Erfolgsrechnung von Versicherungsunternehmen nach IAS: Gestaltungsempfehlungen unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfunktion der Rechnungslegung [1 ed.] 9783896448484, 9783896731005

Die Autorin erarbeitet zu den bereits bestehenden Diskussionspapieren des IASC einen völlig neuen Vorschlag für die Ausg

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German Pages 288 [289] Year 2001

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Erfolgsrechnung von Versicherungsunternehmen nach IAS: Gestaltungsempfehlungen unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfunktion der Rechnungslegung [1 ed.]
 9783896448484, 9783896731005

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Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

Schriftenreihe Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Rechnungswesen und Finanzen Band 5

Herausgeber:

Prof. Dr. Matthias Lehmann Universität Trier Prof. Dr. Otto Altenburger Universität Regensburg

Christina Großer

Erfolgsrechnung von V ersicher ungsunter nehmen nach IAS Gestaltungsempfehlungen unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfunktion der Rechnungslegung

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Großer, Christina: Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS. Gestaltungsempfehlungen unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfunktion der Rechnungslegung / Christina Großer. - Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2001 (Schriftenreihe Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Rechnungswesen und Finanzen ; Bd. 5) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-89673-100-9

ISBN 3-89673-100-9

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2001 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten

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Printed in Germany

Geleitwort Gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem die Rechnungslegung von Versicherungsunter­ nehmen international in einem bisher auch nicht annähernd erreichten Ausmaß dis­ kutiert wird, legt Frau Großer eine einschlägige Arbeit vor. Sie liefert damit einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des in Erarbeitung befindlichen International Accounting Standards „Insurance“.

Frau Großer entwickelt konkrete Gestaltungsempfehlungen für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen im Rahmen der Konzeption der International Accounting Standards (IAS). Das besondere Charakteristikum ihrer Schrift bildet die möglichst weitgehende Operationalisierung der Zielsetzung von Jahresabschlüs­ sen nach IAS, nämlich der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen für Investoren; dazu zieht sie alle verfügbaren Ansätze - informationsökonomische, kapitalmarktorientierte und empirisch-induktive - heran. Die Beschränkung auf die Erfolgsrechnung ist im Sinne einer Schwerpunktsetzung entsprechend den Informa­ tionsbedürfnissen der Aktionäre zu verstehen, nicht als Unterschätzung der Bilanz (oder des Anhangs): Gerade die sorgfältige Prüfung der Erfüllung der Asset- bzw. der Liability-Kriterien bei den in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfolgs­ rechnung stehenden Bilanzposten stellt eine der Stärken der Arbeit dar.

Ausgehend von der angeführten Operationalisierung und von den grundlegenden Rechnungslegungsprinzipien, die im Framework zu den IAS als maßgebend erklärt werden, gelangt Frau Großer im Hinblick auf viele Detailprobleme zu innovativen Lösungsvorschlägen oder zu neuen Begründungen für bekannte Gestaltungsemp­ fehlungen. Die Diskussion der Erfolgsermittlung trennt sie von jener des Erfolgs­ ausweises; die Ausweismöglichkeiten zeigt sie anhand aufeinander abgestimmter Zahlenbeispiele, die am Schluß in ein Gesamtbeispiel münden, mit dem sie ihre Vorschläge für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemeh­ men nach IAS zusammenfassend demonstriert. Wer sich, sei es aus theoretischer oder aus praktischer Sicht, für die Rechnungsle­ gung von Versicherungsuntemehmen interessiert, wird die vorliegende Schrift mit Gewinn lesen.

Regensburg, im Juli 2000

Otto A. Altenburger

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fiir Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Versiche­ rungsbetriebslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Re­ gensburg. Sie wurde im Juli 2000 vom Promotionsausschuß der Wirtschaftswissen­ schaftlichen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen.

Ohne vielfältige Unterstützung und Hilfe wäre die Arbeit nicht möglich gewesen. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater Herm Prof. Dr. Altenburger für die guten Arbeitsbedingungen und sein großes Engagement bei der Betreuung der Ar­ beit danken. Mein Dank gilt auch Herm Prof. Dr. Scherrer fiir die Übernahme des Zweitgutachtens und fiir die gute Zusammenarbeit im Rahmen des Promotionsver­ fahrens.

Meiner Freundin und Kollegin, Frau Dr. Antonia Graff, möchte ich fiir Ihre fachli­ che und moralische Unterstützung in allen Phasen der Arbeit danken. Herm Dr. Gerd Geib (KPMG, Mitglied im Steering Committee fiir den IAS „Insu­ rance“ im IASC) und Herm Dr. Joachim Kölschbach (KPMG, Technical Advisor fiir das deutsche Mitglied im Steering Committee) danke ich fiir zahlreiche kon­ struktive Anregungen und jederzeitige Diskussionsbereitschaft.

Meinem Mann, Herm Dr. Reiner Großer, danke ich fiir seine Geduld und praktische Hilfe im Hintergrund. Schließlich gilt mein besonderer Dank meinen Eltern fiir alles, was sie fiir mich ge­ tan haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

Regensburg, im Juli 2000

Christina Großer

9

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

1

Einleitung 1.1 Einführung in die Thematik 1.2 Besonderheiten der Geschäftstätigkeit von Versicherungsuntemehmen 1.3 Ziel und Abgrenzung der Untersuchung 1.4 Vorgehens weise und Aufbau der Untersuchung

2 Die Informationsfunktion der Rechnungslegung als Kriterium zur Ausges­ taltung eines IAS für Versicherungsunternehmen 2.1 Die Bedeutung der Informationsfunktion der Rechnungslegung im Frame­ work zu den IAS 2.2 Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung 2.3 Konkretisierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung im Rah­ men der Konzeption der IAS 3 Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsunternehmen nach IAS (Abbil­ dungsobjekte) 3.1 Überblick 3.2 Prämienerträge 3.3 Schadenaufwendungen 3.4 Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen 3.5 Betriebsaufwendungen 3.6 Erträge und Aufwendungen aus passiver Rückversicherung 3.7 Erträge und Aufwendungen aus der Kapitalanlage 4

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsunternehmen nach IAS (Abbil­ dungsprinzipien) 4.1 Überblick 4.2 Umsatz- oder Erfolgsprinzip 4.3 Brutto- oder Nettoprinzip 4.4 Primär- oder Sekundärprinzip 4.5 Gesamterfolgs- oder Teilerfolgsprinzip 4.6 Spartenrechnungs- oder Gesamtrechnungsprinzip

5

Vorschlag für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungs­ unternehmen nach IAS

6

Schlußbemerkung

Literaturverzeichnis

11

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Abkürzungs Verzeichnis............................................................................................

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1 Einleitung............................................................................................................. 1.1 Einführung in die Thematik.......................................................................... 1.2 Besonderheiten der Geschäftstätigkeit von Versicherungsuntemehmen.. 1.3 Ziel und Abgrenzung der Untersuchung..................................................... 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Untersuchung........................................

21 21 25 27 29

2 Die Informationsfunktion der Rechnungslegung als Kriterium zur Aus­ gestaltung eines IAS für Versicherungsunternehmen.............................. 31 2.1 Die Bedeutung der Informationsfunktion der Rechnungslegung im Fra­ mework zu den IAS............................................................................. 31 2.2 Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungsle­ gung........................ 33 2.2.1 Systematisierung der verschiedenenAnsätze................................. 33 2.2.2 Informationsökonomische Ansätze................................................ 35 2.2.2.1 Überblick............................................................................. 35 2.2.2.2 Informationsnutzen im Individualkontext........................ 36 2.2.2.2.1 Entscheidungstheoretischer Informationsnut­ zen..................................................... 36 2.2.2.2.2 Vergleich verschiedener Informationssysteme mit entscheidungstheoretischem Informations­ nutzen ................................................ 40 2.2.2.3 Informationsnutzen im Mehrpersonenkontext................ 42 2.2.2.3.1 Spieltheoretischer Informationsnutzen............ 42 2.2.2.3.2 Die Theorie vom gesellschaftlichen (Un-) Wert öffentlicher Informationen..... 46 2.2.2.4 Informationsnutzen im Agency-theoretischen Kontext.... 50 2.2.2.4.1 Untersuchungsgegenstand der Agency-Theorie...................................................... 50 2.2.2.4.2 Agency-theoretischer Informationsnutzen....... 52 2.2.3 Kapitalmarktorientierte Ansätze....................................................... 53 2.2.3.1 Überblick............................................................................ 53 2.2.3.2 Informationseffizienz von Kapitalmärkten...................... 55 2.2.3.2.1 Die These der Informationseffizienz und ihre Implikationen für die Rechnungslegung.......... 55 2.2.3.2.2 Empirische Befunde......................................... 58 2.2.3.2.3 Kritik an der These der Informationseffizienz. 60

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Inhaltsverzeichnis

2.2.3.3 Kapitalmarktreaktionen auf Rechnungslegungsinforma­ tionen ................................................................... 61 2.2.3.3.1 Informationsgehalt von Rechnungslegungs­ daten................................................. 61 2.2.3.3.2 Informationsgehalt von Rechnungslegungs­ systemen verschiedener Länder..... 63 2.2.3.4 Auswirkungen von Informationen auf die Funktionswei­ se von Kapitalmärkten....................................... 65 2.2.3.4.1 Herstellung von Chancengleichheit zwischen den Kapitalmarktteilnehmem........................... 2.2.3.4.2 Förderung der Allokationseffizienz von Ka­ pitalmärkten ..................................... 66 2.2.4 Empirisch-induktive Ansätze........................................................... 2.2.4.1 Überblick........................................................................... 2.2.4.2 Informationswünsche von Rechnungslegungsadressaten. 2.2.4.2.1 Ermittlung der Informationswünsche durch individuelle Befragung.................... 70 2.2.4.2.2 Ermittlung der Informationswünsche im Rahmen von Entscheidungsexperimenten....... 2.2.4.3 Prognoseeignung von Rechnungslegungsinformationen.. 2.2.4.3.1 Prognostizierbarkeit künftiger Untemehmenserträge aus Rechnungslegungsinformationen . 2.2.4.3.2 Prognostizierbarkeit von Untemehmensrisiken und -Insolvenzen aus Rechnungslegungs­ informationen................................... 77 2.2.5 Schlußfolgerungen........................................................................... 2.3 Konkretisierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung im Rahmen der Konzeption der IAS....................................................... 83 2.3.1 Systematik und Aufbau der Rechnungslegungsprinzipien im Framework zu den IAS.......................................................... 83 2.3.2 Grundannahmen der IAS-Rechnungslegung (underlying assump­ tions) ........................................................................................ 85 2.3.2.1 Die Grundannahme der periodengerechten Erfolgser­ mittlung (accrual basis)..................................................... 2.3.2.1.1 Inhalt und Ausprägung ................................... 2.3.2.1.2 Kriterien für denBilanzansatz......................... 2.3.2.1.3 Erfassung von Erträgen und Aufwendungen... 2.3.2.2 Die Grundannahme der Unternehmensfortfuhrung (going concern)................................................... 92 2.3.3 Qualitative Merkmale nützlicher Informationen (qualitative cha­ racteristics).............................................................................. 92

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Inhaltsverzeichnis

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Verständlichkeit (understandability)................................ 92 Relevanz (relevance)........................................................ 93 2.3.3.2.1 Beschaffenheit (nature).................................... 93 2.3.3.2.2 Wesentlichkeit (materiality)............................. 94 2.3.3.3 Zuverlässigkeit (reliability)............................................... 96 2.3.3.3.1 Überblick........................................................... 96 2.3.3.3.2 Glaubwürdige Darstellung (faithful represen­ tation) ................................................ 96 2.3.3.3.3 Wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form)......................................... 97 2.3.3.3.4 Willkürfreiheit (neutrality)................................ 98 2.3.3.3.5 Vorsicht (prudence).......................................... 98 2.3.3.3.6 Vollständigkeit (completeness)........................ 99 2.3.3.4 Vergleichbarkeit (comparability)...................................... 99 2.3.4 Einschränkungen nützlicher Informationen (constraints on rele­ vant and reliable information)............................................... 101 2.3.4.1 Zeitnähe (timeliness).......................................................... 101 2.3.4.2 Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen (balance between benefit and cost)................................... 102 2.3.4.3 Abwägung der qualitativen Merkmale (balance between qualitative characteristics).................................. 103 2.3.5 Bedeutung des Grundsatzes des true and fair view........................ 103 2.3.6 Berücksichtigung bereits bestehender IAS..................................... 104

2.3.3.1 2.3.3.2

3 Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsunternehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)....................................................................................... 3.1 Überblick...................................................................................................... 3.2 Prämienerträge............................................................................................. 3.2.1 Überblick.......................................................................................... 3.2.2 Abgrenzung der Prämieneinnahmen............................................... 3.2.2.1 Zeitpunkt der Erfassung der Prämieneinnahmen............. 3.2.2.2 Nicht realisierte Prämienanteile(Prämienüberträge)........ 3.2.2.2.1 Erfüllung der liability-Kriterien nach IAS....... 3.2.2.2.2 Zeit- oder leistungsproportionale Abgren­ zung?................................................. 3.2.3 Berücksichtigung der Spar- und Entspargeschäfte........................ 3.2.3.1 Spar- und Entspargeschäfte in der Schaden- und Unfall­ versicherung........................................................ 114 3.2.3.2 Erfolgsneutrale oder erfolgswirksame Erfassung der Spar- und Entspargeschäfte?............................................. 3.2.4 Prämienkorrekturen.......................................................................... 3.2.4.1 Überblick.............................................................................

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Inhaltsverzeichnis

3.2.4.2 Erfassung von Prämienkorrekturen in der Stomorückstellung................................................................ 118 3.3 Schadenaufwendungen............................................................................... 3.3.1 Überblick......................................................................................... 3.3.2 Abgrenzung der Schadenausgaben................................................. 3.3.2.1 Zeitpunkt der Erfassung von Aufwendungen nach IAS... 3.3.2.2 Periodenzuordnung der Versicherungsfälle.................... 3.3.2.2.I. Überblick........................................................... 3.3.2.2.2. Theorien zum Zeitpunkt der Verursachung eines Versicherungsfalls................. 122 3.3.2.2.3. Beurteilung der Theorien aus der Sicht der Informationsfunktion der Rechnungslegung.... 3.3.2.2.4 Zuordnung der Schadenaufwendungen zu den Prämienerträgen............................... 128 3.3.3 Bewertung der Schadenrückstellung.......................... 3.3.3.1Bewertung der Bestandteile der Schadenrückstellung........ 3.3.3.1.1 Rückstellung für gemeldete Schäden............. 3.3.3.1.2 Spätschadenrückstellung................................. 3.3.3.1.3 Deckungsrückstellung..................................... 3.3.3.1.4 Regresse und Provenues.................................. 3.3.3.2 Berücksichtigung von Schadenregulierungsaufwendun­ gen ....................................................................... 134 3.3.3.3 Berücksichtigung künftiger Lohn- und Preissteigerungen 3.3.3.4 Diskontierung der Schadenrückstellung.......................... 3.3.3.4.1 Zweck der Diskontierung................................. 3.3.3.4.2 Beurteilung der Diskontierung aus der Sicht der Informationsfunktion der Rechnungsle­ gung.................................................. 138 3.3.4 Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Vorjahres 3.4 Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen.... 3.4.1 Überblick......................................................................................... 3.4.2 Rückstellung für erfolgsabhängige und erfolgsunabhängige Bei­ tragsrückerstattung ................................................................. 141 3.4.3 Drohverlustrückstellung.................................................................. 3.4.3.1 Zweck einer Drohverlustrückstellung.............................. 3.4.3.2 Erfüllung der liability-Kriterien nach IAS........................ 3.4.3.3 Einzelvertrags- oder kollektivbezogene Betrachtung?.... 3.4.4 Schwankungsrückstellung............................................................... 3.4.4.1 Zweck einer Schwankungsrückstellung........................... 3.4.4.2 Erfüllung der liability-Kriterien nach IAS........................ 3.5 Betriebsaufwendungen................................................................................

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Inhaltsverzeichnis

3.5.1 Überblick........................................................................................... 3.5.2 Vertriebsaufwendungen.................................................................... 3.5.2.1 Arten von Vertriebsaufwendungen.................................. 3.5.2.2 Abgrenzung der Provisionen............................................ 3.5.2.2.1 Problematik........................................................ 3.5.2.2.2 Erfüllung der asset-Kriterien nach IAS........... 3.5.3 Verwaltungsaufwendungen.............................................................. 3.6 Erträge und Aufwendungen aus passiver Rückversicherung.................... 3.6.1 Überblick........................................................................................... 3.6.2 Traditionelle Rückversicherungsformen........................................ 3.6.2.1 Grundlagen......................................................................... 3.6.2.1.1 Proportionale und nichtproportionale Rück­ versicherungsformen ....................... 165 3.6.2.1.2 Zahlungsströme zwischen Erst- und Rückver­ sicherer............................................. 3.6.2.1.3 Modelle der Abbildung der passiven Rück­ versicherung...................................... 3.6.2.2 Rückversicherungsprämien und Einnahmen aus Rück­ versichereranteilen an den Schadenausgaben.... 169 3.6.2.2.1 Wirtschaftlicher Charakter der passiven Rückversicherung............................................. 3.6.2.2.2 Juristischer Charakter der passiven Rückver­ sicherung .......................................... 3.6.2.2.3 Erfüllung der asset- und der liability-Kriterien nach IAS........................................... 3.6.2.3 Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile.......... 3.6.2.4 Depotzinsen......................................................................... 3.Ö.2.5 Portefeuilleeintritte und -austritte...................................... 3.6.3 Financial Reinsurance-Verträge...................................................... 3.6.3.1 Formen von Financial Reinsurance-Verträgen................ 3.6.3.1.1 Überblick........................................................... 3.6.3.1.2 Retrospektive Vertragstypen.......................... 3.6.3.1.3 Prospektive Vertragstypen............................... 3.6.3.2 Abbildung von Financial Reinsurance-Verträgen............. 3.6.3.2.1 Wirtschaftlicher Charakter von Financial Reinsurance-Verträgen..................................... 3.6.3.2.2 Abbildung als Finanzierungs- oder Rückver­ sicherungsvertrag? .......................... 185 3.7 Erträge und Aufwendungen aus der Kapitalanlage................................... 3.7.1 Überblick.......................................................................................... 3.7.2 IAS 16...............................................................................................

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Inhaltsverzeichnis

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3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.7.7 3.7.8 3.7.9

IAS IAS IAS IAS IAS IAS IAS

18................................................................................................ 25................................................................................................ 27................................................................................................ 28................................................................................................ 31................................................................................................ 32................................................................................................ 39................................................................................................

4 Ausweis des Erfolgs von Versicherungsunternehmen nach IAS (Abbil­ dungsprinzipien)............................................................................................. 4.1 Überblick.................................................................................................... 4.2 Umsatz-oder Erfolgsprinzip..................................................................... 4.2.1 Inhalt und Ausprägung der Prinzipien 4.2.2 Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die Informati­ onsfunktion der Rechnungslegung 200 4.2.2.1 Verständlichkeit................................................................. 4.2.2.2 Relevanz............................................................................. 4.2.2.3 Zuverlässigkeit.................................................................. 4.2.2.4 Vergleichbarkeit............................................................... 4.2.3 Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS........................................ 203 4.3 Brutto- oder Nettoprinzip........................................................................... 4.3.1 Inhalt und Ausprägung der Prinzipien............................................. 4.3.2 Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die Informati­ onsfunktion der Rechnungslegung........................................ 207 4.3.2.1 Zulässigkeit von Saldierungen nach IAS......................... 4.3.2.2 Brutto- oder Nettoausweis der Prämienerträge............... 4.3.2.3 Brutto- oder Nettoausweis der Schadenaufwendungen... 4.3.2.4 Brutto- oder Nettoausweis der Betriebsaufwendungen... 4.3.2.5 Brutto- oder Nettoausweis der Kapitalanlageerträge und -aufwendungen................................................... 211 4.3.3 Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS........................................ 212 4.4 Primär- oder Sekundärprinzip..................................................................... 4.4.1 Inhalt und Ausprägung der Prinzipien............................................ 4.4.2 Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die Informa­ tionsfunktion der Rechnungslegung...................................... 216 4.4.2.1 Verständlichkeit................................................................ 4.4.2.2 Relevanz............................................................................ 4.4.2.3 Zuverlässigkeit................................................................. 4.4.2.4 Vergleichbarkeit...............................................................

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Inhaltsverzeichnis

4.4.3 Folgerungen fiir die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS......................................... 219 4.5 Gesamterfolgs- oder Teilerfolgsprinzip...................................................... 4.5.1 Grundlagen... .................................................................................... 4.5.1.1 Überblick........................................................................... 4.5.1.2 Aktivitätsbereiche des Versicherungsunternehmens..... 4.5.1.2.1 Versicherungsgeschäft..................................... 4.5.1.2.2 Kapitalanlagegeschäft....................................... 4.5.1.2.3 Sonstiges Geschäft............................................ 4.5.1.3 Der Zusammenhang zwischenVersicherungsgeschäft und Kapitalanlagegeschäft................................................ 4.5.2 Inhalt und Ausprägung der Prinzipien............................................ 4.5.3 Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die Informationsfunktion der Rechnungslegung......................................... 225 4.5.3.1 Verständlichkeit................................................................. 4.5.3.2 Relevanz............................................................................. 4.5.3.3 Zuverlässigkeit.................................................................. 4.5.3.4 Vergleichbarkeit............................................................... 4.5.4 Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS......................................... 227 4.6 Spartenrechnungs- oder Gesamtrechnungsprinzip.................................... 4.6.1 Inhalt und Ausprägung der Prinzipien............................................. 4.6.2 Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die Informati­ onsfunktion der Rechnungslegung......................................... 232 4.6.2.1 Verständlichkeit................................................................. 4.6.2.2 Relevanz.............................................................................. 4.6.2.3 Zuverlässigkeit.................................................................. 4.6.2.4 Vergleichbarkeit................................................................ 4.6.3 Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS......................................... 236

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5 Vorschlag für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versiche­ rungsunternehmen nach IAS........................................................................ 239 6 Schlußbemerkung.............................................................................................. 249

Literaturverzeichnis................................................................................................... 251

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Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abs. AG Anm. API Auf]. BRD bzgl. bzw. ca. CEA

d.h. DSOP DVFA

ed. EDV EG e.V. EWR F. FASB f.e.R. Fifo Fn. GDV

GE ggf. RGB Hrsg, hrsg. IAS IASC IBNR i.d.R. IDW IOSCO ISO

Absatz Aktiengesellschaft Anmerkung Abnormal Performance Index Auflage Bundesrepublik Deutschland bezüglich beziehungsweise circa Comite Europeen des Assurances (Europäischer Versicherungsverband) das heißt Draft Statement of Principles Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung e.V. edition elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaften eingetragener Verein Europäischer Wirtschaftsraum Framework Financial Accounting Standards Board für eigene Rechnung first in - first out Fußnote Gesamtverband der Deutschen Versicherungs­ wirtschaft e.V. Geldeinheiten gegebenenfalls Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben International Accounting Standards International Accounting Standards Committee incurred but not reported in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. International Organisation of Securities Commissions International Organization of Standardization

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i.V.m. Kap. KFZ KPMG Lifo 1t. m.w.N. No. N.F. P. PKW RechVersV S. SAP SEC SFAS Tz. u.a. US USA US-GAAP u.U. v.a. vgl. Vol. VAG VVaG VVG z.B.

Abkürzungsverzeichnis

in Verbindung mit Kapitel Kraftfahrzeug Klynveld Peat Marwick Goerdeler last in - first out laut mit weiteren Nachweisen Number Neue Fassung Preface (zu den IAS) Personenkraftwagen Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsuntemehmen Seite Statutory Accounting Principles Securities and Exchange Commission Statement on Financial Standards Textziffer unter anderem; und andere United States United States of America US-amerikanische Generally Accepted Accounting Principles unter Umständen vor allem vergleiche Volume Versicherungsaufsichtsgesetz Versicherungs verein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz zum Beispiel

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Einleitung

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Einleitung

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Einführung in die Thematik

Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft fuhrt dazu, daß immer mehr Unter­ nehmen zur Beschaffung von Eigenkapital auf internationale Kapitalmärkte zurück­ greifen.1 Dies ist neben Prestigegründen vor allem auf finanzpolitische Erwägungen zurückzuführen, z.B. weil eine vollständige Deckung des steigenden Kapitalbedarfs der Unternehmen im Inland häufig nicht mehr möglich ist.2 Auf der anderen Seite nehmen immer mehr Kapitalanleger - insbesondere auch Fondsgesellschaften - we­ gen höherer Renditeerwartungen und einer stärkerer Risikodiversifizierung interna­ tionale Kapitalmärkte in Anspruch.3

Dieser Trend gilt auch für Versicherungsuntemehmen: Deutsche Versicherungsun­ temehmen erschließen nicht nur verstärkt im Ausland neue Märkte und planen den Gang an ausländische Börsen; ausländische Kapitalanleger und Finanzanalysten in­ teressieren sich auch zunehmend für Investitionen in deutsche Versicherungsunter­ nehmen.4 Zur ökonomischen Fundierung dieser Investitionsentscheidungen benöti­ gen die Kapitalanleger Informationen.5 Solche Informationen, z.B. über die Ertrags­ stärke verschiedener Unternehmen, die - auch international - miteinander vergleich­ bar sind, erleichtern die Entscheidung für oder gegen bestimmte Anlagealtemativen.6 Die Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen stellt neben anderen Quellen, wie z.B. Presseberichten, Konjunkturprognosen und Brancheninformationen, einen wichtigen Teil des Informationssystems für Anleger dar.7 Rechnungslegung kann ihrer Aufgabe besser nachkommen, wenn die Basiselemente - den Vokabeln einer

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Vgl. Born, K., Rechnungslegung international, 1997, S. 23; Gidlewitz, H., Internationale Harmonisierung, 1996, S. 36; Hayn, S., International Accounting Standards, 1994, S. 713; Küting, K./Eidel, U., Problematik, 1996, S. 836. Vgl. Gidlewitz, H., Internationale Harmonisierung, 1996, S. 36 f.; Pellens, B., Internationale Rechnungsle­ gung, 1999, S. 12-20. Vgl. Frankenberg, P., Jahresabschlüsse im internationalen Vergleich, 1993, S. 1; Jakobs, W./Schmidt, F., Rechnungslegung nach LAS, 1999, S. 380; Maret, J./Wepler, L., Internationalisierung der Rechnungslegung, 1999, S. 40. Zu der Entwicklung ausländischer Anlagen in Pensionsfonds verschiedener Länder im Zeitablauf vgl. Davis, P., Pension Funds, 1995, S. 143. Vgl. Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 4, mit Verweis auf den geplanten Börsengang der Allianz AG an die New York Stock Exchange. Zur Globalisierung und Internationalisierung der Versicherungsuntemehmen vgl. Präve, P., Globalisierung und Versicherung, 1999, S. 6 - 8. Vgl. Budde, W., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 503; Göbel, S., Internationalisierung, 1999, S. 293; Großfeld, B., Internationalisierung, 1999, S. 155 ff.; Hayn, S., Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 3 - 9; Hommel, M., Internationale Bilanzrechtskonzeptionen, 1997, S. 345; Kagermann, H., Umstellung, 1999, S. 344 ff.; Kleekämper, H./Kuhlewind, A., Organisation, 1997, S. 7, Tz. 9; Ordelheide, D., Internationalisierung, 1996, S. 545; Schildbach, T., Harmonisierung, 1998, S. 1. Vgl. Hommel, M., Internationale Bilanzrechtskonzeptionen, 1997, S. 345; Risse, A., International Accounting Standards, 1996, S. 45. Zur Einstellung deutscher Führungskräfte zur globalen Harmonisierung der Rech­ nungslegung vgl. Glaum, M., HGB versus US-GAAP, 1998, S. 336 ff. Vgl. Kleekämper, H./Kuhlewind, A., Organisation, 1997, S. 7, Tz. 9.

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Einleitung

Sprache vergleichbar - geordnet, eindeutig definiert und von den Gesprächsteilnehmem übereinstimmend verwendet werden.8 Es wird deshalb in zunehmendem Maße eine international vereinheitlichte Rechnungslegung gefordert, die über die Grenzen der Staaten und der Gebiete gewachsener, gemeinsamer Rechnungslegungstraditio­ nen hinaus vergleichbar ist.9 In diesem Zusammenhang sind einerseits die USamerikanischen Rechnungslegungsvorschriften (US-GAAP)10 und andererseits die International Accounting Standards (IAS) in der Diskussion.11 Während die Bedeutung der IAS bisher eher gering war, so spricht doch vieles da­ für, daß die IAS in Zukunft die entscheidende Rolle bei der internationalen Harmo­ nisierung der Rechnungslegung spielen werden.12 So hat die internationale Vereini­ gung der Börsenaufsichtsbehörden (IOSCO) in Aussicht gestellt, ihren Mitgliedern (u.a. der SEC) nach einer Überarbeitung der IAS zu empfehlen,13 einen nach IASVorschriften aufgestellten Jahresabschluß als Zulassungsvoraussetzung für die Bör­ sennotierung ausländischer Unternehmen zu akzeptieren.14 Die SEC erwägt inzwi­ schen, die IAS künftig als Zugangsvoraussetzung zum US-amerikanischen Kapital­ markt anzuerkennen.15 Einige Staaten schreiben bereits jetzt die IAS als alleinige nationale Rechnungslegungsstandards vor,16 anderen dienen sie als Vorlage bei der Entwicklung eigener Rechnungslegungsnormen.17 Unternehmen in einigen Ländern,

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Vgl. Hayn, S., Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 8. Liener, G., Globalisierte Rechnungslegung, 1992, schlägt weltweit vereinheitlichte neue Standards vor: „Worldwide Accepted Principles of Accounting and Disclosure“, S. 281 ff. Vgl. Schildbach, T., Harmonisierung, 1995, S. 2635. Stellvertretend fiir viele: Ballwieser, W., Chancen und Gefahren, 1997, S. 25 ff.; Haller, A., Ziele und Merk­ male US-amerikanischer Rechnungslegung, 1998, S. 3, m.w.N.; Küting, K./Weber, C., Internationale Bilanzie­ rung, 1994, S. 64 ff.; Meyer, C./Spreiter, F., Rechnungslegung der USA, 1999, S. 514 - 518; Niehus, R./Thyll, A., Konzernabschluß nach US-GAAP, 1998; Pellens, B., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 37 ff.; Schildbach, T., Rechnungslegung nach US-GAAP, 1998, S. 55 ff. Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 54; Haller, A., International Ac­ counting Standards Committee, 1993, S. 1297; Scherrer, G., Konzernrechnungslegung, 1994, S. 7. Zur Um­ stellung der Rechnungslegung deutscher Unternehmen auf IAS oder US-GAAP vgl. Auer, K., Umstellung, 1998. Einen Überblick über empirische Studien zur Akzeptanz der IAS gibt Hayn, S., Internationale Rech­ nungslegung, 1997, S. 163 - 169. Zu Umfragen über Bilanzierung von Unternehmen des Neuen Markts nach LAS und US-GAAP vgl. Peemöller, V./Finsterer, H./Neubert, M., Bilanzierung, 1999, S. 1103 ff. Vgl. Auer, K., International harmonisierte Rechnungslegungsstandards, 1997, S. 101. Zu diesem Comparability and Improvements-Projekt vgl. KPMG, International Accounting Standards, 1999, S. 11 ff. Dies bedeutet jedoch keinesfalls eine automatische Anerkennung der IAS an den einzelnen Börsenplätzen. Vgl. Breker, N./Naumann, K./Tielmann, S., Internationalisierung der Rechnungslegung, 1999, S. 187; IDW (Hrsg.), Rechnungslegung nach IAS, 1995, S. 7; Budde, W., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 504; Heurung, R., Internationalisierung der Rechnungslegung, 1999, S. 300. Zum Vergleich von IASC-Standards und USGAAP aus der Sicht des FASB vgl. Bloomer, C., LASC-U.S., 1996. Zum Konzeptentwurf „International Accounting Standards“ des SEC, der die Anerkennung und Verbreitung der IAS bei internationalen Konzernen und deren Adressaten untersuchen soll, vgl. www.sec.gov/news/press/2000-ll.txt. vom 16.02.2000. Z.B. Pakistan, Zypern, Malawi, Malaysia und Simbabwe. Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 97. Dazu zählen Ägypten, Indien, Kenia und Singapur. Vgl. Gidlewitz, H., Internationale Harmonisierung, 1996, S. 157.

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wie z.B. in Belgien, Deutschland,18 Frankreich, Italien und Österreich können unter bestimmten Voraussetzungen einen befreienden lAS-Konzemabschluß aufstellen.19 Das in London ansässige International Accounting Standards Committee (IASC) wurde 1973 von Vertretern von Berufsverbänden der Accountants (Rechnungs­ wesenexperten)20 aus neun Ländern21 gegründet.22 Heute gehören dem IASC ca. 140 Mitglieder aus über 100 Ländern an.23 Ziel des IASC ist es, Rechnungslegungs­ normen zu entwickeln und zu veröffentlichen, die weltweite Anerkennung und Ein­ haltung dieser Normen zu fordern sowie die internationale Harmonisierung der Rechnungslegung zu unterstützen (P. S).24 Zwar haben die IAS in den meisten Län­ dern25 keine unmittelbar rechtlich bindende Wirkung für die rechnungslegenden Unternehmen, aber die nationalen Mitgliedsorganisationen des IASC haben sich verpflichtet, die Durchsetzung der IAS in ihren Heimatländern zu fördern.26

Ein lAS-Abschluß besteht aus einer Bilanz (balance sheet), einer Erfolgsrechnung (income statement), einer Kapitalflußrechnung (cash flow statement), einer Eigen­ kapitalveränderungsrechnung und einem Erläuterungsteil (Anhang), der ergänzende Aufstellungen (u.a. die Segmentberichterstattung) enthält.27 Die IAS werden im Rahmen eines genau definierten Normsetzungsprozesses erarbeitet.28 Bisher29 gibt es ein Preface und ein Framework, die den konzeptionellen Rahmen für die IAS bil­ den, sowie 35 Standards zu bestimmten Themenkomplexen, wie z.B. immaterielle Vermögenswerte, Leistungen an Arbeitnehmer oder Segmentberichterstattung.30 Für Auslegungsfragen der einzelnen Standards wurde ein Standing Interpretations

18 Dies gilt für börsen notierte Mutterunternehmen bis zum 31.12.2004. Vgl. dazu § 292a HGB. 19 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 97. 20 Der Berufsstand der Accountants im angloamerikanischen Sprachraum umfaßt nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern alle Personen, die mit Fragen der Rechnungslegung befaßt sind. Vgl. Demming, C., Grundlagen, 1997, S. 15; Biener, H., Rechnungslegungsempfehlungen, 1993, S. 345. 21 Australien, Frankreich, Deutschland, Japan, Kanada, Niederlande, Mexiko, Vereinigtes Königreich einschließ­ lich Irland und USA. Vgl. Kleekämper, H./Kuhlewind, A., Organisation, 1997, S. 12, Tz. 25. 22 Vgl. Eggloff, F., Bilanzierung, 1999, S. 35; Epstein, B./Mirza, A., IAS 98, 1998, S. 9; Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 94. 23 Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 28. Zu den Organen des IASC vgl. KPMG, International Accounting Standards, 1999, S. 3 - 7. Informationen über die Neuorganisation des IASC können der Homepage des IASC entnommen werden. Vgl. www.iasc.org.uk/news/cen8_096.htm. 24 Vgl. Epstein, B./Mirza, A., IAS 98, 1998, S. 9, IDW (Hrsg.), Rechnungslegung nach LAS, 1995, S. 8. Zur Messung des Harmonisierung und Standardisierungsgrades der externen Rechnungslegung vgl. Krisement, V., Ansätze, 1994. 25 Zu den Ausnahmen vgl. Fn. 17 und 18. 26 Vgl. Selchert, F./Erhardt, M., Internationale Rechnungslegung, 1998, S. 20. 27 Vgl. IAS 1.7, IAS 1.53 ff., IAS 7, IAS 14; Baukmann, D./Mandler, U., International Accounting Standards, 1997, S. 13; Jakobs, W./Schmidt, F., Rechnungslegung nach IAS, 1999, S. 381; KPMG, International Accoun­ ting Standards, 1999, S. 27. 28 Zum genauen Ablauf des Prozesses des standard setting vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 21 f.; Haller, A., International Accounting Standards Committee, 1993, S. 1297; Kleekämper, H./Kuhlewind, A., Organisation, 1997, S. 18 - 20, Tz. 45 ff.; Pellens, B., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 398 f.; Risse, A., International Accounting Standards, 1996, S. 77 f. 29 Stand 1. Juli 2000 30 Vgl. Born, K., Rechnungslegung international, 1997, S. 44 - 47; Pellens, B., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 411 -424.

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Committee (SIC) eingerichtet.31 Die Standards regeln Einzelfragen der Rechnungs­ legung und folgen keiner einheitlichen Systematik.32 Sie sind grundsätzlich allge­ meinverbindlich, d.h. es gelten weder Branchen- noch rechtsformabhängige Sonder­ regelungen oder größenabhängige Erleichterungen.33 Zur Zeit gibt es nur einen Standard, der sich mit einer speziellen Branche befaßt, nämlich den IAS 30 für Kre­ ditinstitute und ähnliche Institutionen.34 Dieser dominiert als „lex specialis“ abwei­ chende allgemeine IASC-Vorschriften. Der gesonderte Standard für Kreditinstitute wird mit den Informationsbedürfhissen der Adressaten über die speziellen Merk­ male der Tätigkeiten von Kreditinstituten, den besonderen Charakteristika der Bankgeschäfte und den typischen Bankrisiken (Liquiditäts-, Währungs-, Marktpreis­ risiken sowie Zinsänderungs- und Ausfallrisiken) gerechtfertigt (IAS 30.6 und 30.7).35

Für Versicherungsuntemehmen gibt es derzeit noch keinen speziellen IAS. Wegen der besonderen Natur des Versicherungsgeschäftes, das zu Strom- und Bestands­ größen einmaliger Ausprägung fuhrt, benötigen auch Versicherungsuntemehmen einen besonderen Standard, der diese speziellen Gegebenheiten berücksichtigt.36 Die Notwendigkeit der Festlegung eigener Normen für Versicherungsuntemehmen wird auch daran deutlich, daß VersicherungsVerträge aus dem Anwendungsbereich einiger IAS explizit ausgeschlossen sind (z.B. LAS 18.6 c, 25.3 g, 32.1 f). Außer­ dem besteht seitens der Versicherungsuntemehmen u.a. wegen der zunehmenden Internationalisierung des Versicherungsgeschäftes ein Bedarf an IAS-Normen für Versicherungsuntemehmen. Bereits jetzt bereiten sich einige deutsche Versicherungskonzeme auf die Aufstellung und Veröffentlichung von Konzemabschlüssen nach IAS vor.37 So hat die Allianz Aktiengesellschaft bereits für das Geschäftsjahr 1998 einen Konzemabschluß nach IAS vorgelegt, bei dem die fehlenden versiche­ rungsspezifischen IAS-Bestimmungen durch die jeweils passenden US-GAAP er­ setzt wurden.38 Auch die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, die Aachener und Münchener Versicherung Aktiengesellschaft, der Gerling-Konzem und die Ergo Versicherungsgruppe Aktiengesellschaft beabsichtigen die Aufstellung ihres Kon­ zemabschlusses nach IAS.39

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Vgl. Auer, K., IAS versus HGB, 1999, S. 2. Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 210. Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeption, 1997, S. 31, Tz. 15. Vgl. Krumnow, J., IAS 30, 1997, S. 1186, Tz. 1. Vgl. Locke, J., IAS 30,1997, S. 735. Zu einem Überblick über den IAS 30 vgl. Bellavite-Hövermann, Y./Prahl, R., Bankbilanzierung nach IAS, 1997, S. 25 ff. und Hirsch, R., International Accounting Standards, 1998, S. 56 ff.; Krumnow, J., IAS 30, 1997, S. 1185 ff. Vgl. Säglitz, H., Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1998, V 7; Noack, O., Versicherungsbi­ lanzrichtlinie, 1997, S. 199. Vgl. Fourie, D., Renditevergleiche, 1999, S. 1526; Fourie, D./Lang, C., Implementierung von IAS, 2000, S. 246. Vgl. Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 4. Vgl. Website des IASC 2000: www.iasc.org.uk/frame/cenl_7.htm vom 24.03.2000.

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Ein IAS „Insurance“ wird derzeit entwickelt und soll bis zum Jahr 2003 verabschie­ det werden. Bis Ende 2000 soll eine Arbeitsgruppe (Steering Committee)40 des IASC für diesen IAS einen ersten Entwurf (Draft Statement of Principles) vorle­ gen.41 Die bisherige Diskussion des Steering Committee zum IAS „Insurance“ ist im Dezember 1999 in einem umfangreichen „Issues Paper“ veröffentlicht worden, das die Auffassung des Steering Committee zum gegenwärtigen Stand darstellt.42 Der künftige IAS „Insurance“ soll das direkte und das indirekte Geschäft sowie das Ge­ schäft der Captive-Versicherer, die Lebens-, Kranken-, Schaden- und Unfallversi­ cherung sowie Investmentprodukte im Versicherungsbereich behandeln.43 Ein Ver­ sicherungsvertrag soll dabei als Vertrag definiert werden, bei dem sich eine Seite (der Versicherer) verpflichtet, ein versicherungstechnisches Risiko zu übernehmen und der anderen Seite (dem Versicherungsnehmer) eine Zahlung zu leisten, wenn ein bestimmtes zukünftiges Ereignis eintritt. Ein solches Ereignis darf allerdings nicht nur aus der Änderung von Preisen oder Indizes bestehen.44 Ein versicherungs­ technisches Risiko ist vorhanden, sofern entweder die Höhe oder der Zeitpunkt (oder beides) der Zahlung des Versicherers direkt von der Höhe des versicherten Schaden und dessen Eintrittszeitpunkt abhängt.45 Diese Definition von „Versiche­ rungsvertrag“ umfaßt weder Kapitalanlageprodukte ohne versicherungstechnisches Risiko noch Derivate, die ausschließlich Preis- oder ähnlichen Risiken unterliegen, noch die Selbstversicherung.

1.2

Besonderheiten der Geschäftstätigkeit von Versicherungsunternehmen

Rechnungslegungsvorschriften sind abhängig von den spezifischen Leistungsprozes­ sen einer Branche zu erarbeiten.46 Im folgenden sollen deshalb Besonderheiten der Geschäftstätigkeit von Versicherungsuntemehmen aufgezeigt werden, die die Ent­ wicklung eines eigenen IAS „Insurance“ für Versicherungsuntemehmen bzw. Versicherungsverträgeverträge notwendig machen. Diese Besonderheiten sind in erster Linie auf den versicherungsspezifischen Produktionsprozeß mit dem Risikogeschäft 40 Ein Steering Committee ist eine zeitlich begrenzte Arbeitsgruppe, die Vorschläge zur inhaltlichen Gestaltung von IAS entwickelt. Die Mitglieder des Steering Committee des LAS „Insurance“ kommen aus folgenden Län­ dern: Australien, UK (2), USA (2), Niederlande, Japan, Deutschland, Frankreich. 41 Diskussionspapier des Steering Committee, in dem alle relevanten Rechnungslegungsgrundsätze, die später einen Standard bilden können, kommentiert sind. 42 Vgl. Kölschbach, J., Versicherungsbilanzen, 2000, S. 433. 43 Zu Captive Insurance Companies vgl. Hets, S., Captive Insurance Company, 1995, und Großer, C., Captives, 1997, S. 438 ff. 44 Im Vorfeld wurde diskutiert, ob als Anwendungsbereich Versicherungsuntemehmen oder -Verträge vorgegeben werden sollten. Schließlich wurde eine Entscheidung zugunsten der Versicherungsverträ­ ge getroffen, weil sich Schwierigkeiten ergaben, eine umfassende, weltweit einheitlich verwendbare Definition von Versicherungsunternehmen zu entwickeln. Dies ermöglicht eine konsistente Abbildung gleichartiger Sach­ verhalte für alle Unternehmen. 45 Vgl. Vorläufiges Diskussionspapier (Issues Paper) zum IAS „Insurance“, Scope no. 25. 46 Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 4.

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als Kem zurückzufuhren. Dieses besteht aus dem entgeltlichen Transfer einer Wahr­ scheinlichkeitsverteilung von Schäden vom Versicherungsnehmer zum Versiche­ rungsuntemehmen.47 Das Grundprinzip der Versicherungsschutzproduktion liegt in der Übernahme zahlreicher Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Schäden und deren Ausgleich im Kollektiv und im Zeitablauf durch den Versicherer.48 Daran wird das arteigene Risiko von Versicherungsuntemehmen deutlich. Während sich bestimmte Risikokomponenten im Versicherungsuntemehmen ihrer Art nach nicht von denje­ nigen anderer Wirtschaftszweige unterscheiden, wie z.B. das Kursrisiko der Aktien im Kapitalanlagebestand, ist das versicherungstechnische Risiko49 zentraler Be­ standteil des versicherungsspezifischen Produktionsprozesses und als Branchenspe­ zifikum von Versicherungsuntemehmen zu betrachten.50 Das versicherungstechni­ sche Risiko wird durch das versicherungstechnische Fremdkapital in der Bilanz be­ rücksichtigt.51

Der Kem der Tätigkeit des Versicherungsuntemehmens ist im allgemeinen durch die versicherungsspezifische Zahlungsstromstruktur, den Zufluß fester, im voraus ge­ zahlter Prämieneinzahlungen und den zufallsabhängigen, nachgelagerten Abfluß von Schadenauszahlungen gekennzeichnet.52 Die Produktion von Versicherungsschutz ist häufig mit Spar- und Entspargeschäften verbunden. Ein Spargeschäft liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer Sparbeträge an den Versicherer zahlt und dieser sich verpflichtet, das daraus gebildete Kapital zu verzinsen und zu einem bestimm­ ten Zeitpunkt an den Versicherungsnehmer zurückzuzahlen. Ein Entspargeschäft liegt vor, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer das überlassene Kapital einschließlich Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlt.53 Die Vorausfmanzierung durch Prämien und das Spar-/Entspargeschäft fuhrt durch die Reihenfolge Kapitalfreisetzung vor Kapitalbindung54 zu einer spezifischen Kapitalstruktur, die nicht durch die in anderen Wirtschaftszweigen üblichen Formen der Fremdfmanzierung, sondern durch eine Finanzierung durch die Versicherungsnehmer geprägt ist.55 Daraus resul­ tiert auch das für Versicherungsuntemehmen besonders bedeutsame Kapitalanlage­ geschäft.56 Das Sachanlagevermögen spielt im Vergleich zu industriellen Betrieben bei Versicherungsuntemehmen dagegen kaum eine Rolle.57

Versicherungsschutz ist immaterieller Natur und kann deshalb nicht gelagert wer­ den. Er besitzt keine Substanz, die seine Eigenschaften verkörpert, und wird in 47 Vgl. Kromschröder, B., Besonderheiten, 1994, S. 772. 48 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 14. 49 Zum versicherungstechnischen Risiko vgl. Karten, W., Schwankungsrückstellung, 1988, S. 764; Albrecht, P./Schwake, E., Versicherungstechnisches Risiko, 1988, S. 651 ff. 50 Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 202 f. 51 Vgl. Schimmelpfeng, K., Kostenträgerrechnung, 1995, S. 11. 52 Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb I, 1997, S. 60. 53 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 41. 54 Vgl. Kromschröder, B., Besonderheiten, 1994, S. 772. 55 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 106. 56 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 146. 57 Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb I, 1997, S. 60.

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wahrnehmbarer Form durch Informationen (Daten) abgebildet.58 Versicherungs­ schutz als immaterielles Produkt konkretisiert sich vorwiegend durch Geldzahlungen im Versicherungsfall.59 Das Nominalgut Geld hat aus diesem Grund im Produkti­ onsprozeß des Versicherungsuntemehmens nicht nur als Zahlungsmittel bei der Be­ schaffung von Produktionsfaktoren, sondern als eigener Produktionsfaktor besonde­ re Bedeutung.60 Die angemessene Abbildung der Zahlungsströme im Versiche­ rungsuntemehmen ist in der Versicherungsrechnungslegung deshalb sehr wichtig.61

Das einzelne Versicherungsgeschäft und der gesamte Versicherungsbestand haben eine zeitliche Dimension, weil das Gut Versicherungsschutz durch kontinuierliche, permanente Produktionsprozesse hergestellt wird.62 Die Langfristigkeit der Versi­ cherungsverträge und die Zeitraumbezogenheit des Versicherungsgeschäfts sind häufig mit einer Divergenz von Leistungszeitraum und Bilanzperiode verbunden. Das zeitliche Auseinanderfallen von Prämienzahlung, Vertragslaufzeit und Schaden­ auszahlung führt zu schwierigen Rechnungsabgrenzungsproblemen bei der Zurech­ nung der Zahlungsströme als Erfolgskomponenten auf die einzelnen Rechnungsperi­ oden.63 Die Rechnungsabgrenzung fuhrt an jedem Bilanzstichtag zu einer Vielzahl schwebender Geschäfte, deren Abbildung im folgenden u.a. zu klären ist.64

1.3

Ziel und Abgrenzung der Untersuchung

Das Ziel der Untersuchung ist es, konkrete Gestaltungsempfehlungen für die Er­ folgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach International Accounting Stan­ dards zu entwickeln. Die IAS-Normen für Geschäftsvorfälle im Versicherungsun­ temehmen sollen im Rahmen einer Gesamtkonzeption abgeleitet werden, die auf der Zielsetzung von Jahresabschlüssen nach IAS, der Vermittlung von entscheidungs­ relevanten Informationen, beruht. Diese Zielsetzung ist im Framework, dem theore­ tischen Unterbau zu den IAS, der u.a. zur Ableitung neuer Standards dient, festge­ legt.65

Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden die Ermittlung und der Ausweis des „richtigen“ Periodenerfolgs; das Problem der Ermittlung und des Ausweises des „richtigen“ Vermögens steht dementsprechend nicht im Vordergrund. Bilanzfragen werden nur insofern behandelt, als sie für einen periodengerechten Erfolgsausweis von Bedeutung sind. Dies entspricht dem deferral and matching-Prinzip, das den 58 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 152. 59 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 106. 60 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 145; Geib, G., Kapitalflußrechnungen von Versiche­ rungsunternehmen, 1998, S. 164. 61 Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 4. 62 Vgl. Farny, D., Produktions- und Kostentheorie, 1988, S. 553. 63 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 106. 64 Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 153. 65 Vgl. Auer, K., International harmonisierte Rechnungslegungsstandards, 1997, S. 107; Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 209.

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Fokus auf den periodengerechten Erfolgsausweis legt, und nicht dem asset and lia­ bility measurement-Prinzip, bei dem der richtige Bilanzausweis im Mittelpunkt der Überlegungen steht.66 Der Grund für diese Vorgehens weise ergibt sich aus den An­ sätzen zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung, bei denen die Bedeutung des Periodenerfolgs für Investoren deutlich wird,67 und der der ge­ samten IAS-Rechnungslegung zugrunde liegenden Grundannahme der periodenge­ rechten Erfolgsermittlung im Framework zu den IAS (F. 11).68

Um den Umfang der zu behandelnden Fragen einzuschränken, wird ausschließlich die Erfolgsrechnung von Schaden- und Unfallversicherungsuntemehmen diskutiert. Spezifische Probleme der Erfolgsrechnung von Lebensversicherungsuntemehmen werden ausgeklammert. Das gleiche gilt auch für Fragen bezüglich der in einen Konzemabschluß einzubeziehenden Unternehmen (Konsolidierungskreis) und Fra­ gen bezüglich der Konsolidierung des Jahresabschlusses von Versicherungsunter­ nehmen. Hier sind die allgemeinen Regelungen der IAS anzuwenden. Der Vorschlag für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsunter­ nehmen ist unabhängig vom derzeit in Entwicklung befindlichen International Accounting Standard „Insurance“ (er ist auch unabhängig von den entsprechenden Diskussionspapieren und Vorentwürfen), weil die Überlegungen zur Entwicklung des Standards „Insurance“ noch ganz am Anfang stehen und deshalb zu starken Än­ derungen unterworfen sind. Der Vorschlag basiert ausschließlich auf der Informati­ onsfunktion der Rechnungslegung, wie sie in der Literatur diskutiert wird und im Framework zu den IAS definiert ist. Die jeweiligen Sachverhalte sollen im Rahmen dieser Gesamtkonzeption untersucht werden. Ziel ist es deshalb auch, Anregungen für die weitere Arbeit am Standard „Insurance“ zu liefern. Im Gegensatz zum Vorentwurf für den Standard „Insurance“ wird bei der Untersu­ chung auch nicht auf Versicherungs Verträge abgestellt, sondern auf die Erfolgsströ­ me im Versicherungsuntemehmen. Das Steering Committee hat sich für Versiche­ rungsverträge entschieden, weil Schwierigkeiten bestehen, eine umfassende Defini­ tion von „Versicherungsuntemehmen“ zu entwickeln, und sich Überschneidungs­ probleme mit anderen IAS ergeben. Meines Erachtens ist jedoch das Abstellen auf Versicherungsuntemehmen vorzuziehen, weil diese im Gegensatz zu Versiche­ rungsverträgen in Deutschland und auch anderen Ländern per Gesetz69 definiert sind und damit eindeutiger abgrenzbar sind als Versicherungs Verträge.

66 Die bisher vom Steering Committee unterbreiteten Vorschläge für den IAS „Insurance“ beruhen auf dem asset and liability measurement-Prinzip und kommen dementsprechend zu anderen Ergebnissen als der hier zu ent­ wickelnde Vorschlag. 67 Vgl. dazu Abschnitt 2.2.4.2.1 dieser Untersuchung. 68 Vgl. Baetge, J./Beermann, T., Bilanzierung von Vermögenswerten, 1998, S. 155; Biener, H., Rechnungsle­ gungsempfehlungen, 1993, S. 349. 69 Zur Definition nach deutschen Vorschriften vgl. § 7 VAG.

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Es ist nicht Ziel dieser Untersuchung, Verbesserungsvorschläge für andere Interna­ tional Accounting Standards zu machen. Wenn es Berührungspunkte zwischen dem IAS „Insurance“ und anderen IAS gibt, wie z.B. bei den Erträgen und Aufwendun­ gen aus der Kapitalanlage, so werden diese anderen Standards nicht auf ihre Ent­ sprechung mit der Informationsfunktion der Rechnungslegung hin analysiert, son­ dern lediglich in ihrer bestehenden Form für die weitere Diskussion zugrunde gelegt.

1.4

Vorgehensweise und Aufbau der Untersuchung

Aus der Zielsetzung ergibt sich folgender Aufbau der Untersuchung. Im zweiten Kapitel wird zur theoretischen Fundierung der Vorschläge für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen vom Zweck der Rechnungslegung nach dem Framework zu den IAS ausgegangen: der Vermittlung entscheidungsrele­ vanter Informationen für Investoren. Die Informationsfunktion der Rechnungslegung wird als Kriterium zur Ausgestaltung von IAS-Normen für Versicherungsuntemeh­ men herangezogen. Diese und speziell die Entscheidungsrelevanz von Informationen soll mit Hilfe informationsökonomischer, kapitalmarkttheoretischer und empirisch­ induktiver Ansätze operationalisiert werden. Dazu werden die in der Literatur reich­ haltig vorhandenen Forschungsansätze zur Informationsfunktion der Rechnungsle­ gung ausgewertet. Anschließend ist die Informationsfunktion der Rechnungslegung im Rahmen der Konzeption der IAS zu konkretisieren. Die Ergebnisse zur Informa­ tionsfunktion der Rechnungslegung bilden den Ausgangspunkt der folgenden Über­ legungen und sollen zur Lösung von konkreten Abbildungsproblemen in der Erfolgs­ rechnung von Versicherungsuntemehmen beitragen.

Im dritten Kapitel wird mit Hilfe der im zweiten Kapitel abgeleiteten Kriterien für entscheidungsrelevante Informationen die Ermittlung des Erfolgs von Versiche­ rungsuntemehmen nach IAS diskutiert. Soweit die Erfolgsermittlung vom Ansatz der Aktiva und Passiva in der Bilanz abhängig ist, z.B. bei der Aktivierung von Abschlußkosten oder bei der Passivierung bestimmter versicherungsspezifischer Rückstellungsarten wie der Schwankungsrückstellung, wird dieser im dritten Kapitel festgelegt. Außerdem werden Zuordnungsregeln für die Periodisierung der Zah­ lungsströme auf die verschiedenen Rechnungsperioden, z.B. der Prämieneinnahmen, der Schadenausgaben und der Betriebsaufwendungen des Versicherungsuntemehmens, abgeleitet (Abbildungsobjekte). Der Umfang der Literatur zur Versicherungs­ rechnungslegung ist im Gegensatz zur Literatur über die Informationsfunktion der Rechnungslegung sehr beschränkt. Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zum Jahresabschluß von Versicherungsuntemehmen sind nur in geringer Zahl zu finden und beziehen sich in der Regel auf Detailprobleme.70 Soweit die Literatur lediglich deutsches oder US-amerikanisches Recht wiedergibt, ohne konzeptionelle Fragen zu

70 Vgl. Geleitwort von Prof. Dr. Michael Bitz zur Dissertation von Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. V.

30

Einleitung

behandeln, ist sie zur Ableitung eines eigenen Standards für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS nicht geeignet. Inhalt des vierten Kapitels ist der Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemeh­ men nach IAS. Dazu werden die grundsätzlichen Möglichkeiten der Abbildung der Sachverhalte in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen dargestellt (Abbildungsprinzipien) und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile im Hinblick auf die Informationsfunktion der Rechnungslegung geprüft. Daraus werden Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS gezogen, die jeweils in eine konkrete Entscheidung für ein bestimmtes Abbildungs­ prinzip münden und dieses u.U. modifizieren. Im fünften Kapitel wird aufbauend auf den vorhergehenden Überlegungen ein kon­ kreter Vorschlag für die Ausgestaltung einer Erfolgsrechnung für Versicherungsun­ temehmen nach IAS abgeleitet. Dabei sind neben den genannten Abbildungsobjek­ ten und -prinzipien auch allgemeine Ausweisvorschriften der IAS zu beachten. In diesem Kapitel, das gleichzeitig das Schlußkapitel darstellt, werden die wesentli­ chen Ergebnisse der Untersuchung in dem Vorschlag der Erfolgsrechnung für Versi­ cherungsuntemehmen zusammengefaßt.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

31

2

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung als Kriterium zur Ausgestaltung eines IAS für Versicherungsunternehmen

2.1

Die Bedeutung der Informationsfunktion der Rech­ nungslegung im Framework zu den IAS

Grundlage einer Gesamtkonzeption für die Erarbeitung eines International Accounting Standards „Insurance“ ist die Zielsetzung von Jahresabschlüssen, die im Framework1 zu den IAS definiert ist. Dort heißt es: „The objective of financial statements is to provide information about the financial position, performance and changes in financial position of an enterprise that is useful to a wide range of users in making economic decisions.“ (F. 12)

Oberstes Ziel der Rechnungslegung nach IAS ist also die Vermittlung von Informa­ tionen für verschiedenartige Jahresabschlußadressaten, z.B. Investoren, Arbeitneh­ mer, Kreditgeber, Lieferanten, Kunden, staatliche Stellen sowie die Öffentlichkeit (F. 9).2 Angesichts der unterschiedlichen Informationsbedürfnisse dieser Adressaten wird im Framework die Annahme getroffen, daß die Informationsbedürfhisse der Investoren, die Risikokapital zur Verfügung stellen, auch denjenigen der anderen Jahresabschlußleser entsprechen (F. 10).3 Die IAS orientieren sich damit stark an den Informationswünschen der Gruppe der Investoren.4 Als Ziel der Rechnungslegung nach IAS wird neben der allgemeinen Informations­ bereitstellung auch die Funktion der Rechenschaftslegung durch das Management erwähnt (F. 14). Den Investoren sollen entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung gestellt werden, um Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Anteilen (Aktien) oder die Entlassung bzw. Weiterbeschäftigung des Managements treffen zu können. Außerdem wird den Eigenkapitalgebem ein Interesse an Infor­ mationen über die Fähigkeit des Unternehmens, in Zukunft Dividenden auszuschüt­ ten, unterstellt (F. 9 a). Den Eigenkapitalgebem sollen also allgemein zugängliche,

2

3 4

Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements Vgl. Baukmann, D./Mandler, U., International Accounting Standards, 1997, S. 5. Altenburger, O., IASkonforme Jahres- und Konzernabschlüsse, 1999, S. 538, hebt hervor, daß die Informationsftmktion der Rech­ nungslegung nach dem Framework zu den IAS weniger durch andere Funktionen der Rechnungslegung beein­ trächtigt wird als bei anderen Rechnungslegungssystemen. Moxter, A., IAS-konforme Jahres- und Konzernabschlüsse, 1999, S. 501, nimmt an, daß der Grundsatz des shareholder value das entscheidende Steuerungskriterium bildet. Vgl. Auer, K., International harmonisierte Rechnungslegungstandards, 1997, S. 119; Förschle, G./Kroner, M./Mandler U., Internationale Rechnungslegung, 1994, S. 96; Gidlewitz, H., Internationale Harmonisierung, 1996, S. 187; Goebel, A., Konzernrechnungslegung, 1994, S. 2458; Hayn, S., Die International Accounting Standards, 1994, S. 719.

32

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

zuverlässige und vergleichsfähige Daten als Informationsbasis für ihre Kapitalanla­ ge- und Untemehmensfühmngsentscheidungen geliefert werden.5 Die Interessen der Eigenkapitalgeber (Aktionäre)6 von Versicherungsuntemehmen unterscheiden sich dabei nicht von denjenigen von Eigenkapitalgebem anderer Unternehmen.7

Durch die Bereitstellung von Informationen soll z.B. auch der Schutz von Gläubi­ gerinteressen erreicht werden (F. 15). Wegen der normalerweise guten Ausstattung mit Eigenkapital und des Zuflusses von versicherungstechnischem Kapital haben Versicherungsuntemehmen nur sehr selten Fremdkapitalgeber im üblichen Sinn.8 Hauptkreditgeber eines Versicherungsuntemehmens - wenn auch nicht im klassi­ schen Sinn zu verstehen - sind die Kunden, die Versicherungsnehmer. Die Stellung der Versicherungsnehmer als Kreditgeber der Versicherungsuntemehmen resultiert aus den im Regelfall im voraus zu zahlenden Prämien und aus den mit den Spar/Entspargeschäften zufließenden Sparbeträgen. Viele Versicherungsnehmer sind durch langfristige Verträge an das Versicherungsuntemehmen gebunden und sind damit deren Dauerkreditgeber bzw. -gläubiger.9 Versicherungsnehmer in ihrer Funktion als Kreditgeber haben deshalb, wie auch Kreditgeber im allgemeinen, in erster Linie Interesse an solchen Informationen, mit Hilfe derer sie beurteilen kön­ nen, ob ihre Kredite und die damit verbundenen Zinsen bei Fälligkeit zurückgezahlt werden können (F. 9 c). Im Vordergrund des Informationsinteresses der Versiche­ rungsnehmer als Kunden (Schuldner der Prämien und Gläubiger des Versicherungs­ schutzes) stehen deshalb die Sicherheit der Vertragserfüllung und die Bonität und Leistungsstärke des Versicherungsuntemehmens.10 Im Gegensatz zur deutschen Rechnungslegungstradition soll z.B. das Ziel des Gläubigerschutzes nicht durch vor­ sichtige Gewinnermittlung (Vorsichtsprinzip) erreicht werden, sondern durch die Bereitstellung möglichst umfassender und klarer Informationen.11 Die Informations­ empfänger werden damit als zu rationalen Entscheidungen befähigte Akteure gese­ hen, die aus den gebotenen Informationen ihre eigenen Schlüsse ziehen können, und nicht als Objekt paternalistischer Fürsorge, die durch die Bildung von stillen Reser­ ven geschützt werden müßten.12

5

Vgl. Hax, H., Rechnungslegungsvorschriften, 1988, S. 190; Kleekämper, H., Rechnungslegung aus der Sicht des IASC, 1994, S. 49. 6 Der Begriff „Eigenkapitalgeber“ wird It. F. 9 a synonym zu dem Begriff .Aktionäre“ verwendet. 7 Zu den Adressaten der externen Rechnungslegung von Versicherungsuntemehmen vgl. Hesberg, D., Rech­ nungswesen im Versicherungsbetrieb I, 1997, S. 4, und Angerer, A., Rechnungslegung, 1988, S. 594. 8 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 712. 9 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 15. 10 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 99. 11 Vgl. dazu die Formulierung in F. 15, letzter Satz; ähnliche Gedanken finden sich schon bei Stützel, W., Be­ merkungen zur Bilanztheorie, 1967, S. 337 f. Zur Bedeutung der Ausschüttungsbemessungsfunktion nach IAS siehe auch Breker, N./Naumann, K./Tielmann, S., Internationalisierung der Rechnungslegung, 1999, S. 143. 12 Vgl. Ballwieser, W., Nutzen, 1996, S. 15.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

33

Regierungen und ihre Behörden benötigen Informationen, um z.B. die Tätigkeiten von Unternehmen zu regulieren und die Steuerpolitik festzulegen (F. 9 f). Bei Versi­ cherungsuntemehmen sind in diesem Zusammenhang besonders die Versicherungs­ aufsichtsbehörden von Bedeutung. Diese haben regelmäßig Interesse an Informatio­ nen über Versicherungsuntemehmen, weil es zu den staatlichen Aufgaben gehört, die Belange der Versicherungsnehmer zu wahren, die Funktionsfähigkeit der Versi­ cherungswirtschaft sicherzustellen und Mißstände im Versicherungs wesen zu ver­ hindern oder zu beseitigen.13 Die Aufsichtsbehörden benötigen dazu umfangreiche Informationen über die wirtschaftliche Lage der Versicherungsuntemehmen, die sie i.d.R. über ein gesondertes Rechnungslegungssystem erhalten. In den USA sind dies beispielsweise die Statutory Accounting Principles (SAP). Bei diesen steht die Schuldendeckungsfähigkeit des Vermögens der Versicherungsuntemehmen zur Ab­ sicherung der Ansprüche der Versicherungsnehmer im Vordergrund. Vermögensge­ genstände und Schulden werden eher auf der Basis von Liquidations- bzw. Zer­ schlagungswerten bewertet als zu Fortführungswerten.14 Da die Versicherungsauf­ sicht weiterhin Aufgabe der einzelnen Länder sein wird und eigenständige Normen für die interne Rechnungslegung von Versicherungsuntemehmen den Aufsichtsbe­ hörden gegenüber bestehen werden, sind diese nicht die Hauptadressaten der Versi­ cherungsrechnungslegung nach IAS. Die externe Rechnungslegung von Versiche­ rungsuntemehmen nach IAS kann dennoch eine ergänzende Informationsquelle für die Aufsichtsbehörden darstellen.

2.2

Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung

2.2.1

Systematisierung der verschiedenen Ansätze

Das dominierende Ziel der Rechnungslegung nach IAS ist die Informationsfunktion. Zentrales Merkmal der Informationsfunktion ist laut IAS die decision usefulness, d.h. die Entscheidungsrelevanz der gelieferten Informationen. Dabei wird implizit davon ausgegangen, daß Rechnungslegungsinformationen für Kapitalanleger für künftige Entscheidungen von Nutzen sind. Wie sollen solche Daten beschaffen sein? Was bedeutet die Entscheidungsrelevanz konkret? Welches theoretische Konzept steht hinter der Informationsfunktion der Rechnungslegung?15 Die Beantwortung dieser Fragen ist von wesentlicher Bedeutung, weil alle konkreten Vorschläge für eine Ausgestaltung der Rechnungslegung bzw. der Erfolgsermittlung von Versiche-

13 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 94. 14 Vgl. Troxel, T./Bouchie, G., Property-Liability Insurance Accounting, 1995, S. 3. 15 Die Auslegung des Begriffs „decision usefulness“ ist schwierig, weil die IAS-Vorschriften durch Verhand­ lungsprozesse zustande gekommen sind und kein geschlossenes Normensystem darstellen, das rechtssystema­ tisch eindeutig einzuordnen wäre. Vgl. Achleitner, A./Kleekämper, H., IASC, 1997, S. 121; Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 213.

34

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

rungsuntemehmen an dem Kriterium Informationsfunktion gemessen werden müs­ sen. Im folgenden steht deshalb die Suche nach einem theoretischen Fundament der Informationsfunktion der Rechnungslegung im Mittelpunkt. Ziel ist eine Objektivie­ rung und Operationalisierung der Informationsfunktion mit Hilfe informationsöko­ nomischer, kapitalmarktorientierter und empirisch-induktiver Ansätze.

Es gibt bisher zwar zahlreiche Versuche, die unterschiedlichen Bereiche der Rech­ nungslegungsforschung zu strukturieren, eine allgemein anerkannte Einteilung der Forschungsansätze konnte sich aber bisher noch nicht durchsetzen.16 Angesichts der Anzahl der theoretischen und empirischen Ansätze, die sich mit der Theorie der Rechnungslegung beschäftigen, ist eine Diskussion aller Ansätze im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich.17 Bei der Auswahl der diskutierten Ansätze erfolgt eine Ein­ schränkung auf solche, aus denen konkrete Schlußfolgerungen für die Ausgestaltung neuer Rechnungslegungsstandards gezogen werden können.18 Grundsätzlich ist eine Einteilung der Ansätze in theoretische und empirische möglich. Rein theoretische Ansätze sind solche der Informationsökonomie, die auf volkswirtschaftlichen Theo­ rien basieren und die Bedeutung von Informationen in verschiedenen Kontexten (In­ dividual-, Mehrpersonenkontext, Agency-Theorie) untersuchen. Empirische Ansät­ ze, die zum Inhalt haben, Ereignisse der realen Welt zu erfassen und zu erklären, gibt es in zwei Ausprägungen: einerseits als Ansätze, die auf Theorien basieren und mit Hilfe empirischer Daten überprüft werden, und andererseits als Ansätze, bei de­ nen Theorien aus den empirischen Daten abgeleitet werden. Letztere werden im Zu­ sammenhang mit dieser Arbeit als empirisch-induktiv bezeichnet. Rein empirisch­ induktive Ansätze sind z.B. solche, die Rechnungslegungsadressaten nach ihren In­ formationswünschen befragen. Die Ansätze, die auf den Kapitalmarkt ausgerichtet sind, können teilweise unter die theoretischen und teilweise unter die empirischen Ansätze subsumiert werden. Es ergeben sich dann jedoch Schwierigkeiten, weil sich zwischen theoretischen und empirischen Fragestellungen bei den kapitalmarktorien­ tierten Ansätzen so enge Zusammenhänge ergeben, daß eine getrennte Diskussion als nicht sinnvoll erscheint. Deshalb werden im folgenden alle Ansätze, die den Ka­ pitalmarkt explizit in die Untersuchungen einbeziehen, von den rein informations­ ökonomischen theoretischen und den rein empirischen theorielosen Ansätzen ge­ trennt.19

16 Zu den Systematisierungsversuchen der Theorie- und Forschungsansätze zur Rechnungslegung in der Literatur vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 97 ff. 17 Zu einem guten Literaturüberblick mit weiteren Nachweisen vgl. Böcking, H., Rechnungslegung und Kapital­ markt, 1998, S. 19-31. 18 Zu einem Gesamtüberblick über die Accounting Theories vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 77 - 196; Hendriksen, E./VanBreda, M., Accounting Theory, 1992. 19 Die vorliegende Systematisierung kommt so in der Literatur nicht vor, weil eine Auswahl der verschiedenen Ansätze unter dem speziellen Aspekt der Eignung für die Ableitung neuer Rechnungslegungsstandards unter Berücksichtigung der Informationsfunktion vorgenommen wurde.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

2.2.2

Informationsökonomische Ansätze

2.2.2.1

Überblick

35

Informationsökonomie im weiteren Sinn bezeichnet alle Forschungsgebiete, die sich mit den Auswirkungen unterschiedlicher Informationsbedingungen auf die Funkti­ onsweise ökonomischer Systeme (Unternehmen, Märkte, Gesamtwirtschaft) be­ schäftigen.20 Gegenstand der Informationsökonomie, die sich in den 60er und 70er Jahren hauptsächlich aus der Entscheidungstheorie heraus entwickelt hat, sind Indi­ vidual- und Mehrpersonenentscheidungen unter Unsicherheit.21 Die Informations­ ökonomie sucht nach Aussagen darüber, welche Veränderungen verfügbare Infor­ mationen im Entscheidungskalkül von Individuen und Gruppen bewirken und unter welchen Voraussetzungen diese Veränderungen für den einzelnen und gesamtgesell­ schaftlich vorteilhaft sind.22 Dies geschieht besonders unter dem Blickwinkel der Nachfrage nach Informationen auf Basis von Kosten- und Nutzenanalysen.23 Daneben erfaßt die Informationsökonomie Forschungsansätze, die den Nutzen von Informationen in Vertrags Verhältnissen (z.B. zwischen Eigenkapitalgebem und dem Management) mit Hilfe der Agency-Theorie untersuchen. Der Informationsökonomie ist es noch nicht gelungen, eine allgemeingültige Theorie zu formulieren, mit Hilfe derer alle auftretenden Fragestellungen geklärt werden könnten. Es wurden aber einige Modelle entwickelt, die interessante Ergebnisse hervorgebracht haben.24 Im folgenden sollen diejenigen Aussagen der InformationsÖkonomie dargestellt werden, die helfen können, Hinweise auf die Nützlichkeit und Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen im Individual- und Mehrpersonenkontext sowie im Agency-theoretischen Kontext zu geben. Die Ana­ lyse ist dabei nicht auf Rechnungslegungsinformationen beschränkt, sondern gilt für Informationen jeglicher Art. Rechnungslegung wird nur als ein spezielles Informati­ onssystem gesehen, mit dem Unsicherheit und Informationshindemisse überwunden werden können, das aber mit anderen Informationssystemen konkurriert und dessen Wahl ökonomisch begründbar sein muß.25 Da der grundlegende Zweck von Infor­ mationssystemen die Bereitstellung von Informationen für Informationsempfänger ist, sind Inhalte, Formen, Orte und Zeitpunkte der Informationsbereitstellung von den Anforderungen der Informationsempfänger abhängig.26

Vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon, 1997, S. 1870. Grundlegend ist die Arbeit von Marshak, J., Economic theory, 1954. Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 13; Faß, I., Konzernierung, 1992, S. 47. Vgl. Ballwieser, W., Informationsökonomie, 1985, S. 22. Vgl. Hirshleifer, J./Riley, I, Analytics, 1992; Ohlson, J., Information, 1987; Strong, N./Walker, M., Informati­ on, 1987. 25 Vgl. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 780. 26 Vgl. Lexikon der Betriebswirtschaft, 1994, S. 316. 20 21 22 23 24

36

2.2.2.2

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Informationsnutzen im Individualkontext

2.2.2.2.1 Entscheidungstheoretischer Informationsnutzen Mit Hilfe eines entscheidungstheoretisch modellierten Entscheidungskalküls eines Individuums soll verdeutlicht werden, wie Informationen zu einer Entscheidungs­ verbesserung beitragen können und welchen Nutzen oder Wert diese Informationen haben. Unter Information wird allgemein „zweckorientiertes Wissen“27 verstanden, ein Wissen, „das rationale Entscheidungen ermöglichen oder verbessern soll.“28 Im entscheidungstheoretischen Kontext kann Information als Signal bzw. Indikator auf­ gefaßt werden, das bzw. der einen Rückschluß auf den wahren Zustand der Umwelt ermöglicht.29 Auf ökonomische Entscheidungen bezogen bedeutet dies, daß beson­ ders jene Wissenszugänge interessieren, die Erklärungen und Prognosen gestatten bzw. Wahrscheinlichkeitsurteile erleichtern.30 Information ist dann von Nutzen, wenn sie in der Lage ist, Erwartungen zu ändern, oder zur Wahl von Alternativen führt, die ohne die Verwendung der Information nicht ergriffen worden wären.31 Der Informationswert wird in der Entscheidungstheorie als der quantitative Ausdruck für die Vorteile bzw. den Nutzen definiert,32 der sich aus der Verwertung einer Infor­ mation für ein Individuum ergibt.33 Dies ist deijenige Grenzpreis, den ein Indivi­ duum bezahlen würde, um die Information zu erlangen, ohne sich gegenüber dem Nichtbesitz der Information zu verschlechtern.34 Wenn Individuen der Rechnungsle­ gung als einer bestimmten Ausprägung der Informationsbereitstellung bzw. als ei­ nem möglichen Informationssystem einen Informationswert in obigem Sinne bei­ messen, dann erfüllt die Rechnungslegung für diese Individuen eine Informations­ funktion.35 Oder kurz: Rechnungslegung erfüllt dann eine Informationsfunktion, wenn ihr ein Informationswert im informationsökonomischen bzw. entscheidungs­ theoretischen Sinn beigemessen wird. Diese entscheidungstheoretische Betrach­ tungsweise von Information und Informationswert (und damit der Informationsfunk­ tion) läßt sich am besten im Grundmodell der Entscheidungstheorie verdeutlichen.36

27 Wittmann, W., Unternehmung, 1959, S. 14. Zum Informationsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre allgemein vgl. Bode, J., Informationsbegriff, 1997, S. 451 ff., und Sönnichsen, C., Rating-Systeme, 1992, S. 36, m.w.N. 28 Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 48. 29 Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 41. 30 Vgl. Ballwieser, W., Informationsökonomie, 1985, S. 23. 31 Vgl. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 780. 32 Dies gilt unter der Voraussetzung kostenloser Informationsproduktion; ansonsten entspricht der Informations­ wert der Differenz zwischen Informationsnutzen und Informationskosten. 33 Vgl. Saliger, E., Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, 1988, S. 141. 34 Vgl. Brandl, R., Begründbarkeit, 1987, S. 109; Marshak, J., Economic theory, 1954, S. 200 - 205; Wagner, F., Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion, 1982, S. 760. 35 Vgl. Ballwieser, W., Informationsökonomie, 1985, S. 24. 36 Vgl. dazu die Ausführungen bei Demski, J., Information analysis, 1980, S. 23 ff, und Saliger, E., Betriebswirt­ schaftliche Entscheidungstheorie, 1988, S. 2 ff.

37

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Folgende Annahmen liegen dem Modell zugrunde: Ein Entscheidungsträger, der zwischen mehreren alternativen Aktionen wählen kann, die sich bezüglich ihrer Er­ gebnisse unterscheiden, muß sich für eine Aktion entscheiden.37 Es gibt verschiede­ ne, von den Handlungen des Individuums unabhängige Einflußfaktoren, nämlich die Umweltzustände, deren Eintrittsw ahrscheinlichkeiten bekannt sind. Es besteht keine Unsicherheit über die mit der Entscheidung für eine Aktion verbundenen Ergebnisse im jeweiligen Umweltzustand.38 Damit handelt es sich entscheidungstheoretisch um eine Entscheidung unter Risiko. Weiter wird unterstellt, daß der Entscheidungsträ­ ger diejenige Aktion wählt, die, abhängig von der persönlichen Risikoeinstellung, seinen Erwartungsnutzen maximiert. Bereits vor dem Zugang etwaiger Informatio­ nen kann der Entscheidungsträger sein Entscheidungsfeld vollständig und korrekt beschreiben. Seine Entscheidung für eine bestimmte Aktion hängt u.a. vom Kennt­ nisstand über den Eintritt eines bestimmten Umweltzustandes ab. Informationen dienen dazu, den Eintritt des Umweltzustandes besser prognostizieren zu können.39 Dies sei anhand eines Beispiels erläutert.40 Einem nach Einkommen strebenden Ent­ scheidungsträger bieten sich zwei Investitionsaltemativen, für die in der ersten Peri­ ode die gleiche Einzahlung vorgenommen werden muß und die in der Folgeperiode einmalige Auszahlungen bringen, die in der folgenden Ergebnismatrix dargestellt sind. (Bei den Zahlen in der Ergebnismatrix handelt es sich um Geldeinheiten = GE)41. Es wird der Einfachheit halber unterstellt, daß der Entscheidungsträger risi­ koneutral42 ist, d.h. daß er die Aktion mit dem höchsten Erwartungswert wählt.43 Umweltzustand Uj (Eintrittswahrscheinlichkeit p,)

Aktion Aj

Ui(pi = 0,4)

U2(p2 = 0,6)

Ai

500

100

a2

200

300

Der Erwartungswert der Aktion Aj ist (500 GE x 0,4) + (100 GE x 0,6) = 260 GE, ebenso wie der der Aktion A2: (200 GE x 0,4) + (300 GE x 0,6) = 260 GE. Da der

37 Vgl. Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 10. 38 Vgl. Kiener, S., Principal-Agent-Theorie, 1990, S. 8. 39 Aus der Vielzahl denkbarer Informationen in der Entscheidungstheorie werden nur solche betrachtet, die zu einer Änderung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Umweltzustände führen. Vgl. Behrens, T., Informations­ nutzen, 1997, S. 20, Fn. 6; Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 84. 40 Ähnliche Beispiele finden sich bei Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 23. ff.; Demski, J., Information analysis, 1980, S. 26 ff.; Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 17. 41 Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 21. 42 Dies bedeutet, daß sich ein Entscheidungsträger ausschließlich am Erwartungswert einer Ergebnisverteilung orientiert. Vgl. dazu Bamberg, G./Coenenberg, A., Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 1991, S. 80; Saliger, E., Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, 1988, S. 57. 43 Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 50.

38

Die Infbrmationsfiinktion der Rechnungslegung

Erwartungswert der Ergebnisse der beiden Aktionen im gewählten Beispiel gleich ist, ist der Entscheidungsträger zwischen beiden Aktionen indifferent. Nun sei unterstellt, daß dem Entscheidungsträger vor der Auswahl der Aktion ein vollkommenes Informationssystem44 zur Verfügung steht, das ihm eindeutig signali­ siert, welcher Umweltzustand tatsächlich eintreten wird. Ein Informationssystem wird dabei als ein Signal- oder Nachrichtensystem verstanden, das regelmäßig und geordnet Signale oder Nachrichten an Informationsempfänger sendet.45 Das Infor­ mationssystem sendet ein Signal y, aus dem eindeutig hervorgeht, welcher Umwelt­ zustand eintreten wird. Jedem Signal wird mit der Wahrscheinlichkeit 1 genau ein Umweltzustand zugeordnet. Falls das Signal anzeigt, daß Ui eintreten wird, wählt der Entscheidungsträger die Aktion Ab im anderen Fall A2. Die a-prioriWahrscheinlichkeit, daß das Informationssystem die Aktion Aj oder A2 anzeigt, hat sich nicht verändert, sie beträgt unverändert im Fall Ui 0,4 und im Fall U2 0,6. Da die bedingten Wahrscheinlichkeiten für das Signal y bei gegebenem Zustand U be­ kannt sind (hier jeweils 1), kann mit Hilfe des Bayes-Theorems eine a-posterioriWahrscheinlichkeit für den unbekannten Umweltzustand U bei Auftreten des Sig­ nals y errechnet werden, die durch den Zugewinn an Informationen im Vergleich zur a-priori-Wahrscheinlichkeit höher ist.46 Im Beispiel ergibt sich daraus der Erwar­ tungswert des Ergebnisses bei vollkommener Information mit (500 GE x 0,4) + (300 GE x 0,6) = 380 GE. Im Vergleich zu der Situation ohne Information hat sich der Erwartungswert des Ergebnisses um 120 Geldeinheiten erhöht. Der Entscheidungsträger müßte also be­ reit sein, für die Information bis zu 120 Geldeinheiten zu zahlen. Dieser Betrag kann als privater Wert der Information für den Entscheidungsträger angesehen werden.47 Von einem privaten Wert der Information spricht man dann, wenn die durch die In­ formationsbeschaffung induzierte Nutzenänderung eines einzelnen Entscheidungs­ trägers betrachtet wird.48 „Die Inanspruchnahme eines Informationssystems kann damit die Rangfolge der Vorteilhaftigkeit von Aktionen, die sich ohne die Inan­ spruchnahme ergeben hätte, und die zugehörigen Erwartungswerte des Risikonut­ zens ändern.“49 Bisher wurde von einem vollkommenen Informationssystem ausgegangen. Es ist jedoch vorstellbar, daß auch weniger vollkommene Informationssysteme, die reali­ tätsnäher sind, einen Nutzen für den Entscheidungsträger haben.50 Betrachtet sei wieder ein risikoneutraler Entscheidungsträger, der zwischen verschiedenen Aktio­

44 45 46 47 48 49 50

Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A., Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 1991, S. 18. Vgl. Ballwieser, Informationsökonomie, 1985, S. 24. Vgl. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 781. Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 52. Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 48. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 781. Vgl. Demski, J., Information analysis, 1980, S. 29.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

39

nen zu wählen hat, die den gleichen Erwartungswert der Auszahlungen haben (260 GE, wie schon beim vorherigen Beispiel). Diesmal liegen jedoch vier Umweltzu­ stände vor.51 Umweltzustand Uj (Eintrittswahrscheinlichkeit pj)

U](Pi = 0,25)

U2(p2=0,25)

U3(p3 = 0,25)

U4(p4=0,25)

A]

300

400

100

240

a2

240

100

400

300

Es existiert ein unvollkommenes Informationssystem, das zwei Signale yj und y2 produzieren kann. Sendet es das Signal yb so tritt entweder der Umweltzustand Ui oder der Umweltzustand U2 mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit ein; sendet es das Signal y2, so tritt der Umweltzustand U3 oder der Umweltzustand U4 mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit ein. Die Unvollkommenheit des Systems zeigt sich darin, daß es nicht in der Lage ist, eindeutig zu signalisieren, welcher Umweltzu­ stand eintreten wird. Dennoch hat das Informationssystem einen Nutzen für den In­ formationsempfänger. Falls das Signal yi erscheint, weiß der Entscheidungsträger, daß entweder der Umweltzustand Ui oder der Umweltzustand U2 eintreten wird. Deshalb wählt er die Aktion Ab deren Erwartungsnutzen 350 GE beträgt.52 Beim Signal y2 wird die Aktion A2 vorgezogen, die zum gleichen Erwartungsnutzen führt. Der Wert der Information beträgt also 90 GE.53 Das unvollkommene Informations­ system hat nur noch einen Wert von 90 GE und nicht mehr 120 GE wie das voll­ kommene Informationssystem. Es hat aber immerhin noch einen Wert.

Informationen können auch wertlos sein. Dies kann man anhand eines potentiellen Signals y3 sehen, das auf das Eintreten von Umweltzustand Ui oder Umweltzustand U4 mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 0,5 hinweist.54 Das Signal y3 trägt nicht dazu bei, die Entscheidung zwischen Ai und A2 zu erleichtern. Der Entscheidungs­ träger ist weiterhin zwischen den beiden Aktionen indifferent, weil der Erwartungs­ nutzen gleich hoch ist.55 Da aber jederzeit die Möglichkeit besteht, die Information zu ignorieren, kann der Nutzen des Informationsempfängers durch kostenlose In­ formation nie vermindert werden.56

51 Vgl. Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 86. 52 Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A., Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 1991, S. 131. 53 Beispiele für den Informationsnutzen bei unvollkommener Information finden sich bei: Demski, J., Information analysis, 1980, S. 29 - 32; Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S.17 - 18. 54 Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 22. 55 Vgl. Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 86. 56 Vgl. Brandl, R., Begründbarkeit, 1987, S. 110; Marshak, J., Economic theory, 1954, S. 201; Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 21.

40

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Eine Information hat also dann einen Nutzen, wenn sie in der Lage ist, die Erwar­ tungen des Entscheidungsträger so zu ändern, daß eine „andere Handlungsmöglich­ keit als optimale gewählt wird als diejenige, die der Entscheidungsträger ohne Be­ nutzung des Informationssystem als optimal angesehen und gewählt hätte.“57 Dies wird als Funktion der Erwartungsänderung und Entscheidungsverbesserung eines Informationssystems bezeichnet (belief revision use). Es könnte sein, daß dem zent­ ralen Kriterium der Informationsfunktion nach IAS, der Entscheidungsrelevanz (de­ cision usefulness), die Funktion des belief revision use zugrunde liegt.

2.2.2.2.2 Vergleich verschiedener Informationssysteme mit entscheidungs­ theoretischem Informationsnutzen Anhand des obigen Beispiels sollten die Wirkung und der Nutzen von Informationen im Individualkontext gezeigt werden. Daraus können noch keine unmittelbaren Schlüsse gezogen werden, ob ein Informationssystem der Informationsfunktion der Rechnungslegung besser entspricht als ein anderes oder wie ein solches auszuge­ stalten ist. Dazu müssen Aussagen darüber möglich sein, welches von mehreren In­ formationssystemen mit positivem Wert genutzt werden soll.58 Ideal wäre es, eine Rangordnung zwischen mehreren Informationssystemen aufzustellen, die unabhän­ gig von den individuellen Präferenzen und der Nutzenfunktion einzelner Entschei­ dungsträger ist. Wenn dies möglich wäre, könnte man ein von allen Beteiligten glei­ chermaßen präferiertes Informationssystem finden. Ein solches liegt dann vor, wenn es, unabhängig von Aktionen und Umweltzuständen, immer einen gleich hohen und wenigstens einmal einen höheren Erwartungsnutzen als das damit verglichene In­ formationssystem liefert.59 Die Ausgestaltung von Informationssystemen würde auf diese Weise erheblich erleichtert werden.60

In der Informationsökonomie wird zum Vergleich zweier Informationssysteme häu­ fig auf das Theorem von Blackwell zurückgegriffen. Es besagt, daß unter der Vor­ aussetzung kostenloser Informationsbereitstellung und unabhängig von individuellen Präferenzen stets ein feineres Informationssystem dem gröberen vorzuziehen ist.61 Ein Informationssystem ist dann feiner als ein anderes, wenn „die Wahrscheinlich­ keitsverteilung der Signale des zum Vergleich herangezogenen Systems aus der Wahrscheinlichkeitsverteilung des betrachteten Systems durch stochastische Transformation gewonnen werden kann.“62 Oder anders ausgedrückt: Ein Informa­ tionssystem ist immer dann feiner als ein anderes, wenn jedes Element des einen

57 Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 734. 58 Die Modellannahme, daß es nur ein einziges Informationssystem gibt, wird an dieser Stelle aufgegeben. Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 21 ff. 59 Vgl. Hirshleifer, J./Riley, J., Analytics, 1992, S. 197 ff. 60 Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 52. 61 Vgl. Kiener, S., Principal-Agent-Theorie, 1990, S. 15; Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 21 f. 62 Ballwieser, W., Informationsökonomie, 1985, S. 30. .

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

41

eine Teilmenge des anderen Informationssystems ist.63 Damit wird grundsätzlich festgestellt, daß bei kostenloser Informationsbereitstellung mehr Information besser ist als weniger.64 Auf die Rechnungslegung bezogen bedeutet dies, daß von zwei Rechnungslegungssystemen dasjenige vorzuziehen ist, das mehr Informationen lie­ fert. Für die konkrete Auswahl zwischen Rechnungslegungssystemen, die sich nicht bezüglich ihrer Feinheit, sondern bezüglich anderer Kriterien unterscheiden, kann das Theorem von Blackwell keine Hilfestellung leisten, weil es nur eine unvollstän­ dige Ordnung der Informationssysteme erlaubt.65 Beispielsweise ist zwar die Aussa­ ge möglich, daß es besser ist, bei Vermögensgegenständen Anschaffungskosten und Zeitwerte anzugeben. Die Frage, ob Anschaffungskosten oder Zeitwerte die bessere Information liefern, kann damit nicht beantwortet werden.66 Als weitere Schwierig­ keit kommt hinzu, daß beim Theorem von Blackwell weder die Kosten verschiede­ ner Informationssysteme noch die Möglichkeit des Zugangs zu diesen (private oder öffentliche Information) berücksichtigt werden können.67 Auf dieser Basis kann folglich nur eine eingeschränkt gültige Aussage darüber getroffen werden, ob ein Rechnungslegungssystem gegenüber einem anderen Rechnungslegungs system vor­ zuziehen ist.68 Es sind Aussagen nötig, die stärker sind als diejenigen des Theorems von Blackwell und gleichzeitig unabhängig von persönlichen Präferenzen sind. Die Unabhängigkeit von persönlichen Präferenzen macht allgemeinere Aussagen mög­ lich, die auch für ganze Adressatengruppen gelten.

Im Zusammenhang mit dem klassischen Modell der Zusammenstellung eines Wert­ papierportefeuilles bei einperiodigem Planungshorizont und Erwartungsnutzenma­ ximierung des Endvermögens hat Ohlson gezeigt,69 daß man zu einer vollständigen Präferenzordnung für kostenlose Informationssysteme gelangen kann, die unabhän­ gig von den individuellen Präferenzen der Eigenkapitalgeber ist.70 Problematisch daran ist, daß dieser Entscheidungskontext wieder so speziell ist, daß die Implikati­ onen für die Rechnungslegung zu schwach bleiben und keine konkreten Regeln für die Ausgestaltung eines Rechnungslegungssystems ableitbar sind. Festzuhalten ist, daß Informationssysteme und damit auch Rechnungslegungssyste­ me einen Beitrag zur individuellen Erwartungsnutzenmaximierung leisten können und daß Informationen im Individualkontext nützlich für Entscheidungen sind, wenn sie die Unsicherheit des Entscheidungsträgers über den eintretenden Umweltzustand verringern.

63 64 65 66 67 68 69 70

Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 53, Fn. 37. Vgl. Demski, J., Information Analysis, 1980, S. 37. Vgl. Kiener, S., Principal-Agent-Theorie, 1990, S. 16 f. Vgl. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 782. Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 24. Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 53. Vgl. Ohlson, J., Information Alternatives, 1975, S. 267 - 282. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 783; Beaver, W., Financial reporting, 1989, S. 29.

42

2.2.23

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Informationsnutzen im Mehrpersonenkontext

2.2.2.3 .1 Spieltheoretischer Informationsnutzen

Bei der Ermittlung des Informationswertes wurde bisher lediglich das Individualkal­ kül eines einzelnen Entscheidungsträgers unabhängig von den Aktionen anderer Beteiligter und ohne die Annahme eines Informationsvorsprungs des einzelnen ge­ genüber dem Markt berücksichtigt. Gerade bei Rechnungslegungsinformationen ist die Berücksichtigung der Aktionen anderer Beteiligter besonders wichtig, weil es sich um öffentliche Informationen71 handelt, die auch anderen Marktteilnehmern offenstehen.72 Aus individuellen Informationswertkalkülen können auch keine un­ mittelbaren Schlüsse auf gesellschaftliche Wohlfahrtseffekte gezogen werden.73 Deshalb soll nun untersucht werden, welche Wirkungen Informationen in einem Mehrpersonenkontext haben, wie sich eine durch Informationen veränderte Ent­ scheidung des einzelnen Entscheidungsträgers auf die Wohlfahrt anderer Entschei­ dungsträger auswirkt und welche externen Effekte das öffentliche Gut Rechnungsle­ gung hat. Zu untersuchen ist dabei, welchen Wert Informationen für Individuen im Mehrper­ sonenkontext (privater Wert der Information) und für alle Beteiligten (gesellschaftli­ cher Wert der Information) haben? Die Analyse der Rolle von Informationen im Mehrpersonenkontext ist ein wichtiges und komplexes Forschungsgebiet, das noch keine zusammenhängende Theorie bietet.74 Im folgenden sollen deshalb exempla­ risch die wichtigsten Ergebnisse der Forschungsansätze, wie z.B. der Spieltheorie, dargestellt und daraufhin untersucht werden, ob sich daraus konkrete Aussagen über die Ausgestaltung von Rechnungslegungsnormen ableiten lassen. Dabei handelt es sich um Problemstellungen, bei denen bewußt handelnde Gegenspieler auftreten. Der Ausgang des Spiels ist unsicher und Wahrscheinlichkeiten über das (situations­ bedingte) Verhalten der Spieler können nicht angegeben werden.75 In einer spielthe­ oretischen Situation ist nachweisbar, daß öffentliche, für jedermann zugängliche Information für alle Beteiligten einen positiven Wert haben kann. Dies sei anhand eines Beispiels erläutert:76

An einem nichtkooperativen Nichtkonstantsummenspiel nehmen zwei risikoneutrale Spieler teil, wobei der erste (Si) zwischen den Aktionen Aj und A2 und der zweite (S2) zwischen den Aktionen A3 und A4 wählen kann. Die aus den Aktionen folgen­

71 Rechnungslegungsinformationen sind in dem Sinne öffentlich, daß sie jeder, der an ihnen interessiert ist, er­ halten kann. Dies gilt auch für die IAS (Offenlegungsvorschriften). 72 Vgl. Brandl, R., Begründbarkeit, 1987, S. 109. 73 Vgl. Ballwieser, W., Informationsökonomie, 1985, S. 30. 74 Vgl. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 34. Einen Literaturüberblick dazu bieten Hirshleifer, J.,/Riley, J., Analytics, 1992. 75 Vgl. Saliger, E., Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, 1988, S. 152. 76 Das Beispiel ist angelehnt an: Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 87 - 91.

43

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

den Ergebnisse (die in Geldeinheiten gemessen werden) hängen sowohl vom zufäl­ lig eintretenden Umweltzustand (Ui oder U2) als auch von den Handlungen des Ge­ genspielers ab. Es handelt sich um zwei Spiele, von denen die Akteure nicht wissen, welches der beiden Spiele gespielt wird, d.h. welcher Umweltzustand eintreten wird. Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ui und U2 ist jeweils 50 %. Die Aktionen müssen von den Spielern vor dem Bekanntwerden des eintretenden Umweltzustan­ des gewählt werden. Umweltzustand U i

Umweltzustand U2

Bei getrennter Betrachtung der einzelnen Spiele läßt sich feststellen, daß beide an­ hand einfacher Dominanzüberlegungen lösbar sind. Spieler Si wird beim ersten Spiel die Aktion A2 wählen, weil er die Ergebnisse 14 und 8 den Ergebnissen 2 und 6 vorzieht (A2 ist dominant); Spieler S2 wird die Aktion A4 wählen (A4 liefert die Auszahlungen 11 und 14, A3 nur 10 und 2). Der eindeutige Gleichgewichtspunkt für das erste Spiel ist somit (A21 A4), für das zweite Spiel (Ai | A3). Zu beachten ist da­ bei, daß das gewählte Beispiel eine Ausnahme darstellt, weil Spiele, bei denen die Auszahlungssummen nicht für alle möglichen Kombinationen von Aktionen konstant sind, häufig nicht eindeutig lösbar sind.77 Wie bereits erwähnt, können die Spieler jedoch nicht für jedes Spiel getrennt eine optimale Aktion wählen, sondern sie müssen sich vor Spielbeginn für eine Aktion entscheiden, ohne zu wissen, welcher Umweltzustand tatsächlich eintreten wird.78 Dies fuhrt zu Schwierigkeiten, weil beide Spieler eine bestimmte Lösung jeweils abhängig vom zugrundeliegenden Umweltzustand wählen würden. Im folgenden

77 Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A., Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 1991, S. 165 - 167. 78 Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 26 - 29.

44

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

werden anhand des dargestellten Beispiels zwei Szenarien mit unterschiedlichem Informationsstand untersucht.79 Szenario 1: Keine Information Der Spieler Si wird überlegen, welche Aktion für ihn, abhängig von der Entschei­ dung des Spielers S2, den höheren Erwartungswert besitzt. Die Aktion Aj hat für Sj den Erwartungswert E (Ai | A3) = 0,5 (2 + 18) = 10, die Aktion A2 den Erwar­ tungswert E (A21A3) = 0,5 (14 + 4) = 9. Wählt S2 die Aktion A3, dann wird sich Sj für die Aktion A] entscheiden. Entscheidet sich Spieler S2 dagegen für die Aktion A4, dann ergibt sich für den Spieler Si bei Aktion Ai der Erwartungswert E (Aj | A4) = 0,5 (6 + 5) = 5,5, bei Aktion A2 der Erwartungswert E (A21A4) = 0,5 (8 + 2) = 5. Auch diesmal wäre Aktion Ai besser für Sb d.h. Spieler Si würde sich in vorliegen­ der Situation für die Aktion Aj entscheiden.

Dieselben Überlegungen wird auch S2 anstellen. Wenn sich Sj für die Aktion Ai entscheidet, dann ist für ihn A3 optimal.80 Auch wenn Si die Aktion A2 wählt, ist für S2 die Aktion A3 besser.81 Für S2 gibt es also, wie auch für Sb eine eindeutig über­ legene Alternative. Der erwartete Nutzen der Aktion A3 ist für S2 - unabhängig von den Handlungen des Si - höher. Damit existiert auch für die verbundenen Spiele ein eindeutiger Gleichgewichtspunkt, nämlich (Ai | A3).

Die Summe der individuellen Erwartungswerte der beiden Spieler stellt den ge­ samtwirtschaftlichen Erwartungswert dieser Lösung dar.82 In Zahlen ausgedrückt sind dies für S] der Erwartungswert E (Ai | A3) = 0,5 (2 + 18) = 10 und für Spieler S2 der Erwartungswert E (A31A0 = 0,5 (10 + 8) = 9, also zusammen 19. Szenario 2: Öffentliche Information vorhanden In diesem Szenario wird, ausgehend von der gleichen Situation, angenommen, es existiere öffentliche Information, d.h. ein allen zugängliches Informationssystem, das den Beteiligten vor der endgültigen Wahl ihrer Aktion gleichzeitig und eindeutig den tatsächlich eintretenden Umweltzustand signalisiert. Damit wissen die Spieler genau, welches Spiel gespielt wird, und können ihre optimale Aktion festlegen.

79 Vgl. Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 88 - 95. Feldhoff unterscheidet vier Szenarien: keine Information; vollkommenes Informationssystem; exklusive Information für einen Spieler, von der der andere Spieler nichts weiß; exklusive Information für einen Spieler, von der der andere Spieler weiß. Seine Intention ist es, die Not­ wendigkeit der Bereitstellung öffentlicher Informationen nachzuweisen. Da bei der hier behandelten Frage­ stellung vom Vorliegen öffentlicher Informationen ausgegangen wird, werden nur die ersten beiden Szenarien berücksichtigt. 80 Denn E (A3 IAO = 0,5 (10 + 8) = 9 und damit größer als E (A41 Aj) = 0,5 (11 + 6) = 8,5. 81 E (A31A2) = 0,5 (2 + 14) = 8 und E (A41A2) = 0,5 (14 + 0) = 7. 82 Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 28.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

45

Spieler Sj wählt bei Eintreten des Umweltzustandes Ui die Aktion A2, bei Eintreten des Umweltzustandes U2 die Aktion Ab Spieler S2 bei Eintreten des Umweltzustan­ des Ui die Aktion A4, bei Eintreten des Umweltzustandes U2 die Aktion A3. Für die beiden Spieler ergeben sich die folgenden Positionen (die Wahrscheinlichkeit, daß das Informationssystem Ui oder U2 anzeigen wird, entspricht den Eintritts Wahr­ scheinlichkeiten der Umweltzustände). Sp E ((A21 A4, Uj), (A, | A3, U2)) = 0,5 (8 + 18) = 13 (+3)

S2: E ((A41A2, Ui), (A31 Ab U2)) = 0,5 (14 + 8) = 11 (+2)83 Der Gesamtnutzen entspricht bei vorliegendem Spiel und vollkommener Information 24 (13 + 11), im Gegensatz zu 19 vorher. Der Erwartungswertzuwachs für Spieler Si beträgt 3 GE, für Spieler S2 2 GE. Folglich hat das Informationssystem für beide Spieler jeweils positiven privaten Wert. Es hat positiven gesellschaftlichen Wert, weil sich auch die Summe der individuellen Erwartungswerte erhöht hat, nämlich um 5.84

Das Kriterium für einen positiven gesellschaftlichen Wert im Mehrpersonenkontext ist die Pareto-Effizienz. Danach hat ein Informationssystem genau dann einen ge­ sellschaftlichen Wert, wenn sich durch dieses der Erwartungswert keines der Indivi­ duen verschlechtert und wenigstens ein Individuum im Vergleich zur Ausgangssitu­ ation besser gestellt ist.85 Umgekehrt hat ein Informationssystem dann keinen gesell­ schaftlichen Wert, wenn in einem Mehrpersonenkontext ein einzelnes Individuum durch den Zugang der Information Nutzeneinbußen erfährt, also der private Wert der Information für einen Teilnehmer negativ ist.86 Da dies in Szenario 2 nicht der Fall war, bedeutet das, daß Informationen grundsätzlich geeignet sein können, die Faktorallokation zu verbessern, und daher einen positiven gesellschaftlichen Wert haben. Der allgemeine Nachweis des gesellschaftlichen Nutzens von Informations­ systemen ist damit jedoch noch nicht erbracht. Es wurde lediglich gezeigt, daß In­ formationen in einem spieltheoretischen Kontext privaten und gesellschaftlichen Wert haben können. Informationen können allerdings auch negative externe Effekte haben.

83 Diese Form der Darstellung des Ergebnisses stammt aus Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 29. 84 Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung kostenloser Informationsbereitstellung. Falls diese mehr als 5 kostet, wird der gesellschaftliche Wert negativ. 85 Vgl. Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 75. In diesem Modellrahmen wird ausschließlich der Einfluß von Informationen auf die Beteiligten bzw. Spieler untersucht. Der Einfluß auf Dritte, die nicht an dem Spiel teilnehmen, wird in diesem Modell nicht berücksichtigt. 86. Vgl. dazu Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 92 f.

46

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

2.2.23.2 Die Theorie vom gesellschaftlichen (Un-)Wert öffentlicher Informa­ tionen

Es ist nachweisbar, daß unter bestimmten Voraussetzungen die Publikation öffent­ lich verfügbarer Informationen einstimmig abgelehnt würde, weil jeder Beteiligte durch die Information eine Nutzeneinbuße erleiden würde.87 Diese Theorie vom ge­ sellschaftlichen Wert öffentlich verfügbarer Informationen (gelegentlich auch als „Theorie vom gesellschaftlichen Unwert öffentlicher Informationen“, von Ewert als „Informationsablehnungstheorem“ bezeichnetes Ergebnis) stellt den Nutzen der ex­ ternen Rechnungslegung grundsätzlich in Frage.88 Ihr Ausgangspunkt ist ein vielbe­ achteter Beitrag von Hirshleifer aus dem Jahre 1971, in dem dieser ein Modell zur Wirkung von Informationen in einer Tauschwirtschaft darstellt.89 Hirshleifer kommt zu dem Ergebnis, daß die Tauschmarktteilnehmer kostenloser Information gegen­ über indifferent sind, Information, die Kosten verursacht, dagegen ablehnen.90

Aufbauend auf Hirshleifers Erkenntnissen hat Marshall gezeigt, daß sogar kostenlo­ se öffentliche Informationen unter bestimmten Umständen von allen Tauschmarktteilnehmem abgelehnt werden.91 Dieses erstaunliche Ergebnis soll anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden.92 Gegeben sei ein einfacher Tauschmarkt mit zwei Individuen Si und S2, die im Zeitpunkt to jeweils eine Anfangsausstattung an Wertpapieren besitzen. Ein Tauschmarkt ist ein Markt, für den unterstellt wird, daß die Gesamtheit aller gegenwärtigen und künftigen Güter- und Kapitalausstattungen gegeben ist und daß lediglich die optimale Allokation dieser Ausstattungen durch Informationen beeinflußt werden kann.93 Die Ausstattung mit Wertpapieren gilt als gegeben. Spieler Si besitzt ein Wertpapier der Sorte Wb Spieler S2 ein Wertpapier der Sorte W2. Die Wertpapiere können zwischen den beiden Spielern kostenlos ge­ tauscht werden. Sie fuhren in tj zu Auszahlungen, die wiederum vom Eintreten der Umweltzustände (Ui und U2) mit Eintrittswahrscheinlichkeiten von jeweils 50 % abhängen. Das Wertpapier Wj erbringt bei Eintreten des Umweltzustandes U] eine Auszahlung in Höhe von einer Geldeinheit pro Stück, das Wertpapier W2 erbringt beim Umweltzustand U2 eine Auszahlung in gleicher Höhe.

Vgl. Ewert, R., Publizität, 1989, S. 246. Vgl. Menken, K., Informationsökonomie, 1993, S. 65 - 68. Vgl. Hirshleifer, J., The Private and Social Value of Information, 1971. Vgl. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 736. Vgl. Marshall, J., Public information, 1974, S. 373 - 390; auch Fama, E./Laffer, A., Information and Capital Markets, 1971, kommen zu diesem Ergebnis. 92 Das konkrete Beispiel ist entnommen aus: Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 96 - 99. Ähnliche Beispiele sind auch in Ewert, R., Publizität, 1989, und Hirshleifer, J., The Private and Social Value of Information, 1971, S. 563 - 566, zu finden. 93 Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 87. 87 88 89 90 91

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Eigentümer

47

Wertpapier

Umweltzustand

U1(p = 0,5)

U2(p = 0,5)

1

0

0

1

W, w2

s. S2

Die beiden Individuen sind risikoscheu und bewerten den Nutzen der Auszahlungen jeweils wie folgt: Nutzen der Auszahlungen = Erwartungswert - Yi Varianz = N = E--o2 2

Im ersten Szenario (d.h. ohne Information) errechnet sich der Erwartungsnutzen der Auszahlung für Sj vor einem etwaigen Tausch mit: i ^Sl “ &WI

2

fi.fr m 2j2\2 +2 JJ

3 - = 0,375 8

Das gleiche gilt fur S2. Damit entspricht der Gesamtnutzen vor einem Tausch ohne 3

Information einem Wert von - = 0,75. 4

Da sie sich in einem Tauschmarkt befinden, können die beiden Individuen versu­ chen, ihren individuellen Nutzen durch Tausch zu verbessern. Dies erreichen sie, indem beide Marktteilnehmer jeweils ein halbes Wertpapier tauschen, so daß Si und S2 je ein halbes Wertpapier von W] und W2 halten. Dies fuhrt für beide, unabhängig vom eintretenden Umweltzustand, zu einer sicheren Auszahlung in Höhe von 0,5 Geldeinheiten. Damit ist die Varianz gleich Null und der Erwartungswert errechnet sich mit 0,5.94 Folglich beträgt auch der Nutzen der Auszahlungen jeweils 0,5. Im Vergleich zur Situation ohne Tausch verbessern sich also beide Marktteilnehmer, weil sich ihr individueller Nutzen erhöht. Dies fuhrt zu einem Gesamtnutzen von 1. Die Endsituation nach dem Tausch ist pareto-optimal, weil sich der Nutzen durch weitere Tauschvorgänge nicht mehr erhöhen kann.95

Nun wird ein vollkommenes Informationssystem eingeführt, das mit Sicherheit an­ zeigt, welcher der beiden Umweltzustände zum Zeitpunkt ti tatsächlich eintreten wird. Die Wahrscheinlichkeit, daß das Informationssystem das Eintreten von Ui bzw. U2 anzeigt (die a-priori-Wahrscheinlichkeit), beträgt im Sinne der bisherigen Annahmen 0,5. In dem Moment, in dem die Information zugeht, wird ein Wertpa­ pier wertlos, nämlich jenes, welches in der angezeigten Umweltsituation keine Aus-

94

Die genaue Berechnung sieht folgendermaßen aus:

95 Vgl. Behrens, T., Informationsnutzen, 1997, S. 36.

=0,5.

48

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Zahlung erbringt. Der Spieler, dem dieses Wertpapier gehört, wird dem anderen ei­ nen Tausch anbieten wollen, woran dieser jedoch kein Interesse mehr hat. Wird von dem Informationssystem z.B. das Eintreten des Umweltzustandes U} angezeigt, so wird Wertpapier W2 wertlos und Spieler Si wird nicht bereit sein, die Hälfte seines Wertpapiers abzugeben, weil er eine sichere Auszahlung von einer Geldeinheit er­ halten wird. Das gleiche gilt analog für den Spieler S2. Nach Zugang der Informati­ on wird also kein Tausch mehr stattfmden. Da die Individuen risikoscheu sind, ist der Nutzen der Auszahlung für jeden der beiden 0,375 GE, genau wie in der Situation vor dem Tausch. Der Nutzen ist somit sowohl für jeden einzelnen (0,375 anstatt 0,5) als auch für die gesamte Allokation (0,75 anstatt 1) suboptimal im Vergleich zu der Situation ohne Information. Die öf­ fentliche Information hat wegen der Verhinderung des Tausches einen negativen privaten und einen negativen gesellschaftlichen Wert. Die beiden Beteiligten wären bereit, für die Unterdrückung der Information bis zur Durchführung des Tausches eine bestimmte Summe zu zahlen.96 Dieses als Informationsablehnungstheorem be­ zeichnete Ergebnis spricht gegen die Vorstellung, daß öffentliche Information einen Wert habe. Es sind im Modell Konstellationen vorstellbar, in denen es jeder Tauschmarktteilnehmer vorzieht, daß keine öffentliche Information zur Verfügung gestellt wird.

Aus diesem Ergebnis kann trotzdem keine allgemeine Aussage über den gesell­ schaftlichen Wert oder Unwert öffentlicher Informationen abgeleitet werden.97 Dies liegt unter anderem an den restriktiven Annahmen, die dem Modell zugrundeliegen. Beispielsweise wird die Annahme der Risikoaversion der Tauschmarktteilnehmer vorausgesetzt. Wären die Individuen risikoneutral, dann könnte der Effekt von In­ formation nicht nachgewiesen werden.98 Eine weitere Voraussetzung für die An­ wendbarkeit des Modells ist, daß die Individuen vor Zugang der Information noch keine Gleichgewichtsposition erreicht haben dürfen. Wenn ein Gleichgewicht durch Tausch erreicht wird, haben Informationen keine Auswirkung mehr.99 Daran wird deutlich, daß der Zeitpunkt des Informationszugangs für die Theorie von großer Be­ deutung ist.

Ewert beweist innerhalb des Rahmens der Theorie vom gesellschaftlichen Wert öf­ fentlicher Informationen, daß bei Zugrundelegung eines realistischen Marktszenari­ os das Informationsablehnungstheorem nicht mehr gelten kann. Wenn berücksichtigt wird, daß Informationen (in diesem Fall externe Rechnungslegungsdaten) nicht wie „Manna vom Himmel“100 fallen, sondern als periodisch wiederkehrende Informatio-

96 In diesem Fall jeder einzelne 0,125. 97 Vgl. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 738. 98 Im Beispiel wäre der Nutzen vor und nach Tausch ohne Information sowie vor und nach Tausch mit Informati­ on für beide Spieler immer 0,5. 99 Vgl. Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 100. 100 Ewert, R., Publizität, 1989, S. 256.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

49

nen in das Entscheidungskalkül der Marktteilnehmer eingehen, können diese versu­ chen, eine günstigere Ausgangssituation vor dem Informationszugang zu errei­ chen.101 Das Ergebnis der Informationsablehnung basiert nämlich u.a. auf der An­ nahme des völlig überraschenden Eintreffens der Informationen.102 Wenn zusätzli­ che Handlungszeitpunkte vor dieser überraschenden, endgültigen Information mög­ lich sind, können die Marktteilnehmer zu diesen Zeitpunkten tauschen, um eine Gleichgewichtsposition zu erreichen, und die nachteiligen Wirkungen der Informati­ on vermeiden.103 Dieses erweiterte Szenario wird als „sequentielles“ Marktregime bezeichnet.104 Ewert zeigt, daß es „im sequentiellen Marktregime keine Situation geben [kann], in der sämtliche Eigenkapitalgeber eine informationsinduzierte Nut­ zeneinbuße erleiden.“105 Mit anderen Worten, alle Marktteilnehmer sind mit Infor­ mationen mindestens ebenso gut gestellt wie ohne Informationen, oder es gibt zu­ mindest Marktteilnehmer, die eine Nutzensteigerung erfahren, falls es bei einzelnen Marktteilnehmern zu informationsinduzierten Nutzeneinbußen kommen sollte.106 Zusammenfassend kann man also feststellen, daß sowohl die Verschlechterung als auch die Verbesserung der Situation aller Marktteilnehmer auf Ausnahmefälle be­ schränkt ist. In den meisten Fällen kann öffentliche Information für einige Marktteil­ nehmer positive und für andere negative Wirkungen haben. Dies liegt daran, daß mit Informationen im Tauschmarkt auch Umverteilungseffekte verbunden sind. Ursache für diese Umverteilungseffekte ist die informationsinduzierte Änderung der relativen Wertpapierpreise, die dazu fuhrt, daß sich der Wert der Erstausstattungen der Marktteilnehmer ändert. Selbst wenn durch öffentliche Information die Allokations­ effizienz des Marktes verbessert wird, ist nicht auszuschließen, daß einige Markt­ teilnehmer eine Nutzeneinbuße erleiden. Der gesellschaftliche Wert eines öffentli­ chen Informationssystems könnte nur dann eindeutig bestätigt werden, wenn solche Umverteilungseffekte ausgeschlossen wären.107

Es ist außerdem zu beachten, daß es nicht möglich ist, im Rahmen der dargestellten Modelle alle Informationswirkungen zu berücksichtigen. Positive Effekte von In­ formationen werden vernachlässigt. Ein Beispiel für solche positive Effekte ist die Möglichkeit einer verbesserten Konsumplanung auf unvollständigen Märkten durch die Korrektur von Erwartungen. Bei einer solchen Planung handelt es sich um einen längerfristigen Prozeß, der nur in Mehrperiodenmodellen erfaßbar wäre.108 Daran wird deutlich, daß die Modelle auf relativ restriktiven Annahmen beruhen und das

101 102 103 104 105 106 107 108

Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 57. Vgl. Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 101. Vgl. Ewert, R., Publizität, 1989, S. 256 f. Vgl. Ohlson, J., Information, 1987, S. 112. Ewert, R., Publizität, 1989, S. 258. Vgl. Ewert, R., 1989, S. 258. Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 78. Vgl. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 738.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Thema Informationsfunktion deshalb aus einem sehr theoretischen und vereinfa­ chenden Blickwinkel betrachtet wird. Deshalb kann mit Hilfe dieser Modelle nicht begründet werden, daß Rechnungslegung für alle Beteiligten bzw. gesamtgesell­ schaftlich nachteilig wäre. So kommt auch Schmidt zu dem Ergebnis, daß die „Lite­ ratur zur gesellschaftlichen Bewertung öffentlicher Informationen [es nicht erlaubt], die Rechnungslegung als überflüssig oder schädlich zu qualifizieren.“109 Es bleibt festzuhalten, daß Informationen in einem Mehrpersonenkontext positive und negati­ ve Effekte haben können und ihre Funktion umstritten ist. 2.2.2.4

Informationsnutzen im Agency-theoretischen Kontext

2.2.2.4.1 Untersuchungsgegenstand der Agency-Theorie

Bei den bisherigen Ausführungen stand die Funktion Erwartungsänderung und Ent­ scheidungsverbesserung eines Informationssystems (belief revision use) im Mittel­ punkt. Es wurde deutlich, daß aus diesem Teilgebiet der Informationsökonomie nach bisherigem Forschungsstand keine eindeutigen und weiterführenden Ergebnis­ se bezüglich der Ausgestaltung von Rechnungslegungssystemen zu gewinnen sind. Im folgenden soll der Schwerpunkt der Untersuchungen deshalb auf einem anderen Aspekt der Informationsfunktion liegen, der in der angloamerikanischen Literatur als „stewardship function“ bezeichnet wird und im Framework zu den IAS als Informa­ tionsziel festgehalten ist (F. 14). Das Ziel der Informationen ist demnach die Kon­ trolle des Managements.110 Danach haben Rechnungslegungsinformationen die Auf­ gabe, die Leistungen des Managements darzustellen und damit als Rechenschaftsin­ strument des Managements für die Ressourcen zu dienen, die ihm anvertraut wur­ den. Dies ist nötig, weil bei vielen Kapitalgesellschaften aus der Trennung von Ei­ gentum und Management Interessenkonflikte entstehen, weil Manager nicht im Sin­ ne der Eigentümer handeln. Rechnungslegungsinformationen können einen Anreiz bieten, das Verhalten von Managern im Sinne der Eigentümer zu beeinflussen.111 Die Beziehungen zwischen dem Management und den Eigentümern einer Kapitalge­ sellschaft lassen sich in der Agency-Theorie abbilden.112 Allgemein untersucht die Agency-Theorie113 die effiziente Gestaltung kooperativer Beziehungen zwischen

Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 738. Vgl. Ballwieser, W., Informationsökonomie, 1985, S. 26; Kuhlewind, A., Grundlagen, 1997, S. 41. Vgl. Ballwieser, W., Chancen und Gefahren, 1997, S. 30. Die Informationsökonomie erweitert theoretische Modelle der Volkswirtschaftslehre wie die Agency-Theorie um Informationsaspekte, um sie auf spezielle informationsökonomische Fragestellungen anzuwenden. 113 Im folgenden ist, wenn von Agency-Theorie die Rede ist, die normative Agency-Theorie (auch PrincipalAgent-Theorie genannt) und nicht die deskriptive Agency-Theorie (auch positive Agency-Theorie genannt) gemeint. Während die normative Agency-Theorie von Marktzusammenhängen abstrahiert und auf die vertrag­ lichen Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent abstellt, hat die positive Agency-Theorie eher empirischen Charakter. Sie versucht, Erklärungsansätze für das Auftreten komplexer Organisationsformen zu formulieren. Zu dieser Unterscheidung vgl. Kiener, S., Principal-Agent-Theorie, 1989, S. 4 f. 109 110 111 112

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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zwei Individuen. Bei einer Agency-Beziehung handelt es sich um einem Vertrag, in dem ein Individuum oder mehrere Individuen (der Prinzipal bzw. die Prinzipale) ein anderes oder mehrere Individuen (den bzw. die Agenten) beauftragt bzw. beauftra­ gen, in seinem bzw. ihrem Namen bestimmte Handlungen auszufiihren (dies bein­ haltet auch die Delegation von Entscheidungskompetenz).114 Verschiedene wirt­ schaftliche Beziehungen sind für eine agency-theoretische Analyse geeignet, z.B. die Beziehungen zwischen Versicherungsuntemehmen und Versicherungsnehmer, zwischen Rechtsanwalt und Klient oder Arzt und Patient. Aus ökonomischer Sicht ist die bedeutendste Agency-Beziehung diejenige zwischen Managern und Eigentü­ mern von Unternehmen.115 Ziele der Agency-Theorie sind die Analyse und die Su­ che nach einer (aus der Sicht des Prinzipals) optimalen Ausgestaltung von Vertrags­ verhältnissen und die Lösung von aus der Trennung von Eigentum und Entschei­ dungsgewalt resultierenden Delegations- und Organisationsproblemen in Unterneh­ men mit Hilfe geeigneter Anreizsysteme.116

Es ist typisch für die Beziehung zwischen Prinzipal und Agent, daß der Prinzipal keinen Einfluß auf die Entscheidungen des Agenten hat und sie auch nicht beo­ bachten kann. Aus dieser Konstellation ergibt sich die Gefahr, daß der Agent seinen Handlungsspielraum entgegen den Interessen seines Prinzipals, der ihn beauftragt hat, ausnutzt.117 Im Rahmen der Agency-Beziehung zwischen Management und Anteilseignern beispielsweise könnte sich der Agent (das Management) Vorteile auf Kosten des Prinzipals (der Anteilseigner) verschaffen, indem er gewinnmindemde Aufwendungen durchführt, die ihm persönlich Nutzen bringen, z.B. Reisen, Sach­ leistungen, Spenden, die ihm Ehre und politischen Einfluß verschaffen.118 Dadurch wird der Anspruch des Prinzipals auf Ausschüttungen vermindert; der Prinzipal trägt die Kosten in voller Höhe, der Agent hat dagegen den ausschließlichen Nutzen.119 Ursache für dieses Problem ist die Tatsache, daß der Prinzipal keine Information über die Handlungen des Agenten hat. Es werden also ungleich verteilte Informatio­ nen (Informationsasymmetrie) angenommen. Würde zu allen Zeitpunkten eine sym­ metrische Informationsverteilung bestehen, würde sich kein Agency-Problem erge­ ben, denn die Entlohnung des Agenten könnte unmittelbar an seinem Arbeitseinsatz anknüpfen (der zu jedem Zeitpunkt beobachtbar wäre).120 Da der Prinzipal jedoch im Normalfall keine Informationen über Arbeitseinsatz oder Zwischenergebnisse

114 Vgl. Jensen, M./Meckling, W., Agency Costs, 1976, S. 308; Ross, S., The Principal’s Problem, 1973, S. 134; Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 166. 115 Vgl. Strong, N./Walker, M., Information, 1987, S. 167. 116 Vgl. Kiener, S., Principal-Agent-Theorie, 1990, S. 4. 117 Vgl. die Argumentation von Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 145; Jen­ sen, M./Meckling, W., Agency Costs, 1976, S. 308. 118 Vgl. Hax, H., Rechnungslegungsvorschriften, 1988, S. 196. 119 Zur Analyse gesetzlicher Gewinnverwendungsregelungen unter Berücksichtigung von Agency-Problemen vgl. Pfaff, D., Agency-Probleme, 1989, S. 64 ff. 120 Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 68.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

des Agenten hat, kann er ihn nicht direkt kontrollieren.121 Um sicherzustellen, daß der Agent trotzdem optimale Entscheidungen im Sinne des Prinzipals trifft, muß der Prinzipal für den Agenten geeignete Anreize schaffen.122 Im Modell könnte eine Lösung folgendermaßen aussehen: Der Agent wählt einen Arbeitseinsatz, der unter Berücksichtigung eines unsicheren Umweltzustandes zu einem Handlungsergebnis fuhrt. Agent und Prinzipal vereinbaren eine bestimmte Entlohnung, die an das Handlungsergebnis des Agenten geknüpft ist.123 Es ist anzu­ streben, die Vertrags Vereinbarungen so zu wählen, daß Agent und Prinzipal das gleiche Interesse haben, nämlich die Erzielung eines möglichst hohen Ergebnisses. Damit wird der Agent veranlaßt, Aktionen zu wählen, die mit den Interessen des Prinzipals konsistent sind, und es ist für den Prinzipal unnötig, Informationen über Zwischenergebnisse zu verlangen. 2.2.2.4.2 Agency-theoretischer Informationsnutzen

In der Agency-Theorie wird grundsätzlich unterstellt, daß das Gesamtergebnis der Handlungen des Agenten für den Prinzipal beobachtbar ist und daß die (von dem Agenten) bereitgestellten Informationen über dieses Gesamtergebnis „objektiv rich­ tig“ sind. Hier liegt nach Ng auch der Hauptunterschied zwischen dem üblichen Agency-Modell und einem Agency-Modell, das Rechnungslegungsinformationen mi­ teinbezieht. Denn der „richtige“ Gewinn einer Unternehmung ist für externe Eigen­ tümer nicht beobachtbar.124 Angenommen, ein Eigenkapitalgeber erfahre erst bei Liquidation des Unternehmens den wahren Wert der Vermögensgegenstände und Schulden und ein am Gewinn beteiligter Manager, der als Agent für den Prinzipal handelt, kann selbst darüber bestimmen, wie er den Eigenkapitalgeber periodenwei­ se informiert. In diesem Fall wird der Eigenkapitalgeber ein unverzerrtes und mög­ lichst feines Informationssystem bevorzugen, während der Manager eher Interesse an einem positiv verzerrten und groben Informationssystem hat.125 Ein positiv ver­ zerrtes Informationssystem hat für den Manager den Vorteil einer höheren Prämie zu Lasten des Gewinns des Eigenkapitalgebers, und ein grobes Informationssystem hat den Vorteil einer geringeren Varianz des Ergebnisses und damit geringerer Schwankungen der Prämie126 für den Manager.127 Für den Eigenkapitalgeber ist ein

121 Vgl. Elliot, B./Elliot, J., Financial Accounting and Reporting, 1993, S. 609; Hartmann-Wendels, T., Rech­ nungslegung der Unternehmen, 1991, S. 147. 122 Vgl. Jensen, M./Meckling, W., Agency Costs, 1976, S. 308. 123 Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 68. 124 Vgl. Ng, D., Financial Reporting, 1978, S. 918. 125 Vgl. Antle, R./Fellingham, J., Information Systems in a Model of Resource Allocation, 1995, S. 41 - 42; Ball­ wieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 784. 126 Ng geht davon aus, daß die Gewinnziffer bei dem feineren von zwei Informationssystemen eine größere Vari­ anz besitzt und die Schwankungen der Prämie damit stärker sind. 127 Vgl. Ng, D., Financial Reporting, 1978, S. 914.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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solches Informationssystem nachteilig.128 Der Agent hat Interesse daran, für ihn un­ günstige Informationen zu unterdrücken, der Prinzipal möchte dagegen möglichst umfassend informiert werden.129 Für den Agenten sind deshalb beispielsweise Er­ messensspielräume von Vorteil, weil er sich mit ihrer Hilfe eher der Rechenschaft entziehen kann, der Prinzipal wünscht dagegen möglichst eindeutige Regelungen, die, soweit möglich, solche Spielräume nicht enthalten.130 Die Agency-Theorie stellt einen Ansatz dar, der geeignet ist, die Informationsfunk­ tion der Rechnungslegung im Sinne von Rechenschaft (stewardship function) theo­ retisch zu fundieren. Ziel der Rechnungslegung ist es nach der Agency-Theorie, In­ formationsunterschiede zwischen Agent und Prinzipal zu reduzieren und als Kon­ trollinstrument für die Leistungen des Agenten zu dienen.131 Für die konkrete Aus­ gestaltung von Rechnungslegungssystemen bedeutet dies, daß derjenige, der Re­ chenschaft zu geben hat, nicht selbst darüber entscheiden darf, wie weit er sich der Rechenschaft entziehen kann. Mit Hilfe der Agency-Theorie kann begründet wer­ den, daß ein Rechnungslegungssystem ein Mindestmaß an Detaillierungsgrad der einzelnen Normen vorgeben muß sowie klare und eindeutige Regelungen mit mög­ lichst wenig Spielräumen zu treffen hat.132 Eine Möglichkeit der Umsetzung dieser theoretischen Forderung wäre ein Verzicht auf sämtliche BilanzierungsWahlrech­ te.133 Im Ergebnis ist die Agency-Theorie geeignet, als theoretische Basis für die Ableitung von Bilanzierungsgrundsätzen und zur Entwicklung neuer Rechnungsle­ gungsnormen zu dienen.134

2.2.3

Kapitalmarktorientierte Ansätze

2.2.3.1

Überblick

Neben den informationsökonomischen Ansätzen können sich auch die kapitalmarkt­ orientierten Ansätze zur Ableitung eines theoretischen Konzepts für die Entwick­ lung neuer Rechnungslegungsnormen eignen. Die kapitalmarktorientierten Ansätze gehen auf Ansätze aus der Finanzierungstheorie zurück. Sie untersuchen einerseits den Einfluß von Rechnungslegungsinformationen auf das Verhalten von Individuen auf dem Kapitalmarkt, das aufgrund von Marktreaktionen gemessen werden kann,135 und andererseits die Auswirkungen von Rechnungslegungsinformationen auf die

128 129 130 131 132 133

Vgl. Gruber, A., Signale, 1988, S. 45. Vgl. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 180. Vgl. Ballwieser, W., Chancen und Gefahren, 1997, S. 30. Vgl. Böcking, H., Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998, S. 25. Vgl. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 784 f. Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 144; Schildbach, T., Jahre­ sabschluß, 1997, S. 28. 134 So verwendet z.B. auch Hommel, M., Bilanzierung, 1998 die Agency-Theorie als Grundlage seiner theoreti­ schen Analyse der Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, vgl. S. 18 - 25. 135 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 177 f.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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Funktionsweise von Kapitalmärkten. Der Begriff „Kapitalmarkt“ ist eigentlich ein theoretischer Begriff, der jedes Aufeinandertreffen von Angebot von Eigen- oder Fremdkapital und Nachfrage nach diesem umfaßt. Im folgenden wird er als der or­ ganisierte Kapitalmarkt (Wertpapiermarkt), auf dem Wertpapiere und insbesondere Aktien gehandelt werden (Börse), verstanden. Den kapitalmarktorientierten Ansät­ zen liegt nicht, wie den Ansätzen zum Informationsnutzen im Mehrpersonenkontext, das Modell eines reinen Tauschmarktes zugrunde. In einem solchen wird davon ausgegangen, daß die Ausstattungen an Gütern (Wertpapieren) gegeben sind und nur noch getauscht werden können. In den kapitalmarktorientierten Ansätzen wird von realistischeren Szenarien ausgegangen: Informationen können auf dem Kapital­ markt auch Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen und damit auf die Güter­ ausstattung der Volkswirtschaft136 und auf die Anzahl und die Preise der Wertpapie­ re haben. Im folgenden sollen die vorliegenden kapitalmarktorientierten Ansätze daraufhin untersucht werden, ob sie Aussagen darüber ermöglichen, wie Informationen auf den Kapitalmarkt wirken und wie Kapitalmarktteilnehmer auf Informationen reagie­ ren, um ein theoretisches Konzept zur Entwicklung neuer Rechnungslegungsnormen ableiten zu können. Da die Ausgestaltung und der Inhalt eines Rechnungslegungs­ systems von den Bedürfnissen der Rechnungslegungsempfänger abhängen, sind zu­ nächst die konkreten Informationswünsche von Eigenkapitalgebem zu klären. Die traditionelle Antwort auf diese Frage, die lange Zeit im Prinzip unumstritten war, lautet: Anteilseigner (Aktionäre) benötigen Informationen zur Ausnutzung von Ungleichgewichten bei Aktienkursen (Suche nach „unterbewerteten“ Aktien) und zum Schutz vor Fehlengagements.137 Durch die Ausnutzung von Informationsvor­ sprüngen lassen sich systematisch Überrenditen erzielen, weil die Preise der Wert­ papiere auf dem organisierten Kapitalmarkt nicht zu jeder Zeit ihren wahren (inne­ ren) Wert widerspiegeln.138 Dies liegt daran, daß dem Markt nicht alle Informatio­ nen zur Verfügung stehen oder diese zu langsam oder „falsch“ verarbeitet wer­ den.139 Deshalb versucht jeder Aktionär, treffsicherer als seine Konkurrenten vor­ wegzunehmen, was die anderen dann nachvollziehen werden. Wer eine Aktie als unterbewertet erkennt, bevor das die anderen Anteilseigner tun, hat diesen gegen­ über einen Vorteil errungen.140 Die besser Informierten können durch den Handel mit weniger gut informierten Anteilseignern Überrenditen erzielen, weil letztere den „wahren Wert“ der Wertpapiere nicht erkennen.141 Rechnungslegungsinformationen werden dann als sinnvoll und nützlich angesehen, wenn sie dazu beitragen, Anlage-

136 137 138 139 140 141

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hartmann-Wendels, T.» Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 87. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 733. Gruber, A., Signale, 1988, S. 1 f. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 71. Schredelseker, K., Informationsnutzen, 1984, S. 48. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 35.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

55

entscheidungen der Teilnehmer am Aktienmarkt zu verbessern.142 Diese Sicht stellt, wie bereits die Diskussion der Informationsökonomie im Individualkontext, auf den Nutzen von Informationen für den einzelnen Kapitalmarktteilnehmer ab und weniger auf den gesellschaftlichen Nutzen von Informationen. Die Argumentation, daß es Unterschiede zwischen dem „wahren Wert“ und dem Börsenwert von Wertpapieren geben könnte, hängt stark von der zugrundeliegenden Sicht der Funktionsweise und der Preisbildung auf Aktienmärkten ab. Es wird näm­ lich eine Ineffizienz des Kapitalmarktes bezüglich der Informationsauswertung un­ terstellt, d.h. es wird unterstellt, daß in den Aktienkursen nicht zu jedem Zeitpunkt alle verfügbaren Informationen widergespiegelt sind. Wäre dies der Fall, könnte kein Aktionär durch Auswertung von Jahresabschlüssen einen Informationsvor­ sprung erlangen. Die Möglichkeit der Erzielung von überdurchschnittlichen Rendi­ ten hängt also von der Möglichkeit der Ausnutzung von Informationsineffizienzen der Kapitalmärkte ab.143

2.2.3.2

Informationseffizienz von Kapitalmärkten

2.2.3.2.1 Die These der Informationseffizienz und ihre Implikationen für die Rechnungslegung

Die zentrale Hypothese der Finanzierungstheorie, auf der die kapitalmarktorientierte Rechnungslegungsforschung aufbaut, ist jene der Informationseffizienz (oder Kapitalmarkteffizienz), die von informationseffizienten Kapitalmärkten ausgeht.144 Diese steht der dargestellten traditionellen Sichtweise der Wirkung von Informationen im Kapitalmarkt entgegen. Der Begriff der Informationseffizienz ist dabei streng von der Allokationseffizienz der Kapitalmärkte zu unterscheiden. Während es bei der Allokationseffizienz um die optimale Allokation des Kapitals auf dem Kapitalmarkt, d.h. die Lenkung des knappen Faktors Kapital in die jeweils bestmögliche Verwen­ dung geht,145 liegt Informationseffizienz dann vor, wenn Informationen auf Kapital­ märkten optimal verarbeitet werden. Nach der bekanntesten Definition, die auf Fama zurückgeht, ist ein Kapitalmarkt dann (informations-)effizient, wenn die Aktienkurse zu jedem Zeitpunkt die öffent­ lich verfügbaren Informationen voll widerspiegeln; wenn „security prices at any time ’fully reflect’ all available information“.146 Die Informationseffizienz beschreibt die Fähigkeit von Kapitalmärkten, Informationen so zu verarbeiten, daß sie in den Aktienkursen optimal wiedergegeben sind. Ein Kapitalmarkt ist dann informations­

142 143 144 145 146

Vgl. Busse von Colbe, W., Rechnungswesen, 1995, S. 717. Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 71. Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 178. Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 16. Fama, E., Efficient Capital Markets, 1970, S. 383.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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effizient, wenn die Kurse ohne Zeitverzögerung und erwartungstreu reagieren.147 Es wurde kritisiert, daß die Begriffe „fully reflected“ und „available information“ in Famas Definition vage und nicht operational sind. Beaver hat die Informationseffi­ zienz deshalb genauer definiert: Der Kapitalmarkt ist effizient bezüglich eines spe­ ziellen Informationssystems, wenn und nur wenn die Wertpapierpreise sich so ver­ halten, als ob jeder Marktteilnehmer das Informationssystem beobachten und verar­ beiten könnte. Informationseffizienz bedeutet also, daß sich Wertpapierpreise so verhalten, als ob jeder einzelne Anleger genaues Wissen z.B. über die Änderung von Abschreibungsmethoden und deren Auswirkung auf den Gewinnausweis von Unternehmen hätte. Es ist zwar unrealistisch anzunehmen, daß wirklich jeder ein­ zelne Anleger über solch detailliertes Wissen verfugt, die These von der Informationseffizienz sagt aber auch lediglich aus, daß sich Preise am Kapitalmarkt so ver­ halten, als würden diese Bedingungen vorliegen.148 Als Prämissen, die für das Zu­ standekommen eines informationseffizienten Kapitalmarktes nötig sind, werden fol­ gende genannt: (1)

Es entstehen keine Transaktionskosten beim Handel von Wertpapieren.

(2)

Sämtliche Informationen stehen allen Marktteilnehmern kostenlos zur Verfü­ gung.

(3)

Alle Marktteilnehmer ziehen aus den vorhandenen Informationen die gleichen Schlüsse bezüglich der Preise der Wertpapiere.149

Informationseffizienz kommt also in der Theorie dadurch zustande, daß alle Markt­ teilnehmer kostenlos sämtliche verfügbaren Informationen erhalten und daraus die gleichen Folgerungen hinsichtlich der Preise der Wertpapiere ableiten, so daß dies zu einem sofortigen und gleichartigen Bewußtseinswandel bei allen Marktteilneh­ mern führt.150 Es wird zwischen drei Formen (oder Graden) der Informationseffizienz unterschie­ den, die jeweils zu unterschiedlichen Folgerungen für die Bedeutung von Rech­ nungslegungsinformationen führen:151

• Schwache Form der Informationseffizienz Wertpapierkurse berücksichtigen alle Informationen, die den bisherigen Verlauf der Aktienkurse betreffen. Deshalb können aus den Kurs Verläufen der Vergan-

147 148 149 150 151

Vgl. Möller, H., Bilanzforschung, 1983, S. 289. Vgl. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 134 f. Vgl. Fama, E., Efficient Capital Markets, 1970, S. 387. Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 19. Vgl. Fama, E., Efficient Capital Markets, 1970, S. 383 ff. Fama hat die Unterteilung zur Kategorisierung der empirischen Studien zur Kapitalmarkttheorie vorgenommen.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

57

genheit keine Aussagen über die zukünftige Kursentwicklung abgeleitet wer­ den.152 Damit ist die technische Aktienanalyse sinnlos.153

• Mittelstrenge Form der Informationseffizienz Wertpapierkurse berücksichtigen alle Informationen, die öffentlich verfügbar sind (einschließlich Rechnungslegungsinformationen).154 Deshalb können durch die Auswertung von Informationen aus dem Jahresabschluß keine Überrenditen er­ zielt werden.155

• Strenge Form der Informationseffizienz Wertpapierkurse berücksichtigen neben öffentlichen auch private Informationen (einschließlich Insider-Informationen).156 Selbst durch die Nutzung von InsiderInformationen könnten danach keine Überrenditen mehr erzielt werden.

Was hat nun die These von der Informationseffizienz der Kapitalmärkte mit der Ausgestaltung von Rechnungslegungsnormen zu tun? Wenn die These von der In­ formationseffizienz in ihrer schwachen Form zutrifft, bedeutet das, daß die künfti­ gen Kurse zwar nicht aus den vergangenen Kursen, jedoch aus den aktuellen Rech­ nungslegungsinformationen prognostiziert werden können. Rechnungslegungsinfor­ mationen sind zur Aktienkursprognose geeignet. Trifft allerdings die These von der Informationseffizienz in ihrer strengen oder mittelstrengen Form zu, dann ist dieser Teilaspekt der Informationsfunktion der Rechnungslegung hinfällig. Wenn nämlich in den Aktienkursen bereits alle verfügbaren Informationen verarbeitet wären, dann würde das bedeuten, daß keine Überrenditen durch das Ausnutzen von Informa­ tionsvorsprüngen erzielbar wären.157 Zwar sind auch auf Kapitalmärkten mit diesen Formen der Informationseffizienz Kursgewinne und -Verluste möglich, diese sind aber von niemandem aufgrund eines Informationsvorsprungs vorhersehbar. Auf dem Kapitalmarkt würde ein „fair game“, ähnlich wie ein Roulette, gespielt werden, weil die erzielbaren Renditen unabhängig vom Informationsstand des Anlegers sind und reine Zufallsvariablen darstellen.158

Wenn die Rechnungslegung keinen Informationswert hat, dann erübrigt sich auch die Frage nach der konkreten Ausgestaltung von Rechnungslegungsstandards im Sinne der Informationsfunktion (zumindest der Information zur Aktienkursprogno-

Vgl. dazu Brealey, R./Myers, S., Corporate Finance, 1996, S. 329. Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 72. Vgl. Fama, E., Efficient Capital Markets, 1970, S. 383 und 388. Vgl. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 137. Vgl. Heintges, S., Bilanzpolitik, 1996, S. 40. An dieser Stelle wird nicht diskutiert, ob das Ausnutzen von Informationsvorsprüngen durch Einzelne gesamt­ gesellschaftlich sinnvoll oder wünschenswert ist. Vgl. dazu Abschnitt 2.2.3.4.2. 158 Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 73; Brandl, R., Begründbarkeit, 1987, S. 153 f.; Schredelseker, K., Der Nutzen von Bilanzinformationen, 1985, S. 137 f., mit Verweis auf Schredelseker, K., Informationsnutzen, 1984, S. 44 - 59; Wagner, F., Informations- und Ausschüttungsbemessungsfuntkion, 1982, S. 762.

152 153 154 155 156 157

58

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

se). Ob Kapitalmärkte informationseffizient sind, ist also eine Problematik von ho­ her praktischer Relevanz: Trifft die These zu, wäre Anlageberatung mit Hilfe der Bilanzanalyse grundsätzlich sinnlos. Banken, Fondsverwaltungen und Versiche­ rungsuntemehmen würden jährlich immens hohe Beträge für eine Sache ausgeben, die sich nicht auszahlt.159

2.23.2.2 Empirische Befunde Es besteht weitgehendes Einvernehmen darüber, daß der Kapitalmarkt nicht streng informationseffizient ist.160 Eine große Anzahl empirischer Studien, vor allem in den USA, scheint jedoch die Gültigkeit der Effizienzthese in ihrer mittelstrengen Form zu bestätigen.161 Bei Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Tests sei die Effi­ zienzthese besser gestützt als die Gegenthese der Ineffizienz.162 Für ihre Gültigkeit sprechen auch diejenigen Testergebnisse, die besagen, daß Aktienkurse durch Bi­ lanzpolitik nicht beeinflußt werden können, wenn diese für externe Adressaten er­ kennbar ist.163 Der typische Aufbau der empirischen Untersuchungen, die analysieren, ob sich durch die Nutzung von Rechnungslegungsinformationen Überrenditen erzielen lassen, sieht so aus:

• Aufstellung einer Hypothese: Eine unerwartete Gewinnsteigerung ist mit einer unerwarteten Kurssteigerung verbunden (bei Informationseffizienz spiegelt sich die Gewinnsteigerung voll im Kurs wider). • Um feststellen zu können, was eine unerwartete Gewinnsteigerung ist, ist eine Methode zur Gewinnprognose zu finden. Unerwartete Gewinnsteigerungen sind jene Gewinnsteigerungen, die von einem erwarteten Gewinnbetrag nach oben ab weichen.165

159 Vgl. Schredelseker, K., Informationsnutzen, 1984, S. 44. 160 Vgl. Heintges, S., Bilanzpolitik, 1996, S. 41. 161 Vgl. Andersen, T., Efficient Capital Markets, 1985, S. 368; Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 79; Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 729. 162 Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 34. 163 Vgl. Brandl, R., Begründbarkeit, 1987, S. 160. 164 Die Studie von Ball/Brown kann als grundlegend für diese Fragestellung bezeichnet werden. Die Autoren untersuchen den Zusammenhang von Jahresabschlußinformationen und der Aktienkursentwicklung bei 261 Unternehmen in einem Zeitraum von zehn Jahren. Vgl. Ball, R./Brown, P., Empirical Evaluation, 1968, S. 161 ff.; Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 730. 165 Die Wirkungen von Revisionen von Gewinnerwartungen werden mit Hilfe des »Abnormal Performance Index“ (API) gemessen. Vgl. Ball, R./Brown, P., Empirical Evaluation, 1968; Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 795.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

59

• Eine Kurssteigerung ist unerwartet, wenn sie von der Schätzung der Kursent­ wicklung mit Hilfe der allgemeinen Börsentendenz166 im betrachteten Zeitraum positiv ab weicht und auf untemehmensindividuellen Faktoren beruht.167

Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen lauten meist so: Eine bestimmte Zeit vor der Veröffentlichung einer unerwarteten Gewinnsteigerung war die Rendite der Aktie durchgehend höher als die Rendite, die man aufgrund der Börsentendenz hätte erwarten können. Bei Veröffentlichung der Gewinnziffer entsprach die Rendite der Aktie jedoch derjenigen Rendite, die aufgrund des Marktmodells zu erwarten war. Wie ist dies zu interpretieren? In der Kursentwicklung vor der Veröffentli­ chung der Gewinnziffer kommt zum Ausdruck, daß die Anleger einen höheren Ge­ winn erwarten. Die Information des Gewinns ist bereits „voll im Kurs reflektiert“, weil sich nach dem Bekanntwerden des Gewinns keine Überrendite mehr ergibt.168

Die Effizienzthese in ihrer mittelstrengen Form kann auf Basis solcher Untersu­ chungen untermauert werden. Alle öffentlich zugänglichen Informationen sind voll­ ständig im Aktienkurs enthalten; es sind keine Überrenditen aus der Auswertung der Rechnunglegungsinformationen erzielbar. Deshalb kann die Auswertung der Rech­ nungslegungsinformationen nur noch eine Bestätigung der im Aktienkurs bereits vorweggenommenen Gewinnerwartungen liefern. Die Auswertung von Rechnungs­ legungsinformationen kann ab deren Veröffentlichungszeitpunkt nur noch wenig zur Verbesserung von Prognosen über Aktienkursentwicklungen beitragen. In letzter Zeit ist jedoch eine gewisse Skepsis eingekehrt, was die empirische Gül­ tigkeit der Effizienzthese betrifft.169 Seit Mitte der 80er Jahre sind eine Reihe von Untersuchungen erschienen, die darauf hindeuten, daß der Jahresabschluß auch nach seiner Veröffentlichung noch Informationen enthält, die nicht vollständig im Kurs widergespiegelt sind.170 Schon Ende der 70er Jahre wurde das Beispiel von Briloff bekannt. Dieser griff in seinen Veröffentlichungen immer wieder die Rechnungsle­ gungspraktiken bestimmter US-amerikanischer Unternehmen an und behauptete, daß ein großer Teil der Gewinne dieser Unternehmen auf zu stark gewinnorientierter

166 Die erwarteten Renditen werden in der Literatur mit Hilfe eines Marktmodells bestimmt, dem folgende Funkti­ on zugrunde liegt: Rü = + ßtRMt + uit. Es besagt, daß die Rendite Rit einer Aktie i von der allgemeinen

Börsenentwicklung

167 168 169 170

+ ßjRMt und von unternehmensspezifischen Faktoren uü abhängt, wobei t ein Zeitin­

dex ist. Vgl. dazu Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 730 f.; Möller, H., Bilanzforschung 1983, S. 291. Vgl. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 732. Vgl. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 731 f. Zur grundsätzlichen Problematik empirischer Kapitalmarkttests vgl. Menken, K., Informations-Ökonomie, 1993, S. 75 ff., und Rösch, D., Identifikation von Wertpapierrisiken, 1998. Vgl. Bernhard, V./Thomas, J., Post-Eamings-Announcement Drift, 1989; Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 81; Ou, J., Information Content, 1990; Ou, J./Penman, S., Financial Statement Analysis, 1989, S. 328; weiter­ gehende Studien versuchen dies zu erklären: Abarbanell, J./Bushee, B., Fundamental Analysis, Future Ear­ nings, and Stock Prices, 1997.

60

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Rechnungslegung beruhen würde.171 Die folgenden dauerhaften Kurseinbrüche der Aktien in Höhe von 8 % stehen im Widerspruch zur Effizienzthese, weil die Aussa­ gen von Briloff auf Basis der veröffentlichten Jahresabschlußdaten erfolgten, die jedermann zugänglich sind.172 Weitere empirisch gut belegte Anomalien, die die Gültigkeit der Effizienzthese in Zweifel ziehen, sind z.B. die Existenz von „Super­ investoren“, die über einen längeren Zeitraum Renditen oberhalb der Indexent­ wicklung erzielen konnten, oder der lang anhaltende Erfolg eines amerikanischen Informationsdienstes namens „Value Line Investment Surveys“.173 Auch die Ergeb­ nisse von Untersuchungen, die im deutschsprachigen Raum zur Informationseffi­ zienz durchgeführt wurden, lassen eher den Schluß zu, der Kapitalmarkt wäre nicht informationseffizient.174 2 .2.3.2.3 Kritik an der These der Informationseffizienz

Abgesehen von den empirischen Ergebnissen kommt die entscheidende Kritik an der Effizienzthese jedoch von theoretischer Seite. In dem viel beachteten Aufsatz von Grossmann/Stiglitz wird das logische Dilemma der Effizienzthese dargelegt.175 Grundlegend für die Geltung der Effizienzthese ist die Annahme, daß die Informati­ onsbeschaffung auf dem Aktienmarkt und der Wertpapierhandel kostenfrei möglich seien.176 Es ist jedoch unrealistisch anzunehmen, daß die Informationsbeschaffung weder Geld noch Zeit noch Mühe kostet. Wird diese Annahme aber aufgehoben, dann ist die These von der Informationseffizienz nur noch schwer zu begründen. Bei positiven Informationskosten wäre es paradox, Informationseffizienz des Marktes anzunehmen. Die einzige Möglichkeit für informierte Individuen, einen Erfolg aus ihrer Informationsbeschaffungsaktivität zu erzielen, ist die Nutzung der Informatio­ nen zur Verbesserung ihrer Position auf dem Markt. Würde die Informationsbe­ schaffung und -auswertung keinen Nutzen bringen, dann läge es nahe, diese, beson­ ders dann, wenn sie Geld kostet, zu unterlassen.177 Würde wiederum niemand In­ formationen beschaffen, dann gäbe es keinen Grund, warum Aktienkurse Informati­ onen effizient widerspiegeln sollten.178 „Der Markt kann nur dann effizient sein, wenn die Eigenkapitalgeber fälschlicherweise annehmen, er sei es nicht.“179 Dies

Vgl. Foster, G., Briloff and the Capital Market, 1979, S. 262 - 267. Vgl. Foster, G., Briloff and the Capital Market, 1979, S. 268 - 271; Heintges, S., Bilanzpolitik, 1996, S. 41 f. Vgl. Schredelseker, K., Der Nutzen von Bilanzinformationen, 1985, S. 136. Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 34. Vgl. Grossmann, S./Stiglitz, J., Informationally Efficient Markets, 1980, S. 393 - 408. Vgl. Fama, E., Efficient Capital Markets, 1970, S. 387. Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 26. Vgl. Grossmann, S./Stiglitz, J., Informationally Efficient Markets, 1980, S. 405; Schmidt, R., Informationspro­ duktion, 1982, S. 740. 179 Vgl. Schredelseker, K., Der Nutzen von Bilanzinformationen, 1985, S. 137.

171 172 173 174 175 176 177 178

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

61

bedeutet, daß der Kapitalmarkt auf aggregierter Ebene informationseffizient ist, auf der Ebene des einzelnen Investors jedoch ineffzient.180

Es ist notwendig, daß der Kapitalmarkt mit Informationen versorgt wird; auf welche Art und Weise das geschehen soll und wie diese aussehen sollen, kann mit Hilfe der Effizienzthese nicht begründet werden. Andererseits konnte durch die Effizienzthese auch nicht widerlegt werden, daß Rechnungslegungsinformationen zur Aktienkurs­ prognose geeignet sind. 2.2.33

Kapitalmarktreaktionen auf Rechnungslegungsinformationen

2.23.3.1 Informationsgehalt von Rechnungslegungsdaten Auch wenn aus den dargestellten Untersuchungen gefolgert wird, daß Rechnungsle­ gungsinformationen zur Aktienkursprognose überflüssig sind, heißt dies noch nicht, daß Rechnungslegungsinformationen nicht entscheidungsrelevant sind oder der Ka­ pitalmarkt diese nicht benötigt. Ganz im Gegenteil: Wenn empirische Untersuchun­ gen zeigen, daß die Veröffentlichung bestimmter Ergebnisse Kursreaktionen des Kapitalmarkts hervorruft, egal zu welchem Zeitpunkt, dann bedeutet dies zunächst, daß Rechnungslegungsdaten Informationsgehalt zukommt, weil sie das Entschei­ dungsverhalten der Anteilseigner beeinflussen.181 Das Ergebnis der empirischen Untersuchungen, die Beeinflussung der Kursentwicklung der Aktien durch Rech­ nungslegungsinformationen, kann als Indiz fiir den Informationsgehalt der Rech­ nungslegung gewertet werden.182 Die Entwicklung des Aktienkurses vor Veröffent­ lichung der Gewinnziffer deutet z.B. darauf hin, daß der Gewinn sehr wohl Infor­ mationsgehalt hat (denn die Bewertung der Aktien hängt ganz offensichtlich mit der erwarteten Gewinnziffer zusammen), die Informationen allerdings schon vor der Veröffentlichung nach außen dringen und den Kurs beeinflussen.183 Auch Watts/Zimmerman sind der Meinung, daß die Tatsache, daß Änderungen von Akti­ enkursen mit Rechnungslegungsinformationen über Gewinnziffem Zusammenhän­ gen, auf die Nützlichkeit der Gewinnziffem hindeutet.184

Das zentrale Ergebnis einer Studie von Ball/Brown185 ist, daß Jahresabschlußdaten zwar nachweislich Informationsgehalt haben, sich jedoch nur noch 10 % dieser In­ formation zum Veröffentlichungszeitpunkt in Aktienkursänderungen niederschlagen.

180 Vgl. Foster, G., Briloff and the Capital Market, 1979, S. 268. 181 Zur Prognose von Aktienrenditen durch Einzel- und Konzernabschlußdaten vgl. Schulte, J., Rechnungslegung und Aktienkursentwicklung, 1996, 203 ff.; Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 104; Lange, C., Jahre­ sabschlußinformationen, 1989, S. 83. 182 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschlußinformation, 1984, S. 308. 183 Vgl. Feldhoff, M., Regulierung, 1992, S. 81. 184 Vgl. Lev, B., On the Usefulness of Earnings and Earnings Research, 1989, S. 154; Watts, R./Zimmerman, J., Positive Accounting Theory, 1986, S. 35. 185 Vgl. Ball, R./Brown, P., Empirical Evaluation, 1968.

62

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Die restliche Information wurde bereits durch andere Quellen vorweggenommen.186 Solche Quellen sind z.B. Insider, die selbst auf dem Markt tätig sind oder ihr Wis­ sen an Dritte weitergeben, Vorabberichte der Unternehmen, Gewinnprognosen von Wertpapieranalysten oder informelle Informationskanäle.187 Die Tatsache, daß sich Informationen aus Jahresabschlüssen bereits mit einigem Vorlauf in den Aktienkur­ sen niederschlagen, konnte sowohl in Untersuchungen, die in den USA durchgeführt wurden, als auch in Untersuchungen im deutschsprachigen Raum nachgewiesen werden.188 Dies eindeutig zu belegen bereitet jedoch u.a. deshalb Schwierigkeiten, weil der Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht eindeutig zu fixieren ist. In Deutsch­ land könnte dies der Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung, der Be­ kanntmachung im Bundesanzeiger oder der Einreichung zum Handelsregister sein. Ähnliche Probleme gibt es auch in den USA.189

Die Untersuchung von Kapitalmarktreaktionen auf Rechnungslegungsinformationen ist ein Ansatz, die Entscheidungsrelevanz (und damit den Informationsgehalt) der Rechnungslegung in einer realen Entscheidungssituation zu testen. Aufgrund dieser Realitätsnähe wurde eine Vielzahl von Untersuchungen auf Basis dieses Ansatzes durchgeführt.190 Mit Hilfe solcher Studien wird auch untersucht, welche Informatio­ nen welche Reaktionen hervorrufen. Daran kann das Ausmaß der Entscheidungsre­ levanz bestimmter Informationen gemessen werden. Beispielsweise wurde unter­ sucht, ob die Bekanntgabe des Gewinns oder die des Cash Flows einen stärkeren Einfluß auf die Änderung der Aktienkurse hat.191 Die Untersuchungen lassen den Schluß zu, daß Überrenditen von Aktien eher mit Gewinnen als mit Cash Flows verbunden sind und sich damit die periodisierten Untemehmensergebnisse (Gewin­ ne) stärker auf die Aktienkurse auswirken als Cash Flows.192 Auch Gewinnvorher­ sagen durch die Unternehmensleitung oder Wertpapieranalysten, die Höhe der ge­ zahlten Dividende und untemehmensspezifische Veröffentlichungen in den Medien haben Einfluß auf den Aktienkurs.193 Änderungen der Rechnungslegungsmethoden, die den Cash Flow nicht verändern, wie z.B. der Wechsel von Lifo zu Fifo, wirken sich dagegen nicht auf die Aktienkurse aus.194

186 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 798. 187 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 800. 188 Solche Untersuchungen, deren Aufbau derjenigen von Ball/Brown ähnelt, wurden z.B. durchgeführt von Bran­ di, E., Jahresabschlußveröffentlichung, 1977; Möller, P., Bilanzkennzahlen und Ertragsrisiken des Kapital­ marktes, 1986; Pellens, B., Der Informationswert von Konzernabschlüssen, 1989. 189 Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 41 f. 190 Vgl. Ali, A., Incremental Information Content, 1994, S. 61 und Literaturverweise in Fn. 1 und 2; Coenenberg, A., Jahresabschlußinformation, 1984, S. 309; Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, Tabelle S. 85 f. 191 Vgl. Ball, R./Brown, P., Empirical Evaluation, 1968, S. 172 f. 192 Vgl. Watts, R./Zimmerman, J., Positive Accounting Theory, 1986, S. 69 193 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 183. 194 Vgl. Foster, G., Financial Statement Analysis, 1986, S. 401.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

63

2.23.3.2 Informationsgehalt von Rechnungslegungssystemen verschiedener Länder

In neueren empirischen Studien wird der relative Informationsgehalt von Rech­ nungslegungssystemen verschiedener Länder verglichen.195 Falls sich herausstellen sollte, daß die Rechnungslegung in bestimmten Ländern informativer bzw. entschei­ dungsrelevanter für den Kapitalmarkt ist als in anderen, könnte sich dies bei der Auswahl konkreter Rechnungslegungsnormen als hilfreich erweisen.

Alford/Jones/Leftwich und Zmijewski untersuchten den statistischen Zusammen­ hang zwischen veröffentlichten Gewinnziffem von 7000 Unternehmen aus 16 Län­ dern196 und Aktienkursreaktionen auf den jeweiligen Kapitalmärkten ähnlich dem Ansatz von Ball/Brown. Das Ergebnis ist, daß sich der Informationsgehalt der jähr­ lichen Gewinnziffem in den verschiedenen Ländern signifikant unterscheidet. Wäh­ rend der Informationsgehalt der australischen, englischen, französischen und nie­ derländischen Rechnungslegung nach dieser Untersuchung höher ist als der Infor­ mationsgehalt nach US-GAAP, ist der Informationsgehalt nach dänischem, deut­ schem, italienischem und schwedischem Recht geringer.197 Problematisch an diesem Vergleich ist die für seine Durchführung nötige Annahme, die Kapitalmärkte würden in den verschiedenen Ländern auf Informationen auf die gleiche Art und Weise rea­ gieren. Nur dann kann die Untersuchung zu verwertbaren Ergebnissen kommen. Da die Marktstrukturen in den untersuchten Ländern jedoch unterschiedlich sind, ist es möglich, daß die Abweichungen nicht auf die Rechnungslegung, sondern auf die unterschiedliche Funktionsweise der Kapitalmärkte zurückzuführen sind. In einer Untersuchung von Frankenberg wurde getestet, ob eine Auswertung amerikanischer Abschlüsse im Vergleich zu einer Auswertung deutscher Abschlüsse die Rangfolge von Unternehmen, die mit Hilfe von Kennzahlen erzeugt wurde, verändert.198 Dies ist zwar der Fall, konkrete Folgerungen für die Ausgestaltung von Rechnungsle­ gungsnormen können daraus jedoch nicht gezogen werden.199 In einer weiteren Studie von Harris/Lang/Möller wurde die Relevanz deutscher und US-amerikanischer Jahresabschlußdaten für die Aktienbewertung untersucht.200 Je enger der Zusammenhang zwischen der Börsenrendite, dem veröffentlichten han­

195 Zu einem Überblick dazu siehe Ballwieser, W., Grenzen des Vergleichs, 1997, S. 387 - 389; Ballwieser, W., Chancen und Gefahren, 1997, S. 36 - 38, besonders ausführlich und detailliert: Auer, K., International harmo­ nisierte Rechnungslegungsstandards, 1997, S. 232 - 255. 196 Vgl. Alford, A./Jones, J./Leftwich, R./Zmijewski, M., Informativeness, 1993, S. 191. 197 Vgl. Alford, A./Jones, J./Leftwich, R./Zmijewski, M., Informativeness, 1993, S. 213. 198 Die Datenbasis bildeten die Handelsbilanzen I und II von deutschen Tochtergesellschaften US-amerikanischer Unternehmen und die Handelsbilanzen I und II von US-amerikanischen Tochtergesellschaften deutscher Kon­ zerne. Vgl. Frankenberg, P., Jahresabschlüsse im internationalen Vergleich, 1993, S. 198 und S. 204. 199 Vgl. Frankenberg, P., Jahresabschlüsse im internationalen Vergleich, 1993, S. 188 ff. 200 Als Datenbasis dienten 1084 deutsche und 914 US-amerikanische Jahresabschlüsse, vgl. Harris, T./Lang, M./Möller, H., Relevanz der Jahresabschlußgrößen Erfolg und Eigenkapital, 1995, S. 1017.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

deisrechtlichen Jahresüberschuß und einem von Finanzanalysten geschätzten Unter­ nehmensergebnis ist, als desto entscheidungsrelevanter wird die Rechnungslegung beurteilt. Diese Studie kommt entgegen der von Ball/Brown zu dem Ergebnis, daß zwischen deutschen Jahresabschlußdaten und Aktienkursen bzw. -renditen ein eben­ so enger Zusammenhang besteht wie zwischen US-amerikanischen Jahresabschluß daten und Aktienkursen bzw. -renditen. Die Zusammenhänge sind für Unternehmen, die Konzemabschlüsse veröffentlichen, enger als für solche, die keine Konzemab­ schlüsse veröffentlichen. Außerdem deuten die Ergebnisse auf eine wesentlich vor­ sichtigere Gewinnermittlung in Deutschland gegenüber der in den USA hin.201 Of­ fensichtlich berücksichtigen die Anleger diese im Vergleich zu den USA vorsichti­ gere Gewinnermittlungsart bei ihrer Preissetzung, sonst könnte der Zusammenhang zwischen deutschen Jahresabschlußdaten und Aktienkursen nicht ähnlich eng sein.202 Auer untersuchte, welche Änderungen sich im Informationsgehalt von Gewinn Ver­ öffentlichungen bei einer Umstellung von den schweizerischen Rechnungslegungs­ standards auf IAS oder EG-Richtlinien ergeben haben. Im Gegensatz zu den vorhe­ rigen Untersuchungen dienen die IAS als Referenzstandard. Als Maßstab für den Informationsgehalt der Rechnungslegung werden die standardisierten abnormalen Renditen infolge unerwarteter Gewinne verwendet.203 Wie auch bei den vorherge­ henden Untersuchungen ist das Ergebnis, daß sich kein statistisch signifikanter Un­ terschied in den Mittelwerten der Renditen bei Verwendung der schweizerischen Rechnungslegungsstandards, der IAS und der EG-Richtlinien ergibt.204

Im Ergebnis sind diese Studien, die die Entscheidungsrelevanz von Rechnungsle­ gungsinformationen in einem internationalen Umfeld untersuchen, widersprüchlich und wenig hilfreich. Weiterführend ist jedoch die Erkenntnis, daß Anteilseigner auch im internationalen Umfeld v.a. die Untemehmensergebnisse (die Gewinne) für entscheidungsrelevant halten. Gewinnänderungen können einen signifikanten Zu­ sammenhang mit Aktienkursänderungen aufweisen, weil der Gewinn von anderen Daten abhängig ist, auf die die Aktienkurse reagieren. Gewinne scheinen also eine Informationsquelle für Anteilseigner zu sein und damit Einfluß auf die Aktienkurse zu haben. Sie sind allerdings nur eine unter vielen Informationen, die Einfluß auf die Aktienkurse haben, wie z.B. die Ankündigung von Prozessen, die Vergabe von

201 Vgl. Harris, T./Lang, M./Möller, H., Relevanz der Jahresabschlußgrößen Erfolg und Eigenkapital, 1995, S. 998. 202 Zur Berechnung der standardisierten abnormalen Renditen vgl. Auer, K., International harmonisierte Rech­ nungslegungsstandards, 1997, S. 274, Fn. 772. 203 Zu den kurz zusammengefaßten Untersuchungsergebnisse, vgl. Auer, K., Rechnungslegungsstandard, 1998, S. 139- 152. 204 Vgl. Auer, K., International harmonisierte Rechnungslegungsstandards, 1997, S. 256 - 279.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

65

Aufträgen, die Entdeckung von Erdölvorkommen oder das Bekanntwerden neuer Investitionsobjekte. Ihre relative Bedeutung ist eine bis heute offene Frage.205 Ein grundsätzliches Problem der Studien zu den Kapitalmarktreaktionen auf Rech­ nungslegungsinformationen ist, daß nur Kursreaktionen auf bereits existierende Untemehmensinformationen getestet werden können, nicht aber auf neue Rechnungsle­ gungskonzeptionen oder alternative Informationswege. Außerdem erlauben diese Ergebnisse keinen unmittelbaren Schluß auf die individuellen Informationsbedürf­ nisse der Anteilseigner, weil deren individuelles Entscheidungsverhalten bei den Kapitalmarktstudien als black box behandelt wird.206

2.2.3.4

Auswirkungen von Informationen auf die Funktionsweise von Kapi­ talmärkten

2.2.3.4.1 Herstellung von Chancengleichheit zwischen den Kapitalmarktteil­ nehmern

Bisher wurde ausschließlich von einem individuellen Informationsnutzen ausgegan­ gen. Eine andere Möglichkeit, die Frage nach dem Nutzen von Informationen fin­ den Kapitalmarktkontext und nach deren Ausgestaltung zu beantworten, ist es, nicht den individuellen, sondern den gesellschaftlichen Informationsnutzen zu betrachten. Denn Informationen, die ausschließlich zur Erzielung eines individuellen Nutzens für die Anteilseigner dienen, können auf einem „Informationsmarkt“ beschafft wer­ den.207 Die mit Kosten verbundene Bereitstellung öffentlicher Information muß ei­ nen gesellschaftlichen Nutzen haben. Ein solcher gesellschaftlicher Nutzen ist z.B. die Förderung der Funktionsweise von Kapitalmärkten. Daraus läßt sich unter be­ stimmten Voraussetzungen ein Bezugsrahmen fiir die Entwicklung von Vorgaben fiir Rechnungslegungsnormen ableiten. Im folgenden werden deshalb die möglichen Wirkungen von Informationen auf die Allokation des Kapitals zwischen den Kapitalmarktteilnehmem sowie zwischen Kapitalmarktteilnehmem und Unternehmen untersucht.

Die Möglichkeit eines nicht effizienten Marktes kann als Argument fiir den Nutzen von Rechnungslegungsinformationen gesehen werden, weil diese in der Lage sind, Informationsasymmetrien zwischen besser und schlechter informierten Anteilseig­ nern auszugleichen.208 Gäbe es nämlich keine Pflichtpublizität von Jahresabschlüs­ sen, so wären Anteilseigner auf andere Informationsquellen angewiesen. Verschie­ dene Anteilseigner haben unterschiedlichen Zugang zu solchen Quellen. Folglich gäbe es besser und schlechter informierte Marktteilnehmer. Je größer aber die Un-

205 206 207 208

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 122 f. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 84. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 789. Schmidt, R., Informationsproduktion, 1982, S. 740.

66

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

terschiede in den Informationsständen sind, umso größer ist der Ausbeutungsspiel­ raum für die besser Informierten auf Kosten der schlechter Informierten.209 Markt­ teilnehmer, die schlechter informiert sind, werden erkennen, daß ein Handel mit besser informierten Marktteilnehmern für sie nachteilig ist, und nehmen deshalb we­ niger am Marktgeschehen teil.210 Daraus folgt eine Reduzierung der Zahl der Marktteilnehmer, die Transaktionskosten durch eine vergrößerte Spanne zwischen An- und Verkaufspreisen erhöhen sich und die Liquidität von Wertpapieren sowie die Handelsvolumina verringern sich.211 Chancenungleichheit im Sinne von unter­ schiedlichen Informationsständen ist nachteilig, weil die Funktionsfähigkeit des Ka­ pitalmarkts beeinträchtigt und das Zustandekommen von Finanzierungsbeziehungen erschwert wird.212 Eine ungleiche (asymmetrische) Informationsverteilung schadet deshalb allen Marktteilnehmern.213 Informationen (und speziell Rechnungslegungsinformationen) können also das Risi­ ko von Marktteilnehmer verringern, gegenüber anderen schlechter informiert zu sein und von diesen ausgebeutet zu werden. Dadurch verbessern sie nicht nur den Wohlstand der weniger Informierten auf Kosten der besser Informierten, sondern sie verbessern den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand, weil auch die weniger Infor­ mierten am Marktgeschehen teilnehmen.214 Rechnungslegungsinformationen haben nach dieser Argumentation also den Zweck, Informationsasymmetrien auszuglei­ chen, um Chancengleichheit herzustellen.215 Das Ziel des Ausgleichs von Informati­ onsasymmetrien hat auch schon die Diskussion der Agency-Theorie ergeben.216 Während bei dieser Theorie das Informationsgefälle zwischen Anteilseignern und Managern im Vordergrund steht, geht es hier um das Informationsgefälle zwischen den verschiedenen Anteilseignern.

2.2.3.4.2 Förderung der Allokationseffizienz von Kapitalmärkten Ein weiterer Aspekt des Nutzens von Rechnungslegungsinformationen im Kapital­ marktkontext ist ihr möglicher Beitrag zur Allokationseffizienz des Kapitalmarktes. Wie bereits erwähnt, geht es bei der Allokationseffizienz darum, die knappe Res­ source Kapital in ihre rentabelste Verwendung zu lenken.217 Die vorher diskutierte Informationseffizienz der Kapitalmärkte ist nur eine notwendige, nicht jedoch eine

209 210 211 212

2,3 214 215 216 217

Vgl. Schredelseker, K., Der Nutzen von Bilanzinformationen, 1985, S. 139. Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 104. Vgl. Lev, B., Theory of Equitable and Efficient Accounting Policy, 1988, S. 8 f. und 19. Vgl. Schubert, V.» Asymmetrische Information, 1999, S. 67 - 77; Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 138. Vgl. Spremann, K., Asymmetrische Information, 1990, S. 561 - 586. Vgl. Ballwieser, W., Theorie der Rechnungslegung, 1993, S. 124; Jenkins, E., Information High way, 1994, S. 77. Vgl. Böcking, H, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998, S. 26. Vgl. Abschnitt 2.2.2.4. Vgl. dazu die Einleitung zu Abschnitt 2.2.3.2.1 (Abgrenzung von Allokations- und Informationseffizienz).

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

67

hinreichende Bedingung für die Allokationseffizienz.218 Informationseffizienz besagt lediglich, daß alle aktuellen Informationen im Kurs widergespiegelt sind; über den gesellschaftlichen Informationsnutzen und das gesellschaftlich wünschenswerte Maß an Informationen sagt sie jedoch nichts aus. Die Allokationseffizienz eines Kapital­ marktes hängt dagegen vom Umfang der verfügbaren Informationen ab. Nur auf ei­ nem Markt, auf dem auf der Basis zuverlässiger Informationen die Konsequenzen von Anlageentscheidungen gut abgeschätzt werden können, wird das Kapital in die vorteilhaftesten Anlageformen fließen.219 Die Informationsfunktion der Rechnungslegung hat den Zweck, gesamtgesellschaft­ lich zur optimalen Ressourcenallokation beizutragen, d.h. die Fähigkeit der Kapi­ talmärkte zu fördern, das Kapital in die rentabelsten Verwendungsmöglichkeiten zu lenken, und nicht, Vorteile für einzelne Anleger durch Informationsvorsprünge zu bieten oder Nachteile der schlechter Informierten auszugleichen.220 Öffentliche In­ formationen können die Güterausstattung der Volkswirtschaft beeinflussen:221 Je besser die Eigenkapitalgeber über die Ertragsaussichten von Unternehmen infor­ miert sind, desto eher ist gewährleistet, daß die knappe Ressource Kapital den bes­ ten Verwendungsmöglichkeiten zugeführt wird.222 Unternehmen, die zukünftig gute Ergebnisse erwarten lassen, erhalten Kapital zu günstigeren Bedingungen als Unter­ nehmen, deren Gewinnaussichten schlecht sind. Auf diese Weise werden erfolgver­ sprechende Investitionen gefördert, weniger erfolgversprechende Investitionen da­ gegen gehemmt.223 Um entscheiden zu können, welche Investitionen erfolgversprechender als andere sind, werden Informationen benötigt, wie sie z.B. die Rechnungslegung bereitstellt. Die Rentabilität der Verwendung des Kapitals könnte beispielsweise an der Höhe der Eigenkapitalrendite verschiedener Unternehmen gemessen werden. Die Eigen­ kapitalrendite im besonderen und Rechnungslegungsinformationen im allgemeinen haben als rein vergangenheitsbezogene Daten allerdings den Nachteil, zukünftige Gewinnerwartungen nicht direkt abbilden zu können. Nur bei Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung von Unternehmen wird das Kapital tatsächlich in die vor­ teilhaftesten Kapitalanlagen fließen. Mangels des Vorhandenseins zukunftsbezoge­ ner Daten (bzw. der Risikobehaftung solcher Daten) können die vergangenheitsbe­ zogenen Daten zumindest einen Ersatzindikator darstellen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß sich Kursbewegungen von Aktien auf Kapitalmärkten abspielen, die Ressourcenallokation des Kapitals jedoch eine

Vgl. Brandl, R., Begründbarkeit, 1987, S. 158. Vgl. Schildbach, T., Markt, 1986, S. 16. Vgl. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 43. Dies unterscheidet den hier betrachteten Kapitalmarkt von einem reinen Tauschmarkt, wie er in Abschnitt 2.2.2.3. unterstellt wird. 222 Vgl. Hartmann-Wendels, T., Rechnungslegung der Unternehmen, 1991, S. 138. 223 Vgl. Hax, H., Rechnungslegungsvorschriften, 1988, S. 193.

2,8 2,9 220 221

68

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Frage des konkreten Kapitalzuflusses an die Unternehmen ist. Der Zusammenhang zwischen dem Aktienkurs einer Unternehmung und dem für Investitionszwecke zu­ fließenden Kapital ist zum großen Teil mittelbar. Aktienkurse betreffen lediglich Transaktionen zwischen den Anteilseignern auf dem Kapitalmarkt, nicht diejenigen zwischen Unternehmung und Anteilseignern.224 Ein direkter Zusammenhang zwi­ schen dem Aktienkurs (in den die Rechnungslegungsinformationen eingehen) und dem Kapital, das dem Unternehmen zufließt, besteht nur bei Neuemissionen von Aktien oder bei einer Kapitalerhöhung. Der Aktienkurs spielt hier eine bedeutende Rolle, weil Unternehmungen mit höheren Aktienkursen mehr Eigenkapital beschaf­ fen können als Unternehmen mit niedrigeren Aktienkursen. Während die Bedeutung der Untemehmensfinanzierung über den Aktienmarkt früher recht bescheiden einge­ schätzt wurde (1979 wurden in Deutschland nur 2,75 % der Gesamtinvestitionen der Unternehmen über Kapitalerhöhungen finanziert),225 ist die Bedeutung von Neu­ emissionen und Kapitalerhöhungen für die Untemehmensfinanzierung erheblich ge­ stiegen. Das kann man an den spektakulären Börsengängen, etwa der Telekom AG im Jahre 1996, oder an der steigenden Bedeutung der Börse im allgemeinen (der Dax, der sich lange Jahre unter 2000 Zählern bewegte, übersprang am ersten Han­ delstag des Jahres 2000 erstmals in ihrer Geschichte die Schwelle von 7000 Punk­ ten226) erkennen. Doch selbst wenn man die direkte Wirkung der Aktienkurse auf die Kapitalallokation als unbedeutend einstuft, so ist doch der indirekte, über Um­ wege wirkende Einfluß nicht zu vernachlässigen. Beispielsweise haben Unterneh­ men, die von den Kapitalmärkten hoch bewertet werden, auch die Möglichkeit einer leichteren Fremdkapitalbeschaffung. Auf diese Weise fließt das Kapital, gegebe­ nenfalls über den Umweg der Banken, in die rentabelsten Verwendungsmöglich­ keiten. Ebenso kann die Befolgung des Shareholder-Value-Konzepts, das die Ausrichtung der Untemehmensentscheidungen an der Maximierung des Aktienkurses der Unter­ nehmen beinhaltet,227 zu Imagevorteilen führen, die sich auf die Marktposition und die Einflußmöglichkeiten der Unternehmen positiv auswirken. Marktposition und Einflußmöglichkeiten tragen wiederum zur leichteren Kapitalbeschaffung bei.228 Die Ausrichtung des Wirtschaftens am Shareholder-Value-Konzept kann auch direkt zu höheren Aktienkursen führen, wenn dieses als Lenkungsinstrument aufgefaßt wird, das die Ressourcenallokation innerhalb eines Unternehmens optimiert.229 Dabei hat das Shareholder-Value-Konzept als Lenkungsinstrument zum einen die Aufgabe, zur

224 225 226 227

Vgl. Wagner, F., Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion, 1982, S. 763 f. Vgl. Wagner, F., Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion, 1982, S. 764, Fn. 5. Vgl. Beise, M.» Dax, 2000, S. 1. Vgl. Küting, K./Hütten, C./Lorson, P., Shareholder-Value, 1995, S. 1807; Wagner, F., Shareholder Value, 1997, S. 475 ff. 228 Vgl. Busse von Colbe, W., Rechnungswesen, 1995, S. 713. 229 Vgl. zum Shareholder-Value-Ansatz zur Performancemessung von Lebensversicherungsunternehmen Weiden­ feld, G., Shareholder-Value-Ansatz, 1994, S. 161.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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Auswahl der besten Investitionsprojekte beizutragen, und andererseits, Frühwamsignale für Desinvestitionen zu geben.230 Optimale Ressourcenallokation im Unter­ nehmen fuhrt zu hohen Eigenkapitalrenditen, diese zu hohen Aktienkursen und diese wiederum zu besseren Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten.231 Eine Bindung der Entlohnung des Managements an den Aktienkurs der Unterneh­ men fördert die Motivation, gut zu wirtschaften, letzteres fuhrt wiederum zu leichte­ ren Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten. Wenn die Entlohnung des Managements an die Aktienkurse gebunden ist, dann werden diejenigen Manager am meisten belohnt, die das ihnen zur Verfügung stehende Kapital am rentabelsten investiert haben.232 Das kann zur Motivation des Managements beitragen, auch in Zukunft die Erwar­ tungen der Kapitaleigner möglichst gut zu erfüllen. Bei hohen Aktienkursen sinkt die Gefahr feindlicher Take-overs, und ein gut wirtschaftendes Management kann vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes bewahrt werden.233

Rechnungslegungsinformationen haben also eine Lenkungsfünktion im Sinne einer Lenkung der Kapitalströme in die rentabelste Verwendung und eine Kontrollfunkti­ on im Sinne einer Disziplinierung der Manager hinsichtlich profitablen Wirtschaf­ tens.234 Aus beiden Funktionen kann die Forderung abgeleitet werden, daß Rech­ nungslegungsinformationen möglichst vergleichbar sein sollten. Auch Küting/Hütten/Lorson kommen nach der Analyse des Shareholder-Value-Konzepts zu dem Ergebnis, daß möglichst glaubwürdig und vergleichbar informiert werden muß.235 Um beide Funktionen erfüllen zu können, muß die Vergleichbarkeit sowohl in zeitli­ cher als auch in zwischenbetrieblicher Hinsicht gegeben sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Vergleichsziffem wie die Eigenkapitalrendite in allen Unternehmen und im Zeitablauf auf die gleiche Art und Weise ermittelt werden. Besonders bei der Ermittlung der Gewinnziffer, die die Grundlage der Ermittlung der Eigenkapitalren­ dite ist, können sich große Unterschiede durch die Anwendung verschiedener Bilan­ zierungsmöglichkeiten ergeben. Um die Vergleichbarkeit herzustellen, müssen Bi­ lanzierungsvorschriften möglichst klar und eindeutig sein, und dürfen keine Wahl­ rechte enthalten.

230 231 232 233 234

Vgl. Siegert, T., Shareholder-Value, 1995, S. 581. Vgl. Buchner, R., Shareholder Value-Ansatz, 1994, S. 513. Vgl. Rappaport, A., Shareholder Value, 1995, S. 8. Vgl. Wagner, F., Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion, 1982, S. 764. Nach Menken, K., Informationsökonomie, 1993, S. 130, sind Jahresabschlußinformationen für die Funktions­ fähigkeit des Kapitalmarktes und zur Lösung des Management-Eigner-Konflikts von Bedeutung. 235 Vgl. Küting, K./Hütten, C./Lorson, P., Shareholder-Value, 1995, S. 1808.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

70

2.2.4

Empirisch-induktive Ansätze

2.2.4.1

Überblick

Während sich deduktive Theorieansätze dadurch auszeichnen, daß, von grundlegen­ den Annahmen und Prinzipien ausgehend, durch logische Schlußfolgerungen kon­ krete Grundsätze, die die Bedingungen und Verhältnisse der Realität berücksichti­ gen, entwickelt werden, leiten induktive Theorien aus der Aggregation von Beo­ bachtungen in der Realität Aussagen durch Verallgemeinerung ab. Die Richtung der Ableitung der Aussagen von induktiven Theorien geht von einer niedrigen zu einer höheren Aggregationsstufe.236

Empirische Ansätze erfassen Ereignisse und Tatbestände der realen Welt durch konkrete Studien oder Untersuchungen und haben das Ziel, diese prognostizierbar zu machen. Empirisch-induktive Ansätze sind also solche, die versuchen, aus empi­ rischen Untersuchungen zu allgemeine Aussagen zu gelangen, die wiederum als Ableitungsbasis für konkrete Rechnungslegungsnormen dienen können. Im Gegen­ satz zu den bisher diskutierten Untersuchungen zu Kapitalmarktreaktionen auf Rechnungslegungsinformationen liegt den folgenden empirisch-induktiven Ansätzen keine Theorie zugrunde (wie z.B. die Informationseffizienzthese aus der Finanzie­ rungstheorie), und sie sind nicht ausschließlich auf den Kapitalmarkt bezogen.237 2.2.4.2

Informationswünsche von Rechnungslegungsadressaten

2.2.4.2.1 Ermittlung der Informationswünsche durch individuelle Befragung

In der deutschsprachigen Literatur wurden die Informationsbedürfhisse der Unter­ nehmensbeteiligten bisher hauptsächlich deduktiv aus Plausibilitätsüberlegungen abgeleitet.238 Auch im Framework der IAS werden die Adressaten und ihre Infor­ mationsbedürfhisse quasi defmitorisch festgelegt.239 Die angegebenen Informati­ onswünsche dieser Adressatengruppen klingen, besonders durch ihre allgemeine Formulierung, zum großen Teil plausibel. Die Problematik, daß man nicht mit Ge­ wißheit sagen kann, ob die angegebenen Informationswünsche den individuellen Informationsbedürfhissen der Adressaten in der Realität entsprechen, bleibt jedoch bestehen.240

Dieser Nachteil könnte dadurch behoben werden, daß individuelle Befragungen un­ ter den Adressaten der Rechnungslegung hinsichtlich ihrer Informationswünsche

236 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994. S. 87 f. 237 So auch Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 167. 238 Beispiele dazu finden sich in: Moxter, A., Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1966, S. 51 ff.; Coenen­ berg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 745 ff.; Volk, G., Jahresabschluß und Information, 1990, S. 45 ff. 239 Vgl. dazu Abschnitt 2.1. 240 Vgl. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 77.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

71

durchgefiihrt werden. Um auch Detailfragen der Rechnungslegung bezüglich der grundlegenden Zielsetzung der Untersuchung, wie entscheidungsrelevante Rech­ nungslegungsinformationen aussehen sollen, klären zu können, wäre es sicher am naheliegendsten, die Adressaten der Rechnungslegung selbst nach ihren Informati­ onswünschen zu fragen. Dadurch wäre es möglich, sich einer Antwort auf die Frage anzunähem, wie Rechnungslegung aussehen müßte, um für den einzelnen entschei­ dungsrelevante Informationen bereitzustellen. Untersuchungen durch individuelle Befragung mit Hilfe von Fragebögen und Interviewtechniken wurden vor allem in den USA durchgeführt, wobei die Befragung von Kapitalanlegem (privaten und in­ stitutionellen) sowie von Finanzanalysten im Vordergrund stand. Bei den meisten dieser Untersuchungen wurde den Benutzern von Jahresabschlüssen eine Liste mit verschiedenen Rechnungslegungspositionen vorgelegt, deren Bedeutung als Grund­ lage für Anlage- und Kreditentscheidungen sie anhand einer Ratingskala (häufig ei­ ner Fünf-Punkte-Skala von „sehr unwichtig“ = 1 Punkt bis „sehr wichtig“ = 5 Punkte) beurteilen sollten. Der Punktedurchschnitt ergibt die Rangfolge der Infor­ mationswünsche.241 In einer frühen Untersuchung von Hub aus dem Jahre 1970 wurden beispielsweise 95 Finanzanalysten, Mitarbeiter von Investmentgesellschaften und Mitglieder der DVFA242 mit Hilfe eines Fragebogens befragt, wobei 15 Informationspositionen vorgegeben waren.243 Als wichtigste Informationswünsche wurden der effektive, bereinigte Gewinn pro Aktie (gemäß der Empfehlung der DVFA), außerordentliche Aufwendungen und Erträge, langfristige Planungsziele hinsichtlich Produktion, Fi­ nanzierung und Marketing sowie die Ertragsentwicklung und die tatsächlich erziel­ ten Gewinne der nicht publizitätspflichtigen Tochter- und Auslandsgesellschaften genannt. 244

Die Untersuchung von Baker/Haslem aus dem Jahre 1973, in der über 850245 An­ teilseigner zu 33 vorgegebenen Informationspositionen befragt wurden, ergab, daß der Ausblick auf die zukünftige wirtschaftliche Lage eines Unternehmens, die Qua­ lität des Managements, ein Ausblick auf die zukünftige wirtschaftliche Lage der Branche sowie das erwartete Umsatzwachstum für die Befragten besonders wichtig waren.246

241 Vgl. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 79. 242 DVFA: Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung e.V. 243 Vgl. Hub, H., Unternehmensberichterstattung für Anlageentscheidungen, 1972, S. 88 - 122, besonders S. 80 und den Fragebogen S. 161 f. 244 Es werden hier nur die jeweils vier ranghöchsten Informationswünsche angegeben. Zu detaillierteren Angaben siehe Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 80. 245 Es wurden 1623 private Kleinanleger aus Washington D.C. angeschrieben, davon waren 851 Fragebögen aus­ wertbar. Vgl. Baker, K./Haslem, J., Information Needs of Individual Investors, 1973, S. 65. 246 Vgl. Baker, K./Haslem, J., Informations Needs of Individual Investors, 1973, S. 67; Schwerpunkt der Untersu­ chung war die Frage, ob eher vergangenheits- oder zukunftsbezogene Daten von Interesse sind.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Buzby wertete in seiner Studie aus dem Jahre 1974 die Antworten von 131 Finanz­ analysten zu 38 vorgegebenen Informationspositionen aus.247 Als wichtigste Infor­ mationswünsche ergaben sich eine Darstellung im Wechsel von Rechnungsle­ gungsmethoden, die Investitionsausgaben des laufenden Jahres, Angaben zu Umsät­ zen und Reingewinnnen aus Auslandsaktivitäten und die Zusammenfassung wichti­ ger Geschäftsdaten der Vergangenheit.248

Auch Chandra befragte 180 Finanzanalysten249 zu 39 vorgegebenen Informationspo­ sitionen mit Hilfe von Fragebögen, wobei der Gewinn pro Aktie, die Höhe des Ge­ samterfolgs, die Höhe des ordentlichen Ergebnisses und die Bilanzierungsmethode im Zusammenhang mit Untemehmenskäufen und -Zusammenschlüssen als beson­ ders wichtige Informationen eingeschätzt wurden.250 Kellinghusen/Irrgang untersuchten mit Hilfe von Interviews die Meinung von 52 Fi­ nanzanalysten und 53 Aktionären zu sieben vorgegebenen Informationspositio­ nen.251 Dabei wurden die Positionen von beiden befragten Gruppen nach der von ihnen angegebenen Wichtigkeit gereiht. Die Analysten werteten langfristige Er­ tragsaussichten, die Entwicklung des Aktienkurses, eine globale Darlegung der langfristigen Untemehmensstrategie und die Entwicklung des Marktanteils als be­ sonders bedeutend. Die Aktionäre dagegen wünschten sich Informationen zur glo­ balen Untemehmensstrategie, zur Entwicklung des Aktienkurses und des Marktan­ teils sowie zu den langfristigen Ertragsaussichten.252 In einer Untersuchung aus dem Jahre 1981 von Lee/Tweedie, in der 136 Finanzin­ stitutionen und 95 Börsenmakler per Interview befragt wurden, stellte sich heraus, daß der Gewinn pro Aktie, die Vermögenslage und die Kapitalstruktur, die Rentabi­ lität (profitability) und der Dividendenertrag als besonders wichtig eingeschätzt wurden.253 Als bedeutendste Informationsquelle wurde die Erfolgsrechnung von 57 % genannt, gefolgt von der Bilanz mit 39 %.254 Wie sind diese Ergebnisse255 zu werten? Es wird deutlich, daß sich die Informati­ onswünsche der Analysten und der Aktionäre unterscheiden. Analysten und institu-

247 Vgl. Buzby, S., Information, 1974, S. 425. 248 Vgl. Buzby, S., Information, 1974, S. 431; zur Übersetzung der Positionen vgl. Lange, C., Jahresabschlußin­ formationen, 1989, Tabelle S. 80. 249 Es wurden 400 Finanzanalysten Fragebögen zugeschickt, von denen 180 antworteten. Vgl. Chandra, G., In­ formations needs of security analysts, 1975, S. 67. 250 Vgl. Chandra, G., Information Needs of Security Analysts, 1975, S. 68. 251 Vgl. Kellinghusen G./Irrgang, W., Der optimale Geschäftsbericht, 1978, S. 2280. 252 Einschränkend ist zu der Untersuchung von Kellinghusen/Irrgang zu sagen, daß sich diese bei ihren Fragen in erster Linie auf den Geschäftsbericht bezogen. Vgl. Kellinghusen, G./Irrgang, W., Der optimale Geschäftsbe­ richt, 1978, S. 2280. 253 Vgl. Lee, T./Tweedie, D., Financial Information, 1981, S. 66. 254 Vgl. Lee, T./Tweedie, D., Financial Information, 1981, S. 198, Appendix 45. 255 Weitere Studien zu diesem Thema wurden durchgefiihrt von Singhvi, S./Desai, H., Empirical Analysis, 1971 und Sorg, P., Zukunftsorientierte Berichterstattung, 1984; einen guten Überblick über die Literatur liefert Nagos, P., Externe Berichterstattung, 1991.

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tionelle Anleger legen mehr Wert auf Jahresabschlußdaten als auf allgemeine quali­ tative Aussagen, während dies bei privaten Kleinanlegem genau umgekehrt ist.256 Dies ist nicht erstaunlich, weil man davon ausgehen kann, daß sich aus den Unter­ schieden im vorhandenen Fachwissen unterschiedliche Informationswünsche erge­ ben. Der durchschnittliche Analyst kann mit Jahresabschlußinformationen mehr an­ fangen als der durchschnittliche Aktionär.257 Die Befunde belegen andererseits die Bedeutung von Jahresabschlußinformationen. Gerade Analysten und institutionelle Anleger spielen auf Aktienmärkten oft eine Vorreiterrolle, sie beurteilen - häufig auf der Basis von Rechnungslegungsdaten - den Wert von Aktien und geben Anlage­ empfehlungen. Auf diese Weise können sie Aktienkurse maßgeblich beeinflussen.

Deutlich wird anhand der Ergebnisse bei der Frage nach den Informationswünschen, daß der Schwerpunkt auf Daten der Erfolgsrechnung liegt.258 Hier interessieren be­ sonders der absolute Gewinn und alle Positionen, die auf diesen Einfluß haben, wie das ordentliche und außerordentliche Ergebnis, die Umsätze, Abschreibungsmetho­ den und Einkommensteueraufwendungen, sowie der Gewinn pro Aktie.259 Bei Ver­ sicherungsuntemehmen sind außerdem das versicherungstechnische Ergebnis sowie die Schaden- und die Betriebskostenquote von Bedeutung.260 Informationswünsche nach Bilanzdaten werden in den Untersuchungen dagegen weniger genannt.261 Die Tatsache, daß es in den verschiedenen Studien zu unterschiedlichen Befragungsergebnissen zwischen den Gruppen und auch innerhalb einer Gruppe, z.B. Analysten oder Aktionäre, kommt, ist einerseits auf die unterschiedlichen Vorgaben von möglichen Informationswünschen durch die Fragebögen (Auswahlmöglichkeit zwischen 7 und 39 Informationspositionen, die häufig nicht vergleichbar sind) und andererseits auf die unterschiedliche Zusammensetzung der jeweiligen Gruppen (die persönlichen Einschätzungen der Personen können erheblich voneinander abwei­ chen) zurückzufuhren.

Grundsätzlich gibt es bei der individuellen Befragung der Informationsempfänger methodische Probleme. Es ist fraglich, ob die Informationsempfänger überhaupt in der Lage sind, ihre Ziele und die daraus abgeleiteten Informationsbedürfhisse de­ tailliert zu benennen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, daß die in den Befragun­ gen angegebenen Informations wünsche durch die Vorgabe von Antworten und durch gewohntes Entscheidungsverhalten der Befragten beeinflußt werden. Der Vorgabe von Antworten liegt außerdem meist bereits eine Arbeitshypothese zugrunde, die an der Art der Fragestellung deutlich wird und die Ergebnisse verzer-

Vgl. dazu besonders die Untersuchungen von Baker/Haslem und Chandra sowie Kellinghusen/Irrgang. Vgl. Chandra, G., Information Needs of Security Analysts, 1975, S. 70. Vgl. z.B. Chandra, G., Information Needs of Security Analysts, 1975, S. 67 f. Vgl. Chandra, G., Information Needs of Security Analysts, 1975, S. 67; Lange, C., Jahresabschlußinformatio­ nen, 1989, S. 79. 260 Vgl. Farny, D., Unternehmens-Ratings, 1998, S. 33. 261 Vgl. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 79 sowie die genannten Studien.

256 257 258 259

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ren kann.262 Dazu kommt noch, daß es schwer zu unterscheiden ist, ob bestimmte Informationsbedürfhisse wirklich vorliegen oder ob die befragten Personen lediglich glauben, bestimmte Informationen zu benötigen, weil dies der allgemeinen Meinung entspricht oder sie annehmen, daß man dies von ihnen erwartet. Es ist im übrigen nicht auszuschließen, daß die Informationsempfänger, selbst wenn sie ihre Ziele und Informationswünsche genau kennen würden, diese in einer Befragung nicht mitteilen würden, um andere nicht an dem sich dadurch ergebenden Informationsvorsprung teilhaben zu lassen.263

Es wird auch kritisiert, daß die Ergebnisse der Untersuchungen wegen des Fehlens einer theoretischen Grundlage schwer zu interpretieren sind. Aus diesem Grund weichen die Forschungsarbeiten bezüglich der Untersuchungsgegenstände und methoden teilweise stark voneinander ab und sind größtenteils unkoordiniert. Eine Erweiterung des Kenntnisstandes durch die Kombination der Ergebnisse der unter­ schiedlichen Arbeiten kann deshalb kaum erreicht werden.264 Trotz dieser methodischen Probleme bei der Befragung der Adressatengruppen las­ sen sich einheitliche Tendenzen erkennen, nämlich die Bedeutung von Jahres­ abschlußinformationen bei den Informationsnachfragem im allgemeinen und der Erfolgsrechnung im besonderen. Deshalb steht auch bei dieser Arbeit die Erfolgs­ rechnung von Versicherungsuntemehmen im Vordergrund. 2.2.4.2.2 Ermittlung der Informationswünsche im Rahmen von Entschei­ dungsexperimenten

Eine andere Gruppe empirischer Untersuchungen hat das Ziel, die Informationsbe­ dürfhisse bestimmter Adressaten mit Hilfe von Entscheidungsexperimenten zu er­ mitteln.265 Ausgangspunkt für diese Untersuchungen ist die Überlegung, daß ent­ scheidungsrelevante Informationen Einfluß auf das Verhalten der Informationsemp­ fänger haben müssen. Dieser verhaltenswissenschaftliche Ansatz wird als „behavioral accounting“ bezeichnet. Im Gegensatz zu den kapitalmarktorientierten empirischen Ansätzen steht nicht das Marktverhalten, sondern das Verhalten einzel­ ner, konkreter Individuen im Zentrum des Interesses. Dabei werden die individuel­ len Reaktionen von Versuchspersonen (z.B. Kapitalanleger, Aktienhändler, Wertpa­ pieranalytiker aus dem Unternehmens- oder Bankbereich, Anlageberater oder Stu­ denten) mit Hilfe von Experimenten und Versuchen unter Laborbedingungen analy­ siert.266 Untersucht wird der Einfluß von simulierten Jahresabschluß- und Rech-

262 263 264 265

Vgl. Nagos, P-, Externe Berichterstattung, 1991, S. 187. Vgl. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 82. Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 167 f. Vgl. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 82; zu einem Überblick vgl. Holzer, H./Lück, W., Ver­ haltenswissenschaft und Rechnungswesen, 1978; Swieringa, R./Weick, K., Laboratory Experiments, 1982. 266 Vgl. Haller, A., Behavioral Accounting, 1989, S. 384.

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nungslegungsdaten auf hypothetische Aktienanlageentscheidungen der Versuchsper­ sonen.267 Dabei sollte z.B. festgestellt werden, ob zusätzliche Informationen (Seg­ mentberichterstattung) oder inflationsbereinigte Jahresabschlüsse das Entschei­ dungsverhalten der Adressaten ändern und welchen Einfluß äußere Form und Les­ barkeit von Jahresabschlüssen sowie die Aggregation von Jahresabschlußdaten auf die Entscheidungen haben.268 Diese Untersuchungen erbrachten u.a. folgende Er­ gebnisse:269 • Jahresabschlußdaten sind zwar eine wichtige, jedoch nicht die einzige Grundlage für die Entscheidungen der Adressaten.

• Die Nutzung von inflationsbereinigten Jahresabschlüssen hat nicht zu meßbaren Ergebnissen auf die Entscheidungen der Adressaten geführt.

• Die Jahresabschlüsse sollten nicht mit Informationen überfrachtet werden, weil diese sonst unübersichtlich und unpraktikabel werden. Kritisiert wird an den Entscheidungsexperimenten, daß die potentielle Entschei­ dungsrelevanz in kontrollierten Situationen nur eingeschränkt auf reale Entschei­ dungssituationen übertragen werden kann, weil das Verhalten der Versuchspersonen in kontrollierten Laborexperimenten möglicherweise von deren tatsächlichem Ent­ scheidungsverhalten abweicht.270 Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei den Ver­ suchspersonen um Studenten handelt, die anstelle der in der Realität entscheidenden Personen befragt werden.271 Daneben besteht weiterhin das grundsätzliche Problem, daß die Entscheidungsexpe­ rimente einer theoretischen Grundlage entbehren und ihre Ergebnisse deshalb schwer zu interpretieren sind. In den letzten Jahren wurde versucht, diesem Problem zu begegnen, indem aus der Agency-Theorie abgeleitete Hypothesen über das Ver­ halten der für die Rechnungslegung zuständigen Manager als Basis für verhaltens­ wissenschaftliche empirische Studien verwendet wurden.272 Diese als PositiveAccounting-Theorie bezeichnete Forschungsrichtung beschäftigt sich mit der Unter­ suchung der Beweggründe bilanzpolitischen Verhaltens. Ziel ist es, das Entschei­ dungsverhalten hinsichtlich der Wahl von Methoden und Gestaltungsformen in der externen Rechnungslegung auf Untemehmensebene und auf der Ebene normenset­ zender Instanzen zu erklären.273 Auf diese Weise soll den empirischen Arbeiten ein konzeptioneller Rahmen gegeben werden. Da die Positive-Accounting-Theorie je­

267 Vgl. Swieringa, R./Weick, K., Laboratory Experiments, 1982, S. 60. 268 Vgl. Holzer, H./Lück, W., Verhaltenswissenschaft und Rechnungswesen, 1978, S. 513. 269 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 170; Holzer, H./Lück, W., Verhaltenswissenschaft und Rechnungswesen, 1978, S. 513. 270 Vgl. Lange, C., Jahresabschlußinformationen, 1989, S. 83. 271 Vgl. Uecker, W., Simplified Information Evaluation, 1980, S. 208. 272 Vgl. Watts, R./Zimmerman, J., Positive Accounting Theory, 1986, S. 244 ff. 273 Zu einem guten Überblick vgl. Haller, A., Positive Accounting Theory, 1994, S. 597 ff.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

doch keine Gestaltungshinweise gibt, wie die aus ihr gewonnenen Erkenntnisse in eine sinnvolle Rechnungslegung umzuwandeln sind, wird sie hier nicht weiter dis­ kutiert.274

2.2.4.3

Prognoseeignung von Rechnungslegungsinformationen

2.2.4.3.1 Prognostizierbarkeit künftiger Unternehmenserträge aus nungslegungsinformationen

Rech-

Die Prognoseeignungsansätze, auch als „predictive approaches“ bezeichnete empi­ rische Ansätze, ergeben sich aus der Suche nach einem Kriterium zur Beurteilung der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen. Die Entschei­ dungsrelevanz (decision usefulness) stützt sich bei diesen Ansätzen auf die Eignung der Rechnungslegungsinformationen, künftige Untemehmensentwicklungen prog­ nostizieren zu können.275 Die Möglichkeit, künftige Entwicklungen mit Hilfe der Rechnungslegung prognostizieren zu können, hat einen wesentlichen Einfluß auf die in einem Unternehmen zu treffenden Entscheidungen, die stets in die Zukunft ge­ richtet sind.

Wenn Rechnungslegungsdaten entscheidungsrelevant sein sollen, dann müssen sie Aussagen über künftige Entwicklungen oder Tatsachen zulassen. In den Untersu­ chungen bezüglich der Prognoseeignung wird die Frage nach der Entscheidungsre­ levanz der Rechnungslegungsinformationen durch die Prüfung ihrer Prognoseeig­ nung ersetzt. Die Prognoseeignung von Rechnungslegungsinformationen wird ge­ prüft, indem untersucht wird, inwieweit signifikante Abhängigkeiten zwischen wirt­ schaftlichen Sachverhalten und veröffentlichten Jahresabschlußinformationen beste­ hen.276 Während es bei den kapitalmarkttheoretischen Ansätzen um die Auswirkung von Jahresabschlußdaten auf die Aktienkurse ging, wird bei diesen Ansätzen die Prognostizierbarkeit bestimmter wirtschaftlicher Sachverhalte aus Jahresabschluß­ daten untersucht. Da es eine große Anzahl von Sachverhalten gibt, auf die sich die Untersuchungen zur Prognosefähigkeit der Rechnungslegung beziehen, werden im folgenden nur die zwei wichtigsten Forschungsgebiete kurz dargestellt.277 Dies sind zum einen Voraussagen über Entscheidungen, die von der Unterneh­ mensleitung selbst getroffen werden, oder über Ereignisse, die das Unternehmen betreffen, und zum anderen künftige Entwicklungen des Untemehmensergebnisses oder anderer entscheidungsrelevanter Rechnungslegungsinformationen (wie z.B. Cash Flow). Ziel dieser Untersuchungen ist die Erforschung der Prognostizierbarkeit

274 Vgl. Haller, A., Positive Accounting Theory, 1994, S. 604. 275 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 790. 276 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 790. Zu einem Überblick über verschiedene Methoden der Prognoserechnung vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 173. 277 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 173.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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künftiger Untemehmenserträge aus Daten der Vergangenheit. Diese Daten werden anhand von Zeitreihen-Modellen auf einen möglichen Trend hin untersucht.278 Ent­ scheidungsrelevante Rechnungslegungsinformationen im hier verwendeten Sinn sind solche, die aus vergangenheitsbezogenen Daten durch Extrapolation oder Projektion Schlüsse auf zukünftige Daten zulassen.279 Die Untersuchungen ergeben, daß Zu­ sammenhänge zwischen den veröffentlichten Jahresergebnissen vergangener Jahre statistisch nicht nachweisbar sind.280 Dies hegt daran, daß das Jahresergebnis keine oder wenig Informationen über Risiken, Investitionserfordemisse, die Dividenden­ politik oder den Zeitwert des Geldes liefert.281 Lediglich die Vierteljahresergebnisse lassen Prognosen auf das Jahresergebnis zu.282 Damit bleibt weiterhin unklar, auf welche Weise eine Prognose künftiger Ereignisse aus vergangenheitsbezogenen Daten der Rechnungslegung möglich sein soll.283

2.2.43.2 Prognostizierbarkeit von Unternehmenskrisen und -Insolvenzen aus Rechnungslegungsinformationen Daneben wird die Eignung der Jahresabschlüsse zur Prognose von Untemehmenskrisen untersucht.284 Dabei wird versucht, Charakteristika von krisenbedrohten Un­ ternehmen aus den Rechnungslegungsinformationen herauszukristallisieren (z.B. anhand von Kennzahlen), um diese von „guten“ Unternehmen zu trennen.285 Finden sich statistische Abhängigkeiten zwischen Rechnungslegungsinformationen und dem Auftreten bestimmter Untemehmensentwicklungen, dann lassen sich Aussagen dar­ über treffen, ob und wie Jahresabschlußinformationen Prognoseeignung und daraus folgend Entscheidungsrelevanz besitzen.286

Bei den Arbeiten, die auf Beaver287 und Altman288 zurückgehen, ist die Vorgehens­ weise folgendermaßen: Es wird eine Gruppe von Unternehmen gewählt, die in letz­ ter Zeit Konkurs angemeldet haben, und aus den z.B. fünf letzten Jahresabschlüssen vor dem Konkurs werden verschiedene Kennzahlen bestimmt. Diesen stellt man ei­ ne Gruppe lebensfähiger Unternehmen gegenüber und errechnet für den gleichen

278 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 790. Zu einer Literaturübersicht bis 1982 siehe Ball, R./Foster, G., Corporate Financial Reporting, 1982, S. 209 - 215, insbesondere S. 210; Ohlson, J., Financial Ratios, 1980, S. 109. 279 Vgl. Hendriksen, E./VanBreda, M., Accounting Theory, 1992, S. 14 - 16. 280 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 174 f. 281 Vgl. Rappaport, A., Shareholder Value, 1995, S. 20. 282 Vgl. Abdel-Khalik, A./Espejo, J., Predictive Value of Interim Reporting, 1978, S. 9; Kang, S./O’Brien J./Sivaramakrishnan, K., Analysts’ Interim Earnings Forecasts, 1994. 283 Vgl. Faß, J., Konzernierung, 1992, S. 76. 284 Einen Literaturüberblick bis 1982 bietet: Ball, R./Foster, F., Corporate Financial Reporting, 1982, S. 215 - 218, insbesondere S. 216; Busse von Colbe, W., Informationsinstrument, 1993, S. 15. 285 Vgl. Baetge, J., Früherkennung, 1989, S. 795. 286 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 175. 287 Vgl. Beaver, W., Financial Ratios as Predictors of Failure, 1966. 288 Vgl. Altman, E., Financial Ratios, Discriminant Analysis, and the Prediction of Corporate Bankruptcy, 1968.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Zeitraum die gleichen Kennzahlen wie bei den Konkursunternehmen. Daraufhin werden diejenigen Jahresabschlußkennzahlen gesucht, die die Unterschiede zwi­ schen Konkursuntemehmen und lebensfähigen Unternehmen statistisch am deut­ lichsten widerspiegeln. Aus der Verschlechterung der gefundenen Jahresabschluß­ kennzahlen von einem Jahresabschluß zum nächsten wird die Insolvenzgefährdung der Unternehmen abgeleitet.289 In der gängigen Praxis werden häufig über 50 Kenn­ zahlen für die Analyse eingesetzt. Diese lassen sich in verschiedene Kategorien, wie z.B. Einkommenskennzahlen, Liquidität, Firmengröße oder Aktienrendite einord­ nen.290 Ein typisches Untersuchungsergebnis lautet, daß sich die besten Prognosen mit Kennzahlen zur Kapitalstruktur, zur Liquidität und zur Rendite machen las­ sen.291 Die Ergebnisse dieser Studien weisen, was die Insolvenzprognose betrifft, Treffsicherheiten von 70 - 80 % auf.292 Außerdem wird die Prognosegüte mit zu­ nehmender Nähe zum Konkursfall größer.293 Es ist nachweisbar, daß neben diesen quantitativen Daten auch qualitative Informationen im Sinne von verbalen Ausfüh­ rungen (Aktionärsbriefe, Lagebericht) die Prognostizierbarkeit von Untemehmenskrisen verbessern.294 Kontinuierliche negative Entwicklungen, die einer Insolvenz häufig vorausgehen, lassen sich mit Hilfe dieser Prognosemethoden bereits frühzei­ tig erkennen. So können Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, die den Schaden verhindern.295 Kreditinstitute benutzen diese Methoden zur Kreditwürdigkeitsprü­ fung potentieller und aktueller Kunden.296 In jüngerer Zeit werden zunehmend neuronale Netze als Frühwamindikator zur rechtzeitigen Identifikation gefährdeter Unternehmen eingesetzt.297 Anhand von vielen tausend Jahresabschlüssen insolvent gewordener Unternehmen lassen sich mit Hilfe der neuronalen Netze Kennzahlen ermitteln, die die Gruppen „solvente Unternehmen“ und „insolvenzgefährdete Unternehmen“ trennen.298 Ein künstliches neuronales Netz ist ein einem biologischen neuronalen Netz nachgebildetes System zur Informationsverarbeitung.299 Ähnlich wie das menschliche Gehirn besteht es aus einzelnen Zellen (Neuronen), die miteinander verknüpft sind und Signale erhalten und weitergeben können. Die besondere Eigenschaft neuronaler Netze besteht in

289 Die Zusammenhänge werden statistisch mit Hilfe der Diskriminanzanalyse ermittelt, vgl. Rehkugler, H./Poddig, T., Bilanzanalyse, 1998, S. 255 ff.; Schneider, D., Frühwarnsysteme, 1985, S. 1489. 290 Vgl. Foster, G., Financial Statement Analysis, 1986, S. 544. 291 Vgl. Ohlson, J., Financial Ratios, 1980, S. 110. 292 Vgl. Foster, G., Financial Statement Analysis, 1986, S. 544, mit Verweis auf die Untersuchung von Beaver, W., Financial Ratios as Predictors of Failure, 1966, S. 85; Busse von Colbe, W., Informationsinstrument, 1993, S. 15. 293 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 796. 294 Vgl. Tennyson, B./Ingram, R./Dugan, M., Information Content of Narrative Disclosures, 1990, S. 404 f. 295 Vgl. Baetge, J./Beuter, H./Feidicker, M., Diskriminanzanalyse, 1992, S. 761. 296 Vgl. Köllhofer, D., Bilanz- und Bonitätsanalyse, 1989, S. 976. 297 Vgl. Erxleben, K./Baetge, J. u.a., Klassifikation von Unternehmen, 1992, S. 1238. 298 Vgl. Baetge, J., Bilanzbonitätsindikator, 1998, S. 606. 299 Vgl. Rojas, R., Theorie der neuronalen Netze, 1993, S. 3.

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ihrer Fähigkeit zu lernen, aus einer großen Anzahl von Daten Muster zu erkennen und diese Muster auf fremde Datensätze zu übertragen. Dies ist möglich, weil ein neuronales Netz die Fähigkeit zur Generalisierung besitzt.300 Mit Hilfe der neurona­ len Netze können Trennprobleme zwischen solventen und insolventen Unternehmen zielsicherer als mit herkömmlichen statistischen Methoden gelöst werden. Das von Baetge entwickelte Analysesystem erlaubt ein Gesamturteil über die wirtschaftliche Lage von Unternehmen, das widerspruchsfrei, unabhängig von der Person des Be­ urteilenden und zuverlässig ist. 91,25 % aller insolventen Unternehmen werden drei Jahre im voraus erkannt und 66,5 % der solventen Unternehmen.301 Die Treffsicher­ heit der Prognose hat sich gegenüber der Diskriminanzanalyse deutlich erhöht. Die­ se Ergebnisse, die mit Hilfe moderner Analysesysteme auf der Basis von neuronalen Netzen erzielt werden, können auch nicht durch Bilanzpolitik oder die Zugrundele­ gung anderer Rechnungslegungssysteme (IAS, US-GAAP) beeinflußt werden.302 Problematisch an dieser Vorgehens weise ist die fehlende theoretische Untermaue­ rung der Untersuchungen. Dies zeigt sich einerseits daran, daß die Begriffe Insol­ venzprognose und Konkurswahrscheinlichkeit inhaltlich nicht objektiviert sind.303 Auch gibt es kein theoretisches Modell als logisches Verbindungsglied zwischen Jahresabschlußkennzahlen und gesunden Unternehmen bzw. Jahresabschlußkenn­ zahlen und insolvenzbedrohten Unternehmen. Die statistischen Analysen zeigen le­ diglich, daß die Kennzahlen der verschiedenen Gruppen von Unternehmen unter­ schiedlich sind. Der Zusammenhang zwischen Kennzahlen und späterer Insolvenz müßte anhand eines Modells erläutert werden, das nicht existiert.304 Für die kon­ krete Bonitätsprüfung durch die Kreditinstitute ist die Anwendung der Ergebnisse der empirischen Forschung problematisch, weil sich diese auf statistische Ergebnis­ se beziehen und sich dadurch im Einzelfall falsche Beurteilungen ergeben können. Unter Umständen kann eine „self-fulfilling prophecy“ ausgelöst werden für den Fall, daß Kreditinstitute ein Unternehmen aufgrund der Kennzahlen als potentiell insol­ vent betrachten.305 Werden daraufhin Kredite verweigert oder gesperrt, ist die Ge­ fahr groß, daß Zahlungsunfähigkeit und damit die Insolvenz auch wirklich eintritt.306

Trotz dieser theoretischen Einwände kann festgehalten werden, daß es statistisch signifikante Jahresabschlußkennzahlen gibt, die Aussagen über die Insolvenzgefähr­ dung von Unternehmen zulassen.307 Rechnungslegung enthält offensichtlich Infor-

300 301 302 303 304

Vgl. Baetge, J./Kruse, A./Uthoff, C., Neuronale Netze, 1996, S. 274 f. Vgl. Baetge, J./Jerschensky, A., Beurteilung der wirtschaftlichen Lage, 1996, S. 1584. Vgl. Baetge, J., Bilanzbonitätsindikator, 1998, S. 605 und 611. Vgl. Ball, R./Foster, G., Corporate Financial Reporting, 1982, S. 215. Vgl. zur theoretischen Kritik an der Insolvenzprognose mit Jahresabschlußdaten Schneider, D., Frühwarnsys­ teme, 1985, S. 1492 f. 305 Zu Entgegnungen auf die Kritik an der Diskriminanzanalyse vgl. Baetge, J./Beuter, H./Feidicker, M., Diskri­ minanzanalyse, 1992, S. 751 f. 306 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 797. 307 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 175.

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mationen, die dazu beitragen, konkrete Sachverhalte zu prognostizieren. Rechnungslegungsinformationen haben demnach einen Informationswert.

2.2.5

Schlußfolgerungen

Alle diskutierten Ansätze können zum Verständnis der Wirkung von (Jahresab­ schluß ^Informationen im Kapitalmarkt beitragen. Ob Prognosen über die künftige Kursentwicklung auf Aktienmärkten auf der Grundlage von Jahresabschlüssen mög­ lich sind (was der Ausgangspunkt der Analyse war und der traditionellen Sicht der Informationsfunktion der Jahresabschlüsse entspräche), ist zumindest zweifelhaft.

Alle diskutierten Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rech­ nungslegung brachten Erkenntnisse über bestimmte Aspekte zur Entscheidungsrele­ vanz der Rechnungslegung, keiner lieferte jedoch eine klare und eindeutige Ablei­ tungsbasis für neue Rechnungslegungsnormen im Sinne einer einheitlichen Theorie. Dies hegt daran, daß die verschiedenen Theorie- und Forschungsansätze inhaltlich und methodisch teilweise konträr zueinander sind und oft isoliert nebeneinander ste­ hen.308 Neuere Ansätze versuchen zwar die verschiedenen Forschungsrichtungen und Theorien zu verbinden,309 eine Theorie der Informationsfunktion der Rech­ nungslegung, die einheitlich und widerspruchsfrei ist, mit der sich die verschiedenen empirischen Ergebnisse erklären lassen, gibt es dennoch weiterhin nicht. Eine solche Theorie wäre aber als Bezugsrahmen für die Normengebung notwendig.310 Der Grund für das Fehlen einer solchen Theorie könnte das Wesen des Systems Rechnungslegung an sich sein. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, wo un­ wandelbare, naturgegebene Grundsätze entdeckt werden können, basiert das System Rechnungslegung, wie es bei allen Geisteswissenschaften der Fall ist, auf Grundsät­ zen und Grundannahmen, die wiederum von WertVorstellungen geprägt sind. Ein solches System ist künstlich geschaffen, um bestimmte Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Deshalb kann das System Rechnungslegung nicht wertfrei und ob­ jektiv sein.311 Die Normgebung für das System Rechnungslegung kann letztlich nur über gesellschaftliche Werturteile gelöst werden.312 Als empirischer Beweis für den Umstand, daß Rechnungslegungsnormen ein Produkt des gesamtgesellschaftlichen Umfelds sind, ist die Einführung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), eines Gremiums zur Normenentwicklung im Bereich der Rech-

308 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 82 f. 309 Vgl. Baiman, S./Verrecchia, R.. Relation, 1996. In diesem Aufsatz wird versucht, den Zusammenhang von Kapitalmarkt, Kapitalkosten, Agency-Problemen, Insider-Handel und Rechnungslegung aufzuzeigen. 310 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 83. 311 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 83 f. 312 Vgl. Beaver, W., Financial Reporting, 1989, S. 46 („social choice issue“), Schmidt, R., Informationsprodukti­ on, 1982, S. 738.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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nungslegung in Deutschland, zu sehen.313 Die Einführung eines solchen Gremiums, das jahrelang durch den Widerstand der verschiedensten Interessengruppen verhin­ dert wurde, zeigt, daß sich durch eine Änderung der öffentlichen Meinung auch die Ansicht bezüglich des Systems Rechnungslegung ändern kann.314 Forschung und Theorie können dazu beitragen, Argumente zu finden, welche Grundsätze und Grundannahmen am zweckmäßigsten sind.315 In diesem Sinne sind auch die diskutierten Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung zu verstehen. Aus einigen dieser Ansätze können Prinzipien ab­ geleitet werden, die Hinweise auf die konkrete Ausgestaltung von Rechnungsle­ gungsnormen geben können, ohne eine einheitliche und widerspruchsfreie Rech­ nungslegungstheorie auf Basis der Informationsfunktion der Rechnungslegung dar­ zustellen.

Von den informationsökonomischen Ansätzen ist das Theorem von Blackwell zu nennen, nach dem ein feineres Informationssystem stets einem gröberen vorzuziehen ist bzw. daß mehr Informationen besser sind als weniger. Aus der Agency-Theorie kann abgeleitet werden, daß Eigenkapitalgeber ein unverzerrtes und möglichst fei­ nes Informationssystem bevorzugen, während Manager eher Interesse an einem po­ sitiv verzerrten und groben Informationssystem haben. Ähnlich dem Theorem von Blackwell liefert dieser Ansatz eine Begründung dafür, ein Mindestmaß an Feinheit für Informationssysteme vorzugeben und dadurch Eigenkapitalgeber zu schützen. Eine möglichst detaillierte Festlegung von Rechnungslegungsnormen ohne Wahl­ rechte erleichtert die Kontrolle des Managements durch die Anteilseigner. Den kapitalmarktorientierten Ansätzen zufolge haben Rechnungslegungsinformatio­ nen die Aufgabe der Kontrolle des Managements und der Performance, des Aus­ gleichs von Informationsasymmetrien zwischen verschiedenen Eigenkapitalgebem sowie der Unterstützung der Lenkung des Kapitals in die rentabelste Verwendung. Um die genannten Ziele erreichen zu können, ist es notwendig, daß Rechnungsle­ gungsinformationen vergleichbar sind, auf eine möglichst klare, verständliche und einheitliche Weise Zustandekommen und frei von Wahlrechten sind.

Die Bedeutung von Jahresabschlußinformationen und insbesondere von Informatio­ nen der Erfolgsrechnung als Entscheidungsgrundlage der Rechnungslegungsadres­ saten war als Tendenz bei der Ermittlung der Informationswünsche durch individu­ elle Befragung zu erkennen. Auch die Ansätze zu Kapitalmarktreaktionen auf Rech­ nungslegungsinformationen, die die Informationsbedürfhisse der Aktionäre über die

313 Zu Zweck, Aufbau, Organen und dem Standardsetzungsprozeß des DRSC vgl. Ballwieser, W., Privates Rech­ nungslegungsgremium, 1999, S. 442 - 446; Graumann, M., DRSC, 1999, S. 494. Zu dessen Bedeutung vgl. Biener, H., Standardisierung, 1999, S.453 - 460; Hayn, S./Zündorf, H., DRSC, 1999, S. 495 - 502; Moxter, A., Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee, 1998, S. 1425. 3,4 Vgl. Haller, A./Eierle, B., Entwicklung von Rechnungslegungsstandards, 1998, S. 733. 315 Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 84.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Beobachtung des Kapitalmarktverhaltens aggregiert ermitteln, erbrachten das Er­ gebnis, daß Anteilseigner besonders die Untemehmensergebnisse (den Gewinn) für entscheidungsrelevant halten.316 Die Prognoseeignungsansätze ergaben, daß sich Rechnungslegungsdaten offensicht­ lich zur Vorhersage bestimmter Sachverhalte eignen. Was die Prognose der künfti­ gen Eigentümerrenditen aus Jahresabschlußdaten betrifft, an denen Aktionäre ei­ gentlich interessiert sind, kann der Jahresabschluß jedoch allenfalls einen Ersatzin­ dikator darstellen.317 Der Buchgewinn ist nur begrenzt als Prognosemaßstab für die künftige Eigentümerrendite, die sich aus Dividenden und Kurswertsteigerungen er­ gibt, geeignet. Welche Ergebnisse also haben die theoretischen und empirischen Ansätze hinsicht­ lich der Informationsfunktion der Rechnungslegung gebracht? Auf den ersten Blick erscheinen die vorhandenen Resultate relativ mager. Die informationsökonomi­ schen, kapitalmarktorientierten und empirisch-induktiven Ansätze rechtfertigen, wa­ rum relativ restriktive Annahmen über Adressaten und deren Interessen, wie sie z.B. im Framework zu den IAS festgelegt sind, notwendig sind, um zu eindeutigen Bi­ lanzierungsregeln zu gelangen.318 Solche restriktiven Annahmen sind als Ablei­ tungsbasis für konkrete Bilanzierungsnormen wesentlich besser geeignet als die konkreten Forschungsergebnisse. Die verschiedenen Ansätze tragen jedoch dazu bei, implizite Prämissen zu erhellen und voreilige Schlußfolgerungen zu vermeiden. Sie weisen auf Punkte hin, an denen Werturteile gefällt werden müssen, weil durch die Forschungsansätze keine Lösung konkreter Bilanzierungsprobleme möglich ist. Damit wird der traditionelle Lösungsweg, nämlich die deduktive Ableitung konkre­ ter Normen aus bestimmten Grundannahmen, gerechtfertigt.319 Da die Ergebnisse im übrigen jedoch nicht eindeutig und kaum operational sind, ist es unausweichlich, auf die übliche Art und Weise deduktiv aus theoretischen Modellen oder normativen Überlegungen konkrete Vorschläge abzuleiten. Im folgenden werden deshalb die Grundannahmen des Frameworks der IAS dargestellt, aus denen die konkreten Rechnungslegungsnormen für Versicherungsuntemehmen abgeleitet werden, freilich unter Einbeziehung der Ergebnisse der Theorieansätze.

316 317 318 319

Vgl. das Ergebnis zu Abschnitt 2.2.33.2. Vgl. Wagner, F., Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion, 1982, S. 758. Vgl. Ballwieser, W., Begründbarkeit, 1982, S. 791. Zur deduktiven Ableitung konkreter Rechnungslegungsnormen vgl. z.B. Ballwießer, C., Informationsinstru­ ment, 1997, S. 7 ff.; Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 257 ff.; Wollmert, P., Konzernrechnungs­ legung von Versicherungsunternehmen, 1992.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

83

2.3

Konkretisierung der Informationsfunktion der Rech­ nungslegung im Rahmen der Konzeption der IAS

2.3.1

Systematik und Aufbau der Rechnungslegungsprinzipien im Framework zu den IAS

Im Framework zu den IAS sind die grundlegenden Rechnungslegungsprinzipien festgelegt, die als Deduktionsbasis für neue Rechnungslegungsnormen dienen. Die grundlegenden Rechnungslegungsprinzipien des Framework bestehen einerseits aus den sogenannten Grundannahmen (underlying assumptions) und andererseits aus den Merkmalen nützlicher Informationen (qualitative characteristics). Auf die Be­ deutung der Grundannahmen geht das Framework zu den IAS zwar nicht näher ein, ihrer Bezeichnung nach stellen sie aber Fundamentalgrundsätze dar, auf denen die anderen Rechnungslegungsprinzipien basieren.320

Zu den Grundannahmen nach dem Framework zu den IAS zählen die periodenge­ rechte Erfolgsermittlung (accrual basis) und der Grundsatz der Untemehmensfortführung (going concern) (F. 22 - 23). Merkmale, die Informationen nach dem Fra­ mework der IAS erfüllen müssen, um als „nützlich“ zu gelten, sind Verständlichkeit (understandability), Relevanz (relevance), Zuverlässigkeit (reliability) und Ver­ gleichbarkeit (comparability) mit ihren jeweiligen Unterkriterien (F. 24 - 42). Diese Merkmale stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind eng miteinander ver­ flochten. Die Merkmale Vergleichbarkeit und Verständlichkeit können unter das Merkmal Relevanz subsumiert werden, weil nur vergleichbare und verständliche Informationen entscheidungsrelevant sind. Eine solche Vorgehens weise hat zur Fol­ ge, daß lediglich die zwei Hauptmerkmale Relevanz und Zuverlässigkeit als erfüllt betrachtet werden müssen. Diese beiden Hauptmerkmale von nützlichen Informatio­ nen stehen häufig in einem konfligierenden Verhältnis zueinander, weil sie sich im Rahmen der Rechnungslegung nicht gleichzeitig optimieren lassen.321 Wenn bei­ spielsweise eine Information aus der Vergangenheit berichtet wird, kann sie zwar absolut zuverlässig, jedoch für Entscheidungen nicht mehr relevant sein. Umgekehrt können Informationen über künftige Entwicklungen für Entscheidungen sehr rele­ vant sein, ohne das gleiche Maß an Zuverlässigkeit zu erreichen (F. 43).322 Da bei Rechnungslegungsinformationen häufig solche Konflikte auftreten, müssen die ver­ schiedenen Merkmale nützlicher Informationen nach dem Framework zu den IAS gegeneinander abgewogen werden.

320 Vgl. Auer, K., International harmonisierte Rechnungslegungsstandards, 1997, S. 109. 321 Vgl. Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 264. 322 In F. 43 - 45 werden Beschränkungen für relevante und verläßliche Informationen genannt und implizit sämtli­ che Merkmale nützlicher Informationen unter die beiden Begriffe Relevanz und Zuverlässigkeit subsumiert.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Die Merkmale nützlicher Informationen Relevanz und Zuverlässigkeit werden durch drei Nebenbedingungen (constraints on relevant and reliable information) einge­ schränkt: möglichst zeitnahe Berichterstattung (timeliness), Abwägung von Nutzen und Kosten (balance between benefit and cost) und Abwägung der qualitativen Merkmale (balance between qualitative characteristics) untereinander (F. 43 - 45).

Außer im Framework werden auch im IAS 1 (Presentation of Financial Statements) das Ziel der Rechnungslegung und grundlegende Rechnungslegungsprinzipien dargestellt, die sich teilweise mit qualitativen Merkmalen nützlicher Informationen des Framework zu den IAS überschneiden, wie z.B. das Merkmal Zuverlässigkeit (mit den Unterkriterien glaubwürdige Darstellung, wirtschaftliche Betrachtungsweise, Willkürfreiheit, Vorsicht und Vollständigkeit), die Grundannahme der Untemehmensfortfuhrung (going concern), die Grundannahme der periodengerechten Er­ folgsermittlung (accrual basis) und der Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality). Andere Rechnungslegungsprinzipien des IAS 1 werden nicht explizit im Framework erwähnt, wie z.B. der Grundsatz der Darstellungsstetigkeit (consistency of presen­ tation) und die Saldierung von Posten (offsetting). Das Framework stellt den theore­ tischen Bezugsrahmen für das Normensystem der einzelnen IAS dar und ist bei der Entwicklung neuer Rechnungslegungsnormen - auch in dieser Arbeit - als grundle­ gende Deduktionsbasis zu betrachten.323 Bei der Entwicklung neuer Normen orien­ tiert sich das IASC deshalb zunehmend am Framework und ist bemüht, die Zahl der Kollisionsfälle zwischen Framework und Standards zu verringern. Die Grundan­ nahmen des IAS 1 sind neben den Grundannahmen des Framework zu beachten. Im folgenden wird der Grundsatz der DarstellungsStetigkeit unter den Grundsatz der Vergleichbarkeit subsumiert.

Die nachfolgende Abbildung zeigt das System der Rechnungslegungsprinzipien nach dem Framework zu den IAS.

323 Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 84.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

85

underlying assumptions

accrual basis understandability

going concern

qualitative characteristics of financial statements relevance reliability comparability • faithful repre­ • over time (con­ • feedback value sistency) sentation • predictive value • substance over • between compa­ form nies • materiality • neutrality • prudence • completeness constraints on relevant and reliable information • timeliness • balance between benefit and cost • balance between qualitative characte­ ristics

Das System der Rechnungslegungsprinzipien nach dem Framework zu den IAS324

2.3.2

Grundannahmen der IAS-Rechnungslegung (underlying assumptions)

2.3.2.1

Die Grundannahme (accrual basis)

der

periodengerechten

Erfolgsermittlung

2.3.2.1.1 Inhalt und Ausprägung

Die erste Grundannahme, die der Rechnungslegung nach den IAS zugrunde liegt, ist die der periodengerechten Erfolgsermittlung (accrual basis), auch periodengerechte Abgrenzung oder Grundsatz der Periodisierung genannt.325 Annahmegemäß stellen Jahresabschlüsse, die unter Beachtung des Grundsatzes der periodengerechten Er­ folgsermittlung aufgestellt wurden, für wirtschaftliche Entscheidungen der Adressa­ ten die nützlichsten Informationen zur Verfügung.326 Die Grundannahme der perio-

324 Vgl. Goebel, A., Konzernrechnungslegung, 1994, S. 2459; Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 265; KPMG, International Accounting Standards, 1999, S. 20. 325 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 46; Förschle, G./Kroner, M./Mandler, U., Internationale Rech­ nungslegung, 1996, S. 97; Wiedmann, H., Vergleich der deutschen Rechnungslegungsvorschriften, 1994, S. 105. Zum accrual principle nach US-amerikanischer Ausprägung vgl. Kuhlewind, A., Grundlagen, 1997, S. 107. Zum Problem der Periodisierung der Zahlungsströme vgl. grundsätzlich Baetge, J., Objektivierung, 1970, S. 17 ff., und Moxter, A., Gewinnermittlung, 1982, S. 145 ff. 326 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 46.

86

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

dengerechten Erfolgsermittlung wird als Voraussetzung dafür gesehen, daß die Rechnungslegung das Ziel der Vermittlung nützlicher, entscheidungsrelevanter In­ formationen erreichen kann (F. 22). Der Jahresabschluß ist danach keine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, sondern eine Aufwands- und Ertragsrechnung.327 Dies bedeutet, daß Einnahmen und Ausgaben nicht zu dem Zeitpunkt ihres Zu- oder Ab­ flusses erfolgswirksam erfaßt werden, sondern in den Perioden, denen sie wirt­ schaftlich zuzuordnen sind (F. 22).328 Nach Auffassung des IASC bieten Abschlüs­ se, die der Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung entsprechend aufgestellt wurden, nicht nur Informationen über abgeschlossene Geschäftsvorfälle und damit zusammenhängende Zahlungen, sondern auch über künftige Zahlungsver­ pflichtungen und Ressourcen, die zu künftigen Zahlungsmittelzuflüssen fuhren (F. 22). Im Mittelpunkt des Periodisierungsgedankens nach dem Framework steht also nicht nur der Zeitpunkt der Erfassung von Erträgen und Aufwendungen in der Erfolgsrechnung, sondern auch die Erfassung künftiger Zahlungsmittelzu- und abflüsse in der Bilanz. Den folgenden Ausführungen über die Grundannahme der periodengerechten Er­ folgsermittlung wird eine Darstellung der Definition und der Ansatzkriterien von Vermögenswerten (assets) und Schulden (liabilities) vorangestellt, weil sich einer­ seits die Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung auch auf assets und liabilities bezieht und andererseits die Definition von Erträgen (income) und Aufwendungen (expenses) auf der Definition von assets und liabilities beruht. 2.3.2.1.2 Kriterien für den Bilanzansatz

Eine Bilanz nach IAS enthält Vermögenswerte (assets), Schulden (liabilities) und Eigenkapital (equity). Vermögenswerte (assets) sind definiert als in der Verfü­ gungsmacht eines Unternehmens stehende Ressourcen, die ein Ergebnis vergange­ ner Ereignisse darstellen und von denen ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen erwartet wird (F. 49 a).329 Der künftige wirtschaftliche Nutzen kann aus einem direkten Beitrag zur Erhöhung des Cash Flow durch den Verkauf der assets bestehen oder aus einem indirekten Beitrag durch Nutzung der assets zur Leistungserstellung im Unternehmen oder zur Verminderung künftiger Mittelabflüs­ se (F. 53). Die asset-Definition des IASC stellt auf das Merkmal „Nutzenpotential“ und die damit verbundenen künftigen Erfolgsbeiträge der assets ab.330 Ist es un­ wahrscheinlich, daß dem Unternehmen aus getätigten Ausgaben in Zukunft ein wirt­ schaftlicher Nutzen zufließen wird, dann sind diese nicht als asset, sondern als

327 Vgl. Achleitner, A./Wollmert, P./van Hülle, K., Grundlagen, 1997, S. 54 - 55, Tz. 74. 328 Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 86. 329 An asset is a resource controlled by the enterprise as a result of past events and from which future economic benefits are expected to flow to the enterprise (F. 49 a). 330 Vgl. Goebel, A./Fuchs, M., International Accounting Standards, 1995, S. 1524.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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expenses zu erfassen (F. 90). Die Verwendung des Begriffs „resource“ in der assetDefinition bedeutet nicht, daß assets eine bestimmte körperliche oder rechtliche Form haben müssen.331 Deshalb umfassen assets nicht nur Güter im Sinne einer sta­ tischen Vermögensgegenstandsdefinition, sondern auch Bilanzierungshilfen, Rech­ nungsabgrenzungsposten und Aufwendungen wie Geldbeschaffungs-, Ingangsetzungs- oder Organisationskosten, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Einnah­ men fuhren.332 Voraussetzung für die Erfassung als asset ist neben dem künftigen wirtschaftlichen Nutzen der „resource“ auch die Verfügungsmacht des Unterneh­ mens über sie. Im Regelfall beruht die Fähigkeit eines Unternehmens, die Verfü­ gungsmacht über die „resource“ auszuüben, auf gesetzlichen Rechten. Ein Posten kann jedoch auch ohne gesetzliche Verfügungsmacht der Definition eines asset ent­ sprechen. Als Beispiel dafür wird Know-how aus einer Entwicklungstätigkeit ge­ nannt, wenn dem Unternehmen durch die Geheimhaltung des Know-hows die Ver­ fügungsmacht über den daraus erwarteten Nutzen zusteht (F. 57). Das IASC folgt beim asset-Begriff nicht einer statischen, sondern einer dynamischen Konzeption. Entscheidend sind hiernach die zukünftigen Vermögens vorteile im Zusammenhang mit der Nutzung des Gegenstandes, nicht seine derzeitigen Eigenschaften.333 Die dynamische asset-Definition ist die Konsequenz aus der übergeordneten Bedeutung der Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung nach den IASCNormen.334 Eine dynamische Konzeption kann dieser Grundannahme eher gerecht werden als eine statische, substanzorientierte und dementsprechend vorsichtige Bi­ lanzierung.335 Dennoch sind assets Ergebnis vergangener Geschäftsvorfälle, wie z.B. Kauf oder Produktion von Vermögenswerten. Geschäftsvorfälle oder Ereignis­ se, deren Eintreten für die Zukunft erwartet wird, führen nicht zu assets (F. 58). Weder die bloße Absicht zum Erwerb eines Bilanzpostens (item) noch die Vornah­ me von Ausgaben genügt, um den Erwerb eines asset zu begründen (F. 58 - 59).336

Liabilities sind gegenwärtige Verpflichtungen eines Unternehmens aus vergangenen Ereignissen, von deren Erfüllung ein Abfluß von Ressourcen, die einen wirtschaftli­ chen Nutzen verkörpern, erwartet wird (F. 49 b).337 Eine solche gegenwärtige Ver­ pflichtung besteht nicht nur bei Vorliegen eines einklagbaren Rechts auf Basis eines bindenden Vertrages oder einer gesetzlichen Vorschrift, sondern auch, wenn Leis­ tungen ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, denen sich das Unternehmen

Vgl. Cairns, D., International Accounting Standards, 1995, S. 88. Vgl. Wiedmann, H., Vergleich der deutschen Rechnungslegungsvorschriften, 1994, S. 109. Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 91. Vgl. Keitz, I. von, Immaterielle Güter, 1997, S. 182. .Allerdings müssen auch Bilanzierungshilfen, Rechnungs­ abgrenzungsposten und die genannten Aufwendungen die asset-Voraussetzungen erfüllen. 335 Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 91. 336 Vgl. KPMG, International Accounting Standards, 1999, S. 28. 337 A liability is a present obligation of the enterprise arising form past events, the settlement of which is expected to result in an outflow from the enterprise of resources embodying economic benefits (F. 49 b). 331 332 333 334

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aus wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann (F. 60).338 Die bloße Absicht, assets zu erwerben, fuhrt zu keiner Verpflichtung im Sinne der liability-Definition, weil keine grundsätzlich unwiderrufliche Verpflichtung (irrevocable agreement) vorliegt (F. 61). Außerdem muß die Verpflichtung in der Vergangenheit entstanden sein, zukünftige Ereignisse oder Geschäftsvorfälle begründen keine liability.339 Die Tatsache, daß in manchen Fällen der Umfang von Verpflichtungen nur geschätzt werden kann, ändert, solange die übrigen liability-Kriterien erfüllt sind, nichts am Vorliegen der liability. Damit umfassen liabilities nicht nur solche Verpflichtungen, die hinsichtlich ihres Bestehens und ihrer Höhe sicher sind, sondern auch solche, deren Bestehen oder Höhe unsicher ist.340 Diese werden als Rückstellungen (provi­ sions) bezeichnet (IAS 37.10). Allerdings stellen nur Rückstellungen, die auf Dritt­ verpflichtungen beruhen, z.B. Rückstellungen für Garantie- und Pensions Verpflich­ tungen, liabilities dar (F. 64). Aufwandsrückstellungen, bei denen reine Eigenver­ pflichtungen vorliegen, dürfen deshalb nach dem Framework zu den IAS nicht bi­ lanziert werden.341

Equity (Eigenkapital) ist eine Residualgröße, die sich nach Abzug aller liabilities von den assets ergibt.342 Ihr Betrag hängt von der Ermittlung der assets und liabili­ ties ab und stimmt in der Regel weder mit dem Börsenwert noch mit dem Sub­ stanzwert eines Unternehmens überein (F. 67). Diese equity-Definition gilt rechts­ formunabhängig (F. 68). Die Bilanzierungspflicht von Bilanzposten unterliegt einem zweistufigen Konzept. Neben dem Vorhegen der definitorischen Voraussetzungen von assets, liabilities bzw. equity müssen die Ansatzkriterien (recognition criteria) des Framework erfüllt sein. Danach ist ein asset oder eine liability dann in der Bilanz zu erfassen, wenn der Zu- oder Abfluß eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens wahrscheinlich (probable) ist. Absolute Sicherheit über den Nutzenzu- oder -abfluß wird nicht gefordert. Mit der Beschränkung auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nutzenzu- oder abflusses soll das unsichere Umfeld von Unternehmen berücksichtigt werden. Aller­ dings wird vom IASC lediglich der Zeitpunkt bestimmt, in dem ein Wahrscheinlich­ keitsurteil gefällt werden soll, nämlich der Tag der Aufstellung des Jahresabschlus­ ses, nicht jedoch, wie ein solches Urteil konkret Zustandekommen soll.343 Konkrete Eintrittswahrscheinlichkeiten zur Erklärung des Begriffs „probable“ werden nicht genannt.344 Wegen der mangelnden Präzisierung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs im

Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 216. Vgl. Cairns, D., International Accounting Standards, 1995, S. 89. Vgl. KPMG, International Accounting Standards, 1999, S. 29. Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 216. Ein explizites Verbot von Auf­ wandsrückstellungen enthält außerdem IAS 37. 342 Equity is the residual interest in the assets of the enterprise after deducting all its liabilities (F. 49 c). 343 Vgl. Keitz, I. von, Immaterielle Güter, 1997, S. 184. 344 Zum Wahrscheinlichkeitskeitsbegriff „probable“ in der Rechnungslegung nach US-GAAP vgl. Kupsch, P., Rückstellungen, 1998, S. 118 ff. m.w.N. 338 339 340 341

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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Framework sind subjektive Entscheidungen im Einzelfall unabdingbar. Zusätzlich ist eine zuverlässige und objektive Bewertbarkeit (measurement with reliability) der assets bzw. liabilities erforderlich. Eine Schätzung des Wertes ist dabei nicht ausge­ schlossen, jedoch muß diese unter Zuhilfenahme untemehmensintemer und externer Erfahrungswerte zuverlässig möglich sein.345 Die Ansatzkriterien fur assets und liabilities werden in den einzelnen IAS näher konkretisiert und stellen eine zweite Stufe der Prüfung der Bilanzierungspflicht dar. Dies ist im Sinne der Infor­ mationsfunktion positiv zu beurteilen, weil die Ermessensspielräume, die sich durch die unbestimmten und deshalb auslegungsbedürftigen Begriffe „probable“ und „measurement with reliability“ ergeben, durch die nähere Konkretisierung in den einzelnen IAS eingeschränkt werden. Auch für die Ableitung von Normen für den IAS „Insurance“ ist deshalb ein möglichst hoher Detaillierungsgrad bei den kon­ kreten Bilanzierungsanforderungen für einzelne assets und liabilities anzustreben.

2.3.2.1.3 Erfassung von Erträgen und Aufwendungen Da der Erfolg einer Periode unabhängig von den jeweiligen Einnahmen und Ausga­ ben festgestellt werden soll, müssen Konventionen entwickelt werden, in welchen Perioden Erträge und Aufwendungen als Reinvermögensänderungen erfaßt werden sollen. Die Grundannahme der Periodenabgrenzung kann als allgemeines Abgren­ zungskonzept verstanden werden, das in erster Linie den Erfassungszeitpunkt von Erträgen und Aufwendungen regelt. Sie besitzt wegen der Zeitraumbezogenheit der Leistung von Versicherungsuntemehmen für die Rechnungslegung von Versiche­ rungsuntemehmen besondere Bedeutung. Erträge (income) sind nach dem Framework zu den IAS als Zunahme des wirt­ schaftlichen Nutzens während einer Abrechnungsperiode in Form von Zugängen oder Aufwertungen von assets oder als Abnahme von liabilities definiert, die zu ei­ ner Erhöhung des Eigenkapitals führen, welche nicht aus Einlagen der Anteilseigner oder aus Kapitalerhöhungen resultiert (F. 70 a). Income umfaßt sowohl Erträge aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (revenue), wie z.B. Umsatzerlöse, Zinserträge oder Lizenz- und Mieterträge, als auch sonstige und außerordentliche Erträge (gains), wie z.B. Erträge aus Wertsteigerungen von assets (Verkaufs- und Bewer­ tungserfolge) oder Erträge aus der Bewertung von Aktien zu Marktpreisen (F. 72, 74 - 77). Kriterium für die Unterscheidung zwischen revenue und gains ist die Re­ gelmäßigkeit der Erfolgskomponenten. Unter revenue sollen nur diejenigen Erträge aufgenommen werden, die im Sinne einer weit gezogenen Abgrenzung für den Ge­ schäftsbereich des Unternehmens als typisch anzusehen sind und von denen deshalb erwartet werden kann, daß sie regelmäßig anfallen. Während beispielsweise bei In­ dustrieunternehmen mit geringem Wertpapierbestand Erträge aus der Veräußerung

345 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 184.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

von Wertpapieren unter gains zu erfassen sind, ist bei Versicherungsuntemehmen von einer Erfassung unter revenue auszugehen, weil bei dem normalerweise vorhan­ denen großen Wertpapierbestand im Versicherungsuntemehmen Werpapierverkäufe regelmäßig anfallen.

Aufwendungen (expenses) stellen eine Abnahme des wirtschaftlichen Nutzens in Form von Abgängen oder Wertminderungen von assets oder der Zunahme von lia­ bilities dar, die zu einer Verminderung des Eigenkapitals fuhrt, welche nicht aus Ausschüttungen an die Anteilseigner oder aus Kapitalherabsetzungen resultiert (F. 70 b). Expenses umfassen sowohl Aufwendungen, die im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen, wie z.B. Materialaufwendungen, Personalaufwendungen oder Abschreibungen, als auch sonstige und außerordentliche Aufwendungen (los­ ses), die nicht unmittelbar aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit resultieren, wie z.B. Wertminderungen von assets, Verluste aus der Umrechnung von Fremdwäh­ rungspositionen oder Verluste aus Naturkatastrophen (F. 78, 80). Ebenso wie gains sollen auch losses gesondert in der Erfolgsrechnung ausgewiesen werden, weil In­ formationen über ihre Höhe für ökonomische Entscheidungen bedeutend sein kön­ nen (F. 80).

Income und expenses führen nicht notwendigerweise zu einer Erfassung in der Er­ folgsrechnung (income statement). Die Bewertung von assets zu Markt- bzw. Zeit­ werten führt zwar zur Erhöhung oder Verminderung des Eigenkapitals und ent­ spricht damit der Definition von income bzw. expenses. Eine solche Erhöhung oder Verminderung des Eigenkapitals soll grundsätzlich in eine Neubewertungsrücklage aufgenommen, also erfolgsneutral behandelt werden, so daß die Erfolgsrechnung nicht berührt wird (F. 81).346 IAS 39 eröffnet im Gegensatz zu diesem Grundsatz allerdings ein Wahlrecht zur Bilanzierung zu Zeitwerten und zum erfolgswirksamen Ausweis unrealisierter Erträge und Aufwendungen aus der Kapitalanlage.347 Income und expenses sind dann in das income statement aufzunehmen, wenn der Zuwachs bzw. die Verminderung des wirtschaftlichen Nutzens mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eingetreten ist und zuverlässig bewertet werden kann (F. 85 und 92). Damit gelten für die Positionen der Erfolgsrechnung die gleichen Ansatzkrite­ rien wie für assets und liabilities. Dies liegt daran, daß die Erfassung von income und expenses eng mit dem Ansatz von assets und liabilities zusammenhängt. Der Erfassungszeitpunkt von income und expenses richtet sich nach den Rech­ nungslegungsgrundsätzen mit abgrenzender Wirkung, die unter die Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung subsumiert werden können: das Realisati­ onsprinzip (realisation principle), der Grundsatz der sachlichen Abgrenzung (mat­ ching principle) und der Grundsatz zur Verteilung zeitraumbezogener Erträge und

346 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 217. 347 Vgl. dazu Abschnitt 3.7.8.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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Aufwendungen (deferrals).348 Das Realisationsprinzip regelt den Zeitpunkt für die Erfassung von Erträgen. Dieser Zeitpunkt wird nicht explizit im Framework zu den IAS erwähnt, sondern ist im IAS 18 (revenue) und im IAS 11 (construction contracts) festgelegt. Ein Ertrag gilt nach IAS 18 unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung grundsätzlich dann als realisiert, wenn die mit dem Eigentum von verkauf­ ten Waren und Erzeugnissen verbundenen Chancen und Risiken auf den Käufer übergegangen sind (IAS 18.14 - 15). Auch lediglich realisierbare Erträge sind unter bestimmten Voraussetzungen in die Erfolgsrechnung aufzunehmen.349 Ausschlagge­ bend ist die Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Nutzenzuflusses. So müssen nach IAS 11 bei langfristigen Fertigungsaufträgen die Erträge entsprechend dem Leistungsfortschritt des Auftrags in die Erfolgsrechnung aufgenommen werden, auch wenn der Auftrag noch nicht abgenommen und übergeben wurde (IAS 11.22). Expenses werden dagegen nach dem matching principle erfaßt. Das matching prin­ ciple besagt, daß expenses grundsätzlich der Periode zuzurechnen sind, in der das korrespondierende income erfaßt wird (F. 95). Die Herstellungskosten für be­ stimmte Produkte beispielsweise sind also erst dann als Aufwendungen zu erfassen, wenn die Produkte verkauft und damit die Umsatzerlöse realisiert werden. Eine sol­ che Zuordnung ist nur dann verursachungsgerecht möglich, wenn ein direkter sach­ licher Zusammenhang zwischen Aufwendungen zu Erträgen besteht. Läßt sich kein direkter Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Erträgen herstellen, so hat die Periodisierung der Aufwendungen nach rationalen und systematischen Kriterien zu erfolgen. Ein Beispiel für eine solche Periodisierung ist die Verteilung der Anschaffungsausgaben eines asset auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer mit Hilfe ei­ nes Abschreibungsplans (F. 96).

Zeitraumbezogene Aufwendungen und Erträge, wie z.B. Mieten oder Zinsen, sind unabhängig von den Zeitpunkten der Ein- und Auszahlungen periodengerecht, d.h. zeitanteilig, auf die Perioden ihrer Entstehung zu verteilen (deferrals). Die Rechnungslegungsgrundsätze mit abgrenzender Wirkung, die unter die Grund­ annahme der periodengerechten Erfolgsermittlung subsumiert werden können, sind nicht uneingeschränkt gültig, sondern unterliegen den Bilanzierungsfähigkeitskrite­ rien der assets und liabilities. Es dürfen also z.B. keine Ausgaben, die die Bilanzie­ rungsfähigkeitskriterien von assets nicht erfüllen, mit Verweis auf das matching principle aktiviert werden.350

348 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 220 und S. 246. 349 Vgl. Kleekämper, H., IASC, 1998, S. 359. 350 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 246.

92

2.3.2.2

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Die Grundannahme der Unternehmensfortführung (going concern)

Die zweite Grundannahme, die der Rechnungslegung nach IAS zugrunde liegt, ist die der Untemehmensfortführung.351 Bei der Aufstellung von Jahresabschlüssen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ei­ nen absehbaren Zeitraum lang fortfuhrt, also weder die Absicht hat noch dazu ge­ zwungen ist, die Tätigkeiten einzuschränken oder einzustellen (F. 23). Ob dies den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, ist der Einschätzung durch das Management überlassen. Die Grundannahme der Untemehmensfortführung bezieht sich in erster Linie auf die Bewertung der assets, d.h. daß grundsätzlich keine Liquidationswerte anzusetzen sind.352 Trifft die Annahme der Untemehmensfortführung nicht zu, so ist dies in der Rechnungslegung zu berücksichtigen, gegebenenfalls bestehen in diesem Fall Offenlegungspflichten (IAS 1.23 - 24).

2.3.3

Qualitative Merkmale nützlicher Informationen (qualita­ tive characteristics)

2.3.3.1

Verständlichkeit (understandability)

Die durch die IAS-Rechnungslegung bereitgestellten Informationen sollen für einen mit entsprechenden Grundkenntnissen über Rechnungslegung und wirtschaftliche Zusammenhänge ausgestatteten Adressaten bzw. Leser leicht verständlich sein (F. 25). Es wird davon ausgegangen, daß dabei die Kenntnisse eines durchschnitt­ lich sachkundigen Lesers genügen, wenn dieser das Interesse und die Bereitschaft mitbringt, die Informationen mit ausreichender Sorgfalt zu lesen.353 Dieser Rechnungslegungsgrundsatz leuchtet ein, weil eine unverständliche Informa­ tion nicht nützlich oder entscheidungsrelevant sein kann.354 Da die Frage, was eine unverständliche Information ist, zu einem großen Teil vom Kenntnisstand des In­ formationsempfängers abhängt, also personenbezogen ist, wird im Framework klargestellt, daß komplexe, aber bedeutsame Informationen nicht allein deshalb wegge­ lassen werden dürfen, weil sie für bestimmte Adressaten zu schwer verständlich sind (F. 25). Bei der Informationsbereitstellung ist deshalb auf einen mindestens durchschnittlich sachkundigen Leser abzustellen. Aus der Tatsache, daß bedeutsame, also relevante Informationen nicht wegen man­ gelnder Verständlichkeit für bestimmte Adressaten weggelassen werden dürfen, kann einerseits gefolgert werden, daß der Grundsatz der Verständlichkeit dem

351 Vgl. IDW, Rechnungslegung nach IAS, 1995, S. 32. 352 Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 75 f. 353 Vgl. Achleitner, A./Wollmert, P./van Hülle, K., Grundlagen, 1997, S. 65, Tz. 126; Auer, K., IAS versus HGB, 1999, S. 15. 354 Vgl. Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 266.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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Grundsatz der Relevanz nachgeordnet ist, und andererseits, daß sich der Grundsatz der Verständlichkeit weniger auf die Auswahl der Informationen als mehr auf die Art ihrer Übermittlung, ihrer Darstellung und äußeren Form bezieht.355 Die Rech­ nungslegungsinformationen sind demnach in sinnvoller Weise zu strukturieren und eindeutig zu bezeichnen.356 2.3.3.2

Relevanz (relevance)

2.3.3.2.1 Beschaffenheit (nature) Informationen sind nach dem IAS-Framework dann nützlich, wenn sie für die wirt­ schaftlichen Entscheidungen der Adressaten relevant sind. Dies ist dann der Fall, wenn Informationen in der Lage sind, Entscheidungen der Adressaten zu beeinflus­ sen.357 „Information has the quality of relevance when it influences the economic decisions of users by helping them evaluate past, present or future events or confir­ ming, or correcting, their past evaluations.“ (F. 26) Informationen sind dann relevant und damit nützlich, wenn sie entweder frühere Erwartungen bestätigen bzw. revidie­ ren („Feedback-Eignung“) oder Hilfestellung bei der Beurteilung von Ergebnissen von Entscheidungen der Adressaten, die die Zukunft betreffen, bieten („Prognose­ eignung“).358 Durch die Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung wurde deutlich, daß das Kriterium Entscheidungsrelevanz von Informationen durch das Kriterium Prognoseeignung zu konkretisieren ist. Die em­ pirischen Untersuchungen ergaben, daß Rechnungslegungsinformationen grundsätz­ lich geeignet sind, zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren, daß jedoch zusätz­ liche Informationen, die die Rechnungslegung üblicherweise nicht bereitstellt, nötig wären. Die Bedeutung der Prognoseeignung von Rechnungslegungsinformationen zeigen jüngste Untersuchungen in den USA, aus denen hervorgeht, daß Rech­ nungslegungsadressaten wegen der immer schneller auftretenden Änderungen im wirtschaftlichen Umfeld zunehmend die Veröffentlichung von Indikatoren über die künftige „performance“ von Unternehmen fordern.359 Die Prognoseeignung ist eng mit der Feedback-Eignung von Informationen verknüpft. So kann beispielsweise eine Information über das Ausmaß und die Zusammensetzung von Vermögenswer­ ten sowohl dabei helfen, Aussagen über künftige Chancen und Risiken des Unter­ nehmens zu treffen, als auch dabei, frühere Prognosen über die Entwicklung bzw. Strukturierung des Unternehmens zu bestätigen oder Resultate durchgeführter Stra­ tegien zu überprüfen (F. 27).

355 356 357 358 359

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Fuchs, M.» International Accounting Standards, 1997, S. 79. Achleitner, A./Wollmert, P./van Hülle, K., Grundlagen, 1997, S. 66, Tz. 127. Kuhlewind, A., Grundlagen, 1997, S. 82. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 208. Haller, A., Wertschöpfungrechnung, 1997, S. 266; Jenkins, E., Information Highway, 1994, S. 79.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Um für Prognosen geeignet zu sein, müssen die Informationen nicht unbedingt in Form von konkreten Prognoserechnungen oder expliziten Vorhersagen vorliegen. Die Prognoseeignung der Rechnungslegung wird jedoch durch die Darstellungsform der Informationen beeinflußt. So besitzt eine Erfolgsrechnung dann einen höheren Wert für Prognosen, wenn außergewöhnliche oder seltene Ertrags- und Aufwands­ positionen separat angegeben werden (F. 28). Dies ist deshalb der Fall, weil eine Aufschlüsselung der Ergebnisgrößen eine leichtere Ergebnisquellenanalyse nach außerordentlichem Ergebnis (außergewöhnliche oder seltene Ertrags- und Auf­ wandspositionen) auf der einen und ordentlichem Ergebnis auf der anderen Seite ermöglicht. Wenn außergewöhnliche Erfolgsquellen gesondert angegeben werden, kann aus dem vorliegenden Betriebs-, Finanz- und sonstigen Ergebnis leichter auf die künftige Entwicklung des regulären Ergebnisses geschlossen werden. Dieses Ergebnis, nämlich Informationen detailliert und aufgeschlüsselt nach ordentlichem und außerordentlichem Ergebnis zu präsentieren, haben bereits die informations­ ökonomischen Ansätze, nämlich das Theorem von Blackwell und die AgencyTheorie, erbracht.

2.33.2.2 Wesentlichkeit (materiality) Die Relevanz einer Information ist nicht nur durch ihren Inhalt, ihren Gegenstand bzw. ihre Art, sondern auch durch ihre Wesentlichkeit bedingt. Eine Information ist dann wesentlich, wenn ihr Fehlen oder ihre fehlerhafte Darstellung die ökonomi­ schen Entscheidungen des Adressaten beeinflussen kann (F. 30). Häufig reicht schon der Inhalt der Information für die Bestimmung ihrer Relevanz aus. So kann bei­ spielsweise die Berichterstattung über neue Untemehmensbereiche die Beurteilung der Chancen und Risiken für das Unternehmen beeinflussen. Sie kann unabhängig von der Wesentlichkeit des Ergebnisses des neuen Untemehmensbereichs eine rele­ vante Information darstellen (F. 29).

Der Grundsatz der Wesentlichkeit verlangt, daß nur diejenigen Informationen offen­ gelegt werden sollen, die für die Adressaten entscheidungsrelevant sind.360 Alle ent­ scheidungsirrelevanten Tatbestände sollen dagegen vernachlässigt werden, um zu vermeiden, daß durch eine „Informationsüberflutung“ der Adressaten die wesentli­ chen neben den unwesentlichen Informationen untergehen. Die empirischen Unter­ suchungen zur Ermittlung der Informationswünsche im Rahmen von Entscheidungs­ experimenten haben ergeben, daß Jahresabschlüsse nicht zu viele Informationen enthalten sollen, um nicht unübersichtlich zu werden.361

360 Zu einem Überblick zur materiality in der internationalen Rechnungslegung (England, USA, Kanada, Austra­ lien, Deutschland) vgl. Lück, W., Materiality, 1975. 361 Vgl. Abschnitt 2.2.4.2.2.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

95

Theoretisch müßten in jedem Fall dem Nutzen einer Information fiir die Adressaten deren Selektions- und Aufbereitungskosten gegenübergestellt werden.362 Praktisch ist dies wohl - vor allem in Anbetracht der Heterogenität der Adressaten und ihrer Interessen - kaum durchführbar.363 Deshalb wird nach den IAS die Wesentlichkeit einer Information primär quantitativ als eine Art „Schwellenwert“ (F. 30) verstan­ den, bei dessen Unterschreiten kein Einfluß auf die Entscheidung des Nutzers mehr angenommen wird.364 Dabei bleibt das Problem der Quantifizierbarkeit dieser Wesentlichkeitsschwelle einer Information bestehen. Aus dem Framework kann ent­ nommen werden, daß diese Wesentlichkeitsschwelle nicht absolut, sondern nur re­ lativ zu einer bestimmten Bezugsgröße bzw. sachverhaltsabhängig bestimmt werden sollte (F. 30). Weder im Framework noch in den einzelnen Standards ist jedoch eine Bezugsgröße für eine betragsmäßige Konkretisierung des Wesentlichkeitsgrundsat­ zes angegeben. Eine Ausnahme findet sich nur im IAS 14, in dem eine Schranke in Höhe von 10 % für berichtspflichtige Segmente vorgesehen ist.365 Der Grundsatz der Wesentlichkeit wird neben dem Framework auch in IAS 1.29 32 dargestellt und definiert. Diese Definition weicht inhaltlich nicht von der des Framework ab, erfährt jedoch eine Erweiterung: Informationen sind danach so lange zu aggregieren, bis sie in Summe wesentlich sind. Viele im einzelnen unwichtige Posten können sich auf diese Weise zu wichtigen Posten aufsummieren und dürfen dann nicht mehr weggelassen werden. Der Grundsatz der Wesentlichkeit wird - im Gegensatz zu den anderen Grundsätzen - auch im Preface zu den IAS erwähnt (P. 12) und allen Standards als eine Art Präambel vorangestellt.366 Dort heißt es, daß die IAS nicht auf unwesentliche Sachverhalte angewendet werden müssen. Das Problem der quantitativen Konkretisierung der Wesentlichkeitsschwelle wird jedoch auch hier nicht gelöst. Die Wesentlichkeitsschwelle muß deshalb mit Hilfe von Plausibilitätsüberlegungen konkretisiert werden, durch die sich allerdings beträchtliche Ermessensspielräume ergeben. Adressaten haben kaum eine Möglichkeit zu erkennen, ob Informationen ausgelassen wurden oder wie groß die Ungenauigkeiten oder Fehler sind, die seitens des rechnungslegenden Unternehmens als noch tolerierbar angesehen wurden.367 Dies ist aus Sicht der Adressaten und auch aus Sicht des Zieles der IASRechnungslegung, nämlich entscheidungsnützliche Informationen bereitzustellen, als sehr nachteilig zu beurteilen, weil eines der Hauptergebnisse der informationsöko­ nomischen Ansätze ist, daß Rechnungslegungsnormen möglichst eindeutig und frei

362 Vgl. Ossadnik, W., Materiality, 1995, S. 33. 363 Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 81. Zur Quantifizierung der Wesentlichkeits­ schwelle siehe Rossmanith, J., Der Materiality-Grundsatz, 1998, S. 61 - 83. 364 Vgl. Risse, A., International Accounting Standards, 1996, S. 101. 365 Vgl. Auer, K., IAS versus HGB, 1999, S. 16. 366 Vgl. Cairns, D., International Accounting Standards, 1995, S. 82. 367 Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 82.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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von Ermessensspielräumen sein sollten. Auf der anderen Seite ist zu beachten, daß auch eine Konkretisierung im Sinne der Festlegung von konkreten Prozentsätzen zu falschen Ergebnissen fuhren kann.

2.3.3.3

Zuverlässigkeit (reliability)

2.3.3.3.1 Überblick

Informationen müssen zuverlässig sein, um sich als Basis für Entscheidungen zu eignen. Zuverlässigkeit (reliability) im Sinne des Framework ist dann gegeben, wenn die bereitgestellten Informationen frei von materiellen Fehlern und Verzerrungen sind und sich die Adressaten darauf verlassen können, daß die Informationen das darstellen, was sie darzustellen vorgeben (F. 31). Informationen müssen also fehlerund willkürfrei sein, um Fehlinformationen des Adressaten auszuschließen.368 Wenn Informationen zwar relevant, aber nicht ausreichend zuverlässig sind, kann es unan­ gebracht sein, sie in der Bilanz und in der Erfolgsrechnung zu veröffentlichen (F. 32). Was in diesem Fall zu geschehen hat, wird im Framework nicht unmiß­ verständlich deutlich gemacht. Die Ausführungen des Framework können jedoch so interpretiert werden, daß eine solche Information in die notes aufgenommen und er­ läutert werden muß.369

Das qualitative Merkmal Zuverlässigkeit wird durch die fünf Grundsätze glaubwür­ dige Darstellung (faithful representation), wirtschaftliche Betrachtungsweise (sub­ stance over form), Willkürfreiheit (neutrality), Vorsicht (prudence) und Vollständig­ keit (completeness) konkretisiert.

2.3.3.3.2 Glaubwürdige Darstellung (faithful representation) Der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung verlangt eine wahrheitsgetreue und nicht irreführende Abbildung der Geschäftsvorfälle im Unternehmen. Dies bedeutet einerseits, daß alle Geschäftsvorfälle, die zu assets und liabilities im Sinne der IAS führen oder das Eigenkapital verändern, glaubwürdig darzulegen sind (F. 33). Ande­ rerseits bedeutet es auch, solche Rechnungslegungsinformationen, die mit zu großen Unsicherheiten behaftet sind, nicht zu erfassen, wie z.B. einen originären Geschäfts­ oder Firmenwert (F. 34).

Die Festlegung wahrheitsgetreuer bzw. nicht irreführender Informationen ist mit Schwierigkeiten behaftet, weil die meisten Rechnungslegungsinformationen, auch diejenigen, die sich auf Versicherungsverträge beziehen, regelmäßig mit Unsicher­ heiten bezüglich Ansatz oder Bewertung verbunden sind. Häufig sind die Rech-

368 Vgl. Ordelheide, D./Böckem, H., IAS 18, 1997, S. 597, Tz. 12. 369 So auch Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 83.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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nungslegungsinformationen weniger glaubwürdig, als sie es vorgeben. In Zweifels­ fällen hat der Abschlußersteller in den notes Angaben zu den Risiken zu machen, die mit der Erfassung und Bewertung bestimmter Posten verbunden sind (F. 34). Die im Framework angeführten Punkte zur Erläuterung des Grundsatzes der glaub­ würdigen Darstellung beziehen sich zum großen Teil auf die Frage, welche Infor­ mationen im Jahresabschluß zu erfassen sind, und weisen damit Ähnlichkeiten zum Grundsatz der Vollständigkeit auf. Dies erscheint ungewöhnlich, entspricht jedoch dem Inhalt des Framework und soll deshalb im folgenden nicht weiter diskutiert werden.

2.3.3.3.3 Wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form) Der wirtschaftliche Gehalt von Geschäftsvorfällen stimmt nicht immer mit dem überein, was scheinbar aus der rechtlichen Gestaltung oder Sachverhaltsgestaltung hervorgeht. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise besagt, daß so­ wohl der Umfang als auch der Inhalt der gegebenen Information nicht von deren rechtlicher Ausgestaltung, sondern von der ökonomischen Realität bestimmt werden sollten (F. 35). Entscheidend für die Abbildung von Geschäftsvorfällen ist also Un­ wirtschaftlicher Gehalt, nicht die rechtlichen Verhältnisse.370 Beispielsweise ist für die Erfassung von Geschäftsvorfällen das wirtschaftliche und nicht das juristische Eigentum relevant.371 Ein Unternehmen kann einen Vermögensgegenstand so veräu­ ßern, daß das Eigentum zwar formalrechtlich übergeht, der Nutzen aus dem Vermö­ gensgegenstand dem Unternehmen jedoch weiterhin zukommt. In diesem Fall würde eine Berichterstattung über den Verkauf des Vermögensgegenstandes den Ge­ schäftsvorfall nicht glaubwürdig darstellen (F. 35). Der Vermögensgegenstand müßte weiterhin beim wirtschaftlichen Eigentümer, dem genannten Unternehmen, bilanziert werden. Ebenso muß bei Leasinggeschäften der Leasinggegenstand ggf. beim Leasingnehmer bilanziert werden, obwohl dieser nicht der juristische, sondern lediglich der wirtschaftliche Eigentümer ist.372

Teilweise wird unter diesen Grundsatz auch subsumiert, daß nicht die Form der Darstellung von Informationen, sondern die Informationsgewährung an sich ent­ scheidend ist. Dies fuhrt dazu, daß der Jahresabschlußersteller bezüglich Form und Ort der Informationsbereitstellung relativ große Freiräume hat.373 Dem Framework ist eine solche Auslegung jedoch allenfalls indirekt zu entnehmen.

370 371 372 373

Vgl. Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 267; IDW, Rechnungslegung nach IAS, 1995, S. 21. Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 214. Vgl. Cairns, D., International Accounting Standards, 1995, S. 83. Vgl. Haller, A., Rechnungslegung in den USA, 1994, S. 261; Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 214.

98

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

2.3.3.3.4 Willkürfreiheit (neutrality)

Um zuverlässig zu sein, müssen Informationen willkürfrei bzw. neutral, also frei von jeglicher Verzerrung oder Manipulation sein (F. 36). Die Bereitstellung bestimmter Informationen sollte nicht davon bestimmt werden, wie die Informationen auf die Rechnungslegungsadressaten wirken könnten, sondern wie der zugrundeliegende Sachverhalt möglichst objektiv wiedergegeben werden kann.374 Rechnungslegungs­ informationen sind dann nicht willkürfrei oder neutral, wenn die Entscheidung oder Einschätzung der Rechnungslegungsempfänger durch die Auswahl oder Darstellung der Informationen beeinflußt werden soll (F. 36). Damit verbietet sich jede informa­ tionsorientierte Jahresabschlußpolitik, die auf die Beeinflussung der Adressaten ab­ zielt.375

2.3.3.3.S Vorsicht (prudence) Der Grundsatz der Vorsicht (prudence) dient der Berücksichtigung der Unsicher­ heiten, die in der wirtschaftlichen Realität auftreten.376 Er ist eine Schätzregel zur Berücksichtigung von Unsicherheiten. Als Beispiele für Unsicherheiten nennt das Framework die mögliche Uneinbringbarkeit zweifelhafter Forderungen, die Proble­ me bei der Abschätzung von Nutzungsdauern der Vermögenswerte sowie die unbe­ kannte Zahl möglicherweise auftretender Garantiefälle. Vorsicht bedeutet, daß bei der Bewertung im Fall des Vorliegens von Ermessensspielräumen die Einbeziehung eines gewissen Grades an Umsicht geboten ist, um Vermögenswerte bzw. Erträge nicht zu hoch und Schulden bzw. Aufwendungen nicht zu niedrig anzusetzen (F. 37). Dem Grundsatz der Vorsicht nach ist ein vorsichtig bemessener realistischer Wert anzusetzen. Im Sinne des Framework zu den IAS ist er ausschließlich als Be­ wertungsregel bei Ermessensspielräumen zu verstehen.377 Stark optimistische Ein­ schätzungen, die die wirtschaftliche Lage zu positiv darstellen, sind ausgeschlossen. Andererseits ist es nicht zulässig, generell auf den ungünstigsten Wert abzustel­ len.378 Das IASC betont ausdrücklich, daß der Grundsatz der Vorsicht nicht als In­ strument zur Bildung stiller Reserven verwendet werden darf, weil dies eine nicht der Realität entsprechende Einschätzung der Lage des Unternehmens vermitteln würde und darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Willkürfreiheit läge (F. 37).

Nach der Konzeption des Framework hat die Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung Vorrang vor dem Grundsatz der Vorsicht. Dies wird dadurch deutlich, daß der Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung als Grundan­

Vgl. Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 267. Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 85. Vgl. IDW, Rechnungslegung nach IAS, 1995, S. 38 ff. Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 89; Cairns, D., International Ac­ counting Standards, 1995, S. 107. 378 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 248. 374 375 376 377

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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nähme der Rechnungslegung bezeichnet wird, der Grundsatz der Vorsicht, wie auch die ebenfalls nachgeordneten Grundsätze der glaubwürdigen Darstellung, wirt­ schaftlichen Betrachtungsweise, Willkürfreiheit, Vollständigkeit und Wesentlichkeit, jedoch als Unterkriterien des Merkmals nützlicher Informationen nach IAS Zuver­ lässigkeit einzuordnen sind.379 Infolgedessen sind unter bestimmten Voraussetzun­ gen - entgegen dem Grundsatz der Vorsicht - auch unrealisierte Erträge bei der Ge­ winnermittlung zu berücksichtigen.380 23.3.3.6 Vollständigkeit (completeness)

Damit Informationen zuverlässig sein können, müssen sie im Rahmen der Wesent­ lichkeit und der angemessenen Kosten für die Informationsbereitstellung vollständig sein (F. 38). Ein Weglassen von wesentlichen Informationen würde dazu fuhren, daß die durch die Rechnungslegung bereitgestellten (Gesamt-)Informationen falsch oder irreführend und damit unzuverlässig werden (F. 38). Die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Informationen ist ebensowenig eindeutig wie beim Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality), der umgekehrt fordert, nur wesentliche Informationen auszuweisen. Damit tritt auch beim Grundsatz der Vollständigkeit (completeness) das Problem auf, die Wesentlichkeitsschwelle zu bestimmen, die zum Ausweis von Informationen führt.381 Informationen dürfen auch dann weggelassen werden, wenn die Informationsbereit­ stellung unter Einbeziehung von Kosten-Nutzen-Überlegungen zu aufwendig er­ scheint. Durch dieses explizite Eingehen auf Kosten-Nutzen-Überlegungen wird deutlich, daß die Kosten-Nutzen-Überlegungen, die auch im Rahmen der Grenzen der qualitativen Merkmale nützlicher Informationen (constraints on relevant and re­ liable information) erwähnt werden, besondere Bedeutung für den Grundsatz der Vollständigkeit haben. Kosten-Nutzen-Überlegungen fuhren jedoch ebenso wie die Bestimmung von Wesentlichkeitsschwellen beim Grundsatz der Vollständigkeit zu Ermessensspielräumen, die eigentlich so weit wie möglich vermieden werden soll­ ten. 2.3.3.4

Vergleichbarkeit (comparability)

Ein besonders wichtiges Merkmal nützlicher Informationen ist deren Vergleichbar­ keit.382 Aus dem Framework zu den IAS wird deutlich, daß damit sowohl eine in­ tertemporale Vergleichbarkeit, also eine Vergleichbarkeit von Rechnungslegungs­

379 Vgl. Auer, K., IAS versus HGB, 1999, S. 19; Niehus, R., „Vorsichtsprinzip“ und »Accrual Basis“, 1997, S. 1422. 380 Vgl. Achleitner, A./Kleekämper, H., IAS 1, 1997, S. 135, Tz. 66. 381 Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 87. 382 Vgl. Auer, K. Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 373 ff; Kuhlewind, A., Grundlagen, 1997, S. 92.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Informationen eines Unternehmens im Zeitablauf, als auch eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit gemeint ist (F. 39). Gleichartige Geschäftsvorfälle sollen nicht nur in den verschiedenen Perioden in einem Unternehmen, sondern auch bei verschiede­ nen Unternehmen einheitlich abgebildet werden.383 Für die Entscheidungsfindung eines Bilanzadressaten ist es notwendig, daß dieser die Möglichkeit hat, durch den Vergleich der Jahresabschlüsse mehrerer Jahre die Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines bestimmten Unternehmens absolut und im Verhältnis zu anderen Unternehmen zu erkennen.384 Auch aus den informationsökonomischen und kapitalmarktorientierten Ansätzen wurde abgeleitet, daß die Vergleichbarkeit der Informationen sowohl in zeitlicher als auch in zwischenbetrieblicher Hinsicht erforderlich ist. Die Vergleichbarkeit von Informationen ist nicht nur notwendig, um das Management im Sinne der Agency-Theorie zu kontrollieren, sondern auch, um Kapitalströme in die rentabelste Verwendung zu lenken und damit die Funktions­ weise von Kapitalmärkten zu unterstützen.

Die zeitliche Stetigkeit verlangt, daß Ansatz, Bewertung und Ausweis gleichartiger Sachverhalte in einem Unternehmen und für dieses über die Zeit hinweg sowie für verschiedene Unternehmen auf die gleiche Art und Weise zu erfolgen haben und die äußere Form, wie z.B. Gliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung, beizubehalten ist (F. 40). Auch müssen die jeweils entsprechenden Informationen für die vorange­ gangenen Perioden dargestellt werden (F. 42). Wenn die Bilanzierungsmethoden (accounting policies) geändert werden, muß der Leser über diese Änderungen und auch über deren Auswirkungen informiert werden (F. 40). Durch den Hinweis auf die Vergleichbarkeit von Informationen darf jedoch nicht die verbesserte Darstel­ lung von Rechnungslegungsinformationen verhindert werden. Ein Jahresabschlußersteller soll die einmal auf einen wirtschaftlichen Sachverhalt angewandten Verfah­ ren der Rechnungslegung nicht beibehalten, wenn ein Wechsel in der Vorgehens­ weise zu einer Steigerung der Qualität der Informationen fuhrt, d.h. wenn es rele­ vantere und verläßlichere Alternativen gibt (F. 41). Die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit soll dadurch erreicht werden, daß alle Unternehmen ihre Rechnungslegung nach den IAS-Normen erstellen (F. 40). Ob dadurch jedoch automatisch eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit erreicht wird, ist zumindest zweifelhaft. Denn auch bei Anwendung der IAS bleiben Wahl­ rechte, wie z.B. die Bewertung zu Marktwerten oder historischen Kosten, und im­ plizite Ermessensspielräume, so daß eine materielle Jahresabschlußpolitik durchgefuhrt werden kann.385 Um eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit bei den IAS-Normen für Versiche­ rungsuntemehmen zu erreichen, sollte die verschiedenartige Abbildung gleicher o­

383 Vgl. Cairns, D., International Accounting Standards, 1995, S. 84 f. 384 Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 48; Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 268. 385 Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 291.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

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der ähnlicher Geschäfts Vorfälle bei Versicherungsuntemehmen und damit die Mög­ lichkeit, Jahresabschlußpolitik zu betreiben, vermieden werden. Ziel der Entwick­ lung des IAS fiir Versicherungsuntemehmen muß es deshalb sein, den größten Teil der potentiell auftretenden ökonomischen Sachverhalte in Versicherungsuntemeh­ men möglichst eindeutig und detailliert (ohne Wahlrechte und Ermessensspielräume) in Normen zu erfassen. Die Vergleichbarkeit der Informationen in zeitlicher Hinsicht entspricht dem Grund­ satz der Stetigkeit (consistency), der im neugefaßten IAS 1 im Rahmen der grund­ sätzlichen Überlegungen (overall considerations) der Rechnungslegung erwähnt wird (IAS 1.27 - 28). Um die Bedeutung von vergleichbaren Informationen zusätz­ lich zu betonen (vgl. F. 42), wird hier explizit ausgefuhrt, daß zu allen Informationen die korrespondierenden Voijahreszahlen bzw. verbale Erläuterungen angegeben werden müssen, wenn die Vergleichbarkeit allein durch die Angabe der Voijahreszahlen nicht gegeben ist. Aus der Tatsache, daß dies im alten IAS 1 nicht explizit erwähnt wurde, wird ersichtlich, daß die Bedeutung des Grundsatzes der Vergleich­ barkeit im Rahmen des Konzeptes der IAS zunimmt.

2.3.4

Einschränkungen nützlicher Informationen (constraints on relevant and reliable information)

2.3.4.1

Zeitnähe (timeliness)

Zeitnahe Informationsvermittlung und Zuverlässigkeit sind häufig konfliktäre Ziel­ setzungen, die gegeneinander abzuwägen sind.386 Wenn es bei der Veröffentlichung von Informationen zu unangemessenen Verzögerungen kommt, können die Informa­ tionen ihre Relevanz für den Adressaten verlieren. Deshalb kann es nötig sein, In­ formationen bereits zu einem Zeitpunkt bereitzustellen, zu dem sich noch nicht alle Aspekte eines Geschäftsvorfalls oder eines Ereignisses mit Sicherheit bestimmen lassen, was zu Lasten der Zuverlässigkeit der Informationen gehen kann (F. 43). Wenn mit der Veröffentlichung der Informationen so lange gewartet würde, bis alle Aspekte bekannt sind, würde sich zwar die Zuverlässigkeit der Informationen erhö­ hen, sie könnten jedoch fiir den Adressaten bereits nutzlos sein, wenn dieser in der Zwischenzeit Entscheidungen zu treffen hatte. Im Zweifel verlangt der Grundsatz der Zeitnähe deshalb, zwischen der Zuverlässigkeit und der Zeitnähe bei der Ver­ öffentlichung von Informationen so abzuwägen, daß den Bedürfnissen des Adressa­ ten im Hinblick auf seine ökonomischen Entscheidungen am besten entsprochen wird (F. 43). Dies kann u.U. dazu führen, daß z.B. den Grundsätzen der glaubwür­ digen Darstellung, der Willkürfreiheit, der Vorsicht oder der Vollständigkeit nicht entsprochen wird.

386 Vgl. KPMG, International Accounting Standards, 1999, S. 24.

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Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

Für Versicherungsuntemehmen, deren Geschäfts vorfalle häufig mit Risiken oder Unsicherheiten behaftet sind, kann das z.B. bedeuten, die Ergebnisrealisierung nicht aufzuschieben, bis bestimmte Ergebnisse mit Sicherheit bekannt sind. Konkret be­ deutet das, daß Versicherungsverträge nicht so lange erfolgsneutral behandelt wer­ den können bis alle während ihrer Laufzeit eingetretenen Schäden abgewickelt sind.

2.3.4.2

Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen (balance between bene­ fit and cost)

Das zweite einschränkende Merkmal fur nützliche Informationen ist die Verhältnis­ mäßigkeit von Kosten und Nutzen (balance between benefit and cost). Danach muß der mit einer Information verbundene Nutzen größer sein als die mit ihrer Bereit­ stellung verbundenen Kosten. Diese Abwägung von Kosten und Nutzen ist weniger als qualititive Anforderung, sondern mehr als Sachzwang zu interpretieren (F. 44). Dieses aus dem Wirtschaftlichkeitsprinzip abgeleitete Merkmal wirkt zwar auf den ersten Blick einleuchtend, es erweist sich jedoch als kaum operationalisierbar, 387 weil die Bewertung von Kosten bzw. Nutzen von Informationen im wesentlichen eine Ermessensfrage ist (F. 44). Sind die direkten Kosten der Informationsbeschaf­ fung und -bereitstellung für das rechnungslegende Unternehmen noch einigermaßen abschätzbar, können indirekte Kosten und mögliche negative wirtschaftliche Konse­ quenzen aus der Informationsbereitstellung kaum quantifiziert werden. So ist z.B. die Quantifizierung der wettbewerblichen Nachteile und Ertragseinbußen für das rechnungslegende Unternehmen bei einer zu umfangreichen Segmentberichterstat­ tung kaum möglich.388 Fraglich ist außerdem, auf welche Wirtschaftssubjekte sich die Kosten- und Nutzen­ abwägung bezieht. Denn der Nutzen von Informationen fällt häufig bei anderen Wirtschaftssubjekten an als die Kosten für die Bereitstellung dieser Informatio­ nen.389 Während die Kosten grundsätzlich vom rechnungslegenden Unternehmen allein getragen werden müssen, hat nicht nur das Unternehmen selbst, z.B. in Form von Kapitalkostenverminderung, einen Nutzen aus der Informationsbereitstellung, sondern es profitieren auch die verschiedenen Adressaten der Rechnungslegung da­ von. Diese Nutzeneffekte sind wegen der großen Anzahl und der Heterogenität der Adressaten und der Adressatengruppen kaum erfaßbar. Eigentlich müßte der Infor­ mationsnutzen bei jedem einzelnen Adressaten gesondert ermittelt und anschließend aufsummiert werden.390 Das IASC selbst konstatiert im Framework, daß es schwie­ rig ist, in jedem Einzelfall eine Kosten-Nutzen-Analyse durchzufuhren. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, daß sich sowohl Standardsetzer als auch Jahres­

387 388 389 390

Vgl. Haller, A., Wertschöpfungsrechnung, 1997, S. 269 f. Vgl. Coenenberg, A., Jahresabschluß, 1997, S. 48. So auch Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 94. Vgl. Abschnitt 2.2.2.3.1,

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

103

abschlußersteller der Problematik bewußt sein sollten (F. 44). Aus informationsöko­ nomischer und kapitalmarktorientierter Sicht ist der Grundsatz der Verhältnismä­ ßigkeit von Kosten und Nutzen negativ zu bewerten, weil er große Ermessensspiel­ räume für das Weglassen von Informationen eröffnet, kaum ausreichend operational ist und im Widerspruch zu den qualitativen Merkmalen nützlicher Informationen steht. Deshalb sollte er, wenn überhaupt, sehr restriktiv angewendet werden.391 2.3.4.3

Abwägung der qualitativen Merkmale (balance between qualitative characteristics)

Schließlich ist es unerläßlich, die qualitativen Merkmale nützlicher Informationen untereinander abzuwägen, um zu gewährleisten, daß die durch die Rechnungslegung bereitgestellten Informationen nützlich sind (F. 46). Mögliche Konflikte zwischen den qualitativen Merkmalen wurden bereits am Beispiel der Merkmale Relevanz und Zuverlässigkeit beschrieben.392 Bei der Abwägung zwischen den Merkmalen ist stets der Zweck der Rechnungslegung und der konkrete Einzelfall zu berücksichti­ gen.393 Letztlich kann sie nur der fachkundigen Einschätzung durch den Jahres­ abschlußersteller überlassen werden (F. 46). Daran wird deutlich, daß auch die Ne­ benbedingung der Abwägung der qualitativen Merkmale wieder zu erheblichen Er­ messensspielräumen für Standardsetzer und Jahresabschlußersteller fuhrt, die nach den theoretischen Überlegungen zur Informationsfunktion eigentlich so weit wie möglich vermieden werden sollten.

2.3.5

Bedeutung des Grundsatzes des true and fair view

Jahresabschlüsse verfolgen nach IAS das Konzept, ein den tatsächlichen Verhältnis­ sen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unterneh­ mens zu vermitteln („true and fair view“), die wirtschaftliche Lage und die Ergeb­ nisse eines Unternehmens also wirtschaftlich richtig wiederzugeben („fair presenta­ tion“) (F. 46). Wäre die Darstellung des true and fair view als übergeordnete Gene­ ralklausel („overriding principle“) ausgestaltet, so würde dies bedeuten, daß unter Berufung auf den Grundsatz des true and fair view jederzeit von einzelnen IAS ab­ gewichen werden dürfte.394 Im Framework wird dazu jedoch ausgeführt, daß die Anwendung der grundlegenden qualitativen Merkmale (principal qualitative cha­ racteristics)395 und der einschlägigen Rechnungslegungsstandards (appropriate ac-

391 392 393 394 395

Vgl. Fuchs, M., International Accounting Standards, 1997, S. 95. Vgl. Abschnitt 2.3.1. Vgl. Auer, K., IAS versus HGB, 1999, S. 27. Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 90. Unter den principal qualitative characteristics sind nicht nur die qualitativen Merkmale nützlicher Informatio­ nen zu verstehen, sondern auch die underlying assumptions, vgl. Fuchs, M., International Accounting Stan­ dards, 1997, S. 97.

104

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

counting standards) zu einem Abschluß fuhrt, der das widerspiegelt, was im allge­ meinen unter der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes (true and fair view) verstanden wird (F. 46). Geht man von den Formulierun­ gen des Framework und im IAS 1.10 aus, so bietet ein Jahresabschluß in nahezu allen Fällen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild und erfüllt da­ mit die Informationsfunktion der Rechnungslegung im Sinne der IAS, wenn die Rechnungslegungsprinzipien des Framework und die einschlägigen Standards kor­ rekt angewendet werden.396 In den äußerst seltenen Fällen, in denen die Unterneh­ mensleitung zu dem Ergebnis kommt, daß die Befolgung bestimmter Normen irre­ führend wäre und deshalb das Ab weichen von einer Vorschrift notwendig ist, sind detaillierte Angaben zu machen (IAS 1.13).397

2.3.6

Berücksichtigung bereits bestehender IAS

Welche Bedeutung haben die bestehenden Standards für die Ableitung neuer IAS, und inwieweit sind sie einschlägig (appropriate) bei der Entwicklung von IAS? In der Normenhierarchie der Rechnungslegung nach IAS geht der IAS „Insurance“ ebenso wie der IAS 30 für die Bankenrechnungslegung als „lex specialis“ abwei­ chenden allgemeinen Regeln vor. Trotzdem ist es Ziel des Normensystems der IAS, die neuen Vorschriften möglichst widerspruchsfrei in das gesamte bestehende Sys­ tem einzubeziehen. Deshalb sind bei der Ableitung neuer IAS die bestehenden so weit wie möglich zu beachten und nur für solche Fälle gesonderte Normen vorzu­ schreiben, bei denen die bestehenden Regeln die Informationsfunktion und die dar­ aus abgeleiteten Ziele des Framework nicht erfüllen würden. Grundsätzlich sind da­ bei IAS zu unterscheiden, bei denen Versicherungsverträge oder Abbildungsfragen im Versicherungsuntemehmen explizit ausgeschlossen sind, und solche, die grund­ sätzlich auch für Versicherungsuntemehmen anwendbar bzw. zu beachten sind.

Bei folgenden IAS sind Versicherungs Verträge oder Abbildungsfragen im Versiche­ rungsuntemehmen explizit ausgeschlossen: IAS 18 Revenue

(Ausschluß von Erträgen von Versicherungsuntemehmen aus Versiche­ rungsverträgen)

396 Zu einer genauen Auslegung des Grundsatzes des true and fair view in den IAS vgl. Altenburger, O., IASkonforme Jahres- und Konzernabschlüsse, 1999, S. 539; Auer, K., International harmonisierte Rechnungsle­ gungsstandards, 1997, S. 125; Gidlewitz, H., Internationale Harmonisierung, 1996, S. 192; Goebel, A., Kon­ zernrechnungslegung, 1994, S. 2459; Hayn, S., International Accounting Standards, 1994, S. 719; Risse, A., International Accounting Standards, 1996, S. 109; Wagenhofer, A., International Accounting Standards, 1996, S. 121; Wollmert, P./Achleitner, A., Konzeptionelle Grundlagen, 1997, S. 213. 397 Zu den Begründungen für ein Abweichen vgl. IAS 1.14, 1.16 bis 1.18.

Die Informationsfunktion der Rechnungslegung

-

105

IAS 25 Accounting for Investments

(Ausschluß von Finanzinvestitionen von Altersversorgungsplänen und Lebensversicherungsuntemehmen) -

IAS 26 Accounting and Reporting by Retirement Benefit Plans

(Ausschluß von Altersversorgungsplänen, bei denen im Namen eines Begünstigten oder einer Gruppe von Begünstigten eine Vereinbarung mit einem Versicherungsuntemehmen abgeschlossen wurde und bei denen die Verpflichtung aus der Versorgungszusage allein dem Versi­ cherungsuntemehmen obliegt)

-

IAS 32 Financial Instruments: Disclosure and Presentation

(Ausschluß von Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen)

-

IAS 38 Intangible Assets

(Ausschluß von immateriellen Vermögensgegenständen, die in Versi­ cherungsuntemehmen aus Verträgen mit Versicherungsnehmern resul­ tieren)

Von Versicherungsuntemehmen sind grundsätzlich alle übrigen IAS zu beachten. Einige IAS, wie z.B. IAS 2 (Vorräte) oder IAS 11 (Langfristige Fertigung), besitzen für Versicherungsuntemehmen allerdings eine nur untergeordnete Bedeutung.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

107

3

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsunternehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.1

Überblick

Das dritte Kapitel behandelt die Erfolgsermittlung in der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte). Der Themenkomplex des Erfolgsausweises, konkretisiert durch die versicherungsspezifischen Abbildungs­ prinzipien, ist Gegenstand des nächsten Kapitels. Ziel der Ausführungen zur Er­ folgsermittlung von Versicherungsuntemehmen ist es, die optimale Abgrenzung der Ein- und Auszahlungsströme des Versicherungsuntemehmens im Sinne der Informationsfunktion der Rechnungslegung zu klären. Dafür sind Regeln für die Zuord­ nung der Zahlungsströme, z.B. der Prämieneinnahmen, der Schadenausgaben und der Betriebsaufwendungen des Versicherungsuntemehmens, zu verschiedenen Rechnungsperioden abzuleiten. Außerdem hängt die Abgrenzung der Ein- und Aus­ zahlungsströme eng mit dem Ansatz bestimmter Aktiva und Passiva in der Bilanz, z.B. der Aktivierung von Abschlußkosten oder der Passivierung bestimmter versi­ cherungsspezifischer Rückstellungen, zusammen. Soweit dies für die Erfolgsermitt­ lung von Bedeutung ist, wird auch der Ansatz von Aktiva und Passiva in der Bilanz diskutiert.

Die in einem Versicherungsuntemehmen anfallenden Erträge und Aufwendungen werden im folgenden systematisch dargestellt und untersucht. Die Untersuchung orientiert sich an den Ein- und Auszahlungsströmen, die zwischen dem Versiche­ rungsuntemehmen und seiner Umwelt fließen.1 Dabei werden nur solche Erträge und Aufwendungen dargestellt, die typisch für Vorgänge im Versicherungsunter­ nehmen sind, also versicherungsspezifischen Charakter haben, und regelmäßig an­ fallen. Ausgeschlossen sind daher z.B. sonstige und außerordentliche Erträge und Aufwendungen sowie Steueraufwendungen. Die folgenden Erträge und Aufwendun­ gen werden diskutiert:

1. Prämienerträge 2. Schadenaufwendungen

3. Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen

4. Betriebsaufwendungen 5. Erträge und Aufwendungen aus passiver Rückversicherung

6. Erträge und Aufwendungen aus der Kapitalanlage

Zu einem Überblick über diese Ein- und Auszahlungsströme vgl. Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkun­ gen, 1977, S. 506 f.

108

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Zunächst werden alle Erträge und Aufwendungen betrachtet, die sich auf die Prä­ mieneinnahmen, die Auszahlungen im Schadenfall, die Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen und die Ausgaben für die Aufrechterhal­ tung der Betriebsbereitschaft (Personal-, Mietausgaben) beziehen. Danach wird die Berücksichtigung der Erträge und Aufwendungen aus der passiven Rückversiche­ rung in der Erfolgsrechnung diskutiert. Diese hängen eng mit den Positionen Prä­ mienerträge, Schadenaufwendungen, Veränderung der sonstigen versicherungstech­ nischen Rückstellungen, Betriebsaufwendungen und teilweise den Kapitalanlageer­ trägen zusammen und könnten auch jeweils dort behandelt werden. Um Wiederho­ lungen zu vermeiden, erscheint es jedoch sinnvoll, die Gesamtproblematik der Ab­ bildung der passiven Rückversicherung gesondert darzustellen und zu diskutieren.

Die Erträge und Aufwendungen aus Kapitalanlagen stellen sehr wichtige Ertrags­ und Aufwandspositionen in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen dar. Da es für die Erfassung von Erträgen und Aufwendungen aus den Kapitalanla­ gen allgemeine Vorschriften in den IAS gibt, die auch für die Erträge und Aufwen­ dungen für Kapitalanlagen von Versicherungsuntemehmen gelten, werden die IASVorschriften zu den Erträgen und Aufwendungen aus der Kapitalanlagen lediglich dargestellt und nicht diskutiert. Die versicherungsspezifische Frage nach dem Aus­ weis von Kapitalanlageerträgen als gesonderte Erträge und Aufwendungen oder im Zusammenhang mit dem versicherungstechnischen Ergebnis wird im Rahmen der Abbildungsprinzipien behandelt.

3.2

Prämienerträge

3.2.1

Überblick

Der Kem des Versicherungsgeschäfts ist der Transfer einer SchadenVerteilung vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer gegen Zahlung einer Prämie.2 Die Versi­ cherungsprämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer für die Bereitstellung von Versicherungsschutz und die Erbringung der damit verbundenen Dienstleistun­ gen innerhalb eines genau spezifizierten vertraglichen Rahmens3 und für einen be­ stimmten Zeitraum4 an den Versicherer zu entrichten hat.5 Dementsprechend stellen die Prämieneinnahmen die bedeutendste Einnahmequelle von Versicherungsunter­

2

3 4 5

Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 25. Zu Prinzipien der Prämienkalkulation vgl. Albrecht, P., Prämienprinzipien, 1984, S. 167 ff. In der Versicherungspraxis werden die Begriffe Prämien und Beiträge weitgehend synonym verwendet. Im deutschen Sprachraum hat die Bezeichnung Beiträge den Begriff Prämien nahezu verdrängt. Da im angloamerikanischen Sprachraum jedoch von „premium“ die Rede ist, wird im fol­ genden ausschließlich das Wort Prämien verwendet (auch im Zusammenhang mit Prämien- bzw. Beitrags­ überträgen). Vgl. Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 126. Vgl. Farny, D., Produktions- und Kostentheorie, 1965, S. 8. Die Versicherungsperiode entspricht nach deutschem Recht in der Regel einem Zeitraum von einem Jahr. Vgl. Prölls, J./Martin, A., Versicherungsvertragsgesetz, 1998, S. 194. Vgl. Vinci, P., Written Premiums, 1994, S. 7-3; Albrecht, P./Lippe, S., Prämie, 1988, S. 525.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

109

nehmen dar.6 Im Regelfall besteht folgende Situation: Die Prämieneinnahmen flie­ ßen dem Versicherungsuntemehmen meist für ein Jahr im voraus zu.7 Die Schaden­ ausgaben erfolgen im Vergleich dazu später, über den Zeitraum der Versicherungs­ periode und darüber hinaus, bis alle Schäden reguliert sind.8 Würde die Erfolgsrech­ nung eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung darstellen, wäre der Zeitpunkt des Zu­ flusses der Prämieneinnahme der Zeitpunkt der Verbuchung als Ertrag. Da die Er­ folgsrechnung nach IAS entsprechend der Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung eine Aufwands- und Ertragsrechnung darstellt, sind nicht Prä­ mieneinnahmen, sondern Prämienerträge in die Erfolgsrechnung aufzunehmen. Einund Auszahlungen sind nicht zum Zeitpunkt ihres Zu- oder Abflusses erfolgswirk­ sam zu erfassen, sondern in den Perioden, denen sie wirtschaftlich zuzuordnen sind (F. 22).

3.2.2

Abgrenzung der Prämieneinnahmen

3.2.2.1

Zeitpunkt der Erfassung der Prämieneinnahmen

Im IAS 18 wird der Zeitpunkt zur Erfassung von Erträgen näher konkretisiert. Zwar sind Versicherungsverträge explizit vom Anwendungsbereich des IAS 18 ausge­ schlossen. Die Erfassung der Prämienerträge soll dennoch ähnlich erfolgen wie die Erfassung anderer Erträge; die IAS-Normen fiir Versicherungen sollen soweit wie möglich in das bestehende System eingepaßt werden.

Erträge aus dem Verkauf von Waren sind entsprechend IAS 18.14 dann zu erfassen, wenn der Gefahrenübergang erfolgt ist und dem Unternehmen kein Verfiigungsrecht über die Ware mehr zusteht. Erträge als Ergebnis eines Dienstleistungsgeschäfts sind entsprechend IAS 18.20 nach Maßgabe der Erbringung der Dienstleistung (im Sinne von Fertigstellungsgrad) zu erfassen. Da Prämien ein Entgelt des Versiche­ rungsnehmers für eine vom Versicherungsuntemehmen erbrachte Dienstleistung darstellen, ist zunächst zu klären, worin diese Dienstleistung des Versicherungsun­ temehmens besteht. Während ursprünglich die Auffassung vertreten wurde, die Leistung des Versiche­ rers bestünde in der Zahlung bei Eintritt von bestimmten Schadenereignissen, so herrscht heute die Meinung vor, daß die Leistung des Versicherers das abstrakte Schutzversprechen darstellt, bei Eintritt des Versicherungsfalls den Schaden zu tra­ gen. Diese Leistung ist nicht auf den Zeitpunkt des Schadeneintritts bzw. den Zeit­ punkt der Schadenauszahlung beschränkt, sondern stellt eine Dauerleistung dar.9

6 7 8 9

In Deutschland betragen die Prämienerträge im langjährigen Durchschnitt rund das Neunfache der Kapitalan­ lageerträge. Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 45. Vgl. Troxel, T./Bouchie, G., Property-Liability Insurance Accounting, 1995, S. 134 ff. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 51. Vgl. Farny, D., Produktions- und Kostentheorie, 1965, S. 8.

110

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Nach der zweiten Auffassung erbringt das Versicherungsuntemehmen in jedem Fall eine Leistung, unabhängig davon, ob ein einzelner Versicherungsvertrag von einem Schaden-ereignis betroffen ist oder nicht. Auf diese Weise erfolgt auch eine klare Trennung zwischen Kosten (Schadenauszahlung) und Leistung (Bereitstellung von Versicherungsschutz).10 Die erfolgswirksame Erfassung der Prämieneinnahmen soll entsprechend den IAS nach Maßgabe der Erbringung der Dienstleistung erfolgen. Dies gilt allerdings nur, wenn das Ergebnis des Dienstleistungsgeschäfts verläßlich geschätzt werden kann (IAS 18.20). Dies ist nach IAS 20 dann der Fall, wenn es hinreichend wahrschein­ lich ist, daß der wirtschaftliche Nutzen aus dem Geschäft dem Unternehmen zuflie­ ßen wird bzw. der Grad der Erbringung der Dienstleistung und die zu erwartenden Kosten verläßlich festgestellt werden können. Die Höhe der Erträge kann verläßlich geschätzt werden, weil die Höhe der Prämieneinnahmen meist schon zu Beginn des Vertrages feststeht. Auch ist es mit Vertragsbeginn bzw. der Fälligkeit der Prämien­ zahlung wahrscheinlich bis sicher, daß dem Versicherungsuntemehmen der wirt­ schaftliche Nutzen aus dem Geschäft zufließen wird. Problematisch ist jedoch die Feststellung des Grades der Erbringung der Dienstleistung und der zu erwartenden Kosten. Ein Versicherungs vertrag ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß die Höhe der zu erwartenden Kosten (im Sinne von Schadenaufwendungen) bei einem einzel­ nen Versicherungsvertrag zufallsabhängig ist und deshalb nicht verläßlich festge­ stellt werden kann. Auch ist der Begriff Grad der Erbringung der Dienstleistung den Besonderheiten der Versicherungsproduktion nicht angemessen. Da die Leistung des Versicherungsuntemehmens in der Bereitstellung von Versicherungsschutz be­ steht, ist die Leistungserbringung des Versicherers zeitraumbezogen.11 Der Versi­ cherer erbringt die Leistung während der gesamten Vertragslaufzeit als Dauerleis­ tung; die Gesamtleistung ergibt sich als Summe infinitesimal kleiner Teilleistun­ gen.12 Es ist daher folgerichtig, die Erträge kontinuierlich zu realisieren.13 Fällt der gesamte Versicherungszeitraum in eine Abrechnungsperiode, ergeben sich keine Abgrenzungsprobleme, weil der gesamte Ertrag einer Periode zugeordnet werden kann. Wenn sich die Leistung jedoch über mehrere Perioden erstreckt, stellt sich das Problem der Aufteilung der Leistung auf die unterschiedlichen Perioden. Soweit der Versicherer Teile seiner Leistung in einer Periode erbracht hat, ist in Höhe dieses Anteils an den Prämien eine Ertragsrealisation vorzunehmen, während diejenigen Prämienanteile, für die die Leistung noch nicht erbracht worden sind, erfolgsrechne­ risch neutralisiert werden müssen.14

10 11 12 13 14

Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 22. Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 27; Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 46. Vgl. Brands, H., Periodische Schadenschwankungen, 1979, S. 95. So auch Mooney, S./Cohen, L./Shuster, A., Accounting, 1995, S. 22. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 130; Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 170.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.2.2.2

111

Nicht realisierte Prämienanteile (Prämienüberträge)

3.2.2.2.1 Erfüllung der liability-Kriterien nach IAS

Die in der Periode realisierten Erträge werden als Prämienerträge bezeichnet; der Teil der Prämieneinnahmen, der im Geschäftsjahr fällig ist, für den der Versicherer die versprochene Leistung aber erst im folgenden Geschäftsjahr oder in den folgen­ den Geschäftsjahren zu erbringen hat, wird üblicherweise als Prämienübertrag be­ zeichnet. Bei den Prämienüberträgen handelt es sich um den Teil der Prämien, der Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag darstellt und dementspre­ chend - nach deutschem Verständnis - als transitorischer, passiver Rechnungsab­ grenzungsposten einzustufen ist.15 Prämienüberträge dürfen nur dann in der Bilanz passiviert werden, wenn sie die Kriterien einer liability erfüllen.16 Eine liability ist nach dem Framework zu den IAS eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens aus vergangenen Ereignissen, von deren Erfüllung erwartet wird, daß aus dem Unternehmen Ressourcen abflie­ ßen, die wirtschaftlichen Nutzen verkörpern (F. 49 b). Eine gegenwärtige Ver­ pflichtung ist die Pflicht oder Verantwortung, in bestimmter Weise zu handeln oder eine Leistung zu erbringen, die als Folge eines bindenden Vertrages oder einer ge­ setzlichen Vorschrift rechtlich durchsetzbar ist. Eine solche Leistung besteht für das Versicherungsnehmen in der Bereitstellung von Versicherungsschutz. Aus der Ent­ gegennahme der Prämien folgt für Versicherungsuntemehmen die Verpflichtung, im folgenden Jahr Versicherungsschutz zu gewähren.17 Dieser Verpflichtung kann sich das Versicherungsuntemehmen - zumindest für die Laufzeit des Versicherungs Ver­ trags - nicht entziehen. Das Versicherungsuntemehmen befindet sich dem Versiche­ rungsnehmer gegenüber in einem Erfüllungsrückstand. Die Verpflichtung resultiert aus der dem Versicherungsgeschäft eigentümlichen Nachleistungseigenschaft.18 Die Verpflichtung ist Ergebnis eines vergangenen Ereignisses, nämlich des Abschlusses des Versicherungsvertrags, das sich dadurch auszeichnet, daß das Versicherungs­ untemehmen damit keine realistische Möglichkeit hat, sich der Erfüllung der Ver­ pflichtung zu entziehen. Das Vorliegen einer liability kann dementsprechend für die Prämienüberträge bejaht werden.19

15 Vgl. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 277 f.; Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 175; Perlet, H., Versicherungsbilanzrichtlinie, 1994, S. 847. 16 Vgl. zu den Voraussetzungen fiir das Vorliegen einer liability: Epstein, B./Mirza, A., IAS 98, 1998, S. 29; Ernsting, I./von Keitz, I., Rückstellungen nach IAS 37, 1998, S. 2478; Förschle, G./Kroner, M./Heddäus, B., Ungewisse Verpflichtungen, 1999, S. 45; Moxter, A., Rückstellungen nach IAS, 1999, S. 521. 17 Vgl. Mooney, S./Cohen, L./Shuster, A., Accounting, 1995, S. 22. 18 Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 170. 19 So auch Maser, H., Konzemrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach LAS, 1998, S. 977. Zur Vorgehensweise nach US-GAAP vgl. Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 90 f.

112

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.2.2.2.2 Zeit- oder leistungsproportionale Abgrenzung?

Die Prämieneinnahmen sind abzugrenzen, indem die Prämienteile, die die Folgepe­ rioden betreffen, als Prämienüberträge passiviert werden. Die Veränderung der Prämienüberträge ergibt sich als Saldo aus aufgelösten Prämienüberträgen aus dem Vorjahr und neugebildeten Prämienüberträgen an das Folgejahr.20 Die Bewertung der Prämienüberträge bestimmt dementsprechend den Ertragsausweis in der Erfolgs­ rechnung von Versicherungsuntemehmen. Für die Bewertung der Prämienüberträge ist die Aufteilung der Leistung auf die verschiedenen Rechnungsperioden von gro­ ßer Bedeutung. Da als Leistung des Versicherungsuntemehmens die Bereitstellung von Versiche­ rungsschutz definiert wurde, könnte eine zeitproportionale Abgrenzung21 als adä­ quat angesehen werden.22 Die Beitragseinnahmen sind nach diesem Prinzip zeitan­ teilig auf die Perioden zu verteilen, d.h. im Verhältnis, in dem die Vertragsdauer auf die einzelnen Perioden entfällt.23 Bei diesem Prinzip wird der auf die Folgeperioden zu übertragende Prämienanteil (Prämienübertrag) taggenau oder sogar halbtäglich exakt berechnet, indem die Prämieneinnahmen durch die Gesamtvertragslaufzeit dividiert und mit der Anzahl der Tage bzw. halben Tage, die Folgeperioden betref­ fen, multipliziert werden.24 Es werden auch Schätzverfahren angewendet, wie z.B. das Pauschalsystem, das bei weitgehend gleichmäßiger Verteilung der Prämienfäl­ ligkeiten innerhalb eines Jahres anwendbar ist. Nach diesem werden pauschal 50 % der Prämieneinnahmen auf die Folgeperiode übertragen.25 Diese Schätzverfahren finden wegen der Leistungsfähigkeit heutiger EDV-Anlagen allerdings kaum noch Anwendung.26

Für eine zeitproportionale Abgrenzung spricht auch die Vorschrift für die Ertrags­ erfassung für zeitraumbezogene Leistungen in IAS 18.25. Danach gilt, daß aus Praktikabilitätsgründen von einer linearen Ertragserfassung innerhalb eines be­ stimmten Zeitraums ausgegangen werden kann, wenn Dienstleistungen durch eine unbestimmte Zahl von Teilleistungen über einen bestimmten Zeitraum erbracht wer­ den. Diese Vorschrift gilt für zeitraumbezogene Leistungen generell, wie z.B. für Miet- oder Zinserträge. Fraglich ist, ob dies auch für die Erfassung der Prämiener­ träge anwendbar ist. Denn die Zeitraumbezogenheit der Leistung des Versiche-

20 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 146; Morgan, J., Earned and Unearned Premiums, 1994, S. 5-3. 21 In der Literatur ist anstelle von Abgrenzung auch von Periodisierung die Rede. Vgl. Engeländer, F., Erfolgs­ ermittlung, 1998, S. 51; Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 172. 22 Vgl. Mooney, S./Cohen, L./Shuster, A., Accounting, 1995, S. 22. 23 Vgl. Kromschröder, B., Besonderheiten, 1994, S. 777. 24 Vgl. zu einer Übersicht über die verschiedenen Verfahren der zeitproportionalen Ermittlung der Prämienüber­ träge Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 115, und Geib, G./Horbach, L., Besonderheiten der Rechnungslegung, 1991, S. 486-489, Tz. 46-57. 25 Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb II, 1997, S. 24; Richter, H., Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 635. 26 Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 48.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

113

rungsuntemehmens bedeutet nicht automatisch, daß die Zuordnung auch zeitpropor­ tional zu erfolgen hat. Eine rein zeitproportionale Zuordnung ist nur dann gerecht­ fertigt, wenn der Versicherer nicht von vornherein mit Schwankungen im Schaden­ verlauf rechnen muß.

Die Leistungs Verpflichtung des Versicherers spiegelt sich in der Entwicklung der Schäden im Zeitablauf wider. Sind die Schäden zeitlich unregelmäßig verteilt, etwa wegen saisonaler Bedingungen, so kann nicht von einer zeitproportionalen Leis­ tungserbringung ausgegangen werden. Der Versicherer muß in diesem Fall von vornherein damit rechnen, während der Vertragslaufzeit entsprechend den Schwan­ kungen im Schadenverlauf unterschiedlich in Anspruch genommen zu werden.27 Zu unterscheiden sind saisonale, systematische Schadenschwankungen, die auf witte­ rungsbedingte oder sonstige Ereignisse zurückzufuhren sind, und rein zufällige Schwankungen im Schadenverlauf. Letztere sind nicht annähernd exakt vorherseh­ bar und können im Rahmen der Prämienabgrenzung deshalb nicht angemessen be­ rücksichtigt werden. Nur systematische Schadenschwankungen, die wiederholt auf­ treten und deshalb vorhersehbar sind, können im Rahmen der Abgrenzung der Prä­ mien berücksichtigt werden.28 Für eine leistungsproportionale Abgrenzung der Prämienerträge sprechen die Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung, die zum Ziel hat, Erträge und Aufwendungen den verschiedenen Perioden möglichst sachgerecht zuzuordnen, und die Grundsätze der glaubwürdigen Darstellung und der Zuverlässigkeit im Sinne einer Freiheit von materiellen Fehlern und Verzerrungen.29 Die leistungsproportio­ nale Abgrenzung entspricht bei systematischen Schadenschwankungen eher den tat­ sächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen als die zeitproportionale Abgrenzung.30 Dagegen hat die zeitproportionale Abgrenzung den Vorteil, einfach anwendbar und willkürfrei zu sein.31 Den Grundsätzen Verständlichkeit, Willkürfreiheit und Ver­ gleichbarkeit zufolge ist eine rein zeitproportionale Abgrenzung vorzuziehen, bei der systematische Schwankungen im Schadenverlauf nicht berücksichtigt werden. Denn die Ermittlung saisonaler Schwankungen im Schadenverlauf ist kaum inter­ subjektiv nachprüfbar und kann zu großen Ermessensspielräumen fuhren.32 Es ist außerdem nicht unproblematisch, die leistungsproportionale Abgrenzung durchzu­ führen, wenn der Schadenverlauf im Zeitablauf Schwankungen unterworfen ist, die

27 Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 34. 28 Vgl. Jäger-von Ehrenstein, B., Beitragsüberträge, 1996, S. 466. 29 Die leistungsproportionale Abgrenzung besitzt in der - deutschen - Jahresabschlußpraxis nur eine geringe Be­ deutung. Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 19998, S. 51, Fn. 37. 30 Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 175, der die Meinung vertritt, daß die Schwankungen von Aufwandsgrößen bei der Abgrenzung der Einnahmen zwingend zu berücksichtigen sind. 31 So auch Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 171. 32 Den Vorteil der Willkürfreiheit konstatiert auch Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 171.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

114

nicht systematisch sind bzw. regelmäßig wiederkehren.33 Eine leistungsproportio­ nale Abgrenzung weist zudem eine Scheingenauigkeit auf, weil sie ebensowenig wie eine zeitproportionale Abgrenzung zu einer theoretisch einwandfreien Gewinnreali­ sierung fuhrt. Problematisch bezüglich der Vergleichbarkeit von Rechnungsle­ gungsinformationen ist auch die Tatsache, daß für externe Leser nicht zu erkennen ist, ob unterschiedlich hohe Prämienerträge auf unterschiedliche Absatzerfolge des Versicherungsuntemehmens oder auf eine leistungsproportionale Abgrenzung der Einnahmen zurückzufuhren sind. Eine zeitproportionale Abgrenzung ist also, insbe­ sondere um die Verständlichkeit, Vergleichbarkeit und Willkürfreiheit der Informa­ tionen zu gewährleisten, grundsätzlich vorzuziehen.34 Ausnahmen sollten nur dann zulässig sein, wenn eine intersubjektive Nachprüfbarkeit der Schwankungen des Schadenverlaufs gegeben ist, z.B. bei objektiv steigendem Risiko wie bei der Bau­ leistungsversicherung.35

3.2.3

Berücksichtigung der Spar- und Entspargeschäfte

3.2.3.1

Spar- und Entspargeschäfte in der Schaden- und Unfallversicherung

Wie bereits erwähnt, ist die Produktion von Versicherungsschutz häufig mit Sparund Entspargeschäften verbunden. Ein Spargeschäft liegt vor, wenn der Versiche­ rungsnehmer Sparbeträge an den Versicherer zahlt und dieser sich verpflichtet, das daraus gebildete Kapital zu verzinsen und zu bestimmten Zeitpunkten oder unter anders definierten Voraussetzungen an den Versicherungsnehmer auszuzahlen. Ein Entspargeschäft hegt vor, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer Kapital überläßt, welches einschließlich der Zinseszinsen planmäßig in Form von Renten­ zahlungen während eines bestimmten oder unbestimmten Zeitraums verzehrt wird. Ein typisches Beispiel für ein Spargeschäft ist die gemischte Kapitallebensversicherung mit laufender Prämienzahlung. Der Versicherungsnehmer zahlt als Teil der Ge­ samtprämie Sparbeträge ein, die der Versicherer verzinslich ansammelt und bei Ablauf der Versicherung als planmäßigen Endwert des Sparkapitals (Versicherungs­ summe) oder beim vorzeitigen Tod des Versicherten mit dem dann erreichten Kapi­ talbetrag auszahlt; im zuletzt genannten Fall wird über das Risikogeschäft der er­ reichte Kapitalbetrag um das „risikierte Kapital“ zur Versicherungssumme aufge­ füllt. Die gemischte Kapitallebensversicherung läßt sich als planmäßiger Sparprozeß mit versicherungsmäßiger Absicherung des noch nicht erreichten Sparziels verste­ hen.36 Ein typischer Fall für ein Entspargeschäft ist die Leibrentenversicherung ge­ gen Einmalprämie. Dabei zahlt der Versicherungsnehmer die Gesamtprämie auf

33 34 35 36

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Brands, H„ Periodische Schadenschwankungen, 1979, S. 97. Brands, H., Periodische Schadenschwankungen, 1979, S. 98. dazu Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 137; Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 197, Anm. 557. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 41.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

115

einmal ein und der Versicherer verpflichtet sich im Gegenzug, dem Versicherungs­ nehmer bis zu dessen Ableben eine Rente zu zahlen. Im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung ist das Spargeschäft auf einige be­ sondere Fälle, wie z.B. die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr, beschränkt. Die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr unterscheidet sich von der Unfall­ versicherung ohne Prämienrückgewähr dadurch, daß die eingezahlten Prämien - in Abhängigkeit von vom Versicherer geleisteten Entschädigungen, meist bei Entschä­ digungsfreiheit, - bei Erreichen eines bestimmten Alters oder dem Tod des Versi­ cherten zurückerstattet werden.37 Die Kalkulation der Prämie erfolgt zunächst wie bei der entsprechenden Unfallversicherung ohne Prämienrückgewähr; anschließend wird die Prämie mit einem bestimmten Faktor vervielfacht, der vom Alter des Versi­ cherten beim Beginn der Versicherung und von der vorgesehenen Dauer des Ver­ trags abhängig ist.38 Wegen des integrierten Sparprozesses stellt die Unfallversiche­ rung mit Prämienrückgewähr eine Kombination aus Unfallversicherung und Lebens­ versicherung dar. Weitere Beispiele für Versicherungsgeschäfte nach Art der Le­ bensversicherung in der Schaden- und Unfallversicherung sind die lebenslängliche Hausratversicherung,39 die lebenslängliche Verkehrsmittel-Unfallversicherung40 und weitere kleinere Sachversicherungen, in denen außer dem Ersatz von Schäden nach Ablauf bestimmter Zeiträume feste Kapitalbeträge gewährt werden, wie z.B. die FernsehgeräteVersicherung mit Anschaffungsbeihilfe.41

In diesen Fällen sind Risikogeschäft und Spar-/Entspargeschäft miteinander kombi­ niert.42 Rein theoretisch kann ein solcher Versicherungsvertrag in ein Risiko(Dienstleistungs-) und ein Spar-/Entspargeschäft zerlegt werden.43 Ein Teil der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie wird als verzinsliches Sparguthaben be­ trachtet, dessen Auszahlung von genau definierten Ereignissen abhängig ist. Der restliche Teil der Prämie entfällt auf die Absicherung der jeweiligen Risiken. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Realaussagen über faktische Trennungen, sondern um Erklärungsmuster mit beschränkter Anwendbarkeit.44 Eine faktische Trennung ist wegen der engen Verbindung von Risiko- und Spargeschäft schwierig. Aus ver­ sicherungsmathematischer Sicht wird die Prämie als einheitliches Entgelt fiir zufälli­ ge Zahlungen behandelt.45

37 Vgl. Riebeseil, H., Unfallversicherung, 1991, S. 611. 38 Vgl. von Fürstenwerth, F./Weiß, A., Versicherungsalphabet, 1997, S. 508; Riebeseil, H., Unfallversicherung und AUB, 1991, S. 90 ff. 39 Vgl. Geib, G./Horbach, L., Besonderheiten der Rechnungslegung, 1991, S. 492, Tz. 78. 40 Vgl. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 289. 41 In der älteren Literatur werden solche Versicherungsprodukte als Sachlebensversicherung bezeichnet. Vgl. dazu Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 41, Fn. 41. 42 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 61. 43 Vgl. Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 127. 44 Vgl. Karten, W., Ökonomische Grundlagen, 1998, S. 51. 45 Vgl. Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 128.

116

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3.2.3.2

Erfolgsneutrale oder erfolgswirksame Erfassung der Spar- und Ent­ spargeschäfte?

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeiten, den Sparanteil erfolgsneutral zu verbuchen und nur den Risikoanteil als Ertrag zu erfassen oder den Risiko- und Sparanteil zu­ sammen als Ertrag zu behandeln. Letztere Möglichkeit ist nicht nur nach deutscher Rechnungslegungstradition, sondern auch international üblich.46 Die in der Erfolgs­ rechnung ausgewiesenen Prämien enthalten in diesem Fall nicht nur die Gegenleis­ tung für bezogenen Versicherungsschutz, sondern auch die Sparanteile.47 Nach der Grundannahme der periodengerechten Erfolgsermittlung ist der Jahres­ abschluß eine Aufwands- und Ertragsrechnung. Ausschlaggebend für die Erfassung des Sparanteils in der Erfolgsrechnung ist deshalb die Frage, ob dieser mit dem Ri­ sikoanteil zusammen als Ertrag (income) zu erfassen ist. Stellt der Sparanteil keinen Ertrag dar, würden die Einnahmen aus dem Sparanteil zur Erfassung einer liability fuhren. Für den Ausweis als liability spricht die Tatsache, daß die Sparanteile recht­ lich und wirtschaftlich eine Art Bankguthaben darstellen, das keinen Einfluß auf die Wertschöpfung (den Nutzenzuwachs) im Versicherungsuntemehmen hat, weil das Versicherungsuntemehmen verpflichtet ist, die Einnahmen wieder zurückzuzahlen.48 Voraussetzung dafür ist, daß eine Trennung der Prämie in einen Risikoanteil und einen Sparanteil überhaupt möglich ist.49

Kann davon ausgegangen werden, daß eine solche Trennung zwar gedanklich, aber nicht praktisch möglich ist, dann muß der Sparanteil als untrennbarer Bestandteil der Prämie betrachtet werden. Eine Erfassung der Gesamtprämie als Ertrag setzt voraus, daß eine Zunahme des wirtschaftlichen Nutzens in der Berichtsperiode vorliegt (F. 70 a). Nach IAS 18.1 kann die Zunahme des wirtschaftlichen Nutzens z.B. durch die Erbringung einer Dienstleistung entstehen. Als Dienstleistung wird die Ausfüh­ rung vertraglich vereinbarter Aufgaben über einen bestimmten Zeitraum durch das Unternehmen verstanden (IAS 18.4), wie z.B. die Übernahme von versicherungs­ technischem Risiko. Jetzt ist die Frage zu klären, ob eine Prämie, die vorwiegend aus einem Sparanteil besteht, eine Vergütung für die Übernahme versicherungstech­ nischen Risikos enthält. Ein versicherungstechnisches Risiko resultiert daraus, daß die Höhe und der Zeitpunkt von Entschädigungsleistungen von stochastitschen Grö­ ßen, wie Höhe und Anzahl der Schäden sowie Zeitpunkt des Schadeneintritts, ab­ 46 Vgl. Haudenschild, P., Erfolgsrechnung des Lebensversicherers, 1991, S. 108. 47 Vgl. Angerer, A., Rechnungslegung und Prüfung der Versicherungsunternehmen, 1989, S. 30, Tz. 65; Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkungen, 1977, S. 510. 48 Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 65. Vgl. dazu auch Haudenschild, P., Erfolgsrechnung des Lebensversicherers, 1991, S. 101 - 106, der die Parallelen zwischen den Buchungen in der Bankbilanz und der Versicherungsbilanz anhand von Beispielen aufzeigt. 49 Eine solche Trennung wird kritisch gesehen. Vgl. Hesberg, D., Zweckmäßigkeit der Vertragsaufspaltung, 1998, S. 130 ff; Karten, W., ökonomische Grundlagen, 1998, S. 48 ff. Für eine Trennung von Risiko- und Sparanteil sprechen sich z.B. Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 130, und Haudenschild, P., Erfolgsrechnung des Lebensversicherers, 1991, S. 109 aus.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

117

hängen. Es ist vorhanden, sofern entweder die Höhe oder der Zeitpunkt (oder bei­ des) der Zahlung des Versicherers direkt von der Höhe des versicherten Schadens und dessen Eintrittszeitpunkt abhängt.50 Nach der Art der Abweichung werden die Komponenten Timing- und Underwriting-Risiko unterschieden. Das Timing-Risiko besteht in der Gefahr, daß die Schadenzahlungen schneller als erwartet zu leisten sind, das Underwriting-Risiko in der Gefahr, daß die tatsächlichen Schadenzahlun­ gen die kalkulierten Schadenzahlungen übersteigen.51 Das Vorliegen von versiche­ rungstechnischem Risiko ist zu bejahen, denn die Rückerstattung des Sparanteils hängt auch vom Eintrittszeitpunkt der Schäden ab. Sparanteile bei der Unfallversi­ cherung mit Prämienrückgewähr werden z.B. bei Tod des Versicherten vorzeitig zurückerstattet. Hier liegt die Gefahr vor, daß die Schadenzahlungen schneller als erwartet zu leisten sind. Im Ergebnis sollte die gesamte Prämie inklusive rückzu­ zahlender Sparanteile als Ertrag erfaßt werden.

Für eine solche Erfassung des Sparanteils in der Erfolgsrechnung von Versiche­ rungsuntemehmen spricht auch der Grundsatz der Vergleichbarkeit. Dieses beson­ ders wichtige Merkmal nützlicher Informationen besagt, daß eine zwischenbetriebli­ che Vergleichbarkeit und eine Vergleichbarkeit über die Zeit gegeben sein sollten. Da es in Deutschland, in den USA und auch sonst international üblich ist, die Spar­ anteile als Erträge zu behandeln, wäre eine Vergleichbarkeit eines IAS-Abschlusses mit US-GAAP-Abschlüssen, zumindest was die Prämienerträge betrifft, nicht mehr gegeben.52 Andererseits werden die Sparvorgänge bei Bankgeschäften erfolgsneut­ ral behandelt, so daß die Vergleichbarkeit von Versicherungs- und Bankabschlüssen nicht gewährleistet ist.53 Insgesamt sprechen die meisten Argumente für einen er­ folgswirksamen Ausweis der Sparbeiträge in der Erfolgsrechnung.54

3.2.4

Prämienkorrekturen

3.2.4.1

Überblick

Die Prämienerträge sind um Aufwendungen für die Rückerstattung von Prämien bei Verminderung oder Fortfall des versicherungstechnischen Risikos durch außer­ ordentliche Kündigung des Vertrages zu korrigieren.55 Beispiele hierfür sind in der Schaden- und Unfallversicherung die Kündigung des Versicherungsnehmers bei Ri­

50 Vgl. dazu die Definition des versicherungstechnischen Risikos nach dem vorläufigen Diskussionspapier (Issues Paper) zum IAS „Insurance“, Scope no. 25. 51 In Deutschland ist eine Unterteilung in Zufalls-, Änderungs- und Irrtumsrisiko üblich, vgl. Farny, D., Versi­ cherungsbetriebslehre, 1995, S. 72 - 81. Eine Einteilung in Timing- und Underwriting-Risiko ist in der eng­ lischsprachigen Literatur üblich, vgl. dazu Bunner, B., Financial reinsurance, 1995, S. 115. 52 Vgl. KPMG, US-GAAP - An overview for European Insurers, 1998, S. 52 ff. 53 Vgl. Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkungen, 1977, S. 510. 54 Vgl. zur Behandlung von Spar-(bzw. Finanzierungs-)Anteilen im Rahmen von Financial ReinsuranceVerträgen auch Abschnitt 3.6.3.2.2. 55 Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 48.

118

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

siko- oder Wagniswegfall (z.B. Zerstörung, Abhandenkommen oder Verkauf der versicherten Sache, Haushaltsauflösung oder Geschäftsaufgabe), der Tod des Versi­ cherungsnehmers oder die Kündigung nach einem Versicherungsfall.56 Diese Auf­ wendungen für die Rückerstattung von bereits realisierten Prämienerträgen können im Rahmen einer Rückstellung, der Stomorückstellung, erfaßt werden und fuhren entweder zu einer Verminderung der Prämienerträge oder sind als gesonderter Auf­ wand zu erfassen. 3.2.4.2

Erfassung von Prämienkorrekturen in der Stomorückstellung

Mit einer Stomorückstellung soll nicht das allgemeine Zahlungsausfallrisiko beim Versicherungsnehmer berücksichtigt werden, sondern das Risiko einer außerordent­ lichen Kündigung des Vertrages.57 Die Stomorückstellung steht in keinem Zusam­ menhang zu den eingetretenen oder eintretenden Schadenfällen, sondern stellt eine anteilige Rückerstattung von im Geschäftsjahr eingenommenen Prämien dar, die wegen des vorzeitigen Risikofortfalls dem Versicherungsnehmer zurückzugewähren sind. In der Stomorückstellung werden ausschließlich auf das Geschäftsjahr entfallende Prämienanteile erfaßt. Prämienanteile, die auf die Zeit nach dem Bilanzstichtag ent­ fallen, werden bereits bei den Prämienüberträgen berücksichtigt.58 Um als Aufwen­ dungen in der Erfolgsrechnung nach IAS berücksichtigt werden zu können, muß ge­ prüft werden, ob die Stomorückstellung eine liability im Sinne des Framework zu den IAS darstellt. Wie bereits erwähnt, ist eine liability eine gegenwärtige Ver­ pflichtung des Unternehmens aus vergangenen Ereignissen, von deren Erfüllung er­ wartet wird, daß aus dem Unternehmen Ressourcen abfließen, die wirtschaftlichen Nutzen verkörpern (F. 49 b). Die Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens, dem Versicherungsnehmer die anteiligen Prämieneinnahmen zurückzuerstatten, ent­ steht zu dem Zeitpunkt, zu dem der Risikofortfall wirtschaftlich verursacht wurde. Dies ist z.B. der Zeitpunkt der Zerstörung oder des Verkaufs der versicherten Sa­ che. Vom Bilanzstichtag aus gesehen ist dies ein vergangenes Ereignis. Aus der Er­ füllung der gegenwärtigen Verpflichtung, die Prämieneinnahmen zurückzuerstatten, wird ein Abfluß von Ressourcen erwartet, weil in der Folgeperiode die Rückzahlung zuviel entrichteter Prämien zu erfolgen hat. Eine liability liegt deshalb vor.59 Was den Zeitpunkt der Erfassung betrifft, so sollte die Stomorückstellung dann erfaßt werden, wenn eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Prämien wahrscheinlich ist. Die Höhe der Stomorückstellung sollte sich an den Erfahrungen der Vergangenheit

56 57 58 59

Vgl. Geib, G./Horbach, L., Besonderheiten der Rechnungslegung, 1991, S. 544, Tz. 302. Vgl. Donandt, K./Richter, H., Posten, 1989, S. 246, Tz. 233. Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 48 f. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 193, kommt zum materiell gleichen Ergebnis, daß die Erfassung einer Stomorückstellung aus der Sicht der Informationsfunktion zu begrüßen ist, weil so eine sachlich richtige Zurechnung der Erträge zu den Aufwendungen erreicht wird.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

119

orientieren, z.B. an den Geschäftsjahresstomierungen des Vorjahres (oder der Vor­ jahre) im Verhältnis zu den gesamten Prämieneinnahmen des Vorjahres (oder der Vorjahre).60

Für die Erfassung der Stomorückstellung in der Erfolgsrechnung gibt es, wie auch bei den Prämienüberträgen, zwei Möglichkeiten: eine Kürzung der Prämienerträge oder ein gesonderter Ausweis der Aufwendungen für die Stomorückstellung. Da es Aufgabe der Stomorückstellung ist, bereits als Erträge verbuchte Prämieneinnahmen für künftige Auszahlungen zu reservieren, um der verminderten Leistungspflicht eine in gleichem Umfang reduzierte Gegenleistung des Versicherungsnehmers gegen­ überzustellen, sind Aufwendungen für die Stomorückstellung als Korrekturposten zu den Prämienerträgen zu verstehen.61 Im Geschäftsjahr nicht verdiente Prämienerträ­ ge werden auf diese Weise neutralisiert.62 Aus diesem Grund erscheint es sachge­ recht, für die Erfassung der Stomorückstellung in der Erfolgsrechnung eine Kürzung der Prämienerträge vorzunehmen.

3.3

Schadenaufwendungen

3.3.1

Überblick

Schadenausgaben hängen eng mit den Prämieneinnahmen zusammen. Sie werden zum Zweck der Erzielung von Prämieneinnahmen in Kauf genommen.63 Die vom Versicherungsuntemehmen an die Versicherungsnehmer oder Dritte transferierten Zahlungen für fällig gewordene Leistungen bei Eintritt versicherter Ereignisse stel­ len den konkretisierenden Kem der grundsätzlich abstrakten Dienstleistung „Bereit­ stellung von Versicherungsschutz“ dar.64 Schadenausgaben stellen den Hauptteil der Gesamtausgaben der Versicherungsuntemehmen dar und bilden den Verzehr des Produktionsfaktors Geld für Versicherungsleistungen ab.65 Daher haben sie erhebli­ che Bedeutung für die Erfolgsermittlung von Versicherungsuntemehmen.66

Schadenausgaben sind im Sinne einer periodengerechten Erfolgsermittlung dem Ge­ schäftsjahr ihrer Verursachung erfolgsmindemd zuzuordnen. Die Schadenaufwen­ dungen für Geschäftsjahresschäden umfassen dabei die: 1. Schadenaufwendungen für Versicherungsfälle der Periode, die gemeldet und voll­ ständig oder teilweise reguliert, für die also entsprechende Versicherungsleistun­

60 61 62 63 64 65 66

Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 54. Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 193. Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 69. Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 41. Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb II, 1997, S. 29. Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 79. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 150.

120

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

gen ausbezahlt wurden (= Schadenausgaben im Geschäftsjahr für Geschäftsjah­ resschäden). 2. Schadenaufwendungen fiir Versicherungsfälle der Periode, die gemeldet, aber noch nicht oder nicht vollständig reguliert wurden, so daß die entsprechenden Versicherungsleistungen noch nicht ausbezahlt wurden (= Zuführung zur Schadenrückstellung für gemeldete Geschäftsjahresschäden). 3. Schadenaufwendungen für Versicherungsfälle der Periode, die noch nicht gemel­ det, jedoch in der Periode eingetreten sind bzw. verursacht wurden (= Zuführung zur Spätschadenrückstellung).67

Die Schadenaufwendungen für Geschäftsjahresschäden setzen sich aus den Scha­ denausgaben für Geschäftsjahresschäden im Geschäftsjahr und den Zuführungen zur Schadenrückstellung fiir gemeldete Geschäftsjahresschäden bzw. zur Spätschadenrückstellung zusammen.68

Ergibt sich aufgrund falscher Schätzungen über die notwendige Höhe der Schaden­ rückstellung eine Differenz zwischen der am Ende des Voijahres gebildeten Scha­ denrückstellung und der im Geschäftsjahr für Voijahresschäden gezahlten und wei­ ter zurückgestellten Beträge, so ist diese als Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung bezeichnete Differenz in der Erfolgsrechnung zu berücksichtigen. Durch eine Berücksichtigung des Ergebnisses der Abwicklung der Schadenrück­ stellung ist die Höhe der tatsächlichen Schadenaufwendungen eines Geschäftsjahres erkennbar.69 Diese ergeben sich aus den Schadenaufwendungen für Geschäftsjah­ resschäden verrechnet mit dem Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung.

Die im Anschluß diskutierte Problematik der Abgrenzung der Schadenaufwendun­ gen besteht insbesondere aus der Ermittlung verursachungsgerechter Zurechnungs­ regeln für die Schadenausgaben zu den einzelnen Geschäftsjahren. Hierzu wird Rückgriff auf verschiedene Theorien zum Zeitpunkt der Verursachung bzw. des Eintritts des Versicherungsfalls genommen. Diese Theorien werden aus der Sicht der Informationsfunktion der Rechnungslegung auf ihre Eignung für die Abgrenzung der Schäden analysiert. Danach wird die Frage nach der Höhe der Schadenrückstellung und der Spätscha­ denrückstellung im Hinblick auf die Bewertung der einzelnen Bestandteile der Rückstellung, wie z.B. die Berücksichtigung von Schadenregulierungsaufwendun­ gen und künftigen Lohn- und Preissteigerungen, und die Diskontierung der Schaden­ rückstellung diskutiert. Abschließend wird das Ergebnis der Abwicklung der Scha­ denrückstellung des Voijahres behandelt.

67 Die für Spätschäden gebildeten Rückstellungen werden auch IBNR-Reserven (incurred but not reported) ge­ nannt. 68 Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb II, 1997, S. 30. 69 Zum Abwicklungsergebnis vgl. Schartmann, B., Schadencontrolling, 1994, S. 225.

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3.3.2

Abgrenzung der Schadenausgaben

3.3.2.1

Zeitpunkt der Erfassung von Aufwendungen nach IAS

121

Nach dem Framework zu den IAS werden Aufwendungen in der Erfolgsrechnung zu dem Zeitpunkt erfaßt, zu dem es zu einer Abnahme des künftigen wirtschaftlichen Nutzens in Verbindung mit einer Abnahme bei einem Vermögenswert oder einer Zunahme bei einer Schuld gekommen ist, die verläßlich ermittelt werden kann (F. 94). Dies bedeutet, daß Aufwendungen gleichzeitig mit einer Zunahme von Schul­ den bzw. einer Abnahme von Vermögenswerten entstehen.

Schadenaufwendungen sind zu dem Zeitpunkt in der Erfolgsrechnung zu erfassen, in dem es zu einer Zunahme von Schulden oder einer Abnahme von Vermögenswerten kommt. Eine Schuld wird in der Bilanz erfaßt, wenn es wahrscheinlich ist, daß sich aus der Erfüllung einer gegenwärtigen Verpflichtung ein direkter Abfluß von Res­ sourcen ergibt, die wirtschaftlichen Nutzen enthalten, und der Erfüllungsbetrag ver­ läßlich ermittelt werden kann (F. 91). Es ist also festzuhalten, daß Aufwendungen und somit eine Schuld - zu dem Zeitpunkt in der Erfolgsrechnung zu erfassen sind, in dem sich wegen des Entstehens einer gegenwärtigen Verpflichtung wahrschein­ lich ein künftiger Abfluß von Ressourcen ergibt. Fraglich ist nun, welcher Zeitpunkt dies genau ist. Denn daraus ergibt sich die Periodenzuordnung der Schadenausga­ ben. Das wesentliche Merkmal einer Schuld ist das Bestehen einer gegenwärtigen Ver­ pflichtung für das Versicherungsuntemehmen. Diese Pflicht oder Verantwortung, in bestimmter Weise zu handeln oder eine Leistung zu erbringen, kann Folge eines bindenden Vertrages oder einer gesetzlichen Vorschrift sein (F. 60). Der Versiche­ rungsvertrag, als Grundlage der Verpflichtung des Versicherungsnehmers, die Prä­ mien an das Versicherungsuntemehmen zu zahlen, ist gleichzeitig die Grundlage der Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens, dem Versicherungsnehmer Versi­ cherungsschutz für den vertraglich festgelegten Zeitraum zu gewähren. Die Frage lautet also: Zu welchem Zeitpunkt entsteht die Verpflichtung des Versicherungsun­ temehmens, auf der die künftigen Schadenauszahlungen beruhen? 3.3.2.2

Periodenzuordnung der Versicherungsfälle

3.3.2.2.1 Überblick Der Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung der Verpflichtung für das Versicherungs­ untemehmen ist der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Ein Versiche­ rungsfall wird als Ursachensystem, das einen Schaden und die Leistungspflicht des

122

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Versicherers auszulösen vermag bzw. auslöst, definiert.70 Ein Schaden ist die Folge eines eingetretenen Versicherungsfalls, der sich durch Zustandsveränderungen von versicherten Sachen oder Personen bzw. durch andere als Schaden geltende Sach­ verhalte (z.B. Haftpflichtansprüche) äußert. Schäden können auch als bewertete Er­ eignisfolgen, die eine Einbuße gegenüber einer vorgegebenen, ungestörten Wohl­ fahrtssituation darstellen, bezeichnet werden.71

Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein Versicherungsfall eintritt, ist von den Bedingungen des jeweiligen Versicherungsvertrages abhängig.72 Der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung des Versicherungsfalls kann von dem juristischen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abweichen. Im fol­ genden soll geklärt werden, ob Verpflichtungen zum Zeitpunkt der Verursachung oder zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls zu passivieren sind. An­ schließend soll dieser Zeitpunkt konkretisiert werden. 3.3.2.2.2 Theorien zum Zeitpunkt der Verursachung eines Versicherungsfalls

Verpflichtungen sollten nicht erst zum Zeitpunkt ihrer rechtlichen Entstehung (Ein­ tritt des Versicherungsfalls), sondern bereits zum Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung passiviert werden.73 Eine vollständige Erfassung aller Verpflichtun­ gen des Versicherungsuntemehmens ist nur dann erreichbar, wenn nicht nur bereits rechtlich eingetretene, sondern auch wirtschaftlich verursachte Schäden erfaßt wer­ den.74 Die Frage nach dem Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls ist in verschiedenen Versicherungszweigen von unterschiedlich hoher Relevanz. In der Feuerversicherung z.B. ist sie nicht so bedeutend, weil das auslösende Ereignis (z.B. Brennenlassen einer Zigarette) und der Schadeneintritt (z.B. Wohnungsbrand) zeit­ lich meist nicht weit auseinanderliegen und sich deshalb höchstens die Frage erge­ ben kann, ob die Schadenaufwendungen der einen oder der folgenden Periode zuzu­ ordnen sind. Anders sieht das bei Risikodeckungen wie der Haftpflichtversicherung aus (z.B. Produkt- und Umwelthaftpflicht, Vermögensschadenhaftpflicht).75 Die Haftpflichtversicherung ist ein Versicherungszweig, in der eine nicht unerhebliche Zahl von Schadenfällen erst im Folgejahr oder sogar mehrere Jahre oder Jahrzehnte

70 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 327. Nach § 1 Abs. 1 WG ist der Versicherer verpflich­ tet, nach Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsnehmer den dadurch verursachten Vermögensscha­ den zu ersetzen oder die sonst vereinbarte Leistung zu bewirken. 71 Vgl. Karten, W., Schaden, 1988, S. 736. 72 Zu den Muster-Versicherungsbedingungen in den einzelnen Versicherungszweigen vgl. Prölls, J./Martin, A., Versicherungsvertragsgesetz, 1998, S. 951 ff. 73 Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 178. 74 Vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 102, Anm. 250; Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 179. 75 Vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 305, Anm. 985; Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb n, 1997, S. 33.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

123

nach deren Verursachung oder auch nach deren Eintritt gemeldet wird.76 So kann eine fehlerhafte Berechnung der Statik erst nach Jahren zu Schäden am Gebäude fuhren. Oder ein über einen längeren Zeitraum für unbedenklich gehaltenes Produkt wird plötzlich als Ursache für Krebs erkannt.

Im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Verursachung bzw. des Eintritts des Ver­ sicherungsfalls werden verschiedene Theorien diskutiert. Grundsätzlich kann dabei zwischen Theorien, die auf den Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls abstellen,77 und solchen, die auf den Zeitpunkt der Benachrichtigung des Versiche­ rungsuntemehmens durch den Versicherungsnehmer abstellen, unterschieden wer­ den.

Theorien, die auf die Verursachung des Versicherungsfalls abstellen: • Verstoß-Theorie: Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls.78 In diesem Fall wird bereits der Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht, der erst im weiteren zeitlichen Verlauf zu einem Schaden fuhrt, als Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls definiert.79

• Schadenereignis-Theorie: Maßgeblich ist nicht die konkrete Schadenursache, sondern das Schadenanfallsdatum, also das äußere Ereignis, das den Personen­ oder Sachschaden unmittelbar ausgelöst hat.80 Dies ist der Zeitpunkt, an dem der wirtschaftliche Schaden als quasi letztes Glied einer Kausalkette realisiert wird.81 • Manifestations-Theorie: Maßgeblich ist der Zeitpunkt, an dem die Schädigung eines Dritten, bedingt durch ein Schadenereignis, diagnostiziert oder festgestellt wird.82 • Theorie vom gedehnten Versicherungsfall: Maßgeblich ist der gesamte Zeitraum, in dem eine Person oder Sache einer allmählichen Einwirkung ausgesetzt ist (Zeitraum des Gefahrverwirklichungsgeschehens). Sowohl dessen Beginn als auch dessen Ende, die zeitlich weit auseinanderliegen können, sind Bestandteile des Versicherungsfalls.83

76 77 78 79 80

Vgl. Schmidt-Salzer, J., IBNR, 1984, S. 26. Im angloamerikanischen Sprachraum werden diese als „occurrence“-Theorien bezeichnet. Vgl. Hohlbein, B., Schadenereignis, 1996, S. 691. Vgl. Heynckes, H., Schadenrückstellungen, 1996, S. 19. Vergleichbar sind die injury-in-fact-Theorie und die manifestation-Theorie, die auf den Zeitpunkt abstellen, in dem die Verletzung oder der Schaden tatsächlich auftritt bzw. auftreten, vgl. Hohlbein, B., Schadenereignis, 1996, S. 691. 81 Vgl. Molnar, H., Schadenrückstellungen, 1986, S. 116. 82 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 327. 83 Vgl. Molnar, H., Schadenrückstellungen, 1986, S. 114, im angloamerikanischen Sprachraum als exposureTheorie bezeichnet.

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Theorie, die auf den Zeitpunkt der Benachrichtigung abstellt:84

• Anspruchserhebungs-Theorie: Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Anspruchserhe­ bung oder der Benachrichtigung durch den Versicherungsnehmer. Dabei kann auf die schriftliche oder mündliche Benachrichtigung abgestellt werden. Der Zeit­ punkt der Verursachung oder Realisierung des Schadens ist unerheblich.85 3.3.2.2.3 Beurteilung der Theorien aus der Sicht der Informationsfunktion der Rechnungslegung

Im folgenden ist zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt Schadenaufwendungen in der Erfolgsrechnung zu erfassen sind. Wie bereits erwähnt, wird eine Schuld dann in der Bilanz erfaßt und führt gleichzeitig zu Aufwendungen in der Erfolgsrechnung, wenn einerseits eine gegenwärtige Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens vorliegt und es andererseits wahrscheinlich ist, daß sich daraus künftig ein Abfluß von wirt­ schaftlichen Ressourcen ergibt. Eine solche Definition, die die Beurteilung einer Wahrscheinlichkeit beinhaltet, ist grundsätzlich subjektiv. Dies könnte als Grund dafür angesehen werden, dem Bilanzierenden selbst die Entscheidung zu überlassen, zu welchem Zeitpunkt er Schadenausgaben in der Erfolgsrechnung erfaßt. Gegen eine solche Vorgehens weise spricht die Tatsache, daß sich daraus Ermessensspiel­ räume ergeben, die eine Vergleichbarkeit verschiedener Jahresabschlüsse stark ein­ schränken würden. Aus diesem Grund ist eine möglichst genaue Konkretisierung der Zuordnungsprinzipien anzustreben. Die gegenwärtige Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens, einen Schaden mit Geld- oder Naturalleistungen zu begleichen, entsteht nicht erst mit der Benachrichti­ gung des Versicherungsuntemehmens über den Eintritt eines Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer. Sie ergibt sich aus dem Versicherungs vertrag und besteht in erster Linie aus der Bereitstellung von Versicherungsschutz fiir einen ver­ traglich vereinbarten Zeitraum. Diese Leistung von Versicherungsschutz konkreti­ siert sich in der Deckung von eingetretenen Schäden. Die Verpflichtung, einen Schaden zu begleichen, entsteht deshalb nicht erst bei dessen Meldung an das Ver­ sicherungsuntemehmen, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Für eine solche Sichtweise spricht auch, daß nach dem Framework zu den IAS der künftige Abfluß von wirtschaftlichen Ressourcen in Form von vom Versicherungs­ untemehmen zu erbringenden Geld- oder Naturalleistungen lediglich wahrscheinlich sein muß. Im Augenblick der Benachrichtigung des Versicherungsuntemehmens durch den Versicherungsnehmer ist der Abfluß wirtschaftlicher Ressourcen in Form von Schadenausgaben bereits relativ sicher. Unsicherheit besteht in den meisten Fällen nur noch über die Höhe der zu erbringenden Leistungen. Eine grundsätzliche

84 Diese Theorie wird in den USA und Großbritannien angewendet und als claims-made-Theorie bezeichnet. 85 Vgl. Heynckes, H., Schadenrückstellungen, 1996, S. 20.

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Sicherheit über den Nutzenabfluß wird im Framework zu den IAS nicht gefordert.86 Es ist bereits zu einem früheren Zeitpunkt - vor der Anspruchserhebung durch den Versicherungsnehmer - wahrscheinlich, daß ein verursachter bzw. eingetretener Versicherungsfall zum Abfluß wirtschaftlicher Ressourcen führen wird. Nicht nur Verpflichtungen, die mit Sicherheit zu einer späteren Ausgabe fuhren werden, sind unter liabilities zu erfassen, sondern auch Verpflichtungen, bei denen das nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Fall ist, deren Bestehen oder Höhe also unsi­ cher ist. So wird in IAS 37.10 auch eine Rückstellung (provision) als liability defi­ niert. Der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls ist der Zeitpunkt, zu dem laut dem Versicherungsvertrag die Haftung des Versicherungsuntemehmens eintritt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt entsteht die Verpflichtung des Versicherungsunter­ nehmens. Jedoch kann die wirtschaftliche Verpflichtung des Versicherungsunter­ nehmens bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten sein. Wie bereits erwähnt, existieren dazu verschiedene Theorien. Im folgenden soll geprüft werden, zu wel­ chem Zeitpunkt von der wirtschaftlichen Verursachung des Versicherungsfalls aus­ gegangen werden kann. Zur Veranschaulichung sollen diese möglichen Zeitpunkte der Verursachung des Versicherungsfalls anhand der Haftpflichtversicherung für ein Produkt, das sich nach mehreren Jahren als krebserregend erweist, deutlich gemacht werden. Als Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls könnte der Verstoß-Theorie zufolge diejenige Periode angesehen werden, in der das Produkt auf den Markt kommt. Als Verstoß wird in diesem Fall das Auf-den-Markt-Bringen eines krebser­ regenden Produktes gesehen, das im weiteren zeitlichen Verlauf zu dem Schaden führt. Der Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls könnte auch deijenige Zeitpunkt sein, an dem bekannt wird, daß das Produkt krebserregend ist. Theore­ tisch kann das ein Zeitpunkt sein, zu dem die krebserregende Eigenschaft des Pro­ duktes „diagnostiziert“ wird, ohne daß bereits ein Krankheitsfall aufgetreten wäre. Schließlich könnte es der Zeitpunkt sein, zu dem die ersten Krankheitsfälle auftre­ ten, sowie der gesamte Zeitraum von der Markteinführung bzw. von der Feststellung des Problems (Diagnose) bis zum Auftreten der ersten Krankheits­ fälle. Zur Beantwortung der Frage, welcher Zeitpunkt der relevante ist, können die qualitativen Merkmale nützlicher Informationen nach dem Framework zu den IAS herangezogen werden. Der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung stellt ein ver­ wendbares Abgrenzungskriterium dar. Er besagt, daß Informationen, die mit zu gro­ ßen Unsicherheiten behaftet sind, nicht aufzunehmen sind.

Würde man sich für den Zeitpunkt der Markteinführung des Produktes als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls im Sinne der Verstoß-Theorie entscheiden, so müßten zu diesem Zeitpunkt bereits Schätzungen über künftig mögliche Schäden 86 Vgl. von Keitz, I., Immaterielle Güter, 1997, S. 184.

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und deren Höhe gemacht werden. Bei einem Produkt, bei dem man von seiner grundsätzlichen Unschädlichkeit ausgeht, ist dies so gut wie unmöglich. Die Ursa­ che für den Großteil der Haftpflichtfälle ist eine falsch getroffene Entscheidung (fal­ sche Statik, nicht als solches erkanntes krebserregendes Produkt, falsche Beratung), wobei der Entscheidungszeitpunkt häufig nicht feststellbar ist und die Auswirkungen der Entscheidung völlig unabsehbar sind. Insofern sind die Informationen über die künftigen Ausgaben noch mit zu großen Unsicherheiten behaftet. Der Grundsatz der Willkürfreiheit besagt, daß die Informationen frei von Verzerrung und Manipulation sein sollen. Dies ist bei Haftpflichtfällen aus besagten Gründen nicht sicherzustellen. Die Willkürfreiheit wäre kaum gewährleistet, wenn Vermutungen in so großem Ausmaß notwendig sind. Das gleiche gilt für den Grundsatz der Vergleichbarkeit. Unsichere Schätzungen sind kaum eine geeignete Grundlage für Zeit- oder Be­ triebsvergleiche. Eine weitere Möglichkeit wäre es, erst dann eine Verpflichtung des Versicherungs­ untemehmens anzunehmen, wenn die ersten Krebsfälle aufgetreten sind, bei denen ein eindeutiger Zusammenhang mit dem genannten Produkt hergestellt werden kann. Der Vorteil dieser Vorgehens weise ist, daß der Zeitpunkt intersubjektiv nachprüfbar und damit kaum manipulierbar ist. Dies würde dem Grundsatz der Willkürfreiheit wesentlich eher entsprechen als bei der Festlegung des Zeitpunkts der Verursachung des Versicherungsfalls nach der Verstoß-Theorie. Zwar sind auch zu diesem Zeit­ punkt noch Schätzungen notwendig, die insbesondere die Höhe und das Ausmaß der zu erwartenden Schäden betreffen, allerdings sind im Vergleich zu der Situation bei Markteinführung des Produktes schon einigermaßen zuverlässige Angaben der Wahrscheinlichkeitsverteilungen möglich, die nicht mehr in gleichem Maße subjek­ tiv sind. Auch der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung steht dem nicht entge­ gen, weil die Informationen nun nicht mehr mit so großen Unsicherheiten behaftet sind wie zum Zeitpunkt der Markteinführung.

Jedoch könnte der Zeitpunkt des Auftretens der ersten Krebsfälle als zu spät beur­ teilt werden. Die Zeitpunkte des Auftretens der ersten Krankheitsfälle und der An­ spruchserhebung durch den Versicherungsnehmer liegen üblicherweise nicht sehr weit auseinander. Zuvor wurde argumentiert, daß es bereits vor der Anspruchserhe­ bung durch den Versicherungsnehmer wahrscheinlich ist, daß ein verursachter bzw. eingetretener Versicherungsfall zum Abfluß wirtschaftlicher Ressourcen führen wird. Die Schuld ist zu dem Zeitpunkt in der Bilanz zu berücksichtigen, zu dem der Abfluß von Ressourcen wahrscheinlich ist. Dies ist im gewählten Beispiel bereits zu dem Zeitpunkt der Fall, zu dem die krebserregende Wirkung des Produktes diag­ nostiziert wird, und nicht erst, wenn die ersten Krebsfälle auftreten. Im Gegensatz zum Zeitpunkt der Markteinführung sind zum Zeitpunkt der Diagnose des Problems schon Schätzungen über Höhe und Ausmaß der zu erwartenden Schäden möglich. Dies entspricht dem Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung. Auch dem Grund­ satz der Willkürfreiheit ist auf diese Weise Genüge getan, weil der „Diagnosezeit­

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punkt“ eindeutig definiert und intersubjektiv nachprüfbar ist. Dies gilt auch für an­ dere Fälle als den hier beispielhaft genannten, wie z.B. für den Zeitpunkt, zu dem festgestellt wird, daß die Statik falsch berechnet wurde (dies kann z.B. durch Gut­ achten festgestellt und belegt werden). Ein weiterer denkbarer Fall wäre die Verur­ sachung eines Fundamentschadens an einem Gebäude durch ein Erdbeben, der erst Jahre später entdeckt wird und weitere Jahre später zu einem konkreten Schaden z.B. in Form eines Wassereinbruchs in den Keller fuhrt. Auch hier wäre der Zeit­ punkt der Verursachung des Versicherungsfalls bei der Entdeckung des Fundament­ schadens festzusetzen, weil dies einerseits den Objektivierungserfordemissen ent­ spricht und dies andererseits ein Zeitpunkt ist, zu dem das Eintreten der künftigen Ausgaben bereits wahrscheinlich ist.

Betrachtet man den Eintritt des Versicherungsfalls als einen Prozeß einer Schaden­ entwicklung von einer ursprünglichen Verursachung bis zu einer letztendlichen Ge­ fahrverwirklichung, so stellt sich das Problem der Gefahrverursachung als Zeit­ raumproblem, weniger als Zeitpunktproblem (Theorie vom gedehnten Versiche­ rungsfall). Dies würde bedeuten, daß der Verursachungszeitpunkt mehrere Perioden betrifft und die Schadenausgaben auch mehreren Perioden zugeordnet werden müßten.87 Auf den ersten Blick wirkt eine solche Vorgehens weise schlüssig. In der Praxis ist die konkrete Periodenzuordnung jedoch schwierig. Theoretisch müßten die Ausgaben entsprechend dem Gefahrverwirklichungsgeschehen den einzelnen Perioden zugeordnet werden. Dies objektiv überprüfbar festzustellen, ist jedoch kaum möglich und mit großen Unsicherheiten behaftet. Aus diesem Grund würde eine solche Vorgehens weise sowohl dem Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung als auch dem der Willkürfreiheit und dem Grundsatz der Vergleichbarkeit wider­ sprechen.

Die Festlegung des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalls bewegt sich im Spannungsfeld zwischen einem möglichst späten Eintritt, z.B. bei Bekanntgabe an das Versicherungsuntemehmen, und damit einer besseren Objektivierbarkeit, und einem möglichst frühen Eintritt zur Antizipation künftiger Ausgaben, die bereits verursacht sind. Dem Ziel der objektivierten Ausgabenabgrenzung ist mit der Be­ stimmung eines festen Zeitpunkts jedoch am besten gedient. Deshalb sollte, unab­ hängig von der wirtschaftlichen Verursachung des Versicherungsfalls, der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls im juristischen Sinne, also der im Versiche­ rungsvertrag vereinbarte Zeitpunkt ausschlaggebend sein. Dies entspricht zwar nicht in jedem Fall dem Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung, ist aber im Sinne der möglichst objektiven und einheitlichen Feststellung des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalls am günstigsten. Was bedeutet dieses Ergebnis für die Abgrenzung der Schadenausgaben? Eine Schuld ist zu dem Zeitpunkt zu erfassen, zu dem sich wegen des Entstehens einer 87 Vgl. Molnar, H., Schadenrückstellungen, 1986, S. 117.

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gegenwärtigen Verpflichtung wahrscheinlich ein künftiger Abfluß von Ressourcen ergibt. Wie oben abgeleitet wurde, ist dies das Jahr, in dem der Versicherungsfall laut Versicherungsvertrag eintritt. Mit der Entstehung einer Schuld zum Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls ist auch die Erfassung von Aufwendungen verbunden.

3.3.2.2.4 Zuordnung der Schadenaufwendungen zu den Prämienerträgen Für den Zeitpunkt der Erfassung von Aufwendungen ist eine weitere Abgrenzungs­ regel der IAS zu beachten. Aufwendungen sind nach dem Framework zu den IAS soweit wie möglich - auf der Grundlage eines direkten Zusammenhangs zwischen Ausgaben und periodisierten Einnahmen zu erfassen, d.h. Aufwendungen sollten in der Periode erfaßt werden, in der die entsprechenden Erträge vereinnahmt werden. Dieses Verfahren, das als Prinzip der sachlichen Zuordnung der Aufwendungen zu den Erträgen bezeichnet wird, umfaßt die gleichzeitige und gemeinsame Erfassung von Erträgen und Aufwendungen, die unmittelbar aus denselben Geschäftsvorfällen oder anderen Ereignissen resultieren (F. 95).

Der Sachverhalt, auf den sowohl die Prämienerträge als auch die Schadenaufwen­ dungen zurückzuführen sind, ist der Versicherungsvertrag zwischen Versicherungs­ untemehmen und Versicherungsnehmer. Tritt im vertraglich festgelegten Zeitraum ein Versicherungsfall ein, so besteht für das Versicherungsuntemehmen die Ver­ pflichtung, die daraus resultierenden Ausgaben - soweit vertraglich vereinbart - zu begleichen, selbst wenn diese Ausgaben erst Jahre später anfallen. Für die Schaden­ aufwendungen bedeutet dies, daß sie ebenfalls in der Periode zu erfassen sind, in der der Versicherungs vertrag besteht und in der folglich auch die Prämienerträge vereinnahmt werden. Fallen die tatsächlichen Schadenausgaben erst zu einem späte­ ren Zeitpunkt an, sollten diese Ausgaben, dem obigen Grundsatz entsprechend, vorweggenommen und bereits in dem Jahr als Aufwendungen erfaßt werden, in dem auch die Prämienerträge erfaßt werden, d.h. die Aufwendungen sind der Periode zuzuordnen, in der der Versicherungsfall eintritt. In diesem Sinne wird mit dem durch die Verursachung des Versicherungsfalls determinierten Zeitpunkt in einer Periode, in der ein Versicherungsvertrag besteht, die erfolgswirksame Verrechnung als Aufwand festgelegt.88

Dieses Prinzip der sachlichen Zuordnung von Aufwendungen zu Erträgen bedeutet z.B. fiir Industrieunternehmen, daß die Ausgaben fiir hergestellte Produkte denjeni­ gen Perioden zuzuordnen sind, in denen die Produkte verkauft werden. Dabei gehen die Ausgaben den Einnahmen meist voraus, was u.a. auf die in Industrieunterneh­ men oft mögliche Lagerproduktion zurückzuführen ist. Bei Versicherungsuntemeh­ men werden die Prämieneinnahmen, wie bereits erwähnt, üblicherweise vorschüssig

88 So auch Molnar, H., Schadenrückstellungen, 1986, S. 123.

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bezahlt, die Ausgaben in Form von Schadenauszahlungen fallen häufig nicht in der gleichen Periode an, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, manchmal sogar erst Jahre später. Die Einnahmen gehen den Ausgaben in der Regel voraus. Ein beson­ deres Problem bei Versicherungsuntemehmen ist die Erfassung aller zukünftig an­ fallenden Schadenausgaben, weil den periodisierten Einnahmen die gesamten zuzu­ ordnenden Ausgaben gegenüberzustellen sind.89 Die Aufwendungen, die einer Peri­ ode zuzurechnen sind, ergeben sich aus den verursachten Versicherungsfällen und den daraus folgenden Schadenzahlungen.90 Bei vollkommener Information wäre es kein Problem, den Prämienerträgen den gesamten Schadenaufwand, der sich aus gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungen aus in der Periode eingetretenen Versi­ cherungsfällen ergibt, gegenüberzustellen. Da in der Realität keine vollkommene Information herrscht, müssen die künftigen Ausgaben geschätzt werden.91 Dies ist die besondere Problematik bei der Anwendung des Prinzips der sachlichen Zuord­ nung der Schadenaufwendungen zu Prämienerträgen in einem Versicherungsunter­ nehmen im Vergleich zur Zuordnung von Herstellungsaufwand und Umsatzerlösen in einem Industrieunternehmen.

3.3.3

Bewertung der Schadenrückstellung

3.3.3.1

Bewertung der Bestandteile der Schadenrückstellung

3.3.3.1.1 Rückstellung für gemeldete Schäden Bei Schadenausahlungen für Versicherungsfälle, die in einer Periode gemeldet und reguliert werden, ergibt sich kein Abgrenzungsproblem. Die Höhe der Auszahlun­ gen für in der Periode gemeldete und regulierte Versicherungsfälle ist bekannt. Die künftigen Auszahlungen für die in einer Periode gemeldeten Schäden, die zum Bi­ lanzstichtag nicht oder nicht vollständig abgewickelt worden sind und in Folgejah­ ren noch zu Auszahlungen fuhren, sind in eine Rückstellung für gemeldete Schäden einzustellen. Ist der für die Schadenregulierung bereitzustellende Betrag zum Zeit­ punkt der Bilanzerstellung nicht exakt feststellbar, ist die voraussichtlich zu erbrin­ gende Schadenleistung zu schätzen.92 Die Bewertung ftir gemeldete, aber noch nicht regulierte Versicherungsfälle ist für jeden Schadenfall getrennt möglich, weil die Schadenereignisse dem Versicherer gemeldet wurden und zum Bilanzstichtag be­ kannt sind.93 Auch eine vereinfachte Bewertung (Pauschalbewertung) kann ftir die Schadenrückstellung zulässig sein, wenn die Anzahl der noch nicht abgewickelten

Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 42. Vgl. Brands, H., Periodische Schadenschwankungen, 1979, S. 112. Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 155. Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 42. Zu einem Überblick über die Ermittlung der Schadenrückstellun­ gen vgl. Taylor, G., Claims Reserving in Non-Life Insurance, 1986. 93 Vgl. Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 167; Welzel, H., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1988, S. 685.

89 90 91 92

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Versicherungsfälle so groß ist, daß die Pauschalbewertung zu keinem wesentlich anderen Ergebnis fuhrt als die Einzelberechnung.94 Nach IAS 37.36 ist eine Rückstellung mit dem Betrag zu bewerten, der nach bester Schätzung (best estimate) am Bilanzstichtag erforderlich ist, um die gegenwärtige Verpflichtung abzudecken.95 Grundlage für die Schätzung sind die konkreten tat­ sächlichen und rechtlichen Umstände des einzelnen Versicherungsfalls. Die beste Schätzung ergibt sich aus der Höhe desjenigen Betrags, den das Unternehmen zur Abdeckung der Verpflichtung an eine dritte Partei bezahlen würde (IAS 37.37). Die Einschätzung der Höhe der Verpflichtung obliegt dem Urteilsvermögen des Mana­ gements, das unter Zugrundelegung ähnlich gelagerter Sachverhalte oder mit Hilfe von Expertengutachten, aber auch unter Berücksichtigung möglicher zukünftiger Risiken und Ungewißheiten eine Entscheidung zu treffen hat. Wenn unterschiedli­ che Beträge zur Auszahlung gelangen könnten, sind diese Beträge entsprechend ih­ rer Eintrittswahrscheinlichkeit zu gewichten.96 Der Erwartungswert ergibt sich dabei aus den mit ihrer Wahrscheinlichkeit gewichteten möglichen Schadenzahlungen. Da der Erwartungswert weder Risiko noch Unsicherheit widerspiegelt, sollte ein Risi­ kozuschlag vorgenommen werden (IAS 37.42).97 3.3.3.1.2 Spätschadenrückstellung Alle verursachten bzw. eingetretenen Versicherungsfälle führen zu Verpflichtungen im Sinne der IAS und sind dementsprechend in der Bilanz zu erfassen, auch wenn sie dem Versicherungsuntemehmen noch unbekannt sind. Schadenaufwendungen für am Bilanzstichtag noch nicht bekannte, jedoch in der Periode verursachte Versicherungsfälle (Spätschäden) sind deshalb in eine Spätschadenrückstellung einzustel­ len.98 In IAS 10 wird die für die Rückstellungsbildung notwendige Wahrscheinlich­ keit mit probable bezeichnet. IAS 37 beschreibt die zur Rückstellungsbildung füh­ rende Eintrittswahrscheinlichkeit probable mit über 50 % (more likely than not). Voraussetzung für die Bildung einer Spätschadenrückstellung ist es also, daß der

94 Vgl. Welzel, H., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1988, S. 685. Zu Einzel- und Pauschalbewertungs­ verfahren für gemeldete Versicherungsfälle vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 179 - 192. Zur Darstellung eines computergestützten Verfahrens auf der Basis von Einzelschäden vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 289, Anm. 948; Heynckes, H., Schadenrückstellung, 1996. 95 Vgl. Ernsting, I./von Keitz, I., Rückstellungen nach IAS 37, 1998, S. 2480. 96 Vgl. Reinhart, A., Rückstellungen, 1998, S. 2517 f. 97 Auch der Meinung des Steering Committee zum IAS fiir Versicherungsunternehmen zufolge sollten die versi­ cherungstechnischen Rückstellungen Sicherheitszuschläge umfassen, die sich ein Marktteilnehmer fiir die Übernahme der Unsicherheit der zukünftigen Zahlungen bezahlen lassen würde. 98 Vgl. KPMG/CEA, Abschluß von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 112. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 301, Anm. 975, und Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 54 unterscheiden Nachmeldungs- und Spätschäden im engeren Sinn. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 179, bezweifelt die Sinnhaftigkeit dieser Unterscheidung. Auch in der Praxis werden Nachmeldungs- und Spätschäden nicht separat betrachtet, vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 145, Fn. 2.

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Eintritt von Spätschäden wahrscheinlich ist. Auf der Basis der Erfahrungen der Ver­ gangenheit kann das bejaht werden. Die Ermittlung der künftigen Ausgaben für Spätschäden kann große Schwierigkeiten aufwerfen, weil sie mit Aussagen über zukünftige unsichere Ereignisse verbunden ist und eine Schätzung der Anzahl und der Höhe der (unbekannten) Spätschäden umfaßt." Die Schätzung der Höhe der künftigen Ausgaben für Spätschäden wird häufig dadurch erschwert, daß Versicherungsuntemehmen Schäden teilweise unter oft stark veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen regulieren müs­ sen und die notwendigen Ausgaben deshalb sehr schwierig vorherzusehen sind.100 Die Höhe der Aufwendungen kann deshalb lediglich pauschal geschätzt werden. Die Schätzung erfolgt i.d.R. auf der Basis von Erfahrungswerten der Vergangenheit, die mit Hilfe geeigneter Prognoseverfahren in die Zukunft übertragen werden.101 Dem Grundsatz der Vorsicht entsprechend, der als Bewertungsregel bei Ermessensspiel­ räumen zu verstehen ist, ist ein vorsichtig bemessener, realistischer Wert anzuset­ zen. Besteht eine Bandbreite gleich wahrscheinlicher Werte, dann sollte die Rück­ stellung gemäß IAS 37.39 mit dem arithmethischen Mittel der Bandbreite bewertet werden.102 Betrifft die Rückstellung eine große Zahl gleichartiger Vorgänge, werden gemäß IAS 37.39 alle möglichen Ausgänge mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit gewichtet und der Erwartungswert ermittelt. Die Bestimmung der Bandbreite bleibt auch hier grundsätzlich der Einschätzung des Managements überlassen. Nach IAS 37.42 sollte außerdem ein Zuschlag zur Berücksichtigung von Risiken und Unsi­ cherheiten mit einkalkuliert werden.103 Wegen der bei Versicherungsuntemehmen vorliegenden besonderen Risikosituation ist es zweckmäßig, einen ausreichenden Sicherheitzuschlag bei der Bemessung der Spätschadenrückstellung zu berücksichti­ gen. 3.3.3.1.3 Deckungsrückstellung

Bei der Deckungsrückstellung können grundsätzlich Beitrags- und Rentendeckungs­ rückstellungen unterschieden werden.104 Die Rentendeckungsrückstellung ist not­ wendig, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls die Verpflichtung zur Zahlung ei­

99 Zur Bedeutung des Spätschadenrisikos in der Praxis vgl. Jäger, B.» Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 179, und Schmidt-Salzer, J., IBNR, 1984, S. 24. 100 Vgl. Reich, A./Zeller, W., Spätschäden, 1988, S. 808. 101 Ausgangspunkt fast aller statistischen Lösungsversuche ist das Spätschaden- oder IBNR-Abwicklungsdreieck. Zu einem Überblick über die Literatur der risikotheoretisch begründeten Verfahren zur Ermittlung einer sach­ gerechten Spätschadenrückstellung vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 200 f. Als praktisch anwendbares Sch ätz verfahren wird für die Bewertung der Spätschadenrückstellungen häufig das sogenannte Chain-LadderVerfahren verwendet. Vgl. dazu Baur, W., Periodisierung, 1984, S. 147 f.; Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 72; Fischer, K., Berechnung von Schadenrückstellungen, 1989, S. 155. 102 Vgl. Hayn, S./Pilhofer, J., Rückstellungsregeln des IASC, 1998, S. 1731. 103 Vgl. Ernsting, I./von Keitz, I., Rückstellungen nach IAS 37, 1998, S. 2480. 104 Zu dieser Unterscheidung vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 203, Anm. 592 f.

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ner Rente auslöst. Eine solche Verpflichtung kann bei Personenschäden in der Un­ fall-, Haftpflicht-, Kraftfahrzeug-Haftpflicht-, Kraftfahrt-Unfall- und Luftfahrtversi­ cherung entstehen.105 In der Rentendeckungsrückstellung werden in diesem Fall die Barwerte von Leib- oder Zeitrenten der bereits eingetretenen Unfallschäden ausge­ wiesen.106 Die Beitragsdeckungsrückstellung umfaßt in den Versicherungszweigen der Schaden- und Unfallversicherung, die Sparvorgänge enthalten (z.B. in der Un­ fallversicherung mit Prämienrückgewähr), die angesammelten und verzinsten Spar­ anteile der Prämien.107 Inhalt des Versicherungsvertrages ist u.a. die nach versiche­ rungsmathematischen Grundsätzen berechnete Kapitalansammlung. Die Rentendeckungsrückstellung sollte nach den Grundsätzen der Einzelbewertung für jeden einzelnen Versicherungsfall in Höhe des Barwerts der künftigen Renten­ verpflichtung berechnet werden.108 Für die Abbildung der Rentendeckungsrückstel­ lung bedeutet dies, daß zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls Aufwen­ dungen für die Deckung der künftigen Rentenverpflichtungen in der Erfolgsrech­ nung zu berücksichtigen sind.

Beim Ausweis der Veränderung der Beitragsdeckungsrückstellung stellt sich jedoch, wie schon bei der Frage nach dem Umfang der Prämienerträge, die Frage nach der erfolgsrechnerischen Behandlung der Sparanteile. Es ist international üblich, Zufüh­ rungen zur Beitragsdeckungsrückstellung als Aufwand auszuweisen, und zwar in voller Höhe, also nicht nur den Risiko- und Betriebskostenanteil, sondern auch den Sparanteil.109 Bei der Auszahlung der Versicherungsleistungen vermindert sich die Deckungsrückstellung, weil sich die Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens gegenüber dem Versicherungsnehmer in Höhe der Rückzahlung der Sparanteile re­ duziert.110 Diese Rückzahlung des Sparanteils sollte als Aufwand, die Ausbuchung der Deckungsrückstellung als Ertrag verbucht werden.111 Analog zur Verbuchung der Prämienerträge werden die Sparanteile bei der Einbuchung, Veränderung und Auflösung der Beitragsdeckungsrückstellung erfolgswirksam behandelt.112

3.3.3.1.4 Regresse und Provenues Der Versicherer kann aufgrund eines Versicherungsfalls Ansprüche erwerben. Dies können einerseits Ansprüche sein, die der Versicherungsnehmer gegen Dritte 105 106 107 108

109 110 1,1 112

Vgl. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 300. Vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 203 f., Anm. 593. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 131. Siehe hierzu auch Abschnitt 3.2.3. Hierzu können IAS 19.64 ff., die sich mit versicherungsmathematischen Bewertungsmethoden zur Bestim­ mung des Barwerts einer leistungsorientierten Verpflichtung bei Pensionverpflichtungen befassen, analog an­ gewendet werden. Vgl. Haudenschild, P., Erfolgsrechnung des Lebensversicherers, 1991, S. 106; Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 100. Vgl. Eilenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 68. Vgl. Haudenschild, P., Erfolgsrechnung des Lebensversicherers, 1991, S. 106. Siehe Abschnitt 3.2.3.2.

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(Schädiger) erwirbt und die mit der Schadenregulierung auf den Versicherer überge­ hen.113 Diese Ansprüche aus Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber einem Schädiger werden als Regresse bezeichnet. Darüber hinaus kann der Versicherer Ansprüche auf die Erlöse aus der Verwertung von Schadenobjekten haben (Provenues).114 Die Erlöse aus Regressen können entweder erst im Moment der Durchsetzung dieser Ansprüche gegenüber dem Schädiger oder bereits zum Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls in der Erfolgsrechnung berücksichtigt werden. Genauso kön­ nen die Provenues zum Zeitpunkt der Verwertung der Schadenobjekte oder zum Zeitpunkt der Verursachung des Versicherungsfalls erfolgswirksam erfaßt werden. Da sowohl Regresse als auch Provenues eng mit dem Eintritt des Versicherungsfalls Zusammenhängen und die künftige Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens mindern, sollten die Erstattungsansprüche bereits bei Eintritt des Versicherungsfalls in der Erfolgsrechnung berücksichtigt werden.

Im folgenden ist zu klären, ob die Ansprüche zum Zeitpunkt des Eintritts des Versi­ cherungsfalls als Forderungen zu aktivieren oder mit der Schadenrückstellung zu saldieren sind.115 Während in IAS 10.8 a und IAS 10.13 bestimmt wird, daß Rück­ stellungen mit wahrscheinlichen Rückgriffsansprüchen zu saldieren sind, wurde die­ ser Grundsatz der Nettobilanzierung im IAS 37 dahingehend geändert, daß eine Saldierung von ungewissen Verpflichtungen mit möglichen Rückgriffsansprüchen grundsätzlich verboten ist, wenn das Unternehmen trotz der Rückgriffsansprüche verpflichtet bleibt (IAS 37.53). Der Rückgriffsanspruch muß vielmehr separat akti­ viert werden, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen wer­ den kann, daß der Ausgleich von Seiten Dritter erfolgt, sobald das Unternehmen die entsprechende Verpflichtung erfüllt.116 Der Grund für das Saldierungsverbot liegt in der Möglichkeit, daß das bilanzierende Unternehmen trotz der Erstattungsansprüche endgültig belastet bleibt, wenn der Dritte wider Erwarten nicht zahlt. Die Höhe des aktivierten Rückerstattungsanspruchs darf die Höhe der korrespondierenden Rück­ stellung nicht überschreiten.117 In der Erfolgsrechnung dürfen die mit der Rückstel­ lungsbildung und der Rückgriffsanspruchsaktivierung verbundenen Erträge und Aufwendungen miteinander verrechnet werden. Im Gegensatz zur Bilanz ist hier eine Nettobehandlung zulässig (IAS 37.54).

113 Vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 298, Anm. 954. Dazu gehören in der Rechtsschutzversicherung auch bestehende Forderungen an den Prozeßgegner auf Erstattung der Kosten. Vgl. KPMG, Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1994, S. 128. 114 Vgl. KPMG/CEA, Abschluß von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 112; Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 64. 1,5 Vgl. Fourie, D., Renditevergleiche, 1999, S. 1402. 116 Vgl. Förschle, F./Kroner, M./Heddäus, B., Ungewisse Verpflichtungen, 1999, S. 49; Moxter, A., Rückstellun­ gen nach IAS, 1999, S. 524. 117 Vgl. Ernsting, I./von Keitz, I., Rückstellungen nach IAS 37, 1998, S. 2481.

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3.3.3.2

Berücksichtigung von Schadenregulierungsaufwendungen

Mit Eintritt des Versicherungsfalls ist der Versicherer zur Regulierung des Schadens verpflichtet. Teil der vom Versicherungsuntemehmen zu erbringenden Leistung nach dem Eingang von Versicherungsfallmeldungen ist neben der Auszahlung von Versicherungsleistungen auch die Ermittlung und Bearbeitung des Schadens.118 Die Schadenregulierungsaufwendungen umfassen sowohl die Aufwendungen für Dritte, wie Anwalts-, Gerichts- und Prozeßkosten (externe Regulierungsaufwendungen), als auch die Aufwendungen, die im Versicherungsuntemehmen selbst entstehen (interne Regulierungsaufwendungen).119 Interne Regulierungsaufwendungen resultieren aus der Prüfung und Bearbeitung des Schadenfalls bis zu dessen endgültiger Abwick­ lung.120 Beispiele dafür sind Aufwendungen für die Entgegennahme der Meldung eines Versicherungsfalls, die Prüfung der Leistungsansprüche aus dem Versiche­ rungsvertrag, die Ermittlung der Schadenhöhe, die Ausfertigung von Schadendoku­ menten, die Abrechnungen mit Mit- und Rückversicherern, die Bearbeitung von Re­ gressen und Provenues sowie Ausgleichsansprüchen gegen andere Erstversicherer aus Teilungsabkommen121 und die Erstellung interner Statistiken.122 Außerdem ist für den Versicherer auch die Bearbeitung des Schadens ein wichtiger Teil seiner Leistung, weil die Abwehr unberechtigter Ansprüche, die zwangsläufig im Interesse des Versicherungsuntemehmens liegt, sonst nicht gewährleistet wäre.123 Zu prüfen ist im folgenden, ob die Schadenregulierungsaufwendungen bei der Bildung der Schadenrückstellung zu berücksichtigen sind.124 Bei der Produktion von Versicherungsschutz handelt es sich um eine Nachleistung, die das Spiegelbild der Vorleistung Herstellung von Fertigerzeugnissen im Indus­ triebetrieb darstellt.125 Im Industriebetrieb ist die Aktivierung der Herstellungskosten nach IAS (IAS 2.7) zu Vollkosten vorzunehmen. Übertragen auf die Herstellungs­ kosten des Produktes Versicherungsschutz bedeutet das, daß neben der eigentlichen Entschädigung auch die Schadenregulierungsaufwendungen zu berücksichtigen sind.126 Bei diesen handelt es sich um unselbständige Teile der Versicherungsleis­ tung, die nicht isoliert von dieser betrachtet werden, sondern dem Jahr des Eintrittes

118 119 120 121

122

123 124 125 126

Vgl. Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 77. Vgl. Lippe, S., Integration von Betriebskosten, 1983, S. 20. Vgl. Müller, B., Betriebsergebnisrechnung, 1998, S. 75. Rahmenverträge auf Verbandsebene, die in vereinfachender Form die Abwicklung künftig entstehender Scha­ denfälle regeln. Für die meisten Fälle ist in unterschiedlicher Gestaltung die Teilung der Aufwendungen vorge­ sehen. Dazu ausführlich: Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 826 f. Vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 315, Anm. 1011; Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 564; KPMG/CEA, Abschluß von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 112; Tröbliger, A., Verwaltungskosten, 1961, S. 522. Vgl. Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 77. Traditionell werden Schadenregulierungskosten als Teil der Schadenrückstellung und nicht als Betriebsauf­ wendungen betrachtet. Vgl. Gürtler, M., Erfolgsrechnung, 1958, S. 73. Vgl. Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 79. Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 94.

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135

des Versicherungsfalls zugeordnet werden sollen.127 Die Schadenrückstellung sollte also neben der eigentlichen Entschädigung auch die Schadenregulierungsaufwen­ dungen enthalten. Unproblematisch ist eine solche Zuordnung zu der Periode des Eintritts des Versicherungsfalls bei den externen, direkt zurechenbaren Schadenre­ gulierungsaufwendungen.

Fraglich ist jedoch, wie die internen Schadenregulierungsaufwendungen zu behan­ deln sind, insbesondere die Schadenbearbeitungsaufwendungen, die i.d.R. einem einzelnen Versicherungsfall nicht unmittelbar zugeordnet werden können. Zwar könnte argumentiert werden, daß ein faktischer Leistungszwang zur Schadenbear­ beitung und damit eine Drittverpflichtung vorliegt. Dies gilt insbesondere für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche in der Haftpflicht- und der Rechtsschutzversi­ cherung. Die Art und Weise der Schadenregulierung liegt jedoch im Ermessen des Versicherungsuntemehmens. Die Schadenbearbeitungsaufwendungen sind interne Aufwendungen, die der Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft dienen. Sie sind rechtlich vom einzelnen Vertrag und vom einzelnen Versicherungsfall unabhän­ gig.128 Gegen die Einbeziehung der internen Schadenregulierungsaufwendungen in die Bewertung der Schadenrückstellung spricht das Verbot der Berücksichtigung von Aufwandsrückstellungen nach IAS.129 Aufwandsrückstellungen stellen keine liability im Sinne des Framework zu den IAS dar, weil es sich um keine Drittver­ pflichtungen handelt.130 Es erscheint, abgesehen von dem Verbot der Bilanzierung von Aufwandsrückstel­ lungen, auch sachlich nicht erforderlich, interne Schadenregulierungsaufwendungen dem Jahr der Verursachung des Versicherungsfalls zuzuordnen. Denn: Vom theore­ tischen Standpunkt aus betrachtet sind Schadenregulierungsaufwendungen zwar als Wahrscheinlichkeitsverteilung anzusehen, die sich mit der Anzahl oder der Scha­ denhöhe der Versicherungsfälle verändert.131 In der Praxis werden die Kapazitäten für interne Schadenregulierungsleistungen aber im Rahmen der Entscheidungen über die Betriebsbereitschaft festgelegt und haben weitgehend fixen Charakter.132 Wenn interne Schadenregulierungsaufwendungen nicht bei der Bewertung der Schaden­ rückstellung berücksichtigt werden, sondern erst in dem Jahr erfaßt werden, in dem sie anfallen, und zwar als Betriebsaufwendungen des jeweiligen Jahres dann ist eine Zusammenfassung so unterschiedlicher Aufwandsarten wie Gehälter oder Büro­

127 Vgl. Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 78. 128 Vgl. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 317, Anm. 1013; Revisuisse Price Waterhouse, Internationale Rech­ nungslegung für Versicherungen, 1995, S. 37 f. 129 Zur Qualifizierung der internen Schadenregulierungsaufwendungen als Aufwandsrückstellungen vgl. Prüß­ mann, O./Uhrmann, K., Schadenregulierungskosten, 1975, S. 392. 130 In F. 60 werden als Beispielfälle für Rückstellungen ausschließlich Drittverpflichtungen aufgeführt. IAS 37.20 macht explizit deutlich, daß eine Drittverpflichtung vorliegen muß. 131 Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 94. 132 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 47.

136

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

mieten und ihre Schlüsselung auf einzelne Versicherungsfälle nicht notwendig.133 Dies ist im Sinne der Grundsätze Willkürfreiheit und Vergleichbarkeit von Vorteil. 3.3.3.3

Berücksichtigung künftiger Lohn- und Preissteigerungen

Für die Bewertung der Schadenrückstellung ist des weiteren zu klären, wie das Ri­ siko künftiger Lohn- und Preiserhöhungen in der Erfolgsrechnung von Versiche­ rungsuntemehmen zu berücksichtigen ist. Abgesehen von den Zweigen der Sachver­ sicherung mit Neuwert- und Zeitwertersatz, bei denen von vornherein feststeht, daß ein vertraglich festgelegter Geldbetrag zu leisten ist oder sich die Höhe der Geld­ leistung nach den Wertverhältnissen zum Zeitpunkt des Eintritts des Versiche­ rungsfalls bemißt und keinen weiteren Änderungen unterliegt, hat der Versicherer in den übrigen Zweigen der Aktivenversicherung134 durch Geldleistung einen Zustand wiederherzustellen, wie er ohne Eintritt des Versicherungsfalls bestehen würde.135 Die Höhe der Geldleistung richtet sich bei diesem Versicherungstyp nach den Wert­ verhältnissen zum Zeitpunkt der Zahlung der Versicherungsleistungen. Die Höhe der Geldleistung kann dabei von Lohn- und Preissteigerungen beeinflußt werden, die in den Jahren zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls und dem Zeitpunkt der Zahlung der Versicherungsleistungen eintreten. Bei einer Preissteigerungsrate von durchschnittlich 5 % bedeutet das z.B. für einen Zeitraum von zehn Jahren eine nominelle Leistungserhöhung um rund 63 %.136 IAS 15 gibt unverbindliche Empfehlungen für die Berücksichtigung von Preissteige­ rungen im Jahresabschluß. Danach ist eine Berücksichtigung von Preissteigerungen entweder auf der Grundlage des Konzeptes der realen Kapitalerhaltung oder auf der Grundlage des Konzeptes der Substanzerhaltung möglich. In beiden Fällen werden bestimmte oder alle Posten des Abschlusses an die Preisänderungen angepaßt. Be­ schränkt sich die Anpassung auf einzelnen Posten des Abschlusses, so können dies die Abschreibungen, die Herstellungskosten der zur Erzielung von Umsatzerlösen erbrachten Leistungen und die Nettoposition monetärer Posten sein.137 Im Fall der realen Kapitalerhaltung erfolgt die Anpassung an Preisänderungen mittels eines all­ gemeinen Preisindexes, im Fall der Substanzerhaltung mit einem Index, der sich an der untemehmensindividuellen Entwicklung bestimmter Faktorpreise orientiert.

In der Versicherungsproduktion können die zurückgestellten Versicherungsleistun­ gen (Schadenrückstellung) mit den Herstellungskosten der industriellen Produktion verglichen werden. Es erscheint deshalb auf den ersten Blick schlüssig, die Lohn133 Dazu ausführlich Eilenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 90 - 94. 134 Sammelbezeichnung für diejenigen Versicherungszweige, bei denen Vermögenswerte des Versicherungsneh­ mers, die auf der Aktivseite der Bilanz enthalten sind, versichert werden (z.B. Sachen, Forderungen oder Ge­ winnanwartschaften). Vgl. dazu Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 22. 135 Vgl. Belger, H., Preissteigerungen, 1956, S. 25. 136 Vgl. Perlet, H., Rückstellungen, 1986, S. 115 - 119. 137 Vgl. Kirsch, H., IAS 15, 1997, S. 516 - 519.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

137

und Preissteigerungen bei den Schadenrückstellungen zu berücksichtigen, so wie auch bei Ermittlung der Herstellungskosten nach IAS den Erlösen die vollen Auf­ wendungen gegenübergestellt werden. Die Lohn- und Preissteigerungen entstehen allerdings häufig nicht im Jahr des Eintritts des Versicherungsfalls, sondern zu ei­ nem späteren Zeitpunkt. Deshalb sollten sie nicht von Anfang an bei der Bemessung der Schadenrückstellung berücksichtigt werden, sondern erst dann, wenn mit ausrei­ chend großer Sicherheit mit ihnen zu rechnen ist. Lohn- und Preissteigerungen wer­ den danach - konsistent mit IAS 8 - sofort erfaßt und nicht erst bei der Zahlung be­ rücksichtigt. Lohn- und Preissteigerungen, die bereits am Bilanzstichtag mit ausreichend großer Sicherheit zu erwarten sind, sollten dagegen in die Bewertung einbezogen wer­ den.138 Zukünftige Ereignisse, die sich auf den Erfüllungsbetrag aus wirken und mit deren Eintritt zum Zeitpunkt der Passivierung mit ausreichend großer Sicherheit ge­ rechnet werden muß, sind nach IAS 37.49 bei der Bemessung der Rückstellung zu berücksichtigen. Der Eintritt des zukünftigen Ereignisses sollte allerdings durch ei­ nen neutralen, technisch qualifizierten und objektiven Gutachter bestätigt werden (IAS 37.49).139

3.3.3.4

Diskontierung der Schadenrückstellung

3.3.3.4.1 Zweck der Diskontierung

Wurde zur Bewertung der Schadenrückstellung im Wege der Schätzung mit Hilfe geeigneter Prognoseverfahren ein bestimmter Betrag ermittelt, der den künftigen Auszahlungsströmen entspricht, so ist zusätzlich zu prüfen, ob der Barwert oder der Nominalwert dieses Betrages als liability bzw. Aufwand erfaßt werden soll. Denn eine in der Zukunft zu erbringende Zahlung ist umso weniger wert, je später sie fäl­ lig ist. Dies liegt daran, daß bereits verfügbare Beträge für später zu erbringende Zahlungen bis zu ihrer Fälligkeit noch gewinnbringend angelegt werden können.140 Der Barwert einer künftigen Zahlung wird mit Hilfe der Diskontierung, d.h. unter Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen bestimmt. Ziel einer Barwertermitt­ lung ist es, zeitlich auseinanderliegende Ausgaben und Einnahmen miteinander ver­ gleichbar zu machen.141 Dies ist wegen des zeitlich u.U. enorm divergierenden An­ falls von Prämieneinnahmen und Schadenauszahlungen bei Versicherungsfällen be­ sonders relevant. Sonst würden Ertrags- und Aufwandsgrößen einander gegenüber­ gestellt, die wegen ihres verschiedenartigen Zeitbezugs auch unterschiedliche öko­ nomische Qualität aufweisen.142

138 139 140 141 142

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 167. Förschle, G./Kroner, M./Heddäus, B., Ungewisse Verpflichtungen, 1999, S. 49. Eifler, G., Grundsätze, 1976, S. 72. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 175. Jäger, B., Abzinsungsproblematik, 1992, S. 563 f.

138

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

33.3. 4.2 Beurteilung der Diskontierung aus der Sicht der Informationsfunktion der Rechnungslegung

Dem Grundsatz der Relevanz entsprechend sollen Informationen Hilfestellung bei der Beurteilung von zukünftigen Ergebnissen von Entscheidungen im Sinne einer Prognoserechnung geben. Durch eine Diskontierung von künftigen Auszahlungen wird eine solche Prognose erleichtert, weil die Auszahlungs- und Einzahlungsströme auf diese Weise einander vergleichbar gegenübergestellt werden. Andererseits wird die Prognose der Schadensätze und damit der künftigen Erfolge unmöglich gemacht. Da diese Information für den Leser sehr wichtig ist, spricht der Grundsatz der Rele­ vanz eher für einen Ausweis der Nominalwerte. Der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung, nach dem Geschäftsvorfälle wahr­ heitsgetreu und nicht irreführend abgebildet werden sollen, würde dagegen für eine Diskontierung der Schadenrückstellungen sprechen. Geschäftsvorfälle sollten den zugrundeliegenden Produktionsverhältnissen entsprechend dargestellt werden. Ty­ pisch für die Produktion von Versicherungsschutz ist die verbundene Produktion von Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft.143 Die für die Schadenrückstellung gebundenen Mittel können über den Abwicklungszeitraum144 verzinslich angelegt werden. Die wirtschaftliche Belastung des Versicherungsuntemehmens aufgrund der Aufwendungen für Versicherungsfälle wird durch den Zufluß von Erträgen aus Ka­ pitalanlagen gemildert.145 Die künftigen Schadenauszahlungen (d.h. die Schaden­ rückstellungen) werden in der Verursachungsperiode - bei Nichtabzinsung - bereits in voller Höhe erfolgswirksam als Schadenaufwendungen berücksichtigt. Bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung bleiben die entsprechenden Mittel (in Höhe der Rückstellung) im Unternehmen gebunden und können zwischenzeitlich verzins­ lich angelegt werden.146 Eine der ökonomischen Wirklichkeit entsprechende Bilan­ zierung der Schadenrückstellung hat auch die komplementär erwirtschafteten Kapi­ talanlageerträge zu berücksichtigen.147 Dies spricht für eine Diskontierung und da­ mit für eine von vornherein verminderte Zuführung zur Schadenrückstellung. Dem Grundsatz der Willkürfreiheit nach sollten die Informationen frei von jeglicher Verzerrung und Manipulation sein. Die Höhe der Schadenrückstellung ist in großem Maße davon abhängig, ob die zukünftigen Schadenzahlungen überhaupt abgezinst werden sollen und welcher Zinssatz gegebenenfalls dafür zu verwenden ist. Um dem Grundsatz der Willkürfreiheit zu entsprechen, müßte der Diskontierungssatz eindeutig festgelegt werden. Auf diese Weise können Ermessensspielräume oder Manipulationen des bilanzierenden Unternehmens vermieden werden. Ein Ansatz zu

143 144 145 146 147

Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 39. Vgl. Angerer, A., Abzinsung, 1994, S. 42. Vgl. KPMG/CEA, Abschluß von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 114. Vgl. Jäger, B., Abzinsungsproblematik, 1992, S. 565. Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 176.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

139

Barwerten ist insbesondere bei Verbindlichkeiten sinnvoll, bei denen der genaue Zeitpunkt der Auszahlung bekannt ist. Dies ist bei Schadenrückstellungen nicht der Fall, weil der Zeitfaktor ftir die Diskontierung fehlt. Wenn die Auszahlung von Ver­ sicherungsleistungen früher als erwartet erfolgt, ist der Diskontierungsbetrag u.U. zu hoch, und der Rückstellungsbetrag reicht dann zur Deckung der Schadenzahlungen nicht aus.148 Auch der Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung liefert Argumente ge­ gen eine Bilanzierung zu Barwerten. Wie bereits ausführlich diskutiert, sind die Aufwendungen für einen Schadenfall in dem Jahr in der Erfolgsrechnung zu erfas­ sen, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Bei der Diskontierung der Scha­ denrückstellung würde das Ziel, zukünftige Erfolgsrechnungen nicht mit Aufwen­ dungen zu belasten, die in einer früheren Periode verursacht wurden, nicht erreicht werden, weil alljährliche Barwertaufstockungen bis zum Auszahlungszeitpunkt not­ wendig sind. Diese Barwertaufstockungen führen zum Ausweis von Aufwendungen in Jahren, die mit dem Eintritt des Versicherungsfalls nichts zu tun haben, und wi­ dersprechen damit dem Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung und dem Prinzip der sachlichen Zuordnung von Aufwendungen zu den entsprechenden Erträgen. Durch die Diskontierung von Schadenrückstellungen werden zwar noch nicht reali­ sierte Erträge aus Kapitalanlagen in der Erfolgsrechnung berücksichtigt, dies ist nach den IAS jedoch nicht unzulässig.149 Nach dem Framework zu den IAS dürfen Erträge bereits erfaßt werden, wenn es zu einer wahrscheinlichen (!) Zunahme des künftigen wirtschaftlichen Nutzens in Verbindung mit einer Zunahme bei einem Vermögenswert gekommen ist (F. 83 a i.V.m. F. 92). Das Eintreten künftiger Kapi­ talanlageerträge kann als zumindest wahrscheinlich eingeschätzt werden. Die Be­ rücksichtigung noch nicht realisierter Kapitalanlageerträge steht einer Diskontierung von Schadenrückstellungen nicht entgegen.

Die Diskontierung von Schadenrückstellungen entspricht auch dem IAS 37, der eine sehr weitgehende Diskontierungsregelung für Rückstellungen vorsieht, wenn der daraus resultierende Zinseffekt wesentlich ist (IAS 37.45). Dem Problem der Unsi­ cherheit bei der Prognose der Zahlungsströme wird insoweit Rechnung getragen, als ausschließlich wesentliche Positionen abzuzinsen sind. Die Anwendung eines in sich schlüssigen und stetig anzuwendenden Konzepts für die Diskontierung wird als ausreichend angesehen.150 Zur Diskontierung sind nach IAS 37.47 Marktzinssätze zu verwenden, die dem Risiko und dem Zeitraum bis zur Erfüllung der Verpflich­

148 Vgl. Angerer, A., Abzinsung, 1994, S. 43. 149 Vgl. KPMG/CEA, Abschluß von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 114. Dies ist eines der Hauptargumente gegen die Diskontierung der Schadenrückstellung in Deutschland, vgl. Angerer, A., Abzinsung, 1994, S. 39. 150 Vgl. Dörner, D./Wollmert, P./Oser, P., IAS 10, 1997, S. 357, Tz. 35.

140

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

tung entsprechen.151 Die Aufzinsungsbeträge sind als Zinsaufwand auszuweisen (IAS 37.60).

Die Abwägung der verschiedenen Argumente und das Ziel, den IAS „Insurance“ in die Gesamtkonzeption der IAS einzupassen, fuhren zu der Empfehlung, daß die Schadenrückstellungen diskontiert werden sollten. Über die allgemeinen Vorschrif­ ten des IAS 37 hinaus sollte nicht nur ein in sich schlüssiges und stetig anzuwen­ dendes Konzept für die Diskontierung angewendet werden, sondern ein dem Grund­ satz der Vergleichbarkeit entsprechender fester Zinssatz zugrunde gelegt werden. Ein fester Zinssatz, der unabhängig von sich ändernden, individuellen Kapitalanla­ geerträgen des Versicherungsuntemehmens ist, ermöglicht eher eine intertemporale und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der Schadenaufwendungen und trägt der besonderen Bedeutung von Rückstellungen bei Versicherungsuntemehmen Rech­ nung.

3.3.4

Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Vorjahres

Wie bereits erwähnt, ergibt sich das Abwicklungsergebnis als Differenz der am En­ de des Voijahres gebildeten Schadenrückstellung und der im Geschäftsjahr für Voijahresschäden gezahlten und weiter zurückgestellten Beträge. Es ist das Ergeb­ nis der Schätzung der Schadenrückstellung.152 Da die Bewertung der Schadenrück­ stellung in der Regel vorsichtig vorgenommen wird, fallen häufig (teilweise ganz erhebliche) Abwicklungsgewinne an.153 Durch eine bewußte Über- oder Unterbe­ wertung der Schadenrückstellung und die daraus folgende Veränderung in der Höhe des Abwicklungsergebnisses im Folgejahr ist es möglich, die Erfolge einzelner Jahre zu verzerren, wenn keine Schwankungsrückstellung zum Ausgleich dieser Über­ oder Unterbewertungen vorgeschrieben ist.154 Da die Höhe der Schadenrückstellung mindestens jährlich überprüft wird und Abwicklungsergebnisse einen zeitlichen Be­ zug zu der Periode haben, in der sie ermittelt werden, sollten sie auch in dieser Peri­ ode erfolgswirksam berücksichtigt werden.155 Abwicklungsergebnisse sind dementprechend der Periode zuzuordnen, in dem die Überprüfung und Korrektur der Schadenrückstellung erfolgt.

Das Abwicklungsergebnis stellt eine Korrektur des Erfolges der vorhergehenden Rechnungsperiode(n) dar und ist deshalb als aperiodische Erfolgskomponente zu qualifizieren. Problematischer als die Frage der periodenmäßig richtigen Zuordnung 151 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Heddäus, B., Ungewisse Verpflichtungen, 1999, S. 45. 152 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 150 f. 153 Vgl. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 376. Zur Bedeutung des Abwicklungser­ gebnisses aus Schadenrückstellungen vgl. Hesberg, D., Publizitätsziele, 1977, S. 552, und Perlet, H., Rückstel­ lungen, 1986, S. 87. 154 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 133. 155 Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 89.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

141

des Abwicklungsergebnisses ist deshalb dessen Ausweis in der Erfolgsrechnung.156 Dieser wird im Rahmen der Abbildungsprinzipien ausführlich diskutiert.157

3.4

Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen

3.4.1

Überblick

Im folgenden werden diejenigen Erträge und Aufwendungen aus der Veränderung von versicherungstechnischen Rückstellungen diskutiert, die sich nicht unmittelbar den Prämienerträgen oder Schadenaufwendungen zuordnen lassen. Dabei sind sol­ che Rückstellungen zu unterscheiden, die von ihrer Art her nur in Versicherungsun­ temehmen auftreten können, das sind die Rückstellung für Beitragsrückerstattung und die Schwankungsrückstellung, und eine Rückstellung, die im Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft besondere Aspekte aufweist, nämlich die Drohver­ lustrückstellung.

Im Rahmen einer Beitragsrückerstattung verpflichtet sich das Versicherungsunter­ nehmen, nicht benötigte Prämienbestandteile wieder an die Versicherungsnehmer zurückzuerstatten. Die Beitragsrückerstattung kann entweder in eine Rückstellung eingestellt oder als Gewinnverwendung qualifiziert und dementsprechend als Eigen­ kapital behandelt werden. Der Zweck von Schwankungsrückstellungen ist es, Schwankungen im Schadenverlauf künftiger Jahre, d.h. zufällige Über- und Unter­ schäden der einzelnen Perioden, auszugleichen.158 Drohverlustrückstellungen dienen dazu, drohende Verpflichtungsüberschüsse aus Versicherungsverträgen in der Er­ folgsrechnung zu berücksichtigen. Im folgenden ist zu untersuchen, ob und gegebenenfalls in welcher Form Beitrags­ rückerstattungen, Schwankungs- und Drohverlustrückstellungen im Jahresabschluß von Versicherungsuntemehmen nach IAS berücksichtigt werden sollten.

3.4.2

Rückstellung für erfolgsabhängige und erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung

Trotz versicherungsmathematisch abgesicherter Kalkulationen können kalkulierter und tatsächlicher Schadenverlauf voneinander abweichen, nicht zuletzt deshalb, weil die zugrundegelegten Statistiken auf Erfahrungen der Vergangenheit beruhen und Änderungen in der Risikosituation nicht verarbeiten können.159 Versicherungsunter­ nehmen stehen angesichts der Unsicherheit über die zukünftige Schadenentwick-

156 157 158 159

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

dazu Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 86 ff., und Abschnitt 4.3.1 dieser Untersuchung. dazu Abschnitt 4.2. Karten, W., Schwankungsrückstellung, 1975, S. 219. Boetius, J., Handbuch, 1996, S. 166, Anm. 471.

142

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

lung, die auch über längere Zeit durch hohe Schadenrealisationen gekennzeichnet sein kann, und des hohen Wettbewerbsdrucks in der Versicherungswirtschaft vor einem preispolitischen Dilemma: Einerseits ist aus Wettbewerbsgründen eine nied­ rige Prämie anzustreben; im Interesse der Sicherheit des Unternehmens sowie der Ansprüche der Versicherungsnehmer ist dagegen eine eher hohe, vorsichtig kalku­ lierte Prämie zu bevorzugen. Die Beitragsrückerstattung bietet die Möglichkeit, die­ se beiden Alternativen zu verbinden: Es wird zunächst eine mit Sicherheitszuschlä­ gen kalkulierte Prämie vereinbart; die nicht benötigten Prämienbestandteile werden anschließend zurückerstattet.160

Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen erfolgsabhängigen und erfolgsunabhän­ gigen Beitragsrückerstattungen. Erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen sind vom Schadenverlauf oder Ergebnis eines einzelnen Versicherungsvertrages abhän­ gig. Beispiele dafür sind die Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung, bei der die Prämien für den Differenzbetrag der aus Vorsichtsgründen zunächst zu hoch bemes­ senen und nach Ablauf des Versicherungsjahres anhand der tatsächlichen Versiche­ rungswerte herabgesetzten Versicherungssummen erstattet werden, oder die Leib­ rentenversicherung, bei der bestimmte Beiträge beim Tod der versicherten Person zurückgezahlt werden.161 Die erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung dient der nachträglichen Anpassung der Prämie an die Risikomerkmale, meist an die Scha­ denbelastung eines einzelnen Versicherungsvertrages. Auf diese Weise soll der ein­ zelne Versicherungsnehmer zu individuellen Schadenverhütungsmaßnahmen veran­ laßt werden und dazu, Bagatellschäden nicht zu melden. Die erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung hat auch dann zu erfolgen, wenn das versicherungstechnische Ergebnis oder das Gesamtergebnis negativ ist.162

Bei der erfolgsabhängigen Beitragsrückerstattung werden die Versicherungsnehmer am Erfolg des Versicherungsuntemehmen beteiligt. Erfolgsabhängige Beitragsrück­ erstattungen umfassen Beträge, die vom Gesamtergebnis, vom Gewinn des gesam­ ten Versicherungsgeschäfts, vom Ergebnis eines Versicherungszweiges oder einer Versicherungsart abhängig sind. Sie kommen in erster Linie in der Lebens- und Krankenversicherung vor, in geringerem Ausmaß in der Schaden- und Unfallversi­ cherung.163 Besondere Bedeutung kommt der erfolgsabhängigen Beitragsrücker­ stattung in der privaten Krankenversicherung zu; hinsichtlich deren Verwendung wird eine Mischung aus Direktauszahlung und der Zahlung von Einmalbeiträgen für Prämiensenkungen oder zur Abwendung bzw. Minderung notwendiger Prämiener­ höhungen praktiziert.164

160 161 162 163 164

Vgl. Kromschröder, B., Besonderheiten, 1994, S. 780. Vgl. Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 639. Vgl. Geib, G./Horbach, L., Besonderheiten der Rechnungslegung, 1991, S. 530, Tz. 225 und S. 532, Tz. 240. Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 223. Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 128.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

143

Aufwendungen aus der Einstellung von Beträgen in eine Rückstellung für Beitrags­ rückerstattung können im System der IAS nur dann in der Erfolgsrechnung verbucht werden, wenn sie mit einer Erhöhung der liabilities verbunden sind. Zu prüfen ist im folgenden deshalb, ob es sich bei der Rückstellung für Beitragsrückgewähr um eine liability im Sinn der IAS handelt. Wenn gesetzliche Vorschriften bestehen, die im Falle eines Erfolges in einem Versi­ cherungszweig oder bei bestimmten Schadenverläufen zu der Verpflichtung fuhren, Prämien an die Versicherungsnehmer zurückzuerstatten, dann liegt eindeutig eine Verpflichtung im Sinne der IAS vor. Das gleiche gilt für den Fall, daß im Versiche­ rungsvertrag vereinbart wird, daß Prämien oder Prämienteile unter bestimmten Vor­ aussetzungen zurückerstattet werden, und für den Fall, daß vor Ablauf des Ge­ schäftsjahres eine verpflichtende Erklärung über die Prämienrückerstattung abgege­ ben wird. In beiden Fällen beruht die Verpflichtung auf vergangenen Ereignissen, nämlich dem Eintritt der gesetzlich vorgeschriebenen oder vertraglich vereinbarten bzw. mündlich zugesagten Tatsache, im Sinne der Entstehung eines Überschusses oder des Eintrittes eines Schadenverlaufs, der sich von dem errechneten unterschei­ det. Von der Erfüllung der Verpflichtung wird erwartet, daß Ressourcen abfließen, die einen wirtschaftlichen Nutzen verkörpern. Im Ergebnis liegt bei einer gesetzlich vorgeschriebenen oder vertraglich vereinbarten Verpflichtung zur Prämienrückge­ währ damit eine liability im Sinne der IAS vor, und Aufwendungen für die Bildung der Rückstellung sind in der Erfolgsrechnung zu erfassen.

Eine solche, auf vergangenen Ereignissen beruhende Verpflichtung liegt allerdings dann nicht vor, wenn nicht bereits vor Ablauf des Geschäftsjahres, sondern erst im Laufe des folgenden Geschäftsjahres im Versicherungsuntemehmen die Entschei­ dung getroffen wird, Prämien zurückzuerstatten. Es handelt sich hier um eine freie unternehmerische Entscheidung, die nicht auf einer Verpflichtung des Versiche­ rungsuntemehmens gegenüber den Versicherungsnehmern beruht, wenn keine fakti­ sche Verpflichtung zur Rückerstattung der Prämien besteht (IAS 37.19).165 Da keine liability im Sinne der IAS vorliegt, sollen Beträge, die für diesen Zweck reserviert werden, in das Eigenkapital (equity) eingestellt werden.

Ob Beitragsrückerstattungen in einer Rückstellung erfaßt oder als Gewinnverwen­ dung qualifiziert und als Eigenkapital behandelt werden, hängt also davon ab, ob die Beitragsrückerstattung auf vergangenen Ereignissen (einer Verpflichtung) beruht oder auf einer freien unternehmerischen Entscheidung, die nicht vor Ablauf des Ge­ schäftsjahres getroffen wird. Ist die (erfolgsunabhängige) Beitragsrückerstattung vom Schadenverlauf oder vom Ergebnis einer überschaubaren Zahl von Versiche­ 165 Eine faktische Verpflichtung kann dann entstehen, wenn das Unternehmen durch sein bisher übliches Ge­ schäftsgebaren, öffentlich angekündigte Maßnahmen oder eine ausreichend spezifische, aktuelle Aussage ande­ ren Parteien gegenüber die Übernahme gewisser Verpflichtungen angedeutet hat und das Unternehmen da­ durch bei den anderen Parteien eine gerechtfertigte Erwartung geweckt hat, daß es diesen Verpflichtungen nachkommt.

144

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

rungsverträgen abhängig, dann liegt eine auf vergangenen Ereignissen beruhende Verpflichtung vor, und die Beitragsrückerstattung wird als liability erfaßt.166 Für die Erfolgsrechnung gibt es die Möglichkeiten, die Einstellung in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung als Aufwand oder als Verminderung der Prämienerträge zu erfassen. Da die erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung wie eine Prämienreduk­ tion wirkt, ist eine Behandlung als Verminderung der Prämienerträge zu befürworten.167 Die Entscheidung über die erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung obliegt allein dem Versicherungsuntemehmen. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Ergeb­ nis aus einem einzelnen Versicherungsvertrag besteht bei der erfolgsabhängigen Beitragsrückerstattung nicht. Sie ist deshalb grundsätzlich als equity, nämlich als Gewinnverwendung, einzustufen.168 Einer Einordnung als liability ist nur dann zuzu­ stimmen, wenn sich das Versicherungsuntemehmen im vorhinein durch Vertrag oder Satzung eindeutig und intersubjektiv nachprüfbar festgelegt hat, unter welchen Vor­ aussetzungen und in welcher Höhe die Beitragsrückerstattung zu erfolgen hat. An­ dernfalls werden zu große Spielräume für die Erfolgsermittlung eröffnet, durch die die Ergebnisse manipulierbar werden und damit nicht mehr willkürfrei zu ermitteln sind. Wenn die erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung nicht als Gewinnverwen­ dung behandelt wird, sondern als liability, sollte die Zuführung nicht wie bei der erfolgsunabhängigen Beitragsrückerstattung als Verminderung der Prämienerträge erfaßt werden, sondern gesondert als Aufwand, weil ein direkter Zusammenhang mit den Prämienerträgen in diesem Fall nicht vorliegt.169

3.4.3

Drohverlustrückstellung

3.4.3.1

Zweck einer Drohverlustrückstellung

Schwebende Geschäfte sind zweiseitig verpflichtende Liefer- oder Leistungsverträ­ ge, die noch nicht von beiden Vertragsparteien vollständig erfüllt wurden.170 Grund­ sätzlich werden die aus solchen Verträgen resultierenden Verpflichtungen und An­ sprüche nicht bilanziert, es sei denn, der Wert der eigenen Verpflichtung übersteigt den Wert des Anspruchs auf Gegenleistung (F. 91).171 Droht aus der Restabwick­ lung des schwebenden Geschäfts ein Verpflichtungsüberschuß (Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung), so ist dieser durch eine Rückstellung (provision) Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 222. Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 185. So auch Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 152. Vgl. Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 185. Vgl. Bieg, H., Erfassung schwebender Geschäfte, 1977, S. 114; Bieg, H., Schwebende Geschäfte, 1977, S. 65 ff; Jäger, B., Rückstellungen ftir drohende Verluste, 1991, S. 16. Dieser grenzt schwebende Geschäfte im enge­ ren (gegenseitige Verträge, die noch von keiner Seite teilerfüllt wurden) und im weiteren Sinne (Verträge, die noch von keiner Seite voll erfüllt wurden) voneinander ab. 171 Vgl. Dörner, D./Wollmert, P./Oser, P., IAS 10, 1997, S. 361, Tz. 49.

166 167 168 169 170

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

145

für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (kurz: Drohverlustrückstellung) • • • 172 zu antizipieren.

Im Versicherungsgeschäft dient die Drohverlustrückstellung der Abbildung des Änderungs- und des Irrtumsrisiko als Teile des versicherungstechnischen Risikos im Jahresabschluß. Dabei wird das Risiko der Veränderung der Schadenserwartungs­ werte z.B. wegen einer veränderten Gefahrenlage als Änderungsrisiko bezeichnet, das Risiko der fehlerhaften Prämienkalkulation aufgrund von falsch eingeschätzten Erwartungswerten als Irrtumsrisiko.173 Denn Änderungen der Schadenerwartungs­ werte bzw. unvollständige Informationen über die wahre Schadengesetzmäßigkeit künftiger Perioden stellen häufig die Ursache für eine unzureichende Festlegung der Gegenleistung Prämie dar. Die Bildung einer Drohverlustrückstellung ist allerdings erst dann möglich, wenn der drohende Verpflichtungsüberschuß und das ihm zugrundeliegende, sich voraussichtlich realisierende Änderungsrisiko bzw. Irrtums­ risiko erkennbar zutage tritt.174 Im folgenden ist zu untersuchen, unter welchen Vor­ aussetzungen und in welchem Umfang nach IAS eine Drohverlustrückstellung für Versicherungsuntemehmen zu bilden ist. 3.43.2

Erfüllung der liabüity-Kriterien nach IAS

Aufwendungen für die Bildung oder Erhöhung der Drohverlustrückstellung dürfen nur dann in die Erfolgsrechnung eines Versicherungsuntemehmens nach IAS aufge­ nommen werden, wenn diese zu Verminderungen von Vermögenswerten oder zur Erhöhung von Schulden (liabilities) führen. Die Verpflichtungsüberschüsse aus schwebenden Geschäften stellen dann eine Verbindlichkeit dar, wenn ein künftiger Abfluß von Ressourcen erwartet wird, der auf einer gegenwärtigen Verpflichtung aus vergangenen Ereignissen beruht. Liegt eine gegenwärtige Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens vor? Grundsätzlich werden Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften nicht bilan­ ziert, weil davon ausgegangen wird, daß Leistung und Gegenleistung ausgewogen sind.175 Wenn das Gleichgewicht zwischen erwarteter Leistung und Gegenleistung bei dem schwebenden Geschäft nicht mehr besteht und ein Verpflichtungsüberschuß entsteht, könnte eine Passivierung dieses Verpflichtungsüberschusses notwendig sein.176 Bei schwebenden Geschäften lassen sich auf einen einmaligen Leistungs­ austausch gerichtete Schuldverhältnisse und Dauerschuldverhältnisse unterschei­ den.177 Im Gegensatz zu Einzelschuldverhältnissen oder Einmalgeschäften zeichnen

172 Vgl. Geib, G./Wiedmann, H., Abzinsung, 1994, S. 375; Karten, W., Rückstellung für drohende Verluste, 1973, S. 1425. 173 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 77 - 83. 174 Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 63. 175 Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 17. 176 Vgl. Kühnberger, M., Drohverlustrückstellungen, 1990, S. 698. 177 Vgl. Dörner, D./Wollmert, P./Oser, P., IAS 10, 1997, S. 361, Tz. 50.

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

sich DauerschuldVerhältnisse dadurch aus, daß ihre Abwicklung einen längeren Zeitraum betrifft, weil sie ein dauerndes Verhalten oder einzelne Leistungen zum Inhalt haben, die regelmäßig wiederkehren. Versicherungsverträge sind als Dauer­ schuldverhältnisse einzuordnen, weil die Leistungserbringung durch mehrere bzw. kontinuierliche Erfüllungshandlungen erfolgt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, die Gewährung der abstrakten Dienstleistung Versicherungsschutz für den vertraglich vereinbarten Zeitraum.178 Die Gegenleistung, auf die ein Versicherungsuntemehmen Anspruch hat, stellt die im Versicherungsvertrag vereinbarte Prämie dar. Diese Gegenleistung erbringt der Versicherungsnehmer als Abnehmer des Gutes Versicherungsschutz durch die übli­ che Prämienvorauszahlung, im Regelfall einmal jährlich. Solange der Leistungszeit­ raum des Versicherungsvertrages noch nicht beendet ist, liegt ein schwebendes Dauerschuldverhältnis vor. Zwar wird die Gegenleistung durch den Versicherungs­ nehmer in der Regel für ein Jahr im voraus bereits vollständig erbracht, die Leistung des Versicherungsuntemehmens jedoch noch nicht. Bis zum Ablauf des Versiche­ rungsvertrags liegt deshalb ein Erfüllungsrückstand des Versicherungsuntemehmens vor. Endet die Laufzeit des Versicherungs Vertrages nicht zum Bilanzstichtag, son­ dern reicht über diesen hinaus, handelt es sich um ein am Bilanzstichtag schweben­ des Geschäft. Des weiteren ist festzustellen, ob aus dem schwebenden Geschäft ein Verpflich­ tungsüberschuß resultiert. Es muß geprüft werden, ob die auf bestimmte Zeitab­ schnitte bezogene Leistung und die entsprechende Gegenleistung ausgeglichen sind.179 Der Schwebezustand ist für die in der Vergangenheit erbrachten Teilleistun­ gen am Bilanzstichtag beendet, so daß von der sogenannten Restwertbetrachtung auszugehen ist. Verluste drohen danach nur, wenn der Wert der nach dem Bilanz­ stichtag noch zu erbringenden Leistung den Wert des Anspruchs auf die Gegenleis­ tung übersteigt; der bereits abgewickelte Teil des schwebenden Geschäfts, der sich auf die Zeit vor dem Bilanzstichtag bezieht, ist irrelevant.180 Ein Verpflichtungsü­ berschuß liegt vor, wenn der Erwartungswert der künftigen Schadenaufwendungen und der anderen einem oder mehreren Verträgen zurechenbaren Aufwendungen die künftigen Prämien und Nebenerträge überschreitet.181 Den Prämienerträgen, d.h. den abgegrenzten Prämieneinnahmen, sind deshalb die ab dem Bilanzstichtag erwarteten Schadenaufwendungen und Verwaltungsaufwendun­ gen gegenüberzustellen. Da die aus dem schwebenden Geschäft resultierenden Leistungen und Gegenleistungen zeitlich auseinanderfallen und die dem Abwick­ lungszeitpunkt vorgelagerten Einzahlungsströme zwischenzeitlich zinsbringend an­ 178 Nies, H., Rückstellungen für drohende Verluste, 1972, S. 130 - 135, setzt sich mit dem speziellen Fall des Ver­ sicherungsvertrags in seiner Eigenschaft als schwebendes Dauerschuldverhältnis auseinander. 179 Vgl. Nies, Rückstellungen für drohende Verluste, 1972, S. 388. 180 Vgl. Dörner, D./Wollmert, P./Oser, P., IAS 10, 1997, S. 362, Tz. 53. 181 Vgl. Karten, W., Rückstellung für drohende Verluste, 1973, S. 1425.

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gelegt werden können, sollten Kapitalanlageerträge - ebenso wie bei der Bewertung der Schadenrückstellung - bei der Ermittlung des Verpflichtungsüberschusses im Rahmen der Bewertung der Drohverlustrückstellung mit einbezogen werden.182 Das gleiche gilt auch für die Zinsaufwendungen, die aus der Aufnahme von Mitteln zur Beseitigung von Liquiditätsengpässen im Rahmen des schwebenden Geschäfts an­ fallen.183 Der Saldo aus diesen Aufwendungen und Erträgen ergibt das zu erwarten­ de Ergebnis aus den am Bilanzstichtag bestehenden Verträgen. Ist dieses negativ, so besteht ein Verpflichtungsüberschuß aus den Versicherungsverträgen. Bei diesem Verpflichtungsüberschuß handelt es sich um eine gegenwärtige Verpflichtung, weil zum Bilanzstichtag die Verpflichtung besteht, sämtliche zukünftig erwarteten Schä­ den aus den Versicherungsverträgen zu decken.

Außerdem wird ein künftiger Abfluß von Ressourcen erwartet, der auf vergangenen Ereignissen beruht: auf der Entscheidung in der Vergangenheit, einen Vertrag­ sabschluß zu tätigen, bei dem sich später - z.B. durch eine Änderung der Schaden­ erwartungswerte - herausstellt, daß er „schlecht“ bzw. nachteilig für das Versiche­ rungsuntemehmen ist. Deshalb ist die Drohverlustrückstellung nur fiir solche Versi­ cherungsverträge zu bilden, die vor dem Bilanzstichtag abgeschlossen wurden. Ver­ sicherungsverträge, die nach dem Bilanzstichtag abgeschlossen werden, sind nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie unvermeidbare Fortsetzungsverträge dar­ stellen.184 Sowohl die Position Prämienerträge als auch die Schaden- und Be­ triebsaufwendungen sind durch das vergangene Ereignis Vertragsabschluß determi­ niert. Eine gegenwärtige Verpflichtung erwächst nur dann, wenn die Vereinbarung unwiderruflich ist (F. 61). Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Entscheidung, einen untertarifierten Vertrag abzuschließen, sind dergestalt, daß sie dem Versiche­ rungsuntemehmen - wenn kein Kündigungsrecht besteht - nicht mehr die Freiheit lassen, den Abfluß von Ressourcen an die andere Partei zu vermeiden. Die Ver­ pflichtung des Versicherungsuntemehmens zur Zahlung im Schadenfall ist während der gesamten Vertragslaufzeit unwiderruflich. Die Möglichkeit, die Entscheidung zu revidieren, besteht frühestens bei der nächsten Kündigungsmöglichkeit. Von einer solchen Kündigung ist wegen der Häufigkeit von FolgeVerträgen im Regelfall jedoch nicht auszugehen. Damit liegt eindeutig eine liability im Sinne des Framework zu den IAS vor. Zwar wird der Ansatz einer liability bejaht, aber es ist nicht eindeutig, welchem Jahr die Aufwendungen, die sich aus der Bildung oder Erhöhung der Drohverlustrück­ stellung ergeben, zuzuordnen sind. Schließlich dient die Drohverlustrückstellung der Antizipation von Aufwendungen, die Erträgen künftiger Perioden zuzuordnen sind.185 Grundsätzlich sind Aufwendungen dem Grundsatz der sachlichen Zuord­

182 183 184 185

Siehe dazu ausführlich Abschnitt 4.6.13. Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 87. Vgl. Geib, G./Wiedmann, H., Abzinsung, 1994, S. 376. Vgl. Kühnberger, M„ Drohverlustrückstellungen, 1990, S. 700. Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 23

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

nung nach in der Periode zu erfassen, in der die zugehörigen Erträge entstehen. Die­ se Zuordnung von Aufwendungen zu Erträgen ist nicht zwingend in dem Sinn, daß Aufwendungen nur dann erfaßt werden dürfen, wenn ihnen Erträge gegenüberste­ hen. Ein Aufwand ist auch dann in der Erfolgsrechnung zu erfassen, wenn eine Aus­ gabe keinen künftigen wirtschaftlichen Nutzen bewirkt. Aufwendungen sind zu dem Zeitpunkt zu erfassen, zu dem sich auch die Schulden (liabilities) erhöhen, die ver­ läßlich ermittelt werden können. Dies ist zu dem Zeitpunkt des Abschlusses eines bestimmten Versicherungsvertrags der Fall, aus dem sich in der Zukunft Verpflich­ tungsüberschüsse ergeben. Der Verpflichtungsüberschuß muß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersehbar sein. Kommt es erst später zu einem Verpflichtungsüberschuß, z.B. durch eine Än­ derung der Schadenerwartungswerte, so ist der spätere Zeitpunkt der für die Auf­ wandserfassung relevante. 3.4.3.

3

Einzelvertrags- oder kollektivbezogene Betrachtung?

Es stellt sich die Frage, wie die Aufwendungen aus der Bildung bzw. Erhöhung der Drohverlustrückstellung im Detail zu ermitteln sind. Hierfür kommt eine einzelver­ trags- und eine kollektivbezogene Betrachtung in Frage. Die einzelvertragsbezogene Betrachtung berücksichtigt Verpflichtungsüberschüsse aus einzelnen Versiche­ rungsverträgen, die kollektivbezogene Betrachtung Verpflichtungsüberschüsse aus ganzen Versicherungsbeständen.

Wegen der Besonderheit der Versicherungsproduktion kann nicht auf einen einzel­ nen Vertrag in dem Sinne abgestellt werden, daß der Prämie die jeweils vertraglich fixierte Deckungshöchstsumme gegenübergestellt wird. Denn ein konkreter Schaden ist für einen bestimmten Vertrag nicht im voraus bekannt. Am Bilanzstichtag ist nicht erkennbar, welches Gebäude abbrennen oder welcher PKW gestohlen werden wird.186 Die Frage nach der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung kann nicht völlig isoliert von anderen Verträgen am einzelnen Versicherungsvertrag be­ urteilt werden.187 Jedoch könnte in dem Sinne auf einen einzelnen Vertrag abgestellt werden, daß den Prämienerträgen der individuelle Schadenerwartungswert gegenübergestellt wird, um den möglichen Verpflichtungsüberschuß zu ermitteln. Aus einem einzelnen Ver­ trag droht im Normalfall kein Verlust, weil die Prämienkalkulation vom individuel­ len Äquivalenzprinzip ausgeht, das besagt, daß jeder Versicherungsnehmer eine Ri­ sikoprämie in Höhe seines individuellen Schadenerwartungswerts aufbringt,188 d.h. daß jedem einzelnen Vertrag sein individueller Erwartungsschaden zuzurechnen

186 Vgl. Telgenbüsch er, F., Rückstellungen für drohende Verluste, 1995, S. 583. 187 Vgl. Scheidt, H., Drohverlustrückstellungen, 1991, S. 614. 188 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 54.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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ist.189 Ein Verpflichtungsüberschuß würde nur dann angenommen, wenn der Er­ wartungswert des Schadens die entsprechenden Prämienerträge überschreitet. Dies ist durch einen aufgrund von Änderungs- bzw. Irrtumsrisiko veränderten Erwar­ tungswert des Schadens möglich.

Versicherungsuntemehmen bieten den Versicherungsnehmern teilweise ganz be­ wußt eine Prämie an, die den Schadenerwartungswert nicht deckt, d.h. daß Versi­ cherungsuntemehmen eine markt- statt kostenorientierte Kalkulation durchfuhren.190 Die Versicherungsuntemehmen erhoffen sich auf diese Weise, daß die Kunden meh­ rere Versicherungsprodukte nachfragen191 und die niedrige Prämie so als Einstieg (Türöffher) in größere Kundenbeziehungen dient.192 Diese Zeichnungspolitik im großgewerblichen und industriellen Geschäft ist das sogenannte Cash-FlowUnderwriting, das dem sich aus Versicherungs Verträgen ergebenden Cash-Flow den Vorrang vor dem versicherungstechnischen Ergebnis gibt. Dabei werden Verluste aus einzelnen Versicherungs Verträgen bewußt in Kauf genommen in der Hoffnung, diese durch Kapitalerträge aus den korrespondierenden Prämieneinnahmen aus­ zugleichen.193 Ein Verpflichtungsüberschuß ergibt sich jedoch nur, wenn der Er­ wartungswert des Schadens inklusive der zurechenbaren Kapitalanlageerträge nega­ tiv ist.194 Der Verpflichtungsüberschuß könnte auf Basis des Schadenerwartungswertes eines einzelnen Vertrages ermittelt werden, indem die Prämienerträge und der Scha­ denerwartungswert aus einem einzelnen Vertrag einander gegenübergestellt werden. Dies würde bei einem Bestand von beispielsweise 100 Verträgen, von denen bei zehn die Prämien die jeweiligen Schadenerwartungswerte nicht decken und die rest­ lichen 90 zu einzelvertraglichen Gewinnen fuhren, bedeuten, daß der Verpflichtung­ süberschuß aus den zehn defizitären Verträgen unabhängig von den restlichen Ver­ trägen als Drohverlustrückstellung berücksichtigt wird. Die Forderung nach der Er­ mittlung des Verpflichtungsüberschusses aus dem Gesamtbestand der Verträge be­ ruht auf dem Prinzip des Risikoausgleichs im Kollektiv. Nach diesem ist auch hin­ sichtlich der Bewertung von Leistung und Gegenleistung von Kollektiven auszuge­ hen.195 Im genannten Beispiel bedeutet dies, daß die 100 Verträge als wirtschaftli­ che Einheit zu betrachten sind und kein Verpflichtungsüberschuß angenommen wird, wenn sich aus dem Gesamtbestand ein positiver Saldo ergibt.

189 190 191 192 193 194 195

Vgl. Karten, W., Rückstellung für drohende Verluste, 1973, S. 1428. Vgl. Jäger, B., Rückstellung für drohende Verluste, 1991, S. 67. Dies wird als Cross-selling-Effekt bezeichnet. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 602. Vgl. Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 189. Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 69. Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 27.

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Für eine Einzelbewertung spricht der Grundsatz der Willkürfreiheit, insbesondere deshalb, weil die Höhe des Verpflichtungsüberschusses für einen einzelnen Vertrag relativ eindeutig ermittelbar und deshalb auch intersubjektiv nachprüfbar ist. Bei der Bewertung des gesamten Kollektivs ist eine Abgrenzung des Kollektivs erforderlich. Eine solche Abgrenzung könnte nach Versicherungszweig, Versicherungsart oder einzelnen Kunden bzw. Kundengruppen vorgenommen werden. Letzteres bietet sich vor allem dann an, wenn ein Vertrag als Türoffher nicht kostendeckend kalkuliert wird, die übrigen Verträge mit dem gleichen Versicherungsnehmer jedoch Gewinn erwirtschaften. Eine Aufteilung ist innerhalb einer Sparte196 auch nach Gebieten oder Risikogruppen denkbar, wie z.B. bestimmte Personengruppen (z.B. Angestellte im öffentlichen Dienst).197 Diese verschiedenen Abgrenzungsmöglichkeiten können in einem Versicherungsuntemehmen zu einer großen Zahl verschiedenartiger Kol­ lektive fuhren. Eine willkürfreie Abgrenzung ist kaum durchführbar, weil es keine eindeutigen risikotheoretisch begründbaren Kriterien für die Abgrenzung der Kol­ lektive gibt.198 Auch eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Versicherungs­ untemehmen wird erschwert, wenn die Abgrenzung der Kollektive von jedem Un­ ternehmen individuell vorgenommen wird.

Für eine Zusammenfassung mehrerer Verträge zu einem Versicherungskollektiv sprechen auch die Grundsätze Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit.199 Es erscheint bei einem großen Bestand an Versicherungs Verträgen im Hinblick auf den erforder­ lichen Zeiteinsatz nicht möglich, jeden einzelnen Vertrag auf eine mögliche Unterta­ rifierung hin zu untersuchen. Es ist auch fraglich, ob eine kostspielige Einzelbewer­ tung einen zusätzlichen Informationsnutzen bewirkt. Bei Vorliegen relativ homoge­ ner Verträge entspricht die Summe der Einzelerfolgserwartungen i.d.R. der Gesamt­ erfolgserwartung des Kollektivs.200 Auch dem Grundsatz der glaubwürdigen Dar­ stellung entsprechend ist die kollektive Betrachtungsweise vorzuziehen, weil das Versicherungsgeschäft auf einer kollektiven Produktionsweise beruht. Grundlage der Versicherungsproduktion ist der Ausgleich im Kollektiv, der besagt, daß bei Vorliegen eines homogenen Kollektivs das Gesetz der großen Zahlen die Möglich­ keit einer relativ genauen Schätzung von unbekannten Erwartungswerten impli­ ziert.201 Diese Rechnungsgrundlagen machen die Ermittlung eines individuellen Schadenerwartungswertes erst möglich. Die Zusammenfassung zahlreicher Einzelri­ siken mit dem Ziel des Ausgleichs im Kollektiv ist die Voraussetzung, um überhaupt Versicherungsschutz produzieren zu können. Der Versicherungsvertrag kann nur in 196 Der Begriff Sparte bzw. Versicherungszweig umfaßt diejenigen Versicherungsverträge, die einer Anzahl weit­ gehend gleichartiger Risiken Versicherungsschutz gegen dieselben Gefahren bieten. Zu einer ausführlichen Definition dieser Begriffe vgl. Abschnitt 4.6.1. 197 Diese erhalten beispielsweise reduzierte Tarife für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Vgl. Telgenbüscher, F., Rückstellungen für drohende Verluste, 1995, S. 584. 198 Vgl. Kühnberger, M., Drohverlustrückstellungen, 1990, S. 698. 199 Vgl. Mehring, H., Bewertungseinheiten, 1994, S. 94. 200 Vgl. Jäger, B., Rückstellungen für drohende Verluste, 1991, S. 77. 201 Vgl. Albrecht, P., Ausgleich im Kollektiv, 1982, S. 514.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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einer Einheit mit der ihn tragenden Risikogemeinschaft existieren und bewertet wer­ den. Da in der Praxis auf diese Weise die Prämienhöhe, d.h. die Gegenleistung der Versicherungsnehmer, ermittelt wird, liegt es nahe, auch die Leistung des Versiche­ rungsuntemehmens (Verpflichtungsüberschuß) auf die gleiche Weise zu ermitteln.202 Eine kollektivbezogene Bewertung der Drohverlustrückstellung ist deshalb der Ein­ zelbewertung vorzuziehen.203 Grundsätzlich könnte dabei vom Gesamtbestand aus­ gegangen werden, oder dieser in einzelne Unterkollektive gegliedert werden. Um gleichzeitig der Forderung nach Willkürfreiheit bei der Abgrenzung der Kollek­ tive nachzukommen, sollte diese so vorgegeben werden, daß ein Vergleich in der Zeit und zwischen verschiedenen Unternehmen ermöglicht wird. Ziel ist es, einheit­ lich abgegrenzte Kollektive zu finden. Möglich wäre beispielsweise die Zusam­ menfassung aller Verträge eines Versicherungsnehmers oder aller Verträge, die ei­ ner einheitlichen Kalkulation unterliegen.204 Intersubjektiv gut nachvollziehbar wäre eine Abgrenzung der Kollektive nach Versicherungszweigen. Allerdings können sich auch hier Schwierigkeiten ergeben, weil kein einheitliches System der Abgren­ zung der Versicherungszweige existiert.205

3.4.4

Schwankungsrückstellung

3.4.4.1

Zweck einer Schwankungsrückstellung

In den Zweigen der Schaden- und Unfallversicherung kommt es regelmäßig zu rela­ tiv starken Abweichungen der tatsächlich eingetretenen Schäden vom Erwartungs­ wert der Schäden, die u.a. auf das Zufallsrisiko zurückzufuhren sind. Unter Zufalls­ risiko versteht man das zufallsbedingte Abweichen der tatsächlichen Schäden vom Erwartungsschaden wegen des Eintretens besonders vieler oder weniger Versiche­ rungsfälle bzw. besonders hoher oder niedriger Schäden.206

Eine Schwankungsrückstellung dient dem Risikoausgleich in der Zeit und soll die jährlichen Schadenschwankungen in Form von zufällig entstehenden Über- und Unterschäden ausgleichen, indem die Erfolgswirksamkeit der Schadenaufwendun­ gen auf ein mittleres Niveau hin korrigiert wird.207 Von einem Überschaden wird dann gesprochen, wenn der Effektivwert der Schäden, d.h. die tatsächliche Ausprä­ gung der Schäden, den Erwartungswert der Schäden überschreitet; von einem Un­ 202 Vgl. Nies, H., Rückstellungen für drohende Verluste, 1984, S. 133. 203 Nach Richter, H., Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 646, sprechen auch Praktikabi­ litätsgründe für der Ermittlung der Rückstellungen auf der Basis von Kollektiven. Zu den konkreten Bewer­ tungsverfahren für Drohverlustrückstellungen vgl. Kayser, G./Rettig, W., Bewertung von Rückstellungen fiir drohende Verluste, 1985, S. 251 ff. 204 Vgl. Mehring, H., Bewertungseinheiten, 1994, S. 96. 205 Dies gilt insbesondere fiir internationale Vergleiche, vgl. Kühnberger, M., Drohverlustrückstellungen, 1990, S. 698. Vgl. auch Farny, D., Rückstellungen fiir drohende Verluste, 1983, S. 1582. 206 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 72. 207 Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 146.

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

terschaden, wenn der Effektivwert der Schäden den Erwartungswert der Schäden unterschreitet.208 Liegt ein Unterschaden vor, so werden der Schwankungsrückstel­ lung unverbrauchte Prämienanteile einer Periode zugefuhrt, liegt ein Überschaden vor, so werden Prämienanteile entnommen.209 Die Schwankungsrückstellung umfaßt im folgenden auch die sogenannte Großrisikenrückstellung, die nach deutschem Recht die Rückstellung für die Versicherung von Atomanlagen und die Großrisikenrückstellung für die ProdukthaftpflichtVersicherung von Pharma-Risiken beinhaltet. Die Gründe für die Bildung der Schwankungs- und der Großrisikenrückstellung sind einander sehr ähnlich.210 Auch die Großrisikenrückstellung dient der Verstetigung des Periodenerfolgs durch den Ausgleich zufallsbedingter Schwankungen der Gesamtschadenhöhe.211 3.4.4.2

Erfüllung der liability-Kriterien nach IAS

Aufwendungen für die Bildung bzw. Erhöhung der Schwankungsrückstellung dürfen nur dann in die Erfolgsrechnung eines Versicherungsuntemehmens nach IAS aufgenommen werden, wenn sie zu Verminderungen von Vermögenswerten oder zur Er­ höhung von Schulden (liabilities) fuhren. Zu prüfen ist deshalb, ob die Schwan­ kungsrückstellung als liability im Sinne des Framework zu den IAS zu qualifizieren ist.

Die Verpflichtung des Versicherungsuntemehmens besteht darin, dem Versiche­ rungsnehmer Versicherungsschutz bereitzustellen, d.h. daß das Versicherungsunter­ nehmen im Schadenfall eine Leistung erbringt. Diese Verpflichtung besteht zu je­ dem Zeitpunkt des laufenden VersicherungsVertrages und nicht erst, wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist.212 Die Verpflichtung des Versicherungsunter­ nehmens besteht zum einen in der konkreten, individuellen Bereitstellung von Ver­ sicherungsschutz und zum anderen in der Fähigkeit des Versicherungsuntemehmens, die Bereitstellung von Versicherungsschutz strukturell zu ermöglichen.213 Um Ver­ sicherungsschutz bereitstellen zu können, muß das Versicherungsuntemehmen die Möglichkeit haben, den versicherungsspezifischen Produktionsprozeß durchzufuh­ ren. Dazu gehören der Risikoausgleich im Kollektiv und auch der Risikoausgleich in der Zeit als „technische Prinzipien der Versicherungsproduktion“.214

208 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 33. 209 Vgl. Karten, W., Schwankungsrückstellung, 1975, S. 225. 210 Karten, W., Schwankungsrückstellung, 1975, S. 237, hält sie sogar für gleichartig und sieht keine grundlegen­ den Unterschiede in der risikotheoretischen Begründung. 211 Vgl. Korn, J., Schwankungsreserven, 1997, S. 184. 212 Vgl. Kromschröder, B./Lehmann, M., Leistungswirtschaft, 1985, S. 200 f. 213 Vgl. Korn, J., Schwankungsreserven, 1997, S. 200. 214 Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 203.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

153

Der Risikoausgleich im Kollektiv beruht auf dem grundlegenden Produktionsgesetz der Versicherungstechnik, dem Gesetz der großen Zahlen.215 Es drückt die Erfah­ rung aus, daß mit zunehmender Zahl einer beobachteten Masse Zufälle eine immer geringere Rolle spielen.216 Individuelle Über- und Unterschäden der Einzelrisiken gleichen sich danach in den meisten Risikoarten und Versicherungszweigen ganz oder teilweise aus.217 Kennzeichen des Ausgleichs im Kollektiv sind abnehmende Verlustwahrscheinlichkeiten und Prämienvorteile in Gestalt sinkender Durch­ schnittsprämien. Dabei kann der Ausgleich umso besser erfolgen, je größer und ho­ mogener die Anzahl voneinander unabhängiger Risiken ist. Da die Versicherungs­ bestände in der Praxis nur eine gewisse Größe erreichen und meist nicht vollständig homogen sind, funktioniert der Ausgleich innerhalb einer Periode nie vollkommen. Durch die künstliche - im Prinzip willkürliche - Unterteilung des längerfristig ange­ legten Risikoausgleichsprozesses in verschiedene Geschäftsjahre (Rechnungsperio­ den) wird der Ausgleich im Kollektiv gestört.218

Wenn der Erwartungswert der Schäden bekannt wäre, dann würde die Nettorisiko­ prämie über die Totalperiode zu einem gegen Null gehenden Erfolg fuhren. Zu den Unter- bzw. Überschäden kommt es erst durch die Aufteilung der Totalperiode in einzelne Teilperioden (Geschäftsjahre). Der künstlich unterbrochene, permanente Risikoprozeß soll deshalb eine Berücksichtigung über einen zeitlichen Ausgleich erfahren. Dieser zeitliche Ausgleich kann quasi als ein auf mehrere Perioden verlän­ gerter Ausgleich im Kollektiv betrachtet werden, der wie eine Vergrößerung des Bestands wirkt.219 Dieser Risikoausgleich in der Zeit erfordert die Verrechnung der einperiodischen kollektiven Über- und Unterschäden miteinander.220 Die zufallsbe­ dingten Unterschäden dürfen zu diesem Zweck nicht als Gewinne realisiert werden, weil sie mit Sicherheit zu einem späteren Ausgleich von zufallsbedingten Überschä­ den benötigt werden.221 Die Schwankungsrückstellung gibt in Abhängigkeit von die­ sen Unter- bzw. Überschäden Beträge zur Ausschüttung frei oder wirkt als Aus­ schüttungssperre und dient damit der Herbeiführung des für die Produktion von Ver­ sicherungsschutz unabdingbaren Risikoausgleichs in der Zeit.222 Zur Produktion von Versicherungsschutz wiederum hat sich das Versicherungsuntemehmen vertraglich verpflichtet.223 Der Versicherungsschutz kann nur dann mit ausreichender Sicherheit auch in Zukunft gewährleistet werden, wenn die dauernde Erfüllbarkeit der Ver­

215 Daraus ergibt sich die Möglichkeit der sehr genauen Schätzung der Kalkulationsgrundlagen des Risikoge­ schäfts. 216 Vgl. Korn, J., Schwankungsreserven, 1997, S. 30. 217 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 34. 218 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 38. 219 Vgl. Jäger-von Ehrenstein, B., Ausgleich, 1996, S. 692 f. 220 Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 202. 221 Vgl. Braeß, P., Schwankungsrückstellung, 1967, S. 2 f. 222 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 133. 223 Vgl. Kromschröder, B./Lehmann, M., Leistungswirtschaft, 1985, S. 200 f.

154

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

pflichtungen aus dem Versicherungsvertrag sichergestellt ist.224 Um Versicherungs­ schutz als Dauerleistung bereitstellen zu können und damit der vertraglichen Ver­ pflichtung dem Versicherungsnehmer gegenüber nachzukommen, muß es dem Ver­ sicherungsuntemehmen ermöglicht werden, den notwendigen Risikoausgleich in der Zeit auch in der Rechnungslegung zu berücksichtigen. Das Vorliegen einer Ver­ pflichtung des Versicherungsuntemehmens im Sinne einer Verpflichtung zur Bereit­ stellung von Versicherungsschutz ist daher zu bejahen. Die Verpflichtung ist unwiderruflich, weil das Versicherungsuntemehmen im Re­ gelfall keine Möglichkeit hat, sich der Verpflichtung zur Zahlung im Schadenfall zu entziehen. Zwar ist es für das Versicherungsuntemehmen theoretisch möglich, Ver­ sicherungsverträge zu kündigen oder nicht weiter zu verlängern, wenn eine Ver­ schlechterung des Schadenverlaufs absehbar ist. Wegen des Interesses der Unter­ nehmen an langfristigen Kundenbindungen und weiteren Verträgen und wegen zu befürchtender Imageverluste besteht aber wohl eine faktische (d.h. wirtschaftliche) Verpflichtung zur Aufrechterhaltung oder Verlängerung der Verträge. Das Mana­ gement kann sich dieser Verpflichtung nicht später durch eine andere Entscheidung entziehen, wie es beim künftigen Erwerb von Vermögensgegenständen der Fall ist. Daher handelt es sich nicht um eine zukünftige Verpflichtung im Sinne des Frame­ work zu den IAS (F. 61).

Zur Begründung einer liability muß die Verpflichtung auf vergangenen Ereignissen begründet sein. Entscheidend ist hier die Frage, was unter „vergangenen Ereignis­ sen“ zu verstehen ist. Falls darunter ausschließlich bereits eingetretene Versiche­ rungsfälle subsumiert werden, kann die Schwankungsrückstellung nicht als liability qualifiziert werden. Als vergangenes Ereignis könnte jedoch das Auftreten eines Unterschadens in der Berichtsperiode interpretiert werden. Der Anfall künftiger (Mehr-)Ausgaben aufgrund von zu erwartenden Überschäden durch die in der je­ weiligen Periode auftretenden Unterschäden könnte Ergebnis der zufallsbedingten negativen Abweichung vom Schadenerwartungswert bei gleichbleibender Grund­ wahrscheinlichkeit sein und wäre damit Ausdruck der Stochastizität der Gesamt­ schadenverteilung.225 Fraglich ist, ob behauptet werden kann, daß sich mit dem Auftreten eines Unterschadens die Wahrscheinlichkeit, daß in der Zukunft mit ei­ nem Überschaden zu rechnen ist, verändern kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn, ähnlich wie beim Ziehen ohne Zurücklegen, mit länger dauerndem Nichteintreten eines Versicherungsfalls die Wahrscheinlichkeit des Eintretens ansteigt.226 Norma­ lerweise handelt es sich jedoch beim Eintritt von Versicherungsfällen um statistisch voneinander unabhängige Ereignisse, so daß die Vergangenheit keinen Einfluß auf

224 Vgl. Buck, H., Rückstellungen, 1995, S. 205. 225 So auch Korn, J., Schwankungsreserven, 1997, S. 201. 226 Z.B. Urnenmodell mit einer bestimmten Anzahl schwarzer und weißer Kugeln. Bei jedem Ziehen einer schwarzen Kugel steigt die Wahrscheinlichkeit für das Ziehen einer weißen Kugel. Vgl. dazu das Modell der hypergeometrischen Verteilung bei Fahrmeir, L./Künstler, R./Pigeot, I./Tutz, G., Statistik, 1999, S. 256.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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die Wahrscheinlichkeit des Eintretens künftiger Ereignisse hat.227 Aus dem Eintreten eines Unterschadens in der Berichtsperiode kann deshalb in den meisten Fällen kein Schluß auf das Eintreten von Überschäden in der Zukunft gezogen werden.

Andererseits könnte der Abschluß des Versicherungsvertrags selbst als vergangenes Ereignis interpretiert werden. Mit dem Abschluß des Versicherungsvertrags entsteht für das Versicherungsuntemehmen die Verpflichtung, Versicherungsschutz als Dau­ erleistung zur Verfügung zu stellen. Wie bereits erwähnt, ist Voraussetzung für die Bereitstellung von Versicherungsschutz die Durchführung des versicherungsspezifi­ schen Produktionsprozesses mit dem Risikoausgleich im Kollektiv und in der Zeit. Bei Abschluß des Vertrags ist eine generelle Erfassung des gesamten Erwartungs­ wertes der Schäden über die wirtschaftliche Versicherungsdauer zu fordern. Wenn nämlich keine Unterteilung der wirtschaftlichen Versicherungsdauer, die z.B. zehn Jahre umfaßt, in einzelne Rechnungsperioden erfolgen würde, entspräche die Ge­ samtverpflichtung annähernd dem Erwartungswert der Schäden. Denn bei hinrei­ chend großem Zeithorizont entspricht der Erwartungswert des arithmetischen Mit­ tels der beobachteten Schäden den erwarteten durchschnittlichen Schäden. Die Ver­ pflichtung des Versicherungsuntemehmens, die gesamten erwarteten Schäden zu tragen, liegt mit Abschluß des Versicherungs Vertrags vor.

Die Kriterien für den Ansatz einer liability können als erfüllt betrachtet werden und der Ansatz einer Schwankungsrückstellung im System der IAS begründet werden. Zwar wird auch die Meinung vertreten, daß die Schwankungsrückstellung eher den Charakter von Eigenkapital hat, weil sie als Risikoreserve eine Eigenkapitalfünktion wahmimmt und bei Liquidation des Unternehmens den Eigenkapitalgebem zu­ steht.228 Dem steht jedoch nicht nur die Grundannahme der Untemehmensfortführung (going concern) entgegen, sondern auch die Tatsache, daß eine wirkungsvolle Eliminierung der Zufallsschwankungen nur innerhalb der Erfolgsermittlung möglich ist, nicht erst im Rahmen der Gewinnverwendung.229 Dem Einwand, daß der Erwartungswert der Schäden bereits bei der Bemessung der Schadenrückstellung berücksichtigt werden könnte, ist entgegenzuhalten, daß der Leser detaillierte und damit relevantere Informationen erhält, wenn er erkennen kann, welche Schäden im vergangenen Jahr tatsächlich eingetreten sind und in wel­ cher Höhe Über- bzw. Unterschäden vorliegen.

Mit dem Ansatz einer liability ist auch die Erfassung von Aufwendungen verbunden (F. 70 b). Diese werden zu dem Zeitpunkt in der Erfolgsrechnung erfaßt, zu dem die Abnahme des künftigen wirtschaftlichen Nutzens verläßlich ermittelt werden kann.

227 So kann für eine bestimmte Region die Wahrscheinlichkeit des Auftretens heftiger Stürme festgelegt werden. Falls jedoch ein orkanreiches Jahr vergangen ist, entspricht die Wahrscheinlichkeit für Stürme im kommenden Jahr wieder der allgemeinen Sturmwahrscheinlichkeit. Der Zufall hat kein Gedächtnis. 228 Vgl. Braeß, P., Schwankungsrückstellung, 1967, S. 7. 229 Vgl. Jäger-von Ehrenstein, B., Ausgleich, 1996, S. 695.

156

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Anders als bei der Zuordnung der Schadenausgaben auf die Verursachungsperioden ist nicht der einzelfallbezogene Zeitpunkt der Verursachung der Schäden relevant, sondern der Zeitpunkt des Eintritts des Unterschadens, der sich auf das gesamte Kollektiv der Verträge bezieht. Zu diesem Zeitpunkt kann die Abnahme des künfti­ gen wirtschaftlichen Nutzens schon relativ sicher bestimmt werden. Diese ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Effektivwert der Schäden des Jahres und dem Erwartungswert der Schäden des Jahres.230 Aufwendungen für die Veränderung der Schwankungsrückstellung sind also nicht bereits zum Zeitpunkt des Vertragsab­ schlusses zu erfassen, sondern erst zum Zeitpunkt des Eintritts des Unterschadens. Theoretisch könnte der umgekehrte Fall, nämlich das Auftreten eines Überschadens, in der Bilanz als asset berücksichtigt werden.231 Eine Aktivierung scheitert jedoch an der fehlenden Verfügungsmacht des Versicherungsuntemehmens über die Res­ source „künftiger Unterschaden“. Die Veränderung der Schwankungsrückstellung sollte wegen ihres besonderen Cha­ rakters in der Erfolgsrechnung gesondert ausgewiesen und nicht mit der Verände­ rung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen saldiert bzw. zusam­ mengefaßt werden.232

3.5

Betriebsaufwendungen

3.5.1

Überblick

Betriebsaufwendungen entstehen in einem Versicherungsuntemehmens unabhängig vom Eintritt eines Versicherungsfalls und den damit verbundenen Regulierungsauf­ wendungen, z.B. für den Abschluß von Versicherungs Verträgen oder die Verwal­ tung des gesamten Versicherungsuntemehmens bzw. die Verwaltung von Versiche­ rungsverträgen.233 Die Aufwendungen für den Abschluß von VersicherungsVerträ­ gen beziehen sich in erster Linie auf Aufwendungen, wie z.B. Abschlußprovisionen und ähnliche Vergütungen, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versi­ cherungsverträgen anfallen (im folgenden als Vertriebsaufwendungen bezeichnet).234 Die Verwaltungsaufwendungen umfassen die Aufwendungen für die Verwaltung von Versicherungs Verträgen und die Verwaltung des gesamten Versicherungsunter­ nehmens und beinhalten jeweils Personal- und Sachaufwendungen des Versicherungsuntemehmens.235 Im Gegensatz zu den Prämienerträgen und den Schadenauf­ wendungen handelt es sich dabei nicht um arteigene Aufwandsgrößen von Versiche230 Zur Bewertung der Schwankungsrückstellung vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 147 ff. 231 Wie es z.B. in Ungarn bis 1989 der Fall war. Vgl. dazu Altenburger, O., Versicherungen, 1996, S. 548 f. 232 So auch Altenburger, O., Jahresabschlußformblätter, 1994, S. 32, wenn auch als Kritik an den deutschen Vor­ schriften, und Maser, H., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 978. 233 Vgl. Müller, B., Betriebsergebnisrechnung, 1998, S. 91; Farny, D., Betriebskosten, 1977, S. 167. 234 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 154. 235 Vgl. Müller, B., Betriebsergebnisrechnung, 1998, S. 92.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

157

rungsuntemehmen.236 Die Behandlung der Aufwendungen für die Vermittlung von Versicherungsverträgen hat für Versicherungsuntemehmen wegen ihres Umfangs eine besondere Bedeutung.

3.5.2

Vertriebsaufwendungen

3.5.2.1

Arten von Vertriebsaufwendungen

Die Dienstleistung Versicherungsschutz läßt sich in der Regel nicht ohne eine aus­ führliche Beratung des Versicherungskunden absetzen.237 Dies liegt vor allem daran, daß es sich dabei um ein erklärungsbedürftiges, schwer verkäufliches Gut handelt, das zu einer langfristigen Vertragsbindung führt. Für potentielle Versicherungskun­ den ist der Bedarf nach diesem Produkt außerdem oft nicht erkennbar.238 Die meis­ ten Versicherungsuntemehmen haben für den Vertrieb ihrer Produkte eine umfang­ reiche Außendienstorganisation aufgebaut, die hauptsächlich Personalkosten, meist in Form von Provisionen, verursacht oder nehmen Maklerleistungen in Anspruch.239 Die bedeutendsten Bestandteile der Vertriebsaufwendungen sind einzel- und ge­ samtleistungsbezogene Provisionsaufwendungen. Bei diesen handelt es sich um leistungsbezogene Vergütungen, die sich auf verschiedene Mengen- und Wertgrö­ ßen als Bemessungsgrundlage beziehen, meist auf Absatz- (z.B. Anzahl der abge­ schlossenen Verträge, Jahresprämie eines Versicherungs Vertrags) oder Gewinnzie­ le.240 Zu unterscheiden sind Provisionen, die einmalig, wie die Abschluß- oder Ver­ längerungsprovisionen, und solche, die wiederholt als sogenannte Folgeprovisionen für die laufende Betreuung der Kunden und die Verwaltung der Versicherungs Ver­ träge gewährt werden. Die Abschlußprovisionen (einmalige Provisionen) werden bereits im ersten Versicherungsjahr in voller Höhe vergütet. Das Prinzip der Ein­ malprovision dominiert in den Personenversicherungszweigen und den Sachversi­ cherungszweigen des Privatkundengeschäfts.241 Beispiele für Folgeprovisionen sind Bestandspflege-, Verwaltungs-, Inkassoprovisionen und Provisionen für die Scha­ denregulierung. Folgeprovisionen sind in der Kraftverkehrsversicherung und in den Sachversicherungszweigen des Firmenkundengeschäfts üblich. Im Gegensatz zur Abschlußprovision erhält der Vermittler die Folgeprovision üblicherweise ratierlich.242

236 237 238 239 240 241 242

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Engeländer, E, Erfolgsermittlung, 1998, S. 97. Schucht, E, Aussagefähigkeit, 1991, S. 108. Kurtenbach, W./Kühlmann, K./Käßer-Pawelka, G., Versicherungsmarketing, 1992, S. 17 f. Schucht, F., Aussagefähigkeit, 1991, S. 108. Engeländer, E, Erfolgsermittlung, 1998, S. 652. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 651. Eilenbürger, F./Horbach, L./Kölschbach, J., Einzelfragen, 1996, S. 46.

158

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.5.2.2

Abgrenzung der Provisionen

3.5.2.2.1 Problematik

Die Abgrenzung der Folgeprovisionen auf die einzelnen Rechnungsperioden ist meist unproblematisch, weil die Provisionen regelmäßig und in gleicher Höhe anfallen. Anders ist dies bei den einmaligen Provisionen wie der Abschlußprovision. Die vollständige Erfassung der Abschlußprovision als Aufwand im Jahr des Ver­ tragsabschlusses bewirkt in Zeiten hoher Akquisitionserfolge hohe Provisionsauf­ wendungen. Dies fuhrt in Neugeschäftsjahren zu starken Gewinnminderungen oder Verlusten, weil die entsprechenden Prämienerträge erst im folgenden Jahr oder in den folgenden Jahren vereinnahmt werden. Insofern entsprechen Aufwand und Er­ trag einander nicht. Da Abschlußprovisionen eine Art Investition in den zukünftigen Versicherungsbestand darstellen, ist zu diskutieren, ob es sinnvoll wäre, sie nicht im Jahr des Vertragsabschlusses voll als Aufwand zu verrechnen, sondern sie über die Jahre der Laufzeit des Versicherungsvertrags zu verteilen. Eine Zurechnung der Abschlußprovisionen auf mehrere Rechnungsperioden ist aus den genannten Grün­ den sinnvoll.243 Dies würde der Grundannahme der periodengerechten Erfolgser­ mittlung entsprechen, nach der Ein- und Auszahlungen nicht zum Zeitpunkt ihres Zu- oder Abflusses erfolgswirksam erfaßt werden, sondern in den Perioden, denen sie wirtschaftlich zuzuordnen sind.

3.S.2.2.2 Erfüllung der asset-Kriterien nach IAS Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls wie die Ausgaben für Abschlußprovisionen auf mehrere Rechnungsperioden verteilt werden sollen. Grundsätzlich ist dies nur dann möglich, wenn die Ausgaben als asset akti­ viert werden können. Es ist also zu prüfen, inwieweit die Abschlußprovisionen unter die asset-Definition subsumiert werden können. Wie bereits erwähnt, umfassen as­ sets nicht nur Güter im Sinne einer statischen Vermögensgegenstandsdefinition, sondern auch Abgrenzungsposten, die zur Erreichung einer periodengerechten Ge­ winnermittlung notwendig sind. Dies ist die Folge der Grundannahme der perioden­ gerechten Erfolgsermittlung.244

Um als asset aktiviert werden zu können, muß eine in der Verfugungsmacht des Unternehmens stehende Ressource vorliegen. Als eine solche kann der durch die Abschlußprovision erworbene Versicherungsvertrag bezeichnet werden. Die Res­ source muß außerdem das Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit sein. Ereig­ nisse, deren Eintreten für die Zukunft erwartet wird, erzeugen keine Vermögens­ werte, wie z.B. die Absicht, Vorräte zu kaufen. Der Abschluß eines Versicherungs­ 243 Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 100; Fourie, D., Renditevergleiche, 1999, S. 1399; Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 66 ff.; Schucht, F., Aussagefähigkeit, 1991, S. 109. 244 Vgl. von Keitz, I., Immaterielle Güter, 1997, S. 182.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

159

Vertrages ist demgegenüber als vergangenes Ereignis zu qualifizieren. Zwar wird ein großer Teil der Zahlungsmittelzuflüsse erst in der Zukunft erwartet, die Ursache der künftigen Einzahlungsströme liegt jedoch in der Vergangenheit. Des weiteren muß die Ressource in der Verfugungsmacht des Versicherungsuntemehmens stehen. Dies ist nach dem Abschluß des Versicherungsvertrags der Fall. Dem könnte entgegen­ gehalten werden, daß die meisten Versicherungsverträge nur für ein Jahr abge­ schlossen werden und deshalb keinen über dieses Jahr hinausgehenden Nutzen ver­ sprechen. Der größte Teil der nur einjährig abgeschlossenen Verträge wird aber durch automatische Verlängerungsklauseln und die Häufigkeit von Folgeverträgen effektiv zu mehljährigen Verträgen, so daß dies der Aktivierung der Abschlußauf­ wendungen als asset nicht entgegensteht. Außerdem wird nach der asset-Definition von der Ressource erwartet, daß dem Unternehmen daraus ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt. Von der Ausga­ be Abschlußprovision, die an einen Vermittler für die Anbahnung des Versiche­ rungsvertrages gewährt wird, wird erwartet, daß dem Unternehmen aus diesem ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt. Dieser wirtschaftliche Nutzen repräsen­ tiert das Potential zum Zufluß von Zahlungsmitteln, weil davon ausgegangen wird, daß aus dem Abschluß der häufig langfristigen Verträge in den nächsten Jahren Prämieneinnahmen fließen werden. Durch die Ausgabe Abschlußprovisionen wird der Abschluß von Versicherungsverträgen bewirkt, die das Versicherungsuntemeh­ men über längere Zeit nutzt. Diese Nutzung besteht im Recht auf die Prämienein­ nahmen aus dem Versicherungsbestand.245

Es ist außerdem zu prüfen, ob der IAS 38, der sich insbesondere mit den Ansatz­ kriterien fiir immaterielle Vermögensgegenstände (intangible assets) beschäftigt, einer Aktivierung der Abschlußprovisionen entgegensteht. Zwar schließt der An­ wendungsbereich des IAS 38 intangible assets, die aus Verträgen mit Versiche­ rungsnehmern entstehen, explizit aus, dennoch sollte, ebenso wie bei IAS 18, eine analoge Anwendung des IAS 38 geprüft werden. Denn der IAS „Insurance“ sollte so in das gesamte Normensystem eingebunden werden, daß die Vergleichbarkeit mit den Abschlüssen der Unternehmen anderer Branchen erhalten bleibt.

Ein intangible asset wird durch drei Parameter gekennzeichnet. 1. Zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen: Wie bereits festgestellt, wird durch die Ak­ quisitionstätigkeit und die damit verbundenen Abschlußprovisionen ein wirt­ schaftlicher Nutzen fiir das Versicherungsuntemehmen angestrebt. Dieser kann sich in einer Kostensenkung oder einer Einnahme realisieren. Dabei sollte nicht auf das zukünftig erwartete Neugeschäft durch die Akquisitionstätigkeit abgestellt werden, sondern auf den tatsächlich akquirierten Versicherungsbestand im Sinne des Neugeschäftsbestands des laufenden Geschäftsjahres, um dem Kriterium der

245 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 73.

160

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Wahrscheinlichkeit des künftigen Nutzens und dem Kriterium der Verläßlichkeit der Wertermittlung entsprechen zu können.246

2. Identifizierbarkeit: Der Nutzen aus der Ressource muß als einzeln identifizierba­ rer Vermögenswert im Unterschied zu einem Geschäfts- oder Firmenwert fest­ stellbar sein. Eine Einzelveräußerbarkeit wird nicht gefordert. Mit Abschluß eines Versicherungsvertrages kann der künftige wirtschaftliche Nutzen im einzelnen identifiziert werden.

3. Kontrolle (= Control): Ein Unternehmen „steuert“ den Vermögenswert, wenn es in der Lage ist, den Nutzen zu realisieren und andere Unternehmen von diesem Nutzen auszuschließen, wie dies bei Innehaben eines Rechts (legal right) der Fall ist. Das Versicherungsuntemehmen verfügt über den Versicherungsvertrag. Eine solche Kontrolle des Vermögens wertes wird zwar durch die vorhandene Kündi­ gungsmöglichkeit von Versicherungsverträgen erschwert.247 Dennoch werden, wie bereits erwähnt, einjährige Versicherungsverträge wegen der Häufigkeit von Folge Verträgen effektiv zu mehljährigen Verträgen. Während der Vertragslaufzeit hat das Versicherungsuntemehmen auch die Möglichkeit, andere Unternehmen von dem Nutzen auszuschließen. Auch der IAS 38 steht also einer Aktivierung der Abschlußprovisionen als asset nicht entgegen.

Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, daß Abschlußprovisionen nicht mit Kundenlisten nach IAS 38.51 gleichzusetzen sind. In IAS 38.51 wird die Aktivie­ rung von Kundenlisten mit der Begründung abgelehnt, daß Kosten für Kundenlisten nicht von den Kosten für die Entwicklung des Unternehmens als Ganzes unterschie­ den werden können. Die Kosten für den Abschluß der Versicherungs Verträge (in Form von Provisionen) können jedoch deutlich von den Kosten für die Entwicklung des gesamten Unternehmens abgegrenzt werden. Außerdem handelt es sich bei den abgeschlossenen Versicherungs Verträgen um eine vertragliche Verpflichtung, die die Versicherungsnehmer stärker bindet, als es bei sonstigen Kundenbeziehungen z.B. im Bereich von Konsumgütem der Fall ist. Da die IAS sich zunehmend in Richtung eines Ansatzes der assets und liabilities zu Marktwerten (fair value) und damit zu Zukunfts- und Ertragswerten bewegen,248 ist zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, Kundenbeziehungen grundsätzlich zur Ak­ tivierung als immaterielle Vermögensgegenstände zuzulassen. Die Nutzenpotentiale,

246 Vgl. Altenburger, O., Entscheidungsorientierte Kostenrechnung, 1975, S. 463; Maser, H., Konzernrechnungs­ legung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 878. 247 Maser, H., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 878, interpretiert den Begriff „control“ um und bejaht auf diese Weise das Vorliegen eines intangible asset. Er versteht „control“ nicht ausschließlich als das Innehaben eines Rechts, sondern in einem weiteren Sinn als einen Prozeß in der Unternehmenssteuerung. Der künftige Nutzen aus Versicherungsverträgen kann auf die Weise gesteuert wer­ den, daß z.B. Versicherungsverträge durch ein effizientes Dokumentations- und Analysesystem überwacht und, falls notwendig, Gegenmaßnahmen schnell und überprüfbar umgesetzt werden. 248 Dies wird z.B. an der geplanten Neufassung des IAS 25 und IAS 39 deutlich.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

161

wie Kundenbeziehungen oder das Wissen von Mitarbeitern, die zunehmend den Untemehmenswert bestimmen, könnten abgebildet werden. Auf diese Weise würde sich auch die Differenz zwischen Substanz- und Ertragswerten vermindern lassen. Für Versicherungsuntemehmen sind Kundenbeziehungen von besonderer Bedeu­ tung. Ziel der Vertriebsbemühungen ist häufig der Stammkunde als Basis für Neu­ geschäft und Cross-selling-Effekte. Er stellt den „wichtigsten Aktivposten des Ver­ sicherungsuntemehmens“ dar und ist eine kalkulierbare wirtschaftliche Größe.249 Für eine Aktivierung und anschließende Verteilung der Abschlußprovisionen auf die Perioden der Vertragsdauer spricht auch, daß Aufwendungen nach IAS grundsätz­ lich in der Periode in der Erfolgsrechnung zu erfassen sind, der sie zugeordnet wer­ den können. Aufwendungen werden in der Erfolgsrechnung auf der Grundlage eines direkten Zusammenhangs zwischen den angefallenen Aufwendungen und den ent­ sprechenden Erträgen erfaßt. Dies entspricht dem Prinzip der sachlichen Zuordnung (F. 95). Aufwendungen werden also dann in die Erfolgsrechnung aufgenommen, wenn auch die zugehörigen Erträge anfallen. Prämieneinnahmen und Abschlußauf­ wendungen stehen in einem direkten kausalen Zusammenhang. Die Einnahmen sind unmittelbar durch die Abschlußaufwendungen verursacht. Deshalb ist es logisch und sinnvoll, die Abschlußaufwendungen nicht in voller Höhe in der Periode des Ver­ tragsabschlusses als Aufwand zu erfassen, sondern den jeweiligen Prämienerträgen der Perioden der Vertragslaufzeit zuzuordnen.250 Eine Erfassung in der Periode des Vertragsabschlusses würde periodenfremde Effekte ergeben, weil die Deckungsbei­ träge für die Abschlußaufwendungen erst im Verlauf der folgenden Versicherungs­ perioden dem Versicherungsuntemehmen zufließen.251 Eine Aktivierung der Abschlußprovisionen ist allerdings dann problematisch, wenn die Versicherungs­ verträge vorzeitig durch den Kunden gekündigt werden. Dann ist eine solche verur­ sachungsgerechte Zuordnung der Aufwendungen zu den Erträgen nicht mehr mög­ lich. Die aktivierten Abschlußprovisionen müßten in diesem Fall außerplanmäßig abgeschrieben werden. Ähnlich wie bei der Stomorückstellung sollte diese Ab­ schreibung durch einen Abschlag in Höhe der wahrscheinlich ausfallenden Verträge vorweggenommen werden.

Entsprechend dem qualitativen Merkmal nützlicher Informationen „glaubwürdige Darstellung“ ist eine Abgrenzung der Abschlußprovisionen zu befürworten. Würden die Abschlußprovisionen in voller Höhe im Jahr des Vertragsabschlusses erfaßt, dann entstünde ein falscher Eindruck vom Erfolg des Versicherungsuntemehmens, weil Jahre mit hohem Neugeschäft stärker belastet wären als Jahre mit geringerem Neugeschäft. Auch unter dem Gesichtspunkt der Relevanz der Informationen ist ei­ ne Aktivierung der Abschlußprovisionen und anschließende gleichmäßige Vertei-

249 Vgl. Maser, H., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 881; von Keitz, I., Immaterielle Güter, 1997, S. 202. 250 Vgl. Heimbucher, H., Abschlußkosten, 1961, S. 310. 251 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 73.

162

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

lung über die Laufzeit der Versicherungsverträge vorzuziehen, weil dadurch die Prognoseeignung der Informationen in der Erfolgsrechnung erhöht wird.252 Das Hauptargument für eine solche Abgrenzung ist jedoch der Grundsatz der Vergleich­ barkeit. Intertemporale und zwischenbetriebliche Vergleiche werden wesentlich er­ leichtert, wenn die Aufwendungen für Abschlußprovisionen periodisiert werden.253 Die Abgrenzung der Abschlußprovisionen sollte entsprechend der erwarteten Lauf­ zeit der zugrundeliegenden Versicherungsverträge erfolgen. Eine solche Abgrenzung sollte ausschließlich für die Abschlußprovisionen selbst gelten. Eine Aktivierung sonstiger Vertriebsaufwendungen, wie z.B. eine Kampagne zur Imagewerbung oder Aufwendungen, die im Rahmen des Auf- oder Ausbaus der Außendienstorganisation anfallen, ist nicht zu befürworten, weil nur der akquirierte Versicherungsbestand, nicht aber das zukünftig erwartete Neugeschäft durch die Akquisitionstätigkeit den künftigen wirtschaftlichen Nutzen, der Voraussetzung für eine Aktivierung als asset ist, schafft.254

3.5.3

Verwaltungsaufwendungen

Zu den Verwaltungsaufwendungen zählen die Aufwendungen für Personal (z.B. Löhne, Gehälter und Aufwendungen für die soziale Sicherung), für sonstige von au­ ßen bezogene Dienstleistungen, für sachliche Betriebsmittel (z.B. Mietaufwendun­ gen und Abschreibungen auf Betriebsmittel) und für Kostensteuem.255 Verwaltungs­ aufwendungen sind kein Branchenspezifikum von Versicherungsuntemehmen. Dementsprechend sind die allgemeinen Regeln der IAS anzuwenden.

Die Personalaufwendungen bzw. Leistungen an Arbeitnehmer sind im IAS 19 gere­ gelt. Leistungen an Arbeitnehmer umfassen nach der Definition im IAS 19.7 alle Formen der Vergütung, die ein Unternehmen im Austausch für die von Arbeitneh­ mern erbrachte Arbeitsleistung gewährt. Zu unterscheiden sind u.a. kurzfristig fälli­ ge Leistungen an Arbeitnehmer und Pläne für Leistungen nach Beendigung des Ar­ beitsverhältnisses (insbesondere Altersversorgungsleistungen). Zu den kurzfristig fälligen Leistungen sind Löhne, Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge, vergütete kurzzeitige Abwesenheiten, wie bezahlter Jahresurlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Gewinn- und Erfolgsbeteiligungen, die innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Periode, in der die entsprechende Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen sind, und geldwerte Leistungen wie medizinische Versorgung oder Dienst­ wagen zu zählen. Löhne, Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge sind als Auf­ wand der Periode zu erfassen (IAS 19.10 b). Die erwarteten Aufwendungen für kurzfristig fällige Leistungen an Arbeitnehmer in Form von vergüteten Abwesen­

252 253 254 255

Vgl. Fourie, D., Renditevergleiche, 1999, S. 1399. So auch Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 142, m.w.N. Vgl. Maser, H., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 878. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 154.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

163

heiten sind im Falle ansammelbarer Ansprüche auf vergütete Abwesenheit (Ansprü­ che, die in die Zukunft vorgetragen und in späteren Perioden genutzt werden kön­ nen) zu erfassen, sobald die Arbeitsleistungen durch die Arbeitnehmer erbracht werden, und im Falle nicht ansammelbarer Ansprüche auf vergütete Abwesenheit in der Periode, in der die Abwesenheit eintritt. Die Ansammlung von Mitteln für Leis­ tungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (insbesondere Altersversorgungs­ leistungen) kann extern über unabhängige Pensionsfonds oder intern im Wege der bilanziellen Rückstellungsbildung erfolgen.256 Dabei regelt IAS 19 die Rechnungs­ legung beim Unternehmen selbst und IAS 26 die Rechnungslegung des eigenständi­ gen Pensionsfonds. Aufwendungen, die einem Unternehmen aufgrund der direkten Gewährung von Pensionszusagen entstehen, sind in den Perioden erfolgswirksam zu verrechnen, in denen der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt und sich den Anspruch auf die künftige Leistung verdient. Verpflichtet sich das Unternehmen zur Zahlung von vereinbarten Beträgen an einen externen Fonds, der im Versorgungsfall die Zahlung der Pensionsleistung übernimmt, ist als Pensionsaufwand der Betrag zu erfassen, den das Unternehmen an den externen Fonds zahlt.257

Auch bei sonstigen von außen bezogenen Dienstleistungen ist der Betrag, den das Versicherungsuntemehmen an den Lieferanten der Dienstleistung zu zahlen hat, in der Periode zu erfassen, in der die Leistungen in Anspruch genommen worden sind. Werden betriebswirtschaftliche Funktionen ausgegliedert, wie z.B. die Bestands­ verwaltung, das Rechnungswesen oder sonstige Dienstleistungen, wie z.B. Gutach­ ten, sind die dafür zu entrichtenden Vergütungen dem Zeitraum der Inanspruchnah­ me der Dienstleistungen zuzurechnen.258 Aufwendungen für bezogene Verbrauchs­ güter sollten - soweit möglich - in voller Höhe der Periode zugeordnet werden, in der sie im Produktionsprozeß eingesetzt werden. Wegen der zeitproportionalen Leistungsbewirkung bei der Überlassung und Nutzung von Immobilien werden die Mietausgaben den verschiedenen Rechnungsperioden zeitproportional zugerechnet. Die Abschreibungen sind ebenfalls nach den allgemeinen Vorschriften der IAS ab­ zugrenzen.259 Zu nennen sind hier insbesondere IAS 16, der vorschreibt, daß der abschreibungsfähige Betrag eines Gegenstands des Sachanlagevermögens planmä­ ßig über die voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungsdauer zu verteilen ist. Als Ab­ schreibungsmethoden werden die lineare, die degressive und die Abschreibung nach der Inanspruchnahme genannt (IAS 16.43 ff.).

256 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 138. 257 Zu Details vgl. IAS 19 und IAS 26. Zu den Gruppen versicherungsmathematischer Bewertungsverfahren der Pensionsverpflichtung vgl. Pellens, B., Internationale Rechnungslegung, 1998, S. 420. 258 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 233. 259 Vgl. dazu insbesondere IAS 16 und LAS 4.

164

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.6

Erträge und Aufwendungen aus passiver Rück­ versicherung

3.6.1

Überblick

Im folgenden wird die Abbildung der Erträge und Aufwendungen aus passiver Rückversicherung diskutiert. Die passive Rückversicherung ist ein Sicherungssys­ tem eigener Art zwischen Versicherungsuntemehmen und stellt dementsprechend ein Spezifikum der Versicherungsbranche dar.260 „Rückversicherung ist die Versicherungsnahme eines Erstversicherers (Zedenten) bei einem Rückversicherer (Zes­ sionar).“261 Dabei überträgt der Erstversicherer gegen Zahlung eines Preises eine Wahrscheinlichkeitsverteilung von Schäden an den Rückversicherer. Man bezeich­ net eine solche Abgabe von Risiken als passive Rückversicherung, eine solche Übemahme von Risiken dagegen als aktive Rückversicherung.262 Die passive Rück­ versicherung soll dazu dienen, das versicherungstechnische Risiko aus dem Bestand des Erstversicherers zu vermindern, also die Gefahr, daß der tatsächliche Schaden­ bedarf des Erstversicherers den zu erwartenden Schadenbedarf übersteigt.263 Diese risikomindemde Wirkung wird durch eine Begrenzung der Schäden für das Erstversicherungsuntemehmen erreicht.264 Die passive Rückversicherung hat eine risikopo­ litische Funktion für Erstversicherungsuntemehmen.265 Darüber hinaus werden wei­ tere Ziele, wie die Erhöhung der Zeichnungskapazität des Erstversicherers, die Vermeidung von Liquiditätsengpässen und die Sicherstellung der Solvabilität ver­ folgt.266 Grundsätzlich sind im Rückversicherungsbereich traditionelle Rückversicherungs­ formen und Financial Reinsurance-Verträge zu unterscheiden, die jeweils unter­ schiedlich abzubilden sind. Zunächst wird auf die traditionellen Rückversiche­ rungsformen eingegangen und erläutert, welche traditionellen Rückversicherungs­ formen zu unterscheiden sind, welche Zahlungsströme zwischen Erst- und Rückver­ sicherer fließen und mit Hilfe welcher Modelle die verschiedenen traditionellen Rückversicherungsformen in der Erfolgsrechnung abgebildet werden können. An­ hand des wirtschaftlichen und des juristischen Charakters der passiven Rückversi­ cherung und der Prüfung der Erfüllung der asset- und der liability-Kriterien nach

260 261 262 263

Vgl. Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 717. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 486. Vgl. Koch, P., Rückversicherung, 1988, S. 693. Zu einem Überblick über die Funktionen der passiven Rückversicherung vgl. Beck, D., Aussagekraft, 1981, S. 704; Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 365; Schmidt, J., Rückversiche­ rung, 1980, S. 12 ff. 264 Vgl. Huth, J./ Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 426. 265 Vgl. Beck, D., Aussagekraft, 1981, S. 704. 266 Vgl. Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 426. Unter der Solvabilität versteht man die erforderliche Mindesthöhe an Eigenmitteln, die ein Versicherungsunternehmen nachweisen muß, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verträge sicherzustellen. Vgl. Gabler Versicherungslexikon, 1994, S. 777.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

165

IAS sollen konkrete Fragen der Abbildung der passiven Rückversicherung gelöst werden. Im Anschluß daran ist die Abbildung von Financial Reinsurance-Verträgen in der Erfolgsrechnung zu diskutieren. Auch bei Financial Reinsurance-Verträgen werden zunächst die verschiedenen Formen bzw. Vertragstypen dargestellt, um dann, ausgehend vom wirtschaftlichen Charakter der Financial ReinsuranceVerträge, deren Abbildung in der Erfolgsrechnung als Finanzierungs- oder Rückver­ sicherungsvertrag zu klären.

3.6.2

Traditionelle Rückversicherungsformen

3.6.2.1

Grundlagen

3.6.2.1.1 Proportionale und nichtproportionale Rückversicherungsformen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das rückzuversichemde Risiko (d.h. die Scha­ denverteilungen) zwischen Zedent und Rückversicherer aufzuteilen.267 Danach bestimmen sich die verschiedenen Rückversicherungsformen.268 Man unterscheidet dabei proportionale und nichtproportionale Rückversicherungsformen.269 Bei der proportionalen Rückversicherung wird das Risiko zwischen Zedent und Rückversi­ cherer in einem bestimmten Verhältnis (Prozentsatz) aufgeteilt, nach dem sich so­ wohl der Anteil des Rückversicherers an der Prämie als auch an allen Schäden be­ stimmt.270 In der Quotenrückversicherung ist dies ein fester Prozentsatz der Prämien und Schäden.271 Der Rückversicherer ist z.B. mit 50 % an den Prämien und den Schäden beteiligt, ohne Rücksicht auf die Höhe der Versicherungssummen der einzelnen rückversicherten Policen.272 Die Quotenrückversicherung bietet sich bei einem Ver­ sicherungsbestand an, der sich aus einer großen Zahl ähnlicher Risiken mit gleichen Haftungsgrenzen zusammensetzt, wie z.B. Haftpflicht- oder KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung.273

In der Summenexzedentenrückversicherung ergibt sich der Anteil des Rückversiche­ rers aus dem den Selbstbehalt des Erstversicherers (Maximum) übersteigenden Be­ trag der Versicherungssumme (Summenexzedent) im Verhältnis zur Gesamtversi­ cherungssumme.274 Beträgt der Selbstbehalt beispielsweise 10.000 DM und werden neun Maxima rückversichert (neun mal der Selbstbehalt, d.h. 90.000 DM), kann der

267 268 269 270 271 272 273 274

Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 48. Vgl. Carter, R., Reinsurance, 1995, S. 165 ff. Zu einem Überblick vgl. Elliot, M., Reinsurance, 1995, Vol. I, S. 5 - 9. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 66. Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 118. Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 48. Vgl. Labes, H., Rückversicherungsformen, 1988, S. 704. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 488.

166

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Erstversicherer 100.000 DM zeichnen. Der Rückversicherer erhält 90 % der Prämie und zahlt im Gegenzug 90 % jedes bei diesem Versicherungsvertrag anfallenden Schadens, unabhängig von seiner Höhe. Der Erstversicherer deckt die übrigen 10 % des Schadens.275 Häufig wird vereinbart, daß der rückversicherte Summenexzedent ein bestimmtes Vielfaches des Maximums nicht übersteigen darf, was zu einer Höchstzeichnungsgrenze für den Erstversicherer fuhrt. Der Rückversicherer ist bei der Summenexzedentenrückversicherung zwar, wie bei der Quotenrückversicherung auch, prozentual an den Schäden beteiligt, jedoch variiert der Anteil des Rückversi­ cherers an den Risiken abhängig von den einzelnen Versicherungssummen. Bei Verträgen mit hohen Versicherungssummen ist der Anteil des Rückversicherers dementsprechend höher als bei solchen mit niedrigeren Versicherungssummen.276 Die beiden Rückversicherungsformen unterscheiden sich letztlich nur dadurch, daß der Selbstbehalt des Erstversicherers bei der Quotenrückversicherung als fester Pro­ zentsatz definiert ist, während er bei der Summenexzedentenrückversicherung in Abhängigkeit von den zugrundeliegenden Risiken variiert. Die Beteiligung des Rückversicherers an den Prämien und Schäden des Erstversicherers erfolgt jedoch in jedem Fall proportional.277 Dagegen wird die Leistung des Rückversicherers bei der nichtproportionalen Rück­ versicherung ausschließlich durch die Höhe des Schadens bestimmt.278 Prämiener­ träge und Schadenaufwendungen werden nicht proportional zwischen Erst- und Rückversicherer aufgeteilt.279 Alle über einen Schadenselbstbehalt (Priorität) des Erstversicherers hinausgehenden Schäden (Schadenexzedenten) werden vom Rück­ versicherer entweder unbegrenzt oder bis zu einer bestimmten Höhe übernom­ men.280 Dabei gibt es Deckungen pro Einzelschadenereignis (Einzelschaden­ exzedentenrückversicherung = Excess of Loss Cover = Working Cover), für den Kumulfall (Kumul- oder Schadenereignisrückversicherung) und für die Gesamtschä­ den eines Versicherungsbestands während einer Rechnungsperiode (Jahresüber­ schadenrückversicherung = Stop Loss Cover). Die Jahresüberschadenrückversiche­ rung deckt Schäden, die eine meist als Prozentsatz der Jahresprämien ausgedrückte Priorität übersteigen.281 Die einzelnen Rückversicherungsformen schützen in unterschiedlicher Weise gegen Schwankungen der Schadenhäufigkeit oder der Schadenhöhe und damit gegen Schwankungen des Jahresschadenaufwands des Erstversicherers. Nichtproportio­ nale Rückversicherungsformen werden in erster Linie in Versicherungszweigen mit starker Streuung der Schadengrößen angewendet (z.B. Haftpflicht- und Elementar275 276 277 278 279 280 281

Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 52. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 488. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 68. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 68. Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 61. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 489. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 71.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

167

Schadenversicherungen).282 Sie haben den Zweck, Schwankungen durch seltene, aber hohe Schäden (z.B. Industriefeuerschäden) oder durch die Kumulierung vieler Einzelschäden zu einem Zeitpunkt (z.B. Elementarschäden) auszugleichen. Propor­ tionale Rückversicherungsformen federn dagegen vor allem Schwankungen im Klein- und Mittelschadenbereich ab.283 3.6.2.1.2 Zahlungsströme zwischen Erst- und Rückversicherer Die wichtigsten Zahlungs- bzw. Erfolgsströme zwischen Erst- und Rückversicherer sind die folgenden:

(1)

Der Erstversicherer zahlt an den bzw. die Rückversicherer eine Rückversi­ cherungsprämie, die meist einem Teil der vom Erstversicherer eingenomme­ nen Prämie entspricht. Für den Erstversicherer sind dies Ausgaben, unabhän­ gig davon ob es sich um Barzahlung oder die Verbuchung auf einem Konto­ korrentkonto handelt.284

(2)

Dem Erstversicherer fließen vom Rückversicherer Einnahmen aus dessen Beteiligung an den Schäden des Erstversicherers zu, die abhängig von der Rückversicherungsform und dem Schadenverlauf der einzelnen Risiken sind.

(3)

Bei den proportionalen Rückversicherungsformen vergütet der Rückversiche­ rer dem Erstversicherer eine Rückversicherungsprovision sowie Gewinnan­ teile aus der Zession, die häufig in einer variablen Provision (Staffelprovision) zusammengefaßt werden und vom Schadenverlauf oder dem Gewinn der Zes­ sion abhängig sind.285

(4)

Weitere Einnahmen und Ausgaben ergeben sich durch Forderungen und Ver­ bindlichkeiten aus Depots, die dem Erstversicherer vom Rückversicherer als Sicherheiten gestellt werden.

Es stellt sich die Frage, wie die passive Rückversicherung in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen abzubilden ist, ob es sich um income und expenses oder um erfolgsneutrale Vorgänge handelt. Erfolgsneutrale Vorgänge sind solche Einnahmen und Ausgaben, die nur Bestandsumschichtungen darstellen, wie Kapital­ überlassungen, bei denen gegenläufige Einnahmen und Ausgaben miteinander ge­ koppelt sind.286 Eine Wertentstehung oder ein Werteverzehr findet nicht statt. Im folgenden ist zu klären, ob es sich bei den monetären Vorgängen aus dem Rückver­ sicherungsverkehr um erfolgsneutrale Einnahmen und Ausgaben handelt, denen Ge­

282 283 284 285 286

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 488. Gerathewohl, K./Bauer, W., Zusammenwirken, 1981, S. 968. Kesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 364. Farny, D., Darstellung der Erfolgsstruktur, 1975, S. 74. Kesberg, D., Diskussion, 1980, S. 73.

168

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

geneinnahmen und -ausgaben eindeutig gegenüberstehen, oder ob Erträge und Auf­ wendungen (income, expenses) vorliegen. 3.6.2.1.3 Modelle der Abbildung der passiven Rückversicherung

Eine sachgerechte Abbildung der Zahlungsströme aus der passiven Rückversiche­ rung kann nur erreicht werden, wenn sie dem wirtschaftlichen Charakter der passi­ ven Rückversicherung entspricht. In diesem Zusammenhang werden die „Schicks­ alteilungstheorie“ und die „Produktionsfaktortheorie“ unterschieden. Der Schicksalteilungstheorie liegt die Vorstellung einer schicksalhaften Teilung der Risikogeschäfte und der daraus resultierenden Erfolgsströme zwischen Erst- und Rückversicherer zugrunde.287 Der Rückversicherer wird an allen Erträgen und Auf­ wendungen (d.h. Schaden- und Betriebsaufwendungen, Prämienerträgen) aus dem Geschäft des Erstversicherers entsprechend der gewählten Rückversicherungsform beteiligt. Die mit der Rückversicherung zusammenhängenden Zahlungsströme wer­ den als erfolgswirksame Vorgänge betrachtet, die die Aufteilung der Risiken zwi­ schen Erst- und Rückversicherer abbilden sollen und eine Art Gegenrechnung oder Korrektur zu den Prämienerträgen und Schadenaufwendungen des Erstversicherers darstellen. Der Schicksalteilungstheorie zufolge werden die Zahlungen des Rück­ versicherers an den Erstversicherer als Erträge, die Zahlungen der Erstversicherers an den Rückversicherer als Aufwendungen angesehen.288

Die Produktionsfaktortheorie geht von der Vorstellung aus, daß Rückversicherung einen Produktionsfaktor im Produktionsprozeß des Erstversicherers darstellt, ähn­ lich einem Halbfabrikat in der industriellen Produktion, das auf einem Markt, im Versicherungsfall auf dem Rückversicherungsmarkt, beschafft wird. Der Erstversi­ cherer stellt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zur Verfügung, der sich als Kombination aus selbst erstelltem und „eingekauftem“ Versicherungsschutz ergibt. Dabei erkennt der Versicherungsnehmer im Regelfall nicht, wie der Versi­ cherungsschutz kombiniert ist.289 Rückversicherungsschutz weist alle Merkmale eines Produktionsfaktors auf: Er ist ein knappes Wirtschaftsgut, das einen Wert hat und im Produktionsprozeß des Erst­ versicherers einen Beitrag zur Entstehung der Produkte leistet. Er vermindert das versicherungstechnische Risiko und erhöht dadurch die Zeichnungskapazität des Erstversicherers.290 Aus der Sicht des Erstversicherers bedeutet dies, daß der Pro­ duktionsfaktor Schadenvergütungen durch den Produktionsfaktor passive Rückver­ sicherung substituiert werden kann. Bei einem konstanten Output können die Einsatzmengen dieser beiden Produktionsfaktoren variiert werden, d.h. Schaden­ 287 288 289 290

Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 365. Vgl. Farny, D., Darstellung der Erfolgsstruktur, 1975, S. 74 f. Vgl. Farny, D., Darstellung der Erfolgsstruktur, 1975, S. 81. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 487.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

169

aufwendungen durch Rückversicherungsaufwendungen ersetzt werden und umge­ kehrt.291 Die Konsequenz dieser Interpretation ist, daß zwar die Rückversicherungsprämien Aufwendungen darstellen, die Zahlungen des Rückversicherers für seinen Anteil an den Bruttoschadenaufwendungen beim Erstversicherer jedoch als erfolgsneutrale Geldbewegungen betrachtet werden. Es handelt sich bei letzteren um Zahlungsein­ gänge im Zusammenhang mit einem Beschaffungsvorgang und nicht um Erträge, die in einem Leistungsprozeß entstanden sind und bei denen ein Werteverzehr stattfin­ det.292 Die auf den Rückversichereranteil entfallenden Schadenausgaben werden durch Einnahmen aus den Rückversicherererstattungen kompensiert und deshalb als durchlaufende Posten gesehen.

3.6.2.2

Rückversicherungsprämien und Einnahmen aus Rückversichereran­ teilen an den Schadenausgaben

3.6.2.2.1 Wirtschaftlicher Charakter der passiven Rückversicherung

Die Schicksalteilungstheorie ist grundsätzlich anzuzweifeln, weil der Sinn der Rückversicherung nicht in einer schicksalhaften Teilung aller Geschäftsvorgänge und Erfolgsströme besteht, sondern im zielorientierten Einsatz eines risikopoliti­ schen Instruments. Selbst wenn man die Schicksalteilungstheorie als Erklärungsmo­ dell für die proportionale Rückversicherung, insbesondere bei der Quotenrückversi­ cherung, noch für geeignet hält, kann dies bei den nichtproportionalen Rückversi­ cherungsformen kaum noch der Fall sein. Denn in der nichtproportionalen Rückver­ sicherung beteiligt sich der Rückversicherer nur dann an den Schadenaufwendungen des Erstversicherers, wenn die tatsächlichen Schäden die vereinbarten Prioritäten (Selbstbehalte) übersteigen. In der Jahresüberschadenrückversicherung (Stop Loss) wird nicht mehr auf einzelne Risiken abgestellt, sondern auf einen kollektivbezoge­ nen Erfolg. Die Fiktion der Schicksalteilung der Erfolgsströme kann nicht auffecht­ erhalten werden, weil eine durchgängige und einheitliche Zurechnung der Erfolgs­ effekte aus dem selbst abgeschlossenen auf das davon in Rückdeckung gegebene Geschäft für die proportionale Rückversicherung einerseits und die nichtproportio­ nale Rückversicherung andererseits nicht möglich ist.293

Nach der Produktionsfaktortheorie werden die Ausgaben für die Beschaffung von Rückversicherungsschutz als Aufwendungen qualifiziert, die Rückversichererer­ stattungen jedoch nicht als Ertrag. Diese sind als durchlaufende Posten erfolgsneut­ ral zu behandeln, weil die passive Rückversicherung einen Produktionsfaktor dar­

291 Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 366. 292 Vgl. Farny, D., Darstellung der Erfolgsstruktur, 1975, S. 83. 293 Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 365 f.

170

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

stellt.294 Wenn jedoch die Auffassung vertreten wird, daß der Produktionsfaktor passive Rückversicherung substitutional nicht mit dem Produktionsfaktor Schaden­ vergütung, wie vorher argumentiert wurde, sondern mit dem Produktionsfaktor Si­ cherheitskapital verbunden ist, dann kann aus der Produktionsfaktortheorie begrün­ det werden, daß Rückversicherererstattungen einen Ertrag darstellen können.295

Der Erstversicherer kann entscheiden, inwieweit er sein eigenes Sicherheitskapital durch die passive Rückversicherung ersetzt.296 Für die Verpflichtung dem Versiche­ rungsnehmer gegenüber ist es völlig unerheblich, wie der Erstversicherer seine Pro­ duktion durchfuhrt, ob mit Hilfe von Sicherheitskapital oder passiver Rückversiche­ rung. Durch passive Rückversicherung ändert sich für den Versicherungsnehmer nicht die Menge, sondern die Qualität des ihm zur Verfügung gestellten Versiche­ rungsschutzes. Denn der Einsatz von passiver Rückversicherung stellt eine Erhö­ hung der Sicherheit des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer dar.297

Die Einbeziehung des qualitätsverbessemden Produktionsfaktors „passive Rückver­ sicherung“ kann deshalb als die Einfügung einer zusätzlichen Produktionsstufe in die Versicherungsproduktion interpretiert werden und stellt den Übergang zu einem anderen Produktionsverfahren dar.298 Diese zusätzliche Produktionsstufe in der Leistungserstellung des Erstversicherers bewirkt einen Werteverzehr (Aufwand für die passive Rückversicherung) bzw. eine Wertentstehung (Ertrag aus dem Zufluß von Rückversicherungsleistungen). Die Erfassung von Aufwand für die passive Rückversicherung und von Erträgen aus Rückversicherererstattungen zeigt die Er­ folgseffizienz der zusätzlichen Produktionsstufe auf.299 Die Rückversicherererstat­ tungen sind innerbetrieblichen Erträgen vergleichbar, die zur Aufwandskorrektur in die Erfolgsrechnung eingestellt werden. Im Ergebnis ist also von einer modifizierten Produktionsfaktortheorie auszugehen. Danach sind nicht nur Rückversicherungs­ prämien als Aufwendungen, sondern auch Rückversicherererstattungen als Erträge zu qualifizieren.300

3.6.2.2.2 Juristischer Charakter der passiven Rückversicherung

Bei der Abbildung der Zahlungsströme aus der passiven Rückversicherung sollten außerdem die rechtlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach sind Informationen gemäß ihrem tatsächli­ chen wirtschaftlichen Gehalt und nicht allein gemäß der rechtlichen Gestaltung dar­ zustellen. Denn der wirtschaftliche Gehalt von Geschäftsvorfällen stimmt nicht im­ 294 295 296 297 298 299 300

Vgl. Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkungen, 1977, S. 511. Vgl. Hesberg, D., Diskussion, 1980, S. 71. Vgl. Hesberg, D. Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 375. Vgl. Schmidt, J., Rückversicherung, 1980, S. 35. Vgl. Hesberg, D., Diskussion, 1980, S. 71. Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 368. Vgl. Eilenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 84.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

171

mer mit dem überein, was scheinbar aus ihrer rechtlichen Gestaltung hervorgeht. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß die juristische Sichtweise grundsätzlich irrelevant ist. Im Gegenteil: Die rechtliche Gestaltung kann auch dazu beitragen, den wirtschaftlichen Charakter eines Sachverhalts zu verdeut­ lichen.

Es wird die Ansicht vertreten, daß Erst- und Rückversicherer bei der Versiche­ rungsproduktion zusammenarbeiten und der Erstversicherer die Schadenzahlungen an den Versicherungsnehmer deshalb in Höhe der Rückversichereranteile - wirt­ schaftlich gesehen - zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Rückversiche­ rers tätigt.301 Ausgaben, die im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung geleistet werden, sind kein Aufwand, sondern durchlaufende Posten und werden dementspre­ chend als erfolgsneutrale Ausgaben behandelt (IAS 18.7). Solche Beträge, die dem Unternehmen zugunsten Dritter zufließen, sind z.B. Umsatz- oder andere VerkehrsSteuern oder Einnahmen, die im Rahmen von Vermittlungsgeschäften erzielt werden und an den Auftraggeber weitergeleitet werden, wie z.B. erhaltene Zahlungen für Kommissionsware. Sie zählen, im Gegensatz zu den bei solchen Geschäften flie­ ßenden Provisionen, nicht zu den Erträgen (IAS 18.7).302 Nur für eigene Rechnung erwirtschaftete Beträge stellen Erträge dar. Entscheidend ist also die Frage, ob die Versicherungsleistungen an den Versiche­ rungsnehmer für Rechnung des Erst- oder Rückversicherers getätigt werden. Das Versicherungsuntemehmen leistet im Schadenfall an den Versicherungsnehmer auf­ grund eines Versicherungsvertrages. Das Versicherungsuntemehmen allein ist zur Leistung verpflichtet, und es kann sich nicht unter Hinweis auf die Rückversiche­ rung der Leistungsverpflichtung entziehen. Der Rückversicherer wiederum leistet aufgrund des selbständigen Versicherungs Vertrages an den Erstversicherer, eine di­ rekte Verpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer besteht für ihn nicht. Das Rückversicherungsgeschäft vollzieht sich intern zwischen Erst- und Rückversicherer und begründet keinerlei Rechtsbeziehungen zwischen Versicherungsnehmer und Rückversicherer.303 Die Rückversicherung tritt dem Versicherungsnehmer gegen­ über nicht in Erscheinung, in der Regel weiß dieser nicht einmal von der Beteiligung des Rückversicherers an den Schadenzahlungen. Juristisch bestehen mit dem Erstversicherungs- und dem Rückversicherungsvertrag also zwei getrennte Rechtsverhältnisse, die nicht ohne weiteres miteinander ver­ rechnet werden dürfen. Ein Industriebetrieb hat auch nicht die Möglichkeit, die von einem Versicherer zur Abdeckung eines erlittenen Schadens erhaltenen Leistungen mit seinen eigenen Aufwendungen zu saldieren. Der Erstversicherer besorgt seine

301 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 106. 302 Vgl. Ordelheide, D./Böckem, H., IAS 18, 1997, S. 594, Tz. 5. 303 Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 13.

m

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

eigenen Geschäfte, auch wenn er ein Risiko in Rückdeckung gibt.304 Die Rückversi­ cherung sichert ihn lediglich „finanziell ab und mindert seinen Vermögensschaden“. Dies ist daran zu erkennen, daß der Erstversicherer bei Zahlungsunfähigkeit des Rückversicherers die vollen Schadenaufwendungen selbst zu tragen hat.305 Die ju­ ristische Betrachtungsweise führt - wie die wirtschaftliche Betrachtungsweise auch zu dem Ergebnis, daß der Erstversicherer die Ausgaben für Rückversichereranteile an den Schadenaufwendungen nicht für fremde Rechnung tätigt. Die genannten Schadenausgaben sind damit als Aufwendungen zu erfassen. 3.6.2.2.3 Erfüllung der asset- und der liability-Kriterien nach IAS In erster Linie ist jedoch zu klären, ob Einnahmen und Ausgaben aus der passiven Rückversicherung zu Erträgen und Aufwendungen im Sinne der IAS fuhren. Auf­ wendungen für Rückversicherungsprämien stellen eine Abnahme des wirtschaftli­ chen Nutzens in Form von Abgängen oder Wertminderungen der assets bzw. der Zunahme der liabilities während einer Abrechnungsperiode dar, die zu einer Ver­ minderung des Eigenkapitals führen und nicht auf Ausschüttungen an die Anteils­ eigner oder Kapitalherabsetzungen zurückzuführen sind (F. 70 b). Die Aufwendun­ gen für den Einsatz des Produktionsfaktor Rückversicherung stellen eine Abnahme des wirtschaftlichen Nutzens dar und sind durch die Leistungserstellung im Versi­ cherungsuntemehmen veranlaßt. Die Aufwandseigenschaft der Rückversicherer­ prämien ist deshalb relativ unstrittig. Ungewöhnlich ist es dagegen, die Einnahmen aus Rückversicherererstattungen als Erträge zu interpretieren. Deshalb ist im fol­ genden zu untersuchen, ob Einnahmen aus Rückversicherererstattungen im System der IAS zu Erträgen führen können.

Erträge (income) sind nach dem Framework zu den IAS als Zunahme des wirt­ schaftlichen Nutzens in Form von Zugängen oder Aufwertungen von assets oder als Abnahme von liabilities während einer Abrechnungsperiode definiert, die eine Er­ höhung des Eigenkapitals bewirken, welche nicht auf Einlagen der Anteilseigner oder Kapitalerhöhungen zurückzuführen ist (F. 70 a). Nach IAS 18.8 umfaßt der Begriff Ertrag nur eine solche Zunahme des wirtschaftlichen Nutzens in Form von Zuflüssen, die aus Einnahmen resultiert, die das Unternehmen selbst für eigene Rechnung erhält. Eine Zunahme des wirtschaftlichen Nutzens entsteht für das Erstversicherungsuntemehmen dadurch, daß es mit dem Einsatz von Rückversiche­ rungsschutz Risiken übernehmen kann, die es ohne den Produktionsfaktor Rückver­ sicherungsschutz nicht übernehmen könnte. Sowohl aus juristischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht ist es eindeutig, daß das Erstversicherungsuntemehmen sein eigenes Geschäft betreibt, also für eigene Rechnung wirtschaftet, auch wenn es ein

304 Vgl. zur Behandlung rechtlich selbständiger Verträge im Zusammenhang mit der Rückversicherung Altenbur­ ger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 548, mit ausführlichen Literaturhinweisen. 305 Vgl. Angerer, A., Rechnungslegung, 1972, S. 738.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

173

Risiko in Rückdeckung gibt und die Rückversicherung es finanziell absichert. Nach IAS 18.1 kann ein Ertrag z.B. durch die Erbringung einer Dienstleistung entstehen. Als Dienstleistung wird die Ausführung vertraglich vereinbarter Aufgaben über ei­ nen bestimmten Zeitraum durch das Unternehmen verstanden (IAS 18.4). Einen Er­ trag können also nur jene Einnahmen darstellen, die durch die Ausführung vertrag­ lich vereinbarter Aufgaben verursacht sind.

Rückversicherererstattungen können demnach nur dann als Erträge interpretiert werden, wenn sie durch die Ausführung vertraglich vereinbarter Aufgaben, also durch eine Leistung des Versicherungsuntemehmens, verursacht sind. Die Vorleis­ tung des Erstversicherungsunternehmens besteht darin, daß das Erstversichemngsuntemehmen bei Eintritt eines Versicherungsfalls zunächst alle Schäden bezahlt und diese als Aufwand erfaßt. Im nachhinein erhält das Erstversicherungsuntemehmen Zuflüsse in Form von Rückversicherererstattungen vom Rückversicherungsunter­ nehmen. Das Erstversicherungsuntemehmen erbringt durch die Vorausleistung da­ mit wirtschaftlich gesehen eine Dienstleistung für das Rückversicherungsuntemehmen.

Im Versicherungsfall hat das Versicherungsuntemehmen eine gegenwärtige Ver­ pflichtung dem Versicherungsnehmer gegenüber, die aus vergangenen Ereignissen, nämlich einem eingetretenen Schadenfall, resultiert. Um die Verpflichtung zu erfül­ len, müssen aus dem Unternehmen Ressourcen, die einen wirtschaftlichen Nutzen verkörpern (Geld), abfließen. Die Verpflichtung zu Schadenauszahlungen stellt des­ halb eine liability im Sinne des Framework der IAS dar. Da der Versicherungsneh­ mer keine vertragliche Vereinbarung mit dem Rückversichemngsuntemehmen hat, kann Rückversicherungs schütz die liabilities gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht vermindern. Dagegen bewirken Rückversicherererstattungen eine Zunahme des wirtschaftlichen Nutzens des Erstversicherungsuntemehmens in Form einer Zu­ nahme der assets entweder in Form eines Zugangs zum Bankkonto oder einer Erhö­ hung der Forderungen gegenüber dem Rückversichemngsuntemehmen während ei­ ner Abrechnungsperiode (F. 70 a).

Es erscheint also auch nach der Definition der Erträge und Aufwendungen des Fra­ mework zu den IAS sachgerecht, Einnahmen und Ausgaben aus der passiven Rück­ versicherung als Erträge und Aufwendungen und nicht als erfolgsneutrale (durch­ laufende) Geldbewegungen zu betrachten.306 3.6.2.3

Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile

Wie bereits erwähnt, erhält der Rückversicherer bei den proportionalen Rückversi­ cherungsformen einen seiner Risikobeteiligung entsprechenden Anteil an der Prämie des Erstversicherers und damit auch in dieser Prämie enthaltene Zuschläge für die

306 So auch Maser, H., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 976.

174

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Betriebsaufwendungen des ErstVersicherers. Der Erstversicherer bekommt im Ge­ genzug eine feste oder schadenverlaufsabhängige Rückversicherungsprovision, häu­ fig auch Anteile am Gewinn aus der Zession.307 Die feste Rückversicherungsprovi­ sion dient zur Abgeltung der dem Erstversicherer für den rückversicherten Anteil entstehenden Kosten. Sie wird als ein bestimmter Prozentsatz der Prämie ermittelt und ist je nach Erstversicherer, Sparte und Land unterschiedlich hoch. Die schaden­ verlaufsabhängige Provision (Staffelprovision) steigt mit sinkenden Schadenquoten an. Gewinnanteile aus der Zession werden meist nach einem bestimmten Schema ermittelt, indem den verdienten Prämien aus einem Vertrag unter Abzug der Rück­ versicherungsprovision die Schadenbelastung des laufenden Jahres gegenüberge­ stellt wird. Ein bestimmter Prozentsatz vom sich ergebenden Gewinn wird schließ­ lich an den Erstversicherer ausgezahlt.308 Die Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile werden häufig als Beteiligung des Rückversicherers an den Be­ triebsaufwendungen des Erstversicherers interpretiert, die dieser für Akquisition und Bearbeitung des zedierten Teils des Versicherungsbestands aufgebracht hat.309 Im Gegensatz zur proportionalen Rückversicherung werden bei der nicht­ proportionalen Rückversicherung üblicherweise weder Rückversicherungsprovisio­ nen noch Gewinnanteile vergütet.310 In der Praxis werden Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile häufig als Erträge betrachtet und von den Betriebsaufwendungen des Erstversicherers abgezo­ gen und saldiert ausgewiesen.311 Diese auf der Schicksalteilungstheorie basierende Vorgehens weise erscheint zwar im Hinblick auf die Schäden und die Prämien bei bestimmten Rückversicherungsformen möglich, ihre Ausdehnung auf die Rückversi­ cherungsprovisionen, d.h. auf die Beteiligung des Rückversicherers an den Be­ triebsaufwendungen des Erstversicherers, ist zumindest zweifelhaft. Eine solche Auffassung wäre nur dann richtig, wenn der Rückversicherungsvertrag vorsieht, daß ein bestimmter Anteil der Originalbetriebskosten des Erstversicherers vom Rückver­ sicherer getragen wird, nicht jedoch bei einer generellen Berücksichtigung der Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile. Bei letzterem Fall wir unterstellt, daß die Betriebsaufwendungen des Erstversicherers einem versicherungstechnischen Risiko unterliegen würden, das der Rückversicherer teilweise übernimmt.312 Dies ist jedoch nicht der Fall, weil das Risiko der Abweichung der Betriebsaufwendungen von einem vorgegebenen Plan zum allgemeinen Untemehmerwagnis gehört, das als nicht versicherbar gilt.313

307 308 309 310 311 312 313

Vgl. Farny, D.t Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 491 f. Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 56 - 59. Vgl. Carter, R., Reinsurance, 1995, S. 228 f. Vgl. Pfeiffer, C., Rückversicherung, 1994, S. 67 und 75. So ist es z.B. nach deutschem Recht üblich, vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 112. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 140. Vgl. Farny, D., Darstellung der Erfolgsstruktur, 1975, S. 77.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

175

Die Problematik der Interpretation der Rückversicherungsprovisionen und Gewinn­ anteile als Beteiligung des Rückversicherers an den Betriebsaufwendungen des Erstversicherer wird dann deutlich, wenn die Beteiligung an den Betriebsaufwen­ dungen durch Rückversichemngsuntemehmen höher als die tatsächlich entstandenen Betriebsaufwendungen des Erstversicherers aus einem Rückversicherungsgeschäft sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Erstversicherer sehr geringe Bruttobe­ triebsaufwendungen hat, die Rückversicherungsprovisionen jedoch die marktübliche Höhe erreichen.314 Dann müßten „negative Betriebsaufwendungen“ bzw. „Erträge aus Betriebsaufwendungen“ ausgewiesen werden, was für den Informationsempfän­ ger schwer verständlich ist.315 Daran wird deutlich, daß es nicht sachgerecht sein kann, Rückversicherungsprovisionen als Erstattung von Betriebsaufwendungen zu interpretieren und mit diesen zu saldieren. Angerer begründet die gleiche Auffas­ sung mit dem Vergleich mit einem Makler, der vom Versicherungsuntemehmen eine Courtage erhält und keine Möglichkeit hat, diese mit seinen Büro- oder Personal­ aufwendungen zu saldieren, und das, obwohl diese, ebenso wie die Rückversiche­ rungsprovision, den Zweck hat, die Aufwendungen des Maklers bzw. des Erstversi­ cherers zu ersetzen.316 Die Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile sollten aus diesem Grund nicht mit den Betriebsaufwendungen saldiert werden. Grundsätzlich ist zu fragen, ob Einnahmen aus Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile überhaupt Erträge darstellen können. Geht man statt von der Schicksalteilungstheorie von der Produktionsfaktortheorie aus, so stellt das Gut Rückversicherungsschutz einen Produktionsfaktor dar, der einen bestimmten Preis hat und der einen Nutzen bringt. Da Erst- und Rückversicherer zu Vertragsbeginn oft ungenaue Informationen bezüglich der Preisbestimmung des Produktionsfaktors Rückversicherung haben, vereinbaren sie i.d.R., zu einem späteren Zeitpunkt bei verbessertem Informationsstand Preiskorrekturen vorzunehmen.317 Da die Rückver­ sicherungsprämien bei der proportionalen Rückversicherung (von der hier aus­ schließlich die Rede ist) selbst wenig disponibel sind, werden bei gutem Geschäfts­ verlauf Preiskorrekturen mit Hilfe variabler Bestandteile wie Rückversicherungs­ provisionen und Gewinnanteile vorgenommen, die im einzelnen ausgehandelt wer­ den.318 In der Praxis orientiert sich die Rückversicherungsprovision deshalb nicht an den Betriebsaufwendungen.319 Betriebswirtschaftlich haben deshalb sowohl die Rückversicherungsprovision als auch die an den Erstversicherer vergüteten Gewinn­

314 315 316 317 318

Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 269. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 115. Vgl. Angerer, A., Rechnungslegung, 1972, S. 738. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften ftir Versicherungsunternehmen, 1973, S. 95. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 492; Horbach, L., EG-Versicherungsbilanz-richtlinienEntwurf, 1988, S. 105. 319 Vgl. Farny, D., Darstellung der Erfolgsstruktur, 1975, S. 77.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

176

anteile eher die Funktion eines Preisnachlasses als diejenige von Erstattungen der Betriebsaufwendungen.320 Der Preis für die proportionale Rückversicherung muß deshalb als Saldo der Rück­ versicherungsprämien abzüglich der Rückversicherungsprovisionen und u.U. von Gewinnanteilen verstanden werden. Die Angabe des Aufwands für Rückversiche­ rungsprämien ist ohne die Berücksichtigung des Preiskorrektivs völlig irreführend, weil der tatsächliche Aufwand für Rückversicherungsschutz aus der Erfolgsrech­ nung nicht ermittelbar wäre, wenn keine offene Saldierung erfolgt.321 Rückversiche­ rungsprovisionen und Gewinnanteile als Bestimmungsfaktoren des Preises für Rückversicherung sollten von den Rückversicherungsprämien abgezogen werden. Eine Saldierung der Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile mit den Aufwendungen für Rückversicherungsprämien (ähnlich einem Rabatt) ist daher sachgerecht.322 Ob diese Saldierung offen erfolgen sollte oder nicht, wird im Rah­ men des folgenden Kapitels diskutiert.323

3.6.2.4

Depotzinsen

Weitere Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit dem Bezug von Rückver­ sicherungsschutz ergeben sich durch die Aufnahme und Abwicklung von Verbind­ lichkeiten aus Depots, die dem Erstversicherer vom Rückversicherer als Sicherhei­ ten gestellt werden. Für die Erfolgsrechnung ist insbesondere die Verzinsung der Depotverbindlichkeiten durch den Zedenten (Depotzinsen) von Bedeutung. In Rückversicherungsverträgen wird teilweise vereinbart, daß der Rückversicherer dem Erstversicherer Sicherheiten in Form von Depots zur Verfügung stellt.324 Ur­ sprünglich wurden Depots eingeführt, um die Leistungszusage des Rückversicherers abzusichem, heute sind sie eher ein Mittel zur Akquisition von zusätzlichem Rück­ versicherungsgeschäft.325 Unter Depots ist die Hinterlegung von Sicherheiten durch das Rückversicherungsuntemehmen beim Erstversicherungsuntemehmen zu verste­ hen.326 Depots können als Bar- oder Wertpapierdepots vereinbart werden. Bei Stel­ lung eines Bardepots wird ein Teil der Rückversicherungsprämie vom Erstversiche­ rer einbehalten und als gestellte Sicherheit behandelt.327 Fallen die Gründe für eine Depotstellung weg, muß der Rückversicherer davon ausgehen können, daß er seine finanziellen Mittel zurückerhält. Dementsprechend führt ein Bardepot für den Erst­ versicherer zu einer Depotverbindlichkeit, für den Rückversicherer zu einer Depot­

320 321 322 323 324 325 326 327

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Gerathewohl, K./Nierhaus, F., Rückversicherung, 1986, S. 297. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 549. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 115. Abschnitt 4.3. Kann, A., Depots, 1988, S. 125. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 188. Fürstenwerth, F. von/Weiß, A., Versicherungsalphabet, 1997, S. 117. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 228.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

177

forderung. Der Erstversicherer vergütet dem Rückversicherer für die gestellten De­ pots Zinsen, weil der Rückversicherer keine Möglichkeit hat, entsprechende eigene Vermögensanlagen zu bilden. Die Höhe der Depotzinsen unterliegt der freien Ver­ einbarung zwischen Erst- und Rückversicherer und wird meist im Rahmen der ge­ samten Rückversicherungskonditionen ausgehandelt.328 Ebenso wie die Rückversi­ cherungsprovisionen und Gewinnanteile stellen die Depotzinsen ein Preiskorrektiv des Faktors Rückversicherungsschutz dar. Dies spricht dafür, die Depotzinsen als weiteres Element der Preisbildung beim Gesamtpreis der passiven Rückversiche­ rung zu berücksichtigen.329 Andererseits wird auch die Auffassung vertreten, daß Depotforderungen eine besondere Art der Kapitalanlage oder ein Kapitalanlagesur­ rogat darstellen und die erhaltenen Depotzinsen deshalb zu den Erträgen aus Kapi­ talanlagen zu rechnen sind.330 Grundsätzlich ist festzuhalten, daß Depotzinsen Er­ träge darstellen. An welcher Stelle der Erfolgsrechnung sie ausgewiesen werden sollen, ob sie mit anderen Positionen zu verrechnen sind und gegebenenfalls mit welchen, z.B. mit Kapitalanlageerträgen oder Rückversicherungsprämien, wird im Rahmen des folgenden Abschnitts erörtert.331

Im Falle von Wertpapierdepots hinterlegt der Rückversicherer eigene Wertpapiere als Sicherheit bei einem Kreditinstitut, selten direkt beim Erstversicherer. Der Si­ cherheitsanspruch des Erstversicherers kann in Form eines Pfandrechts ausgestaltet sein. Die hinterlegten Wertpapiere sollten für den Fall, daß sie im Eigentum des Rückversicherers bleiben und dieser das Kursrisiko trägt, unter dem jeweils in Frage kommenden Kapitalanlageposten des Rückversicherers ausgewiesen werden. Auch die Erträge aus den Kapitalanlagen sollten in der Erfolgsrechnung des Rückversi­ cherers erfaßt werden.332 3.6.2.5

Portefeuilleeintritte und -austritte

Portefeuilleeintritte und -austritte können in Prämien- und Schadenportefeuilleeinund -austritte unterschieden werden. Unter einem Prämienportefeuilleeintritt ver­ steht man Ausgleichszahlungen des Erstversicherers an den Rückversicherer bei den proportionalen Rückversicherungsformen, die dann erbracht werden, wenn die Laufzeiten der rückversicherten Verträge nicht mit derjenigen des Rückversiche­ rungsvertrags übereinstimmen. Fallen die Vertragslaufzeiten auseinander, so müßte eigentlich für jeden einzelnen Schadenfall geprüft werden, ob der Schaden unter den Rückversicherungsvertrag fällt oder nicht. Um den damit verbundenen Arbeitsauf­ wand zu reduzieren, wird meist vereinbart, daß sich der Rückversicherer an allen Schäden beteiligt, die während der Laufzeit des Rückversicherungsvertrags auftre328 329 330 331 332

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Kann, A., Depots, 1988, S. 127. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 492. Fricke, 1989, Posten, 1989, S. 346, Rz. 75. dazu Abschnitt 4.3.2.5. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 228.

178

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

ten. Im Gegenzug erhält er einen Anteil der Prämienüberträge der Vorperiode in Form eines Prämienportefeuilleeintritts. Wird der Rückversicherungsvertrag been­ det, so hat der Rückversicherer dem Erstversicherer die in den Prämienüberträgen enthaltenen zuviel gezahlten Prämienteile zurückzuerstatten. Diese Rückerstattung wird als Prämienportefeuilleaustritt bezeichnet.333

Ähnliche Ausgleichzahlungen gibt es, wenn das Rückversicherungsuntemehmen das Risiko, daß die Schadenrückstellungen zur Deckung der eintretenden Schäden nicht ausreichen, übernimmt und im Gegenzug die Chance erhält, daß Abwicklungsge­ winne entstehen, wenn die Schadenbelastung geringer als erwartet ausfällt. Der Rückversicherer verpflichtet sich zur Beteiligung an allen während der Rückversi­ cherungsvertragslaufzeit gezahlten Schäden, unabhängig davon, ob sie vor oder während der Rückversicherungsperiode eingetreten sind. Dafür erhält das Rückver­ sicherungsuntemehmen eine Ausgleichszahlung, die als Schadenportefeuilleeintritt bezeichnet wird.334 Bei Beendigung des Vertrages werden die Scha­ denrückstellungen wieder vom Erstversicherer abgelöst. Dies wird als Schadenpor­ tefeuilleaustritt bezeichnet. Auf diese Weise entfällt für den Rückversicherer die sonst möglicherweise jahrelange Abwicklung eines gekündigten Vertrages. Die Ablösung kann für den Erst- oder den Rückversicherer erhebliche Verluste erbrin­ gen, wenn die Schadenrückstellung nicht möglichst zuverlässig ermittelt wird.335 Von besonderem Vorteil ist diese Vorgehens weise dann, wenn sich der Umfang der Rückversichererbeteiligung am Geschäft des Erstversicherers ändert oder der Erst­ versicherer den Rückversicherer wechselt.

Ein System, bei dem der Rückversicherer zu Beginn der Rückversicherungsver­ tragslaufzeit in bestehende Prämienüberträge oder Schadenrückstellungen des Erst­ versicherers eintritt und bei Beendigung des Vertrags aus diesen austritt, wird als „echtes“ Clean-Cut-Verfahren bezeichnet.336 Daneben gibt es das „unechte“ CleanCut-Verfahren, das angew'endet wird, wenn keine Vertragsauflösung zum Jahresen­ de erfolgt.337 Das unechte Clean-Cut-Verfahren ist ein Abrechnungsverfahren, bei dem unmittelbar auf den Austritt aus den Rückstellungen für Prämienüberträge bzw. den Schadenrückstellungen ein Wiedereintritt zu den gleichen Bedingungen im fol­ genden Geschäftsjahr erfolgt.338 Auch das unechte Clean-Cut-Verfahren dient der Rationalisierung bzw. Vereinfachung der Beziehungen zwischen Erst- und Rückver­ sicherer. Praktisch sieht es so aus, daß die Prämienüberträge bzw. die Schadenrück­ stellungen des Rückversicherers zum Ende des Geschäftsjahres an den Erstversiche­ rer übertragen und zu Beginn des Folgejahres an den Rückversicherer rückübertra­

333 334 335 336 337 338

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 165 f. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 169. Ardielli, E., Rechnungslegung des Versicherungskonzerns, 1995, S. 94. Stuirbrink, W./Schuster, A., § 35 Rech Vers V, 1998, S. 481. Schmidt, R., Der Tatbestand des clean-cut-Verfahrens, 1967, S. 322 f. Ardielli, E., Rechnungslegung des Versicherungskonzerns, 1995, S. 95.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

179

gen werden. Die entsprechenden Rückstellungen werden in der Bilanz des Erst- und nicht in der des Rückversicherers ausgewiesen.339 Der Erstversicherer kann den zahlungsmäßigen Ausgleich des im Abrechnungssaldo enthaltenen Betrags für die Prämien- und Schadenportefeuilleaustritte üblicherweise erst im Fall der Kündigung des Rückversicherungsvertrags verlangen. Bei Fortbestehen des Rückversiche­ rungsvertrags erfolgt zum Jahresbeginn eine Prämien- und SchadenportefeuilleWiedereintrittsabrechnung, durch die der zuvor errechnete Abrechnungssaldo, von Spitzen abgesehen, wieder rückgängig gemacht wird. Im Ergebnis wird beim un­ echten Clean-Cut-Verfahren somit der Prämien- und Schadenportefeuille-Austritt nicht abgerechnet.340 Ebenso wie Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile stellen Portefeuille­ eintritte und -austritte ein Korrektiv des Preises des Produktionsfaktors Rückversi­ cherungsschutz dar. Portefeuilleeintritte stellen für das Erstversicherungsuntemeh­ men Aufwand, Portefeuilleaustritte stellen dagegen Ertrag dar. Prämienportefeuilleein- und austrittsbeträge hängen eng mit den Prämienerträgen zusammen und sollten deshalb bei den Aufwendungen für Rückversicherungsprämien berücksichtigt wer­ den. Schadenportefeuillein- und austrittsbeträge betreffen dagegen die Schadenauf­ wendungen und sollten deshalb bei den Rückversicherererstattungen erfaßt werden.

3.6.3

Financial Reinsurance-Verträge

3.6.3.1

Formen von Financial Reinsurance-Verträgen

3.6.3.1.1 Überblick

In den letzten Jahren haben neuartige Rückversicherungstypen an Bedeutung ge­ wonnen, die weniger aus risikopolitischen als aus finanz- und erfolgswirtschaftli­ chen Motiven heraus abgeschlossen werden. Sie werden als FinanzRückversicherung (Financial Reinsurance) bezeichnet.341 Es handelt sich dabei um langfristige Geschäfte mit speziell gestalteten Zahlungsströmen zwischen Erst- und Rückversicherer, bei denen die Übernahme von versicherungstechnischem Risiko in der Regel durch ein Limit begrenzt ist oder ganz fehlt.342 Ziel dieser Verträge ist es häufig, das Zinsänderungs- oder das Bonitäts- bzw. Delkredererisiko zu transferie­ ren.343 Aus risikotheoretischer Sicht soll durch Financial Reinsurance ein Schutz vor Zufallsschwankungen der Schäden durch eine Vergrößerung des Betrachtungszeit­

Vgl. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 244. Vgl. König, E., Abrechnungsposten, 1991, S. 131, Tz. 21. Vgl. Engeländer, F., Erfolgsermittlung, 1998, S. 119. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 489; Kalusche, A./Schmidt M., Financial Reinsurance, 1993, S. 576. Zu verschiedenen Definitionsansätzen der Financial Reinsurance-Verträge vgl. Heß, A., Financi­ al Reinsurance, 1998, S. 17 - 29. 343 Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 241.

339 340 341 342

180

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

raums erreicht werden.344 Wegen dieser Vergrößerung des Betrachtungszeitraums werden bei der Kalkulation der Rückversicherungsprämien auch Kapitalanlageerträ­ ge explizit berücksichtigt.345 Ziel des Abschlusses von Financial ReinsuranceVerträgen sind neben der Minderung des versicherungstechnischen Risikos auch die Erfolgssteuerung mit Hilfe erfolgswirksamer Zahlungen aus dem Rückversiche­ rungsgeschäft bzw. dem Auf- oder Abbau von Forderungen sowie Verbindlichkei­ ten.346 Ob die Ziele erreicht werden, d.h. ob z.B. Bilanzpolitik mit Hilfe von Finan­ cial Reinsurance-Verträgen möglich ist, hängt stark davon ab, wie Financial Reinsu­ rance-Verträge in der Erfolgsrechnung nach IAS abgebildet werden.

Im Gegensatz zur traditionellen Rückversicherung ist bei den Formen von Financial Reinsurance-Verträgen eine Standardisierung der Verträge nicht üblich.347 Aus die­ sem Grund existiert eine Vielzahl von Vertragskonstruktionen, von denen die wich­ tigsten im folgenden modellhaft dargestellt werden. Grundsätzlich lassen sich Finan­ cial Reinsurance-Verträge danach unterscheiden, ob die Bezugsgröße für die Ver­ tragskonstruktion bekannte, aber noch nicht regulierte Schäden sind (retrospektive Vertragstypen) oder zukünftige Schäden aus bestehenden oder noch abzuschließen­ den Verträgen (prospektive Vertragstypen).348 3.6.3.1.2 Retrospektive Vertragstypen

Die Hauptform der retrospektiven Vertragstypen ist der Schadenreservetransfer (Loss-Portfolio-Transfer), bei dem der Rückversicherer in die Zahlungsverpflichtun­ gen aus noch nicht regulierten Schäden des Erstversicherers eintritt und dafür eine einmalige Ablösesumme in Höhe des Barwertes der transferierten Schadenrückstel­ lungen zuzüglich eines Schwankungs-, Kosten- und Gewinnzuschlags erhält.349 Ty­ pisch für den Schadenreservetransfer ist die Begrenzung des versicherungstechni­ schen Risikos des Rückversicherers durch eine maximale Haftungsgrenze nach oben.350 Der Erstversicherer überträgt auf diese Weise das zeitliche Risiko aus der Abwicklung der Schadenrückstellungen (Timing-Risiko)351 sowie das Zinsände­ rungsrisiko aus den Kapitalanlagen an den Rückversicherer.352 Einerseits führt ein Loss-Portfolio-Transfer zu einer BilanzVerkürzung (Verminderung der Aktiva und Rückstellungen) und zur Aufgabe der selbständigen Anlagemöglichkeiten des Erst­ versicherers.353 Andererseits sollen durch den Loss-Portfolio-Transfer die Jahre­

344 345 346 347 348 349 350 351 352 353

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B.» Financial Reinsurance, 1998, S. 429. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 274. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 490. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 274. Thiemermann, M., Rückversicherung, S. 250 f. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 274. Kalusche, A./Schmidt, M., Financial Reinsurance, 1993, S. 579. Schweizer Rück, sigma Nr. 5/1997, S. 13. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 490. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 51.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

181

sabschlußkennzahlen (z.B. Combined Ratio = Summe aus Schaden- und Kosten­ quote) und die Kennzahlen für die Solvabilität (z.B. das Verhältnis zwischen Eigen­ kapital und Prämienvolumen) verbessert werden.354 Die durch den Loss-PortfolioTransfer beabsichtigte Ergebniserhöhung im Transfeijahr wird im Rahmen der vor­ liegenden Konzeption dadurch eingeschränkt, daß die Schadenrückstellungen in der Bilanz bereits abgezinst sind. Eine weitere Form von retrospektiven Verträgen sind die sogenannten Time-andDistance-Verträge. Der Erstversicherer zahlt zu Vertragsbeginn eine Einmalprämie, die er zu einem bestimmten, vertraglich festgelegten Termin verzinst vom Rückver­ sicherer zurückerhält. Diese Zahlungen sind völlig unabhängig von den tatsächlichen Schadenzahlungen des Erstversicherers. Ziel dieser Verträge ist eine indirekte Dis­ kontierung der Schadenrückstellung des Erstversicherers, die dadurch erreicht wird, daß diese um den Betrag verringert werden kann, den der Erstversicherer am Ende der Vertragslaufzeit vom Rückversicherer erhält.355 Auf diese Weise erhöht sich der Gewinn des Erstversicherers im Jahr des Vertragsabschlusses um die Differenz zwi­ schen gezahlter Prämie und ursprünglich eingestellter Rückstellung.356 Da das versi­ cherungstechnische Risiko bei Time-and-Distance-Verträgen beim Erstversicherer verbleibt, werden diese Vertragstypen von den amerikanischen Aufsichtsbehörden nicht als echte Rückversicherungsverträge angesehen und deshalb auch kaum noch gezeichnet.357 Wie bereits beim Loss-Portfolio-Transfer gilt für die Time-andDistance-Verträge, daß ihre Wirkung im Rahmen der vorliegenden Konzeption durch die Abzinsungsempfehlung der Schadenrückstellungen eingeschränkt wird.

Retrospektive Verträge, die weder zu Loss-Portfolio-Transfers noch zu Time-andDistance-Policen gehören, werden als „Retrospective-Aggregate-Verträge“ be­ zeichnet. Zu diesen zählen retrospektive Finanzrückversicherungskonzepte, deren Deckungsumfang sich auf IBNR-Schäden erstreckt. Retrospective-Aggregate Kon­ trakte werden von Erstversicherungsuntemehmen häufig nach Eintritt von Naturka­ tastrophen oder anderen Großschäden abgeschlossen, wenn die bestehenden Rück­ versicherungsverträge die Schadenzahlungsverpflichtungen nicht in vollem Umfang decken.358

354 355 356 357 358

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 428. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 61. Kalusche, A./Schmidt, M., Financial Reinsurance, 1993, S. 579. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 254. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 63 - 66.

182

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.6.3.1.3 Prospektive Vertragstypen

Bei den prospektiven Verträgen unterscheidet man Financial-Quota-Share- und Prospective-Aggregate-Verträge, die sich wieder in drei Gruppen, nämlich Funded Cover, Spread-Loss und Kombinationen aus diesen beiden, unterteilen.359 Financial-Quota-Share-Verträge entstanden in den USA wegen der für die interne Rechnungslegung maßgeblichen Statutory Accounting Principles (SAP), die verlan­ gen, daß alle Abschlußaufwendungen, die mit neuen Policen verbunden sind, in der Periode, in der sie entstehen, sofort als Aufwand berücksichtigt werden, und keine Aktivierung dieser Aufwendungen erlauben, wie es nach den US-GAAP üblich ist.360 So kann es zu Jahresfehlbeträgen kommen, die dadurch entstehen, daß zwar für die Prämieneinnahmen mit Hilfe der Prämienüberträge eine periodengerechte Abgrenzung erfolgt, nicht jedoch für die zu ihrer Erzielung notwendigen Abschlu­ ßaufwendungen.361 Wegen dieser Ungleichbehandlung kommt es in Jahren mit ho­ hen Abschlußaufwendungen zu beträchtlichen Verzerrungen in Bilanz und Erfolgs­ rechnung des ErstVersicherers, die zu einer Verminderung des Eigenkapitals und damit der Zeichnungskapazität führen.362 Denn bei gegebener Risikolage (Umfang der übernommenen Risiken) muß i.d.R. ein bestimmtes Maß an Eigenkapital zur Verfügung stehen. Insofern ist die Zeichnungskapazität unmittelbar von der Höhe des Eigenkapitals abhängig.363 Der Erstversicherer zediert bei Financial-QuotaShare-Verträgen einen Teil seiner Prämienüberträge an den Rückversicherer, um eine Verbesserung des Jahresabschlußergebnisses und der Solvabilitätsmarge sowie eine Erhöhung der Zeichnungskapazität zu erreichen.364 Im Gegenzug erhält der Erstversicherer eine Rückversicherungsprovision, die unmittelbar erfolgswirksam ist, seinen Gewinn verbessert und damit die temporäre Eigenkapitalverminderung korrigiert.365

Bei Financial-Quota-Share-Verträgen unterscheidet man Aufbaufinanzierungs- und Surplus-Relief-Verträge, je nachdem, ob eine Verminderung der hohen Betriebs­ kostenbelastung während des Aufbaus eines Versicherungsbestands im Vordergrund steht oder die Solvabilität bzw. die Zeichnungskapazität der Erstversicherers erhöht werden sollen.366 Der Aufbaufinanzierungsvertrag zeichnet sich dadurch aus, daß der Rückversicherer dem Erstversicherer bei steigender Schadenquote eine steigen­

359 Die Einteilung der prospektiven Vertragsformen ist uneinheitlich. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993; Carter, R., Reinsurance, 1995; Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998. Die genannte Einteilung folgt Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 73. 360 Vgl. zu den SAP Troxel, F./Bouchie, G., Property-Liability Insurance Accounting 1995, S. 3; Aufenanger, H., Rechnungslegung der Schadenversicherungsunternehmen, 1970, S. 75 ff. 361 Vgl. Heß, A., Financial Reinsurance, 1995, S. 1330. 362 Vgl. Schweizer Rück, sigma Nr. 5/1997, S. 18. 363 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 680. 364 Vgl. Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 428. 365 Vgl. Kalusche, A./Schmidt, M., Financial Reinsurance, 1993, S. 581. 366 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 490 f.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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de Rückversichenmgsprovision vergütet (antizyklisch schadenverlaufsabhängige Gestaltung der Rückversicherungsprovision) und damit eine Gewinnglättung über die Zeit erfolgt.367 Der Rückversicherungsvertrag ist für den Erstversicherer dann besonders vorteilhaft, wenn das versicherungstechnische Ergebnis aus dem rückver­ sicherten Bestand besonders schlecht ist.368 Mit Surplus-Relief-Verträgen wird die Solvabilität des Erstversicherers durch eine Beeinflussung der Berechnungsgrößen für die Soll-Solvabilität gesteuert, wodurch diese im Verhältnis zum vorhandenen Versicherungsbestand sinkt oder die Zeichnungskapazität im Verhältnis zu vorhan­ denen Ist-Solvabiliätsmitteln erhöht wird.369 Da nach dem hier vertretenen Konzept zur Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS die Abschlußauf­ wendungen aktiviert werden sollen, ist auch der Anwendungsbereich der FinancialQuota-Share-Verträge stark eingeschränkt. Derzeit konzentriert sich das Interesse an Financial Reinsurance-Verträgen beson­ ders auf die Prospective-Aggregate-Verträge, u.a. auf den Funded Cover.370 Dieser bezweckt in erster Linie eine Risikostreuung über die Zeit, ähnlich einer Schwan­ kungsrückstellung. Im Unterschied zur Schwankungsrückstellung, die der Erstversi­ cherer selbst aufbaut, erfolgt die Rückstellungsbildung beim Funded Cover jedoch beim Rückversichemngsuntemehmen.371 Die vom Erstversicherer entrichtete ein­ malige oder jährliche Rückversicherungsprämie wird einem Erfahrungskonto (expe­ rience account) gutgeschrieben. Positive Salden auf dem Erfahrungskonto werden verzinst, für negative Salden hat der Erstversicherer Sollzinsen zu entrichten. Der Zinssatz ist vertraglich festgelegt und setzt sich meist aus einem variablen Basis­ zinssatz und einer fixen Komponente zusammen.372 Schadenzahlungen des Rück­ versicherers sind sowohl in ihrer Höhe pro Schadenereignis als auch in ihrer Ge­ samthöhe pro Jahr beschränkt und werden zunächst aus dem Bestand der übertrage­ nen Finanzmittel geleistet.373 Übersteigen die vom Rückversicherer zu leistenden Schadenzahlungen das Guthaben des Erfahrungskontos, muß der Erstversicherer dies in den folgenden Jahren durch erhöhte Rückversicherungsprämien ausgleichen. Weist das Konto bei der Abrechnung jedoch einen Saldo aus, so wird dieser dem Erstversicherer als Gewinnbeteiligung vergütet.374 Erfolgswirtschaftliche Effekte ergeben sich aus der Verteilung der Schadenzahlungen über mehrere Jahre und da­ mit aus der Glättung des Gewinnausweises im Zeitablauf.

Spread-Loss-Verträge eignen sich vorwiegend für Schäden, die durch geringe Scha­ deneintrittswahrscheinlichkeit, aber durch große Schadenhöhe gekennzeichnet sind.

367 368 369 370 371 372 373 374

Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 281. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 261. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 491. Vgl. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 73. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 252 f. Vgl. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 74. Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 282. Vgl. Heß, A., Financial Reinsurance, 1995, S. 1331.

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Die vom Erstversicherer zu entrichtenden Rückversicherungsprämien und die Leis­ tungen des Rückversicherers werden aufeinander abgestimmt, um eine Nivellierung der Schadenschwankungen zu erreichen.375 Die Verträge umfassen meist mehrere Schadenanfalljahre. Der Erstversicherer zahlt dem Rückversicherer jährlich eine vereinbarte Prämie, die auf Basis der über den gesamten Zeitraum erwarteten dis­ kontierten Schadenzahlungen unter Berücksichtigung von Zinsen und Zuschlägen für Gewinn und Betriebskosten berechnet wird. Der Rückversicherer haftet meist nur bis zur Höhe der innerhalb der gesamten Vertragslaufzeit erwarteten Schaden­ zahlungen.376 Überschreiten die Schadenzahlungen des Rückversicherers dessen vereinbarte Maximalhaftung, leistet der Erstversicherer in den Folgejahren entspre­ chende Ausgleichszahlungen bzw. höhere Rückversicherungsprämien. Auf diese Weise hat der Erstversicherer dem Rückversicherer die überlassenen Finanzmittel in voller Höhe inklusive darauf entfallender Zinsen zurückzuzahlen.377 Damit über­ nimmt der Rückversicherer weder ein Underwriting- noch ein Timing-Risiko. Es handelt sich deshalb um einen bedingten Kredit für den Erstversicherer, durch den diesem für die Laufzeit des Vertrages die Glättung der Streuung seiner Zahlungs­ ströme ermöglicht wird.378

Schließlich gibt es zahlreiche Mischformen zwischen Funded Covers und SpreadLoss-Verträgen. Auch hier handelt es sich regelmäßig um mehrjährige Verträge, bei denen der Erstversicherer jährlich eine Prämie an den Rückversicherer zahlt, die dieser dem Erfahrungskonto gutschreibt und von dem im Schadenfall Zahlungen getätigt werden. Die Mischformen, häufig „Finite-Risk-Verträge“ genannt, stellen die neue Generation von Financial Reinsurance-Verträgen dar.379 Ein Beispiel ist der sogenannte Blended-Cover-Vertrag, bei dem mehrere Versicherungszweige über mehrere Jahre in einem Vertrag zusammengefaßt werden. Auch der Selbstbehalt des Erstversicherers wird versicherungszweigübergreifend festgelegt. Auf diese Weise werden auch traditionell als unversicherbar geltende Risiken, z.B. politische Risi­ ken, einbezogen.380

3.6.3.2

Abbildung von Financial Reinsurance-Verträgen

3.6.3.2.1 Wirtschaftlicher Charakter von Financial Reinsurance-Verträgen Um Financial Reinsurance-Verträge entsprechend ihrem wirtschaftlichen Charakter richtig abbilden zu können, ist zu unterscheiden, ob ein Finanzierungs- oder ein

Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 286. Vgl. Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 264. Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 286. Vgl. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 81. Vgl. Schweizer Rück, sigma Nr. 5/1997; Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 429; Prase, O., Financial Reinsurance, 1996, S. 156. 380 Vgl. Schweizer Rück, sigma Nr. 5/1997, S. 25. 375 376 377 378 379

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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Rückversicherungsgeschäft vorliegt. Nur die Zahlungsströme aus der passiven Rückversicherung sind erfolgswirksam, Zahlungsströme aus Finanzierungsvorgän­ gen sind dagegen erfolgsneutral abzubilden. Im folgenden wird deshalb der Frage nachgegangen, ob die Zahlungsströme aus Financial Reinsurance-Verträgen wie Fi­ nanzierungsverträge oder Rückversicherungsverträge zu behandeln sind. Nach IAS 32.3 sind Verträge, die zwar der Form nach Versicherungsverträge sind, aber hauptsächlich die Übertragung von Finanzrisiken beinhalten, wie dies bei eini­ gen Arten von Rückversicherungsverträgen der Fall ist, wie Finanzinstrumente zu behandeln.381 Solche Finanzrisiken werden näher konkretisiert als Preisrisiken (Währungs-, Zinsänderungs- und Marktrisiken), Ausfallrisiken, Liquiditätsrisiken und Cash-Flow-Risiken. Letztere resultieren aus Schwankungen der zukünftigen, aus einem monetären Finanzinstrument erwarteten Mittelzu- und -abflüsse (IAS 32.43). Ein Finanzinstrument ist als finanzielle Verbindlichkeit oder als Eigenkapi­ talinstrument in die Bilanz aufzunehmen bzw. als finanzieller Vermögenswert zu aktivieren (IAS 32.18). Die an das Rückversicherungsuntemehmen gezahlten Prä­ mien müssen dann als Aktivum behandelt werden, die Zahlungen des Financial Reinsurers dagegen als Zins- oder Tilgungszahlungen.382

Um als erfolgswirksamer Vorgang Berücksichtigung zu finden, muß gemäß IAS 18 die Erbringung einer Dienstleistung vorliegen, wie dies die Übernahme von versi­ cherungstechnischem Risiko darstellt. Da das Abgrenzungskriterium zwischen Ver­ sicherungsvertrag und Finanzinstrument die Übernahme von versicherungstechni­ schem Risiko ist, ist dieses im folgenden näher zu konkretisieren und zu operationa­ lisieren.

3.6.3.2.2 Abbildung als Finanzierungs- oder Rückversicherungsvertrag? Bei der Abbildung von Financial Reinsurance-Verträgen in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen ist also grundsätzlich zwischen Verträgen, die einen Transfer versicherungsspezifischer Risiken enthalten, und solchen, die diesen nicht enthalten, zu unterscheiden. Verträge ohne Transfer versicherungsspezifischer Risi­ ken sind als Finanzierungsverträge zu behandeln. Diese haben keine unmittelbare Auswirkung auf die Erfolgsrechnung und sind daher nicht zur Bilanzpolitik geeignet. Wann eine Übernahme von versicherungstechnischem Risiko vorliegt, wird unter­ schiedlich gesehen.

Die amerikanischen Aufsichtsbehörden haben Konkretisierungsmerkmale zur Ab­ grenzung von Financial Reinsurance-Verträgen definiert. Das Financial Accounting

381 Ein Finanzinstrument ist ein Vertrag, der gleichzeitig bei einem Unternehmen zu einem finanziellen Vermö­ genswert und bei einem anderen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument fuhrt; ein Eigenkapitalinstrument ist ein Vertrag, der einen Residualanspruch an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller Schulden begründet (LAS 32.5). 382 Vgl. Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 431.

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

Standards Board (FASB) fordert einen Transfer von versicherungstechnischem Ri­ siko in bedeutendem Umfang. Das bedeutet für das FASB, daß der Rückversicherer sowohl ein Timing-Risiko als auch ein Underwriting-Risiko übernehmen muß.383 Voraussetzung ist außerdem, daß die realistische Möglichkeit besteht, daß der Rückversicherer einen bedeutenden Verlust erleidet.384 Dies wird dann angenom­ men, wenn die Verlustmöglichkeit, die sich aus dem Barwert aller möglichen auf­ tretenden Zahlungsströme bei verschiedenen Szenarien ergibt, nicht als nur vage eingestuft wird.385 Die allgemein gehaltene Formulierung des Vorliegens eines ver­ sicherungstechnischen Risikotransfers in bedeutendem Umfang beinhaltet erhebli­ chen Interpretationsspielraum. Für die Frage, welchen Umfang das versicherungs­ technische Risiko haben muß, wird in der amerikanischen Rückversicherungspraxis davon ausgegangen, daß das Vorliegen eines Underwriting-Risiko in Höhe von 10 % der Vertragsprämie bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von ebenfalls 10 % die Voraussetzungen erfüllt.386

Auch im Vereinigten Königreich wird für die Anerkennung eines Financial Reinsu­ rance-Vertrages als Rückversicherungsvertrag ein „genuine transfer of risk“ gefor­ dert. Im Gegensatz zu den USA muß sich das Verlustrisiko jedoch nicht aus Un­ derwriting- und Timing-Risiko ergeben. Für die Anerkennung als Rückversiche­ rungsvertrag genügt der Transfer von Timing-Risiko.387 In diesem Fall muß ein sig­ nifikanter Unsicherheitsgrad bezüglich der Zeitpunkte der Schadenzahlungen beste­ hen.388 Der Eigenkapitaleffekt des Schadenreservetransfers kann sich in der Bilanz des Erstversicherers niederschlagen, wenn der Rückversicherer das Risiko über­ nimmt, daß die Schadenzahlungen früher als erwartet eintreten.389 Um die Frage beantworten zu können, wie Financial Reinsurance-Verträge in der Erfolgsrechnung nach IAS abzubilden sind, ist zunächst festzustellen, daß sich ein Rückversicherungsvertrag von einem Finanzierungsvertrag durch eine - wie auch immer geartete - Übernahme von versicherungstechnischem Risiko unterscheidet. Huth/Dietz/Angermayer kommen nach ausführlicher risikotheoretischer Analyse zu dem Ergebnis, daß jede Vergrößerung des Kollektivs oder des Zeitraums zu einer Verminderung der Verlust Wahrscheinlichkeit fuhrt, weshalb auch ohne Transfer von Underwriting-Risiko eine Risikoreduktion für den Erstversicherer erreicht werden kann. Ein Transfer von Timing-Risiko, wie er im Vereinigten Königreich für die Anerkennung von Rückversicherungsverträgen verlangt wird, erscheint ausreichend, weil der Barwert der Leistung des Rückversicherers eine Zufallsvariable darstellt,

383 384 385 386 387 388 389

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Financial Accounting Standards Board: Statement of Financial Accounting Standards Nr. 113, § 9 a. Financial Accounting Standards Board: Statement of Financial Accounting Standards Nr. 113, § 9 b. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 100. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 102. Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 430. Heß, A., Financial Reinsurance, 1998, S. 109. Schweizer Rück, sigma Nr. 5/1997, S. 24.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

187

was bei der Zahlungsreihe eines Darlehens nicht der Fall ist.390 Die britischen Be­ stimmungen sind nicht nur leichter anwendbar, sondern sind auch angemessener, weil der wirtschaftliche Gehalt der Transaktionen mit dem Rückversicherer im Vor­ dergrund steht.391

Der IAS „Insurance“ sollte deshalb so ausgestaltet werden, daß Financial Reinsu­ rance-Verträge dann als RückVersicherungs Verträge zu qualifizieren sind, wenn ein Minimum an versicherungstechnischem Risiko (mindestens ein Timing-Risiko) an den Rückversicherer transferiert wird. Dies entspricht auch der Definition von versi­ cherungstechnischem Risiko des Issues Paper des Steering Committee, nach dem dann ein versicherungstechnisches Risiko vorhanden ist, wenn entweder die Höhe oder der Zeitpunkt (oder beides) der Zahlung des Versicherers direkt von der Höhe des versicherten Schadens bzw. dessen Eintrittszeitpunkt abhängig ist. Dies ist bei allen Financial Reinsurance-Vertragsarten der Fall außer bei Time-and-DistanceVerträgen und Spread-Loss-Verträgen. Abgesehen von diesen beiden sollten alle (im Rahmen dieser Arbeit diskutierten) Financial Reinsurance-Verträge als Rück­ versicherungsverträge anerkannt werden. Die Financial Reinsurance-Verträge sollten nicht künstlich in einen Risiko- und in einen Finanzierungsanteil aufgespalten werden, sondern als ein einheitliches Ge­ schäft in der Erfolgsrechnung abgebildet werden. Dies stimmt auch mit der Vorge­ hensweise bei den Sparanteilen der Prämieneinnahmen überein.

3.7

Erträge und Aufwendungen aus der Kapitalanlage

3.7.1

Überblick

Um eine Vergleichbarkeit der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen mit der Erfolgsrechnung anderer Unternehmen zu erreichen, wird für die Erfassung der Kapitalanlageerträge und -aufwendungen davon ausgegangen, daß die allgemeinen Vorschriften der IAS anzu wenden sind.392 Im folgenden werden die einzelnen IAS, die sich mit der Bilanzierung und Bewertung von Kapitalanlageerträgen und -auf­ wendungen befassen, der Reihenfolge ihrer Numerierung entsprechend behandelt.

3.7.2

IAS 16

IAS 16 regelt die Bilanzierung von Sachanlagen. Ein Gegenstand des Sachanlage­ vermögens ist dann zu aktivieren, wenn es wahrscheinlich ist, daß ein mit ihm ver­ bundener künftiger wirtschaftlicher Nutzen dem Unternehmen zufließen wird und

390 Vgl. Huth, J./Dietz, J./Angermayer, B., Financial Reinsurance, 1998, S. 430 f. 391 So auch Schweizer Rück, sigma Nr. 5/1997, S. 24. 392 Auch das Steering Committee zur Entwicklung des Issues Paper zum IAS „Insurance“ geht in seiner Arbeit von der Anwendung der allgemeinen Vorschriften zu Finanzanlagen und Finanzinstrumenten aus.

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Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

wenn seine Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zuverlässig ermittelt werden können (IAS 16.7). Die Bewertung erfolgt grundsätzlich zu fortgeführten Anschaf­ fungs- bzw. Herstellungskosten; alternativ ist auch eine Neubewertung zum Markt­ wert (fair value) zulässig (IAS 16.23 - 29). Wird der Buchwert eines Gegenstandes des Sachanlagevermögens aufgrund einer Neubewertung erhöht, wird die Erhöhung im Eigenkapital innerhalb der Neubewertungsrücklage erfaßt. Allerdings ist eine Erhöhung aufgrund einer Neubewertung als Ertrag zu erfassen, soweit sie eine in der Vergangenheit als Aufwand erfaßte Abwertung desselben Vermögens wertes aufgrund einer Neubewertung rückgängig macht (IAS 16.37). Wird der Buchwert eines Vermögens wertes aufgrund einer Neubewertung vermindert, so wird die Ab­ wertung als Aufwand erfaßt. Eine Verminderung aufgrund einer Neubewertung ist jedoch direkt mit einer zugehörigen Neubewertungsrücklage zu verrechnen, soweit sie den Betrag der entsprechenden Neubewertungsrücklage nicht übersteigt (IAS 16.38). Es sind planmäßige Abschreibungen vorzunehmen, die den Verschleiß wi­ derspiegeln.393 Die Abschreibungen sind als Aufwand zu erfassen, soweit sie nicht in die Buchwerte anderer Vermögenswerte einzurechnen sind (IAS 16.41). Ein Ge­ genstand des Sachanlagevermögens ist bei seinem Abgang oder dann, wenn er dau­ erhaft nicht genutzt wird und künftiger wirtschaftlicher Nutzen bei seinem Abgang nicht erwartet wird, aus der Bilanz auszubuchen. Die aus dem Abgang des Gegens­ tandes des Sachanlagevermögens resultierenden Gewinne oder Verluste sind als Differenz zwischen dem geschätzten Nettoveräußerungserlös und dem Buchwert zu ermitteln und in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag oder Aufwand zu er­ fassen (IAS 16.55 - 56).

3.7.3

IAS 18

Für die Erfassung der Kapitalanlageerträge ist der IAS 18 (Revenue) heranzuziehen. Danach sind Zinsen, Lizenzerträge und Dividenden zu dem Zeitpunkt zu realisieren, zu dem es wahrscheinlich ist, daß der wirtschaftliche Nutzen aus der Überlassungs­ transaktion dem Unternehmen zufließen wird, und die Höhe der Erträge zuverlässig geschätzt werden kann (IAS 18.29). Als Zinsen werden in IAS 18.5 a Gebühren für die Überlassung von Zahlungsmit­ teln oder Zahlungsmitteläquivalenten oder von Beträgen, die dem Unternehmen ge­ schuldet werden. Zinsen sind zeitproportional unter Berücksichtigung der Effektiv­ verzinsung des Vermögens wertes zu realisieren (IAS 18.30). Als Effektivverzinsung wird dabei deijenige (interne) Zinssatz definiert, der erforderlich ist, um die über die Laufzeit des Geschäftes erwarteten Einnahmen auf den ursprünglichen Nominalbe­ trag abzuzinsen. Diese Bezugnahme auf die Effektivverzinsung als Maßstab für die Erfassung der Zinserträge folgt aus dem Grundsatz der periodengerechten Gewinn­

393 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 128.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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ermittlung.394 Die Zinserträge schließen Abschreibungen auf ein anfänglich gezahl­ tes Disagio, Agio oder einen anderen Unterschied zwischen dem Ausgabebetrag eines Fremdkapitaltitels und dem Rückzahlungsbetrag bei Fälligkeit ein (IAS 18.31). Sind bereits vor dem Erwerb der verzinslichen Finanzinvestition unbezahlte Zinsen aufgelaufen, wird die eingehende Zinszahlung auf die Zeit vor und nach dem Erwerb aufgeteilt. Nur deijenige Teil der Zinsen ist als Ertrag zu erfassen, der auf die Zeit nach dem Erwerb entfällt.

Lizenzerträge sind Gebühren für die Überlassung langlebiger immaterieller Vermö­ genswerte des Unternehmens, wie z.B. Warenzeichen, Patente, Software, Tonträger und Filme an Dritte (IAS 18.5 b). Sie sind nach Maßgabe des wirtschaftlichen Ge­ haltes, wie er normalerweise anhand der der Transaktion zugrundeliegenden Ver­ einbarung deutlich wird, abzugrenzen (IAS 18.30 i.V.m. IAS 18 Appendix Tz. 20). Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zusammenhänge ist von der Vereinba­ rung abzuweichen, falls eine andere systematische und sinnvolle Methode der Reali­ sierung ökonomisch sinnvoller ist (IAS 18.33). Als zweckdienlich wird im allgemei­ nen eine lineare Ertragserfassung über die gesamte Laufzeit der Vereinbarung ange­ sehen (IAS 18 Anhang Tz. 20). Wird dem Lizenznehmer das Nutzungsrecht unbe­ schränkt gegen eine fixe Vergütung oder eine einbehaltene Kaution überlassen, ohne daß dem Lizenzgeber noch irgendwelche Verpflichtungen verbleiben, so gilt dies als Veräußerungsakt, die Ertragserfassung erfolgt zum Verkaufszeitpunkt.395 Als Bei­ spiel, das auch für Versicherungsuntemehmen relevant ist, werden hierfür Lizenz­ vereinbarungen über die Nutzung von Software genannt, bei denen dem Lizenzgeber nach Lieferung keine Verpflichtungen mehr verbleiben (IAS 18 Anhang Tz. 20). Dividenden resultieren aus Gewinnausschüttungen eines Unternehmens, an dem das bilanzierende Unternehmen Kapitalbeteiligungen hält (IAS 18.5 c). Sie sind mit der Entstehung des Rechtsanspruches auf die Zahlung zu erfassen.396 Beziehen sich Di­ videndenausschüttungen auf den Gewinn aus der Zeit vor dem Erwerb der Dividen­ denpapiere, sollen die Dividenden von den Anschaffungskosten der Wertpapiere abgezogen werden. Falls eine solche Zuordnung schwierig ist und nur willkürlich vorgenommen werden könnte, sind die Dividenden als Ertrag zu erfassen, sofern sie nicht eindeutig als Rückzahlung eines Teiles der Anschaffungskosten der Dividen­ denpapiere anzusehen sind (IAS 18.32). Erträge, die durch Zuschreibungen auf die Beteiligungswerte im Rahmen der Equity-Bewertung vorgenommen werden, stellen keine Dividendenerträge im Sinne des IAS 18 dar (IAS 18.6 b).

394 Vgl. Ordelheide, D./Böckem, H., IAS 18, 1997, S. 619, Tz. 71. 395 Vgl. von Keitz, I., Immaterielle Güter, 1997, S. 212. 396 Vgl. Auer, K., IAS versus RGB, 1999, S. 107.

190

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.7.4

IAS 25

IAS 25 regelt die Bilanzierung von Finanzinvestitionen. Dies sind Vermögenswerte, die der Erzielung von Einkommen in Form von Zinsen, Dividenden bzw. Mieten oder Wertsteigerungen oder anderer Vorteile für das investierende Unternehmen dienen.397 Finanzinvestitionen umfassen danach Finanzanlagen und die Anlage in Vermögenswerten, die nicht dem laufenden Geschäftsbetrieb, sondern der spekula­ tiven Kapitalanlage dienen.398 Durch die Verabschiedung des IAS 39 reduziert sich der Anwendungsbereich ab dem 31.12.2000 auf Grundstücke und Gebäude (invest­ ment properties).399 Nach IAS 25 wird zwischen kurz- und langfristigen Finanzin­ vestitionen unterschieden. Als kurzfristige Finanzinvestitionen werden diejenigen Investitionen bezeichnet, die aufgrund ihrer Art jederzeit realisierbar sind und dazu bestimmt sind, nicht länger als ein Jahr gehalten zu werden. Durch die Festlegung auf ein Jahr wird ein Objektivierungskriterium festgelegt, mit dem eine willkürliche Zuordnung verhindert werden soll. Langfristige Finanzinvestitionen sind im Um­ kehrschluß diejenigen Finanzinvestitionen, die wegen ihrer Struktur nicht jederzeit realisierbar sind und nicht der Liquiditätsreserve dienen. Nicht betriebsnotwendige Grundstücke und Gebäude werden trotz ihres spekulativen Charakters typischerwei­ se den langfristigen Finanzinvestitionen zugeordnet.400

Kurzfristige Finanzinvestitionen können zum Marktwert oder zum niedrigeren Wert aus Anschaffungskosten und Marktwert angesetzt werden (IAS 25.19). Bei einem Ansatz zum Marktwert sind die Werterhöhungen oder Wertminderungen zum Zeit­ punkt ihres Eintritts erfolgswirksam als Ertrag oder Aufwand zu erfassen (IAS 25.31 a). Alternativ ist es auch zulässig, Erhöhungen des Buchwertes aufgrund der Neubewertung von langfristigen Finanzinvestitionen dem Eigenkapital in Form einer Neubewertungsrücklage zuzuschreiben. In dem Umfang, in dem eine Buchwertmin­ derung eine vorherige Buchwerterhöhung der entsprechenden Finanzinvestition aus­ gleicht, die der Neubewertungsrücklage gutgeschrieben wurde, ist diese Minderung mit der Neubewertungsrücklage zu verrechnen. In allen anderen Fällen ist eine Verminderung des Buchwertes als Aufwand zu erfassen. Eine Erhöhung durch Neu­ bewertung, die in direkter Beziehung zu einer vorherigen Buchwertkürzung für die gleiche Finanzinvestition steht, ist in dem Umfang als Ertrag anzusetzen, in dem sie die zuvor berücksichtigte Minderung ausgleicht (IAS 25.32). Langfristige Finanzinvestitionen sind mit den Anschaffungskosten oder mit dem Betrag zu bewerten, der sich durch eine Neubewertung ergibt, oder (im Falle marktfähiger börsennotierter Anteile) mit dem niedrigeren Wert aus Anschaffungs­

397 Vgl. PricewaterhouseCoopers, Understanding IAS, 1998, S. 25-2. 398 Betriebsnotwendiges Sachanlagevermögen, d.h. solches, das für die Herstellung oder Lieferung von Gütern oder Dienstleistungen notwendig ist, wird in IAS 16 geregelt. 399 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 158. 400 Vgl. Steiner, M., IAS 25, 1997, S. 926, Tz. 9.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

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kosten und Marktwert anzusetzen. Der Niederstwert ist durch eine Portfoliobewer­ tung festzustellen. Der Buchwert aller langfristigen Finanzinvestitionen ist zu ver­ mindern, um einer nicht nur vorübergehenden Wertminderung der Finanzinvestitio­ nen Rechnung zu tragen (IAS 25.23). Aufwertungen aufgrund einer Neubewertung langfristiger Investitionen sind separat auszuweisen und der Neubewertungsrücklage zuzufuhren. Spätere Abwertungsverluste sind mit dieser Rücklage zu verrechnen, darüber hinausgehende Wertminderungen sind erfolgswirksam als Aufwand zu be­ handeln.401 Ein Ertrag oder Aufwand entsteht auch zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Finanzinves­ tition veräußert wird. Die Höhe des Ertrags oder Aufwands ergibt sich aus der Dif­ ferenz zwischen den Nettoveräußerungserlösen und dem Buchwert (IAS 25.33). Sofern die Finanzinvestition vorher zum Marktwert angesetzt wurde und eine Erhö­ hung des Buchwertes in die Neubewertungsrücklage eingegangen ist, hat das Unter­ nehmen eine Bilanzierungsmethode zu verwenden, derzufolge eine verbleibende Neubewertungsrücklage entweder als Ertrag erfaßt oder in die nicht ausgeschütteten Ergebnisse umgebucht wird (IAS 25.33).

3.7.5

IAS 27

Nach IAS 27 sind im Einzelabschluß eines Mutteruntemehmens Anteile an Tochter­ unternehmen entweder nach der Equity-Methode (IAS 28) mit den Anschaffungs­ kosten oder nach der Neubewertungsmethode gemäß den bei dem Mutteruntemehmen für langfristige Finanzinvestitionen angewandten Bilanzierungs- und Bewer­ tungsmethoden zu bilanzieren (IAS 25 bzw. IAS 39).402 Werden Tochterunterneh­ men nicht in die Konsolidierung einbezogen, darf die Beteiligung ausschließlich nach IAS 25 bzw. nach IAS 39 bewertet werden.403

3.7.6

IAS 28

Nach IAS 28 sind Beteiligungen an anderen Unternehmen als Beteiligungen an as­ soziierten Unternehmen zu qualifizieren, wenn das bilanzierende Unternehmen auf dieses einen maßgeblichen Einfluß ausüben kann und dieses weder als Tochterun­ ternehmen noch als Gemeinschaftsunternehmen zu qualifizieren ist. Wenn ein An­ teilseigner direkt oder indirekt 20 % oder mehr der Stimmrechte des assoziierten Unternehmens hält, wird ein maßgeblicher Einfluß vermutet (IAS 28.4). Beteiligun­ gen an assoziierten Unternehmen sind im Konzemabschluß nach der EquityMethode zu bewerten. Bei Anwendung der Equity-Methode wird der Beteiligungs­

401 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 158. 402 Vgl. PricewaterhouseCoopers, Understanding IAS, 1998, S. 27 - 2. 403 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 164. Ausführlich dazu: Baetge, J./Schulze, D., IAS 27, 1997, S. 988 ff., Tz. 4 ff.

192

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

buchwert entsprechend der Entwicklung des anteiligen Eigenkapitals des Beteili­ gungsunternehmens fortgeschrieben.404 In der Folge erhöht oder verringert sich der Buchwert der Anteile in der Bilanz des beteiligten Unternehmens entsprechend dem Anteil am Periodenergebnis des Beteiligungsuntemehmens. Diese Erhöhung oder Verringerung des Buchwertes der Anteile ist in der Erfolgsrechnung des beteiligten Unternehmens erfolgswirksam zu berücksichtigen. Die Tatsache, daß Erfolge er­ wirtschaftet wurden, reicht für die Erfassung von Aufwendungen oder Erträgen in der Erfolgsrechnung des Beteiligungsuntemehmens aus. Durch eine Ausschüttung sinkt der Beteiligungsbuchwert der Anteile wieder (IAS 28.6). Der Anteil des betei­ ligten Unternehmens am Jahreserfolg des assoziierten Unternehmens ist in der Er­ folgsrechnung gesondert anzugeben. Zusätzlich ist auch der Anteil des beteiligten Unternehmens an außergewöhnlichen Erfolgsbeiträgen und Erfolgsbeiträgen aus vergangenen Perioden des assoziierten Unternehmens gesondert auszuweisen. (IAS 28.28).

3.7.7

IAS 31

In IAS 31 ist die Bilanzierung von Joint Ventures geregelt. Bei Joint Ventures han­ delt es sich um vertragliche Vereinbarungen über gemeinsame wirtschaftliche Akti­ vitäten zwischen zwei oder mehreren Parteien. Als Beispiele werden die gemein­ schaftliche Durchführung von Projekten und Arbeitsgemeinschaften, die gemein­ schaftliche Verfügung über Anlagen oder die gemeinschaftliche Leitung von Unter­ nehmen (d.h. Gemeinschaftsunternehmen) genannt.405 Werden Projekte gemein­ schaftlich durchgeführt, ohne daß es zur gemeinschaftlichen Verfügung über Ver­ mögenswerte kommt, wird das Joint Venture nicht als eigenständige rechnungsle­ gungspflichtige Einheit behandelt. Erträge und Aufwendungen, die aus dem Projekt resultieren, werden nach vertraglich vereinbarten Kriterien aufgeteilt.406 Wenn die am Joint Venture beteiligten Unternehmen über gemeinsam genutzte Vermögens­ werte verfugen, sind die anteiligen Erträge und Aufwendungen aus der gemeinsa­ men Nutzung von Vermögenswerten auszuweisen (IAS 31.16). Bei Vorliegen einer gemeinschaftlichen Leitung von Unternehmen sind die Anteile an dem Joint Venture quotal in den Konzemabschluß einzubeziehen (Quotenkonsolidierung) (IAS 31.16). Die konsolidierte Erfolgsrechnung des Partneruntemehmens schließt seinen Anteil an den Erträgen und den Aufwendungen der gemeinsam geführten Gesellschaft ein (IAS 31.27).

404 Vgl. Baetge, J./Bruns, C., IAS 28, 1997, S. 1079, Tz. 3. 405 Vgl. Kleber, H., IAS 31, 1997, S. 1248 ff., Tz. 26 ff. 406 Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 173.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

3.7.8

193

IAS 32

In IAS 32 und IAS 39 wird die Bilanzierung von Finanzinstrumenten behandelt. Während es im IAS 32 um die Darstellung und Offenlegung von Finanzinstrumenten geht, regelt IAS 39 deren Ansatz und Bewertung. In IAS 32.5 wird der Begriff der Finanzinstrumente relativ umfassend definiert.407 Finanzaktiva und -passiva sind alle auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erworbenen Ansprüche und Verpflichtungen, die unmittelbar oder mittelbar auf den Austausch von Zahlungsmitteln gerichtet sind. Neben den derivativen Kontrakten fallen auch originäre Finanzinstrumente unter den Anwendungsbereich von IAS 32. Damit wird das gesamte Geldvermögen erfaßt, unabhängig davon, ob es sich um Aktien, Geldforderungen, verzinsliche Wertpapie­ re oder Investmentanteile handelt.408 Ebenso fallen sämtliche vertraglichen Ver­ pflichtungen, Bargeld oder ein anderes Finanzaktivum an ein anderes Unternehmen zu liefern bzw. Finanzinstrumente mit einem anderen Unternehmen zu potentiell un­ günstigen Bedingungen zu tauschen, darunter.409 Da Finanzinstrumente auf den Austausch von Zahlungsmitteln ausgerichtet sind, ist ihr Geldwerdungsprozeß wei­ ter fortgeschritten als bei anderen Vermögenswerten. Das führt dazu, daß Finanzin­ strumente leichter zu bewerten sind als erwartete Zahlungsströme aus anderen ge­ schäftlichen Aktivitäten.410 Der Emittent eines Finanzinstruments hat das Instrument bei der erstmaligen Bu­ chung als Verbindlichkeit oder als Eigenkapital gemäß dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung und den Begriffsbestimmungen für finanzielle Verbindlichkeiten und für Eigenkapitalinstrumente zu erfassen (IAS 32.18). Zinsen, Dividenden, Verluste und Gewinne im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten oder einem ihrer Bestand­ teile, die als finanzielle Verbindlichkeiten klassifiziert werden, sind in der Erfolgs­ rechnung als Aufwendungen bzw. Erträge zu erfassen. Ausschüttungen an Inhaber eines Finanzinstruments, das den Eigenkapitalinstrumenten zuzuordnen ist, sind vom Emittenten direkt vom Eigenkapital abzusetzen (IAS 32.30).

3.7.9

IAS 39

IAS 39 darf ab 1999 angewendet werden und ist ab dem 01.01.2001 verpflichtend. Da er nur als Interimslösung gedacht ist, ist nicht auszuschließen, daß IAS 39 in seiner jetzigen Form niemals verbindlich anzuwenden ist.411 IAS 39 unterscheidet vier Kategorien von Finanzaktiva und -passiva.

407 408 409 410 411

Zur Definition von Finanzinstrumenten vgl. Abschnitt 3.6.3.2.2; Menn, B., IAS 32, 1997, S. 1284, Tz. 11 ff. Vgl. Gebhardt, G./Naumann, T., Bilanzierung von Financial Instruments, 1999, S. 1461. Vgl. Achleitner, A./Behr, G., International Accounting Standards, 1998, S. 122. Vgl. Gebhardt, G./Naumann, T., Bilanzierung von Financial Instruments, 1999, S. 1462. Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 202.

194

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

• Finanzaktiva und -passiva, die ein Fälligkeits- oder Verfalldatum aufweisen und bei denen das Unternehmen im Zeitpunkt des Erwerbs die Entscheidung trifft, diese bis zur Fälligkeit zu halten, wie es z.B. bei festverzinslichen Wertpapieren, Forderungen, Darlehen oder rückzahlbaren Vorzugsaktien mit Endfälligkeit der Fall ist (held-to-maturity). • Finanzaktiva bzw. -passiva, die nicht im Zusammenhang mit Sicherungsgeschäf­ ten stehen und bei denen das Unternehmen bereits im Erwerbszeitpunkt auf die kurzfristige Veränderung von Marktdaten spekuliert, an Gewinnerwartungen teil­ haben möchte oder Verlustgefahr in Kauf nimmt (trading).412 • Finanzaktiva und -passiva, die weder bis zur Endfälligkeit noch für spekulative Zwecke gehalten werden, wie z.B. Stammaktien oder GmbH-Anteile, soweit die­ se dauerhaft gehalten werden und keine Beteiligungen im Sinne von IAS 27, 28 oder 31 darstellen (available-for-sale).

• Finanzaktiva und -passiva, die dadurch entstehen, daß sich das Unternehmen be­ wußt gegen bestimmte erwartete Risiken aus anderen Finanzaktiva bzw. -passiva oder zukünftigen Transaktionen absichem möchte (hedge items). Nach IAS 39 sind alle Finanzaktiva und -passiva im Zeitpunkt ihrer erstmaligen bi­ lanziellen Erfassung mit ihren Anschafftingskosten einschließlich der zugehörigen Transaktionskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten entsprechen bei Finanzak­ tiva dem Marktwert (fair value) des Hingegebenen, bei finanziellen Verbindlichkei­ ten dem Marktwert (fair value) des Erlangten (IAS 39.66).

Für die Folgebewertung gilt, daß Finanzaktiva grundsätzlich zum Marktwert (fair value) zu bewerten sind, wenn dieser zuverlässig ermittelt werden kann.413 Finanz­ passiva sind mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten bzw. ihrem Rückzahlungs­ betrag anzusetzen. Die korrespondierenden Wertschwankungen können erfolgs­ wirksam in der Erfolgsrechnung berücksichtigt oder erfolgsneutral in die Neube­ wertungsrücklage eingestellt werden. Eine Ausnahme von der fair value-Bewertung gilt lediglich für nicht für Handelszwecke bestimmte Darlehen und Forderungen so­ wie für die held-to-maturity-Finanzaktiva.414 Bei trading-Finanzaktiva oder -passiva sind Gewinne und Verluste, die aus der Be­ wertung zum Marktwert resultieren, sofort erfolgswirksam. Gewinne und Verluste aus Vermögenswerten und Schulden, die der Kategorie available-for-sale zuzuord­ nen sind, können entweder sofort erfolgswirksam berücksichtigt oder erfolgsneutral mit dem Eigenkapital verrechnet werden. Diese unrealisierten Erträge und Aufwen­ dungen sind in der Eigenkapitalveränderungsrechnung gesondert auszuweisen. In

412 Gemeint ist der laufende spekulativ geprägte Handel, mit dem kurzfristig Gewinn erzielt werden soll. 413 Vgl. Ordelheide, D., Marktbewertung, 1998, S. 611. 414 Zu einem sehr guten Überblick über die Bewertung von Financial Instruments nach IAS 39 vgl. Gebhardt, G./Naumann, T., Bilanzierung von Financial Instruments, 1999, S. 1463 ff.

Ermittlung des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsobjekte)

195

der Erfolgsrechnung tauchen sie nicht auf.415 Die Ergebniswirkung tritt erst zum Zeitpunkt des Verkaufs ein. Das Wahlrecht muß gemäß IAS 39.104 einheitlich für alle available-for-sale-Aktiva ausgeübt werden. Bei held-to-maturity-Finanzaktiva oder -passiva ergibt sich die Ergebniswirkung periodisch über die Fortschreibung (amortisation), z.B. über die Vereinnahmung des Differenzbetrags zwischen Rückzahlungsbetrag und niedrigerem Ausgabebetrag (discount).416

Für Finanzinstrumente, die in einem Hedgezusammenhang stehen, wird zwischen einem Fair value hedge und einem Cash flow hedge unterschieden. Fair value hedge und Cash flow hedge unterscheiden sich im Blick auf das gesicherte Risiko: Wäh­ rend beim Fair value hedge die Marktwertänderungen des Grundgeschäftes abgesi­ chert werden, steht beim Cash flow hedge die Fixierung von zustandsabhängigen Zahlungsströmen im Mittelpunkt.417 Beim Fair value hedge sind Wertänderungen der abgesicherten Finanzinstrumente und der Sicherungsinstrumente erfolgs wirksam zu behandeln, beim Cash flow hedge wird der Teil der Wertänderung eines Hedge Instruments, der das Risiko wirksam absichert, erfolgsneutral mit dem Eigenkapital verrechnet, der unwirksame Teil wird erfolgswirksam behandelt.418 Obwohl IAS 39 zu einer wesentlichen Verbesserung der Bilanzierung von Finanzin­ strumenten fuhrt, wird, wie bereits erwähnt, die Notwendigkeit einer Weiterent­ wicklung gesehen. Das IASC nimmt deshalb an einer internationalen Joint Working Group teil. Den Vorsitz hat der Vertreter des IASC, und die Mitglieder der Gruppe repräsentieren 13 nationale Rechnungslegungsgremien. Die Joint Working Group will bis Mitte 2000 die bis dahin vorliegenden Empfehlungen veröffentlichen. Für das Jahr 2000 ist außerdem ein entsprechender Exposure Draft für Ansatz und Be­ wertung der Financial Instruments geplant. Sowohl Finanzaktiva als auch Finanz­ passiva sollen zum Zeitwert bewertet und ihre Änderungen unmittelbar in der Er­ folgsrechnung erfaßt werden. Denn es wird die Ansicht vertreten, daß langfristig die Bewertung zum Zeitwert die einzig zufriedenstellende Lösung darstellt.419 Eine ein­ heitliche Vorgehensweise, ohne die jetzt bestehenden Wahlrechte der Berücksichti­ gung von Wertschwankungen entweder erfolgswirksam in der Erfolgsrechnung oder erfolgsneutral in der Neubewertungsrücklage, ist meines Erachtens vorteilhaft und aus Sicht des Grundsatzes der Vergleichbarkeit zu befürworten.

4,5 416 417 418 419

Vgl. Eggloff, F., Bilanzierung, 1999, S. 55. Vgl. Förschle, G./Kroner, M./Rolf, E., Internationale Rechnungslegung, 1999, S. 203. Vgl. Gebhardt, G./Naumann, T., Bilanzierung von Financial Instruments, 1999, S. 1467. Vgl. Ordelheide, D., Marktbewertung, 1998, S. 612. International Accounting Standards Committee (Hrsg.), International Accounting Standards, Deutsche Ausga­ be, 1999, S. 9.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

197

4

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsunter­ nehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

4.1

Überblick

Im folgenden wird der Erfolgsausweis von Versicherungsuntemehmen nach IAS diskutiert. Dazu werden die grundsätzlichen Möglichkeiten der Abbildung der Sachverhalte in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen (Abbildungs­ prinzipien) untersucht. Für Versicherungsuntemehmen haben sich besondere Abbil­ dungsprinzipien herausgebildet, die die Aufgabe haben, die in der Erfolgsrechnung darzustellenden Sachverhalte in Versicherungsuntemehmen in eine sinnvolle Struk­ tur zu bringen.1 Diese - teilweise miteinander konkurrierenden - Abbildungsprinzi­ pien sind das Umsatz- bzw. das Erfolgsprinzip, das Brutto- bzw. das Nettoprinzip, das Primär- bzw. das Sekundärprinzip, das Gesamterfolgs- bzw. das Teilerfolgs­ prinzip und das Gesamtrechnungs- bzw. das Spartenrechnungsprinzip. Die Abbildungsprinzipien betreffen ausschließlich den Ausweis der Informationen in der Erfolgsrechnung (also die Frage, wie abgebildet wird), nicht jedoch die Peri­ odisierung der Zahlungsströme (also die Frage, was abgebildet wird). Dies war Ge­ genstand des vorhergehenden Kapitels. Die Darstellungsform hat einen erheblichen Einfluß auf den Informationsgehalt der Erfolgsrechnung. Deshalb ist es Ziel der fol­ genden Ausführungen, nach einer Darstellung der Prinzipien deren jeweilige Vorund Nachteile im Hinblick auf die Informationsfunktion der Rechnungslegung zu diskutieren. Die im zweiten Kapitel abgeleiteten Kriterien für die Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung sowie die Merkmale nützlicher Infor­ mationen nach IAS dienen dabei als Maß stab dafür, welches Prinzip vorzuziehen ist. Daraus werden Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Ver­ sicherungsuntemehmen nach IAS gezogen, die jeweils in eine konkrete Entschei­ dung für ein bestimmtes Abbildungsprinzip münden und dieses teilweise modifizie­ ren.

4.2

Umsatz- oder Erfolgsprinzip

4.2.1

Inhalt und Ausprägung der Prinzipien

Während nach dem Erfolgsprinzip ausschließlich Erträge und Aufwendungen in der Erfolgsrechnung ausgewiesen werden, ist das Umsatzprinzip durch eine zahlungs­ stromorientierte Darstellungsweise gekennzeichnet.2 Danach werden Einnahmen

1 2

Vgl. Becker, T.» Jahresabschluß, 1999, S. 204; Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 52; Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 146. Vgl. Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 207; Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkungen, 1977, S. 510; Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 147.

198

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

und Ausgaben zunächst unabhängig von ihrer Erfolgswirksamkeit in der Erfolgs­ rechnung ausgewiesen und anschließend durch den Ansatz entsprechender Korrek­ turposten innerhalb der Erfolgsrechnung periodengerecht abgegrenzt.3 Dies ge­ schieht, indem ein Teil der versicherungstechnischen Rückstellungen mit ihren Vorjahresendbeständen in voller Höhe „vereinnahmt“ und die zum Geschäftsjahres­ ende neu bewerteten versicherungstechnischen Rückstellungen ebenso in voller Höhe „verausgabt“ werden (z.B. Schadenrückstellungen, Prämienüberträge).4 Wenn als Abgrenzungsposten nicht die vollen Überträge an versicherungstechnischen Rückstellungen gebucht werden, sondern nur die Salden zwischen diesen Posten, spricht man vom Umsatzsaidoprinzip.5 Demgegenüber wird beim Erfolgsprinzip die Periodenabgrenzung bereits außerhalb der Erfolgsrechnung in den vorgelagerten Konten durchgefiihrt, so daß in der Erfolgsrechnung selbst ausschließlich periodisierte Zahlungsströme (Aufwendungen und Erträge) ausgewiesen werden.6 Um die Diskussion zu erleichtern, werden im folgenden das Erfolgs-, das Umsatz- und das Umsatzsaidoprinzip anhand eines Beispiels erläutert. Gegeben seien folgende Prämien- und Schadenposten:

• • • • • • •

3 4 5 6

Prämieneinnahmen im Geschäftsjahr

255 Mio. GE

Prämienüberträge zum Ende des Vorjahres

60 Mio. GE

Prämienüberträge zum Ende des Geschäftsjahres

65 Mio. GE

Ausgaben für Geschäftsjahres Schäden im Geschäftsjahr Ausgaben für Vorjahresschäden im Geschäftsjahr

115 Mio. GE 75 Mio. GE

Schadenrückstellung zum Ende des Vorjahres

110 Mio. GE

Schadenrückstellung zum Ende des Geschäftsjahres

120 Mio. GE

Zuführung zur Schadenrückstellung für Geschäfts­ jahresschäden

105 Mio. GE

Fortführung der Schadenrückstellung für noch nicht abgewickelte Vorjahresschäden

15 Mio. GE

Vgl. Weber, K., Jahresabschlußanalyse, 1987, S. 21. Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 54; Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 90-91. Dazu grundlegend Welzel, H., Umsatz- oder Erfolgsprinzip?, 1968, S. 943. Vgl. Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkungen, 1977, S. 510.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

199

Die Erfolgsrechnung nach dem Umsatzprinzip sieht dann so aus: Erfolgsrechnung nach dem Umsatzprinzip

Prämieneinnahmen

Prämienüberträge zum Ende des Voijahres Schadenrückstellung zum Ende des Voijahres Schadenausgaben im Geschäftsjahr7

Prämienüberträge zum Ende des Geschäftsjahres Schadenrückstellung zum Ende des Geschäftsjahres

+ + + -

Jahresüberschuß

255 Mio. GE 60 Mio. GE 110 Mio. GE 190 Mio. GE

65 Mio. GE 120 Mio. GE

50 Mio. GE

Die bilanziellen Endbestände der Prämienüberträge und der Schadenrückstellung werden beim Umsatzprinzip in ihrer vollen Höhe als Einnahmen, die Prämienüber­ träge und die Schadenrückstellung zum Ende des Geschäftsjahres in voller Höhe als Ausgaben ausgewiesen.8 Als Grund für diesen Ausweis wird angegeben, daß ein Teil der versicherungstechnischen Rückstellungen jährlich neu ermittelt und nicht durch Einstellungen oder Auflösungen lediglich erhöht oder vermindert wird. Eine Erfolgsrechnung nach dem Umsatzsaidoprinzip sieht im Beispiel folgenderma­ ßen aus:

Erfolgsrechnung nach dem Umsatzsaidoprinzip

Prämieneinnahmen

+

Erhöhung der Prämienüberträge

255 Mio. GE 5 Mio. GE

Prämienerträge Schadenausgaben im Geschäftsjahr

Erhöhung der Schadenrückstellung Schadenaufwendungen Jahresüberschuß

-

+

250 Mio. GE

-

200 Mio. GE

190 Mio. GE

10 Mio. GE 50 Mio. GE

Das Umsatzsaidoprinzip stellt eine durch Saldierung verkürzte Form des Umsatz­ prinzips dar. Nach dem Umsatzsaidoprinzip werden die Prämienüberträge und die Schadenrückstellung nicht in ihrer vollen Höhe in der Erfolgsrechnung erfaßt, son­ dern lediglich der Saldo zwischen ihrem Jahresanfangs- und ihrem Jahresendbe­ 7 8

Die Schadenausgaben im Geschäftsjahr bestehen aus Ausgaben für Geschäftsjahresschäden im Geschäftsjahr und Ausgaben fiir Vorjahresschäden im Geschäftsjahr. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften fiir Versicherungsuntemehmen, 1973, S. 52.

200

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

stand.9 Die Differenzbeträge der Prämienüberträge und der Schadenrückstellung werden mit den gesamten Zahlungen im Geschäftsjahr zu den jeweiligen Ertrags­ oder Aufwandspositionen zusammengezogen.10 Die Schadenausgaben des Ge­ schäftsjahres werden unabgegrenzt ausgewiesen.

Eine Erfolgsrechnung nach dem Erfolgsprinzip hat folgende Form:

Erfolgsrechnung nach dem Erfolgsprinzip Prämienerträge

+

250 Mio. GE

Schadenaufwendungen

-

200 Mio. GE

Jahresüberschuß

50 Mio. GE

Die Schadenaufwendungen setzen sich aus den Ausgaben für Geschäftsjahres Schä­ den im Geschäftsjahr in Höhe von 115 Mio. GE, der Zuführung zur Schadenrück­ stellung für Geschäftsjahresschäden in Höhe von 105 Mio. GE und dem Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Vorjahres in Höhe von 20 Mio. GE zusammen. Das Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung wird i.d.R. mit den Schadenaufwendungen saldiert ausgewiesen.11 Die Prämieneinnahmen werden in der Erfolgsrechnung nach dem Erfolgsprinzip nicht zunächst mit dem Einzah­ lungsbetrag ausgewiesen und danach mit Hilfe des Änderungssaldos der Prämien­ überträge abgegrenzt, sondern es werden unmittelbar die Prämienerträge ausgewie­ sen.12

4.2.2

Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die In­ formationsfunktion der Rechnungslegung

4.2.2.1

Verständlichkeit

In eine nach dem Umsatzprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung gehen Zahlen ein, die sich teilweise auf einen bestimmten Zeitraum (Stromgrößen, z.B. Prämienerträge oder Schadenaufwendungen) und teilweise auf einen bestimmten Zeitpunkt (Be­ standsgrößen, z.B. Betrag der Schadenrückstellungen oder der Prämienüberträge des Voijahres) beziehen. In eine nach dem Umsatzsaidoprinzip aufgestellte Erfolgs­ rechnung gehen Ausgleichsposten zu Bestandsgrößen ein.13 Für geübte Jahres­ abschlußleser, wie z.B. Versicherungsverbände, die Wirtschaftspresse, Finanzana­ 9

10 11 12 13

Vgl. Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 207; Welzel, H., Umsatz- oder Erfolgsprinzip?, 1968, S. 943; Woll­ mert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsuntemehmen, 1992, S. 148. Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb n, 1997, S. 4. Dies gilt zumindest für das deutsche Recht. Vgl. Graf von Treuberg, H./Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 376. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 107. Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 149.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

201

lysten, institutionelle Anleger, Rückversicherungs- oder Konkurrenzunternehmen, ist es unerheblich, nach welchem Prinzip die Erfolgsrechnung aufgestellt wird, solange alle benötigten Informationen enthalten sind. Für einen im Umgang mit Versiche­ rungsjahresabschlüssen weniger geübten Leser (wie ihn die Mehrzahl der Eigenka­ pitalgeber und Versicherungsnehmer darstellt) ist die Einbeziehung reiner Zahlungs­ vorgänge, z.B. der Prämieneinnahmen, und die „Vereinnahmung“ des Voijahresendbestands der versicherungstechnischen Rückstellungen ungewöhnlich und schwer verständlich.14 Eine nach dem Erfolgsprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung weist unter dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit für einen durchschnittlich sach­ kundigen Leser eindeutige Vorteile auf, weil sie eine reine Stromgrößenrechnung darstellt und die Vermischung von Strom- und Bestandsgrößen - wie es bei einer nach dem Umsatzprinzip aufgestellten Erfolgsrechnung der Fall ist - vermeidet. Außerdem sind zur Ermittlung von Schadenaufwendungen und Prämienerträgen beim Umsatzprinzip - im Gegensatz zum Erfolgsprinzip - Nebenrechnungen not­ wendig. Beispielsweise ist hier zur Ermittlung der Schadenaufwendungen von den angegebenen Schadenausgaben der Betrag der Schadenrückstellung zum Ende des Voijahres abzuziehen und der Betrag der Schadenrückstellung zum Ende des Ge­ schäftsjahres hinzuzuaddieren. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein durchschnittlich sachkundiger Leser so viel Hintergrundwissen hat, daß er solche Nebenrechnungen ohne weiteres durchfuhren kann.15 Diese Aussage gilt allerdings nicht fiir das Umsatzsaidoprinzip. Denn durch die Bildung von Zwischensummen können die Prämienerträge und die Schadenaufwendungen unmittelbar aus der Er­ folgsrechnung abgelesen werden. 4.2.2.2

Relevanz

Unter dem Gesichtspunkt der Relevanz, nach dem Informationen möglichst aufge­ schlüsselt und detailliert dargestellt werden sollen, haben sowohl das Umsatz- wie auch das Umsatzsaidoprinzip Vorteile gegenüber dem Erfolgsprinzip. Denn beim Erfolgsprinzip stehen einander, wie im Beispiel gezeigt wird, ausschließlich Auf­ wendungen und Erträge gegenüber, während beim Umsatz- und beim Umsatzsaido­ prinzip zusätzliche Informationen, z.B. über den Betrag der Prämienüberträge und Schadenrückstellung des Voijahres und des Geschäftsjahres, gegeben werden. Re­ levanz von Informationen bedeutet allerdings nicht, „wahllos“ mehr Informationen zu geben, sondern nur solche, die der Leser fiir seine Entscheidungen benötigt. Ein Zuviel an Informationen könnte im Gegenteil bedeuten, daß gegen den Grundsatz der Wesentlichkeit verstoßen wird. Informationen sind für die Adressaten dann relevant, wenn die für Entscheidungen des Lesers benötigten Informationen möglichst unmittelbar und mit wenigen (besser: 14 Vgl. Eilenburger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 54; Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 182. 15 Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 53.

202

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

keinen) Nebenrechnungen - ohne Zeitverzögerung und ohne die Gefahr von Falsch­ rechnungen - aus der Erfolgsrechnung entnommen werden können.16 Relevante In­ formationen sind annahmegemäß (Grundannahme der periodengerechten Erfolgser­ mittlung) Informationen über Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres. Sol­ che sind aus einer nach dem Erfolgsprinzip aufgestellten Erfolgsrechnung unmittel­ bar zu entnehmen. Eine Erfolgsrechnung nach dem Umsatzprinzip gibt zwar mehr, aber nicht die relevanten Informationen. Denn es gibt keinen sachlichen Grund, In­ formationen über Prämienüberträge und Schadenrückstellungen, die aus der Bilanz ersichtlich sind, noch einmal in der Erfolgsrechnung zu liefern.17 Dies spricht so­ wohl gegen den Grundsatz der materiality als auch gegen den Grundsatz der Aus­ gewogenheit von Kosten und Nutzen.

Das in der Literatur angeführte Argument, daß aus einer nach dem Umsatz- bzw. dem Umsatzsaidoprinzip aufgestellten Erfolgsrechnung Informationen über die Ab­ wicklungsergebnisse zu entnehmen seien, ist so nicht richtig.18 Um Abwicklungser­ gebnisse ermitteln zu können, braucht man neben Informationen über die Höhe der Schadenrückstellungen auch Informationen darüber, in welcher Höhe die Schaden­ ausgaben und die Schadenrückstellung zum Ende des Geschäftsjahres auf Voijahresschäden entfallen.19 Hätte der Leser im Beispiel für eine Erfolgsrechnung nach dem Umsatzprinzip die zusätzliche Information, daß an Schadenausgaben des Ge­ schäftsjahres, die Voijahre betreffen, 75 Mio. GE angefallen sind und die Schaden­ rückstellung zum Ende des Geschäftsjahres für noch nicht abgewickelte Voijahresschäden 15 Mio. GE beträgt, dann kann das Abwicklungsergebnis als Differenz zwischen der Schadenrückstellung zum Ende des Vorjahres und diesen beiden Positionen bestimmt werden (110 Mio. GE - 75 Mio. GE - 15 Mio. GE = 20 Mio. GE). Ohne diese beiden zusätzlichen Informationen ist das jedoch nicht möglich. Das gleiche gilt auch für das Umsatzsaidoprinzip. Auch einer Erfolgsrechnung nach dem Erfolgsprinzip ist das Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung nicht zu entnehmen, weil es nicht gesondert ausgewiesen ist, sondern mit den Schaden­ aufwendungen saldiert wird.20

4.2.2.3

Zuverlässigkeit

Was die Richtigkeit und Willkürffeiheit der Informationen betrifft, unterscheiden sich Erfolgs-, Umsatz- und Umsatzsaidoprinzip nicht. Fraglich ist dagegen, ob die für den Leser notwendigen Informationen vollständig gegeben werden. Beim Um­

16 Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 149. 17 Vgl. Laaß, W., Publizitätsvorschriften, 1991, S. 589. 18 So z.B. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 54; Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 108; Wälder, J., Abwicklung, 1972, S. 456, mit weiteren Literaturhinweisen. 19 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 90 f.; Lorch, M., Rechnungslegungs­ vorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 56. 20 Vgl. Welzel, H., Umsatz- oder Erfolgsprinzip?, 1968, S. 946.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

203

satzprinzip werden - im Gegensatz zum Umsatzsaldo- und zum Erfolgsprinzip - die Schadenrückstellung und die Prämienüberträge in der Erfolgsrechnung ausgewiesen. Auf diese Weise wird ein Überblick über einen Teil der Rückstellungen sowie der Einnahmen- und Ausgabengrößen und damit über die Finanzströme des Versiche­ rungsuntemehmens vermittelt.21 Solche finanzwirtschaftlichen Informationen sind bei Versicherungsuntemehmen, die zur Erfüllung ihrer Leistungsverpflichtungen je­ derzeit liquide sein müssen, von besonderer Bedeutung.22 Der Ausweis der Prä­ mieneinnahmen ist deshalb wichtig, weil diese eine der wichtigsten wirtschaftlichen Größen eines Versicherungsuntemehmens für den nationalen wie internationalen Vergleich darstellen.23 Dem Grundsatz der Vollständigkeit - als Unterkriterium des Merkmals Zuverlässigkeit - entsprechend ist eine Erfolgsrechnung nach dem Um­ satzprinzip deshalb vorzuziehen.

4.2.2.4

Vergleichbarkeit

Für eine nach dem Erfolgsprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung spricht, daß diese besser mit den Erfolgsrechnungen aller anderen Branchen vergleichbar ist, weil sie keine Vermischung von Strom- und Bestandsgrößen aufweist.24 Abgesehen davon sind die drei Prinzipien nach dem Grundsatz der Vergleichbarkeit (comparability) in zeitlicher und zwischenbetrieblicher Hinsicht gleich zu beurteilen. Entscheidend ist ausschließlich, daß die Erfolgsrechnungen aller Versicherungsuntemehmen nach dem gleichen Prinzip aufgestellt werden. Wahlmöglichkeiten zwischen den Prinzi­ pien sollten nicht zulässig sein, damit die Vergleichbarkeit zumindest aller Versiche­ rungserfolgsrechnungen, die nach IAS aufgestellt werden, gewährleistet ist. Eine genauere Detaillierung beeinträchtigt die Vergleichbarkeit nicht.

4.2.3

Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

Die Analyse der drei Abbildungsprinzipien hat ergeben, daß eine nach dem Erfolgs­ prinzip aufgestellte Erfolgsrechnung unter dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit und Klarheit eindeutige Vorteile aufweist, weil sie eine reine Stromgrößenrechnung darstellt, keine wesensverschiedenen Größen vermischt, für unkundige Leser leich­ ter verständlich ist, den Gepflogenheiten der Erfolgsrechnungen anderer Wirt­ schaftszweige entspricht und keine Nebenrechnungen erfordert. Nach diesem quali­

21 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 94; Wollmert, P., Konzernrechnungs­ legung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 149. 22 Vgl. Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 221. 23 Siehe dazu z.B.: GDV, Jahrbuch 1997, 1997, S. 31; Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzricht-Iinien-Entwurf, 1988, S. 94 f. 24 Vgl. Auer, K., IAS versus HGB, 1999, S. 14.

204

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

tativen Merkmal nützlicher Informationen ist das Erfolgsprinzip dem Umsatz- und dem Umsatzsaidoprinzip eindeutig vorzuziehen. Ein Nachteil der Erfolgsrechnung nach dem Erfolgsprinzip ist, daß der für die er­ folgswirtschaftliche Aussagefähigkeit besonders interessante Erfolg der Abwicklung der Schadenrückstellung mit den Schadenaufwendungen saldiert und nicht gesondert in der Erfolgsrechnung ausgewiesen wird. Der gesonderte Ausweis des Erfolgs der Abwicklung der Schadenrückstellung ist aus verschiedenen Gründen von Bedeu­ tung. Bei gleichbleibender Rückversicherungs- und Rückstellungspolitik nehmen die Abwicklungsgewinne ab, wenn die Anzahl oder die Höhe der Schäden in einer be­ stimmten Sparte zunehmen. Negative Veränderungen der Abwicklungsgewinne können deshalb frühzeitig auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Versicherungsuntemehmens hin weisen. Hohe Abwicklungsgewinne signalisieren dagegen eine gute Lage der betreffenden Sparte oder des betreffenden Versiche­ rungsuntemehmens.25 Für einen gesonderten Ausweis des Erfolgs der Abwicklung der Schadenrückstellung spricht auch die Tatsache, daß die Auflösung nicht mehr benötigter Rückstellungen zu einem periodenfremden Ertrag (Abwicklungsgewinn) und die Nachdotierung der Rückstellungen zu einem periodenfremden Aufwand (Abwicklungsverlust) führt.26 Periodenfremde oder außerordentliche Aufwendungen und Erträge sollten dem Grundsatz der Relevanz entsprechend gesondert ausgewie­ sen werden.27 Deshalb sollte das Erfolgsprinzip anders ausgestaltet werden als in obiger Modellerfolgsrechnung. Vorgeschlagen wird deshalb folgende Möglichkeit: Erfolgsrecimimg nach einem modifizierten Erfolgsprinzip

Prämienerträge

+

250 Mio. GE

Schadenaufwendungen für Geschäftsjahresschäden

-

220 Mio. GE

Abwicklungserfolg

+

20 Mio. GE

Jahresüberschuß

50 Mio. GE

Bei einer derart ausgestalteten Erfolgsrechnung werden ausschließlich Aufwandsund Ertragspositionen ausgewiesen. Außerdem kann der Leser der Erfolgsrechnung den Abwicklungserfolg direkt entnehmen.

Zwar sind Erfolgsrechnungen nach dem Umsatz- bzw. dem Umsatzsaidoprinzip In­ formationen zu entnehmen, die Erfolgsrechnungen nach dem Erfolgsprinzip grund­ sätzlich nicht enthalten, nämlich finanzwirtschaftliche Daten (Einnahmen und Aus­ gaben). Dem Grundsatz der Relevanz und der Vollständigkeit nach wären das Um­

25 Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 117. 26 Vgl. Hesberg, D., Rechnungswesen im Versicherungsbetrieb n, 1997, S. 5. 27 So auch Jäger, B., Versicherungstechnische Rückstellungen, 1999, S. 163.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

205

satz- bzw. das Umsatzsaidoprinzip zweckmäßiger.28 Dieser Nachteil könnte auch anderweitig ausgeglichen werden. Um einen Überblick über die Entwicklung der Schadenrückstellungen zu erhalten, benötigt der Leser bei Zugrundelegung der Er­ folgsrechnung nach dem modifizierten Erfolgsprinzip Angaben über die Ausgaben im Geschäftsjahr für Schäden der Voijahre.29 Im Beispiel sieht die Entwicklung der Schadenrückstellung folgendermaßen aus: Entwicklung der Schadenrückstellung

Schadenrückstellung zum Ende des Voijahres

+

110 Mio. GE

Ausgaben für Voijahresschäden im Geschäftsjahr

75 Mio. GE

Rest

35 Mio. GE

Abwicklungserfolg der Schadenrückstellung

20 Mio. GE

Fortführung der Schadenrückstellung für noch nicht abge­ wickelte Voijahresschäden

15 Mio. GE

Erhöhung der Schadenrückstellung für Geschäftsjahres­ schäden Schadenrückstellung zum Ende des Geschäftsjahres

+

105 Mio. GE 120 Mio. GE

Um vollständige Informationen über die Entwicklung der Schadenrückstellung zu erhalten, fehlt nach der Erfolgsrechnung nach dem modifizierten Erfolgsprinzip die Information über den Auszahlungsbetrag für Voijahresschäden. Es sollten daher Angaben über den Betrag der Schadenrückstellung zum Ende des Voijahres und zum Ende des Geschäftsjahres in der Bilanz, die Aufwendungen und Erträge in der Erfolgsrechnung und Informationen über Ein- und Auszahlungen im Anhang (z.B. in der Kapitalflußrechnung) ausgewiesen werden.30 Entscheidend ist, daß im Jahres­ abschluß (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) sämtliche relevanten Informationen enthalten sind. Die für Versicherungsuntemehmen besonders wichtigen finanzwirtschaftlichen Informationen können bei der Rechnungslegung nach IAS der Kapi­ talflußrechnung (cash flow Statement) entnommen werden. Dies sind insbesondere die Prämieneinnahmen, die Angaben über die Ausgaben für Geschäftsjahresschäden sowie die Ausgaben im Geschäftsjahr für Schäden der Voijahre. Im Ergebnis sollte die Erfolgsrechnung nach dem modifizierten Erfolgsprinzip aufgestellt werden; die notwendigen finanzwirtschaftlichen Informationen sollten im Anhang gegeben wer­ den. Auf diese Art und Weise gehen dem Leser keine Informationen verloren, die Erfolgsrechnung bleibt dagegen frei von systemwidrigen Einflüssen. 28 Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 208 vertritt dagegen die Ansicht, daß es unerheblich ist, nach welchem Prinzip die Erfolgsrechnung aufgestellt wird. 29 Vgl. Gürtler, M., Erfolgsrechnung, 1958, S. 79. 30 Zum Ausweis in der Kapitalflußrechnung vgl. Kapitel 5.

206

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

4.3

Brutto- oder Nettoprinzip

4.3.1

Inhalt und Ausprägung der Prinzipien

In Erfolgsrechnungen können Aufwendungen und Erträge entweder saldiert (Netto­ prinzip) oder unsaldiert (Bruttoprinzip) ausgewiesen werden.31 Beim Nettoprinzip werden einzelne Aufwendungen und Erträge oder ganze Gruppen von Aufwendun­ gen und Erträgen miteinander saldiert. Beim Bruttoprinzip wird eine solche Ver­ rechnung grundsätzlich nicht vorgenommen.32 Ein Ausweis nach dem Brutto- oder Nettoprinzip ist an sich keine versicherungsspezifische Besonderheit, gewinnt aber in der Versicherungserfolgsrechnung bezüglich des Ausweises der passiven Rück­ versicherung eine besondere Bedeutung.33 Die theoretischen Möglichkeiten der Ab­ bildung der passiven Rückversicherung in der Erfolgsrechnung sollen im folgenden anhand eines Beispiels dargestellt werden.

Bruttogeschäft

Prämienerträge brutto

250 Mio. GE

Erträge aus Kapitalanlagen brutto

40 Mio. GE

Schadenaufwendungen

200 Mio. GE

Betriebsaufwendungen

45 Mio. GE

Anteile der Rückversicherer (Quotenrückversicherung 50%) Aufwendungen für Rückversicherungsprämien

125 Mio. GE

Aufwendungen für Depotzinsen

5 Mio. GE

Erträge aus der Beteiligung der Rückversicherer an den Schadenaufwendungen

100 Mio. GE

Erträge aus Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen

25 Mio. GE

Bruttoprinzip

250 Mio. GE

Erträge aus Kapitalanlagen

+ +

Erträge aus der Beteiligung der Rückversicherer an den Schadenaufwendungen

+

100 Mio. GE

Prämienerträge

40 Mio. GE

31 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 96; Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 226 f. 32 Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungs Vorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 89. 33 Vgl. Laaß, W., Publizitätsvorschriften, 1991, S. 586.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

207

Erträge aus Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen

+

25 Mio. GE

Schadenaufwendungen

-

200 Mio. GE

Betriebsaufwendungen Aufwendungen für Rückversicherungsprämien

Aufwendungen für Depotzinsen Jahresüberschuß

45 Mio. GE

125 Mio. GE

5 Mio. GE 40 Mio. GE

Nettoprinzip Prämienerträge f.e.R.34 (250 - 125)

Erträge aus Kapitalanlagen f.e.R. (40 - 5)

Schadenaufwendungen f.e.R. (- 200 + 100) Betriebsaufwendungen f.e.R. (- 45 + 25)

Jahresüberschuß

+ + -

125 Mio. GE 35 Mio. GE

100 Mio. GE 20 Mio. GE

40 Mio. GE

Während beim Bruttoprinzip alle Erträge und Aufwendungen gesondert ausgewie­ sen und keine Saldierungen vorgenommen werden, erfolgt beim Nettoprinzip eine Verrechnung bestimmter Erträge und Aufwendungen des Erstversicherers mit Erträ­ gen und Aufwendungen aus der passiven Rückversicherung, wie z.B. die Saldierung von Schadenaufwendungen und Erträgen aus der Beteiligung der Rückversicherer an den Schadenaufwendungen des Erstversicherers oder die Saldierung von Be­ triebsaufwendungen des Erstversicherers mit Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen.

4.3.2

Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die In­ formationsfunktion der Rechnungslegung

4.3.2.1

Zulässigkeit von Saldierungen nach IAS

Zunächst ist zu klären, ob Saldierungen nach der Konzeption der IAS überhaupt zulässig sind. Nach IAS 1.34 dürfen Erträge und Aufwendungen nur dann saldiert werden, wenn ein IAS dies verlangt oder erlaubt bzw. die Erträge und die Aufwen­ dungen auf gleiche oder ähnliche Geschäftsvorfälle und Ereignisse zurückzufuhren sind und nicht wesentlich sind. In IAS 5.8 ist geregelt, daß eine Saldierung von we­ sentlichen Posten nur dann zulässig ist, wenn die Einzelbeträge gesondert angege­

34 Der Ausweis der Positionen nach Abzug der Rückversichereranteile (Nettoausweis) wird dabei mit „f.e.R“., d.h. für eigene Rechnung gekennzeichnet.

208

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

ben werden.35 Damit besteht kein grundsätzliches Verrechnungs verbot, wenn ge­ währleistet ist, daß dem Leser alle wesentlichen Einzelinformationen zugänglich sind.36 Wie in Abschnitt 3.6.2.2.2 bereits geklärt, bestehen zwei getrennte Rechtsverhält­ nisse (Versicherungs- und Rückversicherungsvertrag), die grundsätzlich nicht mit­ einander verrechnet werden dürfen. Dennoch kann eine Saldierung unter Umständen sinnvoll sein. Ob für die passive Rückversicherung ein Brutto- bzw. Nettoausweis vorzuziehen ist, ist im folgenden gesondert für Prämienerträge, Schadenaufwendun­ gen, Betriebsaufwendungen sowie Kapitalanlageerträge und -aufwendungen - es handelt sich hierbei um die bedeutendsten Positionen mit Rückversichereranteilen anhand der qualitativen Merkmale nützlicher Informationen nach IAS zu untersu­ chen.

4.3.2.2

Brutto- oder Nettoausweis der Prämienerträge

Ein Nettoausweis der Prämienerträge bedeutet, daß in der Erfolgsrechnung nur die Prämienerträge für eigene Rechnung ausgewiesen werden und eine Trennung zwi­ schen den von Versicherungsnehmern erhaltenen Prämien und den an Rückversiche­ rungsuntemehmen abgegebenen Rückversicherungsprämien aus der Erfolgsrech­ nung nicht ersichtlich ist. Für die Prämienerträge ist ein Bruttoausweis zu fordern.37 Eine zweite Frage ist, wie die Rückversicherungsprämienerträge selbst auszuweisen sind. Wie vorher festgestellt, sollten Rückversicherungsprovisionen, Gewinnanteile und Prämienportefeuilleein- und -austritte beim Ausweis der Rückversicherungs­ prämien berücksichtigt werden. Denn der tatsächliche Preis des Produktionsfaktors Rückversicherungsschutz ergibt sich durch die Rückversicherungsprämien unter Be­ rücksichtigung dieser Preiskorrekturen. Zu klären ist deshalb die Frage, ob die Rückversicherungsprämien so ausgewiesen werden sollten, daß die Preiskorrekturen offen mit diesen saldiert werden und deshalb aus der Erfolgsrechnung ersichtlich sind (offene Saldierung), oder so, daß dies nicht der Fall ist (reiner Nettoausweis). Der Grundsatz der Verständlichkeit spricht dafür, einen Nettoausweis vorzunehmen, weil der durchschnittlich sachkundige Leser nicht unbedingt über die einzelnen Prämienbestandteile der passiven Rückversicherung Bescheid weiß oder wissen muß. Eine einzige Position „Aufwendungen für die passive Rückversicherung“, in der alle Preisnachlässe bzw. Preiserhöhungen bereits verrechnet sind, ist am ver­ ständlichsten. Dem Grundsatz der Relevanz entsprechend sind dagegen möglichst

35 Vgl. Achleitner, A./Wollmert, P./van Hülle, K., Grundlagen, 1997, S. 66, Tz. 130. 36 Die Saldierungsverbote in IAS 13.20, 30.23 und 32.33 beziehen sich auf die Saldierung von assets und liabili­ ties, nicht auf die Saldierung von income und expenses und werden daher nicht diskutiert. Vgl. Kleekämper, H./Achleitner, A., IAS 5, 1997, S. 230, Tz. 34. 37 Zur Begründung dieser Vorgehensweise vgl. die Argumentation zum Brutto- oder Nettoausweis der Schaden­ aufwendungen Abschnitt 4.3.2.3.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

209

detaillierte und aufgeschlüsselte Informationen wünschenswert. Dies würde bedeu­ ten, daß der Leser auch Informationen zu Rückversicherungsprovisionen, Gewinn­ anteilen sowie Portefeuilleein- und -austritten erhalten sollte. Was die Zuverlässig­ keit der Informationen, besonders ihre Richtigkeit betrifft, ist dagegen ein Netto­ ausweis vorzuziehen, weil die saldierten Aufwendungen für die passive Rückversi­ cherung den richtigen Rückversicherungspreis angeben. Der Ausweis der Positionen Rückversicherungsprovisionen, Gewinnanteile und Prämienportefeuilleein- und -austritte, die durch mehr oder weniger willkürliche Verrechnungen zwischen Erst- und Rückversicherer entstehen, bringt keinen Infor­ mationsvorteil, zumal die Vereinbarungen in den Rückversicherungsvertrügen für Externe nicht zu erkennen sind. Ein Bruttoausweis der Positionen würde auch be­ züglich der Vergleichbarkeit keinen Vorteil gegenüber dem Nettoausweis bieten. Außerdem sind gemäß IAS 1.29 Beträge ähnlicher Art und Funktion zusammenzu­ ziehen, was bei Rückversicherungsprovisionen, Gewinnanteilen und Prämienporte­ feuilleein- und -austritten der Fall ist. Ein Nettoausweis der Aufwendungen für die passive Rückversicherung, die die Rückversicherungsprämien, die Rückversiche­ rungsprovisionen, die Gewinnanteile und die Prämienportefeuilleein- und austritte enthalten, ist also vorzuziehen, weil die Klarheit und Verständlichkeit der Informa­ tionen dadurch erhöht wird. Dafür spricht auch eine analoge Anwendung von IAS 2.8 f. und 2.13, wonach Preisnachlässe von den Anschaffungskosten abzuziehen sind.

Das gleiche gilt für die Frage, ob die Schadenportefeuilleein- und -austritte offen von den Rückversichereranteilen an den Schadenaufwendungen abgesetzt (offene Saldierung) oder unmittelbar mit diesen verrechnet und netto ausgewiesen werden sollten.38 Analog zu den Prämienportefeuilleein- und -austritten sollten sie mit den Schadenaufwendungen saldiert werden. 4.3.2.3

Brutto- oder Nettoausweis der Schadenaufwendungen

Der Nettoausweis der Schadenaufwendungen, d.h. der direkte Abzug der Erträge aus der Beteiligung der Rückversicherer an den Schadenaufwendungen des Erstver­ sicherers, beruht auf der Auffassung, daß die Anteile der Rückversicherer an den Schadenaufwendungen für den Erstversicherer durchlaufende Posten sind. Wie be­ reits festgestellt, sind die Anteile der Rückversicherer an den Schadenaufwendungen des Erstversicherers jedoch als Erträge zu interpretieren.39 Im folgenden ist zu klä­ ren, ob diese Erträge saldiert oder unsaldiert ausgewiesen werden sollten.

38 Wegen des engen Zusammenhangs zu den Prämienportefeuilleein- und -austritten wird die Abbildung der Schadenportefeuilleein- und -austritte an dieser Stelle und nicht im folgenden Abschnitt zu den Schadenauf­ wendungen diskutiert. 39 Siehe dazu Abschnitt 3.6.2.2.

210

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

Unter dem Gesichtspunkt der Klarheit und Verständlichkeit hat der Nettoausweis der Schadenaufwendungen Vorteile gegenüber dem Bruttoausweis, weil er einfacher und übersichtlicher ist. Was die Relevanz der Informationen betrifft, so sind eindeu­ tig detaillierte und aufgeschlüsselte Informationen vorzuziehen. Versteht man einen Nettoausweis in dem Sinn, daß nur die Schadenaufwendungen für eigene Rechnung ausgewiesen werden, so weist eine Bruttorechnung im Sinne der Relevanz der In­ formationen eindeutig einen Vorteil auf. Das gleiche gilt für die Vollständigkeit der Informationen. Bei einer Bruttorechnung, bei der die Schadenaufwendungen in vol­ ler Höhe als Aufwendungen und die Rückversichereranteile an den Schadenaufwen­ dungen als Erträge ausgewiesen werden, sind die Erfolgsströme aus der passiven Rückversicherung erkennbar. Im Sinne der Vollständigkeit von Informationen ist es wünschenswert, daß dem Leser diese Informationen über den Einsatz des Produkti­ onsfaktors passive Rückversicherung zur Verfügung gestellt werden. Es ist zwar normalerweise nicht üblich, Informationen über den Einsatz einzelner Produktionsfaktoren zu geben. Bei der passiven Rückversicherung handelt es sich aber um das wichtigste risikopolitische Instrument des Versicherungsuntemeh­ mens.40 Sie mindert das versicherungstechnische Risiko des Erstversicherers und stellt damit einen ausgleichenden Faktor für seinen Erfolg dar, weil der Schaden­ aufwand für eigene Rechnung stabilisiert wird.41 Ein getrennter Ausweis der Er­ folgsströme aus der passiven Rückversicherung ermöglicht einen mehljährigen Ver­ gleich der Geschäftsentwicklung brutto und für eigene Rechnung und die Feststel­ lung, ob und in welchem Umfang die passive Rückversicherung zur Stabilisierung des Erfolgs beigetragen hat.42 Nur auf diese Weise kann der Informationsempfänger die Effizienz der Rückversicherungspolitik als „Produktionsverfahrenspolitik“ be­ urteilen und sich auf diese Weise ein Bild von einer wesentlichen Komponente der Ertragslage machen. Es ist deshalb ein Bruttoausweis für die Schadenaufwendungen zu fordern. Auf den ersten Blick würde zwar auch eine modifizierte Nettorechnung, bei der nicht nur die Schadenaufwendungen für eigene Rechnung angegeben wer­ den, sondern auch der Gesamtbetrag der Schadenaufwendungen und die Rückversi­ chereranteile, selbst wenn diese nicht als gesonderte Erträge ausgewiesen werden, sondern als Kürzung des Aufwands, die gleichen Vorteile aufweisen.43 Ein solcher Ausweis ist jedoch im Hinblick auf die Informationsfunktion der Rechnungslegung nicht wünschenswert, weil eine unsaldierte Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen aus dem Rückversicherungsgeschäft den Risikoprozeß bei Vorliegen von Rückversicherungsverträgen besser abbildet.44

40 Zu den Befürwortern eines Bruttoausweises vgl. die Übersicht zur Literatur bei Altenburger, O., Erfolgsrech­ nung, 1993, S. 548. 41 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 106. 42 Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 373. 43 Zum modifizierten Nettoprinzip vgl. Treuberg, H. Graf von/Angermayer, B., Jahresabschluß, 1995, S. 46. 44 Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 371.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

4.3.2.4

211

Brutto- oder Nettoausweis der Betriebsaufwendungen

Ein Nettoausweis der Betriebsaufwendungen bedeutet, daß Rückversicherungspro­ visionen und Gewinnanteile bzw. eine Beteiligung des Rückversicherers an den Be­ triebsaufwendungen des Erstversicherers von den Betriebsaufwendungen des Erst­ versicherers abgezogen und saldiert ausgewiesen werden. Ergebnis des Abschnitts 3.Ö.2.3. war, daß die Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile nicht mit den Betriebsaufwendungen saldiert werden sollten. Eine solche Saldierung wäre für einen durchschnittlich sachkundigen Leser weder klar noch verständlich. Zudem beeinträchtigt eine Saldierung der Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile mit den Betriebsaufwendungen die Vergleichbarkeit von Erfolgsrechnungen ver­ schiedener Versicherungsuntemehmen, weil die Höhe der Betriebsaufwendungen (ohne Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile), die einen wichtigen Ver­ gleichsmaßstab für die Effizienz der Verwaltung eines Versicherungsuntemehmens darstellen, für den externen Leser nicht erkennbar ist.45 Ein Nettoausweis im Sinne einer Saldierung von Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen mit den Betriebsaufwendungen kommt also im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der Geschäftsvorgänge nicht in Betracht und ist deshalb auch nicht mit der Informati­ onsfunktion der Rechnungslegung nach IAS vereinbar.46 4.3.2.5

Brutto- oder Nettoausweis der Kapitalanlageerträge und -aufwendungen

Im Zusammenhang mit dem Ausweis der passiven Rückversicherung stellt sich bei den Kapitalanlageerträgen und -aufwendungen die Frage, ob die Depotzinsen bei den Aufwendungen oder Erträgen aus der passiven Rückversicherung oder bei den Kapitalanlageerträgen und -aufwendungen auszuweisen sind. Für eine Saldierung der Depotzinsen mit den Aufwendungen für Rückversicherungsprämien spricht der wirtschaftliche Charakter der Depotzinsen als Element der Preisbildung des Pro­ duktionsfaktors passive Rückversicherung. Wie bereits erwähnt, werden Depotzin­ sen üblicherweise im Rahmen der Preisverhandlungen zwischen Erst- und Rückver­ sicherer ausgehandelt. Sie weisen deshalb einen Zusammenhang mit den Aufwen­ dungen für die passive Rückversicherung auf.

Andererseits stellen Depotforderungen eine besondere Art der Kapitalanlage bzw. ein Kapitalanlagesurrogat dar. Die Depotzinsen sind vergleichbar mit Zinserträgen oder Erträgen aus anderen Kapitalanlagen. Depotzinsen weisen einen sachlichen

45 Vgl. Faßbender, J., Jahresabschlußpolitik, 1998, S. 269; Thiemermann, M., Rückversicherung, 1993, S. 140. 46 So auch Angerer, A., Rechnungslegung, 1972, S. 738; Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 207; Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 107.

212

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

Zusammenhang mit den Kapitalanlageerträgen auf. Dies spricht für einen Ausweis bei den Erträgen aus Kapitalanlagen.47 Nach IAS 1.29 können unwesentliche Beträge mit Beträgen ähnlicher Natur oder Funktion zusammengefaßt werden und brauchen nicht gesondert dargestellt zu wer­ den. Eine Saldierung der Depotzinsen mit den Kapitalanlageerträgen bzw. den Ka­ pitalanlageaufwendungen ist deshalb zu empfehlen.48 Werden die Depotzinsen mit den Kapitalanlageerträgen saldiert, sollte der Betrag der Depotzinsen an anderer Stelle, z.B. im Anhang, gesondert angegeben werden.

4.3.3

Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsunternehmen nach IAS

Die Frage nach dem Brutto- oder Nettoausweis für die Erfolgsrechnung muß für einzelne Positionen der Erfolgsrechnung gesondert beantwortet werden.49 Rückver­ sicherungsprovisionen und Gewinnanteile sollten nicht von den Betriebsaufwendun­ gen abgezogen werden. Die Kapitalanlageerträge und -aufwendungen sollten mit den Depotzinsen saldiert, also netto ausgewiesen werden. Für die Schadenaufwen­ dungen ist ein Bruttoausweis zu fordern, d.h. den Schadenaufwendungen, die der Erstversicherer zu tragen hat, sollten Rückversicherererstattungen in Form von Er­ trägen gegenübergestellt und diese nicht vorab mit den Schadenaufwendungen ver­ rechnet werden. Ebensowenig sollten die Prämienerträge direkt mit den Rückversi­ cherungsprämien saldiert werden. Die Position „Erträge aus der Beteiligung der Rückversicherer an den Schadenauf­ wendungen“ ist durch eine Position „Erträge aus Rückversicherererstattungen“ zu ersetzen, bei der die Rückversicherererstattungen mit Schadenportefeuilleein- und austritten saldiert werden. Die Position „Rückversicherungsprämien“ ist durch eine Position „Aufwendungen für die passive Rückversicherung“ zu ersetzen, bei der Rückversicherungsprovisionen, Gewinnanteile und Prämienportefeuilleein- und austritte berücksichtigt sind. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, an welcher Stelle der Erfolgsrechnung die neu definierten Positionen „Aufwendungen für die passive Rückversicherung“ und „Erträge aus Rückversicherererstattungen“ ausgewiesen werden sollen. Es gibt einerseits die Möglichkeit, die beiden Positio­ nen in der Hauptspalte auszuweisen, so daß direkt in der Erfolgsrechnung ein sepa­ rater Rückversicherungserfolg ermittelt werden kann, und andererseits die Möglich­ keit, die Aufwendungen für die passive Rückversicherung offen von den Prämiener­ trägen bzw. die Rückversicherererstattungen offen von den Schadenaufwendungen

47 Vgl. Fricke, 1989, Posten, 1989, S. 346, Rz. 75. 48 Anders Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 549. 49 Anders Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 206. Er differenziert nicht nach einzelnen Positionen der Erfolgs­ rechnung, sondern ist der Meinung, daß im Hinblick auf die Informationsfunktion ein Ausweis aller Posten nach dem Bruttoprinzip oder dem modifizierten Nettoprinzip erforderlich ist.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

213

abzusetzen. Gegen den Ausweis eines separaten Rückversicherungserfolgs aus der Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen (unabhängig von den Prämien­ erträgen und Schadenaufwendungen) innerhalb der Erfolgsrechnung sprechen meh­ rere Gründe: Die Verbundwirkungen von Versicherungsproduktion und passiver Rückversicherung werden nicht richtig abgebildet, weil ein Umsatz in Höhe der Bruttoprämie beim Erstversicherer in den meisten Fällen nur wegen der durch die Rückversicherung bereitgestellten Kapazitäten erzielt werden kann.50 Diese Ver­ bundwirkungen werden eher durch einen Ausweis der Aufwendungen für die passi­ ve Rückversicherung bei den Prämienerträgen deutlich. Außerdem wird bei einem Ausgleich von Rückversicherungsaufwendungen und -erträgen zu einem Rückversi­ cherungserfolg von Null der Erfolgsbeitrag der passiven Rückversicherung nicht richtig dargestellt. Es besteht die Gefahr, daß der Wert der Inanspruchnahme von Rückversicherungsschutz, der zu einer Verminderung des versicherungstechnischen Risikos des Erstversicherers geführt hat, unterschätzt wird.51 Zudem bildet der er­ wähnte Saldo aus Rückversicherungsaufwendungen und -erträgen den Beitrag zur Rückversicherung zu dem in der Erfolgsrechnung ausgewiesenen Erfolg nicht voll­ ständig ab und sollte daher nicht als solcher herausgestellt werden. Unter Berücksichtigung dieser Diskussion sieht der Vorschlag für den Ausweis der passiven Rückversicherung in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS folgendermaßen aus:

+

Prämienerträge brutto

Aufwendungen für die passive Rück­ versicherung (enthält Rückversicherungs­ prämien, Rückversicherungsprovisionen, Gewinnanteile und Prämienportefeuilleein- und -austritte)

250 Mio. GE

100 Mio. GE

Prämienerträge f.e.R.

+

150 Mio. GE

Schadenaufwendungen brutto

-

200 Mio. GE

Erträge aus Rückversicherererstattungen +

100 Mio. GE

Schadenaufwendungen f.e.R.

-

100 Mio. GE

Kapitalanlageerträge f.e.R. (enthalten die Depotzinsen)

+

35 Mio. GE

Betriebsaufwendungen

45 Mio. GE

Jahresüberschuß

40 Mio. GE

50 Vgl. Hesberg, D., Ausweis des passiven Rückversicherungsgeschäftes, 1979, S. 373. 51 Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 96.

214

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

Da Teile der Aufwendungen und Erträge brutto und andere netto ausgewiesen wer­ den, ist es innerhalb der Erfolgsrechnung nicht möglich, einen Überblick über alle Aufwendungen und Erträge aus der passiven Rückversicherung zu gewinnen. Der Rückversicherungserfolg, der das Ergebnis einer Saldierung sämtlicher Aufwendun­ gen und Erträge aus der passiven Rückversicherung darstellt, sollte entsprechend dem Grundsatz der Vollständigkeit im Anhang ausgewiesen werden.52 Außerdem könnten dann die Depotzinsen in diesem Zusammenhang im Anhang gesondert ausgewiesen werden. Der Forderung, sämtliche Aufwendungen und Erträge aus der passiven Rückversicherung einander gegenüberzustellen, würde damit Genüge getan werden.

4.4

Primär- oder Sekundärprinzip

4.4.1

Inhalt und Ausprägung der Prinzipien

Nach dem Primärprinzip werden Erträge und Aufwendungen in der Erfolgsrechnung eines Versicherungsuntemehmens nach Arten ausgewiesen, wie sie im Verkehr des Versicherungsuntemehmens mit seiner Umwelt (Lieferanten und Abnehmer) entste­ hen.53 Als Kriterium für die Gliederung der Aufwendungen dienen die auf den Be­ schaffungsmärkten bezogenen Güterarten, als Kriterium für die Gliederung der Er­ träge die auf den Absatzmärkten veräußerten Güterarten.54 Das Sekundärprinzip stellt eine Weiterentwicklung des Primärprinzips dar.55 Die primären Aufwendungen und Erträge werden danach nicht direkt in die Erfolgsrechnung aufgenommen, son­ dern bestimmten unternehmerischen Funktionsbereichen, wie z.B. Beschaffung, Produktion, Absatz, zugeordnet.56 Eine solche Zuordnung sollte möglichst eindeutig und verursachungsgerecht erfolgen.57 In der Erfolgsrechnung sind dementsprechend ausschließlich Aufwands- und Ertragsposten der Funktionsbereiche enthalten.58 Beispiele für eine Erfassung von Aufwendungen und Erträgen nach dem Primärprin­ zip sind Prämien- bzw. Kapitalanlageerträge und Schadenaufwendungen. Ein Aus­ weis von Betriebsaufwendungen stellt dagegen einen Ausweis nach dem Sekundär­ prinzip dar.59 Die unter den Betriebsaufwendungen ausgewiesenen Aufwendungen würden nach dem Primärprinzip als personenbezogene (z.B. Löhne und Gehälter, Aufwendungen für soziale Sicherung und Provisionen) und sachbezogene Aufwen-

52 53 54 55 56 57 58 59

Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften ftir Versicherungsunternehmen, 1973, S. 95. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 107. Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 156. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften ftir Versicherungsunternehmen, 1973, S. 75. Vgl. Weber, K., Jahresabschlußanalyse, 1987, S. 23. Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 150. Vgl. Will, R./Weidenfeld, G., Erfolgswirtschaftliche Wirkungen, 1996, S. 433. Grundlegend zur Behandlung der Betriebskosten im Versicherungsunternehmen vgl. Farny, D./Braun, G., u.a., Behandlung, 1972, und Welzel, H., Betriebskosten, 1991, S. 147 ff.

215

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

düngen (z.B. Miete, Papier, Porto, Telefon) dargestellt werden.60 Im folgenden wer­ den die beiden Prinzipien anhand des Ausweises der Betriebsaufwendungen erläu­ tert. Betriebsaufwendungen (in Mio. GE) Aufteilung nach Funktionen

Aufwandsarten

gesamt

Personenbezo­ gene Aufwen­ dungen

27

9

12

2

2

1

1

davon: Provi­ sionen

12

0

12

0

0

0

0

davon: Löhne, Gehälter, Auf­ wendungen für die soziale Si­ cherung

15

9

0

2

2

1

1

Sachbezogene Aufwendungen

18

7

3

2

2

1

3

davon: Miete

14

6

2

1,7

1,5

0,8

2

davon: Papier, Porto, Telefon

4

1

1

0,3

0,5

0,2

1

Z Betriebsauf­ wendungen

45

16

15

4

4

2

4

Schaden- Abschluß­ Verwal­ reguaufwen­ tung der lierungsdungen Versiche­ aufwenrungs­ dungen verträge

Verwal­ tung der Kapital­ anlagen

Verwal­ Aufwen­ tung des dungen für sonstigen die Unter­ Geschäfts nehmens­ leitung

Bei den Betriebsaufwendungen handelt es sich annahmegemäß ausschließlich um Aufwendungen mit fixem Charakter. Einem Funktionsbereich direkt zurechenbar sind nur die Provisionen.61 Zur Vereinfachung wird angenommen, daß es außer Pro­ visionen keine Abschlußaufwendungen gibt. In der Erfolgsrechnung können die Be­

60 Vgl. Laaß, W., Publizitätsvorschriften, 1991, S. 587; Welzel, H., Betriebskosten, 1991, S. 151, Tz. 8 - 9. 61 Die Angabe erweckt den Anschein, als könnten die verschiedenen Aufwendungen den Funktionsbereichen eindeutig zugeordnet werden. Tatsächlich ist eine Aufteilung z.B. der Miete auf die einzelnen Funktionsberei­ che nur mit Schlüsselungen möglich. Dies wird im folgenden diskutiert.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

216

triebsaufwendungen einmal nach Aufwandsarten (Primärprinzip) und einmal nach Funktionen (Sekundärprinzip) gegliedert werden. Ausweis der Betriebsaufwendungen nach dem Primär prinzip:

• Löhne, Gehälter, Aufwendungen für die soziale Sicherung

15 Mio. GE

• Provisionen

12 Mio. GE 27 Mio. GE

• personenbezogene Aufwendungen

• Miete • Papier, Porto, Telefon

14 Mio. GE

4 Mio. GE

• sachbezogene Aufwendungen

18 Mio. GE

Betriebsaufwendungen

45 Mio. GE

Ausweis der Betriebsaufwendungen nach dem Sekundärprinzip: • Schadenregulierungsaufwendungen

16 Mio. GE

• Abschlußaufwendungen

15 Mio. GE

• Verwaltung der Versicherungsverträge

4 Mio. GE

• Verwaltung der Kapitalanlagen

4 Mio. GE

• Verwaltung des sonstigen Geschäfts

2 Mio. GE

• Aufwendungen für die Unternehmensleitung

4 Mio. GE

• Betriebsaufwendungen

45 Mio. GE

Nach dem Sekundärprinzip sollten Schadenregulierungsaufwendungen demnach, gleichgültig, ob es sich um interne oder externe handelt, gesondert und nicht mit den Schadenaufwendungen verrechnet ausgewiesen werden. Im folgenden wird unter­ sucht, ob ein Ausweis nach dem Primär- oder dem Sekundärprinzip grundsätzlich vorzuziehen ist.

4.4.2

Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die In­ formationsfunktion der Rechnungslegung

4.4.2.1

Verständlichkeit

Im Hinblick auf die Verständlichkeit der Informationen ist zwischen dem Primärund dem Sekundärprinzip kein wesentlicher Unterschied feststellbar. Für einen ex­ ternen Leser ist sowohl eine Aufgliederung nach Aufwandsarten als auch eine Auf­

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

217

gliederung nach Funktionsbereichen verständlich. Ob das Primär- oder das Sekun­ därprinzip vorzuziehen ist, wird deshalb anhand der folgenden Grundsätze über­ prüft.

4.4.2.2

Relevanz

Dem Grundsatz der Beschaffenheit (nature) entsprechend, nach dem Informationen möglichst aufgeschlüsselt und detailliert dargestellt werden sollen, ist das Sekundär­ prinzip vorzuziehen. Denn mit einer Erfolgsrechnung nach dem Primärprinzip wer­ den dem Leser lediglich Erkenntnisse über die Struktur des Gesamtaufwands und des Gesamtertrags vermittelt.62 Die auf dieser Basis ermittelten Kennziffern sagen betriebswirtschaftlich wenig aus.63 Einen besseren Einblick in die Erfolgsquellen und die Ertragslage erlaubt die Erfolgsrechnung nach dem Sekundärprinzip, wenn Aufwendungen und Erträge nach Funktionsbereichen getrennt werden können.64 Dem Leser wird auf diese Weise Einblick in die Funktionsbereiche und Strukturen des Unternehmens gegeben.65 Eine nach dem Sekundärprinzip aufgestellte Erfolgs­ rechnung stellt deshalb eine leistungsfähigere Grundlage für die Schwachstellen­ analyse dar als eine nach dem Primärprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung.

4.4.2.3

Zuverlässigkeit

Der Grundsatz der Vollständigkeit als Ausprägung des Merkmals Zuverlässigkeit kann sowohl von einer nach dem Primär- als auch von einer nach dem Sekundär­ prinzip aufgestellten Erfolgsrechnung erfüllt werden, solange keine wesentlichen Informationen weggelassen werden. Um eine solche Vollständigkeit zu gewährleis­ ten, könnten die Informationen nach dem jeweils anderen Prinzip in den Anhang verlagert werden. Was die Grundsätze Richtigkeit und Willkürfreiheit betrifft, ist das Sekundärprinzip als problematisch einzustufen.66 Der Nachteil des Sekundärprinzips ist, daß die pri­ mären Aufwendungen und Erträge den einzelnen betrieblichen Funktionsbereichen zugeordnet werden müssen, was nur für die Aufwendungen, die sich mit dem Ge­ schäftsumfang automatisch verändern, annähernd verursachungsgerecht möglich ist. Ein großer Teil der Betriebsaufwendungen ist unabhängig vom Geschäftsumfang und ändert sich aufgrund von Entscheidungen über den Kapazitätsauf- oder -abbau, wie Personal- und Mietaufwendungen.67 Solche Aufwendungen mit fixem Charakter

Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften ftir Versicherungsuntemehmen, 1973, S. 79. Vgl. Laßmann, G., Problematik, 1961, S. 663. Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 151. Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 160; Stehle, H., Erfolgsrechnung, 1962, S. 223. 66 Vgl. Geib, G., Kapitalflußrechnungen von Versicherungsunternehmen, 1998, S. 170. 67 Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 556.

62 63 64 65

218

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

sind nicht willkürfrei auf die einzelnen Funktionsbereiche zuordenbar, weil viele Kapazitäten nicht ausschließlich für einen Funktionsbereich eingesetzt werden und eine genaue Zuordnung häufig nicht möglich ist.68 Die Wahl eines bestimmten Schlüssels beinhaltet immer ein gewisses Maß an Willkür und ist i.d.R. nicht inter­ subjektiv nachprüfbar.69 Deshalb kann die Zuordnung der Betriebsaufwendungen zu einzelnen Funktionsbereichen durch unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten leicht beeinflußt werden.70 Der Aussagewert von Aufwandsposten, die zu einem großen Teil auf Schlüsselungen basieren und leicht beeinflußbar sind, ist nicht als besonders hoch einzustufen.71 Im Ergebnis gilt: Während eine nach dem Sekundär­ prinzip aufgestellte Erfolgsrechnung nicht den Prinzipien Richtigkeit und Willkürfreiheit entspricht, ist eine Erfolgsrechnung nach dem Primärprinzip durch die Erfas­ sung von primären Aufwendungen und Erträgen weitgehend willkürfrei.72 4.4.2.4

Vergleichbarkeit

Die zeitliche Vergleichbarkeit ist grundsätzlich sowohl beim Primär- als auch beim Sekundärprinzip gegeben, solange beim Sekundärprinzip die Aufteilung auf die Funktionsbereiche immer nach den gleichen Maßstäben erfolgt. Für einen Ausweis nach dem Primärprinzip spricht jedoch, daß die anderen Positionen der Erfolgsrech­ nung, wie z.B. Prämienerträge, Kapitalerträge und Schadenaufwendungen nach dem Primärprinzip erfaßt werden. Ein Ausweis nach dem Sekundärprinzip wird in erster Linie für Betriebsaufwendungen diskutiert. Einer einheitlichen Abbildung innerhalb der gesamten Erfolgsrechnung entspricht es daher eher, wenn auch die Betriebsauf­ wendungen primär ausgewiesen werden. Außerdem sind die durch Schlüsselung entstandenen Aufwandsposten zwischenbetrieblich nicht sinnvoll vergleichbar.73 Um dieses Problem lösen zu können, müßte die Schlüsselung der Gemeinkosten so festgelegt sein, daß sie von allen Versicherungsuntemehmen einheitlich durchge­ führt werden kann. Da das nicht möglich ist, ist das Sekundärprinzip nach dem Grundsatz der Vergleichbarkeit abzulehnen.

68 Theoretisch widerspruchsfrei sind das Kostenverursachungs- und das Identitätsprinzip, wobei dem Kostenver­ ursachungsprinzip das Kriterium der Objektivität fehlt. Eine (willkürliche) Schlüsselung fixer Gemeinkosten wird i.d.R. mit Hilfe konventioneller Kostenzuordnungsprinzipien vorgenommen. Vgl. Scherrer, G., Kosten­ rechnung, 1999, S. 188 ff. 69 Vgl. Farny, D., Betriebswirtschaftliche Bemerkungen, 1977, S. 509; Altenburger, O., Schlüsselungsvorschrif­ ten, 1996, S. 20. Anderer Ansicht sind z.B. Moog, H., Preisfindung, 1999, S. 153 ff.; Pfaff, D., Kostenrech­ nung, 1993, S. 142 ff. Pfaff, D., Fix- und Gemeinkostenallokationen, 1994, S. 183 ff., gibt einen Überblick über Ansätze, die die Zurechnung von Fix- und Gemeinkosten ökonomisch (theoretisch) zu begründen versuchen. 70 Zu den Problemen der Schlüsselung von Gemeinkosten vgl. Altenburger, O., SchlüsselungsVorschriften, 1996, S. 16; Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 220; Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungs­ unternehmen, 1992, S. 151. 71 Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 556. 72 Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 150. 73 Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 556.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

4.4.3

219

Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsunternehmen nach IAS

Die Analyse des Primär- und des Sekundärprinzips hat ergeben, daß eine nach dem Sekundärprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung unter dem Gesichtspunkt der Rele­ vanz der Informationen eindeutige Vorteile aufweist, weil sie einen detaillierteren Einblick in die Erfolgsquellen des Versicherungsuntemehmens liefert. Nach den Grundsätzen Vergleichbarkeit und Willkürfreiheit sowie Richtigkeit ist jedoch eine nach dem Primärprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung vorzuziehen. Aus diesen Gründen sollten in der Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen keine Auf­ wendungen für Funktionsbereiche, sondern ausschließlich primäre Aufwendungen wie Löhne, Gehälter und Abschreibungen ausgewiesen werden.74 Eine Möglichkeit, die Vorteile beider Prinzipien zu nutzen, ist, die Aufwendungen und Erträge in der Erfolgsrechnung nach dem Primärprinzip auszuweisen und die Aufgliederung nach den Funktionsbereichen in den Anhang zu verlagern. Auf diese Weise sind sowohl die Vergleichbarkeit, Willkürfreiheit und Richtigkeit der Informationen gewährleis­ tet als auch deren Relevanz. Der Nachteil dieser Möglichkeit besteht darin, daß die Übersichtlichkeit u.U. unter der Menge der gegebenen Informationen leidet und der Grundsatz der Wesentlichkeit nicht eingehalten wird. Außerdem wird auf diese Weise die Schlüsselungsproblematik nur in den Anhang verlagert, nicht jedoch ge­ löst.

74 So auch Becker, T., Jahresabschluß, 1999, S. 210. Anderer Ansicht ist Plonka, H., Erwartungen, 1976, S. 109. Er hält es für bedenklich, daß das versicherungstechnische Ergebnis ohne den Ausweis - zumindest von Teilen - der Betriebsaufwendungen innerhalb des versicherungstechnischen Ergebnisses zu positiv dargestellt wird.

220

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

4.5

Gesamterfolgs- oder Teilerfolgsprinzip

4.5.1

Grundlagen

4.5.1.1

Überblick

Außerdem ist zu klären, ob die Erstellung der Erfolgsrechnung von Versicherungs­ untemehmen nach dem Gesamterfolgs- oder dem Teilerfolgsprinzip erfolgen sollte. Bei Anwendung des Gesamterfolgsprinzips werden Erträge und Aufwendungen nur für das Gesamtuntemehmen abgebildet, beim Teilerfolgsprinzip werden Aufwen­ dungen und Erträge dagegen gesondert für einzelne Aktivitätsbereiche ausgewie­ sen.75 Unter den einzelnen Aktivitätsbereichen wird üblicherweise das Versiche­ rungsgeschäft, das Kapitalanlagegeschäft und das sonstige Geschäft verstanden. Während in einer Erfolgsrechnung nach dem Gesamterfolgsprinzip lediglich der Ge­ samterfolg am Ende der Erfolgsrechnung ausgewiesen wird, werden in einer Er­ folgsrechnung nach dem Teilerfolgsprinzip Teil- oder Zwischensummen entspre­ chend den unterschiedenen Aktivitätsbereichen gebildet.76 Im folgenden werden verschiedene Aktivitätsbereiche von Versicherungsuntemehmen voneinander abge­ grenzt und im Anschluß daran der enge Zusammenhang zwischen Versicherungsund Kapitalanlagegeschäft aufgezeigt. Ein Überblick über die verschiedenen Akti­ vitätsbereiche von Versicherungsuntemehmen ist notwendig, um anhand der Infor­ mationsfunktion der Rechnungslegung beurteilen zu können, ob das Gesamterfolgs­ oder das Teilerfolgsprinzip vorzuziehen ist. 4.5.1.2

Aktivitätsbereiche des Versicherungsuntemehmens

4.5.1.2.1 Versicherungsgeschäft Der Hauptaktivitätsbereich von Versicherungsuntemehmen ist das Versicherungsge­ schäft. Es umfaßt die Beschaffung und Kombination von Produktionsfaktoren zur Herstellung von Versicherungsprodukten.77 Wie bereits erwähnt, kann das Versi­ cherungsgeschäft in Risikogeschäft als die entgeltliche Übernahme von Schaden­ verteilungen der Versicherungsnehmer durch das Versicherungsuntemehmen, Sparund Entspargeschäft sowie Dienstleistungsgeschäft untergliedert werden.78 Das Dienstleistungsgeschäft dient dazu, das Risiko- und das Spar- bzw. Entspargeschäft für Versicherungsnehmer und Versicherungsuntemehmen zu einem für den Markt

75 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 109. 76 Weber, K., Jahresabschlußanalyse, 1987, S. 30, bezieht das Gesamt- und Teilerfolgsprinzip ausschließlich auf die Abgrenzung außerordentlicher Erträge und Aufwendungen; anders z.B. Horbach, L., EGVersicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 126. 77 Vgl. Eilenburger, F., Erfolgsrechnung, 1991, S. 21. 78 Vgl. Farny, D., Produktions- und Kostentheorie, 1988, S. 553; Haller, M., Produkt- und Sortimentsgestaltung, 1988, S. 561.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

221

handhabbaren Produkt zu machen. Dazu bedarf es Beratungs- und Abwicklungs­ leistungen, wie z.B. Information des Versicherungsnehmers, Bearbeitung von Versi­ cherungsanträgen, Schadenbearbeitung und Prämieninkasso. Das Dienstleistungsge­ schäft umrahmt und operationalisiert das Risiko- und das Spar- bzw. Entsparge­ schäft.

4.5.1.2.2 Kapitalanlagegeschäft Wegen der Prämien Vorauszahlung im Versicherungsgeschäft und wegen der Sparund Entspargeschäfte verfugt das Versicherungsuntemehmen über Zahlungsmittel­ bestände, die die Grundlage des Kapitalanlagegeschäfts bilden.79 Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel werden zur Investition in ertragbringende Vermö­ genswerte verwendet.80 Der Inhalt des Kapitalanlagegeschäfts besteht aus dem Er­ werb, der Verwaltung und dem Verkauf von Kapitalanlagen mit dem Ziel, Erträge zu erzielen.81 Betriebswirtschaftlich gesehen handelt es sich dabei vor allem um die Produktion von Kapitalüberlassungen in Form von Darlehen oder Wertpapierkäufen und Mietüberlassungen von Grundstücken und Gebäuden an Dritte.82 4.5.1.2.3 Sonstiges Geschäft

Neben Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft betreiben Versicherungsunter­ nehmen üblicherweise weitere Geschäfte wie die Produktion von Dienstleistungen für Dritte, insbesondere in den Geschäftsfeldem Finanzdienstleistungen, Manage­ ment-, Beratungs- und Datenverarbeitungsdienstleistungen. Dies sind z.B. Füh­ rungsdienstleistungen im Mitversicherungsgeschäft, Nutzung freier Kapazitäten für Textverarbeitungsleistungen, Weitergabe von Know-How bezüglich einzelner Ver­ sicherungszweige, sowie Schadenverhütungs- und umwelttechnische Leistungen.83

4.5.1.3

Der Zusammenhang zwischen Versicherungsgeschäft und Kapital­ anlagegeschäft

Versicherungsgeschäft und Kapitalanlagegeschäft sind als Kuppelproduktion bzw. verbundene Produktion miteinander verknüpft. Kuppelproduktion bzw. verbundene Produktion liegt vor, wenn Produktionsfaktoren in einem Produktionsprozeß einge­ setzt werden, aus dem mehrere Produktarten oder Leistungen hervorgehen. Im Ver-

79 Zu Kapitalanlagepolitik von Versicherungsunternehmen in Theorie und Praxis vgl. Ellenbürger, F., Erfolgs­ rechnung, 1990, S. 40; Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 81; Geib, G., Kapitalflußrechnungen von Versicherungsunternehmen, 1998, S. 165; Kaibaum, G./Mees, I, Kapitalanlagen, 1988, S. 337 ff.; Zloch, B., Kapitalanlagen, 1975, S. 77. 80 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1991, S. 32. 81 Vgl. Gabler, Versicherungslexikon, 1994, S. 437. 82 Vgl. Farny, D., Versicherung, 1993, S. 2066. 83 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 33.

222

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

sicherungsuntemehmen ist diese verbundene Produktion im wesentlichen auf dem gemeinsamen Einsatz von Kapitalnutzungen für das Versicherungs- und das Kapi­ talanlagegeschäft begründet. Zwischen den beiden Produktlinien bestehen keine festen Relationen. Der Verbund beruht auf der Fähigkeit des Produktionsfaktors Kapitalnutzungen, gleichzeitig Beiträge zur Entstehung von Versicherungs- und Ka­ pitalanlageprodukten zu liefern.84 Der gemeinsame Einsatz der Kapitalnutzungen ist auf mehrere, meist finanzwirtschaftliche Gründe zurückzuführen: Erstens ist wegen der Prämienvorauszahlung i.d.R. ein Bestand an finanziellen Mitteln im Versicherungsuntemehmen vorhanden, der für Kapitalanlagegeschäfte genutzt werden kann. Zweitens muß für Auszahlun­ gen im Schadenfall ein Bestand an Sicherheitsmitteln, der überwiegend aus dem Ei­ genkapital und aus versicherungstechnischem Spezialkapital (z.B. Schwankungs­ rückstellungen) finanziert wird, bereitgehalten werden. Diese Mittel werden übli­ cherweise nicht in Geldform gehalten, sondern in ertragbringende Kapitalanlagen umgewandelt. Und drittens besteht durch den Verbund von Spar- und Entsparge­ schäft (als Teil des Versicherungsgeschäfts) und Kapitalanlagegeschäft ein beson­ ders enger Zusammenhang zwischen Kapitalanlage- und Versicherungsgeschäft. Die eingezahlten Sparbeträge werden angelegt und mit Zinsen zurückgezahlt. Dazu muß der Versicherer das angesparte Kapital in Vermögensform vorrätig halten und min­ destens die versprochene Sollverzinsung mit Hilfe von Kapitalanlagen erwirtschaf­ ten.85

In der neueren Versicherungsbetriebslehre werden die beiden Geschäftsbereiche Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft stärker integriert und diese Vorgehens­ weise als „Asset-Liability-Management“ bezeichnet. Die Summe aller Versiche­ rungsgeschäfte wird als Versicherungs-Portfolio aufgefaßt, die Summe aller Kapi­ talanlagegeschäfte als Kapitalanlage-Portfolio. Beide Portfolios weisen eine RisikoRendite-Position auf, so daß zwischen diesen Risikoausgleichseffekte zustande kommen können. Diese Risikoausgleichseffekte werden im Rahmen des AssetLiability-Managements durch Aufeinanderabstimmung der beiden Portfolios aktiv genutzt.86

84 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 537. 85 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 538. 86 Vgl. Farny, D., Entwicklungen, 1999, S. 601.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

4.5.2

223

Inhalt und Ausprägung der Prinzipien

Die beiden Prinzipien werden wieder anhand eines Beispiels erläutert. Gegeben sind folgende Positionen:

Prämienerträge

Schadenaufwendungen Veränderung der sonstigen Versicherungs technischen Rückstellungen (Drohverlustrückstellung, Rückstellung für Beitragsrückerstattung) Veränderung der Schwankungsrückstellung

Betriebsaufwendungen

+ -

250 Mio. GE

-

10 Mio. GE

[davon Provisionen (dem Versicherungsgeschäft direkt zurechenbar) Kapitalanlageerträge Aufwendungen für Kapitalanlagen sonstige Erträge sonstige Aufwendungen

200 Mio. GE

12 Mio. GE 45 Mio. GE

12 Mio. GE]

+ + -

40 Mio. GE

10 Mio. GE

20 Mio. GE 15 Mio. GE

Dem Gesamterfolgsprinzip entsprechend wird lediglich ein Gesamterfolg ausgewie­ sen. Zwischensummen können nicht gebildet werden. Die Erfolgsrechnung könnte wie folgt aussehen:

Erfolgsrechnung nach dem Gesamterfolgsprinzip Prämienerträge

Kapitalanlageerträge sonstige Erträge

Schadenaufwendungen Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen Veränderung der Schwankungsrückstellung

Aufwendungen für Kapitalanlagen Betriebsaufwendungen

sonstige Aufwendungen

Jahresüberschuß

+ + + -

250 Mio. GE

-

10 Mio. GE

40 Mio. GE

20 Mio. GE 200 Mio. GE

12 Mio. GE 10 Mio. GE 45 Mio. GE

15 Mio. GE 18 Mio. GE

224

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

Dem Teilerfolgsprinzip entsprechend werden die genannten Erfolgsquellen eines Versicherungsuntemehmens getrennt ausgewiesen, so daß die Bildung von Zwi­ schensummen möglich ist. Dies sieht folgendermaßen aus: Erfolgsrechnung nach dem Teilerfolgsprinzip

Prämienerträge

+ 250 Mio. GE

Schadenaufwendungen

-

200 Mio. GE

Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb

-

36 Mio. GE

-

10 Mio. GE

Veränderung der sonstigen versicherungs­ technischen Rückstellungen Veränderung der Schwankungsrückstellung

12 Mio. GE -

Erfolg aus dem Versicherungsgeschäft Kapitalanlageerträge Aufwendungen für Kapitalanlagen

+ -

Aufwendungen für die Verwaltung der Kapital­ anlagen (inkl. anteilige Aufwendungen für die Unternehmensleitung in Höhe von 2 Mio. GE)

40 Mio. GE 10 Mio. GE

6 Mio. GE

Erfolg aus dem Kapitalanlagegeschäft Erträge aus dem sonstigen Geschäft

Aufwendungen für das sonstige Geschäft

Aufwendungen für die Verwaltung des sonstigen Geschäfts (inkl. anteilige Aufwen­ dungen für die Unternehmensleitung in Höhe von 1 Mio. GE) Erfolg aus dem sonstigen Geschäft Jahresüberschuß

8 Mio. GE

24 Mio. GE

+ -

20 Mio. GE

15 Mio. GE

3 Mio. GE

2 Mio. GE

18 Mio. GE

Die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb ergeben sich aus der funktionalen Aufteilung der Betriebsaufwendungen und beinhalten die Schadenregulierungs- und die Abschlußaufwendungen in voller Höhe (d.h. 16 Mio. GE und 15 Mio. GE), die Aufwendungen für die Verwaltung der Versicherungsverträge in Höhe von 4 Mio. GE und anteilige Aufwendungen für die Unternehmensleitung in Höhe von 1 Mio. GE.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

225

Im folgenden wird untersucht, ob eine Trennung der verschiedenen Erfolgskompo­ nenten im Sinne der Informationsfunktion der Rechnungslegung zweckmäßig ist, ob also das Gesamterfolgs- oder das Teilerfolgsprinzip den Merkmalen nützlicher In­ formationen nach IAS eher entspricht.

4.5.3

Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die In­ formationsfunktion der Rechnungslegung

4.5.3.1

Verständlichkeit

Unter dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit ist das Teilerfolgsprinzip dem Ge­ samterfolgsprinzip vorzuziehen, weil eine aufgegliederte und nach den Aktivitätsbe­ reichen geordnete Darstellung von Informationen klarer und einfacher zu verstehen ist als eine Darstellung, bei der die Erfolgskomponenten nicht nach Aktivitätsberei­ chen aufgeführt werden. Zwar erfordert die Trennung der Informationen nach Versi­ cherungsgeschäft, Kapitalanlagegeschäft und sonstigem Geschäft vom Leser mehr Hintergrundwissen über die einzelnen Aktivitätsbereiche des Versicherungsunter­ nehmens, jedoch sollte dieses bei dem postulierten durchschnittlich sachkundigen Leser erwartet werden können.

4.5.3.2

Relevanz

Unter dem Gesichtspunkt der Relevanz der Informationen hat das Teilerfolgsprinzip eindeutige Vorteile gegenüber dem Gesamterfolgsprinzip. Im Rahmen der Ansätze zur Objektivierung der Informationsfunktion der Rechnungslegung wurde bereits diskutiert, das Kriterium Entscheidungsrelevanz von Informationen durch das Krite­ rium Prognoseeignung zu konkretisieren.87 Informationen in einer Erfolgsrechnung haben dann einen höheren Wert für Prognosen, wenn Informationen möglichst de­ tailliert dargestellt und außergewöhnliche oder seltene Ertrags- und Aufwandsposi­ tionen separat angegeben werden. Der versicherungstechnische Erfolg ist entsprechend der Natur des Versicherungs­ geschäfts zufallsabhängig, die Erfolge aus Kapitalanlagen und sonstigen Geschäften sind dagegen in der Regel stabiler.88 Aus diesem Grund sind Erfolge aus dem Kapi­ talanlagegeschäft im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit anders zu beurteilen als Erfol­ ge aus dem versicherungstechnischen Geschäft.89 Eine sachgerechte Beurteilung des Gesamterfolgs eines Versicherungsuntemehmens ist deshalb nur dann möglich, wenn die Quellen dieses Erfolgs bekannt sind.90 Die Ergebnisquellenanalyse wird durch die detaillierte Aufschlüsselung der Ergebnisgrößen erleichtert, weil bei einer 87 88 89 90

Siehe dazu Abschnitt 2.2.4.3. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 109. Vgl. Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 222. Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 156.

226

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

gesonderten Angabe sonstiger Erfolgsquellen leichter auf die künftige Entwicklung des regulären Ergebnisses zu schließen ist. Aufwendungen und Erträge, die sich klar von der gewöhnlichen Tätigkeit des Unternehmens unterscheiden und von denen nicht anzunehmen ist, daß sie häufig oder regelmäßig wiederkehren (außerordentli­ che Posten), sollten aus diesem Grund gesondert, also auch unabhängig vom Erfolg aus dem Versicherungs-, dem Kapitalanlage- und dem sonstigen Geschäft, ausge­ wiesen werden. Auch eine gesonderte Angabe der Veräußerungserfolge der Kapi­ talanlagen ist zu empfehlen. In der Literatur ist es vom Ansatz her unumstritten, daß das Teilerfolgsprinzip bezüglich der Aussagefähigkeit der Erfolgsrechnung dem Ge­ samterfolgsprinzip vorzuziehen ist.91 Der Gesamterfolg sollte also in die Erfolgsquellen „versicherungstechnischer Erfolg“, „Kapitalanlageerfolg“, „sonstiger Er­ folg“ und „außerordentlicher Erfolg“ aufgespalten werden.

4.5.3.3

Zuverlässigkeit

Was den Grundsatz der Richtigkeit betrifft, so ergeben sich bei einer Erfolgsrech­ nung nach dem Teilerfolgsprinzip Probleme aus der Trennung von versicherungs­ technischem Erfolg und Kapitalanlageerfolg. Da es Aufgabe der Rechnungslegung ist, die wirtschaftliche Realität richtig abzubilden, muß der tatsächliche Zusammen­ hang zwischen Versicherungsgeschäft und Kapitalanlagegeschäft berücksichtigt werden. Eine getrennte Darstellung der Aktivitätsbereiche „versicherungstechni­ sches Geschäft“ und „Kapitalanlagegeschäft“ wird dieser Forderung nicht gerecht.92 Die Interdependenz zwischen dem versicherungstechnischen und dem Kapitalanla­ gegeschäft ist eine Folge der oben erläuterten verbundenen Produktion von Versi­ cherungs- und Kapitalanlagegeschäft.93 Wird diese verbundene Produktion nicht in der Erfolgsrechnung abgebildet, z.B. durch einen Übertrag von Teilen des Kapital­ anlageergebnisses, dann wird nicht deutlich, daß die Kapitalanlageerträge zu einem großen Teil nur deshalb entstehen, weil dem Versicherungsuntemehmen durch die Zahlungsströme aus dem Versicherungsgeschäft Liquidität zur Verfügung steht, die ertragbringend auf den Finanzmärkten angelegt werden kann.94 Dem Grundsatz der Richtigkeit nach ist deshalb eine Erfolgsrechnung nach dem Gesamterfolgsprinzip vorzuziehen. In diesem Fall werden keine Einzelergebnisse der jeweiligen Ge­ schäftsbereiche ausgewiesen, sondern nur ein Gesamterfolg, der sich zu unter­ schiedlichen Teilen aus versicherungstechnischem und Kapitalanlageerfolg zusam­ mensetzt. Die Trennung der durch verbundene Produktion zusammenhängenden

91 Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 550 - 553; Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1991, S. 55; Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 109; Horbach, L., EG-Versicherungsbilanz-richtlinien-Entwurf, 1988, S. 128 - 137; Schucht, F., Aussagefähigkeit, 1991, S. 166 ff. 92 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 44; Mayr, G., Internationalisierung, 1999, S. 188. 93 Vgl. Albrecht, P., Deckungsbeitragsrechnung, 1991, S. 236. 94 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 45; Farny, D., Finanzierung, 1964, S. 440; Jannott, H., Inter­ dependenz, 1986, S. 255.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

227

Erfolgskomponenten Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft wird dadurch ver­ mieden.

Auch dem Grundsatz der Willkürfreiheit entsprechend ist eine Erfolgsrechnung nach dem Gesamterfolgsprinzip vorzuziehen, weil die Kuppelproduktion von Versiche­ rungs- und Kapitalanlagegeschäft eine verursachungsgerechte Zuordnung der Erträ­ ge und Aufwendungen auf das Versicherungs- und das Kapitalanlagegeschäft nicht zuläßt.95 Die Frage, ob und in welcher Höhe die Prämienerlöse aus den Versiche­ rungsprodukten oder die Kapitalanlageerlöse aus den Kapitalanlageprodukten die verbundenen Kosten decken sollen, kann betriebswirtschaftlich nicht eindeutig ge­ klärt werden,96 weil die Kosten bis zum Spaltpunkt immer en bloc für das gesamte Bündel aus Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft in Kauf genommen werden müssen.97 Eine willkürfreie Zuordnung der Erträge und Aufwendungen auf die ein­ zelnen Aktivitätsbereiche ist deshalb nicht möglich. 4.5.3.4

Vergleichbarkeit

Erfolgsrechnungen nach dem Gesamterfolgsprinzip sind bezüglich der Vergleich­ barkeit der enthaltenen Informationen auf den ersten Blick vorteilhaft, weil keine willkürlichen Schlüsselungen und Zuordnungen auf die Aktivitätsbereiche notwen­ dig sind.98 Die einzelnen Positionen der Erfolgsrechnung sind eindeutiger ermittel­ bar als beim Teilerfolgsprinzip, was zu einer besseren Vergleichbarkeit fuhrt. Eine nach dem Teilerfolgsprinzip aufgestellte Erfolgsrechnung hat dann gegenüber einer nach dem Gesamterfolgsprinzip aufgestellten Erfolgsrechnung keine Nachteile, wenn die einzelnen Teilerfolge durch die Vorgabe eindeutiger Normen so ermittelt werden, daß sie sowohl intertemporal als auch zwischenbetrieblich vergleichbar sind. Eine verursachungsgerechte Zuordnung der Erträge und Aufwendungen auf das Versicherungs- und das Kapitalanlagegeschäft ist dabei nicht Voraussetzung, weil dies, wie bereits festgestellt, nicht möglich ist. Die Zuordnung sollte jedoch einheitlich, nach eindeutig festgelegten Kriterien vorgenommen werden.

4.5.4

Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsunternehmen nach IAS

Nach den Grundsätzen der Verständlichkeit und der Relevanz ist das Teilerfolgs­ prinzip dem Gesamterfolgsprinzip vorzuziehen, weil eine aufgegliederte und nach den Aktivitätsbereichen geordnete Darstellung von Informationen klarer und einfa­ cher zu verstehen ist und einen höheren Wert fiir Prognosen besitzt. Die Grundsätze 95 96 97 98

Vgl. Eilenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 44. Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 1995, S. 543. Vgl. Albrecht, P., Versicherungsproduktion, 1987, S. 319. Zu Argumenten für und gegen die Trennung des versicherungstechnischen Geschäfts vom Kapitalanlagege­ schäft vgl. Hesberg, D., Zweckmäßigkeit der Vertragsaufspaltung, 1998, S. 122 ff.

228

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

Richtigkeit, Willkürfreiheit und Vergleichbarkeit sprechen eher fiir das Gesamter­ folgsprinzip, weil es die Interdependenz zwischen Versicherungsgeschäft und Ka­ pitalanlagegeschäft berücksichtigt und eine Zuordnung der Erträge und Aufwendun­ gen auf Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft unnötig ist.

Fraglich ist, ob es eine Möglichkeit gibt, die Vorteile des Teilerfolgsprinzips zu nut­ zen, ohne die Zusammenhänge zwischen Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft zu vernachlässigen. Bisher wurde bei der Diskussion des Teilerfolgsprinzips davon ausgegangen, daß versicherungstechnisches, Kapitalanlage- und sonstiges Geschäft vollständig getrennt ausgewiesen werden. Wenn dem versicherungstechnischen Er­ folg jedoch Teile des Erfolgs aus dem Kapitalanlagegeschäft zugeordnet werden, dann würde die Darstellung der Erfolgsrechnung folgendermaßen aussehen: Modifizierte Erfolgsrechnung nach dem Teilerfolgsprinzip Prämienerträge

+ 250 Mio. GE

Schadenaufwendungen

- 200 Mio. GE

Veränderung der sonstigen versicherungs­ technischen Rückstellungen

-

10 Mio. GE

Veränderung der Schwankungsrückstellung

-

12 Mio. GE

Provisionen

-

12 Mio. GE

technischer Kapitalanlageerfolg

+ 20 Mio. GE

Erfolg aus dem Versicherungsgeschäft

36 Mio. GE

Kapitalanlageerträge

+ 40 Mio. GE

Aufwendungen für Kapitalanlagen

-

10 Mio. GE

technischer Kapitalanlageerfolg

-

20 Mio. GE

Erfolg aus dem Kapitalanlagegeschäft

10 Mio. GE

sonstige Erträge

+ 20 Mio. GE

sonstige Aufwendungen

-

Erfolg aus dem sonstigen Geschäft

Betriebsaufwendungen Jahresüberschuß

15 Mio. GE

5 Mio. GE

- 33 Mio. GE 18 Mio. GE

Im Gegensatz zur ursprünglichen Version der Erfolgsrechnung nach dem Teiler­ folgsprinzip werden nach der modifizierten Erfolgsrechnung nach dem Teilerfolgs­ prinzip den einzelnen Aktivitätsbereichen nur die direkt zurechenbaren Betriebs aufwendungen zugeordnet. Im Beispiel sind dies die Provisionen. Die restlichen Betriebsaufwendungen werden dem Ergebnis der Diskussion des Primär- bzw. Se­

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)229

kundärprinzips entsprechend nach dem Primärprinzip - in einer Summe - in der Er­ folgsrechnung ausgewiesen. Durch den sogenannten „technischen Kapitalanlageerfolg“ wird ein Teil der Kapi­ talanlageerträge in den versicherungstechnischen Teil der Erfolgsrechnung umge­ bucht. Im Beispiel wird davon ausgegangen, daß der technische Kapitalanlageerfolg 20 Mio. GE beträgt." Mit einer Zuordnung des technischen Kapitalanlageerfolges zum versicherungstechnischen Ergebnis wird dem Grundsatz der Richtigkeit ent­ sprochen, weil auf diese Weise die Interdependenz zwischen Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft berücksichtigt wird. Das Problem der Willkür bei der Zuord­ nung kann dadurch allerdings nicht gelöst werden, weil es theoretisch nicht lösbar ist. Um dem Grundsatz der Vergleichbarkeit zu entsprechen, genügt jedoch eine möglichst detaillierte und eindeutig festgelegte Zuordnungsregel.100

Eine theoretisch sinnvolle Basis könnte die Zurechnung desjenigen Teils des Kapi­ talanlageerfolgs sein, der durch die vorausgezahlten Prämien verursacht ist. Ein sol­ cher ist wegen der Kuppelproduktion von Versicherungs- und Kapitalanlagegeschäft jedoch kaum zu ermitteln. Einen praktisch anwendbaren Verteilungsmaßstab stellen dagegen die versicherungstechnischen Rückstellungen dar, weil sowohl Kapitalan­ lage- als auch Versicherungsgeschäft bilanziell über die versicherungstechnischen Rückstellungen miteinander verknüpft sind.101 Zum Beispiel könnte die Übertragung in Höhe der Durchschnittsverzinsung deijenigen Kapitalanlagen vorgenommen wer­ den, die aus den versicherungstechnischen Passiva (versicherungstechnische Rück­ stellungen, Depot-, Abrechnungs- und sonstige Verbindlichkeiten)102 finanziert wer­ den.103 Gegen eine solche Vorgehensweise ist allerdings einzuwenden, daß die Pro­ duktion von Versicherungsschutz und die Generierung von Kapitalanlagen zwar ge­ koppelt ist, der erzielte Anlageerfolg jedoch auf die Dispositionen des Kapitalanla­ gebereichs zurückzufuhren ist und eine Selektion deijenigen Kapitalanlagen, die aus versicherungstechnischen Passiva finanziert werden, in der Realität kaum möglich ist.104 In Anbetracht dieser Umstände erscheint es sinnvoll, eine Netto-Rendite der Kapitalanlagen zu ermitteln, mit der die genannten versicherungstechnischen Passi­

99 Dies sind 80 % der Kapitalanlageerträge abzüglich der Aufwendungen für Kapitalanlagen und abzüglich der Aufwendungen für Depotzinsen. Zur Ermittlung vgl. die Beispielrechnung im Kapitel 5. 100 Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 553. 101 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 75. 102 Dabei sollten, anders als nach deutschem Recht, sämtliche versicherungstechnischen Rückstellungen und nicht nur Teile von diesen als Grundlage verwendet werden. Nach § 38 RechVersV (Verordnung über die Rech­ nungslegung von Versicherungsunternehmen) sind im Posten „Technischer Zinsertrag für eigene Rechnung“ nur Erträge aus den Kapitalanlagen des für die Brutto-Beitragsrückstellung gebildeten Deckungsstocks, die Zinszuführungen zur Brutto-Rentendeckungsrückstellung und die Depotzinserträge der bei den Vorversiche­ rern in Höhe der Brutto-Deckungsrückstellungen gestellten Sicherheiten für das in Rückdeckung übernommene Versicherungsgeschäft auszu weisen. 103 Vgl. Ellenbürger, F., Erfolgsrechnung, 1990, S. 156; Farny, D., Nichtversicherungstechnische Erträge, 1983, S.400. 104 Vgl. Albrecht, P., Deckungsbeitragsrechnung, 1991, S. 238.

230

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

va gleichsam verzinst werden. Als Zinssatz könnte ein mittelfristig erzielbarer Stan­ dard-Rechnungszinssatz verwendet werden.105

4.6

Spartenrechnungs- oder Gesamtrechnungsprinzip

4.6.1

Inhalt und Ausprägung der Prinzipien

Bei einer Erfolgsrechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip werden die Erfolgs­ komponenten aus dem Versicherungsgeschäft in der Erfolgsrechnung ohne Unter­ gliederung nach Versicherungszweigen ausgewiesen. Es gibt dementsprechend nur eine Erfolgsgröße für den Gesamtversicherungsbestand.106 Bei einer Erfolgsrech­ nung nach dem Spartenrechnungsprinzip werden die Aufwendungen und Erträge dagegen ganz oder teilweise getrennt für einzelne Sparten bzw. Versicherungs­ zweiggruppen oder nach direktem und indirektem Geschäft abgebildet.107 Auf diese Weise werden für einzelne Sparten oder Versicherungszweiggruppen Teilerfolge gezeigt. Der Begriff „Versicherungszweig“ umfaßt diejenigen Versicherungsverträge, die einer Anzahl weitgehend gleichartiger Risiken Versicherungsschutz gegen dieselben Gefahren bereitstellen. Traditionell wird dafür das Wort „Sparte“, abgeleitet vom italienischen Verb spartire (= verteilen), gebraucht. Wirtschaftliche Ursache für die Bildung der Sparten oder Versicherungszweige ist die Tatsache, daß die Ermittlung einer risikogerechten Prämie grundsätzlich nur für eine Gruppe gleichartiger Risiken möglich ist.108 Für die Abgrenzung gleichartiger Risiken gibt es verschiedene Sys­ tematisierungsansätze, wie z.B. den versicherten Gegenstand oder die versicherte Gefahr. Das deutsche Versicherungsvertragsgesetz unterscheidet beispielsweise die Versicherungszweige Schadenversicherung auf der einen und Lebens-, Unfall- und weitere Arten der Personenversicherung auf der anderen Seite.109 Die Gliederung des Versicherungsschutzes nach Sparten ist in ständiger Bewegung, weil die Gren­ zen zwischen den Sparten fließend sind und sich diese laufend wandelnden Versicherungsbedürfnissen und dem Fortschreiten der Versicherungstechnik anpassen müssen.110

Bei der Trennung in direktes und indirektes Geschäft geht es um die Frage des ge­ trennten Ausweises der aktiven Rückversicherung vom selbst abgeschlossenen Ver­

105 Vgl. Albrecht, P., Deckungsbeitragsrechnung, 1991, S. 205 ff.; Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 552. 106 Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 154. 107 Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 108. Teilweise werden diese Abbildungsprinzipien anders bezeich­ net, so z.B. Gesamtbestands- und Spartenerfolgsrechnung; vgl. Kölschbach, J., Grundlagen, 1999, S. 224. 108 Vgl. Koch, P., Versicherungszweige, 1988, S. 1251. 109 Vgl. § 1 Abs. 1 VVG; eine andere Spartengliederung weist das Versicherungsaufsichtsgesetz auf. Vgl. Anlage A zum VAG. 110 Vgl. Koch, P., Versicherungszweige, 1988, S. 1254; Laaß, W., Publizitätsvorschriften, 1991, S. 587.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

231

Sicherungsgeschäft.111 Sie betrifft Versicherungsuntemehmen, die neben ihrem di­ rekten Versicherungsbestand auch ein Rückversicherungsportefeuille unterhalten.112

Die beiden Prinzipien seien wieder anhand eines Beispiels erläutert.113 Unterschie­ den werden die Sparten Feuerversicherung,114 Kraftfahrzeug-Haftpflicht­ versicherung115 und Hausratversicherung.116 Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungsprinzip Aufwendungen/Erträge

gesamt

Feuer­ versicherung

KFZHaftpflichtversicherung

Hausrat­ versicherung

Prämienerträge

250

120

90

40

davon indirektes Geschäft

25

20

4

1

Schadenaufwendungen

200

100

80

20

davon indirektes Geschäft

20

16

3

1

Erträge aus der Kapitalan­ lage

40

20

10

10

davon indirektes Geschäft

5

2

2

1

Betriebsaufwendungen

45

20

15

10

davon indirektes Geschäft

5

3

1

1

Jahresüberschuß

45

20

5

20

davon indirektes Geschäft

5

3

2

0

Bei der Spartenerfolgsrechnung werden im versicherungstechnischen Teil der Er­ folgsrechnung Aufwendungen und Erträge nach einzelnen Teilversicherungsbestän­ den und bzw. oder nach direktem und indirektem Geschäft differenziert. Im Beispiel wurden auch die Kapitalanlageerträge und die Betriebsaufwendungen auf die ein­

111 Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 109. 112 Vgl. Koch, P., Rückversicherung, 1988, S. 693. 113 Das Beispiel ist angelehnt an Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 101. 114 Vgl. Wenzl, L., Feuerversicherung, 1991, S. 5 ff. 115 Vgl. Asmus, W., Kraftfahrtversicherung, 1991, S. 44 - 62 und S. 73 - 109. 1,6 Vgl. Dietz, H., Hausratversicherung, 1992.

232

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

zelnen Sparten aufgeteilt.117 Es ist allerdings auch möglich, die Spartenerfolgsrech­ nung so auszugestalten, daß die Kapitalanlageerträge und die Betriebsaufwendungen nicht auf die einzelnen Sparten aufgeteilt, sondern weiter unten in der Erfolgsrech­ nung in einer Summe ausgewiesen werden.

Bei einer Erfolgsrechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip werden die Aufwen­ dungen und Erträge nicht nach verschiedenen Sparten, nach Teilversicherungsbe­ ständen oder nach direktem bzw. indirektem Geschäft aufgegliedert dargestellt. Erfolgsrechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip

Prämienerträge

+

250 Mio. GE

Schadenaufwendungen

-

200 Mio. GE

Erträge aus Kapitalanlagen

+

40 Mio. GE

Betriebsaufwendungen

45 Mio. GE

Jahresüberschuß

45 Mio. GE

4.6.2

Vor- und Nachteile der Prinzipien im Hinblick auf die In­ formationsfunktion der Rechnungslegung

4.6.2.1

Verständlichkeit

Bei einem durchschnittlich sachkundigen Leser kann die Kenntnis über die Gliede­ rung des Versicherungsgeschäfts in einzelne Sparten oder Versicherungszweige vorausgesetzt werden. Das gleiche gilt für die Gliederung in direktes und indirektes Geschäft. Deshalb ist für einen solchen Leser eine nach Sparten aufgegliederte Er­ folgsrechnung nicht mehr oder weniger verständlich als eine Erfolgsrechnung, in der eine solche Untergliederung nicht erfolgt. Jedoch ist bei einer Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungsprinzip, insbesondere wenn die einzelnen Positionen zusätz­ lich nach direktem und indirektem Geschäft untergliedert werden, die Gefahr der „Informationsüberflutung“ eindeutig gegeben.118 Das Beispiel ist mit der Annahme nur dreier Sparten vereinfacht. In der Praxis rechnen die großen Schaden- und Unfallversicherungsuntemehmen teilweise bis zu zwanzig Sparten gesondert ab.119 Wenn in den einzelnen Teilrechnungen außerdem Kapitalanlageerträge berücksich­ tigt werden, entsteht ein äußerst umfangreiches und kompliziertes Rechenwerk, das zu verstehen selbst Fachleuten Schwierigkeiten bereiten kann.120 Unter dem Ge-

117 118 119 120

Eine solche Aufteilung ist nur mittels Schlüsselung möglich, vgl. Gürtler, M., Rechnungslegung, 1965, S. 270. Vgl. KPMG/CEA, Abschluß von Versicherungsunternehmen, 1995, S. 69. Vgl. zu einer Übersicht dazu Hoppenstedt Versicherungsjahrbuch, 1999, V 48 - V 58. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 102.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

233

Sichtspunkt der Verständlichkeit weist deshalb das Gesamtrechnungsprinzip eindeu­ tig Vorteile auf.

4.6.2.2

Relevanz

Eine Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungsprinzip bietet allein schon durch ihren Aufbau relevantere Informationen als eine Erfolgsrechnung nach dem Gesamt­ rechnungsprinzip. Durch die gesonderte Darstellung der Aufwendungen und Erträge nach verschiedenen Versicherungszweigen oder Sparten und nach direktem bzw. indirektem Geschäft enthält die Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungsprinzip zwangsläufig wesentlich mehr und detailliertere Informationen, als es bei der Er­ folgsrechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip der Fall ist.121 Durch die Sparten­ erfolgsrechnung erhält der Leser nicht nur einen Einblick in die Erfolgssituation des gesamten Unternehmens, sondern er gewinnt auch Erkenntnisse über die Erfolgs­ struktur einzelner Produktgruppen, Versicherungszweige bzw. Sparten.122 Da die einzelnen Versicherungszweige hinsichtlich der Risiken, der Prämien und der Versi­ cherungsleistungen zum Teil recht unterschiedlich sind, ist eine getrennte Darstel­ lung notwendig, um z.B. eine externe Schwachstellenanalyse durchfuhren zu können oder feststellen zu können, ob ein Versicherungszweig durch andere Versicherungs­ zweige subventioniert wird.123 Dies würde allerdings einen Ausweis der Deckungs­ beiträge, d.h. eine Berücksichtigung der direkt zurechenbaren Aufwendungen bei den einzelnen Sparten, voraussetzen. Auch direktes und indirektes Geschäft sind, was die jeweilige Risikosituation be­ trifft, unterschiedlich. Während das Versicherungsuntemehmen beim selbst abge­ schlossenen Geschäft in unmittelbare Beziehung zum Versicherungsnehmer tritt und dessen Risiko prüfen und selektieren kann, so ist es beim in Rückdeckung über­ nommenen Geschäft auf Informationen der Vorversicherer angewiesen und hat auf die Risikoauswahl kaum Einfluß.124 Die Schadenquoten für das in Rückdeckung übernommene Geschäft sind regelmäßig höher als die des direkten Geschäfts. Au­ ßerdem ist das direkte Geschäft durch höhere Vertriebs- und Verwaltungsaufwen­ dungen gekennzeichnet als das indirekte Geschäft.125 Diese Unterschiede verdeutli­ chen die Notwendigkeit eines getrennten Ausweises.

Der Grundsatz der Wesentlichkeit verlangt, daß nur diejenigen Informationen offen­ zulegen sind, die für die Adressaten entscheidungsrelevant sind. Alle entschei­ dungsirrelevanten Tatbestände sollen dagegen vernachlässigt werden. Informationen über die Erfolge einzelner Sparten des Versicherungsuntemehmens sind für die

121 122 123 124 125

Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 101. Vgl. Drews, H./Heinrichs, H., Die versicherungstechnische Gewinn- und Verlustrechnung, 1961, S. 234. Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 177. Vgl. Angerer, A., Rechnungslegungsvorschriften, 1976, S. 97. Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 116.

234

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

Adressaten entscheidungsrelevant, weil mit Hilfe dieser Informationen die Erfolgs­ quellen detailliert analysiert und Aussagen über die längerfristigen Erfolge einzelner Sparten getroffen werden können.126 Dies wiederum erlaubt Prognosen über die Entwicklung des gesamten versicherungstechnischen Geschäfts und damit über die Entwicklung des Gesamterfolgs des Versicherungsuntemehmens. 4.6.2.3

Zuverlässigkeit

Was die Richtigkeit und Willkürfreiheit betrifft, so tritt bei einer Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungsprinzip das gleiche Problem auf wie bei der Erfolgs­ rechnung nach dem Sekundärprinzip. Um dem Grundsatz der Willkürfreiheit zu ent­ sprechen, muß es gelingen, den verschiedenen Sparten die entsprechenden Aufwen­ dungen und Erträge verursachungsgerecht zuzuordnen. Eine solche verursachungs­ gerechte Zuordnung von Erfolgsgrößen auf einzelne Sparten ist nur dann möglich, wenn es sich um Einzelaufwendungen und Einzelerträge, wie z.B. Prämienerträge, Schadenaufwendungen und Provisionen, oder um Aufwendungen handelt, die vari­ ablen Gemeinkosten entsprechen.127 Ein großer Teil der Erträge und Aufwendun­ gen, wie die Kapitalanlageerträge und die Betriebsaufwendungen (z.B. Personal­ aufwendungen und Abschreibungen auf die Betriebs- und Geschäftsausstattung, wie z.B. EDV-Anlagen und Kraftfahrzeuge), stehen jedoch in keiner direkten Beziehung zu einem einzelnen Versicherungszweig.128 Diese Aufwendungen fallen völlig unab­ hängig vom Betrieb bestimmter Sparten und Versicherungszweige an. Sie stellen Aufwendungen mit fixem Charakter dar, die nur mit Schlüsseln auf die einzelnen Versicherungszweige verteilt werden können.129 Allgemeingültige Maßstäbe für die Zurechnung von Gemeinkosten auf verschiedene Versicherungszweige oder auf das direkte bzw. indirekte Geschäft existieren nicht.130 Eine willkürfreie Verteilung die­ ser Aufwendungen auf die einzelnen Sparten oder Versicherungszweige - ebenso wie auf einzelne Funktionsbereiche - ist deshalb nicht möglich.131 Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß aus bilanzpolitischen Gründen durch die Anwendung von Schlüsseln bestimmte Sparten bewußt subventioniert oder überpro­ portional stark mit Aufwendungen belastet werden.132 Das gleiche gilt für das direkte bzw. das indirekte Geschäft. Dem Grundsatz der Richtigkeit und Willkür­ freiheit entsprechend ist deshalb eine Erfolgsrechnung nach dem Gesamtrechnungs­ prinzip vorzuziehen.

126 127 128 129 130 131 132

Vgl. Wollmert, P., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1992, S. 165. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsunternehmen, 1973, S. 103. Vgl. Altenburger, O., Schlüsselungsvorschriften, 1996, S. 14. Vgl. Farny, D., Periodenrechnung, 1992, S. 108. Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 119. Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 556. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften fiir Versicherungsunternehmen, 1973, S. 104.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

235

Der Maßstab für die Vollständigkeit von Informationen, als Unterkriterium des Merkmals Zuverlässigkeit, ist in den Informationsinteressen der Adressaten zu se­ hen. Investoren sind in erster Linie an Informationen über die Gewinnentwicklung des gesamten Versicherungsuntemehmens interessiert, die wiederum von der Ent­ wicklung der Spartengewinne abhängig ist. Versicherungsnehmer haben Interesse an Sparteninformationen, weil sie so feststellen können, ob die Prämien dem Ge­ schäftsverlauf des entsprechenden Versicherungszweigs angemessen sind.133 Die Anwendung des Spartenrechnungsprinzips bedeutet eine vollständigere Wiedergabe der Informationen über die Ergebnisse einzelner Sparten und Versicherungszweige. Was das Prinzip der Vollständigkeit betrifft, ist deshalb eine Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungsprinzip vorzuziehen. 4.6.2.4

Vergleichbarkeit

Die Prämienerträge, die Schadenaufwendungen, ein großer Teil der Provisionsauf­ wendungen und der Rückversicherungserträge und -aufwendungen sind den einzel­ nen Sparten direkt zurechenbar. Wie auch bei der Anwendung des Sekundärprinzips ist eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit bei Anwendung des Spartenrech­ nungsprinzips dennoch nicht zu erreichen, weil eine einheitliche Vorgehens weise bei der Schlüsselung der Kapitalanlageerträge und der Betriebsaufwendungen und deren Zuordnung auf die jeweiligen Sparten und Versicherungszweige oder das di­ rekte bzw. indirekte Geschäft bei verschiedenen Versicherungsuntemehmen kaum gewährleistet werden kann. Wegen der Willkür der Verteilungssysteme sind zwi­ schenbetriebliche Vergleich wenig aussagefähig.134 Um dieses Problem lösen zu können, müßte die Schlüsselung der Gemeinkosten so festgelegt sein, daß sie von allen Versicherungsuntemehmen einheitlich durchgeführt werden kann. Dies könnte bedeuten, daß die Gemeinkosten nach einem reinen Prämienschlüssel, einem reinen Stückzahlschlüssel bzw. nach einem arithmetischen Mittel aus Prämien und Stück­ zahlen auf die einzelnen Sparten verteilt werden.135 Problematisch an dieser Vorge­ hensweise ist, daß eine Verteilung nach dem Verursachungsprinzip auf diese Weise nicht sichergestellt werden kann. Die Verteilung widerspricht daher dem Prinzip der Richtigkeit.136 Eine genaue Festlegung der Schlüsselung aller möglichen Gemein­ kosten wäre zu umfangreich und ist praktisch nicht durchführbar.137 Um eine zwi­ schenbetriebliche Vergleichbarkeit zu erreichen, müßten die einzelnen Sparten bzw. Versicherungszweige außerdem in den verschiedenen Versicherungsuntemehmen auch international - einheitlich voneinander abgegrenzt werden, was kaum durch­ führbar ist. Außerdem entstehen zunehmend neue Produkte, die sich einem Versi­

133 134 135 136 137

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 117. Horbach, L., EG-Versicherungsbilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 119. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften ftir Versicherungsunternehmen, 1973, S. 104. Scherrer, G., Kostenrechnung, 1999, S. 189. Gürtler, M., Rechnungslegung, 1965, S. 269 ff.

236

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

cherungszweig nicht ohne weiteres zuordnen lassen bzw. Elemente verschiedener Versicherungszweige umfassen. Nach dem Grundsatz der Vergleichbarkeit ist des­ halb eine Erfolgsrechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip vorzuziehen.

4.6.3

Folgerungen für die Ausgestaltung der Erfolgsrechnung von Versicherungsunternehmen nach IAS

Das Gesamtrechnungsprinzip ist unter den Gesichtspunkten Verständlichkeit, Rich­ tigkeit, Willkürfreiheit und Vergleichbarkeit vorteilhaft, weil die Erfolgsrechnung auf diese Weise wesentlich übersichtlicher ist und die genannten willkürlichen Zu­ rechnungen vermieden werden. Eine Erfolgsrechnung nach dem Spartenrechnungs­ prinzip ist dagegen nach den Grundsätzen Relevanz und Vollständigkeit vorzuzie­ hen, weil sie wesentlich mehr und detailliertere Informationen enthält als eine Er­ folgsrechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip. Um die Vorteile beider Prinzipien zu nutzen, sollte die Erfolgsrechnung als Erfolgs­ rechnung nach dem Gesamtrechnungsprinzip ausgestaltet werden, und die Sparten­ informationen bzw. die Informationen über das direkte bzw. indirekte Geschäft im Anhang angegeben werden. Für die Spartenrechnung von Versicherungsuntemeh­ men bietet sich dabei die Segmentberichterstattung an. IAS 14 entsprechend werden für die Segmentberichterstattung primäre und sekundäre Berichtsformate unter­ schieden, die mit unterschiedlich hohen Offenlegungsverpflichtungen verbunden sind. Das eine Berichtsformat stellen Geschäftsbereiche dar. Diese sind als ab­ grenzbarer Bereich eines Unternehmens, der sich mit der Bereitstellung von einzel­ nen oder einer Gruppe von Produkten oder Dienstleistungen befaßt und dessen Ri­ siken und Erträge von denen anderer Geschäftsbereiche abgegrenzt werden können, definiert (IAS 14.9).138 Das andere Berichtsformat entspricht den geographischen Gebieten, in denen das Unternehmen tätig ist. Diese können sowohl nach Märkten als auch nach Produktionsstätten abgegrenzt werden.139 Welches der beiden Seg­ mentierungskriterien - Geschäftsbereich oder geographisches Gebiet - als primäres und welches als sekundäres Segment eingestuft wird, hängt vom Aufbau der inneren Organisationsstruktur des Unternehmens ab.140 Für Versicherungsuntemehmen ist die Wahl von Sparten bzw. Versicherungszwei­ gen als primäres Berichtsformat naheliegend. Bei den Sparten handelt es sich um abgrenzbare Teilbereiche des Versicherungsuntemehmens, die sich mit der Bereit­ stellung von einzelnen oder einer Gruppe von Produkten oder Dienstleistungen be­ fassen und deren Risiken und Erträge von denen anderer Geschäftsbereiche abge­ grenzt werden können. Denn in Sparten werden, wie bereits erwähnt, Versiche­ 138 Zum primären Berichtsformat der Segmentberichterstattung nach IAS vgl. Pejic, P., Segmentberichterstattung, 1997, S. 2039. 139 Vgl. Säglitz, H., Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen, 1998, V 11. 140 Vgl. Husmann, R., Segmentberichterstattung, 1998, S. 816.

Ausweis des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen nach IAS (Abbildungsprinzipien)

237

rungsverträge zusammengefaßt, die einer Anzahl weitgehend gleichartiger Risiken Versicherungsschutz gegen dieselben Gefahren bereitstellen. Die Bildung von Gruppen von Versicherungsverträgen ist schon wegen des Risikoausgleichs im Kollektiv notwendig.141

Das sekundäre Berichtsformat stellt üblicherweise eine Einteilung in geographische Gebiete dar. Gerade für international operierende Versicherungsuntemehmen sind gesonderte Informationen über die Tätigkeit in verschiedenen Ländern und Regio­ nen von großer Wichtigkeit. Alternativ bietet sich für Versicherungsuntemehmen eine Segmentierung nach Kundengruppen (z.B. Privat- oder Firmenkunden) oder nach direktem und indirektem Geschäft an.142 Falls bei einem Versicherungsunter­ nehmen nicht eindeutig festgestellt werden kann, welche der beiden Segmentie­ rungsarten (z.B. die Sparten oder die geographischen Gebiete) entscheidungsrele­ vanter ist, dann gibt es die Möglichkeit einer Matrixdarstellung von primärem und sekundärem Berichtsformat (IAS 14.29). Alternativ bietet sich auch eine Matrixdar­ stellung von Versicherungszweigen und direktem bzw. indirektem Geschäft an.

Im Ergebnis sollte die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach dem Gesamtrechnungsprinzip ausgestaltet werden. Durch eine Untergliederung der Er­ folgsrechnung in Sparten oder in direktes und indirektes Geschäft wird die Über­ sichtlichkeit und Verständlichkeit der Informationen erschwert. Es bestünde die Gefahr, daß durch die Informationsflut der betriebswirtschaftlich weniger kundige Leser irregefuhrt wird.143 Aus diesem Grund ist eine Erfolgsrechnung nach dem Ge­ samtrechnungsprinzip vorzuziehen, wenn die relevanten Informationen zu den Sparten und geographischen Gebieten in der Segmentberichterstattung gegeben werden.

141 Maser schlägt - im Gegensatz dazu - für global operierende Versicherungsunternehmen geographische Gebiete als primäres Berichtsformat vor. Vgl. Maser, H., Konzernrechnungslegung von Versicherungsunternehmen nach IAS, 1998, S. 979. 142 Dabei geht es um die Frage, inwieweit die aktive Rückversicherung getrennt vom selbst abgeschlossenen Versi­ cherungsgeschäft ausgewiesen wird. Vgl. Horbach, L., EG-Versicherungs-bilanzrichtlinien-Entwurf, 1988, S. 109. 143 Vgl. Husmann, R., Segmentberichterstattung, 1998, S. 821.

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

5

239

Vorschlag für die Ausgestaltung der Erfolgs­ rechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

Nachdem im dritten und vierten Kapitel Erfolgsermittlung und Erfolgsausweis von Versicherungsuntemehmen nach IAS diskutiert wurden, soll nun ein konkreter Vor­ schlag für die Ausgestaltung einer Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS abgeleitet werden, der auf den Ergebnissen der Untersuchung basiert. Dafür sind einerseits die Ergebnisse zu den Abbildungsobjekten und Abbildungs­ prinzipien zu beachten1 und andererseits die allgemeinen Gliederungsvorschriften in den IAS sowie die Minimumausweisvorschriften des IAS 1.75 (und Anhang zu IAS 1). Die allgemeinen Gliederungsvorschriften besagen, daß der Grundsatz der Klarheit zu beachten ist (IAS 5.6) und das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstä­ tigkeit und die außerordentlichen Posten gesondert anzugeben sind (IAS 8.10). Nach den Minimumausweisvorschriften des IAS 1.75 sind branchenunabhängig mindestens die folgenden Positionen anzugeben: Umsatzerlöse, Ergebnis der be­ trieblichen Tätigkeit, Finanzierungsaufwendungen, Gewinn- und Verlustanteile aus assoziierten Unternehmen und Joint Ventures, die nach der Equity-Methode bilan­ ziert werden, Steueraufwendungen, Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, außerordentliche Posten, Minderheitsanteile sowie das Periodenergebnis. Abgesehen von diesen auszuweisenden Aufwendungen und Erträgen wird vom Re­ gelwerk der IAS kein starres Gliederungsschema vorgegeben. Das bilanzierende Unternehmen kann deshalb weitgehend flexibel darüber entscheiden, welche Posten in die Erfolgsrechnung aufgenommen werden sollen.2 Auch der bisher einzige bran­ chenspezifische IAS, der IAS 30 für Kreditinstitute und ähnliche Institutionen, gibt kein bestimmtes Formblatt ftir die Erfolgsrechnung vor; es wird nur der Ausweis bestimmter Positionen verlangt.3 Für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen sollte im Gegensatz dazu ein festes Gliederungsschema bzw. Formblatt vorgegeben werden. Der Grund dafür liegt in den aus der Informationsfunktion der Rechnungslegung abgeleiteten Anfor­ derungen an die Rechnungslegung, wie z.B. dem Grundsatz der Relevanz, mit dem die Vorgabe eines Mindestmaßes an Detaillierungsgrad der Vorschriften begründet werden kann, und dem Grundsatz der Vergleichbarkeit, der auf eine möglichst ein­

1

2 3

Dabei ergeben sich auch Probleme, die erst durch das Zusammenfuhren der in den vorherigen Kapiteln erar­ beiteten Einzellösungen entstehen. Dies betrifft insbesondere die Anteile der Rückversicherer an verschiedenen Positionen. Vgl. Krumnow, J., IAS 30, 1997, S. 1191 - 1192, Tz. 13. Vgl. Bellavite-Hövermann, Y./Prahl, R., Bankbilanzierung nach IAS, 1997, S. 105; Löcke, J., LAS 30, 1997, S. 737.

240

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

heitliche Abbildung gleichartiger Sachverhalte abzielt. Die bisher bestehenden Min­ destgliederungsvorschriften der IAS sind nach diesen Kriterien nicht ausreichend.

Die folgende Gliederung der Erfolgsrechnung ist deshalb als Vorschlag zu verste­ hen, wie einerseits der Informationsfunktion der Rechnungslegung und andererseits dem für Versicherungsuntemehmen modifizierten Mindestgliederungsschema des IAS 1.75 entsprochen werden kann. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Prä­ mienerträge der Versicherungsuntemehmen den Umsatzerlösen der Unternehmen anderer Branchen entsprechen, das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit dem Erfolg aus dem Versicherungsgeschäft und die Finanzierungsaufwendungen den Kapital­ anlageerträgen und -aufwendungen.

1.

Erfolg aus dem Versicherungsgeschäft

1.1 Prämienerträge f.e.R. 1.1.1

Prämienerträge

1.1.2

Aufwendungen fiir die passive Rückversicherung (Aufwendungen fiir Rückversicherungsprämien, Erträge aus Rückversicherungs­ provisionen und Gewinnanteilen, Prämienportefeuilleein- und -austritte)

1.2 sonstige versicherungstechnische Erträge 1.3 technischer Kapitalanlageerfolg f.e.R.

1.4 Schadenaufwendungen f.e.R. 1.4.1

Schadenaufwendungen für Geschäftsjahresschäden f.e.R.

1.4.1.1 1.4.1.2

Schadenaufwendungen fiir Geschäftsjahresschäden

Erträge aus Rückversicherererstattungen für Geschäfts­ jahresschäden

1.4.1.3

1.4.2

Schadenregulierungsaufwendungen

Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres f.e.R.

1.4.2.1

Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres

1.4.2.2

Erträge/Aufwendungen aus den Rückversichereranteilen am Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres

1.5 Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen f.e.R.

1.5.1

Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstel­ lungen

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

1.5.2

241

Erträge/Aufwendungen aus den Rückversichereranteilen an der Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstel­ lungen

1.6 Provisionen 1.7 sonstige versicherungstechnische Aufwendungen (vor allem direkt zure­ chenbare Betriebsaufwendungen) 1.8 Zwischensumme

1.9 Veränderung der Schwankungsrückstellung

2.

Erfolg aus dem Kapitalanlagegeschäft

2.1 Kapitalanlageerträge f.e.R. 2.2 Aufwendungen für Kapitalanlagen f.e.R. 2.3 technischer Kapitalanlageerfolg f.e.R.

3.

Erfolg aus dem sonstigen Geschäft 3.1 sonstige Erträge 3.2 sonstige Aufwendungen

4.

Nicht direkt zurechenbare Betriebsaufwendungen 4.1 personenbezogene Betriebsaufwendungen (z.B. Löhne, Gehälter, Auf­ wendungen für die soziale Sicherung) 4.2 sachbezogene Betriebsaufwendungen (z.B. Mietaufwendungen, Ab­ schreibungen, Porto, Telefon)

5.

Gewinn- und Verlustanteile aus assoziierten Unternehmen und Joint Ven­ tures, die nach der Equity-Methode bilanziert werden

6.

Steueraufwendungen

7.

Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

8.

außerordentliches Ergebnis

8.1 außerordentliche Erträge 8.2 außerordentliche Aufwendungen

9.

Minderheitsanteile

10. Periodenergebnis Dem modifizierten Erfolgsprinzip entsprechend werden Prämienerträge und Scha­ denaufwendungen angegeben. Bei den Prämienerträgen werden auch Sparanteile und als Korrekturposten Aufwendungen für die Stomorückstellung erfaßt. Die Schadenaufwendungen setzen sich aus den Schadenaufwendungen für Geschäftsjah­ resschäden (Ausgaben für Geschäftsjahresschäden und Zuführungen zur Schaden­ rückstellung für Geschäftsjahresschäden, d.h. für gemeldete Schäden und Spätschä­

242

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

den) und dem Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres zu­ sammen. Die Schadenaufwendungen sind zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls in der Erfolgsrechnung zu berücksichtigen. Regresse und Provenues sind mit den Schadenaufwendungen zu verrechnen. Externe sowie interne Schadenregu­ lierungsaufwendungen, die einzelnen Versicherungsfällen direkt (ohne Schlüsse­ lung) zurechenbar sind, werden in der Erfolgsrechnung gesondert ausgewiesen. Nicht direkt zurechenbare Schadenregulierungsaufwendungen werden innerhalb der nicht direkt zurechenbaren Betriebsaufwendungen ausgewiesen. Das Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres wird gesondert ausgewiesen, weil aperiodische Erfolgskomponenten für externe Leser erkennbar sein sollen. Auch die Provisionsaufwendungen sollten gesondert ausgewiesen werden, weil sie bedeutende direkt zurechenbare Aufwendungen darstellen. Die Erträge bzw. Auf­ wendungen, die im Zusammenhang mit der Aktivierung der Abschlußprovisionen entstehen, sind mit den Provisionsaufwendungen zu verrechnen. Die Aufwendungen bzw. die Erträge aus der Veränderung der Drohverlustrückstellung sowie die Auf­ wendungen bzw. die Erträge aus der erfolgsabhängigen bzw. erfolgsunabhängigen Beitragsrückerstattung sind bei der Veränderung der sonstigen versicherungstechni­ schen Rückstellungen auszuweisen, soweit sie nicht innerhalb des Eigenkapitals (equity) zu erfassen sind. Aufwendungen bzw. Erträge aus der Veränderung der Schwankungsrückstellung sollten gesondert angegeben werden, damit erkennbar ist, ob in dem Berichtsjahr Über- bzw. Unterschäden vorliegen.

Schadenaufwendungen und Prämienerträge werden brutto ausgewiesen. Den Scha­ denaufwendungen für Geschäftsjahresschäden des Erstversicherers werden Rück­ versicherererstattungen in Form von „Erträgen aus Rückversicherererstattungen für Geschäftsjahresschäden“ unter Berücksichtigung der Schadenportefeuilleein- und austritte gegenübergestellt. Ebenso werden den Prämienerträgen „Aufwendungen für die passive Rückversicherung“ gegenübergestellt, bei denen Rückversicherungs­ prämien, Rückversicherungsprovisionen, Gewinnanteile und Prämienportefeuilleeinund -austritte berücksichtigt sind. Der Erfolg aus dem Kapitalanlagegeschäft ist un­ ter Abzug der Depotzinsen netto (f.e.R.) auszuweisen. Bei den Betriebsaufwendun­ gen entspricht der Brutto- dem Nettobetrag, weil die Rückversichereranteile bei den Aufwendungen für die passive Rückversicherung berücksichtigt werden. Erträge bzw. Aufwendungen aus den Rückversichereranteilen am Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung und an der Veränderung der sonstigen versicherungstech­ nischen Rückstellungen sind bei diesen gesondert auszuweisen. Ein separater Rück­ versicherungserfolg aus der direkten Gegenüberstellung aller Aufwendungen und Erträge aus der passiven Rückversicherung sollte im Anhang angegeben werden. Dem Primärprinzip entsprechend werden die Aufwendungen und Erträge nach Auf­ wandsarten ausgewiesen, wie sie im Verkehr mit der Umwelt entstehen, und nicht bestimmten Funktionsbereichen des Unternehmens zugeordnet. Dies wird anhand der Betriebsaufwendungen deutlich, die in personenbezogene (z.B. Löhne und Ge­

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

243

hälter) und sachbezogene Aufwendungen (z.B. Abschreibungen) untergliedert wer­ den. Im oberen Teil der Erfolgsrechnung sollten sämtliche den einzelnen Aktivitäts­ bereichen direkt zurechenbare Erträge und Aufwendungen ausgewiesen werden, ohne daß die Informationen die Willkürffeiheit und Vergleichbarkeit verlieren. Den einzelnen Aktivitätsbereichen werden nur die direkt zurechenbaren Erträge und Aufwendungen zugeordnet, also diejenigen Aufwendungen, die Einzelkosten und variablen Gemeinkosten entsprechen. Aufwendungen, die überwiegend fixen Cha­ rakter haben, werden im Anschluß an die Erfolge der einzelnen Aktivitätsbereiche unaufgeschlüsselt in einer Summe im unteren Teil der Erfolgsrechnung ausgewie4 sen. Es wird das Teilerfolgsprinzip angewendet, nach dem die drei Aktivitätsbereiche Versicherungsgeschäft, Kapitalanlagegeschäft und sonstiges Geschäft unterschieden werden. Dies entspricht auch dem G4+1-Diskussionspapier „Reporting Financial Performance: Proposals for Change“, das den Vorschlag enthält, daß die finanzielle Performance des Unternehmens in einem Rechenwerk dargestellt werden soll, wel­ ches in die Komponenten operatives Ergebnis, Finanzergebnis und sonstige Gewin­ ne und Verluste zu unterteilen wäre.5 Der enge Zusammenhang zwischen Versiche­ rungs- und Kapitalanlagegeschäft wird dadurch deutlich gemacht, daß ein Teil des Kapitalanlageergebnisses dem versicherungstechnischen Ergebnis als technischer Kapitalanlageerfolg zugeordnet wird. Um die Vorteile des Gesamtrechnungs- und des Spartenrechnungsprinzips zu nut­ zen, sollte die Erfolgsrechnung dem Gesamtrechnungsprinzip entsprechend ausges­ taltet werden und eine Segmentierung der Informationen nach Sparten bzw. Versi­ cherungszweigen, geographischen Gebieten, Kundengruppen und nach direktem bzw. indirektem Geschäft in der Segmentberichterstattung vorgenommen werden. Da in der Segmentberichterstattung spartenbezogene Prämienerträge und Schaden­ aufwendungen angegeben werden, können Schadenquoten (Schadenaufwendungen in Prozent der Prämienerträge) für die einzelnen Versicherungszweige errechnet werden, die ein wichtiges Anzeichen für die erfolgswirtschaftliche Lage der Sparten bzw. des gesamten Versicherungsuntemehmens darstellen. Auch die Provisionen sollten gesondert angegeben werden, damit ein Einblick in die spartenbezogene Provisionspolitik des Versicherungsuntemehmens gelingt.6 Da in der Erfolgsrechnung ausschließlich Prämienerträge ausgewiesen werden, sollten Informationen über die Prämieneinnahmen im Anhang, konkreter in der Ka­

4

5

6

Vgl. Altenburger, O., Erfolgsrechnung, 1993, S. 557. Vgl. dazu Brands, H., Internes Rechnungswesen, 1988, S. 609, der einen ähnlichen Vorschlag für die Grundrechnung einer Deckungsbeitragsrechnung macht. Der G4+1-Verband ist eine lose Organisation des IASC und nationaler anlgo-amerikanischer Standardsetter (Australien, Kanada, Neuseeland, Vereinigtes Königreich, USA), die die künftige Entwicklung der internatio­ nalen Rechnungslegung maßgeblich mitbestimmen werden. Zu näheren Informationen vgl. www.rutgers.edu/Accounting/raw/fasb. Vgl. Lorch, M., Rechnungslegungsvorschriften für Versicherungsuntemehmen, 1973, S. 108.

244

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

pitalflußrechnung, erscheinen. Im IAS 7.14 e werden Beispiele für in der Kapi­ talflußrechnung anzugebende Mittelzuflüsse und -abflüsse angeführt. Diese stam­ men in erster Linie aus der erlöswirksamen Tätigkeit des Unternehmens und resul­ tieren daher im allgemeinen aus Geschäftsvorfällen und anderen Ereignissen, die als Ertrag oder Aufwand das Periodenergebnis beeinflussen. Für Versicherungsunter­ nehmen werden in IAS 7.14 e konkret Einzahlungen für Prämien und Auszahlungen für Schadenregulierungen, Renten und andere Versicherungsleistungen genannt. Zu­ sätzlich sollten, als Ergebnis der Diskussion zum Ausweis der Schadenaufwendun­ gen, die Prämieneinnahmen des Geschäftsjahres und die Schadenausgaben des Ge­ schäftsjahres, getrennt nach Ausgaben für Geschäftsjahresschäden im Geschäftsjahr und Ausgaben für Voijahresschäden im Geschäftsjahr, angegeben werden.7 Auf die­ se Weise kann die Entwicklung der Schadenrückstellung verfolgt werden. Zum Abschluß soll der Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsunter­ nehmen nach IAS anhand eines Beispiels, das auf die im Rahmen der Abbildungs­ prinzipien verwendeten Beispiele abgestimmt ist, noch einmal verdeutlicht und zu­ sammengefaßt werden. Gesamtbeispiel:

Prämieneinnahmen im Geschäftsjahr

255 Mio. GE

Prämienüberträge zum Endes des Voijahres

60 Mio. GE

Prämienüberträge zum Ende des Geschäftsjahres

65 Mio. GE

Ausgaben für Geschäftsjahresschäden im Geschäftsjahr8 Ausgaben für Voijahresschäden im Geschäftsjahr

115 Mio. GE 75 Mio. GE

Schadenrückstellung zum Ende des Voijahres

110 Mio. GE

Zuführung zur Schadenrückstellung für Geschäftsjahres Schäden

105 Mio. GE

Schadenrückstellung zum Ende des Geschäftsjahres für Vor­ jahresschäden

15 Mio. GE

Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstel­ lungen (Erhöhung)

10 Mio. GE

Veränderung der Schwankungsrückstellung (Erhöhung)

12 Mio. GE

Depotzinsen

5 Mio. GE

• Quotenrückversicherung in Höhe von 50 %

7 8

Vgl. dazu Abschnitt 4.2.3. Die Schadenregulierungsaufwendungen sind bestimmten Versicherungsfällen nicht einzeln zuordenbar und werden deshalb innerhalb der Betriebsaufwendungen erfaßt.

Vorschlag fur die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

• Rückversichereranteile an der Veränderung der sonstigen versi­ cherungstechnischen Rückstellungen

245

2 Mio. GE

• Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteile

25 Mio. GE

• Kapitalanlageerträge

40 Mio. GE

• Aufwendungen für Kapitalanlagen

10 Mio. GE

• technischer Kapitalanlageerfolg (80 % der Kapitalanlageerträge f.e.R.) • Betriebsaufwendungen

45 Mio. GE

• personenbezogene Aufwendungen

27 Mio. GE

• Löhne, Gehälter, Aufwendungen für die soziale Sicherung

15 Mio. GE

• Provisionen (direkt zurechenbar)

12 Mio. GE

• sachbezogene Aufwendungen • Miete • Papier, Porto

18 Mio. GE 14 Mio. GE

4 Mio. GE

Mahngebühren und Verzugszinsen der Versicherungsnehmer (sonstige versicherungstechnische Erträge)

3 Mio. GE

• Feuerschutzsteuer (sonstige versicherungstechnische

• Aufwendungen)

6 Mio. GE

• sonstige Erträge

20 Mio. GE

• sonstige Aufwendungen

15 Mio. GE

• außerordentliche Erträge

4 Mio. GE

• außerordentliche Aufwendungen

2 Mio. GE

• Ertragsteuem 50 %

246

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

Erfolgsrechnung

Prämienerträge

+ 250 Mio. GE

Aufwendungen fiir die passive Rückversicherung (Aufwendungen fiir Rückversicherungsprämien, Erträge aus Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen) 9

- 100 Mio. GE

Prämienerträge f.e.R.

+ 150 Mio. GE

sonstige versicherungstechnische Erträge

+

technischer Kapitalanlageerfolg f.e.R.

+ 20 Mio. GE

Schadenaufwendungen fiir Geschäftsjahresschäden

- 220 Mio. GE

Erträge aus Rückversicherererstattungen fiir Geschäftsjahresschäden

+ 110 Mio. GE

Schadenaufwendungen fiir Geschäftsjahresschäden f.e.R.

- 110 Mio. GE

Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres

+ 20 Mio. GE

Aufwendungen aus den Rückversichereranteilen am Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Vorjahres

-

Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres f.e.R.

+ 10 Mio. GE

Schadenaufwendungen f.e.R.

- 100 Mio. GE

Veränderung der sonstigen versicherungs­ technischen Rückstellungen

- lOMio.GE

Erträge aus den Rückversichereranteilen an der Ver­ änderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen Veränderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen f.e.R. Provisionen

9

3 Mio. GE

10 Mio. GE

+

2 Mio. GE 8 Mio. GE

- 12 Mio. GE

Aufwendungen für Rückversicherungsprämien (- 125 Mio. GE) + Erträge aus Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen (25 Mio. GE) = 100 Mio. GE

247

Vorschlag für die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

6 Mio. GE

sonstige versicherungstechnische Aufwendungen

47 Mio. GE

Zwischensumme Veränderung der Schwankungsriickstellung

- 12 Mio. GE 35 Mio. GE

Erfolg aus dem Versicherungsgeschäft Kapitalanlageerträge f.e.R.10

+ 35 Mio. GE

Aufwendungen für Kapitalanlagen f.e.R.

- 10 Mio. GE

technischer Kapitalanlageerfolg f.e.R.

- 20 Mio. GE

5 Mio. GE

Erfolg aus dem Kapitalanlagegeschäft sonstige Erträge

+ 20 Mio. GE

sonstige Aufwendungen

- 15Mio. GE

5 Mio. GE

Erfolg aus dem sonstigen Geschäft personenbezogene Betriebsaufwendungen (Löhne, Gehälter, Aufwendungen für die soziale Sicherung)

- 15 Mio. GE

sachbezogene Betriebsaufwendungen (Miete, Papier, Porto)

- 18Mio. GE

Betriebsaufwendungen (ohne Provisionen)

- 33 Mio. GE 12 Mio. GE

Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

außerordentliche Erträge

+

4 Mio. GE

außerordentliche Aufwendungen

-

2 Mio. GE 2 Mio. GE

außerordentliches Ergebnis

14 Mio. GE

Zwischensumme

Ertragsteuem

Jahresüberschuß

-

7 Mio. GE

7 Mio. GE

10 Kapitalanlageerträge (40 Mio. GE) - Depotzinsen (5 Mio. GE) = Kapitalanlageerträge f.e.R. (35 Mio. GE)

248

Vorschlag fur die Erfolgsrechnung von Versicherungsuntemehmen nach IAS

Rückversicherungssaldo;

Aufwendungen für die passive Rückversicherung (Aufwendungen für Rückversicherungsprämien, Erträge aus Rückversicherungsprovisionen und Gewinnanteilen)

- 100 Mio. GE

Erträge aus Rückversicherererstattungen für Geschäfts­ jahresschäden

+ 110 Mio. GE

Aufwendungen aus den Rückversichereranteilen am Ergebnis der Abwicklung der Schadenrückstellung des Voijahres

- 10 Mio. GE

Erträge aus den Rückversichereranteilen an der Ver­ änderung der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen

+

2 Mio. GE

Depotzinsen

-

5 Mio. GE

Rückversicherungssaldo

-

3 Mio. GE

Schlußbemerkung

6

249

Schlußbemerkung

Die Entwicklung des International Accounting Standards „Insurance“ bietet die einmalige Chance, die Rechnungslegung von Versicherungsuntemehmen - unabhän­ gig von nationalen Vorschriften - allein auf der Basis der Informationsfunktion der Rechnungslegung neu zu gestalten. Es ergibt sich daraus die Möglichkeit, einerseits Vorschläge, die bezüglich der Rechnungslegung von Versicherungsuntemehmen schon lange diskutiert werden, umzusetzen, und andererseits die Möglichkeit, völlig neue Vorschläge zu erarbeiten, die sich erst im Rahmen der Konzeption der Inter­ national Accounting Standards ergeben. Es wäre sehr zu wünschen, daß diese Chance genutzt würde, um die Rechnungslegung von Versicherungsuntemehmen so auszugestalten, daß die Adressaten der Versicherungsrechnungslegung einen Nutzen im Sinne der Informationsfunktion der Rechnungslegung aus der Entwicklung neuer Rechnungslegungsstandards haben.

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