbs and syntactic impairments is far from clear cut" (Marshall 2003:79).
5
Bildbenennen als Methode zur Erfassung der Wortverarbeitung
5.1
Komponenten des Benennprozesses
Eine traditionelle und in der Psycholinguistik immer noch weit verbreitete Methode zur Untersuchung lexikalischer und semantischer Fähigkeiten ist das Benennen von Bildern. Da Benenntests auch in den folgenden empirischen Untersuchungen dieser Arbeit die vorrangig eingesetzte Untersuchungsmethode sind, die zum Teil von weiteren Verfahren ergänzt wird, soll der Prozess des Bildbenennens hinsichtlich seiner Einflussgrößen und seiner Aussagekraft als Untersuchungsmethode eingehend dargestellt werden. Normalerweise sind ungestörte Sprecher in der Lage, Bilder schnell und relativ mühelos zu benennen. Dennoch ist das Benennen ein komplexer kognitiver Prozess, in den unterschiedliche Verarbeitungskomponenten und Planungsebenen involviert sind (Johnson et al. 1996). Obwohl verschiedene Modellannahmen bestehen, die den Benennvorgang abzubilden versuchen, enthalten Modelle des Benennens in jedem Fall drei große Stufen, die Johnson et al. (1996) mit object identification, name activation und response generation bezeichnen. Im Einzelnen setzt der Benennvorgang mit der perzeptuellen Verarbeitung des gegebenen Bildstimulus ein und führt zunächst zum Erkennen des Bildes und zum Aufbau einer konzeptuellen Repräsentation des abgebildeten Objektes oder der abgebildeten Handlung. So entsteht das so genannte Piktogen (De Bleser 2000) oder imagen (Johnson et al. 1996). Darauf folgt die Wortauswahl im engeren Sinne, die sowohl die Selektion einer lexikalischen Einheit mit ihren Bedeutungsaspekten und syntaktischen Merkmalen als auch den Aufbau der Wortform umfasst. Damit wird die zweite Stufe des Benennprozesses nochmals in zwei separate Komponenten unterteilt: Die Aktivierung der Wortbedeutung und der grammatischen Merkmale (wie Wortart, Genus bei Nomen, Argumentstruktur bei Verben) geschieht auf der so genannten Lemmaebene (Levelt et al. 1999: 4), während formbezogene Eigenschaften wie Informationen über die phonologischen Segmente, die Silbengliederung und das Betonungsmuster auf der nachfolgenden Lexemebene verarbeitet werden. Für die Zweistufigkeit des lexikalischen Zugriffs sprechen empirische Evidenzen (eine Zusammenstellung findet sich in Meyer & Schriefers 2003), sie ist jedoch nicht unumstritten. Streng serielle und eher interaktive Modelle unterscheiden sich darin, inwieweit sie lokale Rückkopplungen von untergeordneten zu übergeordneten Ebenen (d.h. von der Lexemebene zur Lemmaebene) zulassen (Meyer & Schriefers 2003:502). Die Erzeugung der Wortform, im Leveltschen Sinne des Lexems, geschieht in Modellen, die am Logogenmodell orientiert sind, in der Komponente des phonologischen Outputlexikons (De Bleser 2000, McGregor
103 et al. 2002a). Die letzte große Stufe des Benennvorgangs besteht dann in der phonetischen Umsetzung und letztendlichen Artikulation des Wortes. Der hier dargestellte Ablauf entspricht den drei Hauptphasen, in die Meyer und Schriefers (2003) die lexikalische Kodierung im Allgemeinen gliedern: die begriffliche Phase (beim Benennen ist dies die Bilderkennung und die Erstellung des Piktogens), die Phase des lexikalischen Zugriffs (unterteilt in Lemma- und Lexemaktivierung) und die postlexikalische Phase (phonetischer Plan und Artikulation). Experimente, die sich vor allem auf das Wort-Bild-Interferenzparadigma stützen, führten zu mittlerweile gut abgesicherten Einblicken in die echtzeitliche Struktur der Wortproduktion. Die Lemmaselektion setzt 150 ms nach einem gegebenen Bildstimulus ein, das phonologische Kodieren nach 275 ms, das phonetische Kodieren nach 400 ms (Meyer & Schriefers 2003). De Bleser fasst den Ablauf des Bildbenennens folgendermaßen zusammen: Das Benennen eines Bildes erfordert immer, dass die zu einem Piktogen korrespondierende Bedeutung in der Semantik aktiviert wird und von dort aus die korrespondierende Wortform im phonologischen (...) Output Lexikon. (De Bleser 2000:514)
Das adäquate Benennen eines Bildes setzt also zum einen ein intaktes und organisiertes mentales Lexikon voraus, da auf der Basis der Bildinformationen das passende Lemma mit der zugehörigen Wortform ausgewählt und gegen andere, semantisch bzw. phonologisch ähnliche Kandidaten durchgesetzt werden muss. Zum anderen muss der mehrstufige Produktionsprozess in der aktuellen Situation reibungslos und schnell funktionieren. Aus der Darstellung des Benennvorganges kann gefolgert werden, dass die Überprüfung der Benennfähigkeiten zu psycholinguistisch relevanten Aussagen führen kann. Die Auswertung von Benennleistungen kann unter verschiedenen Aspekten erfolgen. Zur Bestimmung der Benenngenauigkeit (naming accuracy) wird die Anzahl korrekter Reaktionen quantitativ erfasst. Bei der Benenngeschwindigkeit (naming latency) wird die Latenz beim Benennen des dargestellten Bildes gemessen. Qualitativ können dann die Fehlermuster und Fehlerstrategien, die bei Fehlbenennungen auftreten, genauer bestimmt werden.
5.2
Einflussvariablen
Die Leichtigkeit, die Schnelligkeit und das Gelingen des Benennens werden von zahlreichen Variablen modifiziert. Hierzu zählen nach Johnson et al. (1996) intrinsische Eigenschaften des Stimulusbildes und des abzurufenden Wortes (item attributes - Itemeigenschaften), die jeweiligen Bedingungen der Benennanforderung (task conditions - Aufgabenstellung) sowie die Eigenschaften und Kapazitäten der benennenden Personen selbst (participant characteristics).
104 5.2.1
Itemeigenschaften
Alario et al. (2004) diskutieren eine Reihe von itembezogenen Variablen, unter denen wiederum visuelle, semantische, lexikalische und phonologische Faktoren differenziert werden. Unter den visuellen, bildbezogenen Variablen können sich die Qualität, Größe und visuelle Komplexität des Stimulusbildes sowie der Realismus der Darstellung auf die Verarbeitung niederschlagen. Eine gut wahrnehmbare Bildgröße wirkt sich positiv auf das Benennen aus, während die Komplexität des Bildes nicht notwendigerweise zu Effekten führt (Johnson et al. 1996:118). Der Faktor der visuellen Komplexität wird in Benennstudien mittels Einschätzungen erfasst, bei denen Versuchspersonen auf einer Skala angeben sollen, wie einfach bzw. komplex ihnen ein präsentiertes Bild erscheint. Alario et al. (2004) konnten in ihrer Studie Einflüsse der visuellen Komplexität finden, weisen jedoch darauf hin, dass dieser Befund durch andere Studien nicht bestätigt wird. Auch in der groß angelegten sprachvergleichenden Benennstudie von Bates et al. (2003) war in keiner der sieben Sprachen ein Einfluss der visuellen Komplexität zu beobachten. Die eingeschätzte Abbildungsqualität (goodness of depiction) erwies sich dagegen sprachübergreifend als wesentlicher Einflussfaktor für die Benennlatenz. Unklar ist auch, ob die Realitätsnähe des Bildes, die ζ. B. bei Fotos, Farbbildern und Schwarz-WeißZeichnungen differiert, das Benennen beeinflusst. In einer Studie (Johnson 1992) ergaben sich bei fünf- bis siebenjährigen Kindern keine signifikanten Unterschiede in der Benennlatenz zwischen Itemsets mit Farbphotographien versus SchwarzWeiß-Zeichnungen. Johnson et al. (1996) folgern, dass sich eine realitätsgetreue Darstellung nur dann erleichternd auswirkt, wenn die zu benennenden Stimuli schwer voneinander zu unterscheiden sind. Der Effekt der Farbigkeit des Stimulusbildes ist empirisch bislang noch nicht ausreichend überprüft worden. Eine große Zahl empirischer Untersuchungen beschäftigt sich mit den Einflüssen wortbezogener Variablen. Dazu zählen semantische Faktoren wie die Familiarität oder Vertrautheit mit den Konzepten und die Vorstellbarkeit (imageability) des Begriffes. Auch diese Parameter werden in Benennstudien über Probandenbefragungen erhoben. Zur Bestimmung der imageability sollen Versuchspersonen angeben, wie leicht ein vorgegebenes Wort ein mentales Bild bei ihnen hervorruft. Als wichtige lexikalische Variablen gelten die Frequenz und das Erwerbsalter des Zielwortes. Die Wortfrequenz wird in den meisten Studien mit Hilfe von Frequenzkorpora erhoben (ζ. B. über die CELEX-Datenbank, Baayen et al. 1995), sofern derartige Datensammlungen für die jeweilige Sprache vorhanden sind. Zur Ermittlung des Erwerbsalters stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Bei so genannten objektiven Messungen werden direkt beobachtbare Fähigkeiten von Kindern im Spracherwerb verwendet, wie z.B. Spontansprachdaten oder Reaktionen beim Bildbenennen. Im Gegensatz dazu treffen in subjektiven Verfahren Erwachsene nachträgliche Einschätzungen über das mögliche erinnerte Erwerbsalter von Wörtern. Ein weiterer Faktor ist der Grad der Benennübereinstimmung, der von verschiedenen Versuchspersonen beim Benennen eines Items erreicht wird. Dieser
105 kann ermittelt werden, indem der Prozentsatz der Versuchspersonen, die eine übereinstimmende Reaktion abgeben, berechnet wird. In Bates et al. (2003) wurde außerdem die Anzahl der unterschiedlichen Bezeichnungen, die ein Bildstimulus evoziert, erfasst. Ob und wie stark Benennleistungen von den genannten Variablen beeinflusst werden, lässt sich anhand bestehender empirischer Befunde nicht eindeutig feststellen. Eine Schwierigkeit der Überprüfung besteht darin, dass die einzelnen Variablen nicht immer unabhängig voneinander sind, sondern häufig miteinander korrelieren. Eine verbreitete Annahme und auch oft replizierte Beobachtung ist, dass die Geschwindigkeit des Lexemabrufs von der Frequenz des Lexems abhängig ist, wobei hochfrequente Wörter besser und schneller abgerufen werden können als niedrigfrequente: One of the most robust findings in picture naming is the word frequency effect. (Levelt et al. 1999:18) Der erleichternde Einfluss der Wortfrequenz auf das Benennen von Objekten konnte auch für die sieben von Bates et al. (2003) untersuchten Sprachen erneut bestätigt werden. Beim Benennen von Handlungsdarstellungen scheint die Frequenz dagegen eine geringere Rolle zu spielen (Cuetos & Alija 2003). Der Frequenzeffekt wird jedoch zunehmend hinterfragt, da sich in Studien herausstellte, dass dieser Effekt möglicherweise eine Kombination aus mindestens zwei unterschiedlichen einflussnehmenden Variablen darstellt. Die Frequenz, mit der Wörter in der gesprochenen oder geschriebenen Sprache auftauchen und das Alter, in dem diese Wörter im Laufe des Spracherwerbs erworben wurden, korrelieren meist hochsignifikant miteinander. Früh erworbene Wörter sind häufig hochfrequent und hochvertraut, während spät erworbene Wörter eher niedrigfrequent und wenig vertraut sind. Aus diesem Grund sind unabhängige Einflüsse einzelner Variablen auf die Wortverarbeitung schwer zu isolieren. Alario et al. (2004) folgern aus den Ergebnissen ihrer Studie mit französischsprachigen Erwachsenen, dass Frequenz und Erwerbsalter unabhängig voneinander auf die Benennlatenz einwirken. In Experimenten zur Verarbeitung hoch- und niedrigfrequenter Wörter mit variierendem Erwerbsalter stellten Morrison und Ellis (1995) fest, dass das Erwerbalter in Benennaufgaben ein bedeutenderer Faktor ist als die Frequenz. Weitere Studien mit ungestörten und gestörten Probanden bestätigten, dass unter verschiedenen lexikalischen Variablen insbesondere das Erwerbsalter als wesentliche Einflussvariable zu betrachten ist (für einen Forschungsüberblick siehe Schröder et al. 2003). Cueots und Alija (2003) konnten einen signifikanten Effekt des Erwerbsalters auf die Benennlatzen für Nomen und Verben im Spanischen nachweisen, Bogka et al. (2003) bestätigten diesen Befund für Englisch und Griechisch. In einem Vergleich der Aussagekraft des geschätzten Erwerbsalters, des Alters der spontanen Produktion (erhoben über Elternbefragungen) und des Benennalters stellten Schröder et al. (2003) für Nomen fest, dass die drei verschiedenen Methoden zwar zu unterschiedlichen Altersangaben pro Item führen, insgesamt jedoch miteinander korre-
106 Heren. Für die Erhebung des Erwerbsalters als Mittel zur Kontrolle von Itemsammlungen eignen sich somit unterschiedliche methodische Herangehensweisen. Der Grad der Benennübereinstimmung erwies sich ebenfalls ein einflussnehmender Faktor. Bilder mit einer hohen Benennübereinstimmung werden schneller benannt als Bilder, die zu variablen Benennungen anregen (Bates et al. 2003). Dass der Grad der Benennübereinstimmung in Abhängigkeit von der Wortart variiert, zeigen D'Amico et al. (2002, vgl. Kapitel 3.1). Sowohl die Frequenz und das Erwerbsalter von Zielwörtern sowie die Benennübereinstimmung sollten bei der Zusammenstellung von Items für Benennexperimente daher kontrolliert werden. Weitere wortbezogene Einflussvariablen sind phonologische Eigenschaften wie die Wortlänge (Silbenanzahl und Phonemanzahl) und die phonologische bzw. morphologische Komplexität der Wortform. Mit zunehmender Wortlänge (sowohl bezogen auf die Silbenanzahl als auch die Anzahl der Phoneme) wird das Benennen erschwert (Johnson et al. 1996:122). Diese Beobachtung bestätigt ein deutsches Benennexperiment (Ryll 2003), in dem gezeichnete Objektdarstellungen wiederholt und schnell hintereinander präsentiert wurden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Benennleistung bei Kindern und Erwachsenen abhängig von der Wortlänge ist, da die Geschwindigkeit mit zunehmender Silbenanzahl des Wortes absinkt. Dagegen zeigte sich kein Einfluss der phonologischen Komplexität; das Vorliegen von initialen Konsonantenclustern übte keinen verlangsamenden Effekt aus. Im Gegensatz zu diesen Befunden konnten Alario et al. (2004) weder einen Einfluss der Phonemanzahl noch der Silbenanzahl feststellen. Anhand einer Metastudie, die acht unterschiedliche empirische Studien aus sechs verschiedenen Sprachen einbezieht, kommen Alario et al. (2004) zu der Schlussfolgerung, dass die Frequenz, das Erwerbsalter und die Benennübereinstimmung als robuste Prädiktoren für die Benenngeschwindigkeit angesehen werden können. Stimuluseigenschaften und wortbezogene Variablen wirken sich auf jeweils unterschiedliche Phasen des Benennprozesses aus. Charakteristika des Bildstimulus' sind für die erste Phase der Bilderkennung und des Aufbaus einer Repräsentation der Abbildung maßgeblich. Wortbezogene Faktoren wie Familiarität, Frequenz, Wortlänge und Erwerbsalter beeinflussen die Phase des lexikalischen Zugriffs. Speziell wird angenommen, dass der Frequenzeffekt sowie der Wortlängeneffekt auf der Ebene des Lexems anzusiedeln sind (Levelt et al. 1999:18). Bates et al. (2003), die Benennleistungen parallel in sieben Sprachen untersuchten, gehen davon aus, dass die Stadien und Komponenten des Benennprozesses unabhängig von der Einzelsprache universell durchlaufen werden. Auch die Tatsache, dass sich bestimmte Einflussfaktoren auf bestimmte Phasen des Benennens auswirken, habe universelle Gültigkeit. So sollten beispielsweise hochfrequente Wörter generell leichter zu verarbeiten sein als niedrig frequente. Natural languages are affected by universal constraints on processing at each of these levels, from conceptualization (perceptual constraints in picture decoding; cognitive and social constraints on concept formation), to retrieval of lexical forms (effects of frequency and complexity), to articulation (universal effects of phonetic structure and length). (Bates et al. 2 0 0 3 : 3 4 8 )
107 Sprachspezifisch unterschiedlich gestalte sich dann in Abhängigkeit von den Charakteristika der jeweiligen Einzelsprache die Wirkweise weiterer Einflussfaktoren. Aufgrund der sprachübergreifenden kognitiven Organisation des Benennvorgangs bei gleichzeitig unterschiedlichen Gegebenheiten in Bezug auf die Einflussparameter ist die sprachvergleichende Überprüfung von Benennfähigkeiten besonders geeignet, um Aufschlüsse über universelle und spezifische Aspekte der menschlichen Wortverarbeitung zu erzielen.
5.2.2
Aufgabenstellung
Aufgabenbezogene Variablen beziehen sich auf die Art der Präsentation der zu benennenden Bilder, auf die Zusammenstellung des Stimulusmaterials und auf die Gestaltung der Testsituation, d. h. auf die konkreten Anforderungen, die an die Versuchspersonen gestellt werden. Johnson et al. (1996) nennen zum einen den Aspekt der Übung und Wiederholung als aufgabenbezogene Bedingung. So werde das Benennen erleichtert, wenn derselbe Test zu einem späteren Zeitpunkt nochmals durchgeführt wird. Für bereits benannte Items ergebe sich bei wiederholtem Benennen eine Erleichterung. Auch Meyer und Schriefers (2003:490) erwähnen, dass Wörter, die kurz zuvor schon gehört wurden und deren Repräsentationen daher noch aktiviert sind, bevorzugt verarbeitet werden. Alario et al. (2004) führten ihr Benennexperiment in zwei Phasen durch: In der ersten Phase wurden die Versuchspersonen mit den Zielwörtern familiarisiert, indem sie die Bilder zunächst benannten und daraufhin eine Rückmeldung über das erwartete Zielwort erhielten. Die Benennaufgabe wurde eine Woche später wiederholt. Im zweiten Test war die Benenngeschwindigkeit signifikant höher als im ersten, die Famiiiarisierung bewirkte somit eine Beschleunigung und Erleichterung. Erleichternde Effekte auf das Objektbenennen bei wiederholter Anwendung der Benennaufgabe sowie bei vorheriger Durchführung einer Objektentscheidungsaufgabe fanden Lloyd-Jones und Humphreys (1997a, b, siehe auch Kapitel 3.1). In Experimenten, die das so genannte Schnellbenennungsparadigma verwenden, ergeben sich jedoch andere Einflüsse. In Schnellbenennungsaufgaben (RAN = rapid automatized naming) werden Bilder im Gegensatz zum einfachen Benennen mehrfach direkt hintereinander gezeigt, wobei die Aufforderung besteht, diese so schnell wie möglich zu benennen. Zwei Studien, die das Paradigma des Schnellbenennens im Deutschen erprobten, kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Benenngeschwindigkeiten bei wiederholter Vorgabe derselben Stimuli allmählich absinken. In der bereits erwähnten Studie von Ryll (2003) zeigt die Analyse der Benennlatenzen über den zeitlichen Verlauf der Schnellbenennungsaufgabe deutlich, dass die Benennleistungen nicht stabil, sondern abfallend sind. Bei den erwachsenen Probanden ergab sich eine Verlangsamung von der ersten zur zweiten Präsentation der Zielitems, bei Kindern ein durchgehender Anstieg der Benennlatenz mit jeder weiteren Präsentation eines Zielitems. Auch in einem Schnellbenennungsexperiment
108 von Begander (2003) kam es bei Erwachsenen und Kindern zu einer Verlangsamung gegen Ende des Tests. Dieser Effekt kann dahingehend interpretiert werden, dass es nach der ersten Produktion eines Wortes zu einer kurzfristigen Hemmung dieses Worteintrages kommt, so dass die nächste Produktion nur verzögert erfolgen kann. In einem direkten Vergleich zweier Testdesigns stellte Begander (2003) fest dass sich die Reaktionen beim isolierten Benennen von denen im Schnellbenennen unterscheiden, allerdings bei Erwachsenen und Kindern mit entgegen gesetztem Muster: Während Kinder beim isolierten Benennen signifikant schneller reagierten, ergab sich bei Erwachsenen ein Vorteil für das Schnellbenennen. Ein weiterer aufgabenbezogener Faktor ist nach Johnson et al. (1996) der Kontext, in dem die zu benennenden Stimuli angeboten werden. In verschiedenen Varianten des Priming-Verfahrens wird ζ. B. vor dem zu benennenden Bild ein verbaler Stimulus angeboten, der mit dem Zielwort in einer semantischen oder phonologischen Beziehung steht. Die Effekte, die das vorherige Anbieten von primes ausübt, werden in Wort-Bild-Interferenzaufgaben genutzt. Experimente zeigen (Meyer & Schriefers 2003, Levelt et al. 1999), dass in bestimmten zeitlichen Phasen des Benennvorgangs das Angebot semantisch relationierter Ablenker hemmend, das Angebot phonologisch relationierter Ablenker dagegen erleichternd wirkt. Diese Befunde wurden als Argument für einen zweistufigen Lexikonzugriff gewertet, bei dem die semantische Verarbeitung der phonologischen vorausgeht. Während bei entsprechenden experimentellen Designs bewusst in den Ablauf des Benennens eingegriffen wird, ist jedoch auch in „einfachen" Benennaufgaben damit zu rechnen, dass die Items, die innerhalb des Tests verwendet werden, einen gegenseitigen Einfluss aufeinander ausüben. In der Mehrfachschnellbenennungsbedingung von Ryll (2003) zeigte sich, dass sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen semantisch heterogene Subtests schneller benannt werden als semantisch homogene, in denen die zu benennenden Items derselben semantischen Kategorie angehörten. Diese Befunde bestätigen einen semantischen Interferenzeffekt beim Benennen. Dagegen schien es nach den Ergebnissen von Begander (2003) unerheblich, ob ein Itemset aus gemischten oder konstant gehaltenen Wortarten besteht. Der Überblick über verschiedene Einflussvariablen hat gezeigt, dass die Auswahl von Zielwörtern sowie die Gestaltung der Benennaufgabe die zu erwartenden Ergebnisse beeinflussen können. Je nach Zielsetzung und Fragestellung müssen daher die itembezogenen Variablen entweder kontrolliert oder systematisch variiert und die Anforderungsbedingungen reflektiert werden. Sollen beispielsweise Wortarteffekte untersucht werden, so müssen die ausgewählten Wörter aus den unterschiedlichen Kategorien (ζ. B. Nomen und Verben) hinsichtlich der Frequenz und des Erwerbsalters vergleichbar sein. Andernfalls könnten vermeintliche Wortarteffekte entstehen, die eigentlich auf Unterschiede in anderen Faktoren zurückzuführen sind. Da in vielen Sprachen Nomen vor Verben erworben werden, könnte beispielsweise ein scheinbarer Nomenvorteil aufgrund eines niedrigeren Erwerbsalters der ausgewählten Nomen zustande kommen. Diese Vermischung zweier Fak-
109 toren lässt sich nur dann vermeiden, wenn die zu benennenden Nomen und Verben ein vergleichbares Erwerbsalter aufweisen. Eine dritte Gruppe von Einflussvariablen stellen schließlich die Eigenschaften der am Benennexperiment teilnehmenden Versuchspersonen dar. Insbesondere sind die Ergebnisse vom Alter und der kognitiven Kapazität der Probanden abhängig. Personen mit kognitiven oder sprachlichen Störungen werden beim Benennen schlechter abschneiden als ungestörte. So sind Wortproduktionsprobleme, die eine oder mehrere Wortarten betreffen, ein häufiges Symptom bei Personen mit Aphasie.1 Ebenso zeigen Kinder und ältere Probanden weniger gute Leistungen als Erwachsene. So wurden bei Personen über 60 Jahren langsamere und weniger korrekte Benennleistungen festgestellt (Johnson et al. 1996:126f.). Im Folgenden wird genauer darauf eingegangen, wie sich das Benennen bei ungestörten und gestörten Kindern entwickelt.
5.3
B e n e n n e n bei Kindern
Much of what children - and adults - know about the world is the result of exposure to visual representations. ( . . . ) The equivalence of objects and representations is so natural that it is usually never mentioned. (Bloom 2001:171f.)
Bloom weist hier darauf hin, dass ein großer Teil des Weltwissens über visuelle Darstellungen vermittelt ist. Da Wörter sowohl die Realität als auch Abbildungen der Realität beschreiben, können sich Sprecher ohne weiteres auf das Bild von einem Hund mit dem Wort „Hund" beziehen, ohne in Konflikt mit der Tatsache zu kommen, dass der außersprachliche Referent nicht real anwesend ist. Diese scheinbar selbstverständliche Entsprechung scheint ein Produkt kultureller Konventionen sein, denn nicht in allen Kulturen werden Abbildungen mit dem Dargestellten gleichgesetzt (Bloom 2001: 174). Bei kleinen Kindern ist die Einsicht, dass Bilder zwar die Dinge repräsentieren, jedoch nicht mit ihnen identisch sind, noch nicht voll ausgebildet. Bei einjährigen Kindern liegt nach Bloom (2001: 178) eine gewisse Konfusion vor, da die Babys versuchen, Bilder zu ergreifen bzw. zu manipulieren. Später bejahen Kinder Fragen wie „wenn du dieses Bild schüttelst, würdest du es dann rappeln hören?" oder „kann man dieses Bild von einem Eis essen?". Hier scheine kein symbolisches Spiel vorzuliegen, sondern eine Phase des kindlichen Realismus, die etwa bis zum dritten Geburtstag überwunden werde. Im Laufe der ersten Lebensjahre entwickeln Kinder ein Verständnis dafür, dass Bilder Objekte und anderes repräsentieren. Für das Erkennen der Entsprechung zwischen Bild und realem Gegenstand ist vor allem eine Ähnlichkeit in der Form ausschlaggebend. Darüber hinaus spielt die Intention eine wesentliche Rolle, denn „we name pictuvgl. Kapitel 4.1.
110 res on the basis on what we think they were intended to depict" (Bloom 2001:177). Wenn die Intention eindeutig ist, werden auch Bilder akzeptiert und mit den entsprechenden Begriffen benannt, die in der Form klar von der Realität abweichen. Der Aspekt der Intentionalität erkläre auch, warum Kinder im Vorschulalter ihre eigenen Zeichnungen mit konkreten Begriffen und Bezeichnungen versehen, obwohl ihr Bild keine Ähnlichkeiten mit dem Bezeichneten aufweist. Voraussetzung für die Entwicklung der Fähigkeit des Bildbenennens ist somit zunächst das Verstehen der Nicht-Identität, aber auch der Abbildungsfunktion und der Benennbarkeit von Bildern. Weiterhin erfordert das Benennen, dass Wissen über die dargestellten Objekte und Sachverhalte erworben wurde, also Konzepte aufgebaut wurden, die mit dem erkannten Bild in Verbindung gebracht werden. Außerdem muss das Kind zu den Konzepten die entsprechenden Wörter mit ihren bedeutungs- und formbezogenen Informationen im mentalen Lexikon speichern. Die Entwicklung des Bildbenennens ist also immer im Kontext der konzeptuellen, lexikalischen und semantischen Entwicklung zu sehen. Zuletzt gelingt das Benennen nur, wenn das zu einem erkannten Bild aktivierte Wort auch in der konkreten Situation abgerufen werden kann. Das Bildbenennen erfordert also repräsentationale Fähigkeiten und Verarbeitungskapazitäten parallel. Beide Aspekte sind nicht unabhängig voneinander zu sehen, da sich die Qualität der semantischen Organisation auf die Stabilität des Zugriffs auswirkt: The degree of knowledge representation in the semantic lexicon makes words more or less vulnerable to retrieval failure. (McGregor et al. 2002a: 342)
Auf dem Hintergrund der vorausgegangenen Bemerkungen erscheint es verständlich, dass sich die Benennleistungen bei Kindern im Verlauf der allgemeinen kognitiven Entwicklung und des Spracherwerbs verändern und entwickeln. Eine umfassende Querschnittstudie mit 316 sprachlich unauffälligen, drei- bis fünfeinhalbjährigen Kindern (Davidoff & Masterson 1996) zeigt einen stetigen Leistungszuwachs in der Genauigkeit des Benennens von Nomen und Verben. Johnson et al. (1996) fassen zusammen: Children's naming of pictures becomes more proficient with development, as reflected in faster RTs and closer approximations to adult levels of accuracy. Changes in the nature and distribution of naming errors also accompany development. (Johnson et al. 1996:126)
D'Amico et al. (2001, 2002) stellten in einem Vergleich der Benennlatenzen von fünfjährigen Kindern und Erwachsenen fest, dass das Benennen bei Kindern langsamer verläuft. Auch für deutsche Kinder fand Ryll (2003) signifikant längere Benennzeiten und eine größere Anzahl an Benennfehlern bei fünfjährigen Kindern gegenüber Erwachsenen. Die Entwicklung der Benenngenauigkeit und -geschwindigkeit ist in diesem Alter offensichtlich noch nicht abgeschlossen. Noch im Schulalter lässt sich eine Steigerung beider Maße feststellen (Wiegel-Crump & Dennis 1986). In Rylls Experiment zeigten sich darüber hinaus altersabhängige Zusammenhänge zwischen der Fehlerquote und der Benenngeschwindigkeit. Bei Kindern
Ill entstand ein trade-off-Eiiekt, d. h. die Schnelligkeit des Benennens ging auf Kosten der Korrektheit und/oder umgekehrt. Erwachsene dagegen stimmten beide Anforderungen besser aufeinander ab. Mit zunehmendem Alter verbessert sich nicht nur die Korrektheit, Schnelligkeit und Sicherheit beim Benennen, es verändern sich auch die Fehlerstrategien, mit denen Kinder ihre Benennunsicherheiten oder lexikalischen Lücken ausgleichen. Zu entwicklungsbedingten Veränderungen der Fehlerstrategien beim Benennen durch sprachlich ungestörte Kinder liegen jedoch nur wenig neuere Befunde vor. Dapretto und Bjork (2000) fanden für die frühe Phase, dass die Fehler von Kindern im zweiten Lebensjahr beim Benennen von vertrauten Objekten in einer Buchlesesituation mit ihren Müttern zu drei Vierteln in semantisch-kategoriellen Substitutionen bestanden. Aus den Ergebnissen von Davidoff und Masterson (1996) geht hervor, dass visuelle und unrelationierte Antworten sowie Nullreaktionen bei Verben im Altersverlauf zurückgehen, 2 während semantische Reaktionen insgesamt tendenziell ansteigen. Wiegel-Crump und Dennis (1986) untersuchten das Bildbenennen von Kindern zwischen sechs und vierzehn Jahren. In diesem Alter machten die Kinder insgesamt nur wenig Fehler. Reaktionen, die keine Relation zum Zielwort aufweisen, kamen nicht mehr vor, die häufigste Fehlerart waren semantische Fehler, gefolgt von Reaktionen, die einen visuellen Bezug zum Zielwort aufweisen. Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen benennen Bilder häufiger fehlerhaft und langsamer als gleichaltrige ungestörte Kinder (Kail et al. 1984, Johnson et al. 1996, Lahey & Edwards 1996,1999, Constable et al. 1997, McGregor 1997, Menyuk 1997, Dockreil et al. 2000,2001, McGregor et al. 2002b). Studien, die darüber hinaus auch die Fehlermuster betrachteten, kamen zu dem Ergebnis, dass die Fehlertypen sprachentwicklungsgestörter Kinder denen ungestörter Kinder ähneln, obwohl zum Teil subtile Unterschiede bestehen. So fanden Lahey und Edwards (1999), McGregor (1997) und Dockreil et al. (2000) einen größeren Anteil phonologischer Fehler, McGregor (1997) mehr unrelationierte Antworten, Lahey und Edwards (1999) mehr semantische Assoziationen und Dockrell et al. (2001) mehr unspezifische Allzweckverben. Der stabile Befund einer Benenneinschränkung ist als Symptom und Niederschlag einer allgemeinen lexikalischen Problematik nicht verwunderlich. Bei vielen sprachentwicklungsgestörten Kindern werden Wörter später erworben, der Lexikonerwerb verläuft verzögert, die lexikalische Vielfalt ist eingeschränkt, das mentale Lexikon weniger organisiert und strukturiert, der Wortabruf instabiler. Das eingeschränkte Wissen über Wörter zeigt sich auch bei älteren Kindern noch darin, dass Wörter schlechter definiert werden können (Marinellie & Johnson 2002). Innerhalb des gesamten Phänomenbereichs der lexikalischen Störungen sind unterschiedliche Störungsschwerpunkte möglich (Kauschke & Rothweiler im Druck). Diese umfassen Störungen im Lexikoninventar, Störungen der Wortbedeutung oder Bedeutungsorganisation, Störungen im Wortformlexikon (d. h. der phonologi2
vgl. auch Kapitel 2.2.4 zu wortartspezifischen Fehlermustern.
112 sehen Repräsentationen) oder Beeinträchtigungen des lexikalischen Zugriffs. Jede dieser Störungsausprägungen kann letztlich zu eingeschränkten Benennleistungen führen, die dann auf jeweils unterschiedlichen Stufen des Benennprozesses zustande kommen. Für den individuellen Fall ist somit zu prüfen, auf welcher Ebene das funktionale Defizit entsteht. Lahey und Edwards (1996) sehen eine allgemeine Reaktionsverlangsamung als Ursache für Benennprobleme an, während McGregor (1997, auch McGregor et al. 2002a, b) sowie Dockrell et al. (2001) argumentieren, dass die Aspekte der Speicherung der Wortbedeutung und des Wortabrufs in einem komplexen Zusammenspiel zu sehen sind. Für sprachunauffällige sowie für sprachgestörte Kinder gelte, dass der Grad des gespeicherten Wissens im semantischen Lexikon Wörter mehr oder weniger anfällig für Abrufprobleme mache. Benennaufgaben sind ein Instrument, das für Sprachentwicklungsphänomene und -auffälligkeiten im lexikalischen Bereich sensitiv ist und auch zu einer Differentialdiagnostik im Sinne der Identifikation des Störungsschwerpunktes verhelfen kann. Zu einer Lokalisation des funktionalen Defizits können zum einen die Fehlermuster der Kinder beitragen (Lahey & Edwards 1999, Glück 2002, McGregor et al. 2002b, Kauschke & Rothweiler im Druck). Bei einer unzureichenden Speicherung der Wortform oder bei einem gestörten Zugriff auf die Wortform entstehen vorwiegend phonologische Paraphasien, während ein ungenügend strukturiertes mentales Lexikon oder defizitäre semantische Repräsentationen eher zu semantischen Substitutionen oder zur Verwendung unspezifischer Oberbegriffe führen. Weitere Hinweise können durch einen Vergleich produktiver und rezeptiver Leistungen gewonnen werden. Eine Einschränkung in beiden Modalitäten, d. h. beim Bildbenennen und beim Verstehen von Wörtern, weist auf ein generell reduziertes Lexikoninventar hin, während eine vorherrschende Benennproblematik mit unvollständigen, instabilen oder unzureichend vernetzten lexikalischen Einträgen und/oder mit Zugriffsstörungen in Verbindung gebracht werden kann. Auch Variationen der Benennanforderung wie Tests zur automatisierten Schnellbenennung werden zur Aufdeckung von Abrufproblemen genutzt (für das Deutsche Glück 2001). Die Betrachtung von Fehlertypen und Modalitätseffekten zur Ableitung von Hypothesen über die funktionale Quelle von Benennstörungen findet in ähnlicher Weise im Zusammenhang mit aphasischen Wortproduktionsstörungen Anwendung (Berndt et al. 1997, Kim & Thompson 2000). Fehler beim Benennen sind somit zum einen durch Eigenschaften der Bild- und Wortstimuli, zum anderen durch die Fähigkeiten der Versuchspersonen bedingt. Bei Kindern mit noch nicht abgeschlossener Sprachentwicklung ergeben sich aufgrund der noch nicht ausgereiften semantischen Systeme Fehlbenennungen, die bei sprachentwicklungsgestörten Kindern noch deutlicher hervortreten. Allerdings kann es auch bei ungestörten erwachsenen Sprechern zu vereinzelten Auffälligkeiten kommen. Damit wird das Problem der Abgrenzung von Benennfehlern und Versprechern berührt. Kurzfristige Störungen des Wortzugriffs äußern sich in Versprechern, deren systematisches Auftreten seit langem als Möglichkeit genutzt wird, um Einblick in ungestörte Abläufe zu gewinnen (Berg 2003). Die psycholinguistisch orientierte Ver-
113 sprecherforschung bezieht sich überwiegend auf Daten von ungestörten Erwachsenen; Untersuchungen zu kindlichen Versprechern liegen in weitaus geringerem Umfang vor (siehe Poulisse 1999). B e i ungestörten Erwachsenen kann davon ausgegangen werden, dass kurzfristige Verarbeitungsbeeinträchtigungen zu Fehlreaktionen im Sinne von Versprechern führen, obwohl die Repräsentation lexikalischen und grammatischen Wissens an sich intakt und ausgereift ist. Eine Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Verarbeitungsanteilen bei kindlichen Benennfehlern ist weitaus schwieriger. Kindliche Benennfehler können zustande kommen, weil das sprachliche Wissen entwicklungsbedingten Einschränkungen unterliegt oder aber in geringerem Ausmaß - aufgrund momentaner Funktionsstörungen im Zugriffsprozess. Zu einer Abgrenzung zwischen Repräsentations- und Verarbeitungsanteilen schlägt Bowerman (1978) vor, fehlerhafte Wortproduktionen von Kindern nur dann als Versprecher zu werten, wenn die betreffenden Wörter in anderen Kontexten bereits wiederholt korrekt produziert wurden. Nur so könne unterschieden werden, ob beispielsweise eine semantische Substitution auf eine kurzfristige Unsicherheit bei der lexikalischen Selektion oder aber auf ein noch nicht voll entwickeltes oder unzureichend strukturiertes semantisches System zurückzuführen sei. Obwohl die Abgrenzung von entwicklungsbedingten Fehlproduktionen und reinen Versprechern methodisch nicht unproblematisch ist, kann das Benennen bei Kindern angesichts des relativ seltenen Auftretens von Versprechern als eine sinnvolle Methode eingesetzt werden, um Einblick in den Stand des semantischen und lexikalischen Wissens von Kindern zu erhalten.
6
Fazit
Der Forschungsüberblick über die Charakteristika von Nomen und Verben und die daraus resultierenden psycholinguistischen Konsequenzen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Nomen und Verben -
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beziehen sich in unterschiedlicher Weise auf außersprachliche Gegebenheiten, wobei für prototypische Vertreter ein semantischer Kern ausgemacht werden kann, der für die Wortart charakteristisch ist. weisen unterschiedliche sprachstrukturelle Merkmale auf, die stark einzelsprachabhängig sind. Die bestehenden Kategoriedifferenzen bilden keine klare Dichotomie ab, Nomen und Verben sollten eher als Pole auf einem Kontinuum verstanden werden. sind in Abhängigkeit von der jeweiligen Einzelsprache mehr oder weniger klar voneinander abzugrenzen. Das Ausmaß der Distinktion der beiden Wortarten ist in verschiedenen Sprachen unterschiedlich stark ausgeprägt. zeichnen sich durch charakteristische Eigenschaften aus, die von Kindern im frühen Spracherwerb als cues für die Kategorisierung von Einzelwörtern zu Wortklassen genutzt werden. sind im kindgerichteten Input mit sprachspezifisch unterschiedlicher Frequenz und Salienz vertreten. unterliegen wortarttypischen Entwicklungsverläufen im kindlichen Spracherwerb, die ebenfalls von der Einzelsprache abhängen. In den meisten Sprachen werden Nomen vor Verben erworben, das quantitative Verhältnis der Wortarten zueinander variiert stark in Abhängigkeit von der Sprache. werden in unterschiedlicher Weise von ungestörten erwachsenen Sprechern verarbeitet, wobei Nomen oft leichter verarbeitet werden als Verben. Auf die Verarbeitung wirken sich bestimmte Einflussfaktoren aus, dabei sind für Nomen und Verben jeweils unterschiedliche Parameter maßgeblich. lassen sich weiter intern subklassifizieren, wobei die Subkategorien innerhalb von Nomen und Verben ebenfalls zu Verarbeitungsdifferenzen führen. sind in noch nicht ausreichend erforschter Weise an spezifische neuronale Substrate gebunden. sind in unterschiedlichem Ausmaß resistent gegen erworbene Sprachstörungen und in noch nicht genau bekannter Weise mit Grammatikstörungen assoziiert. sind auch bei Sprachentwicklungsstörungen betroffen; dabei ist unklar, ob Verben eine besondere Schwierigkeit darstellen. können mit der Methode des Bildbenennens überprüft werden, wobei außer der Wortart weitere lexikalische Parameter eine Rolle spielen.
115 Der Erwerb, die Verarbeitung und die Störbarkeit von Wörtern werden von der Wortart und ihren Subkategorien offensichtlich beeinflusst. Der bis hierher erfolgte Forschungsüberblick hat Tendenzen für Kategorieeffekte aufgezeigt, für eindeutige Charakterisierungen in dem Sinne „Nomen sind leichter zu verarbeiten, werden generell früher erworben und sind weniger störanfällig" konnten jedoch empirische Gegenargumente gefunden werden. Dennoch zeichnete sich ein Vorteil für Nomen ab, der im Erwerb vor allem bei Verwendung von Befragungsdaten (Checklisten) und unter bestimmten experimentellen Bedingungen auch bei Erwachsenen auftrat. Noch nicht geklärt ist, auf welchen Faktor die unterschiedliche Zugänglichkeit von Nomen und Verben für psycholinguistische Prozesse zurückzuführen ist. Die Wortartzugehörigkeit eines Wortes lässt sich nicht auf einen einzigen definierenden Faktor reduzieren, sondern resultiert aus einer sprachspezifischen Bündelung verschiedener Kriterien. In die Wortartinformation fließen semantische, morphologische, syntaktische und weitere Faktoren ein, die in ihrer Gesamtheit zu einer Kennzeichnung der Wortart und zur Differenzierbarkeit gegenüber anderen Wortarten beitragen. Wie sich diese wortartkonstituierende Bündelung von typischen Merkmalen auf Erwerbs- und Verarbeitungsprozesse im Deutschen und auf Erwerbsverläufe in weiteren Sprachen auswirkt, ist Gegenstand des empirischen Teils dieser Arbeit. Da sich Nomen und Verben durch unterschiedliche Faktoren charakterisieren lassen, ist die Erwartung von wortarttypischen Effekten bei der Sprachverarbeitung plausibel. Unter der Annahme, dass Kinder im Spracherwerb dieselben Quellen nutzen und denselben Einflüssen unterliegen, die auch bei Erwachsenen eine Rolle spielen, sind auch wortartspezifische Erwerbsverläufe erwartbar. Obwohl ein Konsens darüber besteht, dass Nomen und Verben zum Grundinventar jeder Sprache gehören (Wierzbicka 2000: 285), erschweren typologische Unterschiede zwischen Einzelsprachen eine universelle Klassifizierung von Wortarten. Deshalb wird auch untersucht, ob etwaige Erwerbs- und Verarbeitungsunterschiede zwischen Nomen und Verben sprachübergreifend erscheinen oder sich in Abhängigkeit von der Einzelsprache unterscheiden. Eine weitere Frage richtet sich darauf, ob sich eine der Wortarten unter pathologischen Bedingungen als besonders störbar erweist. In den im empirischen Teil dieser Arbeit präsentierten Studien zur Verarbeitung von Nomen und Verben wird mit Wortmaterial gearbeitet, das hinsichtlich des semantischen Gehalts eindeutig ist. Die Kategorie der Nomen wird ausschließlich durch konkrete Objektbegriffe repräsentiert, die der Verben ausschließlich durch Wörter mit einem klaren Handlungsbezug. Somit wird eine prototypische, unmarkierte Konstellation gewahrt, bei der sich die Wortart und der inhaltliche Kern in typischer Weise entsprechen. Semantische und konzeptuelle Faktoren sind insbesondere beim Bildbenennen und in Wortverständnisaufgaben (Wort-BildZuordnung) in hohem Maße wirksam, beim lexikalischen Entscheiden über schriftlich vorgegebene Wortstimuli dagegen weniger einflussreich. Da außerdem
116 auch Subkategorien wie transitive und intransitive Verben Gegenstand der Studien sind, ist keine Beschränkung auf semantische Aspekte gegeben: Durch die Betrachtung des Einflusses der Argumentstruktur geraten auch syntaktische Faktoren in den Blick.
7
Empirischer Teil
7.1
Hypothesen
Der Fokus der im Folgenden präsentierten empirischen Untersuchungen liegt auf dem Erwerb und der Verarbeitung von Nomen und Verben und beleuchtet damit die psycholinguistische und die patholinguistische Dimension der Nomen-VerbThematik. In Bezug auf Entwicklungsverläufe werden darüber hinaus Sprachvergleiche angestellt. Da es sich um eine Vielzahl von Einzelstudien handelt, werden an dieser Stelle eher generelle Fragen und Hypothesen formuliert, die später zum Teil durch weitere Detailaspekte und spezifische Annahmen ergänzt werden. Den nachfolgend formulierten Hypothesen liegt die zentrale Annahme zugrunde, dass sich die Wortarten Nomen und Verben, die hier in ihrer prototypischen Form als Objekt- und Handlungsbegriffe verwendet werden, aufgrund ihrer unterschiedlichen formalen und semantischen Charakteristika auch in der menschlichen Sprachverarbeitung unterscheiden. Ist dies der Fall, so sollten sich Evidenzen für derartige Differenzen bei der Verarbeitung unter kontrollierten Bedingungen, im Erwerb und bei Sprachstörungen finden lassen. Im Vergleich der Erwerbsverläufe in verschiedenen Sprachen sollten sich zum einen Gemeinsamkeiten finden lassen, die auf die grundlegende und sprachübergreifend vorhandene Distinktion zwischen Nomen und Verben zurückzuführen sind. Unter der Annahme, dass sich sprachspezifische Gegebenheiten auf die Verarbeitung und den Erwerb auswirken, könnten sich in unterschiedlichen Sprachen darüber hinaus auch spezifische Erwerbsunterschiede zeigen. 1) Auftreten von Nomen und Verben in der Spontansprache bei Erwachsenen Inputeigenschaften wie die Auftretenshäufigkeit verschiedener Wortarten werden als wesentliche Einflussfaktoren auf die Wortartenentwicklung bei Kindern angesehen. Für das Deutsche ist jedoch nicht bekannt, in welchem quantitativen Verhältnis die Wortarten in der kindgerichteten Spontansprache stehen. Um den Einfluss der Inputsprache auf die Erwerbsfolge bei Kindern im Deutschen abzuschätzen, sind entsprechende Werte jedoch unbedingt erforderlich. Eine Wortartenzählung des kindgerichteten Inputs soll hier weiterhelfen. Vor den auf Testverfahren beruhenden Untersuchungen steht daher eine quantitative Analyse des Vorkommens von Nomen und Verben in der deutschen kindgerichteten Spontansprache. In Kapitel 2.2.3 wurde aufgezeigt, dass das quantitative Verhältnis zwischen Nomen und Verben im Input je nach Einzelsprache unterschiedlich ausfällt. So gibt es Sprachen, in denen ausgeglichene Häufigkeiten herrschen, sowie Sprachen, in denen eine Wortart häufiger vorkommt als die andere. Die bisherige Forschungslage1 ließ eine 1
vgl. Kapitel 2.2.3.
118 sprachenübergreifende Dominanz von Verben, zumindest für Verbtoken, erkennen, die sich ähnlich auch im Deutschen zeigen könnte. Da aber in einigen Studien auch eine höhere Nomenfrequenz im Input beobachtet wurde, lassen sich keine klaren, begründeten Hypothesen über die Verhältnisse im Deutschen ableiten. 2) Verarbeitung von Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen Als Grundlage für die weiteren Untersuchungen soll zunächst festgestellt werden, wie ungestörte Erwachsene mit Benennaufgaben umgehen, wobei die Korrektheit und die Geschwindigkeit des Benennens betrachtet werden. Da es sich bei dem verwendeten Material um relativ einfache Stimuli handelt, die auch mit jungen Kindern und sprachgestörten Personen eingesetzt werden, wäre zunächst zu vermuten, dass ungestörte Erwachsene in einer einfachen Benennaufgabe keine Probleme haben und somit sowohl die Nomen- als auch die Verbstimuli gleichermaßen korrekt benennen. Da jedoch einige Studien 2 fanden, dass eine größere interindividuelle Variabilität und Inkonsistenz beim Verbbenennen besteht (d. h. Versuchspersonen geben mehr unterschiedliche Antworten bei Verben als bei Nomen), in der Auswertung aber nur eine Reaktion als korrekt gewertet wird, könnte sich bei der Erfassung der Benenngenauigkeit ein Nomenvorteil ergeben. Deutlichere Unterschiede beim Benennen werden dagegen in Bezug auf die Reaktionszeiten erwartet. Hier wird aufgrund der recht unstrittigen Forschungslage angenommen, dass Bilder von Objekten schneller benannt werden können als Bilder, die Handlungen darstellen. Auch die Subkategorie könnte einen Einfluss auf die Benenngenauigkeit und die Benenngeschwindigkeit haben. Für Nomen kann aufgrund von Befunden bei ungestörten und gestörten Personen 3 angenommen werden, dass Artefakte schneller und eventuell auch besser benannt werden können als natürliche Objekte. Für die Subkategorien innerhalb der Verben wird ein Verarbeitungsunterschied zwischen intransitiven und transitiven Verben erwartet, wobei aus bisherigen empirischen Befunden keine eindeutige Richtung dieser Differenz abgeleitet werden kann. Ob ein eventueller Nomen vorteil auch unter veränderten experimentellen Bedingungen auftritt, wird in einem Experiment zum lexikalischen Entscheiden geprüft. Bisher vorliegende Befunde weisen auf kürzere Reaktionszeiten beim Entscheiden über schriftliche Nomenstimuli im Vergleich zu Verbstimuli hin, wobei die Rolle konfundierender Variablen noch ungeklärt ist. Daher wird auch für das lexikalische Entscheiden im Deutschen ein Nomenvorteil erwartet. Da bei der Wort/ Nichtwort-Entscheidung über schriftliche Stimuli die Verarbeitung semantischer Faktoren eine geringere Rolle spielt als beim Bildbenennen, kann die Hypothese aufgestellt werden, dass sich die Wortart in einem geringeren Ausmaß auf die Reaktionszeit beim Entscheiden auswirkt. In Bezug auf die Subkategorien ist anzunehmen, dass sich ähnliche Effekte wie beim Benennen zeigen. 2 3
vgl. Kapitel 3.1. vgl. Kapitel 3.1 und 4.1.
119 3) Verstehen von Nomen und Verben bei ungestörten Kindern In Anbetracht des Verlaufs der Sprachentwicklung wird generell angenommen, dass sich die Leistungen im Wortverstehen bei Kindern im Vorschulalter stetig verbessern, wobei sich die deutlichsten Fortschritte in den frühen Phasen zeigen sollten. Da in vielen Sprachen von einer Dominanz von Nomen im frühen Lexikonerwerb berichtet wird, könnte sich unter der Annahme, dass sich die Muster in der produktiven und rezeptiven Entwicklung entsprechen, im Test ein rezeptiver Nomenvorteil zeigen. Allerdings ist es ebenso denkbar, dass die Wortverständnisleistungen bei den zu untersuchenden Kindern bereits so weit etabliert und gefestigt sind, dass sich Muster aus den ersten Phasen des Lexikonerwerbs nicht mehr in den rezeptiven Testergebnissen niederschlagen. 4) Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten Kindern Auch im Bereich der Wortproduktion wird eine Verbesserung der Benenngenauigkeit mit zunehmendem Alter erwartet. In Bezug auf Kategorieeffekte können unterschiedliche Annahmen getroffen werden. Die Entwicklung der Wortarten in der Spontansprache im Deutschen weist auf die Erwerbssequenz „Nomen vor Verben" hin (Kauschke 2000), außerdem überwiegen Nomen quantitativ bis zu einem Alter von 21 Monaten. Analog dazu könnte ein Nomenvorteil beim Benennen, zumindest für die jüngeren Altersgruppen, angenommen werden. Andererseits haben sich die Frequenzverhältnisse bereits mit 36 Monaten dahingehend verändert, dass Kinder in diesem Alter mehr Verbtypes und Verbtoken als Nomentypes und Nomentoken spontan produzieren. Insofern könnte vor allem bei den älteren Kindern ein Aufholen der Verben und damit eine Annäherung der Wortarten vermutet werden. Wenn Subkategorieeffekte auftreten, so sollten diese den Mustern entsprechen, die sich auch bei Erwachsenen zeigen. Außer der quantitativ zu ermessenden Benenngenauigkeit sollen auch qualitative Auswertungen der Fehlermuster durchgeführt werden. Nach den Ergebnissen von Benennstudien 4 ist zu erwarten, dass die Strategien, auf die Kinder bei Benennunsicherheiten ausweichen, für Nomen und Verben unterschiedlich ausfallen. Die semantischen Besonderheiten der Wortarten sollten insbesondere in einer detaillierten qualitativen Analyse zutage treten. 5) Vergleich zwischen produktiven und rezeptiven Leistungen bei ungestörten Kindern In einem direkten Vergleich zwischen Wortverstehen und Wortproduktion bei derselben Stichprobe ist anzunehmen, dass die rezeptiven Leistungen über den produktiven liegen. Eine Dissoziation zwischen Wortverständnis und Wortproduktion gilt als robustes und sprachübergreifendes Phänomen der frühen Lexikonentwicklung (Bates et al. 1995, Clark 1995, Harris et al. 1995). Häufig wurde beschrieben, dass Kinder wesentlich mehr Wörter verstehen als sie produzieren und dass der Beginn des Wortverstehens und der Wortproduktion zeitlich auseinanderklaffen. Die4
vgl. Kapitel 2.2.4.
120 se Differenz sollte auch unter kontrollierten Bedingungen auftreten. Goldfield (2000) argumentiert anhand der Befunde ihrer Studie, dass die Lücke zwischen Verstehen und Produktion bei Verben größer sei als bei Nomen. Während ein relativ hoher Anteil erworbener Nomen auch von Kindern produziert werde, da die Bezugspersonen das Benennen von Gegenständen explizit fordern, werden die bekannten Verben seltener realisiert, was damit zusammenhänge, dass Eltern eher ein angemessenes Reagieren auf Handlungsanforderungen erwarten, nicht jedoch das Verbalisieren von Aktionen. Wenn man davon ausgeht, dass die pragmatischen Faktoren und interaktionalen Verhaltensweisen, die bei einer amerikanischen Stichprobe gefunden wurden, auch im Deutschen gelten, könnte die Diskrepanz zwischen Produktion und Rezeption in Abhängigkeit von der Wortart unterschiedlich ausfallen. 6) Benennen und Verstehen von Nomen und Verben bei koreanischen Kindern Die Reichweite der empirischen Untersuchung wird durch die Einbeziehung weiterer Einzelsprachen ausgedehnt. Sollte der Umgang mit Nomen und Verben vorrangig auf kognitiven Faktoren und allgemeinen Prinzipien wie der leichteren Wahrnehmbarkeit von Objekten beruhen, wie Gentner (1982) postuliert, so sollten sich wortartspezifische Effekte beim Benennen eher sprachübergreifend zeigen. Wenn sich j edoch sprachspezifische Faktoren stärker auf Verarbeitung der Wortkategorien auswirken, sollten sich im Sprachvergleich größere Differenzen zeigen. Im Vergleich des Deutschen mit einer „verbfreundlichen" Sprache wie dem Koreanischen könnten sprachspezifische Unterschiede auftreten. Zum Koreanischen liegen umfangreiche Untersuchungen vor, die auf ein größeres Gleichgewicht im Anteil von Nomen und Verben im spontanen Gebrauch hinweisen. Sollten sich derartige Erwerbsdifferenzen auch in Benenn- oder Verständnisaufgaben zeigen, könnten verschiedene Effekte vermutet werden: Zum einen könnte die Leistungsdifferenz zwischen Nomen und Verben im Koreanischen ausbleiben oder geringer ausgeprägt sein als im Deutschen. Zum anderen könnten Leistungsunterschiede zwischen den untersuchten Sprachen auftreten; hier wären aufgrund der bisher verfügbaren Erwerbsdaten entweder eine bessere Leistung der koreanischen Kinder beim Benennen von Verben oder eine Überlegenheit der deutschen Kinder bei Nomen denkbar. 7) Benennen von Nomen und Verben bei türkischen und englischen Kindern Die zweite in die Untersuchung miteinbezogene Sprache ist das Türkische. Im Gegensatz zum Koreanischen liegen kaum empirische Befunde über den Wortartenerwerb im Türkischen vor, anhand derer Hypothesen abgeleitet werden könnten. Da das Türkische sprachstrukturelle Gemeinsamkeiten mit dem Koranischen aufweist, wäre jedoch anzunehmen, dass sich die Profile der türkischen und koreanischen Kinder ähneln und möglicherweise mit den im Deutschen zu beobachtenden Mustern kontrastieren. Eine weitere interessante Fragestellung, zu der keine eindeutigen Hypothesen formuliert werden, richtet sich auf mögliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen deutschen und türkischen Kindern im Umgang mit Be-
121 nennproblemen. Hier soll ein Vergleich der Fehlermuster weiteren Aufschluss geben. Das Englische wurde oft als nomenfreundliche Sprache beschrieben, 5 was gute Nomenleistungen erwartbar macht. Andererseits ist die Wortartzugehörigkeit von vielen Wörtern im Englischen aufgrund umfangreicher Konversion mit homonymen Nomen- und Verbformen weniger eindeutig als im Deutschen, so dass die Nomen-Verb-Diskrepanz möglicherweise geringer ausfallen könnte als bei den deutschen Kindern. 8) Benennen von Nomen und Verben bei Aphasie Einschränkungen beim Wortabruf sind häufig beschriebene Symptome bei Aphasien, was zu der Erwartung führt, dass aphasische Patienten Defizite beim Benennen von Nomen und/oder Verben zeigen. Wesentliche Fragen sind, ob eine der Kategorien besonders störanfällig bei Aphasie ist und ob es doppelte Dissoziationen zwischen dem selektiven Erhalt bzw. der Beeinträchtigung der beiden Wortarten bei verschiedenen Patienten oder Patientengruppen gibt. Wie der Forschungsüberblick6 gezeigt hat, können sowohl Nomen als auch Verben selektiv beeinträchtigt sein. Selektive Nomendefizite werden dabei oft mit flüssigen, anomischen Aphasieformen in Verbindung gebracht, während Verbdefizite oft mit agrammatischen Störungen einhergehen. Es wurde aber auch deutlich, dass kategoriespezifische Störungen nicht eindeutig mit bestimmten Aphasieformen verbunden werden können. Sowohl die Erwartung, dass Verben als die sprachlich komplexere Wortart generell anfälliger bei erworbenen Sprachstörungen sind, als auch die Erwartung, dass Verbdefizite vorrangig im Zusammenhang mit dem Agrammatismus auftreten, wären angesichts des aktuellen Forschungsstandes plausibel. In Bezug auf die Subkategorien kann erwartet werden, dass Artefakte besser benannt werden können als natürliche Objekte. Bei den Subkategorien der Verben lassen sich anhand der divergierenden Forschungsergebnisse keine klaren Voraussagen treffen. 9) Benennen und Verstehen von Nomen und Verben bei sprachentwicklungsgestörten Kindern Wie Kapitel 4.2 zeigte, besteht für spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder eine derzeit offene Debatte darüber, ob Verben eine besonders störanfällige Kategorie darstellen. Neuere empirische Befunde stellen die ursprüngliche Annahme eines hervorstechenden Verbdefizites bei SSES in Frage. Im Anschluss an diese Studien könnte vermutet werden, dass sich generelle lexikalische Probleme zeigen, also sowohl Nomen als auch Verben in Vergleich zu gleichaltrigen ungestörten Kindern betroffen sind. Dies soll anhand von Verstehens- und Benennleistungen überprüft werden. Verbdefizite wären jedoch insbesondere für Kinder mit Grammatikstörungen zu erwarten, da Verben mehr syntaktische Informationen erhalten als Nomen 5
vgl. Kapitel 1.8.2.
6
vgl. Kapitel 4.1.
122 und daher eine größere Anforderung an grammatisch gestörte Kinder stellen. Um eine solche Problematik bei SSES-Kindern mit Auffälligkeiten auf der grammatischen Ebene nachzuweisen, müsste die Diskrepanz zwischen Nomen und Verben größer sein als die Differenz, die für ungestörte Kinder erwartet wird.
7.2
Material und M e t h o d e
In den folgenden Untersuchungen mit gestörten und ungestörten Kindern und Erwachsenen in verschiedenen Sprachen wurden vorrangig Benenntests, zum Teil auch Wortverständnistests verwendet; außerdem kam eine Aufgabe zum lexikalischen Entscheiden hinzu. Die Kriterien für die Konstruktion des Materials werden nun genauer dargestellt. Bei der Entwicklung von Testmaterial zur Verarbeitung von Nomen und Verben im Deutschen wurden als Zielitems Objekt- und Handlungsbegriffe ausgewählt, die prinzipiell bildlich darstellbar sind. Zunächst wurden linguistische Konstruktionskriterien festgelegt, um kontrollierte und vergleichbare Itemlisten zu gestalten. Die Nomen sind ein- oder zweisilbig, die Verben zweisilbig im Infinitiv. Sämtliche Items sind monomorphematisch (mit Ausnahme des -erc-Suffixes bei Verben im Infinitiv), d.h. es wurden keine Komposita oder Derivata, keine Pluralformen und keine Präfix- oder Partikelverben ausgewählt. Reflexivverben wurden nicht verwendet. Sämtliche Nomen sind Konkreta, die sich auf ganze Objekte beziehen, die Verben sind Handlungs- und Zustandsverben, die ein AgensSubjekt erfordern. Durch den klaren Objekt- bzw. Handlungsbezug der ausgewählten Items handelt es sich um unmarkierte, prototypische Vertreter von Nomen und Verben. Anhand dieser Kriterien wurde eine initiale Wortliste erstellt, die 310 Objektbegriffe und 139 Handlungsbegriffe enthielt. Diese Liste wurde im Zuge weiterer Verfahren zunehmend eingeschränkt. Zur ersten Vorauswahl geeigneter Items wurde durch ein Rating mit 20 erwachsenen Personen überprüft, welche der zunächst intendierten Zielwörter als eindeutig abbildbar eingeschätzt wurden. Bei der Auswahl der Wörter wurden dann Subkategorien innerhalb der Wortarten berücksichtigt: Das Nomenset besteht jeweils zur Hälfte aus unbelebten Objekten (genauer: man-made Objekte im Sinne von Artefakten) und zur Hälfte aus belebten bzw. natürlichen Objekten. Unter den natürlichen Objekten sind Tiere, Pflanzen und Naturphänomene vertreten, die Artefakte setzen sich aus Vertretern der semantischen Felder Haushaltsgegenstände, Kleidung, Werkzeuge und sonstige Artefakte zusammen. Bei den Verben sind jeweils zur Hälfte transitive und intransitive Verben vertreten. Die Belebtheit und die Transitivität der Items wurde durch ein Rating mit jeweils 30 erwachsenen Versuchspersonen ermittelt (siehe Hiller 1998, Neumann 1998). Nur Items, die hinsichtlich der Subkategorie eindeutig beurteilt wurden, da mindestens zwei Drittel der Personen zu einem übereinstimmenden Ergebnis kamen, wurden in das Itemset aufgenommen.
123 Um einen Einfluss des Erwerbsalters zu kontrollieren, wurde das Alter der spontanen Produktion der Items durch Elternbefragungen erhoben. Insgesamt 80 Betreuungspersonen von Kindern in vier Altersstufen (2;06 bis 4;06 Jahre, eingeteilt in Altersgruppen von jeweils 6 Monaten) sollten einschätzen, ob ihr Kind das angegebene Wort bereits spontan produziert. Bei der Bestätigung der Produktion für mindestens 70 % der Kinder wurde die jeweilige Altersgruppe als Alter der spontanen Wortproduktion gewertet. Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde bei der Wortauswahl für die beiden Hauptwortarten und für die Subkategorien ein Matching nach dem ermittelten Erwerbsalter vorgenommen. Danach ist die Verteilung des Erwerbsalters in jeder Kategorie und Subkategorie vergleichbar, so dass eine Konfundierung von Wortart und Erwerbsalter vermieden wird. In Tabelle 1 sind die Testitems mit Angabe des Alters der spontanen Produktion zusammengestellt. Nach der Kontrolle der genannten Parameter (Silbenzahl, morphologische Komplexität, Subkategorie, Konkretheit, Abbildbarkeit, Erwerbsalter) wurden Schwarz-
Tabelle 1: Items des Benenntests, mit Matching für das Erwerbsalter, aufgelistet in alphabetischer Reihenfolge Alter der spontanen Produktion
natürliche Objekte
man-made Objekte
intransitive Verben
transitive Verben
2;06-2;ll
Apfel Baum Birne Fisch Hahn Igel Mond Sonne Spinne Stern
Auto Besen Brille Hammer Hut Korb Leiter Schlitten Schlüssel Uhr
bellen klettern lachen rutschen schlafen sitzen springen spucken tanzen weinen
gießen kaufen kitzeln küssen schieben schneiden schubsen tragen werfen ziehen
3;00-3;05
Insel Pilz Schwan Zebra Zwiebel
Bank Drachen Kleid Zaun Zelt
kämpfen krabbeln niesen schwimmen zaubern
füttern kneifen messen öffnen pflücken
3;06-3;ll
Krebs
Zopf
tauchen
retten
4;00-4;05
Pfau Ratte
Kreuz Schürze
gähnen wandern
grüßen wiegen
Übungsitems
Kirsche
Tisch
rennen
lesen
124 Weiß-Zeichnungen von Objekten und Handlungen angefertigt. Bei der anschließenden Überprüfung der Benennübereinstimmung mit 65 Erwachsenen mussten mindestens 80 % der Befragten eine übereinstimmende Benennung produzieren, damit das Wort in die Itemliste aufgenommen werden konnte. In wenigen Ausnahmefällen musste ein Synonym zum intendierten Zielwort akzeptiert werden, da sich sonst keine ausreichende Benennübereinstimmung eingestellt hätte. So werden „Krebs" und „Krabbe" sowie „kneifen" und „zwicken" als alternative Antworten gewertet, für das Items „kaufen" musste auch die Variante „einkaufen" akzeptiert werden. Die durchschnittlichen Werte für die Benennübereinstimmung bei allen Nomen im Vergleich zu allen Verben zeigen keine signifikanten Unterschiede. Das endgültige Testmaterial umfasst zwei Bildersets, d. h. ein Nomenset und ein Verbset von je 36 Prüfitems mit je 2 Übungsitems. Die Frequenz jedes Testitems wurde über die CELEX-Datenbank (Baayen et al. 1995) ermittelt, wobei die Werte für die gesprochene Frequenz sowie für die gemischte Frequenz (schriftlich und mündlich) erhoben wurden. Mittelwertvergleiche zeigen, dass die durchschnittliche (gesprochene sowie gemischte) Frequenz der Verben etwas höher liegt als die der Nomen, jedoch keine signifikanten Wortartenunterschiede hinsichtlich der Frequenz bestehen. Auch innerhalb der Subkategorien bestehen keine Frequenzunterschiede. Die von 80 Versuchspersonen eingeschätzte visuelle Komplexität der Bilder liegt für Verben signifikant höher als für Nomen (p < .05 im T-Test); ein Effekt, der auch in anderen Materialsammlungen zu finden ist (siehe Druks & Masterson 2000). Werte zur Vorstellbarkeit (imageability) der Zielwörter wurden über ein Rating mit 60 deutschen Erwachsenen erhoben. Hier schätzten die Versuchspersonen auf einer Skala ein, wie leicht sie sich ein Bild bzw. eine innere Vorstellung von dem vorgegeben Wort machen können. Die Vorstellbarkeit der Verben fiel dabei geringer aus als die der Nomen (p < .001 im T-Test). Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass sich die Nomen- und Verbitems nicht hinsichtlich des spontanen Erwerbsalters, der Frequenz und der Benennübereinstimmung unterscheiden. Unterschiede zeigen sich in Bezug auf die Wortlänge (gemessen in Graphemen), auf die visuelle Komplexität und auf die Vorstellbarkeit: Die Verben sind tendenziell länger und schlechter vorstellbar; die Handlungsbilder werden als visuell komplexer eingeschätzt als die Objektbilder (zu detaillierten Angaben über die Itemcharakteristika siehe Kauschke & Postler, eingereicht). In Ergänzung zum Benenntest wurde auch eine rezeptive Variante in Form eines Wortverständnistests entwickelt (siehe Balders 2003). Die Zielitems des produktiven Tests wurden beibehalten, dazu wurden jeweils zwei semantische Ablenker hinzugefügt. Einer der beiden Ablenker steht in einer semantisch engen Beziehung zum Zielwort, der zweite in einer semantisch weiteren Relation. Zur ersten Auswahl der Ablenker und zur Bestimmung der semantischen Nähe wurde ein Rating mit 50 Versuchspersonen durchgeführt, die die Bedeutungsähnlichkeit verschiedener Begriffe auf einer Skala einschätzen sollten. Als nahe bzw. weite Ablenker wurden Wörter ausgewählt, die sich in der Bewertung durch die Probanden im Mittelwert eindeutig vom Zielwort und voneinander unterschieden. Zur Absicherung wurde
125 ein weiteres Rating durchgeführt, bei dem 40 Probanden das Zielwort mit zwei weiteren Begriffen (den zuvor ermittelten Ablenkern) präsentiert wurde; die Versuchspersonen sollten dann das dem Zielwort ähnlichere Item bestimmen. Die so gewonnene Itemliste wurde in farbige Bilder umgesetzt. Bei den Verbdarstellungen wurde darauf geachtet, dass die abgebildeten Handlungen von denselben Personen ausgeführt werden, so dass sich die Bilder nur in der ausgeführten Aktion unterscheiden. Nach der Erstellung des rezeptiven Tests konnte auch eine farbige Variante des Benenntests hergestellt werden, da das Zielbild in den drei Auswahlbildern des rezeptiven Tests enthalten war. In den folgenden Studien wird jeweils darauf hingewiesen, mit welcher Darstellungsvariante beim Benennen gearbeitet wurde.7 Die Methode des Benenntests besteht in einer einfachen Benennung nach Vorlage der einzelnen Bilder, gegebenenfalls werden Elizitierungsfragen („Was ist das?" bei Nomen, „Was macht der/die?" bei Verben) eingesetzt. Das Nomen- und das Verbset werden nacheinander präsentiert, so dass die Wortart innerhalb eines Testdurchgangs homogen bleibt. Der rezeptive Test erfolgt durch eine Wort-BildZuordnungsaufgabe bei Vorlage eines Blattes mit drei Abbildungen, die das Zielitem, den nahen und den weiten Ablenker darstellen (Beispiel: „Zeig mir: Schlitten" bei Präsentation von „Schlitten", „Ski" und „Roller" oder „Zeig mir: schwimmen" bei Präsentation von „schwimmen", „planschen" und „turnen").
7.3
Aufbereitung und statistische Auswertung der Daten
Die Reaktionen der Probanden in den jeweiligen Untersuchungen wurden zunächst in Excel-Tabellen niedergelegt. Die Bearbeitung der Reaktionszeitdaten zum lexikalischen Entscheiden wird unter 7.4.1.3 beschrieben. Zur Bestimmung der Benenngeschwindigkeit wurde die Reaktionszeit jedes Probanden bei jedem korrekt genannten Item eingetragen. In der Mehrzahl der folgenden Studien wurde mit Werten zur Benenngenauigkeit gearbeitet. Dazu erfolgte eine Bewertung der Antworten als richtig oder falsch. Als korrekte Antwort wurde das in der Benennübereinstimmung ermittelte Zielitem gewertet. Selbstkorrekturen wurden akzeptiert. Im Untertest „Verben" galt neben dem Infinitiv auch eine finite Form des Verbs als korrekt. Für einige Fälle, ζ. B. bei der Produktion von Präfix- und Partikelverben, wurden besondere Auswertungskonventionen festgelegt. In dieser Weise wurde für jedes überprüfte Item vermerkt, ob die Reaktion korrekt war oder nicht (0/1-Eintrag). Wurden auch die Fehlerstrategien beim Benennen ausgewertet, so wurde die Art jedes Fehlers kodiert. 8 Im rezeptiven Test wurde die Korrektheit der Reaktion Im Anhang A l findet sich eine Liste mit den Zielwörtern des Benenn- und Verständnistests sowie mit den Ablenkern des Verständnistests. Das Klassifikationssystem wird in 7.4.2.3 beschrieben.
126 vermerkt (0/1) und bei Verständnisfehlern gesondert abgetragen, ob der nahe oder weite Ablenker gezeigt wurde. Die Mittelwerte und sonstigen relevanten statistischen Kennwerte der Reaktionen wurden zunächst durch deskriptive Statistiken ermittelt. Da in den meisten Fällen zwei abhängige Variablen, nämlich die Leistungen für Nomen und Verben (bzw. für deren Subkategorien) untersucht werden sollten, wurden multivariate Varianzanalysen (ANOVAs, Bortz 1993:125ff.) gerechnet, um ein Modell der Daten zu erhalten. In Varianzanalysen wird untersucht, welcher Anteil in der Unterschiedlichkeit der Daten welchen Ursachen zuzurechnen ist, d. h., wie groß der Einfluss einer oder mehrerer unabhängiger Variablen auf eine oder mehrere abhängige Variablen ist. Als abhängige Variable werden die Variablen bezeichnet, deren Varianz untersucht wird, zum Beispiel die Anzahl korrekt benannter Nomen und Verben. Als Faktoren werden die unabhängigen Variablen bezeichnet, deren Effekt auf die abhängige Variable untersucht wird. Eine unabhängige Variable könnte das Alter der Probanden sein, so dass beispielsweise der Faktor Alter in acht Stufen (acht Altersklassen) besteht. In manchen Untersuchungen kommen weitere Faktoren hinzu, ζ. B. der zweistufige Faktor Sprache, wenn die Benennleistungen bei Probanden in zwei verschiedenen Sprachen verglichen werden. Wird mehr als eine unabhängige Variable betrachtet (ζ. B. Kinder aus zwei Sprachen in mehreren Altersgruppen) handelt es sich um mehrfaktorielle Untersuchungen. Das gewählte Design der Varianzanalyse wird bei der Darstellung der Ergebnisse für die jeweilige Studie genauer beschrieben. Im Allgemeinen wird der Anteil der Varianz aller Daten berechnet, der auf die unterschiedlichen experimentellen Bedingungen zurückzuführen ist, was sich durch signifikante Haupteffekte erweist. Bei den Varianzanalysen wird außerdem eine mögliche Interaktion der Effekte betrachtet, die das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren in ihrer Auswirkung auf die abhängigen Variablen beschreibt. Aus den Ergebnissen der ANOVA entsteht ein allgemeines Modell, das aufzeigt, welche Faktoren sich in welcher Weise auf die interessierenden Variablen auswirken. Geleitet durch dieses allgemeine Modell werden dann post-hoc-Tests vorgenommen. So werden in den meisten der folgenden Studien zahlreiche Mittelwertsvergleiche angestellt. Diese beziehen sich zum einen auf Kategorieunterschiede (Leistung bei Nomen gegenüber Verben, intransitiven gegenüber transitiven Verben, natürlichen Objekten gegenüber Artefakten) innerhalb einer bestimmten Sprache, Gruppe und Altersstufe. Zum anderen werden Gruppenvergleiche durchgeführt, die zum Beispiel dieselbe Leistung bei Kindern unterschiedlichen Alters, bei Kindern mit unterschiedlichen Muttersprachen oder bei gestörten und ungestörten Kindern vergleichen. Für die Kategorievergleiche werden T-Tests für abhängige Stichproben gewählt, da dieselben Probanden in unterschiedlichen Bedingungen untersucht werden. Für die Gruppenvergleiche, die sich auf unterschiedliche Stichproben beziehen, werden T-Tests für unabhängige Stichproben verwendet. Da nicht in jedem Fall alle Voraussetzungen für parametrische Verfahren wie den T-Test gegeben sind, ζ. B. wenn die Daten nicht durchgehend normalverteilt sind, werden zur Ergänzung und Absicherung grundsätzlich nichtparametrische Verfahren hinzugezogen. Diese sind gegenüber Verstößen ge-
127 gen die Normalverteilung robuster. Nicht-parametrische Mittelwertsvergleiche werden auch bei kleineren Stichproben eingesetzt. Für die Kategorievergleiche kommt hier der Wilcoxon-Test, für Gruppenvergleiche der Mann-Whitney-U-Test in Frage. Das hier kurz beschriebene generelle Vorgehen findet in mehreren der folgenden Untersuchungen Anwendung. Bei Einzelfällen und kleinen Stichproben werden Paarvergleiche wie der Chi-Quadrat-Test (Bortz & Lienert 1998:75ff.) verwendet. Bei allen Untersuchungen werden die ermittelten Signifikanzniveaus angegeben, wobei bei einem Wert von ρ < .05* von einem signifikanten Ergebnis, bei ρ < .01** von einem sehr signifikanten und bei ρ < .001*** von einem hochsignifikanten Ergebnis auszugehen ist. Alle statistischen Berechnungen wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS vorgenommen. 9
7.4
Ergebnisse
7.4.1
Empirische Untersuchungen I: Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen
7.4.1.1
Auftreten von Nomen und Verben in der Spontansprache bei Erwachsenen
Als Grundlage für die folgenden Untersuchungen sollte zunächst festgestellt werden, mit welcher Frequenz Nomen und Verben im spontanen Sprachgebrauch ungestörter Erwachsener auftreten. Dazu wurde zunächst die Wortartenverteilung in der kindgerichteten Sprache von Müttern anhand von Interaktionssituationen von 32 Mutter-Kind-Paaren untersucht. Die Wortartenentwicklung der Kinder desselben Korpus' wurde in Kauschke (2000) untersucht und beschrieben (siehe auch Kauschke & Hofmeister 2002). Die Kinder waren in dieser längsschnittlichen Untersuchung 13,15,21 und 36 Monate alt. Anhand der zehnminütigen Transkripte der Interaktionssituationen wurden nun sämtliche Wortproduktionen der Mütter als Types und als Token erfasst und einer Wortart zugeordnet. Dazu wurde ein Klassifikationssystem (siehe Anhang A 2 ) erstellt, das die Wortarten Nomen, Verben, Adjektive, personal-soziale Wörter, Adverbien, Pronomen, Funktionswörter, Partikeln und Sonstige umfasst. Bei den Nomen wurden Eigennamen gesondert klassifiziert, für die Verben standen weitere Subgruppen zur Verfügung, die die Transitivität des Verbs und die Realisierung obligatorischer und fakultativer Ergänzungen berücksichtigen. Es wurden intransitive, transitive und ditransitive Verben unterschieden; 9
Aus Platzgründen wurde darauf verzichtet, im Text oder im Anhang sämtliche statistischen Kennwerte und Ergebnisse aufzulisten. In der Habilitationsschrift der Verfasserin lassen sich jedoch alle Werte einsehen.
128 25%
20%
• Nomen —Verben -»-Adj —a— Pers-soc —a— Adverbien —*— Partikeln —©— Pronomen -*— Funkt Sonst
13 MON
15 MON
21 MON
36 MON
Abbildung 1: Wortartenverteilung für Types bei Müttern
bei transitiven und ditransitiven Verben wurde gesondert vermerkt, ob das vom Verb geforderte Objekt realisiert wurde oder nicht, was in grammatisch vollständigen Äußerungen (ζ. B. in „wir tun jetzt noch'n bisschen malen") oder bei transitiven Verben mit obligatorischer Objektergänzung in ungrammatischen Äußerungen (ζ. B. in „wollen wir mal aufdrehen") resultieren kann. Das grammatische oder ungrammatische Auslassen von Objekten wurde in gesonderten Kategorien erfasst. Als personal-soziale Wörter wurden interaktionsregulierende und expressive Äußerungen sowie Lautmalereien gewertet. Insgesamt wurden 47.849 Wörter (Token) klassifiziert, unter diesen waren 16.036 verschiedene Wörter (Types). An dieser Stelle steht das Auftreten von Nomen und Verben im Vordergrund. 10 Zur Berechnung der Ergebnisse können einerseits Rohwerte verwendet werden, die sich auf alle verfügbaren Datensätze beziehen. Dazu wurden die Vorkommen von Wörtern jeder Wortart zu einem Termin summiert und deren Anteil an allen (unterschiedlichen bzw. insgesamt geäußerten) Wörtern ermittelt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, für jeden Einzelfall zu errechnen, welchen Anteil eine bestimmte Wortart an allen von der betreffenden Person geäußerten Wörtern einnimmt und danach einen Mittelwert über die anteiligen Werte zu bilden. Beide Verfahren ergaben in Bezug auf die Verteilung der Wortarten am Gesamtvokabular vergleichbare Ergebnisse. Die für die folgende Darstellung ausgewählten Ergebnisse folgen dem letztgenannten Verfahren, bei dem die individuellen Verhältnisse besser erfasst werden. In die weite10
Eine umfassende Analyse der Wortartverwendung der Mütter mit Bezug zur Wortartenentwicklung der Kinder findet sich in Kauschke & Klann-Delius (eingereicht).
129 25%
—·— Nomen —Verben —•—Adj —a— Pers-soc —a— Adverbien —*— Partikeln —β— Pronomen - * - Funkt Sonst
Abbildung 2: Wortartenverteilung für Token bei Müttern ren statistischen Berechnungen mit Anteilswerten gingen die Werte der Mütter ein, von denen Daten für jeden der vier Untersuchungszeitpunkte vorlagen. So entstand eine Stichprobe von η = 28. Die Ergebnisse zeigen über die Zeit hinweg eine relativ stabile Lexikonkomposition bei den Müttern. Abbildung 1 und Abbildung 2 veranschaulichen den Prozentsatz der Wortarten am insgesamt geäußerten Vokabular. Während sich bei den Kindern im Entwicklungsverlauf deutliche Verschiebungen in der Dominanz der Wortarten ergaben (siehe Kauschke 2000), ist der Anteil der Wortarten bei den Müttern keinen so deutlichen Schwankungen unterworfen. Bei den Kindern war ein früher, dann abflauender Nomenzuwachs und ein späteres, lineares Wachstum der Verben zu beobachten, was zu einer Umkehrung des Nomen-VerbVerhältnisses führte, da nach der anfänglichen Nomendominanz mit 36 Monaten mehr Verben als Nomen produziert wurden. Bei den Müttern nehmen dagegen Verben durchgängig den größten Anteil am Gesamtwortschatz - bezogen auf Types - ein. Ihr Anteil von durchschnittlich etwa 22 % liegt zu jedem Zeitpunkt deutlich über dem der Nomen, der zwischen 11 % und 15 % (Durchschnitt 13,5 % ) beträgt. Bezogen auf die Token dominieren Funktionswörter, die als Elemente der geschlossenen Klasse häufig wiederholt werden, sowie Adverbien. Verben nehmen am Vokabular aller geäußerten Wörter (Token) Anteile zwischen 13 % und 16 % (Durchschnitt 14,7 % ) ein, während der Anteil der Nomen an allen Token nur bei ca. 9 % liegt. Die Frequenz der Verben übersteigt also sowohl in Types als auch in Token die Nomenhäufigkeit. Nomen und Verben als Vertreter der Inhaltswortarten nehmen - wie auch die Adjektive - einen höheren Anteil an Types als an Token ein, während Funktionswörter, Pronomen und Adverbien einen höheren Tokenanteil als Typesanteil zeigen. Mit Hilfe
130 von Friedman-Rangordnungstests wurde der prozentuale Anteil von Nomen und Verben über die vier Untersuchungszeitpunkte hinweg verglichen, so dass die Verlaufsrichtung bei wiederholten Messungen bestimmt werden konnte. Danach ergibt sich, dass die Nomen-Types im Verlauf des Untersuchungszeitraumes, also mit zunehmendem Alter der Kinder, signifikant zunehmen (p < .01). Aus den durchschnittlichen Rängen sowie aus der Wachstumskurve in Abbildung 1 geht hervor, dass sich dieser Anstieg zwischen dem zweiten und dritten Untersuchungszeitpunkt vollzieht, also zur selben Zeit, zu der auch bei Kindern der Anteil an Nomen deutlich ansteigt (Kauschke & Hofmeister 2002). D e r Friedman-Test für Verben weist auf einen hochsignifikanten Zuwachs bei den Token hin (p < .001), der zum letzten Zeitpunkt stattfindet. Aus der Inputanalyse ist zu schließen, dass Verben im kindgerichteten Input mit hoher Frequenz vorkommen und deutlich häufiger produziert werden als Nomen. Hinsichtlich ihrer Häufigkeit bieten Verben somit eher einen Erwerbsvorteil als Nomen. B e i der Auszählung der Subkategorien wurde deutlich, dass Eigennamen einen Anteil zwischen 7 % und 11 % der Nomen-Types einnehmen. D a Eigennamen, besonders der Name des Kindes, in der aktuellen Kommunikationssituation häufiger wiederholt werden, beträgt der Anteil von Eigennamen an den Nomen-Token zwischen 1 0 % und 1 9 % . Sowohl für Types als auch für Token ist zu beobachten, dass die Verwendung von Eigennamen mit zunehmendem Alter des Kindes abnimmt und im Alter von 36 Monaten 7 % (Types) bzw. 10 % (Token) beträgt. D i e interne Zusammensetzung des Verblexikons zeigt keine wesentlichen Veränderungen im Altersverlauf, wie aus Abbildung 3 hervorgeht. 45%
• intransitiv -•-transitiv transitiv-ohneObj. -•-modal - » · ditransitiv - · - ditransitiv-ohneObj.
13 MON
15 MON
21 MON
36 MON
Abbildung 3: Verteilung der Verb-Subkategorien (Types) bei Müttern
131 Die Auszählung der Subkategorien ergab, dass transitive Verben mit realisiertem Objekt häufiger vorkommen als intransitive Verben. Nur beim letzten Zeitpunkt verhält sich der Anteil von transitiven und intransitiven Verben für Token etwa gleich. Ein weiterer Anteil entfällt auf transitive Verben, die ohne Objekt realisiert wurden. In den meisten Fällen führt dies zu grammatisch vollständigen Sätzen, in denen das Objekt nicht obligatorisch ist, jedoch implizit mitverstanden wird. Nur in wenigen Fällen entstanden grammatisch unvollständige Äußerungen. Ditransitive Verben kamen seltener vor. Für Modalverben, die zur geschlossenen Klasse zählen, kann wiederum beobachtet werden, dass der Tokenanteil über dem Typesanteil liegt (19,4 % versus 12,3 % an allen Verben). Als Tendenz lässt sich somit die Verteilung transitiv > intransitiv > modal feststellen. Der Vergleich der verbalen Subkategorien für Types und Token für alle Termine zusammengefasst wird in Abbildung 4 und Abbildung 5 illustriert:
Ξ intransitiv • transitiv • transitiv-ohneObj. • modal • ditransitiv • ditransitiv-ohneObj.
Abbildung 4: Verbkomposition der Types bei Müttern
Η intransitiv • transitiv 01 transitiv-ohneObj. • modal • ditransitiv • ditransitiv-ohneObj.
Abbildung 5: Verbkomposition der Token bei Müttern
132 Bei Betrachtung der Häufigkeitsverhältnisse im kindgerichteten Input im Deutschen dominieren somit Verben deutlich gegenüber Nomen und transitive tendenziell gegenüber intransitiven Verben. Der hohe Verbanteil an den gesamten Worttypes könnte zum Teil auch durch das Auftreten von einigen transitiven Verben zustande kommen, die sowohl mit als auch ohne Objekt realisiert wurden (z.B. „aufmachen") und daher in der Datenbank als zwei verschiedene Types erfasst werden mussten. Damit erhöht sich der Anteil von Verbtypes an allen unterschiedlichen Wörtern. Der Anteil von insgesamt geäußerten Verben, der durchschnittlich etwa 15 % beträgt, an allen Worttoken wird jedoch nicht beeinflusst. Der deutliche quantitative Abstand zwischen Nomen und Verben wird durch die methodisch bedingte Überbetonung von Verben nicht aufgehoben. Trotzdem werfen die Ergebnisse die Frage auf, ob die hohe Gebrauchsfrequenz von Verben als typisches Merkmal im deutschen Sprachgebrauch oder als Charakteristikum kindgerichteter Sprache zu sehen ist. Um diese Frage annäherungsweise zu untersuchen, wurde ein zusätzliches Transkript untersucht, das auf einem informellen Gespräch zwischen zwei Erwachsenen beruht. Die Aufnahmesituation bezog sich auf ein ungesteuertes Gespräch zwischen zwei befreundeten Studentinnen. Aus dem Transkript wurden die ersten 1.000 geäußerten Wörter (d. h. 1.000 Token) entnommen. Diese 1.000 Token bestanden aus 319 unterschiedlichen Wörtern (Types). Jedes Wort wurde hinsichtlich seiner Wortart klassifiziert. Es wurden die dieselben Wortkategorien wie in der Inputanalyse verwendet, jedoch keine Klassifikation nach Subkategorien vorgenommen. Obwohl die Samplegrößen sehr unterschiedlich sind, da das Korpus der Mütter wesentlich größer ist, soll der relative Anteil von Nomen und Verben an allen geäußerten Wörtern hier verglichen werden. In diesem Gespräch waren 19 % der geäußerten Types Nomen und 18,5 % Verben. Auf sämtliche produzierten Wörter entfielen 9 % Nomen und 16,3 % Verben. Der Anteil von Nomen und Verben an allen Token ist im Gespräch und Erwachsenen also nahezu identisch zu der Verteilung in der kindgerichteten Sprache. Bei der Typesverteilung stellt sich im Gespräch ein höherer Anteil von Nomen und ein geringerer Anteil von Verben heraus. Hier wäre es möglich, dass sich die zum Teil doppelte Klassifikation von Verbtypes je nach realisierter Argumentstruktur in der Auswertung der kindgerichteten Sprache niederschlägt. Direkt vergleichbar ist dagegen die Verteilung der Token, bei der keine Unterschiede bestehen. Demnach ist davon auszugehen, dass die Verwendung von Nomen und Verben in der kindgerichteten Sprache in etwa mit der normalen Auftretenshäufigkeit in der Spontansprache übereinstimmt. Die prozentualen Anteile von Nomen und Verben am Lexikon (in Types und Token) werden in Tabelle 2 zusammengefasst. Abbildung 6 stellt die Komposition des Lexikons für Token bei Müttern (Alter der Kinder 36 Monate) und im Gespräch unter zwei Erwachsenen gegenüber. Es wird deutlich, dass sich die Verteilung der Inhaltswortarten kaum unterscheidet. Die Wortartverteilung in der kindgerichteten und der erwachsenen Spontansprache scheint vergleichbar zu sein; lediglich ein höherer Anteil von personal social words fällt als Charakteristikum für die kindgerichtete Sprache auf.
133 Tabelle 2: Wortartenverteilungen im Vergleich
Anteil Anteil Anteil Anteil
Nomen Verben Nomen Verben
an Types an Types an Token an Token
Gespräch 2 Personen 1000 Token
32 Mütter (Alter der Kinder 36 Monate) 14209 Token
32 Mütter (Durchschnitt über 4 Termine) 47849 Token
19% 18,5% 9,0% 16,3 %
15,0% 22,5 % 8,7% 16,2%
13,5 % 22,0% 9,0% 15,0%
• Funktionswörter • Partikeln • Pronomen £2 Adverbien Β personal-social • Adjektive • Verben gesamt Β Nomen gesamt
Mütter
Gespräch
Abbildung 6: Wortartenverteilung Mütter-Kinder und Erwachsenengespräch (Token)
7.4.1.2
Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen
Nach der Betrachtung der Wortartenverwendung in der Spontansprache wird nun das Verhalten ungestörter Erwachsener beim Benennen von Nomen und Verben untersucht. Der oben beschriebene Benenntest in der schwarz-weißen Version wurde mit Kontrollpersonen durchgeführt, um eine Vergleichsbasis für die Leistungen von Kindern zu erzielen, aber auch, um die Eignung des Bildmaterials einzuschätzen. Die erste Stichprobe umfasste 86 Versuchspersonen zwischen 19 und 37 Jahren (Durchschnittsalter 24). Die Items aller Kategorien und Subkategorien wurden zu über 90 % von den Erwachsenen korrekt (d. h. mit dem über die Benennüberein-
134 Stimmung ermittelten Zielwort) benannt. Der statistische Vergleich der Kategorien ergab, dass Nomen besser als Verben, Artefakte besser als natürliche Objekte und intransitive Verben besser als transitive benannt wurden. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass einige Handlungsbilder sowie auch einige Objektbilder von vielen Personen schlecht identifiziert werden konnten bzw. zu missverständlichen Reaktionen führten. Daher wurden die fraglichen Bilder überarbeitet und eindeutiger gestaltet. Nach der Überarbeitung der Bilder wurde das neue Bilderset mit einer neuen Stichprobe von 88 Personen getestet. 69 weibliche und 27 männliche Versuchspersonen zwischen 18 und 45 Jahren (Durchschnittsalter 23 Jahre) nahmen teil. Gegenüber der ersten Gruppe fielen die Ergebnisse insgesamt besser aus, was für eine Erleichterung der Aufgabe durch die bessere Bildqualität und die eindeutigere Darstellung spricht. Die Kategorienvergleiche ergaben nun keinen signifikanten Unterschied zwischen Nomen und Verben mehr (die Mittelwerte von durchschnittlich 34,9 korrekten Antworten bei den 36 überprüften Nomen und 34,7 bei Verben unterscheiden sich weder im Wilcoxon-Test noch im T-Test signifikant). Auch der Effekt zugunsten der Artefakte verschwindet bei dieser Testung, offensichtlich lag ein Materialeffekt vor, der nun ausgeglichen wurde. Weiterhin zeigt sich ein signifikanter Effekt zugunsten der intransitiven Verben (p < .001 im T-Test und im WilcoxonTest). Auch hier ist die numerische Differenz recht gering, denn 17 von 18 transitiven gegenüber 17,7 von 18 intransitiven Verben wurden korrekt benannt. Ungestörte Erwachsene verhalten sich beim Benennen von Nomen und Verben somit gleich, allerdings gibt es Unterschiede im Sinne von differenten Leistungen in den Verb-Subkategorien. In den vier Subtests erreichten die Kontrollpersonen durchschnittlich 96,6 % korrekte Reaktionen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Benennen von einfachen Zeichnungen, die konkrete Objekte und Handlungen darstellen, von Erwachsenen problemlos und übereinstimmend bewältigt wird.
7.4.1.3
Reaktionszeiten beim Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen
Hinsichtlich der Korrektheit beim Benennen (Benenngenauigkeit) haben sich erwartungsgemäß nur minimale Differenzen zwischen Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen gezeigt. Wortartspezifische Differenzen könnten sich aber bei subtileren Messungen wie den Benennlatenzen herausstellen. Daher wurde ein Reaktionszeitexperiment durchgeführt, um die Benenngeschwindigkeit zu untersuchen. 31 Personen (16 weiblich, 15 männlich, Durchschnittsalter 24,8 Jahre, Altersspanne zwischen 21 und 31 Jahren) nahmen an dem Experiment teil. Das Material bestand aus den schwarz-weißen Zeichnungen des Benenntests, die auf einem Bildschirm präsentiert wurden. Die Teilnehmer wurden instruiert, das Bild so schnell wie möglich zu benennen, mit nur einem Wort zu antworten, sowie Gesprächssignale und andere Geräusche zu vermeiden. Das Einsetzen der Reaktion wurde über
135 ein voice key erfasst; gemessen wurde die Zeit von Beginn der Bildpräsentation bis zum Einsetzen der vokalen Äußerung der Versuchsperson. Zu Beginn des Experiments wurde für 500 Millisekunden ein Fixationskreuz präsentiert, dem für 400 Millisekunden ein leeres Bild folgte, bevor das Stimulusbild zu sehen war. Sobald eine verbale Reaktion der Versuchsperson erfolgte, verschwand das Bild. Ein Vortest mit je zehn Objektbildern und zehn Handlungsbildern wurde den eigentlichen Zielstimuli vorgeschaltet, um die Versuchspersonen mit der Aufgabe vertraut zu machen. Nomen- und Verbreaktionen wurden in zwei getrennten Blocks überprüft, die Reihenfolge der Blocks wurde über die Teilnehmer randomisiert. Insgesamt erstreckte sich das Experiment über circa 30 Minuten. In die Auswertung gingen nur valide Reaktionen ein. Insgesamt wurden 8 % der Nomenreaktionen und 10 % der Verbreaktionen als nicht valide gewertet. Im Einzelnen wurden unter den Nomenreaktionen 3,2 % aufgrund von Fehlbenennungen ausgeschlossen, 2,5 % aufgrund von technischen Problemen und 2,2 % aufgrund von Nebengeräuschen. 6,7% der Verbreaktionen wurden aufgrund falscher Bezeichnungen ausgeschlossen, 2,5 % wegen technischer Probleme und 1,1 % wegen Störgeräuschen. Um Ausreißer zu identifizieren, wurden sowohl die Korrektheit als auch die Geschwindigkeit der Reaktionen berücksichtigt. Bei keiner Person waren mehr als 25 % inkorrekte Benennungen zu beobachten, so dass nach diesem Kriterium keine Versuchsperson ausgeschlossen wurde. Auf der Basis der Benennlatenzen wurden dann die Mittelwerte der Benenngeschwindigkeit für Nomen bzw. Verben für jede Person berechnet. Personen, deren Mittelwert mehr als zwei Standardabweichungen über oder unter dem Gruppenmittelwert lag, wurden ausgeschlossen. Dies führte zum Ausschluss einer Person für das Nomenset und einer weiteren Person für das Verbset. Die folgenden Kategorievergleiche beziehen sich daher auf eine Stichprobengröße von 29. Darüber hinaus wurden Ausreißerwerte unter den einzelnen Reaktionszeiten identifiziert. Für jede Versuchsperson wurden dazu alle Werte ermittelt, die mehr als zwei Standardabweichungen unter bzw. über dem Durchschnittswert dieser Person für sämtliche Nomen bzw. Verben lagen. Außerdem wurde der Mittelwert für jedes einzelne Item über alle Versuchspersonen berechnet und die Werte ermittelt, bei denen eine Versuchsperson im Vergleich zu den anderen abwich (d. h. mehr als zwei Standardabweichungen unter oder über dem Itemmittelwert lag). Aus der weiteren Analyse wurden letztlich nur die Werte entfernt, bei denen beide genannten Ausschlusskriterien zutrafen, d. h. es handelt sich jeweils um einen Wert für ein Item, bei dem eine Person überdurchschnittlich langsamer war als die anderen Personen bei diesem Item und gleichzeitig um einen Itemwert, bei dem die Person im Vergleich zu den anderen von ihr benannten Items auffällig war. Aufgrund dieser Prozedur wurden 1,5 % der Nomenreaktionen und 1,7 % der Verbreaktionen ausgeschlossen. Aus der Tabelle 3 gehen die deskriptiven Werte für die Benennlatenzen (in Millisekunden) für die Kategorien und Subkategorien hervor; die Mittelwerte beziehen sich auf die 29 Versuchspersonen.
136 Tabelle 3: Benennlatenz in Millisekunden (n = 29) Kategorie
Mittelwert
SD
Minimum
Maximum
Nomen
796,3
86,1
641,1
Nomen natürlich
809,6 784,1
94,4
633,7
981,0
94,4
621,6
1064,0 1216,0
Nomen man-made Verben Transitive Verben Intransitive Verben
971,7
984,7
105,2
777,6
1029,5
123,0
816,3
1257,5
940,3
103,1
738,9
1185,6
Anhand der Mittelwerte lässt sich erkennen, dass die Benenngeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Wortkategorie variiert. T-Tests bestätigen, dass Nomen signifikant schneller benannt werden als Verben (p < .001) und intransitive Verben signifikant schneller als transitive (p < .001). Artefakte werden zwar etwas schneller als natürliche Nomen benannt, dieser Unterschied ist jedoch nur als Tendenz statistisch bedeutsam (p = .084). Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Muster, die sich beim einfachen Benennen bereits in Bezug auf die Benenngenauigkeit herausgestellt hatten, nämlich ein Vorteil für Nomen gegenüber Verben und für intransitive gegenüber transitive Verben, bei der Betrachtung der Benenngeschwindigkeit verstärken.11
7.4.1.4
Reaktionszeiten beim lexikalischen Entscheiden über Nomen und Verben bei ungestörten Erwachsenen
Ergänzend zum berichteten Benennexperiment wurden auch Reaktionszeiten für das lexikalische Entscheiden in einem weiteren Experiment, das in Zusammenarbeit mit P. Stenneken (FU Berlin) durchgeführt wurde, überprüft. Dabei sollte untersucht werden, ob sich der beim Benennen gefundene Wortarteffekt auch in einer Aufgabe zeigt, die keine Verarbeitung von Bildmaterial erfordert. Für dieses Experiment wurden wiederum die je 36 Items des Nomen-Verb-Tests für eine Aufgabe zum lexikalischen Entscheiden verwendet. Bei dieser Aufgabe muss die Versuchsperson nach Vorgabe einer schriftlich präsentierten Buchstabenfolge entscheiden, ob es sich um ein Wort handelt oder nicht. Wie aus der Materialbeschreibung bereits hervorging, sind die Nomen- und Verbstimuli sowie auch die Subkategorien untereinander hinsichtlich des spontanen Erwerbsalters und hinsichtlich der Frequenz vergleichbar. Hinsichtlich der Graphemanzahl ergeben sich jedoch Unter11
Zu weiterführenden Analysen, mit denen dem Einfluss von einzelnen lexikalischen Variablen auf die Benennlatenz nachgegangen wurde, siehe Kauschke & Postler (eingereicht).
137 schiede: Werden die Verben in der Infinitivform verwendet, so liegt die Anzahl der Grapheme bei den Verben höher als bei den Nomen (T-Test ρ < .001). Innerhalb der Subkategorien ist die Graphemlänge vergleichbar, d. h. zwischen transitiven und intransitiven Verben sowie zwischen künstlichen und natürlichen Nomen treten keine Längenunterschiede auf (T-Tests nicht signifikant). Da in allen anderen noch zu berichtenden Studien nicht mit schriftlichem Material gearbeitet wurde, ist die höhere Wortlänge bei Verben gegenüber Nomen (insbesondere bei Auswertung der Benenngenauigkeit) kein wesentlicher Störfaktor. Bei einer Aufgabe, die die schnelle Verarbeitung eines schriftlichen Stimulus erfordert, spielt die Länge der Buchstabenfolge dagegen vermutlich eine größere Rolle. Aus diesem Grund wurden für das Experiment zum lexikalischen Entscheiden weitere 36 Nomen und 36 Verben als Stimuli hinzugenommen. Die Nomen wurden im Nominativ Singular, die Verben im Infinitiv angeboten. Bei den neuen Stimuli wurde darauf geachtet, dass die Subkategorien wieder in gleicher Anzahl vertreten sind.12 Während das kleinere, ursprüngliche Set von Nomen und Verben hinsichtlich Frequenz (sowohl gemischte, gesprochene und geschriebene Frequenz) und spontanem Erwerbsalter ausgeglichen ist, jedoch Verben hinsichtlich der Graphem- und Silbenanzahl länger sind als Nomen, so unterscheidet sich die Wortlänge für Grapheme und Silben im aufgestockten Set nicht mehr (T-Tests nicht signifikant, durchschnittlich sechs Grapheme bei zwei Silben). Nach einer Erhebung der Wortfrequenzen anhand des Mannheimer Korpus der CELEX-Datenbank (Frequenz in der geschriebenen Sprache) zeigt sich, dass die 72 Verben etwas höher frequent sind als die 72 Nomen (1,34 gegenüber 0,99; T-Test: p c . O l ) , so dass ein möglicher Nomenvorteil nicht durch die Frequenz unterstützt wird. Zum spontanen Erwerbsalter liegen für die neu hinzugekommenen Items keine Werte vor, daher ist dieser Faktor in dem größeren Set nicht kontrolliert. Zwischen den Subkategorien innerhalb einer Wortart bestehen weder im ursprünglichen Set noch im doppelt so großen aufgestockten Set Unterschiede hinsichtlich der Frequenz, der Graphemanzahl und der Silbenanzahl (alle T-Tests nicht signifikant), im kleineren Set ist darüber hinaus auch das Erwerbsalter kontrolliert. 144 NichtWörter wurden durch Ableitung von den Stimuluswörtern erzeugt. Alle Konsonanten der Stimuli wurden ersetzt, womit sich ein Nichtwort ohne deutliche Ähnlichkeit zu einem bestehenden Wort ergab (Beispiel: Item Hocker wird zu Nichtwort Fongei). Phonotaktische Verletzungen wurden vermieden, alle Nichtwörter sind somit mögliche Wortkandidaten im Deutschen. Das Experiment wurde mit 30 Versuchspersonen (18 weiblich, 12 männlich, Altersdurchschnitt 26 Jahre, Altersspanne 21 bis 43) durchgeführt. Alle Personen waren monolinguale Sprecher des Deutschen, drei männliche Teilnehmer waren Linkshänder. Während des Experimentes erschienen die schriftlichen Stimuli in Großbuchstaben in der Mitte des Bildschirms; die Items wurden in randomisierter Reihenfolge angeboten. Die Instruktion an die Versuchspersonen lautete zu entscheiden, ob die 12
Eine Liste der Wortstimuli findet sich im Anhang A3.
138 auf dem Bildschirm präsentierten Buchstabenfolgen Wörter oder keine Wörter des Deutschen sind. Die Personen waren angehalten, sich so schnell wie möglich zu entscheiden, andererseits aber so wenig Fehler wie möglich zu machen. Zwei farbig markierte Tastaturtasten standen zur Unterscheidung zwischen Wort und Nichtwort zur Verfügung. Die Zuordnung der Tasten zur Bedeutung „Wort" bzw. „Nichtwort" wurde durch aufgestellte Schilder erleichtert. Um einen Seiteneffekt auszuschließen, wurde die Belegung der Tasten zwischen den Versuchspersonen variiert. Die Buchstabenfolge war auf dem Monitor zu sehen, bis die Versuchsperson über Tastendruck ihre Entscheidung gefällt hatte. 800 Millisekunden später wurde das nächste Item angeboten. Das Experiment dauerte etwa 20 Minuten, etwa nach der Hälfte der Zeit wurde eine Pause eingelegt, deren Länge die Versuchsperson selbst bestimmen konnte. In der Auswertung wurden nur die korrekten Reaktionen auf die Wortstimuli beachtet. Bei 1,44 % der Nomen und 3,33 % der Verben kam es zu Fehlentscheidungen, die nicht ausgewertet wurden. Individuell betrachtet lag die Fehlerrate niedrig die höchste Fehlerrate betrug 3,8% - so dass keine Person aufgrund einer außergewöhnlich hohen Fehlerzahl ausgeschlossen wurde. Zur weiteren Datenbereinigung wurden die Verteilung der Reaktionszeiten betrachtet und alle Werte entfernt, die von 99,5 % aller anderen Werte abwichen. Hierbei handelte sich um wenige Einzelwerte, bei denen eine Reaktion von mehr als 1581 Millisekunden gemessen wurde. Für jede Versuchsperson wurden außerdem die durchschnittlichen Reaktionszeiten über alle korrekten Wortreaktionen berechnet und mit dem Gruppenmittelwert verglichen. Da keine Person mehr als zwei Standardabweichungen über dem Gruppenmittelwert lag, wurde keine Versuchsperson als Ausreißer ausgeschlossen. Werden zunächst die Reaktionszeiten für alle Wörter mit den Reaktionszeiten bei NichtWörtern verglichen, so zeigt sich ein klarer Lexikalitätseffekt: die Entscheidung über den Wortstatus fällt bei Wörtern signifikant schneller als bei Nichtwörtern (p < .001 im T-Test). Die durchschnittlichen Reaktionszeiten (gemittelt über 30 Versuchspersonen) für die verschiedenen Wortkategorien gehen aus den folgenden Tabellen hervor, wobei zunächst die Werte für das ursprüngliche Itemset gezeigt werden, anschließend die Werte für das verdoppelte Itemset. Tabelle 4: Reaktionszeiten beim lexikalischen Entscheiden in Millisekunden (n = 30), Material: Set mit 36 Nomen und 36 Verben Kategorie
Mittelwert
SD
Minimum
Maximum
Nomen
603,0
58,9
532,9
762,6
Nomen natürlich
604,0
63,9
515,5
741,1
Nomen man-made
602,1
58,7
524,6
784,1
Verben
633,2
72,3
541,5
Intransitive Verben
625,6
72,7
529,7
833,9 812,6
Transitive Verben
640,8
76,8
553,3
855,2
139 Tabelle 5: Reaktionszeiten beim lexikalischen Entscheiden in Millisekunden (n = 30), Material: aufgestocktes Set mit 72 Nomen und 72 Verben Kategorie
Mittelwert
SD
Minimum
Maximum
Nomen Nomen natürlich Nomen man-made
613,9 613,1 614,6
58,0 62,0 58,2
541,8 540,9 539,1
773,5 777,2 769,8
Verben Intransitive Verben Transitive Verben
642,0 636,8 647,0
69,3 70,0 71,9
542,2 541,3 543,2
847,4 825,6 869,2
Betrachtet man die Reaktionszeiten für das Set mit je 36 Nomen und Verben, bei dem die Wortstimuli identisch mit den im Benennexperiment verwendeten Bildstimuli sind, so zeigt sich auch beim lexikalischen Entscheiden ein hochsignifikanter Effekt zugunsten der Nomen gegenüber Verben (T-Test: ρ < .001). Die Reaktionszeiten für intransitive Verben waren signifikant schneller als für transitive Verben (p < .05), während sich kein signifikanter Unterschied zwischen artifiziellen und natürlichen Objekten zeigte. Damit stimmen die Muster beim lexikalischen Entscheiden und beim Benennen überein. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der deutliche Vorteil für Nomen darauf zurückzuführen ist, dass die Nomenstimuli insgesamt kürzer sind als die Verbstimuli und daher schneller verarbeitet werden konnten. Der Kategorievergleich zwischen Nomen und Verben im längeren Itemset zeigt jedoch, dass auch hier die Reaktionszeiten für Nomen unter denen für Verben liegen (T-Test: ρ < .001). Auch bei gleicher Wortlänge werden Nomen demnach schneller als Wörter erkannt als Verben. Abbildung 7 zeigt die Reaktionszeiten für Nomen und Verben in beiden Reaktionszeitexperimenten im Überblick. Es ist ersichtlich, dass die Reaktionszeiten beim Benennen länger sind als beim lexikalischen Entscheiden. Zum produktiven Abruf eines Wortes zu einer bildlichen Vorgabe wird mehr Zeit benötigt als zur Entscheidung über den Wortstatus nach schriftlicher Vorgabe. Der Nomenvorteil ist in beiden Aufgabentypen zu sehen, beim Benennen jedoch ausgeprägter. Diese Beobachtung lässt sich durch eine Varianzanalyse mit Messwiederholung bestätigen, bei denen der Aufgabentyp ( A u f gabe Benennen versus Entscheiden) als Zwischensubjektsfaktor und die Reaktionszeiten für Nomen und Verben als abhängige Variable behandelt wurden. Die ANOVA ergibt signifikante Effekte für Wortart (F(l,57) = 154.46,ρ < .001) und für Aufgabe (F(l,57) = 195.13, ρ < .001) sowie eine Interaktion zwischen Wortart und Aufgabe (F(l,57) = 80.93, ρ < .001). Eine entsprechend aufgebaute Varianzanalyse mit den Reaktionszeiten für intransitive und transitive Verben ergibt signifikante Effekte der Subkategorie (F(l,57) = 41.51, p < . 0 0 1 ) und der Aufgabe (F(l,57) = 222.37, ρ < .001) sowie einen Interaktionseffekt zwischen beiden (F(l,57) = 20.82,
140
Abbildung 7: Reaktionszeiten beim Benennen und lexikalischen Entscheiden
ρ < .001). Für die Subkategorien der Nomen entsteht lediglich ein Effekt des Aufgabentyps (F(l,57) = 102.18, ρ < .001), jedoch kein Effekt der Subkategorie. Auch für die Verarbeitung der Subkategorien gilt also, dass die lexikalische Entscheidung schneller erfolgt als das Benennen, dass sich Effekte der Subkategorie in beiden Aufgabentypen in der gleichen Richtung zeigen (intransitive Verben besser als transitive, kein Effekt für Nomensubkategorie) und dass der Vorteil der intransitiven Verben beim Benennen stärker ausgeprägt ist als beim Entscheiden.
7.4.2
Empirische Untersuchungen II: Nomen und Verben im ungestörten deutschen Spracherwerb
7.4.2.1 Benennen von Nomen und Verben bei ungestörten deutschen Kindern In dieser Studie geht es darum, die Entwicklung der Benennleistungen bei Kindern ohne Spracherwerbsstörungen im Deutschen zu überprüfen. Dazu wurde der beschriebene Benenntest (hier noch mit einer älteren Version der schwarz-weißZeichnungen) mit insgesamt 240 Kindern in acht Altersgruppen zu je 30 Kindern durchgeführt. Tabelle 6 zeigt die Aufteilung der Stichprobe auf halbjährliche bzw. jährliche Alterskohorten: Alle Kinder wuchsen monolingual deutsch auf. Über Elternfragebögen wurden kognitive oder perzeptuelle Einschränkungen sowie Sprachentwicklungsstörungen ausgeschlossen. Die Testdurchführung fand in Kindergärten und Schulen in Berlin
141 und Potsdam statt. In jeder Gruppe wurden 15 Mädchen und 15 Jungen getestet, mit Ausnahme der ersten Altersgruppe, die 16 Jungen und 15 Mädchen enthält. Die Auswertung der Daten bezieht sich zuerst auf quantitative Aspekte. Dazu werden Gruppenvergleiche durchgeführt, um die Entwicklung der Leistungen für die getesteten Wortarten im Altersverlauf festzustellen sowie Kategorienvergleiche, bei denen die Leistungen in den unterschiedlichen Wortarten bzw. Subkategorien innerhalb einer Altersgruppe gegenübergestellt werden. Die Fragen zielen darauf ab, ob sich die Benennleistungen mit zunehmendem Alter verbessern, und ob bestimmte Wortarten oder Subkategorien von den Kindern besser benannt werden können als andere. Die deskriptive Statistik (siehe Anhang A5, illustriert in Abbildung 8) lässt bereits anhand der Mittelwerte erkennen, dass die Kinder mit zunehmendem Alter Tabelle 6: Stichprobenbeschreibung für Benennstudie mit deutschen Kindern AK
Anzahl Kinder
Spanne
Spanne in Monaten
rechnerisches Mittel in Monaten
Mittel tatsächliches Alter in Monaten
SD tatsächliches Alter in Monaten
1 2 3 4 5 6 7 8
η η η η η η η η
2;06-2;11 3;00-3;05 3;06-3;11 4;00-4;05 4;06-4;11 5;00-5;11 6;00-6;11 7;00-7;11
30-35 36-41 42-47 48-53 54-59 60-71 72-83 84-95
32,5 38,5 44,5 50,5 56,5 65,5 77,5 89,5
32,9 38,8 45,1 51,1 56,8 66,6 78,4 89,5
1,8 1,8 1,8 1,6 1,9 4,0 3,6
= = = = = = = =
30 30 30 30 30 30 30 30
Abbildung 8: Benennleistungen bei deutschen Kindern
3,1
142 beim Benennen besser werden und dass die Benennleistungen für Nomen den Leistungen bei Verben überlegen sind. Die Standardabweichungen und die minimalen und maximalen Werte weisen darauf hin, dass insbesondere bei den jungen Kindern erhebliche individuelle Unterschiede bestehen, die mit zunehmendem Alter besonders bei den Nomen zurück gehen. Im allgemeinen linearen Modell (Varianzanalyse mit Messwiederholung) mit der Anzahl korrekter Benennungen als abhängiger Variable (Anzahl korrekt benannter Nomen und Anzahl korrekt benannter Verben, d. h. Innersubjektfaktor Wortart) und dem achtstufigen Faktor Alter als unabhängige Variable (Zwischensubjektfaktor) ergeben sich signifikante Haupteffekte für Wortart (F(l,232) = 1138, ρ < .001) und Alter (F(7,232) = 120.281, ρ < .001). Es besteht also zum einen eine hochsignifikante Auswirkung der achtstufigen unabhängigen Variable Alter auf die Benennleistung. Zum anderen unterscheiden sich die Leistungen in den beiden Wortarten voneinander. Beide Effekte interagieren miteinander (Interaktionseffekt F(7) = 8.9, ρ < .001), das Alter wirkt sich also auf die Leistung in den beiden Wortarten unterschiedlich aus. Um weiter zu beschreiben, wie sich die Leistung bei Nomen und Verben in Abhängigkeit vom Alter gestaltet, wurden post-hoc-Tests durchgeführt. Bei den Kategorie vergleichen ergibt sich, dass in jeder Altersgruppe Nomen hochsignifikant (p < .001) besser benannt werden als Verben. Dieses Bild zeigt sich bei der Verwendung vonT-Tests und bestätigt sich bei der Anwendung von Wilcoxon-Tests. Beim Vergleich der Benennleistungen für Nomen und Verben zwischen jeweils zwei aufeinander folgenden Altersgruppen zeigten sich meistens signifikante Gruppenunterschiede, die auf eine Verbesserung mit dem Alter hinweisen. Nach den Ergebnissen der T-Tests unterscheiden sich die Werte zwischen je zwei Altersgruppen durchgängig außer zwischen Altersklasse 5 und 6, im Mann-Whitney-U-Test ist darüber hinaus auch der Unterschied zwischen Altersklasse 3 und 4 nicht signifikant. Bei den Verben sind mit beiden Verfahren durchgängig signifikante Verbesserungen der Benennleistungen von einer Altersgruppe zur nächsten zu beobachten. In einer bivariaten, einfaktoriellen Varianzanalyse mit dem Faktor Alter und zwei abhängigen Variablen (Anzahl korrekt benannter Nomen und Anzahl korrekt benannter Verben) zeigen sich wiederum hochsignifikante Auswirkungen des Faktors Alter auf beide Variablen. Außerdem kann durch Trendtests festgestellt werden, dass der Anstieg in der Benennleistung von Nomen und Verben jeweils einem hochsignifikanten Trend folgt (p < .001 für Nomen und Verben). Weiterhin zeigen sich signifikante quadratische Trends (p < .001 für Nomen, ρ < .01 für Verben) und leichte kubische Trends (p < .05 für Nomen und ρ < .05 für Verben). Damit wird eine nichtlineare Komponente nahe gelegt: Nach dem in den frühen Altersgruppen deutliche Leistungszuwächse stattfinden, flacht die Kurve ab fünf Jahren ab. Dieses Wachstumsmuster ist verständlich, da sich die Kinder der maximal erreichbaren Anzahl korrekter Benennungen annähern. Die für die Gruppe festgestellte Dominanz der Nomen bestätigt sich bei Betrachtung der Einzelfälle. In fast allen Gruppen benennen alle 30 Kinder Nomen besser als Verben. Nur in der ersten Altersgruppe gibt es ein Kind, das Verben nu-
143 merisch besser benennt (4 Nomen gegenüber 5 Verben korrekt); in der letzten Gruppe haben außerdem 3 Kinder gleiche Werte für Nomen und Verben. Im nächsten Schritt wird betrachtet, wie sich die Subkategorien der Wortarten verhalten. Eine Varianzanalyse mit den Leistungen für transitive und intransitive Verben als abhängige Variable ergibt zunächst hochsignifikante Haupteffekte für Alter (F(7,232) = 114.91, ρ < .001) und Subkategorie (F(l,232) = 83.06, ρ < .001) mit einer signifikanten Interaktion beider Effekte (F(7,232) = 2.96, ρ < .01). Anschließende Mittelwertsvergleiche ergeben eine bessere Leistung für intransitive gegenüber transitiven Verben, die nach T-Tests und Wilcoxon-Tests in den Altersgruppen 2,6,7 und 8 signifikant ist. Hinsichtlich der Frage, ob sich die Leistungen für transitive bzw. intransitive Verben zwischen zwei aufeinander folgenden Altersgruppen verbessern, ergibt sich eine Verbesserung bei den intransitiven Verben zwischen allen Stufen außer zwischen 4 und 5 sowie 6 und 7. Für die transitiven Verben zeigen die Mittelwertsvergleiche, dass nur zu Anfang (bis dreieinhalb Jahre) und zwischen den Altergruppen 6 und 7 jeweils ein signifikanter Zuwachs stattfindet. Die deskriptive Statistik findet sich im Anhang (A5); der Entwicklungsverlauf wird in Abbildung 9 ersichtlich. Die Effekte der Subkategorie bei Nomen sind weniger deutlich, wie bereits ein Blick auf Abbildung 10 zeigt. Die Varianzanalyse zeigt Haupteffekte für Subkategorie (F(l,232) = 16.48, ρ < .001) und Alter (F(7,232) = 77.23, ρ < .001) ohne signifikante Interaktion. In späteren Phasen (Altersgruppen 6,7 und 8) zeichnet sich im T-Test ein signifikanter Vorteil für die Artefakte ab. Verbesserungen zwischen zwei Altersgruppen sind nicht durchgängig zu finden.
Abbildung 9: Benennen der Verb-Subkategorien bei deutschen Kindern
144
Abbildung 10: Benennen der Nomen-Subkategorien bei deutschen Kindern
Die Ergebnisse der quantitativen Analyse zeigen zusammengefasst, dass die Anzahl der korrekt benannten Nomen und Verben mit dem Alter ansteigt. In jeder Altersgruppe werden Nomen signifikant besser benannt als Verben. Die Differenz zwischen Nomen und Verben bleibt bis zu sechs Jahren konstant und verringert sich dann leicht. Auch bei Betrachtung der Einzelfälle ist der Nomenvorteil durchgängig zu sehen. Eine Aufholbewegung der Verben ist beim Benennen also nicht im selben Maße zu beobachten wie für die Spontansprache beschrieben wurde. Hinsichtlich der Subkategorien zeigt sich ein Vorteil der intransitiven gegenüber den transitiven Verben und in den späteren Altersgruppen ein leichter Vorteil der Artefakte. Bei Kindern mit ungestörten Spracherwerbsverläufen stellen sich somit ein konstanter und interindividuell konsistenter Nomenvorteil sowie Präferenzen für intransitive Verben und unbelebte Nomen heraus. Damit spiegeln die Muster der Kinder die bei Erwachsenen festgestellten Tendenzen.
7.4.2.2
Ermittlung des Benennalters
Die quantitative Auswertung wird darüber hinaus zur Ermittlung des itemspezifischen Benennalters benutzt. Für jedes einzelne Testitem wurde ermittelt, wie viel Prozent der Kinder in jeder Altersgruppe dieses Bild korrekt benennen können. Die Altersgruppe, in der mindestens 22 von 30 Kindern - d. h. 73 % - die Zielform produzierten, wurde als „Benennalter" für dieses Item festgelegt. Nach diesem Kriterium konnten acht der 36 Nomen bereits in der ersten Altersgruppe (zweieinhalb
145 bis drei Jahre) von über 73 % der Kinder korrekt benannt werden, acht weitere Items in Altersgruppe 2, sechs weitere in Altergruppe 3, eines in Altersgruppe 4, sieben in Altersgruppe 5, eines in Altergruppe 6 und zwei in Altersgruppe 8. Für drei Items („Zopf", „Pfau", „Ratte") konnte auch bei den ältesten getesteten Kinder kein Wert von mindestens 73 % korrekter Benennungen erreicht werden. Bei den Verben konnte nur ein Item bereits in Altersgruppe 1 von 73 % der Kinder korrekt benannt werden („rutschen"), vier weitere Items in Altergruppe 2, fünf weitere in Altergruppe 3, eines in Altersgruppe 4, drei Altersgruppe 5, acht in der sechsten, fünf in der siebten und zwei in der achten Altersgruppe. Damit bleiben sieben Items, bei denen auch in der letzten Altersgruppe, also zwischen sieben und acht Jahren, weniger als 73 % der Kinder die intendierte Zielform produzierten. Durch die Ermittlung des itemspezifischen Benennalters werden Vergleiche mit anderen Messungen des Erwerbsalters möglich. In der neurolinguistischen Forschung gewinnt das Erwerbsalter als einflussnehmende Variable auf die lexikalische Verarbeitung zunehmend an Bedeutung, es wird jedoch über unterschiedliche, oft nicht klar definierte Vorgehensweisen erhoben. In der vorliegenden Studie wurde zum einen über die Elternbefragung das Alter ermittelt, in dem die Kinder die Zielwörter spontan produzierten (spontanes Erwerbsalter, das die Fähigkeit widerspiegelt das Wort spontan zu verwenden). Dieser Wert diente als Parameter, um das Erwerbsalter von Nomen und Verben im Test zu kontrollieren. Das Benennalter, also das Alter, in dem der überwiegende Teil von Kindern in der Lage ist, ein Bild mit dem entsprechenden Wort zu benennen, ist eine weitere objektive Messung, um Aussagen über einen anderen Aspekt des Erwerbsalters zu erhalten (die Fähigkeit, das Wort angemessen und auf einen passenden Referenten bezogen gezielt einzusetzen). In neurolinguistischen Studien wird das Erwerbsalter häufig über subjektive Schätzungen erhoben, indem erwachsene Versuchspersonen angeben, wann sie glauben, ein Wort in ihrer Kindheit erworben zu haben. 13 Diese Methode ist häufiger Kritik ausgesetzt, da unklar ist, ob und inwieweit Erwachsene eine valide Schätzung über den Zeitpunkt ihres Worterwerbs abgeben können. Daher ist es interessant, die in dieser Studie verwendeten Methoden mit dem geschätzten Erwerbsalter zu vergleichen. Für die Items des hier verwendeten Benenntests wurden daher auch Daten zum geschätzten Erwerbsalter hinzugezogen (zum Verfahren siehe Postler 2006:116f.). In einem Rating zum geschätzten Erwerbsalter sollten 83 erwachsene Versuchspersonen einschätzen, wann sie glauben, das jeweilige Wort erstmals „selbst in der gesprochenen Form verwendet (zu) haben". Die Skalierung erfolgte anhand einer 7-Punkte Skala, die Intervalle in Jahresabständen vorsah. 14 Für jedes Item wurde der durchschnittlich vergebene Skalenwert ermittelt. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den bereits vorliegenden Erwerbsdaten wurden anschließend die Mittelwerte in Monatswerte umgerechnet. 13
14
Zu einer genauen Darstellung der Methoden zur Erhebung des Erwerbsalter siehe Schröder et al. (2003). 0.-2. Geburtstag, 2.-3. Geburtstag, 3.-4. Geburtstag etc; letzte Rubrik: älter als 7 Jahre.
146 Für den Vergleich der Erhebungsmethoden wurden hier das Alter der spontanen lexikalischen Produktion (produktives EA), das geschätzte Erwerbsalter und das Benennalter statistisch verglichen. Für drei Nomen und sieben Verben besteht keine Angabe des Benennalters, da diese Items nicht bis zum Alter von acht Jahren von mindestens 73 % der Kinder korrekt benannt wurden. Aus diesem Grunde wurde ein doppeltes Vorgehen gewählt: Zum einen wurden nur die 33 Nomen und 29 Verben verwendet, für die alle drei Erwerbsaltersangaben vorliegen. Zum anderen wurde für die genannten Items das Benennalter künstlich um 12 Monate erhöht, d. h. in diesen Fällen wurde ein Benennalter von 101,5 Monaten angesetzt und die Itemmenge somit auf je 36 „aufgefüllt". Für beide Verfahren zeigt ein Blick auf die deskriptive Statistik (Tabelle 7, erstes Verfahren), dass das über Elternbefragungen erhobene Alter der spontanen lexikalischen Produktion das niedrigste ist. Das geschätzte Erwerbsalter liegt höher als das tatsächliche Produktionsalter, aber unter dem Alter, in dem Kinder das entsprechende Bild benennen können. Tabelle 7: Mittelwerte Erwerbsalter-Messungen in Monaten Nomen
Ν (Items)
Minimum
Maximum
Mean
Produktives E A Geschätztes E A
SD
33
32,50
50,50
35,77
33
27,90
54,65
41,10
6,93
Benennalter
33
32,50
89,50
46,23
14,66
Verben
Ν (Items)
Minimum
Maximum
Mean
SD
Produktives E A
29
32,50
50,50
35,60
Geschätztes E A
29
30,36
63,90
44,87
7,39
Benennalter
29
32,50
89,50
59,29
16,29
4,99
5,23
Das Verhältnis der Erhebungsmethoden zueinander klärt sich durch Korrelationen und Mittelwertsvergleiche. Die Korrelationsanalysen15 ergaben, dass die Ergebnisse der drei Verfahren durchweg signifikant miteinander korrelieren, unabhängig davon, welche Itemanzahl berücksichtigt wurde. Offensichtlich sind die Werte, die über die unterschiedlichen Verfahren gewonnen wurden, zwar vergleichbar, absolut gesehen aber nicht gleichzusetzen, wie die unterschiedlichen Mittelwerte nahe legen. Mittelwertsvergleiche (Mann-Whitney-U-Test) wurden verwendet, um zu überprüfen, ob sich die Mittelwerte signifikant voneinander unterscheiden. Für die Nomen stellt sich heraus, dass das produktive Erwerbsalter hochsignifikant unter dem Erwerbsalter und unter dem Benennalter (jeweils ρ < .001) liegt. Dagegen bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen geschätztem Erwerbsalter und 15
Die Ergebnisse der Korrelationsanalyse sind in Anhang A 6 zu finden.
147 Benennalter. Diese Ergebnisse finden sich bei der Berücksichtigung von 33/29 und von jeweils 36 aufgefüllten Items. Die Schätzungen führen offensichtlich zu Alterswerten, die über dem tatsächlichen Alter des spontanen produktiven Erwerbs liegen und sich eher im Bereich des Benennalters bewegen. Auch bei den Verben liegt das produktive Erwerbsalter hochsignifikant unter dem geschätzten Erwerbsalter und dem Benennalter (jeweils ρ < .001). Allerdings unterscheiden sich hier auch das geschätzte Erwerbsalter und das Benennalter signifikant (p < .001) voneinander (Ergebnis mit beiden Verfahrensweisen gleich). Abschließend wird betrachtet, ob sich die Angaben zum Erwerbsalter in Abhängigkeit von der Wortart unterscheiden. Da das spontane Erwerbsalter als Parameter zur Kontrolle der Stimuli eingesetzt wurde, sind die Mittelwerte des Erwerbsalters für Nomen und Verben identisch. Kategorievergleiche (Mann-Whitney-U-Tests) zeigen, dass sich Nomen und Verben in ihrem geschätzten Erwerbsalter signifikant (bei 33/29 Items ρ < .05; bei 36 Items ρ < .05) unterscheiden. Obwohl die Nomen- und Verbitems somit nach Elternbefragungen insgesamt im gleichen Alter spontan produziert werden, wird das Erwerbsalter für Verben höher geschätzt, was eher dem Muster beim Benennen entspricht. Auch für das Benennalter entsteht ein signifikanter Unterschied (p < .001 für beide berechneten Itemmengen) zwischen Nomen und Verben, der mit der Beobachtung übereinstimmt, dass Verben durchgehend schlechter benannt werden als Nomen. Die Ergebnisse zeigen zusammengefasst, dass die Ergebnisse aller Messungen miteinander korrelieren (d.h. früh eingeschätzte Items werden auch früh produziert und benannt), sich aber in ihren genauen Alterswerten unterscheiden, so dass die Reihenfolge spontane Produktion < geschätztes Erwerbsalter < Benennalter abzuleiten ist. Schätzungen und objektive Messungen sind somit in relativer Hinsicht vergleichbar, aber nicht hinsichtlich des Erwerbszeitpunktes identisch. Lediglich für Nomen, nicht jedoch für die Verben, liegen die geschätzten Werte eng an den Altersangaben, die bei der objektiven Erhebung der Fähigkeit zum Bildbenennen festgestellt wurden.
7.4.2.3
Fehlerstrategien beim Benennen
In einem nächsten Schritt werden nun qualitative Aspekte des Benennens bewertet. Dazu wurden die Fehlleistungen der Kinder, d. h. alle Reaktionen, die nicht in der Nennung des Zielwortes bestanden, genauer betrachtet (siehe dazu auch Kauschke & Stan 2004). Zur Bestimmung des Fehlertyps wurde ein detailliertes Klassifikationsschema entwickelt, das für beide Wortarten zehn Fehlerarten mit weiteren Unterkategorien enthält. 16 Zur Klassifikation der Fehlreaktionen wurden mehrere Kriterien herangezogen. Die erste Entscheidung bezog sich auf die Frage, ob es sich bei der vorliegenden Reaktion um genau ein Inhaltswort, um mehr als ein 16
Eine Kurzfassung findet sich in Anhang A4.
148 Inhaltswort („Umschreibung") oder um eine Sonderform („Lautmalerei", „Nullreaktion", „nicht klassifizierbarer Fehler") handelt. Wenn die Antwort des Kindes aus nur einem Inhaltswort bestand, wurde zunächst der morphologische Status (einfach oder komplex) dieses Wortes bestimmt. Lag ein morphologisch einfaches Wort vor, war die semantische Beziehung zwischen Ziel- und Ersatzwort zu ermitteln („klassifikatorisch", „assoziativ", „unrelationiert"). Für semantisch-klassifikatorische Fehler bei Nomen erfolgte überdies eine nähere Bestimmung der semantischen Relation (Hyperonymie, Hyponymie, Kohyponymie, Meronymie). Polymorphematische Wörter wie Derivationen und Kompositionen wurden gesondert erfasst, dabei war mit Hilfe von Unterkategorien zu bestimmen, ob das Kind einen semantischen Neologismus oder ein real existierendes Wort produziert hat. Außerdem war relevant, ob das Zielwort darin vorkommt oder nicht. Produzierte das Kind ein Wort, das einer anderen Wortart als das Zielwort angehört, wurde die Kategorie „Wortartwechsel" zugewiesen. Die semantische Nähe zum Zielitem spiegelte sich hier in Unterkategorien wider. Bei Umschreibungen wurde mittels Unterkategorien entschieden, wie treffend das Zielwort paraphrasiert wurde. Für Verben fand zusätzlich eine Einschätzung der Verbqualität statt. Es wurde unterschieden, ob die Umschreibung ein spezifisches Verb enthielt, durch ein „GAP"-Verb {general all purpose verbs, siehe Rice & Bode 1993) wie „machen", „haben" oder „tun" realisiert wurde oder ganz ohne Verb erschien. Die Reliabilität des Klassifikationsvorgangs wurde überprüft, indem ein Subset der zu klassifizierenden Daten, und zwar die inkorrekten Antworten von zwölf Kindern, von vier Personen klassifiziert und der Grad der Übereinstimmung zwischen allen Kodierern durch den Kappa(K)-Koeffizienten nach Cohen (Bortz & Döring 1995, Bortz & Lienert 1998) ermittelt wurde. Eine vorbereitende Trainingsphase beinhaltete mehrfache Überprüfungen der Anwendbarkeit der Fehlerkategorien anhand von Beispieldaten und daraus resultierende Modifikationen des Klassifikationsschemas. Im zweiten Testdurchgang wurde eine statistisch signifikante Übereinstimmung zwischen allen Beurteilern bezüglich der Hauptkategorien erreicht, wobei der Kappa-Koeffizient bei Nomen (κ = 0,91) höher lag als bei Verben (κ = 0,77). Aufgrund der ausreichenden Übereinstimmungsmaße konnte die Reliabilitätsprüfung erfolgreich abgeschlossen werden. 17 In der Auswertung wurden dann Einflüsse des Lebensalters sowie der Wortart auf die Art der kindlichen Fehlbenennungen geprüft. Hier stellen sich die Fragen, ob sich die Fehlermuster im Laufe der Entwicklung verändern und ob sich bei Nomen und Verben unterschiedliche Fehlermuster zeigen. Die qualitative Auswertung wurde für Nomen und Verben getrennt vorgenommen. Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse bei Nomen, dann die Ergebnisse bei Verben dargestellt. Anschließend wird ein statistischer Vergleich der Fehleranteile bei den beiden Wortarten vorgenommen. 17
Einzelheiten zur Entwicklung des Klassifikationssystems und zur Prozess der Reliabilitätsprüfung werden in Stan (2002) ausgeführt.
149
Abbildung 11: Fehlerstrategien bei Nomen
Abbildung 11 zeigt den Anteil ausgewählter Fehlerarten an allen Fehlern bei Nomen-Zielwörtern. Aufgeführt sind nur die Fehlerkategorien, die in mindestens einer Altersklasse mit einem Anteil von 10 % oder mehr vertreten sind. Als dominierende Fehlerart bei Nomen stellen sich semantisch-klassifikatorische Ersetzungen heraus, deren Anteil deutlich ansteigt. Ab dem Alter von sechs Jahren stellen semantisch-klassifikatorische Fehler über die Hälfte (53%) aller Fehler dar. Semantisch-assoziative Reaktionen (z.B. „Insel -» Urlaub") und unrelationierte Reaktionen gehen mit zunehmendem Alter zurück. Nullreaktionen sind meist die zweitstärkste Fehlerkategorie; ihr Anteil nimmt im Verlauf nicht nennenswert ab. Insgesamt ist zu erkennen, dass mit höherem Alter die Anteile der Fehlerarten zunehmend auseinanderklaffen. Eine genauere Betrachtung innerhalb der semantisch-klassifikatorischen Reaktionen zeigt, dass Kohyponyme wie „Stern" für „Mond" oder „Mäuschen" für „Ratte" deutlich überwiegen: Zwischen 73% und 92% aller klassifikatorischen Antworten sind Kohyponyme. Hyperonyme (z.B. „Pfau" -» „Vogel", „Kleid" -» „Anziehsachen") und Hyponyme („Auto" -» „Cabrio", „Brille" -» „Sonnenbrille") treten jedoch im Laufe der Entwicklung hinzu (für diese Auszählung wurden auch die morphologisch komplexen Wörter mit einbezogen). Bei der Darstellung der Fehlertypen in Abbildung 12 sind wiederum diejenigen Kategorien ausgeblendet, die weniger als 10 % aller Fehler ausmachen. Bei Verben treten Umschreibungen als dominierende Fehlerart hervor. Der Anteil der Umschreibungen nimmt um die 40 % aller Fehler ein. Mit zunehmendem Alter lassen sich auch bei Verben semantisch-klassifikatorische Substitutionen beobachten.
150
Abbildung 12: Fehlerstrategien bei Verben
Morphologisch-komplexe Reaktionen steigen ab fünf Jahren sichtbar an. Dabei handelt es sich meist um Partikelverben, die das Zielwort enthalten können. Anfangs sind Wortartwechsel häufig, d. h., die Kinder produzieren Nomen anstelle von Verben (ζ. B. „wiegen" -» „Apfel"). Zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Jahren nehmen die Wortartwechsel drastisch ab. Nullreaktionen machen zunächst noch etwa ein Viertel der Fehler aus, gehen dann aber deutlich zurück. Demzufolge zeigt sich im Entwicklungsverlauf ein komplementärer Prozess: Antworten ohne Verb (Nullreaktionen und Wortartwechsel) nehmen ab; dagegen steigt der Anteil von Reaktionen, die ein Verb enthalten (semantisch-klassifikatorische und morphologisch komplexe Reaktionen), an. Da Umschreibungen die charakteristische Fehlerart bei Verben sind, wurde ihre Qualität unter den Gesichtspunkten der Adäquatheit und der Verbverwendung genauer analysiert. Bezüglich der Adäquatheit zeigt sich, dass der überwiegende Anteil der Umschreibungen (zwischen 57 % und 76 % ) einen semantischen Bezug zum Zielwort hat (z.B. „werfen" - » „spielt Ball"). Umschreibungen ohne jeden Bezug zum Zielwort nehmen ab (von 3 3 % auf 2 % ) , während die Kinder zunehmend Umschreibungen produzieren, die eine hinreichend korrekte Paraphrase darstellen (z.B. „grüßen" -» „sagt guten Tag"). Diese anspruchsvollste Umschreibungsstrategie steigt von anfänglich 7 % auf über 30 % ab vier Jahren. Im Hinblick auf die Spezifizität der Verben, die Bestandteil der Umschreibungen sind, geht aus Abbildung 13 hervor, dass Umschreibungen ohne Verb selten sind und schon ab dreieinhalb Jahren nicht mehr auftreten (z.B. „kitzeln" - » „Fuß hoch"). Bei den Umschreibungen, die Verben enthalten, steigt der Anteil der spezifischen lexikalischen Verben
151 an (z.B. „rutschen" -» „rodelt den Berg runter"). Dementsprechend gehen Umschreibungen mit allgemeinen GAP-Verben zurück (ζ. B. „schneiden" —» „macht Brot"). Zur Gegenüberstellung der Fehlerstrategien bei den beiden Wortarten wurde mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests bzw. des exakten Tests nach Fisher überprüft, ob sich der Anteil jeder Fehlerkategorie bei Nomen von dem bei Verben signifikant unterscheidet. Die Ergebnisse weisen auf wortarttypische Fehlermuster hin: Semantisch-klassifikatorische Fehler treten häufiger bei Nomen als bei Verben auf. Dieser Effekt erweist sich als durchgehend signifikant (in jeder Altersgruppe ρ < .001). Bei Umschreibungen zeigt sich das gegenteilige Muster: Sie treten signifikant häufiger bei Verben als bei Nomen auf (in jeder Altergruppe ρ < .001). Wortartwechsel bei Verben sind für die frühen Phasen der Sprachentwicklung typisch. In den ersten beiden Altersgruppen treten Wortartwechsel häufiger bei Verben als bei Nomen auf (Signifikanz für die Altersgruppen 1 und 2: ρ < .001). Im Laufe der Entwicklung verliert sich dieser Effekt; Wortartwechsel spielen nun bei beiden Wortarten eine untergeordnete Rolle. Der anfängliche Unterschied zwischen Nomen und Verben resultiert aus der Tatsache, dass Kinder von Beginn an die Zielkategorie der Nomen beibehalten, bei geforderten Verben jedoch zunächst häufig mit Nomen statt mit Verben reagieren. Nullreaktionen treten bei den älteren Kindern häufiger für Nomen als für Verben auf (signifikanter Effekt in den Altersgruppe 6,7 und 8, jeweils ρ < .001). Anfangs kommen Nullreaktionen im Zusammenhang mit beiden Wortarten vor; diese Strategie nimmt dann für Verben ab, während sie für Nomen weiterhin anhält.
Abbildung 13: Verbqualität bei Umschreibungen
152 Zusammengefasst konnte durch die qualitative Analyse der Benenndaten gezeigt werden, dass sich sowohl die Wortart als auch das Alter der Kinder auf die Art ihrer Fehlerstrategien auswirken. Die Ergebnisse weisen zum einen auf wortartspezifische Einflüsse hin. Für Nomen sowie für Verben stellt sich jeweils eine Antwortstrategie als besonders charakteristisch heraus. Während bei Objektbegriffen häufig semantisch-klassifikatorische Substitutionen auftraten, wurden geforderte Verben meist durch eine Umschreibung der Handlung umgangen. Zum anderen lassen die Fehlermuster auf entwicklungsbedingte Veränderungen schließen. So dominieren bei den Nomen schon früh semantisch-klassifikatorische Fehler, deren Anteil mit zunehmendem Alter weiter ansteigt, während weniger anspruchsvolle Antwortstrategien (wie semantisch unrelationierte Wörter und Nullreaktionen) zurückgehen. Zu der Verwendung von Kohyponymen treten allmählich Oberbegriffe und spezifische Hyponyme hinzu. Bei der verbtypischen Fehlerart der Umschreibungen ist ebenfalls ein Aufwärtstrend zu beobachten. Im Laufe der Entwicklung zeigt sich überdies, dass die Kinder sich hinsichtlich der Angemessenheit ihrer Umschreibungen verbessern. Wortartwechsel, bei denen die Kinder Nomen statt der geforderten Verben produzieren, nehmen ebenfalls ab. Im Entwicklungsverlauf zeigt sich ein komplementärer Prozess: Antworten ohne Verb wie Nullreaktionen und Wortartwechsel nehmen ab, während Antworten mit Verb (wie semantisch-klassifikatorische und morphologisch komplexe Reaktionen) zunehmen.
7.4.2.4
Verstehen von Nomen und Verben bei ungestörten Kindern
Als nächstes wurde der Umgang mit Nomen und Verben in der rezeptiven Modalität mit dem in 7.2 beschriebenen Wortverständnistest (farbige Bilder) empirisch überprüft. Hier wurden 233 monolinguale Kinder mit ungestörter Entwicklung untersucht, die in fünf Altersklassen mit Jahresabständen eingeteilt wurden. Die Erhebungen fanden in Kindergärten und Schulen in Berlin und Potsdam statt. Die Reaktionen der Kinder wurden quantitativ dahingehend bewertet, ob das Zielitem korrekt identifiziert wurde. Die qualitative Auswertung bezog sich auf die Art des Ablenkers bei Fehlreaktionen. Tabelle 8: Stichprobenbeschreibung für den Verstehenstest mit deutschen Kindern Altersklasse
Anzahl Kinder
Alter (Jahre; Monate)
2
η = 65 η = 64 η = 37 η = 37 η = 30
2;00-2;11 3;00-3;11 4;00-4;11 5;00-5;11
3 4 5 6
6;00-6;11
153
Abbildung 14: Wortverständnisleistungen bei deutschen Kindern Die deskriptive Statistik (im Anhang A7) und die Abbildung 14 zeigen, dass schon die jüngsten Kinder mit guten Verständnisleistungen einsteigen. Bereits zwischen zwei und drei Jahren werden über 60 % der Items korrekt verstanden, ab vier Jahren über 80 %, danach werden Deckeneffekte erreicht (in der letzten Altersklasse werden 98,5 % der Nomen und 94,7 % der Verben korrekt verstanden). Eine Varianzanalyse, die die Wortart (Anzahl korrekter Reaktionen bei Nomen und bei Verben) als Innersubjektfaktor und als unabhängige Variable den Faktor Alter mit fünf Altersgruppen ansetzt, ergibt Haupteffekte für Alter (F(4,228) = 117.14, ρ < .001) und für Wortart (F(l,228) = 203.07, ρ < .001) sowie eine signifikante Interaktion zwischen Alter und Wortart (F(4,228) = 18.25, ρ < .001). Sowohl das Alter als auch die Wortart beeinflussen somit die Verständnisleistung. Nomen werden in jeder Altersgruppe besser verstanden als Verben. Auch wenn der Abstand zwischen Nomen und Verben geringer ausfällt als in der Produktion, erweist sich die Differenz in post-hoc Tests durchgehend als signifikant. Die Altersgruppenvergleiche weisen auf signifikante Verbesserungen von einem Jahr zum nächsten hin. Beim Verstehen zeigen sich außerdem Effekte der Subkategorie der Verben. Fasst man alle Kinder zusammen, so ergibt sich ein hochsignifikanter Vorteil für die intransitiven Verben (p < .001 im T-Test), der auch in jeder Altersgruppe signifikant ist. Für intransitive und transitive Verben verbessern sich die Leistungen in signifikantem Ausmaß von einer Altersgruppe zur nächsten, außer zwischen den Altergruppen 4 und 5. Unterschiede zwischen natürlichen und artifiziellen Objekten zeigen sich dagegen weder für alle Kinder, noch in einer einzelnen Altersgruppe. Für beide Subkategorien der Nomen finden Verbesserungen mit zunehmendem Alter statt.
154 Die qualitative Bewertung macht deutlich, dass die Kinder bei Fehlern überwiegend durch Zeigen des semantisch nahen Ablenkers reagieren. Diese Sensitivität für die semantische Nähe ist bereits bei den jüngsten Kindern zwischen 2 und 3 Jahren zu sehen, nimmt im Verlauf der Entwicklung zu und ist für Nomen und Verben gleichermaßen ausgeprägt (Tabelle 9). Tabelle 9: Prozentsatz der nahen Ablenker unter allen Fehlreaktionen im Verständnistest (n = 233)
Nomen Verben
AK 2
AK 3
AK 4
AK 5
AK 6
63,58 62,87
73,31 70,03
81,67 89,55
86,96 94,07
100,00 93,75
Die Ergebnisse zum Wortverstehen weisen im Ganzen zum einem auf altersbedingte Fortschritte hin, die für Verben anfänglich steiler sind als für Nomen, bei denen die Entwicklung flacher verläuft (vgl. Abbildung 14). Nomen werden durchweg besser verstanden als Verben, jedoch verringert sich die Differenz im Altersverlauf; die Leistungen für Verben nähern sich denen für Nomen an. Intransitive Verben haben einen Vorteil gegenüber transitiven; ein Profil, das mit den Benenndaten übereinstimmt. Der Vorteil für Artefakte, der sich in den späteren Altersstufen beim Benennen zeigte, tritt beim Verstehen nicht auf.
7.4.2.5
Vergleich zwischen produktiven und rezeptiven Leistungen
Es ist zu erwarten, dass die Fähigkeit, Wörter zu verstehen, der Fähigkeit, dieselben Wörter zu produzieren, vorausgeht. Interessant ist das Ausmaß der Differenz zwischen Rezeption und Produktion in den verschiedenen Wortarten. Zu dieser Frage wurde eine weitere Erhebung durchgeführt, die die bisher berichteten Untersuchungen in mehreren Aspekten ergänzt. Bei dieser Studie wurde mit derselben Stichprobe sowohl der rezeptive als auch der expressive Testteil (beides als farbige Versionen) durchgeführt. Damit ist ein direkter Modalitätsvergleich möglich. Darüber hinaus wurden die Kinder im Abstand von 6 Monaten erneut getestet, so dass nun auch längsschnittliche Daten vorliegen. Die Studie umfasst 44 deutschsprachige Kinder (21 Jungen, 23 Mädchen), die zum ersten Untersuchungszeitpunkt durchschnittlich 2;11 Jahre (2;10 bis 3;01) und zum zweiten Zeitpunkt durchschnittlich 3;05 (3;03 bis 3;07) Jahre alt waren. Wiederum wurde durch Fragebögen abgesichert, dass die Kinder monolingual aufwachsen und keine Entwicklungsbeeinträchtigungen aufweisen. Die Durchführung der rezeptiven und produktiven Version des Nomen-Verb-Tests erfolgte jeweils im Abstand 3 bis 6 Tagen. Die Präsentationsreihenfolge wurde gesplittet: Eine Hälfte der Kinder durchlief erst die rezeptive, dann die
155 produktive Testung, die andere Hälfte umgekehrt. Durch dieses Vorgehen sollten eventuelle Auswirkungen der Testreihenfolge auf die Leistungen der Kinder erkannt werden. Die Auswertung der Daten erfordert die Berücksichtigung mehrerer Faktoren (unabhängige Variablen sind Gruppe/Testreihenfolge sowie Alter mit zwei Stufen U1 und U2) sowie mehrerer abhängiger Variablen (Wortart: Nomen und Verben, Modalität: produktiv und rezeptiv). Die Datenanalyse erfolgte daher durch zweifaktorielle Varianzanalysen mit anschließenden post-hoc-Tests zum Vergleich der Mittelwerte. Dabei wurde deutlich, dass die Testreihenfolge durchaus Einfluss auf die Ergebnisse nahm. Eine Varianzanalyse (mit dem Faktor Gruppe als unabhängiger Variable, Modalität als Innersubjektfaktor und der Anzahl korrekter Reaktionen für alle Kategorien und Subkategorien zu beiden Zeitpunkten als abhängige Variablen) zeigte, dass sich die Gruppen in Bezug auf ihre Benenn- und Verständnisleistungen im Ganzen nicht unterscheiden, da kein Haupteffekt für den Faktor Gruppe/Testreihenfolge gefunden wurde. Allerdings ergab sich ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen Modalität und Testreihenfolge (für Nomen zum ersten Zeitpunkt: F(l,42) = 115.62, ρ < .001, für Nomen zum zweiten Zeitpunkt F(l,42) = 25.66, ρ < .001; für Verben zum zweiten Zeitpunkt F(l,42) = 21.52, ρ < .001, für Verben zum zweiten Zeitpunkt F(l,42) = 57.3, p < .001). Anschließende Mittelwertsvergleiche (Mann-Whitney-U-Tests) lassen erkennen, dass die Kinder der Gruppe 1 zum ersten Untersuchungszeitpunkt signifikant besser waren als die Kinder der Gruppe 2 beim Produzieren von Nomen (p < .01) und Verben (p < .01). Auch zum zweiten Zeitpunkt waren die Kinder aus Gruppe 1 besser als die Kinder der anderen Gruppe (p < .05 für Nomenproduktion und ρ < .001 für Verbproduktion). Beim Verstehen allerdings waren die Kinder der zweiten Gruppe im Vorteil, was sich jedoch nur zum zweiten Zeitpunkt als signifikant erwies (p < .05 für Nomenverstehen und ρ < .05 für Verbverstehen). Die Gruppe von Kindern, mit der zuerst der rezeptive und dann der produktive Testteil durchgeführt wurde, war somit beim Benennen überlegen. Im Gegensatz dazu war die zweite Gruppe, die zuerst das Benennen und dann den Verständnistest durchlief, im rezeptiven Teil besser als die erste Gruppe. Der jeweils zuerst ausgeführte Test wirkte sich generell erleichternd auf die Leistungen im zweiten Test aus. Dieser Effekt war in der ersten Gruppe stärker als in der zweiten, die Kinder profitierten also besonders beim Benennen von der Tatsache, dass sie die Zielwörter zuvor bereits als Stimuli für den Verstehenstest gehört hatten (für eine genauere Darstellung dieser Befunde und eine Diskussion des prim/ng-Effektes siehe Rosenthal 2004). Abgesehen von den offensichtlichen modalitätsspezifischen Unterschieden, die sich in Abhängigkeit von der Testreihenfolge ergaben, wurden vergleichbare Profile hinsichtlich der Kategorie- und Subkategorieeffekte und gleiche Alterseffekte gefunden. Da jeweils eine Gruppe in einer Modalität der anderen Gruppe überlegen war, unterschieden sich die zusammengefassten Mittelwerte (produktiv und rezeptiv) nicht signifikant zwischen den Gruppen. Insgesamt gesehen sind die Benenn- und Verständnisleistungen der untersuchten Kinder in beiden Gruppen ver-
156
— · — N o m e n dt - - © - - N o m e n kor — * — V e r b e n dt - - A - - Verben kor
2;06 - 2;11
3;00 - 3;05
3;06 · 3;11
4;00 · 4;05
4;06 - 4;11
Abbildung 15: Benennen und Verstehen von Nomen und Verben im Vergleich
gleichbar und folgen denselben Mustern. Im Folgenden werden daher die Ergebnisse dargestellt, die sich auf die Gesamtgruppe der 44 Kinder beziehen. Dazu wurden Mittelwertvergleiche herangezogen, um die Effekte des Alters (Zeitpunkt 1 versus Zeitpunkt 2), der Kategorie und der Modalität zu überprüfen. Da nicht immer eine Normalverteilung vorlag, wurden nichtparametrische Verfahren gewählt (Wilcoxon-Tests). Einen Überblick über die Leistungen der 44 Kinder gibt Abbildung 15. In Bezug auf die Altersentwicklung kann festgestellt werden, dass sich die Kinder im untersuchten Zeitraum in ihren Verständnis- und Benennleistungen für N o men und Verben sowie für alle Subkategorien signifikant verbessert haben. Für alle Kategorien und Subkategorien gab es hochsignifikante Unterschiede zwischen den Leistungen zum Untersuchungszeitpunkt 1 und zum Untersuchungszeitpunkt 2 (p < .001, für Nomen rezeptiv ρ < .001). Aus der obigen Abbildung wird bereits ein Nomenvorteil ersichtlich. Wie schon in den früheren Erhebungen beobachtet wurde, ist das Benennen und Verstehen von Nomen durchgängig besser als die entsprechenden Leistungen bei Verben. Zu beiden Zeitpunkten und in beiden Modalitäten unterscheiden sich die Leistungen für die Nomen und Verben hochsignifikant zugunsten der Nomen (p < .001). Im rezeptiven Teil wurden durchschnittlich 7,5 mehr Nomen verstanden als Verben, in der Produktion beträgt die Differenz zwischen Nomen und Verben 10 Items. Ein Nomenvorteil bzw. Verbnachteil kommt also besonders bei der Produktion zum Tragen. Bei den Subkategorien fällt wiederum ein Vorteil der intransitiven Verben auf, der zu beiden Zeitpunkten und in beiden Modalitäten hochsignifikant ist (p < .001). D i e Subkategorien der Nomen dagegen wirkten sich nicht nennenswert auf
157 die Leistungen aus. Außer einem Unterschied zugunsten der Artefakte im Benennen zum zweiten Zeitpunkt (p < .01) wurden keine Mittelwertsunterschiede gefunden. Auch bei der gemeinsamen Betrachtung aller 44 Kinder aus beiden Gruppen unterscheiden sich die Leistungen zwischen den Modalitäten in beiden Wortarten (jeweils ρ < .001). Die Verstehensleistungen sind den Produktionsleistungen bei Nomen und Verben durchgängig überlegen. Die Diskrepanz zwischen Verstehen und Produktion ist jedoch bei Verben stärker ausgeprägt als bei Nomen (Abstand zwischen Rezeption und Produktion bei Nomen: 3,6 Items, bei Verben: 6,4 Items). Zusammengefasst macht die längsschnittliche Untersuchung deutlich, dass Kinder zu Beginn des vierten Lebensjahres deutliche Fortschritte im Wortverstehen und in der Wortproduktion durchlaufen. Dabei sind die lexikalischen Leistungen für Nomen besser als für Verben. Bei der Verarbeitung von Verben wirkt sich die Subkategorie dahingehend aus, dass intransitive Verben leichter verstanden und produziert werden. Generell liegen die Verständnisfähigkeiten über den Benennfähigkeiten, wobei der Abstand zwischen Rezeption und Produktion bei Verben stärker ausfällt. Außerdem konnte festgestellt werden, dass sich die Testreihenfolge auf die Leistungen auswirkt. Wurden Kinder zunächst mit dem rezeptiven Testteil konfrontiert, so profitierten sie noch drei bis sechs Tage später davon, wenn sie die Items benennen sollten.
7.4.2.6
Vergleich der Benennleistungen in Abhängigkeit vom Stimulusmaterial
In der zuerst dargestellten Untersuchung mit 240 Kindern wurden die Stimulusbilder als schwarz-weiß-Zeichnungen vorgelegt. In der Längsschnittuntersuchung mit 44 Kindern und in einer späteren Untersuchung zum Benennen bei sprachgestörten Kindern wurde für den Test in beiden Modalitäten farbiges Material verwendet. D a bislang unklar ist, ob und wie sich Eigenschaften des Bildmaterials, insbesondere die Farbigkeit, auf die Benennleistungen auswirken, ist daher ein diesbezüglicher Vergleich von Interesse. Zunächst wurden 30 Kinder der Altersklasse 1 (2;06 bis 2;11) aus der Querschnittsuntersuchung mit 23 Kindern aus der Längsschnittstudie verglichen. E s wurden nur Kinder der Gruppe 2 einbezogen, die den produktiven Test zuerst, d. h. ohne vorherige Vorgabe der Items, durchlaufen hatten. Da diese Kinder zum ersten Untersuchungszeitpunkt 2;10 bis 3;01 Jahre alt waren, sind die Gruppen hinsichtlich des Alters nicht genau vergleichbar. Auch bei einem Vergleich der Altersklasse 2 aus der Querschnittsstudie (3;00 bis 3;05, 30 Kinder) und den 23 Kindern der Längsschnittsstudie zum zweiten Untersuchungszeitpunkt (3;03 bis 3;07) sind die Kinder, die mit farbigem Material getestet wurden, etwas älter. Kinder, denen farbiges Material präsentiert wurde, sind beim Benennen besser als die Kinder, die auf schwarz-weiß-Zeichnungen reagierten. Der Unterschied zwischen den Gruppen fällt in beiden Altersvergleichen im T-Test und im Mann-Whitney-UTest jeweils hochsignifikant (p < .001) aus. Daten für einen weiteren Vergleich lie-
158 gen für Kinder zwischen vier und fünf Jahren vor. Hier werden die Altersklassen 4 und 5 aus der Querschnittsstichprobe (60 Kinder) mit zehn Kindern (ebenfalls zwischen vier und fünf Jahren) verglichen, die in der später vorzustellenden Studie zu Sprachentwicklungsstörungen als ungestörte Kontrollgruppe dienten. Auch in diesem Vergleich schneiden die Kinder, die farbige Bilder benannten, signifikant besser ab. Obwohl die verglichenen Stichproben bei den jüngeren Kindern hinsichtlich des Alters nicht genau übereinstimmen, scheint die Farbigkeit des Materials doch einen erleichternden Effekt auszuüben, was sich bei den älteren Kindern bestätigt.
7.4.3
Empirische Untersuchungen III: Nomen und Verben bei ungestörten Kindern im Sprachvergleich
Die bislang berichteten Daten beziehen sich auf Entwicklungsverläufe von deutschen Kindern. Bei der ausschließlichen Betrachtung einer Einzelsprache kann nichts darüber ausgesagt werden, ob die feststellbaren Tendenzen (ζ. B. der Vorteil von Nomen und intransitiven Verben) sprachübergreifende Gültigkeit besitzen oder in Abhängigkeit von der jeweiligen Sprache variieren. Daher wird nun berichtet, wie sich Kinder mit anderen Muttersprachen beim Benennen und Verstehen von Nomen und Verben verhalten.
7.4.3.1
Benennen und Verstehen von Nomen und Verben bei koreanischen Kindern
Erste koreanische Daten wurden im Rahmen einer Pilotstudie mit Sunjueng Lim erhoben (siehe auch Kauschke 2003). Diese Pilotstudie umfasst 35 Kinder zwischen zweieinhalb und fünf Jahren. Mit dieser relativ kleinen Stichprobe sollte zunächst erprobt werden, ob das Verfahren mit koreanischen Kindern anwendbar ist und ob Sprachvergleiche möglich und aussagekräftig erscheinen. Für die Herstellung der koreanischen Testversion wurde die deutsche Itemliste von einer koreanischen Muttersprachlerin übersetzt. Aus Gründen der Vergleichbarkeit sollte dasselbe Bildmaterial verwendet werden. Dies brachte mit sich, dass die für das deutsche Itemset geltenden Konstruktionskriterien weniger streng kontrolliert werden konnten. Es wurden nur Items verwendet, für die nach einer Untersuchung von 49 koreanischen Erwachsenen eine ausreichende Benennübereinstimmung bestand. Danach eigneten sich je 30 Nomen und Verben für den Test, wobei die Subkategorien nicht ganz ausgeglichen sind. Die 35 koreanischen Kinder der Pilotstudie wurden in Kindergärten in Seoul getestet, ihr Alter entsprach den ersten fünf Altersgruppen der deutschen Stichprobe (2;06-4;ll). Je sieben Kinder pro Altersgruppe nahmen teil, die ebenfalls monolingual waren und keine sprachlichen oder nichtsprachlichen Störungen aufwiesen.
159 Die Ergebnisse zeigen eine Verbesserung der Benennleistungen mit dem Alter, wobei keine signifikanten Alterseffekte zwischen zwei aufeinander folgenden Gruppen auftreten. Die Überprüfung der Kategorieeffekte (Wilcoxon-Tests) macht deutlich, dass in keiner Altersgruppe signifikante Unterschiede zwischen Nomen und Verben bestehen. Rein numerisch werden Nomen in der ersten, zweiten und vierten Altersgruppe geringfügig besser benannt als Verben, in der ersten Gruppe besteht eine Tendenz zur Signifikanz (p = .08). Bei der Betrachtung der Leistungsmuster im Einzelfall ergibt sich keine individuell übergreifende Präferenz für eine Wortart, von einem Teil der koreanischen Kinder werden Verben besser benannt als Nomen. Im Koreanischen findet sich somit keine ausgeprägte Nomen-Verb-Differenz. Tabelle 10: Individuelle Muster beim Benennen von Nomen und Verben, koreanische Kinder (n = 7 pro Altersgruppe) Altersgruppe
N> V
Ν = V
V>N
1:2;06—2;11
4
1
2
2: 3;00-3;05
4
0
3
3: 3 ; 0 6 - 3 ; l l
4
1
2
4: 4;00-4;05
4
1
2
5: 4 ; 0 6 - 4 ; l l
3
1
3
Einen Überblick über den Prozentsatz korrekter Antworten im Sprachvergleich gibt Tabelle 11.100 % entsprechen im deutschen Test j e 36, im koreanischen Test je 30 Zielwörtern. Im Vergleich fallen deutlich bessere Leistungen der deutschen Kinder beim Benennen von Nomen gegenüber den koreanischen Kindern auf. Dagegen sind die Benennleistungen für Verben in beiden Sprachen nach einer anfänglichen, leichten Überlegenheit der koreanischen Kinder in etwa vergleichbar (siehe auch Abbildung 16). Tabelle 11: Durchschnittlicher Anteil der korrekten Benennungen in Prozent bei deutschen (n = 150) und koreanischen (n = 35) Kindern. (Pilotstudie) Altersgruppe
Nomen
Verben
Nomen
Verben
deutsch
deutsch
koreanisch
koreanisch
1:2;06-2;ll 2: 3;00-3;05
44
20
32
27
56
31
38
32
3: 3 ; 0 6 - 3 ; l l 4:4;00-4;05
70
51
48
47
76
57
56
53
5:4;06-4;ll
84
61
63
63
160
Abbildung 16: Benennleistungen deutsch-koreanisch im Vergleich (Pilotstudie)
Die sprachspezifischen Leistungsdifferenzen beruhen offensichtlich nicht auf einem Verbvorteil der koreanischen Kinder, sondern auf einer Nomenüberlegenheit der deutschen Kinder. Ob diese ersten Schlussfolgerungen generalisierbar sind, soll nun durch eine größere Stichprobe überprüft und abgesichert werden. Eine größere und systematische sprachvergleichende Untersuchung wurde in den Jahren 2002 bis 2003 im Rahmen einer von der Korean Research Foundation geförderten Studie durchgeführt (in Zusammenarbeit mit Lee Hae-Wook, Pusan University of Foreign Studies und Pae Soyeong, Universität Hallym). In dieser zweiten Studie wurde das Benennen von Nomen und Verben von je 240 deutschen und koreanischen Kindern getestet. Die deutschen Daten entstammen der in 7.4.2.1 beschriebenen deutschen Stichprobe. Parallel dazu wurden 240 koreanische Kinder in Seoul und Pusan in denselben Altersstufen mit demselben (schwarz-weißen) Material untersucht (ebenfalls je 30 Kinder pro Altersgruppe). Die Geschlechtsverteilung in der koreanischen Stichprobe war ausgeglichen. Für einen Vergleich der beiden Sprachen wurden nur die Items ausgewertet, die in beiden Sprachen gleichermaßen verwendet werden konnten, so dass ein identisches Itemset vorliegt. Dazu wurden die vorliegenden Daten der deutschen Kinder für ein reduziertes Itemset von 26 Nomen und 28 Verben reanalysiert. Von den ursprünglich 30 Items, für die eine Benennübereinstimmung bei koreanischen Erwachsenen erzielt werden konnte, mussten die Nomen „Tisch" (keine deutschen Werte, da Übungsitem), „Zaun", „Bank" und „Krebs" (in Korea in dieser Form eher unbekannt) entfallen. Unter den Verben musste auf die Items „treten" (deutsches Übungsitems) und „tanzen" (unklare Darstellung) verzichtet werden. Einige Bilder (ζ. B. „grüßen") wurden in
161 der bildlichen Darstellung verändert, weil die Objekte bzw. die Handlungen kulturspezifisch unterschiedlich aussehen. Für einige Items mussten zwei Synonyme als gleichermaßen korrekte Antworte akzeptiert werden, so ζ. B. die koreanischen und die ebenfalls gebräuchlichen englischen Wörter für „küssen" und für „Kleid". Einige der Verben entsprechen im Koreanischen Konstruktionen mit Nomen und „machen" („Kuss machen", „Gruß machen", „tauchen machen", „niesen machen"), drei weitere bestehen aus Nomen-Verb-Konstruktionen („Rutsche fahren", „Spucke ausspucken", „Wasser geben"). 1 8 Es stellt sich heraus, dass der allgemeine Schwierigkeitsgrad der Aufgabe in beiden Sprachen sehr ähnlich ausfällt. Betrachtet man alle Ergebnisse aller Altersklassen zusammen, erreichen die deutschen Kinder 64,7 % (SD 18,68) und die koreanischen Kinder 65 % (SD 17,27) korrekte Antworten. EinT-Test ergibt keine signifikante Differenz zwischen den Gesamtleistungen. Die Leistungen der Kinder sind somit insgesamt vergleichbar, was für die Eignung des Verfahrens in beiden Sprachen spricht. Der Prozentsatz der korrekten Benennungen (bezogen auf 26 Nomen und 28 Verben) wird in Tabelle 12 für die einzelnen Altersgruppen im Überblick aufgeführt. 1 9 Zunächst erfolgt ein Kategorievergleich zwischen Nomen und Verben getrennt für die beiden Sprachen. In Bezug auf die Wortarteffekte zeigt sich eine Übereinstimmung dahingehend, dass im Deutschen und im Koreanischen insgesamt und in jeder Altersgruppe Nomen hochsignifikant besser benannt werden als Verben. Aussagen zum Sprachvergleich wurden durch multivariate Varianzanalysen getroffen. Bei einer Analyse mit zwei Faktoren {Sprache und Wortart) ergab sich kein
Tabelle 12: Prozentualer Anteil korrekter Benennungen bei deutschen und koreanischen Kindern (n = 30 in jeder Altersgruppe) Deutsch
2;06-2;ll 3;00-3;05 3;06-3;ll 4;00-4;05 4;06-4;ll 5;00-5;ll 6;00-6;ll 7;00-7;ll
18
19
AK AK AK AK AK AK AK AK
1 2 3 4 5 6 7 8
Koreanisch
Nomen %
Verben %
Nomen %
Verben %
46,63 58,72 70,63 76,87 83,53 83,23 87,90 91,90
21,30 34,27 47,40 53,97 57,70 67,07 73,73 80,27
53,85 58,20 60,77 68,20 71,92 80,00 84,62 92,31
37,86 47,73 49,17 49,81 58,21 68,22 74,64 84,64
Eine Zusammenstellung der verwendeten koreanischen Items mit Kommentaren findet sich in Anhang A8. Genauere Angaben zur deskriptiven Statistik bei den koreanischen Kindern finden sich in A9.
162 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20%
-Nomen deutsch -Nomen korean.
10%
0%
Abbildung 17: Nomenbenennen deutsch-koreanisch (2. Studie)
Haupteffekt für die Sprache, aber ein signifikanter Effekt für Wortart (F(l,478) = 908.132, pC.001) und ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen Sprache und Wortart (F(l,478) = 53.323, ρ < .001). Post-hoc-Tests (Mittelwertsvergleiche durch T-Tests) zeigen, dass es signifikante Unterschiede zwischen Nomen und Verben im Koreanischen und im Deutschen gab (beides ρ < .001 im Sinne eines Nomenvorteils), außerdem signifikante Unterschiede zwischen Deutsch und Koreanisch bei Nomen und bei Verben (beides ρ < .05). Da die deutschen Kinder für Nomen insgesamt 74,9 % und die koreanischen Kinder 71,2 % erreichen, liegt also ein Vorteil der deutschen Kinder vor. Für die Verben sind es dagegen 54,5 % bei den deutschen und 58,8 % bei den koreanischen Kindern, somit besteht ein Vorteil der koreanischen Kinder. Bei einer 3-Wege-MANOVA, die die Wortart sowie die unabhängigen Variablen Sprache und Alter berücksichtigt, ergaben sich wiederum kein signifikanter Haupteffekt für Sprache, ein hochsignifikanter Haupteffekt für den Faktor Alter (F(7,464) = 157.834, ρ < .001) sowie Interaktionseffekte zwischen Sprache und Alter (F(7,464) = 6.291, ρ < .001) und Wortart und Alter F(7,464) = 8.021, ρ < .001). Der Interaktionseffekt für Wortart X Sprache X Alter ergab ein Signifikanzniveau von ρ = .055. Die Unterschiede zwischen Deutsch und Koreanisch zeigen sich also in bestimmten Altersstufen für bestimmte Wortarten. Dies wurde durch post-hoc-Mittelwertsvergleiche weiter überprüft. Das Muster wird in Abbildung 17 (für Nomen) und in Abbildung 18 (für Verben) illustriert. Die Berechnungen ergaben, dass sich signifikante Unterschiede zwischen den Leistungen der deutschen und der koreanischen Kinder nur in einzelnen Altersgruppen
163
Abbildung 18: Verbbenennen deutsch-koreanisch (2. Studie)
zeigen. Im einzelnen ergibt sich für die Verben, dass die Leistungen bei den koreanischen Kindern in den ersten beiden Altersklassen signifikant besser als bei den deutschen Kindern (2;06 bis 2;11: ρ < .001 und 3;00 bis 3;05: ρ < .001) sind. Beim Benennen von Nomen sind die deutschen Kinder in den Altersklassen 3 , 4 und 5, also zwischen dreieinhalb und fünf Jahren, signifikant besser als die koreanischen Kinder ( A K 3: ρ < .001; A K 4: ρ < .05 und A K 5: ρ < .001). Die Ergebnisse sprechen zusammengefasst sowohl für sprachübergreifende Tendenzen als auch für sprachspezifische Differenzen zu bestimmten Zeitpunkten in der Entwicklung. Große Übereinstimmungen in der Bewältigung der Benennaufgabe werden an dem vergleichbaren Gesamtschwierigkeitslevel deutlich, sowie daran, dass sich in beiden Sprachen eine Verbesserung mit zunehmendem Alter zeigt und dass Nomen sprachübergreifend besser benannt werden als Verben. Bei den Verben sieht man ab dreieinhalb Jahren parallele Entwicklungsverläufe. Bei den Nomen bestehen überwiegend Übereinstimmungen mit Ausnahme der Altersklassen 3, 4 und 5. Sprachspezifische Unterschiede finden sich dahingehend, dass die deutschen Kinder beim Nomenbenennen und die koreanischen Kinder beim Verbbenennen tendenziell den Kindern der jeweils anderen Sprache überlegen sind. Dies zeigt sich jedoch nicht durchgängig, sondern an einzelne Entwicklungsphasen gebunden. Während die koreanischen Kinder auf einem höheren Niveau des Verbbenennens einsteigen und damit einen frühen Verbvorteil zeigen, sieht man bei den deutschen Kindern später einen punktuellen Nomenvorteil. Die Ergebnisse der zweiten sprachvergleichenden Studie ergänzen und verändern das Bild, das sich aufgrund der Pilotstudie ergeben hat. Die frühe Verbüberle-
164
genheit der koreanischen Kinder konnte bestätigt und statistisch untermauert werden. Die Nomenüberlegenheit der deutschen Kinder fiel jedoch im Vergleich zur Pilotstudie geringer aus und beschränkte sich auf drei Altersgruppen. Da in der zweiten Studie sowohl die Anzahl der untersuchten Kinder als auch die Anzahl der verglichenen Items konstant und direkt vergleichbar sind, kommt den Ergebnissen dieser Erhebung eine größere Validität und Aussagekraft zu. Zusätzlich zu den berichteten Studien wurde eine dritte koreanische Datenerhebung in Zusammenarbeit mit Sunjueng Lim durchgeführt, wobei auch Wortverständnistests einbezogen und die Subkategorien der Wortarten berücksichtigt wurden. Zum Sprachvergleich wurden die schon dargestellten Daten der deutschen Kinder verwendet. Im Anschluss an die ersten beiden Studien werden nun zunächst die Ergebnisse zum Benennen dargestellt. Zur Ermittlung der Items wurde eine neue Erhebung der Benennübereinstimmung mit 40 koreanischen Erwachsenen durchgeführt. Items, die sich schon in der Pilotstudie als ungeeignet erwiesen, wurden nicht mit aufgenommen, ebenso wurden Items fallengelassen, die keine ausreichende Benennübereinstimmung erzielten. 20 Bei den Nomen entfallen gegenüber dem ursprünglichen deutschen Set die Items „Besen", „Schwan", „Igel", „Zopf", „Sonne", „Bank", „Kleid" und „Birne". Bei den Verben entfallen „zaubern", „wandern", „retten", „schubsen", „pflücken" und „wiegen". Für alle anderen Items bestand eine Benennübereinstimmung von mindestens 82 Prozent. Die folgende sprachvergleichende Auswertung wurde mit den Items vorgenommen, die sowohl im deutschen als auch im koreanischen Set vorhanden waren und in beiden Sprachen eine ausreichende Benennübereinstimmung aufwiesen. Daher ergibt sich nun ein in beiden Sprachen identisches Set von 30 Verben und 28 Nomen; die Ergebnisse werden zur besseren Vergleichbarkeit der Kategorien über Prozentwerte berechnet. Am Benenntest nahmen 86 monolinguale koreanische Kinder in Seoul, Korea teil. Die Kinder (51 Mädchen, 35 Jungen) verteilten sich auf sechs Altersgruppen zwischen zweieinhalb und sechs Jahren (Halbjahresabstände für die ersten fünf Gruppen ab 2;06, die sechste Altersgruppe umfasst das Alter 5;00 bis 5;11). Eine Varianzanalyse mit den Faktoren Sprache und Wortart ergibt keinen unabhängigen Spracheffekt, aber einen Haupteffekt für Wortart (F(l,264) = 370.08, ρ < .001) sowie einen Interaktionseffekt zwischen Wortart und Sprache (F(l,264) = 76.88, ρ < .001), die Leistungen der deutschen und koreanischen Kinder unterscheiden sich somit bei einer bestimmten Wortart. In nachfolgenden T-Tests stellte sich heraus, dass die deutschen Kinder insgesamt beim Nomenbenennen besser sind als die koreanischen, während es für das Verbbenennen keine Sprachunterschiede gibt. Wird in die Varianzanalyse auch das Alter einbezogen, so führt auch die Altersklasse zu einem signifikanten Effekt (F(5,254) = 89.9, ρ < .001). Die nachfolgenden Sprach20
Außerdem wurden zusätzliche koreanische Items erprobt. Zu den Ergebnissen dieser Erhebung siehe Lim (i.V.).
165 vergleiche in den einzelnen Altersgruppen wurden dann mit T-Tests und aufgrund der geringeren Stichprobengröße bei den koreanischen Kindern mit Mann-Whitney-U-Tests berechnet. Wie folgend Abbildung 19 und Abbildung 20 zeigen, sind die deutschen Kinder durchgehend besser bei den Nomen, was in den Altergrup-
Abbildung 19: Nomenbenennen deutsch-koreanisch (3. Studie)
Abbildung 20: Verbbenennen deutsch-koreanisch (3. Studie)
166 pen 2 und 3 signifikant ist. Beim Benennen von Verben sind die koreanischen Kinder überlegen, dieser Effekt ist in der ersten Altersgruppe signifikant und in geringerem Ausmaß auch in der vierten. Hier bestätigt sich die Beobachtung der zweiten Korea-Studie, bei der ebenfalls ein früher koreanischer Verbvorteil und ein punktueller deutscher Nomenvorteil gefunden wurden. Kategorievergleiche zeigen, dass bei den koreanischen Kindern Nomen signifikant besser benannt werden als Verben. Dieser Effekt ist jedoch nur in der ersten Altersklasse hochsignifikant und erreicht in den Altersgruppen vier und fünf ein Level von ρ < .01 bzw. ρ < .05; in den restlichen drei Altersgruppen fällt der Kategorieunterschied nicht signifikant aus. Der Wortarteffekt ist somit geringer ausgeprägt als der hochsignifikante und konstante Nomenvorteil der deutschen Kinder. Auch bei den Subkategorien zeigen sich sprachspezifische Kategorieunterschiede: Die koreanischen Kinder erbringen signifikant bessere Leistungen bei natürlichen Nomen (der Effekt ist in den ersten drei Altersklassen signifikant, danach nicht mehr), womit ein Gegensatz zur Bevorzugung der Artefakte bei den deutschen Kindern entsteht. Die Überlegenheit der deutschen Kinder gegenüber den koreanischen bei den Nomen kommt daher auch durch die Unterschiede in der Subkategorie der Artefakte zustande; bei den natürlichen Nomen gibt es insgesamt und in den einzelnen Altersgruppen keine Sprachunterschiede. Die Subkategorie der Verben ist bei den koreanischen Kindern weniger bedeutsam, nur in den ersten beiden Altersgruppen sind auch die koreanischen Kinder besser bei intransitiven als bei transitiven Verben. In Ergänzung zu den Sprachvergleichen bei den Benenntests ist nun interessant, ob die gefundenen Muster (früher Verbvorteil für Koreanisch, Nomenvorteil für deutsch, unterschiedlich starke Ausprägung der Nomen-Verb-Differenz) auch in der rezeptiven Modalität hervortreten. Als Vorstudie wurde die Übereinstimmung der Reaktion auf die Wort-Bild-Zuordnungsaufgabe bei 20 koreanischen Erwachsenen ermittelt. Für die Items „Hut", „Besen", „Hahn" und „Ratte" weicht das im rezeptiven Test angebotene Wort von dem Begriff, der sich durch die Benennübereinstimmung ergab, ab. Beim Benennen wurden von Erwachsenen übereinstimmend Sammelbegriffe genannt. In der rezeptiven Version ist jedoch eine eindeutige Abgrenzung von semantisch ähnlichen Begriffen erforderlich. Daher kam es hier nur mit spezielleren Begriffen zu übereinstimmenden Reaktionen. Diese wurden dann auch für den Test mit Kindern verwendet. Die Items „wiegen", „bellen" und „füttern" fallen aufgrund fehlender Übereinstimmung in den Reaktionen heraus; „krabbeln" und „pflücken" konnten wegen fehlenden Bildmaterials nicht verwendet werden. Für die anderen Items gab es eine hohe Übereinstimmung in den Reaktionen, mindestens 8 5 % der Erwachsenen (für die meisten Items sogar 100%) reagierten durch Zeigen des Zielbildes. Für beide Sprachen entstand ein Set, das 31 identische Verben und alle 36 Nomen der ursprünglichen deutschen Version enthielt. Der Verständnistest wurde mit weiteren 99 koreanischen Kindern (43 Mädchen, 56 Jungen) zwischen zwei und sieben Jahren (jeweils Jahresabstände) in Korea durchgeführt.
167 Die Daten der Kinder wurden mit den 233 deutschen Kindern verglichen, über die bereits berichtet wurde (Altersgruppen siehe Tabelle 8). Allen Kindern wurde die Wort-Bild-Zuordnungsaufgabe (mit farbigem Material) angeboten. Die erste Varianzanalyse zeigt signifikante Haupteffekte für Wortart (F(l,328) = 37.11p < .001) und Sprache (F(l,328) = 11.91, ρ < .01) sowie einen Interaktionseffekt (F(l,328) = 117.46, ρ < .001).T-Tests machen deutlich, dass sich die Kinder beider Sprachen insgesamt nicht in ihren Leistungen beim Verstehen von Verben unterscheiden, die deutschen Kinder jedoch Nomen besser verstehen als die koreanischen Kinder (T-Test: p < .001). Mit der Berücksichtigung der Variable Alter kommt außer den Effekten für Wortart und Sprache auch ein signifikanter Alterseffekt zustande (Haupteffekt für Alter. F(4,320) = 136.70, ρ < .001), der mit der Wortart interagiert (F(l,320) = 8.16, pC.001). Im Einzelnen ist zu sehen, dass die deutschen Kinder beim Verstehen von Nomen in jeder Altersgruppe klar überlegen sind. Beim Verbverstehen liegen die Leistungen in beiden Sprachen näher beieinander, signifikante Unterschiede bestehen nur am Anfang zugunsten der deutschen Kinder und zwischen sechs und sieben Jahren zugunsten der koreanischen Kinder. Interessante Ergebnisse erbrachten die Kategoriedifferenzen, die auf deutliche Sprachdifferenzen hinweisen. Während bei den deutschen Kindern eine klare, zeitlich konstante und immer hochsignifikante Präferenz für Nomen besteht, ergibt sich bei den koreanischen Kindern insgesamt ein Vorteil zugunsten der Verben (p < .01 im T-Test). Betrachtet man diesen Verbvorteil im Koreanischen getrennt für die Altersgruppen, so unterscheiden sich die Leistungen bei Nomen und Verben bis zum Alter von fünf Jahren nicht, danach entsteht ein Vorteil für Verben (Abbildung 21).
Abbildung 21: Verstehen von Nomen und Verben - koreanisch
168 In der rezeptiven Modalität ergibt sich somit der Befund, dass die koreanischen Kinder keine Nomenpräferenz zeigen. Nomen werden nie besser verstanden als Verben, später sind die Leistungen bei Verben sogar besser. Wie auch beim Benennen werden natürliche Nomen besser verstanden als Artefakte, während die deutschen Kinder keine derartigen Subkategorieeffekte aufweisen. In Bezug auf die Verb-Subkategorien sind in beiden Sprachen die Ergebnisse für intransitive Verben besser als für transitive.
7.4.3.2
Benennen von Nomen und Verben bei türkischen Kindern
Die deutsch-türkische Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit Alkim Ari, Berlin. Auch für die türkische Sprache wurde das Bildmaterial zunächst türkischen Erwachsenen vorgelegt, um die Benennübereinstimmung zu überprüfen. Wiederum mussten kulturabhängige Veränderungen der Zeichnungen (bei „Besen") vorgenommen werden. Diese Erhebung wurde mit 33 türkischen Erwachsenen durchgeführt. Bei 15 Personen handelte es sich um in Deutschland lebende türkische Muttersprachler, bei 18 Personen fand die Datenerhebung in der Türkei (Ankara) statt. Da die Mittelwerte der beiden Gruppen eng beieinander liegen, können die Kontrollgruppen zusammengefasst werden (Durchschnittsalter 35,4). Für die Gesamtgruppe der 33 erwachsenen Probanden ergibt sich beim Benennen ein signifikanter Effekt zugunsten der Nomen (p < .05). Bei der itemspezifischen Auswertung stellte sich heraus, dass für zwei Nomen („Kreuz" und „Ratte") keine ausreichende Benennübereinstimmung erzielt werden konnte. Diese Items wurden durch neue Begriffe („Gürtel" und „Hirsch") ersetzt. Bei den Verben entfielen „wandern" (Darstellung und Begriff kulturuntypisch) und „schubsen" (die Handlungsbilder „schieben" und „schubsen" werden mit dem gleichen Wort „itmek" benannt). Diese Wörter wurden durch die neuen Begriffe „löschen" und „betteln" ersetzt. Aufgrund der Benennüberstimmung mussten zum Teil Synonyme akzeptiert werden; bei der späteren Untersuchung von Kindern stellte sich jedoch heraus, dass die Kinder übereinstimmend nur eines dieser Synonyme verwendeten.21 Der Benenntest wurde dann mit türkischen Kindern in staatlichen Kindertagesstätten in Ankara durchgeführt. Die Kinder verteilen sich auf jeweils 20 in den Altersgruppen 3;00 bis 3;11 Jahre (9 Mädchen, 11 Jungen), 4;00 bis 4;11 Jahre (12 Mädchen, 8 Jungen) und 5;00 bis 5;11 Jahre (11 Mädchen, 9 Jungen). Alle Kinder wuchsen monolingual türkisch auf und hatten laut Fragebögen keine sprachlichen oder sonstigen Entwicklungsbeeinträchtigungen. Die Ergebnisse der türkischen Kinder zeigen zunächst, dass die Anzahl der korrekten Benennungen mit zunehmendem Alter bedeutsam ansteigt. Für jede Kategorie und Subkategorie ergibt sich ein signifikanter Unterschied in den Mittelwerten von einer Altersgruppe zur nächsten. Hinsichtlich des Wortarteffektes liegen 21
Die türkische Itemliste mit Kommentaren findet sich im Anhang A10.
169 Nomen numerisch über Verben, die Differenz ist in den ersten beiden Altersgruppen signifikant (jeweils ρ < .001 im T-Test; im Wilcoxon-Test ρ < .001 für die erste, ρ < .001 für die zweite Altersgruppe), bei den fünf- bis sechsjährigen Kindern jedoch nicht mehr. Bei der Einzelfallbetrachtung, liegt überwiegend ein Nomenvorteil vor, zwischen zwei und sieben Kinder zeigen jedoch auch bessere Leistungen beim Verbbenennen. Transitive Verben werden in jeder Altersgruppe signifikant besser benannt als intransitive. Artefakte werden numerisch besser benannt als natürliche Objekte, dies ist jedoch nur in der ersten Altersgruppe signifikant. Für den Sprachvergleich wurden die 60 türkischen Kinder mit der bestehenden Stichprobe der deutschen Kinder verglichen. In den relevanten Altersklassen handelt es sich daher um je 60 deutsche Kinder zwischen 3;00 und 3;11 Jahren (Altersgruppen 2 und 3 der deutschen Stichprobe), 60 Kinder zwischen 4;00 und 4;11 Jahren (Altergruppen 4 und 5) und 30 Kinder zwischen 5;00 und 5;11 Jahren (Altergruppe 6). Es wurden in jeder Wortart 36 Items verglichen, von denen je 34 in beiden Sprachen identisch waren, bei den abweichenden Items wurde die Subkategorie beibehalten. Betrachtet man zunächst den allgemeinen Schwierigkeitsgrad, so erreichen alle türkischen Kinder insgesamt 57 % korrekte Antworten, die deutschen Kinder 62 %. Im T-Test erweist sich diese Differenz als signifikant (p < .05). Der Art dieses sprachspezifischen Unterschiedes wird durch Varianzanalysen nachgegangen. Eine ANOVA mit der Anzahl korrekter Benennungen als abhängiger Variable (Innersubjektfaktor Wortart) und Sprache als unabhängiger Variable ergibt einen signifikanten Haupteffekt für Sprache (F(l,208) = 6.11, ρ < .05), einen hochsignifikanten Effekt für Wortart (F(l,208) = 447.17, ρ < .001) sowie eine hochsignifikante Interaktion zwischen beiden Faktoren (F(l,208) = 131.772, ρ < .001). Post-hoc-Berechnungen durch T-Tests weisen einen hochsignifikanten Kategorieunterschied zwischen Nomen und Verben in beiden Sprachen (je ρ < .001) nach. Außerdem zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den deutschen und den türkischen Kindern beim Benennen von Nomen (p < .001), jedoch nicht bei den Verben. Der Unterschied zwischen den Sprachen kommt also aufgrund besserer Werte der deutschen Kinder bei den Nomen zustande. Wird das Alter in die Analyse mit einbezogen, so ergeben sich wiederum signifikante Haupteffekte für Sprache (F(l,204) = 21.93, ρ < .001), Alter (F(2,204) = 89.06, ρ < .001) und Wortart (F(l,204) = 431.21, ρ < .001). Signifikante Interaktionseffekte bestehen zwischen Wortart und Sprache (F(l,204) = 121.27, ρ < .001) sowie Wortart und Alter (F(2,204) = 5.57, ρ < .01). Zwischen Sprache und Alter sowie zwischen allen drei Faktoren untereinander gibt es keine Interaktionseffekte. Die anschließende Überprüfung zeigt zum einen die bereits erwähnten Kategorieunterschiede: Im Deutschen werden in allen Altersgruppen Nomen signifikant besser benannt als Verben, im Türkischen trifft dies nur auf die ersten beiden der drei Altersgruppen zu. Interessanter sind die Gruppenunterschiede: In jeder Altersgruppe benennen deutsche Kinder Nomen besser als türkische Kinder (p < .001 in allen Altersgruppen), für Verben gibt es in keiner Altersgruppe einen signifikanten Sprachunterschied. Der Nomenvorteil der deutschen
170 50%
40%
30% - sem.-klass. - sem.-assoz. -unrelationiert
20%
- Nullreaktion
10%
3-4 J
4-5 J
5-6 J
Abbildung 22: Benennleistungen deutsch-türkisch
Kinder ist somit über verschiedene Altersstufen hinweg ein konstantes Phänomen (vgl. Abbildung 22).22 Zusammenfassend ist im quantitativen deutsch-türkischen Sprachvergleich zu beobachten, dass die in beiden Sprachen bestehende Nomen-Verb-Differenz bei den türkischen Kindern geringer ausfällt als bei den deutschen. Die Leistungen der türkischen und der deutschen Kinder beim Benennen von Verben sind vergleichbar, beim Nomenbenennen zeigen sich jedoch signifikant bessere Leistungen bei den deutschen Kindern. Außerdem wird ein unterschiedlicher Umgang mit den Subkategorien der Verben ersichtlich: Im Gegensatz zu den deutschen Kindern haben die türkischen Kinder einen Vorteil für transitive Verben. Türkische Kinder benennen transitive Verben daher auch besser als deutsche Kinder, für intransitive Verben ergibt sich das Gegenteil. Die Reaktionen der türkischen Kinder wurden auch qualitativ bewertet, um die Art des Umgangs mit Benennunsicherheiten zu betrachten und mit den Fehlerstrategien im Deutschen zu vergleichen. In Analogie zum Klassifikationssystem für das Deutsche wurden auch hier die Reaktionen bei Nomen und Verben mit denselben Hauptkategorien erfasst: Semantisch-klassifikatorische, semantisch-assoziative und semantisch unrelationierte Antworten, Wortartwechsel, Umschreibungen, Lautmalereien, Nullreaktionen und nicht klassifizierbare Fehler. Im Gegensatz zur deutschen Auswertung wurde auf die Kategorie der morphologisch komplexen Reak22
Die deskriptive Statistik für die türkischen Kinder ist im Anhang A l l zu finden.
171 tionen, die im Deutschen bei Komposita und Derivationen gewählt wurde, verzichtet. Dies ist zum einen darin begründet, dass den deutschen Komposita entsprechende Formen im Türkischen nicht mit einem zusammengesetzten Wort, sondern durch zwei W ö r t e r realisiert werden (Beispiel: „ g ö z l ü k " = Brille, „günes gözlügü" = Sonnenbrille, entspricht „Brille für die Sonne"). Derivierte Formen kamen unter den Antworten der türkischen Kinder nicht vor. D i e Auswertung wurde von einer türkischen Muttersprachlerin vorgenommen, die von den Auswerterinnen der deutschen Daten in das Klassifikationssystem eingeführt wurde. Bei unklaren Fällen wurde eine Übereinkunft zwischen drei Personen gesucht. Aus den Ergebnissen lassen sich Entwicklungstrends, wortarttypische Strategien und sprachspezifische Besonderheiten erkennen. In den folgenden Abbildungen, die die Fehlerarten bei N o m e n und Verben darstellen, sind die Fehlertypen aufgeführt, die in mindestens einer Altersgruppe mit einem A n t e i l von 10 % oder mehr vertreten sind. Beim Benennen von N o m e n dominieren semantisch-klassifikatorische Fehler, deren A n t e i l knapp die Hälfte aller Fehler ausmacht und leicht ansteigt. D i e Kinder produzieren somit überwiegend semantisch verwandte Begriffe anstelle des Zielwortes. Diese lassen sich nach einer Detailanalyse als Kohyponyme und Hyperonyme beschreiben. D e r größte Teil der semantisch-klassifikatorischen Fehler ( 7 0 - 8 0 % ) besteht in Kohyponymen, in 2 0 - 3 0 % der Fälle werden auch Oberbegriffe verwendet, H y p o n y m e kommen äußerst selten vor. Diese A r t der taxonomisch bezogenen Reaktionen ändert sich im Entwicklungsverlauf kaum. D i e zweitstärkste Fehlerkategorie bei N o m e n sind die Nullreaktionen. In der ersten A l -
50%
40%
"
30% -sem.-klass. - sem.-assoz. - unrelationiert
€
20%
- Nuttreaktion
10%
3-4 J
4-5 J
Abbildung 23: Fehlertypen bei Nomenbenennen (türkisch)
5-6 J
172 tersgruppe, d. h. bei den Kindern zwischen drei und vier Jahren, sind noch viele Nullreaktionen (38 % ) zu finden, deren Anteil schon in der nächsten Altersgruppe drastisch abnimmt (Rückgang auf 20%). Semantisch-assoziative Fehlreaktionen kommen in geringerem Umfang vor, unrelationierte Äußerungen nehmen vor allem bei den älteren Kindern nur noch einen sehr geringen Anteil ein. Umschreibungen, Lautmalereien und Wortartwechsel sind so selten, dass sie in keiner Altersgruppe mindestens zehn Prozent der Reaktionen ausmachen. Abbildung 23 zeigt die Fehlerstrategien bei Nomen. Angesichts von Schwierigkeiten beim zielgerechten Benennen von Verben verlassen sich auch die türkischen Kinder vorwiegend auf Umschreibungen, deren Anteil zwischen 50 % und 35 % beträgt. Nullreaktionen sind auch bei Verben zunächst die zweithäufigste Fehlerart, die jedoch bereits zur zweiten Altersgruppe hin deutlich abnimmt. Der Entwicklungsverlauf dieser Fehlerstrategie weist bei Nomen und Verben somit ein vergleichbares Muster auf. Semantisch-assoziative Reaktionen kommen in allen Altersgruppen in geringerem Maße vor. Bei den semantisch-klassifikatorischen Reaktionen für Verben ist ein starker Zuwachs zu verzeichnen, so dass dieser Fehlertyp mit fünf bis sechs Jahren etwa ein Drittel aller Fehler ausmacht. Abbildunge 24 veranschaulicht die Fehlerstrategien bei Verben. Für Wortartwechsel bei Verben gibt es im gesamten Korpus nur sieben Belege, diese Fehlerart nimmt damit nur 1 % aller Fehler ein. Die gesonderte Auswertung der Verbqualität in den Umschreibungen unterschied wie in der deutschen Auswertung, ob die Umschreibung kein Verb, ein spezifisches Handlungsverb oder ein allgemeines GAP-Verb enthielt. Als Letztere galten
-*-sem.-klass. -a-sem.-assoz. —- Umschreibung - · - Nullreaktion
Abbildung 24: Fehlertypen beim Verbbenennen (türkisch)
173 die Verben „yapmak" und „etmek" (entspricht „machen, tun"). Umschreibungen ohne Verben kommen nahezu nie vor, auch der Anteil der allgemeinen Verben ist mit 4 % - 9 % sehr gering. In den Umschreibungen der türkischen Kinder sind zwischen 90 und 96 % spezifisch lexikalische Verben enthalten; ein Anteil, der besonders in jüngerem Alter über dem der deutschen Kinder in vergleichbarem Alter liegt (deutsche Kinder zwischen 3 und 4 Jahren verwenden etwa 65 % lexikalischer Verben, zwischen 4 und 5 Jahren 75 % und zwischen 5 und 6 Jahren 86 %). Um wortarttypische Fehlerstrategien in den türkischen Daten nachzuweisen, wurden die Anteile der Fehlerarten bei Nomen und Verben statistisch mit dem ChiQuadrat-Test nach Pearson oder im Falle zu kleiner Erwartungshäufigkeiten mit dem exakten Test nach Fisher verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass semantischklassifikatorische Reaktionen in allen drei Altersgruppen bei Nomen signifikant häufiger vorkamen als bei Verben (p < .001 in Altergruppe 1 und 2, ρ < .01 in Altersgruppe 3). Nullreaktionen sind ebenfalls eine Fehlerart, die bei Nomen häufiger als bei Verben angewendet wird (p < .01 in Altersgruppe 1, ρ < .001 in Altersgruppe 2 und ρ < .001 in Altersgruppe 3). Der wortartspezifische Kontrast bei Nullreaktionen wird also mit zunehmendem Alter stärker, da Nullreaktionen bei Verben deutlicher zurückgehen. Ebenfalls signifikant fiel der Unterschied bei den unrelationierten Reaktionen aus, die bei Nomen stärker vertreten waren (p < .05 in Altersgruppe 1 und ρ < .001 in Altergruppe 2). Ein durchgängig häufigeres Vorkommen bei Verben im Gegensatz zu Nomen wurde für die Umschreibungen beobachtet (p < .001 in allen Altersgruppen), anfänglich galt dies auch für semantisch assoziative Reaktionen (p < .01 in der ersten Altersgruppe). Um die Fehlerstrategien im Deutschen und Türkischen besser vergleichen zu können, wurden die morphologisch komplexen Reaktionen der deutschen Kinder nicht berücksichtigt und die restlichen, identischen Kategorien verglichen. Für die Nomen entsteht ein vergleichbares und konstantes Bild, da in beiden Sprachen die Besetzung der ersten drei Ränge unverändert bleibt. Den größten Anteil nehmen semantischklassifikatorische Reaktionen ein, gefolgt von Nullreaktionen und semantisch-assoziativen Ersetzungen. Bei den Verben sind Umschreibungen in beiden Sprachen dominierend. Diesen folgen Nullreaktionen, deren Anteil im Laufe der Entwicklung von semantisch-klassifikatorischen Reaktionen abgelöst wird, was bei den türkischen Kindern früher geschieht. Die türkischen Kinder reagieren beim Benennen der Handlungsbilder überdies nur sehr selten mit Wortartwechseln, behalten also die geforderte Reaktion mit einem Verb generell bei. Auch bei den deutschen Kindern gingen die Wortartwechsel zurück, lagen aber trotzdem noch über dem Anteil der türkischen Kinder. In der Qualität der Umschreibungen bei Verben zeigte sich im Vergleich zu den deutschen Kindern ebenfalls ein höheres Niveau, denn allgemeine Verben wurden nur sehr selten verwendet. Abbildung 25 zeigt die sprachspezifischen Unterschiede beim Benennen von Verben, wobei die Kinder aller Altersgruppen zusammengefasst wurden (d. h. 60 türkische Kinder und 150 deutsche Kinder). Die Art des Umgangs mit Benennproblemen bei den türkischen Kindern weist insgesamt viele Gemeinsamkeiten mit den deutschen Kindern auf. Die beiden her-
174
Abbildung 25: Anteil der Fehlerstrategien deutsch-türkisch bei Verben vorstechenden wortarttypischen Strategien - die Verwendung von Kohyponymen und einigen Hyperonymen bei Nomen und von Umschreibungen bei Verben - ließen sich auch bei den türkischen Kindern beobachten. Der Anstieg taxonomisch bezogener Reaktionen und der Rückgang von Nullreaktionen bei beiden Wortarten veranschaulichen die wachsenden semantischen Fähigkeiten der Kinder, die im Kontext der Benennanforderung genutzt werden. Die geringe Anzahl von Wortartwechseln, die häufiger als im Deutschen vorkommenden semantischen Reaktionen (d. h. Substitutionen, die als Troponymie zu beschreiben sind und Verben mit semantisch-assoziativem Bezug), sowie der hohe Anteil lexikalischer Verben in den Umschreibungen zeugt darüber hinaus von einer sicheren Handhabung der Verben durch die türkischen Kinder.
7.4.3.3 Benennen von Nomen und Verben bei englischen Kindern Um noch eine weitere Sprache mit in die Untersuchungen einzubeziehen, wurden in Zusammenarbeit mit Christina Schelletter (University of Hertfordshire) auch englische Daten erhoben, hier jedoch in geringerem Umfang als bei der koreanischen und türkischen Studie. Für das Englische wurde eine Überprüfung der Benennübereinstimmung mit 90 englischen Erwachsenen durchgeführt. Für einige Items konnte keine ausreichende Benennübereinstimmung von mindestens 80% erzielt werden, da die Probanden zahlreiche alternative Antworten gaben (ζ. B. „cockerel", „chicken", „cock", „rooster", „hen" für das Bild „Hahn"; „pick", „pluck",
175 „plant", „garden", „weed" für das Bild „pflücken"). Um eine gleich große Itemliste mit ausgeglichenen Subkategorien zu erhalten, wurden daher einige Items ausgetauscht, wobei zum Teil Übungs- und Zielitems gegeneinander vertauscht wurden. Bei den Nomen entfielen die deutschen Items „Hahn" und „Schlitten", die durch die neuen Begriffe „Hirsch" und „Tisch" ersetzt wurden. Bei den Verben entfielen die deutschen Items „lachen", „tauchen", „zaubern", „pflücken", „schubsen", „wandern" und „retten"; sie wurden durch die neuen Begriffe „rennen", „zittern", „betteln", „melken" und „lesen", „schreiben" und „treten" ersetzt. 23 Bei einigen Bildern mussten zwei alternative Benennungen als korrekt akzeptiert werden. An der englischen Itemliste fällt auf, dass durchaus Zielwörter enthalten sind, die als isoliertes Wort sowohl Nomen als auch Verb sein könnten (ζ. B. „dress", „water", „milk", „kiss", „dance"). Aufgrund der eindeutigen bildlichen Darstellung der Handlung bzw. des Objektes und durch die Art der Fragestellung („Was ist ...?" bzw. „Was macht...?") ist der Bezug jedoch unmissverständlich. Die englische Datenerhebung fand mit 31 Kindern (15 Mädchen, 16 Jungen) statt. Drei Altersgruppen wurden in der Schule getestet: eine Gruppe von Kindern zur Einschulung und je eine Gruppe im ersten und zweiten Schuljahr. Da die Altersverteilung der Kinder in diesen Gruppen unterschiedlich war, wurden die Kinder anhand ihres Alters wie folgt aufgeteilt: 9 Kinder sind zwischen 4;07 und 5;01 Jahren alt, 11 Kinder zwischen 5;09 und 6;07 Jahren und 11 Kinder zwischen 6;08 und 7;02 Jahren. Um eine Vergleichsstichprobe zu erhalten, wurden aus den deutschen Daten 31 Kinder ausgewählt, die im Alter genau den englischen Kindern entsprechen, d. h. zu jedem englischen Kind wurde ein deutsches Kind in identischem Alter ausgewählt, dabei wurde auch die Geschlechtsverteilung so weit wie möglich der englischen angeglichen. Zunächst wird wieder der allgemeine Schwierigkeitsgrad der Aufgabe festgestellt. Alle englischen Kinder erreichen zu 73,25 % korrekte Benennungen, alle deutschen Kinder zu 76,8%. Dieser Unterschied ist nicht signifikant, die Leistungen der Kinder sind somit insgesamt vergleichbar. Eine Varianzanalyse mit dem Faktor Sprache als unabhängiger Variable ergibt daher auch keinen signifikanten Haupteffekt für Sprache, aber einen Effekt für die Wortart (F(l,60) = 117.54, p < .001) und einen Interaktionseffekt zwischen Sprache und Wortart (F(l,60) = 12.35, ρ < .001). Vergleicht man post-hoc die Werte der englischen und deutschen Kinder für jede Wortart, so gibt es einen signifikanten Unterschied bei den Nomen (p < .01), der durch einen Vorteil der deutschen Kinder zustande kommt. Für Verben zeigt sich keine bedeutsame Differenz zwischen den Sprachen. In einer 3-WegeMANOVA, die auch den Faktor Alter mit berücksichtigt, ergeben Alter und Wortart, nicht jedoch die Sprache, signifikante Effekte (Alter: F(2,56) = 23.17, ρ < .001, Wortart: F(l,56) = 143.71, ρ < .001). Während Sprache und Alter nicht interagieren, gibt es Interaktionseffekte für Wortart und Sprache (F(l,56) = 12.88, ρ < .001) und Wortart und Alter (F(2,556) = 4.35, ρ < .05). Daher wird weiter geprüft, in welchen 23
Eine kommentierte Auflistung der englischen Items findet sich im Anhang A12.
176 Altersstufen sich Sprachunterschiede zeigen. Einen signifikanten Vorteil der deutschen Kinder bei den Nomen gibt es in der ersten Altersgruppe (etwa fünfjährige Kinder; ρ < .05 im T-Test) sowie in der dritten Altersgruppe (etwa siebenjährige Kinder, ρ < .01 im T-Test). Für Verben gibt es keine Gruppenunterschiede in den ersten beiden Altersgruppen, allerdings fällt ein gerade noch signifikanter Vorteil der älteren englischen Kinder auf (in Altersgruppe 3: ρ < .05 im T-Test). Im Sprachvergleich sind die deutschen Kinder somit insgesamt besser beim Nomenbenennen, was sich in zwei der drei Altersklassen ebenfalls als signifikant herausstellt, beim Verbbenennen zeigen die englischen Kinder nur in Altergruppe 3 eine Überlegenheit, die insgesamt (auf alle Altersgruppen bezogen) nicht zu einem signifikanten Effekt führt. 24 Betrachtet man das Verhältnis der Wortarten zueinander, so bestätigt sich wiederum das Bild, dass insgesamt gesehen Nomen in beiden Sprachen besser benannt werden als Verben (für beide Sprachen ρ < .001 im T-Test). Aufgrund des Interaktionseffektes zwischen Wortart und Alter wird die Kategoriedifferenz auch in jeder Altersgruppe überprüft. Hier zeigt sich, dass der Nomenvorteil bei den deutschen Kindern für jede Altersgruppe signifikant ausfällt, während die Wortartdifferenz bei den englischen Kindern in der dritten Altersgruppe nicht signifikant ist. Die Diskrepanz zwischen Nomen und Verben ist somit im Englischen weniger deutlich ausgeprägt und bei den ältesten Kindern kaum noch ersichtlich.
—-Nomen —Nomen —Verben Verben
dt engl dt. engl
Abbildung 26: Benennleistungen deutsch-englisch 24
Deskriptive Statistik für die englischen Kinder und die ausgewählten deutschen Kinder in A13.
177 Da die englischen und deutschen Kinder in ihrem Umgang mit Nomen und Verben beim Benennen große Ähnlichkeiten zeigten, wurde in einem weiteren Schritt die Möglichkeit überprüft, dass der bestehende Gruppenunterschied bei den Nomen auf Effekte des Stimulusmaterials zurückzuführen sein könnte. Daher wurden nur die Items ausgewertet, die für beide Sprachen identisch sind, so dass ein Itemset aus 34 Nomen und 29 Verben entsteht. Vergleicht man die Leistungen in beiden Sprachen mit dieser reduzierten Itemmenge miteinander, so unterscheiden sich die Werte weder für Nomen noch für Verben signifikant. In der dritten Altergruppe ergibt sich bei den Nomen hier ein Vorteil für die englischen Kinder, sonst entstehen in keiner Altersgruppe und keiner Wortart signifikante Differenzen. Bei einem genau gleich gehaltenen Stimulusmaterial lassen sich somit kaum noch sprachspezifische Differenzen finden. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, wie die Subkategorien behandelt werden. Dazu wird wiederum das vollständige Itemset betrachtet, in dem die Subkategorien in ausgeglichener Anzahl vertreten sind. In beiden Sprachen ist ein numerisch recht geringer Vorteil der Artefakte gegenüber den natürlichen Objekten zu sehen, der insgesamt in beiden Sprachen signifikant ausfällt (p < .05 für Deutsch, ρ < .05 für Englisch im T-Test), aber nicht in jeder Altersgruppe signifikant ist. Unterschiede zwischen den deutschen und den englischen Kindern entstehen hinsichtlich der Subkategorien der Verben. B e i den deutschen Kindern werden intransitive Verben besser benannt als transitive, was wiederum nur für alle Altersgruppen zusammen eine Signifikanz ergibt (p < .05 im T-Test). Bei den englischen Kindern dagegen spielt die Subkategorie der Verben eine geringere Rolle. Es besteht eine Tendenz zu besseren Leistungen bei transitiven Verben, die in der ersten Altersgruppe signifikant wird. Die Überlegenheit der englischen Kinder gegenüber den deutschen Kindern beim Verbbenennen in der dritten Altergruppe kommt dementsprechend auch wegen ihrer guten Leistungen bei den transitiven Verben zustande (Unterschied zwischen deutschen und englischen Kindern bei den transitiven Verben in Altergruppe 3: ρ < .01 im T-Test), während die jüngeren deutschen Kinder der ersten Altersgruppe besser als die englischen Kinder bei den intransitiven Verben abschneiden. Der Sprachvergleich zwischen deutschen und englischen Kindern weist Ähnlichkeiten zu den schon dargestellten deutsch-türkischen Daten auf. Wiederum findet sich ein sprachübergreifender Nomenvorteil, der im Deutschen allerdings durchgängiger und größer ausfällt als im Englischen, wo eine zunehmende Angleichung der Wortarten zu sehen ist. Ähnlich wie im Vergleich zum Türkischen ergibt sich eine Überlegenheit der deutschen Kinder beim Nomenbenennen bei eher gleichen, punktuell besseren Leistungen der englischen Kinder beim Verbbenennen. Schränkt man die Betrachtung auf die Items ein, die in beiden Sprachen identisch waren, so werden nahezu keine Gruppenunterschiede mehr gefunden. Die Subkategorie der Verben spielt in den deutschen und englischen Daten keine hervorstechende Rolle, die Tendenz ist aber in den Sprachen gegenteilig: Während die deutschen Kinder die intransitiven Verben bevorzugen, schneiden die englischen Kinder bei den transitiven Verben besser ab.
178 7.4.4
Empirische Untersuchungen IV: Störungen der Verarbeitung von Nomen und Verben
Im nächsten Komplex von Untersuchungen wird geprüft, welche Besonderheiten bei der Verarbeitung von Nomen und Verben bei sprachgestörten Personen auftreten können und ob sich die beiden Wortarten in unterschiedlichem Maße als störanfällig erweisen. Sowohl bei Aphasie als auch bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen ist von einer ausgeprägten Heterogenität innerhalb des Störungsbildes auszugehen (Tesak 1997 für Aphasie, Leonard 2003 für Sprachentwicklungsstörungen), die über die interindividuelle Varianz innerhalb ungestörter Stichproben hinausgeht. In psycholinguistisch orientierten Studien richtet sich die Aufmerksamkeit daher verstärkt auf einzelne Patienten und ihre individuellen Störungsmuster (dazu Blanken 2002:363). Auch im Folgenden werden ergänzend zu den Gruppenstudien Einzelfallbetrachtungen vorgenommen.
7.4.4.1
Benennen von Nomen und Verben bei Aphasie
Um die Leistung von Erwachsenen mit erworbenen Sprachstörungen beurteilen zu können, müssen Vergleichsdaten von altersentsprechenden Kontrollpersonen herangezogen werden. Ein Bild über die Benennfähigkeiten bei älteren Personen vermittelt die Anwendung des Benenntests mit einer Gruppe von 20 Personen zwischen 46 und 79 Jahren (Durchschnittsalter 63). Dieser ergab signifikante Kategoriedifferenzen zugunsten von Nomen (Wilcoxon-Test ρ < .001), Artefakten (p < .001) und intransitiven Verben (p < .001). Insbesondere bei den Verben waren die Leistungen der älteren Kontrollpersonen deutlich schlechter im Vergleich zu den jüngeren Kontrollgruppen (Mittelwerte 33,85 gegenüber 31,14). In den im Folgenden berichteten Studien mit Aphasikern wurden deren Leistungen jeweils zu einer gleich großen Gruppe von Kontrollpersonen mit vergleichbarer Altersverteilung in Beziehung gesetzt. An einer ersten Studie mit Aphasiepatienten (siehe auch De Bleser & Kauschke 2003) nahmen elf Aphasiker teil. Anhand des klinisch diagnostizierten Aphasie syndroms wurden diese als flüssig bzw. nicht-flüssig klassifiziert. In der Gruppe waren zwei Patienten mit globaler Aphasie vertreten, vier Patienten mit flüssigen Aphasieformen (zwei Patienten mit Anomie/amnestischer Aphasie, ein Patient mit einer Leitungsaphasie und ein Patient mit einer nicht klassifizierbaren Form). Fünf Patienten mit einer Broca-Aphasie wurden als nicht-flüssig eingestuft, bei ihnen zeigten sich agrammatische Symptome. Alle Patienten nahmen nach erfolgter Diagnostik am Nomen-Verb-Benenntest teil. Ihre Werte wurden mit elf Kontrollpersonen in vergleichbarem Alter verglichen. Für die Gesamtgruppe der Aphasiker ergaben sich kein signifikanter Leistungsunterschied beim Benennen von Nomen, jedoch signifikante Einschränkungen beim Verbbenennen (p < .001 im Mann-Whitney-U-Test). Lediglich die beiden globalen Aphasiker zeigten auch eine deutliche
179 Beeinträchtigung des Nomenbenennens. Im Kategorievergleich ergaben sich bei der Gesamtgruppe der Aphasiker signifikante Vorteile für Nomen gegenüber Verben (Wilcoxon-Test: p c . O l ) und für intransitive gegenüber transitiven Verben ( p < .01). Weitere Auswertungen wurden mit den Subgruppen von fünf nicht-flüssigen, agrammatischen Patienten und vier flüssigen Aphasikern durchgeführt (d. h. unter Ausschluss der globalen Aphasiker). Die Nomenleistungen der Gruppe der fünf nicht-flüssigen Aphasiker lagen im Bereich der Kontrollpersonen. Das Benennen von Verben war bei den fünf agrammatischen Patienten im Vergleich zu den Kontrollpersonen dagegen eingeschränkt (p < .001 im Mann-Whitney-U-Test). Für diese Subgruppe fand sich ein signifikant besseres Benennen von Nomen gegenüber Verben (p < .05), die Nomendominanz trat auch in jedem Einzelfall signifikant auf. Es gab außerdem eine Tendenz, intransitive Verben besser als transitive zu benennen; dieser Unterschied ist in drei der fünf Einzelfälle signifikant. Die Gruppe der vier flüssigen Aphasiker zeigte im Vergleich zu den Kontrollpersonen wiederum ein Verbdefizit (p < .01), während die Nomenleistungen nicht von der Kontrollgruppe abwichen. Im Gegensatz zu den agrammatischen Patienten unterschieden sich die Leistungen bei Nomen und Verben jedoch nicht signifikant voneinander. Für diese Gruppe konnten keine signifikanten Kategorie- oder Subkategorieeffekte gefunden werden. Die bei allen vier Patienten auftretende numerische Nomendominanz war bei drei von vier Einzelfällen signifikant. Intransitive Verben wurden auch hier tendenziell besser benannt als transitive, diese Differenz erreichte in keinem Einzelfall Signifikanz. In dieser Studie ist somit unabhängig vom Aphasietyp ein Verbdefizit zu verzeichnen. Darüber hinaus ist die Tendenz zu besseren Leistungen bei Nomen als bei Verben bei flüssigen und nicht-flüssigen Aphasieformen sichtbar, die bei agrammatischen Störungen ausgeprägter ist. Eine Dissoziation im Sinne eines Verbvorteils bei flüssigen Aphasikern lässt sich anhand der Daten dieser Studie nicht nachweisen. In einer zweiten Studie wurde eine neue Gruppe von zehn aphasischen Patienten anhand sorgfältigerer Kriterien zusammengestellt (siehe auch Schmidt 2002). Die Versuchspersonen waren zwischen 30 und 61 Jahren alt (Durchschnittsalter 46,8 Jahre, 7 männlich, 3 weiblich). Um die Patienten anhand ihrer Symptomatik in zwei klar unterscheidbare Subgruppen einzuteilen, wurden zum einen die Leistungen in Aachener Aphasietest herangezogen (AAT, Huber et al. 1983). Zur weiteren Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten wurde eine zusätzliche Spontansprachanalyse durchgeführt, bei der der Anteil von Nomen und Verben bestimmt und mit der Wortartenverteilung bei einer ungestörten Kontrollperson verglichen wurde. Der Prozentsatz aller unterschiedlichen Nomen bzw. Verben an allen unterschiedlichen Wörtern (Types) und der Prozentsatz aller insgesamt geäußerten Nomen bzw. Verben an allen Token wurde mit dem Begriff der „Nomendichte" bzw. „Verbdichte" erfasst. Die so ermittelte Subgruppe der fünf Agrammatiker zeichnete sich danach
180 durch deutliche grammatische Auffälligkeiten im Test sowie durch eine reduzierte Verbdichte in der Spontansprache aus. Die Subgruppe der fünf Anomiker war durch herausragende Wortfindungsstörungen und geringere Verständnisprobleme im Test sowie eine reduzierte Nomendichte in der Spontansprache charakterisiert. Außer den zehn Aphasiepatienten wurden 10 gesunde, altersvergleichbare Kontrollpersonen untersucht. Die Kontrollpersonen benannten durchschnittlich 35 Nomen und 34 Verben von je 36 Items korrekt, was zu einem signifikanten Kategorieunterschied (p < .05 im Wilcoxon-Test) ohne Vorliegen von Subkategorieeffekten führte. Im Benenntest zeigte sich zunächst eine generelle Benennstörung bei Aphasie, die sich auf Nomen und Verben erstreckt. Als Gesamtgruppe wiesen alle Aphasiker im Vergleich mit den ungestörten Kontrollpersonen für alle überprüften Kategorien deutliche Einschränkungen auf (Vergleich mit den Kontrollpersonen im MannWhitney-U-Test: ρ < .001 für Nomen, ρ < .001 für Verben). Der Abstand zu den Kontrollpersonen in den Aphasiegruppen war jedoch je nach Aphasie typ unterschiedlich groß. Die Leistungen der Anomiker lagen beim Nomenbenennen hinter denen der Agrammatiker (p < .05), deren Leistungen wiederum hinter der Kontrollgruppe (p < .001). Beim Verbbenennen ergab sich eine andere Leistungshierarchie: Die Agrammatiker hier lagen hinter den Anomikern (nicht signifikant), diese wiederum hinter den Kontrollpersonen (p < .01, alle Gruppen vergleiche mit MannWhitney-U-Tests). Dieser Befund verweist auf eine unterschiedliche Auswirkung der Wortart in Abhängigkeit vom Störungstyp. Während die Agrammatiker beim Benennen von Nomen besser abschnitten als die Anomiker, waren diese wiederum tendenziell bei den Verben überlegen. Obwohl beide Aphasiegruppen im Vergleich zu Kontrollpersonen bei Nomen und Verben Einschränkungen zeigten, ist ein unterschiedlicher Umgang mit den Wortarten zu sehen, der sich in den Kategorievergleichen bestätigt. Bei den Agrammatikern wurden Nomen signifikant besser benannt als Verben (Wilcoxon-Test: ρ < .05). Dieser Effekt lag bei allen Einzelfällen vor, bei vier von fünf Personen war er signifikant. Bei der Gruppe der Anomiker konnte dagegen kein Wortarteffekt gefunden werden; Nomen und Verben waren gleichermaßen eingeschränkt. Die Einzelfälle belegen, dass es bei vier Personen nicht signifikante Tendenzen gab, wobei beide Richtungen möglich sind. In einem weiteren Einzelfall trat das Muster „Verben besser als Nomen" auf, dieser Patient zeigte einen signifikanten Verbvorteil (p < .05 im Chi-Quadrat-Test). Alle Agrammatiker weisen also schlechtere Leistungen bei Verben als bei Nomen auf, während in der Gruppe der Anomiker keine Wortart eindeutig bevorzugt wird. Bei der Betrachtung der Subkategorien von Nomen und Verben stellten sich keine deutlichen Effekte heraus. Die Belebtheit von Objekten wirkte sich in keiner der untersuchten Gruppen aus. Hinsichtlich der Transitivität der Verben entstand für die Gesamtgruppe der Aphasiker ein signifikanter Vorteil zugunsten der intransitiven Verben ( p c . O l ) , der sich nur innerhalb der Subgruppe der Agrammatiker ebenfalls als signifikant erwies (p < .05). Im Einzelfall war bei keinem Patienten eine signifikante Diskrepanz der Subkategorien der Verben zu finden.
181
Interessante Ergebnisse entstanden auch bei der qualitativen Auswertung der Benennfehler, bei denen die Patienten je nach Aphasietyp störungsspezifische Fehlermuster produzierten. Die Agrammatiker reagierten beim Nomenbenennen überwiegend mit semantischen Paraphasien, beim Verbbenennen dagegen mit Umschreibungen und Wortartwechseln, die meist in Nominalisierungen von Verben bestanden. Bei den Anomikern verteilten sich die Fehlermuster bei beiden Wortarten gleichmäßig auf semantische Paraphasien und Umschreibungen. Die zweite Studie lässt folgern, dass sich die beiden Aphasikergruppen beim Benennen von Nomen und Verben sowohl quantitativ als auch qualitativ unterschiedlich verhalten: Anomiker zeigen als Gruppe keine Leistungsunterschiede beim Benennen von Nomen gegenüber Verben und wenden bei beiden Wortarten dieselben Fehlerstrategien an. Agrammatiker weisen ein deutliches Verbdefizit auf und reagieren mit wortartspezifischen Fehlermustern, bei denen die Verwendung von Verben vermieden wird. Tabelle 13 stellt die Befunde aus beiden Studien zur Aphasie in einem Überblick zusammen. Die Ergebnisse beider Studien lassen den Schluss zu, dass insbesondere bei agrammatischen Patienten ein kategoriespezifisches Defizit für Verben festzustellen ist. Verbdefizite sind somit ein besonderes Kennzeichen grammatischer Störungen, treten aber nicht exklusiv bei Agrammatismus auf. Bei nicht-flüssigen
Tabelle 13: Ergebnisse der Aphasiestudien im Überblick Studie
Aphasietyp: nicht-flüssig/agrammatisch
Aphasietyp: flüssig/anomisch
Bewertung
1
Gruppe (n = 5): Ν > V* Einzelfälle: Ν > V bei allen sign.
Gruppe (n = 4): N = V* Einzelfälle: Ν > V bei allen, sign, bei 3Λ
Verbdefizit unabhängig vom Aphasietyp
2
Gruppe (n = 5): N*>V* Einzelfälle: N > V b e i allen, sign, bei Vs
Gruppe (n = 5): jsj* _ y *
Benennstörung für N + V, doppelte Dissoziation möglich
Bewertung
kategoriespezifisches Defizit für Verben bei Agrammatismus
Einzelfälle: 1 x V > Ν sign. 2x N>Vn.s. 2 x V > Ν n. s. Tendenz: Ν = V, bei klarer Anomie generelles Benenndefizit
* = signifikant beeinträchtigt im Vergleich zur Kontrollgruppe
182 Aphasieformen dagegen besteht die Tendenz, Nomen und Verben eher gleich zu behandeln. Im Einzelfall ist auch das in der Literatur beschriebene Profil einer besseren Verbleistung als Nomenleistung zu finden, so dass sich in Verbindung mit dem typischen Profil der agrammatischen Patienten eine doppelte Dissoziation herausstellt (zur Krankheitsgeschichte, zum Läsionsort und zu den Einzelleistungen dieses Patienten siehe Schmidt 2002).
7.4.4.2
Benennen von Nomen und Verben bei sprachentwicklungsgestörten Kindern
Die nächste klinische Population, die hier betrachtet wird, sind Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES). Die Fragestellung hinter den folgenden Studien richtet sich zum einen darauf, ob sich die Benennleistungen von sprachentwicklungsgestörten und ungestörten Kindern unterscheiden, die SSES-Kinder also lexikalische Defizite aufweisen. Außerdem wird untersucht, ob die SSES-Kinder besonders auffällige Leistungen bei der Verarbeitung von Verben, d. h. ein selektives Verbdefizit, zeigen. Um dies nachzuweisen, müsste die Diskrepanz zwischen Nomen und Verben größer sein als die Nomen-Verb-Differenz, die sich bei den ungestörten Kindern bereits als entwicklungstypisches Muster sowohl für das Verstehen als auch für die Produktion herausgestellt hat. Sollte sich eine besondere Problematik im Umgang mit Verben herausstellen, so ist zu fragen, bei welchem Störungstyp dies der Fall ist. An der ersten, breit angelegten Untersuchung nahmen insgesamt 63 spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder zwischen drei und acht Jahren teil, die in sprachtherapeutischen Praxen in Köln und Moers vorgestellt und als sprachentwicklungsgestört diagnostiziert wurden. Die Erhebung und Weiterleitung der Daten wurde von Britta Schoregge und Volker Maihack ermöglicht und organisiert. Mehrsprachig aufwachsende Kinder und Kinder mit begleitenden primären Störungsbildern wurden ausgeschlossen, ansonsten galten keine besonderen Auswahlkriterien. Zur Ermittlung des Störungsprofils und zur Beschreibung der Symptomatik wurde die „Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen" (Kauschke & Siegmüller 2002) angewendet. Da dieses Verfahren die rezeptiven und produktiven Fähigkeiten auf allen sprachlichen Ebenen erfasst, können Aussagen über das sprachliche Profil eines Kindes anhand der diagnostischen Daten getroffen werden. Aus der folgenden Tabelle 14 geht hervor, ob die Symptomatik der Kinder eher synchron ausgeprägt ist (d. h. alle Ebenen sind in ähnlichem Maße betroffen) oder ob die Störung zu einem asynchronen Profil führte (nur eine Ebene ist isoliert gestört oder mehrere Ebenen sind beeinträchtigt, aber in unterschiedlichem Ausmaß; zu den Profilen der SSES siehe Kauschke 1998). Mit den SSES-Kindern wurde dann der Nomen-Verb-Benenntest (in der schwarz-weißen Version) durchgeführt. Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse von 53 Kindern in den Altersgruppen 4 - 5 Jahre (n = 22), 5 - 6 Jahre (n = 19)
183 Tabelle 14: Stichprobenbeschreibung der SSES-Kinder (1. Studie) Alter
Anzahl
Profil
Geschlecht m
< 4;00 4;00-4;11 5;00-5;ll 6;00-6;ll 7;00-7;ll > 8;00
2 22 19 12 4 4
1 15 11 12 2 4
gesamt
63
45
w 1: JK 7 8 0 2 0 18
synchron
asynchron
2 14 5 1 2 1
0 8 14 11 2 3
25
38
und 6 - 7 Jahre (n = 12) betrachtet. 25 Die Ergebnisse der quantitativen Auswertung zeigen eine Verbesserung der Benennleistung mit zunehmendem Alter. Wie bei den ungestörten Kindern besteht eine Nomen-Verb-Differenz im Sinne eines Nomenvorteils, die zu jedem Zeitpunkt signifikant ausfällt. Die Präferenz für Nomen zeigt sich also bei sprachentwicklungsgestörten Kindern in ähnlicher Weise wie bei unauffälligen Kindern. Betrachtet man die Einzelfälle, so gab es lediglich zwei Kinder, die Verben numerisch besser als Nomen benannten. Da es sich jeweils um eine Differenz von einem Item handelte, ist somit kein echter Fall eines bedeutsamen „Verbvorteils" zu finden. Bei den Subgruppen wurden Artefakte signifikant besser benannt als natürliche Objekte. Eine leichte Tendenz zu einer Präferenz intransitiver Verben war nur in der letzten Altersgruppe signifikant. Setzt man die Ergebnisse der sprachgestörten Kinder in Bezug zu den Leistungen gleichaltriger ungestörter Kinder (Stichprobe aus der Querschnittsstudie; vgl.Tabelle 6), so zeigen sich signifikante Unterschiede in der Nomenleistung nur in der Altersgruppe 4 bis 5 Jahre (p < .001 im Mann-Whitney-U-Test). Hier schnitten die sprachgestörten Kinder schlechter ab als die ungestörten. Die Leistungen beim Verbbenennen unterschieden sich in beiden Stichproben nicht signifikant. Da sich bei der Betrachtung der gesamten SSES-Gruppe keine Leistungsdefizite in Bezug auf Verben fanden, wurden in einem weiteren Auswertungsschritt nur die Kinder berücksichtigt, die diagnostizierte Defizite auf der grammatischen Ebene zeigten. Daraus entstand eine Subgruppe von 30 Kindern (4-5 Jahre: η = 15, 5 6 Jahre: η = 11, 6 - 7 Jahre: η = 4), die anhand der Untertests zur Syntax und Morphologie als grammatisch auffällig eingestuft wurden. 26 Nomen und Verben unterschieden sich hier in den ersten beiden Altersgruppen signifikant voneinander. Die Subkategorie der Verben führte nicht zu Effekten, bei den Nomen ergab sich in zwei 25 26
Deskriptive Statistik für diese Stichprobe in A14. Siehe ebenfalls A13.
184
Abbildung 27: Benennleistungen bei ungestörten Kindern und SSES-Kindern mit Grammatikstörungen Altersgruppen ein signifikanter Vorteil für Artefakte. Bei einem Vergleich der Gruppen werden nun zwischen 4 und 5 Jahren sowohl Nomen als auch Verben von den SSES-Kindern signifikant schlechter benannt als bei den ungestörten Kindern (p < .001 für Nomen, ρ < .05 für Verben). Die Unterlegenheit bei den Verben geht insbesondere auf schwächere Leistungen bei den transitiven Verben zurück. Wie Abbildung 27 veranschaulicht, lässt sich bei den jüngeren Kindern mit Grammatikstörungen ein allgemeines lexikalisches Defizit, jedoch kein hervorstechendes Verbproblem beim Benennen nachweisen. Die Tatsache, dass die Gruppentendenz nicht für ein selektives Verbdefizit spricht, impliziert allerdings nicht, dass dies nicht im Einzelfall vorkommen kann, wie durch Einzelfallbetrachtungen gezeigt werden kann. Der Fall des Mädchens J K macht deutlich, dass ein massives Verbdefizit mit Konsequenzen für die Sprachentwicklung vorliegen kann. Bei dem Kind wurde im Alter von 3;05 Jahren eine schwere übergreifende SSES mit Symptomen auf allen sprachlichen Ebenen festgestellt. Die Spontansprache bestand nur aus Ein- bis Zweiwortäußerungen, was als erhebliche Verzögerung der Syntaxentwicklung zu werten ist. Im Benenntest zeigte sich ein auffallendes Verbdefizit, das die ebenfalls bestehende Problematik beim Benennen von Nomen deutlich übersteigt. Mit 12 korrekt benannten Nomen liegt das Kind unterhalb der ersten Standardabweichung im Vergleich mit ungestörten Kindern, mit nur drei korrekt benannten Verben weichen die Leistungen mehr als zwei Standardabweichungen nach unten ab. Die Fehlreaktionen (siehe Tabelle 15), die im Subtest zum Verbbenennen produ-
185 ziert wurden, enthalten keine Verben, sondern bestehen aus Nomen, lautmalerischen Elementen und allgemeinen Hinweisen. D a die erste Studie vermuten lässt, dass sich Probleme mit Verben stärker im Zusammenhang mit grammatischen Auffälligkeiten zeigen, wurde eine zweite Studie durchgeführt, in der die sprachentwicklungsgestörten Kinder nach strengeren Kriterien ausgewählt wurden. In dieser zweiten SSES-Studie wurden zehn Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen in einer detaillierten multiplen Einzelfallstudie untersucht. D i e Motivation für die Konzeption einer zweiten Studie war, eine kleinere Stichprobe von Kindern nach enger gefassten Kriterien zu selektieren, beide Verarbeitungsmodalitäten einzubeziehen, die Fehlermuster beim Benennen auch qualitativ zu untersuchen und in Einzelfällen spontansprachliche Daten ergänzend heranzuziehen. Unter der Annahme eines Zusammenhanges zwischen Verbdefiziten und Grammatikstörungen wurden daher Kinder ausgewählt, deren Symptomatik klare Defizite auf der grammatischen E b e n e aufwies. D i e S S E S - K i n d e r waren zwischen vier und fünf Jahren alt (Durchschnitt 54,9 Monate), sechs der Kinder waren Mädchen, vier Jungen. D i e Kinder wurden über logopädische Praxen kontaktiert und dort auch untersucht (zur Beschreibung der SSES-Stichprobe siehe Shatov 2004). Zur Zeit der Untersuchung befanden sich vier Kinder bereits in logopädischer Therapie, wobei der therapeutische Schwerpunkt in keinem Fall auf grammatischen oder lexikalischen Aspekten lag. Mit dem Instrument der patholinguistischen Diagnostik (Kauschke & Siegmüller 2002) wurde für jedes Kind ein umfassendes diagnostisches Profil erstellt, das Aussagen über die sprachlichen Fähigkeiten auf allen E b e n e n erlaubt. Zur Identifikation grammatischer Auffälligkeiten wurden insbesondere die Ergebnisse aus den Subtests „Verstehen syntaktischer Strukturen", „Verständnis von W-Fragen", „Satzproduktion zu Situationsbildern" und „Morphologie der Nominalphrase (Akkusativ, Dativ, Plural)" berücksichtigt. Für das Verständnis der W-Fragen und die morphologischen Tests liegen Normwerte ungestörter Kinder vor, die zum Vergleich herangezogen wurden. D i e diagnostischen Befunde zeigen, dass alle Kinder morphologische Probleme im Bereich der Nominalflexion und zum Teil in der Subjekt-Verb-Kongruenz haben. Auf der syntaktischen E b e n e sind bei den meisten Kindern rezeptive Einschränkungen zu beobachten; in der Produktion manifestieren sich syntaktische Probleme UnterschiedTabelle 15: Beispiele für Fehlbenennungen bei Verben Zielwort
Reaktion
treten krabbeln lachen gähnen füttern schneiden
Fuß Bein Baby heia der is ekelig Hand so (Geste) ham Wurscht so
186 licher Art, die die Vollständigkeit, die Komplexität oder die Flexibilität der Sätze betreffen. 27 Mit diesen Kindern wurden die Tests zum Benennen und Verstehen von Nomen und Verben (hier in der farbigen Version) durchgeführt. Als Kontrollgruppe dienten jeweils zehn ungestörte Kinder, die hinsichtlich Alter und Geschlecht an die SSES-Kinder angepasst wurden (Durchschnittsalter der Kontrollkinder für den rezeptiven Test ebenfalls 54,9 Monate, Durchschnittsalter der Kontrollkinder für den produktiven Test 53,7 Monate, wobei dieser Mittelwert nicht signifikant vom Gruppenmittel der SSES-Kinder abweicht). Da für diese Studie mit farbigem Material gearbeitet wurden, wurden die Kontrollkinder für den Benennteil nicht aus der ersten Studie mit ungestörten deutschen Kindern entnommen, sondern für den Vergleich mit SSES-Kindern neu erhoben. Zur Auswertung wurde zunächst eine einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Faktor Gruppe (SSES versus sprachunauffällig) durchgeführt, die abhängigen Variablen waren die Leistungen beim Benennen und Verstehen von Nomen und Verben. Für das Verstehen von Nomen und das Verstehen von Verben ergaben sich keine signifikanten Haupteffekte für den Faktor Gruppe. Beim Benennen von Nomen und Benennen von Verben übte die Gruppenzugehörigkeit jedoch einen Effekt aus (F(l,18) = 16.829, ρ < .001 für Nomen, F(l,18) = 20.633, ρ < .001 für Verben). Bei einer zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Zwischensubjektfaktor Gruppe und dem Innersubjektsfaktor Modalität (rezeptiv versus produktiv) entstanden für die Nomen Haupteffekte für Modalität (F(l,18) = 29.395, ρ < .001) und Gruppe (F(l,18) = 11.933, ρ < .01) mit einer signifikanten Interaktion (Modalität X Gruppe: F(l,18) = 17.782, ρ < .001). Dasselbe Bild ergab sich für die Verben (Haupteffekt für Modalität·. F(l,18) = 122.941, ρ < .001, Haupteffekt für Gruppe: F(l,18) = 13.24, ρ < .01, Interaktion Modalität X Gruppe: F(l,18) = 11.11, ρ C.Ol). Die Modalität hat also ebenso wie die Gruppenzugehörigkeit einen Einfluss auf die Leistungen, wobei diese Einflüsse nicht unabhängig voneinander zu sehen sind. Diese Zusammenhänge wurden durch post-hoc-Vergleiche weiter analysiert, wobei die Gruppen untereinander, die rezeptive und die expressive Modalität und die Wortarten verglichen wurden. 28 In Bezug auf die Kategorien konnte festgestellt werden, dass sowohl bei den sprachauffälligen als auch bei den ungestörten Kindern Nomen besser benannt und besser verstanden wurden als Verben. Damit ist der Umgang mit den beiden Wortarten auch hier vergleichbar. Wiederum fand sich unter den gestörten Kindern kein Einzelfall, bei dem Verben besser benannt oder verstanden wurden als Nomen. Die gesonderten Modalitätsvergleiche zeigen, dass die SSES-Kinder sowohl Nomen als auch Verben signifikant besser verstehen als produzieren. Bei den ungestörten Kindern traf diese Modalitätsdifferenz nur für die Verben zu, für die Leistungen bei Nomen wirkte sich die Modalität nicht signifikant 27 28
Zu einem Überblick über die genauere Symptomatik der Kinder siehe Kauschke (2005). Deskriptive Statistik für die Benenn- und Verständnisleistungen der SES-Gruppe und der Kontrollgruppe sind im Anhang A15 zu finden.
187
—·—ungestört --«--SSES
Abbildung 28: Benennen und Verstehen bei ungestörten und SSES-Kindern
aus. Die Gruppenvergleiche machen deutlich, dass die sprachunauffälligen den gestörten Kindern nur in der Modalität des Benennens überlegen sind, hier aber sowohl für Nomen als auch für Verben (jeweils ρ < .001 im Wilcoxon-Test). Im Verständnis sind die SSES-Kinder zwar bei den Verben weniger gut als die ungestörten Kinder, der Unterschied erreicht aber keine Signifikanz. Unterschiede zwischen sprachgestörten und unauffälligen Kindern zeigen sich zusammengefasst wortartunabhängig beim Benennen. Die Defizite gegenüber ungestörten Kindern manifestieren sich insbesondere in der Wortproduktion. Beide Gruppen zeigen ähnliche Profile dahingehend, dass Nomen besser verarbeitet werden als Verben und dass die rezeptiven Leistungen besser sind als die produktiven. Letzteres ist bei ungestörten Kindern für Nomen weniger ausgeprägt. Die S S E S Gruppe bietet damit keine Anhaltspunkte für ein selektives Verbdefizit, da sich die lexikalische Problematik auf beide Wortarten erstreckt. Im Gegensatz dazu ist ein klares modalitätsspezifisches Defizit festzustellen. In einem nächsten Schritt wurden qualitative Aspekte durch genauere Betrachtung der Fehlreaktionen untersucht. Für den rezeptiven Test wurde ermittelt, in welchem Maße bei falschen Reaktionen der nahe bzw. der weite Ablenker fälschlich gezeigt wurde. Auch wenn die Anzahl der Fehler bei den SSES-Kindern nicht signifikant vom Mittelwert der ungestörten Gruppe abweicht, könnte die Qualität der Fehlreaktionen unterschiedlich ausfallen. Wie Tabelle 16 zeigt, reagieren beide Gruppen überwiegend durch die Auswahl des semantisch engen Ablenkers und zeigen damit eine Sensibilität für die semantische Nähe der zu verarbeitenden Begriffe. Beide Gruppen zeigen bei Verben häufiger den nahen Ablenker als bei Nomen.
188 Dies könnte damit zusammenhängen, dass die semantische Nähe bei den Nomen auch von Erwachsenen insgesamt als höher eingeschätzt wurde als bei den Verben, die Aufgabe somit als schwieriger zu bewerten wäre. Bei den falsch verstandenen Nomen reagierten die SSES-Kinder öfter mit dem semantisch weiten Ablenker als die ungestörten Kinder, der Unterschied ist im Chi-Quadrat-Test jedoch nicht signifikant. Die prozentualen Werden deuten jedoch eine semantische Unsicherheit der SSES-Kinder auch im Zusammenhang mit Nomen an, die in der rein quantitativen Anzahl der Fehler nicht auftritt. Tabelle 16: Prozentsatz naher Ablenker an rezeptiven Fehlreaktionen
Nomen Verben
Kontrollen
SSES
78,6% 86,9%
70,0% 85,4%
Als nächstes wurde untersucht, wie die Kinder mit auftretenden Benennproblemen umgehen. Es hat sich herausgestellt, dass sprachentwicklungsgestörte Kinder beim Benennen von Bildern mehr Fehler machen als ungestörte. Eine daran anschließende Frage ist, ob sich auch die Art der Fehler unterscheidet. Sämtliche Fehlreaktionen der gestörten und ungestörten Kinder wurden nach dem in 7.4.2.3 beschriebenen Klassifikationsschema einem Fehlertyp zugeordnet. Wiederum wurden zehn Hauptkategorien für Nomen und Verben mit feineren Subkategorien angesetzt. In beiden Gruppen gibt es wortarttypische Fehlermuster, d. h. die Kinder reagieren unterschiedlich, je nachdem ob sie beim Benennen von Objekten oder von Handlungen Probleme haben: bei Nomen überwiegend semantisch-klassifikatorische Fehler, die meist als Verwendung eines Kohyponyms zu beschreiben sind. Bei Verben dagegen sind Umschreibungen die dominierende Strategie. Bei einem statistischen Vergleich des Anteils eines Fehlertyps bei Nomen versus Verben mit Chi-Quadrat-Tests ergaben sich für die Kontrollgruppe signifikante Unterschiede zwischen Nomen und Verben bei den Kategorien „semantisch-klassifikatorisch" (p < .001) und „Umschreibung" (p < .001). Dasselbe Muster, nämlich mehr semantisch-klassifikatorische Fehler bei Nomen als bei Verben und mehr Umschreibungen bei Verben als bei Nomen zeigten auch die SSES-Kinder (jeweils ρ < .001), außerdem gab es hier signifikant mehr Nullreaktionen bei Nomen als bei Verben (p < .01). Da in beiden Gruppen dieselben wortarttypischen Strategien auftraten, stellen Abbildung 29 und Abbildung 30 die Fehlertypen bei Nomen und Verben für beide Gruppen zusammengefasst gegenüber. Vergleicht man nun zwischen den Gruppen, welchen Anteil bestimmte Fehlerkategorien einnehmen, so zeigt Abbildung 31 (Legende s. u.), dass die SSES-Kinder beim Benennen von Objekten weniger semantisch-klassifikatorische Ersetzungen vornehmen, dafür aber mehr semantisch-assoziative Begriffe und mehr Nullreaktionen verwenden.
189
• SK • SA • SU iWW • MK 0 UM • LM • m • NK
Abbildung 29: Fehlertypen beim Nomenbenennen (SSES und ungestörte Kinder)
• SK • SA • SU 0 WW • MK • UM • LM • N=t SINK
Abbildung 30: Fehlertypen beim Verbbenennen (SSES und ungestörte Kinder)
Legende (Näheres im Klassifikationsschema SK SA SU WW MK
= = = = =
semantisch-klassifikatorisch semantisch assoziativ semantisch unrelationiert Wortartwechsel morphologisch komplex
im Anhang A4): UM LM NR NK
= = = =
Umschreibung Lautmalerei Nullreaktion nicht klassifizierbar
190 Beim Verbbenennen (siehe Abbildung 32) kommen bei den SSES-Kindern im Vergleich zu den Kontrollkindern ebenfalls weniger semantisch-klassifikatorische Fehler, mehr Nullreaktionen und auch mehr Wortartwechsel vor.
Abbildung 31: Fehlertypen bei Nomen, SSES versus ungestörte Kinder
Abbildung 32: Fehlertypen bei Verben, SSES versus ungestörte Kinder
191 Bei den Wortartwechseln wird meist ein Nomen statt des geforderten Verbs produziert. Innerhalb der Umschreibungen ist der Anteil von Äußerungen, die ein spezifisches Verb enthalten, bei den ungestörten Kindern größer als bei der SSESGruppe, die wiederum einen größeren Anteil von allgemeinen Verben (GAP-Verben wie „machen", „haben", „tun") in ihren Umschreibungen verwenden (siehe Tabelle 17). Dieser Unterschied wird an konkreten Beispielen verständlich: Während ein Kind aus der Kontrollgruppe das Zielitem „ziehen" mit der Äußerung „Seil fassen" umschrieb, produzierte ein SSES-Kind zum selben Item die Umschreibung „hat η Seil". In gleicher Weise wurde „tragen" durch „sammelt Bücher" (Kontrollgruppe) bzw. „die hat Bücher ganz viele" (SSES) umschrieben. In der Verbqualität bei Umschreibungen zeigt sich also bei den SSES-Kindern eine unzureichende Ausdifferenzierung des Verblexikons. Ergänzend zu der Gruppenbetrachtung wurde das Abschneiden jedes Kindes einzeln bewertet. Bei Testwerten, die mehr als 1.25 Standardabweichungen unter dem Mittelwert der Kontrollgruppe lagen, wurde eine Auffälligkeit konstatiert (Kriterium nach Leonard 2003); Werte von mehr als zwei Standardabweichungen nach unten wurden als massiv auffällig eingeschätzt. Ein Blick auf das individuelle Abschneiden der Kinder (8) spricht für die Beobachtung, dass die Gruppe der Kinder mit grammatischen Störungen ein heterogenes Bild in Bezug auf die lexikalischen Leistungen abgibt. Innerhalb der Gruppe der zehn Kinder treten danach unterschiedliche lexikalische Profile auf. Zwei Kinder, die auch die geringsten grammatischen Probleme hatten, sind lexikalisch unauffällig. Ein Kind ist ausschließlich in der Verbproduktion, eines nur in der Nomenproduktion gestört. Steffen zeigt das typische Gruppenprofil, denn beide Wortarten sind produktiv beeinträchtigt. Drei Kinder sind übergreifend gestört bis auf die Komponente Nomen- bzw. Verbverständnis. Maurice und Janine sind für beide Wortarten und Modalitäten massiv auffällig. Wie in der Gruppenauswertung sind die meisten Beeinträchtigungen auch bei den Einzelfällen in den produktiven Tests zu sehen, während die Wortart weniger Effekte mit sich bringt. Das Überwiegen des Modalitätseffekt es gegenüber dem Wortarteffekt zeigt sich deutlich bei Betrachtung der individuellen Testergebnisse: Unter den 20 Einzeltests für Nomen (d. h. produktive und rezeptive Tests für jedes Kind), sind 11 auf-
Tabelle 17: Verbqualität bei Umschreibungen mit spezif. Verb
mit GAP-Verb
ohne Verb
Anzahl 0/ /o
ungestört ungestört
50 82
7 11
4 7
Anzahl ο/ /o
SSES SSES
77 69
25 23
9 8
192 Tabelle 18: Einzelergebnisse im Benenn- und Verstehenstest, SSES-Kinder Kind
Alter
Pascal Evelin Meggi Yuanna Steffen Michelle John Yvette Maurice Janine
Nomen rez.
Nomen prod.
Verben rez.
Verben prod.
4;11
+
+
+
+
4;07 4;05 4;11 4;08 4;04 4;11 4:03 4;00 4;02
+
+
+
+
+
+
+
-
+
-
+
+ —
+
-
-
+
-
-
-
+
—
-
-
-
+
-
+
-
-
—
—
-
-
-
—
—
-
—
—
—
-
Individuelle Leistungen in den lexikalischen Tests: mehr als minus 1,25 SD: auffällig (-) mehr als minus 2 SD: massiv auffällig ( — ) Tabelle 19: Beispiele für Fehlbenennungen bei Verben bei SSES-Kindern Zielwort
Janine
Meggi
wandern tauchen pflücken kaufen gähnen
muss weg gehen Fische Fische Wasser der Mädchen möchte die Blume haben der möchte die Blum auch haben jetzt da müde
Schlitten fahren schwimmt einer holt eine Blume Blumen holen der schlaft
fällige, 9 unauffällige Fälle, unter den Verbtests jeweils 10 auffällige und 10 unauffällige Werte. Betrachtet man dagegen die gesamten produktiven Tests (nun Nomen und Verben zusammen genommen) findet man 14 auffällige und 6 unauffällige Werte gegenüber 7 auffälligen und 13 unauffälligen Werten bei den gesamten rezeptiven Tests. In Bezug auf mögliche individuelle Verbdefizite sind zwei Kinder hervorzuheben: Bei Meggi liegt ein klares Problem beim Verbbenennen bei gleichzeitig unauffälligen sonstigen lexikalischen Leistungen vor. Das Kind Janine hat große Probleme auf der gesamten lexikalischen Ebene, wobei das Verbproblem in der Produktion besonders hervorsticht, da die Differenz zwischen Nomen und Verben die Differenz der ungestörten Kinder übersteigt. Nicht nur die Fehlerrate, sondern auch die Art der Fehlreaktionen belegen die Problematik beim Verbbenennen, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß: Wie Tabelle 19 zeigt, verwendet Janine bei Produktionsproblemen entweder keine oder sehr unspezifische Verben. Meggi dagegen produziert Substitutionen durch semantisch verwandte Verben.
193
Als Ergänzung zum lexikalischen Profil ist es interessant, die Symptomatik auf der grammatischen Ebene näher zu betrachten. In der Befunderhebung mit der Patholinguistischen Diagnostik zeigten sich bei Meggi grammatische Probleme bereits auf der rezeptiven Ebene. So war das Verständnis syntaktischer Strukturen eingeschränkt, wobei insbesondere die Vertauschung thematischer Rollen beim Ausagieren vorgegebener Sätze auffiel. Auch das Verständnis von W-Fragen war beeinträchtigt. In einer Spontansprachanalyse mit 102 Äußerungen (zu Spontansprachanalysen bei SSES-Kindern aus der hier beschriebenen Gruppe siehe Shatov 2004) wurde eine durchschnittliche Äußerungslänge (MLU) von 4,4 Wörtern ermittelt. Nach Abzug von Ellipsen und rudimentären Strukturen (Mehrwortäußerungen) konnten 73 Sätze bzw. satzähnliche Strukturen ausgewertet werden. Diese Satzstrukturen wurden zu 90 % mit Verbzweitstellung realisiert, vereinzelt kamen auch Verb-End-Strukturen in Aussagesätzen war. In Aussagesätzen wurde das Vorfeld zu drei Vierteln durch das Subjekt besetzt, was auf eine relativ geringe Flexibilität hindeutet. Die Komplexität erscheint ebenfalls eingeschränkt, da nur ein Nebensatz auftrat, bei dem die einleitende Konjunktion fehlte. In 15 % der Fälle wurde die Subjekt-Verb-Kongruenz verletzt (ζ. B. in „ihr darfen nicht", „und der schubsen"). Auch Überregularisierungen von Partizipien („runtergefallt") kamen vor. In Kauschke (2000) wurde bei ungestörten Kindern in Alter von 36 Monaten ein Anteil von 14 % unflektierter oder falsch flektierter Verben ermittelt. Nach Clahsen (1986) wird bereits in Phase IV, die mit etwa drei Jahren erreicht wird, die Subjekt-Verb-Kongruenz zu 90% korrekt markiert. In Meggis Alter von 4;05 Jahren ist ein Fehleranteil von 15 % daher als auffällig zu betrachten. Auffallend war auch, dass zu 8,2 % obligatorische Argumente fehlten; in 7 % der Sätze wurde außerdem das Verb bzw. ein Verbbestandteil (bei mehrteiligen Prädikaten) ausgelassen. Probleme mit der eindeutigen Realisierung der vom Verb geforderten Argumente und der Zuweisung thematischer Rollen treten in dem folgenden Spontansprachausschnitt deutlich hervor: M: U: M: U: M: U: M: U: M: U:
Wir ham au mal so ein Hund gefresst. Dich? Nee. Ein Hund gefresst. Wer? Na ehm .... Fritzi. Die hat was gefressen. Nee, ich die beißt. Du hast die gebissen? Ja, und denn hat die mir hier gekratzt. Hm, du hast den Hund gebissen, oh.
Die Unklarheit über die Verteilung der Agens- und Patiensrolle wird hier im Gespräch nicht aufgeklärt. Der zweite Einzelfall, der hier betrachtet werden soll, ist der des Mädchens Janine. Die Reaktionen beim Ausagieren vorgegebener Sätze wiesen auf massive Einschränkungen im Verstehen syntaktischer Strukturen hin. Meist lag der Fehler
194 in einer falschen Realisierung der vorgegebenen Handlung, was bereits auf ein rezeptives Verbdefizit hindeutet. Große Sprachverständnisprobleme traten auch bei der Überprüfung des Verständnisses von W-Fragen zutage. In freien Unterhaltungen wurde das inadäquate Reagieren auf Fragen ebenfalls beobachtet (Beispiel: „Wie alt bist Du?" Antwort: „Janine"). In der Spontansprachanalyse konnten von 75 Äußerungen 56 satzähnliche Strukturen bewertet werden. Die MLU betrug 4,5 Wörter. In Bezug auf die Wortstellung kamen einige Verbendstellungen, jedoch überwiegend ( 8 0 % ) Verbzweitstellungen vor. Auffallend ist auch bei Janine ein hoher Anteil von Auslassungen. In 16 % der Sätze fehlte ein obligatorisches Element, bei 9 % fehlte das Verb (Beispiel: „die hier kurze Haare"). Mit 21,4% falsch flektierter Verben ist auch die Verbmorphologie (in Bezug auf Subjekt-Verb-Kongruenz und Partizipbildung) auffällig. Ähnliche Probleme mit Verb-ArgumentStrukturen und der Beachtung von Selektionsbeschränkungen bei Verben wie im Fall von Meggi erweisen sich zum Beispiel in der Äußerung „der Vogel esst Schnaps". Als Beleg für Janines lexikalische und grammatische Symptome (in den Bereichen Verbstellung, Verbflexion, Kasus, Artikelverwendung, lexikalische Auswahl) lässt sich ihre Äußerung „der Vogel kleine Stock reinstecken inne Nase" anführen (mit der ein Bild beschrieben wird, auf dem ein Vogel einen Regenwurm zu kleinen Vögeln mit aufgesperrten Schnäbeln bringt). Bei beiden hier ausführlicher beschriebenen Kindern wird das lexikalische Verbdefizit von massiven Problemen mit der eindeutigen Realisierung von Verb-Argument-Strukturen, von Verletzungen der Wortstellungsregularitäten und von Fehlern bei der Verbflexion begleitet. Da beide Kinder auch phonologische Störungen haben, liegt bei ihnen eine alle Ebenen umfassende übergreifende Sprachentwicklungsstörung vor.
8
Diskussion der Befunde
Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der empirischen Untersuchungen zusammengefasst und in Bezug auf die in Kapitel 7.1 formulierten Fragen und Hypothesen interpretiert. Zunächst wird betrachtet, wie ungestörte erwachsene Sprecher spontan und unter kontrollierten Bedingungen mit den Wortarten Nomen und Verben umgehen. Diese Befunde erlauben Rückschlüsse auf eine differentielle psycholinguistische Verarbeitung von Nomen und Verben. In der Diskussion der Ergebnisse zum kindlichen Verstehen und Benennen werden Folgerungen für die lexikalische und semantische Entwicklung im Deutschen abgeleitet. Anhand der sprachvergleichenden Befunde wird der Einfluss sprachspezifischer Faktoren auf den Lexikonerwerb reflektiert. Unter patholinguistischen Gesichtspunkten ergeben sich aus den Befunden Aussagen über das Auftreten kategoriespezifischer Defizite bei verschiedenen Störungsbildern sowie auch klinisch relevante Implikationen für die Diagnostik und Therapie von Sprachstörungen.
8.1
Daten der Erwachsenen
Um einen Überblick über das tatsächliche Auftreten von Nomen und Verben im Deutschen zu erhalten, wurden zunächst spontansprachliche Aufnahmen auf die Auftretensfrequenz der Wortarten hin untersucht. Ein umfangreiches Korpus umfasste die kindgerichtete Sprache von Müttern gegenüber ihren Kindern im zweiten und dritten Lebensjahr. Es wurde deutlich, dass der kindgerichtete Input mehr verschiedene Verben als Nomen enthält; gleichzeitig werden auch insgesamt mehr Verben als Nomen produziert. Deutsch erwerbende Kinder haben also mehr Gelegenheit, in ihrem sprachlichen Input Verben wahrzunehmen als Nomen. Eine stärkere Vertretung von Verb-Token im kindgerichteten Input wurde ebenfalls in Studien zu den Sprachen Englisch, Italienisch, Französisch, Koreanisch, Japanisch und Chinesisch gefunden. 1 Nur für das Niederländische wurde im Gegensatz zu den hier vorliegenden Befunden auch in Bezug auf die Gesamtzahl der Wörter (Token) eine Nomendominanz ermittelt. Für die unterschiedlichen Wörter (Types) wurden in anderen Studien je nach Sprache, Methode und Kontext ausbalancierte Verhältnisse, Nomen- oder auch Verbdominanz gefunden. Innerhalb der Verbkategorie zeigte sich in den deutschen Daten außerdem eine leichte Dominanz von transitiven gegenüber intransitiven Verben. Ergänzend wurde ein Auszug eines privaten Gespräches zwischen zwei Erwachsenen hinzu gezogen. Hinsichtlich der geäußerten unter1
Die einzelnen Studien sind in Kapitel 2.2.3 zusammengestellt.
196 schiedlichen Worttypes ergab sich dabei ein ausgewogener Anteil von Nomen und Verben. Insgesamt wurden auch im Gespräch wiederum deutlich mehr Verben als Nomen produziert. Für das Deutsche wurde somit eine Vorrangstellung der Verben bei den insgesamt geäußerten Wörtern ermittelt, die sich in der an Kinder und Erwachsene gerichteten Sprache findet. Sollte die reine Auftretensfrequenz eine wesentliche Voraussage für den Erwerb der Wortarten machen, so müsste für Deutsch erwerbende Kinder ein Vorteil zugunsten der Verben angenommen werden. Weitere wesentliche Aspekte der Wahrnehmbarkeit von Nomen und Verben - wie die Position des Wortes im Satz oder die Eindeutigkeit der morphologischen Markierungen -wurden hier allerdings nicht berücksichtigt. Diese Faktoren könnten ebenfalls die Verarbeitung und den Erwerb mit bestimmen und sollten in weiterführenden Untersuchungen Beachtung finden. Im Gegensatz zu den Frequenzverhältnissen beim spontanen Sprechen fiel Erwachsenen in einer Benennaufgabe die Verarbeitung von Nomen leichter. Obwohl ungestörte Erwachsene natürlich problemlos in der Lage waren, konkrete Darstellungen einfacher Objekte und Handlungen korrekt zu benennen, brauchte diese Leistung bei Verben mehr Zeit als bei Nomen, was die in 3.1 genannten Befunde zu Benennlatenzen in anderen Sprachen bestätigt. Der klare Nomenvorteil, der sich hinsichtlich der Reaktionszeiten zeigte, ist möglicherweise auch eine Konsequenz der Aufgabenstellung, da bei den Aktionsbildern die intendierte Handlung erst aus der bildlichen Darstellung von Personen und Objekten abgeleitet werden muss (Beispiel: die Handlung „schneiden" wird dargestellt durch eine Konstellation der Elemente „Hand", „Brot" und „Messer"), während bei einer Objektzeichnung das abgebildete Objekt direkter zugänglich ist. Ein möglicher Aufgabeneffekt ist daher bei Befunden eines Nomenvorteils generell zu bedenken: The picture naming task has been considered to be a nominative language task ( . . . ) , emphasising the processes of lexical retrieval and single word production, and may be better suited to name retrieval of concrete nouns than verbs. (Bogka et al. 2 0 0 3 : 3 9 3 )
Szekely et al. (2005), die in ähnlicher Weise wie in der hier vorgestellten deutschen Studie längere Benennlatenzen für Nomen im Englischen fanden, gehen davon aus, dass der vielfältig bestätigte Vorteil von Nomen beim Benennen nicht vollständig auf diesen methodischen Aspekt zurückgeführt werden kann: The first methodological concern lies in the fact that action naming requires speakers to draw inferences about motion from a static display. ( . . . ) It is unlikely that the inference from static display to action verb is responsible for all of the differences we have noted here. (Szekely 2 0 0 5 : 2 2 )
Um der Frage nachzugehen, ob der gefundene Wortarteffekt auf aufgaben- und materialspezifische Faktoren reduzierbar ist, wurde ein weiteres Reaktionszeitexperiment durchgeführt, das auf Bildmaterial verzichtete. Auch beim lexikalischen Entscheiden über schriftliche Stimuli stellte sich heraus, dass Nomen schneller als Wort
197 erkannt werden als Verben. Der Vorteil für die Verarbeitung von Nomen blieb auch dann stabil, wenn die Stimuli hinsichtlich der Wortlänge ausgeglichen waren. Setzt man die beiden Aufgaben in Beziehung zueinander, so zeigt sich, dass das Benennen mehr Zeit erfordert als das lexikalische Entscheiden, in beiden Aufgabentypen jedoch Nomen schneller verarbeitet werden, wobei die Differenz zwischen Nomen und Verben beim Benennen stärker ausfällt. Der höhere Zeitaufwand beim Benennen erklärt sich durch die erforderlichen mehrstufigen Verarbeitungsprozesse: 2 Beim Bildbenennen muss das Bild erkannt und das Konzept mit seinen Bedeutungsaspekten aktiviert werden; außerdem müssen der lexikalische Zugriff und die phonologische und phonetische Planung erfolgen, während beim lexikalischen Entscheiden die schriftliche Wortform erkannt werden muss. Dies findet in der Komponente des graphematischen Inputlexikons statt (De Bleser 2000), ohne dass notwendigerweise eine vollständige semantische Repräsentation aktiviert werden muss. Der Wortarteffekt zugunsten der Nomen tritt bei beiden Aufgabentypen auf, er erweist sich hier als stabil in der expressiven und der rezeptiven Modalität und ist offensichtlich kein reines Resultat der leichteren Abbildbarkeit von Objektbegriffen oder der höheren visuellen Komplexität der Handlungsbilder. Nicht auszuschließen ist, dass sich in beiden Aufgabentypen auch morphologische Faktoren auswirken, da bei den Verbstimuli zumindest die Verarbeitung der Infinitivendung -en erforderlich war (bei der Produktion ist auch eine flektierte Verbform möglich, was aber selten vorkam). Aufgrund der für das Deutsche geltenden Stammflexion für Verben und Grundformflexion für Nomen ist es nicht möglich, reine Verbstämme ohne jegliche morphologische Markierung als Wortstimuli in einer Entscheidungsaufgabe zu verwenden oder als Benennreaktion zu produzieren. Daher wurden im hier berichteten Entscheidungsexperiment die Formen angeboten, die am wenigsten markiert sind, d. h. der Nominativ Singular bei Nomen und der Infinitiv bei Verben. Die Ergebnisse der beiden Reaktionszeitexperimente mit Erwachsenen legen nahe, dass der Nomenvorteil durch das Zusammenwirken semantischer, grammatischer und morphologischer Faktoren zustande kam. Die Tatsache, dass der Nomenvorteil beim Benennen deutlicher ist als beim lexikalischen Entscheiden, kann darauf zurückzuführen sein, dass semantische Unterschiede (Objekt versus Handlung) beim Benennen stärker zum Tragen kommen. Die gefundenen Subkategorieeffekte unterstützten die Annahme, dass der Kategorieeffekt zugunsten der Nomen nicht auf aufgabenspezifische oder morphologische Faktoren reduzierbar ist, da sich diese Aspekte innerhalb der Items einer Subkategorie nicht unterscheiden. Die Subkategorie der Verben übte deutlichen Einfluss auf die Übereinstimmung und die Geschwindigkeit beim Benennen sowie auf die Reaktionszeit beim lexikalischen Entscheiden aus, was die Bedeutung grammatischer Information unterstreicht. Intransitive Verben konnten - wiederum im Gegensatz zur tatsächlichen Auftretenshäufigkeit in der Spontansprache - von Er2
siehe Kapitel 5.1.
198 wachsenen besser und schneller benannt und schneller erkannt werden als transitive. Der Vorteil der intransitiven Verben könnte auf deren einfachere Argumentstruktur zurückgeführt werden. Wenn Verben, die ein Argument erfordern, leichter benannt werden als Verben mit zwei Argumenten, kann davon ausgegangen werden, dass sich die syntaktischen Informationen des Verbs bereits auf der Ebene der Einzelwortverarbeitung auswirken. Artefakte wurden tendenziell besser und schneller benannt als natürliche Objekte. Dieser Befund steht in Einklang mit zahlreichen Studien, in denen ein derartiges Ergebnis gefunden wurde. 3 Oftmals wird dieses Phänomen auf perzeptuelle Faktoren zurückgeführt: Die größere Ähnlichkeit natürlicher Objekte untereinander erschwere ihre visuelle Unterscheidbarkeit bei der Verarbeitung bildlicher Darstellungen. Dieses Argument trifft besonders für Studien zu, die natürliche und künstliche Objekte einer Kategorie vergleichen (ζ. B. Tiere versus Werkzeuge). D a in dem hier verwendeten Itemset natürliche Objekte unterschiedlicher Kategorien abgebildet sind (wie Tiere, Obst, Pflanzen, Himmelskörper), ist die Ähnlichkeit der zu verarbeitenden Bilder nicht so stark ausgeprägt, was den schwächeren Effekt erklären könnte. Auf das lexikalische Entscheiden wirkte sich die Subkategorie der Nomen nicht aus. Dies ist nicht verwunderlich, da beim Umgang mit schriftlich angebotenem Wortmaterial objektbezogene, perzeptuelle Faktoren eine wesentlich geringere Rolle spielen. Zusammengefasst weisen die Daten der ungestörten Erwachsenen darauf hin, dass sich semantische und grammatische Unterschiede zwischen Nomen und Verben auf deren rezeptive und produktive Verarbeitung unter experimentellen Bedingungen auswirken. In einer Aufgabe, in der sowohl auf grammatische als auch auf semantische Informationen zugegriffen wird, wie es beim Benennen der Fall ist, ist der Wortarteffekt stärker als bei einer Aufgabe, in der die semantische Verarbeitung mehr in den Hintergrund tritt. Der Einfluss der grammatischen Komplexität wird darüber hinaus durch Subkategorieeffekte innerhalb der Verben bekräftigt, die sich auch dann zeigen, wenn (wie beim lexikalischen Entscheiden) in geringerem Maße semantische Verarbeitung gefordert ist. D a die Subkategorien der Nomen (natürlich/biologisch gegenüber künstlich) eher semantisch motiviert, die Subkategorien der Verben (transitiv gegenüber intransitiv) eher grammatisch motiviert sind, trat ein Belebtheitseffekt bei Nomen - wenn überhaupt - nur beim Benennen auf, während der Transitivitätseffekt beim Benennen und Entscheiden vorhanden war. Durch die Experimente mit Erwachsenen konnte gezeigt werden, dass Verarbeitungsprozesse sowohl durch den unterschiedlichen semantischen Gehalt als auch durch die unterschiedliche grammatische Komplexität von Wörtern modifiziert werden. D a sich dies bei bildlichem und schriftlichem Material herausstellte, kann ausgeschlossen werden, dass Ergebnisse, die über das Bildbenennen gewonnen werden, reine Aufgabeneffekte darstellen. Dies ist eine wesentliche Basis für die Interpretation der weiteren Ergebnisse, die auf dem Bildbenennen oder auf Wort-Bild3
vgl. Kapitel 3.1.
199 Zuordnungen beruhen. In den weiteren Studien mit Kindern wurde ausschließlich mit Bildmaterial gearbeitet, da Aufgaben mit schriftlichen Anforderungen im Vorschulalter und im frühen Schulalter noch nicht durchführbar sind.
8.2
Deutsche Kinderdaten
8.2.1
Benennen
In einer umfangreichen Querschnittsstudie wurde untersucht, wie sich ungestörte Kinder zwischen zweieinhalb und acht Jahren beim Bildbenennen verhalten. Die quantitativen und qualitativen Ergebnisse zum Benennen im ungestörten Spracherwerb lassen Rückschlüsse auf lexikalische und semantische Entwicklungsprozesse zu. Durch die Analyse der Benenndaten konnte gezeigt werden, dass sowohl die Wortart als auch das Alter der Kinder mit quantitativen und qualitativen Aspekten der Benennleistung in Zusammenhang stehen. Mit zunehmendem Alter, d. h. im Zuge sprachlicher und nichtsprachlicher Entwicklungsfortschritte, steigt die Fähigkeit der Kinder, Bilder zielsprachlich adäquat zu benennen, an. Ein deutlicher Leistungszuwachs in der Benenngenauigkeit wurde in den ersten fünf Lebensjahren beobachtet, in den späteren Phasen flachte die Zunahme ab. Im Rahmen der fortschreitenden Lexikonentwicklung und der Erweiterung und Ausdifferenzierung des Nomen- und.Verbvokabulars steigt die Anzahl der korrekten Benennungen an. Die nichtlinearen Wachstumskurven weisen auf Ähnlichkeiten zwischen der Benennentwicklung im Vorschulalter und der frühen Entwicklung des spontanen Wortgebrauchs hin: Nach anfänglich deutlichen Fortschritten verlangsamt sich das Wachstum allmählich. Bezüglich des Wortarteffektes wurde ein unterschiedlicher Umgang mit Nomen und Verben ersichtlich. Unter quantitativen Gesichtspunkten zeigte sich, dass Nomen durchgängig besser benannt wurden als Verben, was mit dem Nomenvorteil in der Benenngeschwindigkeit bei Erwachsen überstimmt. Der Befund steht im Gegensatz zu einigen Studien zum Benennen bei Kindern, 4 bei denen die Wortart keinen wesentlichen Einfluss auf die Benenngenauigkeit hatte. Der hier gefundene eindeutige Nomenvorteil kann zum einen als Spiegelung der Entwicklungssequenzen in der Spontansprache interpretiert werden. Der Umgang mit Nomen könnte für Kinder einfacher und vertrauter sein, da Nomen in der Lexikonentwicklung im Deutschen vor Verben auftreten. Für das Deutsche und andere indo-europäische Sprachen wurden ein früheres Auftauchen und eine quantitative Dominanz von Nomen gegenüber Verben in der frühen Lexikonentwicklung beobachtet. 5 Ein grö4 5
vgl. Kapitel 2.2.4. vgl. Kapitel 2.2.2 zur Wortartenentwicklung in verschiedenen Sprachen.
200 ßerer Anteil von Nomen über eine längere Entwicklungsphase hinweg wurde jedoch überwiegend in Studien gefunden, die den Lexikonumfang über Checklisten erheben und damit von einer vorab festgelegten Wortartenverteilung ausgehen, bei der Nomen einen größeren Anteil ausmachen als Verben. Studien, die die spontane Wortverwendung erfassen (ζ. B. Bassano 2000, Kauschke 2000, Ogura et al. 2006) stellten dagegen fest, dass Nomen zwar anfänglich überwiegen, das Größenverhältnis zwischen Nomen und Verben sich jedoch im Laufe des dritten Lebensjahres umkehrt, bis der Anteil der Verben den der Nomen mit etwa drei Jahren übersteigt. Beim Benennen ist diese Bewegung nicht zu sehen, da sich bis zum Alter von fünf Jahren kein vergleichbarer Aufholeffekt der Verben zeigt. Erst in den späteren Jahren verringert sich die Kluft zwischen Nomen und Verben, bleibt aber immer noch bedeutsam. Weiterhin wären zur Erklärung des konstanten Nomenvorteils aufgabenspezifische Faktoren denkbar: Objekte sind leichter und eindeutiger darstellbar als Handlungen, deren dynamischer und vorübergehender Charakter nicht direkt abgebildet werden kann. Die Benennung eines Handlungsbildes durch ein Verb erfordert vom Kind eine gewisse Abstraktionsfähigkeit, da erst aus den visuellen Informationen über Objekte, Instrumente oder Personen und deren Positionierung auf die entsprechenden Aktionen bzw. Zustände geschlossen werden kann. Auch die Tatsache, dass die Benennleistungen besser waren, wenn farbige Bilder anstatt schwarz-weißZeichnungen präsentiert wurden, spricht für den Einfluss bildbezogener Variablen. 6 Dass derartige Faktoren nicht allein ausschlaggebend sind, haben die Befunde der Erwachsenen gezeigt. Es kann daher gefolgert werden, dass sich bei Erwachsenen wie auch bei Kindern semantische und grammatische Wortinformationen auf das Benennen auswirken und zu Leistungsdifferenzen in Abhängigkeit von der Wortart führen. Der Nomenvorteil ist sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern ab drei Jahren ein Phänomen, das sich unter kontrollierten Bedingungen, nicht jedoch in der reinen Gebrauchsfrequenz in der Spontansprache zeigt. Die Korrektheit einer Antwort oder die Geschwindigkeit einer Benennreaktion stellt andere Verarbeitungsanforderungen als die alltägliche Verwendung eines Begriffes, was die Diskrepanz zwischen Testleistungen und Spontansprachdaten erklärt. Bei den Kindern zeigten sich überdies Effekte der Subkategorien, die mit dem Muster der Erwachsenen übereinstimmten. Die Tendenz zur besseren Benennung von Artefakten war nur in späteren Phasen bedeutsam. Die Bevorzugung künstlicher gegenüber natürlichen Objekten findet eine Entsprechung in Befunden von Bassano (2000), die für die frühe französische Lexikonentwicklung feststellte, dass unbelebte Begriffe einen größeren Anteil des spontansprachlichen Nomenlexikons einnehmen als belebte. Auch in Bassanos Studie kam das Übergewicht der unbelebten Nomen erst später zustande, was auf die anfänglich häufige Verwendung von Eigennamen zurückzuführen war. Ab etwa zwei Jahren dominierten Nomen, die auf konkrete unbelebte Objekte referieren, jedoch deutlich. Bei den Verben wurden in 6
vgl. 5.2.1.
201 der hier vorliegenden Studie intransitive Verben gegenüber transitiven bevorzugt. Möglicherweise wirkt sich bei den Kindern die Komplexität der Argumentstruktur auf die Benennleistungen aus: Je weniger Argumente ein Verb verlangt, umso leichter kann es benannt werden. Da von Valian (1991) und von Theakston et al. (2001) festgestellt wurde, dass im frühen Lexikon englischsprachiger Kinder mehr intransitive als transitive Verben auftraten und dass der Anteil der transitiven Verben sukzessive anstieg,7 steht der in der vorliegenden Studie gefundene Vorteil der intransitiven Verben in Einklang mit der spontanen Erwerbssequenz in einer verwandten Sprache. Der Befund steht allerdings im Gegensatz zu den Resultaten von Davidoff und Masterson (1996), in deren englischer Benennstudie transitive Verben besser als intransitive benannt wurden, so dass eine „Ankerfunktion" der Argumente als Erleichterung für die Verbverarbeitung angenommen wurde. Unabhängig von der Richtung des Effektes spricht das Vorliegen eines Einflusses der Subkategorie von Verben für die Verfügbarkeit und Wirksamkeit syntaktischer Informationen beim Benennen. Information über die Argumentstruktur muss offensichtlich mit dem jeweiligen lexikalischen Eintrag im mentalen Lexikon gespeichert sein, da sich sonst kein Effekt dieses Faktors beim Einzelwortabruf ergeben könnte. Nach Levelt et al. (1999) wäre dies auf der Ebene des Lemmas anzusiedeln. Weitere Aufschlüsse über semantische Entwicklungsprozesse ergaben sich durch die qualitative Auswertung der Fehlerstrategien, mit denen die Kinder der Benennanforderung begegneten. 8 Die Entwicklung der Fehlerarten lässt Rückschlüsse auf dynamische Prozesse in der Organisation des semantischen Wissens der Kinder zu. Komplementäre Verläufe zeigten sich darin, dass frühe, „einfache" Strategien durch anspruchsvollere Reaktionen abgelöst wurden. So weist der Anstieg semantischer Reaktionen bei beiden Wortarten auf die Ausdifferenzierung und Erweiterung semantischer Felder und ein wachsendes Wissen über sprachstrukturelle Gliederungsprinzipien und Hierarchien hin. Children's naming of pictures becomes more proficient with development, as reflected in (...) closer approximation to adult levels of accuracy. Changes in the nature and distribution of naming errors also accompany development, with omissions declining in favor of correct names and errors that are related semantically to the target. These changes presumably reflect gradual accumulation and organization of both nonlinguistic and linguistic knowledge. (Johnson et al. 1996:126)
Die semantischen Fehlreaktionen bei Nomen sprechen dafür, dass die Kinder über eine hierarchisch aufgebaute Struktur des mentalen Lexikons verfügen und diese zunehmend ausdifferenzieren. Unter den semantisch-klassifikatorischen Reaktionen fanden sich zu mindestens drei Vierteln Kohyponyme, d. h. nebengeordnete Begriffe zu einem gemeinsamen Oberbegriff. Dieser Befund findet eine Entsprechung 7 8
vgl. Kapitel 2.3. siehe dazu auch Kauschke & Stan (2004).
202 in einer detaillierten Benennstudie von McGregor et al. (2002a), in der semantische Reaktionen ebenfalls den größten Anteil der Fehler beim Nomenbenennen ausmachten. Unter den semantischen Fehlern überwogen dabei Substitutionen mit taxonomischem Bezug zum Zielitem, unter diesen wiederum koordinierte Begriffe. Aus diesem Befund folgern die Autoren, dass Kinder im Vorschulalter über die Fähigkeit verfügen, Objekte auf der korrekten Ebene der taxonomischen Hierarchie zu lokalisieren (vgl. McGregor et al. 2002a: 341). Zusammen mit der Beobachtung aus der vorliegenden deutschen Studie, dass mit zunehmendem Alter vermehrt Hyperonyme und Hyponyme unter den semantisch-klassifikatorischen Fehlern auftraten, bestätigt sich die Einschätzung, dass „the hierarchical organisation of the semantic system is a robust developmental phenomenon" (McGregor & Waxman 1998: 429). Entwicklungsfortschritte stellten sich auch bei den verbbezogenen Reaktionen heraus, bei denen zunehmend spezifische Verben vorkamen. Die Zunahme semantischer Substitutionen mit einfachen oder komplexen Verben weist auf die Etablierung des Wissens über die Organisation von Verben in Troponymien hin. Ähnlich zu bewerten ist die Zunahme spezifisch lexikalischer Verben innerhalb der Umschreibungen. Die Ausdifferenzierung des Verblexikons führt somit zu immer gezielteren Reaktionen beim Verbbenennen. Kinder jeder Altersstufe nutzen offensichtlich ihr bis dahin akkumuliertes sprachsystematisches Wissen gezielt für ihre Antwortqualität und für ihre Antwortstrategien. Die Analyse zeigte außerdem, dass nicht nur die Benenngenauigkeit, sondern auch die Art des Umgehens mit lexikalischen Lücken in Abhängigkeit von der Wortart variiert. Die Kinder griffen auf wortartspezifische Strategien zurück, um Benennunsicherheiten auszugleichen. Die für Nomen charakteristische Fehlerstrategie bestand in semantischen Substitutionen. Die Dominanz semantisch-klassifikatorischer Reaktionen bei Nomen ist angesichts der klaren hierarchischen Gliederung von Nomen plausibel. Dagegen fördert der relationale Charakter von Verben Umschreibungen, die sich als die verbtypische Fehlerstrategie herauskristallisierten. Die zahlreichen Umschreibungen sind somit ein Abbild davon, wie Verben Nomen an sich binden. Die hier beobachteten vorherrschenden wortarttypischen Fehlerstrategien wurden in ähnlicher Weise auch in englischen Benennstudien gefunden. 9 Die Diskrepanz zwischen Nomen und Verben in Bezug auf das Auftreten von Wortartwechseln, die bei den jüngeren Kindern bei Verben häufiger auftraten als bei Nomen, lässt sich im Lichte des früheren Auftretens von Nomen in der Spontansprache verstehen. Da das Nomenrepertoire anfangs größer ist als das Inventar an Verben, weichen die Kinder zunächst auf die Nennung beteiligter Objekte oder Personen aus, um Handlungen zu versprachlichen. Des Weiteren war festzustellen, dass Nullreaktionen bei Nomen länger andauern, während diese Strategie beim Benennen von Verben im Entwicklungsverlauf bald zurückgeht. Eine größere Anzahl von Nullreaktionen bei Nomen im Vergleich zu Verben wurde auch in anderen Studien festgestellt (z.B. Dockreil et al. 2001, Davidoff & Masterson 1996, Rothweiler 9
vgl. Kapitel 2.2.4.
203 2001, McGregor 1997). Möglicherweise kommen hier semantisch-konzeptuelle Eigenschaften der Wortarten zum Tragen. Bei konkreten Objektbegriffen liegt eine engere Korrespondenz zwischen perzeptuellen Kategorien und linguistischen Formen vor als bei Verben, die sich auf komplexe Relationen zwischen Entitäten beziehen. Der Abbildungsprozess zwischen konkreten Objekten und Nomen wird als eindeutiger eingestuft als der zwischen Handlungen oder Zuständen und Verben (Black & Chiat 2003). Sollten Kinder für diese Verhältnisse sensibel sein, wäre zu vermuten, dass sie von alternativen Bezeichnungen Abstand nehmen, wenn ihnen das passende Nomen als „Label" nicht zur Verfügung steht. Bei Verben hingegen bietet die eher lockere Verknüpfung mehr Raum für beschreibende Reaktionen. Insgesamt erlaubt die Benennstudie die Schlussfolgerung, dass sich Reorganisationsprozesse des sprachlichen Wissens in einer wachsenden Benenngenauigkeit und einer steigenden Fehlerqualität niederschlagen. Zudem machen die wortartspezifischen Differenzen deutlich, dass die Kategoriezugehörigkeit von Wörtern ein Faktor ist, der die lexikalische und semantische Entwicklung und den elizitierten Wortzugriff beeinflusst. Die Daten der Benennstudie lassen sich darüber hinaus für itemspezifische Analysen verwenden. Hier stand das Erwerbsalter im Zentrum, da dieser Faktor als relevante Einflussvariable auf die Wortverarbeitung zunehmend hervorgehoben wird.10 Obwohl die Sets der Nomen und Verben hinsichtlich des erfragten spontanen Erwerbsalters angeglichen waren, lag das Benennalter für Verben höher. Dies ist verständlich, da Verben insgesamt schlechter benannt wurden, so dass es länger dauerte, bis ein einzelnes Item von der Mehrzahl der Kinder korrekt benannt wurde. Unter Hinzunahme des von Erwachsenen geschätzten Erwerbsalters konnte festgestellt werden, dass alle drei Methoden zur Erfassung des Erwerbsalters miteinander korrelieren, aber nicht äquivalent sind, da sie zu unterschiedlichen Zeitangaben führen. Die ermittelte Reihenfolge „spontane Produktion < geschätztes Erwerbsalter < Benennalter" weist darauf hin, dass die Fähigkeit zum Bildbenennen im Spracherwerb wie erwartet später auftritt als die spontane Verwendung der entsprechenden Wörter. Die Schätzungen von Erwachsenen ergeben wiederum Alterswerte, die über dem tatsächlichen Alter des spontanen produktiven Erwerbs liegen. Es fiel auf, dass das Erwerbsalter für Verben höher eingeschätzt wurde als das für Nomen, obwohl das Alter der spontanen Produktion bei Nomen und Verben gleich verteilt war. Durch subjektive Schätzungen von Erwachsenen wird das Erwerbsalter für Verben somit überschätzt. Die Befunde zu den verschiedenen Erwerbsaltermessungen sind relevant für die methodische Gestaltung neuropsychologischer Studien, die für die Zusammenstellung eines kontrollierten Stimulussets den Parameter des Erwerbsalters berücksichtigen müssen. Neuropsychologische Studien, die die Variable „Erwerbsalter" in ihren experimentellen Aufbau integrieren, verwenden häufig geschätzte Angaben. 10
vgl Kapitel 5.2.1.
204 Es ist aufgrund der hier festgestellten Ergebnisse zu beachten, dass sich der Begriff „Erwerbsalter" dann nicht im strengen Sinne auf den Worterwerb, sondern eher auf spätere Leistungen der lexikalischen Verarbeitung wie das Benennen bezieht. Besonders für Verben stimmen die Schätzwerte allerdings nicht mit den objektiven Methoden überein, so dass durch Schätzungen keine gültigen absoluten Erwerbsalterangaben erzielt werden können, was die Validität der Schätzungen für Verben einschränkt. Aufgrund der bestehenden Korrelationen der drei Messmethoden untereinander lässt sich für die Gestaltung von Experimenten zur Wortverarbeitung jedoch folgern, dass alle Methoden geeignet sind, um Items innerhalb einer Wortart hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Erwerbs in eine relative Reihenfolge zu bringen.
8.2.2
Verstehen
Mit der Untersuchung des Wortverstehens wurde die Verarbeitung von Nomen und Verben in einer anderen Modalität überprüft. Da das Kind in der Wort-Bild-Zuordnungsaufgabe das passende Bild zu einem vorgegebenen Wort suchen und nicht aktiv ein Wort aus dem mentalen Lexikon auswählen, für die Produktion abrufen und phonologisch realisieren muss, ist die Anforderung geringer als bei der Produktion (Clark 1995:329f.). Allerdings ist für eine korrekte Verstehensreaktion eine ausreichende semantische Differenzierungsfähigkeit erforderlich, damit das dem Zielwort entsprechende Bild von den beiden semantisch nahen Ablenkern abgegrenzt werden kann. In dieser Aufgabe waren altersbedingte Verbesserungen zu sehen, die auf die zunehmende Ausdifferenzierung von Wortfeldern und Wortbedeutungen schließen lassen. Die relativ guten Leistungen schon bei jüngeren Kindern und die klare Präferenz für den nahen Ablenker bei Fehlentscheidungen zeugen von früh vorhandenen und stabilen Wortverständnisfähigkeiten. Die kategoriespezifischen Effekte beim Verstehen traten in schwächerer, aber vergleichbarer Form wie beim Benennen auf. Wiederum ergab sich ein Vorteil für Nomen, die Diskrepanz zwischen den Wortarten war jedoch, besonders in späteren Altersstufen, geringer ausgeprägt als in der Produktion. Intransitive Verben wurden auch rezeptiv den transitiven Verben vorgezogen. Die Effekte der Subkategorien bei Nomen, die auch beim Benennen inkonstant waren, traten beim Verstehen nicht auf. In der rezeptiven Wortverarbeitung traten somit dieselben Muster zutage, die sich bei Erwachsenen und Kindern in der Produktion herausgestellt hatten. In einer längsschnittlich angelegten Studie wurde das Verhältnis zwischen produktiven und rezeptiven Leistungen weiter verfolgt. Dabei bestätigten sich zunächst wiederum der altersbedingte Leistungszuwachs und der Vorteil von Nomen und intransitiven Verben. Im direkten Vergleich der Modalitäten konnte nun auch festgestellt werden, dass die Verstehensleistungen deutlich über den Produktionsfähigkeiten liegen. Dieser erwartbare Befund stimmt mit Beobachtungen überein, nach denen im mentalen Lexikon mehr Einträge abgespeichert sind, als tatsächlich
205 abgerufen werden können: „Comprehension surpasses production, and does so in both children and adults" (Clark 1995:329). Dapretto und Bjork (2000) belegten in ihrer Studie zum frühen Wortabruf einen weiteren Aspekt der Diskrepanz zwischen rezeptiven und expressiven lexikalischen Fähigkeiten. In einem Experiment mit Kindern im zweiten Lebensjahr wurde festgestellt, dass selbst vertraute Wörter, die von Kindern bereits spontan verwendet werden können, unter kontrollierten Bedingungen schlechter produktiv abgerufen als verstanden werden können. Ein effizienterer Zugriff entsteht also erst im Zuge des fortschreitenden Vokabularwachstums. Die Untersuchung zeigte darüber hinaus, dass die bei beiden Wortarten zu beobachtende Differenz zwischen Verstehen und Benennen bei den Verben ausgeprägter ist als bei den Nomen. Gleichzeitig fällt der Abstand zwischen Nomen und Verben beim Verstehen schwächer aus als in der Produktion. Aus beiden Beobachtungen ist zu schließen, dass Kinder einen großen Anteil der ihnen bekannten Nomen auch produzieren, während ein geringerer Anteil der bereits erworbenen Verben geäußert werden kann. Diese Beobachtung deckt sich mit den Annahmen in Goldfield (2000), die bei englischsprachigen Kindern in der Spontansprache feststellte, dass Verben im zweiten Lebensjahr seltener geäußert werden als Nomen. Die Unterrepräsentation von Verben in der Wortproduktion wird von Goldfield mit pragmatischen Aspekten der frühen Eltern-Kind-Interaktion in Verbindung gebracht. Durch die explizite Aufforderung zum Benennen würden Kinder zur Nomenproduktion angeregt, während Handlungsbegriffe nicht gleichermaßen erfragt würden. Dagegen werde das Verstehen von Verben durch zahlreiche Aufforderungen, denen die Kinder nachkommen sollen, stärker verlangt. Unter Testbedingungen wie in der hier vorliegenden Studie ist der pragmatische Kontext dagegen gleich; für Nomen und Verben werden gleichermaßen explizite Aufforderungen zur Wortproduktion vermittelt und gegebenenfalls durch Elizitierungsfragen verstärkt. Pragmatische Faktoren können die je nach Modalität unterschiedlich große Differenz zwischen Nomen und Verben unter Testbedingungen also nicht direkt erklären. Wenn man davon ausgeht, dass Goldfields Befunde zu den Mustern der Eltern-Kind-Interaktion für den deutschen Sprachraum in ähnlicher Weise zutreffen, könnte allerdings gefolgert werden, dass Kinder in der täglichen Sprachverwendung Verben seltener produktiv anwenden müssen als Nomen und daher in der Nomenproduktion geübter sind. Goldfields Untersuchung bezieht sich jedoch auf Kinder im Alter von 1;08 Jahren. Bereits im Alter von drei Jahren sind in der Spontansprache deutscher Kinder mehr Verben als Nomen zu finden (Kauschke 2000). Trotzdem fällt es den Kindern unter Testbedingungen schwerer, bereits bekannte Verben zu produzieren als bekannte Nomen. Offenbar stellt das Benennen von Handlungen die schwierigste Anforderung innerhalb der hier getesteten Reaktionsweisen dar. Da pragmatische Faktoren keine ausreichende Erklärung bieten, kann davon ausgegangen werden, dass die Verbproduktion als besondere Lernanforderung für Kinder im Spracherwerb anzusehen ist. Dass dabei die größere syntaktische Kom-
206 plexität von Verben eine Rolle spielt, ist - auch unter Berücksichtigung der Subkategorieeffekte bei Verben - plausibel. Bei einer Aufgabe, die geringere Verarbeitungsanforderungen stellt, kommt der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe weniger zum Tragen. Möglicherweise haben die untersuchten Kinder Repräsentationen über Verben angelegt, die für die Produktion jedoch nicht ausreichen. Die gespeicherten Informationen genügen, um ein Wort wieder zu erkennen und eine passende bildlich dargestellte Bedeutung zu finden, aber nicht, um das Wort auch abzurufen. Die höheren Anforderungen im Zusammenhang mit dem höheren Maß an grammatischer Information wirken sich bei einer anspruchsvolleren Aufgabe wie dem Benennen stärker aus. Die modalitätsvergleichende Studie erbrachte außerdem Aufschlüsse über den Einfluss der Testreihenfolge auf die Leistungen. 11 Das Durchlaufen eines Testteils (Verstehen bzw. Produzieren) führte zu einer Erleichterung für die darauf folgende Anforderung in der anderen Modalität. Die vorherige Durchführung des Verständnisteils hatte dabei einen größeren Einfluss als die vorherige Durchführung des Produktionstests. Insbesondere schnitten Kinder, die die Zielitems bereits in der rezeptiven Testvariante gehört hatten, in der Produktion besser ab als Kinder, die noch keine vorausgehende Erfahrung mit den Items gemacht hatten. Da die Kinder die rezeptive Verarbeitung für die spätere Produktion nutzen konnten, liegt hier ein crossmodaler Primingeffekt vor. Für die Anwendung des Testmaterials in der Forschung oder zu klinischen Zwecken lässt sich aus diesen Beobachtungen die Empfehlung ableiten, den produktiven Testteil zuerst zu präsentieren, um die Beeinflussung möglichst gering zu halten. Bei einem zusammenfassenden Blick auf die bisher dargestellten Ergebnisse fällt ein weiterer Aspekt auf: Obwohl sich in der Inputanalyse gezeigt hat, dass Verben in der an Kinder gerichteten Sprache höher frequent erscheinen als Nomen und transitive Verben höher frequent als intransitive, verhalten sich Kinder unter Testbedingungen dazu gegenläufig, da sie beim Verstehen und Benennen Nomen und intransitive Verben bevorzugen. Direkte Korrespondenzen zwischen den Wortartpräferenzen im Test mit der Häufigkeit der Wortarten im kindgerichteten Input sind somit nicht erkennbar. Das von Mills angenommene Prinzip beim Spracherwerb: „the most frequent items are the first learned" (Mills 1985:243) lässt sich nicht auf den Umgang mit Wortarten im Test übertragen. Dies schließt nicht aus, dass sich Inputfaktoren auf den Wortartenerwerb auswirken. Die reine Auftretenshäufigkeit ist jedoch kein ausreichender Erklärungsfaktor. Die Interpretation der deutschen Kinderdaten richtete sich bis hierher auf Aussagen über die Bedeutung lexikalischer Kategorien und Subkategorien im ungestörten Spracherwerb. Unter einer klinischen Perspektive lassen sich die Daten auch als Vergleichsdaten für den Einsatz des Benenn- und des Verständnistests bei sprachentwicklungsgestörten Kindern verwerten. Dies ist zum einen in der For11
vgl. auch Kapitel 5.2.2.
207 schung zu Sprachentwicklungsstörungen relevant. Für die diagnostische und therapeutische Praxis bieten die Daten der ungestörten Kinder darüber hinaus eine Basis für die individuelle Befunderhebung.
8.3
Sprachvergleichende D a t e n
Durch die Einbeziehung von Erwerbsverläufen und -mustern in anderen Sprachgemeinschaften kann untersucht werden, ob die für das Deutsche geltenden Befunde allgemeine Erwerbsprinzipien abbilden oder für eine Einzelsprache spezifisch sind. By looking for invariants in development across languages having different structural characteristics, one can determine whether principles should be formulated as a universal about all human languages or as specific to the particular configurations of particular languages. (Hakuta & Bloom 1986:277)
In der vorliegenden Arbeit wurde das Benennen von Nomen und Verben auch bei koreanischen, türkischen und englischen Kindern überprüft und mit den deutschen Daten verglichen. Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse für die einzelnen Sprachen zusammengefasst und dann gemeinsam interpretiert. Koreanische Daten wurden zunächst innerhalb einer kleineren Pilotstudie erhoben. Dabei zeigten sich auch bei den koreanischen Kindern bessere Leistungen für Nomen als für Verben, der Nomenvorteil trat aber nicht mit der gleichen Deutlichkeit und interindividuellen Konstanz auf wie im Deutschen. Dieser erste Gruppenvergleich wies darauf hin, dass die deutschen Kinder beim Benennen von Nomen besser als die koreanischen Kinder abschnitten, während sich beim Verbbenennen keine durchgängigen Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen ergaben. Anzeichen sprachen für eine anfängliche Verbüberlegenheit der koreanischen Kinder und eine sich durchziehende Nomenüberlegenheit der deutschen Kinder. Diese Differenzen legten zunächst die allgemeine Folgerung nahe, dass der Erwerb des Benennens von Nomen und Verben von sprachspezifischen Besonderheiten beeinflusst wird und weiter untersucht werden sollte. In einer zweiten, größeren Studie wurde eine Stichprobe von koreanischen Kindern untersucht, deren Zusammensetzung und Umfang der deutschen Stichprobe entsprach, außerdem wurde die Auswertung mit identischen Zielwörtern durchgeführt. Diese besser kontrollierte Studie ermöglicht differenziertere und besser abgesicherte Aussagen. Weiterhin blieb der Vorteil von Nomen über Verben in der größeren koreanischen Stichprobe präsent. Die Leistungen der Kinder beider Sprachen waren insgesamt auf einem vergleichbaren Niveau anzusiedeln, sprachspezifische Unterschiede ergaben sich aber bei Betrachtung der wortartspezifischen Leistungen. Insgesamt gesehen waren die deutschen Kinder besser beim Benennen von Nomen, die koreanischen Kinder dagegen beim Benennen von Verben. Unter
208 Berücksichtigung des Alters fand sich ein früher Verbvorteil der koreanischen Kinder, womit die Tendenz der ersten Studie bekräftigt wurde. Der Nomenvorteil der deutschen Kinder fiel im Vergleich zur Pilotstudie geringer aus, da er nur in der Phase zwischen dreieinhalb und fünf Jahren auftrat. In einer dritten Erhebung bestätigte sich eine Überlegenheit der deutschen Kinder beim Nomenbenennen in einzelnen Altersgruppen bei besseren Leistungen der koreanischen Kinder beim Verbbenennen. Wiederum war der Vorteil für Verben im Koreanischen in der frühen Phase am deutlichsten. Bei der sprachvergleichenden Betrachtung der Verständnisleistungen fiel die Überlegenheit der deutschen über die koreanischen Kinder bei Nomen noch deutlicher aus, während die Verstehensleistungen bei den Verben vergleichbar waren. In der rezeptiven Modalität traten außerdem deutliche sprachspezifische Differenzen im Umgang mit den Kategorien Nomen und Verb zwischen den Sprachen hervor: Während im Deutschen Nomen produktiv und rezeptiv besser verarbeitet wurden als Verben, war diese Kategoriedifferenz beim Benennen durch die koreanischen Kinder geringer ausgeprägt und wies beim Verstehen in die entgegengesetzte Richtung, da die koreanischen Kinder bei den Verbstimuli besser reagierten als bei den Nomenstimuli. Erklärungsbedürftig sind somit drei Phänomene: die bessere produktive Leistung bei Nomen in beiden Sprachen, der frühe Verbvorteil der koreanischen Kinder und der Nomenvorteil der deutschen Kinder. Zum ersten Punkt wäre angesichts der Befunde zum spontanen Wortartenerwerb 12 zu vermuten gewesen, dass sich die hohe Frequenz und die gute Wahrnehmbarkeit von Verben im koreanischen Input begünstigend nicht nur auf den Verberwerb, sondern auch auf die Verstehens- und Benennleistungen auswirken könnten. Beim Wortverstehen war diese Tendenz tatsächlich zu sehen, denn Verben wurden insgesamt besser verstanden als Nomen. Die Verbpräferenz trat ab fünf Jahren hervor, bis zu diesem Alter wurden Nomen und Verben gleich gut verstanden. In der produktiven Modalität war jedoch auch bei den koreanischen Kindern ein Nomenvorteil vorhanden. Der Vorteil von Nomen gegenüber Verben, wenngleich nicht so stark ausgeprägt wie im Deutschen, könnte wiederum als Niederschlag der spontanen produktiven Erwerbsreihenfolge gesehen werden, denn Kim et al. (2000) und Chang-Song und Pae (2003) stellten einen verstärkten Nomenzuwachs in den frühesten Phasen der Lexikonentwicklung fest. Außer der ungesteuerten Erwerbssequenz wirkt sich wahrscheinlich auch die Art der Aufgabenstellung aus: Durch die „nomenfreundliche" Anforderung beim Bildbenennen kommt eine mögliche sprachspezifische Ausrichtung auf Verben (die in der rezeptiven Modalität auch hervortrat) weniger zum Tragen als im Verständnistest oder in der spontanen, handlungsbezogenen Interaktion. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nomen und Verben, wie es beispielsweise von Choi (1998) für die koreanische kindliche Spontansprache gefunden wurde, ist im Benennkontext 12
vgl. Kapitel 2.2.2.
209 daher nicht replizierbar. Vergleicht man nicht das Verhältnis der Wortarten, sondern das der Sprachen zueinander, so zeigen sich im Koreanischen bessere produktive Verbleistungen in der frühen Phase, die mit sprachspezifischen Besonderheiten zusammenhängen können. Der oft beschriebene Verbfokus und die Verbfreundlichkeit der koreanischen Sprache, die zu einer hohen Frequenz und Salienz im Input führen, begünstigen möglicherweise den relativ frühen Erwerb und somit auch das frühe Benennen von Verben. Das hier gefundene Muster bestätigt die Beobachtung, dass sich sprachspezifische Differenzen gerade im Zeitpunkt des Verberwerbs manifestieren (Gentner & Boroditsky 2001: 241, vgl. Kapitel 2.2.2). Außerdem stehen die guten frühen Verbleistungen im Einklang mit Befunden, nach denen koreanische Kinder deutlich mehr Verben erwerben und produzieren als englische Kinder (z.B. Kim et al. 2000). Auch der beobachtete Vorteil der deutschen Kinder gegenüber den koreanischen für Nomen, der sich konstant und deutlich in der rezeptiven sowie altersabhängig in der produktiven Modalität zeigte, könnte mit sprachspezifischen Faktoren zusammenhängen. Nominalphrasen werden im Deutschen seltener ausgelassen als im Koreanischen, das Subjektellipsen erlaubt, so dass Nomen im deutschen Input möglicherweise frequenter und salienter auftreten als im koreanischen, was zu einer Erwerbserleichterung führen könnte. Bei der Erklärung der Nomenüberlegenheit im Deutschen ist weiterhin zu beachten, dass diese nicht für alle Nomen zu gelten scheint, sondern beim Benennen insbesondere dadurch zustande kommt, dass die deutschen Kinder in einer Subkategorie, nämlich bei den Artefakten, auffallend besser sind als die koreanischen Kinder. In der Subkategorie der natürlichen Nomen ergeben sich keine deutlichen Sprachdifferenzen; die koreanischen Kinder, die natürliche Objekte gegenüber Artefakten bevorzugen, erreichen hier ähnlich gute Leistungen wie die deutschen Kinder. Beide Sprachgemeinschaften ähneln sich schließlich hinsichtlich einer Präferenz innerhalb der Verbkategorien zugunsten der intransitiven Verben. Für die türkische Sprache, die strukturelle Gemeinsamkeiten mit der koreanischen aufweist, wäre die Erwartung ähnlich gelagerter Erwerbsmuster plausibel. Beim Bildbenennen war auch im Türkischen eine bessere Nomen- als Verbleistung zu sehen, die hier jedoch nicht sehr ausgeprägt war und nicht immer Signifikanz erreichte. Im Sprachvergleich erwiesen sich die deutschen Kinder gegenüber den türkischen beim Benennen von Nomen überlegen, während die Leistungen bei Verben vergleichbar waren. Im Gegensatz zu den koreanischen Daten zeigte sich keine Phase einer Verbüberlegenheit der türkischen Kinder. Die jüngste Altersgruppe der türkischen Stichprobe umfasste Kinder zwischen drei und vier Jahren. Da sich die Differenzen im Verbbenennen zwischen koreanischen und deutschen Kindern auf das Alter von zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren beschränkten, wäre es möglich, dass eine frühe Verbüberlegenheit im Türkischen in der getesteten Stichprobe nicht mehr erfasst werden konnte. Obwohl die Leistungen bei Verben insgesamt im Türkischen und Deutschen vergleichbar waren, gab es Unterschiede hinsichtlich der Subkategorieeffekte. Im Gegensatz zum Vorteil für intransitive Verben im Deut-
210 sehen präferierten die türkischen Kinder transitive Verben. Deutsche und türkische Kinder verhielten sich ähnlich hinsichtlich der Fehlerstrategien, auf die sie bei Benennunsicherheiten auswichen. Auch die türkischen Kinder reagierten beim Objektbenennen vorwiegend mit semantischen Substitutionen und bei Verben mit Umschreibungen. Im Laufe der Entwicklung nahmen Nullreaktionen bei beiden Wortarten ab. Für ein sicheres Umgehen mit der Kategorie der Verben bei den türkischen Kindern sprechen die Tatsachen, dass kaum Wortartwechsel auftraten, dass semantisch-klassifikatorische Reaktionen früher anstiegen als im Deutschen und dass die Umschreibungen überwiegend ein spezifisches lexikalisches Verb enthielten, während im Deutschen anfangs zahlreiche allgemeine Verben verwendet wurden. Unter qualitativen Aspekten scheinen die türkischen Kinder über Kapazitäten beim Verbbenennen zu verfügen, die den deutschen Kindern erst später zur Verfügung stehen. Die englischen Daten erbrachten überraschenderweise ähnliche Ergebnisse wie die türkischen. Nomen wurden besser benannt als Verben, was im Hinblick auf die häufig beschriebene zeitliche und quantitative Dominanz von Nomen gegenüber Verben im englischen Lexikonerwerb nicht verwundert. Auffallend ist, dass die Differenz zwischen Nomen und Verben im Englischen geringer ausgeprägt war als im Deutschen, obwohl ein noun bias gerade für das Englische oft hervorgehoben wird und Studien zur Wortartenverteilung im Input stärker als in den anderen Sprachen zugunsten der Nomen ausfallen. Im Sprachvergleich waren die deutschen Kinder beim Nomenbenennen insgesamt besser als die englischen, was sich aber nicht in jeder Altersstufe als signifikant erwies. Bei den Verben waren die Leistungen in beiden Sprachen wiederum vergleichbar, unter den älteren Kindern waren die englischen Probanden sogar etwas besser als die deutschen. Bei den Subkategorien tendierten auch die englischen Kinder zu besseren Leistungen bei transitiven Verben. Bei einem Versuch, die crosslinguistischen Ergebnisse in einem Überblick zu reflektieren, muss berücksichtigt werden, dass das Alter der untersuchten Kinder, die Stichprobengröße und die jeweilige Zusammensetzung des Itemsets nicht zwischen allen Sprachen identisch sein konnten. Trotzdem zeichnen sich Tendenzen ab. Was den Wortartenvergleich betrifft, werden in allen Sprachen Nomen besser benannt als Verben. Daten zum Verstehen liegen nur zum Deutschen und Koreanischen vor. Sie weisen auf ein entgegengesetztes Muster hin, da koreanische Kinder je nach Alter Verben entweder gleich gut oder besser verstehen als Nomen, während deutsche Kinder durchgängig Nomen bevorzugen. Die sprachübergreifende Dominanz von Nomen gegenüber Verben beim Benennen bestätigt Anteile der noun ft(cfei
(si^V)
Fällt weg in Studie 2 Fällt weg in Studie 2
Λ1 D vor + Rock
Ϋ^· Auto + PKW
έ -1-3171
243
Ü1 Ü2
Verben Deutsch
Verben Koreanisch
rennen
3 4
lesen
£ 4
Kommentar
1
schwimmen
2
öffnen
3
bellen
4
kneifen
5
schieben
U 4
6
krabbeln
7] 4
7
gießen
i - ^ 4
„Wasser geben" + Lokativ
8
tragen
# 4
2 Varianten, 2 koreanische Verben
9
kämpfen
Zwei Synonyme (sinokoreanisch 4 koreanisch) 4 4 3J4
möglich 10 11
tanzen lachen
12
treten
13
küssen
Fällt weg in Studie 2 £ 4 £ 4
Fällt weg in Studie 2 2 Synonyme (koreanisch + englisch) „Kuss machen" (hada + Dativ)
14
messen
15
weinen
16
grüßen
i-4 „jemandem Gruß machen" (hada + Dativ)
17
gähnen
18 19
tauchen
„tauchen machen" (hada)
sitzen
sitzen (bleiben)
„gähnen machen" (hada)
20
rutschen
21
spucken
4 4 J4 7pfl7l s j - 4
22
niesen
23
kaufen
24
springen
25
werfen
3*14
26 27
kitzeln
? H M 4
schlafen
28
ziehen
29
schneiden
30
füttern
t Λ
Ö
„Rutschbahn fahren" „Spucke ausspucken" „niesen machen" (hada)
>4 runter + springen
^714,
¥ 4
2 koreanische Synonyme möglich 2 koreanische Synonyme möglich (schneiden/mit Messer schneiden)
^
Ö
14
244 A9
Alter
2;06-2;ll 3;00-3;05 3;06-3;ll 4;00-4;05 4;06-4;ll 5;00-5;ll 6;00-6;ll 7;00-7;ll Total
Deskriptive Statistik für die koreanischen Kinder (Benennen, Studie 2)
Ν
Nomen
Verben
Mean(%)
SD
Mean(%)
SD
30 30 30 30 30 30 30 30
53,85 58,20 60,77 68,20 71,92 80,00 84,62 92,31
12,61 14,83 11,84 14,28 9,32 11,49 7,00 6,14
37,86 47,73 49,17 49,82 58,21 68,22 74,64 84,64
18,20 17,00 11,78 13,99 12,59 11,91 8,82 7,69
240
71,23
16,93
58,79
19,69
Bezogen auf 28 Verben und 26 Nomen, Angaben in Prozent
245
A10
Items für den türkischen Benenntest
Nomen Deutsch
Nomen Türkisch
U1 Ü2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
Tisch Kirsche Spinne Hut Zelt Besen Zebra Krebs Apfel Pilz Drachen Stern Uhr Zwiebel Gürtel Schwan Igel Zaun Schlitten Kleid Zopf Hammer Baum Leiter Sonne Schlüssel Insel Bank Hahn Schürze Birne Hirsch Korb Pfau Auto
masa kiraz örümcek §apka gadir süpürge zebra yenge9 elma mantar ufurtma yildiz saat sogan kemer kugu kirpi 9 it kizak elbise (sa?) örgü 9eki 9 aga? merdiven güne§ anahtar ada bank horoz önlük armut geyik sepet tavus ku§u araba/otomobil
34 35 36
Mond Brille Fisch
ay gözlük balik
Kommentar
statt „Kreuz"
statt „Ratte"
2 Varianten, alle Kinder haben „araba" verwendet
246
Verben Deutsch
Verben Türkisch
Ü1 Ü2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
rennen lesen schwimmen klettern niesen öffnen bellen kneifen schieben krabbeln zaubern gießen betteln tragen retten kämpfen küssen lachen löschen tanzen messen weinen grüßen
ko§mak okumak yüzmek tirmanmak hap§irmak agmak havlamak fimdiklemek itmek emeklemek sihirbazhk yapmak sulamak dilenmek ta§mak kurtarmak dövü§mek öpmek gülmek söndürmek dans etmek öl$mek aglamak selam vermek selamlasmäk
22 23 24 25 26 27 28 29
gähnen tauchen schneiden sitzen rutschen pflücken wiegen kaufen
30 31 32 33 34 35 36
springen werfen spucken kitzeln ziehen schlafen füttern
esnemek dalmak kesmek oturmak kaymak koparmak tartmak (satin) almak/ah§ veri§ yapmak atlamak atmak tükürmek gidiklamak §ekmek uyumak mama vermek/ yedirmek
Kommentar
Zauber machen statt „wandern"
statt „schubsen" Tanz machen
2 Varianten: Gruß geben/sich grüßen (Kinder haben erste Variante verwendet)
2 Varianten: kaufen, Einkauf machen
2 Varianten: füttern/essen geben
247 All
Deskriptive Statistik für die türkischen Kinder, Benennen
3,00-3,11 Jahre Ν
Minimum
Maximum
Mean
SD
Verben intransitiv Verben transitiv Verben gesamt
20 20 20
3 3 7
8 12 19
6,45 7,70 14,15
1,36 2,13 2,98
Nomen natürlich Nomen man made Nomen gesamt
20 20 20
5 6 11
12 13 22
7,20 9,30 16,45
1,94 2,27 3,69
Minimum
Maximum
Mean
SD
Verben intransitiv Verben transitiv Verben gesamt
20 20 20
6 5 13
13 15 28
8,55 10,10 18,65
1,88 2,31 3,63
Nomen natürlich Nomen man made Nomen gesamt
20 20 20
6 7 14
17 17 34
10,70 11,60 22,30
3,10 2,48 5,10
Ν
Minimum
Maximum
Mean
SD
Verben intransitiv Verben transitiv Verben gesamt
20 20 20
7 10 17
15 17 32
11,45 13,50 24,95
2,35 2,21 4,25
Nomen natürlich Nomen man made Nomen gesamt
20 20 20
9 11 22
17 17 33
13,05 13,50 26,55
2,42 1,54 3,52
4;00-4;ll Jahre
5;00-5;ll Jahre
Gesamtzahl: 36 items
248 A12
U1 Ü2 1 2 3 4 5 6 7
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
Items für den englischen Benenntest
Nomen Deutsch
Nomen Englisch
Kirsche Schlitten Spinne Hut Zebra Zelt Krebs Besen Apfel Drachen Pilz
cherries sledge spider hat zebra tent crab broom apple kite mushroom
Uhr Stern Kreuz Zwiebel Zaun Schwan Tisch Igel Kleid Baum Zopf Sonne Hammer Insel Leiter Pferd Schlüssel Birne Bank Ratte Schürze Pfau Korb Mond Auto Fisch Brille
clock star cross onion fence swan table hedgehog dress tree plait sun hammer island ladder horse key pear bench rat apron peacock basket moon car fish glasses
Kommentar
2 Alternativen: broom oder brush
2 Alternativen: mushroom oder toadstool
2 Alternativen: cross oder crucifix
2 Alternativen: table oder desk
2 Alternativen: glasses oder spectacles
249
Ü1 Ü2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
Verben Deutsch
Verben Englisch
pflücken lachen öffnen schwimmen kneifen klettern schieben niesen gießen bellen tragen krabbeln melken rennen küssen kämpfen lesen zittern messen tanzen grüßen weinen schneiden gähnen schreiben treten wiegen sitzen kaufen rutschen werfen springen kitzeln spucken ziehen schlafen füttern betteln
pick laugh open swim pinch climb push sneeze water bark carry crawl milk run kiss fight read shiver measure dance greet cry cut yawn write stamp weigh sit buy slide throw jump tickle spit pull sleep feed beg
Kommentar
2 Alternativen: open oder pull
2 Alternativen: water oder pour 2 Alternativen: carry oder hold
2 Alternativen: cut oder slice
2 Alternativen: buy oder shop
A13
AK1
Deskriptive Statistik (deutsch und englisch, Benennen)
(4;7 bis 5;1) deutsch
englisch
Min
Max
Mean
SD
Min
Max
Mean
SD
Nomen gesamt Nomen nat Nomen manmade
9 9 9
24 12 12
34 17 17
28,67 14,44 14,22
3,61 1,94 1,86
18 8 10
32 15 17
24,56 11,56 13,00
4,25 2,40 2,12
Verben gesamt Verben trans Verben intrans
9 9 9
18 8 8
27 13 14
22,11 10,67 11,44
3,22 2,06 2,07
12 5 4
26 14 12
18,22 9,44 8,78
5,29 3,28 2,68
AK 2 (5,-9 bis 6;7) deutsch
englisch
Min
Max
Mean
SD
Min
Max
Mean
SD
Nomen gesamt Nomen nat Nomen manmade
11 11 11
22 11 11
36 18 18
30,64 14,91 15,73
3,749 2,071 1,954
12 10 22
17 17 28
14,09 14,55 25,73
1,58 2,21 2,10
Verben gesamt Verben trans Verben intrans
11 11 11
18 8 9
30 15 15
24,45 11,82 12,64
3,560 2,228 1,912
10 11 12
14 15 17
12,64 13,09 14,09
1,29 1,45 1,58
AK 3 (6;8 bis 7;2) deutsch
englisch
Min
Max
Mean
SD
Min
Max
Mean
SD
Nomen gesamt Nomen nat Nomen manmade
11 11 11
31 13 15
34 17 18
32,64 15,64 17,00
1,286 1,120 1,000
27 13 13
33 17 18
30,09 14,91 15,18
2,07 1,22 1,33
Verben gesamt Verben trans Verben intrans
11 11 11
23 9 11
33 17 17
26,55 12,64 13,91
3,174 2,203 1,700
25 12 12
33 17 16
29,18 15,09 14,27
2,56 1,58 1,27
Bezogen auf 36 Nomen und 36 Verben
251
Al 4
Benennleistungen der sprachentwicklungsgestörten Kinder (SES-Studie 1)
4-5 Jahre 5 - 6 Jahre 6 - 7 Jahre
Nomen sprachunauff.
Verben sprachunauff.
Nomen SSES-alle
Verben SSES-alle
Nomen SSES-syn
Verben SSES-syn
28,87 30,17 31,77
19,93 23,43 26,50
24,32 28,53 30,42
19,09 23,11 28,08
22,73 28,73 27,75
16,60 22,27 26,25
Mittelwerte, bezogen auf 53 Kinder mit SSES und 30 Kinder mit Grammatikstörung bei SSES (SSES-syn)
Al 5
Deskriptive Statistik (Benennen und Verstehen, SES-Studie 2)
Kontrollgruppe:
Rezeption Nomen Rezeption Verben Produktion Nomen Produktion Verben
Ν
Min
Max
Mean
SD
10 10 10 10
31 25 26 19
35 34 35 27
33,20 29,80 32,20 24,10
1,69 3,12 2,49 2,73
Ν
Min
Max
Mean
SD
10 10 10 10
28 18 14 7
36 32 32 22
32,00 26,40 24,00 15,80
2,83 4,40 5,81 5,09
SES-Gruppe:
Rezeption Nomen Rezeption Verben Produktion Nomen Produktion Verben
Literatur
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