Erinnerungen aus Südeuropa: Geschichtliche, topographische und literarische Mittheilungen aus Italien, dem südlichen Frankreich, Spanien und Portugal [Reprint 2019 ed.] 9783111473628, 9783111106717


161 33 14MB

German Pages 310 [316] Year 1851

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Ein Tag in der Albaneserkolonie Piana de' Greci in Sicilien
Des Markgrafen Gumbert von Brandenburg Leben und Tod in Italien
Ueber den Veltro in Dante's göttlicher Komödie
Reise durch einen Theil des südlichen Frankreichs. Vienne
Reiseblätter aus Spanien
Römische Alterthümer in Portugal
Anmerkungen
Recommend Papers

Erinnerungen aus Südeuropa: Geschichtliche, topographische und literarische Mittheilungen aus Italien, dem südlichen Frankreich, Spanien und Portugal [Reprint 2019 ed.]
 9783111473628, 9783111106717

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Grabstein des Markgrafea Gumbert

Brandenburg in Neapel.

Erinnerungen aus Siideuropa. Gcscliklidichc, topograpliisclic lind litcrarisclic Mittheilungen

aus Italien, dein südlichen Frankreich, Spanien und Portugal von

Dr. Christian Itellennaiin, l ' f a r r e r der St. P a u l s - G e m e i n d e zu Merlin.

M l l einer l i t h o g r a p h i r t e n

Zeichnung.

BERLIN. Verlag von Georg Reimer. 1851.

V o r w o r t,

D i e hier dargebotenen kleinen Aufsälze w u r d e n u r s p r ü n g lich n u r f ü r den Verfasser geschrieben u n d später f ü r wenige F r e u n d e

geordnet zur E r i n n e r u n g

eilende J a h r e u n d Eindrücke. mit dein W u n s c h e ,

an vorüber-

Ich veröffentliche sie jetzt

dafs sie noch hier und da einen

F r e u n d u n d wohlwollenden Leser linden mögen u n d dafs vielleicht Einiges davon beim Besuch der beschriebenen Gegenden sich als ein W e g w e i s e r nützlich inachen könne. Bei aller Verschiedenheit des Inhalts w i r d m a n doch nicht v e r k e n n e n ,

was

einander verbindet fertigt.

und

diese einzelnen A u f s ä t z e

unter

ihre Zusammenstellung

recht-

Sie betreffen sämmtlicli die westlichen Länder

von S ü d e u r o p a ,

welche in mancherlei v e r w a n d t s c h a f t -

licher Beziehung zu einander stehen, nicht allein durch die gemeinschaftliche geographische Lage am Mittelmeer u n d die d a d u r c h bedingten ähnlichen klimatischen Verhältnisse,

sondern auch

durch die vielen gleichen Ge-

IV

schicke,

die sie im L a u f e der Zeiten e r f a h r e n .

Durch

Dieses w i e Jenes w i r d L ä n d e r n u n d Völkern ein gemeinschaftlicher Charakter a u f g e d r ü c k t . Italien, S ü d f r a n k r e i c h u n d die pyrenäische Halbinsel g e h ö r t e n im europäischen Abendlande zu den f r ü h e s t e n P f l a n z s t ä t t e n einer höheren K u l t u r , deren A n f ä n g e sich auf den f r ü h ausgebreiteten Handelsverkehr der Phönizier z u r ü c k f ü h r e n l a s s e n , deren weitere E n t w i c k e l u n g aber von den geistreichsten L e h r e r n der W e l t , den Griechen, a u s g i n g , welche überall in ihre Kolonien eine edlere u n d vielseitigere Bildung b r a c h t e n . Später w u r d e n diese L ä n d e r iusgcsaminl Thcile des grofsen Römerrcichs und Rom v e r s t a n d e s , seiner P r o v i n z e n sich in j e d e r Beziehung seine Gesetze, Sprachc

so

zu b e m ä c h t i g e n ,

dafs es ihnen

seine

Sitten,

seine Religion

und

einpflanzte,

wie j a

noch heutiges

Tages

romanischen

Sprachen

des

südwestlichen

seine

Europa

die ihre

V e r w a n d t s c h a f t u n t e r einander u n d ihre H e r k u n f t nicht verläugnen.

Und

ebenso

sind

später dieselben Länder

die Ireuesten A n h ä n g e r auch des christlichen R o m s geblieben. ten

Aber f r ü h auf eine h ö h e r e 15ildung.Si.tufe getre-

als A n d e r e ,

e r f u h r e n sie später a u c h insgesainint,

— u n d auch das v e r d a n k t e n sie ihrer V e r b i n d u n g Rom, rend

— einen allmäligen Stillstand untl V e r f a l l , die n ö r d l i c h e n ,

germanischen

Völker

n e u e n frischen Geistcshauch a n g e w e h t , die s t a r r e n u n d l ä h m e n d e n Fesseln zustreifen.

von

mit wäh-

einem

K r a f t erhielten,

des .Mittelalters ab-

A n solche vielfache V e r w a n d t s c h a f t , die jene

V

Länder und Volker u n t e r einander h a b e n , w i r d Manches in diesen M i t t e i l u n g e n

erinnern.

Der Verfasser f ü r c h t e t nicht von den L e s e r n , die er sich w ü n s c h t , h ö r e n zu m ü s s e n , dafs solche untheologische Arbeiten aus seiner Feder etwas Auffallendes u n d Bedenkliches

haben.

E r ist des Glaubens,

dafs

alles,

w a s das Leben der Völker und ihre geistigen wie sittlichen Kulturzustände b e t r i f f t , am wenigsten denen fremd bleiben d ü r f e , deren Beruf es i s t , auch in den irdischen E r s c h e i n u n g e n , in der N a t u r wie in der Geschichte das ewige W a l t e n Gottes u n d seine grofsen Offenbarungen nachzuweisen.

Jedenfalls w i r d der Verfasser sich mit den

W o r t e n des frommen Petrarca t r ö s t e n , der in seinen Bekenntnissen s a g t : »Ich weifs w o h l , dafs man ohne W i s senschaften ein heiliget Mensch werden k a n n ,

aber ich

weifs a u c h , dafs sie kein Hindernifs der Heiligkeit sind, wie man u n s glauben machen möchte. Man mufs sich wohl h ü t e n , eine unwissende A n d a c h t mit einer von den Wissenschaften erleuchteten Frömmigkeit zu vergleichen.« — Und in welcher Zeit w ä r e es überdies m e h r als in der unseren

zu entschuldigen,

w e n n Herz und

Gedanken

sich s e h n e n , bisweilen aus den verworrenen und trüben Zuständen der G e g e n w a r t , bensgebiete sphäre zu

eingedrungen flüchten,

die in unsere heiligsten Lesind,

in

eine reinere Atmo-

wie die E r i n n e r u n g e n an eine bes-

sere Vergangenheit, der U m g a n g mit edleren u n d g r ö ß e ren Charakteren und das neutrale Gebiet der Kunst u n d

VI

Wissenschaft

sie darbieten, um von da neue Frische,

neuen Muth u n d neue Geistesklarheit f ü r die Kämpfe des Lebens zu

gewinnen.

Daher sehe ich heute noch

mit Dank u n d Freude auf die stillen ländlichen Abende z u r ü c k , an welchen mich diese anspruchlosen Aufsätze beschäftigt h a b e n ,

die mir öfters jene W o r t e aus der

berühmten Vertheidigungsrede f ü r den Archias ins Ged ä c h t n i s riefen: »Solche Studien geben der Jugend Nahr u n g und dem Alter E r h e i t e r u n g , Zuständen und

sind in

glücklichen

eine Zierde, in unglücklichen eine Zuflucht

ein T r o s t ;

sie ergötzen zu Hause u n d sind aus-

w ä r t s nicht störend; sie durchwachen mit u n s die Nächte, sie gehen mit uns

auf R e i s e n ,

sie leben mit uns auf

dem Lande.« Von der A u f n a h m e , die diese Mittlieilungen finden, wird es a b h ä n g e n , ob noch ein zweites und drittes ähnliches Bändchen nachfolgen kann. G e s u n d b r u n n e n bei B e r l i n , am 1. S e p t e m b e r

1851.

C. B.

I n h a l t .

Seite

E i n T a g in d e r A l b a n e s e r k o l o n i e P i a n a de' Greci in S i cilien

1

Des Markgrafen Gumbert T o d in I t a l i e n

.

von Brandenburg Leben .

und



U e b e r d e n V e l l r o in D a n t e ' s g ö t t l i c h e r K o m ö d i e . . .

39 71

Vienne im südlichen Frankreich

115

Reiseblätter aus Spanien

155

Römische Allerthümer

195

in P o r t u g a l

Ein Tag in der Albaneserkolonie Piana de' Greci in Sicilien.

Ein Tag in der Albaneserkolonie Piana de' Greci in Sicilien.

Es

w a r mein Vorsatz gewesen,

auf einer Reise durch

Sicilien, die ich von Neapel aus u n t e r n a h m , auch eine der dortigen sogenannten griechischen oder richtiger Albaneserkolonien z u sehen. Da sich aber auf dem ganzen W e g e längs der K ü s t e , die den Reisenden ain meisten anzieht, keine Gelegenheit dazu dargeboten h a t t e , so beschlofs ich, ehe ich mich wieder von Palermo einschiffte, einen besondern T a g a n z u w e n d e n , das der H a u p t s t a d t des Landes am nächsten gelegene albanesische Städtchen P i a n a de' Greci zu besuchen.

E s ist n u r vierzehn sici-

liariisclie Miglien oder drei und eine halbe deutsche Meilen in südwestlicher Richtung von Palermo entfernt. In einer der ersten Morgenstunden des dritten Julius bestieg ich daher

ein f ü r diesen T a g

gemiethetes

Maulthier

und

n a h m durch die P o r t a nuova noch einmal meinen W e g landeinwärts.

E i n Knabe von u n g e f ä h r vierzehn J a h r e n ,

dem die Obhut des Thiers aufgetragen w o r d e n , w a r mein Begleiter u n d F ü h r e r durch die mir unbekannte Gegend, 1*

4 ein munterer, kecker Insulaner, der mir auf keine meiner Fragen eine Antwort schuldig blieb und der, wenn er des Nebenherlaufens müde geworden, sich ehe ich mich dessen versehen, mit grofser Gewandtheit hinter ineinen Sattel auf die Kruppe des Maulthiers geschwungen hatte, und dann aus Dankbarkeit f ü r meine Nachsicht seine melancholisch-klagenden Volksgesänge mit gellender Stimme mir ins Ohr schrie.

So ritt ich noch einmal die Küste

verlassend in das merkwürdige Land hinein, welches ich seit einem Monat nach verschiedenen Richtungen

hin

durchstreift und dessen mächtige Vergangenheit sich dem Auge in grofsartigen Ruinen dargestellt hatte.

Heute

zog mich ein anderes Interesse in ein stilles, wenig besuchtes Gebirgsthal, ein Interesse, ich gestehe es, des Herzens für Flüchtlinge aus fernem Vaterlande, für die Nachkommen eines Volks, welches nach langer, tapferer Gegenwehr wider wilde Eroberer endlich, um die Freiheit und seinen väterlichen Glauben zu retten, die Heimath aufgegeben hatte, fast nichts mit sich nehmend als sein nacktes Leben und seine Penaten. Der W e g von Palermo aus erhebt sich auf einer fahrbaren Strafse in mancherlei Krümmungen anfangs nur allmälig bis zu dein von der Küste sieben Miglien entfernten Orte Parco; hier befindet man sich am Fufse des Gebirgszugs, der fast nach der ganzen Länge der Insel parallel mit ihrer nördlichen Küste sich hinzieht.

Der

W e g wurde von diesem Orte an immer steiler, und schon eine Miglie weiter bot sich dem Auge ein herrlicher Ueberblick über die zurückgelegte Landschaft dar. Zur Linken

5 im Vordergründe Monreale mit den Kuppeln seiner berühmten bischöflichen Kathedrale, mehr im Mittelgrunde die ganze reiche und reizende Ebene von Palermo und darüber das weite dunkelblaue Meer, nur rechts und links begränzt durch den Monte Pelegrino und das Cap Zaffarano, die beide wie mit weit ausgestreckten Armen den Schiffenden auf die schöne Insel einzuladen scheinen. Aber schon fingen die Sonnenstrahlen, die immer senkrechter auf den Kalksteinboden der öden Gegend fielen, an beschwerlich zu werden, selten bot ein einzeln stehender Oelbaum einigen Schutz dar, und ich ritt verlangend und nach dem Zielpunkte meiner Wallfahrt spähend still vor mich hin. Da wandte sich der W e g seitwärts und wieder abwärts, und vor meinen Augen lag in nicht geringer Entfernung in einem reich belaubten und bewässerten Bergthale der kleine, offene Ort Piana de' Greci. Da es Sonntag war und um die zehnte Vormittagsstunde, so zeigte sich kein Mensch auf den Feldern rings umher.

Die Bewohner des Landstädtchens,

die sich grofsentheils mit Ackerbau beschäftigen, hielten ihre Sabbathruhe.

Ich erreichte das Thor, fragte mich

durch ein paar Strafsen durch nach einer Locanda, und wurde nach einem Hause von ärmlichem Ansehn gewiesen, in welchem mich zwei Frauen freundlich aufnahmen. Doch hatte hier alles das Ansehn, als befände man sich nicht oft in dem Falle, einen Fremden zu beherbergen. Dazu kam noch die mir unverständliche Mundart der F r a u e n , aus der ich nur einzelne Worte des sicilianischen Dialekts heraushören konnte, der mir seit

6 einem Monat schon geläufig geworden war.

Dies alles

bestimmte mich, nach' kurzem Ausruhen, das Haus wieder zu verlassen und nur für meinen kldinen Burschen und sein Thier die nöthige Kost zu bedingen.

Gegen

Abend vor meiner Abreise wollte ich mich wieder einstellen. Auf dem Marktplatze, der von ansehnlichen Häusern umgeben ist, und auf dem auch die Hauptkirche steht, fand ich viele rege Bewegung.

Sonntäglich geschmückte

Stadtbewohner hatten sich hier und dort gruppenweise vereinigt, und unterhielten lebhafte Gespräche mit einander, andere bewegten sich nach der Kirche zu; doch konnte ich in der Gestalt und Gesichtsbildung aller dieser Albaneser, so wie in ihrer Kleidung keine grofse Verschiedenheit von der der einheimischen Bewohner anderer Ortschaften Siciliens entdecken. Vorherrschend schien ein nicht gar hoher aber kräftiger Wuchs, starker Muskel- und Knochenbau, die Farbe des Gesichts mehr gelb als gebräunt, die Formen bei Männern und Frauen zwar regelmäfsig in schönen langgezogenen Linien, doch eher derb als zierlich.

Nur der grofse wollene Mantel der

Frauen und Mädchen, von schwarzer oder weifser Farbe, der ihre übrige Kleidung verbarg, war charakteristisch, indem dieser sonst weniger in Italien als in Spanien und Portugal bei dem Bürgerstande üblich ist. Ich trat in die offne Kirche ein; der Gottesdienst hatte bereits angefangen.

Aeufserlich war mir an dem

Gebäude nichts Eigenthümliches aufgefallen, im Innern aber zeigte sich sogleich in der Vertheilung der Räum-

7 lichkeit ein Unterschied zwischen diesem und einem Gotteshause, welches für den abendländischen Kultus bestimmt ist. Es war genau die Einrichtung, die dem bekannt ist, welcher eine russische Kirche gesehen hat. Auch diese hatte ein einziges grofses Schiff ohne Seitengänge, aber der sogenannte hohe Chor, das heifst der nach Osten gelegene Theil mit dem Altäre, war durch eine etwa 12 Fufs hohe W a n d , den Ikonastas oder die Bilderwand, vom übrigen Theil der Kirche getrennt, und dadurch der Altar selbst dem Auge der Gemeinde entzogen. Diese Wand hatte, wie es in jeder griechischen Kirche der. Fall ist, drei Thüren, deren mittlere, die heilige genannt, zum Hochaltare, die beiden Nebenthüren zu zwei kleinen Seitengemächern oder Sakristeien führen. Zu beiden Seiten der mittleren Thür befanden sich in leicht erreichbarer Höhe die Bilder des Erlösers und der Jungfrau mit dem Jesusknaben, und noch einige andere Darstellungen bedeutender Heiliger der griechischen Kirche, des h. Basilius, Johannes von Damaskus, Spiridion, und Demetrius von Thessalonich. Neben denselben brannte eine Anzahl Kerzen an Wandleuchtern, die Gemälde aber trugen alle den eigenthümlichen Charakter alter byzantinischer Bilder an sich, der durch langgedehnte hagere Gestalten und eine monotone, dunkle Färbung sich auszeichnet; auch waren sie auf Goldgrund gemalt, und die beiden Hauptbilder, Christus und die Jungfrau, überdies noch mit Ausnahme der Gesichter und Hände ganz mit erhabenen Silberplatten bedeckt. Im Schiffe befanden sich längs der Seitenwände schmale

8 Sitzbänke, der übrige Raum war freigelassen für die stehende Gemeinde, nur mitten in der Kirche befand sich das grofse Lesepult, der Ambon, für den Presbyter, mit bunter Seide bis auf die Erde bekleidet und dem griechischen, gleicharmigen Kreuze geschmückt; zu beiden Seiten desselben mehr zurückgeschoben noch zwei kleinere Pulte, die Analogeia, für den Vorleser und Sänger. Der Gottesdienst selbst zeigte in seinem ganzen Verlaufe nichts Abweichendes von dem in der russischgriechischen Kirche, mit dem einzigen Unterschiede, dafs ich hier wirklich die altgriechische Sprache vernahm, während in der russischen Kirche das Altslavonische die Kirchensprache ist: beides gleich unangemessen, da weder der Russe altslavonisch, noch der Albaneser altgriechisch versteht. Gesangartig vorgetragene Psalmen und Litaneien wechselten mit Vorlesungen von Gebeten ab, und dieser Theil des Gottesdienstes ist in der ganzen griechischen Kirche das Geschäft zweier besonderer Klassen von kirchlichen Personen, des Lehrers oder Anagnosten, welcher wie der Diakonus die niedere kirchliche Weihe empfangen hat, und des Sängers, oder Psaltes, der wie der Sakristan ohne kirchliche Weihe, gewissermafsen die Gemeinde repräs entirt; denn ein Gemeindegesang findet niemals statt, so wie auch der Gebrauch der Orgel der griechischen Kirche fremd ist. Der Vorleser in seinem einfachen schwarzen Gewände und lang herabwallenden Barte hatte eine würdige Haltung; weniger die Sänger, deren mehrere in ihrem Geschäfte sich ablösten und in öfterem Wechsel zu dem

9 Sängerpulte traten und es wieder verliefsen. Diese w a ren ohne amtliche Kleidung, einige trugen nach griechischer Weise Schnurrbarte. — Bald begann der zweite Theil des Gottesdienstes.

Die mittlere Thür des Ikona-

stas öffnete sich und man erblickte im Allerheiligsten vor dem Altare den Presbyter im Mefsornate, bestehend aus der Tunika oder Alba, bei den Griechen das Sticharion genannt, dem darüber vorn herabhangenden schmalen Streifen der Stola oder des Epitrachelion und einem weiten Mantel Phelonion, mit darauf eingewirktem griechischem Kreuze. Der Presbyter trug einen langen Bart und aufgelöstes langes Haar. Vorlesungen desselben aus den Evangelien und Episteln wechselten jetzt mit den Eulogien und Psalmodien des Vorlesers und

Sängers;

dann trat der Presbyter, begleitet von zwei Rauchfässer tragenden Diakonen und mehreren Knaben mit brennenden Wachskerzen in die Kirche selbst, spendete W e i h rauch vor den Bildern des Erlösers und der Jungfrau und ktifste dieselben. Ein anderes Mal trug er das Evangelienbuch feierlich heraus und trat vor den in der Mitte der Kirche stehenden Ambon, dem sich jetzt viele der Gemeindeglieder naheten, um das auf dem Buohe befindliche Silberbildwerk, den auferstandenen Erlöser darstellend, zu küssen.

Endlich zog sich der Presbyter

wieder hinter die Bilderwand zurück, und der Vorhang vor der mittleren T h ü r , durch die man ihn noch vor den Altar.treten sah, fiel h e r a b , damit von ihm,

der

nun den Augen des Volkes entzogen war wie der jüdische Hohepriester im Allerheiligsten des Tempels,

das

10 Mefsopfer vollbracht würde. Vorleser und Sänger stimmten unterdessen neue Gebete und Lieder an, bis sich der Vorhang noch einmal öffnete und nun der letzte Theil des Gottesdienstes begann. Der Presbyter trat mit dem geweiheten Kelche unter die Gemeinde zur Feier der Communion ganz nach griechischem Ritual. Der Kelch enthielt nicht nur den gesegneten Wein, sondern auch feingeschnittene Stücke gesäuerten Brodes. Die Theilnehmer an der Communion näherten sich dem Priester, küfsten zuvor die beiden Hauptbilder an der heiligen Wand, und empfingen vermittelst eines Löffelchens aus der Hand des Priesters die beiden Elemente des Abendmahls zugleich, worauf sie sich wieder, nachdem sie den Kelch gekiifst hatten, mit einer Verbeugung entfernten. Die Beichte war also wahrscheinlich schon vor dem Anfang des gemeinschaftlichen Gottesdienstes vorhergegangen, oder hatte, da sie nach der Ansicht mancher griechischer Kirchenlehrer nicht nothwendig ist, gar nicht stattgefunden. Die ganze Handlung ging ernst und feierlich vor sich, und auf allen Gesichtern ruhte der Ausdruck der Andacht und eines würdigen Ernstes. Darauf wieder abwechselnde Vorlesungen und Gebete des Anagnosten und Priesters und endlich noch durch Letzteren die Vertheilung des übrigen, nicht zum Abendmahle consecrirten Brodes, welches er auf einer silbernen Schüssel aus dem Allerheiligsten heraustragend, ohne Unterschied des Alters an Erwachsene und Kinder vertheilte. Mit dieser Erinnerung an die alten Agapen oder Liebesmahle endete der Gottesdienst.

11 Die Gemeinde verliefs die Kirche, die vor den Bildern brennenden Kerzen wurden ausgelöscht, und ein alter Diener schickte sich an, die Thüren zu verschliefsen. Doch war er so gefällig, mir noch Zeit zu lassen, die nun leer gewordene Kirche nach allen Richtungen hin zu durchwandeln und zu beschauen.

Der Beachtung

nicht unwerth war besonders eine Reihe Frescobilder des sicilianischen Malers Pietro Novelli aus Monreale, den die Sicilianer oft il Rafaello di Sicilia zu nennen belieben. Derselbe war einst, so erzählte mir der gesprächige Sacristan, auf einer Reise hier in Piana erkrankt und von den Albanesen gastfreundlich aufgenommen worden. Aus Dankbarkeit, so wie aus Devotion für seine Genesung malte er in Gemeinschaft seiner Tochter diese Bilder, welche den Erlöser, den heiligen Spiridion, Basilius und andere Heroen der griechischen Kirche darstellen. Novelli war 1608 geboren und starb in einem Volksäufstande zu Palermo, von einer Kugel getroffen, im Jahr 1647. Unter den liturgischen Büchern der Kirche sah ich auch ein auf Pergament geschriebenes griechisches Evangelienbuch, das wohl dem dreizehnten Jahrhundert angehören mochte. Da mir darum zu thun war, die Albaneser nach ihrer ganzen Art zu denken und zu leben, nach ihren Sitten und Gebräuchen möglichst kennen zu lernen, so begab ich mich, nachdem ich die Mittagsstunde in einer Trattoria zugebracht hatte, in ein Kaifehaus am Markte, als dem Hauptort öffentlicher Geselligkeit in Sicilien, wie in ganz Italien, und hier bot sich auch zur Befriedigung

12 meiner Wünsche sogleich reichliche Gelegenheit dar. Mit jener ungezwungenen Offenheit und

Zuvorkommenheit,

die man unter dem italienischen Hinmiel fast immer findet, wurden auch hier die Begrüfsung und die ersten Fragen eines ganz unbekannten Fremdlings aufgenommen und erwiedert.

Die um mich sich versammelnden

Albaneser schienen besonders gern zu hören, dafs mich nur der W u n s c h , die • griechische Stadt init ihren Bewohnern kennen zu lernen, von Palermo hierher geführt und dafs ich schon mit Aufmerksamkeit ihrem Gottesdienste beigewohnt habe, und bald sah ich von allen Seiten das aufrichtigste Bestreben, mir angenehm und nützlich zu sein.

Ich unterliefs natürlich auch nicht,

mich dafür durch eine gleiche Berücksichtigung Wünsche erkenntlich zu zeigen.

ihrer

Denn ich sah ihnen

bald an, wie sie mit südlicher Lebhaftigkeit schnell über jede Schwierigkeit eines traulichen Gesprächs

hinweg-

kommen und daher auf das vollständigste wissen wollt e n , mit wem sie es zu tliun hätten.

Ich vernahm von

diesen Griechen beinahe wörtlich jenes Homerische: » W e r und w o h e r der Männer? w o hausest d u ? w o die Erzeuger? W e l c h ein Schiff, das im Meere dich t r u g ? w i e brachten die Schiffer Dich gen Ithaka h e r ? " —

Ich offenbarte ihnen ohne Rückhalt alles was sie zu wissen verlangten, und hatte ich anfangs gefürchtet, dafs doch vielleicht ihre gute Laune durch meine nor-

13 dische Abkunft und was daran h ä n g t , verloren gehen könnte, so wurde gerade diese Entdeckung ein neues Band der Zutraulichkeit zwischen ihnen und mir.

Hiezu

trug freilich zuerst ein kleines Mifsverständnifs bei, indem sie aus einer Verwechselung der Prussia und Russia, die beim italienischen Volke nicht selten vorkömmt, sich zu dem Schlüsse berechtigt hielten, mich fiir ihren allerengsten Glaubensgenossen zu halten. Da aber durch den Cancelliere Archivario del Commune, Herrn Demetrio,

der ohne Zweifel der

neuen Freunden w a r ,

gelehrteste unter meinen

diese dunkeln Landesverhältnisse

zur Belehrung der Uebrigen, so wie zu seiner eigenen, grofsen Satisfaction bald in das rechte Licht gestellt worden w a r e n , so mufste sich eine Verwandtschaft und Sympathie zwischen uns auf einem anderen Wege herausstellen, und zwar nicht nur dadurch, dafs sie gar wohl wufsten, dafs eine preufsische Königstochter jetzt auf dem russischen Kaiserthrone ihre griechische Kirche ehre und schmücke, sondern auch, und dieses Zweite that auch meinem Herzen wohl, weil der Ruhm von den Tugenden Friedrich Wilhelm des Dritten auch in dieses stille Thal gedrungen war. Kurz, unser Vernehmen war das heiterste und beste, und ich hatte meine grofse Freude an diesen einfachen natürlichen Menschen, aus deren Gesprächen oft ein eigentümliches Nationalgefiihl durchblickte, das auf einer genauen Kenntnifs ihrer Vorzeit beruhte.

Aber ich sollte auch noch auf eine ganz

besondere Weise erfahren, wieviel sie für einen Fremden zu thun im Stande wären, der aus keinem andern

14 Grunde hierher gekommen w a r , als um sie und ihre Einrichtungen kennen zu lernen. Sie äufserten mir nämlich, dafs ich heute gerade zur guten Stunde hier sei; denn ich könnte, nachdem ich schon ihrem öffentlichen Gottesdienste beigewohnt, heute Abend auch etwas noch eigenthüinlicheres von ihren Gebräuchen sehen, nämlich eine Hochzeitfeier, und da ich ihnen mein Bedauern ausdrückte, dies nicht abwarten zu können, indem ich spätestens tun 5 Uhr meinen Riiokweg nach Palermo antreten müfste, so war man rasch und einstimmig der Ansicht, die Trauung müsse dann statt Abends 6 Uhr, schon um 3 oder 4 Uhr vor sich gehen.

Sogleich übernahm es auch Einer aus der Ge-

sellschaft zu den Brautleuten, die er genau kannte, zu gehen und ihnen die Nothwendigkeit dieser Beschleunigung der Hochzeit vorzustellen; ein Anderer wollte den Presbyter davon in Kenntnifs setzen. Meine Einsprache gegen solche Störungen einer einmal getroffenen Anordnung wurde nicht beachtet; der Bräutigam, so hiefs es, ein junger Gärtner, werde es sich f ü r eine Ehre schätzen, einen von so weit hergekommenen Forastiere unvermuthet zum Padrino, Trauzeugen, zu erhalten, und der Geistliche sei ein gar gefälliger Mann, der zu leben wisse; kurz ich mufste alles geschehen lassen, und liefs es am Ende gern geschehen. Aber auch die Zeit bis zu dieser kirchlichen Handlung sollte von mir unter der Anleitung meiner neuen Freunde möglichst benutzt werden.

Zu diesem Zweck

bot der schon genannte Cancelliere Archivario del Com-

15 mune sich mir zur Gesellschaft ftlr die nächsten Stunden an; und in der That bemühte sich dieser vortreffliche Mann auf das Uneigennützigste, mich mit den Merkwürdigkeiten seines Städtchens, so wie mit den Schicksalen der Kolonie, der er angehörte, bekannt zu machen. Ich lernte in ihm selbst einen Alhaneser kennen, der von der Geschichte und den Verhältnissen seines Volks sowohl in Griechenland als in Italien gut unterrichtet war, und den die verschwundene Selbstständigkeit und Nationalität der Epiroten tief schmerzte. Ich erfuhr von ihm, dafs jetzt ungefähr noch dreiviertel der ganzen Bevölkerung von Piana de' Greci, gegen 4000 Männer und Weiber, Albaneser und Abkömmlinge jener Auswanderer seien, die nach dem Tode ihres Fürsten Georg Castriota, und nach dem gänzlichen Sturz seines Reiches an den Küsten von Italien und Sicilien eine neue Heimath gesucht und gefunden hätten. Aber Piana de' Greci ist in Sicilien weder die einzige noch die gröfste dieser griechischen Kolonien; es sind deren im Ganzen vier, lind alle in dem Valle di Palermo und auf dem schon erwähnten Bergzuge der Insel oder am Fufse derselben gelegen. Palazzo, di Adriano ist die gröfste und südlichste von allen und zählt mehr als 8000 Einwohner, doch leben dort jetzt auch eine Anzahl sicilianischer Abendländer mit einer Kirche nach römischem Kultus; Mezzojuso hat noch 3000 Albanesen und ein Kloster mit Mönchen nach der Regel des h. Basilius; endlich Contessa, die kleinste der Kolonien mit 2300 Einwohnern, hat eine griechische und zwei römisch-

16 katholische Kirchen.

Rechnet man die heut zu Tage

mit den Albanesern vermischten Sicilianer ab, so mögen in diesen vier Kolonien noch 15000 Alhaneser leben. Zu diesen Ansiedelungen kommt aber aueli noch eine gröfsere Anzahl in Calabrien.

Ihre Sprache, ein halb

griechisches, halb slavisches Idiom, ist keineswegs unter ihnen ausgestorben; sie bewahren sie als eine der wenigen Trümmer ihrer früheren Selbstständigkeit und reden sie unter sich und singen darin zur Zither und Mandoline ihre Lieder, jedoch nicht ohne Beimischung vieler italienischer Wörter.

Da sie sehr darauf halten, sich

nur untereinander zu verheirathen, wozu die Verschiedenheit ihrer Religionsübung und eine gewisse Rivalität zwischen den beiden Kirchen viel „beiträgt, so wird dadurch ihre Sprache noch mehr unter ihnen und besonders unter den Frauen gepflegt. Die Kürze meines Aufenthalts gestattete mir nicht, von der gegenwärtigen. Literatur und Poesie dieser sicilianischen Albaneser an Ort und Stelle irgendwie Kenntnifs zu nehmen.

Doch will ich hier drei kleine Ge-

dichte *) einschalten, die mir später aus den griechischen Kolonien Siciliens zugekommen sind und die mir des Aufbewahrens nicht unwerth scheinen: 1. Gedanken in die Ferne. Sonne, die du die ganze Welt durchziehest, V o m Aufgang bis zum Niedergang voll Pracht: Wenn du den Liebsten meines Herzens siehest, S o grüfs ihn m i r , und sieh, ob er dir lacht.

17 Und wenn's geschähe, dafs er nach mir f r a g t e , So sag i h m , dafs ich viele Schmerzen l e i d e , Und wenn's geschähe, dafs er dich nicht f r a g t e , I s t mir's ein T r o s t , dafs wir nicht leiden beide.

2.

A n die untreue Geliebte.

Das wüfst' ich d o c h , dafs d u mich liebst im H i r z e n ? T r e u l o s e , n e i n , ich glaube dir nicht w i e d e r ; Mit Andern spielst u n d lachst du u n t e r Scherzen, Mich aber hältst du h a r t , tyrannisch nieder. Ich wäre d a , w o du b i s t , gern geblieben, Doch stolz u n d trotzig sind dir die Gedanken; • 0 , dafs du dich n u r stelltest mich zu lieben, Der T a g u n d Nacht dein denket ohne W a n k e n !

3.

Die sterbende Mutter an ihren S o h n .

Mein S o h n , wenn nun das H e r z dir will v e r z a g e n , W e i l du das Kreuz vor mir voran siehst g e h e n , Und sie mich f o r t nach Sankt Marien t r a g e n , Ins Grab, w o ich mufs die V e r w e s u n g sehen, W e n n sie mit Schlüsseln dann die G r u f t verschliefsen, Aus der ich nimmer kehren k a n n , dich s e h e n d , Dann mögst du mir zu Lieb mein Grab begiefsen Mit heiigem W a s s e r , kommend oft u n d gehend.

U e b r i g e n s gehören die sicilischen Albaneser der unirten griechischen Kirche a n , da s i c h s c h o n ihre Vorfahren seit der T r e n n u n g der beiden alten Kirchen i m n e u n t e n Jahrhundert und

d e m r ö m i s c h e n Stuhle z u g e w e n d e t

dieser U m s t a n d

erleichterte in

des f ü n f z e h n t e n Jahrhunderts

haben;

der z w e i t e n Hälfte

i n Calabrien und auf der 2

18 Insel ihre Ansiedelung, die durch mancherlei politische Conjuncturen herbeigeführt wurde. Das griechische Kaiserthum war nach immer ohnmächtigeren Versuchen eines Widerstandes endlich den mit religiösem Fanatismus und wilder Eroberungssucht andringenden Osmanen erlegen, und Constantinopel im Jahre 1453 mit. Sturm genommen worden.

Aber die

kriegerischen und freiheitliebenden Albaneser und Epiroten setzten unter der Anführung ihres kühnen und tapferen Fürsten Georg Castriota, genannt Skanderbeg, in dem von natürlichen Bollwerken geschützten Küstenlande noch einen langjährigen glücklichen Kampf fuf ihre Nationalität und ihren Glauben f o r t , wobei sie von dem König Alfons I von Neapel unterstützt wurden. Skanderbeg's

Schwert

erschreckte nicht nur

Muham-

med II in seiner neuen Hauptstadt; es erwarb jenem Helden auch im ganzen Abendlande einen hohen Ruhm und er wurde vom Papste und allen italienischen Fürsten als die stärkste Vormauer gegen die anstürmenden Ungläubigen betrachtet. Der heilige Vater Pius II wandte sich sogar mit der Bitte an i h n , er möge dem König Ferdinand I von Neapel, seinem Alliirten, der von seinen aufrührerischen Baronen und dem Kronprätendenten Prinzen Johann von Anjou hart bedrängt wurde, mit einer Kriegsmacht beistehen.

Skanderbeg, der jetzt

dem Sohne die wesentlichen Dienste, die der Vater ihm zuvor geleistet, wieder vergelten konnte, erschien 1459 ungesäumt mit einem Heere von achttausend Albanesern bei Barletta an der apulischen Küste und entschied bald

19 darauf 1 4 6 0

das Schicksal Italiens

durch die Schlacht

bei Troja in der Provinz Capitanata, nach welcher der Prinz von Anjou seine Ansprüche auf Neapel aufgab und sich nach Frankreich zurückzog.

Ferdinand von

Neapel belehnte j e t z t aus Dankbarkeit den Fürsten von Albanien mit verschiedenen Städten seines Königreichs, mit Trani, Manfredonia, San Giovanni Rotondo, Atripalda bei Avellino u. A . , und so war zwischen dem neapolitanischen und albanesischen Hofe ein Band geknüpft, welches in der Folge für die Albaneser wichtig und heilbringend werden sollte. Denn nachdem im Jahre 1 4 6 6 ihr von

den Türken unüberwundener Anführer

endlich doch einen Stärkeren über sich, den T o d , als Sieger hatte anerkennen müssen, da war auch die beste Stütze der freien Albaneser und Epiroten

gebrochen;

die festen Plätze des Landes gingen allmälig verloren und j e mehr ihr bisheriger Widerstand die Türken erbittert hatte, um so entsetzlicher waren die Verwüstungen und Mifshandlungen, die jetzt das besiegte Land und Volk erdulden mufste.

Daher sähe man von dieser Zeit

an viele Flüchtlinge aus Albanien und Epirus an allen Küsten Italiens landen, um den türkischen Sklavenketten zu entgehen und ein neues Vaterland zu suchen a ). Vornehmlich aber fanden sie bei Skanderbeg's altem Freunde, dem Könige von Neapel Ferdinand I , willige Aufnahme und so entstanden zuerst die vielen albanesischen Ansiedelungen in Calabrien 3 ). Selbst Skanderbeg's noch unmündiger Sohn, welchen der sterbende Vater dem Schutze der Republik Venedig

20 empfohlen hatte, flüchtete nach Neapel und wurde vom Könige würdig aufgenommen. Calabrien aber wählten die ersten Albaneser auch deshalb gern zu ihrem neuen Wohnsitze, weil sie sich dort den Schutz der Irene Castriota, einer Verwandten Skanderbeg's, versprachen, die an den Prinzen von Bisignano, San Severine, vermählt war. Nachdem aber endlich auch das letzte Bollwerk von Epirus, die feste Stadt Kroja, in welche sich die tapfersten des Volkes geworfen hatten, im J. 1478 gefallen war, da erschienen auch die ersten albanesischen Flüchtlinge in Sicilien. Ein altes noch vorhandenes Dokument, welches sich darauf bezieht, ertheilt einigen edlen Häuptlingen, deren Namen auch in der Geschichte des thatenreichen Lebens Skanderbeg's neben dem seinigen oft genannt werden, die Erlaubnifs, sich in Sicilien auf dem Gebirge anzusiedeln und gewährt ihnen dazu Abgabenfreiheit. Dies Dokument kann nicht später abgefafst sein als im Jahre 1479, welches das Todesjahr des Königs Johann I von Sicilien ist, unter dessen Regierung es gegeben worden. Da aber die zweite und bedeutendste Albaneserkolonie in Sicilien Palazzo Adriano nach einem gleichfalls noch vorhandenen Dokumente erst 1482 gegründet worden ist, so mag jenes mit den Namen von Skanderbeg's Anverwandten und Hauptleuten wohl die Gründung unseres Piana de' Greci betreffen, besonders da man weifs, dafs der damalige Erzbischof von Monreale, zu dessen Ländereien die Gegend von Piana gehörte, der erste war, welcher flüchtige Griechen in den Bereich seiner Diöcese aufnahm 4 ).

21 Jener Freibrief Johanns des Ersten zu Gunsten der auf Sicilien gelandeten Albaneserhäuptlinge lautet,

so

weit er mir bekannt i s t 5 ) , verdeutscht also: »Wir Johann von Gottes Gnaden König von Aragonien, Sicilien, Jerusalem, Valentia u. s. w.

Durch ein Schreiben des er-

lauchten Königs von Neapel, Ferdinand, unseres Neffen, sind uns empfohlen worden Petrus Emmanuel de Pravatä, Zacharias Kroppa, Petrus Cuccia und Paulus Manisi, edle Albaneser oder Epiroten und tapfere Hauptleute gegen die Türken des sehr berühmten und unbesiegten Feldherrn Georg Castriota Skanderbeg, Fürsten von Albanien und Epirus, und desselben Blutsfreunde und andere edle Albaneser, welche nach unserem Königreiche Sicilien herüberkommend mit einigen Landbebauern hier zu wohnen wünschen.

Daher im Vertrauen auf

ihren katholischen Glauben, Rechtschaffenheit, Billigkeit, Klugheit und Tüchtigkeit, so wie in Rücksicht ihrer Armuth und traurigen Lage, da sie all ihr Hab und Gut in der Gewalt der schändlichsten Türken zurückliefsen, beschliefsen wir

und bekräftigen es mit dem

Willen unseres königlichen Entschlusses und befreien alle edle Albaneser u. s. w. von allen Abgaben u. s. w.» Auch liier in Sicilien erhielten die Ankömmlinge, deren Sprache, Sitte und Kirchengebräuche sie von den Bewohnern des Landes trennte, eigene und noch ganz, unbewohnte Landstriche. Erst in späterer Zeit haben sich Sicilianer neben ihnen angekauft und angebaut.

Ihre

kirchlichen Angelegenheiten ordneten sie nach vaterländischer Weise. In dem anderen Dokumente vom 18. März

22 1482,

durch welches

die Gegend,

auf welcher

jetzt

Palazzo Adriano — damals nur ein einzelnes Kastell — steht, von dem früheren sicilianischen Lehnsträger Giovanni Villaraut auf die neue alhanesische Kolonie und ihren Vorsteher Giorgio Mirspi überging, wird ausdrücklich die Genehmigung des früheren Besitzers zur Errichtung einer griechischen Kirche ausgesprochen 6 ).

Haupt-

bedingung bei ihrer Aufnahme in das römisch-katholische Land war f ü r die Albaneser in Sicilien wie in Calabrien, dafs sie die Autorität des Papstes anerkenneten; indessen war dies für sie keine Neuerung,

da,

wie schon bemerkt, ihre Vorfahren, als im neunten Jahrhundert

das Schisma

zwischen der griechischen und

römischen Kirche eintrat, sich schon mit der römischen Kirche unirten.

Uebrigens haben in den vier Colonien

Siciliens bisher die albanesischen Kirchen vor den später dort errichteten lateinischen immer einen gewissen Vorrang behauptet, wiewohl unter manchen Kämpfen gegen die herrschsüchtigen römisch-katholischen Priester besonders in Palazzo Adriano, und die Regierung hat die Albaneser dabei stets in Schutz genommen. Noch ist in den vier sicilischen Colonien die griechische Kirche die Mutterkirche, Matrice oderMatricresia, die lateinischen Gemeinden bilden nur daneben eine Parocchia. Da aber die albanesischen Ansiedelungen allmäblig durch Mangel an tüchtigen Geistlichen in tiefen Verfall geriethen, so war es ein Verdienst

der neapolitanischen Regierung,

dafs sie, freilich erst spät unter Carl III, an geeignete Mittel dachte, um junge Albaneser zu Geistlichen aus-

23 zubilden.

Daher wurde für Calabrien ein griechisches

Bisthum und Seminar init Lehrern auf königliche Kosten in San Benedetto Ullano, so wie für Sicilien das Seminar zu Palermo gestiftet.

Das erstere soll nicht viel

geleistet haben, weshalb auch in Calabrien viele Albaneser Kirchen eingingen und fast überall der lateinische Cultus eingeführt worden ist. Ein gröfserer Eifer für die alte vaterländische Kirche wird in Sicilien durch das griechisch - albanesische Seminar in Palermo unterhalten, wozu unter der Regierung Ferdinand I noch ein eigenes Bisthum gekommen ist 7 ).

Der jetzige Rektor Giuseppe Crispi ist ein für

sein Volk begeisterter

Mann,

wovon mehrere kleine

Schriften zu Gunsten der albanesischen Kirche und über die albanesische Sprache Zeugnifs ablegen 8 ); in diesem Seminar wird auch griechische Profan- und Kirchenliteratur neben der Theologie gelehrt. Nach dieser geschichtlichen Abschweifung, deren Inhalt ich grofsentheils meinen zuvorkommenden Albaneser Freunden in Piana verdanke, kehre ich zur Geschichte jenes Tages in ihrem Städtchen zurück.

Herr Demetrio,

der Cancelliere, begleitete mich, da ich Vormittags schon die Hauptkirche San Demetrio Tessalonicense gesehen hatte, in die zweite albanesische Pfarrkirche S. Giorgio di Cappadocia. Mein Führer gestand mir seine Vorliebe für diese Kirche ihres Namens wegen, welcher ihm, wie er mir sagte, doppelt heilig sei, einmal wegen jenes Glaubensmärtyrers aus Cappadocien, des Lindwurmbesiegers, wobei er ein frommes Kreuz über sich und mich

24 schlug, aber auch deshalb, weil ihn dieser Name jedesmal an ihren tapfern Ahnherrn Giorgio Castriota erinnere, der in seinem langen Kampfe gegen die Türken es wohl mit mehr als hunderttausend Drachen und Lindwürmern zu thun gehabt, und stets ihr Sieger geblieben wäre. Die Kirche enthielt übrigens nichts besonders merkwürdiges, als etwa ein altes Epistolarium auf Pergament, vielleicht aus dem vierzehnten Jahrhundert; endlich besuchten wir auch noch die dritte albanesische Kirche S. Maria mit einem Kloster der Basiiidianerinnen. Bekanntlich folgen alle griechischen Mönche und Nonnen der Regel des heil. Basilius. Die Klosterfrauen widmen sich hier neben ihren kirchlichen Uebungen zugleich dem Unterrichte junger Mädchen, und der Ordenseinflufs ist weniger schädlich als in der römischen Kirche, da die griechische Novize nicht vor dem fünfzigsten Jahre ihr bindendes KlostergelUbde ablegen darf. Gern hätte ich auch einen der griechischen Geistlichen genauer kennen gelernt, und deren häusliches und Familienleben gesehen, da bekanntlich die eigentlichen Priester oder Pfarrgeistlichen der griechischen Kirche verehelicht sein müssen; aber mein Gastfreund schien eben nicht aufgelegt, dies vermitteln zu wollen; es kam mir vor, als sei es dem regsamen, lebendigen Manne eine besondere Freude, dafs ich in seinem Städtchen ihm allein alles verdanken und ihn allein hören sollte, auch war die Zeit schon zu kurz dazu. Ich vernahm daher nur durch ihn, dafs der Arcipreste der Hauptkirche Don Giorgio Matranga, der ein gelehrter

25 und allgemein geachteter Mann gewesen , vor elf Monaten gestorben, und ein neuer noch nicht gewählt sei. Aber neben den drei jetzt lebenden Presbytern der drei Kirchen befanden sich im Orte noch gegen zwanzig andere Geistliche, die Diakonen und Vorleser mit eingerechnet. Nachdem mein gütiger Freund mich auch in seine Wohnung geführt, und mir dort unter anderm eine kleine eigne Arbeit im Manuscript über die Verhältnisse der Colonie gezeigt hatte, die er später drucken lassen wollte, war die Stunde herbei gekommen, zu welcher wir uns in der Kirche einzufinden hatten, um dem Trauacte beizuwohnen.- Wir fanden dort unsre andern Freunde, die ich vorher kennen gelernt hatte, und den Presbyter bereits versammelt. Letzterer war ein Mann von einigen sechzig Jahren, eine hohe schöne Gestalt mit weifsem Barte und langem herabwallenden Haupthaar. Er begrtifste mich auf eine einfache aber herzliche Weise, und hatte in seiner ganzen Haltung etwas sehr wohlanständiges und würdiges. Wir hatten nicht lange zu warten, bis uns durch eine von fern her tönende Musik das Herannahen des Brautzuges verkündigt wurde, der sich bald vor unsern Augen auf eigenthümliche Weise entfaltete. Wir waren auf die oberen Stufen vor der etwas höher gelegenen Kirche getreten und konnten den Zug schon die ganze Strafse herauf kommen sehen, der unter fortwährender Instrumentalmusik mit ziemlich raschen Schritten sich uns näherte und an uns vorüber in die Kirche eintrat.

26 Das voranschreitende Musikchor bestand aus sechs Geigenspielern und einigen Clarinettenbläsern, deren jnun r tere Töne in dem Kirchenraume einen mehr seltsamen als angenehmen Eindruck machten.

Unmittelbar hinter

den Musikanten ging der Bräutigam an der Seite seiner Braut und seine jugendlich kräftige Gestalt und sein draller Gang standen in dem sonderbarsten Contraste mit seiner Kleidung, die in einem hellblau seidnen altfränkisch zugeschnittenen von

derselben Farbe

bestand.

Frack, kurzen

Beinkleidern

und weifsen seidnen Strümpfen

Ich hätte ihn lieber im kurzen griechischen

W a m s und faltigen Unterkleidern gesehen als in diesem Roccoccoanzuge.

Da aber die albanesischen Männer in

Sicilien nichts mehr von ihrer schönen Nationaltracht beibehalten haben, und wie die übrigen Bewohner Siciliens unsre gewöhnliche ganz charakterlose, französische Kleidung tragen, so erklärte ich mir jenen seltsamen Anzug aus der Armuth des Bräutigams, welcher diese altfränkische Gallagarderobe entweder geliehen oder als ein Familienerbstück des vorigen Jahrhunderts aufbewahrt

haben mochte.

Die Braut

schmack in ihrem Anzüge;

verrieth mehr Ge-

der weibliche Theil

der

albanesischen Bevölkerung von Piana h a t , wie in der Sprache so auch

in

der Kleidung,

das Altnationale

vielleicht mehr aus ästhetischem als patriotischem Gefühle treuer aufbewahrt, denn die albanesische Tracht der Frauen ist schön und reich.

Die langen faltigen

Gewänder sind oft mit zwei, drei reichen Silber- oder Goldborten besetzt.

Den Gürtel schmückt ein grofses

27 Medaillon von getriebener Metallarbeit; um den Hals liegen viele Korallen- oder Perlenschnüre, und von der Meinen helmartigen Mütze hängen über den ganzen Rücken lange buntfarbige Tücher herab. Auf solche Weise war auch die Braut, wenn schon nicht kostbar, gekleidet, nur dafs sie über ihrem lang herabflatternden, ungefloehtenen Haar einen Schleier trug. Dem Brautpaare folgten der Bräutigamsführer und die Brautführerin, die Paranymphioi, und die übrigen geladenen Gäste und Freunde. Mit raschen Schritten, wie im Tempo einer Polonaise, ging der ganze Zug durch das Schiff der Kirche um den Ambon herum bis in die Nähe der Bilderwand, aus deren mittlerer Thüre jetzt der Presbyter in buntem Mefsornate dem Brautpaar entgegentrat. Ein Diakonus folgte ihm mit einer Menge brennender Kerzen. Der Priester reichte die erste Kerze mit dreimal wiederholtem Kreuzeszeichen dem Bräutigam dar: die zweite empfing auf ähnliche Weise die Braut, die übrigen vertheilte der Diakonus unter sämmtliche anwesende Trauzeugen, die sich jetzt in einem Halbkreise um das Brautpaar stellten. Nun begann die kirchliche Handlung. Der Presbyter las ein Gebet, in welchem der göttliche Segen auf das Paar herabgerufen wurde; hierauf empfing er auf einem Tellerchen, welches der Diakonus aus dem Heiligthume herausbrachte, zwei Ringe, einen goldenen und einen silbernen. Mit dem goldenen bekreuzte er zuvor den Bräutigam und übergab ihn dann demselben so wie der Braut den silbernen, indem er ihnen dabei das Sinnbildliche der

28 Ringe also deutete, dafs der Gatte gleich dem reinen Glänze der Sonne der Führer und Erhalter seiner Gattin, sie aber, welche von ihm Glanz und Ehre empfange gleich dem sanften Mondenlichte, die treue BegleiteTin des Gatten sein müsse. Zum Zeichen, dafs beide dies gegenseitig sich sein wollten, vertauschten sie nun die Ringe, und der Priester sprach dabei die feierliche Verlobung des Paares aus, indem er durch biblische Beispiele noch daran erinnerte, wie der Ring ein Zeichen der Macht, der Ehre und der Liebe sei; denn durch den Ring habe Joseph vom Pharao in Egypten eine Macht überkommen, Daniel in Babylon sei durch einen solchen Ring von Cyrus geehrt worden, und der Vater habe einst durch einen Fingerreif dem zurückgekehrten, verloren gewesenen Sohne seine Liebe bezeugt. Auf diesen ersten Act der feierlichen Verlobung folgte ein festlicher Umzug durch die ganze Kirche; der Presbyter mit einem Wohlgeruch verbreitenden Rauchfafs an der Spitze, dann der Bräutigam und die Braut mit den brennenden Kerzen und hinter diesen ebenso die ganze übrige Gesellschaft. Ein feierlicher, in der That ergreifender Moment, besonders durch den Gesang des 128sten Psalms, welcher die schöne einfache Schilderung eines heiligen, gottgefälligen Lebens in fromm geführter Ehe und ihres Segens "enthält. Eben dasselbe sollte auch durch diesen Umzug in der Kirche bildlich dargestellt werden: ein gemeinschaftlicher Wandel vor Gott und ein Preis- und Dankopfer dem Herrn. Nachdem der Zug hierauf wieder mitten in der Kirche an-

29 gehalten hatte, erfolgte durch den Presbyter nach kurzer Erinnerung an die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Ehe, die eigentliche Verpflichtung durch die gebräuchlichen Fragen, ob ihr Entschlufs freiwillig und fest sei u. s. w. und die Beantwortung derselben durch Bräutigam und Braut. Dann die priesterliche Einsegnung, an welche längere Gebete sich anreihten, die den Segen frommer Ehen des alten und neuen Bundes, des Abraham und der Sara, des Zacharias und der Elisabeth, auch für dieses neue Paar erfleheten. Hiermit war eigentlich die Trauhandlung geschlossen; aber es folgten nun noch zwei symbolische Handlungen cigenthümlicher Art, die Krönung und der gemeinschaftliche Genufs von Speise und Trank. Die Krönung, das Stephanoma, entspricht gewissermaßen unserer Sitte des Brautkranzes, stellt aber die Bedeutung desselben nur noch deutlicher heraus; der Geistliche setzt nämlich unter mehrmals wiederholtem Kreuzeszeichen zuerst dem Bräutigam und dann der Braut einen Kranz selbst auf, welcher ursprünglich ein frischer Lorbeerkranz gewesen sein soll; statt dessen werden jetzt in den Kirchen zwei besondere, hier in Piana ziemlich geschmacklose Kronen, die aus allerlei bunten, zusammengewundenen Tüchern und Bändern bestanden, für diese Ceremonie aufbewahrt; in reichen Gemeinden sind sie von Gold und Silber, so dafs sie daher auch oft, als zu schwer um lange Zeit auf dem Kopfe getragen zu werden, von den Brautführern dem Bräutigam und der Braut nur über den Kopf gehalten werden. Der Sinn dieser Krö-

30 nung ist die Anerkennung ihres bisherigen untadeligen Lebens und in dem dabei gesprochenen Gebete liegt zugleich die Bitte, dafs Gott das Ehepaar auch ferner mit Gnade und Ehre krönen möge. Die zweite symbolische Handlung bestand darin, dafs der Diakonus einen mit Wein angefüllten gläsernen Becher und eine Anzahl kleiner Bretzeln herbeibrachte und der Presbyter den Becher dem Bräutigam und der Braut zum Austrinken darreichte.

Als dies geschehen, warf

er den Becher über die Bilderwand hinweg in die dahinter befindliche Sakristei, wo man ihn zur Erde fallen und zerbrechen hörte. Das darauf in Stücke gebrochene Backwerk vertheilte nun der Presbyter unter Braut und Bräutigam und sämmtliche anwesende Zeugen. Die Bedeutung dieser Ceremonien ist,

das Ehepaar soll nun

den Kelch der Freuden und Leiden

gemeinschaftlich

trinken und gleichwie jener ihre Gemeinschaft bezeichnende Becher von keinem anderen je wieder zu einem profanen Gebrauche entweiht werden soll, so soll auch die heilige Gemeinschaft beider durch nichts dazwischentretendes getrübt oder entheiliget werden; das von Allen genossene Backwerk aber soll ein Zeichen sein, dafs zwischen Allen denen, die der Verbindung zweier Menschen zu einem heiligen unauflöslichen Bunde als Zeugen nahe gestanden hatten, auch allezeit eine herzliche Theilnahme fiir jenes Paar und unter einander bestehen soll. Dann verband der Priester die Hände der Geehelichten über seinem Epitrachelion, ähnlich wie es in der römischen Kirche über der Stola geschieht, und führte sie

31 dreimal um das Lesepult herum, auf welchem das HochZeitevangelium noch aufgeschlagen lag. Nach dem letzten Segenswunsche endlich forderte der Priester das Paar auf, sich das Gelübde des Kusses zu geben, worauf Beide dem Presbyter ehrbar die Hand küfsten, und nun durften auch wir Uebrige dem eingesegneten Paare unsere Glückwünsche aussprechen. Zuletzt wurden wir noch Alle von dem Geistlichen in eine der Sakristeien geladen, wo der Trauact in das Kirchenbuch eingetragen und von dem Paare sowie von sämmtlichen Zeugen unterschrieben werden mufste. Und so wurde denn an jenem Tage auch einem deutschen Namen die gewifs seltne Ehre zu Theil, in dem Kirchenbuche von Piana de' Greci einen Platz zu linden. Die rganze Handlung hatte wohl zwei Stunden gedauert. Meine Zeit war mir nur noch karg zugemessen, wenn ich zur verabredeten Stunde bei meinen Freuuden in Palermo sein wollte. Ich mufste daher die Einladung der jungen Eheleute, sie nun mit den übrigen Trauzeugen in ihre Wohnung zu begleiten und an ihrem häuslichen Feste Theil zu nehmen, ablehnen. Doch konnte ich mir nicht versagen, das freundliche Paar, welches, wie ich von meinem Cancelliere erkundet hatte, nicht zu den Wohlhabenden des Ortes gehörte, indem ich es bei Seite zog, zu bitten, von ihrem Padrino, der sie doch wohl so bald nicht wieder sehen würde, ein kleines Geschenk zum Andenken anzunehmen, und meine Bitte wurde mir von ihnen auf eine kindlich gutmüthige Weise mit heiteren Mienen gewährt. Jetzt erhob sich wieder die Musik,

32 die seit dem Einzug in die Kirche geschwiegen hatte, und die ganze Gesellschaft hielt noch einmal in jenem heiteren Geschwindschritt, init welchem sie die Kirche betreten h a t t e , unter schallenden Tönen ihrer Pfeifen und Geigen

einen Umzug,

und dann sähe ich ihnen

von den Stufen der Kirche noch lange n a c h , bis sie dem Auge verschwanden. Ich verabschiedete mich jetzt auch von dem Presbyter und wollte hier zugleich mit herzlichem Danke von meinem trefflichen Don Demetrio, der noch allein zurückgeblieben w a r , scheiden; aber dies gab er nicht zu,

sondern

Wirthshause.

begleitete Und

mich

noch

bis

zu

meinem

als nun der Abschied herbeikam,

wurde er fast feierlich, und

erklärte,

er müsse mir

noch ein Zeichen der Erinnerung und zugleich seiner Freude geben, die ich ihm dadurch bereitet, dafs er mir das halb verwischte Bild seines griechischen Lebens habe zeigen künnen,

wofür ich so viele Theilnahine

bewiesen, wie er sie noch bei keinem Fremden gefunden habe, und dabei nöthigte er mir eins jener kleinen, alterthümlich gehaltenen Marienbildchen auf, deren Typus die geweiheten Bilder waren, die ich mit ihm in seiner Kirche betrachtet hatte. Mein kleiner Palermitaner harrte schon mit Sehnsucht auf mich, da die zur Abreise festgesetzte Stunde längst vorüber w a r ; bald hatten wir Piana im Rücken; die Einsamkeit der Gegend und die Stille des Abends gestattete mir noch einmal, die Bilder des vergangenen Tages ruhig und klar an mir vorübergehn zu lassen.

33 Es läfst sich nicht verhehlen, dafs die Kirche dieser Albaneser nicht der kräftige Hebel ist, der sie für ihr geistiges und sittliches Leben sein sollte. Die ganze griechische Kirche liegt in grofser Erstarrung und wirkt wenig auf das Leben ihrer Bekenner. Die Kirchensprache, die altgriechische, ist den Albanesern wenig verständlich, und eine Menge schöner Symbole ihres Cultus, die, wenn sie dem Volke richtig gedeutet würden, nicht ohne Einflufs auf ihr Gemtith bleiben müfsten, sind zu unverstandenen äufseren Formen geworden; die Geistlichkeit bringt wenig belebende Bildung aus dem Seminar von Palermo mit; Predigt und Schulunterricht schleppt sich träge in alten Formen fort, und andere kirchliche Institute namentlich der Beichtstuhl scheinen nach einigen Aeufserungen, die ich vernahm, das Gewissen des Volks mehr einzuschläfern als zu wecken. Um so rührender erschien mir die Anhänglichkeit des Volks an seine alte, vaterländische Kirche. Am erfreulichsten waren mir jedoch so manche Züge eines regen, kräftigen Geistes gewesen, die ich hier wahrnehmen konnte. Diese Albaneser schienen doch nicht ganz unwürdige Söhne jener Helden sein zu wollen, die Muhammed II. noch in seiner Kaiserburg zu Byzanz hatten erzittern lassen. Als Flüchtlinge hatten sie freilich das Schwert in Karst und Beil verwandeln müssen, um mit kräftiger Hand und ausdauerndem Fleifse öde Steppen urbar und Bergschluchten wohnlich zu machen. Um dieser Tugenden des Fleifses und der Ausdauer willen, die ihnen noch jetzt ein Jeder nachrühmt, sei es ihnen 3

34 erlaubt, mit Stolz auf jene verschwundene Heldenzeit ihrer Väter hinzublicken; der Albaneser in Sicilien gilt noch jetzt'als ein besonders arbeitsamer, zuverlässiger und treuer Mann. Und daneben hatte ich ja auf eine unerwartete Weise jene liebenswürdige Zuvorkommenheit und uneigennützige Gastfreundschaft unter ihnen erfahren, die dem Reisenden in Italien vom Lago di Como an bis an die Spitze Calabriens und bis zum Capo Passaro so oft begegnet. Darum als ich nun wieder auf der Wetterscheide des Gebirges stand, warf ich noch einmal einen dankbaren Blick zurück auf den stillen, in tiefer Ahenddämmerung liegenden Ort, und war endlich bei sinkender Nacht wieder in der Ebene am Meer und in Palermo.

Anmerkungen.

1. (S. 16.) 1. Hilio, pu olo to cosmo parpati, F u andò levanti sto ponenti pai: Echino pu ego gapao essu t u dhori Chere ta mu to che vrè a su ghelai. Che a succedessi pu na s' arotissi, Fè t u ti pateghuo podda guai, Che a succedessi na mi s' arotissi, Consolamento na mi echi mai.

2. T o pseco certa, tie su me gapai? Non ti criju no no perfidi mia; Met' us addu pezi che ghelai E d a mia mi mustri tanta tirannia. I dhela na rto meti s u echi pu pai L ' ostinati penseri so cu tia; Ch' amenu finta, tie su me gapai, Che notte e j u r n u sempre peno a tia!

36 3. Gapsella ce, a su pone i cardia, T h o r o n d a to stauro ti ambro mu pai, Piri mi dhelu sti santa Maria Sti sepurtura pu me recopai, Ecchi me clivu ma podda clidia, Gccbi te ossu dhae na eghvenno mai, E su pu pai che erches spitia Ripsemu aghio nero, a me gapai. 2.

( S . 19.)

Die grofsen Drangsale der Albaneser in

ihren letzten Kämpfen u n d auf der F l u c h t werden von gleichzeitigen Schriftstellern mehrfach geschildert. Namentlich finden sich in verschiedenen päpstlichen Bullen Klagen darüber. Vergl. auch J o s . v. H a m m e r

Geschichte des Osmanischen

Reichs, P e s t h 1827 ff. Bd. 1 und 2. 3. (S. 19.)

Bis zum J a h r e 1 5 3 2 gab es m e h r als hun-

dert albanesische Ortschaften in Kalabrien.

Ueber

die Zahl

der damaligen Flüchtlinge scheinen keine bestimmten Nachrichten vorhanden vorigen

zu sein.

Jahrhunderts

giebt

In

den siebziger J a h r e n

Swinburne,

Reisen

des

durch

beide Sicilien, übersetzt von J . R. F o r s t e r , H a m b u r g 1785. Bd. I. S. 437 ff., die albanesische Bevölkerung auf wenigstens 100,000 Seelen an.

Nach einer Zählung im J a h r e 1800 be-

fanden sich im ganzen Königreich Neapel nur noch 63,920 Albaneser in 59 Ortschaften.

Doch verschwinden die grie-

chischen Kirchengebräuche dort immer mehr, indem die katholische Geistlichkeit fortwährend bemüht i s t , die Albaneser f ü r die römische Kirche u n d den römischen Gottesdienst zu gewinnen. 4. ( S . 20.)

B a r t e l s Briefe über Kalabrien u n d Sici-

lien. Bd. 3. S. 493 ff.

37 5.

(S. 21.)

G i u s e p p e C r i s p í , Memoria sulla origine

e fondazione di Palazzo A d r i a n o , colonia greco-albanese in Sicilia. Palermo 1827. p. 59.

Nos Joannes Dei gratia Rex

Aragonarum Siciliae Hyerusalem Yalentiae etc.

P e r literas

lllmi Regís Neapolis Ferdinand) nostri nepotis erga nos incommendati s u n t P e t r u s E m a n u e l de Pravatà, Zacharia Croppa, P e t r u s Cuccia et P a u l u s Manisi nobiles Albani seu Epirotae et strenui duces circa T u r c a s clarissimi et i n v i t i s s i m i Ducis Georgii Castriota Skanderbeg Albaniae et Epiri Principis, ac ejusdem consanguinei aliique nobiles Albanenses, qui in n o strum Regnum Siciliae transeúntes illinc habitare pretendimi.

cum nonnullis

coloniis

Ideo confisi nos de eorum Ca-

tholica Religione, integritate, bonitate, prudentia et valore ac etiain eorum paupertate et miseria, cum omnia eorum bona in posse pessimorum T u r c a r u m reliquerunt, visi sumus et cum voto nostri Regii Consilii sancimus et liberamus omnes nobiles Albanenses etc. de omnibus collecis etc. 6. CS. 22.)

Das Dokument ist in

sicilischem Dialekt

abgefafst u n d die betreffende Stelle lautet s o : Item lu dittu Magnificu Signuri permetti fari fari in dittu lucu una Capella seu Chiesa per li ditti abitaturi, fari fari P r i s t r a pir fari fari orazioni,

diri missi, batezzari etc. G i u s e p p e C r i s p í 1. c.

pag. 61. 7.

( S . 23.)

Guzzetta

Der erste Rektor des Seminars w a r G e o r g

von der Congregation

des Oratoriums,

dessen

Leben in einer besonderen Schrift von G i o v a n n i

d'An-

g e l o , Vita del padre Gio. Guzzetta Greco-Albanese Piana. P a l e r m o 1798. beschrieben ist. 8.

( S . 23.)

della

E r starb 1756.

Aufser der schon Anmerk. 5. genannten

besitzen w i r noch von i h m : Memoria sulla lingua albanese. Palermo 1831 und Opusculi di litteratura e di archeologia,

38 Palermo 1836. gesehen,

Die letztere Schrift habe ich jedoch

nicht

so wie auch nicht zwei noch später erschienene,

N i c o l o S p a t a , Cenno storico sulla f o n d a z i o n e ,

progresso

e stato religioso delle quattro colonie greco -sicule.

Palermo

1845 u n d Storia di Giorgio Castriota Scanderbec.

Palermo

1845.

Beide W e r k e theilen gewifs noch manches Interessante

über diese Kolonien m i t , obschon sich in den letzten zwanzig J a h r e n , die seit jenem beschriebenen Besuche i m J a h r e 1831 verflossen sind, in ihrem Zustande wenig verändert haben wird.

Vergi, auch 3. F . N e i g e b a u r Sicilien, dessen politi-

sche E n t w i c k l u n g u n d jetzige Zustände.

Leipzig 1848.

Des Markgrafen Gumbert von Brandenburg Leben und Tod in Italien.

Des Markgrafen Gumbert von Brandenburg Leben und Tod in Italien.

I n der kleinen, wenig besuchten Kirche des ältesten Stadttheils von Neapel, die den Namen S. Pietro ad aram führt

und in der Nähe der Vicaria,

der ehe-

maligen Residenz der spanischen Vicekönige liegt, befindet sich vor einem Seitenaltare auf ebener Erde eine weifse Marmorplatte, auf welcher man die hohe, kräftige Gestalt eines jugendlichen Ritters erblickt.

Derselbe ist

ganz in Eisen gekleidet, mit Harnisch, Arm' und Beinschienen angethan; das Haupt, mit einem von schwankenden Federn reich beschatteten Helme bedeckt, ruht auf einem Kissen; die rechte Hand stützt sich auf das Schwert; zwischen den Flifsen liegt das in vier Felder getheilte Wappenschild, Uber welchem drei Helme. oberen

rechten Felde

erscheint

der

Im

brandenburgische

Adler, im linken daneben der pommersche Greif, im unteren rechten der Löwe der Burggrafen von Nürnberg, und das daneben links, geviertet in Silber und Schwarz, ist

das Wappen

der Grafen von Hohenzollern.

Helme tragen Sinnbilder von ähnlicher Bedeutung:

Die auf

42 dem mittleren ein hervortretender Löwe zwischen zwei Büffelhörnern, dies ist ein Abzeichen des Burggrafthums Nürnberg; schauers

der

gekrönte Helm zur Rechten

des Be-

mit einem Pfauenwedel bezeichnet Pommern,

und der ähnliche Helm zur Linken mit zwei Adlerflügeln Brandenburg.

Eine rings um den Stein herumlaufende

Inschrift in lateinischen Uncialbuchstaben giebt genügend Aufschlufs über dieses Marmorbild. bertus

Dei

gratia

Marchio

Sie lautet:

Brandeburgensis,

GumSteinen

Pomeranie Casuborum ac Sclavorum Dux, Burgrafeus Nurmberge et Princeps Rügen, qui obiit die Mercurii divi Johannis Baptiste 24 Junii anno MDXXVIII. Also: Gumbert von Gottes Gnaden Markgraf von Brandenburg, Herzog von Stettin, Pommern, der Kassuben und Slaven (Wenden), Burggraf von Nürnberg und Fürst von Rügen) welcher am Mittwoch

dem Tage St. Johannis

des Täufers am 24. Junius 1528 starb. Wiederholtes Betrachten dieses Steins weckte zuerst in mir den Wunsch nach einer genauen Kopie desselben, wie sie hier beigegeben ist, da bisher eine solche noch nicht genommen worden zu sein scheint, und dann das Verlangen nach näherer Kunde von diesem so entfernt von seiner Heimath entschlafenen deutschen Herrn.

Aber an

Ort und Stelle Iiefs sich nichts entdecken weder aus einem Todtenregister im Archive jener Kirche noch bei irgend einem italienischen Chronisten.

Es mufste auf vater-

ländische Quellen zurückgegangen werden, und was sich daraus über diesen Prinzen und seinen Aufenthalt in Italien ergiebt, möge hier zusammengestellt werden.

43 Der Markgraf Gumbert von Brandenburg, dessen Grabstein wir vor uns haben, gehört der fränkischen Linie des hohenzollerschen Hauses an, die in den beiden jüngeren Söhnen des Kurfürsten Albrecht Achilles (-f- 1486) ihren Anfang nimmt, indem bekanntlich dieser Albrecht durch eine gegebene Hausordnung seinem ältesten Sohne Johann Cicero von seinen Erbländern nur die Mark Brandenburg mit der Kurwürde, seinen beiden jüngeren Söhnen zweiter Ehe, Friedrich und Sigismund, die beiden fränkischen Fürstenthümer Anspach und Baireuth bestimmte. Albrechts zweiter Sohn Friedrich, Markgraf von Anspach, ist der Vater unseres Gumbert, welcher mithin ein Enkel von Albrecht Achilles und ein Neffe von Johann Cicero ist; seine Mutter Sophie, die Tochter des Königs Kasimir IV. von Polen, gebar ihrem Gemahl siebenzehn Kinder, von welchen Gumbert das jüngste war, geb. zu Anspach am 16. Julius 1503. Während Gumberts älteste Brüder bestimmt waren, die Zügel weltlicher Herrschaft zu fuhren, — wie denn in der Geschichte bekannt genug sind der Markgraf Kasimir von Baireuth, unrühmlich durch die Grausamkeit, mit der er gegen seine Unterthanen im Bauernkriege wüthete und mit seinen schon erwachsenen Brüdern den Vater in Gefangenschaft hielt; ferner Georg, Markgraf von Anspach und Baireuth, der Kirchenreformator seines Landes; vor Allen aher Albrecht, Hochmeister des deutschen Ritterordens, und später, nachdem er das Ordenskleid abgelegt hatte, regierender Herzog von Preufsen — wurden die jüngeren Söhne der zahl-

44 reichen Familie, sobald sie nur eben aus den Knabenjahren herausgetreten, mit geistlichen Würden belehnt, und so sehen wir den Prinzen Gumbert im Jahre 1518, da er eben 15 Jahr alt war, schon zu einem Domherrn von Wtirzburg erhoben, und in dem darauf folgenden Jahre ist er Domherr zu Bamberg. Wahrscheinlich verlebte er mit seinem nur um wenige. Jahre älteren Bruder Johann Albrecht seine erste Jugend am Hofe seines Vetters des Kardinals Albrecht, Kurfürsten von Mainz, welcher der Sohn Johann Cicero's Bruder Joachim's I. war.

und

ein jüngerer

Denn ein recht geschlossenes

Familienverhältnifs im Vaterhause konnte nicht stattfinden, nachdem sein Vater von den älteren Brüdern unter dem Vorwande des Blödsinns in harter Gefangenschaft gehalten wurde, die Mutter bereits gestorben war und der älteste Sohn seinen habsüchtigen und lieblosen Sinn gegen die Glieder der eigenen Familie richtete. Aber auch die ferneren Lebensschicksale Gumberts wurden ohne Zweifel durch jenen Kardinal Albrecht bestimmt, indem wir ihm nebst seinem schon genannten Bruder Johann Albrecht seit dem Jahre 1521 in Rom begegnen, wo er also noch Leo X. auf dem päpstlichen Stuhl sähe, dessen Camerarius er sogar in einer päpstlichen Bulle

genannt wird.

nach welcher junge Fürstensöhne

Die damalige Sitte, durch

Erscheinen vor dem heiligen Vater sich geistlichen Würden

persönliches zu

höheren

empfahlen, mochte beide Prinzen

nach Rom geführt sowie die nahe Verwandtschaft zum Kardinal Albrecht ihre Verhältnisse am römischen Hofe

45 vortheilhaft gestaltet haben.

Vaterländische Geschichts-

forscher, namentlich der treffliche Lang in seiner fränkischen Geschichte, wollen wissen, dafs Gumbert und sein Bruder dort ein unordentliches und verschwenderisches Leben geführt haben: beide Brüder verzehrten in Rom jeder seine 1000 Gulden Familiendeputat, die ihnen im Onolzbacher Vertrage

ausgemacht worden w a r e n ;

eine für jene Zeit allerdings sehr bedeutende Summe, und dennoch machten sie viele Schulden'). Aber Gumberts älterer Bruder, Johann Albrecht, verliefs nach kurzem Aufenthalt wieder Italien; wir finden ihn im Jahre 1525 und dem folgenden als Coadjutor des Erzbischofs von Magdeburg wieder in Deutschland, wo .er im ^Bauernkriege durch seine grausamen Verfolgungen der fränkischen Bauern auf Befehl seines älteren Bruders, des Markgrafen Kasimir von Baircuth, keine rühmliche Rolle spielt. Gumbert kehrte dagegen nie wieder nach Deutschland zurück; aus einer Bulle Clemens VII. vom Jahre 1526, durch welche er als Propst zu Wilsburg bestätigt wurde, geht hervor, dafs er zu dem Hofstaate dieses Papstes gehörte, indem ihn dieser seinen Famigliar, »familiärem suum« nennt.

Und an der Seite dieses Pap-

stes mufste nun auch Gumbert in dem darauf folgenden Jahre

1527

das

Schicksal

hereinbrechen

sehen

und

theilen, welches die Stadt Rom heimsuchte, nämlich die Eroberung und Plünderung Roms durch das Heer des Kaisers Karl V. unter der Anführung Karls von Bourbon.

Der lange Kampf, welcher in der ersten Hälfte

46 des sechszehnten Jahrhunderts Italien zu einem blutigen Kriegsschauplatze machte, galt bekanntlich der Frage, ob Spanien oder Frankreich die Herrschaft über Italien haben sollte. Schon hatte Karl V. in seinem ersten italienischen Feldzuge nach der Schlacht bei P a v i a ,

am

14. Febr. 1525, seinen Gegner und Gefangenen F r a n z I. zu einem Vertrage gezwungen, der ihm das alte Reichslehen Mailand wieder verschaffen sollte, als F r a n z , in Freiheit gesetzt, seine eidlichen Versprechungen zu halten nicht für nothwendig hielt.

So begann der Kampf

von neuem, und Clemens, eifersüchtig auf des Kaisers Macht in Ober- und Unteritalien, schürte das Feuer noch mehr an und verband sich enger als zuvor mit Frankreich, England, Mailand und Venedig. Der Herzog Karl von Bourbon, von König Franz schwer gekränkt und daher zu Kaiser Karl übergetreten, erhielt jetzt als kaiserlicher Statthalter in Mailand und Generalkapitän von Italien, nachdem der gröfste Kriegsheld seiner Zeit, der Marquis von Pescara,

gestorben

war, den Oberbefehl über das kaiserliche Heer in Italien und den Auftrag, die ansehnlichen Streitkräfte der heiligen Ligue in Oberitalien zu vernichten.

Hierzu stand

ihm auch ein hinreichendes Heer spanischer und deutscher Truppen, erstere unter- dem berühmten Georg von Frundsberg 2 ), zu Gebote, wenn er nur im Stande gewesen wäre, die Söldlinge fortwährend durch regelmäfsige Löhnung in guter Stimmung und der rechten Ordnung zu erhalten.

Nach mancherlei vergeblichen Versuchen,

durch Eroberung fester Plätze in Oberitalien die Macht

47 der Ligue zu brechen und die Forderungen seines Heeres zu befriedigen, fafst er endlich, da seine Soldaten immer ungeduldiger und unruhiger werden, den verzweiflungsvollen Entschlufs, mitten durch Feindes Land und umgeben und verfolgt von der liguistischen Axmee, auf Rom selbst loszugehen und dort seine Truppen bezahlt zu machen.

Italienische im Dienst des Papstes stehende

Geschichtsschreiber jener Zeit wie Guicciardini bezeugen selbst mit Bewunderung die Grofsartigkeit und Kühnheit dieses Gedankens, den zuerst der Herzog von Ferrara, Alfons von Este, des Kaisers Bundesgenosse,

gegeben

haben soll. Der ganze Heereszug bricht am 22. Februar aus den Ebenen von Piacenza auf und dringt, vorüberziehend an Parma, Reggio, Modena, die von den Truppen der Ligue besetzt sind, unter vielen Entbehrungen an Lebensmitteln und genügender Bekleidung und bei anhaltenden Regenströmen, auch von dem Feinde hier und

da geneckt,

dennoch

unaufhaltsam bis

in

das

päpstliche Gebiet ein, und am 8. März sind alle Heereshaufen zu Castel San Giovanni, eine kleine Tagreise von Bologna, vereinigt.

Ein jetzt von dem in Schrecken

gerathenen Papste mit dem Vicekönig von Neapel abgeschlossener Vertrag

eines achtmonatlichen Waffenstill-

standes vermag nicht, nachdem Karl von Bourbon und Georg von Frundsberg die sich empörenden Spanier und Deutschen durch Friedensaussichten nicht beruhigen können, ihren Lauf aufzuhalten, denn die vom Papste angebotene Summe von 60,000 Scudi f ü r die kaiserlichen Kriegsvölker ist nicht einmal hinreichend, um die rück-

48 ständige Löhnung des Heeres zu decken. Bologna wird wieder umgangen und endlich das florentinische Gebiet betreten, auch der Apennin mit greiser Anstrengung überschritten. In der Nähe von Arezzo scheint Bourbon noch einmal zu überlegen, ob er in Verbindung mit dem kaiserlich gesinnten Siena sich nach Florenz wenden soll; doch da dieses von dem Heere der Ligue zu gut bewacht ist, treibt ihn sein Geschick nach Süden, bis er mit seinem über, 30,000 Mann starken Heere auf unwegsamen Strafsen am Abend des 5. Mai 1527 vor Rom anlangt und seinem nach Eroberung und Beute lüsternen Heere vom Monte Mario aus die Zinnen der Hauptstadt der -Welt zeigt. Um die Ereignisse der folgenden Tage, an welchen auch unser Prinz Gumbert mitten im Kriegsgetümmel und Soldatengewühl erscheint, leichter übersehen zu können, ist es nöthig, sich an die örtliche Beschaffenheit des damaligen Roms zu erinnern. Die ewige Stadt 3 ) begriff in ihrer Ausdehnung zu der Zeit, als Bourbon mit seinen verderblichen Schaaren sich ihr näherte, drei grofse, von einander getrennte Hauptmassen, nämlich die Stadt am linken Tiberufer, die Leonina oder den Borgo, und Trastevere.- Die am linken Tiberufer gelegene Stadt begreift einen gröfsen Theil des alten und einen noch gröfseren des neuen Roms, welches letztere seit dem Pontifikat Sixtus IV. ( 1 4 7 1 — 1481) neben den Trümmern der alten Stadt wieder aufzuleben begonnen hatte, besonders aber seit Alexander VI. in seine glänzendste Periode eingetreten

49 war.

Die Leonina oder der Borgo ist die vatikanische

Vorstadt, die im 9. Jahrhundert von Leo IV. durch besondere Mauern und Thore zu einem f ü r sich bestehenden festen Stadttheil gemacht wurde, und das Castello Sant' Angelo, den Vatikan mit seinen Gärten und die Kirche Santo Spirito nebst dem Hospitale gleiches Namens umfafste. Endlich Trastevere, die Gegend am Fufs des Janiculus bis zum rechten Ufer der Tiber hinab, war auch rings herum mit Mauern eingeschlossen, die von der Porta Settimiana zunächst der Tiber in einer fast geraden Linie bis zur Porta San Pancrazio sich hinaufzogen, und von da eben so wieder als der zweite Schenkel eines rechten Winkels zur Tiber hinabliefen. Aufserhalb der Stadtmauern lag demnach noch zwischen der vatikanischen Vorstadt und Trastevere eine bedeutende Strecke Landes, die von der Höhe des Janiculus bis an das Ufer der Tiber reichte, die ganze Strecke in sich begreifend, durch welche sich heutiges Tages die Via longara in ihrer ganzen Ausdehnung von der Porta Settimiana bis zur Porta di Santo Spirito am Vatikan hindurchzieht und welche also die jetzt zu den Palästen Corsini und Sattriano gehörenden weitläufigen Gärten, so wie die Kirchen Regina Celi und San Giuseppe und das Kloster S. Onofrio umfafste. Auf diese Gegend,

welche jetzt durch die weiter

gezogene Stadtmauer in den Umkreis der Stadt gehört, damals aber dem Feinde gleichsam eine Gasse zwischen dem Borgo und Trastevere eröffnete und ihn leicht bis zur Tiber

hinabsteigen liefs, dahin richtete Bourbon 4

50 sein Augenmerk. E r umgeht die befestigte vatikanische Vorstadt und lagert sein Heer auf der westlichen Seite derselben, so dafs es die ganze offene Gegend von der Porta Torrione (jetzt Cavallegieri) neben S. Peter bis zur Porta S. Pancrazio, der höchsten Spitze von Trastevere besetzt, den Campo Santo und S. Onofrio ungefähr in die Mitte nehmend. In dieser Stellung läfst Bourbon die Stadt noch an demselhigen Tage zu zweien Malen auffordern, ihm die Thore zu öffnen und seinen Soldaten Nahrungsmittel und Geld zu verabreichen, damit er seinen Heereszug nach dem Königreich Neapel weiter fortsetzen könne. Aber der päpstliche Oberbefehlshaber Renzo da Ceri, vertrauend auf seine Schweizer und auf das Heer der Ligue, welches nach seiner Berechnung bald zum Entsätze von Rom ankommen m u f s , giebt dem Bourbon nur Drohungen zur Antwort.

Da bleibt Karl,

der das baldige-Herannahen des 40,000 Mann starken Heeres der Ligue unter den Befehlen des Herzogs von Urbino zu befürchten hat, nichts übrig, als für den andern T a g den Sturm auf die Stadt zu beschliefsen.

Er

versammelt noch vor Abend des 5. Mai in der Kirche des Klosters S. Onofrio mit dem Prinzen Filibert von Oranien, der seine Reiterei befehligt, und Konrad von Bemmelberg, dem Locotenente Georgs von Frundsberg und jetzigem Anführer der deutschen Landsknechte, die Hauptleute aller seiner Schaaren, und bestimmt, dafs mit Anbruch des nächsten Tages die drei Nationen seines Heeres, Deutsche, Spanier und Italiener, zum Sturm der vatikanischen Vorstadt sich bereit halten sollen. E r

51 theilt genau den Angriffsplan mit, der nach den Worten des gleichzeitigen Frundsbergischen Biographen 4 ) dieser war: »Erstlich sollte ein verlorener Haufe mit fünf Fähnlein einfallen, dann zum anderen Male mit zehn Fähnlein; zum dritten sollte der ganze Haufe zu Rofs und Fufs anlaufen. Und zugleich gab er ihnen,« fährt Reifsner fort, »guten Trost, es würde kein Not haben, man bedörfte keiner Leitern, die Mauern wären nieder, so wollt er selbst vornen dran sein, und eigner Person mit den Teutschen den Sturm anlaufen. Auf solchen Beschlufs hat der Herzog die Nachtwacht wohl besetzt und den Tag beschlossen.« Der Morgen des verhängnifsvollen 6. Mai brach trübe und nebelig an. Da befahl Bourbon, der schon seit Mitternacht die Lärmtrommeln hatte schlagen lassen, um die Bewohner der Stadt aufzuschrecken und müde zu machen, dafs der Sturm auf die angeordnete Weise begönne. An der Porta Torrione hatten zur Rechten die Deutschen ihre Stelle, zur Linken bis zur Porta Pertusa die Spanier. Noch weiter nördlich stand der Prinz Philibert mit seinen Reitern, um die etwanige Ankunft eines Heeres der Ligue zu beobachten; und endlich um ihnen ilen Rücken von Trastevere zu decken, stand vor der Porta Settimiana und Porta S. Pancrazio der neunzehnjährige Melchior von Frundsberg, Georgs Sohn, mit fünf Fähnlein. Die Sturmlaufenden hatten in Eile aus Brettern und Gartenzäunen Leitern zusammengebunden; Geschütz fehlte ihnen gänzlich; dagegen hatten Die in der

52 Stadt auf ihren Wällen Geschütz und Waffen aller Art, Schlangen, Falkonen und Hacken. Der Nebel begünstigte zwar einestheils die Angreifenden, doch fielen auch wegen desselben anfangs viele Schüsse der Spanier auf die deutschen Haufen, so dafs diese sich weiter rechts und endlich bis zur Porta S. Spirito ziehen mufsten, obgleich dort das Erklimmen der Mauern schwieriger war. Der erste Sturm kostete daher den Deutschen viele Leute und erst dem vorgeschickten zweiten Haufen von zehn Fähnlein mit ihren Hauptleuten Schärtlin, Urban Linsing, Philipp Stumpf u. a. an der Spitze, gelang es an dieser Stelle die Mauer zu ersteigen und zu behaupten. Nicht weniger blutig war der Kampf an der Porta Pertusa bei den Spaniern, und hier geschah es, dafs Karl von Bourbon, als er sähe, wie seine Leute zögerten und vom ersten Sturme abstehen wollten, selber eine Leiter ergriff, als der Erste wieder zum AValle hinaufstieg, aber auch alsbald, durch seinen weifsen Waffenrock vor Allen ausgezeichnet, durch ein Hackenrohr t'ödtlich in den Unterleib verwundet wurde. Seinen Tod ahnend und dessen Eindruck auf das Heer befürchtend, befahl er sogleich einem Soldaten, ihn mit einem Mantel zuzudecken, bis er später in das nahgelegene Hospital von S. Spirito gebracht wurde und einige Stunden nachher, als bereits der Vatikan genommen war, vielleicht noch athmend, von seinen Soldaten wie im Triumph nach S. Peter getragen wurde, wo er an den Stufen des Altars seine tapfere Seele aushauchte. Aber sein Fall, der nicht unbemerkt geblieben war, entflammte die AVuth

53 der Spanier, so dafs auch sie. an ihrer Stelle den Wall in Besitz nahmen und in die Stadt einbrachen. Der fernere Verlauf der Begebenheiten ist bekannt genug; mit Mühe rettete sich Clemens, welcher ruhig ohne das Schicksal Rom's zu ahnen in dieser Morgenstunde in der Sixtinischen Kapelle die Messe hörte, als ihm fliehende und verwundete Schweizer die ganze Lage der Dinge deutlich machten, durch den langen verdeckten Gang, welcher vom Vatikan zur Engelsburg führte, in eiligster Flucht in die letztere, und mit ihm zugleich dreizehn Cardinäle und die Gesandten von Frankreich, England, Mailand und Venedig. Nach hartnäckigem Widerstande und nachdem er schon die Meisten seiner tapfern Mannschaft verloren, fand auch Renzo da Ceri mit 42 übriggebliebenen Schweizern, einigen hundert italienischen Fufsknechlen und anderen Flüchtigen darin Schutz. Andere flohen über die Engelsbrücke der Altstadt zu, wo sie sich für sicher hielten. Noch am Vormittage waren sämmtliche Befestigungen der Leonina, die S. Peterskirche und der päpstliche Pallast im Besitz der Deutschen und Spanier. Jetzt wäre vielleicht noch Zeit gewesen, wenigstens die Altstadt vor der Verwüstung der Feinde zu retten, wenn Clemens in eine Unterhandlung mit dem kaiserlichen Heere, dessen Commando nach dem Falle Bourbons der Prinz von Oranien übernommen hatte, hätte eingehen wollen. Ali er die ihm zugekommene Nachricht von dem Tode des Herzogs und die Hoffnung auf Hülfe durch das Heer seiner Verbündeten liefs ihn auf seinem

54 Sinne beharren und den Befehl ertheilen, von der Engelsburg herab den Feind zu beschiefsen, wobei ihm bekanntlich der Florentiner Goldschmied Benvenuto Cellini mit Kampfeslust und Geschicklichkeit zur Hand ging. So mufsten sich denn die kaiserlichen Befehlshaber entschliefsen neue Gewalt der Gewalt entgegen zu stellen, um ihre Eroberung zu vollenden. Durch die Porta di S. Spirito zog daher jetzt ein Theil des Heeres gegen Trastevere, sprengte die Porta Septimiana und die Porta S. Pancrazio, und erzwang sich den Eingang in diese zweite Vorstadt, Hier zeigte sich schon geringerer W i derstand; die durch die Einnahme des Borgo entmuthigten päpstlichen Soldaten zogen sich bald, mit dem flüchtenden Volke vetmischt, nach der Ponte Sisto zurück, um nur die Altstadt zu erreichen und zu schützen. In dieser allgemeinen Verwirrung zwischen blutigem Kampf und verzweiflungsvoller Flucht erscheint unser Markgraf Gumbert, welchem Rom und seine Bewohner, unter denen er nun schon mehrere Jahre gelebt hatte, lieb geworden und für die er jetzt in der Stunde höchster Gefahr gern bereit ist, zu tliun was er vermag. Er ist nicht mit dem Papste und den Prälaten in die Engelsburg geflohen, sondern in der Stadt geblieben, und giebt den Bitten römischer Bürger williges Gehör, als diese von ihm verlangen, dafs er als Deutscher die Kaiserlichen um Schonung und Frieden anrufen und denselben eine ansehnliche Summe im Namen der Stadt versprechen möge. Aber seine Stimme findet bei dem vom Kampfe erbitterten und erhitzten Kriegsvolk kein

55 Gehör; j a er rettet In dem Getümmel, dem er sich entgegenstellt, endlich sein Leben nur durch die Flucht in eip benachbartes Gebäude und entgeht auch da nicht einer augenblicklichen Gefangenschaft durch die spanischen Soldaten, aus deren Händen er jedoch wieder durch die Gewandtheit wahrscheinlich eines deutschen Hauptmanns selbst ohne Lösegeld befreit wird.

So be-

richten über ihn Reifsner in der Geschichte der Frundsberge und Sebastian Frank in seiner gleichzeitigen Chronika, in welcher letzteren es so heifst: Römer solchen E r n s t ,

»Als nun die

den sie auf des Papstes Ver-

tröstung nit versehen hätten, erfuhren, haben sie eilends Markgraf Albrecht 5 ),

der, als ein geborner Teutscher

den Teutschen angenehm sollt sein auf hoch Bitt und Vermög mit kayserlicher Majestät Kriegsvolk umb ein Fried und Anstand zu handeln ersucht; so wollten sie thun was sie begehrten und ihnen möglich sei, damit weiter nit mit Ernst gehandelt würd.

Der Fürst liefs

sich in Ansehung vieler unschuldigen Kinder bereden und den Jammer bewegen gegen Kay. Maj. Kriegsvolk umb ein Waffenstillstand zu handeln.

Aber die Zeit

war genanntem Fürsten schier zu kurz in ein Haus zu fliehen und sein Leben zu retten, der dann auch darnach gefangen, alles beraubt ward das er in Rom hett, allein des Lebens nit, den ein Hauptmann von der Hispanier Händ mit Praktik erledigt ohn weitere Schätzung.« Aber wie hätte auch jetzt ein Einzelner noch vermocht, die wüthenden und nach Beute gierigen Banden durch begütigende Worte und Versprechungen aufzu-

56 halten! Noch an demselben Abende mufs ganz Rom in ihre Hände fallen. Ehe die Sonne untergegangen dringt das kaiserliche Heer über die Ponte Sisto in die Stadt ein, und nur bis zur Stunde der Mitternacht gelingt es den Heerführern, die Truppen in einzelnen geordneten Haufen in den verschiedenen Stadttheilen zusammen zu halten, da man immer noch einen feindlichen Ueberfall von aufsen her zu besorgen hat.

Denn wirklich stand

der Graf Guido von Rangoni mit der Reuterei der Liga und achthundert Hackenschützen an der Ponte Salaria, um in der Nacht in Rom einzurücken, und nur auf die Nachricht dafs- der Feind schon der ganzen Stadt Meister sei, zog er sich nach Otricoli zurück. Die Deutschen hielten in den ersten Stunden der Nacht- auf dem Campo d e ' F i o r i , die Spanier auf der Piazza Navona und in den umliegenden Strafsen. Als aber alles ruhig blieb löseten sich nach Mitternacht die spanischen Truppen auf, raubgierig in die Häuser einfallend und plündernd, und darauf ebenso die übrigen italienischen und deutschen Scharen.

Doch stimmen die italienischen Ge-

schichtschreiber mit den deutschen darin überein, dafs in den jener Einnahme Roms folgenden

entsetzlichen

Tagen die deutschen Truppen sich im Ganzen noch am menschlichsten und schonendsten betragen haben. E s wäre zu weitläuftig und zu unerfreulich eine Schilderung zu geben von den Ausbrüchen roher Brutalität, von der scheufslichsten Nichtachtung jedes Geschlechts und Alters, von der Verspottung und Mifshandlung der Geistlichen, von der Entweihung der heiligsten

57 Orte und Gegenstände, von der Vernichtung so vieler Kostbarkeiten aus Kirchen, Bibliotheken und Archiven, — aber das ist bemerkenswerth, dafs alle vorhandenen Berichte über diese Plünderung Rom's, die noch heut zu Tage dem Römer unter dem Namen il sacco di Roma als das Aergste gilt, was ihrer Stadt begegnet ist, einstimmig aussagen, dafs -vor Allen die Spanier durch blutdUrstende Grausamkeit und viehische Wollust ihren Namen befleckt, die Deutschen dagegen mehr durch Schlemmen und Rauben und in Folge der damaligen erbitterten Opposition zwischen der alten und neuen Kirche durch Verhöhnung des römischen Kirchenwesens sich hervorgethan haben. So bezeugen es selbst Guicciardini 6 ) und der Bischof von Nocera Paolo Giovio 7 ), der vertraute Freund und Leidensgefährte des Papstes in der Gefangenschaft der Engelsburg. Erst nach sechs oder sieben Tagen gänzlich aufgelöster Ordnung und Zucht erscheint der Befehl, dafs mit dem Plündern aufgehört werden soll, und dennoch können nicht überall Uebertretungen desselben sogleich streng geahndet werden. Die Belagerung der Engelsburg wird dabei immer fortgesetzt und viele verderbenbringende Schüsse fallen aus derselben unter die Ausbrüche rohester Soldatenlust. So geht ein ganzer Monat vorüber bis endlich beide Theile durch mancherlei Noth ermüdet zu einer ernstlichen Unterhandlung geneigter werden. Eine Seuche, die in der Stadt schon viel Volk hinrafft, fängt an auch in die Engelsburg einzudringen, wo überdies schon der gröfste Mangel an Lebensmitteln

58 fühlbar wird.

Also gedrängt unterzeichnet der Papst

am 5. Juni eine Kapitulation, in welcher er dem Heere 4 0 0 , 0 0 0 Scudi verspricht, wenn ,es die Stadt und das Land verlassen will. Von diesen sollen sogleich 1 0 0 , 0 0 0 Scudi theils b a a r ,

theils in Gold- und Silbergeschirr,

und 2 0 Tage später noch 5 0 , 0 0 0 Scudi gezahlt werden; die andern 2 5 0 , 0 0 0 soll eine Besteuerung des Landes aufbringen.

Um die Erfüllung dieser Bedingungen sicher

zu stellen, wollte der Papst bis zur Auszahlung der ersten beiden Summen in der Engelsburg von den kaiserlichen Truppen bewacht bleiben, wogegen er sogleich freien Abzug seines Oberfeldherrn Bienzo da Ceri mit dessen Leuten bis zum Heere der Liga sich ausbedung. Sodann wollte sich der Papst nach Neapel oder Gaeta geleiten lassen, um dort des Kaisers Entscheidung zu erwarten.

Die Städte Ostia, Civita vecchia, Civita Ca-

stellana, Piacenza, Parma und Modena, die zu der Zeit die päpstlichen und liguistischen Truppen inne hatten, sollten dem kaiserlichen Heere zum Unterpfande ausgeliefert werden.

Dieser Vertrag wurde angenommen, und

am 7. Juni zog Sebastian Schärtlin mit 2 0 0 Lanzknechten,

»den stärksten und schönsten aus allen Fähnlein

erlesen«, in die Engelsburg ein.

Aber bei der zögern-

den W e i s e , womit die festgestellten Zahlungen nur in Meinen Summen geleistet wurden, hätten die darüber unzufriedenen kaiserlichen Truppen gewifs Rom

sobald

nicht verlassen, wenn nicht ein mächtigerer Feind sie wenigstens für eine Zeit lang vertrieben hätte, nämlich die P e s t ,

die in Folge der vielen Tausende zum Theil

59 ganz uhbegrabener,

theils

nur

schlecht

verscharrter

Leichname in der ganzen Stadt immer verheerender um sich griff.

Dies veranlagte die Anführer, die Truppen

nach den benachbarten Städten zu verlegen. In der Mitte des Julius war Rom von den meisten kaiserlichen Trappen befreit und blieb es bis gegen das Ende des September, während die Städte Orta, Narni, Spoleto schwere Kriegslasten und ähnliche Verwüstungen wie Rom fahren mufsten.

er-

Aber nachdem auch diese Ortschaften

und ihre Umgegenden ausgesogen und verheert waren, wendeten

sich

die Haufen

wieder

nach Rom

zurück

und setzten während des ganzen Winters ihre früheren Erpressungen und Unbilden jeder Art fort, wozu die Flucht des Papstes im December desselben Jahres eine neue Allreizung g a b 8 ) . Erst im Anfang des darauf folgenden Jahres -1528 befreiten neue Kriegsereignisse die Stadt von ihren Peinigern.

Der König von Frankreich hatte bald nach der

Nachricht von der Gefangennehmung des Papstes, worüber auch der Kaiser

als

über eine

gegen

seinen Willen

vollbrachte T h a t sich mifsbilligend, entschuldigend und bedauernd nach allen Seiten aussprach, ein neues Heer unter der Anführung des Marschall Lautrec (Odet de F o i x ) nach Italien gesendet, welches nach der Einnahme mehrerer Festungen in der Lombardei seit dem Anfang des Jahres 1 5 2 8 längs der adriatischen Küste

südlich

hinabzog, und die neapolitanischen Provinzen der Abruzzen und Apulien besetzte.

Endlich war nur die Haupt-

stadt und Gagta noch in Besitz des VicekiJnigs.

Da

60 entschliefst sich derselbe, das in Rom mttfsig liegende Heer heranzuziehen und sendet ihnen um sie dazu zu vermögen den letzten rückständigen Sold.

So erfolgt

endlich am 17. Februar 1528 der Aufbruch der gesammelten Trümmer jenes Heeres, welches neun Monate zuvor beim Erscheinen vor Rom gegen 40,000 Mann gezählt hatte und jetzt bis schmolzen war.

auf 8000

zusammenge-

Und so sähe sich endlich Rom von

dieser schwer auf Stadt und Land liegenden Geifsel befreit, und konnte wieder anfangen in einen

Zustand

der Ordnung überzugehen. Unter den nach Neapel ziehenden Truppen,

ange-

führt von dem jungen Herzog Philipp von Oranien und dein mannhaften deutschen Ritter Konrad von Bemmelberg, befand sich auch unser Prinz Gumbert von Brandenburg, über dessen Schicksal in Rom seit seiner Befreiung aus den Händen der Spanier und wieviel oder wenig

er sonst noch in

die Händel jener

traurigen

Periode verflochten worden, nichts weiter bekannt ist. Aber sein Grabstein in Neapel läfst vermutlien, dafs, so wie er nicht mit dem Papste die Flucht, weder in die Engelsburg noch späterhin aus Rom nach Orvieto ergriffen hatte, in dieser kriegerischen Zeit das Gewand des Priesters und das seidne Barett eines päpstlichen Höflings mit dem eisernen Waffenrock und dem Helme vertauscht habe. Es mochte dem hohenzollerschen Herzen doch auf die Länge jene Buhlschaft mit dem römischen Hofe nicht behagen, und es gingen ihm noch zur rechten Zeit die Augen auf über seine unwürdige Stellung

61 in jener Dienstbarkeit des Papstes. Möglich dafs das jugendliche deutsche Gemüth sich schon an den ersten Tagen des Kampfes in Rom unter die Streitenden gemischt hatte und bald sich hingezogen fühlte zu seinen besseren Landsleuten, einem Melchior von Frundsberg, der zuvor etliche Jahre zu Wittenberg auf der hohen Schule gewesen, einem Konrad von Bemmelberg, einem Klaus Seidensticker, einem Christoph Grafen v. Eberstein, welche alle als Führer und Hauptleute der deutschen Söldner in ungetrübtem Glänze ihres Namens dastehen. Dazu mochte ihm leicht der Gedanke ärgerlich sein, dafs er so lange einem fremden Hofdienste obgelegen habe, während sein erlauchter Vater ein tapferer Soldat für Oesterreich gewesen, sein älterer Bruder Kasimir noch in kaiserlichem Dienste als Oberfeldherr stand, sein Bruder Georg der protestantischen Sache muthig anhing, und endlich sein Bruder Albrecht der Hochmeister des deutschen Ordens wenige Jahre vorher (1525) sein Ordensgewand abgelegt hatte und als deutscher Fürst als erster Herzog von Preufsen hochgeehrt vor der Welt dastand. Auch konnten diese antirömischen Verhältnisse der älteren Brüder seine Stellung in Rom verwickelt machen. Kurz, es fällt nicht auf und wir freuen uns, wenn wir Gumbert mit einem Male ritterlich angethan unter den deutschen Scharen wiederfinden, die zur Vertheidigung des kaiserlichen Neapels den Kirchenstaat verlassen haben und bald darauf in der Hauptstadt selbst noch vor der Ankunft Lautrec's angelangt sind.

62 Der Kriegsschauplatz ist nun nach Unteritalien verlegt , und bald mufs auch die Stadt Neapel die Unruhen und Bedrängnisse einer mehrmonallichen Belagerung erfahren. Nachdem nämlich die kaiserlichen Truppen anfangs von Rom aus die Richtung, welche ihnen Lautrec's Zug vorschrieb, nach den Ahruzzen und Apulien zu genommen, und beide Heere bei Troja lange Zeit einander beobachtend sich gegenüber gestanden hatten, ohne dafs eins dem andern einen Yortheil abgewinnen konnte, so beschlossen die Führer der kaiserlichen Kriegsmacht sich schnell auf die Hauptstadt Neapel zurückzuziehen, um diese vor einem plötzlichen Ueberfall zu schützen. Hugo Moncada, nach dem. Tode Lannoy's Vicekönig von Neapel, nahm die Ankommenden freudig auf und erwarlete mit ihnen den Feind, der auch bald erschien. Da aber der Marschall Lautrec die Stadl zu stark mit Mannschaft ausgerüstet fand, um einen Sturm zu wagen, so beschlofs er sie durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen. Er lagert sich auf der östlichen Seite der Stadt, wo der leichteste Zugang von der grofsen Strafse her ist, die ihn selbst und seine Truppen von Apulien herbeigeführt hat. Er breitet seine Scharen vom Ufer des Golfs bis zu den Abhängen von Capodimonte aus, dessen östliche Höhen von ihm besetzt werden. Wichtig für ihn ist auch auf dieser Seite der Hügel mit dem königlichen Lustschlosse Poggio Reale, welches heut zu Tage in öder Verwüstung liegt. Denn hier vereinigen sich die am Fufse des Vesuv entspringenden Quellen, welche von einem daselbst befind-

63 liehen Reservoir aus durch eine Wasserleitung zu jener Zeit

das alleinige gute Trinkwasser Neapel

zuführte.

Um die Porta Capuana herum entspinnt sich nun ein täglicher Kampf mit den ausfallenden kaiserlichen Scha» ren, die sich aus der fruchtbaren Ebene zu verproviantiren suchen.

Da aber Lautrec durch diese kleinen Ge-

fechte nichts ausrichtet und schon einen Monat lang die Stadt von der Landseite vergebens umzingelt hält, während Andreas Doria mit der vereinigten französichvenetianischen Flotte den Hafen bewacht, so wählt er endlich ein anderes Mittel um die Stadt zu bezwingen, das ihm aber selbst und seinem Heere den Untergang bereitet.

Er zerstört die erwähnte Wasserleitung, um

der Stadt das Trinkwasser zu entziehen, aber das nun nach

allen Richtungen hin sich verbreitende Wasser

umgibt und überschwemmt Lautrec's Lager, und die heifse Sommerzeit

entwickelt aus diesen entstandenen

Lachen und Morästen bald

eine

so vergiftende Luft,

dafs am 15. Juli die Pest im Lager der Franzosen ausbricht, die binnen weniger als einem Blonat fast das ganze Heer der Belagerer hinwegrafft.

Auch Lautrec

und seine beiden Brüder liegen unter den Todten. sieht sein Nachfolger im Kommando

Da

der Marquis von

Soluces sich genöthigt, die Belagerung aufzuheben und mit dem Reste seines Heeres nach Aversa zu eilen, wo er aber von der ihn verfolgenden kaiserlichen Besatzung belagert und zur Uebergabe gezwungen wird. So endete auf eine unerwartete Weise diese grofse von den Feinden des Kaisers in das Feld gestellte Heeres-

64 macht, und dies Ereignifs half den im folgenden Jahre abgeschlossenen Frieden zu Cambray herbeiführen, durch welchen beide ermüdele Parteien eine Zeit lang von ihren Anstrengungen ausruhten. Aber noch lebt das Andenken an Lautrec und sein Heer in Neapel fort in dem Namen einer jener Anhöhen, wo einst seine Zelte standen, und dort unter dem Monte di Lotrecco zeigt man noch jetzt viele Grotten und Erdgänge, an welchen die Gegend reich ist, die mit den Gebeinen seiner Soldaten angefüllt sein sollen 9 ). Aber auch in der Stadt Neapel herrschte während jener beinahe viermonatlichen Belagerung grofse Noth, und wenn auch die Pest selbst nicht eindrang, so raffte doch der Mangel an gesunden Nahrungsmitteln und frischem Trinkwasser so wie die aufserordentliche Sommerhitze sehr Viele dahin 10 ). Und solchen tödtlichen Einflüssen einer ungesunden Luft oder auch nur des ungewohnten heifsen Klima unterlag auch bald unser junger Prinz Gumbert. Noch ehe sich die Pest draufsen im Lager zeigte starb er, wie sein Grabstein aussagt, am 24. Junius jenes Jahres 1528 im noch nicht vollendeten 25. Lebensjahre. Der junge Fürst, der mit grofsen Erwartungen, zu welchen sein Stand ihn berechtigte, über die Alpen gezogen war, hatte in kurzer Zeit die Gröfse und Pracht eines medicäisclien Hofes, Leo's des Zehnten, und die tiefste Demiithigung glänzender irdischer Hoheit in den Schicksalen Clemens des Siebenten mit anschauen müssen, ja er selbst, einmal hinausgetreten in das bewegte Leben

65 und von den Stürmen der Zeit ergriffen, fand nicht eher wieder Ruhe, als da seinen Leib die stille Gruft einer abgelegenen wenig gekannten Kirche Neapels aufnahm 11 ). Dorthin hat der Berichterstatter während seines Aufenthaltes in Neapel öfters seinen Weg genommen, um im fremden Lande das Bild eines Hohenzollern zu betrachten.

5

Anmerkungen.

1. (S. 45.) p . H. L a n g , neuere Geschichte des F ü r stenthums Baireuth, Göttingen 1798. Bd. 1. S. 148. 154. Ihrem alten Vater wurden nach seiner Befreiung jährlich 963 Gulden ausgesetzt, ungerechnet freie Wohnung und Feuerung; ebendas. S. 217. W e n n aber Lang ebendas. S. 214 sagt, Prinz Gumbrecht sei in Rom unerkannt von Frundsbergs Soldaten erschlagen worden, so wird dieser Irrthum durch den Grabstein Gumbrechts in Neapel schon genugsam widerlegt. 2. (S. 46.) Dankbar ist bei diesen historischen Angaben, so wie bei der Schilderung der damaligen römischen Zustände benutzt worden: B a r t h o l d , Georg von Frundsberg und das deutsche Kriegshandwerk zur Zeit der Reformation. Hamburg 1833, mit Hinzuziehung der dort angeführten alten Quellen. 3. (S. 48.) B a r t h o l d a. a. 0 . S. 432 ff. 4. (S. 51.) Unter den vielen gleichzeitigen Berichterstattern über diesen ganzen italienischen Feldzug ist keiner so genau und ausführlich als A d a m R e i f s n e r , der vormalige Lehrer der Söhne Georgs v. Frundsberg, und später ihr Begleiter. Wobei er nicht selbst gegenwärtig w a r , darüber hat er mit grofser Treue aus italienischen und deutschen Berichten zusammengetragen. A d a m R e i f s n e r , Historia, Herren Georgen und Kasparn v o n F r u n d s b e r g , Frankf u r t 1568.

67 5.

(S. 55.)

S e b a s t i a n F r a n c k , Chronika,

Geschichtsbibel 1565.

S. C C X L V .

So auch

a . a . O . S. 111. B a r t h o l d a. a. 0 . S. 452.

Zeytbuch Reifsner

Irrig w i r d er hier

Albrecht genannt und mit seinem älteren B r u d e r verwechselt, der wie schon oben bemerkt w o r d e n ,

bereits einige J a h r e

f r ü h e r nach Deutschland zurückgekehrt w a r . 6. (S. 57.)

G u i c c i a r d i n i Istoria d ' I t a l i a , L . X V I I I .

7. (S. 57.)

Feritate et trueulentia terribilis erat

Ger-

m a n u s , sed a primo impetu, quo armatos deleverat, a gladiis temperabat u s q u e adeo remissa animi ferocia u t exiguo facile pretio libertatem captivis daret.

Paul. Joyii,

histo-

riar. sui temporis libri p. 3 6 3 . 8.

(S. 59.) Die von dem oben öfters genannten S e b a -

s t i a n S c h ä r t l i n , einem der tapfersten Hauptleute i m F r u n d s bergschen H e e r e , vorhandene Lebensbeschreibung theilt über diesen ganzen italienischen F e l d z u g viele Einzelnheiten mit, die zugleich zu dem Bilde des damaligen Kriegshandwerks charakteristische Züge liefern, und von denen w i r das auf Rom bezügliche hier hervorheben w o l l e n : t A n n o 1526 bin ich als ein Hauptmann mit Herrn

Görgen von F r u n d s b e r g

samt 40 Fähndlen Knechten uff Sanct Martingstag auf Mayland gezogen, W i l l e n s Herrn Caspern von F r u n d s b e r g ,

der

in

des

der Stadt M a y l a n d

von F r a n z o s e n ,

Schweizern,

Bapst und des Venediger Kriegsvolk hart belagert w a r ,

zu

entsetzen, aber als bald der Feind unsere Ankunft vernommen,

zog er ab — und

sind

wir

denselben

Winter

im

P l a c e n t i n e r Gebürg gelegen. — Anno 1527 im Januario von Posto novo (Ponte M u r o , bess. Ponte Stura) bei Placenz ausgezogen, von Knechten, K u r i f s e r n , von Spanier, ringen (geringen?) Pferden,

16000

stark

mit

unserm

dem Herzog von Bourbon auf Rom z u , u n d Bapstes L a n d , um B o l o n i a verbrennt.

Obersten,

dadurch

des

und sonst alles verheert und

Den 6. Mai haben wir R o m mit dem Sturm ge-

wonnen, ob 6000 Mann darin zu T o d geschlagen, die ganze

68 Stadt geplündert, in alle Kirchen u n d ob der E r d genommen, was wir g e f u n d e n , ein gut Theil der Stadt abgebrannt, u n d seltsam Haus gehalten, alle Kopistereien, Register, Briefe u n d Cortisaney ( d . i. das Archiv della Corte) zerrissen, zerschlagen. Der Bapst gab die Flucht mit Guardiknechten, Cardinälen, Bischöfen u n d R ö m e r n , auch anderem Hofgesind, das nicht erschlagen w a r d , in die Engelburg. Darin haben wir ihn drei W o c h e n belagert, und ihn der H u n g e r genöthigt, dafs er die Engelburg mufste aufgeben. Vier von den t e u t schen Hauptleuten, darunter auch ich einer gewesen, vier von den Hispanischen, ein H e r r aus Spanien Abbas de Nazaret (Kriegscommissar der Armee, vergl. Historie d e r F r u n d s berge F o l . 134 und 1376.) g e n e n n t , u n d ein Secretari sind in die Engelsburg gesandt von dem Prinzen von Uranien und den kaiserlichen R a t h e n , die Engelsburg aufzumachen. Allda haben wir gefunden P a p s t d e m e n t e n samt 12 Cardinälen in einem engen S a a l ; den haben wir gefangen, mufste die Artikul, so Ihme der Secretari v o r l a s , u n t e r s c h r e i b e n . . . » W i r haben Rom nit zwen Monat inne gehabt, sind u n s bis in die 5000 Knecht u n d Kriegsvolk an der Pestilenz ges t o r b e n , von wegen der todten K ö r p e r , so nit begraben worden waren. Im J u l i o sind w i r sterbens halber heraus in die Marca g e z o g e n , u n d als uns die von Narnia nicht wollten einlassen, auch ums Geld kein Proviant geben, sind ich und mein H a u p t m a n n , genennt Antoni von Feldkirchen verordnet worden zu s t ü r m e n , haben wir mit 2000 Knechten den Sturm ohne beschießen angetreten, die Stadt u n d Schlofs erobert aus den Gnaden Gottes, u n d ob tausend Personen darinnen zu t o d geschlagen, Weib u n d Mann. Die W e i b e r th'äten uns mit W e r f e n u n d heifsem W a s s e r zu giefsen grofsen Schaden, doch haben wir viel darinnen gewonnen. — »Im September eod. ao. sein wir wieder in Rom gezogen,. die Stadt noch bafs geplündert Monat

allda gelegen.»

und sein noch sechs

Lebensbeschreibung

des berühmten

69 Ritters Sebastian Schärtlin von Burtenbach. S. 17 ff.

F r a n k f . 1777.

9. (S. 64.) C. B e l l e r m a n n , die ältesten christlichen B e g r ä b n i s s t ä t t e n u n d besonders die Katakomben zu Neapel. H a m b u r g 1839. S. 113. 10. (S. 64.) Ueber den damaligen elenden Zustand der S t a d t spricht sich der schon erwähnte S e b a s t i a n S c h ä r t l i n von B u r t e n b a c h , kaiserl. Hauptmann im F r u n d s b e r g i schen Heere als Augenzeuge mit kurzen derben W o r t e n also a u s : »Anno 1528 im F e b r u a r , als Möns, de Lautrec, von Frankreich Obrister, 4 0 , 0 0 0 stark zu Rofs u n d zu Fufs mit Landsknechten und Schweizern auch seines Volks an dem Meer herauf auf Neapolis z u z o g , dieselbigen Königreiche e i n z u n e h m e n , zogen w i r aus von Apulien zu auf T f o j a ; w a r e n 8 0 0 0 stark. Also fielen die Königreich alle umb, w u r d e n französisch; von T r o j a nahmen wir den Abzug eilends auf Neapolis, denn es war schon alles verloren, ohne Neapolis und Cajeta und Sicilia. »Um den Ostertag selbigen J a h r s 1528 zogen die F r a n zosen wider uns f ü r Neapolis und belägert uns bis September härtiglich. W i r hatten bös W a s s e r , bös B r o d , war stinkend K o r n aus Sicilien herkommen, wenig W e i n , kein Fleisch, viel krankes Kriegsvolk; wir fielen oft h e r a u s , thäten dem Feind grofsen Schaden. In derselben Stadt verspielt ich 5 0 0 0 Ducaten in einer S t u n d , und sliefs mich die Pestilenz an drei Orlen an. [Dies heifst wohl zu dreienmalen, durch gefangene Franzosen oder beim Gefecht mit denselben. Vergl. F r u n d s b e r g s Historie von Adam Reifsner S. 1 7 5 , wo erzählt w i r d , dafs Seb. Schärtlin den Feinden nachgejagt sei, und dann unter das grofse T h o r gesandt w o r d e n , um keine Feinde einzulassen, damit sie nicht die P e s t hineinbrächten.] Im September starben die Feinde fast sehr, wurden sehr schwach u n d krank; also fielen wir aus der Stadt mit einem schlecht e n , kleinen Volk, schlugen unsern Feind aus Gnaden Gottes,

70 nahmen ihnen alles ihr Geschütz und was sie halten. Da sind blieben Mr. de L a u t r e c , Mr. de Vaudemont, Graf W o l f von L u p f e n , H e r r Hans von Brandeck und viele g r o f s e r Herren. Bis 8 0 0 0 flohen gen Averso, dieselbe Stadt beschossen w i r mit ihrem eigenen Geschütz, nahmen die Feind heraus, führten die grofsen Hansen Marquiz de S a l u z e , P e tro de Navarra gen Neapolis, die sind allda alle gestorben. In Summa was nicht zu todt geschlagen, starb sonst. Ich glaub, es sei von dem grofsen Haufen nicht 1700 Mann übergeblieben. W a r grofser Jammer überall von T o d t e n . Also nahmen wir wiederum die Land Kaiserlicher Majestät ein.« Lebensbeschreibung Schärtlins S . ' 2 4 ff. 11. (S. 65.) Sein Grab sah im siebzehnten J a h r h u n dert der Markgraf Christian E r n s t v. Baireuth, wie Siegmund von B i r k e n in seinem Brandenburgischen Ulysses, Bayreuth 1 6 6 8 , S. 140 schreibt: »Vor dem Chor der Kirche S. P i e t r o d'Area (sie) ligt i e g r a b e n G u m b e r t u s , Markgraf zu Brandenb u r g , Markgr. Casimiri j ü n g s t e r B r u d e r : welcher mit seinem Bruder Markgr. Johann Albrechten in der Jugend nach R o m gereiset, bei Papst Leone X sich vor einen C a m m e r - H e r r n gebrauchen lassen u n d bei dessen Stul-Erbens Clementis V I I Zeiten annoch daselbst in Päpstlicher Devotion sich b e f u n d e n : dannen hero E r , als die Kaiserlichen A. 1527 die Stadt R o m erobert, mit anderen gefangen, aber durch die Teutschen wieder erledigt worden und mit denselben nach Neapoli gez o g e n . allda E r im folgenden J a h r den 24 Junii verstorben und in diese Kirche begraben worden. — In C a r a c c i o l o Napoli sacra, Napoli 1 6 2 3 pag. 4 2 4 wird die Grabschrift ganz kurz mitgetheilt.

Ueber den Veltro in Dante's göttlicher Komödie.

Heber den Veltro in Dante's göttlicher Komödie.

D a n t e , der erste und gröfste Dichter der aus den Trümmern des Alterthums verjüngt aufsteigenden W e l t und einer der edelsten Geister

aller Jahrhunderte,

macht

durch sein unsterbliches Gedicht, das der treue Spiegel seines erhabenen Genius und Charakters ist, die unabweislichsten Ansprüche auf ein immer erneutes Studium und auf eine unvergängliche Bewunderung bei Allen, die ihn und sein W e r k einmal kennen gelernt haben. Aber die Entfernung der Zeit, aus welcher wir die Divina Commedia betrachten, s o w i e der unerschöpfliche Reichthum ihrer Gedanken und Bilder machen ihr Verständnifs hin und wieder sehr schwierig, und so ist gleich im ersten Gesänge der Hölle den Auslegern eine Aufgabe gestellt, über deren Lösung man sich bis jetzt noch nicht geeinigt hat. Dante sieht sich — so hebt das Gedicht an — mitten auf seiner Lebensbahn in einem dunkeln Walde verirrt, verloren vom rechten Pfade, den er vergebens wieder zu finden sucht. Er weifs auch nicht zu sagen, wie er in diesen W a l d gerathen ist, denn er war voll Schlafs,

74 da er den rechten W e g verliefs.

Es ist Nacht.

Beim

anbrechenden Morgen liegt vor ihm am Rande des .Waldes ein steiler Berg, dessen Gipfel von den ersten Strahlen der Sonne erhellt wird.

E r will ihn erklimmen, aber

siehe, drei wilde Thiere versperren ihm den W e g .

Zu-

erst ein Panther, welcher ihn so scharf ins Auge fafst, dafs er einige Male umkehren mufs. Dann, als er schon hofft, dieses Unthier bezwingen zu können, treten ein Löwe und eine Wölfin ihm entgegen.

Die letztere be-

sonders, die schon grofses Elend unter vielen Menschen angerichtet h a t , raubt ihm alle Hoffnung, jene Höhe zu erreichen.

Schon wendet er traurig seine Schritte

zu dem finstern Walde hinab, da zeigt sich ihm unerwartet eine Hülfe.

Es ist der Schatten des Dichters

Virgil, der ihm die Rettung aus den Irrsalen des Waldes zuerst an seiner Hand, dann später an der Hand eines höhern Geistes, der Beatrice verheifst, jedoch auf einem ganz anderen Wege als dem, welchen Dante gewählt h a t , nämlich durch die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies.

Denn jene Wölfin, verkündigt ihm Virgil,

wehre ihm von hier aus den Gipfel des Berges zu gewinnen;

die unersättliche Begier

dieses Thiers

lasse

Niemanden ruhig seine Strafse ziehn, und es werde sich noch mit vielen andern Thieren begatten, bis es sterben müsse durch den Veltro, einen Hund von edler Art, den nicht wie die Wölfin Habgier nach Land und Metall, sondern nur Weisheit, Liebe und Tugend erfülle, und der Italien Heil bringen werde.

Seinen Ursprung aber

werde dieser Veltro zwischen Feltro und Feltro haben:

75 »Mit vielen T h i e r e n wird sich's noch begatten, Bis dafs die edle Dogge k ö m m t , die k ü h n Est w ü r g t u n d h i n s t ü r z t in die ew'gen Schalten. Nicht wird nach L a n d und Gold ihr H u n g e r g l ü h n , N u r W e i s h e i t , T u g e n d , Lieb' ist ihr B e g e h r e n , Inmitten f e l t r o u n d Feltro w i r d sie blühn. So bringt sie W e l s c h l a n d w i e d e r u m zu Ehren.« H ö l l e , Ges. 1. v. 1 0 0 - 1 0 6 . >)

Es unterliegt keinem Zweifel, und die Ausleger sind darüber ziemlich einverstanden, dafs Dante, der nach seiner eigenen Erklärung in seinem tiefsinnigen Gedichte auch einen ethischen Zweck verfolgt, unter jenem W a l d e das menschliche Leben versteht mit seinen grofsen Verwirrungen und Schmerzen, als den Folgen der Sünde, die in der Welt herrscht.

Diese Sünde hält den Men-

schen von den Höhen der Gottseligkeit oder der Tugend und des Friedens zurück, und tritt in drei Hauptformen nach den drei Hauptperioden des menschlichen Lebens auf, als sinnliche Lust der Jugend, als die ehrsüchtigen Bestrebungen der männlichen Jahre und als Habgier und Geiz des späteren Lebensalters. Das sind die drei Thiere, der bunt gefleckte Panther, der Löwe und die raubgierige Wölfin. Daher kann der Mensch, auf welchen, .so lange er lebt, die Sünde eine Gewalt ausübt, nur auf einem anderen W e g e , als den er allein gehn will, zum Gottesfrieden gelangen. Vergeblich und verderbenbringend würden alle seine Bestrebungen sein, wenn er unbewacht den Eingebungen seines Herzens folgte. E r bedarf eines besondern höhern Schutzes, einer höhern Vermittelung. Er bedarf zweier F ü h r e r , die die göttliche Liebe ihm

76 mitgiebt, die denkende beschauliche Vernunft und die Religion, oder die Philosophie und die Theologie.

Der

Ersten Repräsentant ist in unserem Gedichte Virgil, der helle klare Dichtergeist der römischen W e l t , vor dessen Blicken die Natur wie die Geschichte aufgeschlossen dal i e g t 2 ) , und der im ganzen Mittelalter als ein reich begabter Meister der Kunst und der höheren Wissenschaft verehrt wurde.

Repräsentant der Zweiten ist Beatrice,

die in den Himmel eingegangene und dort der höchsten Anschauungen gewürdigte, verklärte Geliebte des Dichters; beide aber werden durch himmlische Mächte zu Dante, dem Menschen, herabgesandt. An der Hand der Philosophie beginnt nun der Mensch den richtigeren Lebensweg. Die ihm von Gott verliehene Vernunft läfst ihn was Gut und Böse ist erkennen; aber er lernt auch durch sie schon jene furchtbar ernste Nemesis erkennen, die sich durch die ganze Geschichte des Menschen hindurch geltend macht, die ihn nach seinen Thaten richtet und wonach er entweder durch die Sünde ganz verloren geht, das ist die Hölle, oder doch unsägliche selbstverschuldete Schmerzen und Beschämungen zur Läuterung seines Wesens erdulden rnufs, das Fegefeuer. Die Theologie aber, eine noch höhere, vom Himmel selbst herabgekommene Führerin des Menschen offenbart ihm die ewigen himmlischen Mächte und die Kräfte der Gottheit und den Zustand der Seligen, das ist das Paradies. Nur auf diesem gnadenreichen W e g e , den der Himmel vermittelt, entkömmt der Mensch jenen Verirrungen

77 des Lebens in der Sünde oder jenem finstem Walde j nur durch den Besitz der höheren Erkenntnifs und einer höheren Kraft, die ihm Vernunft und Religion darbieten, sind dem Erdgeborenen die lichten Höhen der Tugend und des Friedens oder der Gottseligkeit nicht mehr verschlossen. Dies ist der ethisch - religiöse Grundgedanke des grofsen christlichen Gedichts, von welchem Dante selbst in dem Briefe an seinen hohen Gönner Can grande della Scala sagt, dafs es ein vielsinniges Werk sei, welches neben der buchstäblichen auch eine allegorische oder moralische Bedeutung habe, und dafs in letzterem Sinne der Zweck desselben sei, die in der Welt Lebenden aus dem Zustande des Elends zu retten und in einen Zustand der Beseligung überzuleiten 3 ). Aber Dante macht auch für sein Gedicht einen buchstäblichen oder historischen Sinn geltend. Ueberall treten darin historische Personen auf, Uberall sollen darin bestimmte weltgeschichtliche Zustände erkannt werden, und so nöthigt uns seine eigene Erklärung, auch in den Hauptzügen jener Allegorie, womit sein Gedicht anhebt, neben jenem ethischen Gedanken auch historische Beziehungen anzuerkennen, besonders da ja diese Allegorie selbst zuletzt ganz bestimmt Italien nennt. Dante ist nicht allein Moralphilosoph und Theolog, sondern auch Staatsmann und Patriot, der selbst ungemein thatkräftig in das öffentliche Leben seines Vaterlandes eingriff, und bis zu seinem Tode mit glühender Liebe an dem Wohl und Wehe desselben Theil nahm, und

78 dies spricht sich in seinem ganzen Gedichte wieder aus. Wir sehen darin ihn selbst, den edlen Florentiner, seine äufsere wie seine innere Geschichte und die seines Vaterlandes, ja seines ganzen Jahrhunderts mit seinen Einflüssen auf jenes. Und daher stehen gewifs auch schon hei der Schilderung jenes Waldes die Verwirrungen vor seiner Seele, in welche seine Zeit und er seihst mit ihr gerathen ist; und das, was ihn und alle Besseren seiner Zeitgenossen von dem Ziel ernster, redlicher Bestrebungen, jenen Höhen der Tugend und des Wohlergehens zurückhält, das sind die leidenschaftlichen Bewegungen und Kämpfe und die Laster seiner Zeit. Bei der Schilderung des Panthers oder der Sinnenlust will er es gar nicht verbergen, wie diese schwer zu zligelnde Gewalt nicht nur ganz Italien und was er am genauesten darin kennt, seine Vaterstadt Florenz verheerend «griffen und die guten, einfachen Sitten seiner Väter vernichtet, sondern dafs sie auch auf ihn selbst einen mächtigen Einflufs ausgeübt hat, da es ihm an der rechten Wachsamkeit gefehlt. Doch hofft er noch diesen verderblichen Einflüssen zu rechter Zeit sich zu entziehen. Noch mehr Verderben bringen aber die beiden andern Thiere, Löwe und Wölfin, Herrschsucht und Habgier, die mehr vereint auftreten, und wenn Dante hierbei wieder an die damaligen italienischen Zustände dachte, so liegt es nahe, in dem Löwen, der sein stolzes Haupt dem Dante entgegenstreckt,' die herrschsüchtigen Parteien seiner Zeit, Guelfen und Ghibellinen, Bianchi und Neri sowie §lle diejenigen zu erkennen,

79 welche jene inneren Zwiste hervorgerufen oder zu ihrem Vortheil ausgebeutet und auf Italien einen nachtheiligen Einflufs ausgeübt haben, besonders Frankreich mit seinem Carl vonAnjou, Carl von Valois, Philipp IV u. A., und in der Wölfin endlich, die, je mehr sie verschlingt, desto gieriger nach neuer Beute wird, das entartete Rom und die weltliche Macht der Päpste 4 ). Bis hierher hat die Deutung jener Allegorie keine Schwierigkeiten: die besten Ausleger stimmen in diesen gegebenen Erklärungen mit einander überein, und wir haben uns nur zu hüten, dafs wir in Bezug auf die historischen Beziehungen dabei nicht in das Kleinliche gerathen, oder, wie einige der neuesten italienischen Commentatoren gethan haben, nur die politische Seite des Gedichts hervorheben und darüber seine tiefe, religiöse Bedeutung ganz verkennen. Aber eine Frage bleibt hier noch zu beantworten übrig, worüber man sich bisher noch nicht hat einigen können, und die das eigentliche Kreuz der Ausleger immer gewesen ist. Wer ist jener Veltro, jene edle Dogge, die das schlimmste der drei Thiere die Wölfin endlich bezwingen und Italien Heil bringen soll? Bei der Lösung dieses Räthsels ist aber vielen Auslegern das als die Hauptschwierigkeit erschienen, dafs weil in den drei Thieren Panther, Löwe und Wölfin sowohl der allgemeine sittliche Gedanke an die Laster der Welt, als auch eine besondere historische Beziehung auf Dante's Zeitalter und Vaterland zu erkennen sei, demnach auch bei der Auslegung des Veltro auf dieses

80 Beides Rücksicht genommen werden müsse, und dafs daher der Veltro einmal der Retter der ganzen Menschheit aus der Sünde, dann aber auch insbesondere der Retter Italiens aus dessen eigenthümlichen Leiden sein müsse. Do^h ist diese Ansicht gewifs eine unrichtige. Der Veltro ist allein auf Italien und auf Dante's Zeit zu beziehen, indem es von ihm nur heifst, er werde dem erniedrigten Italien, nicht der ganzen Welt flii' alle Zeiten, z u n Heile werden, wie daher auch in den nächstfolgenden Zeiten nur Italien näher bezeichnet ist durch die mythisch-historischen Personen des Turnus, der Camilla u. A. Gegen die drei Thiere, insofern sie das allgemeine Verderben in der ganzen Menschheit bezeichnen, soll der Veltro kein Schutz sein, wie ja auch Dante, insofern er den Menschen überhaupt repräsentirt, nicht durch den Veltro vor den Thieren gerettet wird, - sondern durch Virgil und Beatrice und was diese repräsentiren. Dem allgemeinen Wehe, welches der Menschheit die Sünde bereitet, entgeht der Mensch auf einem ganz anderen Wege, auf dem allein auch Dante gerettet wird an der Hand Virgils und Beatrices, das heifst eben vermittelst des Beistandes, den Gott uns darbietet in der uns zu diesem Leben mitgegebenen Vernunft und göttlichen Offenbarung. Beschränken wir daher, wie wir nach der Idee des Dichters müssen, den Veltro auf diesen speciellen Beruf, den er für Italien und Dante's Zeitalter h a t , so wird sein Verständnifs schon weniger schwierig sein, und von diesem Gesichtspunkte aus werden wir auch die

81 bisherigen Versuche, ihn zu deuten, am besten beurtheilen. Die ältesten Commentatoren, unter denen B o c c a c cio,

noch zu Dante's Lebzeiten geboren, immer

wichtigste bleibt,

der

denken dabei bald an einen planeta-

rischen Einflufs, der, nach einer langen Herrschaft der Lasterhaftigkeit auf der Erde, endlich ein saturnisches Zeitalter der Gerechtigkeit und Tugend

wiederbringen

werde, bald an Christus selbst, der nach der prophetischen Schilderung des Daniel am Ende der Welt in den Wolken des Himmels erscheinen soll.

Und auf ein

solches Kommen in den Wolken beziehen sie dann jenen Vers: »In' Mitten Feltro und Feltro wird sie blühn«, oder wörtlich zwischen Feltro und Feltro wird der Ursprung jener Dogge sein, indem das W o r t Feltro auch die Bedeutung von Wolke haben kann 5 ). Gegen diese Erklärung spricht aber jene namentliche ja sogar ausschliefsliche Erwähnung von Italien, der Yeltro heilbringend sein werde.

dem

Und da wäre es

doch ein seltsamer Trost für Italien, wenn seine Rettung nur erst am Ende der Welt erscheinen sollte. Oder Dante müfste sich mit chiliastischen Träumereien herumgetragen und ein tausendjähriges Messiasreich auf Erden erwartet h a b e n , wie allerdings auch in Dante's Zeitalter solche Ideen manchen Kopf beschäftigten.

Aber hiervon

findet sich in Dante's, Gedichte nirgend eine S p u r , und in seinem hellen, klaren Geiste war wohl auch kein Platz dafür. 6

82 Diese Schwierigkeiten hat man später gefühlt und ist daher bei neuen Erklärungsversuchen von der entgegengesetzten Voraussetzung ausgegangen, dafs nämlich Dante hier, wo er die Hoffnungen Italiens an das Erscheinen des Veltro knüpft, in diesem auf eine ganz bestimmte historische Person hindeuten müsse, auf welche er die gröfste Hoffnung ftir sein Vaterland gesetzt habe. Und so hat Alessandro V e l l u t e l l o 6 ), ünd vielleicht schon andere Ausleger vor ihm hierbei an den bereits erwähnten hochherzigen Fürsten von Verona, Can grande della Scala gedacht, der eine Reihe von Jahren hindurch die Hauptstütze der kaiserlichen Partei in Italien war und bei welchem Dante während seiner Verbannung lange Zeit eine grofsmüthige Aufnahme fand. Dieser müsse jener Veltro sein, der die bessere Zeit über Italien herbeiführen werde, und dann wären in dem Verse, wo von zweien Feltro die Rede ist, zwei Städte im nördlichen Italien gemeint, Feltro in der trevisanischen Mark, und Monte Feltro am Apennin auf der Grenzscheide des florentinischen Gebiets und der Roinagna, wodurch ungefähr die Nord- und Südgrenze des kaiserlich gesinnten, antiguelfischen Italiens bezeichnet wäre, und in welchem auch die Besitzungen des Can grande von Verona mit einbegriffen sind. Diese Erklärung, die auch von den meisten Auslegern noch jetzt angenommen wird, hat allerdings viel Empfehlendes für sich, besonders weil Dante an einer anderen Stelle seines Gedichts, im 17. Gesänge des Paradieses, ganz unzweifelhaft auf diesen Fürsten hinweist

83 und dessen hohe Tugenden rühmt.

Dort nämlich legt

Dante's Ahnherr Cacciaguida, den der Dichter um sein künftiges Schicksal b e f r a g t , ein rühmliches Zeugnifs sowohl von Cans kriegerischem Geiste, als auch von dessen Grofsmuth und Uneigenniitzigkeit a b , die Dante einst selbst während seines Exils bei ihm erfahren werde: » D o r t siehst du i h n , auf w e l c h e n übergingen S o stark bei der Geburt des Mars G e w a l t e n , Dafs seine T h a t e n z u den Sternen

dringen.

Noch freilich kann sich dieses nicht entfalten B e i seiner J u g e n d , da die S o n n ' u m ihn E r s t neun v o n ihren S c h w i n g u n g e n

gehalten.

Eh' des Gascogners L i s t e n noch u m z i e h n Den hohen H e i n r i c h , w i r d er F u n k e n

zeigen,

W e i l er das Gold nicht achtet oder Mühn.« Parad. Ges. 17. v . 7 6 — 8 4 .

Durch diese Charakterisirung des Can entsteht in der T h a t eine Art von Parallele mit unserer Stelle, in welcher ja am Veltro gerade auch der edle, Uber Goldund Ländergier erhabene und liebevolle Sinn gepriesen wird.

Aber so nahe es auch liegen mag, dabei zuerst

an Can dclla Scala zu denken, zumal auch die Wahl des Bildes, die jedoch schon durch die andern symbolischen Thiere notlnvendig w u r d e , einer Anspielung auf den Namen Can ähnlich sieht, so ist gleichwohl schwer zu glauben, dafs Dante, wenn er auch für einige Zeit auf jenen edlen Veroneser grofse Hoffnungen für sein Vaterland setzte, in seinem Gedichte, in welchem überall neben der höchsten dichterischen Begeisterung eine

84 so besonnene, kunstvolle Abwägung der ganzen Composition und des beabsichtigten Eindrucks sichtbar ist, so bestimmt und ausschließlich auf Eine historische Person habe hinweisen wollen, auf die Gefahr hin, dafs dadurch sein prophetisches Gedicht, wenn jene erregten Erwartungen fehl schlugen, den bleibenden W e r t h der Wahrheit verlieren könnte.

W i e denn auch wirklich

Can noch vor Dante's Tode seit der erlittenen Niederlage bei Padua durch die Guelfen im J. 1320 viel von seinem Ansehn und seiner Bedeutung verlor, so dafs wahrscheinlich dadurch Dante selbst sich genöthigt sah, Verona zu verlassen und zu einem anderen Freunde, Guido Novello da Polenta, dem Herrn von Ravenna sich hinzuwenden, bei welchem er dann auch im darauffolgenden Jahre 1321 starb. Und derselbe Grund macht jeden ähnlichen Versuch bedenklich, in dem Veltro eine bestimmte Person entdecken zu wollen, wie wenn zum Beispiel der geschätzte neapolitanische Gelehrte, C a r l o T r o y a 7 ) zu beweisen sich bemüht, dafs der kriegerische -und tapfere kaiserliche Vicar von Genua, Uguccione della Faggiola, gemeint sei, der sich noch früher als Can, von 1300 bis 1 3 0 8 , also zu einer Zeit, in welche die Abfassung der ersten Gesänge der Hölle fallen dürfte, als Gegner Bonifaz VIII und der gueliischen Partei berühmt gemacht hatte.

Und

der Marchese P o m p e o A z z o l i n o 8 )

ist

sogar der Meinung, Dante habe sich selbst unter dem Veltro verstanden, indem er gehofft habe, dafs er durch sein Gedicht und die darin enthaltenen ewigen W a h r -

85 heilen die Barbarei Italiens besiegen werde, wenn

er

dann auch schon nicht mehr auf E r d e n , sondern

in

den W o l k e n , tra feltro e feltro, das heilst im Himmel sein werde. Bei solchen Schwierigkeiten, die alle diese historischen Erklärungen mit sich f ü h r e n , ist daher in jüngster Zeit durch einen der letzten Uebersetzer des Dante August

Kopisch

eine

ganz

Iiche Deutung gegeben worden,

neue

und

eigenthtim-

die insofern auf einen

richtigeren W e g hinleitet, als sie von einer einzelnen geschichtlichen Person absieht.

Dante soll nämlich als

frommer Katholik die bessere Zeit für Italien von keinem Anderen als von einem Papste selbst gehofft haben, aber freilich von einem Papste so heiligen Eifers voll, dafs er, nachdem er sich freiwillig alles weltlichen Besitzes und Ansehns begeben, in der Armuth der ersten römischen Bischöfe die Kirche regieren und durch seinen geistigen Einflufs allein Italien beglücken werde. Einen solchen Retter habe Dante f ü r die Welt und sein Vaterland erwartet, und jener Veltro bedeute eben nichts Anderes als Papstes

9

»den

heiligen

Eifer

eines

armen

).«

Zur Begründung dieser Auslegung wird

Folgendes

beigebracht. Der Hund bedeute erstens überhaupt den h e i l i g e n Eifer für das Göttliche.

Dieses Symbol habe Dante aus

der von ihm selbst im zwölften Gesänge des Paradieses leise angedeuteten Legende des heiligen Dominicus genommen, dessen Mutter einmal geträumt h a t t e , sie werde

86 einen Hund zur Welt bringen, der eine Fackel im Maule trüge, welcher Umstand auf den heiligen Feuereifer des Dominicus gedeutet worden. Aber auch den heiligen Eifer e i n e s P a p s t e s insonderheit könne der Hund bedeuten, denn zu Danle's Zeit sei das Sinnbild eines Hundes, der die Heerde Christi vertheidigt, nicht nur auf den heiligen Dominicus angewendet worden, sondern auch auf den Papst, wie man dies auf einem alten Bilde in der Capelle degli Spagnuoli bei Santa Maria in Florenz sehe, wo der Papst und der Kaiser als die Erhalter der Kirche abgebildet sind und darunter die Heerde Christi von zwei Hunden bewacht wird. Endlich aber insonderheit einen a r m e n Papst voll heiligen Eifers, diesen bezeichne unser Vers 105, in' welchem das zweimal genannte Wort Feltro weder die Wolken des Himmels, noch die Städte des ghibellinischen Italiens bedeute, sondern Filz, das heifst das härene Gewand der freiwilligen christlichen Armuth jenes Papstes voll heiligen Eifers, der die irdische Gier und den Mammondienst, die Wölfe von der Heerde vertreiben und freiwillig dem Kaiser zurückgeben werde, Was des Kaisers ist. Denn so müsse jener Vers 105 unfehlbar übersetzt werden: E r wird geboren unter schlichtem Filze, oder w ö r t l i c h : E r wird geboren zwischen Filz und Filze.

Wenn aber schon im Allgemeinen die Beweise zur Begründung dieser neuen scharfsinnigen Deutung etwas

87 mühsam zusammengebracht sind, so läfst sich auch im Einzelnen manches

Erhebliche

dagegen

sagen.

Denn

erstens ist doch in jener Vision der Mutter des heiligen Dominicus die F a c k e l im Maule des Hundes etwas sehr Wesentliches, um

diesen zum Symbol eines heiligen

Eifers zu machen.

Ferner ist gar kein entscheidender

Grund vorhanden, im Veltro gerade nur eines P a p s t e s heiligen Eifer zu erkennen, denn nach jenem zur Unterstützung dieser Annahme

herbeigezogenen Bilde in

Florenz könnte eben so gut der Hund den wachsamen Eifer eines Kaisers, dem ebenfalls ein Hund beigegeben ist, bedeuten.

Wir müssen aber vor allen Dingen fra-

gen : entspricht diese Deutung der Denkweise des Dante, wie diese in anderen, ganz unzweideutigen Aeufserungen in seinem Gedichte und in seinen übrigen Schriften sich kund t h u t ? Dies müssen wir aber durchaus verneinen.

An keinem einzigen Orte des grofsen Gedichts,

welches an so vielen Stellen das sehnsüchtigste Verlangen nach einer besseren Zeit in der Kirche wie im Staate ausdrückt, nirgends wird die Aussicht und Hoffnung auf einen solchen W e g der Rettung, auf einen freiwillig aller irdischen Macht und Gröfse sich entäufsernden Papst ausgesprochen oder angedeutet.

Ein solcher Ge-

danke ist dem Dante ganz fremd und seine Hoffnungen liegen auf einem ganz anderen Gebiete. Der Verfasser dieser neuen Deutung will aber dieselbe noch durch eine Stelle im Gesang 33 des Fegefeuers unterstützen, und es ist daher nöthig, auch diese Stelle zu betrachten.

Dort hat sich vor Dante's Augen

88 ein grofsartiges Schauspiel

entfaltet, welches

in

einer

Reihe von wunderbaren Bildern die Schicksale der Kirche wie des Staats darstellt. Zuge von Jünglingen

Nach einem langen feierlichen

und Greisen

erscheint ein

einem Greif' gezogener Triumphwagen. ist die Kirche;

der Greif in seiner Doppelnatur,

Vogel halb L ö w e , ist Christus. Wagen

Ein Adler

halb

stellt dein

eine Zeit lang feindlich nach und stürzt

beinahe u m ;

von

Dieser W a g e n

ihn

eine Hindeutung auf die ersten römischen

Kaiser in ihren Versuchen, die christliche Kirche zu unterdrücken.

Später kehrt aber der Adler wieder zurück

und bestreut den W a g e n mit vielen ihm

entfallenden

Federn. Hierdurch wird Constantins vermeintliche Schenkung des Kirchenstaats an den Papst Silvester bezeichnet.

Nun thut sich die Erde auf und eine scheufslichc

Schlange

umwindet

mit

ihrem giftigen Schweife

den

W a g e n , — mit dem irdischen Besitze ist die Kirche allen Anläufen des Teufels blosgeslellt — bis

endlich

eine freche Dirne und ein Riese den W a g e n in Besitz nehmen und gewaltsam wegführen.

Das sind die spä-

teren weltlich gesinnten Päpste und die weltlichen Fürsten,

die mit Jenen zur Schmach und zum Verderben

der Kirche in ein Bündnifs getreten sind, wobei Dante wohl besonders an die um Roms Gunst buhlenden französischen Könige und an die darauf folgende Versetzung des päpstlichen Stuhls nach Avignon dachte. Ueber diese arge Verwüstung

der Kirche erhebt sich nun ein ern-

ster K l a g e g e s a n g ;

Beatrice aber,

die hier Dante'n zur

Seite steht und es w e i f s , welches Trostes

er bedarf,

89 spricht in wahrhaft apokalyptischer Weise folgende Prophezeiung aus, die wörtlich übersetzt so lautet: W i s s e , der W a g e n , den zerbrach die Schlange, E r war und ist nicht m e h r , doch w e r defs Schuld h a t , E r glaube n i c h t , dafs Gattes Rache ausbleibt. Nicht jeder Zeit wird bleiben ohne E r b e n D e r A d l e r , der die F e d e r n liefs im W a g e n , Der dadurch Ungeheuer w a r d , dann Beute. Denn deutlich seh' ich's und darum verkünd' ich's, Dafs Zeit dazu schon geben n a h e S t e r n e , V o n jeder H i n d ' r u n g frei und jeder S t ö r u n g , In welcher ein F ü n f h u n d e r t , Z e h n u n d F ü n f e Gesandt von G o t t , die feile Dirne t ö d t e t , Und jenen Riesen auch, der mit ihr frevelt. Vielleicht will meine dunkle Rede minder Als Themis u n d als Sphinx dich ü b e r z e u g e n , W e i l sie, gleich j e n e n , ihren Sinn verhüllet. B a l d aber werden das gewalt'ge Rätbsel Die Thaten dir statt der Najaden lösen Ohne V e r l u s t der Saaten und der Heerden. Fegefeuer Ges. 33. v. 34 — 51.

In diesen Worten des Dichters soll nun nach der Erklärung des Herrn Kopisch eine ähnliche Hinweisung auf einen zu erwartenden. reformatorischen Papst liegen, wie in dem Veltro, indem nämlich die drei Zahlen, Fünfhundert, Zehn und F ü n f , als römische Buchstaben DXV geschrieben, bedeuten sollen: Dominus Xristi Vicarius, wodurch allerdings jene neue Erklärung des Veltro eine sehr bedeutende Stütze erhalten würde. Aber wie auch diese Deutung der drei Zahlen ansprechen m a g , so mufs sie, wenn wir jene ganze Stelle

90 mit unbefangenen Augen ansehn, doch völlig unzulässig erscheinen. Der ganze Zusammenhang der Gedanken ist dagegen. Denn nachdem die ersten Worte der Beatrice Nicht jeder Zeit wird bleiben ohne Erben Der A d l e r — offenbar in uns den Gedanken an einen rettenden Kaiser hervorgerufen haben, so wäre doch gewifs aufs höchste befremdlich, wenn die Rede nun mit einemmale vom Kaiser auf den Papst überspränge, und so fortführe: denn deutlich sehe ich schon, die Zeit ist n a h e , dafs ein Statthalter Christi, e i n P a p s t , kommen w i r d , der die feile Dirne tödtet und den, der mit ihr frevelt. Vielmehr kann man nur erwarten, Beatrice werde jenen eben hervorgerufenen Gedanken an einen Erben des Adlers, d. i. an einen Kaiser festhalten und weiter verfolgend sagen: denn Gott wird einen K a i s e r

senden,

durch

den auch alle diejenigen, die die Kirche entweihet und verwüstet haben, gezüchtiget werden sollen.

Und die-

sen natürlichen Sinn giebt die Stelle, wenn wir bei der sonst

angenommenen Auslegung

jener

Zahlen

stehen

bleiben, nach welcher ihre entsprechenden Buchstaben D X V. das W o r t DVX in der Bedeutung eines weltlichen Führers und Ordners der Weltbegebenheiten bilden,

gerade wie auch Dante selbst an einer andern

Stelle seines Gedichts, wo er auch wie hier vom kaiserlichen Adler redet, den Kaiser gerade eben so bezeichnet: II segno del mondo e d e ' s u o i

duci

Als u n s r e r W e l t und ihrer F ü h r e r Zeichen Parad. Ges. 2 0 . v. 8.

91 Mithin können wir auch diese Stelle im Gesänge 33 des Fegefeuers nicht als eine Stütze f ü r jene neue Deutung des Veltro, im Gegentheil nur als ein Argument dagegen ansehen.

Den allzukühnen Gedanken

an einen Papst,

der freiwillig aller weltlichen Macht und Grafse des römischen Stuhls entsagen und motu proprio wieder zur Arm u t h der Apostel hinabsteigen und dann Italien'retten werde, dürfen wir dem weit erfahrenen Dante umsoweniger beimessen, als er in seinem Gedichte dieses Kommen einer bessern Zeit, diese Rettung des Staats und der Kirche aus den verwirrten Zuständen der Gegenwart, immer a l s n a l i e b e v o r s t e h e n d

bezeichnet. In der

angeführten Stelle sagt er, dafs das Räthsel jener Prophezeiung b a l d gelöst sein werde, und er sieht,» wie Sterne eine Zeit herbeiführen, wo

alle

früheren Hindernisse verschwunden sein werden,

schon n a h e

dafs

Italien glücklich sei.

Und an einer andern Stelle voll

ähnlicher Hoffnungen und Verheifsungen sagt er: Die hohe V o r s e h u n g , die auf den Zinnen Des Ruhmes R o m durch Scipio erhalten, W i r d , seh' ich r e c h t , hier H ü l f e b a l d ersinnen, P a r a d . Ges. 27. v. 6 1 - 6 3 .

W a s konnte den Dante hoffen lassen,

ein solcher

Papst, der voll heiligen Eifers sich alles weltlichen Besitzes entaufsere und dem Kaiser zurückgeben werde, was des Kaisers i s t , ein solcher Papst werde nun bald erscheinen ? W e d e r die Gegenwart noch die Vergangenheit gab ihm Veranlassung und Grund zu glauben, die Constellation dazu stehe günstig. W a r ihm ein einziger

92 Mann, der auf Petri Stuhl gesessen, bekannt, der nach Sylvester, welchen er den ersten reichen Papst nennt, eine Miene gemacht hätte, jene vermeintliche Constantinische Schenkung, jene über den Wagen der Kirche ausgestreuten Federn des Adlers, wieder herauszugeben? Oder waren es Dante's Zeitgenossen, die ihm zu diesem Glauben Muth gaben?

C l e m e n s IV, unter welchem

Dante geboren, wird von ihm nur als der herrschsüchtige unbarmherzige Gegner der kaiserlichen Macht

erwähnt,

H a d r i a n V ist als Geiziger, M a r t i n IV als Schwelger im Fegefeuer. N i c o l a u s III hat unter den Simonisten seinen Platz in der Hölle. C ö l e s t i n V ist wahrscheinlich der Feigling, der im Vorhofe der Hölle denen beigesellt ist, die ohne Schmach und ohne Ruhin lebten. Von B o n i f a z VIII redet der heilige Petrus im Paradiese als von dem, welcher R o m , das Grab der Apostel, zum Kloak gemacht habe: er wird schon in der Hölle erwartet, wie auch sein Nachfolger der Simonist Clemens V, und von Johann X X I I , der den Dante noch überlebte

und

den schnödesten Handel mit Pfründen

und Annaten trieb, heifst es, er trinke das Blut der Heiligen. Bei einer solchen Perspective vorwärts und rückw ä r t s , die Dante in seinem Gedichte aufstellt, sollte er die baldige Rettung Italiens und der Kirche von der freiwilligen Armuth eines Papstes gehofft haben ? Gewifs, man könnte Dante's klarem Verstände kein grofseres Unrecht t h u n , als wenn man dies im Ernst glauben wollte Ohne Zweifel war Dante ein frommer und streng katho-

93 lischer Christ, der mit dem bittersten Schmerze die Entartung seiner Kirche s a h ,

und

sehnsüchtig auf eine

baldige Heilung ihrer Schäden hoffte; doch Niemand wird daneben auch seinen gesunden politischen Blick und seine tiefe Kenntnifs der Geschichte und des menschlichen Herzens in Zweifel ziehn; Geschichte aber und Vernunft mufsten ihn lehren, dafs das Heil und das nahe Heil Italiens und der Kirche auf jedem

andern

Wege eher zu hoffen sei, als auf diesem. Hätte Dante seine Hoffnung auf einen solchen frommen Traum von einem freiwillig armen Papste gesetzt, der seine dreifache Krone und das Patrimonium Petri mit dem schlichten Filze vertauschen und doch die Kirche als oberster Bischof regieren werde, so würde ihm nur ein Platz unter den beschränktesten Schwärmern gebühren. Auf wen sind aber

nun Dantes Hoffnungen mit

besserem Grunde gerichtet ? und wer ist der Veltro, der Italien von der Wölfin, der päpstlichen Habsucht und allem daraus hervorgehenden Unheil befreien wird ? — Es kann nach Dante's Vorstellungsweise, wie er sich die Verhältnisse in der Welt denkt, kein Anderer sein als ein solcher, dessen Zeichen und Sinnbild der Adler ist, ein DVX, d. h. ein gerechter und kraftvoller Kaiser, der seiner von der Vorsehung ihm angewiesenen Stellung sich bewufst ist, und das ihm gewordene Recht handhabt, alle Händel in der W e l t zu schlichten und insbesondere auch als dazu befähigter Schirmvogt Italiens und der Kirche jede eingetretene Unordnung beseitigen.

zu

Ein solcher mufs daher auch die unsiatt-

94 hafte Vereinigung des weltlichen und geistlichen Schwertes in der Hand derer, die Dante immer nur als Usurpatoren, nicht als rechtmäfsige Inhaber des päpstlichen Stuhls und zu gleicher Zeit eines weltlichen Throns betrachtet, wieder aufheben.

Aber dieser rechte Helfer

für Italien, dem es nicht um Eroberungen zu tkun ist, sondern der nur mit treuer Liebe beflissen i s t ,

Italiens

verworrene Verhältnisse wieder zu ordnen, es kann dies freilich auch nach Dantes politischem Blicke kein anderer Kaiser sein als ein einheimischer, italienischer Fürst. Dies ist offenbar Dante's Meinung, die er unter dem Bilde jenes Veltro darstellt. Deutlich genug hat j a auch Dante seine Theorie über das Verliältnifs des Kaisers zum Papste in seinen andern Schriften, namentlich im Gastmahl 1 0 ) und in der Monarchie vorgetragen.

Besonders in dem letztgenannten,

von der römischen Curie heftig verfolgten Buche bekämpft Dante den vornehmlich von Gregor VII aufgestellten Grundsatz, dafs der Kaiser dem Papste

unter-

geordnet sei, da jener erst alle seine Machtvollkommenheit vom Papste erhalten habe. nach,

Dagegen weist Dante

wie nach dem Rathschlufs

Gottes zwei gleich

grofse und auf gleiche Weise von Gott unmittelbar eingesetzte Mächte die W e l t leiten sollen, der Kaiser und der Papst, jener als Ordner der zeitlichen und weltlichen, dieser der geistlichen und ewigen Dinge.

Dem

Kaiser komme es z u , wo eine Unordnung in der W e l t entstanden, wo eine Ungerechtigkeit wieder zu beseitigen sei,

einzuschreiten.

»Daher bedurfte der Mensch'

95 eine doppelte Leitung nach den beiden Zwecken seines Lebens, nämlich des Oberbischofs, der das Menschengeschlecht der Offenbarung gemäfs zum ewigen Leben führte, und des Kaisers, der die Menschen nach philosophischen Unterweisungen dem zeitlichen Glück zulenkte. Und weil zu diesem Hafen Niemand oder nur Wenige und nur schwer gelangen können, wenn nicht das menschliche Geschlecht, nachdem die Wogen der Begierden besänftigt worden, frei in sanftem Frieden ausruht^ so ist dies das Ziel, welches der Regierer der Erde, der römische Kaiser, besonders im Auge behalten mufs, damit man auf diesem irdischen Wohnsitze in Frieden lebe« " ) . Und das ganze zweite Buch dieser Schrift von der Monarchie beschäftigt sich besonders mit dem Gedanken, dafs das römische Volk, dafs Italien diesen Kaiser aufstellen müsse nach alten Rechten, j a nach ewiger Weltordnung. Dafs diese Weltordnung gestört worden ist seit jener Schenkung des Kaisers Constantin an den Papst, das istDante's grofser Schmerz, der sich durch sein ganzes Gedicht hindurchzieht; aber er verhehlt es auch nicht, dafs die Abhülfe und die Rettung wieder von da kommen müsse, wo zuerst gefehlt worden sei, d. h. vom Kaiser. Hören wir zuerst Dante's Klagen über Constantin's Schuld: Ach Constantin, welch Uebel hat gezeugt, Deine B e k e h r u n g nicht, nein deine S c h e n k u n g , Die du dem e r s t e n , reichen Papst erzeigt! Hölle Ges. 1 9 . v. 1 1 5 ff.

96 Wir haben ferner schon oben gesehn, wie Dante denselben Kaiser unter dem Bilde eines Adlers darstellt, der den Wagen der Kirche mit seinen Federn überschüttet hat, und wie in Folge dieser unangemessenen Schenkung die Kirche dem traurigsten Verfalle preisgegeben ist 1 2 ). Eben so maeht Dante dem Kaiser Constantin noch zu einem zweiten Vorwurfe, dafs er den kaiserlichen Sitz von Rom nach Constantinopel. verlegt habe, welches auch noch die gröfsere weltliche Erhebung des Papstes zur bösen Frucht gehabt"). Auf diese Weise sei denn geschehen, nachdem Rom vorher zwei Sonnen gehabt habe, die die Wege der Welt und die Wege Gottes erhellt hätten, dafs die Eine von der Andern ausgelöscht worden und das Schwert zum Hirtenstab gekommen sei, wodurch . die gegenseitige Achtung verloren gegangen und die Kirche in den tiefsten »Schmutz versunken sei« 14). Noch schmerzlicher ist Dante's Weheruf über diesen unnatürlichen, verwirrten und durch Constantin verschuldeten Zustand, nachdem er im Fegefeuer unter den Geizigen den Papst Hadrian V gefunden hat, und dadurch veranlafst wird, die Habgier der Päpste anzuklagen, wobei er augenscheinlich mit Bezug auf unsere Stelle jene alte Wölfin verwünscht und sehnsüchtig die Frage an den Himmel richtet, wann endlich Der kommen werde, vor welchem jene weichen müsse: Du alte W ö l f i n , sei vermaledeit! Kein T h i e r erjagt sich Beute gleich der Deinen, Doch bleibt dein Bauch noch endlos hohl und weit.

97 0 H i m m e l , d e s s e n K r e i s l a u f , w i e wir m e i n e n , Der Erde S e i n und Zustand wandeln

soll,

W a n n w i r d denn Der, der sie vertreibt, erscheinen? — F e g e f . 2 0 . v. 1 0 - 1 5 .

In einer andern Stelle will Dante vielleicht schon durchblicken lassen, von welcher Seite her Italien sowie die in die tiefste Schmach versunkene Kirche allein Hülfe zu erwarten habe. Der Apostel Petrus hebt im Paradiese eine lange Klage über die Päpste jener Zeit an, dafs sie nur Zwietracht in der Christenheit erregen, seine Schlüssel zu Feldzeichen auf ihren Kriegsfahnen entweihen, sein Bild auf die Siegel ihrer käuflichen Privilegien drücken und im Gewände der Hirten wie blutdürstige Wölfe hausen. Er schildert Bonifaz VIII, der im Jahre 1300, in welches Jahr Dante seine Wanderung durch Hölle Fegefeuer und Himmel gesetzt hat, auf dem Päpstlichen Stuhle safs, und weiset auch auf dessen nächste, ihres Vorgängers würdige Nachfolger hin, die Franzosen Clemens V aus Gascogne und Johann XXII aus Cahors, der den Dante noch überlebte. Aber trotz dieses langen traurigen. Zustandes der Kirche, welcher gär keine Aussicht auf Besserung von innen heraus darbietet, knüpft Dante wieder unmittelbar seine Hoffnung auf eine nahe bevorstehende, bessere Zeit in jenen Worten, die wir oben schon erwähnt haben und in welchen er verheifst, dafs die hohe Vorsehung, die einst durch Scipio Rom den Ruhm der Welt gesichert habe, b a l d helfen werde, wie er deutlich sehe. Erscheint es unter diesen Umständen nicht wenigstens wahrscheinlich, dafs 7

98 Dante auch bei der neu und bald zu hoffenden Rettung Roms aus so unwürdigen Händen an ein ähnliches weltliches, nicht geistliches, Werkzeug der Vorsehung gedacht habe, und nicht an den Menschensohn in den Wolken oder gar an den Papst im Filze? Ganz offen aber spricht Dante diese Hoffnung auf einen Kaiser zur Rettung Italiens und zur Besiegung der Wölfin aus, wenn er bei seiner W a n d e r u n g durch das Fegefeuer mit Virgil auf den provenzalischen Dichter Sordello stöfst und dieser im Virgil seinen Landsmann erkennend, demselben liebevoll in die Arme sinkt. Da erwacht in Dante wieder der alte Schmerz um Italien , das sich in Parteienwuth zerfleischt, weil ihm der rechte Lenker und Regierer fehlt, der alles wieder ordnen könnte, und er bricht in jene erschütternden W o r t e aus, von denen wir liier nur den Anfang geben können: Italien, da Sklavin, Schmerzensquell, Du Schiff im Ungewitter ohne Steuer, u. s. w. Fegef. 6. v. 76 ff. Hier ist sich Dante ganz klar bewufst, wer in diesen Stürmen der Zeiten der einzige rechte Steuermann des hin und her geschleuderten Schiffes, Italiens, sein könne; denn er rechtet mit dem Kaiser Albrecht von Oesterreich und dessen Vater Rudolf von Habsburg, dafs sie ihren Beruf nicht erkannt haben; er verkündet dem Albrecht dafür des Himmels gerechte Strafe und hofft, dafs sein Nachfolger, dadurch

gewarnt,

besser handeln werde.

Diesen ladet er ein nach Rom zu kommen, das verwit-

99 tert und einsam Tag und Nacht ruft: Mein Cäsar, warum kömmst du nicht zu mir? 0 deutscher A l b e r t , der die ungestümen Verwilderten nicht scharf genug gehalten, Du mufste9t straff anziehen ihre Riemen! Der Gottheit hehres Recht u n d strenges W a l t e n Fall' auf dein B l u t , k ü n d b a r u n d u n e r h ö r e t , Auf d a f s , der nach dir f o l g t , recht möge schalten! Du und dein V a t e r , ihr habt nicht g e w e h r e t ; Aus Herrschsucht bliebt ihr d o r t , kamt hierher nie: So ist des Reiches Garten nun zerstöret. — K o m m , sieh u n d höre deiner Roma F l e h e n , Die einsam T a g u n d Nacht die Klage ü b t : Mein K a i s e r , soll ich dich nicht bei mir sehen? Fegef. Ges. 6. v. 9 7 - 1 0 5 . 112 — 114.

Und ebenso im darauf folgenden Gesänge spricht Dante noch einmal einen bitteren Tadel über den Kaiser Rudolf aus, als er ihn im Vorhofe des Fegefeuers erblickt, wo er, wegen seiner Versäumnifs, Italien zu helfen, auf den Eintritt in die inneren Räume des Reinigungsortes längere Zeit warten mufs. Da bezeichnet er ihn als den, welcher die tödtlichen Wunden Welschlands hätte heilen können, was er aber unterliefs, so dafs es erst später durch einen Anderen wieder genesen wird. Der höher sitzt u n d scheint, als hätt' er lang V e r s ä u m t , w o z u ihn seine Pflicht v e r b u n d e n , Und nicht den Mund regt bei der Andern S a n g , W a r K a i s e r R u d o l f , der die T o d e s w u n d e n Italiens wohl hätte heilen k ö n n e n , Das spät durch einen A n d e r n wird gesunden. Fegef. Ges. 7. v. 9 1 - 9 6 .

100 Also wie durch einen Kaiser der erste Grund zu der Verwirrung gelegt worden ist, die in die geistlichen und weltlichen Verhältnisse gekommen, als Constantin der Herrschaft über Italien sich begab, die Päpste reich machte und den kaiserlichen Sitz von Rom nach Byzanz verlegte, so kann auch diese Verwirrung nur wieder gelöst und die alte Ordnung wieder hergestellt werden, wenn ein a n d e r e r K a i s e r wieder gut macht, was jener'verdarb und was spätere gut zu machen bisher versäumt haben. Dieser Gedanke kehrt bei Dante in mancherlei Bildern oft wieder: Der kaiserliche Adler ist dem Dichter immer das heilige Zeichen 15 ) der kaiserlichen Macht, in dessen Anschaun er sich noch im Paradiese mit Entzücken verliert 16 ), und an welches er alle Herrlichkeit und Gröfse und alles Glück Italiens knüpft. Dieser Adler kam einst, so verkündet es der Kaiser Justinian in einer erhabenen Rede, zuerst mit Aenäas aus Asien herübergeflogen, und unter seinem Fittig hatte Italien Ruhm und Wohlergehn gewonnen. Constantin wendete ihn wieder der Sonne entgegen nach Byzanz, und dort verblieb er zweihundert Jahre lang, bis er unter Justinian durch Beiisars Waffen wieder nach Italien getragen wurde. Als später die Longobarden die h e i l i g e K i r c h e selbst in grofse Gefahr brachten, da kam Karl der Grofse unter des Adlers Flügeln schon einmal der Kirche zu Hülfe: Und als darauf des Longobarden Zahn Die K i r c h e bifs, sah unter seinen Schwingen Man Karl den Grofsen i h r mit Hülfe nahn. Parad. Ges. 6. v. 94 — 96.

101 Wie konnte es Dante wohl deutlicher aussprechen, dafs er auf die kaiserliche Macht seine Hoffnung setze, von welcher, wie sie bereits früher der Kirche zur Hülfe erschienen war, auch ferner das Heil und die Rettung ftir sie wie für ganz Italien zu erwarten stehe! Wäre es nun nicht höchst sonderbar, wenn Dante, nachdem er überall in seinem Gedichte, wo er für die politischen wie kirchlichen Verwirrungen Italiens nur Rettung durch einen Kaiser sieht, und diesen laut anruft, ja gleichsam bei jedem anklopft und fragt: bist du es endlich, der da uns zur Rettung kommen soll,, oder sollen wir noch eines andern warten? — wäre es nicht sonderbar, wenn Dante in einer einzigen dunkeln Stelle von schwieriger Auslegung eine Hoffnung für Italiens Zustände von einer ganz entgegengesetzten Seite her habe andeuten wollen? Und welchen Grund hätte er gehabt, mit seiner Hoffnung auf einen Papst so geheimnifsvoll zu thun, während er die auf einen Kaiser so offen wiederholt ausspricht? Aus allen diesen Gründen werden wir in jenem Veltro, der die Wölfin unter Schmerzen tödten und dem erniedrigten Italien wieder Heil bringen soll, nichts anderes zu suchen haben, als einen weisen, gerechten und tapferen Kaiser, dem es durch diese Tugenden gelingt, der Wurzel alles Uebels, der schnöden Habgier des entarteten Papstthums, ein Ende zu machen, die Kirche und ihre Leiter wieder auf ihre ursprüngliche Stellung zurückzuführen und dadurch die verworrenen Zustände Italiens von Grund aus wieder zu ordnen.

102 W e r nun aber dieser Kaiser sein werde und welcher sein Name, sein wollen;

darüber

hat Dante freilich nicht gefragt

darüber

sprechen wollen noch

hat

er nichts Bestimmtes

können.

Es

lag

dem

aus-

grofsen

Manne, der auch in der für ihn so schmerzlichen Verbannung die glühendste Liebe zu seinem Vaterlande in der Brust bewahrte und alle Wunden desselben aufs tiefste mitfühlte, nur daran, neben dem furchtlosesten Aufdecken aller moralischen und politischen Sünden seiner Zeit auf die nach seiner Ansicht allein mögliche Heilung und Rettung Italiens und der ganzen christlichen W e l t hinzuweisen.

Und diese Rettung sah er eben nur

in einem weisen, guten und tapferen Kaiser, der das rechte Herz und Geschick für Italien habe und durch den wieder Ordnung in das Staats- und Kirchenleben gebracht werden könne. Daher hatte Dante eine Zeit lang sein erwartungsvolles Auge auf den Kaiser Heinrich VII von Luxenburg gerichtet und wohl seine gröfsten Hoffnungen auf diesen gesetzt.

E r hatte mit grofser Liebe und Ergebenheit an

diesem biederen, frommen und tapferen Manne gehangen, und hätte gern auch das Heil Italiens ihm verdankt.

Dies ist nicht nur ersichtlich aus den persön-

lichen Bemühungen, die Dante bei Heinrichs Römerzuge anwendete, als er ihm mit anderen Ghibellinen bis Lausanne entgegeneilte, wo Heinrichs Persönlichkeit einen tiefen Eindruck auf ihn machte;

davon zeugen auch

noch mehre vorhandene Briefe Dante's, namentlich der, welchen er im Jahre 1 3 1 1 an den Kaiser selbst schrieb,

103 als dieser ihm zu lange in Oberitalien zu zögern schien, so wie zwei andere Briefe, von denen der eine schon im Jahre 1 3 1 0 an die Fürsten Italiens, der andere ini darauf folgenden Jahre an die Florentiner gerichtet ist. In diesen Briefen spricht Dante mit hoher Begeisterung von Heinrich, lobt sein grofsmüthiges Herz und seine Milde " ) • und fordert zur allgemeinen Unterwürfigkeit gegen denselben auf; denn während der kaiserliche Thron leer stehe, weiche der ganze Erdkreis aus seiner Bahn, weil auch der Steuermann und die Ruderer auf dem Nachen Petri schliefen

>s

).

Aber keinesweges ist Heinrich der Veltro in Dante's Gedichte, obschon in der bereits mitgetheilten Stelle aus dem 6. Gesang des Fegefeuers auf den unmittelbaren Nachfolger Albrechts, als auf Italiens Retter hingewiesen zu sein scheint.

Denn Dante sieht j a noch Hein-

richs Fall und überlebt ihn, und auch der erste Theil der göttlichen Komödie, die Hölle, ist offenbar erst nach Heinrichs Tode im Jahre 1 3 1 4 oder vielleicht noch um einige Jahre rich VII

später

starb

abgeschlossen

schon

im Jahre

worden 1313

vento, vielleicht durch italienisches Gift.

19

zu

).

Hein-

Buoncon-

Daher blickt

Dante in seinem Gedichte auch nur wehmüthig auf ihn zurück, wie auf eine gescheiterte Lebenshoffnung.

Er

nennt ihn, so oft er seiner gedenkt, den hohen Heinrich

20

), und Beatrice zeigt ihrem Freunde in der höch-

sten Region des Paradieses, im Empyreum, den erhabenen noch leeren S i t z , auf welchem eine Krone liegt und der für diesen Kaiser bestimmt ist.

Beatrice spricht es

104 aber schon a u s ,

dafs Heinrich zwar nach Italien kom-

men werde, um die Landes Verhältnisse zu ordnen, aber er komme bevor Italien dazu vorbereitet, bevor es seiner werth sei. Denn die blinde Habgier, die Italien wie mit einem Zauber beherrsche, mache das Volk einem Kinde gleich, das vor Hunger verschmachte und dennoch die nährende Amme von sich stofse: A u f j e n e m hohen S t u h l , w o d u dem S t r a h l e Der K r o n e , die dort g l ä n z t , dein A u g e l e i h s t , D o r t , eh d u k o m m s t zu diesem

Hochzeitmahle,

W i r d sitzen des erhabnen Heinrichs

Geist,

D e s C a s a r s , der Italien z u gestalten K o m m t , eh es sich d a z u g e n e i g t beweist. Die blinde Gier i s t ' s , die mit Z a u b e r w a l t e n E u c h gleich dem K i n d m a c h t , das die B r u s t v e r s c h m ä h t , Die N a h r u n g h a t , sein L e b e n z u erhalten. P a r a d . Ges. 3 0 , v. 1 3 3 — 1 4 1 .

Nach diesen und anderen verfehlten Hoffnungen auf die deutschen Kaiser, die theils ihre Sorge gar

nicht

auf Italien hinlenkten, theils, wenn dies auch geschah, als Ausländer mit zu vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten oder des rechten Geschicks ermangelten, um sich in Italien eine ungetheilte Autorität und das nothwendige Vertrauen zu verschaffen, lag gewifs dem Dante der Gedanke ganz nahe, es werde doch nur ein einheimischer italienischer Fürst und Kaiser der Retter Italiens werden können, der Welschland wieder zu Ehren bringe. Und diesen Gedanken spricht er nun prophetisch aus in unserer Stelle unter dem Bilde des Veltro.

E r spricht

105 dies besonders a u s , indem er von diesem Retter Italiens sagt, sein Geschlecht Feltro und Feltro

sein Ursprung werde zwischen

zu suchen sein.

Hierdurch

weist

Dante deutlich auf den Theil Italiens hin, in welchem die kaiserliche Partei von jeher ihre Stütze gefunden hatte gegen die Päpstlichen, und wo zu Dante's Zeit viele treffliche Männer lebten, "wie Uguccione della F a g gioia» Can della Scala, Guido Novello da Polenta, Guida da Montefeltro, und die Montecchi und Capelletti, die Monaldi und Filippeschi,

und jene drei ehrwürdigen

Lombardischen Greise, Currado da Palazzo, Gherardo da Cammino und Guido da Castel, welche fast alle Dante in seinem Gedichte verewigt hat.

Vornehmlich

auf einen dieser Männer, auf Can della Scala, den Fürsten und kaiserlichen Vicar in Verona baute Dante ohne Zweifel lange Zeit hindurch grofse Hoffnungen, und besonders nach Kaiser Heinrich VII Tode, wie wir zum Beweise dafür schon an die bedeutungsvolle Rede des Cacciaguida, Dante's Ahnherrn, erinnert haben. J a , die letzten Worte jener Rede sprechen noch auf eine so bedeutsame und geheimnisvolle Weise von der künftigen Gröfse Can's,

dafs man

dadurch fast veranlafst

werden könnte zu glauben, Dante habe dabei im Sinne gehabt, Can könnte wohl am ersten für die höchste weltliche Macht und Würde bestimmt sein.

einis römischen Kaisers

E s heifst nämlich dort:

So hoch empor w i r d bald die Gröfse steigen Von seinen Herrlichkeiten, dafs die Zungen Der Feinde selbst v o n ihm nicht können schweigen!

106 Zu ihm dann hin u n d seine H u l d errungen! Zu i h m , durch den in L u s t sich kehrt die T r a u e r , Und Bettler sich zu Reichen aufgeschwungen. Sei dieses W o r t f ü r dich von ew'ger D a u e r ! J e d o c h verschweig' es! — U n d e r s p r a c h

darauf

N o c h D i n g e , die u n g l a u b l i c h s e l b s t dem S c h a u e r .

Parad. Ges. 17. v. 85 — 93, Aber dennoch dürfen wir auch in diesen Worten keine bestimmte Verheifsung und keine ausschliefsliche Hinweisung auf den Vellro finden; dieser sollte und konnte in Dante's Gedichte keine bestimmte historische Person sein. Dante wollte durch den Yeltro sein Volk nur mit dem Gedanken vertraut machen, dafs das Heil Italiens nicht mehr von einem über die Alpen her kommenden, fremden Kaiser zu erwarten sei. Der Mann, der mit der höchsten irdischen Macht und Würde bekleidet Italien, wie einst die Cäsaren vor Constantin, wieder glücklich machen und der Ordner der ganzen christlichen Welt sein werde, er müsse auch in dem Garten des Kaiserreichs, wie er Italien nennt, geboren sein und zwar in dem Theile Italiens, der schon so viele patriotische Männer hervorgebracht, ja von wo aus mehr als einmal schon der hochherzige Versuch gemacht worden war, ein solches nationales Kaiserthum in Italien wieder aufzurichten, seitdem die Macht der Karolinger ihrem Ende sich zuneigte und Fürsten wie der ältere und jüngere Berengar von Friaul und Guido von Spoleto den Muth hatten, sich die Kaiserkrone aufzusetzen 21 ). Denken wir uns nun Dante während seines langen Exils von 1302 bis zu seinem Tode fast immer in der

107 ghibellinischen Lombardei und Romagna an den Höfen vieler edlen italienischen Geschlechter lebend und mit diesen ihre patriotischen Gesinnungen theilend, so scheint die Annahme nicht unbegründet zu sein, dafs er, besonders seit Heinrich VII traurigem Ende, sich ganz dem Gedanken und der Hoffnung hingab, ein italienischer Fürst möchte die Kaiserkrone erwerben und seinen Sitz wieder in Rom aufschlagen zum Heil Italiens, obschon ihn ein richtiges Gefühl zurückhielt, in seinem Gedichte auf irgend eine bestimmte Person hinzuweisen. Und ein solcher italienischer edler Fürst, mit kaiserlicher Macht und Hoheit bekleidet, dem es aber nicht wie den ausländischen Gewalthabern um Gold und Länderbesitz zu thun wäre, dies dürfte also auch der Gedanke gewesen sein, den Dante schon, als er den ersten Theil seines Gedichts abschlofs, in seiner Seele getragen und in die Allegorie des Veltro verhüllt hat.

Dante's Wünsche und Hoffnungen für Italiens politisches Leben so wie für eine Reformation der ganzen christlichen Kirche, deren Verfall unser frommer Dichter so tief gefühlt und laut beklagt hat, sind bis auf den heutigen Tag nicht in Erfüllung gegangen. Der ersehnte Kaiser, der zu Folge jener Verheifsungen nur Weisheit, Tugend und Liebe für sein Volk haben und keinen Länder- noch Golddurst im Herzen hegen soll, und der Welschland wieder zu Ehren bringt, nicht indem er um die Gunst des heiligen »reichen« Vaters buhlt und

108 mit diesem sich verbündet, um desto leichter seinen Unterthanen ein Joch willkürlicher Gewaltherrschaft aufzulegen, — ein solcher ist noch nicht gekommen. Und eben so wenig übt die Kirche einen heilsamen Einflufs aus über die Herzen und das Leben dies Volks, dessen verderbte Sitten Dante mit den lebhaftesten Farben geschildert hat, und das, je nachdem es seine unwahren kirchlichen Zustände einsieht und keine besseren kennt, oder in gedankenloser Sinnlichkeit sich jedes Urtheils begiebt, zwischen Unglauben und Aberglauben hin und her schwankt, während nur Wenige die tief in das Menschenherz gelegten Bedürfnisse nach einem religiösen Leben anerkennen und eine Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, wie das Evangelium sie vermittelt, suchen. Was aber ein grofser und edler Geist einmal geahnet und verkündigt hat, bleibt niemals ganz unerfüllt. Und so sollte, wenn auch auf anderem Wege als durch eines Kaisers Schwert, die Welt wieder aus der Finsternifs des Mittelalters und aus den drückenden Fesseln einer verderbten Hierarchie erlöst werden. Das Schwert des Geistes hat die Bahn geöffnet durch die eng verwachsenen Irrwege jenes finsteren Waldes, und der von der Sonne der Wahrheit beschienene Berggipfel ]tann wieder unbehinderter von dem Menschen erstiegen werden, aber nicht ohne die Leitung jener beiden Führer, die uns Dante in seinem Virgil und in seiner Beatrice vor Augen stellt, Mit der wieder neu gepflegten Wissenschaft ist allmälig gröfsere Geistesbildung, Gesittung und Rechtsgefiihl zurückgekehrt, und die wieder mehr

109 uns aufgeschlossenen und reiner dargebotenen göttlichen Offenbarungen haben dem Menschen auch neue göttliche Kräfte mitgetheilt, um sich über die niedere Atmosphäre der Sünde leichter emporzuheben

zu den reineren und

seligen Höhen des Glaubens, der Tugend und des Friedens.

Und wer wollte es verkennen, dafs diese geisti-

gen Siege, die besonders im sechzehnten Jahrhundert zuerst in Deutschland 2 2 )

erfochten worden

und

eine

Umgestaltung aller menschlichen, weltlichen und kirchlichen Verhältnisse angebahnt haben, dorthin

schon

einen

auch selbst bis

wohlthuenden Einflufs

ausüben,

wo man sich dagegen noch sträubt und sie nicht anerkennen will. Und- endlich jene Hoffnungen Dante's ftir sein Vaterland, die er an das Auftreten eines kraftvollen, weisen und tugendhaften

einheimischen Kaisers knüpfte,

der

Italien durch die richtige Sonderung und Abgrenzung der kirchlichen und weltlichen Macht

und durch die

Einigung der politischen Parteien grofs machen werde, auch jene Hoffnungen, so oft sie fehl schlugen und in welcher weiten Zukunft sie wieder liegen mögen, gegeben sind sie keinesweges in Dante's Volke. ist«,

wie

auf-

»Italien

einer unserer bedeutendsten jetzt lebenden

Historiker sich

geäufsert h a t ,

noch protestantisch,

»zwar

weder deutsch

aber dennoch mehr

ghibellinisch

als im 12. und 13. Jahrhundert«, und scheint von Zeit zu Zeit immer wieder zu ahnen, auf welchem Wege ihm eine bessere Zukunft aufgehn kann.

Und hieraus

erklären sich die Sympathieen, welche auch jetzt noch

110 jenseit der Alpen für unsern Dichter vorhanden sind und immer zuzunehmen scheinen. Dante ist der Dichter der Sehnsucht nach einer bessern Zeit. Grofser, edler Dante, möge dein tiefer und reicher Geist auch ferner vielen Herzen das darbieten, was wir Alle hienieden bedürfen, Aufrichtung der Seele an g r o f s e n e w i g e n Gedanken; möge dein unsterbliches Gedicht noch viele eben so tapfere, edle und uneigennützige Kämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht erwecken, wie du selbst in den Schlachtenreihen ftir alles Gute und Grofse in der Kirche und im Staate unerschrocken vorangeschritten bist, und mögen die Hoffnungen, die du für dein schönes Vaterland in treuem Herzen trugst und mit kühnem Seherblick als schon nahe bevorstehend schauetest, endlich auch die rechte Erfüllung finden.

Anmerkungen.

1. (S. 75.) Molti sono gli animali, a cui s'ammoglia, E più saranno ancora, in fin che '1 veltro V e r r à , che la farà morrir con doglia. Questi non ciberà terra nè peltro Ma sapienza e amore e v i r t u t e , E sua nazioa sarà tra Feltro e Feltro. Di quell' umile Italia fia salute, cet. Die Uebertragungen der angeführten Stellen sind theils der Uebersetzung

von K. L . K a n n e g i e f s e r ,

Leipzig

1832,

theiU der von K. S t r e c k f u f s , Halle 1840 e n t l e h n t ,

wo

nicht eine noch wörtlichere erforderlich w a r . 2. (S. 76.)

Man

denke

an

die ihn

charakterisirende

Grabschrift: Mantua me genuit, Calabri r a p u e r e , tenet nunc P a r t h e n o p e : cecini p a s c u a , r u r a , 3.

(S. 77.)

duces.

Istius operis non est simplex s e n s u s , immo

dici potest p o l y s e m o s ,

hoc est p l u r i u m sensuum.

Nam

primus s e n s u s e s t , qui habetur per literam, alius est qui habetur per significata per literam. teralis,

E t primus dicitur

secundus vero a l l e g o r i c u s

Sed omissa

subtili

investigatione,

sive m o r a l i s .

dicendum

est

li—

breviter,

quod finis totius et partis est removere viventes in hac vita de statu miseriae et perducere ad statum felicitatis. philosophiae,

Genus

sub quo hic in toto et parte proceditur est

112 morale

negotium s e u

ethica;

q u i a non a d s p e c u l a n d u m

s e d ad o p u s inventum est t o t u m . grand,

de S c a l a .

Aless. T o r r i

v o r n o 1 8 4 2 . p. 1 1 4 . 1 2 2 .

Dantis

épist. a d K a n e m

Epistole

di Dante Al.

Li-

Ii. L . K a n n e g i e l ' s e r , Dante Aligh.

p r o s . S c h r i f t e n , L e i p z i g 1 8 4 5 . B d . 2 . S . 2 0 9 ff. 4.

(S. 79.)

S o w i r d auch im F e g e f e u e r , Ges. 2 0 . v . 10,

die V e r w ü n s c h u n g der r a u b s ü c h t i g e n W ö l f i n z u n ä c h s t an das Z u s a m m e n t r e f f e n Dante's m i t dem P a p s t e Hadrian i m R e i n i g u n g s k r e i s e der Geizigen angeknüpft. 5.

(S. 81.)

Vergi,

die

über

die

richtige

Auffassung

Dante's u n d seines Gedichts sehr belehrende S c h r i f t : die beiden ersten G e s ä n g e 1832.

Blanc,

der göttlichen K o m ö d i e .

Halle,

S . 7 ff.

6.

(S. 82.)

S e i n e E s p o s i z i o n e erschien z u e r s t in seiner

A u s g a b e des Dante, Venedig 7. Dante. 8.

(S. 84.) (S. 84.)

Del V e l t r o

allegorico

di

Pomp.

Azzolino,

S u l Veltro

di

Dante.

S . 13 ff.

(S. 85.)

Aug. K o p i s c h ,

D a n t e etc. Berlin 1 8 4 2 . I. 101.

1544.

Troya,

Firenze 1826.

Firenze 1837. 9.

Carlo

Fegef. X X X I I I . 43.

10.

( S . 94.)

11.

(S. 95.)

Kannegiefser

die göttliche K o m ö d i e des

S . bes. die A n m e r k u n g e n z u r H ö l l e Parad. X I I . 60.

Il convito. T r a t t . I V . C a p . 4 . 5 . 6 . 9 . De m o n a r c h i a ,

üb.

III.

fin.

übers,

von

a. a. 0 . B d . 2 . S . 9 0 .

12.

(S. 96.)

Fegef. X X X I I .

13.

( S . 96.)

P a r a d . X X . 5 5 ff.

1 2 4 ff.

14.

( S . 96.)

Fegef. X V I .

15.

( S . 100.)

il sacro santo s e g n o .

16.

( S . 100.)

la bella image. P a r a d . X I X . 2 .

17.

( S . 103.)

V e r u m quia sol n o s t e r — aut morari j a m

106—129. Parad. VI. 32.

creditur aut retrocedere s u p p u t a t u r — in certitudine dubitare •compellimur, et in v o c e m P r a e c u r s o r i s irrumpere s i c : T u es q u i v e n t u r u s e s , an alium

expectamus?

E t quamvis l o n g a

s i t i s in d u b i u m quae s u n t c e r t a , p r o p t e r e s s e

propinqua,

113 ut adsolet, f u r i b u n d a deflectet: nihilominus in te eredimus et speramus, asseveranles te Dei ministrum et ecclesiae filiuin et romanae gloriae promotorem.

E t ego — velut decet im-

peratoriam m a g e s t a t e m , b e n i g n i s s i m u m vidi et c l e m e n l i s s i m u m te audivi, quum pedes t u o s manus meae tracta\erunt,

et labia mea debitum persolverunt.

Epist. ad H e n -

ric. V I I Imperat. Aless. T o r r i , I. c. p. 52. K a n n e g i e f s e r a. a. 0 . Bd. 2. S. 188. 18. (S. 103.)

Epist. ad Florentinos. T o r r i I . e . p. 3 6 .

K a n n e g i e f s e r a. a. 0 . S. 181. 19.

(S. 103.)

Da Dante

das T o d e s j a h r

des

Papstes

Clemens V bereits im Gesang X I X . 7 9 — 8 7 . andeutet,

in-

dem er den P a p s t Nicolaus I I I ( t 1 2 8 0 ) sagen l ä f s t , Bonifaz V I I I ( f 1 3 0 3 ) werde nicht so lange wie er die ihm auferlegte Strafe an dem besonders qualenvollen O r t e , er j e t z t einnehme,

erdulden,

den

da dieser durch Clemens V

( t 1314) früher werde abgelöst w e r d e n , als ¿r d u r c h Bonif a z , so geht daraus hervor, dafs Dante's Hölle nicht vor 1314 abgeschlossen worden ist. — J a , es scheint, dafs Dante im 11. Gesänge der Hölle selbst den P a p s t J o h a n n X X I I

im

Auge h a t , der erst im J . 1316 den päpstlichen S t u h l bestieg, wenn er nämlich v. 50 eine Unterabtheilung Höllenkreises,

wo

die W u c h e r e r

des

siebenten

bestraft w e r d e n ,

Caorsa

nennt. Die Ausleger alle wollen zwar diesen Namen dadurch e r k l ä r e n , dafs zu Dante's Zeit die französische Stadt Cahors voll W u c h e r e r gewesen sei. Sollte dieser Umstand in seiner Allgemeinheit und Unbestimmtheit

aber wirklich der Grund

zu dieser B e n e n n u n g gewesen s e i n ? wie manche andere Stadt, die dem Dante näher lag, hätte ihm zu einem Namen f ü r die W u c h e r s t ä t t e in der Hölle Veranlassung geben können.

Aber

dafs der grofse W u c h e r e r Johann X X I I aus Cahors stammte, der den schnödesten Handel mit P f r ü n d e n u n d Annaten trieb, und den der Kaiser L u d w i g in einem Briefe an ihn auch einen Wolf n e n n t , der die Herde Christi f r i f s t , dies dünkt mich konnte viel eher einen Grund

abgeben,

dafs Dante jenen

8

114 Unterkreis

der Hölle so nannte.

im Parad. X X V I I . 5 8 ,

nennt

An einer anderen Stelle,

er denselben J o h a n n

weil er aus Cahors gebürtig w a r , den Caorsino.

XXII,

Deutet da-

her auch der Name Caorsa in der Hölle auf diesen Papst hin, so könnte j e n e r Gesang nicht vor 1 3 1 6 geschrieben sein. 20.

( S . 1 0 3 . ) . l ' a l t o Arrigo - Parad. X V I I . 8 2 . X X X . 1 3 7 .

21.

( S . 1 0 6 . ) Dieser Gedanke wird schon angedeutet in

der Memòria di G. P . diretta al marchese Gino Capponi in der Antologia di F i r e n z e , F e b b r a j o 1 8 3 2 . fase. 1 3 4 . 22.

(S. 109.)

E s möge erlaubt sein, als eine Curiosität

noch daran zu erinnern, wie selbst die ungefähre Geburtszeit und der Name des Helden,

der im 1 6 . Jahrhundert als ein

siegreicher V e l t r o gegen Dante's verderbliche Lupa auftrat, in diesem Gedichte gefunden worden ist.

E i n e von Landino im

J . 1 4 8 1 berechnete Constellation des Saturn und Jupiter, die derselbe im

Purgat. X X X I I I . 41.«ausgesprochen

sah,

und

die im J a h r e 1 4 8 4 am 2 5 . Nov. im Scorpion stattfinden sollte, wufste Landino auf eine grofse Veränderung in der Religion zu deuten, und z w a r , weil Jupiter den S a t u r n überwiegen werde', auf eine Veränderung zum Besseren hin. man sich n u n ,

dafs Luther

•Erinnert

am 1 0 . Nov. 1 4 8 3 geboren ist,

und bedenkt, dafs ein kleiner S c h r e i b - oder Druckfehler in der von Landino angegebenen J a h r z a h l , oder auch ein kleiner Irrthum

in der astrologischen Berechnung sehr möglich ist,

so giebt das ein sehr artiges Zusammentreffen, von welchem der gute Landino, der 1 5 0 4 starb, sich wohl nichts hat träumen lassen.«

S . B l a n c , a . a . O . S . 1 3 ff. — Aber noch mehr!

Man hat sogar gefunden, dafs es nur einer geringen Versetzung der Buchstaben bedarf, damit aus dem W o r t e V E L T R O Name L V T E R O

hervortrete.

Die Entdeckung

der

dieses Ana-

gramms theilt zuerst R o s e t t i mit. Vergi. G r a u l , die göttliche Komödie übersetzt. Leipzig 1 8 4 3 . Bd. I. S . 1 4 .

Reise durch einen Theil des südlichen Frankreichs. Vienne.

Vienne ini südlichen Frankreich.

D a s mittägliche Frankreich zu sehen war immer einer meiner Lieblingswünsche gewesen, so oft schon in der Jugend meine Gedanken auf Reisen gingen. vence,

als Provincia Narbonensis

Die Pro-

die älteste Besitzung

der Römer in Frankreich, welche mit ihren mächtigen Städten auch am längsten dem Andrang der nordischen Eroberer widerstanden hatte, dann die dort frühe blühende, mit vielem edlen Blute vertheidigte

christliche

Gemeinde, und die späteren mittelalterlichen Erinnerungen an das romantische Land der provenzalischen Grafen und ihre Troubadours mit ihrer fröhlichen Kunst, dies und noch manche andere geschichtliche Beziehungen heiterer und ernster A r t , die schon die jugendliche Phantasie

lebhaft beschäftigten,

an dem Wunsche,

hatten

reichen Boden einmal selbst zu betreten. Reise,

die

auch

Antheil

den an so mannigfaltigen Reizen

den wichtigsten

Nach einer

und theuersten Familien-

angelegenheiten in der deutschen Heimath gegolten hatte, nun wieder auf dem Rückwege nach Lissabon begriffen,

118 wohin mich mein Lebensberuf seit sechs Jahren gestellt hatte, wendete ich mich daher vorzugsweise gern diesen südfranzösischen Gegenden zu.

Durch die Schweiz

und von Genf aus den Lauf der Rhone im pittoresken Juragebirge verfolgend, hatte ich endlich Lyon erreicht. Aber es verlangte mich, eine noch wärmere Luft zu athmen und eine noch südlichere Natur wiederzusehen. Es war an einem der ersten Maitage, als ich daher init dem Courier, der täglich um 2 Uhr Nachmittags von Lyon nach Marseille geht, diese Strafse nach dem mittäglichen Frankreich einschlug. Der Frühling hatte schon alle seine Reize über diese schönen und reichen Gegenden ausgebreitet.

Ueberall drängten sich die Blüthen

aus dem vollen saftigen Grün der Bäume und Büsche hervor.

Der ganze Weg bot dem entzückten Auge nach

allen Seiten hin ein reich geschmücktes Gemälde dar. Zur Rechten jenseit der Rhone begränzten die bläulichen Sevennen die Landschaft; gerade vor mir und zur Linken lagen die Savoyischen Alpen mit dem vom Schnee leuchtenden Montblanc.

So erreichte ich auf die

anmuthigste Weise und in der heitersten Stimmung die alte, nur sieben Lieues von Lyon entfernte Stadt V i e n n e , an welcher sich die Rhone in schönen Krümmungen vorbeizieht, wodurch die Gegend mit ihren waldigen Hügeln noch malerischer erscheint.

Die Stadt selbst frei-

lich, einst von grofser geschichtlicher Bedeutung, ist jetzt ein stiller, unansehnlicher Ort von kaum 13000 Einwohnern, unregelmäfsig gebaut und unreinlich gehalten.

Aber dennoch bes'chlofs ich,

einen Tag hier

119 still der Beschauung dessen, was sich noch von alter Herrlichkeit dem Auge darbieten möchte, und der Erinnerung einer ereignifsreichen Vergangenheit zu widmen. Hoffnung auf einiges Sehenswerthe hatte mir schon der Guide des Etrangers ä Vienne von R e y gemacht, den ich von Lyön mitbrachte, und wenn das Büchlein am Ende auch viel mehr versprach, als sich in der Wirklichkeit auffinden liefs, so bereue ich doch nicht meinen Tag in Vienne. Ich durchstrich vor Abend noch die höher gelegenen Theile der Stadt, um so viel als möglich einen Ueberblick über ihre Lage und ihren jetzigen und früheren Umfang zu gewinnen, wie letzterer durch die Reste altrömischer Stadtmauern angedeutet wird. Zu einer solchen Uebersicht bietet sich am günstigsten der im Osten der Stadt gelegene Mont S. Blandin dar, wo das nun verfallende Fort Pipet das Kapitol der alten römischen Vienna gewesen sein mag. Zur Rechten und Linken desselben liegen die Anhöhen Mont Salamon, Mont Arnold und Mont S. Just, die einst als römische Kastelle die Stadt beschützten und mit ihr durch starke Mauern verbunden waren. Diese Befestigungen werden in die Zeit verlegt, da Pompejus als Proconsul nach Spanien gegen den Sertorius gesandt wurde und hier in Vienne eine Zeit lang bei dem Prätor Manlius verweilte. Das Fort Pipet, im Mittelalter Castellum dePupeto, soll seinen Namen S e m Pompejus verdanken und ursprünglich Forum Pompejanum geheifsen haben. Auf ähnliche Weise dürfte in dem Namen Mont Salamon der alte Möns Salutis

120 versteckt liegen, wie die Römer diesen östlichsten befestigten Berggipfel nannten, weil er ihnen die beste Schutzwehr gegen feindliche Angriffe darbot. Die festen Mauern um jene genannten Höhen herum, deren Trtim-» mer noch jetzt von ihrer sonstigen Stärke Zeugnifs geben, schreibt man dem Julius Cäsar zu, welcher, um den Besitz dieser wichtigen gallischen Stadt zu sichern, römische Kolonisten hierher verpflanzte. Am Fufse des Fort Pipet, bis wohin die jetzige Stadt in ihrer östlichen Ausdehnung reicht, hat man die Trümmer eines Amphitheaters und eines Theaters entdeckt, wie Rey auf seinem Stadtplane von 1819 angegeben hat. Aber war es das Dunkel der eintretenden Nacht

oder der seitdem veränderte Zustand der- Oert-

lichkeit, genug es wollte mir nicht gelingen, aus einzelnen Resten alter Substructionen irgend etwas Gestalt gewinnendes herauszufinden. Desto mehr Zeit und Gelegenheit boten mir die letzten Abendstunden und eine alte Stadtbeschreibung, die mir ein gefälliger Bücherhändler für diese Tage geliehen hatte, dar, um aus den darin fleifsig zusammengetragenen Notizen mir das Bild der alten römischen Kolonie und der späteren Schicksale der Stadt vor die Seele zu rufen. Der tapfere gallische Völkerstamm der Allobroger, deren Hauptort Vienne war, wurde zuerst, nachdem die Römer Gallien betreten hatten, vom Proconsul Cnejus Domitius, und bald darauf im Jahre 121 vor Chr. von Fabius Maximus besiegt, weshalb Letzterer den Beinamen

121 AUobrogicus erhielt. Cäsar, der Ueberwinder von ganz Gallien, ist zugleich der älteste römische Schriftsteller, welcher in seinen Jahrbüchern die Stadt erwähnt, nachdem er sie selbst im Jahre 51 v. Chr., bei der Wiederunterwerfung des während seiner Abwesenheit aufgestandenen Galliens, betreten hatte, um die dorthin gesendete Reiterei an sich zu ziehen. Die Stadt hatte sich an jenem Aufstande des nördlichen Galliens nicht betheiligt. Aber später vertrieb das eingeborne Volk die als Kolonisten dorthin geschickten Römer, für welche daher der Triumvir Lepidus, als sie sich am Zusammenflusse der Rhone und Saone niedergelassen hatten, die Stadt Lugdunum gründete, und dies ist der Ursprung von Lyon, wie der wenige Zeit später unter August und Tiber lebende Strabo berichtet. Aber auch die römische Colonia Vienna wurde unter Augustus wiederhergestellt. Eine nicht selten in Frankreich vorkommende römische Münze zeigt auf der Vorderseite die Köpfe des Jul. Cäsar und August, auf der Rückseite das Vordertheil eines Schiffs und die Buchstaben C. I. V., das ist Colonia Julia Vienna. Von dieser Zeit an ist die Stadt ein unangefochtener Besitz der Römer, so lange ihre Herrschaft in Gallien dauert, und blüht bald zu einer bedeutenden Stadt empor. Sie wird die Hauptniederlage ftir gallische Produkte und Fabrikate, die der Handel auf dem schiffbaren Flusse Weiter befördert; sie wird allmälig auch ein Sitz römischer Cultur; Prachtgebäude zieren die Stadt, in welcher verschiedene römische Kaiser auf längere Zeit ihren Aufenthalt nehmen. Schon dem August und üeinsr Ge-

122 mahlin Julia wird ein Tempel mit augustalischen Priestern errichtet, wenn die Auslegung einer noch vorhandenen Votivinschrift nicht trügt. Eine zu Lyon aufgefundene Bronzetafel hat uns ferner eine Rede des Kaisers Claudius aufbewahrt, die dieser zu Gunsten der Gallier an den Senat > gerichtet hat und in welcher er von der reich geschmückten und mächtigen Colonia Vienna spricht. Der'Spanier Mela, der im ersten christlichen Jahrhundert seine Erdbeschreibung abfafste, gedenkt ihrer ebenfalls als einer bedeutenden Stadt, und sein Zeitgenofs und Landsmann Martial bezeichnet sie in seinen Gedichten als »die Schöne« und rühmt nicht nur ihre wohlschmeckenden Weine, sondern auch ihrer Bewohner literarischen Geschmack an der Poesie. Im zweiten Jahrhundert spricht von ihr Sueton, im vierten nennt sie der gallische Dichter Ausonius neben Alles und Narbonne als reich und bedeutsam, und Ammianus Marcellinus als ganz besonders ausgezeichnet durch ihre Anmuth. Aber unter der schwachen Regierung des Honorius im Anfang des fünften Jahrhunderts wird die Herrschaft der Römer in Gallien durch die eindringenden Alanen, Sueven, Vandalen und Burgundier erschüttert, und letztere gründen im südlichen Frankreich ein bedeutendes Reich, dessen Hauptstädte Genf, Lyon und Vienne sind. Von jetzt an mufs unsere Stadt mancherlei Wechsel und vielfaches Ungemach erfahren. Sie ist im nächstfolgenden Jahrhundert der Schauplatz vieler blutiger Gräuelthaten, an denen die burgundische Geschichte so

123 reich ist.

Im achten Jahrhundert wird sie von den aus

Spanien eindringenden Mauren erobert und verbrannt. Später nur auf dem linken Ufer der Rhone wiedet aufgebaut, gehört sie anfangs zu dem grofsen Frankenreiche der Karolinger, wird aber bald die Hauptstadt des zweiten Burgundischen Reichs, welches Boso

der

Schwager Karls des Kahlen gründet, bis auch dieses Reich durch innere Schwäche allmälig zersplittert wird und endlich der Macht der deutschen Kaiser aus dem salischen und schwäbischen Hause unterliegt.

Konrad II

läfst 1032 seinen Sohn zum König von Burgund krönen und macht es dadurch abhängig von dem grofsen deutschen Reiche, bis es später wieder Frankreich einverleibt wird.

Der Hohenstaufe

iiberliefs aber im Jahre 1153

Friedrich

Barbarossa

dem Erzbischofe

von

Vienne und dem Domkapitel zu Sanct Mauritius daselbst die Zügel der Stadt, und so waltet eine Zeitlang in ihr ein geistliches Regiment.

Die Erzbischöfe heben

Truppen aus, gebieten über Krieg und Frieden, schlagen Münzen und zählen viele mächtige Ritter und Grofse zur Zahl ihrer Vasallen. Ein Canonicus von S. Mauritius ist Cominandant des Kastells Ripet. Diese mittelalterliche Priestermacht bestand auch noch in Vienne im Anfang des 14. Jahrhunderts, als die Stadt eine besonders traurige Berühmtheit erlangen sollte.

Es

fand hier nämlich unter dem Papste Clemens V jene sogenannte Kirchenversammlung

statt,

auf welcher der

Papst und seine Curie sich dazu hergaben, die Habsucht und den blutigen Hafs des französischen Königs

124 Philipp des Schönen gegen einen Ritterorden zu sanclioniren, welcher fast 200 Jahre hindurch mit Tapferkeit und Ruhm im Orient wie auf der pyrenäischen Halbinsel die Waffen gegen die Ungläubigen geführt hatte. Die Verfolgung und der Untergang des Tempelhermordens ist einer der dunkelsten Flecke in der Geschichte der christlichen europäischen Staaten, und der stoische Heldenmuth vieler jener Ritter hat gewifs zu allen Zeiten jedes edle Gemüth, welches sich mit der Geschichte jenes Ordens beschäftigte, aufs innigste gerührt und erschüttert.

Jetzt auf dem Schauplatze jenes Trauerspiels

traten mit unabweisbarer

Gewalt die Gestalten

eines

Jacob von Molay, eines Ponsard de Gisi und so vieler Anderer, die den Tod einer Untreue an der Wahrheit vorzogen, vor meine Seele, und ich mufste mir alles vergegenwärtigen, was hier in Vienne den Untergang so vieler unschuldigen und tapferen Herzen vorbereitet hatte. Es war im Jahre 1311, als in den ersten Herbsttagen des Octobers der in Avignon residirende Clemens V mit seinem Cardinalcollegium und mehr als hundert hohen Würdenträgern der Kirche hier zu Vienne anlangten und in dem alten burgundischen Schlosse ihren Sitz aufschlugen.

Unter den Bischöfen und Erzbischöfen sah man

selbst die lateinischen Patriarchen von Antiochien und Alexandrien. Auch war an fast alle christlichen Könige und Fürsten die päpstliche Einladung ergangen, heiligen Concile persönlich beizuwohnen.

dem

Aber keinem

edlen Herzen gelüstete es, Zeuge einer so schmachvollen

125 Gewaltthat zu sein, die längst schon zwischen dem König Philipp und seiner Creatur Clemens zum Untergang des Templerordens abgekartet war. Bekanntlich war dieser Orden im Anfang des zwölften Jahrhunderts fast gleichzeitig mit dem Johanniterund dem deutschen Ritterorden von dem französischen Ritter Hugues de Payens und acht anderen frommen Edelleuten in Jerusalem zum Schutz christlicher Pilger und zum Kampfe gegen die Saracenen gestiftet worden. Von verschiedenen Päpsten durch besondere Privilegien hochgeehrt und der Christenheit anempfohlen, hatte sich derselbe allmälig durch die grofse Theilnahme, die er in ganz Europa fand, einen sehr bedeutenden Reichthum und dadurch eine grofse Macht erworben, die sich besonders in Frankreich, der Wiege des Ordens, bemerklich und geltend machte, aber hier auch gerade an dem König Philipp einen unversöhnlichen Gegner fand. Der Orden besafs in Frankreich wohl viertausend Commenthureien, und hatte leicht Uber zwei Millionen Ducalen alljährlich zu gebieten. Diese fast königliche Macht, die sich besonders in dem Tempelhofe zu Paris unter den Augen des Königs entfaltete, und selbst gewagt hatte, in dem von Philipp mit dem Papste Bonifaz VIII geführten Kampfe auf die Seite des letzteren zu treten, wurde von dem französischen Könige mit tief verletzter Eitelkeit und habgieriger Mifsgunst betrachtet. So war denn der Untergang des Ordens beschlossen , seit der König dem Erzbischof von Bordeaux, Bertrand de Goth, die päpstliche Krone versprochen

126 hatte, wenn dieser ihm verschiedene Gefälligkeiten erweisen wollte.

Eine derselben war, den Tempelherrn-

Orden zu vernichten.

Jener Bischof,

den Dante mit

dem jüdischen Hohenpriester Jason, des Königs Antiochus Epiphanes feilem Diener, vergleicht, bestieg im Jahre 1305 unter dem Namen Clemens V den päpstlichen Stuhl, und zwar mufste derselbe auch nach des schlauen Königs Willen fortan auf französischem Boden, nicht in Italien, stinen Silz nehmen.

Bald mufste sich auch, eine Ver-

anlassung finden, den Orden in Anklagezustand zu versetzen.

Ein paar vom Orden abgefallene Brüder, die

wegen grober Vergehen in lebenslänglicher Haft

auf

einem königlichen Schlosse festgehalten wurden — in den Prozefsakten der Templer heifst der eine Esquinus de Flexian oder Floyrac aus Beziers, Exprior von Montfaueon — fassen den Plan, aus dem Schmutz ihres Gefängnisses sich zu befreien, indem sie die unerhörtesten schmutzigsten Beschuldigungen gegen ihren Orden vor den König zu bringen suchen

und diesem hab- und

rachsüchtigen Tyrannen dadurch die Aussicht auf eine ungeheuere Beute aus den Schätzen der Templer eröffnen, wenn er sie beide begnadigen wolle.

Der Kö-

nig verspricht ihnen die Freiheit und leiht den ihm höchst willkommenen Entdeckungen über

eine grofse

Verderbtheit des Ordens in Sachen des Glaubens und der Moralität ein williges Ohr.

Und nun beginnt die

willkürlichste und widerrechtlichste Behandlung des Ordens.

Der König läfst verschiedene Ritter gefänglich

einziehen

und nöthigt ihnen

durch Drohungen und

127 Versprechungen

ähnliche Geständnisse ab.

Aber ohne

die Kirche kann der Orden nicht aufgehoben werden, der unter ihrem unmittelbaren Schlitze steht. mufs die Hand dazu bieten.

Clemens

Der Ordensmeister Jacob

von Molay wird daher vom Papste unter dem Vorwande, mit ihm über, die Fortsetzung

des Krieges im Orient

mündliche Rücksprache nehmen zu wollen, von Cypern, wo zu jener Zeit der Orden seinen Sitz hatte, Frankreich

gelockt,

und nachdem

alles vom

nach

Könige

klüglich vorbereitet worden, werden an Einem Tage, am 13. October Frankreich beginnen.

1307,

mehr als 5 0 0 Ritter in ganz.

festgenommen.

Die

grausamsten

Verhöre

Unter den Qualen der Folter und den Ent-

behrungen im Kerker hauchen viele der Edelsten standhaft ihr Leben aus;

Schwächere, besonders

dienende

Ordensbrüder (servientes), von den Foltermartern überwältigt, bekennen sich zu allein, was man ihnen zum Geständnifs vorlegt; doch widerrufen später auch Viele die ihnen abgezwungenen Aussagen.

Endlich, um dem

Prozefs vor der erstaunten W e l t eine rechtlichere Form zu geben,

ernennt der Papst, nachdem jene Mifshand-

lungen fast schon ein Jahr gedauert haben, durch eine von seinem Sitze in Poitiers aus erlassene Bulle vom 12. August 1 3 0 8 eine Commission von acht hohen Geistlichen, die die Untersuchung in seinem Namen fuhren sollen.

Diese B u l l e ' ) ist merkwürdig durch das naive

oder soll man lieber sagen

schamlose

Eingeständnifs,

dafs der Papst nur durch den König Philipp zu allen Schritten gegen die Templer veranlafst worden sei;

ja

128 «r nennt seine Papsterhebung und Krönung zu Lyon geradezu als den Zeitpunkt, in weichein ihm die ersten, dem Orden nachtheiligen, aber ihm selbst unglaublichen Beschuldigungen hinterbracht worden seien. Dann spricht er es aus, dafs er wiederholte dringende Aufforderungen vom Könige erhalten, in diesem Pro^efs vorwärts zu schreiten, hält es aber selbst für-nothwendig, seinen liehen Sohn, den König, vor dem Vorwurfe im Voraus zu sichern, dafs dieser die Anklage des Ordens aus Habsucht und Gelüst nach den Ordens - Gütern verlange; nur der Eifer für den orthodoxen Glauben bestimme den König u. s. w. Der Prozefs vor dieser päpstlichen Commission beginnt erst im August 1309, und es werden nach und nach über 500 verhaftete Ritter und Servienten aus allen Tempelhöfen Frankreichs vorgeführt, welche aber alle sich bereit erklären, die Unschuld des Ordens zu vertheidigen. Doch wozu nützt dieses, da die Vernichtung des Ordens schon beschlossen ist. Wozu nützt es, dafs der alte ehrwürdige Hochmeister Molay mit dem höchsten Unwillen eines reinen Gewissens gegen alles das protestirt, was er nach jener päpstlichen Bulle schon ausgesagt haben soll, und dafs er laut bezeugt, dafs die dem Orden angeschuldigten unsittlichen Verbrechen ihm ganz unerhörte Dinge sind. Was vermögen die wiederholten Erklärungen des Priors von Payens Ponsard de Gisi und vieler Andern, dafs alle jene sogenannten Enthüllungen über die dem Orden zur Last gelegten Dinge und das was sie selbst und viele andere

129 Briider früher vor dem Bischof von Paris oder anderswo ausgesagt, falsch und nur durch Gewalt,

Drohungen,

Andringen der Gefahr und Todesfurcht und durch die Martern erprefst worden sei, worüber schon viele Brüder ihr Leben eingebüfst haben. ähnliche

unerschrockene

Wahrheit,

welche

und

Alle diese und viele

rührende Zeugnisse der

die Prozefsakten enthalten,

Iceine andere Folge,

hatten

als die, dafs der König, von der

Standhaftigkeit der Edelsten unter den Rittern erschreckt und einen ihm unwillkommenen Ausgang des Prozesses fürchtend, zu neuen Gewaltthaten seine Zuflucht nahm. Mitten im Verlauf jener Untersuchungen durch den allein competenten, päpstlichen Gerichtshof läfst er nach kurzem Verhör vor einem von ihm anbefohlenen sogenannten Provinzialconcil, Welches der Erzbischof von Sens, einer seiner Helfershelfer, leiten mufs, am 12. Mai 1 3 1 0 vierundfunfzig Ritter auf öffentlich errichteten Scheiterhaufen in Paris in seinem Beisein langsam verbrennen. Vergebens hatte die päpstliche Commission selbst Vorstellungen dagegen gemacht, vergebens hatten die Verurtheilten sich erboten,

die Vertheidigung des Ordens

zu übernehmen, vergebens an ihren rechtmäfsigen Richter,

den Papst,

Königs am T a g e ;

appellirt.

Jetzt lag die Absicht des

der Orden mufste schuldig befunden

und zertreten werden.

Daher gerathen von jetzt

an

auch die Verhöre vor der päpstlichen Commission in Stocken

und hören endlich ganz auf.

Die Protokolle

werden am 5. Juni 1 3 1 1 geschlossen und gleich darauf dem Papste vorgelegt. 9

130 Nach solchem ruchlosen Vorspiele wurde das Concil zu Vienne am 16. October desselben Jahres noch eröffnet

und in der ersten Sitzung den versammleten

Prälaten ein Bericht über die bisherigen Untersuchungen mit Vorlegung der Protokolle mitgetheilt. die Templer noch

einmal

ihres Ordens vorgeladen.

Als aber wirklich zehn der-

selben als Bevollmächtigte erschrickt Clemens legen.

Auch werden

feierlich zur Vertheidigung des Ordens erscheinen,

da

und läfst sie unverhört in Ketten

Die Väter des Concils waren aber anderer Mei-

nung und verlangten, dafs die Templer ordnungsmäfsig vernommen würden, so dafs über diesem Zwiespalt ein Theil des Winters verstreicht,

ohne dafs eine zweite

Sitzung des Concils stattfindet.

Da erscheint endlich in

Vienne,

im Februar 1 3 1 2 ,

mit seinen drei Söhnen,

der König Philipp

seinem Hofstaat

selbst

und einem

zahlreichen bewaffneten Gefolge, um der Sache so wie er will ein Ende zu machen.

Der gedrängte und elend

schwache Papst hält mit seinen Cardinälen und einigen Prälaten, auf deren Zustimmung er rechnen kann, am 22. März 1 3 1 2 ein geheimes Consistorium, in welchem dem Willen des Königs Genüge geleistet und die Aufhebung des Ordens ausgesprochen wird, »nicht so wohl auf dem Wege eines Richterspruchs, weil der Orden als solcher noch nicht überführt worden, als aus Vorsicht

und nach

apostolischer

Machtvollkommenheit!«

Hierauf fand am 3. April 1 3 1 2 die zweite allgemeine Sitzung des Concils statt, wobei auch der König und dessen drei Söhne und Brüder und ein grofses bewaffne-

131 tes Gefolge zugegen w a r e n , und als hier der Papst dem Concil die Aufhebung des Ordens verkündigen liefs, da war in der ganzen Versammlung kein einziges tapferes H e r z , welches gewagt hätte, dem Könige und seinen Lanzenknechten gegenüber die Mifsbilligung dieses Urtheils, welche Viele in sich hegten, auszusprechen.

In

der letzten Sitzung endlich, am 6. Mai, wurde die Aufhebungsbulle öffentlich vorgelesen. So war die Stadt Vienne die Zeugin einer grofsen Erniedrigung der feilgewordenen Kirche, welche, anstatt eine Wächterin des Rechts und ein Asyl für Verfolgte zu sein, sich zum Werkzeug der Habsucht und Rache eines Tyrannen hergab.

Hierauf löste sich das Concil

wieder auf, Clemens und sein Hof ging nach Avignon, welches nun geraume Zeit der Sitz der Päpste wurde und der König zog frohlockend wieder in Paris ein, als habe er die edelste Heldenthat vollbracht. es wieder stiller auf der Burg

In Vienne wurde

und in den Strafsen,

aber das hier über den Orden gesprochene Urtheil wurde nun überall erst recht vollzogen, so weit Philipps gewaltthätiger Arm reichte.

Das Concil hatte zwar be-

stimmt, die einzuziehenden Güter des Ordens sollten, mit Ausnahme derer in Portugal und Spanien, die auch ferner zu den dortigen Kriegen gegen die Mauren zu verwenden

wären,

auf

die Hospitalritter

übergehen.

Aber, so wie sich Philipp schon in den Besitz aller vorgefundenen Reichthümer an Geld, Waffen u. dergl. gesetzt hatte, so bezog er auch, so lange er lebte, fast alle Einkünfte des Ordens in Frankreich.

Der Papst liefs

132 es zu, weil er mit dem Könige den Raub theilte: erst allmälig wurden die liegenden Güter der Templer grofsentheils dem Johanniterorden übergeben; doch vieles davon eigneten sich in diesem allgemeinen Raube auch einzelne weltliche Herren und Klöster zu. Das Schicksal der einzelnen Templer aber war nicht weniger traurig. Diejenigen zwar, welche bei den durch die Folter ihnen abgeprefsten Erklärungen ihrer Schuld verharrten, erhielten ihre Freiheit; aber alle, die standhaft jene gegen sie vorgebrachten Beschuldigungen leugneten, wurden in Klöstern zu strenger Haft und Aufsicht vergraben, und die ihre frühem Eingeständnisse wiederriefen, den Flammen übergeben. Dies letztere Schicksal traf auch die beiden höchsten Würdenträger des Ordens, den Grofsmeister Jacob von Molay, der einst selbst den König Philipp über die Taufe gehalten hatte, und den Grofspräceptor der Normandie, Guy, einen Bruder des Dauphins von Auvergne, Sohns des Grafen Robert II, welche in Paris im Angesicht des Todes vor allem Volke und vor ihren geistlichen Richtern mit fester Stimme ihre früheren erzwungenen Eingeständnisse zurücknahmen, feierlich die Unschuld des Ordens bezeugten und den Flammentod dem Verbrechen der Lüge vorzogen. Sie starben am 11. März auf der kleinen Seine-Insel, zwischen den königlichen Gärten und dem Augustinerkloster, an der Stelle, wo später die Reuterstatue Heinrich IV zu sehen war. »Es war um die Vesperstunde 2 ), als Molay und der Grofspräceptor den Holzstofs bestiegen, der nur

133 langsam in Gluth gesetzt wurde,

auf dafs den Ver-

urtheilten Gelegenheit zum Wiederrufe und damit zur Erlangung

der Gnade bleibe.

Beiden wog

Todesqual

leichter als ein durch Schande erkauftes Leben.

Molay's

letzte B i t t e , dafs man sein Antlitz dem Bilde der Mutter Gottes entgegenwenden Banden lösen möge, könne,

fand Gewährung.

Reinheit betheuernd,

und seine Hände von den

damit er sie zum Gebete falten Den Orden preisend,

seine

die Gnade Gottes und die F ü r -

sprache der Heiligen anrufend, gingen beide aus dem Leben. — Staunen und Bewunderung schauer. ten.

ergriff die Zu-

Viele konnten sich der Thränen nicht enthal-

In der Nacht suchten Mönche in der Asche nach

den Gebeinen der Gerichteten, um sie nach heiligen Stätten als Gegenstand der Verehrung zu bringen. — E s wird erzählt,

dafs Molay, als die Flammen ihn um-

spielten, die Worte ausgerufen habe:

Clemens, unge-

rechter und grausamer Richter, ich lade dich vor, innerhalb vierzig Tagen vor dem Throne des Höchsten erscheinen.

zu

Andere berichten, dafs diese Vorladung dem

Könige, Andere, dafs sie dem Vertrauten desselben, W i l helm von Nogaret, gegolten habe. In Avignon erkrankt trat Clemens V, um in einem Wechsel der Luft Genesung zu finden, eine Reise nach seiner Heimath Bordeaux an.

Auf dem Wege

dahin

starb er in der Nacht auf den 20. April 1 3 1 4 , auf dem unfern Carpentras an der Rhone gelegenen königlichen Schlosse Roquemaure,

Mit dem Tode ringend soll- er

die gegen den Orden begangene Gewaltthat bitter bereut

134 haben. Nur auf Plünderung des reichen Gepäcks bedacht kümmerte sich die aus Gascognern bestehende Dienerschaft wenig um die in der Kirche niedergesetzte Leiche. In der darauf folgenden Nacht schlug die Lohe über dem Gotteshause zusammen und verzehrte theilweise die Leiche, die später zu Useste im Bisthume Bazas (Guienne) beigesetzt wurde. Das dort von den Verwandten des Verstorbenen, welchen er ein unermeßliches Vermögen hinterlassen hatte, errichtete Monument wurde 1577 durch Hugenotten vernichtet, das Grab aufgewühlt, die Gebeine ins Feuer geworfen. — Seit dem Tode Molay's siechte Philipp der Schöne der Auflösung entgegen, ohne dafs ein Arzt die Quelle des Uebels zu entdecken vermocht hätte. Nach anderen Berichten jagte der König im Walde bei St. Vast, stürzte, wurde vom Pferde noch eine Strecke fortgeschleift und furchtbar zerrissen nach dem Schlosse Fontäinebleau (in Castro Fonte-Bliaudi) gebracht, wo er am 29. November 1314 seinen Geist aufgab. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig X mufste die Geistlichkeit von Guienne zum Theil mit Gewalt zwingen, für den Vater Seelenmessen zu lesen. Philipp der Schöne hinterliefs vier Söhne, und doch war vierzehn Jahre später seine männliche Nachkommenschaft erloschen.» So wunderbar und gewaltig sind die Gerichte Gottes. Uebrigens wurde in keinem andern Lande die Verfolgung und der Prozefs der Templer mit gleicher Grausamkeit betrieben wie hier in Frankreich, wo zwei moralische Ungeheuer über ihre Opfer hergefallen waren.

135 Aber wo auch sonst noch der Orden vor seiner Aufhebung Bitteres leiden mufste, immer hatten vornehmlich die Kirche und ihre unwürdigen Diener die Hand im Spiele.

So besonders in England.

Auf Clemens und

Philipps Anstiften wurde auch der schwache Eduard II, Philipps Schwiegersohn, vermocht, die Templer in England und Irland zu verhaften und ihre Güter einzuziehen.

Die Ritter wiesen mit edlem Unwillen alle gegen

sie vorgebrachten unwürdigen Beschuldigungen zurück, und kein Richter konnte das mindeste Verbrecherische gegen sie darthun. Erst später, als Clemens von neuem drängte und die Untersuchung den Dominikanern übergeben w u r d e ,

fanden sich auch niedrige Werkzeuge,

meist Minoritenmönche,

deren Anklagen

die auf

die

Folter Gebrachten meist bestätigten, worauf der Orden auf zwei in York gehaltenen Concilien verurtheilt und die Ritter, welche die ihnen in den Mund

gelegten

Ketzereien abschwuren, in Klöster gesteckt wurden. — Auch

diesen ungerechten Richter, Eduard II

ereilten

die Gerichte Gottes; von seinem Volke verlassen, durch die Königin und ihren Buhlen Mortimer gefangen, mufste er durch ein mit scheufslicher Grausamkeit erfundenes Mittel den qualvollsten Tod erleiden. — Edlere Fürsten in Castilien und Arragonien sprachen den Orden, der im Gefühl seiner Unschuld

besonders

in Arragonien

sein tapferes Schwert der ihnen zugedachten Gewaltthat entgegen stellte, frei.

In Portugal aber veranlafste der

weise König Diniz, dafs die Ritter, welche sich schon unter den ersten Königen Portugals grofse Verdienste

136 um das Land, sowohl mit dem Schwerte gegen die Saracenen als auch in friedlichem Zeiten durch Urbarmachung wüster Länderstrecken, erworben hatten, der Untersuchung entgingen. Diniz, um ihre Güter vor den gierigen Händen der Päpste zu retten, erklärte diese anfangs für ein Eigenthum der Krone 3 ), aber später im J. 1319 rief er den Orden unter einem andern Namen als Christorden zur Bekämpfung der Ungläubigen ins Leben, und gab ihm auf die uneigennützigste Weise die Güter des Ordens zurück.

Es war schon heller T a g , als ich am andern Morgen aus dem Schlafe erwachte, der sich erst spät meiner durch die Abendlektüre aufgeregten Seele bemächtigt hatte. Ich eilte aiis meiner Wohnung, um nun den heutigen Ruhetag mit Beschauung der Sehenswürdigkeiten der Stadt zuzubringen. Als solche hatte ich. nair besonders angemerkt den Tempel des August, das Grabmal des Kaiser Severus und eine Sammlung antiquarischer Gegenstände, die man allmälig in und bei der Stadt aufgefunden und in ein Städtisches Museum vereinigt hat. Dann aus dem Mittelalter die Kathedrale. Das erste, wohin mich ein gefälliger junger Mann wies, war der sogenannte T e m p e l d e s A u g u s t . Er führt diesen Namen nur deshalb, weil man aus den am Giebelfelde befindlichen runden Löchern auf die Buchstaben geschlossen hat, die in denselben befestigt waren und auf diese wohl etwas unsichere Weise zu

137 einer Dedicationsinschrift für den Diyus Augustus gekommen ist.

Der Tempel hat leider im Laufe der Zei-

ten grofse Verstümmelungen erfahren; dennoch bietet er ein leicht zu ergänzendes antiken Götterheiligthums dar.

interessantes Bild

eines

Er ist viereckig; sechs

corinthische Säulen bilden die Vorderseite von ungefähr 40 Fufs Länge, je acht Säulen die beiden Nebenseiten, die 60 Fufs lang sind.

Der Durchmesser der Säulen

ist über 3 F u f s , ihre Höhe mit Basis und Kapital einige 30 Fufs.

Sie stehen ziemlich eng neben einander im

sogenannten Pyknostylos, auf den Säulen ruht das Dach, oder genauer zuerst das Gesims, dann vorn der dreieckige Giebel. Die hintere Seite des Tempels ist ganz verbaut. Um das Jahr 1015 soll dieses schöne W e r k des Alterthums unter König Rudolf II von Burgund und dem Erzbischof Grafen Burchard in eine christliche Kirche umgeschaffen worden sein, weshalb man nicht nur die Zwischenräume

der Säulen mit Mauerwerk

ausfüllte,

sondern auch die Säulen selbst mit Ausnahme der an den Ecken stehenden auf eine rohe Weise glatt meifselte, um sie der Mauerfläche gleich zu machen.

Die Kirche

wurde der Beata Maria viae veteris geweiht, woher der Platz, auf dem sie steht, den wenig entsprechenden Namen Place Notre Dame de la vie erhalten hat. Nachdem aber das Gebäude zu den Sitzungen eines Gerichtshofs gebraucht worden, hat man ihm endlich die angemessenste Bestimmung dadurch gegeben, dafs man ihn zu einem städtischen

Museum

zur Aufbewahrung aller in

und bei Vienne aufgefundenen transportablen römischen

138 Alterthümer gemacht hat. Auf eine gefällige Weise sind dieselben rings an den Wänden heruin so wie in dem mittleren Räume des Tempels aufgestellt. Es sind aufser vielen Grabsteinen mit lateinischen und griechischen Inschriften, worunter auch einige altchristliche,'zum Theil sehr beachtungswerthe Sculpturarbeiten. erhebliche Stücke bemerkte ich mir

Als besonders einen kolossalen

Jupiterkopf von penthelischem Marmor; einen Torso von demselben Stoff und eines Antinousbildes würdig; eine Gruppe von zwei Kindern,

die sich um einen Vogel

streiten, der eine Knabe beifst in der Kampfeshitze den andern, welcher den Vogel hält, in den A r m , während eine kleine Eidechse einen Schmetterling fängt, der sich auf das Knie des einen Knaben gesetzt hat. Neben dem älteren Knaben schlüpft eine Schlange Uber einen Baumstamm und scheint gegen ihn sich hinzuwenden,

der

jüngere Knabe hält aber mit seinem Fufse den Schwanz der Schlange fest. Diese schöne Gruppe von Parischem Marmor wurde 1800 in einem Weinberge bei Vienne gefunden 4 ). Von hoher Schönheit ist ferner eine Windhündin aus penthelischem Marmor, und ein Basrelief, Apollon darstellend, wie er aus den Fluthen hervortaucht

mit

einer Fackel in der Hand.

Noch ist zu

erwähnen ein dreiseitiger Altar mit Basreliefs, auf der einen Seite Jupiter, Leda und_ Amor,

auf der zwei-

ten Seite ein ländliches Opfer von Genien dargebracht, auf der dritten Hermes als Heerdenbeschützer mit Bock und Ziege; auch mehrere Köpfe von guter Arbeit und verschiedene alte Mosaiken.

Andere hier aufgefundene

139 Kunstwerke, z. B. der schöne Kopf eines Faun, befinden sich im Museum von Paris.

Säulenstücke, Knäufe und

Architrave lassen

auf Gebäude von

Gröfse schliefsen.

Unter den Inschriften dürfte beson-

sehr

bedeutender

ders eine, die eine asiatische Mimengesellschaft für ihre gemeinschaftliche Grabstätte bestimmte, bemerkenswerth sein 5 ).

Aber auch der Name des Mannes, dem dieses

Museum von Vienne seine erste Begründung verdankt, verdient nicht von uns vergessen zu sein.

E s war ein

Deutscher, Peter Schneider aus Heringen in Thüringen, der aus Liebe zum Alterthum auf einer von ihm beabsichtigten

Reise nach Rom

hierher

kam,

durch

die

damals noch vorhandenen gröfseren Reste alter Kunst hier festgehalten wurde, und auch die Stadt nicht wieder verliefs.

Von allen Eingebornen geachtet starb er

als Director einer Zeichenschule in hohem Alter 1813. Die Stadtbibliothek,

welche

Tempel auf einem in

zugleich

der Höhe

auch in diesem

ringsherumlaufenden

Gange aufgestellt ist, besitzt von ihm eine handschriftliche Beschreibung und Geschichte der Alterthümer von Vienne nebst vielen Zeichnungen, die wohl noch benutzt werden könnten. Mehr im Innern der Stadt suchte ich und fand endlich in der Nähe des jetzigen Theaters einen anderen sehr sehenswerthen Rest grofsartiger römischer Architektur, den man hier nur unter dem Namen des Triumphbogens kennt und erfragen mufs, obgleich er mit Unrecht so heifst.

Es

sind zwei nebeneinanderstehende

kolossale

Bögen, die aber zwischen neuen Gebäuden sehr versteckt

140 und verbaut liegen und nur an zwei angrenzenden Seiten frei stehen, so dafs man schräg hindurchgehen kann. Die beiden offenen Thore haben eine bedeutende Höhe und 5 bis 6 Fufs Breite; die daran angebrachten mächtigen Säulen sind nach aufsen zum Theil verunstaltet, haben aber noch ihre schön gearbeiteten korinthischen Knäufe. Im Innern dieser Arcaden sieht man noch mehrere Säulen von kolossaler Gröfse dicht aneinandergefügt. Diese Bogengänge sollen den Eingang zu den alten, hinter demselben belegenen T h e r m e n gebildet haben, und sind in der That eines solchen Baues würdig, an welchen die Römer die höchste Pracht zu verschwenden pflegten. Viele schöne Marmortrümmer und darunter manches Stück, welches seinen Ursprung aus griechischen Marmorbrüchen nicht verläugnet, sind in der Nähe gefunden worden, und auch das genannte Städtische Museum hat sich besonders aus diesem Stadttheile wesentlich bereichert. Obgleich nun diese Bögen sehr verstümmelt und verbaut sind, so sind sie doch aller Beachtung werth und verdienten gewifs einer sorgfältigen Untersuchung und Aufnahme durch einen Kunstverständigen. In mittelalterlicher Zeit ist auch dieses Bauwerk von grofsartiger und fester Struktur nicht unbenutzt geblieben, aber dadurch eben noch mehr beschädigt worden. Die letzten burgundischen Könige hielten es für geeignet, einen festen Thurm darauf zu bauen, der als das Gefängnifs eines Prinzen von Oranien gedient und daher diesen Bögen selbst den Namen la tour d'Orange gegeben haben soll. Der mittelalterliche Thurm ist seit

141 dem Anfang dieses Jahrhunderts wieder verschwunden, aber die mächtigen Massen des römischen Porticus widerstehen noch der Zerstörung durch die Zeit. In den Nachmittagsstunden führte mich endlich ein drittes sehenswerthes und gut erhaltenes Denkmal, welches auch für ein- Römerwerk gilt, vor die Thore der Stadt. Es ist das sogenannte K e n o t a p h i u m des Kaisers Severus. Auf freiem Felde nicht weit von der grofsen Strafse, die nach Marseille führt, erhebt sich ein nach allen vier Himmelsgegenden geöffnetes Gebäude in Quadratform, welches einen Raum von 18 bis 20 Fufs ins Gevierte einnimmt. Die vier hohen Portale, deren Bögen auf Pilastcrn mit einfachen Kapitälverzierungen ruhen, nehmen den gröfsten Theil der vier Seitenflächen ein. An den vier Ecken ist das Gebäude mit vier fast ganz frei heraustretenden kurzen Säulen, die auf hohen attischen Sockeln stehen, geschmückt. Die Knäufe dieser Säulen sind glatt rund, aber unförmlich und verjüngen sich stark nach oben. Auf diesem fast würfelförmigen Gebäude erhebt sich ein Obelisk von ungefähr 30 Fufs Höhe, aus grofsen Quaderstücken zusammengefügt. Um dieser Form willen ist es hier unter dem Namen l'aiguille bekannt, es ist aber keine Aiguille der Cleopatra. Dieses Monument, welches sich bei aller Massenhaftigkeit seiner Formen dennoch in der weiten, offenen Gegend kleinlich ausnimmt, soll das Ehrendenkmal sein, welches nach dem Bericht des Geschichtschreibers Lampridius dem in der Nähe von Mainz im J. 235 ermordeten Kaiser Alexander Severus in Gallien errichtet wor-

142 den. Doch wird diese Vermuthung durch nichts unterstützt. Im Gegentheil scheint mir die schwerfällige Bauart dieses Monuments weit eher für ein Werk des vierten oder fünften Jahrhunderts zu passen, wenn es nicht gar noch jünger ist, und lieber möchte ich das viel schönere sogenannte Mausoleum bei S. Remy jenem edlen Kaiser des dritten Jahrhunderts zuweisen, welcher bekanntlich seine geistige und sittliche Bildung auch durch Milde gegen die Christen bethätigt hat. Wie die Sage im Munde des Volkes freigebig mit Namen ist, so heifst dies Denkmal auch bei Vielen das Grab des Pilatus, gleich wie ein am Rhoneufer unweit des Quai Pajot vormals gelegener jetzt eingestürzter Thurm auch der Thurm des Pilatus genannt wurde. Aber auch diese Bezeichnungen beruhen auf nichts Historischem weiter, als dafs unter den römischen Kaisern GaDien oft das Exil für hohe Staatsverbrecher wurde. Nun soll nach geschichtlichen Nachrichten auch jener berüchtigte Procurator von Judäa unter dem Kaiser Caligula in der Verbannung gestorben sein, ob aber in Gallien und in Vienne ist völlig unerwiesen. Gewifs ist aber, dafs ein Anderer, dessen Namen auch unsere heilige Geschichte aufbewahrt hat, Archelaus, der Sohn Herodes des Grofsen, und nach seines Vaters Tode von Augustus mit den Provinzen Judäa Samaria und Idumäa belehnt, nach zwölfjähriger tyrannischer Regierung von ebendemselben Kaiser seiner Würden entsetzt und nach unserm Vienne verwiesen worden ist, wo er, unter der Aufsicht des dortigen römischen Prätors stehend,

143 auch seinen Tod gefunden hat. Und auch der zweite Sohn des Herodes, Herodes Antipas, Tetrarch von Galiläa und Peräa, der Mörder Johannes des Täufers, wurde unter Caligula nach Gallien aber nicht nach Vienne sondern nach Lyon verbannt. Ueber der Beschäftigung mit diesen Spüren römischen Lebens war der gröfste Theil des Tages verstrichen. Ich kehrte endlich nach einem längeren Spaziergange, zu welchem mich zuerst jenes steinerne Kenotaph, dann aber noch weiter hinaus die liebliche Ufergegend der Rhone gelockt hatte, nach der Stadt zurück, und kaum hatte ich noch Zeit, auch einen Eindruck von der schönen, alten K a t h e d r a l e zu gewinnen. Die Vorderfagade dieses ansehnlichen gothischen Baues mit drei reich geschmückten Portalen und zwei iiber den Seitenportalen sich erhebenden oben abgeflachten Thlirmen erinnert an viele französische Kirchen, auch an Notre Dame in Paris. Die erhöhte Stellung auf einer Plattforme, zu welcher gegen dreifsig Stufen hinaufführen, ist dem Gebäude ausnehmend günstig. Das Innere mit seinen drei düsteren Schiffen gab mir aber den Eindruck jenes finsteren Charakters wieder, der die ganze Auffassung des Christenthums in der päpstlichen Kirche des Mittelalters bezeichnet. Ich sah mich hier, unter einer Menge alter bischöflicher Denkmäler, von neuem in die Zeit zurückversetzt, in welcher Vienne unter seinen Prälaten einen so zweideutigen Ruhm sich erwarb, wozu auch jener Verlauf des Tempelherrnprozesses gehörte. Daher verliefs ich bald wieder diese drückenden Mauern, und da mir

144 nun

auch die engen und immer dunkler werdenden

Strafsen nichts Anziehendes und Erfreuliches mehr darboten, so eilte ich in meine stille Wohnung zurück, um mich anderen Gedanken hinzugeben. Ein in meinem Zimmer hängendes kleines Bild einer Jungfrau, der wegen ihres heldenmüthigen Todes für ihren K

Glauben hier in Vienne besondere Verehrung zu Theil w i r d , la Sainte Blandine, führte mich mit einem Male in frühere Jahrhunderte dieser alten christlichen Stadt zurück, und zu edleren Erinnerungen, als jene mittelalterlichen waren. Heilige Schatten stiegen vor mir auf, indem ich der Zeit gedachte, als der Same des göttlichen Evangeliums hier zuerst mitten in der noch römischen Stadt, und umgeben von heidnischen Sitten und Gebräuchen, in empfänglichen Herzen Wurzel fafste und bald eine blühende Gemeinde einigte. Gallien hatte seit alten Zeiten in einer engen Verbindung mit Kleinasien gestanden, wo das Christenthum sehr bald durch die Lehrthätigkeit der Apostel Freunde und Bekenner gewann. Kleinasiatische Seefahrer besuchten des Handels wegen die Südküste von Gallien wie die Häfen Hispaniens.

So war einst Massilia, Marseille,

von Phokäem der ionischen Küste gegründet worden, als sich diese lieber eine zweite, neue Heimath gründen als persische Knechtschaft erdulden wollten, und auf ähnliche Weise soll auch Vienne am Rhodanusflufs von Griechen aus Kreta angelegt worden sein. Eben so waren aber auch gallische Völker zu verschiedenen Zeiten nach den östlichen Gegenden gezogen und hatten sich

145 dort -niedergelassen, wie der Name Galatien in Kleinasien darauf hinweist.

Und so war denn in einem der

ersten christlichen Jahrhunderte auf der Wasserstrafse der Rhone nicht nur mancherlei griechische Handelswaare, sondern auch die köstliche Perle des Evangeliums frühe bis Vienne und Lyon gebracht worden.

Wir ler-

nen zwar die Christengemeinden in diesen beiden Städten, die namentlich von Smyrna aus gegründet sein sollen, erst kennen, als sie gezwungen worden, aus ihrer demüthigen Verborgenheit herauszutreten, in einer blutigen Verfolgung; die über sie im Jahre 177 erging. Aber die zuverlässigen Nachrichten, die wir davon besitzen, beweisen, wie zahlreich und aus allen Ständen des bürgerlichen Lebens die Gemeinde damals schon bestand.

Rührend ist der Bericht, den diese beiden Ge-

meinden von Vienne und Lyon über ihre bitteren Leiden und über die Standhaftigkeit der Verfolgten, in einem Schreiben an ihre Glaubensbrüder in Smyrna geben.

Der

älteste Kirchengeschichtschreiber Eusebius 6 ) hat uns diesen Bericht, wie er ihn vorgefunden, aufbewahrt. Und wie dieser an jenem Abende in Vienne mich auf eine besonders wohlthuende Weise beschäftigte, so möge daraus Einiges auch hier meine Erinnerungen an Vienne beschliefsen. »Die Knechte Christi in den Gemeinden zu Vienna und Lugdunum in Gallien wünschen den Brüdern in Asien und Phrygien, die mit uns einerlei Glauben und Hoffnung des Heils haben, Friede und Gnade und Ehre von Gott dem Vater und unserm Herrn Jesu Christo. 10

146 Die Gröfse der hiesigen Verfolgungen und die Wuth der Heiden gegen die Gläubigen und die Leiden der seligen Märtyrer können wir so wenig genau erzählen, als sie überhaupt zu beschreiben ist. Denn wir sind nicht allein aus den Häusern, Bädern und Märkten vertrieben worden, sondern es war uns auch verboten, uns irgend wo sehen zu lassen.

Aber die Gnade Gottes stritt für

uns, und errettete die Schwachen; sie stellte ihnen starke Säulen entgegen, die durch Geduld den ganzen Anlauf des Widersachers auf sich zu lenken Kraft hatten.

Diese

traten ihm fest gegenüber, und erduldeten jede Art von Schmach und Strafe.

Sie achteten alles gering und gin-

gen zu Christo ein, und bewiesen dadurch, dafs dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht Werth sei, die an uns soll geoffenbart werden. Zuerst hielten sie alles muthig a u s , so viel ihnen von dem ganzen Haufen angethan wurde, Schmähworte, Schläge, Niederwerfen, Plünderung, Steinigung, Gefängnifs und alles was ein wilder Pöbel Feinden und Widersachern anthut.

Hierauf wurden sie

auf den Markt geführt und von dem Befehlshaber und den Obristen der Stadt vor dem ganzen Volke verhört, und da sie Christum bekannten, bis zur Ankunft des Statthalters ins Gefängnifs gelegt.

Da sie hernach vor

diesen geführt wurden, und derselbe alle Grausamkeit gegen uns sich erlaubte, da konnte V e t t i u s E p a g a t h u s solch ungerechtes Verfahren nicht ertragen.

Dieser war

einer von den Brüdern, erfüllt von der Liebe zu Gott und dem Nächsten, der bei aller Jugend ein so strenges Leben iulirte, dafs er das rühmliche Zeugnifs jenes alten

147 Zacharias verdiente, welcher in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelich ging.

Derselbe voll göttlichen

Eifers verlangte nun mit seiner Vertheidigung für die Brüder gehört zu werden, indem er beweisen wollte, dafs nichts gottloses und schändliches bei uns zu finden sei.

Aber die um den Richterstuhl Stehenden schrieen

ihm entgegen, obschon er ein angesehener Mann war, und der Statthalter gewährte ihm seine gerechte Bitte nicht, sondern fragte ihn nur,

ob er auch ein Christ

wäre; und als er dies mit lauter Stimme bekannte, so wurde auch ihm das Loos eines treuen Zeugen zu Theil. — Täglich wurden nun ergriffen, welche würdig waren, die Zahl der Märtyrer voll zu machen, so dafs endlich aus beiden Gemeinden alle diejenigen, auf welchen hier das Meiste beruhete, zusammengebracht wurden. Zugleich wurden auch einige heidnische Hausgenossen der Unsrigen mit verhaftet; denn der Statthalter hatte befohlen, dafs man uns insgesammt aufsuchen sollte. Diese fürchteten die Qualen, die sie die Gläubigen erdulden sahen, und so sagten sie durch die List des Feindes auf Antrieb der Kriegsknechte fälschlich wider uns jlie schändlichsten Dinge aus, die sich weder zu sagen noch zu denken für uns geziemen, und wovon man nicht einmal glauben kann, dafs sie jemals unter Menschen geschehen sind.

Nachdem aber dies kund geworden, wurden alle

gegen uns aufgebracht,

so dafs,

wenn vorher noch

Manche, die uns kannten, billig mit uns verfahren waren, auch diese nun unsere bittersten Feinde wurden. Hier wurde erfüllt, was der Herr gesagt hat: es kommt

148 aber die Zeit, dafs, wer euch tödtet, wird ineinen, er thue Gott einen Dienst daran.

Hierauf standen die hei-

ligen Glaubenszeugen solche Qualen aus, die über alle Beschreibung sind. Vorzüglich wüthete der ganze Zorn des Volks, des Statthalters und der Kriegsknechte wider den Diakonus S a n c t u s von Vienna, wider den M a t u r u s , der, obschon erst kürzlich getauft, doch ein tapferer Streiter Christi w a r , wider den A t t a l u s aus Pergamus, der immer eine Säule der hiesigen Christen gewesen, und wider B l a n d i n a ,

an welcher der Herr

zeigte, dafs das, was schwach und gering ist vor der W e l t , Gott erwählet und grofser Ehre gewürdiget hat. Denn da wir alle, auch ihre Gebieterin, die selbst unter den Glaubenszeugen war, fürchteten, sie möchte wegen der Schwäche ihres Körpers ihr Bekenntnifs nicht mit Freimüthigkeit ablegen können, so wurde Blandina mit solcher Kraft erfüllt, dafs ihre Peiniger, die sie von Morgen bis Abend auf alle Art folterten, gestehen mufsten, sie wüfsten nichts mehr, was sie ihr zufügen könnten. Da schon ihr ganzer Körper zerrissen war, sammelte sie gleich einem tapfern Kriegsmanne in dem Bekenntnifs neue Kräfte, und es war für sie eine Erquickung,

zu

sagen: ich bin eine Christin und bei uns geschieht nichts Böses.

Sanctus

erduldete ebenfalls auf eine aufser-

ordentliche und übermenschliche Weise alle Martern, die ihm Menschen zufügen konnten und widerstand seinen Peinigern so fest, dafs er weder seinen Namen sagte, noch das Volk oder die Stadt, von wo er gebürtig war, noch ob er ein Sklav oder ein Freier wäre. Sondern auf

149 alles, wonach er gefragt wurde, antwortete er in lateinischer Sprache: ich bin ein Christ. Ein anderes W o r t hörten die Heiden nicht von ihm. — Auch der selige P o t h i n u s , der das Bischofsamt zu Lugdunum verwaltete, und schon Uber 90 Jahr alt und Sehr schwach am Körper war, aber durch den Eifer für das Glaubenszeugnifs mit jugendlicher Kraft erfüllt, wurde zum Richterstuhl geschleppt.

Ganz entkräftet durch Alter und Krankheit,

blieb doch seine Seele noch in ihm, damit Christus durch ihn triumpliire.

Der Statthalter fragt ihn: W e r ist der

Gott der Christen, und er antwortet: Wenn du dich dessen würdig zeigst, so wirst du ihn erkennen.

Hierauf

ward er unbarmherzig niedergeworfen und m u ß t e Schläge und Muthwillen jeder Art erdulden, denn auf diese Weise glaubten die Heiden ihre Götter zu rächen. Kaum noch athmend wurde er in den Kerker geworfen, wo er nach zwei Tagen

starb.

Die Andern aber mufsten in noch

langsamem Qualen enden.

Maturus

und

Sanctus

erlitten im Amphitheater alle Arten der Marter,

aber

sie ertrugen sie als Kämpfer, die schon in mehreren Gängen den Gegner überwältigt hatten und nun um die Siegeskrone selbst den Kampf antraten.

Sie erduldeten

die Hiebe der Geifseln und die Zähne der wilden Tluere, und alles was der rasende Pöbel, der bald liier bald dort dazwischen schrie, haben wollte.

Aber dennoch hörten

sie vom Sanctus nichts weiter, als sein voriges Bekenntnifswort, und beide wurden, da das Leben sie noch immer nicht verlassen wollte, zuletzt erwürgt.

Viele

Andere aber wurden, (nachdem der Kaiser den Befehl

150 gegeben, alle welche Christum bekenneten, hinzurichten, die ihn aber verläugneten, loszulassen,) wenn sie das römische Bürgerrecht hatten, mit dem Schwerte getödtet, die Anderen zu den wilden Thieren gebracht. kam auch A l e x a n d e r ,

So

der früher Christum verläug-

net h a t t e , aber jetzt ihn bekannte, mit A t t a l u s

auf

den Schauplatz, und beide -wurden, nachdem sie alle Grade der Marter ausgestanden, mit dem Schwerte erstochen. B l a n d i n a aber wurde mit einem Knaben von ungefähr 15 Jahren für den letzten Tag der Kampfspiele. aufbewahrt.

Man hatte weder Erbarmen mit der

Jugend des Knaben, noch Achtung vor dem Geschlechte der Jungfrau.

P o n t i c u s von der Schwester ermuntert,

hielt alle Marter muthig aus, bis er seinen Geist aushauchte. Blandina aber, nachdem keins der wilden Thiere sie hatte anrühren wollen, wurde in ein Netz gesteckt und einem Stiere vorgeworfen und endlich auch erstochen. Die Heiden aber, nicht beschämt darüber, dafs die Märtyrer über sie gesiegt hatten, entbrannten vielmehr noch heftiger in Zorn, und Statthalter wie Volk zeigten, wie die wilden Thiere, noch eben den ungerechten Ilafs gegen u n s , damit die Schrift erfüllet würde: W e r Unrecht t h u t , der thue fürder Unrecht, und wer gerecht ist, der übe fürder Gerechtigkeit. Die Körper der im Gefängnifs Erstickten warfen sie den Hunden vor und wachten mit Fleifs bei Tag und Nacht, dafs Keiner durch uns begraben würde.

Die Ueberbleibsel der Andern wurden

zu Kohlen verbrannt. W i r aber befanden uns in grofser Betrübnifs, dafs wir die Körper nicht zur Erde bestatten

151 durften. Weder die Nacht half uns dazu, noch konnten die Heiden durch Geld überrede't oder durch Bitten bewogen werden, als wenn sie etwas Grofses gewonnen hätten, wenn die Körper kein Begräbnifs erhielten. Ja, die Asche derselben wurde von den Gottlosen in die unweit vorbeifliefsende Rhone gestreut, damit auch kein Ueberbleibsel von jenen auf Erden zu sehen wäre, gleichsam als wären sie mächtiger als Gott, und könnten den Verstorbenen

die Auferstehung und das ewige Leben

nehmen.« Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen! rief ich a u s , nachdcm ich diesen Bericht über die frommen Bekenner Christi und ihre Leiden gelesen hatte. W i e grofs und ehrwürdig erscheint das Christenthum in diesen einfachen, treuen und unglücklichen Menschen, die für den ihnen theuer gewordenen Glauben den Tod gering achten, den blinde heidnische W u t h ihnen bereitet; j a welche Gotteskraft ist hier das Evangelium, das seine Bekenner alle an ihnen ausgeübten Frevelthaten überwinden läfst, weil sie das nicht lassen können, was ihrem Herzen die höchste Beseligung ist.

Und wie tief erniedrigt, wie

entstellt und gänzlich unkennbar ist dieses selbe Christenthum geworden auf demselben Boden in jener Klerisei, die mit erheucheltem Eifer sich zu Mördern ihrer Brüder hcrgiebt und keine Ahnung hat von dem Geiste der Liebe und Duldsamkeit ihres Meisters, der auch das glimmende Tocht nicht verlöschen und das zerstofsene Rohr nicht zerbrechen mochte.

Arme Blandina,

un-

glücklicher Molay, die ihr hier mit so vielen andern

152 Edlen und Unschuldigen um eurer .Treue an der Wahrheit willen hingeopfert wurdet! — Aber ein ähnlicher unreiner Geist der Unduldsamkeit und eines unverständigen Zelotismus war auch mir schon auf meiner Reise durch das südliche Frankreich heim Zusammentreffen mit verschiedenen Einheimischen entgegengetreten. Daher machte es mir Freude, mich schon im Gedanken von hier mitten in meine geliebte kleine Gemeinde am Meer zu versetzen, mit der ich mich nun bald wieder am lautern Worte des Lebens und an der Gemeinschaft im ungefärbten Glauben und in der Liebe erquicken konnte. Und mit diesem Gedanken, nach einer Nacht sanften Schlummers, verliefs ich Vienne und zog meine Strafse fröhlich.

Anmerkungen.

1.

(S. 127.)

D. G. M o l d e n h a u e r ,

Orden der Tempelherren. 2.

(S. 132.)

W.Havemann,

des Tempelherrenordens.

Prozefs gegen den

Hamb. 1 7 9 2 .

S. 2 — 8.

Geschichte des Ausgangs

Stuttg. 1 8 4 6 .

S . 2 9 4 ff.

Ich er-

laube mir, aus diesem trefflichen Buche noch ein paar Stellen zu

entlehnen,

die die Anklage gegen

die T e m p l e r in

das

rechte Licht setzen: » E s ist nicht unwahrscheinlich, dafs mit dem wachsenden Reichthum die Freude am Genufs häufig die frühere Einfalt der Gesinnung und des W a n d e l s verdrängte, dafs,

trotz

der Bemühungen

so

vieler Grofsmeister,

strenge Leben in den Tempelhöfen sich minderte. blieb

das

Aber stets

das Gefühl des Stolzes und der E h r e im Orden

mächtig, um diesen als solchen sinken zu lassen. —

zu

Kein

gleichzeitiger Zeuge spricht von der Entsittlichung des Ord e n s , von j e n e n entsetzlichen Mysterien,

die mit der F o r t -

setzung des Verhörs an Umfang und Fluchwürdigkeit wachvor,

so

wurden sie von einzelnen, entarteten Naturen begangen

sen. —

Kamen

einzelne

Sünden und Verbrechen



aber unfehlbar nicht mit E r l a u b n i s des Grofsmeisters, noch nach den Statuten des Ordens.« 3.

(S. 136.)

Vergl. S. 353. 54. 65.

W i e D a n t e , Purg. X X . 9 3 , gegen Philipp

den Schönen Gottes Rache herabruft, weil er seine habgierigen

154 Hände nach den Gütern des Tempelordens ausgestreckt, so hat derselbe auch in einer a n d e r e n , meines W i s s e n s nicht erklärten

noch

S t e l l e , Parad. X I X . 1 3 9 , n u r deshalb

König von P o r t u g a l D. Diniz gescholten, Güter dieses Ordens in P o r t u g a l einzog,

weil

den

dieser die

obschon er es als

ein sehr weiser F ü r s t g e t h a n , u m dadurch die Einmischung des Papstes in seine königlichen Rechte zu verhüten.

Hier-

nach läfst sich auch ungefähr auf die Zeit schliefsen,

in

welcher Dante diese letzten Bücher seines grofsen Gedichts geschrieben hat. 4.

(S. 138.) V e r g l . über diese Gruppe M i l l i n , Voyage

dans les de'partemens du midi de la France. Paris 1807—11. Atlas Pl. X X V I I . 5. EODEM

(S. 139.)

SCAENICI

CORPORE

SVNT

ASIATICI VIVI

R e y , le guide des étrangers à Vienne. 6.

(S. 145.)

Eusebius

SIBI

ET

QVI

IN

FECERVNT.

Lyon 1819. p. 117.

histor. eccles. L . V . c. 2 .

Reiseblätter aus Spanien.

Reiseblatter aus Spanien.

1. Seefahrt von Lissabon nach Gibraltar, Aufenthalt in Gibraltar und R e i s e nach Malaga. D i e schwedische Brigg Bröders, geführt vom Capitain Pekema, einem Holländer von Geburt, sollte von Lissabon aus, verschiedene Häfen des mittelländischen Meers besuchen,' und ich hatte mir einen Kajütenplatz darauf bedungen bis Gibraltar.

Von da wollte ich zu Lande

durch Spanien und Frankreich nach Deutschland zurückreisen.

Mein leichtes Gepäck war Tags zuvor an Bord

gebracht worden.

Mit der ersten

Morgendämmerung

betrat ich die am Ufer mich erwartende Barke.

Ein

einziger junger Freund und mein galizischer Diener begleiteten mich bis ans Schiff; so hatte ich es selbst angeordnet. Noch eine halbe Stunde im Hafen, gegenüber der Stadt, in welcher ich durch einen siebenjährigen Aufenthalt wie heimisch geworden w a r !

Ein dichter

Nebel entzog sie schon jetzt meinen Augen.

Nur mas-

senhafte Umrisse der Hügel- und Häusergruppen wurden sichtbar; ich sendete meine letzten stillen Segenswünsche zu allen denen hin, mit welchen mich ein vieljähriger

158 freundlicher Verkehr in zwei besonderen, mir unendlich theuer gewordenen Wirkungskreisen verbunden hatte, und von denen ich nun wohl für dieses Erdenleben auf immer schied. Ein frischer Wind brachte das Schiff schnell über die Bartfe; so heifsen die zwei gefährlichen Sandbänke, die den Hafen von Lissabon schliefsen und beschützen. Die offene See lag vor uns.

In den ersten drei Tagen

hatten wir ziemlich günstigen Wind, so dafs unsere Brigg, die kein besonders guter Segler w a r , uns doch die ganze portugiesische und algarbische Küste entlang trug, und bis auf die Höhe von Cadiz brachte. Da verliefs uns auf einmal das gute Wetter; wir wurden durch Nordostwinde an der Einfahrt in die Meerenge von Gibraltar verhindert, und immer mehr der afrikanischen Westküste zugetrieben. Und nun kreuzten wir drei T a g e lang in diesen südlichen Gewässern.

Das afrikanische

Land lag in einer Entfernung von zwei bis drei Meilen deutlich vor unsern Augen. weiter Ausdehnung

Wir konnten die Küste in

übersehen, vom Cap Spartel an,

dem südlichen Vorgebirge am Eingang in die Meerenge, von der wir verschlagen worden waren, bis südlich hinab nach Larache, welches auf niedriges Litoral gebaut mit seinen weifsen Häusern kaum über die Meereslinie sich erhebt. mit

Uns

gerade gegenüber lag Arzilla

seinen bemerkbaren Festungswerken.

Der Name

dieses Orts rief mir mit einem Male die grofse Vergangenheit Portugals vor die Seele, seine Helden zu Land und zu Meer, mit ihren Waffenthaten in Afrika und

159 ihren noch kühneren Entdeckungsreisen, auf welchen sie, wie ihr gröfster Dichter singt, Durch nie z u v o r befahrne Meeresstrecken V o r d r a n g e n jenseit Taprobana's Land.

Hier auf Arzilla's Thürmen wehete einst das portugiesische Banner, welches Alfons V, nach seinen ritterlichen Kriegszügen der Afrikaner genannt, aufgepflanzt hatte, nachdem bereits durch seinen Grofsvater Johann I die portugiesischen Eroberungen in Afrika mit der Erstürmung von Ceuta begonnen worden waren. Und durch diese öden Meerespfade waren auch jene kühnen Seefahrer unaufhaltsam vorwärts gedrungen, die der Infant Heinrich, Johann des Ersten Sohn, von der algarvischen Küste aus entsendet hatte, und denen unter den grofsen Königen Johann II und Manoel andere unerschrockene Männer nachfolgten, bis endlich Bartolomeo Diaz das Vorgebirg der Stürme aber auch der guten Hoffnung erreichte, und Vasco de Gama den Seeweg nach Ostindien vollends entdeckte, um den Portugiesen die grofsen Vortheile des ostindischen Handels zur See anzueignen. An dieser Küste, die jetzt vor mir lag, fuhren dann die grofsen Francesco d' Almeida, Aifonso Albuquerque, Joao de Castro vorüber auf ihren Zügen nach Diu und Calicut, wo sie sich und ihrem Volke unsterblichen Ruhm bereiteten. Welche grofse Zeiten für Portugal, aber wie bald wieder verschwunden! W a r es doch auch wieder hier in der Nähe von Arzilla, wo jener jugendliche König Sebastian, der unglückliche Zögling der Jesuiten, auf

160 seinem unbesonnenen Feldzuge voll schwärmerischer Hoffnungen landete, aber gleich darauf in- der Ebene von Alcacer die Blüthe des portugiesischen Volks verlof und selbst nicht wieder aufgefunden wurde. Mit ihm aber ging das hochherzige burgundische Geschlecht unter, welches Portugals Königsthron gegründet und grofs gemacht hatte, und das Land sank zu einer Provinz der spanischen Philippe herab. Während ich mich solchen Betrachtungen hingab, die alle meine Gedanken wieder nach Portugal hinlenkten, entdeckte das Auge hinter jenen uns nahen Uferlinien die lang gedehnte Kette des Atlasgebirgs, das in drei, vier verschiedenen Höhenzügen übereinander zackig wie ein Ararat sich erhebt. Ein grofsartiger überraschender Anblick, der mich für den Aufenthalt unserer unwillkürlich verlängerten Reise reichlich entschädigte. Endlich am 4. Junius trat ein günstiger Westwind ein und trieb uns wieder dicht beim Cap Spartel vorbei und in den Kanal hinein. Ich war wie an den vorhergegangenen Tagen fast immer auf dem Verdeck. Das schönste, helleste Wetter begünstigte unsere Fahrt. Wir blieben auch jetzt der afrikanischen Küste so nahe, dafs wir bald die ganze Lage der Stadt Tanger übersehen konnten. Sie liegt nahe an einer tiefen Bucht des Meeres und zieht sich an einem Berge hinauf. Auch dieser Ort ruft viele Erinnerungen aus der portugiesischen Geschichte hervor, aber gerade die allcrwehmüthigsten. Denn hier war es, wo einst die Infanten Don Henrique und Don Fernando, die Söhne Johanns I , nach

161 einer vergeblichen Belagerung der festen Stadt in ihrem eigenen Feldlager von den Mauren eingeschlossen wurden und diesen sich ergeben mufsten, und wo Der standhafte Prinz im Glauben Don Fernando Lusitaniens, um seinen Bruder und das portugiesische Heer zu retten, als Geifsel sich darbot, dann aber, als die bedungene Uebergabe von Ceuta nicht erfolgte, nach sechsjährigen, unsäglichen Leiden in der Gefangenschaft zu Fez seine fromme Seele aushauchte. T a n g e r ist noch heut zu Tage mit gut erhaltenen Mauern und hervorragenden Thürmen umgeben.

Alle

Nationen" haben hier ihre Consuln; aber der Handel ist meist in den Händen der Engländer, die von hier auch Gibraltar mit Lebensbedürfnissen, namentlich mit schönem afrikanischen Hornvieh versorgen.

Man rechnet von

Tanger bis Gibraltar acht deutsche Meilen; täglich gehen kleine maurische Barken dahin a b , und bringen Feldund Gartenfrüchte, Hühner, Eier und andere Lebensmittel auf den Markt der an fruchtbarem Erdreich und Gärten armen Festung. Auf diese Weise hat der Fremde vielfache Gelegenheit, von dort aus eine ganz afrikanische Stadt zu besuchen; denn das näher liegende Ceuta hat als spanische Besitzung doch mehr einen europäischen Charakter. Auch findet man in Tanger ein gutes W i r t h s h a u s , welches von einem Italiener gehalten wird. Aus der Stadt

aber allein herauszugehen,

Europäer nicht wohl zu rathen,

ist einem

wenn er sich nicht

allerlei Neckereien und Widerwärtigkeiten aussetzen will. 11

162 Man nimmt daher bei kleinen Ausflügen in die Umgegend eine Wache zum Begleiter mit, die nicht sehr kostspielig ist. In den Jahren 1815 bis 1823 besafs Tanger in dem schwedischen Consul einen europäischen Literaten, den durch verschiedene gelehrte Arbeiten bekannten Graberg von Öemso, der auch als Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Lissabon zu ihren Memorias schöne Beiträge, besonders über afrikanische Sprachen geliefert hat.

Diese sind unter seinen Werken weniger bekannt

als seine statistischen Mittheilungen, durch die er sich bei der marokkanischen kaiserlichen Hoheit so .unbeliebt machte, dafs er als Consul nach Tripolis ging, worauf er später seinen Aufenthalt in Florenz nahm, wo er unlängst gestorben ist. Als unser Schiff die Höhe von Tanger verlassen hatte und wir mitten im Kanale waren, trat mit einem Male eine grofse Windstille ein, und wir sahen uns ganz und gar der Gewalt einer heftigen, von Westen nach Osten gerichteten Strömung preisgegeben.

Wir wurden dies

zuerst durch eine mir ganz neue Bewegung der See gewahr, die dem beginnenden Sieden des Wassers in einem Kessel glich.

E s erschienen auf der Oberfläche

des dunkelen Meers unzählige kleine in die Höhe gerichtete Strudel und Wasserblasen, die bei der eingetretenen Abenddämmerung

etwas unheimliches hatten.

Auch gab der Capitain zu verstehen, dafs wir eine unruhige Nacht haben würden, weil wir uns ganz und gar jenen Strömungen überlassen müfsten und daher grofse Wachsamkeit nöthig sei. Zum Glück ging gegen Mitter-

163 nacht der Mond auf, so dafs die öfteren Wendungen des Schiffs in der Nähe der Küste leicht übersehen und die rasch auszuführenden Veränderungen in den Segeln bequem vorgenommen werden konnten.

Gegen zwei Uhr

Morgens befanden wir uns dicht unter der Festung Ceuta und in nicht geringer Gefahr an das Land geworfen zu werden, als nahe an der Küste mit einem Male eine andere Strömung unserm Fahrzeuge eine glücklichere Richtung gab. Um fünf Uhr Morgens gingen wir im Hafen von G i b r a l t a r vor Anker. S o n n t a g , den 5. Juni.

Der hohe Fels, der sich wie ein ruhender Löwe von Norden nach Süden ins Meer hinein streckt, lag anfangs in Nebel gehüllt vor uns. Aber die Dunstmassen stiegen, und allmälig wurde die Stadt, die am westlichen Abhang des Bergs hegt, sichtbar; dann zeigten sich die befestigten'Höhen, die Quartiere der Soldaten, ein altes maurisches Castell und anmuthige Landhäuser, die hie und da zwischen kleinen Gärten endlich,

zerstreut lagen,

als die letzten Wolkenstreifen

bis

verschwanden,

auch die höchsten Felsenspitzen in das schönste Blau des Himmels hinaufragten.

So befanden wir uns denn

an dem Fufse der einen riesenhaften Säule des Herkules, während die andere, jenseit der Meerenge mit der Bergfeste Ccuta in nebeliger Ferne uns gegenüber lag. Es sollte uns aber heute noch viele Zeit übrig bleiben, vom Schiffe aus das vor uns liegende nahe Land, das zu betreten uns verlangte, zu beschauen.

Denn es

war Sonntag, den auch die Hafenbehörden der Engländer

164 gewissenhaft beobachten; daher war nur dem Capitata erlaubt, das Schiff zu verlassen; ich mit anderen Passagieren mutete an Bord bleiben. Jeder fremde Ankömmling kann nämlich erst durch Vermittelung eines in Gibraltar ansäfsigen Engländers, der für den unverdächtigen Charakter und Reisezweck desselben gutsagt, die Erlaubnis zum Besuch dieses festen Platzes erhalten.

So

vorsichtig und streng wird der Schlüssel zum Mittelmeere von seinen Besitzern verwahrt. Ich übergab also dem Capitain meinen mitgebrachten Empfehlungsbrief an das Kaufmannshaus S. u. C., durch welches mir am folgenden Tage die Befreiung aus meinem Schiffsarreste zu Theil werden konnte. Für den heutigen T a g war ich ein Gefangener, dem nur gestattet war, auf dem Verdeck des Schiffs auf und ab zu wandeln und über die Wände des Bords wie über die Brustwehr eines Thurms hinauszuschauen auf die Wasserfluthen,

die unsere kleine schwimmende Delos

umspülten, und auf die näher und entfernter liegenden Ufer von Europa und Afrika.

Allerdings Stoff genug

für das Auge so wie für geschichtliche Erinnerungen, die sich an diese Meeresufer anknüpfen. Betrachtungen

mich hinzugeben,

Und solchen

war mein heutiges

Tagewerk. Das grofse Wasserbecken des Meerbusens von Gibraltar wird von drei Seiten von der spanischen Küste umgrenzt, die ein schönes Panorama bildet, nach Süden hin ist die Aussicht offen; doch erkennt man die jenseit des vier bis fünf Meilen breiten Sundes liegende

165 afrikanische Küste mit der spanischen Festung Ceuta. Zunächst aber vor uns lag der prachtvolle Felsen, der bekanntlich seinen alten Namen Kalpe erst seit der Eroberung Spaniens durch die Araber mit dem Gegenwärtigen vertauscht hat. Dies Vorgebirge von Gibraltar ragt so wunderbar einzeln und hoch über dem Meere hervor, da es nur durch einen schmalen niedern Landstrich mit dem übrigen Spanien zusammenhängt, dafs es mit dem gegenüberliegenden afrikanischen Vorgebirge von C e u t a , dem alten Abyla, den Schiffenden von Ferne in der That den Anblick von zwei mächtigen Säulen darbietet. Die schaffende Phantasie der alten Völker personificirte aber gern grofse Naturerscheinungen und Elementarkräfte, und so knüpfte sie an diese wunderbar hervorragende Felsen ihre Sagen von den weiten Zügen des Herkules, der hier seine Säulen aufrichtet, nachdem er durch das Sprengen einer Felsenmauer sich den Eingang in das atlantische Meer geöffnet hat. Und wie viele seefahrende Völker haben seit dem Entstehen dieser Sage auf ihren gewinnlustigen Reisen diese Säulen geschaut und sind zwischen dieses Felscnthor hindurch geschifft, wenn sie aus dem innern Meere in das äufsere ihre Fahrzeuge lenkten und güterbeladen wieder zurückkehrten. Welch ein bedeutender Weltverkehr und Völkermarkt hat sich frühe schon hier vorbeibewegt, und wie mannigfaltige Ansiedelungen sind seit der ältesten historischen Zeit hier und in der Nähe gegründet worden. Durch diese Meerenge wagten sich schon auf ihren Tharschisch- Schiffen die ersten uns bekannten kühnen

166 Seefahrer, die Phönizier, von den östlichsten Küsten des Mittelmeers kommend, und legten, angelockt von dem reichen Natursegen Spaniens, hier in der Nähe bedeutende Kolonien als Stapelplätze ihres Handels an, die sie dann freudig wieder begrlifsten, wenn sie noch weitere Reisen bis nach den Zinninseln Britanniens und nach den Bernsteinkiisten der cimbrischen Halbinsel glücklich vollendet hatten. Hier um die Südspitze Spaniens herum ist die Landschaft Tharschisch oder Tartessus zu suchen, die schon nach den Zeugnissen alttestamentlicher Schriftsteller unter tyrischer Herrschaft stand, und von woher die phönizischen Schiffe Silber, Eisen, Zinn und Blei brachten.

Vielleicht war es das ganze Küstenland von

Kalpe bis zu den Mündungen d e s B ä t i s , Guadalquivir'). Der Mittelpunkt dieser phönizischen Niederlassungen war Gadir oder Gades, das heutige Cadiz, mit dem weltberühmten Tempel des Tyrischen Herkules.

In der Nähe

unseres Felsens Kalpe aber lag nach dem Berichte des alten griechischen Geographen Strabo, der im Zeitalter des Cäsar und August drei Welttheile bereist und beschrieben h a t , ebenfalls eine sehr alte Stadt, die ursprünglich ein Hafenort der Iberier war, des Volkes, das wir als die ältesten Bewohner Spaniens anzusehen haben, und von dem wahrscheinlich die Basken noch ein Ueberbleibsel sind.

Die Stadt hiefs nach dem nur

vierzig Stadien oder eine deutsche Meile davon entfernten Berge ebenfalls Kalpe; doch soll sie auch Heiaklea genannt worden sein.

Sie mufs nach dieser Angabe

in der nördlichsten Einbiegung unseres Meerbusens etwa

167 da gestanden haben, wo jetzt die mittelalterlichen Wachtthürme von Roccadillo stehen. Westlicher davon, ungefähr an der Stelle des heutigen Algeziras, lag Carteja, ebenfalls eine sehr alte Stadt, die aber in späterer Zeit eine römische Kolonie wurde, nachdem die ältesten Anpflanzer, die Phönizier, von ihrem Töchterstaate Karthago hier verdrängt worden waren, und endlich auch die Karthager nach einem zweihundertjährigen Kampfe den Römern das blutgetränkte Land überlassen mufsten. Münzen, die besonders in diesen südlichen Gegenden Spaniens gefunden werden,

sind sichere einheimische

Denkmäler f ü r diesen Völkerwechsel in Spanien. der alten Stadt Gadir

Von

sind viele verschiedene Miinz-

gepräge vorhanden, die den Kopf des Tyrischen Herkules und den hier noch immer hausenden Thunfisch und den alten Namen der Stadt in phönizischen Schriftzügen aufweisen 2 ).

Der römischen Kolonie Carteja da-

gegen gehört eine andere Reihe von Münzen a n , welchen neben dem Namen der Stadt

auf

in lateinischer

Schrift mancherlei Embleme eines Hafenplatzes, Schiff, Ruder, Delphine und der dreizackschwingende Neptun dargestellt sind 3 ). Aber endlich fiel auch jener grofse Colofs der römischen Weltmonarchie in Trümmer, und in Spanien waren es vornehmlich die Westgothen,

die ein grofses,

verständig geordnetes Reich aufrichteten, das sich über die ganze Halbinsel und das südliche Frankreich ausdehnte und unter trefflichen Fürsten wie Atlianagild und Reccared mehr als zwei Jahrhunderte hindurch mächtig

168 und blühend war.

Als aber Laster und Despotismus

den Thron bestiegen und Parteikämpfe hervorriefen, gelang es den vom Islam begeisterten Söhnen Arabiens ihre Eroberungszüge durch das nördliche Afrika auch über die Säulen des Herkules auszudehnen und die gothische Herrschaft bis in die Gebirgsgegenden von Asturien und Biscaja zu verdrängen. Eine Sage,

die ältere und neuere spanische und

portugiesische Lieder 4 ) oft wiedergeben,

will wissen,

dafs der Graf Julian, der Statthalter von Ceuta, aus Rache gegen den gothischen König Roderich, der seine Tochter entehrt hatte, dem Statthalter des Kalifen von Damascus, der der Provinz Mauretanien vorstand, den Weg nach Spanien eröffnet und so die Veranlassung zur Zerstörung des westgothischen Reichs gegeben habe. So viel ist gewifs, dafs in dieser Zeit des allgemeinen sittlichen Verfalls der Gothen jener Graf Julian mit Oppas, dem Erzbischof von Sevilla, aus Hafs gegen Roderich, der des Oppas älteren Bruder und Julians Schwiegervater, den Witiza, im Jahr 711 vom Throne gestofsen — dessen der eine so wenig wie der andere würdig war — zum Verräther am eigenen Vaterlande wurde und die Mauren in das Land rief.

Der Kalif von Da-

mascus Walid bevollmächtigte seinen Statthalter Musa in Mauretanien zu dieser Unternehmung gegen Spanien, und dieser sendet vorsichtig zuerst einen Berber, den Tarif Abu Zara mit Fufsvolk und Reitern auf vier Fahrzeugen nach der Halbinsel.

Tarif landet westlich von

Gibraltar, und nach ihm, der Spanien zuerst betritt,

169 fuhrt der dort gelegene Ort noch heute deil Namen Tariffa. Da dieser erste Versuch, der mit der Plünderung

der

dortigen Gegend endigt, gelungen, schickt Musa seinen erfahrensten Feldherrn Tarek Ben Zejad und ein g r ö ß e res Heer von Berbern und Arabern aus, und der Graf Julian begleitet den Zug. Sie steuern auf Kalpe zu und betreten den spanisahen Boden an der Stelle, wo einst Carteja gestanden, und nennen diesen Landungsplatz, wegen seines schönen, üppigen Anbaues die grünende Insel, A l g e z i r a s . Aber der danebenliegende, vom Meer umspülte hohe Felsen bietet dem Führer einen trefflichen Stützpunkt f ü r seine weitern Unternehmungen d a r ; er wird daher von ihm befestigt und erhält den Namen der Berg des Tarek, Gibel al Tarek.

Die Schlacht bei Xerez

de la Frontera, wo die Saracenen mit den Gothen zuerst feindlich zusammentreffen, entscheidet das Geschick Spaniens für viele Jahrhunderte.

Gibraltar gehört von die-

ser Zeit an zu dem grofsen Reiche, das die Araber in Spanien aufrichten und das besonders unter den Omajadischen Kalifen von Corduba zwei hundert Jahre lang in einem sehr blühenden Zustande sich erhalt. mit den letzten unwürdigen Fürsten

Erst

aus diesem Ge-

schlecht, dem die grofsen Abdorrhaman und Hacham entsprossen

waren,

stürzt

die Einheit

des

spanisch-

arabischen Kalifats zusammen: die Statthalter der Provinzen erheben sich zu selbstständigen Fürsten, und es entstehen die maurischen Königreiche von Corduba, Sevilla, Jaen, Granada, Toledo und andere kleinere.

Seit

dieser Zeit war Gibraltar ein starker Anhalt der Könige

170 von Granada, bis es endlich im Jahre 1462 in die Gewalt der Castilianer fiel, nur dreifsig Jahre früher als auch Granada von den katholischen Königen Ferdinand und Isabella eingenommen und der Maurenherrschaft in Spanien ein Ende gemacht ward.

Seitdem blieb Gibraltar

in den Händen der Spanier trotz verschiedener Versuche, die bald die Holländer, bald die Franzosen machten, es denselben zu entreifsen.

Aber im spanischen Erbfolge-

kriege kam e's nach einer dreitägigen Belagerung in den Besitz der Engländer und wurde ihnen auch im Frieden zu Utrecht 1713 überlassen. Hoch flatterte heute am Sonntage auf allen Kastellen der Festung und bis zu den höchsten Spitzen des Felsens hinauf an Signalstangen und Telegraphen die englische Flagge, und mehrmals erinnerten Kanonenschüsse einzelne Schiffe, die unangemeldet bei der Festung vorbei ins Mittelmeer ihren W e g fortsetzen wollten, dafs hier Englands Löwe noch immer unumschränkt gebietet. Nicht weit von hier, westlich von der Bucht von Gibraltar,

ist

auch

das

Cabo de Trafalgar,

Nelsons

ruhmgekröntes Grab und zugleich das Grab der ganzen Bonaparteschen Flotte;

der einzige Lichtpunkt in der

Geschichte des Jahrs 1 8 0 5 , das sonst f ü r Europas Freiheit so verhängnifsvoll war. Küste,

Aber die hervorragende

auf welcher Tarilfa liegt, verbarg

es unsern

suchenden Blicken. M o n t a g , den 6. J u n i .

Mit Anbruch des Tages verliefs ich das Schiff, nachdem ich mir noch f ü r einige kleine Geschenke an die

171 Schiffsmannschaft gar freundliche Gesichter und' herzliche Wünsche zu meiner Weiterreise eingetauscht hatte. Ich sah bei diesem Abschied, dafs die Leute mich wirklich lieb gewonnen hatten; ich hatte mich auf der ganzen Fahrt viel mit ihnen abgegeben und bei Mehreren grofse Empfänglichkeit für ein ernstes Gespräch gefunden. Der Eine von ihnen wollte auch durchaus nichts von mir annehmen, weil er behauptete, er sei mir noch etwas zu zahlen schuldig. Da ich nämlich nach der Titulatur meines Passes vom Capitain immer nur »Minheer Doktor« genannt worden war, so hatten die Matrosen daraus geschlossen, ich müfste ihnen wohl bei Krankheitsfällen helfen können; daher halte ich ungeachtet aller Proteste diesem und jenem niancherlei ärztlichen Rath ertheilen müssen und dabei wirklich das Glück gehabt, den Einen, der von einer sehr heftigen Kolik befallen wurde, durch ein einfaches schmerzstillendes Mittel meiner kleinen Reiseapotheke davon zu befreien. Für diesen kleinen Dienst erhielt ich nun von Allen noch die kräftigsten Händedrücke. Drei lange Stunden mufste ich sodann auf dem heifsen Molö, dem Landungsplatze vor dem Stadtthor, auf die schriftliche Erlaubnifs warten, um dasselbe passiren zu können. Doch fehlte es auch hier nicht an Unterhaltung. Zahlreiche Volksmassen bewegten sich auf engem Räume in regem Gewühl durcheinander. Ein grofser Gemüsemarkt war aufgeschlagen; warme und kalte Speisen und Getränke wurden mit südlicher Lebhaftigkeit feilgeboten und Waaren aus den angelegten Barken ausgeladen. Unter

172 den Lastträgern befanden sich viele Mauren in afrikanischer Kleidung, meist kräftige j a zum Theil riesige Gestalten, die sich in ihren grofsen, weifsen Decken und bunten Turbanen ganz stattlich ausnahmen,

besonders

wenn sie sich gruppenweise, auf Arbeit w a r t e n d , gelagert hatten. Auch ist dieser Molo der Aufenthalt vieler Personen, denen aus Mangel eines Bürgen der Eintritt in die Stadt verwehrt ist und die auf Böten hier ankommen und

ebenso wieder von hier sich entfernen.

Namentlich gehörten zu diesen viele spanische Emigrados, die sich in ihrem eigenen Vaterlande nicht mehr sicher wissen, aber auch in Gibraltar keine Aufnahme finden,

und daher auf diese Handbreit Land angewiesen

sind, bis sie wieder auf einem Fahrzeuge einen Platz und anderwärts ein Asyl finden. Sie bringen auch wohl die warmen Nächte hier zu oder schlafen am Bord eines Schiffes.

Ich unterhielt mich mit mehreren von ihnen,

unter denen auch Piemonteser waren.

Ein

gebildeter

und sehr untérrichteter spanischer Offizier, dessen nächste Zukunft, wie er mir mittheilte, ganz dunkel vor ihm lag,

gewann mein besonderes Interesse.

Er hatte in

reiner, edler Vaterlandsliebe ein bedeutendes Vermögen und glänzende Verhältnisse hingeopfert, und das Vaterland, oder vielmehr die jetzt herrschende politische Partei, hatte ihn von sich gestofsen.

Wie gern hätte ich

ihm meinen Erlaubnifszettel abgetreten, der endlich anlangte, um ihm nach langer Irrfahrt ein ruhiges Plätzehen zu verschaffen, wohin er sein Haupt hinlegte.

Er

hielt sich noch an einer schwachen Hoffnung fest, durch

173 einen Bekannten in Gibraltar eine Aufnahme zu finden. Vergebens habe ich mich aber in den folgenden Tagen sowohl in der Stadt als auch wieder auf diesem Molo nach ihm umgesehen. So durfte ich endlich durch das finstere und niedere Hafenthor in die Stadt eintreten.

Die gelöste Karte,

die ich bei mehreren Wachtposten zu genauer Prüfung vorzeigen mufste, erinnert mich schon recht deutlich daran, dafs ich in England bin. 6 day of June.

Permit for

Sie lautet:

10 days.

Waterport,

Der Name des

Empfängers, und selbst sein Signalement nach height, age,

complexion

und eye-s fehlt nicht darauf, auch ist

die Responsability

meines Gastfreunds erwähnt.

Diesen

Freibrief mufs ich beständig bei mir tragen, wie die Karte eines Studenten, und besonders kann ich kein Stadtthor ohne ihn passiren.

Auch auf allen Strafsen

Gibraltars glaubt man in einer kleinen englischen Stadt sich zu befinden.

Der Ort hat ungefähr 12,000 Ein-

wohner, wovon gegen zwei Drittheil englisches Ulilitair ist. Die einfach aber nett gebauten Häuser haben nicht wie in den spanischen Städten die weifse, blendende Kalkfarbe, sondern irgend eine dem Auge wohlthuendere dunklere F ä r b u n g ;

an den Ilausthüren liest man die

Namen der Bewohner.

Die Strafsen sind reinlich gehal-

ten. Nirgends sieht man Bettler, die anderwärts in ganz Spanien und Portugal oft die ekelhaftesten Anblicke zur Schau stellen. Auch keine Müfsiggänger, sondern überall rege Thätigkeit.

Weibliche Dienstboten in

leichterer

Kleidung als die spanische Mänteltracht des Volks, be-

174 sorgen die Einkäufe auf den Märkten öder führen die Kinder nach der Schule: Alles ungewohnte Erscheinungen, die, wenn auch nur Kleinigkeiten, dem Auge des Nordländers wolilthun, wenn er sie in Portugal und Spanien lange entbehrte.

Endlich das englische Militair, das in

seinen rothen Uniformen und grauen Mänteln mit kurzem Schulterkragen und mit seinen spitz zulaufenden Filztschakos mir noch insbesondere eine heitere Erinnerung an die Jahre 1 8 1 3 und 1 8 1 4 hervorrief, wo wir auch in Deutschland mit diesen für uns seltsamen Montirungsstücken von England herüber hier und da beschenkt wurden. . Aber nun verlangte mich nach dem Gasthofe, und es wurde mir nicht schwer, denselben wieder aufzufinden,

in welchem ich schon bei einem früheren Auf-

enthalt in Gibraltar einige Tage zugebracht hatte.

Er

ist unter dem Namen der Mahonesa zu erfragen: — die Wirthin ist eine Majorkanerin aus Mahon — und wird von fremden Reisenden besonders Kaufleuten viel besucht, wie ich denn auch jetzt einige Lissabonner Bekannte dort freudig wieder begrüßen konnte. wurde

Und so

denn auch nach einiger Erfrischung im kühlen

Speisezimmer sogleich mit diesen ein Spaziergang beschlossen und die Besichtigung des interessantesten Theils der Festung, nämlich nach der Seite hin, wo Gibraltar nur durch einen schmalen sandigen Isthmus mit dem übrigen Spanien zusammenhängt.

Hier erreicht der Felsen,

der schon an sich ein natürliches Bollwerk bildet, die gröfste Höhe von 1 4 0 0 Fufs und hat senkrecht steile,

175 ja an manchen Stellen überhängende Wände. Im Innern aber ist 4er Berg auf dieser Seite zu weiten, selbst für Wagen und Pferde geräumigen Gängen und gröfseren Sälen in verschiedenen Stockwerken über einander ausgehöhlt und mit schwerem Geschütze angefüllt, das durch Schiefsscharten gegen das spanische Land gerichtet ist, so dafs der hoch sich aufthürmende Kegel einem kolossalen Bienenkorbe gleicht. Diese durch ihre natürliche Lage schon begünstigten und mit einem grofsenAufwande von Menschenkräften ausgeführten Befestigungen mit ihren unzähligen Feuerschlünden machen Gibraltar auch von dieser Seite ganz unüberwindlich. Bekanntlich fiel die Festung nur durch Capitulation in die Hände der Engländer, wozu den spanischen Kommandanten Diego de Sahnas der Mangel an Truppen und Vertheidigungsmaterial genöthigt haben soll. Jedenfalls waren ihm der kühne Admiral Rooke, der die englische Flotte befehligte und der tapfere Feldherr des Belagerungsheers, Prinz Georg von Hessen-Darmstadt, an Talent und allen Kriegsmitteln weit überlegen. Die spanische Garnison erhielt freien Abzug mit Wehr und Waffen und durfte sogar drei Geschütze mitnehmen. Gegen Abend besuchten wir auch noch die an der Südseite der Stadt befindlichen neuen Anlagen, wo man mit aufserordentlichem Fleifse die Schwierigkeiten eines felsigen und unfruchtbaren Terrains überwunden und den dürren, nackten Boden in artige Gartenpartieen mit Baumalleen und bowling-greens umgeschaffen hat. An einer besonders geschmückten Stelle ist das colossale

176 Standbild des berühmten Vertheidigers von

Gibraltar,

des George Augustus E l l i o t aufgerichtet, der im Jahre 1782 den vereinigten Heeren der Franzosen und Spanier siegreichen Widerstand leistete und ihre schwimmenden Batterieen mit Hülfe der glühenden Kugeln, die ein deutscher Nagelschmidt ihm angab, vernichtete. Elliot selbst hatte das Kriegshandwerk in einer, guten deutschen Schule, nämlich unter den Fahnen Friedrich II im siebenjährigen Kriege erlernt.

Auf einem andern Punkte ist

Wellingtons Büste aufgestellt. Die höhern Gegenden des Berges sind gröfstentheils kahl und nur hier und da hat man neben den dort errichteten Wachtthürmen, Signalstangen und Telegraphen kleine Gartenanlagen gemacht. Auf den heifsen Kalksteinklippen und in den Klüften dieser Höhen hausen seit undenklichen Zeiten viele Affen, die gesellig lebend oft zu nicht geringem Schaden der Eigenthümer

in

die Gärten herabkommen und grofse

Plünderungen vornehmen.

Bekanntlich ist dies der ein-

zige Punkt in Europa, wo diese Thiere in ihrer natürlichen Freiheit leben und sich vermehren.

Es ist eine

Art ungeschwänzter Paviane von dunkelbrauner Farbe. Die Stammeltern dieser Kolonie müssen doch wohl einmal durch Schiffe aus Afrika oder einem andern Welttheile herüber gebracht worden und dann ihren Herren entlaufen sein.

Man findet im südlichen Spanien wie

in Portugal häufig Affen als Hausthiere.

In Lissabon

sah ich einen in einem adeligen Hause, der zum Wassertragen abgerichtet war. Spät heimgekehrt und

ziemlich ermüdet von dem

177 zwiefachen Spaziergange, auf dein wir die Sonnenstrahlen eines spanischen Sommertages in ihrer ganzen Kraft erfahren hatten, zog ich mich bald aus der gemischten, halb nordischen halb spanischen Gesellschaft an der Abend-Table-d'hote meinet Mahonesa auf mein sehr confortables Zimmer zurück und genofs noch eine Weile am offenen Fenster der eingetretenen Kühle und des hellen Mondenlichts. D i e n s t a g , den 7. J u n i .

Heute wurde ein wiederholter Besuch bei meinem hiesigen Protector, der für mich gut gesagt hat, dem englischen Kaufmann Herrn S. gemacht. Er hatte auf den von mir mitgebrachten Empfehlungsbrief seines Lissaboner Correspondenten, meines lieben Freundes L., flir nöthig gehalten, mich einmal zu Mittag einzuladen. Da er unverheirathet ist und sein Familientisch nur aus seinem Bureaupersonal bestand, so war es mir nicht unlieb, dafs die ganze Sitzung auch nur als ein Geschäft behandelt und ziemlich rasch abgemacht wurde. Hierauf führte er mich aber in das Gesellschaftshaus der hiesigen Kaufleute und verschaffte mir die Erlaubnifs, so lange ich in Gibraltar bliebe, die dazu gehörigen Lesezimmer und Bibliothek, Gibraltar Commercial Library, zu besuchen. In einem geräumigen und eleganten Lokal findet man hier viele englische und spanische Zeitungen und Zeitschriften ausgelegt nebst,einer guten Auswahl geschichtlicher und statistischer Werke, wofür man in dieser an geistiger Unterhaltung sonst armen Stadt sehr dankbar sein mufs. W e r nicht Kauf12

178 mann oder Soldat ist, wird in Gibraltar nicht lange mit Befriedigung verweilen. — Ein grofser Theil des Handels ist in den Händen der Juden.

Von fremden Nationen,

wozu ich natürlich nicht die Engländer rechne,

findet

man hier besonders Genueser. Da Gibraltar England im Kleinen darstellt, so herrscht hier auch im entschiedenen Gegensatze gegen das übrige Spanien, völlige Freiheit des religiösen Bekenntnisses im öffentlichen Gottesdienst.

Die Juden haben mehrere

Synagogen, f ü r die Spanier und Irländer giebt es eine katholische Kirche, die Bekenner der englischen Hochkirche und die Dissenters

bilden verschiedene Kirch-

gemeinden. Ich wohnte heute einem Abendgottesdienste in dem Betsaale einer Methodistengemeinde bei. Die Versammlung war nicht zahlreich, vielleicht weil heute ein besonders geschäftiger Wochentag war.

Der strenge,

ascetische Charakter dieser Religionsgesellschaft trat deutlich hervor. Eine geraume Zeit safsen die Gemeindeglieder still und in sich gekehrt d a ; viele hielten das Gesicht mit den Händen bedeckt.

Dann hob ein gemeinschaft-

licher, ziemlich unmelodischer Gesang eines Psalm an, den ein Kirchenbeamter Zeile für Zeile vorsprach.

Zu-

letzt erschien der Geistliche auf der Kanzel und hielt eine lange Ansprache in freier Rede, während bekanntlich in der bischöflichen Kirche Englands das Ablesen der Predigt nicht nur allgemeiner Gebrauch, sondern selbst Vorschrift ist. Doch war auch die Predigt dieses Methodisten

nach Inhalt und Vortrag

sehr

monoton,

und hatte augenscheinlich nur die Tendenz, das tiefste

179 Gefühl der menschlichen Sündhaftigkeit und der gänzlichen Verderbnifs der menschlichen Natur zu wecken, ohne den Gemüthern eine freudige stärkende Erhebung zu gewähren im Bewufstsein eines demüthig gläubigen Wandels vor Gott.

Und dennoch hatte dieser Abend-

gottesdienst einen weit wohlthuendern Eindruck auf mich gemacht, als das Gepräng einer Messe, der ich am Vormittag in der katholischen Kirche beiwohnte; es schien mir, als hätte ich heute die schöne Parabel des Herrn von dem Pharisäer und Zöllner im Tempel in zwei getrennten Abtheilungen dramatisch darstellen sehn. M i t t w o c h , den 8 . J u n i .

Der Eindruck, den hier die spanische Sprache auf mich m a c h t , nachdem ich bisher gewissermafsen nur ein Patois derselben in der portugiesischen gehört habe, ist ein ungemein wohlthuender.

Alles klingt darin edel

und erhaben, wogegen das Portugiesische mir nun mit einem Male platt und bäurisch erscheint.

Das schönste

Ebenmaafs in der Yertheilung der Vocale und Consonant e n , die Sylben alle so volllautend und rein ausgesprochen, ein kräftiger Gutturallaut, der hier wohl arabischen Ursprungs ist, statt der fatalen portugiesischen Nasaltöne, und Alles getragen von einem guten natürlichen Anstände des Redenden und einer unaffektirlen Eleganz, dies entzückte mich heute an verschiedenen Personen so sehr, dafs ich mir vornahm, auf diese Sprache nun in ihrem Lande eine gröfsere Aufmerksamkeit als bisher zu verwenden.

Ich dachte daher auch, mich hier

sogleich mit ein paar guten Büchern zu versehen und

180 fragte in einem Buchladen nach einigen der bekanntesten spanischen Klassiker. Aber leider wurde mir nicht viel Auswahl geboten. Gibraltar ist auch in dieser Beziehung noch nicht Spanien. Der Besitzer des kleinen Ladens war Buchhändler, Buchbinder und Papierverkäufer in einer Person. Er legte mir zuerst verschiedene Gebetbücher und ein Kochbuch vor. Dies mochten die gangbarsten Artikel seines literarischen Handels sein. Dann brachte er mir aber eine Anzahl Hefte von einer in London erscheinenden Monatsschrift herbei, von Spaniern herausgegeben, die durch die politischen Verwirrungen aus ihrem Vaterlande verdrängt worden sind, und unter dem bescheidenen Titel Ocios de Españoles emigrados, Mufsestunden spanischer Ausgewanderter, Abhandlungen vornehmlich über ihre reiche Literatur mittheilen. DieseBekanntschaftwar mir sehr angenehm. Schon der Inhalt der ersten zwölf Nummern, die ich hier fand, aus den Jahren 1824 und 1825 beweist, dafs die Herausgeber und Mitarbeiter wissenschaftliche und vielseitig gebildete Männer sind, und da mir verschiedene Artikel geschichtlichen und literarischen Inhalts Belehrung versprachen, so habe ich diese Hefte zur Grundlage meiner kleinen Reisebibliothek gemacht. Auf meine Frage nach einer spanischen Uebersetzung der heiligen Schrift wurde mir ein schöner, in England besorgter Abdruck der Bibelübersetzung des P. Phelipe Scio de S. Miguel angeboten, die dieser würdige Bischof von Segovia nach der lateinischen Vulgata veranstaltet hat. Der englische Einband bewies schon, dafs diese Ausgabe vornehmlich

181 f ü r die Zwecke der englischen Bibelgesellschaft 5 ) besorgt w a r , und ich freute mich, hier ein kleines Lager dieses Instituts zu finden. Da mir aber das Buch für meine Reise zu voluminös Avar,

und ich darüber mein Bedauern

äufserte, so brachte mir der Bucherverkäufer aus einem ganz entlegenen Winkel seines Ladens ein kleines Octavbändchen hervor, und fragte mich, ob mir dies vielleicht noch gut genug wäre mit seinem abgegriffenen Lederdeckel. Und allerdings war dies für mich ein sehr willkommener unerwarteter Fund.

Es war die seltene

Uebersetzung des neuen Testaments, die in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts der gelehrte und fromme Spanier Juan Perez aus dem griechischen Original gemacht h a t ,

nachdem er als Freund der Reformation

Spanien hatte verlassen müssen, um nicht der Inquisition in die Hände zu fallen. Das Büchlein ist in Venedig 1556 ohne seinen Namen gedruckt;

dafs er aber

der Uebersetzer sei, hat er in der Vorrede seiner im darauf folgenden Jahre ebenfalls zu Venedig erschienenen Uebersetzung der Psalmen ausgesprochen, so wie er sich aufserdem durch mehrere Schriften voll protestantischer

Gesinnung um

seine Nation verdient

ge-

macht hat. Es ist bekannt, und man mtifste sich verwundern, wenn es sich anders verhielte,

dafs unsere

deutsche

Kirchenreformation des sechzehnten Jahrhunderts auch bis nach Spanien hinein ihre Macht auf empfängliche Gemüther ausgeübt hat.

Die Sonne sendet ihr Licht

bis in die entferntesten Gegenden, und mit unaufhalt-

182 samer Gewalt bahnen ihre Strahlen sich einen Weg bis in die dunkelsten Orte. Die Verbindung Spaniens mit Deutsehland durch den gemeinschaftlichen Gebieter Karl V erleichterte den geistigen Verkehr, und wie im sechzehnten Jahrhundert daher die spanische Literatur grofsen Eingang in Deutschland fand, so wurden wieder von hier aus auch die reformatorischen Ideen der deutschen Kirche nach Spanien getragen. Ausgezeichnete Männer in des Kaisers Gefolge, wie Alonso Valdez, der kaiserliche Secretair, wie der Ordensgeistliche Franscisco de Angelis und Karls eigener Beichtvater Alonso de Virues neigten sich im Herzen der neuen Lehre zu, und wurden von der Inquisition scharf beobachtet und vielfach beunruhigt. Nachdem diese aber anfing, auch zu Einkerkerungen und Autodafe's gegen die Anhänger Luthers in Spanien vorzuschreiten, da verließen viele edle Geister ihr geliebtes Vaterland, und suchten im Auslande der Sache des Protestantismus und ihren Landsleuten vornehmlich durch Schriften zu dienen. Zu solchen gehörte auch unser Juan Perez. Er stammte aus Montilla in Andalusien, wurde 1527 von Karl V in Geschäften nach Rom gesandt, und diese Reise mochte für ihn dieselbe Wirkung haben, wie Luthers Reise dahin in Auftrag seines. Ordens, im Jahr 1510, auf diesen. Beide sahen in Rom die Kirche Christi in ihrer gröfsten Entartung. Nach Spanien zurückgekehrt wurde er in Sevilla Doctor der Theologie und Rector des Collegiums flir Gelehrsamkeit. Als aber im Jahre 1550 der ausgezeichnete Theolog Juan Gil, gewöhnlich Doctor Aegidius

183 genannt, seinen Protestantismus in den Kerkern der Inquisition abbüfsen mutete, begab sich Juan Perez nach Genf, wo er unter den dort lebenden Spaniern eine evangelische Gemeinde gründete, war dann Prediger in Blois und später Kapellan der Herzogin Renata von Ferrara, der Tochter Ludwig XII, die sich auch zu dem lautern Evangelium bekannte, und war UberaU um seiner Talente und seiner Rechtschaffenheit willen hoch geehrt. Sein Bild wurde aber im Jahre 1560 bei einem grofsen Autodafe in Sevilla verbrannt, und seine Schriften, jene Uebersetzungen des neuen Testaments und der Psalmen, so wie ein Katechismus und ein Summario der christlichen Lehre kam in den spanischen Index der verbotenen Bücher. Dennoch fanden sie vielen Eingang in Spanien und namentlich ist sein früherer Schreiber und Corrector Julian Hernandez bemüht gewesen, sie in grofse Fässer unter Waaren verpackt in Spanien einzuschmuggeln 6 ). Auf solche Weise mag vielleicht auch mein noch recht gut erhaltenes Exemplar des Testamente nuevo seinen Weg nach Spanien gefunden haben. Ich sehe es als ein günstiges Vorzeichen an, dafs sich mir hier schon bei meinem ersten Eintritt in Spanien ein so »guter Gesella für meine Reise darbietet, und er soll mich begleiten bis in die deutsche Heimath. D o n n e r s t a g , den 9. Juni.

Ich hatte mich zu meiner weitern Reise und zunächst durch Andalusien mit einigen jungen feandsleuten verbunden, die in diesen Tagen nach Malaga in kaufmännischen Geschäften gehn wollten. Da ich noch wenig

184 vom Reisen und Leben in Spanien kannte, mir auch die Sprache erst mit Hülfe der mir geläufigen portugiesischen anzueignen anfing, so war mir diese Gesellschaft sehr angenehm. Gegen sieben Uhr Abends, des 8. Juni, da es kühl zu werden anfing, bestiegen wir unsere bis Malaga gemietheten Pferde; zwei Maulthiere trugen unser Reisegepäck und unsern Führer, einen gewandten, des Weges kundigen Spanier.

Eine halbe Stunde vor

der Stadt passirten wir zuerst die sogenannten Linien, die Grenze des englischen Gebiets, die wir noch vor Sonnenuntergang erreichen mufsten, weil sie während des Nachts geschlossen werden und aller Verkehr mit dem spanischen Gebiete gehemmt ist.

Nun befanden

wir uns eigentlich erst in Spanien, und mufsten auch sogleich ein strenges Examen unserer Pässe und Koffer bestehen. Besonders galt die Nachforschung dem Tabak, der in Spanien zwar viel aber schlecht gebaut wird. Dies veranlafst einen bedeutenden Schmuggelhandel von Gibraltar nach der ganzen südlichen Küste Spaniens, der bei den vielen kleinen Landungsplätzen

gar nicht

abgewehrt werden kann, j a oft selbst von den an den Küsten aufgestellten niedern Beamten begünstigt werden soll. Ganz im Kleinen erfuhr dies Einer aus unserer Gesellschaft selbst, dem ein Dutzend Cigarren mit grofser Strenge und unter

ernstem Verweise

weggenommen,

aber gegen ein kleines Geschenk in der Stille wieder zurückgegeben wurden. So ritten wir nun in die immer kühler werdende anmuthige Nacht hinein, einen glänzenden Sternenhimmel

185 über u n s , der auch die Gegenstände um uns her ziemlich deutlich erkennen liefs.

Der W e g zieht sich meist

dicht am Meeresufer hin,

so dafs unsere Thiere

im nassen Sande wateten,

oft

und wir von den Wellen

der bewegten See bespriitzt wurden.

Zur Linken hat-

ten wir anfangs nichts als eine lange Reihe unbebauter Hügel.

So gelangten wir an den Küstenflufs G u a d i a r o ,

Leguas von Gibraltar entfernt, der ein ziemlich breites Bette h a t , zur Winterzeit nur mit einem Kahne zu passiren ist,

aber im Sommer fast ganz

austrocknet.

E r bildet die Grenze zwischen den Provinzen und

Granada

oder Nieder-

und

Sevilla

Oberandalusien.

Im

Alterthume hiefs er, so wie eine nahe an seiner Mündung auf dem östlichen Ufer gelegene Stadt, Barbesida, die nach den alten römischen Itinerarien zehn Millien von Calpe entfernt war, welches den drittehalb bis drei Leguas von Gibraltar gleichkömmt. 1636

gesehenen Ruinen,

unter

Die noch im Jahre

denen

sich

auch In-

schriften mit dem Namen Barbesula befanden, waren aber schon, als Carter') schwunden.

diese Gegend bereiste,

ver-

Hier und da erscheinende Kornfelder, kleine

Anpflanzungen von Oelbäumen und allerlei Gartenwerk liefsen uns ein Dorf in der Nähe vermuthen, das wir jedoch nicht berührten. Die Oede und Einsamkeit

des Strandes wird nur

von Stunde zu Stunde durch Wachtposten unterbrochen, die die Douane aufstellt, um Contrebandierfahrzeuge von der Küste abzuhalten. Wartthürmen,

Sie lagern gewöhnlich bei alten

die hier längs

der Küste

aufgerichtet

186 sind, und zum Theil noch aus der maurischen herstammen.

Zeit

Yon solchen W a c h e n , die aus sechs bis

acht bewaffneten aber nicht uniformirten Menschen bestehen, und mit ihren kurzen Flinten einem Räuberhaufen sehr ähnlich sehen, wurden wir jedesmal nicht nur angerufen, sondern meist umringt, wobei sie dann nicht unterliefsen, mit südlicher Lebhaftigkeit uns ein Trinkgeld abzufodern, das man bei solcher nächtlichen Begegnung nicht versagen darf. An andern Stellen sind Militairposten zu demselben Zwecke der Küstenbewachung aufgestellt, die nicht weniger dringliche Anfoderungen an den Reisenden machen. Als einmal der jüngste unserer Gefährten zufällig einige hundert Schritt hinter uns andern

zurückgeblieben w a r ,

wurde er plötzlich von

einem solchen Schutzmanne mit gezogenem Säbel unter allerlei nichtigen Fragen angehalten, und da er seinein Pferde die Sporen g a b , von jenem bis zu uns verfolgt, wo wir denn auch wieder erkannten, dafs es auf ein kleines Geldgeschenk abgesehen war.

Zwischen diesen

einzelnen Wachtposten ragt auch hier und da ein griifseres maurisches Kastell hervor, das durch seine Lage auf einem Berge oder Hügel einen hübschen Anblick gewährt. W i r hatten noch mehrere kleine Ktistenflüfschen zu passiren; an einem derselben, aber tiefer ins Land hinein, liegt der Ort Manilla, dessen guten Wein unser Führer rühmte,

und wo auch eine warme Quelle bei Haut-

krankheiten häufig benutzt wird. Endlich gegen d r d Uhr Morgens langten wir ziemlich ermüdet in dem Flecken E s t e p o n a an. W i r hat-

187 ten von Gibraltar bis hierher sechs grofse Meilen zurückgelegt, und zum Theil bei sehr schlechtem W e g e , der sich durch lose Steine und Klippen durchwindet, wobei mit den Pferden grofse Aufmerksamkeit nöthig ist. Um so mehr freuten wir u n s , hier im Wirtlishause zwei grofse und breite, und sehr reinliche Matrazzenbetten zu finden, auf denen uns bald ein erquickender, gliederlösender Schlaf umfing, bis die schon hochstehende Sonne uns wieder weckte. Estepona ist ein kleiner, offener Ort am Meere, und wie die Menge der dort liegenden Fahrzeuge bewies, in thätigem Verkehr mit andern Häfen.

Auf der Rhede

wurden mehrere kleine Schiffe gebaut.

Die Einwohner

sind zum Theil Seeleute, die eine bedeutende Anzahl von Fahrzeugen haben sollen, zum Theil Landbebauer und der fruchtbare Boden liefert treifliche Früchte, Feigen und Wein.

Da gerade an diesem Tage ein Stier-

gefecht gehalten werden sollte, befanden sich in dem geräumigen Wirthshause viele Gäste, und die Männer in ihrer knappen andalusischen Majotracht, so wie die Frauen mit ihren Schleiern und Blumen im Haar nahmen sich sehr gut aus. W i r warteten aber die Festlichkeiten, zu denen sich alles schon anschickte, nicht ab, so gern es unser Führer gesehn hätte, sondern bestiegen um drei Uhr Nachmittag wieder unsere Pferde, da unser Ziel, Malaga, das wir morgen bei guter Zeit erreichen wollten, noch weit vor uns lag. Unser W e g zog sich wieder längs dem Meere hin, die Gegend war nur hier und da angebaut, am besten etwa drei Stunden von Estepona,

188 wo ein Franzos eine Zuckeranpflanzung gemacht h a t 8 ) . Die dazu gehörigen Mühlen lagen in einer hübschen baumreichen Gegend, die nach Norden zu von Bergen geschützt wird.

Die Sonnenstrahlen, die auf die Ab-

dachung dieser Hügel fallen, sind heifs genug, um das Rohr hier reifen zu lassen, das einen sehr guten Zucker liefern soll.

E s fehlt hier nur die frühere Betriebsam-

keit und derFleifs, den einst Andalusien in seinen maurischen Bebauern besafs, und es fehlt die politische Ruhe, um diese Gegenden zu den ergiebigsten und reichsten Europa's zu machen.

Die spanische Baumwolle ist die

beste europäische, feiner als die bei Neapel in der Nähe des Vesuv gebaute, und selbst Cochenille wird in Spanien an der dortigen Cactuspflanze gewonnen, wie ich dies in Cadiz und Malaga gesehn habe. Nach vier Stunden

eines

anhaltenden Rittes,

bei

welchem uns die frische Seeluft die einzige Erquickung war, lag M a r b e l l a vor uns, eine Stadt, die noch gröfser als Estepona ist, und auch durch seine bessere Bauart auf eine gröfsereWohlhabenheit derBewohner schliefsen läfst. Aber der Ort hat viel von seiner frühem Bedeutung verloren , die er im Mittelalter unter der maurischen Herrschaft hatte, wo viele fleifsige Hände die Fruchtbarkeit dieser schönen Landstriche besser ausbeuteten.

Doch

treibt die Stadt einigen Handel mit Vieh und Südfrüchten, Kastanien, Feigen und Wein, der bei sorgfältigerer Behandlung den Malagawein noch übertreffen würde.

Ein

mit Bäumen bepflanzter und einigen Springbrunnen belebter breiter Spaziergang, die Alameda oder der Paseo,

189 der keinem spanischen Orte von nur mittelmäfsiger Bedeutung fehlen darf, reicht von der Stadt bis fast an das Ufer hin, das wir hier ein wenig verliefsen, und viele Einwohner der Stadt erfreuten sich gerade auf ihrer Alameda der Ahendkühle.

E s war bereits sieben

Uhr; dies veranlafste uns, nicht in die Stadt selbst zu reiten, sondern nach kurzem Anhalte in einer Schenke vor dem Thore unsern zweiten Nachtmarsch anzutreten, der uns bis Frajerola bringen sollte. Die Hauptstrafse nach Malaga

geht von Marbella

landeinwärts, Uber Monda, in dessen Nähe das alte berühmte Blunda, jetzt Monda la vieja, liegt, berühmt durch mehrere Schlachten, besonders aber durch den hier erkämpften Sieg Casars über die Söhne des Pompejus. W i r zogen jedoch vor, den kürzeren Weg längs der Seeküste zu nehmen.

Von beiden Strafsen wurde

uns auf gleiche Weise erzählt, dafs sie seit einiger Zeit nicht ganz sicher wären, und Räuberanfälle auf Reisende hier wie dort gemacht worden seien. finster

und stürmisch.

Die Nacht war

Unsere Pferde scheueten

sich

öfters, wenn wir das nasse aber festere Meeresgestade suchten, bald vor den sich aufthürmenden und vor ihren Füfsen zerplatzenden Meereswogen, bald auch vor einzelnen Felsgruppen, die das spülende Meer zu grotesken Formen

ausgehöhlt hatte.

Aber es sollte uns selbst

endlich gar wunderlich zu Muthe werden, als, nachdem uns schon mehrere Soldatenpatrouillen in den Weg getreten waren und nach dein Zweck und Ziel unserer Reise gefragt hatten, plötzlich ein gröfserer Haufe be-

190 rittener und bewaffneter Männer uns umringte und mit entschiedener Hast aufforderte, ihnen zu folgen.

Un-

bevvehrt wie wir alle waren und geringer an Zahl, blieb uns nichts anderes übrig, als uns von ihnen auf einem bald vom Meeresufer ablenkenden Wege mehr in das Land hinein führen zu lassen, geduldig und gefalst erwartend, was daraus werden sollte.

Der neu einge-

schlagene, schmale Weg ging zwischen Felsen immer höher, so dafs wir oft nur einzeln, Mann für Mann hintereinander reiten konnten, wobei die Thiere, dieses Weges ungewohnt, wiederholt strauchelten. Unsere seltsame Begleitung führte den Zug zum Theil an, zum Theil schlofs sie ihn.

Wir waren ganz in ihrer Gewalt und

fragten uns öfters in unserer deutschen Sprache, wie dies Abenteuer enden werde.

Endlich hielt man vor

einem allen verfallenen Hause an; wir mufsten absteigen und wurden in einen grofsen Raum geführt, wo noch mehr bewaffnete Männer um ein Feuer herum lagen; der Anführer der ganzen Gesellschaft trat aber auf uns zu und fragte uns, wer wir wären und ob wir auch mit richtigen Pässen reisten.

Jetzt

wurden wir

bei

herbeigebrachten Lichtern gewähr, dafs der Mann eine spanische Offizieruniform trug, und dafs wir uns in Mitten eines grofsen militairischen Pikets befanden, das die sämmtlichen Wachtposten zwischen Gibraltar und Malaga zu beaufsichtigen hatte. Die höfliche und freundliche Behandlung, die wir nun erfuhren, nachdem unsere Pässe untersucht worden waren, bildeten den besten Schlufs dieses nächtlichen Abenteuers. Wir hörten, dafs

191 auf diesem weniger gangbaren Wege längs dem Meeresufer mancherlei Unordnungen und selbst Kämpfe zwischen Contrabandisten und Mauthsoldaten in der letzten Zeit stattgefunden hatten, wodurch die Regierung veranlafst worden w a r , ein gröfseres Commando an diesen Küstenstrich z u legen,

das erst seit ein paar Tagen

seinen Dienst angetreten hatte.

Eine uns jetzt beige-

gebene Ordonnanz begleitete uns wieder nach dem Meeresufer hinab, auf dem wir sodann unsern Ritt ungehindert weiter fortsetzten. Freitag, den 10. Juni.

Eine Stunde nach Mitternacht, nachdem wir noch viele einzelne Hügel und Felsenwege an der See hinaufund hinabgeklettert w a r e n , langten wir mit gesunden aber doch sehr ermüdeten Gliedern in F r a j e r o l a 9 ) an, das n u r ein Dorf, kein Flecken zu nennen ist.

Das

ziemlich ärmliche Wirthshaus konnte uns doch ein besonderes Zimmer mit Betten auf der Erde liefern.

Wir

waren neun Meilen von Estepona geritten, mit kurzem Anhalt in Marbella, und daher unempfindlich genug, um uns nicht von jenen kleinen Blutsaugern, die im ganzen südlichen Europa zu unvermeidlichen Hausthieren geworden sind, noch auch von einer über uns herum flatternden Schwalbe oder Fledermaus in dem erquicklichsten Schlafe stören zu lassen, der uns bis gegen Morgen umfangen hielt.

Dann verzehrten wir wohlge-

muth die beiden Kaninchen, die uns den Tag vorher ein Jäger auf dem W e g e abgelassen h a t t e , wozu der

192 hier heimische, süfse Wein, der uns schon die Nähe von Malaga verkündigte, trefflich schmeckte. Nun lagen noch die letzten fünf Meilen bis Malaga vor uns. Um sieben Uhr Morgens safsen wir endlich wieder zu Pferde, und bald wurde die Sonne schon sehr drückend. Bei B e l l a M a r l e n a , dem ersten Dorfe, eine Meile von Frajerola breitet sich ein gut angebautes Thal aus. Das grofse Dorf liegt auf der Höhe, eine Viertelstunde vom Meer, das man fast niemals aus den Augen verliert. Dann geht der Weg wieder abwechselnd bald durch angebautes Land, bald über unfruchtbare Hügel, wo die Ziegenhirten treiben, und an einsamen Stellen, besonders in den von Hügeln eingeschlossenen Niederungen und in den Hohlwegen kamen wir öfters an jenen unheimlichen kleinen hölzernen Kreuzen vorüber, die die Grabstellen von Ermordeten bezeichnen. Endlich nach dreistündigem Ritte erblickten wir von einer Höhe herab die grofse Bai und die Thürme von Malaga, und erreichten bald darauf das grofse Dorf T o r r e de M o l i n o , von wo an die vielen Landsitze und Gärten fler wohlhabenden Einwohner einer der bedeutendsten Handelsstädte Spaniens beginnen. Schöne Kornfelder zu beiden Seiten des Weges beweisen die Fruchtbarkeit des Bodens; nirgends habe ich Feigenbäume von solcher Gröfse und Schönheit gesehen wie hier. Der letzte kleine Ort, kaum noch eine Meile von dei- Stadt entfernt, ist C l i u r i a n a . Um zwölf Uhr Mittags langten wir in M a l a g a an.

Anmerkungen.

1.

(S. 166.)

Wiener,

1838. Bd. 2. u. d. W . 2.

(S. 167.)

XXVII.

t i b i . Realwörterbuch.

Leipzig

Tharschisch.

Florez,

Medallas de España.

II.

Tab.

J o b . Joach. B e l l e r m a n n , über die phöniz. u . pun.

Münzen. Vier Programme.

Berl. 1812 ff. I. 2 9 ff. II. 25 ff.

3.

(S. 167.) F l o r e z I. T a b . X V . X V I . I I I . Tab. L X I .

4.

(S. 168.)

Depping,

Sammlung

span.

Romanzen.

S. 5 ff. C. B e l l e r m a n n , die alten Liederbücher der P o r t u giesen. 5.

Berlin 1810.

S. 6. 45.

(S. 181.) Ueber die Thätigkeit der englischen Bibel-

gesellschaft in Spanien giebt besonders das interessante Buch von B u r r o w , the Bible in S p a i n , Nachricht. 6. spana

(S. 183.) nova. I.

españoles. 120.

Vergl. N i c o l . A n t o n i i 756.

Pellicer

Ensayo

Bibliotheca de

hi-

Traductores

M ' C r i e Gesch. der Reformation in Spanien

S. 2 0 8 ff., dess. Gesch. der Ref. in Italien S. 118. 7.

(S. 185.)

Ca r t e r , A J o u r n e y from Gibraltar to Ma-

laga I. 240 ff. Aber F l o r e z zwei Inschriften mit,

Españ. sagr. I X . 56. theilt

die von hier nach Gibraltar gebracht,

daselbst in der Nähe des L a n d l h o r s in die Fortification eingemauert worden sind, und deren eine die Barbesulani nennt.

13

194 8. (S. 188.) In diese Gegend dicht an das Meer setzt man die römische Militairstation Cilniana, die nach dem alten röm. Itinerar 45 Millien von Malaca auf der Strafse nach Calpe lag. S. Itinerar. Antonim, edd. P a r t h e y et P i n d e r S. 194. Carter sah hier noch Ruinen einer alten Stadt, die Estepona la vieja genannt wurden. Doch ist die Lage der verschiedenen alten Ortschaften, die Plinius und das Itinerar angeben, äufserst schwierig zu bestimmen, wo nicht Inschriften wie bei Barbesula am Guadiaroflufs zu Hülfe kommen. Daher auch die Muthmafsungen darüber auf die verschiedenste Weise bei Florez, Velasquez, Carter, Cortes und Andern auseinander gehen. Auch die Angaben der Millien im Itinerar geben wenig Sicherheit, da die hierher gehörige Marschroute von Malaca nach Calpe schwer zu construiren ist und mehrere Marschrouten in einander geschoben zu sein scheinen. 9. (S. 191.) Frajerola habe ich als den Namen dieses Dorfs in mein Reisetagebuch aufgezeichnet. Alderete (Origen de la lengua castellana 1674, S. 3) spricht auf diesem Wege, 4 Leguas westlich von Malaga, von einem Castell Fucngirola nahe am Meere und hält es wegen einer alten dort gefundenen Inschrift, auf der ein Municipium Suelitanum genannt wird, für das alte Suel im Itinerar. Beide Namen dürften leicht denselben Ort bezeichnen.

Römische Alterthümer in Portugal.

Römische Alterthfimer in Portugal.

E i n e mehr ab vierhundert Jahre hindurch unbestrittene Herrschaft der Römer über Hispanien, nach zweihundertjährigen Kämpfen mit den heimisch gewordenen Ansiedlern und Eingebornen, mufste nothwendiger Weise auf Land und Volk einen entschiedenen Einflufs gewinnen, und den Bewohnern jener Gegenden immer mehr von dem Charakter ihrer Beherrscher, aufdrücken.

Politische

Gesetze und religiöser Kultus, Sitten, Lebensansichten und Lebensgewohnheiten des Siegers übten eine unwiderstehliche Macht auf die Besiegten a u s , und noch lebt die Sprache, in welcher einst vom Kapitole herab die Beherrscher der Welt ihre Dekrete bis in die entferntesten Länder sandten, in jenen romanischen Töchtern auf der Halbinsel fort, in der kastilianischen, katalonischen und portugiesischen Sprache.

Diese Idiome sind

die noch immer lebendigen Zeugen der vormaligen Gebieter in jenen auch für die Römer durch natürlichen Reichthum

so anziehenden Landstrichen,

wenn

auch

mancher fremde Laut, der spätem Eroberern angehört, dazwischen durchklingt.

198 Aber auch Spuren anderer Art rufen noch jetzt die Erinnerung an jenes Volk zurück, welches vor fast zwei tausend Jahren zuerst mit schwerer Waffenrüstung über jenen Boden hinweg schritt, dann aber, nachdem es das Land zu seinen Provinzen gemacht hatte, auch die Geschäfte des Friedens und die Sitten und Einrichtungen eines geordneten Staatslebens daselbst beschützte und leitete. Reste von grofsen römischen Bauten, von Tempeln, Wasserleitungen, Brücken, Theatern bezeichnen noch heut zu Tage die- Stellen, wo einst ansehnliche römische Kolonieen und Municipien standen, und Tausende von Denksteinen hat der Boden, der sie unter Schutt und Trümmern lange verbarg, allmälig wieder herausgegeben, die nun gleich zerrissenen Documenten zwar längst verjährte, aber einst mit grofser Kraft behauptete Rechte und Gewalten beurkunden. E s dürfte daher nicht uninteressant sein, alles, was von solchen Zeugnissen des vormaligen römischen Lebens auf der Halbinsel in Stein und Erz noch vorhanden ist, zu einem bequemeren Ueberblick zusammen zu stellen. Ich werde mich jedoch bei einem Versuche dieser Art zuvörderst nur auf den Theil des alten Hispaniens beschränken, welcher innerhalb der Grenzen des jetzigen Portugal liegt, also nur auf das südwestliche Küstenland oder auf die gröfsere Hälfte der alten römischen Provinz Lusitanien, auf einen kleinen, nördlich angrenzenden Theil der Provincia Tarraconensis und auf den noch kleineren von Bätica im Westen des Anas, Guadiana, wo jetzt die Städte Serpa und Moura liegen.

199 Ein mehrjähriger Aufenthalt in der Hauptstadt Portugals und verschiedene von da in das Innere des Landes unternommene Reisen haben mich mit diesem Landstrich am genauesten bekannt gemacht und mir in jener Zeit Gelegenheit gegeben, das dort sich darbietende Material so zu sammeln und zu ordnen, wie es hier dem Leser, der sich dafür interessiren will, dargeboten wird. Im Allgemeinen haben wir freilich zu bedauern, dafs in jenen bezeichneten Gegenden, so wie auf der Halbinsel überhaupt, mehr noch als in andern vormals römischen Provinzen zusammentraf, was der Erhaltung römischer Monumente nicht gUnstig war. Erobernde und jeder edlern Wissenschaft und Kunst abholde Völker zogen seit dem Anfang des fünften Jahrhunderts verheerend Uber Spaniens Boden hin. Erst nach harten Kämpfen folgte auf die Verwüstungen der römischen Provinzen durch die Vandalen, Alanen und Sueven die mildere Herrschaft der gebildeteren Westgothen. Aber diese mufsten wenige Jahrhunderte später den gröfsten Theil ihrer Besitzungen den von Afrika herüberstürmenden Mauren und Arabern überlassen, welchen der Boden des Landes nur allmälig und langsam durch die neu entstehenden christlichen Königreiche wieder abgerungen werden konnte. Diese das ganze Mittelalter umfassenden Kämpfe um den Besitz Spaniens konnten nur verderblich auf die aus früherer Zeit noch vorhandenen Werke bildender Menschenhand einwirken. Was diezernagende Zeit und was verheerende Naturereignisse, Erdbeben und Ueberschwemmungen verschont hatten,,

200 daran legte barbarische 'Rohheit und kirchlicher Fanatismus ohne Erbarmen die zerstörende Hand. Ja selbst noch in einer Zeit, wo in andern Ländern eine wieder auflebende Kultur den Resten des Alterthums aufmerksame Sorgfalt widmete, fehlte diese in Portugal fast gänzlich, und einzelne Gelehrte, wie ein Andre de Resende ') im sechzehntem Jahrhundert und ein Caspar Estago 2 ) im siebzehnten, stehen mit ihrer Liebe zum Alterthum und ihren Bemühungen für dasselbe ganz vereinzelt da, und klagen darüber, dafs nichts zur Erhaltung der noch vorhandenen oder zufällig an das Tageslicht gebrachten Reste römischer Kunst und Zeugen römischen Lebens gethan werde. Erst im vorigen Jahrhundert veranlafste endlich die von König Johann V in Lissabon gestiftete Akademie der portugiesischen Geschichte einen königlichen Befehl vom Jahre 1721, durch welchen den Behörden der Provinzen aufgegeben wurde, die etwa schon aufgefundenen oder noch zum Vorschein kommenden Alterthümer gegen Sorglosigkeit und Zerstörungssucht des unwissenden Volks zu schützen und jeden neuen Fund sogleich bei der genannten Akademie anzumelden. Ein ähnlicher Alvarä erschien im Jahre 1802 zum Besten eines bei der königlichen Bibliothek anzulegenden Antikenkabinets. Aber die Erfolge dieser fast zu spät erscheinenden Verordnungen sind nicht sehr bedeutend gewesen. Beinahe das einzige, Was sie veranlafsten, sind die dankenswerthen Untersuchungen über die Alterthümer der beiden nördlichsten Provinzen Entre Minho e Douro und Traz os Montes,

201 zuerst betrieben durch den Bischof von Uranopolis in parlibus, D. Luiz Alvares de Figueredo, dann ausgeführt und veröffentlicht von dem Geistlichen Jeronymo Contador de Argote in zwei Werken 3 ), die als eine Ergänzung zu den älteren Arbeiten des genannten Resende zu betrachten sind, da dieser die beiden nördlichen Provinzen, als aufser den Grenzen des alten Lusitaniens liegend, bei seiner Arbeit nicht berücksichtigt hatte. In noch neuerer Zeit hat auch der gelehrte und treffliche Bischof von Beja, D. Manoel Cenacolo de Villas B o a s , zuletzt Erzbischof von E v o r a , der 1813 als ein neunzigjähriger Greis starb, sich um die Aufsuchung und Erhaltung römischer Alterthümer besonders in der Provinz Alemtejo verdient gemacht,

deren viele er in

seinem Palaste zu Beja aufgestellt hatte, die aber leider nach seinem Tode grofsentheils wieder zerstreut worden sind 4 ). Wir betrachten nun das, was von römischen Alterthümern in Portugal entdeckt worden und nennenswerth ist, in einer übersichtlichen Ordnung, je nachdem es Bauwerke, Bildwerke oder graphische Denkmäler sind.

1.

B a u w e r k e .

Wir beginnen mit solchen, die dem Götterkultus gewidmet waren, und lassen dann die folgen, die dem Nutzen oder der Annehmlichkeit der Menschen dienen. Als ein Denkmal der ersten Art bietet sich unsrer Beschauung der sogenannte T e m p e l

der D i a n a

zu

202 Evora dar, ein Bauwerk, welches auch in seiner jetzigen Entstellung noch einen angenehmen Eindruck macht. Sechs korinthische kannelirte Säulen von Granit bilden die Vorderseite dieses in den schönsten Verhältnissen gebauten Tempels. Sie sind im Pyknostylos aufgestellt, das heifst sie stehen in so geringer Entfernung von einander, dafs die Intercolumnien, der freie Raum zwischen je zwei Säulen, nur Durchmesser einer Säule beträgt. Diese sind gegen 30 Fufs hoch, 3 Fufs 4 Zoll im Durchmesser, und ruhen auf einer einfachen, attischen Basis, welche sammt den runden Gurten 20 Zoll hoch ist. Jede Säule hat 16 Kanneluren, je Zoll breit, in Form eines Halbzirkels vertieft, und ohne dazwischen stehenbleibende Stege. Die korinthischen Kapitale sind sauber ausgearbeitet und von angemessener Gröfse. Von dem auf den Säulen ruhenden Architrav ist wenig erhalten. Statt dessen erhebt sich jetzt eine platte, mit kleinen Thürmchen oder zugespitzten Zacken gesehmübkte niedrige Mauer, eine Arbeit späterer Zeit. Die beiden Nebenseiten zur Rechten und Linken der Hauptfagade der Pronaos wurden ursprünglich durch je fünf Säulen gebildet, die Ecksäulen mitgerechnet. Doch fehlen jetzt auf der einen Seite zwei Säulen. An diese Pronaos schliefst sich die Cella, das Heiligthum des Tempels an, zu welcher eine einzige schmale Mittelthür führt. Das Gemäuer dieser Cella, die hinter der Pronaos die ganze Breite des Tempels einnimmt, scheint alt zu sein. Doch hat man später, um den innern Raum zu erhellen, auf beiden Seiten Fenster hineingebrochen. Denn das schöne

203 Gebäude ist gewifs im Lauf der Jahrhunderte zu vielerlei Zwecken

gebraucht worden.

In der letzten Zeit

bis

zum Jahre 1834 mufste es zu einem Fleischerscharrn dienen, nachdem es vielleicht vorher lange eine maurische oder christliche Andachtsstätte gewesen war.

Ein

auf dem Giebel errichteter kleiner Bau scheint zum Aufhängen einer Glocke gedient zu haben 5 ). — Ueber den Erbauer

dieses

schönen Tempels ist nichts bekannt.

Jede Inschrift fehlt.

Portugiesische Schriftsteller möch-

ten darin ein W e r k des Sertorius, jenes Parteigängers des Marius, sehen, der in den Jahren 1 1 2 bis 90 v. Chr. Spanien zum Schauplatze seiner kühnen Thaten machte. Aber in der Geschichte dieses Römers wird weder Ebora noch kaum eine andere Stadt Lusitaniens genannt.

Es

waren vielmehr die Gegenden am Ebro und die ganze spätere Provinz Tarraconensis, die Sertorius inne hatte, so wie er nach dem Berichte Plutarchs in Osca, seinem Hauptsitze,

im Westen

des Ebro bemüht war,

römische und griechische Bildung unter die hispanische Jugend zu verpflanzen.

Nur ein paar Inschriften sehr

zweifelhaften Ursprungs, die man bei Evora gefunden haben will, nennen den Sertorius.

Eben so ist auch

die Benennung des Tempels nach der Diana ganz ohne Begründung.

Aber Sertorius rühmte sich bekanntlich

eines besondern Schutzes der Diana, so wie er auch eine zahme Hirschkuh, als ein Geschenk jener Göttin mit sich herumzuführen pflegte, durch welche er vorgab, göttliche Eingebungen zu empfangen. So fällt also jener Name eines Dianentempels zugleich mit der Be-

204 hauptung,

dafs Sertorius ihn errichtet h a b e , und wir

müssen es ganz dahin gestellt sein lassen, wem dieser schöne, griechische Kunst trefflich nachahmende Bau seinen Ursprung verdankt,

ob vielleicht

schon

dem

Julius Cäsar, der als Prätor von Lusitanien Ebora besonders gern zu seinem Aufenthalt wählte, und dieser Stadt den ehrenden Beinamen Liberalitas oder

Julia verlieh,

ob einem späteren römischen Kaiser,

vielleicht

einem der Spanier, dem T r a j a n oder Hadrian. Dieser Tempel ist übrigens das einzige einem Götterkultus bestimmt gewesene Bauwerk, welches Portugal aus römischer Zeit noch aufzuweisen hat. Bekanntlich übte ein übel angebrachter Glaubenseifer späterer, christlicher Bevölkerungen

am meisten seine Zerstörungswuth

den heidnischen Tempeln.

an

Weit seltener sehen wir da-

her auch solche zu christlichen Kirchen umgewandelt, als andere Gebäude wie Thermen, Bäder, Basiliken, die dadurch oft der Zerstörung entgingen. Aber Substructionen, Säulentrümmer und Inschriften weisen noch hier und da in Portugal auf mancherlei Götterkultus und dessen Heiligthümer, Tempel und Altäre hin. Ein J u p i t e r t e m p e l stand acht Legoas 6 ) südwestlich von E v o r a , und zwei römische Blillien unterhalb dem Städtchen Torräo am Charamallusse in der Provinz Alemtejo, auf dessen Ruinen im siebenten Jahrhundert eine kleine Kirche den heil. Justus und Pastor errichtet w u r d e n , wie eine alte Inschrift mit der Jahrzahl 720 nach der Aera des Cäsar, dem Jahre 682 nach Christo

205 entsprechend, aussagt. Auch tragen zwei alte heidnische Votivtafeln den Namen des Jupiter Optimus Maximus an der Spitze.

Auf dem einen dieser Steine,

dessen

Echtheit am wenigsten zu bezweifeln ist, sieht man auf der einen Seitenfläche einen Baum dargestellt,

auf

der andern einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln, und in den Iiiauen die Blitze des Jupiter haltend. Der Stein scheint nach seiner Inschrift von der alten, benachbarten Stadt Salacia, unfern dem jetzigen Alcacer do Sal, gesetzt worden zu sein.

Eine Kapelle des h. Johannes

bezeichnete später, und vielleicht noch jetzt, den O r t ' ) . Andere Votivsteine, die freilich nicht immer einen Tempel voraussetzen, mit dem Namen des Jupiter finden sich in Deveza bei Marialva, Provinz Beira, der alten Civitas Aravorum 8 ). — Ferner in der Villa de Vinhäes, zwischen Branganga und Chaves, Prov. Traz os Montes 9 ). — Ferner in und bei Chaves selbst 1 0 ), — bei Varcea do Douro, Prov. Traz os Montes " ) , — und bei Caldas, Prov. Minho

12

).

Der Vater der Götter ge-

nofs wie in Rom so in den Provinzen des Reichs der ausgebreitetsten Verehrung. Den Cultus der J u n o finde ich dagegen nur auf einem einzigen Denksteine angedeutet, der auf dem Berge von Cristello in der Diöcese von Braga, Prov. Minho, unter den Trümmern einer alten Stadt gefunden worden ist.

Die Inschrift gehört ins Jahr 159 nach Christus,

also in die Regierungszeit des Antoninus Pius, denn sie nennt die Consuln Quinclillus und Priscus

13

).

Eines kleinen Heiligthums, Sacellum, des N e p t u n

206 erwähnt eine bei Silves in Algarbien gefundene Inschrift, die einem nahe gelegenen Grabmale angehörte u ) . — Die Kirche S. Giao zu Alfizarao, dem alten Eburobrilium in der Nähe von Peniche am Meer, Prov. Estremadura, soll ebenfalls auf den Trümmern eines Neptuntempels stehen, wie auch dort gefundene alte Inschriften von einem Sacellum dieses Gottes reden

15

).

Von einem C e r e s dienst giebt eine in einen Kirchthurm zu Guimaräes eingemauerte Inschrift Nachricht, welche aussagt, dafs in dem dortigen einst heidnischen Tempel eine Statue der Ceres mit der der heiligen Jungfrau vertauscht worden sei

16

).

Ein Votivstein des A p o l l o wurde in Idanha a velha, Prov. Beira, dem alten Igedita aufgefunden

17

).

Ein Stein, auf welchem der D i a n a die Gesundheit und das Wohlergehn des Kaisers Nero empfohlen wird, ist inBobadella, Pr. Beira, ausgegraben worden

19

), ein

anderer derselben Göttin geweiheter Stein bei Guarda, Pr. Beira

19

).

Dem S o l und der L u n a

war auf dem Promon-

torium magmim, dem jetzigen Cabo S. Rocca, am äufsersten Abhänge des in das atlantische Meer hineinschauenden Gebirgs von Cintra, dem Möns Lunä der Alten, ein Tempel errichtet, wie zwei aufgefundene Tafeln bezeugen, die Eine aus der Regierungszeit des Kaisers Septimius Severus und seines Sohnes und Mitregenten Caracalla

20

), die Andere ohne Zeitbestimmung.

V u l c a n fand Verehrung in Merobriga, jetzt S. Thiago de Cacem. Doch kann aus einer aufgefundenen kleinen

207 Metall-Statue dieser Gottheit noch nicht auf einen wirklichen Tempeldienst geschlossen werden 21 ). Der M i n e r v a ist ein Sepulcralstein geheiligt, der in das Kloster Alcobaga aus dessen Umgebungen gebracht worden ist 2 2 ). V e n u s fand als Ahnfrau des Jujischen Geschlechts in Ebora, Cäsars LieblingsaufenthAlte, grofse Verehrung bei den dortigen Matronen, die ihr bei Errichtung einer Statue zu Ehren des Divus Julius Cäsar laut einer noch vorhandenen Inschrift einen Gürtel weiheten 23 ). Eine dem M e r k u r gewidmete Tafel sieht man in der Kirche des kleinen Ortes Infias, Pr. Beira, wo sich viele Trümmer einer römischen Stadt finden24); —eine andere in Lissabon in der Mauer eines Hauses der Rua S. Magdalena, welches als das ehemalige Haus des Grafen von Oeyras, Pombai, bekannt ist 2 5 ). Dtm A e s c u l a p setzt ein Arzt aus Pax Julia eine Votivtafel;, die in S. Thiago de Cacein gefunden worden 26 ), — und eine andere in Lissabon 27 ) ist demselben Gotte geweiht. Auch soll die Kirche des h. Fructuosus in Braga, dessen alterthümliche Architektur gerühmt •wird, auf einem Tempel dieses Gottes stehen 28 ). Der C y b e l e als der Mater Deum gehören zwei Inschriften an, die sich in dem schon erwähnten Hause der Rua S. Magdalena zu Lissabon befinden 2 9 ), — und ein dritter Stein vom Grabe eines P. Popil. Avitus gedenkt eines Heiligthums der Dea magna in Igedita, dem jetzigen Idanha a velha 30 ). Auch den U n t e r w e l t s g o t t h e i t e n finden wir in

208 Hispanien viele Heiligthümer errichtet.

Ein marmorner

Altar mit einer Vertiefung auf der oberen Fläche zu Libationen, der sich jetzt in der Kirche zu Castro de Aveläes, eine halbe Legoa von Bragan^a befindet, soll dem Deus Avernus geweiht sein

31

).

Andere verwunderliche Spuren eines, wie es scheint, den Göttern der Unterwelt oder des Todes geweiheten Heiligthums, verbunden mit Grabstätten, befinden sich in derselben Provinz Traz os Montes, eine Blillie östlich von der Stadt Villa Real, auf einer rauhen Gebirgshöhe in der Nähe des Pfarrdorfs S. Pedro do Val de Nogueira. Auf dem Gipfel dieser Höhe, die dort den Namen Panoyas, auch Muza de Panoyas f ü h r t , befinden sich elf hohe, gerundete Granitblöcke, die mehr oder weniger, der höchste gegen 10 F u f s , aus der Erde hervorragen und in verschiedener Entfernung von zwanzig bis zweihundert Fufs

von einander liegen.

dieser Steine

führen

eingehauene

Auf die höheren Stufen.

Auf

die-

sen kleinen vereinzelten Felsenplatten, deren Oberfläche durch Menschenhände geebnet sind, und deren gröfsere einen Umfang von einigen 120 Quadratfufs haben, sieht man sowohl einzeln als auch in gröfseren Vertiefungen mit einander verbundene Gräber, zum Theil in länglicher Gestalt, zum Theil in Quadratform.

Die erstem haben

eine Länge von 2 bis 8 Fufs bei einer Breite und Tiefe von 2 Fufs.

Es sind deren 16, auf sechs Steinplatten

vertheilt. Die andern quadratförmigen Vertiefungen und einige runde

befinden sich theils neben den längern,

theils auf einzelnen Steinen

allein, und konnten

zu

209 Brandopfern oder Libationen gedient haben.

An dreien

dieser Granithügel befinden sich Inschriften auf Steintafeln; an anderen bemerkt man noch Vertiefungen, in welche Platten mit Inschriften eingefügt gewesen sein mögen.

Von diesen Inschriften sind aber leider bisher

nur sehr ungenaue Kopieen gemacht worden; es sind vier lateinische und eine halb griechische halb lateinische, wie dergleichen auch sonst vorkommen. ohne

nähere Bezeichnung

den

Göttern

Sie sind

und

Göttin-

nen, vielleicht der Unterwelt, geweiht, die griechische dem Serapis.

Auf vier Inschriften zweier verschiedener

Hügel findet sich der Name Calpurnius Rufus, so dafs man vermuthen könnte,

diese Steindenkmäler

hätten

einst einen gemeinschaftlichen Besitzer gehabt, der hier die Gräber seiner Familie' vereinigte und für sie einen frommen Todtencultus stiftete. Die erste Nachricht von diesem abgelegenen und wenig bekannten Heiligthume verdanken wir dem schon genannten Argote, der auch die Abbildungen aller eilf Steine mittheilt 3 2 ).

Dann hat

sie der Engländer Kingston noch im Jahre 1845 gesehen und beschrieben

33

).

Ein Heiligthum .der P r o s e r p i n a wird in der alten Kirche S. Jago zu Villa Vigosa vermuthet wegen drei dort gefundener Steine mit dem Namen derselben Auf

einen Cultus

der

weiset eine Inschrift hin, quens

gewidmet ist

34

).

Schicksalsgottheiten die der F o r t u n a

obse-

und sich jetzt in einer Kirche

der S. Marguerida do Sado, im Gebiete von Ferreira zwischen Beja und dem Sadäo, eingemauert befindet.

14

210 Der Stein erwähnt auch eine besondere Priesterin dieser Göttin,

die den Stein nach dem Willen ihres Vaters

errichtete 3 5 ).

Eine andere Votivtafel nennt den D e u s

E v e n t u s , gewöhnlich mit dem Beinamen B o n u s , hier Sanctus

36

).

Das Element des W a s s e r s

wurde in der Gottheit

der T h e t i s verehrt, die nebst den Diis Marinis einen Tempel zu Olisipo hatte, nach einer in Lissabon unter den Trümmern einer alten Kirche S. Nicoiao gefundenen Inschrift37).

Aber auch den N y m p h e n , bald einer heil-

samen Quelle, bald eines Brunnens, brachte das die ganze Natur mit Göttern belebende, überall Gottheit ahndende Alterthum seine Dankopfer, wenn sie dem Leidenden Gesundheit verliehen hatten oder die Gesunden erquickten. S o auf einem bei Silves in Algarbien gefundenen S t e i n e 3 8 ) , und auf dem Rande eines Brunnens 'in E v o r a

39

).

Zu den Gottheiten, welche die menschlichen Verhältnisse auf dem Lande beschützten, gehörte der T e r m i n u s , der als ein Hüter der Gränzen und ein Rächer jeder Verletzung der Gränzgebote und Rechte durch ein besonderes wurde.

Fest,

die Terminalien,

alljährlich

gefeiert

Ilermenartige Steine, bei ihrer feierlichen Auf-

stellung mit Oel gesalbt, waren ihm geweiht.

So wurde

ein Terminus Augustalis zwischen Lancia Oppidana und Igäditania oder Igedita, nördlich vom heutigen Idanha a velha entdeckt

40

).

Auch von der Verehrung gottheiten

ist uns

der H a u s -

und

Orts-

ein Beispiel aufbewahrt in den

Lares Cerenäci, die wohl einer Stadt Cerenäca, in der

211 Gegend des heutigen Tubias bei Canavezes, Prov. Minho, angehörten 4 1 ), und ein anderes in den Lares Turodici oder Turodorici, nach der vom Ptolomäus

erwähnten

Völkerschaft der Turodori im Süden des Minius benannt, auf einem Steine, der in der Ortschaft Freixo de Nomäo, Prov. Minho, sich befand 4 2 ). Aus

der zahlreichen Klasse

der Personificationen

menschlicher Eigenschaften und Zustände

finden

wir

hier auch Spuren eines Cultus der C o n c o r d i a ,

laut

einer Inschrift , die bei der Kirche S. Mamede in Lissabon gefunden w u r d e 4 3 ) , der V i c t o r i a nach einer andern aus den Trümmern einer alten Stadt unfern Medoes, Prov. Beira

44

) , und d e r P i e t a s auf einem Steine

aus Bobadela, Prov. Beira

45

).

Auch der Dienst der ä g y p t i s c h e n G ö t t e r , nachdem er unter den Kaisern in Rom Eingang gefunden, theilte sich von dort den Provinzen mit.

Schon ist der

Votivtafel von Panoyas gedacht worden, die dem S e rapis

angehört; eine andere, die ich in Braga sähe,

ist der I s i s geweiht 4 6 ). Aufser diesen Gottheiten, deren Kulte in der ganzen römischen Welt verbreitet waren, finden wir aber auch in Hispanien noch besondere einheimische Gottheiten, denen

ebenfalls Altäre und Tempel errichtet wurden.

Hierher gehört namentlich der räthselhafte D e u s

En-

d o v e l l i c u s , von dessen besonderer Verehrung im südlichen Lusitanien eine Anzahl noch vorhandener Inschriften Zeugnifs giebt, welche insgesammt in der Nähe des jetzigen Fleckens Terena, Prov. Alemtejo, sieben Legoas

212 östlich von Evora unweit des Guadianaflusses gefunden worden sind.

Auf diesen wird der Deus Endovellicus

als eine den Menschen freundliche und hülfreiche Gottheit gerühmt, dem von Männern und Frauen Gelübde für erbetene Wolilthaten, besonders für die Gesundheit dargebracht wurden.

Ob aber diese Gottheit ursprüng-

lich iberischen oder celtiberischen Ursprungs, wie man gewöhnlich annimmt, oder ob ihr Dienst von Phöniziern oder Karthagern, die den Anas Guadalquivir bef u h r e n , zuerst hierher gebracht worden sei, wäre noch genauer zu untersuchen

47

).

Von anderweitigen Heiligthümern eines Heroendienstes sind in Lusitanien wenige Spuren vorhanden.

Mög-

lich wäre wohl, dafs die weitverbreitete Verehrung des H e r k u l e s , der nach Strabo's Zeugnifs zu Gades einen berühmten Tempel hatte, entweder durch Tyrier und Karthager oder erst später durch die Römer nach Lusitanien verpflanzt worden sei, wie denn auch ein Tempel des Herkules erwähnt w i r d , der auf dem Promontorium sacrum beim jetzigen Sagres, ostwärts vom Cabo S. Vicente in Algarbien gestanden haben soll.

Indessen, ob-

schon der Name des Vorgebirges selbst auf einen heiligen Göttercultus hindeutet, widersprechen sich doch die Nachrichten darüber, und alterthümliche Reste hat man dort nicht gefunden Die Sitte der Römer,

48

). oft auch ihren Kaisern nach

dem Tode göttliche Verehrung zu erweisen und ihnen Tempel mit besonderen Priestern, Flamines

Augustales,

und Altäre zu errichten, ging von Rom auch in die

213 Provinzen über.

Tacitus

berichtet,

dafs bald

nach

Augusts Tode auf Bitten der Spanier, in der Colonia Tarraconensis dem A u g u s t u s einen Tempel zu bauen verstattet und dadurch ein Beispiel allen Provinzen gegeben worden sei 4 9 ).

Dafs Lusitanien diesem folgte,

bezeugen Inschriften von Olisipo und Conimbrica, dem jetzigen Condeixa a velha in der Nähe von Coimbra

50

).

Eben so berichtet ein noch vorhandener Stein, wenn er acht ist, dafs nach Augusts Tode die zehnte Legion, die den nordwestlichen Theil Lusitaniens zwischen dem Durius und Tagus besetzt hielt, dem Andenken des vergötterten Kaisers Gladiatorspiele und Hekatomben geweiliet h a b e 5 1 ) . Dafs ferner die Provincia ulterior Hispaniens gebeten habe, auch eben so dem T i b e r und dessen Mutter einen Tempel zu errichten, bezeuget Tacitus

52

).

Aufgefundene Statuen des Tiber, T r a j a n , Nero und der Agrippina 5 3 ) berechtigen zwar nicht gleich auf einen Tempeldienst zu schliefsen, aber auf verschiedenen Inschriften werden augustalische Priester, und auch Priesterinnen, JFlaminicä, genannt, welchen die Heiligthümcr der apotheosirten Kaiser anvertraut waren

54

).

So viel von den in Portugal aufgefundenen Spuren römischer Alterthtimer, die sich auf religiöse Kulte beziehen. Was die Reste von alten Bauwerken zum Nutzen oder zur Annehmlichkeit des Lebens betrifft, so bietet sich Folgendes dar.

214

Heerstrarsen

und

Brücken.

Nachdem die Römer Hispanien zu einer Provinz ihres Reichs gemacht hatten, erkannten sie auch die Notwendigkeit, leichtere Verbindungswege zwischen den einzelnen Hauptplätzen des Landes zu schaffen. Schon Augustus richtete darauf sein Augenmerk und bemühte sich, gute Landstrafsen durch die ganze Halbinsel neu anzulegen oder ältere zu erweitern 5 5 ), und viele der späteren Kaiser, vorzüglich Vespasian, Trajan und Hadrian, die beiden letzteren mit besonderer Vorliebe für ihr Vaterland, sind ihm darin nachgefolgt. Solcher Heerstrafsen, wie sie mit Bezug auf die militairische Besatzung des Landes füglich heifsen, zählt das alte Wegeregister aus der Kaiserzeit, das Itinerarium des Antoninus 5 6 ), in den jetzt zu Portugal gehörigen Landestheilen nicht weniger als eilf nach den verschiedensten Richtungen hin. Sie waren theils durch Aufschüttungen von Steinen und Kies, daher der Name Strata, Strafsen, auf einer geebneten Unterlage und in feuchten Niederungen auf Dämmen, oder auch durch Aneinanderreihen grofser, zugehauener Steine gebildet. Strafsen dieser letzten Art finden sich zum Theil noch in grofsartigen Trümmern in den beiden nördlichsten Provinzen Portugals. An noch mehr Orten deuten auch erhaltene Meilensteine, die an den Heerstrafsen in einer Entfernung von je tausend Schritt, einer römischen Meile, aufgestellt waren, die Richtung derselben an.

215 Es sind diese Meilensteine acht bis zwölf Fufs hohe runde Säulen mit einem Durchmesser von etwa drei Fufs, auf welchen die Entfernung ihres ursprünglichen Standorts von der nächsten bedeutenden Stadt, und oft auch die Zeit der Errichtung oder Erneuerung der Strafse durch den Namen des damals regierenden Kaisers, angegeben ist. Mehr davon später bei den Inschriften. Mit Hülfe solcher vorhandenen Strafsen- und SäulenTrümmer, und mit Benutzung der jetzigen Landstrafsen, die ohne besondere Gründe selten von der Richtung der alten Strafsen bedeutend abgewichen sind, läfst sich der-Versuch machen, die Züge dieser letzteren, wie sie das antoninische Itinerar aufzählt, zu verfolgen, wodurch wieder manches Licht auf andere alterthümliche Reste, Städteruinen und dergleichen fällt. 1. E r s t e H e e r s t r a f s e v o n O l i s i p o n a c h E m e r i t a , nach dem Itinerar 161 römische Millien 57 ) mit folgenden Stationen: Equabona 12 Millien. » Catobriga 12 » Cäciliana 8 V Malececa 26 » Salacia 12 » Ebora 44 » Ad Adrum ilumen 9 12 üipone » 17 Evandriana i> Emerita 9

216 Von dieser Strafse und seinen Zwischenstationen sind noch folgende Spuren vorhanden. E q u a b o n a , jetzt Coina, ein noch gewöhnlicher Landungsort an einer tiefen Bucht des südlichen Tejoufers, von dem gegenüberliegenden Lissabon, Olisipo, 3 portugies. Legoas oder 12 röm. Blillien entfernt. Der alte Ort lag' vielleicht noch etwas südlicher, näher bei Azeitäo, wo eine Gegend noch jetzt Coina a velha, das alte Coina heifst, und bis wohin nach der Tradition sonst die Bucht des Tejo ging 58). C a t o b r i g a , jetzt Setubal, an einer Meeresbucht in der Nähe der Mündung des Sadäo, wozu vormals auch die vor Setubal gelegene sandige Landzunge gehört haben mag, die jetzt Troya heifst, wo noch viel altes Gemäuer und römische Kaisermünzen vom Meere ausgespült werden : 9 ). Die Entfernung von Coina bis Setubal ist 3 Legoas und entspricht den 12 Millien des Itinerars. Von hier ging nun die alte Heerstrafse über C ä c i l i a n a und M a l e c e c a nach S a l a c i a , ein Weg von 36 oder gar 46 röm. Millien 60 ), während der jetzige Weg von Setubal bis Alcacer do Sal, dem alten Salacia, nur 7 Legoas, d. i. 28 röm. Millien beträgt. Die alte Strafse war mithin eine andere, ohne Zweifel im Norden des Flusses Sadäo; aber die Lage von Cäciliana und Malececa zu bestimmen ist schwierig, weshalb auch die Meinungen darüber sehr von einander abweichen und keine recht genügend ist. Um der Namensähnlichkeit willen hat man Cäciliana in dem jetzigen Seixola, Malececa in Marateca finden wollen. Aber mag auch ein Zusammenhang der Namen da sein, die

217 Meilenzahlen des Itinerars passen auf keinen der beiden Orte, und es wäre dann hier der Fall, der oft vorkömmt, dafs die alten Ortsnamen nicht immer an der alten Stelle haften bleiben,

sondern oft auf mehrere

Meilen entfernte Orte übertragen werden.

Aber eine alte

Ortschaft, deren Ruinen man bei dem jetzigen Pinheiro, 16 Millien von Setubal und 18 Millien von Alcacer do Sal gefunden hat, könnte wohl auf jener alten Strafse gelegen haben 6 1 ).

S a l a c i a , eine römische Municipal-

stadt, welche mit verschiedenen grofsen Strafsen In Verbindung stand, ist wohl ohne allen Zweifel die auch jetzt nicht unbedeutende Stadt Alcacer do Sal an dem hier schiffbar werdenden Sadäo

62

). Da bis zu ihr Ebbe

und Flulh reicht, so wurde sie wohl deshalb auch von Plinius mit unter den am Meeresufer gelegenen Städten aufgezählt.

Von ihrer Münzgerechtigkeit zeugen noch

zwei vorhandene alte Münzen. Die Römische Heerstrafse von hier bis nach E b o r a wird auf 44 Millien angegeben. Der jetzige Weg von Alcacer bis zu dem an schönen Resten des Alterthuins reichen Evora beträgt aber nur 9 L e g o a s , 36 Millien.

Die alte Strafse nahm also

zum Theil eine andere Richtung. Doch fiel sie mit der neuen an verschiedenen Punkten zusammen.

Bei Rio

Mourinho, 2£ Leg. von Alcacer sah man sonst noch den alten Meilenstein mit dem Nalnen des Caracalla, der die Strafse wohl wieder herstellen liefs.

Ferner erhielt

sich 3 Leg. von Evora bei dem Landgut Tavoleiros der zwölfte Meilenstein mit dem Namen des Kaisers Maximianus"),

und 2 Leg. von Evora bei Torre Gesteira

218 oder Turregia entdeckte man vielerlei Spuren römischer Bauwerke, eine Wasserleitung und einen Grabstein 6 1 ). Von jenseit Evora an verlieren sich aber die Spuren der alten Strafse, und die Angaben des Itinerars selbst sind schwierig.

Offenbar hat sich in den Text dessel-

ben ein bedeutender Fehler eingeschlichen, wenn es die Entfernung von Ebora bis Emerita nur auf 47 Blillien angiebt, während in geradester Linie kaum das Doppelte dieser Zahl hinreichend wäre. Diese Schwierigkeit wird am besten gehoben, wenn die Millienzahl bei der Station a d A d r u m f l u m en Villi durch ein vorgesetztes L oder L X vergröfsert -wird, und wenn man den sonst unbekannten Flufs Adrus für

den Albaragena,

einen Nebenflufs des Anas hält, der sich bei Badajoz in diesen ergiefst 6 5 ). So haben wir denn die Richtung der alten Strafse von Ebora an nordöstlich nach Elvas hin aufzusuchen, bei welcher Stadt, so wie bei dem benachbarten Barbacena auch zerbrochene Meilensteine, der eine aus der Zeit des Heliogabalus gefunden worden sind

66

). Vielleicht gehörte selbst das heutige Terena

an einem Nebenflufs des Guadiana mit in diese Linie hinein, wo sich das schon erwähnte Ileiligthum des Deus Endovellicus befand. Die beiden letzten Stationen D i p o n e und E v a n d r i a n a

sind nun aufspanischem

Gebiete im. Norden dès Guadiana zu suchen;

letzteres

dürfte wohl Garrovillo sein, wo viele römische Spuren gesehen werden

67

).

Ueberblicken wir noch einmal die ganze Strafse und fragen nach der Zeit ihrer Erbauung, so liegen uns in

219 den aufgefundenen Meilensteinen nur wenige Andeutungen vor aus der Zeit des Caracalla, des Heliogabalus und des Maximianus, also nur aus dem Anfang und aus dem Ende des dritten Jahrhunderts. 2.

Zweite

Heerstrafse

von

Olisipo

nach

E m e r i t a , nach dem Itinerar 145, richtiger 148 Millien, mit folgenden Stationen: Aritium Praetorium

38 Millien.

Abelterium

28

Matusarum

24

»

8

»

Ad Septem aras Budua

»

12

Plagiaria

8

Emerita

30

»

Diese Strafse nahm eine mehr nördliche Richtung als die vorige, doch liegen auch ihre Zwischenstationen alle im Süden des Tejo. Die erste A r i t i u m P r a e t o r i u m ist bei Benavente zu suchen, einem uralten Flecken, 9 Leg. oder 36 Millien von Lissabon entfernt. Von hier zog sich die alte Strafse in der Richtung der neuen anfangs am Ufer des Tagus bis Escaroupim f o r t , wo sie sich in zwei Strafsen theilt; die nördlichere folgt dem Laufe des Flusses, die andere zieht sich nach Osten ins Land hinein durch das Val de Negros.

Dies ist unsere

alte Strafse und in dieser Thalgegend, Val de Negros, lag A b e l t e r i u m , von welchem jetzt keine Spur mehr vorhanden i s t 6 $ ) .

Dann führt uns diese Strafse über

den Erraflufs und durch den Ort Ferro de Vaccas nach Ponte do Sor, welches man bei genauer Uebereinstim-

220 muiig der Millienzahl für die Station M a t u s a r u m allgemein annimmt.

Von hier verläfst uns wieder das

Itinerar gänzlich, indem sich in der Angabe der Millien bei den folgenden Stationen durchaus ein Fehler eingeschlichen haben mufs. Denn die Entfernung von Matusarum bis Emerita wird auf 58 Millien angesetzt, also bis

Leg., während die geradeste Linie von Ponte

do Sor bis Merida 27 Leg., also über 100 Millien beträgt.

W i r können also nur die ungefähre Richtung

mit Berücksichtigung der gegenwärtigen Hauptstrafsen andeuten, und sehen, was uns auf dieser an anderweitigen alterthümlichen Spuren begegnet. Hier stofsen wir zuerst auf die jetzige Villa Chancellaria, sonst auch V. Formosa und V. Facya genannt, wo sich eine alte Brücke mit sehr grofsen Bögen befindet 6 9 ).

Von hier

müssen wir der alten Strafse eine südöstliche Richtung geben, so dafs sie mit der gegenwärtigen zusammenfällt, welche die Orte Alter do Chäo

70

), Cabero de Vide, As-

sumar, Santa Olaya und Campomayor mit einander verbindet. Denn dieser letzte Ort mit seinem alten Kastell und sieben Hügeln in der Nähe ist unstreitig die Station ad S e p t e m

aras,

wie dies auch den d a r a u f f o l g e n -

den Stationen und deren Entfernungen von Merida entspricht. Da aber die Entfernung von Ponte do Sor bis Campomayor ungefähr 15 Leg. beträgt, so läfst sich der Fehler in der Millienangabe bei ad septem aras vielleicht emendiren, indem wir ein vor der Zahl VIII ausgefallenes L annehmen sind 12 Millien;

71

).

Von ad septem aras bis Budua

dies entspricht der Entfernung von

221 Campomayor bis zu dem kleinen spanischen Orte Nuestra Señora de Botua, dessen Beiname uns also den alten Ortsnamen erhalten hat. Auch die beiden letzten Stationen gehören nicht mehr dem portugiesischen Boden an, sondern liegen in Spanien. Aber die angegebenen Millienzahlen stimmen genau mit der Entfernung von N. S. de Botua bis Merida 72 ). 3. D r i t t e H e e r s t r a f s e v o n O l i s i p o n a c h E m é r i t a , nach dem Itinerar 220 Milien mit folgenden Stationen: Jerabriga 30 Millien. » Sealabis 32 n Tubucci 32 » Fraxinum 32 » Montobriga 30 » Ad Septem aras 14 » Plagiaría 20 » Emérita 30 Diese Strafse begann ihren Lauf im Norden des Tagus, wo wir die beiden ersten Stationen derselben finden, hielt sich aber dabei möglichst nahe am Ufer des Flusses. Ueber die tiefe Bucht bei Saccavem, 2 Leg. von Lissabon führte eine Brücke, deren Reste noch im Jahre 1570 der bekannte Architekt und Maler Francisco d' Olanda sah. Dann verfolgte die Strafse die Richtung des neuen Weges bis Villafranca de Xira und Povos, in dessen Nähe J e r a b r i g a gelegen haben mufs. Der Name erinnert an den Beinamen von Villafranca, Xira, portugiesisch ausgesprochen Schira, und dergleichen

222 Beinamen deuten oft auf einst vorhandene, untergegangene Orte hin, wie bei der zweiten Heerstrafse N. S. de Budua. Das neue Villafranca ist 6 Leg. oder 24 Millien, Povos 7 Leg. von Lissabon entfernt. Von hier wendete sich die Strafse entweder über das heutige Alemquer, welches Andere fiir Jerabriga halten, oder südlicher näher dem Tejo entlang nach S e a l a b i s , dem jetzigen Santarem, fast 8 Leg. von Villafranca de Xira entfernt. Reste einer alten römischen Brücke bemerkte daselbst noch der genannte Francisco d' Olanda, die a Terruja genannt wurde, vielleicht von ihren rotheil Ziegelsteinen und thurmähnlichen Pfeilern 73 ). Auch soll die Kirche S. Joäo de Alporäo daselbst auf römischen Fundamenten erbaut sein 74 ). T u b u c c i , die dritte Station, ist nach der gewöhnlichen Annahme das jetzige Abrantes 7 5 ), ein sehr alter Flecken am nördlichen Ufer des Tejo. Aber jedenfalls verliefs die Strafse schon bei Sealabis das nördliche Ufer des Flusses und zog sich südwärts; dies ist sowohl um der angegebenen Meilenanzahl willen gewifs, als auch weil sich von Santarem an im Süden des Tejo an verschiedenen Orten bedeutende Alterthümer finden, die wahrscheinlich mit dieser Strafse in Verbindung standen. Von Almeyrim an, Santarem gegenüber am Alpiargaflusse, sind mehrere Meilensteine mit den Kaisernamen Trajan, Maximinus und Tacitus gefunden worden 76). Im Gebiete von Alvega, zwei Stunden südlich unter Abrantes entdeckte man bemerkenswerthe Ueberreste einer Stadt, Fundamente ansehnlicher Gebäude, Gräber, unterirdi-

223 sehe Gänge, Mosaikfufsböden, Säulen, Spuren einer römischen Heerstrafse und das später zu erwähnende Jusjurandum, aritiense 77 ). In östlicher Richtung gelangt man dann zu der Station F r a x i n u m , das man in die Gegend des hochgelegenen Ortes Alpalhäo zu setzen hat 7 8 ). Für das darauf folgende M o n t ob r i g a , auch Mundobriga, Meidobriga, wird gewöhnlich Marväo gehalten, wo in einer Quinta viele Spuren einer römischen Stadt wahrgenommen werden, die daher im portugiesischen Volksdialekte a ramenha, die römische Stadt, genannt werden 79 ). Allein die Millienangaben wollen hierzu durchaus nicht passen und wir müssen, diesen Fingerzeig beachtend, von Alpalhäo die südöstliche, grofse Strafse weiter verfolgen, die uns über Portalegre 80 ) nach Arronches führt, welches nach der Richtung der ganzen Strafse und nach den alten Millienangaben Montobriga sein mufs. Bei dieser Annahme gelangen wir dann wieder mit entsprechender Meilenzahl bei S e p t e m a r a s , Campomayor, 14 Millien von Montobriga in die vorige Heerstrafse hinein. Von Arronches bis Campomayor sind Legoas. Noch mehr in die südlichen Gegenden Portugals führen uns die beiden folgenden Heerstrafsen. 4. D i e e r s t e H e e r s t r a f s e v o n E s u r i s n a c h P a x J u l i a , nach dem Itinerar 76 Millien mit einer Zwischenstation: Myrtiiis 40 Millien. Pax Julia 36 E s u r i s , der Anfangspunkt zweier lusitanischer Heer-

224 slrafsen wird, ohne allen Grund auf dem östlichen Ufer des Anas in der römischen Provincia Bätica und für Ayamonte gehalten. lichen Ufer dieses Flusses,

gesucht

Es kann nur am westder Bätica und Lusitania

schied, ohne Zweifel in der Gegend von Castromarim, einem alten Orte mit altem Kastell, Ayamonte gegenüber, gelegen haben.

Denn man darf bei allen hispani-

schen Heerstrafsen nicht vergessen, dafs sich dieselben möglichst streng nach den drei Provinzen trennen und keine Strafse der einen Provinz unnöthig eine Station in die andere Provinz verlegte.

Hier aber an der Mün-

dung des Anas werden im Itinerar sogar zwei unterschiedene Blilitairstationen an den beiden Ufern genannt, unser Esuris, als der Anfang zweier lusitanischer Heerstrafsen, und das Ostium fluminis Anae, als der Anfang einer Ileerstrafse durch Bätica

81

).

Es wäre doch son-

derbar, wenn ein und derselbe Punkt an demselben Ufer des Flusses im Itinerar mit zwei verschiedenen Namen bezeichnet würde. Von Esuris führte nun die alte Strafse in einer Länge von 40 Millien nach M y r t i i i s ,

einer

bedeutenden römischen Municipalstadt mit eigener Münzgerechligkeit, wie sieben noch vorhandene Münzgepräge bezeugen. Es ist das jetzige Blertola, wo noch mancherlei alte Stadttrümmer, Säulen, Statuen, Inschriften aufgefunden worden sind.

Ob eine halbzerstörte Brücke im

Süden der Stadt mit zehn Bögen römischen Ursprungs sei, lasse ich dahin gestellt 8 2 ).

Von hier führte dann

die Strafse in nördlicher Richtung nach der 36 Millien, 9 Leg., entfernten römischen Kolonie P a x J u l i a , un-

225 weit dem jetzigen Beja, deren Umgegend besonders bei Salatesta eine reiche Fundgrube für römische Alterthttroer ist 8 3 ). 5. D i e z w e i t e H e e r s t r a f s e v o n E s u r i s n a c h P a x J u l i a , nach dem Itinerar 267 Millien mit folgenden Stationen: Balsa 24 Millien. » Ossonoba 16 M Aranni 60 » Rarapia 35 Ebora 44 » » Serpa 13 » Fines 20 » Arucci 25 s Pax Julia 30 Offenhai haben wir hier eine Anzahl einzelner Militairstrafsen des südlichen Lusitaniens vor uns, die zu einem Netze verbunden sind, um den römischen Legionen zu einer Marschroute in verschiedenen Richtungen bei ihren Visitationszügen durch die Provinz und ihrem Stationenwechsel zu dienen. Die Strafse nimmt von Esuris, dem jetzigen Castromarim, zuerst eine westliche Richtung nach den beiden bedeutenden Küstenstädten B a l s a und Ossonoba. Ersteres ist in der Nähe von Tavira in Algarve zu suchen 9 4 ), und war eine bedeutende Stadt, von welcher noch viele Münzen vorhanden sind. O s s o n o b a lag eine Stunde nördlich von Faro, und ist das jetzige Dorf Estoy, wo sich viele alte Baureste in weiter Ausdehnung und viele Inschriften vorfinden, so wie

226 auch Münzen mit dem Namen der alten Stadt 8 5 ). Die Millienangabcn entsprechen im Ganzen der gegenwärtigen Meilenzahl. Aber desto schwieriger wird es, die weitere Richtung dieser Heerstrafse zu verfolgen, und die beiden folgenden Stationen A r a n n i und R a r a p i a aufzufinden. Nur so viel ist gewifs, dafs weil der Weg von Ossonoba über die beiden genannten Orte nach Ebora 139 Millien oder 34f Leg. betragen soll, und die gegenwärtige Entfernung von Faro bis Evora auf 32 Leg. oder 128 Millien berechnet wird, für die alte Heerstrafse nur eine geringe Seitenbiegung angenommen werden kann, wie etwa die wäre, wenn man Aranni für den schon im Mittelalter berühmten Ort Ourique, und Rarapia für die Bergfeste Ferreira hält 8 6 ). Die Millienangaben bei den einzelnen Stationen passen auch ganz gut zu dieser Annahme, wenn man nicht übersehen will, dafs die Gebirge, welche Algarve und Alemtejo trennen, so wie die Höhen zwischen Ourique und Ferreira keinen geradlinigen Weg zulassen, wodurch eine gröfsere Meilenzahl entsteht. Eine neue Schwierigkeit macht das, auf das unzweifelhafte E b o r a , das wir schon aus der ersten Heerstrafse von Olisipo nach Emerita kennen, folgende S e r p a , welches 13 Millien von dem vorigen entfernt sein soll. Da aber alle Handschriften in dieser Angabe übereinstimmen, so scheint hier nothwendig ein anderes Serpa angenommen werden zu müssen, als die heutiges Tages so genannte Stadt, die von Ebora 12 Legoas oder 48 Millien entfernt ist und jenseit des Anas in der ehemaligen römischen Provinz

227 Bätica liegt 87 ). Möglich, dafs es auf der jetzigen Strafse von Evora nach Mouräo, zwischen Evora und Vendinha lag. Dann wäre die folgende Station F i n e s die Gegend am Guadiana, wo auf einem hohen Felsen das feste Schlofs von Mon^aras liegt, 8 Leg. von Evora, welches den 33 Millien von Ebora bis Fines entsprieht 88 ). Von diesem Grenzorte der Provincia Lusitania bis P a x J u l i a sind 55 Millien, und dies ist wieder genau die Entfernung von Mongaras bis zum heutigen Beja. Die Zwischenstation A r u c c i dürfte auch noch am Anas, aber nicht in dem jetzigen Moura, sondern in einem diesem etwa gegenüberliegenden Orte am rechten Ufer des Flusses zu suchen sein 89 ). 6. D i e H e e r s t r a f s e v o n S a l a c i a n a c h O s s o n o b a. Da für diese Strafse keine Zwischenstationen im Itinerar genannt werden, und ihre Länge nur auf 16 Millien angegeben wird, so kann damit nicht die ganze Entfernung der beiden Orte von einander bezeichnet werden, welche weit über 100 Millien beträgt. Ich vermulhe, wenn hier nicht ein Fehler im Texte stattfindet, der dann aber durch alle Handschriften hindurch ginge, dafs hier nur die Entfernung von Salacia bis zu dem Punkte angegeben werden soll, auf welchem man die Strafse von Ebora nach Ossonoba erreichte, die einen Theil der vorhergehenden fünften Heerstrafse ausmachte. — Oder es wäre damit der kurze Landweg angedeutet, der bis zu einem Punkte des schiffbaren Callipus, Sadäo, oder bis zu einer Bucht des Meeres gemacht werden mufste, um dann den übrigen Weg

228 per loca maritima, zur See längs der Küste zurückzulegen, wobei die Uferstädte Catobriga (Setubal), Merobriga (S.Thiago deCacem), wo bedeutende Stadtruinen 9 0 ), und jenseit des Promontorium sacrum (Sagres) die Städte Lacobriga (Lagos) und Portus Hannibalis (Villa nova de Portimäo) Anhaltpunkte darboten. Aufser diesen sechs der südlichen Hälfte Portugals zugehörigen Heerstrafsen, die das alte Itinerarium nennt, fehlte es aber auch nicht an andern grofsen Strafsen, die einzelne bedeutende Städte mit einander verbanden. Namentlich sind von einer S t r a f s e z w i s c h e n E b o r a und Pax Julia

noch bedeutende Spuren, besonders

Reste von Brücken über den Charama-, Morteira- und Odivellaüufs und verschiedene Meilensteine aufgefunden worden

91

).

In der Nähe dieser Strafse befand sich bei

dem Flecken Oriola der noch vorhandene Grenzstein der Gebiete von Ebora und Pax Julia

92

).

W i r wenden uns nach der nördlichen Ilälfte von Portugal, wo noch fünf alte Heerwege uns genannt werden. 7. D i e H e e r s t r a f s e v o n O l i s i p o n a c h cara Augusta,

Bra-

nach dem Itinerar 244 Millien mit

folgenden Stationen: Jerabriga

30 Millien.

Sealabis

32

»

Sellium

32

»

Conembriga

34

»

Aeminium

10

»

Talabriga

40

»

Langobriga

18

»

229 Cale

13 Millien.

Bracara

35

»

Die Strafse bis S e a l a b i s ist uns bekannt aus der dritten Heerstrafse. Nachdem sie von da noch einige Legoas in der Nähe des Tejo geblieben ist, wendet sie . sich nördlich nach S e l l i u m , welches in dem jetzigen Ceice oder Seijo, Seixo 9 3 ) bei Thomar oder in den weiter östlich auf dem jenseitigen Ufer des Flusses Nabäo gelegenen Trümmern von Nabancia gesucht wird, wo jetzt die Kapelle S. Irene und das Christuskloster auf dem Berge steht. Von den alten Stadttrümmern ist jetzt n u r wenig noch zu sehn, die Millienzahl stimmt genau. Von hier führte die Strafse nach C o n e m b r i g a ,

welches

wir 2 Leg. südlich vom jetzigen Coimbra in dem Flecken Condeixa a velha wiederfinden. Aquädukts

und

Dort sind Reste eines

anderes Mauerwerk,

Gräber und In-

schriften, auch eine mit dem Worte Conimbrica entdeckt worden 9 4 ).

A e m i n i u m , auch von Plinius mit einem

Flusse gleiches Namens erwähnt, wird gewöhnlich f ü r das jetzige Agueda am Aguedaflufs gehalten 9 '), welches aber von Conembriga 8 Leg. also 32 Millien entfernt liegt, wogegen die folgende Station T a l a b r i g a , wenn dafür die jetzige Villa de Caccia bei Aveiro angenommen wird, von Agueda nur etwa 2 Leg. oder etwa 8 Millien entfernt ist.

Wollten wir daher diesen Annahmen

folgen, so müfsten jedenfalls die beiden im Itinerar neben Aeminium und Talabriga stehenden Zahlen mit einander verwechselt werden

96

).

Aber auch dies hilft

nicht recht aus, da die Millienzahlen doch nicht genau

230 stimmen. Bleiben wir bei dem auf die Handschriften gegründeten Text des Itinerars, so weist uns die Millienangabe in Bezug auf Aeminium an den Flufs Munda, Mondego, in Bezug auf Talabriga an den Flufs Yacua, Vöuga, an deren Ufer die beiden Stationen zu suchen am natürlichsten ist. Das folgende L a n g o b r i g a entspricht nach , der Millienzahl und Richtung des heutigen Weges am besten dem alten, hochgelegenen und mit einem Kastell versehenen Feira 9 7 ), und endlich Cale ist das jetzige, am linken Ufer des Durius, also an der Nordgrenze Lusitaniens gelegene Städtchen Gaya, der jetzigen Stadt Porto gegenüber, und als deren Vorstadt durch eine Brücke mit ihr verbunden. Von Cale führte dann jenseit des Durius eine Strafse von 35 Millien zu der ansehnlichen Stadt der Prov. Tarraconensis B r a c a r a A u g u s t a , dem heutigen Braga, von Porto auf heutigem Wege 8 Leg. oder 32 Millien entfernt. Von dieser Strafse sind noch vorhanden der achte Meilenstein von Bracara aus gezählt, bei der jetzigen Villa Nova de Famelicäo 9 8 ), und der vierzehnte Stein, jetzt zu Portella im Kirchspiel von S. Thiago 9 9 ); der erstere aus der Zeit des Hadrian, der andere des Caracalla. Auch wird genau übereinstimmend mit der Angabe des Itinerars auf einer in Braga gefundenen Säule die Entfernung von Bracara bis Cale auf 35 Millien angegeben. Dieser Stein ist dem Kaiser Hadrian gewidmet 100 ). Für den Theil der Prov. Tarraconensis, welcher zum jetzigen Portugal gehört, giebt endlich das Antoninische Itinerar folgende vier Heerstrafsen an:

231 8. D i e e r s t e H e e r s t r a f s e v o n B r a c a r a Asturica,

nach

nach dem Itinerar 2 4 7 Millien mit folgen-

den Stationen: Salacia

2 0 Millien.

Präsidium

26

»

Caladunum

16

»

Ad Aquas

18

»

Pinetum

20

»

Roboretum

36

»

Compleutica

29

»

Veniatia

25

Petavonium

28

»

Argentiolum

15

»

Asturica

14

»

Diese Strafse bezweckte durchaus nicht, auf möglichst kürzestem Wege mit alleiniger Umgehung der höhern Gebirgszüge eine Communication zwischen dem Lande der Callaiker oder Gallaecia und Asturien zu bewerkstelligen, sondern wir haben hier wieder ein zusammengesetztes Netz von Heerstrafsen, die iin Zickzack eine Menge bedeutender Städte oder Militairpositionen unter einander verbinden sollten.

Die gesarnmte Millienzahl

ist fast um das Doppelte so grofs, als der gerade'Weg von Braga nach Astorga.

Aber die einzelnen Stationen

zu bestimmen, ist eben deshalb, weil sich gar vielerlei Kreuz- und Querwege denken lassen, sehr schwierig, und die bisher gemachten Versuche sind nicht genügend. Nur das darf wohl als feststehend angenommen werden, dafs diese Strafse auf die Prov. Tarraconensis zu be-

232 schränken ist, und daher nicht bis Uber den Durius südlich hinab und nach Lusitanien hinein auszudehnen 101) und dann wieder nach der Prov. Tarraconensis zurückzulenken ist, da, wie schon bemerkt worden, die Heerstrafsen der einzelnen Provinzen eben so unter sich ein geschlossenes Ganzes bildeten, wie eine jede Provinz ihren besondern Legaten und ihre bestimmten Legionen hatte. Nach den vorangegangenen Versuchen, diese Strafse und ihre Stationen zu bestimmen, dürfte vielleichtfolgendes als das sicherste angenommen werden 1 0 2 ). V o n B r a c a r a als dem Hauptorte der ganzen Landschaft im Norden des Durius mit einem Obergerichtshof waren Militairstrafsen nach allen Richtungen hin von grofser Wichtigkeit. Daher die schon erwähnte Strafse in südlicher Richtung nach Cale, wodurch eine Verbindung mit Lusitanien angeknüpft war, und daher die vier Strafsen in nordwestlicher, nordöstlicher und südlicher Richtung, die nun noch vor uns liegen. Es bedurfte einer Strafse in südlicher und südöstlicher Richtung bis an den oberen Durius hin, und durch den ganzen östlichen Theil des jetzigen Nordportugal, und diese erkennen wir in der unsrigen. Sie nahm mit ihren ersten Stationen mehr oder weniger dieselbe Richtung, wie die ^heutige Strafse von Braga über Guimaräes und Amarante bis zum Douro. Zwischen den zwei letztgenannten Orten liegt 5 Leg. oder 20 Millien von Braga entfernt das Dorf Pombeiro, in dessen Nähe S a l a c i a zu suchen ist. Dann zog sich die Strafse bei dem heutigen Amarante über die Tamega bis an das rechte

233 Ufef des Durius hinab, wo wir unweit der Einmündung des Flusses Corgo das für den Weinbetrieb am Douro wichtige Pezzo da Regoa finden. Hier lag wahrscheinlich das P r ä s i d i u m , welches die zweite Militairstation unserer Strafse bildete, auf einer für ein römisches Wachtlager günstigen Stelle, auf der Höhe des hier beginnenden Ober-Douro, wo auch wieder in neueren Zeiten bei dem letzten Kriege auf der Halbinsel ein "bedeutendes Militairdepot stand. Lapie's Canellas liegt eine Legoa östlicher mit geringerer Uebereinstimmung der Millienzahl. Die dritte Station C a l a d u n u m , 16 Millien 103 ) von der vorigen, dürfte in dem jetzigen Cadaval zu suchen sein, so wie die vierte a d A q u a s in der Nähe des heutigen Anciäes. Die Umgegend dieses Ortes bis nach dem Flusse Tua und bis an das Ufer des Douro hinab trägt viele Spuren einer alten Bevölkerung, die sich besonders um zahlreiche heilsame Quellen gesammelt zu haben scheint. Unter siebzehn verschiedenen Quellen 104 ) wird jetzt besonders eine heifse Schwefelquelle sehr benutzt, die sich in der kleinen Ortschaft Pombai befindet, gewöhnlich aber nach dem gröfseren Orte as Caldas de Anciäes genannt wird. In der Nähe derselben am Douro ist ein anderer kleiner Ort, Cachäo oder Cachäo de Rapa genannt, wo ein merkwürdiger Felsen und eine Grotte sich befinden, deren weite unterirdische Räume auf Bögen und Säulen ruhn, und mit Schwefeldünsten angefüllt sind. Ringsum an den Wänden hat man steinerne Sitze entdeckt, doch ist das Vordringen in die Tiefe der Grotte wegen der

234 erstickenden Dämpfe gefährlich. Eine Stelle des überhängenden Felsens zeigt noch Reste einer alten Plafondmalerei in rothen und blauen viereckigen Feldern nach antiker Weise 105 ). Der Ort Anciäes selbst ist, wie schon der Name andeutet, auf die Stelle eines alteren gebaut und hoch gelegen, und war einst stark befestigt. Er hat noch ein altes Kastell, welches maurischen oder römischen Ursprungs ist 1 0 6 ). Dies alles läfst mich vermuthen, dafs wir hier in der Nähe die Station ad Aquas zu suchen haben 107 ). Die fernere Richtung der Strafse wird durch die Stationen P i n e t u m und R o b o r e t u m angedeutet. Ich bin nicht abgeneigt, das letztere mit Lapie in die Gegend von Braganga zu verlegen, wofür auch die Meilenzahl spricht. Vielleicht darf mit ihrem Namen die im Süden der Stadt Brägan^a sich hinziehende Serra de Rebordäo und der dort gelegene Ort Rebordäos in Zusammenhang gedacht werden. In der Nähe von Braganca, sowohl in dem Dorfe Castro de Avelläes, i Leg. westlich von der Stadt, als auch im Osten derselben am Flusse Sabor finden sich römische Alterthiimer 109 ). — Von hier aus verläfst die alte Heerstrafse bald das portugiesische Gebiet. Daher liegt die Betrachtung des übrigen Theils derselben nicht mehr in unserer gegenwärtigen Aufgabe. 9. Einen ganz anderen Weg nimmt die z w e i t e H e e r s t r a f s e v o n B r a c a r a n a c h A s t u r i c a . Ihre Länge betrug nach dem Itinerar nur 212 Millien, von welchen die ersten 34 auf portugiesischem Boden liegen, mit den beiden Stationen:

235 Salaniana 21 Millien. Aquae Originis 18 Diese Strafse, ein kühnes Werk römischer Beharrlichkeit und. Grofsartigkeit, ist über das hohe und ausgedehnte Gerezgebirge angelegt, welches Portugal vom spanischen Galizien scheidet und wird noch jetzt in seinen Ruinen bewundert, Vermittelst beschwerlicher Felsensprengungen, vieler Brücken und Windungen wurde zwischen steilen Bergen und Uber tiefe Schluchten ein bequemer Weg geschaffen, mit welchem sich in Spanien nur die treffliche neue Strafse durch die Sierra morena vergleichen läfst. Diese Gerezstrafse, von den dortigen Bergbewohnern a Geira genannt, ist jetzt nicht mehr fahrbar, aber an vielen Stellen durch ihre Trümmer und eine grofse Anzahl römischer Meilensteine noch zu erkennen. Die letzteren nennen den Vespasian und seine Söhne Titus und Domitian als die Erbauer der Strafse, so wie einige spätere Kaiser, unter welchen sie erhallten oder wiederhergestellt worden ist 109 ). Die Strafse nahm von Braga aus zuerst eine ganz nördliche Richtung, und ging, eine Legoa von der Stadt entfernt, beim Dorfe Ponte do Porto über den Flufs Cavado, dessen jetzige Brücke auf altrömischen Fundamenten stehen soll u o ) . Von hier zog sich die Strafse in mannigfaltigen Windungen allmälig und bequem in die Höhe, und hier und da trifft der neue Weg mit ihr zusammen. Die ersten Meilensteine aus der Nähe der Stadt sind verschwunden, oder verschleppt worden. In Braga selbst, auf dem Platze vor der Kirche S. Seba-

236 stiâo liegen und stehen jetzt deren zwölf, unter welchen ich einen ersten, einen dritten, zwei vierte, einen sechsten und einen dreizehnten Stein bemerkt und ihrè Inschriften copirt habe 1 1 1 ). Sie sind aus sehr verschie» denen Zeiten, denn sie gehören der Regierungszeit des Claudius, Hadrian, Marc Aurel, Maximinus und Carus an. ändere deuten den bald nördlich bald östlich sich, wendenden Lauf der Strafse an. Im Dorfe Santiago de Villella, Leg. von Braga ist an der Kirchthtire der zehnte Meilenstein, von Bracara an gezählt, angebracht worden , dessen Inschrift auch die Namen zweier kaiser» licher Legaten, des C. Rantius Quirinalis und des Vale-. rius Festus nennt 112 ). Der Stein kann nicht weit von seiner ursprünglichen Stelle entfernt worden sein l l 3 ). An der Gränze des Ortsgebiets von Santa Cruz an einer Stelle, die man Cantos da Geira da Balança nennt, 3 £ Leg. von Braga, befinden sich zwei Meilensteine y auf deren einem man die Millienangabe Bracara XV und den Namen des Kaisers Carus liest 1 1 4 ). In S. Joäo da Balança, 4 Leg. von Braga zwei verstümmelte Meilen-steine 1 1 5 ). In der Gegend von Corense, Leg. von Braga, stehen vor der Kapelle S. Sebastiäo, am Flüfschen Cabaninhas drei Steine, der eine mit dem Namen des Marc Aurel, doch ohne Millienangabe l j a ) . Nicht weit davon über Nazareth bei Valfoyos der achtzehnte Stein, der wiederum die beiden Legaten Rantius und Festus nennt, und die Strafse als eine neue bezeichnet 117 ). Unter dem Orte Saim bei Lagedos liegt bei andern zer-

237 triimmerten auch der neunzehnte Stein, gleichfalls mit dein Namen der beiden Legaten I 1 9 ) , und zwischen Lagedos und Travassos beim Orte Moymenta der einundzwanzigste Stein aus der Zeit des Heliogabalus. In diese Gegend wird daher gewöhnlich die erste Station des Itinerars S a l a n i a n a gesetzt, wobei man annimmt, dafs der Stein nicht sehr weit von seiner ursprünglichen Stelle verschleppt worden sei 119 ). Aber die Entfernung aller dieser Punkte von Braga ist nach Millien nicht genau anzugeben, und hängt von den Windungen des alten Weges ab, der doch nur hin und wieder zu erkennen ist. Bei Folgeiras im Kirchspiel von Chamoim befindet sich der zweiundzwanzigste Stein,, und bei Covide der fünfuridzwanzigste, der zum Postamente eines Kreuzes benutzt worden ist und den Kaiser Trajanus Decius nennt , 2 0 ). Hinter diesem Orte gelangen wir in diesen öden Berggegenden zum erstehmale zu den Ruinen eines kleinen Ortes, die das Ansehen eines Kastells haben. Die Bewohner der Gegend nennen diesen Ort Chalcedonia 1 2 1 ), und es wäre leicht möglich, dafs hier Salaniana gestanden habe. Und dann wäre hier die ursprüngliche Stelle jenes einundzwanzigsten Steins, der jetzt bei Moymenta liegt. In S. Joäo do Campo, Bezirk Bouro soll die alte Brücke, Ponte de Rodas oder dos Eyxoes auf römischen Fundamenten stehen ' " ) . Nahe bei diesem Ort ist der siebenundzwanzigste Stein mit Vespasians Namen gefunden worden, so wie der neunundzwanzigste mit dem des Maximianus. In der Hochebene Chäo de Linhares, bei Bico da Geira, liegt der

238 einunddreifsigste Stein mit dem Namen des Traj. Decius, und bei Volta do Covo der zweiunddreifsigste mit dem des Decentius, und ein anderer aus der Zeit des Maximinus mit dem Namen des kaiserlichen Legaten Q. Decius und der Angabe, dafs dieser die durch Alter verfallenen Wege und Brücken wieder hat herstellen lassen. Alvergaria

endlich

finden

w i r zweimal

den

Bei

dreiund-

dreifsigsten Stein, aus den Zeiten des T r a j . Decius und des Tacitus. So haben wir, diesen alten Spuren folgend, allmälig der portugiesischen Gränze

uns genähert.

Das letzte

portugiesische Dorf ist Villarinho, in dessen Gebiete in einem Umfange von • einer halben Legoa die alte Strafse viermal über den Bergstrom Rio do Hörnern sich hinwegzog, bei Ponte do Arco, de Mongäo, de Alvergaria und de S. Miguel. Aber die Brücken sind in dem Kriege mit Spanien im Jahre 1642 zerstört worden, und nur in ihren Ruinen bewundert man die treffliche Arbeit. Sie waren mit

starken Brustwehren versehen,

Quadersteine mit Erdharz verbunden waren nach

123

).

deren Bald

der letzten Brücke befindet man sich auf dem

Rücken

des Gebirgs in einem Engpasse,

Portella do

Homem, wo der Flufs Hörnern durch die Vereinigung mehrerer Waldbäche

seinen Anfang nimmt und

das

Bergthal quer durchschneidet. Hier ist die Gränze zwischen Portugal und Spanien.

Mehrere umher zerstreute

Meilenpfeiler tragen fast alle die Millienzahl 34 und die Kaisernamen Titus,

Caracalla und T r a j . Decius.

ersten galizisch- spanischen Dörfer,

Die

durch welche die

239 Strafse sich weiter fortzieht,

sind Valle und Lobios.

Nicht weit jenseit der jetzigen Grenze mufs die zweite Station A q u a O r i g i n i s

zu suchen sein ' " ) .

10. D i e d r i t t e H e e r s t r a f s e v o n B r a c a r a

nach

A s t u r i c a , nach dem Itinerar 2 9 9 Millien, nimmt eine dritte, nordwestliche Richtung, verläßt aber auch, wie die vorhergehende noch vor der zweiten Station Portugal und' geht dann in verschiedenen Biegungen durch Galizien bis nach der Hauptstadt Asturiens,

nachdem

sie auf den letzten Stationen in die vorhergehende Heerstrafse eingelenkt hat.

Die zwei ersten Stationen sind:

Limia

19 Millien.

Tude

24

Vier Millien hinter Braga geht die Strafse wie die vorige über den Cavado, doch auf einer westlicher gelegenen Brücke bei der jetzigen Ponte de Prado.

Der

vierte Meilenstein, der deil Namen des August, als des Erbauers jener Strafse trägt, wurde bei einer Wiederherstellung jener Brücke am Ufer des Flusses den

125

).

gefun-

Von hier nahm die alte Strafse im Ganzen

die Richtung der jetzigen, die nach Ponte de Lima führt. In der kleinen Ortschaft Bertiandos liegen der siebzehnte und achtzehnte Stein mit dem Namen des Kaisers Maximums und seines Legaten Decius, der die durch Alter verfallene Strafse und Brücken wiederherstellte

126

) . Dann

ging die Strafse durch L i m i a , die erste Station 19 Millien von B r a c a r a , von Braga

das heutige Ponte de Lima, 4 Leg.

am Flusse

dieser Stadt,

gleiches Namens

127

).

Unweit

in S. Marinha de Arcozello finden wir

240 wieder- 2 Milliensteine mit der Zahl 2 0 , der eine aus der Regierungszeit des Hadrian, der andere des Caracalla und in dem nicht weit davon entfernten Antepago noch einen,

dessen mangelhafte Inschrift einen

Kaiser Constantius nennt

128

).

Dann befinden sich in

der Bartholomäuskapelle des Dorfes Antas, im Gerichtsbezirke von Coura, zwei Steine, der einunddreifsigste der : den Magnentius ,

und ein anderer verstümmelter,

der d«n Theodosius nennt. Beide sind von den benachbarten Höhen, über welchen die Strafse ging, hierher gebracht worden

129

).

Endlich noch der

zweiundvier-

zigste Stein mit dem Namen des Ti. Claudius, in der Nähe von Valenga

am Minho gefunden,

auf dem Marktplatze dieser Stadt

13

steht jetzt

Valenga gegen-

über am rechten Minhoufer und auf spanischem Gebiet liegt der feste Ort T u y ; dies ist ohne Zweifel die zweite Station unserer Heerstrafse, T u d e , 43 Millien von Bracara. Da nun Valenga von Braga 10 Legoas oder 40 Millien entfernt liegt, so mufste die alte Strafse bis hierher ziemlich genau dieselbe gerade Richtung wie die jetzige nehmen. Aus den auf den erwähnten Milliensteinen vorkommenden Kaisernamen gewinnen wir das historische Resultat, dafs diese Strafse schon vom Kaiser August angelegt worden ist, für deren Erhaltung dann viele der folgenden Kaiser des zweiten, dritten und vierten Jahrhunderts Sorge getragen haben. 11. D i e v i e r t e H e e r s t r a f s e v o n B r a c a r a Asturica,

nach

die letzte der im Itinerar des Antonin ge-

241 nannten römischen Strafsen, welche das gegenwärtige portugiesische Gebiet berühren, bietet zwar zur Kenntnifs römischer Alterthüiner in Portugal nichts neues dar, doch verdient sie mit einigen Worten erwähnt zu werden, weil die angegebenen Zwischenstationen nicht leicht aufzufinden sind. Diese Strafse war zum Theil ein Wasserweg, wie das Itinerar ausdrücklich durch die Worte per loca maritima und durch die Berechnung der vier ersten Stationen nach Stadien 1 3 1 ), nicht nach Milien andeutet. Diese Stationen sind: Aqua Celenä 165 Stadien. Vicus Spacorum 195 » Ad duos Pontes 150 » Grandimirum 180 » Wo fing aber dieser nach Stadien berechnete Weg an? Von Bracara mitten im Lande gewifs nicht; Landwege werden im Itinerar nur nach MiUien, nicht nach Stadien berechnet; aber auch da nicht, wo man von Bracara aus zunächst den Cavado erreichte, denn dieser ist ein unbedeutender Flufs, der sich für die Schifffahrt sehr wenig und besonders nicht für militairische Transporte eignete. Am natürlichsten ist anzunehmen, und dies entspricht auch allein den Millienangaben, dafs das Itinerar diese Strafse per loca maritima nicht von Bracara, sondern vom nächsten locus maritimus zu messen und zu zählen anfängt, also von der an der Mündung des Cavado gelegenen Einschiffungsstelle, wo jetzt Esposende oder Fäo liegt. Die kurze Strecke Wegs von Bracara bis zum Meere übergeht das Itinerar, weil es eben 16

242 nur einen Seeweg beschreiben will.

Von hier aus nun

längs der Küste bis zu der ersten angegebenen Station A q u ä Ce 1 e n ä über 5 Legoas.

132

) werden 165 Stadien gezählt, etwas

Dies führt uns in die Gegenden zwi-

schen dem Lima und Minho.

Hier w a r der Sitz der

Turoder oder Turoler, mit ihrer von Ptolemäus genannten Stadt Aquä Leä oder L ä ä , wie uns auch noch eine in S. Martim de Lanhezes oder Lanhelas im Gerichtskreise von Caminha gefundene Inschrift b e s t ä t i g t 1 3 3 ) , und so dürften diese Aquä Läa vielleicht derselbe Ort sein oder wenigstens auf einen ähnlichen Ort mit heilsamen Quellen in der Nähe hinweisen. Von hier aus bis zur zweiten Station V i c u s S p a c o r u m sind 195 Stadien, und dies entspricht wieder genau dem Wasserwege von der Gegend der Minhomündung bis nach Vigo, etwas über 6 Leg.

Eben so verhält es sich auch mit

den beiden folgenden: A d d u o s P o n t e s , jetzt Ponte vedra, 150 Stadien oder 4 | Leg. und jetzt Cantomir bei Rianzo

J31

Grandimirum,

), 180 Stadien oder 5 | Leg.

Von hier aus wendete sich dann die Strafse in das innere Galizien, und traf von der Station Lucus Augusti, dem heutigen Lugo, an mit der dritten, von Bergidum an mit der zweiten Strafse nach Asturica zusammen. Dies sind die vorzüglichsten alten Strafsen, die w i r in Portugal nach dem Itinerar und ihren noch vorhandenen Spuren auffinden können.

Dafs es aufser diesen

noch manche andere Städteverbindungen durch grofse Strafsen gab, läfst sich schon von selbst erwarten, auch zeugen davon noch viele vorhandene Grenzsteine u n d

243 Meilenpfeiler, wie sich solche zwischen Beja und Evora, und zwischen Braga und Chaves 135 ) gefunden haben. Zu dem Wegebau gehört nothwendig auch der Bau von Brücken. Der Bau und die Beaufsichtigung der Brücken war bei d«n Römern zugleich den Wegebaumeistern mit Ubergeben, wie sich dies auch aus Inschriften ergiebt 136 ). Besonders in Gebirgsländern, wie Spanien, wo Ströme und Abgründe oft die Wege unterbrechen, gehören Brücken mit zu den bedeutendsten Bauwerken. Auch von alten römischen Brücken ist noch Manches in Portugal zu finden. Die ansehnlichste ist ohne Zweifel diejenige, welche über den Flufs Tamaca, jetzt Tamega, in Aquae Flaviä, dem heutigen Chaves, Prov. Traz os Montes, gefuhrt worden ist und in ihren Hauptmassen sich noch erhalten hat. Sie ist kein Werk von besonderer Zierlichkeit, aber wie schon ihre Dauer beweist, mit grofser Einsicht gebaut. Sie ist aus Quadersteinen aufgeführt und wird bei einer Länge von 92 Schritten durch 18 Bögen getragen. Mit ihrer Brustwehr ist sie 32 Palmen hoch und 26 Palmen 137 ) breit. Sie wurde zur Zeit des Kaisers Trajan auf Kosten der Stadt erbaut und diesem Kaiser geweiht, wie dies eine auf der Brücke befindliche alte Inschrift aussagt 1 3 8 ). Eine zweite Inschrift aber, die man jetzt auf einem vor .der Brücke aufgestellten runden Pfeiler oder Säulenstumpf sieht, hat durchaus keine Beziehung auf dieselbe,

244 wie man wohl geglaubt hat, sondern sie gehört einer, früheren Zeit an

1 3 9 ).

Die Reste einer zweiten Brücke entdeckte man nebst vielen andern Ruinen einer bedeutenden römischen Stadt bei S. Thiago de Cacem, Prov. Alemtejo, die über eine tiefe Bergschlucht hinwegging.

Eine Inschrift nennt die

alte Stadt Merobriga oder Mirobriga, die Plinius unter den Küstenstätften im Süden des Tagus aufzählt.

Die

Gegend des jetzigen S. Thiago de Cacem mochte von jener römischen Stadt abhängig sein, die man wegen der Lage am Meere eher ein wenig südlicher in der Gegend von Sines suchen mufs

1 4 0 ).

Eben so haben sich Ruinen einer römischen Brücke in der Nähe des jetzigen Kastells Marväo bei Portalegre, Prov. Alemtejo erhalten, was man wohl nur irrthümlich für das Montobriga hält, welches eine Station auf der dritten Heerstrafse von Olisipo nach Emerita war

1 1 1 }.

Die bedeutendste Brücke in Lusitanien war jeden'falls

die,

welche bei Norba Caesarea,

dem jetzigen

Alcantarä, über den Tagus geführt war. aber aufser dem Gebiete von Portugal,

Diese liegt und entzieht

sich daher unserer Betrachtung. Wasserleitungen. Grofsartige Bauten dieser Art

führten

die Römer

überall wie in Italien so auch in den Provinzen mit entschiedener Vorliebe und vielem Aufwände aus. Nicht etwa aus Unbekanntschaft mit den hydraulischen Gesetzen, sondern aus Geschmack an solchen sehr ausge-

245 dehnten W e r k e n , welche eine öde Gegend belebten und eine Stadt schon von weitem verkündigten, leiteten sie das W a s s e r in horizontal gelegten Kanälen oft meilenweit den Städten z u , durchstachen Berge und Felsen u n d verbanden Niederungen und Thäler durch grofse, brückenartige

Bogengewölbe,

um

jene

Wasserkanäle

weiter zu führen. Auch auf der Halbinsel sind mehrere solcher Aquädukte theils in Trümmern, theils auch ganz wohlerhalten noch vorhanden, wie jene zierlich schlanken aber beschädigten Bögen in Merida und die W a s serleitung in Segovia, die seit fast zwei Jahrtausenden die Stadt noch immer mit gutem Trinkwasser versieht. Auf portugiesischem Boden sind nur geringe Reste dieser A r t entdeckt worden. Irrthümlich gilt die Wasserleitung von Evora mit ihren schönen Bögen vor der Stadt für ein altes römisches W e r k , das man wie alles Alterthümliche in Evora dem

Sertorius

willkürlich

zugeschrieben

hat.

Selbst

Murphy, der eine treue Abbildung und genaue Beschreibung davon giebt, wiederholt noch diesen Irrthum

142

).

Das W e r k j wie es jetzt steht und im Gebrauch ist, ist ein grofsartiger, in edlem Style von König Johann III angeordneter und im Jahre 1543 vollendeter Bau. um Portugals Alterthümer

Der

und die Geschichte . seiner

Vaterstadt Evora verdiente Andre de Resende war auch bei dem Bau dieses Werks nicht ohne Einflufs. E r wies gegen die Zweifel des Bischofs von Viseu D. Miguel da Silva nach, dafs allerdings schon zu römischer Zeit eine grofse Wasserleitung hier vorhanden gewesen sei,

246 von welcher sich auch noch hie und da Substractionen vorfanden.

Hierdurch wurde der König noch mehr in

seinem Vorhaben bestärkt und der neue Aquädukt soll zum Theil auf den Fundamenten worden sein

143

).

des alten errichtet

Höchst wahrscheinlich

gehören die

bei dem jetzigen Turregia oder Torre de Gesteira vorgefundenen Trümmer eines alten Aquädukts diesem weitläufigen römischen Werke

144

auch zu

).

Von einem andern grofsen Aquädukt in Pax Julia sind unterirdische Gänge unweit Beja neben andern Stadltrümmern aufgefunden worden. Die alte Stadt liegt dort gegen 24 Fufs unter der jetzigen Oberfläche des Bodens

145

).

Ferner im Bezirke von Alvega, südlich von Abrantes, befinden sich unter bemerkenswerthen Ueberresten einer bedeutenden Stadt auch Trümmer einer W a s s e r l e i t u n g ' " ) . So wird auch bei Braga's Alterthümern immer ein Aquädukt genannt, von welchem ich jcdoch an Ort und Stelle nichts erfahren habe

147

).

Aber in Chaves sollen noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Trümmer entdeckt worden sein

148

eines ähnlichen Bauwerks

).

Stadtmauern nnd Thürme von römischer Construction, sind noch hier und da lange erhalten worden, unter andern in S. Thiago de Cacem 149 ) und in Viseu, Prov. Beira

150

).

Aber die römischen

Stadtmauern von Ebora, welche man ohne Grund dem Sertorius

zuschreibt,

waren schon unter dem König

D. Fernando im vierzehnten Jahrhundert so verfallen,

247 dafs dieser Fürst sie von neuem aufbauen mußte. Sehr weniges mag davon dem alten Bau angehören 1 5 1 ). Xh o r e von römischer Architektur soll in früherer Zeit die Stadt Beja drei aufzuweisen gehabt haben 152 ). In neuester Zeit wird besonders das Südthor als ein römisches bezeichnet 153 ). F e s t e

Kager.

An Stellen, wo die römischen Beherrscher Hispaniens zu einer nöthigen Militairstation keine Ortschaft vorfanden, wurde von ihnen ein befestigtes Lager oder Kastell errichtet, aus welchem dann oft auch durch weiteren Anbau eine Stadt entstand. Daher finden wir in dem alten Itinerarium, das uns die Heerstrafsen durch die römischen Provinzen aufzählt, oft Stationen durch die Worte Castrum, Castra, Castellum, Präsidium, auch Turris und Turres bezeichnet, welches alles verschiedenartig befestigte Militairplätze andeutet. Auch in Portugal fehlt es weder an alten Spuren solcher Lager, noch an neueren Ortschaften, von denen man vermuthen kann, dafs sie aus römischen Kastellen entstanden sind. Die deutlichsten Ueberreste eines festen römischen Lagers finden sich bei der alten Stadt Viseu, Prov. Beira, die überhaupt an Erinnerungen aus der römischen, wie der gothischen und maurischen Zeit reich ist. Unverbürgt zwar ist die Sage, dafs in dieser Gegend der Consul Decius Junius Brutus, der Ueberwinder der Lu-

248 sitanier und Kallaiker, eine alte lusitanische Stadt Vacca zerstört und auf ihre Trümmer einen neuen befestigten Ort erbaut habe, doch beweisen die weitläuftigen Ueberreste alter Bauten, dafs der Platz den Römern wichtig war. Zwei Thürme der Stadt sind römischen: Ursprungs 1 5 4 ), an denen man sonst eine Inschrift mit den Namen Frontonius und Flaccus gelesen haben will 155 ), die aber leicht auch später erst dort eingemauert sein konnte. Von dem römischen Lager sagt ein neuerer Reisender 156 ), dafs hohe Verschanzungen an einem freien Platze aufserhalb der Stadtmauer jenseit des Flusses vorhanden sind, und von dem Volke a cava do Viriatho, die Höhle des Viriath, genannt werden, wie sich in der Volkssage so vieles an diesen gefeierten Namen anknlipft. Der Umfang dieser Verschanzungen soll eine halbe Stunde betragen; der Graben ist zum Theil ausgefüllt, der Damm an einer Stelle abgetragen. Auch am linken Ufer des Douro finden sich hier und da deutliche Spuren alter römischer Kastelle. Von grofser Bedeutung scheint das der alten Stadt Numäo, auf den Karten Nemäo, Nomäes, am Oberdouro gewesen zu sein, in welchem eine Menge Gold-, Silber- und Kupfermünzen römischer Kaiser gefunden worden sind 1 5 7 ). Sieben Legoas westlicher, am Einflufs des Tavora in den Douro, liegt auf dem Gipfel eines kegelförmigen Berges ein zweites Kastell dieser Art. Man unterscheidet hier noch die äufsere Mauer des Lagers rings um den Berg, und einen engeren inneren Kreis, der, wie es scheint, durch eine doppelte Mauer, die durch die Mitte geht, in zwei Theile

249 getheilt war 159 ). Auch dieses Werk dürfte mit mehr Grund den Römern als einer spätem Bevölkerung zuzuerkennen sein. Dafs die alte Kolonie Bracara Augusta, die Hauptstadt im Lande der Kallaiker, auch ein wichtiger militairischer Punkt der Römer w a r , beweisen schon die verschiedenen Heerstrafsen, die hier zusammentrafen. Von den. festen Mauern sowohl als auch einem besonderen Castellum sind noch hier und da Spuren zu erkennen 159 ). Endlich werde hier mit Bezugnahme auf das bei der zweiten Heerstrafse von Esuris nach Pax Julia Gesagte bemerkt, dafs der Stationspunkt Fines an der Grenze Lusitaniens nach Bätica zu, der sich wohl an der Stelle befand, wo jetzt am Guadiana auf hohem Felsen das feste Schlofs von Mongaras liegt, wahrscheinlich auch nichts anders war als ein zur Wahrung der Grenze und zur Aufnahme eines Heeres geeignetes römisches Lager. Theater. Im östlichen älteren Theile von Lissabon, am Fufse des Hügels, auf welchem das Kastell S. Jorge steht, stiefs man im J. 1798 beim Aufräumen einer seit dem Erdbeben von 1755 mit Schutt angefüllten Strafse, der Rua S. Mamede, auf altes Mauerwerk und entdeckte allmälig das Proscenium eines römischen Theaters nach seiner ganzen Länge, nebst der vier Fufs tiefer davor liegenden Orchestra. Die durch das höhere Proscenium gebildete Wand war mit geflecktem Marmor bekleidet.

250 Eine daran in fünf Nischen vertheilte Inschrift sagt aus, dafs dieses Proscenium nebst der Orchestra und deren Verzierungen von einem augustalischen Priester C. Hejus Primus dem Kaiser Nero unter dessen zweitem Consulate, also im J. 57, geweiht worden ist.

Fortgesetzte

Nachgrabungen brachten eine Menge Bautrlimmer

ans

Licht, cannelirte Säulenschafte, ionische Kapitale, grofse Quaderstücke, und zwei fast ganz wohlerhaltene, völlig gleiche Silenstatuen, die als Verzierung zu beiden Seiten der Orchestra gestanden haben mochten.

Eine zweite

Inschrift auf einem grofsen, postamentähnlichen Steine ist dem genannten Priester Hejus von seinem Freigelassenen gewidmet. Die übrigen Theile des Theaters, Scene, Postsccnium und die Sitze der Zuschauer sind nicht entdeckt, auch wohl gar nicht aufgesucht worden, indem die dort stehenden Häuser dies nicht gestatteten.

Aber

auch schon dieser aufgefundene, leider im Verlauf des Strafsenbaues bald wieder verschüttete Theil ist insofern wichtig, als wir dadurch die Stelle kennen, wo das Theater der alten römischen Municipalstadt Felicitas Julia oder Olisipo stand und zu welcher Zeit es gegründet wurde. W i r verdanken diese Nachrichten einer Monographie des Luiz Antonio de Azevedo

16

°) mit guten Ab-

bildungen aller dort ausgegrabenen Reste der Architektur und Sculptur.

Nach dem beigefügten Maafsstabe hatte

das Proscenium eine Breite von 155 Palmen oder etwa 116 Fufs. Da das Theater am Fufs eines Hügels lag, so begünstigte der Abhang desselben die Anlage der Sitzreihen für die Zuschauer, die von den höchsten Plätzen

251 aus zugleich den anmuthigen Blick über die Bühne hinweg auf die nahen Ufer des herrlichen Tejostroms genossen, der sich bei Lissabon zu einem mehr als eine Stunde breiten Wasserbecken ausdehnt und von dem jenseitigen hohen Ufer von Almada begrenzt wird.

Gern

wählten die Alten eine solche Lage f ü r ihre Theater. So w a r der Blick der Zuschauer in den sicilischen Theatern von Tauromenium jetzt Taormina, und Acrä jetzt Palazuolo, von den oberen Sitzen dem Aetna zugewend e t , wenn nicht die oft über die Theater ausgespannten Decken die Aussicht hinderten. Aber gerade diese Lage des Theaters von Olisipo an einem Bergabhang konnte auch leichter die Zerstörung desselben herbeiführen, wenn Erdbeben, wie deren viele zu allen Zeiten Portugal heimgesucht haben, grofse Erdmassen und Baustücke von der Höhe herab in die tieferen Gegenden schleuderten. So erfuhren unter anderen bei dem grofsen Erdbeben unter der Regierung des Kaisers Gratian im J. 382 auch die Küstenstädte Portugals grofse Erschütterungen und Verwüstungen161),

bei welchem vielleicht

auch

dies

Theater seinen Untergang fand. Amphitheater, wie sich mehrere in Spanien durch Ruinen nachweisen lassen, z. B. das des berühmten Sagunt beim jetzigen Murviedro, waren bei der grofsen Vorliebe der Römer f ü r blutige Schauspiele gewifs auch in Lusitaniens bedeutendsten Städten. Doch ist jetzt nichts mehr davon vorhanden. Im siebenzehnten Jahrhundert sah man noch

252 Spuren eines Amphitheaters hei Braga in der Nähe der Pfarrkirche S. Pedro de Maximinos

162

).

Aber einen anderen Bau ähnlicher A r t , eine Naumachia glaubt man, jedoch mit geringer Wahrscheinlichkeit, bei den Trümmern einer alten römischen Stadt entdeckt zu haben, in welcher man nach einer dort gefundenen Inschrift den Sitz der Aravi, die Civitas Aravorum, wieder erkennt, in der Nähe

der Ortschaft Deveza bei

Marialva, nördlich von Pinhel, Prov. Beira.

E s ist ein

bis in die neueste Zeit gut erhaltenes grofses Bassin, welches die Anwohner o Lago,

den See, nennen, und

welches lange mit Wasser angefüllt war. Später wurde es durch Entfernung eines grofsen, mit einem bronzenen Ringe versehenen Quadersteins ausgeleert und seitdem wie ein Stück Gartenland bebaut.

Der grofsartige

Charakter dieses Werks weist auf seine mächtigen Erbauer hin, aber eher dürfte es zu einem Wasserbehälter f ü r ein Aquädukt der benachbarten Stadt, als zu jenen bei den Römern beliebten Aufführungen kleiner Seeschlachten gedient haben

163

).

Triumphbogen. Auch von

einem Prachtgebäude

dieser A r t ,

wie

solche oft siegreichen Feldherren oder Kaisern von einer gerechten Anerkennung ihrer Thaten oder von der Schmeichelei ihrer Diener in Gestalt eines colossalen Thors, mit Säulen und Bildwerken geschmückt, errichtet wurden,

253 und deren sich eine nicht geringe Anzahl in Italien und in den Provinzen erhalten haben, ist uns eine Nachricht aus Portugal aufbewahrt. In der Municipalstadt Ebora, durch Casars Gunst Liberalitas Julia zubenannt, war ein solcher Bogen vielleicht eben diesem Beschützer der Stadt einst errichtet worden und noch bis zur Zeit des Cardinal Infanten Heinrich vorhanden. Johann III, der, wie schon erwähnt worden, der Stadt eine neue Wasserleitung gab, liefs unter der Hauptarkade jenes Triumphbogens eine Fontaine anbringen. Der Kardinal Heinrich aber, sein Bruder und späterhin Regent des Reichs, liefs im J. 1570 beides abtragen, damit der Platz vor der Kirche des heil. Antonius geräumiger würde! — Acht grofse Säulen im Refectorium des ehemaligen Jesuitenklosters, jetzt Casapia, sollen noch die einzigen geretteten Ueberbleibsel jenes Bogens sein 1 6 4 ). Bäder. Den Völkern des Südens sind Bäder ein weit gröfseres Bedürfnifs als dem Nordländer. Daher überall die mancherlei Anstalten für diesen Zweck, auch sorgfältige Benutzung heilsamer mineralischer Quellen, an denen Spanien und Portugal reich sind. Von einer solchen Benutzung warmer Heilquellen aus römischer Zeit ist noch eine deutliche Spur vorhanden in den Schwefelbädern des Vizeilathals, eine Stunde südlich von Guimaräes, Prov. Minho, die jetzt unter dem Namen der Bäder von S. Miguel das Caldas bekannt sind. Das Thal führt auch den Namen Lameira. Seit dem Jahre 1788 hat

254 man allmälig gegen zwanzig alte Gemächer von verschiedener Gröfse und Gestalt aufgegraben, die alle die gemeinschaftliche Bestimmung von Badezimmern hatten. Sie geben sich durch das bekannte Opus reticulatum als Werke des römischen Alterthums zu erkennen. Ohne Zweifel liegen noch mehr unter der Erde verborgen. Die bereits aufgedeckten hat man allmälig wieder hergestellt und Häuser darüber errichtet, so dafs sie jetzt in gleichem Gebrauche sind, wie vor vielleicht siebzehn, achtzehnhundert Jahren. Das gr'öfste dieser Bassins nimmt einen Raum von 30 Fufs Länge, 25 F. Breite, 5 F. Tiefe ein, so dafs es gegen 50 Personen fassen kann. Das Wasser, welches eine Wärme von ungefähr 100' Fahrenheit oder etwas über 30° R. hat, quillt fast unmittelbar unter dem Boden des Zimmers aus der Erde und fliefst dann aus dem Bassin durch unterirdische Röhren in einen benachbarten Sumpf ab. Ein anderer Baderaum ist von runder Gestalt, Boden und Wände sind mit alter zum Theil sehr schöner Mosaik ausgelegt. Dies Bad wurde erst gegen 1840 entdeckt. Das Wasser desselben gehört einer anderen Quelle an, die eine Temperatur von 90° F. hat. Die hier Badenden haben Raum genug, um darin herumzuschwimmen. Die übrigen Bäder sind kleine viereckige Zimmer ftir Eine Person, und haben zum Theil auch schöne Mosaikverzierungen. Der Wärmegrad ihrer Quellen geht von 90° bis auf 120° F. oder 39° R. Aufserdem befindet sich auch noch eine heifse Trinkquelle daselbst. — Ohne Zweifel war hier zur Römerzeit ein sehr bedeutender Badeort, wie die

255 vielen Substructionen, die sich in einem Umfang von 2 bis 3 Legoas rings umher ausdehnen, so wie auch viele dort bei der Kirche S. Miguel aufgefundene Gräber beweisen.

Schon Brito

Inschrift mit,

165

) theilt eine hier gefundene

die dem Architrav eines Gebäudes als

Dedication gedient zu haben scheint und einen kaiserlichen Legaten T. Flavius Archelaus Claudianus nennt. Andere Inschriften sind später entdeckt und gesammelt worden, die verschiedene Gottheiten, auch den Aesculap nennen. Aus einer derselben, die aber sehr verstümmelt ist, will, man schliefsen, dafs hier, nicht in dem Caldas auf dem Gerezgebirge, der alte Ort Cinniana oder Cinninia zu suchen s e i 1 6 6 ) . Auch in Aquae Flaviae, dem heutigen Chaves, sind die alten Bäder mit ihren Kanälen bereits im J. 1730 wieder aufgefunden worden, als man neue Wälle um die Festung anlegte.

Indem man die züerst entdeckten

Kanäle verfolgte, gelangte man endlich zu zwei grofsen Wasserbehältern, deren kleinerer 40 Palmen lang und eben so breit w a r , und zu welchem man auf sauber zugehauenen steinernen Stufen hinabstieg

167

).

Bergbau. Endlich mögen hier noch verschiedene unterirdische Baue, welche ohne Zweifel Bergwerken eines hohen Alterthums angehören, in der Kürze erwähnt und näherer Untersuchung empfohlen werden. Die hispanische Halbinsel war das Peru und Mexico der Alten.

Kein ande-

res ihnen bekanntes Land erwies sich so ergiebig an

256 edlen Metallen wie dieses. Aber nicht nur an Gold und Silber,

auch

an Kupfer, Zinn,

Blei und Eisen war

Hispanien reich, wie auch jetzt noch alle diese Metalle, dort vorkommen, wenn

sie auch weniger

gewonnen

werden. Schon die P h ö n i z i e r , obgleich nur auf die Hafenplätze und Küsten sich beschränkend, scheinen diesen Reichthum der Halbinsel gekannt zu haben.

Wenn sie

sich auch selbst nicht mit Bergbau abgaben, so verschafften sie sich doch Gold und Silber durch die Eingebornen, die nach Strabo's Zeugnifs diese Metalle in so grofser Menge gewannen, dafs sie ihre gewöhnlichsten Gefäfse daraus verfertigten 1 6 9 ).

Die K a r t h a g e r

wurden durch solche Ergiebigkeit des Landes veranlafst, schon tiefer in das Innere desselben einzudringen,

und

der Bergbau wurde von ihnen so ausgedehnt betrieben, dafs selbst Privatpersonen grofse Gruben besafsen; eine Grube des Hannibal,

1500 Schritte oder 480 Lachter

lang, war zu des Plinius Zeit noch vorhanden.

Am

vollständigsten aber wurde das Land auch in dieser Beziehung von der Goldgier der R ö m e r ausgebeutet, die sich nicht nur in den Besitz der karthagischen Minen setzten, sondern auch neue öffneten. Bald mufsten die Eingebornen in den Bergwerken für die fremden Eroberer eben so arbeiten, wie später Indiens Söhne für die Spanier.

Diodor von Sicilien schildert die unmensch-

lichen Qualen, denen Tausende von Sklaven in den Minen preisgegeben wurden, und wodurch diesen oft der Tod wünschenswerther war als solcher leidenvoller Zustand.

257 Der Bergbau wurde bei den Römern nach der Verschiedenheit der Fundorte der Metalle auch verschieden betrieben. Oft lagen di.e edlen Erze flach unter der Dammerde als sogenannte Rasenläufer, so dafs schon die Pflugschaar gediegenes Metall mit emporrifs. Oft mutete es tiefer im festeren Gestein gesucht werden. In letzterem Falle war das Bergwerk entweder ein sogenannter Tagebau, indem man sich Dicht auf eipzelne, unterirdische Gänge beschränkte, um das Mineral hervorzuholen, sondern man warf mit grofser Mühe und Gefahr ganze Berge nieder, und sonderte dann aus den zertrümmerten Felsstücken die guten Erze aus; oder es wurden Gruben, Schachte und Stollen angelegt, welche sorgfältig geebnet und rein abgestuft wurden. Diese Gruben, deren noch viele vorhanden sind, waren wie die in der Nähe' derselben aufgerichteten Thürme rund oder elliptisch gebaut, aus ganzen Werkstücken oder aus trocknen Mauern. Und hierdurch unterscheiden sich hauptsächlich die altrömischen Bergwerke von den späteren maurischen, welche viereckige Schachte mit viereckigen Thürmen haben 169 ). Aus Lusitanien, Galizien und Asturien gewannen die Römer, nach PJinius, jährlich 20,000 Pfund Gold. Was von Spuren römischer Bergwerke in dem heutigen Portugal entdeckt worden ist, ist Folgendes. Die ansehnlichen Berge, welche in der Prov. Minho das vier Stunden östlich von Oporto gelegene Dorf V a l l o n g o einschliefsen und zu dem Gebirge Sta. Justa gehören, wurden wegen ihres grofsen Metallreichthums

17

258 von

den Römern vorzüglich

ausgebeutet.

Man

sieht

hiervon die deutlichsten Spuren in einer grofsen Zahl alter, offenliegender Minen, die einem riesenhaften Kaninchenbau gleichen. Ein Treppenschacht im Nebengestein, von dem unten mehrere Flügelürter getrieben sind, führt gegen 20 Lachter hinab. fahr nicht vordringen.

Weiter kann man ohne GeDas Bergwerk ist bis zu einer

Tiefe von 39 Lachter bis zu Tage rein abgebaut.

Da

diese Gegend noch immer selbst an der Oberfläche goldreich i s t , so dafs die dortigen Landbewohner auf ihre eigene Hand das Metall zu gewinnen suchen, so ist in jenen jetzt offen stehenden Schachten wohl ein sehr ergiebig gewesenes Goldbergwerk der Römer zu vermutheil. Jetzt sind zwischen Vallongo und Oporto nur Kohlenbergwerke.

Aehnliche alte Schachte finden sich auf der

ganzen genannten Serra de Santa Justa, die aus Uebergangsschiefer gebildet durchsetzt,

ist, mit häufigen

Quarzgängen

namentlich hinter S. Pedro da Cova, bei

Aguiar de Sousa u. a. 0 .

17

°).

Die benachbarte Provinz Tras os Montcs weist ebenfalls noch viele Spuren alter Bergwerke auf.

Bei der

Ortschaft S e i x o unweit Anciäes ist ein Punkt, den man wegen dreier Hülen von beträchtlicher Ausdehnung Val de Covas nennt.

Diese Hölen werden für Reste alter

Gold- und Silberminen gehalten.

Auch zeigt man dort

die Spuren eines Kanals, auf welchem das Erz bis zu dem Flusse Orseira drei Millien weit geschafft worden sein soll.

Im Innern der Grotte bemerkt man den Ein-

gang zu einem unterirdischen W e g e ,

der jetzt nicht

259 mehr gangbar i s t , aber in einer Länge von bis zum Douro führen s o l l 1 7 1 ) .

Millien

Sodann eine Legpa von

T o r r e de M o n c o r v o bei der Quinta branca sind grofse Halden von Eisenschlacken, welche beweisen, dafs man den dortigen Eisenstein in alten Zeiten benutzt h a t 1 7 2 ) . Im Distrikte von A l f a r e l l a , westlich von Mirandella, bei dein Orte S. Miguel das tres Minas befinden sich ebenfalls drei grofsartige Schachte, die als ein römisches Werk betrachtet werden.

Sie münden in drei grofse

in den Fels gehauene Holen a u s , deren eine den Umfang von einer halben portugiesischen Meile hat und mehr als 500 Fufs hoch ist. Im Innern hat dieselbe eine Tiefe von 2400 F . und eine Breite von 1400 F . , und von hier aus vertheilen sich nach allen Seiten hin Stollengänge, die auch unter sich durch Nebengänge verbunden sind, so dafs das Ganze einen labyrinlhischen Charakter gewinnt. Am Anfang des einen Seitenganges befindet sich eine viereckige Cisterne.

Die zweite Höle zeichnet sich

durch Säulen und genau gearbeitete Bögen aus und hat eine ähnliche Cisterne.

Die dritte befindet sich bei der

Ortschaft Covas und hat auch weite und tiefe Gänge und einen gröfseren auf Säulen ruhenden Saal mit einem 16 Fufs hohen Steine, der einem aufgerichteten Altare gleicht 1 7 3 ).

Ferner nördlich von B r a g a n ^ a , in einem

Theile des Granitgebirges von Montezinho an der spanischen Grenze befinden sich hin und wieder Spuren von alten Bergwerken gröfseren Räumen.

in unterirdischen Gängen und

So sieht man bei Franca in der

Nähe des Flusses Sabor einen alten Stollen, der aber

260 nicht mehr befahren werden kann selbe,

der nach

einer

174

), vielleicht der-

älteren Angabe

175

)

zu einem

gröfseren Räume hinführt, welcher 90 Fufs l a n g , 31 breit und 12 hoch ist, und in welchem wieder andere Gänge nach entgegengesetzten Richtungen fortlaufen. Der Flufs Sabor ist goldhaltig und so dürfte auch dieses Metall einst aus Bergwerken in seiner Nähe gewonnen worden sein,

deren Dasein auch noch durch alte Schlacken-

massen bewiesen ist. In dem benachbarten Dorfe Paramis sollen vor Zeiten ebenfalls Goldbergwerke gewesen sein. — Verschiedene Seen bei S a p e l l o s , zwischen Chaves und Montalegre, deren einen man für unergründlich tief hält, gelten auch f ü r verlassene Goldminen der Römer

176

).

Im Süden des Douro, Prov. Beira, eine halbe Stunde von der Mündung des kleinen Nebenflusses Aguiar, und zwischen diesem und dem Flusse Agueda, der hier die Grenze zwischen Portugal und Spanien bildet, liegt in einer wüsten Gegend ein kleines Dorf A i d e a n o v a , das einst eine grofse Ortschaft gewesen sein soll.

Die dor-

tigen sehr bedeutenden Hölen und Aufhäufungen ausgegrabener Steine weisen auf ein verlassenes Bergwerk h i n , welches schon die Römer bearbeitet haben mögen. Ein in der dortigen alten Kapelle do Santo Christo befindlicher römischer Denkstein eines Doppelgrabes, Bisoma, deutet auf vormalige römische Ansiedelungen in dieser Gegend

177

). — Andere Ueberbleibsel eines alten

Gruben- und Hüttenwerks wird man in der Nähe des Douro bei M a r v ä o , westlich vom Flusse Coa gewahr,

261 wo man auf Bleiglanz Bergbau getrieben hat 17S ). — Auch in der Comarca von A v e i r o , in der Nachbarschaft des Dorfes Folhorido und an einer Stelle Covados sind vielleicht römische Bergwerke und Hütten vorhanden gewesen, worauf grofse Schlackenanhäufungen hindeuten. Und zwar wurden hier wohl silberhaltige Erze gewonnen, da man dort noch Bleiglätte findet179). Im südlichen, weniger gebirgigen Portugal war auch weniger Bergbau. In der Prov. Alemtejo zieht sich an der spanischen Grenze in der Nähe von Portalegre die Serra di S. Mamede hin, auf welcher, zwei Legoas nordöstlich von Portalegre, der befestigte Flecken M a r v S o liegt (nicht zu verwechseln mit dem schon erwähnten Orte gleiches Namens in der Prov. Beira). Hier hat man unter anderen unverkennbar römischen Spuren auch alte gold- und bleihaltige Schachte entdeckt, wodurch die Vermuthung noch mehr Begründung erhält, dafs hier das alte Medubriga oder Mundobriga gestanden, welches Plinius Medubricenses qui Plumbarii nennt 180 ). Von den in A l g a r v e am Promontorium sacruin (Cabo S. Vicente) angelegten Zinngruben, welche Avienus in seiner Beschreibung der mittelländischen Meeresküste erwähnt 1 9 1 ), ist keine Spur mehr vorhanden. Sohliefslich wollen wir hier bei der Industrie der Römer, edle Metalle zu gewinnen, noch daran erinnern, dafs 'von ihnen auch schon die goldhaltigen Flüsse Portugals ausgebeutet wurden. Der Tagus mit seinen Nebenflüssen, besonders der Zezere, war goldreich, wie des Ersteren gewöhnlicher Beiname-bei den Alten aurifer

262 beweist, und Goldwäschen waren ohne Zweifel sowohl an diesen Flüssen, wie auch an den nördlicheren Alva und Ceyra, die auf der Estrella entspringen und in den Mondego fliefseri, und am Rabar;al oder Mente und Sabor in der Prov. Tras os montes. Von der Methode des Goldwascherts giebt v. Eschwege eine anschauliche Beschreibung 1 8 2 ), wie ich • selbst das ganz gleiche Verfahren im Süden des Tejo, in der Nähe seiner Mündung , am Meeresufer bei Adiga im Jahre 1823 in Gegenwart dieses thätigen Mannes gesehen habe.

2.

Bildwerke.

Das Wenige, was von Bildwerken des Alterthums in Portugal bei der Sorglosigkeit späterer Zeiten vom Untergange gerettet und bekannt geworden ist, beschränkt sich auf Folgendes. Der ergiebigste Fundort für M a r m o r s k u l p t u r war bisher das auf den Trümmern der alten Pax Julia erbaute Beja, wo im vorigen Jahrhundert der wissenschaftlich gebildete Bischof Cenacolo, später Erzbischof von Evora, manches dort ausgegrabene schöne Fragment gesammelt hat. Hiezu gehört besonders eine kolossale weibliche Figur auf einem Sessel sitzend, von trefflicher Arbeit sowohl in den Formen des Körpers als der Gewandung. Kopf und Arme fehlen. Sie wird als Cybele bezeichnet, könnte aber auch wohl eine Kaiserin darstellen. Sie wurde im J. 1783 gefunden, und daneben die rechte Hand mit einer Schale. Ebendaselbst wurde

263 auch eine kleinere Figur

_

in natürlicher Gröfse, aber

sehr beschädigt entdeckt, so wie der Kopf einer Kaiserstatue vielleicht, des Vespasian, eine Büste angeblich des A u g u s t , ein Basrelief von grofser Schönheit,

das den

Wettlauf eines Mannes und einer Jungfrau zu Pferde darstellt, 4 Fufs lang, und endlich ein Fragment eines 183

Tempelfrieses mit zehn Stierköpfen

). — Das Stück

eines ähnlichen Frieses mit Stierkopf und rundem Schilde oder Becken befindet sich in Evora

184

). — Bei Mertola,

dem alten Julia Myrtiiis, sind in früherer Zeit acht bis zehn den

Statuen,

185

doch

ohne Köpfe,

aufgefunden wor-

). — Auch sind hier die beiden Silenstatuen zu

erwähnen, die im alten Theater zu Olisipo gefunden wurden.

Beide Figuren sind einander völlig gleich; der

Erzieher des Bacchus ruht ausgestreckt auf einem Pantherfell und auf seinen Schlauch gestutzt, dessen Mündung er in der rechten Hand hält sarkophag,

186

). — Ein Marmor-

auf den beiden längeren Seiten die neun

Musen upd Apoll, auf den kürzeren ein Genius des Todes mit umgestürzter Fackel, wurde im J. 1780 zu Valado bei Alfeizaräo, einer an römischen Inschriften reichen Gegend, in der Nähe von Alcobaija gefunden und in das dortige Kloster gebracht.

Die Skulpturarbeit

wird sehr g e r ü h m t 1 8 7 ) . — Von alten

geschnittenen

S t e i n e n ist nichts bekannt geworden als ein Karneol, mit zwei griechischen Inschriften und einer schlangenartigen Einfassung, den ein Landmann in der Nähe von Almeida gefunden, und der wohl als Amulet im Ring getragen worden ist

188

).

264 Met a l l a r b e i t e n hat wiederum der Fundort von Beja reichlich geliefert, namentlich goldene Ringe in der Sammlung des Bischofs Cenacolo. Eine silberne Schale, Leuchter und Lampen wurden auf der Landzunge Troya, Setubal gegenüber, in einem Sarkophage im Jahre 1814 gefunden 1 8 9 ). Bronzene Candelaber und kleine bronzene Statuen, namentlich eines Vulkan und Merkur, waren schon zu Resende's und Argote's Zeiten bei S. Thiago de Cacem und Braga ausgegraben worden , 9 °). Eine Anzahl kleiner Bronzefiguren bewahrt auch die öffentliche königliche Bibliothek zu Lissabon, deren Fundorte jedoch nicht bekannt sind. Ich sähe sie noch im Jahre 1824, und sind mir durch davon genommene Zeichnungen und Notizen besonders folgende gegenwärtig: ein Triton, oberhalb menschlicher Bildung, nach unten in zwei Fischschweifen endend, auf einer Schildkröte sitzend und in eine grofse gewundene Muschel blasend, als wolle er dadurch das Thier zu rascherer Bewegung antreiben^ ein Kunstwerk von trefflicher Arbeit. Ein Bacchus oder Bacchant, mit Trauben bekränzt und Trauben in einen Becher drückend, zu seinen Füfsen ein Ziegenbock. Flufsgott mit einer Urne. Merkur. Venus. Zwei ruhende Nymphen u. a. m. T h o n a r b e i t e n , als Lampen, Vasen von verschiedenen Formen wies auch das Kabinet des Bischofs Cenacolo in Beja auf. Als besonders wichtige Gegenstände der alten Kunst sind noch die M ü n z e n zu betrachten, gleich interessant als Belege für die Stufe der Ausbildung des Geschmacks

265 und der Technik, so wie als Hülfsmittel, durch ihre Darstellungen und Inschriften noch manches historische und geographische Resultat zu gewinnen. Aus diesem Grunde können aber auch nur einheimische, d. h. in Hispanien geschlagene Münzen hier in Betracht kommen; wobei wir aus Mangel an Raum nur an die bekannten und verdienstvollen numismatischen Werke erinnern wollen. Wir fuhren in der Kürze die Namen der alten Städte, welche die Münzgerechtigkeit besalsen, und von denen noch Münzen vorhanden sind, an, mit Hinzufügung ihrer Lage, um dadurch auf besonders muthmafsliche Fundorte ron Münzen hinzuweisen., O s s o n o b a , jetzt Estoj, eine Stunde nördlich von Faro in Algarve, mit zwei verschiedenen Erzmünzen. B a l s a , das jetzige Tavira, mit acht verschiedenen Erzmünzen. J u l i a M y r t i i i s , Mertola, Prov. Alemtejo am Guadalquivir, mit sieben Münzen. P a x J u l i a , Beja, mit drei Münzen. S a l a c i a , Alcacer do Sal, mit zwei Münzen. E b o r a , Evora, mit drei Münzen. Auch dem alten A m m ä a , in der Gegend von Portalegre, wird eine Münze, doch mit geringer Sicherheit zugeschrieben 1 ' 1 ). Aufser diesen römisch -lusitanischen Münzen mögen hier auch noch die Münzen erwähnt werden, die man mit mehr oder weniger Sicherheit solchen Städten und Völkerschaften der Prov. Tarraconensis zuerkennen will, welche in den nördlichsten Provinzen des heutigen Portugal zu suchen sind. Aber hier stehen wir noch äuf einem sehr unsicheren Boden, weil diese Münzen zu

266 jenen bekannten Althispanischen

mit der sogenannten

celtiberischen und turdetanischen Schrift gehören, deren Deutung zum Theil noch grofsen Schwierigkeiten unterliegt. Die verdienstlichen Bemühungen um die allmälige Aufhellung dieses dunkelsten Theils der spanischen Numismatik, besonders eines Velasquez, Henrique Florez, Sestini und De Saulcy haben indessen bisher schon so viel erwiesen, dafs diese Münzen weit jünger sind als die Münzen der phönizisch-punischen Kolonieen auf der südwestlichen, und der griechischen Kolonieen auf der südöstlichen Küste Spaniens, und dafs diese Aelteren einen grofsen Einflufs sowohl auf die Bildung jener celtiberischen und turdetanischen Schrift als auch auf das ganze Münzwesen

der hispanischen Völker

ausgeübt ha"ben.

Es ist interessant, auch hier den Zusammenhang der geistigen Bildung der Völker und' den W e g ,

welchen

dieselbe genommen h a t , Wahrzunehmen. Dies wird hier nicht nur siebtbar durch die Verwandtschaft der alten hispanischen Schrift mit der griechischen und phönizischen, sondern auch durch die auf jenen Münzen vorkommenden bildlichen Darstellungen, die sich wie mangelhafte und oft sehr schülerhafte Copieen zu den schönsten Originalen altgriechischer Sculptur verhalten. Nach De Saulcy's Deutungen besitzen wir von B r a c a r a , B r a g a , fünf verschiedene Münzstempel mit celtiberischer Schrift, von L i m i a

oder Forum Limicorum

ebenfalls eine solche Münze, ferner von C i l e n i Eine, von Z o e l a e

drei,

ebenfalls Eine,

und von F o r u m

Narbasorum

lauter römische Ortschaften, die zwi-

267 sehen dem Dour'o und Minho im heutigen Portugal, theils beim jetzigen Ponte de Lima, und theils im Norden von Braga zu suchen sind. Zur größeren Begründung jener Erklärungen würde viel beitragen, wenn sich ergäbe, dafs man besonders in diesen nördlichen Gegenden von Portugal diese hierher verlegten Münzen auffände, und hierauf wären Reisende durch jene Gegenden besonders aufmerksam zu machen. 3.

Graphische Denkmale.

Zu den in Portugal noch vorhandenen Zeugen vormaligen römischen Lebens gehört endlich auch eine grofse Anzahl von Stein-Inschriften, welche, ohne klinstierischen Werth zu haben, durch ihren Inhalt von geschichtlicher Bedeutung sind. Doch ist bei ihrer Benutzung grofse Vorsicht nöthig, da, wie anderwärts so auch in Spanien und Portugal, es nicht an nachgemachten Inschriften fehlt, mit welchen theils um des Gewinns willen leichtgläubige Alterthumsfreunde getäuscht wurden, theils auch ein vermeintlich unschuldiger Betrug ausgeübt wurde, wenn man durch einen geschichtlichen Namen oder durch ein hohes Alterthum den Ruhm des Vaterlandes vergrößern zu können glaubte. Auch hat die Unkenntnifs, alte Inschriften zu lesen, oft echte Inschriften unverbesserlich entstellt, wenn man sich nur auf die Abschriften Anderer verlassen mufste. Wir wollen hier nach gewissen Uebersichten die be-

268 deutendslen solcher Inschriften aus Portugal mittheilen, ohne iiir ihre Echtheit immer Gewähr leisten zu können. Zwei Steine, angeblich bei Lissabon und Cintra gefunden, die einen M. P o r t i u s C a t o nennen, mögen die Reihen berühmter Namen eröffnen. Es ist dies aber nicht jener strenge Censor, der im J. 195 v. Chr. die von

dem grofsen Scipio

den Karthagern

entrissenen,

ersten Besitzungen der Römer im südlichen Hispanien vor den Einfällen der Celtiberer beschützte.

Denn da-

mals beschränkte sich das römische Gebiet in Spanien nur bis an den Bätis, Guadalquivir; das Land jenseit des Anas, Guadiana, hatte noch kein Römer betreten. Die Steine sind also entweder untergeschoben oder weisen auf einen Späteren dieses Namens hin

192

).

Dann

wird in mehreren Inschriften des kühnen, für die Freiheit seines Vaterlandes kämpfenden Lusitaniers V i r i a t h gedacht, der acht Jahre hindurch von 148 bis 140 fast alle gegen ihn auftretenden römischen Feldherrn schlug und ihre Heere vernichtete * 93 ). S e p t . J u n i u s B r u t u s , der erste Sieger über die Vettonen und Galizier seit 138 wird auf einem an der Küste Lusitaniens gefundenen Steine als der Stifter eines Heiligthums des Neptun genannt

191

).

Sertorius,

der tapfere Parteigänger des

Sulla, der ums Jahr 92 Hispanien mit seinem Kriegsruhm erfüllte, wird wegen seiner Siege über den Metellus und Pompejus gefeiert 1 9 5 ).

M. L e p i d u s ,

dem

im' Jahre 43 im Triumvirate ganz Hispanien und Gallia Narbonensis zufiel, wird auf einer jedoch Verdacht erregenden Inschrift erwähnt

196

).

Von J u l i u s

Cäsar,

269 welcher in den Jahren 62 bis 60 als Proprätor dein jenseitigen Hispanien vorstand, spricht mit

dankbarer

Erinnerung eine Inschrift z u E v o r a , Liberalitas Julia

19

').

Aus der Reihe der römischen Kaiser werden auf Inschriften folgende oft genannt: A u g u s t u s , Grenzsteine

zwischen

ldanha a V e l h a ' " ) .

Lancia

Oppidana

Tiberius,

auf einem

und

Igedita,

auf dem schon er-

wähnten zwanzigsten Meilensteine von Bracara Augusta. C a l i g u l a , auf einer Erztafel, die den Eidschwur römischer Soldaten in der lusitanischen Stadt Aritium Prätorium bei Benavente beim Regierungsantritt dieses Kaisers e n t h ä l t 1 9 9 ) .

C l a u d i u s , auf den Meilensteinen im

Gebiete von Braga. N e r o , auf dem Votivsteine im Theater zu Olisipo.

Vespasian,

auf einem Denksteine in

Olisipo, aus dem vierten Jahre seiner Regierung

200

) und

auf jener Säule, die jetzt vor der Brücke von Chaves steht.

T i t u s , auf dem vierunddreifsigsten Steine einer

neuen Strafse im Gebiete von B r a g a 2 0 1 ) . tian

Von D o m i -

scheinen Inschriften in Portugal ganz zu fehlen.

Der Name

dieses lasterhaften Tyrannen

wurde

nach

seinem Tode durch einen Senatsbeschlufs auf allen öffentlichen Denkmälern und Urkunden zur ewigen Vertilgung seines Andenkens ausgelöscht.

Ein Beispiel hiervon ist

die Inschrift auf der schon mehrfach erwähnten Säule in Chaves;

denn auf dieser sieht man zwischen den

vier ersten Zeilen, welche die Namen der kaiserlichen Legaten und des Proconsuls angeben, zwei Zeilen mit dem Meisel vernichtet, welche ohne Zweifel die Namen und Titel Domitians enthielten

202

).

T r a j a n , auf dem

270 Meilensteine der dritten Strafse von Olisipo nach Emerila und öfter. H a d r i a n unter anderem auf einer schönen, 2 Fufs hohen Basis, wahrscheinlich einer Statue, die die Stadt der Ära vi, Deveza bei Marialva, Prov. Beira, dem Kaiser setzte

203

).

S a b i n a , Hadrians Gemalin, auf

einem; Votivsteine in Olisipo

201

).

Verus,

Schwieger-

sohn und Mitregent des Marc. Aurelius, auf einem Steine des Municipiums Ammaea

205

).

C o m m o d u s , auf einer

Tafel, die ihm die römische Kolonie Pax Julia setzte und anderwärts

206

).

S e p t . S e v e r u s und sein Sohn

und Mitregent C a r a c a l l a und J u l i a ,

seine Gemalin,

auf einer dem Sol und der Luna für die Ewigkeit des römischen Reichs und für das Wohl seiner Kaiser geweiheten T a f e l 2 0 1 ) .

Caracalla

Meilensteinen bei Braga.

allein auf mehreren

Heliogabalus,

auf den)

zweiundzwanzigsten Steine von Ebara. M a x i m i n u s I und M a x i m u s , auf einem Meilensteine der Heerstrafse von Olisipo nach Emerita und auf andern von Brafcara. Philippus,

auf dem Postamente einer verlorengegan-

genen Statue, von der Stadt Felicitas Julia, Olisipo, gesetzt

208

).

zwanzigsten,

Trajanus

Decius,

siebenundzwanzigsten,

auf dem fünfundeinunddreifsigsten

u. a. Steine einer Heerstrafse von Braga rianus,

auf einem Steine,

dem Kaiser gesetzt h a t 2 1 0 ) .

209

den die Stadt

).

ValeOssonoba

C l a u d i u s T a c i t u s , auf

einem Meilensteine der zweiten Heerstrafse von Olisipo nach Emerita u . a .

C a r u s , auf dem fünfzehnten Meilen-

steine der Heerstrafse von Bracara nach Asturica über das Gerezgebirgc. C a r i n u s , auf ein paar Anderen eben-

271 daselbst. N u m e r i a n u s ebenso. M a x i m i a n u s ebendaselbst auf dem neunundzwanzigsten Steine und auf dem zwölften

der Strafse von Olisipo nach

Emérita.

M a x i m i a n u s H e r c u l . und D i o c l e t i a n u s , auf dem Grenzsteine zwischen dem Gebiete von Ebora und Pax Julia.

C o n s t a n t i u s , auf einem Meilensteine der Strafse

von Bracara

nach Asturica.

ebendaselbst.

Magnentius,

Val.

Constantinus,

auf einer Säule, die ein

Q. M o r i . . . ihm im Gebiete von Leiria dos Padröes errichtet h a t 2 1 1 ) .

D e c e n t i u s , auf dem zweiunddreifsig-

sten Steine von Bracara nach Asturica über das Gebirge. Endlich scheint auch des T h e o d o s i u s Name auf dein Fragmente eines Meilensteins jener nördlichen Gegenden zu s t e h e n 2 1 2 ) und mit diesem schliefst die Kaiserreihe auf Monumenten in Portugal. Bald nach des Theodosius Alleinherrschaft erscheinen in Spanien seit 409 die Vandalen, Alanen und Sueven, und seit 4 1 8 die Westgothen, und ein langer Kampf beginnt zwischen jenen germanischen Völkern und den Römern, f ü r welche der W e s t gothe Wallia noch einmal die Waffen erhebt.

Aber wie

auch das Geschick aller dieser Völker lange hin und her schwankt, die Zeit der Verwüstung Spaniens war angebrochen und keine Errichtung römischer Monumente, nur allmälige und immer gröfsere Zerstörung derselben findet von jetzt an statt. Eine andere Reihe von Inschriften kann uns auch noch

die i n n e r e n

Verhältnisse

und

aber staat-

lichen Einrichtungen der römisch-spanischen Provinzen und namentlich Lusitaniens vergegenwärtigen.

272 Hispanien

war

während

des

zweihundertjährigen

Kampfes zwischen den Römern, Puniern und Eingebornen von Ersteren, so weit es sich zu einer römischen Provinz hatte bequemen müssen, das diesseitige,

so weit

es seine Freiheit unter Helden wie Viriath behauptet hatte,

das jenseitige

Spanien

unter dem Kaiser August,

genannt worden.

Erst

der auch die letzten freien

Bergvölker bezwungen hatte, wurde es in drei Provinzen getheilt, und diese Eintheilung verblieb dem Lande bis auf Constantin, wenn auch die Grenzen der einzelnen Provinzen sich öfter verrückten.

Die Verwaltung

der kleinsten und am meisten schon beruhigten Provinz B ä t i c a hatte derKaiser dem römischen Senate überlassen, der zu ihrer Verwaltung einen Proconsul ohne Kriegsmacht und Gewalt dahin sendete.

Die nördlichen und

westlichen Provinzen T a r r a c o n e n s i s und L u s i t a n i a aber behielten die Kaiser unter ihrer unmittelbaren Leitung und übergaben eine jede derselben einem besondern L e g a t e n , Kriegsgewalt

welcher die höchste bürgerliche und

in sich vereinigte.

den Titel Legatus

Augusti prätorius

Dieser führte daher oder pro

prätore.

Mehreren solcher Legaten begegnen wir auch auf alten Inschriften. So lesen wir den Namen eines C. Ummidius Durmius Quadratus, als eines kaiserlichen Legaten der Provinz Lusitanien auf der schon erwähnten bronzenen Tafel aus der Zeit des Caligula und auf einem zu Lissabon gefundenen Steine

213

).

Ein Anderer, Cestius Aci-

dius Perennis wird auf dem dem Sol und der Luna geweiheten Steine genannt.

Dagegen ist der auf einem

273 Steine in S. Miguel das Caldas bei Guimaräes genannte Flavius Archelaus Claudianus wohl f ü r einen Legaten der Prov. Tarraconensis zu halten 2 ' 4 ) .

Mehrere Lega-

ten werden auf jener Säule vor der Brücke von Chaves genannt,

indem

es auch Unterlegaten gab,

oder mehr Legionen führten.

die

Diese L e g i o n e n

eine aber,

die die Römer in Spanien hatten, bestanden grundsätzlich meist aus ausländischen Völkern, damit durch sie desto sicherer der Freiheitssinn der Eingebornen bezähmt würde.

Dagegen wurde die Kriegsmacht, welche Spa-

nien stellen mufste, mehr aufserhalb gebraucht 2 1 5 ). Der in Lusitanien stehenden Legionen gedenken auch mehrere Inschriften. So stand nach dem Tode des Augustus die zehnte italische Legion,

Legio X Fretensis,

die

ihre Mannschaft wahrscheinlich aus den an der sicilischen Meerenge wohnenden Völkerschaften bezog, Lusitanien;

in

auch ist bei Condeixa a velha die Grab-

schrift eines Centurio dieser Legion gefunden w o r d e n 2 ' 6 ) . So hatte ferner unter Vespasian die siebente Legion, L e g . VH gemina felix, ihr Standquartier im Norden des Durius im Lande der Brakarer und Kallaiker, besonders in der Gegend um Aquä Flaviä, wie die Säuleninsclirift zu Chaves

bezeugt.

Doch finden wir auch

Lusitanier in den römischen Legionen, die in Lusitanien standen; ein Grabstein gedenkt eines Hastatus der L e g i o II des August, Namens C. Antonius Flavinus aus Ebora217).

Die L e g . III i t a l i c a scheint ganze Cohor-

ten Lusitanier gehabt zu haben, wie sich aus einem Denkstein des L. Voconius aus Ebora ergiebt, der als 18

274 der Präfectus der ersten lusitanischen und vettonischen Cohorte bezeichnet w i r d 2 1 8 ) . steine einer

der

So wird auf dem Votiv-

conimbricischen Lokalgottheiten

der Ritter

dritten lusitanischen Cohorte g e n a n n t 2 1 9 ) ,

und

auf einem Anderen ein Präfect der zweiten Cohorte, Cäcilius Volusianus, römischer Bürger aus Ebora 2 ' 20 ). W a s die bürgerlichen Verhältnisse in den Provinzen betrifft, so stellten sich diese bekanntlich in denjenigen Städten am günstigsten heraus, welche das römische Bürgerrecht genossen, das ist, sowohl in den durch Veteranen

des römischen Heers neu angelegten

erweiterten Städten, den C o l o n i e n ,

oder

als auch in sol-

chen älteren Städten, denen die Römer die römischen Privilegien, das jus Latii,

civium Homariorum

oder das

jus

gaben, also in den sogenannten M u n i c i p i e n .

W e i t weniger günstig waren die Verhältnisse der übrigen Städte, diariä

welche

tributaire,

Civitates

stipen-

hiefsen, und deren Plinius 36 nennt.

sche C o l o n i e e n

Römi-

waren zu des Plinius Zeit in Lusi-

tanien nur fünf: Augusta Emerita (Merida), Metellinum (Medellin), Norba Cäsarea (Alcantara), Pax Julia (Beja) und Sealabis oder Präsidium Julium (Santarem).

Nur

die beiden letzten gehören dem Gebiete von Portugal an. Sie nennen auch auf den alten Inschriften gern ihren Titel Colonia 2 2 1 ).

Ein B l u n i c i p i u m

Bürgerrechten

in Lusitanien

sipo

222

war

mit römischen

nur die Stadt Oli-

) , mit dem Beinamen Felicitas Julia; dagegen

Municipien mit dem weit geringeren Rechte der lateinischen Städte waren zu Plinius Zeiten drei: Ebora, gen.

275 Liberalitas Julia 2 2 3 ), Myrtiiis (Mertola) und Salacia 224 ) (Alcacer do Sal). Auch C i v i t a t e s werden oft auf Inschriften genannt 225 ). Später hörten diese Unterschiede allmälig auf, nachdem Vespasian dem ganzen Lande das Recht Latiums gegeben und Marc Aurel sogar alle seine Unterthanen im ganzen römischen Reiche für römische Bürger erklärt hatte. S t ä d t i s c h e B e h ö r d e n waren in den hispanischen Colonieen und Municipien die Quatuorviri oder Duumviri; es sei erlaubt sie einmal der Deutlichkeit wegen die Bürgermeister zu nennen; was in Rom der Senat hiefs, war hier die Curia, der Magistrat, und die Mitglieder, derselben waren die Decurionen, die Stadträthe, auch bisweilen Senatores genannt; dazu kamen noch, wie in Rom, die Aediles, Stadtbauräthe, und an die Stelle der Tribuni.plebis die Defensores civitatum, Stadtsyndici. Ferner die Quatuorviri viarum curandarüm, Wegebaumeister und die Präfecti fabrorum, die Gewerbevorsteher, Altmeister. Auch alle diese Titulaturen kommen auf Inschriften öfter vor 226 ). In den Städten waren ferner iiir alle Civilprocesse Stadtrichter, präfecti juridici, die in den Municipalstädten aus den Decurionen gewählt wurden. Die höhere Instanz aber bildeten die Obergerichtshöfe, deren in Lusitanien drei waren und die in Augusta Emerita, in Pax Julia und Sealabis ihren Sitz hatten; demnach war die ganze Provinz in drei Gerichtssprengel, conventus juridici, getheilt. Für den im Norden des Durius ge-

276 legenen Theil der Prov. Tarraconensis war in Bracara Augusta ein Obergerichtshof 227 ). Die durch das römische Bürgerrecht bevorzugten Städte hatten auch das Recht, ihre eigenen öffentlichen Heiligthümer mit P r i e s t e r c o l l e g i e n zu besitzen und auch diese Verhältnisse finden wir oft auf den Inschriften erwähnt. So hatte die Colonia Pax Julia ihre eigenen Pontifices und Flamines, und auch ein besonderer Flamen des Tiberius, Marcus Aurelius, wird genannt 2 2 8 ). So ist schon oben des Augustalis perpetuus, C. Hejus, auf der Votivtafel im Theater zu Olisipo erwähnt worden, und noch zwei andere Augustalische Priester desselben Municipiums werden uns genannt 229 ). In Collippo bei Leiria, einem spälern Municipium, ist Laberia Galla nicht nur die Priesterin des Orts, sondern auch der ganzen Prov. Lusitanien 23 Eine andere Matrone, Junia, wird Flaminica perpetua von Ebora genannt 2 3 1 ). Eben so finden wir im Municipium Salacia eine Flaminica der ganzen Provinz und einzelner Städte, und eine Antistes perpetua in einem besondern Heiligthume der Fortuna obsequens 232 ). In Bracara Aug. endlich wird auf der Votivtafel der Isis eine Priesterin Lucretia erwähnt, welche fida Sacerdos perpetua Rom. et Aug. heifst 2 3 3 ), änderer Inschriften dieser Art nicht zu gedenken. Zum Schlüsse dieser Musterung römischer Denksteine in Portugal mögen uns auch noch Einige an die letzten Geschicke des sterblichen Menschen erinnern, und uns

277 Zeugnifs geben, wie sich hierüber die heidnische Welt bald mit stoischem Gleichmuth, bald mit bewegten Empfindungen der Liebe und Wehmuth, bald mit verständig heiterer Mahnung, den gegenwärtigen Tag zu pflücken und

das

flüchtige

sprochen hat. steinen,

Leben wohl zu benutzen,

ausge-

Denn bald lesen wir auf solchen Grab-

deren

Zahl

sehr

grofs

ist,

in

schlichten

W o r t e n das liebevolle Andenken ausgedrückt,

welches

ein Gatte seiner dahingeschiedenen jugendlichen Gattin weiht

234

) , bald begegnet uns der Name einer Mutter

und Gattin, die ihrem Gatten und Sohne einen gemeinschaftlichen Grabstein

setzen mufs

235

).

Hier

haben

Eltern ihre Tochter in blühenden Jahren in die Erde senken müssen, und wünschen, dafs ihr die Erde leicht sei

236

) , dort bereitet ein Vater drei Kindern ein ge-

meinsames Grab

237

). Eine Mutter rühmt die Liebe und

den Gehorsam ihres früh entschlafenen Sohns, der noch in einigen Versen die Lebenden an die Benutzung der fluchtigen

Zeit erinnert

238

) ; eine Tochter errichtet dem

Vater nach dessen eigener testamentarischer Bestimmung den Grabstein

239

), und ein anderes Mal hat diese letzte

Pflicht ein Bruder dem Anderen erfüllt 2 4 0 ). — Darfn sehen wir, wie der Freigelassene seinen H e r r n 2 4 1 ) , und der Client seinen Patron durch einen Grabhügel ehrt

242

),

und wie die junge Freigelassene noch im Tode von ihrer vormaligen Gebieterin um ihrer Ergebenheit willen gepriesen wird Todes

243

).

Hier hat der ernste Genius

die lockige Unschuld

des Knaben

nicht

des ge-

s c h o n t 2 4 4 ) , dort ist erst der fast hundertjährige Greis

278 in die Gruft hinabgestiegen 245 ). Hier hat ein Krieger mit Wunden bedeckt auf dem Schlachtfelde vom Leben Abschied genommen 2 1 6 ), und dort ist der Handwerker aus seiner Werkstatt und aus dem Kreise der Seinigen abgerufen worden 247 ). So klopft der bleiche Tod mit gleich strengem Fufse an die Hütten der Armen und an die Paläste der Mächtigen dieser Erde, und so gehen dahin von einer Stunde zur andern und von Jahrtausend zu Jahrtausend der Menschen Geschlechter, um neuen Geschlechtern Platz zu machen; so sinkt alle Herrlichkeit der Welt in den Staub, damit neue Schöpfungen erstehen. Die heidnischen Tempel liegen nun in Trümmern und die Bildnisse ihrer Götter und gefeierten Heroen sind von ihren Fufsgestellen herabgesunken. Eine neue Welt ist über der alten aufgegangen; das Christenthum hat ^ein reineres und milderes Liebt über alle Einrichtungen und Verhältnisse der Menschen ausgegossen, auch in jenen Landstrichen, wo wir den letzten Spuren des alten heidnischen Lebens nachgegangen sind. — Aber das Vollkommene reift nimmer auf der niedern Erde. Auch das Höchste, was vom Himmel stammt, nimmt hier unten eine unvollkommene Form und Fassung an, und oft vertauscht der Mensch nur einen alten Wahii mit einem neuen. Die Tempel des Jupiter und des Mars, der Venus und der Isis sind umgestürzt, nicht damit nun der Gott, der ein Geist ist, die rechte Anbetung im Geist und in der Wahrheit, die ihm gebührt, erhalte, sondern das Göttliche wird bald wieder in an-

279 d e m , sinnlichen Bildern mehr oder weniger roh aufgef a ß t . So stehen jetzt auf den neuen Altären Hispaniens, vor welchen das Volk anbetend liegt, die Heiligen seiner Kirche, der greise S. Antonio mit strengein Antlitz und S. J a g o , der jugendliche mit gezücktem Schwert, oder Maria, die jungfräuliche und holdselige, auf ihren Armen den Knaben haltend, der dort fast nur als ein schmückendes Attribut der Mutter betrachtet wird, nicht als der, in welchem die ewige Liebe sich uns am reinsten voller Gnade und Wahrheit geoffenbart hat.

So

hofft das Christenthum dort in jenen hesperischen, bei aller Verwüstung noch reizenden und besserer Pflege werthen Gegenden auf eine neue Auferstehung.

Aber

überall sehen wir jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln W o r t , dann aber von Angesicht zu Angesicht.

Anmerkungen.

1. (S. 200.) Andr. de R e s e n d i i de antiquitatibus L u sitaniae libri I V . Eborae 1593. Neue Ausgabe Conimbricae 1790. 2 voll. 8. 2. (S. 200.) Gaspar E s t a c o varias antigüedades de P o r t u g a l Lisboa 1625. 1754. 3. (S. 201.) D. J e r o n y m o Contador de A r g o t e Memorias para a historia ecclesiastica de Braga. Lisboa 1 7 3 2 — 4 4 . 4 voll. 4. u n d D e s s e l b e n De antiquitatibus Conventus B r a carae Augustae. Olysipone 1738. 4. 4. (S. 201.) vergl. M u r p h y , Travels in Portugal. L o n don 1 7 9 5 , und D e s s e l b e n V i e w of the state of Portugal. L o n d o n 1798. 5. (S. 203.) Eine Abbildung und genaue Beschreibung dieses Tempels giebt M u r p h y in seinen T r a v e l s , die hier auch b e n u t z t worden ist. 6. (S. 204.) 18 portugiesische Legoas entsprechen 15 geographischen oder deutschen Meilen oder Einem Grade des Aequators. Die a l t - r ö m i s c h e Millie, 1000 Schritt, ist fast der f ü n f t e T h e i l einer deutschen Meile, mithin ungefähr der vierte T h e i l einer portugiesischen Legoa. U c k e r t Geogr. der Griechen und Römer Bd. I. Abth. 2. S. 75 ff. 7. (S. 205.) R e s e n d e I. 290. 91. Collect, inscript. I. No. 2226.

I I . 158.

Orelli

281 8.

( S . 205.)

cidario.

J o a q . de Santa R o s a d e V i t e r b o

Elu-

L i s b . 1798. I. 133.

9. (S. 205.)

ibid. I. 387.

10. ( S . 205.)

A r g o t e antiquitat. 264. 268.

11. ( S . 205.)

F l o r e z Espana sagrada X X I . 14.

12. ( S . 205.)

A r g o t e antiq. 282.

13.

( S . 205.)

A r g o t e antiq. ibid.

14.

( S . 206.)

Vicente S a i g a d o Memor. eccl. do rein»

de Algarve 308. 15.

G r u t e r Inscript. 8 0 3 .

( S . 206.)

Bern,

de B r i t o

Monarchia

Lusit.

1.

320. 21. 16.

( S . 206.)

17. ( S . 206.) 18.

( S . 206.)

19. ( S . 206.)

Saigado

231.

F l o r e z X I V . 142. B r i t o II. 45. Man. P e r e y r a Memorias do Bispado de

Guarda. 40. 20.

( S . 206.)

R e s e n d e I. 63.

21.

( S . 207.)

M u r p h y , View 129.

22. ( S . 207.) E l u c i d a r . I. 79. — Aber ein von S t r a b o erwähnter und von portugiesischen Schriftstellern nach L i s sabon versetzter Tempel dieser Göttin in Odysseia nicht hierher.

gehört

Odysseia ist nicht Olisipo, sondern wird von

Strabo als ein in den turdetanischen Gebirgen gelegener Ort im Norden von Abdera, jetzt Adra, an der spanischen K ü s t e des Mittelmeers bezeichnet.

S t r a b o III. 149. 157.

vergl.

R e s e n d e II. 264. 23.

( S . 207.)

R e s e n d e I. 311.

2 4 . ( S . 207.)

E l u c i d a r . I. 462.

25.

Murphy

( S . 207.)

Travels 206.

PI. V I I .

r i n h o Fundagäo de Lisboa III. 38. 26. ( S . 207.)

O r e l l i I. 1575.

27. ( S . 207.)

M u r p h y Travels P. V I I I .

Ma-

282 28. (S. 207.)

Argote

48.

Witlich

in

Zimmer-

m a n n s Zeitschrift für Alterthumswissenschaft 1840. S. 726. 29. (S. 207.)

M u r p h y PI. VII.

30. (S. 207.)

F l o r e z X I V . 145.

6ruter31,8.

31. (S. 208.) Die Inschrift, welche besonders auch durch die Erwähnung der asturischen Stadt Zoelae interessant ist, wird im E l u c i d a r i o I. 188 so angegeben: DEO ATERNO ORDO ZOELAR E X VOTO.

In den Memor. de Literatura

Portugueza V. 260 wird sie aber DEO AERNO gelesen und Deo aeterno gedeutet, wie sich ähnliche Inschriften sonst finden, vergl. O r e l l i I. 2140 ff. Eine zweite Inschrift mit Deus Avernus kenne ich nicht, doch ist die Analogie der Dii Stygii vorhanden in O r e l l i I. 32. (S. 209.) A r g o t e Memorias I. 325 ff. und Antiquität. 127. 357 ff. Da beide Bücher selten sind, so theile ich die fünf Inschriften so mit, wie sie Argote, augenscheinlich sehr corrumpirt, giebt. 1. DIIS S E . . . . N HOC || T E M P L O . . . . || D E M C . . . . L P || . . . . FINVS. 2. H V I V S HOSTIAE QVAE C A U D V N T HIC IMMANT V R || E X T A INTRA QVADRATA || CONRA CREMANTVR || SANTVS L . AC . . ICVIIS PACTO || SVP E R F V . . . . ITVR. 3. DIIS DEABVS QVAE A E | | T E R N V M LACVM OMNI|| BVSQVE

NVMINIBVS || E T

LAPI

TEARVM

CVM || HOC TEMPLO SACRAVIT || G . C . . CALP. RVF1NVS V . C . || IN QVO H O S T I A E VOTO || CREMANTVR. 4.

OTICTw

CEPA || n i A I C"PMNRo|| PAKAI MYCTO||

PICIC . G . C . CALP. || RVFINVS . V . C. 5. DIIS CVM HOC || E T LACVM HIC || VOTO MISCET V R || G . C . CALP. RVFINVS.

283 Man könnte versucht werden, sämmtliche Inschriften für untergeschoben zu halten, hätte nicht der neueste Berichterstatter, K i n g s t o n , dem jener ältere völlig unbekannt ist, die erste derselben auch wiederholt und die anderen erwähnt. Die griechische Inschrift findet sich auch, aus dem Argote entlehnt, in R o d r í g u e z Polygrafia española, Madr. 1738, fol. X L und in P e r e z P a s t o r , Dissertacion sobre el Dios EndoveHico, Madr. 1760. S. 71. 96. 33. (S. 209.) K i n g s t o n , Sketches ofPortugal. Deutsch von Lindau, Dresd. 1846. II. 336 ff. 34. (S. 209.)

R e s e n d e I. 283 ff.

35. (S. 210.) R e s e n d e I. 293. G r u t e r 78, 8 . - O r e l l i I. 1750. 36. (S. 210.) A r g o t e 77. M u r a t o r i 1984, 7. conf. 9 2 , 1. 2. O r e l l i I. 1785. F l o r e z XV. 89. 37. (S. 210.) M a r i n h o III. 32. n a t i o n e Hist. eccl. Lusit. I. 58.

T h o m . ab I n c a r -

M e m o r . de Litterat. port.

II. 350. 38. (S. 210.)

G r u t e r I. 93.

39. (S. 210.)

S a i g a d o 227.

40. (S. 210 ) F l o r e z XIV. 144. 41. (S. 211.) A r g o t e 44.

F l o r e z X X I . 13 ff.

42. (S. 211.) A r g o t e 54. 43. (S. 211.)

M a r i n h o III. 30.

T h . ab I n e a r n a t .

I. 57. Memor. de Litterat. II. 350. 44. (S. 214.) Joäo Pedro R i b e i r o

diss.

chronolog.

I. 349. 45. (S. 211.)

C a r d o s o diccionar. geogr. T h . ab I n -

e a r n a t . 58. 46. (S. 211.) A r g o t e 74.

Th.

ab

Inearnat.

58.

S a i g a d o 25. F l o r e z XV. 89. 47. (S. 212.)

Diese Votivtafeln des Endovellicus liefs

284 der Herzog Theodosius von Braganza bereits im 1 6 . J a h r h . von ihrem Fundorte theils nach seiner Residenz Villa Vinosa, theils nach dem benachbarten Kastell Alandroal bringen.

An

ersterem Orte befinden sich deren sieben in der v o r d e m W a n d des Augustinerklosters eingemauert, in Letzterem ist die achte von denen, welche R e s e n d e I . 2 8 5 ff. nach eigener Ansicht millheilt.

Aufser diesen hat

beigebracht,

Scaliger

noch

ohne Angabe des Fundorts.

S.

de Deo Endovellico in Graevii collect, diss. rar. X I V . 1 1 4 zählt sogar deren sechzehn. sobre el Dios Endovellico. 1191. 92.

andere

H. F l o r e z

V e r g l . Perez P a s t o r

G r u t e r I. 8 7 . 8 8 .

Academie des Inscriptions I I I .

güedades de Sevilla.

fünf

Reinesius,

Orelli

Rod. C a r o

Man hat zur Erklärung

an die Geltischen Helden Indibilis, Andobales

I.

Anti-

des Namens und an

den

in einer Inschrift in Alcantara vorkommenden Antuvel

er-

i n n e r t , welcher, ein spanischer Ariovist aus der ersten Zeit der Kämpfe mit den R ö m e r n , allmälig zu einem mythischen Heros werden und sodann göttliche Verehrung erhalten konnte. Aber man könnte vielleicht auch bis auf die phöoizischen Worle

Baal, Bei,

zurückgehen

und

die Namen

Hannibal,

Hasdrubal und besonders den punischen Feldherrn Endubal, P o l y b . I. 7 6 .

Liv. I. 6 0 ,

der

beim

spanischen Volke

in

hohem Ansehn stand, damit vergleichen. 48.

(S. 212.)

Strabo I I I . p. 1 3 7 will den E p h o r u s , der

von einem dortigen T e m p e l zuerst gesprochen h a t , mit der Autorität des Artemidorus, widerlegen.

der am Ort gewesen sein soll,

Doch wäre es möglich,

dafs vor Artemidorus

ein solches Heiligthum dort gewesen sei.

Auch Resende I .

2 4 2 nimmt ein Herculaneum d o r t a n , ohne j e d o c h von daselbst vorhandenen Spuren

zu reden.

S o auch der freilich

wenig kritische B r i t o , Monarch. Lusit. I . 1 0 . p. 3 4 .

Die I n -

schrift, welche M o r a l e s , Antigüedades p. 101 ff. und B r i t o ,

285 IIb. V . T o m I I . 8 1 . mittheilen, statue

des

Herkules

spricht,

und

die v o n einer B r o n z e -

gehört

nicht

nach

s o n d e r n w u r d e in dem kleinen Orte A r o c h e , Sevilla,

der alten Civitas A r u c c i t a n a ,

Portugal,

westlich

gefunden.

von

Letzteren

N a m e n soll dann auch der p o r t u g i e s i s c h e Ort M o u r a g e f ü h r t h a b e n , wenn

anders R e s e n d e sich nicht durch die dorthin

g e s c h a f f t e Inschrift z u liefs.

dieser Annahme fälschlich

verleiten

Vergl. Anmerkung 89. 49.

(S. 213.)

50.

(S. 213.)

T a c i t . Ann. I . 7 8 . B r i t o I. 544.

51.

(S. 213.)

B r i t o V. 1 ( T o m II. 3 )

Marinho

S t e l l e n mehr, die auch in den M e m o r

III. 36. und

andern

de Litterat. P o r t . I I .

3 5 0 g e s a m m e l t sind. 52.

(S. 213.)

T a c i t . Ann. I V . 3 7 ff.

53.

(S. 213.)

M u r p h y , View. 129.

54.

(S. 213.)

S . unten beim T h e a t e r z u O l i s i p o ,

noch A n d e r e bei M a r i n h o 55. 4 6 ff.

(S. 214.)

Gruter

56.

B e r g i e r , histoire d e s g r a n d s chemins I.

149 — 159.

(S. 214.)

Itinerarium

und

III. 36 — 39.

V e t e r a R o m a n , itinera s. Antonini A u g u s t i

ed. W e s s e l i n g

416 — 432.

oder die neueste,

u m die Berichtigung d e s T e x t e s nach den besten H a n d s c h r i f ten h ö c h s t verdienstliche A u s g a b e ,

die hier immer

benutzt

w o r d e n i s t , Itinerar. Antonin. A u g . et H i e r o s o l y m i t a n . G. P a r t h e y

et M. P i n d e r .

edd.

B e r o l . 1 8 4 8 . p. 1 9 7 — 2 0 6 .

57.

(S. 215.)

S . oben Antn. 6.

58.

(S. 216.)

Cardoso

59.

(S. 216.)

R u d e r s R e i s e durch P o r t u g a l übers, v o n

Gerken S . 63. 60.

II. 7 2 8 .

B a l b i E s s a i statistique s u r P o r t u g a l

(S. 216.)

Wesselings

weichen hier in den Millienzahlen von einander ab. 61.

(S. 217.)

11.139.

und P a r t h e y - P i n d e r s

R e s e n d e I. 2 1 5 .

Text

286 62.

(S. 217;)

la

dem von F o r t i a d ' U r b a n

heraus-

gegebenen Recueil des Itinéraires anciens, Paris 1 8 4 5 , mit der Karte v o n L a p i e w i r d zuerst S. 125 f ü r Salacia der Heine Ort Arcäo, genommen,

Legoa südlich von Alcacer do Sal an-

w o z u gar keine Wahrscheinlichkeit

vorhanden

ist u n d die geringe E n t f e r n u n g von Alcacer, welches' dann Malececa sein s o l l , gar nicht stimmt.

S. 4 6 8 w i r d daher

auch diese E r k l ä r u n g wieder zurückgenommen. 63.

(S. 217.)

B r i t o I I . 106.

64.

(S. 218.)

R e s e n d e I. 217. I I .

R e s e n d e I . 2 1 6 . 217.

65.

(S. 218.)

So zuerst U c k e r t , Geogr. der Griechen

53-56.

u n d Römer. T h . I I . Abth. 1. S. 392. — Resende u n d spätere, auch C o r t é s , Adrum

verfahren sehr willkürlich, wenn sie statt ad

gegen alle Handschriften ad Anam lesen,

dann die

Strafse etwa bei Monçaras über den Anas hinwegziehen und die beiden folgenden Stationen Dipone u n d Evandriana bei Olivença u n d der nicht

Talaveruela

Umstand,

dafs

nach Baetica

sich

lusitanischen Legionen ihrer Provinz

suchen.

Dagegen spricht

die Iusitanische hinüberzog,

schon

Militairstrafse gewifs während

es f ü r die

offenbar wichtiger w a r ,

Ortschaften

auf dem Marsche von E b o r a bis Merida zu

berühren. 66.

(S. 218.)

R e s e n d e I. 219. 20.

67.

(S. 218.)

J o . Bapt. de C a s t r o , Roteiro de Portu-

gal. 5" ediç. Lisb. 1814. p. 9 u n d die dort citirten Grandezas de Merida. 68.

(S. 219.)

Die auf die Namensähnlichkeit gegründete

V e r m u t h u n g des C a s t r o u n d C o r t é s , dafs Abelterium das jetzige Alter do Chäo sei, ist u n s t a t t h a f t , indem dieses von der vorigen Station Benavente 18 Leg. d. i. 72 Millien entf e r n t liegt.

Richtiger findet es L a p i e

in E r r a , doch liegt

dies von der Hauplstrafse noch 1 bis 2 Leg. südlich ab.

287 69. (S. 220.) II. 515.

C a r d o s o II, 624.

Costa

Corografia

70. (S. 220.) Nach C a r d o s o I. 368 hat man auch bei Alter do Chäo viele Spuren von römischen Gebäulichkeiten und andern Alterthümern gefunden. 71. (S. 220.) Alle anderen Versuche, diese Straße von Matusarum bis ad Septem aras zu bestimmen, wobei man diese letztere Station bald in Assumar oder Alegrete, bald in Codesera und Aronches hat finden wollen, sind unhaltbar, weil sie alle die Station ad Septem aras zu weit von Merida entfernen. 72. (S. 221.) P a r t h e y und P i n d e r haben aus den bestem Handschriften die richtige Leseart Plagiaria VIII wieder hergestellt, wogegen Wesseling nach einer einzigen Handschrift Plag. XII aufgenommen hatte. Durch den neuen, besseren Text treten auch diese Millienangaben in vollen Einklang mit der folgenden, dritten Heerstrafse. .73. (S. 222.) C a s t r o Roteiro 9. B r i t o III. 2 3 1 . — Terruja wahrscheinlich ursprünglich terra oder tbrre roxa, rothe Erde oder rother Thurm, gleich wie aus demselben Grunde die Ruinen des alten Aquädukts in Neapel die Ponti rossi heifsen. 74. (S. 222.) tugal S. 485.

Comte de R a c z y n s k i , les arts en P o r -

75. (S. 222.) R e s e n d e I. 366. 76. (S. 222.) R e s e n d e I. 225 — 28. 77. (S. 223.) C a r d o s o I. 394. W i t t i c h , a. a. 0 . S. 727. Mehr davon später bei den Inschriften, unter Caligula. 78. (S. 223.)

So schon R e s e n d e I. 366.

79. (S. 223.) L i n k Reisen III. 285. R e i c h a r d nimmt für Montobriga Monbrio an, L a p i e Portalegre; hierbei werden aber die Millienangaben ganz aus den Augen gelassen.

288 80. (S. 223.)

Porlalegre wird nach zwei dort und in

der Nähe gefundenen Inschriften für das alte Ammäa des Plinius gehalten. 81. (S. 224.)

F l o r e z X I V . 116. P a r t h e y und P i n d e r 206.

Wesse-

Amador A r r a e s Dialog. 86.

Cardoso

l i n g 431. 82. (S. 224.) Agiolog. II. 206.

C o s t a Corogr. II. 508. C a s t r o Rot.21.

83. (S. 225.)

R e s e n d e I. 264.

84. (S. 225.)

R e s e n d e I. 238.

85. (S. 226.)

R e s e n d e I. 238.

S a i g a d o 129. Saigado

80. 110.

F a r i a y S o u s a Epitome de las histor. portug. Madr. 1628. p. 181. 86. (S. 226.) pflichte.

So U c k e r t ,

dem ich vollkommen bei-

L a p i e nimmt dagegen für Aranni die westlicher

gelegene Ortschaft S. Martim de Amoreiras an; aber für Ourique spricht mehr die Bedeutsamkeit seiner Lage.

Die

neuesten Herausgeber des Itinerars, P a r t h e y und P i n d e r , haben statt Rarapia Salacia in- den Text aufgenommen, da in Einem Barner Codex Scalacia steht. Für diese Conjectur spricht zwar der Umstand, dafs die Millienzahl 44 auf die Entfernung von Salacia, dem jetzigen Alcacer do Sal, bis Ebora pafst (s. oben bei der ersten Heerstrafse von Olisipo nach Emerita, S. 215); dagegen aber reicht die Millienzahl von Ossonoba bis Salacia auch auf der geradesten Linie nicht für die Entfernung von Estoy bis Alcacer do Sal aus.

Florez

XIV. 210. 221. verlegt Aranni auf die Serra de Monchique in Algarve nahe an die Meeresküste, Ourique.

und Rarapia

nach

Dies nöthigt ihn dann noch ein zweites Ebora

zwischen Mertola und Beja anzunehmen und von da die Heerstrafse weit in die Provincia Baetica hinein über den Anas hinweg auszudehnen bis an die heutige portugiesische Grenze, wo er die Station Fines sucht.

Aber dieses Fines

289 bezeichnet unzweifelhaft die Grenze

der

beiden

römischen

P r o v i n z e n , also eine Gegend am A n a s , Guadiana.

Cortes

macht, um sich zu helfen, willkürlich aus der Einen R e i s e route zwei. 87.

(S. 227.)

So

schon W e s s e l i n g

S. 427,

der mit

Recht dagegen sich erklärt, dafs die Militairstrafse sich über den Anas hinweg in die Provinz Bätica hinein, und von da wieder zurück nach Lusitanien gewendet habe. 88.

(S. 227.)

Seltsam ist das Bestreben der portugiesi-

schen und spanischen Gelehrten, die Station F i n e s

durchaus

an die Grenze des heutigen Portugal legen zu w o l l e n , lich von S e r p a , nach Ficalho oder P a u m o y o ,

alte Grenze von Lusitanien mit der neuen Grenze von tugal zusammen gefallen wäre.

öst-

als wenn die

S o Roder. C a r o ,

Por-

Florez,

C a s t r o u. A. 89.

(S. 227.)

Dieses Arucci darf also

nicht mit

in Bätica liegenden Arucci verwechselt w e r d e n , dem heutigen A r o c h e , kannt wird.

nordwestlich

dem

welches

in

von Sevilla wieder er-

Dafs aber der portugiesische Flecken

Moura,

Eine L e g o a östlich vom Guadiana auch Arucci geheifsen habe, wie U c k e r t annimmt, beruht auf einer sehr wenig begründeten Vermuthung des Resende I . 2 3 2 .

Dieser folgert es näm-

lich nur aus einem der J u l i a Agrippina geweiheten Denksteine, auf welchem eine Nova Civitas Aruccitana genannt w i r d , und welchen er in Moura gesehen hat. V o n dem nämlichen Steine sagt aber M o r a l e s in seinen Antiguedades de E s p a n a , A l cala 1 5 7 5 ,

S . 1 0 1 ausdrücklich,

dafs dieser Stein

aus

S i e r r a de Aroche in den benachbarten Ort Moura worden sei. noch F l o r e z

der

gebracht

Mehr Beweise für Moura hat auch weder C a r o noch

sonst J e m a n d

nimmt unser Arucci für Ourique,

beigebracht. — wofür nichts,

Aehnlichkeit des N a m e n s , spricht.

19

Lapie

kaum

die

290

332.

90.

(S.^228.)

R e s e n d e I. 2 4 6 ff.

91.

(S. 228.)

R e s e n d e I. 2 2 0 . 2 2 1 .

92.

(S. 228.)

R e s e n d e I. 2 2 3 . I I . 81.

M o r a l e s II.

B r i t o I I . 135. 93.

(S. 229.)

Vasconcellos g o t e Antiq. 297. 94.

Gasp.

Barreiros

Chorographia

bei Resende I. 366.

(S. 229.)

Estaco

48.

368.

Ar-

Memor de Braga II. üb. 3. c. 9. B a r r e i r o s 49. V a s e o n c e l l o s bei Re-

sende I. 3 5 8 u n d alle späteren Ortsbeschreiber.

Nur

Lapie

weicht von der allgemeinen Annahme a b , u n d setzt das alte Conimbrica an den Ort des jetzigen Coimbra,

auch gegen

das Zeugnifs der Millienangaben. 95.

(S. 229.)

3 5 8 . 365.

So

C a s t r o 8.

Vasconcellos U c k e r t 397.

bei

Resende

I.

S. auch die folgende

Anmerkung. 96.

(S.229.)

So W e s s e l i n g 421. Aber F l o r e z X I V .

6 6 ff. ä u f s e r t schon ein Bedenken dagegen, ohne jedoch etwas besseres darzubieten. R e i c h a r d n i m m t

förAeminium

Minbo

a n , f ü r Talabriga Talavera de la Reina; Fortia d ' U r b a n Carvalho u n d Villarinho, aber alles ohne B e g r ü n d u n g , weil diese Gegend entweder noch zu wenig antiquarisch

durchforscht

ist oder alle Spuren alter Städte verschwunden sind. 97.

( S . 230.)

W e n i g passend ist O v a r , welches

Cor-

t e s I I I . 122 annimmt. 98.

(S. 230.)

Argote

186.

99.

(S. 230.)

Argote

188.

100.

(S. 230.)

Argote

101.

( S . 232.)

So n i m m t selbst U c k e r t noch an, dafs

186.

die Stationen P r a e s i d i u m , Caladunum, ad Aquas und Pinetum

südlich vom Durius in Lusitanien gelegen haben,

die beiden letztern suchen seien.

Orte in F ö n t e Arcada

und Pinhel

und zu

291 102.

(S. 232.)

Zur Vergleichung

ich hier die Bestimmungen einander, wie

und Prüfung

stelle

der bisherigen Ausleger

neben

unter denen Lapie die Richtung

einzelner

Stationen

am

glücklichsten

der

Strafse'so

aufgefunden

zu

haben scheint. A r g o t e : 1. Salamonde, 2 . Codezoso do A r c o , 3 . Ciada, 4 . Chaves, 5 . V a l de T e l h a s , 6 . V i n h ä e s , 7 . Lubian in S p a nien, 11. Astorga. R e i c h a r d t und U c k e r t :

1 . südöstlich von Bragan^a,

2 . am Douro in L u s i t a n i e n , 3 . in L u s i t a n i e n , 4 . F ö n t e A r cada in Lusitanien, 5. Pinhel in L u s i t a n i e n , 6. B e r g Robledo bei T o r r e d e M o n c o r v o , 7 . Cebolim, östlich von Mirandella, 8 . Vinhäes, 9. in Spanien, 10. in Spanien, 1 1 . Astorga. C o r t e s : 1. Salamonde, 2 . Gastro d. Codezoso, 3 . Unes, 4 . Chaves, 5 . Pinheira od. V i a n n a , 6 . Robledo in Spanien, 7 . Compludo,

8. Varzana,

9. Poybueno,

10.

Andrinuela,

1 1 . Astorga.