Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Schiffahrtsrecht, 2 [Reprint 2018 ed.] 9783111334998, 9783110987393


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German Pages 356 Year 1953

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Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis Der Aufgenommenen Entscheidungen
Seerecht
Binnenschiffahrtsrecht
Sachregister
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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Schiffahrtsrecht, 2 [Reprint 2018 ed.]
 9783111334998, 9783110987393

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Entscheidungen

des Reichsgerichts in Zivilsachen Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von Professor Dr. L. Auerbach, Berlin; Präsident des Reichspatentamtes a. D . Johannes Eylau, M ü n c h e n ; Rechtsanwältin Charlotte Graf, Berlin; Ministerialdirektor z . W v . Senatspräsident D r . Ernst Knoll,Berlin; Rechtsanwalt Erich Knmmerow,Berlin; Rechtsanwalt Hermann Reufi, Berlin; Rechtsanwalt Dr. Walter Schmidt, Düsseldorf; Landgerichtsdirektor Alexander Swarzenski, Berlin; Rechtsanwalt Dr. Werner Vahldiek, Berlin. G r u p p e III

Handelsrecht

Schiffahrtsrecht Teil 2

Berlin

1953

Walter de Gruyter & Co. vormals G . J . Göschen '«che Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J . T r ü b n e r / Veit Sc Comp.

Schiffahrtsrecht Bearbeitet

von

Dr. Werner Vahldiek R e c h t s a n w a l t in Berlin

Teil

Berlin

2

1953

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J.Göschen'scheVerlagshandlung / J. Glitten tag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J.Trübiier / Veit & Comp.

Archiv Nr. 28 17 53 Satt und Druck: Berliner Buchdruckerei Union G m b H . . Berlin S W 29 Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen

Seerech(

. . .

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Binnenichiffahrurecht

179

Sachregister

343

VII

Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen +

Entscheidung ist gekürzt

* Entscheidung enthält nur

Seite

RGZ. 48. 51, 52, 56, 57, 58, 62, 63, 65, 66, 68, 70, 78, 82, 85, 87, 91, 91, 93, 95, 102, 102, 104, 105, 106, 107, 112, 113, 114, 114, 114, 115, 116, 117, 117, 117. 119, 119,

64 330 395 360 23 190 373 308 382 39 180 274 307 146 372* 388 243 385 16? 212 45 47 209 198 337 305* 3 55 65 160 283* 324 214 156 172 249 388 215 270

184

201 205 209 212 215 222 225 227 233 236 236 239 243 245 248 2 50 253 256 260 263 265 1 7

172,

14 269 17 22 26 272 275 280 92*

Leitsatz

RGZ. 120, 120, 121, 122, 122, 123, 124, 125, 125, 126, 126, 126, 126, 127, 131, 133, 137, 138, 138, 139, 141, 143, 143, 147, 149, 151, 151, 153, 155, 161, 165, 167, 168. 169, 169, 170, 171, 171,

Seite 42 121 300 221 316 108 49 65 422 35 40 324 329 72 300 167 301 118 243* 263 315 168 382 58 374 271 296 171 180 209 166 305 1+ 203 257 233 97 242 337

29 282 34 287 37 41 45 49 294 53 58 63 297 301 69 71 75 79 83 83 90 93 96 102 108 112 120 121 305 124 129 311 148 314 155 323 335 165

Vili

Die Entscheidungen sind grundsätzlich ungekürzt gebracht worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem + gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Gruppe ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle aufgenommenen Entscheidungen verzeichnet und nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert sind

Seerecht (Fortsetzung)

RGZ. 112, 355. 1. Zur rechtlichen Bedeutung einer vorbehaltlosen Zahlung, wenn die Zahlung zunächst nur unter Vorbehalt angeboten, dieser Vorbehalt aber auf Verlangen des anderen Teils fallen gelassen ist. 2 . Haftet der Unterbefraditer über die Unterfracht hinaus auch für die Charterfracht (Hauptfradit)? HGB. § § 556, 6 2 3 , 6 2 4 , 6 1 4 , 6 4 2 . 662. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 23. Januar 1926. I. Landgeridit Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgeridit daselbst.



Auf Grund des Zeitfrachtvertrags vom 1. Mai 1923 hatte die Beklagte ihren Dampfer „Tamara 2" an die Westeuropäische Linienschiffahrt GmbH, für eine Rundreise von etwa 6 Wochen von Bremen über Hamburg und Rotterdam nach Portugal und Spanien verdiartert. Die Klägerin hatte mit der Westeuropäischen Linienschiffahrt einen Unterfrachtvertrag über die Versendung von zwei Posten Zigarren von Bremen nadi Barcelona geschlossen und die vereinbarte Fracht mit 2 1 0 9 , 8 3 Peseten bezahlt. Auf Grund dieses Unterfrachtvertrags wurde die Ware in Bremen an Bord des Dampfers „Tamara 2" übernommen. Als der Dampfer mit der Ware Anfang Mai 1923 in Hamburg lag, erklärte die Westeuropäische Linienschiffahrt, daß sie die Charterfracht nicht zahlen könnte. Die Beklagte entzog ihr darauf gemäß Nr. 5 des Zeitfrachtvertrags die Benutzung des Dampfers und setzte sich zwedes Regelung des Weitertransports der in den Dampfer abgeladenen Waren und des von ihr behaupteten Pfandrechts an der Ladung mit den Ladungsinteressenten in Verbindung. Es kam am 11. Mai 1923 mit einer Reihe von Interessenten, zu denen aber die Klägerin nicht gehörte, zu einer Vereinbarung. Der Dampfer „Tamara 2" fuhr dann nach Rotterdam und lud dort unter anderem auch die Ware der Klägerin aus. Diese macht geltend, daß ihr durch das Verhalten der Beklagten Kosten und Schäden entstanden seien, die ihr von der Beklagten ersetzt werden müßten. Die Beklagte habe die Ware von Rotterdam nicht weiter Sdliffahrtsrecht II

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Schiffahrtsredit befördern, andererseits aber an die Klägerin nur dann herausgeben wollen, wenn die Klägerin einen Anteil an der Charterfracht (Hauptfradit) mit 9 4 , 7 £ bezahle, wogegen die Beklagte die Rückzahlung der von der Klägerin bereits bezahlten Unterfracht mit 2 1 0 9 , 8 3 Peseten angeboten habe. Notgedrungen habe die Klägerin, um die Ware zu erlangen, die verlangten 9 4 , 7 £ bezahlen müssen, die sie nun im Klageweg zurückfordere gegen Wiederauskehrung der von der Beklagten erhaltenen 2 1 0 9 , 8 3 Peseten. Außerdem seien durch die Umladung der Ware in Rotterdam und den Weitertransport derselben nach Barcelona sowie durch die Verhandlungen mit der Beklagten Kosten entstanden, deren Erstattung gleichfalls beansprucht werde. Die Klägerin hat demgemäß auf Zahlung der bezeichneten Beträge nebst Zinsen geklagt. Die Beklagte hat den Klageansprudi nadi Grund und Betrag bestritten. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 9 4 , 7 £ nebst Zinsen Zug um Zug gegen Erstattung von 2 1 0 9 , 8 3 Peseten. Im übrigen erklärte es den Klageansprudi dem Grunde nadi für berechtigt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Verhandlungen, welche die Parteien über die Herausgabe der für die Klägerin auf dem Dampfer ,.Tamara 2" abgeladenen Ware geführt haben, folgendes festgestellt: Die Klägerin habe die Herausgabe der Ware schlechthin verlangt, da sie die vereinbarte Fracht in Höhe von 2 1 0 9 , 8 3 Peseten bezahlt habe. Die Beklagte habe diese Herausgabe davon abhängig gemacht, daß die Klägerin den auf sie entfallenden Anteil an der in englischen Pfunden berechneten Charterfracht bezahle gegen Rückgabe der von ihr als Fracht bezahlten Peseten. Die Klägerin sei bereit gewesen, dem zwischen der Beklagten und anderen Abladern geschlossenen Vergleich vom 11. Mai 1 9 2 3 beizutreten und damit die aus der Unterverfrachtung gemäß § 6 6 2 HGB. gegen die Beklagte hergeleiteten Ansprüche fallen zu lassen, wenn die Beklagte ihren Anspruch auf Frachtzahlung erheblich ermäßigte. Andernfalls sei die Klägerin — und zwar auch für die Beklagte erkennbar — nicht geneigt gewesen, sidi bedingungslos auf den Boden des Vertrags vom 11. Mai 1 9 2 3 zu stellen. Die auf dieser Grundlage geführten Parteiverhandlungen hätten sich zerschlagen. Hierauf hätte die Klägerin sich efboten, die von der Beklagten beanspruchte Fracht unter Vorbehalt zu zahlen. Die Beklagte habe aber verlangt, daß dieser Vorbehalt fallen gelassen werde. Diesem Verlangen sei schließ-

Sccrecht

lieh seitens des Vertreters der Klägerin entsprochen worden. Dies sei aber nur geschehen, weil die Klägerin sich in einer Zwangslage befunden habe, indem ihr aus einer weiteren Vorenthaltung der Güter sehr crhebliche Nachteile gedroht hätten. Die Beklagte sei nach dem Verlauf der Dinge darüber nicht im Zweifel gewesen, daß der Vertreter der Klägerin sich nur der angegebenen Zwangslage gefügt habe. Die — auch für die Beklagte erkennbar — unter einem solchen Zwang erfolgte Preisgabe des Vorbehalts könne nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Verkehr nicht als eine Sinnesänderung der Klägerin und als Verlautbarung des Willens gedeutet werden, daß nunmehr die Klägerin bereit sei, sich dem Standpunkt der Beklagten unter Verzicht auf ihre Rechte bedingungslos zu unterwerfen. Diesen Ausführungen gegenüber ist der von der Revision erhobene Einwand, daß für die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht ungeäußerte Gedanken, sondern nur die abgegebenen Erklärungen in Frage kommen, nicht durchschlagend. Denn ersichtlich hat das Berufungsgericht entscheidendes Gewicht nur auf solche Umstände gelegt, welche auch für die Beklagte erkennbar waren. Ebensowenig kann die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin sich in einer Zwangslage befunden habe, durch den Hinweis der Revision auf § 624 HGB. ausgeräumt werden. Die dort vorgesehene öffentliche Hinterlegung der die Forderungen des Verfrachters betreffenden Streitsumme verpflichtet allerdings den Verfracher zur Auslieferung der Güter und macht ihn schadensersatzpflichtig, wenn er trotzdem die Herausgabe ablehnt. Die Durchführung eines derartigen Herausgabeanspruchs seitens der Klägerin würde aber, zumal die Ware damals in Holland war, unter allen Umständen eine gewissee Zeitdauer beansprucht haben. Die Ausführungen des Berufungsgerichts ergeben, daß für die Klägerin der Ablauf eines solchen Zeitraums mit sehr erheblichen Nachteilen verbunden war, so daß die geschilderte Zwangslage nicht durch das Recht auf Herausgabe, sondern nur durch die tatsächliche Herausgabe der Ware beseitigt werden konnte. Im übrigen hängt die Beurteilung der Frage, welche Bedeutung und Rechtswirkung der Zahlung des von der Beklagten verlangten Frachtanteils seitens der Klägerin ohne den zunächst vorgesehenen ausdrücklichen Vorbehalt beizulegen ist, im wesentlichen von tatsächlichen Erwägungen ab, wobei entscheidendes Gewicht darauf zu legen ist, wie sich das Verhalten der Klägerin bei gutgläubig unbefangener Beurteilung darstellt (RGZ. Bd. 97 S. 142). Im allgemeinen wird dem Umstand, daß die eine Seite zunächst Zahlung unter Vorbehalt angeboten, I*

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Schiffahrtsrecht

die andere Seite aber das Fallenlassen dieses Vorbehalts verlangt hat und nunmehr ohne ausdrücklichen Vorbehalt Zahlung geleistet ist, die Bedeutung beizumessen sein, daß damit auf die von dem Vorbehalt umfaßten Ansprüche und Redite verzichtet ist. Es kann aber unter besonderen Umständen der Fall so liegen, daß das Fallenlassen des Vorbehalts, auch für die Gegenseite erkennbar, keinen Verzicht auf die von dem Vorbehalt betroffenen Redite bedeutet. Solche besonderen Umstände konnte das Berufungsgericht hier ohne Rechtsirrtum darin erblicken, daß die Preisgabe des Vorbehalts seitens der Klägerin nur unter einem starken Zwang erfolgte in einer Weise, die auch der Beklagten zeigte, das die Klägerin ihren grundsätzlichen Rechtsstandpunkt aufrechterhielt und auf die den Vorbehalt betreffende Rechte nicht verzichten wollte. Damit sind auch die Einwendungen erledigt, welche die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts erhebt, daß der Rückforderung der von der Klägerin gezahlten 94,7 £ die Bestimmung des § 814 BGB. nicht entgegensteht. Das Berufungsgericht hat dargelegt, daß trotz der Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Standpunkts der Klägerin hinsichtlich ihrer Ansprüche aus § 662 HGB. die Klägerin oder ihr Vertreter sidi den in der Rechtslage liegenden Zweifeln nicht verschlossen hätten, daß es vielmehr audi für sie ungewiß geblieben sei, ob die Klägerin zur Zahlung der 94,7 £ verpflichtet war oder nicht. Weder diese Feststellung noch die daran geknüpfte rechtliche Folgerung, daß ein solcher Zweifel auf Seiten des Leistenden einem Irrtum über die Leistungspflidit gleichstehe, lassen einen Rechtsirrtum erkennen. Die Revision hat denn auch nach dieser Riditung keinen Angriff erhoben. Andererseits ist es Tatfrage, ob der Zweifelnde mit der Leistung einen Verzicht auf den Erstattungsanspruch erklärt hat. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, daß ein solcher Verzicht auf Seiten der Klägerin oder ihres Vertreters nicht vorliegt. Somit ist für die von der Revision vertretene Annahme kein Raum, daß die Klägerin durch ihre Zahlung unter Fallenlassen des Vorbehalts zum Ausdruck gebracht habe, sie wolle trotz der für sie an ihrer Leistungspflicht bestehenden Zweifel den gezahlten Betrag nicht zurückfordern. Hiernach ist die Annahme des Berufungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden, daß es für die Beurteilung der Klageansprüche lediglidi darauf ankomme, wie sich die Rechtslage zwischen den Parteien durch die Zurückziehung der "Tamara 2" aus der Zeitcharter gestaltet habe. Die auf dieser Grundlage angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts sind von der Revision nicht ausdrücklidb angegriffen. Sie sind

Seerecht

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auch, wenigstens in ihren entscheidenden Teilen, ohne rechtliche Bedenken. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß auf Grund des Zeitfrachtvertrags vom 1. Mai 1923 der Dampfer „Tamara 2 " seitens der Beklagten als Reederei des genannten Schiffes und als Haupverfraditer an die Westeuropäische Linienschiffahrt als Hauptbefrachter verchartert ist. Das Berufungsgericht nimmt ferner ohne Widerspruch der Parteien an, daß die Ware an Bord des Dampfers „Tamara 2" auf Grund eines Unterfrachtvertrags gekommen ist, den die Westeuropäische Linienschiffahrt als Unterverfrachter mit der Klägerin als Unterbefrachter abgeschlossen hat. Über die Ware sind nach der Feststellung des Berufungsgerichts Konnossemente gezeichnet. Die Zeichnung ist nicht von dem Kapitän des „Tamara 2", sondern von der Firma H. St. & Co. in Hamburg als Vertreterin der Westeuropäischen Linienschiffahrt erfolgt. Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich erörtert, ob diese Konnossementszeichnung nur für die genannte Unterverfrachterin oder durch diese für den Kapitän der „Tamara 2" in Gemäßheit von Nr. 9 des Zeitfrachtvertrags geschehen ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zeigen aber, daß es dies letztere annimmt. Im Zeitfrachtvertrag vom 1. Mai 1923 ist unter Nr. 9 mit genügender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß die Bevollmächtigten des Unterverfrachters (Charterers) befugt waren, Konnossemente für die Reederei zu zeichnen. Der Unterverfrachter (Charterer) sollte nur vepfliditet sein, solchenfalls die Reederei,von allen dadurch entstehenden, über den Chartervertrag hinausgehenden Folgerungen und Verbindlichkeiten freizuhalten. Eine derartige Übertragung der Befugnis zur Zeichnung echter Konnossemente seitens des Reeders auf den Charterer oder dessen Vertreter ist rechtlich zulässig (S c h a p s , Seerecht 2. Aufl. § 6 4 2 Anm. 15). Das Berufungsgericht konnte also ohne Rechtsirrtum annehmen, daß die von der Firma H. St. & Co. in Hamburg als Vertreterin der Chartcrer gezeichneten Konossemente gemäß Nr. 9 des Zeitfrachtvertrags für das Schiff gezeichnet und somit echte Konnossemente im Sinne von § 6 4 2 HGB. seien. Daß das Berufungsgericht eine solche Feststellung treffen wollte und getroffen hat, ergibt sich aus seiner Erwägung, daß in Gemäßheit der für die Güter gezeichneten Konnossemente von der Klägerin eine „Konnossementsfradit" zu entrichten war und eine solche in voller Höhe gezahlt ist, sowie aus den hieraus gezogenen Folgerungen. Ist danach davon auszugehen, daß echte Konnossemente vorliegen, so ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Beklagte aus

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Sdiiftahrrsredit

dem hier maßgeblichen Rechtsverhältnis gegen die Klägerin weder Ansprüche auf Zahlung der von der Beklagten mit dem Charterer vereinbarten Zeitfracht oder eines Teils derselben noch wegen dieser Zeitfracht (Charterfradit) ein Pfandrecht an den genannten Ladungsgütern hatte. Mit Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die hinsichtlich eines solchen Pfandrechts ohne Mitwirkung der Klägerin zwischen der Beklagten und den Charterern laut Nr. 21 des Zeitfrachtvertrags vom l . Mai 1923 getroffene Vereinbarung für die Klägerin an sich nicht verbindlich ist. Dasselbe gilt von der Vorschrift in Nr. 5 letzter Absatz des Zeitfrachtvertrags, auf Grund deren die Beklagte der Westeuropäischen Linienschiffahrt die Benutzung des damals in Hamburg liegenden Dampfers entzogen hat. Die dort der Reederei im Verhältnis zu den Charterern eingeräumten Befugnisse änderten grundsätzlich nichts an ihrem Verhältnis zum Unterbefrachter. Wurde die Reederei gemäß § 662 HGB. zu Leistungen an den llnterbefrachtcr über den mit den Charterern abgeschlossenen Zeitfrachtvertrag hinaus verpflichtet, so blieb es ihr unbenommen, dieserhalb Schadensersatzansprüche gegen die Charterer geltend zu machen ( S c h a p s § 662 Anm. 44). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die Ausführung des zwischen der Klägerin und den Charterern geschlossenen Unterfrachtvertrags zu den Dienstobliegenheiten des Kapitäns der „Tamara 2" gehörte und von diesem durch die Annahme der Güter an Bord des Schiffes übernommen war. Damit war gemäß § 662 HGB. die Haftung für die Erfüllung des Unterfrachtvertrags auf die Beklagte übergegangen. Demgemäß war die Beklagte der Klägerin gegenüber verpflichtet, das Ladungsgut entsprechend dem Unterfrachtvertrag nach Barcelona zu befördern und zwar zu der im Unterfrachtvertrag vereinbarten Pcsetenfracht. Diese Pesetenfracht ist von der Klägerin bezahlt und in die Hände der Beklagten gelangt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte an sich einen unmittelbaren Anspruch auf diese Unterfracht hatte. Denn jedenfalls hatte sie auf Grund ihrer Verpflichtung zur Ausführung des Unterfrachtvertrags und der teilweisen Erfüllung dieser Pflicht gegen die Klägerin grundsätzlich keine über die Bezahlung dieser Unterfracht hinausgehenden Ansprüche und, da diese befriedigt waren, keine Pfandrechte an den Ladungsgütern der Klägerin. Die in Gemäßheit von § 662 HGB. begründete Verpflichtung der Beklagten zur Ausführung des Unterfrachtvertrags änderte nichts daran, daß für die laut Zeitfrachtvertrag vereinbarte Charterfracht der Beklagten nur der Charterer als Hauptbefrachter und nicht die Klägerin als Unter-

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Scerecht

befrachter aufzukommen hatte. Denn der Chartervertrag (Hauptfrachtvertrag) und der Unterfrachtvertrag haben selbständigen Charakter und begründen an sich selbständige und voneinander unabhängige Rechte und Pflichten. Diese Erwägungen sind jedenfalls dann zutreffend, wenn, wie hier, das Vorliegen echter Konnossemente hinsichtlich der Transportgüter anzunehmen ist. O b die Sach- und Rechtslage anders zu beurteilen ist, v/enn solches nicht der Fall ist, bedarf hier keiner Entscheidung. RGZ. 113, 65. Muß die Entscheidung des auf Festsetzung eines Hilfslohns angegangenen Strandamts auch dann binnen 14 Tagen mittels gerichtlicher Klage angefochten werden, wenn sich das Strandamt für unzuständig erklärt hat? Strandungsordnung §§ 36 bis 38. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 3. Februar 1926.

I. L a n d g e r i c h t H a m b u r g , K a m m e r f ü r H a n d e l s s a c h e n . II. O b e r l a n d c s g e r i c h t d a s e l b s t .



Der der Beklagten gehörige Dampfer Chr. S., mit einer zum Teil auf Deck verstauten Ladung Holz auf einer Reise von Trangsund nach Gent begriffen, geriet am 23. August 1922 in der Nordsee auf der Höhe von Borkum in einen schweren Sturm, der mehrere Tage anhielt. Das Schiff mußte zeitweise beidrehen, erhielt starke Schlagseite und mußte einen Teil der Deckladung werfen. Am 24. August vormittags 2 Vi Uhr wurde der Kapitän von einer Sturzsee über Bord gerissen und ertrank; der Steuermann trug eine stark blutende Kopfwunde davon, konnte aber die Schiffsführung übernehmen. Er beschloß nun, einen Nothafen anzulaufen, und steuerte die Elbmündung an. Am 25. August 1922 vormittags 9 V* Uhr wurde das Feuerschiff „Elbe 1" gesichtet. Die Chr. S. steuerte auf das Feuerschiff zu und setzte das Lotsensignal. Der in der Nähe des genannten Feuerschiffs kreuzende Lotsenschoner ,,Elbe l " hatte einen Cuxhavener Seelotsen nicht an Bord, doch befand sich auf ihm der Kläger, ein Hamburger Elblotse, der an sich in dem dortigen Revier für das Lotsen elbaufgehender Schiffe nicht zuständig war; er entschloß sich aber, zur Hilfeleistung an Bord des Dampfers Chr. S. zu gehen. Er wurde durch ein Boot des Lotsenschoners unter Schwierigkeiten und Gefahren an Bord des Dampfers gebracht. Der durch ununterbrochenen mehrtägigen Dienst ermüdete Steuermann übergab ihm die Führung des Dampfers. Der Kläger führte das Schiff elb-

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Sdiiffahrtsrecht

aufwärts, bis es beim Feuerschiff „Elbe 3" einen Cuxhavener Lotsen an Bord nahm, der es gegen 1 Uhr nachmittags auf der Cuxhavener Reede vor Anker brachte. Der Kläger verlangt für die dem Dampfer geleistete Hilfe eine angemessene Entschädigung. Er behauptet, daß sich das Schiff in Seenot befunden habe, und hat Ansprüche auf Hilfslohn geltend gemacht. Er hat sich hierwegen zunächst an das örtlich zuständige Strandamt Ritzebüttel gewandt. Dieses hat am 50. Dezember 1922 einen Bescheid dahin erlassen: „Der Antrag auf Festsetzung eines Hilfslohns wird wegen Unzuständigkeit des Strandamtes abgewiesen". In den Gründen des Bescheides ist ausgeführt, daß eine Seenot im Sinne von §§ 740 flg. HGB. nicht vorgelegen habe und daher das Strandamt sachlich unzuständig sei. Eine Anfechtung dieses Bescheides innerhalb der in § 39 Abs. 2 der Strandungsordnung vorgesehenen 14tägigen Ausschlußfrist ist nicht erfolgt. Dagegen hat der Kläger innerhalb der in § "Ol Nr. 2 HGB. vorgesehenen zweijährigen Verjährungsfrist die gegenwärtige Klage erhoben. Er meint, der Bescheid des Strandamtes vom 30. Dezember 1922 unterliege nicht einer Anfechtung nach § 39 Abs. 2 StrandO., mache aber unabhängig vom strandamtlichen Verfahren den Weg zur gerichtlichen Geltendmachung seines Entschädigungsanspruchs frei. Demgemäß hat er auf Zahlung von 5000 GM nebst Zinsen geklagt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Sie haben angenommen, daß der Kläger den Bescheid des Strandamtes Ritzdbüttel innerhalb der in § 39 Abs. 2 StrandO. vorgesehenen Frist hätte anfechten müssen, und daß seine jetzige Klage verspätet und daher unzulässig sei. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Gründe: Die Strandungsordnung für das Deutsche Reich vom 17. Mai 1874 (in wiederholt abgeänderter Fassung) bestimmt in den §§ 36 bis 38, daß das um Festsetzung eines Hilfslohnes angegangene Strandamt eine Berechnung der aufgestellten Forderungen zu entwerfen und mit seinen gutachtlichen Bemerkungen der Aufsichtsbehörde einzureichen hat. Diese — an deren Stelle für Hamburg das Strandamt tritt, vgl. E w a l d , Strandungsordnung § 40 Anm. 1 — hat die angemeldeten Ansprüche nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, Buch IV, 8. Absdinitt (§§ 740 flg.) zu prüfen und durch Bescheid festzusetzen. Hiervon ausgehend ist vom Reichsgericht in dem Urteil RGZ. Bd. 69 S. 212 — unter ausdrücklicher Ablehnung einer im Urteil vom 14. Februar 1891

Seerecht

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(Hanseat. GZ. 1891 Hauptbl. Nr. 54 S. 147 flg.) vertretenen, abweichenden Ansicht — folgendes ausgeführt: Der Bescheid, von dem in § 39 Abs. 1 der Strandungsordnung gesagt werde, daß gegen ihn nur der Rechtsweg stattfinde, sei der in § 38 ebenda näher bezeichnete Bescheid, der die angemeldeten Ansprüche prüfe und festsetze, d . h . entweder zuspreche oder aberkenne. Lehne das Strandamt die Einleitung des Verfahrens überhaupt ab, so könne nunmehr der Bergungs- oder Hilfslohnanspruch ohne weiteres im Rechtsweg verfolgt werden, da die Angehung der Verwaltungsinstanz vergeblich gewesen sei. Dies gelte auch für den Fall, daß das Strandamt in seinem Bescheid lediglich ausgesprochen habe, daß es sich nicht für zuständig erachte, über den Antrag auf Festsetzung eines Berge- oder Hilfslohns zu entscheiden. Auch wenn diesem Anspruch eine Begründung beigegeben sei, aus der man entnehmen könne, daß das Strandamt damals angenommen habe, dem Antragsteller stehe überhaupt kein Anspruch auf Berge- oder Hilfslohn zu, so ändere dies noch nichts daran, daß das Strandamt den Anspruch nicht aberkannt, sondern sich für unzuständig erklärt habe. Eine Notwendigkeit, diesen Bescheid binnen der Ausschlußfrist des §39 durch Klage bei dem für den Ort des Strandamtes zuständigen Gericht anzufechten, liege für den Antragsteller nicht vor. Er könne nunmehr seinen Anspruch innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist bei jedem für die Klage zuständigen Gericht erheben. An diesen Rechtsgrundsätzen ist festzuhalten. Die Vorschriften in §§ 36 bis 38 StrandO. ergeben, daß ein Bescheid gemeint ist, der die angemeldeten Ansprüche prüft und in sachlicher Beziehung über sie entscheidet. Nur wenn eine solche sachliche Entscheidung erfolgt ist, liegt ein Bescheid vor, gegen den gemäß § 39 Abs. 2 StrandO. die dort vorgesehene Klage binnen einer vierzehntägigen Ausschlußfrist zu erheben ist. Der vorliegende Bescheid des Strandamtes Ritzebüttel vom 30. Dezember 1922 hat eine sachliche Entscheidung in diesem Sinne nicht getroffen. Allerdings hat das Strandamt in der Begründung seiner Entscheidung geprüft, ob eine einen Hilfslohnanspruch begründende Seenot vorgelegen hat, und hat diese Frage verneint. Diese materielle Prüfung des Anspruchs hat aber in der Entscheidung selbst keinen Ausdrude gefunden. Denn das Strandamt lehnt im entscheidenden Teil seines Bescheids nicht etwa den geforderten Hilfslohn ab, sondern erklärt nur: „Der Antrag auf Festsetzung eines Hilfslohns wird wegen Unzuständigkeit des Strandamtes abgelehnt". Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß die in den

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Sdiiffahrtsredit

G r ü n d e n des Bescheids ausgesprochene Verneinung eines Seenotfalls nur die U n t e r l a g e f ü r die ausgesprochene U n z u s t ä n d i g k e i t s e r k l ä r u n g bildet und daß eine sachliche Entscheidung über den Hilfslohnanspruch b e w u ß t e r m a ß e n vermieden ist. Ein solches V e r f a h r e n ist nicht nur rechtlich zulässig, sondern in Fällen der fraglichen Art durchaus sachgemäß. Das Strandamt (oder die Aufsichtsbehörde) ist nur in besonderen, gesetzlich geregelten Fällen berufen, ü b e r Ansprüche auf Berge- o d e r Hilfslohn o d e r auf Erstattung sonstiger Bergungsund Hilfskosten zu befinden (vgl. § § 36 flg., § § 4, 5, 9, 10, § § 20 flg. S t r a n d O . ; § 746 flg. HGB.). Fallen die bei d e r V e r w a l t u n g s b e h ö r d e angemeldeten Ansprüche zwar nicht in den Kreis jener Forderungen, betreffen aber Dienst-, W e r k oder Hilfsleistungen, f ü r die aus anderen G r ü n d e n , z. B. gemäß § § 6 1 2 . 632, 683, 315, 316 BGB. eine V e r g ü t u n g vom Antragsteller verlangt werden k a n n , so g e h ö r t die Entscheidung über diese Ansprüche ausschließlich zur Z u s t ä n d i g k e i t der ordentlichen Gerichte (RGZ. Bd. 3 8 S. 85, Bd. 47 S. 193; S c h a p s , Seerecht 2. Aufl. § 740 Anm. 2, 3, 17; E w a l d , S t r a n d u n g s o r d n u n g § 36 Anm. 13; B u r c h a r d , Bergung und Hilfeleistung in Seenot § 38 S. 224 flg.). Ist das Strandamt oder die Aufsichtsbehörde der Ansicht, daß ein solcher Fall vorliegt, so ist es zum m i n d e s t e n zweckmäßig, v o n einer sadilichen Entscheidung Abstand zu n e h m e n u n d die Unzuständigkeit auszusprechen. Im vorliegenden Falle hat die Antragsgegnerin und jetzige Beklagte sich selbst auf den S t a n d p u n k t gestellt, daß der Antragsteller und jetzige Kläger einen Anspruch auf V e r g ü t u n g f ü r seine Hilfsleistung habe. Sie hat demgemäß damals beim Strandamt den A n t r a g gestellt: „ D e n H i l f s l o h n a n t r a g wegen U n z u s t ä n d i g k e i t des Strandamtes abzulehnen, hilfsweise eine V e r g ü t u n g auf G r u n d l a g e der für die C u x h a v e n e r Seelotsen maßgeblichen Taxe festzustellen". Es ist u n v e r k e n n b a r , daß das Strandamt Ritzebüttel v o n ähnlichen Gesichtsp u n k t e n ausgegangen ist und, wie oben näher dargelegt, o h n e sachliche Entscheidung seine Unzuständigkeit erklärt h a t . Dieser Sach- u n d Rechtslage entsprechend ist schon v o n v o r n h e r ein die gegenwärtige Klage begründet worden. Schon in der Klageschrift wird klar zum Ausdruck gebracht, daß nicht eine Anfechtung des Bescheids des Strandamtes Ritzebüttel bezweckt ist, sondern eine selbständige Klage auf V e r g ü t u n g f ü r die Hilfs- u n d Dienstleistungen des Klägers. So wird u n t e r a n d e r e m ausgeführt, daß der Bescheid des Strandamtes, da er nur eine Unzuständigkeitserklärung bedeute, nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar sei, aber den Weg zur gericht-

Seerecht liehen

Geltendmachung

amtlichen

Verfahren

des Klageanspruchs

freigemacht

habe.

unabhängig

vom

Dementsprechend

strand-

ist

weiter

darauf hingewiesen, daß die Z u s t ä n d i g k e i t der hairiburgischen G e r i c h t e zwischen den Parteien wenn

vereinbart sei, was überflüssig gewesen

es sich um eine Anfechtung des strandamtlichen

wäre,

Bescheids

im

Sinne von § 3 9 Abs. 2 S t r a n d O . handelte. D e n n für eine solche K l a g e waren die hamburgischen Gerichte ohnehin k r a f t gesetzlicher V o r s c h r i f t nach § 3 9 zuständig. D e r T a t r i c h t e r war und ist nicht an die v o m Strandamt büttel

ausgesprochene Ansicht

nach § §

740

über das NichtVorliegen

flg. H G B . gebunden.

einer

RitzeSeenot

Auch wird er gegebenenfalls

prüfen haben, o b nicht das tatsächliche V o r b r i n g e n

des Klägers

nügende A n h a l t s p u n k t e für eine Begründung des Klageanspruchs

zu gevon

allgemeinrechtlichen Gesichtspunkten aus bietet. RGZ. 114,283'. 1. Ist der „Einschuß" des Beitragspflichtigen bei großer

Haverei

eine Sicherheitsleistung oder eine Teilzahlung?

2. ... HGB. §§ 730, 731. I. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 10. Juli

1926.

I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. —• II. Oberlandesgericht dnselbst. D e r dem Kläger gehörige Dampfer ..West H i m r o d " , der für die B e k l a g t e als alleinige Empfängerin einer Ladung M e h l an B o r d h a t t e , erlitt auf der Reise v o n Portland ( O r e g o n ) nach Hamburg M a s c h i n e n schaden, so daß er P o n t a Delgada als N o t h a f e n anlaufen m u ß t e . Nachdem der Dampfer am 2 9 . Juni 1 9 2 1 Hamburg erreicht h a t t e , zeichnete die B e k l a g t e am 3 0 . Juni 1 9 2 1 einen H a v a r i e - B o n d , worin sie sich v e r pflichtete, den auf die Ladung entfallenden Beitrag zur großen Haverei nach der durch die Reederei in San Francisco gemäß den

New-York-

Antwerpener Bedingungen v o n 1 8 9 0 aufzumachenden Dispache an die Agentin des Klägers, die Firma A . in Hamburg, zu zahlen und auf deren V e r l a n g e n unverzüglich Einschuß für die Ladung zu leisten. Nach Aufforderung

vom

gleichen

Tage,

als

Einschuß

einen

Betrag

von

2 9 0 0 0 0 M zu zahlen, überwies die B e k l a g t e diese Summe an d i e B a n k der Firma A. Diese legte das G e l d s o f o r t auf ihren N a m e n bei

der

N a t i o n a l b a n k m i t 3 % verzinslich an. Die Dispache wurde am 7. M ä r z 1 9 2 3 gezeichnet. Nach ihr belief sich der Havereibetrag d e r B e k l a g t e n

12

Schiffahrtsrecht

auf 4279,87 Dollar. Diesen Betrag fordert der Kläger, indem er sich auf den Standpunkt stellt, es habe sich bei der Einzahlung um ein Depot beim Schiffsmakler gehandelt, das zu Lasten der Beklagten als Hinterlegerin entwertet sei. Die Beklagte will durch die Einzahlung, die damals dem Betrag von 3922,48 Dollar entsprochen habe, in dieser Höhe ihrer Havereibeitragspflidit genügt, nicht aber bloß eine Sidierheit geleistet haben. Wenn es sich jedoch nur um eine Sicherheitsleistung gehandelt haben sollte, so sei der Kläger, für den sein Schiffsmakler als Vertreter auftrat, im Falle der Einforderung des Betrags in Mark verpflichtet gewesen, für eine wertbeständige Anlage zu sorgen oder in dieser Beziehung die Weisungen der Beklagten einzuholen. Während das Landgericht der Beklagten den Einschuß in Höhe des Dollarwerts zur Zeit der Einschußleistung gutbradite und sie nur zur Zahlung des Mehrbetrags von 4279,87 weniger 3922,48 = 3 57,39 Dollar verurteilte, sprach das Oberlandesgericht auf die Berufung des Klägers diesem den ganzen Dollarbetrag zu, vermindert lediglich um den Dollarwert der 290 000 M vom 7. März 1923. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurüdcverweisung. Gründe: Der Streit der Parteien dreht sich um zwei Punkte: darum, ob die Einzahlung des Markbetrags als vorläufige Zahlung oder nur als Hinterlegung zur Sicherheitsleistung anzusehen ist, sowie darum, ob, wenn diese Frage in letzterem Sinne beantwortet wird, der Kläger verpflichtet war, mit Rüdcsicht auf die fortschreitende Entwertung der Mark Schritte zu tun, um den hinterlegten Betrag der Entwertung zu entziehen. 1. Die Kammer für Handelssachen hat sich auf den Standpunkt gestellt, es habe sich bei der Leistung des Einschusses um die Zahlung eines Vorschusses auf den endgültigen Havereibeitrag gehandelt. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, daß keine der im Weltverkehr üblichen Arten der Sicherheitsleistung gewählt worden sei, wie solche für einen ähnlich liegenden Fall in RGZ. Bd. 108 S. 304 aufgeführt würden, nämlich Bankgarantie, Hinterlegung auf gemeinsamen Namen oder Aushändigung der Summe an den Dispacheur. Ferner hat sie ausgeführt: Die Sachlage sei schon bei Einforderung des Einschusses sehr übersichtlich gewesen. Als Beitragspflichtige seien nur das Schiff und die Beklagte als Alleinempfängerin der Ladung in Frage gekommen. Die Schäden infolge der notwendig gewordenen Ausbesserung

Sceredit

13

des Schiffes, die schon vor dem Anlaufen Hamburgs in Ponta Delgada stattfand, hätten sich bereits im ganzen übersehen lassen. Das Berufungsgericht ist demgegenüber der Meinung, daß im vorliegenden Falle nichts für die Annahme einer Zahlung spreche. Es folgert aus dem Gebrauch des Wortes „Einschuß" als Gegensatz zur endgültigen Zahlung auf Grund der Dispache und daraus, daß der Einschuß in anderer Währung geleistet wurde als in der, nadi welcheT die Dispache aufzumachen war, daß die gemachte Leistung nicht als Zahlung zu werten sei. Dem dagegen gerichteten Revisionsangriff kann der Erfolg nidit versagt werden. Es handelt sich hier — im Gegensatz zu dem in RGZ. Bd. 108 S. 304 erörterten Fall, wo ein „deposit on account of general average" in Pfunden gegeben, die Dispache aber in Mark aufzumachen war — um einen „Einschuß", der in Markwährung eingefordert war, obwohl die endgültigen Havereibeiträge in Dollarwährung geleistet werden mußten. In jener Entscheidung wird ausgeführt, bei Leistung von Havereieinschüssen werde entweder eine Bankgarantie geleistet oder ein Bareinschuß auf gemeinsamen Namen hinterlegt oder dem Dispacher ein solcher ausgehändigt. Da es sich im dortigen Fall zweifellos um ein Depot handelte, hatte das Urteil keine Veranlassung, auf weitere Möglichkeiten einzugehen. Die Revue internationale du droit maritime (1922 Bd. 34 S. 1159 bis 1160) führt unter den Garantien für die Leistung der Beiträge, die der Reeder von den Ladungsempfängern verlangen könne, neben Bankgarantie und Depot (deposits) auch vorläufige Beiträge (contributions provisoires) auf. Als solche werden aufzufassen sein Abschlagzahlungen in der wahrscheinlichen Höhe des späteren endgültigen Beitrages. Es liegt keine Veranlassung vor, nicht auch eine solche Sicherung der Vergütungsberechtigten als möglich anzunehmen. Derartige vorläufige Zahlungen — eine solche würde nach Behauptung der Beklagten auch hier in Frage kommen — fallen sicherlich unter den Begriff des „Einschusses". Das Berufungsgeridit gibt daher diesem Ausdruck eine zu enge Auslegung, wenn es ihn als mit der Annahme einer Zahlung unvereinbar auffaßt. Das angefochtene Urteil ist, wie seinen Ausführungen entnommen werden kann, rechtsirrtumfrei davon ausgegangen, daß der Beklagten, wenn sie Erfüllung durch Zahlung behauptet, die Beweislast für diese Behauptung zufällt gegenüber dem Kläger, welcher der Leistung lediglich die Eigenschaft der Sicherheitsleistung zuerkennen will. Es läßt sich aber nach dem Inhalt des Berufungsurteils die Möglichkeit nicht aus-

Sdiiffahrtsredit

14

schließen, daß bei Würdigung der von den Parteien zur Unterstützung ihrer Auffassung herangezogenen Einzelumstände die zu enge und offensichtlich die Möglichkeit einer vorläufigen Zahlung des Havereibeitrags nicht in Betracht ziehende Auslegung des Wortes „Einschuß" eine aussdilaggebende Rolle gespielt hat. Schon aus diesem Grunde mußte das angefochtene Urteil der Aufhebung verfallen. Bei der erneuten Prüfung des Sachverhalts wird auch die erwähnte Möglichkeit in Betracht zu ziehen sein, daß der Kläger die Güter der zur großen Haverei beitragspflichtigen Beklagten an diese gegen vorläufige Zahlung eines auf ihren endgültigen Beitrag zur großen Haverei zu verrechnenden Betrags ausgeliefert hat. Es wird dabei weiter zu berücksichtigen sein, daß die Einforderung des Einschusses in anderer Währung als derjenigen, in der die Dispache aufzumachen war, nicht unter allen Umständen, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, dafür spricht, daß die geforderte Zahlung nur als Sicherheitsleistung verwertet werden soll. Bei der Einforderung des Einschusses in einer Währung, die, wie bereits damals die deutsche Mark, seit geraumer Zeit erheblichen Wertschwankungen unterworfen war, ist nicht ohne weiteres anzunehmen, daß der gezahlte Betrag, weil währungsverschieden von der endgültigen Forderung, nur als Depot hinterlegt werden sollte. Die Entscheidung über die Zweckbestimmung der geforderten Leistung wird auch bei solcher Sachlage von den Umständen des Einzelfalles abhängen. O b schließlidi der Bezeichnung des geforderten Einschusses als ,,part payment" in der englischen Übersetzung des Einforderungsschreibens, die sich in der Dispache findet, Bedeutung für die Bewertung der geforderten Leistung beizumessen ist, läßt sich zur Zeit nicht übersehen. Auch diese Bezeichnung wird aber gegebenenfalls Beaditung finden müssen. 2.

...

R G Z . 114, 324. Zum Wesen und Inhalt der Chartepartie. HGB. §

557.

I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. September 1926. I. Landgericht Stettin, Kammer für Handelssachen. II. Obcrlandesgericht daselbst.



Die Klägerin (als ßefrachterin) und die Beklagte (als Verfrachterin) hatten durch ihre beiderseitigen Agenten am 30. Mai 1921 miteinander einen Seefrachtvertrag geschlossen, über den eine mit „Certepartie"

15

Secrecht

überschriebene Urkunde ausgestellt wurde. Der Vertrag betraf den Transport von „etwa 1 5 0 0 Tonnen Kabeln auf Trommeln nebst Zubehör, evtl. ein Teil auf Dedc" von Stettin nadi Rotterdam, auszuführen „von zwei Dampfschiffen oder mehreren in Wahl der V e r frachter". Die Fracht war auf 4 J /2 holländische Gulden (hfl.) für ausgelieferte 1 0 0 0 kg einschließlich Verkehrssteuer festgesetzt. Mit Schreiben vom 7. Juni 1921 zeigte die Agentin der Beklagten, Firma J. & Co. in Stettin, der Klägerin an, daß als erster Dampfer der „Fanal" etwa in der Zeit vom 22. bis 24. Juni in Stettin ladebereit sein werde und daß auf eine Ladung von ungefähr 5 0 0 T o n n e n gerechnet werde. Hierauf ließ die Klägerin 471 172 kg Kabeltrommeln in Kähnen nach Stettin kommen, um sie dort auf den von der Beklagten gestellten Dampfer zu verladen. Die Beklagte stellte statt des angekündigten „Fanal" den „Mineral" ladebereit. Letzterer vermochte von den herangeschafften Kabeltrommeln nur 2 2 2 2 4 0 kg als Ladung für Rotterdam zu übernehmen. Diese Ladung ist nach Rotterdam befördert worden. Nadi Angabe der Beklagten entsprachen die Kabeltrommeln in Größe und Verpackung nicht den Abmachungen, die bei Abschluß des Frachtvertrages von den Agenten mündlich getroffen waren und hätte bei Einhaltung jener Abreden der „Mineral" mindestens 4 7 5 Tonnen von Stettin nach Rotterdam schaffen können, also 25 3 Tonnen mehr. Die Beklagte beanspruchte deshalb außer der hier nicht streitigen Fracht für die beförderten Güter die ihr angeblich entgegangene Fracht für 253 Tonnen. Sie gab die über die Güter gezeichneten Konnossemente erst heraus, nachdem die Klägerin zur Sicherheit für die von der Beklagten erhobene Mehrforderung 27 0 0 0 M hinterlegt hatte. Die Klägerin ließ die von ihr in Stettin angedienten, vom „Mineral" nicht übernommenen 248 9 3 2 kg Kabel „für Rechnung, wen es angeht" aus den Kähnen entlöschen, wodurch ihr 3 9 0 4 PM an Kosten entstanden. Sie behauptet, daß für den Betrag nur das maßgeblich sei, was die Urkunde vom 30. Mai 1921 enthalte. Danach sei sie berechtigt gewesen, Kabeltrommeln von der Art und G r ö ß e der verladenen zum Transport zu stellen. Wenn der „Mineral" nur einen Teil davon habe fassen können, so liege das an seiner für derartige Verschiffungen ungeeigneten Bauart und Beschaffenheit und gehe nicht zu Lasten der Klägerin. Mit der Klage verlangte sie die Feststellung, daß die Beklagte keinen Anspruch auf Fehlfradit habe. Sie forderte ferner Rückzahlung der von ihr geleisteten Sicherheit und Erstattung

der

verauslagten

Sdbißahrtsredit

16

3904 PM. Die Beklagte begehrte widerklagend Zahlung eines dem Wert von 1138,50 hfl. entsprechenden Markbetrages. Das Landgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab; das Oberlandesgericht entschied umgekehrt. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : Nach der Urkunde vom 30. Mai 1921 handelt es sich um die Verfrachtung mehrerer Schiffe im ganzen, wobei die Auswahl der Schiffe und die Bestimmung ihrer Anzahl der Beklagten als Verfrachterin überlassen und eine Angabe über die Art der zu transportierenden Güter gemacht war. Ein soldier Vertrag bedarf nicht der schriftlichcn Form. Wird aber ein Sdiriftstüdc über ihn errichtet, so hat es nur den Charakter einer BeweisuTkunde, und es steht im Belieben der Parteien, daneben besondere mündliche Vereinbarungen über den Transportvertrag rechtswirksam zu treffen. Und zwar gilt dies unter anderem auch für Abreden, welche die Art und Beschaffenheit der zu verschiffenden Güter betreffen. Soldie Abreden gehören nidit zum Wesen eines derartigen Frachtvertrages, der über die Art der Güter überhaupt nichts zu besagen braucht. Werden jedoch soldie Abreden getroffen, so können sie nach Belieben der Vertragsteile in die sdiriftlidie Urkunde aufgenommen oder nur mündlidi oder teils mündlidi, teils schriftlich vereinbart werden. In Übereinstimmung mit diesen Rechtsgrundsätzen hat das Berufungsgerichts ausgeführt, daß die Parteien außer den in der Chartepartie enthaltenen Abreden mündliche Vereinbarungen getroffen hätten, die zur Auslegung und Ergänzung des schriftlichen Vertrages heranzuziehen seien. Denn das mündlidi Vereinbarte sei nur deshalb nicht mit ausdrücklichen Worten in die Vertragsurkunde aufgenommen worden, weil es sich unter den obwaltenden Umständen für die Vertragschließenden aus den darin aufgenommenen Bestimmungen als selbstverständlich ergeben habe (RGZ. Bd. 88 S. 372). Man habe nämlich in dieser Weise mündlich vereinbart, daß die zu verfrachtenden Kabeltrommeln von gewöhnlicher Größe und gewöhnlichem Umfang sein sollten, bis 3300 kg schwer, mit einem Stauverlust von etwa 40°/o, wie sie sdion früher Gegenstand von Beförderungsgeschäften der Streitteile gewesen seien, und daß mit einem Dampfer von 8 50 t Ladefähigkeit (wie der zum Transport verwendete „Mineral") etwa 500—550 Tonnen solcher Kabeltrommeln fortzuschaffen wären.

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Seerecht

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen beachtlichen Rechtsirrtum erkennen. Seine Feststellung darüber, was die Parteien mündlich vereinbart haben, und seine Annahme, daß das mündlich Vereinbarte zur Auslegung und Ergänzung der Vertragsurkunde dienen und neben ihr als Vertragsinhalt gelten sollte, beruhen auf Tatsachenwürdigung. Wenn die Revision meint, für die durch den Frachtvertrag begründeten Rechtsbeziehungen der Streitteile sei nur der Inhalt der Chartepartie maßgebend, so verkennt sie die dargelegte Bedeutung dieser Urkunde. Es ist auch nicht richtig, daß sich, wie die Revision meint, der Seefrachtverkehr auf den Inhalt der Chartepartie als für den Frachtvertrag allein maßgeblich verlasse und mit dem Bestehen mündlicher Nebenabreden überhaupt nicht rechne. Die Chartepartie hat nicht das Wesen eines Traditionspapiers und kann insbesondere nicht durch Indossament als solches übertragen werden. Vielmehr sind die Rechte aus der Chartepartie nur im Wege der gewöhnlichen Forderungsabtretung übertragbar. Daß dabei mit einer Ergänzung des Inhalts der schriftlichen Urkunde durch mündliche Nebenabreden, ähnlich wie bei anderen Beweisurkunden, gerechnet werden muß, bedarf keiner weiteren Darlegung. Gegenüber der hiernach maßgeblichen Vereinbarung der Streitteile kommt es nicht darauf an, ob es, wie die Klägerin behauptet, üblich ist, Kabel und Kabeltrommeln nach Gewicht und nicht nach Raumverdrängung nach Übersee zu verfrachten. . . . R C Z . 116, 156. Zur Auslegung einer Chartepartie (Baltcon-Charter), in welche Zusicherungen des Verfrachters über den Zeitpunkt der Ladebereitschaft aufgenommen worden waren. HGB. § 577, BGB. § 157. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 16. Februar 1927. I. Landgericht Kiel, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.



Die Klägerin, eine dänische Aktiengesellschaft, hat mit der Beklagten, einer Kohlenimportfirma in Kiel, einen Vertrag über die Verfrachtung einer Ladung Kohlen in ihrem Dampfer „Nordpol" von Methil oder anderen Häfen am Firth of Förth nach Kiel geschlossen. Die über den Vertrag am 28. November 1912 ausgestellte Chartepartie ist für beide Teile von der dazu ermächtigten Schiffsmaklerfirma v. M. & Co. in Glasgow unterzeichnet worden. Der Ausstellung der Sdiiffahrtsrechl II

2

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Sdiiffahrtsredit

Chartepartie ging ein Telegramm Wechsel voraus zwischen dem Schiffsmakler, der im Vertrag als „agent" der Klägerin bezeichnet ist, und der Beklagten. Auf ein Angebot des Maklers vom 26. November 1912, lautend auf einen in der Zeit vom 20. bis 24. Dezember ladebereiten Dampfer von 1900 Tonnen zum Satz von 8 sh. für die Tonne, antwortete die Beklagte am gleichen Tage, sie nehme den angebotenen Dampfer zum Satz von 7 sh. 6 d. und unter der Bedingung an, daß die Ladebereitschaft 7 Tage vorher erklärt werde, gleichzeitig bat sie um Bestätigung. Diese erfolgte am 27. November. In der auf einem Vordruck der Baltcon-Charter ausgestellten Chartepartie heißt es im Eingang über das Schiff in Druckschrift: „expected ready to load on or about" und darauf handschriftlich eingefügt „20/24th December". Es ist ferner in ihr bestimmt, daß die Ladezeit nicht vor dem 20. Dezember morgens 6 Uhr beginne, der endgültige Tag der Ladebereitschaft aber 7 Tage vorher mitzuteilen sei (Nr. 5 C Absatz 2). Falls der Dampfer nidit am siebenten nadi dem 3ls Tag der Ladebereitschaft mitgeteilten Tag morgens 6 Uhr ladebereit war, hatte der Charterer das Recht auf Aufhebung des Vertrages (Nr. 17). Die Firma v. M. & Co. meldete der Beklagten in einem Telegramm vom 23. Dezember den 31. Dezember als Tag der Ladebereitschaft. Der „Nordpol" war jedoch unstreitig am 1. Januar 1913 vor 9 Uhr morgens nicht ladebereit in Methil. Am 31. Dezember 1912 hatte bereits die Beklagte telegraphisch die Abladung verweigert. Die Klägerin hält den Rücktritt der Beklagten für unberechtigt, da der 31. Dezember nach den Charterbedingungen der erste Ladetag gewesen sei und die Beklagte daher den Vertrag erst habe aufheben können, wenn der „Nordpol" am 6. Januar nicht ladebereit gewesen wäre. Sie hat Ersatz des ihr durch den Rücktritt erwachsenen Schadens verlangt. Das Landgericht erklärte den Klageanspruch dem Grunde nach für berechtigt; das Oberlandesgericht wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Gründe: Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in erster Linie davon ab, ob die Beklagte berechtigt war, ihren Rücktritt vom Verfrachtungsvertrag zu erklären, nachdem das Schiff der Klägerin am 31. Dezember 1912 nicht ladebereit gewesen war. Das Berufungsgericht hat dies angenommen. Es hat zunächst ohne Rechtsirrtum ausgeführt, als endgültigen Tag der Ladebereitschaft („definite loading date" der Nr. 5 C

Sceredit

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Abs. 2 der Chaitepartie) habe der Schiffsmakler der Klägerin am 23. Dezember unter Einhaltung der siebentägigen Mitteilungsfrist den 31. Dezember aufgegeben. Der Vorderrichter entnimmt jedodi aus den Eingangsworten der Chartepartie „expected to load on or about 20/24 th December", daß vereinbarungsgemäß der letzte zulässige Tag für den Beginn der Ladebereitschaft der 24. Dezember gewesen sei, und folgert daraus, die Erklärung der Ladebereitschaft auf den 31. Dezember sei vertragswidrig gewesen und habe die siebentägige Frist der Nr. 17 nicht in Lauf gesetzt; diese Frist (nach deren Ablauf die Rücktrittsberechtigung eintrat) sei vielmehr mit Rücksicht auf die Eigenschaft des 24. Dezember als des äußersten Termins für den Beginn der Ladebereitschaft schon am 31. Dezember abgelaufen und die Beklagte habe, d a die Klägerin bis dahin nicht ladebereit gewesen sei, vom Vertrag zurücktreten dürfen. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Begründung, beizutreten. Mit Recht hat sich das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht der Klägerin auf den Standp u n k t gestellt, daß auch den im Eingang der Chartepartie enthaltenen Angaben über den Zeitpunkt der erwarteten Ladebereitsdiaft des Schiffes Bedeutung für die Reditsbeziehungen der Parteien zukomme. Die Erklärungen des Verfrachters über die Zeit der Ladebereitschaft des Schiffes sind für den Befrachter von Wichtigkeit. Sie ermöglichen ihm, seine Verfügungen über das Ladungsgut, soweit tunlich, so zu treffen, daß es rechtzeitig, weder zu früh noch zu spät, am Ladungsort bereit steht, und so die Entstehung unnötiger Ausgaben an Lager- oder Überliegegeld zu vermeiden. Sie sichern ihn auch vor Willkür des Verfrachters in bezug auf den Zeitpunkt der Gestellung des Schiffes. Es handelt sich also um Erklärungen, die für die Belange des Befrachters von erheblichster Bedeutung sind. Diese Angaben des Verfrachters sind daher wie Zusicherungen zu behandeln, die Gegenstand des Vertragsschlusses geworden sind (so auch S c h a p s - M i t t e l s t e i n HGB. § 5 57 Anm. 3 und 9). Die englische Rechtsauffassung steht seit langem auf dem gleichen Standpunkt (Handelsgesetze des Erdballs Bd. 11 Abteilung 1 S. 334; Law Reports, Common Pleas Cases Bd. 8 S. 395 (399): Corcling v. Massey 1873). Die Erheblichkeit der in Rede stehenden Angabe ergibt sich vorliegendenfalls noch im besonderen aus den der Ausstellung der Chartepartie vorausgegangenen Verhandlungen. In dem Telegrammwechsel der Parteien vom 26. und 27. November, der zu ihrer Einigung über den 2'

20

Sdiiffahrtsrcdit

Chartervertrag führte, hat gerade die Zeit der Ladebereitschaft einen der hervorgehobenen wesentlidien Vertragspunkte gebildet. Bei Nichteinhaltung der mit diesen Angaben vom Verfrachter übernommenen Verpflichtungen war an sich dem Befrachter das Recht des Rücktritts vom Vertrag nach § 634 Abs. 2 BGB. gegeben (S c h a p s M i 11 e 1 s t e i n a. a. O. Anm. 3. So übrigens auch das englische Recht, Handelsgesetze des Erdballs a. a. O.). Der Bestimmung der Nr. 17, in welcher dem Befrachter die Rücktrittsberechtigung für den Fall der Niditgestellung des Schiffes binnen einer siebentägigen Frist nach Erklärung der Ladebereitschaft gegeben ist, kann nicht die Wirkung beigelegt werden, daß sie das bei Nichteinhaltung des vereinbarten Zeitpunkts der Ladebereitschaft bestehende Rücktrittsrcdit beseitige. Dadurch würde die Zusicherung über die Ladebereitschaft, deren Erheblichkeit oben hervorgehoben ist, jede rechtliche Wirkung verlieren. Es sind vielmehr beide Klauseln der Chartepartie in der Weise in Einklang zu bringen, wie es das Berufungsgericht getan hat. Danach tritt das Rücktrittsrecht nicht schon mit Niditgestellung des Schiffes innerhalb der zugesicherten Zeitspanne ein, gleichgültig, für welchen Tag die Ladebereitschaft angezeigt ist, sondern, falls nicht die Bereitschaft auf einen früheren Tag erklärt worden war, erst am 7. Tage nach dem äußersten für sie festgelegten Zeitpunkt. Denn es wird angenommen, daß der Befrachter verpflichtet gewesen sei, spätestens auf diesen Tag seine Ladebereitschaft zu erklären, und daß daher der Lauf der Frist in Nr. 17 ohne weiteres mit Ablauf dieses Tages beginne. Somit ist die Frage, ob die Beklagte am 31. Dezember zu Recht vom Vertrag zurückgetreten ist, wesentlich davon abhängig, welcher Inhalt der Zusicherung in den Eingangsworten der Chartepartie beizulegen ist. Der Streit der Parteien dreht sich darum, ob in ihnen die Ladebereitschaft auf die Zeitspanne vom 20. bis 24. Dezember festgelegt oder auf Grund der formularmäßigen Worte der Chartepartie „o nor a b o u t " eine angemessene Erweiterung dieser Zeitspanne anzunehmen ist. Der Berufungsrichter hat die der Ausstellung der Chartepartie vorausgegangenen Verhandlungen zur Auslegung ihres Inhalts herangezogen. Er geht davon aus, daß in ihnen die Ladebereitschaft des Schiffes auf den 20. bis 24. Dezember festgelegt worden sei. Er lehnt die Annahme ab, die Streichung der Worte „or a b o u t " sei von dem zur Ausstellung d e r Vertragsurkunde ermächtigten Schiffsmakler nur versehentlich unterlassen worden. Seiner Auffassung nach enthalten diese Worte an sich eine Erweiterung der festen Begrenzung der Lade-

Seerecht

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bereitschaft, wie sie den Inhalt der bisherigen Abmachungen der Parteien gebildet habe. Daraus folgert er, die widerspruchslose Hinnahme der Vertragsurkunde müsse als Zustimmung der Beklagten zu dieser Erweiterung gelten, sofern die Beklagte Anlaß gehabt habe, solche Änderung des bisherigen Vertragsinhalts in der Vertragsurkunde als gewollt anzusehen. Allen diesen Erwägungen des Berufungsgerichts ist beizutreten. Das angefochtene Urteil führt aber dann weiter aus: die Vertragsbestimmung habe mit Rücksicht auf die früheren telegraphischen Vereinbarungen und die unmittelbar nach dem 1. Januar einsetzenden, die Beladung des Schiffes bis zum 6. Januar ausschließenden und beiden Parteien bekannten Gruben- und Dockfeiertage auch so verstanden werden können, daß das Wort „about" sich nur aiuf den 20. Dezember als den ersten für die Ladebereitsdiaft in Betracht kommenden Tag beziehe und nur für diesen dem Verfrachter eine gewisse Freiheit gebe, daß dies aber an der Festsetzung des 24. Dezember als des Endtermins, zu dem das Schiff als ladebereit zu erwarten gewesen sei, nichts geändert habe. Diese Auslegung der Klausel ist jedoch nach ihrem Wortlaut nicht möglich. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß das Wort „about" sich nur auf den 20. Dezember, nicht aber auch auf den 24. Dezember beziehe, ergeben sich aus ihrer Fassung nicht, vielmehr können die der Zeitangabe gemeinsamen vorausgehenden Worte ,,on" und „about" nur beide auf die gesamte Zeitangabe bezogen werden. Es bedarf indes der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der Klausel nicht, um zum gleichen Ergebnis zu kommen. Die Beklagte durfte davon ausgehen, daß nach den telegraphischen Abmachungen der Beginn der Ladezeit auf die bestimmte Zeitspanne vom 20. bis 24. Dezember festgelegt war. Ferner durfte sie nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Gegenseite mit der Kenntnis davon rechnen, daß vom 1. Januar ab, also nach Ablauf der siebentägigen Frist der Nr. 17 bei Berechnung vom 24. Dezember ab, bis zum 6. Januar einschließlich keine Möglichkeit der Beladung bestehe. Sie erhielt nun eine Chartepartie, in der zwar der vereinbarte Zeitpunkt der Ladebereitschaft entsprechend der Abrede eingefügt, in deren vorgedrucktcm Text aber ein Wort stehengeblieben war, wodurch der getroffenen Vereinbarung bei genauer Prüfung ein geänderter Sinn beigelegt werden konnte, nämlich dahin, daß sich die Beladung möglicherweise um fast eine weitere Woche verzögern werde. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Verkehr der Ansicht sein, daß es sich insoweit nicht um

Sdiiflfahrtsrecht

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eine von der Gegenseite beabsichtigte Änderung des Vertragsinhalts, sondern um eine versehentlich nicht genau erfolgte Fassung des Vertragstextes handle. Sie k o n n t e sich darauf verlassen, daß Treu und Glauben es der Gegenseite zur Pflicht machten, eine derart bedeutsame Änderung des Vertragsinhalts nicht auf diese versteckte Art dem Vertrag einzuverleiben, sondern in einwandfrei erkennbarer Weise zum Ausdruck zu bringen. Nidit entgegen steht dieser Auffassung eine etwaige Verkehrssitte, wonach für den Vertragsinhalt allein der Inhalt der Chartepartie ohne Rücksidit auf Vereinbarungen in Vorverhandlungen maßgebend ist. Eine solche Verkehrssitte würde die Heranziehung der Vorverhandlungen zur Feststellung des von den Parteien tatsächlich gewollten Inhalts der Chartepartie gemäß § 157 BGB. nidit ausschließen. Es ist daher mit dem Berufungsgericht anzunehmen, daß durch die Fassung der Klausel eine der Beklagten gegenüber wirksame Änderung des bereits vorher festgelegten Vertragsinhalts nidit erfolgt ist. Hiervon ausgehend hat das angefochtene Urteil ohne Rechtsirrtum die Berechtigung des am 31. Dezember 1912 erfolgten Rüdetritts der Beklagten vom Vertrag verneint. RGZ. 117, 172. 1. In welchen Grenzen darf von der Vorschrift des Art. 25 der Seestraßenordnung abgewichen werden? 2. Wann befinden sidi bei gekrümmtem Fahrwasser zwei Schiffe auf Gegenkurs im Sinne von Art. 18 SeestrO.? 3. Bis zu welchem Zeitpunkt ist die Befolgung von Art. 21 SeestrO. bei einer Ausweichbewegung gemäß Art. 18 berechtigt? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 28. Mai 1927. I. L a n d g e r i d i t S t e t t i n , K a m m e r f ü r H a n d e l s s a c h e n . II. O b e r l a n d e s g e r i c h t d a s e l b s t .



Zwischen dem der Klägerin gehörigen Eildampfer „Dcrfflinger" und einem Kahn der Beklagten zu 1 (Breslau Nr. 29 32), der sidi im Anhang des ebenfalls der Beklagten zu 1 gehörigen und vom Beklagten zu 2 geführten Schleppdampfers ,,Annica" befand, hat am 11. September 1924 auf der Oder im Gebiet des Stettiner Hafens ein Zusammenstoß stattgefunden. Die Klägerin mißt die Schuld daran dem Führer der ,,Annica" bei und fordert von den Beklagten als Gesamtsdiuldnern Ersatz des ihr erwachsenen Schadens. Die Beklagten behaupten dagegen, der Führer des ,,Dcrfflingcr" trage die Schuld am Zusammenstoß. Die

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Beklagte zu 1 hat widerklagend Ersatz ihres Schadens begehrt. Das Landgericht hat durch Teil- und Zwischenurteil unter Abweisung der weitergehenden Ansprüche den Klageanspruch zu 2/-s und den Widerklageanspruch zu V 3 dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Dagegen hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Klägerin den Klageanspruch zu 3 /(, den Widerklageanspruch zu '/4 dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen. Aus den

Gründen:

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fuhr der Dampfer „Derfflinger", als er sich in der Höhe des Gaskanals befand, etwas östlich der Strommitte stromabwärts. Als er der „Annica" ansichtig wurde, betrug der Abstand von ihr ungefähr 4 0 0 Meter. Der „Derfflinger" gab darauf das Signal für Steuerbordruder und führte es aus. Dies wiederholte er noch zweimal, in ungefähr 2 0 0 und 100 Meter Entfernung vom Gegendampfer. Die „Annica" fuhr mit dem Kahn Breslau 2 9 3 2 im Anhang, nachdem sie, aus der Pamitz kommend, die Oder gewonnen hatte, auf der östlichen Stromhälfte ungefähr auf Gegenkurs zum „Derfflinger". Sie beantwortete die SteuerbordruderSignalc und -Manöver des „Derfflinger" mit Backbordruder-Signalen und entsprechenden Manövern. . . . Der Berufungsrichter hat ein für den Zusammenstoß ursächlichcs Verschulden der „Annica" darin erblickt, daß sie entgegen der Vorsdirift des Art. 25 SeestrO. in der als enges Fahrwasser anzusehenden Fahrwasserrinne der Oder nicht die an Steuerbordseite gelegene Fahrwasserseite gehalten hat. Ein weiteres Verschulden der „Annica" sieht er darin, daß sie unter Verletzung des Art. 18 SeestrO. dem auf Gegenkurs befindlichen Dampfer „Derfflinger" nach Backbord auszuweichen versucht hat. Daß nach den Umständen des Falles eine Befolgung des Art. 2 5 SeestrO. mit Gefahr verbunden gewesen sei, hat der Berufungsrichter verneint. Er stellt tatsächlich fest, es sei trotz der Verengung des Fahrwassers durch einige am Westufer liegende Kähne und den an der Westseite des Stromes zu Berg fahrenden Schleppzug des Dampfers „Theodor" für die „Annica" Platz genug vorhanden gewesen, sidi an der für sie rechten (westlichen) Fahrwasserseite zu halten. Daß die „Annica", wie er unterstellt, damit geredinet habe, zur Abgabe des geschleppten Kahnes 400—500 Meter oberhalb der Parnitzmündung das Ostufer aufsuchen zu müssen, hält er nicht für ausreichend, um die

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Abweichung von der Vorschrift des Art. 25 SeestrO. zu rechtfertigen, da nadi der Sachlage mit der Ansteuerung dieser Stelle unter Einhaltung der verletzten Vorsdirift keine Gefahr verbunden gewesen sei. Die Revision bekämpft diese Auffassung. Sie führt aus, bei der vom Berufungsgericht angenommenen Sachlage sei der von der „Annica" gewählte Kurs einem zweimaligen Kreuzen des Fahrwassers, wie es der vom Vorderrichter für richtig gehaltene Kurs notwendig gemacht hätte, vorzuziehen gewesen. Die Darlegungen des angefochtenen Urteils lassen indessen keinen Rechtsirrtum erkennen. Die Vorschrift des Art. 25 SeestrO. ist für die Schiffahrt in engen Gewässern die Hauptregel. Sie ist geschaffen, um bei der hier ohnehin erschwerten Schiffsführung gefahrbringende Kurse begegnender Fahrzeuge nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen (RGUrt. vom 21. April 1909 I 268/08, Hansa 1909 S. 644; RGUrt. vom 10. Mai 1911 I 13/10, Hansa 1911 S. 568; OSeeA. Bd. 17 S. 222). Sie findet allerdings ihre Begrenzung in den Regeln vorsichtiger Schiffsführung. Denn eine Befolgung der Vorschrift erscheint mit der Anwendung der durch die seemännische Übung gebotenen Vorsicht, wie sie als allgemeines Erfordernis in Art. 27 und 29 SeestrO. zum Ausdrude gelangt ist, dann nicht vereinbar, wenn dadurch die Gefahr eines Unfalles nicht gemindert, sondern gesteigert wird. Dies kann der Fall sein, wenn Ausgangspunkt und Ziel der Fahrt des Schiffes auf dem Backbordufer liegen und die dazwischen befindliche Strecke im Verhältnis zur Breite des Fahrwassers so kurz ist, daß die durch das wiederholte Kreuzen des Fahrwassers geschaffene Gefahrenquelle den durch die Vorschrift erstrebten Vorteil, frei voneinander laufende Kurse begegnender Fahrzeuge zu schaffen, an Bedeutung überwiegt. Diese Grenze für die Anwendung der Vorschrift ist vom Berufungsrichter auch nicht verkannt worden. Er hat vielmehr ausdrüddich und ohne Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze festgestellt, daß mit der Befolgung der Vorschrift keine Gefahr verbunden gewesen sei. Seine Darlegungen stehen auch nicht in Widerspruch zu den in der reichsgerichtlichen Entscheidung vom 10. Februar 1900 I 432/99 (Hansa 1900 S. 171) entwickelten Grundsätzen. Mit dem dort behandelten Fall hat allerdings der vorliegende die äußerliche Übereinstimmung, daß die Entfernung vom Eintritt des Fahrzeugs in das Fahrwasser bis zum nächsten Fahrtziel ungefähr die gleiche war. Die Voraussetzungen der Entscheidungen stimmen aber insofern nicht überein, als in dem dort behandelten Falle, abweichend von dem jetzigen, das Verhältnis der Breite des Fahrwassers zur Fahrtstrecke in gerader Linie derart war, daß eine Be-

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folgung der Vorschrift im wesentlichen auf ein doppeltes Kreuzen Fahrwassers beschränkt geblieben wäre. Bei dieser Verschiedenheit tatsächlichen Verhältnisse kann die dort getroffene Entscheidung, ein Abweichen von Art. 25 SeestrO. für zulässig erklärte, auf gegenwärtigen Fall nicht übertragen werden.

25 des der die den

Da die „Annica" die östliche Fahrwasserseite benutzte, befanden sidi die beiden Fahrzeuge auf Gegenkursen, die nicht unzweifelhaft frei voneinander liefen. Der Berufungsrichter hat die mit dem ursprünglichen Kurs der Fahrzeuge verbundene Gefahr des Zusammenstoßes zwar nicht ausdrüdclidi festgestellt; er erwähnt aber, daß Zweifel am Freikommen beider Fahrzeuge bestanden hätten. Daraus kann ohne weiteres entnommen werden, daß er von solcher tatsächlichen Lage ausgegangen ist. Er hat es daher auch für jedes der beiden Fahrzeuge für geboten erklärt, in Befolgung des Art. 18 SeestrO. nach Steuerbord auszuweichen. Demgemäß sieht er ein weiteres Verschulden der „Annica" darin, daß sie trotz der Signale und Manöver des „Derfflinger", die dieser Vorsdirift entsprachen, auf einem Ausweichen nach Badebord bestanden habe. Audi diese Darlegungen des Berufungsurteils sind nidit zu beanstanden (RGZ. Bd. 44 S. 24)). Insbesondere hat es mit Recht ausgeführt, daß bei gekrümmtem Fahrwasser, wie es hier in Frage kommt, der Kurs eines Schiffes im Sinne von Art. 18 SeestrO. nach seinem aus der Fahrwassergestaltung zu entnehmenden voraussichtlichen Weg zu bestimmen sei und daß daher dahingestellt bleiben könne, ob der „Derfflinger" bei Ansichtigwerden der ,.Annica" diese an seiner Steuerbordseite gesehen habe. . . . Auf Grund dieser Verstöße der „Annica" gegen die Seestraßenordnung hat der Vorderrichter ihrer Führung die überwiegende Schuld an dem Zusammenstoß zuerkannt. Er hat jedoch ein Mitverschulden des „Derfflinger" angenommen und dieses darin gesehen, daß er sein Steuerbordmanöver weiter durchgeführt habe, nachdem die „Annica" auf sein Steuerbordruder-Signal bei ungefähr 100 Metern Entfernung wiederum mit Badcbordruder-Signal und entsprechendem Manöver geantwortet habe. Er nimmt an, dieses Verhalten der „Annica" habe es dem Führer des „Derfflinger" geboten erscheinen lassen müssen, von der Ausweichbewegung nach Steuerbord abzugehen und mit voller Kraft und Backbordruder rückwärts zu gehen. Den Erfolg eines solchen Manövers hält der Berufungsrichter für gegeben. Die Revision meint, ein vom Berufungsurteil nicht berücksichtigtes Verschulden des „Derfflinger" liege darin, daß er nicht schon früher, nachdem er die Absicht der „Annica", ihren Backbordkurs beizubehal-

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ten, habe erkennen müssen, sein Vorhaben aufgegeben habe, Backbord an Backbord an ihr vorüberzugehen. Die Darlegungen des Berufungsgerichts lassen jedoch eine Verkennung von Rechts- oder Erfahrungssitzen nidit ersehen. Das Berufungsurteil geht von der Annahme aus. der Führer des „Derfflinger" habe bei seinem zweiten, in ungefähr 200 Meter Entfernung vom Gegendampfer gegebenen Steuerbordruder Signal noch damit redinen können, dieser werde sidi der Vorschrift des Art. 18 SeestrO. entsprechend verhalten, und solange sei er eur Beibehaltung seines vorschriftsmäßigen Ausweichmanövers berechtigt gewesen. Diese Auffassung ist frei von Rechtsirrtum. Das Fahrzeug, das den Vorschriften der Scestraßenordnung entsprechend handelt, darf zwar keineswegs, hierauf pochend und seinerseits alle Rücksicht auf den Gegensegler außer Augen setzend, diesen einfach überrennen (RGUrt. vom 7. März 1923 I 802/22, OSeeA. Bd. 18 S. 320). Es darf aber zunächst von der Erwartung ausgehen, daß auch der Gegner die Vorschriften der Seestraßenordnung beachten werde. Handelt dieser anders, so ergibt sich damit nicht ohne weiteres für ihn die Verpflichtung, sich dem fehlerhaften Manöver anzupassen. Ein solches Verhalten würde für den nicht auszuschließenden Fall, daß auch der Gegensegler, die Lage erkennend, sich zu einem anderen Manöver entschließt, nur Verwirrung bringen und zur Erhöhung der Gefahr beitragen. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des Art. 21 SeestrO. ist daher auch im Falle einer gegenseitigen Ausweichbewegung nach Art. 18 SeestrO. geboten. Erst wenn der vorschriftsmäßig Handelnde erkennt, daß das Verhalten des Gegners zu einer Kollision führen m u ß , wird er von der Vorschrift des Art. 18 SeestrO. und der Notwendigkeit zu einem Handeln gemäß Art. 27 und 29 SeestrO. befreit. Die Beurteilung des Zeitpunkts, in dem die Lage sich entsprechend gestaltet hat, ist im wesentlichen Gegenstand tatsächlichen Ermessens. Eine Verkennung von Rechtsregeln läßt sich bei seiner Beurteilung durch das Berufungsgericht jedenfalls nicht feststellen. . . . (Es folgen Ausführungen über die Ursächlichkeit und das Maß des beiderseitigen Verschuldens.) RGZ. 117, 249. 1. Zum Begriff der Hilfsleistung in Seenot. 2. Kann die Hilfsleistung auch darin bestehen, daß das hilfeleistende Schiff das gefährdete Schiff nur begleitet, um bei Eintritt unmittelbarer Gefahr sofort einzugreifen? HGB. §§ 740 flg.

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I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 15. Juni 1927. 1. L a n d g e r i c h t H a m b u r g . —

II. O b e r l a n d e s g e r i d i t

daselbst.

Am 2. Januar 1925 befand sich der der Beklagten gehörige Fisdidampfer „Blücher" im Weißen Meer bei Cap Kanin. Während des Fisdiens bekam das Schiff plötzlich einen Stoß und die Maschine blieb stehen. Später gelang es zwar, die Maschine wieder in Gang zu bringen, aber sie arbeitete schwer und lief nicht mit der regelrediten Umdrehungszahl. Der erste Maschinist meldete dies dem Kapitän mit dem Bemerken, er denke, mit langsamer Fahrt die Maschine gebraudien zu können, könne aber dafür nicht einstehen. Der Kapitän rief hierauf dem der Klägerin gehörenden Dampfer „Bremerhaven", der in der Nähe fischte, durch Morsespruch zu: „Ich brauche Hilfe, bleiben Sie bei mir". Die „Bremerhaven" kam an den „Blücher" heran, und die Kapitäne der beiden Schiffe verabredeten, daß die „Bremerhaven" schleppbereit den „Blücher" bis zur Küste begleiten solle, um ihn, falls er nicht mehr dampfen könne, zu schleppen. Diese Begleitung wurde auch ausgeführt. Als am 4. Januar 1925 Land voraus in Sicht kam, meldete der erste Maschinist des „Blücher" seinem Kapitän, er glaube, das Sdiiff könne jetzt aus eigener Kraft den nächsten Hafen erreichen. Hierauf erklärte der Kapitän des „Blücher" dem Kapitän der „Bremerhaven", er könne jetzt wohl allein fahren, und entließ das Begleitschiff. Die Begleitfahrt hat 44 Stunden gedauert. Die Klägerin fordert für die Inanspruchnahme ihres Dampfers eine Entschädigung; sie verlangt Ersatz für den durch frühzeitigen Abbruch der Fangreise entstandenen Fangausfall und einen besonderen Hilfslohn, da der Dampfer „Blücher" sich in Seenot befunden habe. Die Beklagte hat den Klageanspruch nach Grund und Betrag bestritten. Die Instanzgerichte haben der Klägerin Hilfslohn einschließlich Entschädigung für Fangausfall zugebilligt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: 1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, beim Dampfer „Blücher" sei der Verschlußring der Ölabdichtung des Stevenrohres erheblich beschädigt gewesen, und zwar im Zusammenhang damit, daß sidi ein Draht mit Schäkel zwischen Schiffsschraube und Verschlußring eingeklemmt gehabt habe. Dabei habe sidi die gesamte Wellenleitung nach hinten verschoben, so daß Drucklager und Wellenlager sich beim Gang der Maschine stark erhitzt hätten. Eine dauernde Kühlung der Schraubenwelle sei erforderlich gewesen. Eine Ölkiihlung, für die

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übrigens der Ölvorrat nicht gereicht hätte, sei nidit möglich gewesen, da beim Lösen der Stopfbüchse Wasser in den Wellentunnel gelaufen wäre. Bei der allein möglichen Seewasserschmierung habe aber dauernd die Gefahr bestanden, daß die Schmierung nicht reichte, sowie daß durch kleine, im Wasser befindliche Fremdkörper die Schwanzwelle festbrannte und so die Maschine völlig versagte. Hiernach habe ein erheblicher Maschinenschaden des Dampfers vorgelegen, der sich zu ungünstiger Jahreszeit im Weißen Meer etwa 30 Seemeilen NNW. von Cap Kanin befunden habe. Unter diesen Umständen habe nach dem Verhalten der Schiffsmaschine während der kritischen Zeit ein verständiger Maschinist und mit ihm der Kapitän des Dampfers „Blücher" bei sorgfältiger Prüfung, soweit sie unterwegs möglich gewesen sei, zu der Auffassung gelangen dürfen, daß auf die Maschine kein Verlaß sei. Der Kapitän des „Blücher" habe es bei Antritt der Rückreise nicht darauf ankommen lassen dürfen, ob er sich in dem stets drohenden Augenblick des Versagens der Maschine in der Nähe eines hilfsbereiten Schiffes befinden werde. Er habe während der Fahrt bis in die Nähe der Küste nicht auf eine Schlepperhilfe rechnen können. Es sei daher zur Abwendung der dem Schiff drohenden schweren Gefahr eine vernünftige Maßnahme des Kapitäns gewesen, den in der Nähe befindlichen Fischdampfer „Bremerhaven" zu bitten, sein Schiff auf der Heimreise bis in die Nähe der Küste zu geleiten. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts besagen, daß ein verständiger Schiffsführer bei vernünftiger Beurteilung aller damals gegebenen Verhältnisse mit Grund eine Entwicklung der Sachlage annehmen durfte, die von der Schiffsbesatzung allein nicht überwunden werden konnte und ohne alsbaldige Hilfe von dritter Seite die Beschädigung oder den Untergang des Schiffes herbeiführen würde. Sie enthalten ferner die Feststellung, daß zur Abwendung der danach für die Sicherheit des Schiffes bestehenden Gefahr die Begleitung des Dampfers „Blücher" durch den Dampfer „Bremerhaven" bis in die Nähe der Küste eine zweckmäßige Maßnahme war, die unter den obwaltenden Umständen von einem verständigen Schiffsführer bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht unterlassen werden durfte. Wenn danach das Berufungsgericht das Vorliegen einer Hilfsleistung in Seenot nach § 740 HGB. angenommen hat, so ist darin kein Rechtsirrtum zu erblicken. Die Revision vertritt den Standpunkt, der Begriff der Seenot erfordere einen Zustand, der ohne Abwendung von dritter Seite mit Notwendigkeit den Eintritt des nachteiligen Ereignisses zur Folge haben werde, oder erfordere doch, daß bei verstän-

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diger Beurteilung der Sachlage zur kritischen Zeit der Untergang des Schiffes als notwendig eintretend habe angesehen werden müssen. Diese Ansicht steht mit der herrschenden Rechtsprechung in Widerspruch. Denn danach liegt eine Seenot im Sinne des § 7 4 0 HGB. auch dann vor, wenn das Schiff durch Umstände, die der Seeschiffahrt eigentümlich sind, derart gefährdet ist oder einem verständigen Schiffsführer bei sorgfältiger Prüfung aller einschlägigen Verhältnisse als derart gefährdet erscheinen kann, daß das Schiff, falls es auf eigene Kraft oder Hilfsmittel angewiesen bliebe, voraussichtlich beschädigt werden oder verloren gehen würde (RGZ. Bd. 4 7 S. 195, Bd. 59 S. 312). Im übrigen bedarf es keiner weiteren Darlegung, daß der Annahme einer Rettung aus Seenot nicht entgegen gehalten werden kann, die Reise des Dampfers „Blücher" bis in die Nähe der Küste sei tatsächlich gelungen, ohne daß eigentliche Schleppdienste des helfenden Schiffes erforderlich geworden seien (RGU. vom 24. Oktober 1914 I 166/14 in HansGZtg. 1915 Hauptbl. S. 35 Nr. 17; RGZ. Bd. 85 S. 369). 2. Der Berufungsrichter hat die Entschädigung auf 10 0 0 0 R M bemessen und dabei den durch die Hilfsstellung entstandenen Fangausfall der „Bremerhaven" mit 6 0 0 0 R M und den eigentlichen Hilfslohn mit 4 0 0 0 R M eingesetzt. Dazu hat er ausgeführt, die Hilfsleistung sei für den Dampfer „Bremerhaven" ein gefahrloses Unternehmen gewesen, das weder die Bereithaltung von Apparaten noch besondere Anstrengungen erfordert und lediglich in einer Schleppbereitschaft während 4 4 Stunden bestanden habe. Wenn die Revision meint, diese Feststellungen rechtfertigten nicht die Höhe des zugesprochenen Hilfslohns, so betrifft diese Rüge das der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogene Tatsachengebiet.

RGZ. 119,270.

Zur Haftung des Schiffseigners für das Verschulden des sogenannten Festmachers. Haftet der Schiffseigner auch dann, wenn ein Zwang zur Annahme eines Festmachers besteht? Binnenschiffahrtsgesetz S. 3. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 17.Dezember 1927. Die Entscheidung ist abgedruckt weiter unten unter schiffahrtsrecht".

„Binnen-

RGZ. 120, 42. Uber Art und Umfang der Haftung des Verfrachters gegenüber den Befraditern für die Reisetüchtigkeit des Schiffes und zur Frage der Freizeichnung des Verfrachters von dieser Haftung.

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HGB. §§ 486, 513, 514, 559. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 21. Januar 1928. I. Landgeridit Flensburg, Kammer f ü r Handelssachen. II. Oberlandesgeridit Kiel.



Am Abend des 4. Dezember 1924 verließ der der Beklagten gehörige Dampfer „Kanal IV" den Flensburger Hafen, um nadi Hamburg zu fahren. Er hatte eine Ladung von 28 5 Tonnen Stückgüter, worunter sich 225 Tonnen Kupferbleche befanden, die zum Teil im Vorraum, zum größeren Teil aber im Großraum des Schiffes verstaut waren. Der Dampfer ist auf dieser Reise in der Nähe von Sdileimünde am 5. Dezember 1924 bei stürmischem Wetter gesunken. Die Kupferbleche sind später in beschädigtem Zustand geborgen und von der Klägerin veräußert worden. Sie hat den Reinerlös erhalten. Der größte Teil der Ladung, insbesondere die Kupferbleche, waren für die Reise bei der Klägerin versichert. Die Versicherungsnehmer und Befrachter haben wegen des Reiseschadens von der Klägerin Zahlungen erhalten. Die Klägerin beansprucht als Rechtsnadifolgerin der Befrachter Ersatz des diesen entstandenen Schadens. Sie behauptet, die Beklagte sei als Verfrachterin gemäß dem Seefrachtvertrag ersatzpflichtig. Der Unfall sei u. a. darauf zurückzuführen, daß die von der Beklagten fest angestellten berufsmäßigen Stauer die Ladung nicht sachgemäß verstaut hätten. Diese sei daher beim Schlingern des Schiffes in dem starken Seegang zum Teil übergegangen. Das Schiff sei teils wegen unsachgemäßer Stauung der Ladung und wegen Fehlens einer Garnierung, teils aus anderen Gründen nicht seetüchtig gewesen. Die Instanzgerichte haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Die Beklagte wird auf Grund des Seefrachtvertrags in Anspruch genommen, den sie als Verfrachter mit den Befrachtern abgeschlossen hat. Einen Bestandteil dieses Frachtvertrags bilden die KonnossementsBedingungen. Im übrigen hat grundsätzlich die Beklagte für den Schaden nach §§ 5 59, 606 HGB. einzustehen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Dampfer habe für die Reise von Flensburg nach Hamburg die Fähigkeit gehabt, „See zu halten und die Gefahren der Seeschiffahrt, soweit sie nicht ganz außergewöhnlicher Art sind, zu überstehen" ( S c h a p s Seerecht § 513 Anm. 2). Das Schiff sei also in diesem Sinne seetüchtig gewesen. Die von der Klägerin beanstandeten Öffnungen in der Außenhaut und im

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Sturmdeck hätten seine Seetüditigkeit nicht beeinträchtigt. Der Dampfer sei nach den Vorschriften des Germanischen Lloyd gebaut und bei Antritt der Reise mit einem Seefähigkeitsattest versehen gewesen. Zum mindesten habe die Beklagte bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters keine Bedenken gegen die Seetüchtigkeit des Schiffes als soldie zu haben brauchen (§ 5 59 Abs. 2 HGB.). Das Schiff habe auch die erforderliche Ladungstüditigkeit gehabt, d. h. es sei an sich für die vorgesehene Beförderung der Ladung geeignet gewesen ( S c h a p s a. a. O . § 513 Anm. 5). Der Unfall sei durch unsachgemäße Stauung der Ladung verursacht worden. O b diese fehlerhafte Stauung sowie das von der Klägerin behauptete Fehlen einer Garnierung als Seeuntüchtigkeit des Schiffes im engeren Sinne oder als sogenannte Reiseuntüchtigkeit zu bezeichnen sei, k ö n n e dahingestellt bleiben, da in beiden Fällen die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über Seetüchtigkeit in gleicher Weise anwendbar seien (§§ 513, 514, 559 HGB.; S c h a p s a. a. O . § 513 Anm. 4, S. 559 Anm. 9). An der mangelhaften Stauung und dem Fehlen einer Garnierung treffe den gesetzlichen Vertreter der Beklagten oder einen leitenden Angestellten von ihr keine Schuld. Vom gesetzlichen Vertreter der Beklagten k ö n n e man nicht verlangen, daß er persönlich die Verstauung überwache. Es handle sich dabei um eine seemännischtechnische Arbeit, für die der Leiter der Reederei selbst die erforderliche Sachkunde nicht zu haben brauche. Die Beklagte habe der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Verfrachters genügt, indem sie neben dem erfahrenen und tüchtigen Kapitän des Schiffes einem älteren Angestellten, ihrem Disponenten S., die Aufsicht über die Beladung und Ausrüstung des Schiffes übertragen und diesen fortgesetzt darauf hingewiesen habe, daß die Sicherheit der Passagiere, des Gutes und des Schiffes das erste Erfordernis sei. Daraus, daß die Beklagte keine besonderen Anordnungen wegen des angekündigten Sturms getroffen habe, könne ihr kein Vorwurf gemacht werden. Die Beklagte habe sich darauf verlassen dürfen, daß, soweit deswegen besondere Maßnahmen erforderlich gewesen seien, diese vom Schiffcr getroffen würden. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts bewegen sich im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Sie ergeben zur Genüge, daß der Verlust oder die Beschädigung der Ladung ausschließlich auf einem durch die Art der Beladung hervorgerufenen mangelhaften Zustand des Schiffes (Reiseuntüchtigkeit) beruht, den die leitenden Organe der Beklagten bei Anwendung der

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Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht entdecken und nicht abwenden konnten (§§ 559, 606 HGB.). Die Frage, ob dasselbe für die nicht als leitende Organe anzusehenden Erfüllungsgehilfen der Beklagten, insbesondere für ihren Schiffer, ihre Stauer oder den Disponenten S. gilt, ist vom Berufungsgericht nicht entschieden worden. Dieses vertritt den Standpunkt, daß sich die Beklagte von einem etwaigen Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, auch soweit es sich um den Mangel der Seetüchtigkeit oder Reisetüchtigkeit des Schiffes handle, laut den für den Frachtvertrag maßgeblichen Konnossements-Bedingungen freigezeichnet habe. Dabei führt das Berufungsgericht weiter aus: Es handle sich nicht um eine Freizeichnung von der grundsätzlichen Verpflichtung der Beklagten, ein seetüchtiges Schiff zu stellen ( S c h a p s Seerecht § 559 Anm. 8) oder um eine Freizeichnung unter unbilliger Ausnutzung einer wirtschaftlichen Monopolstellung der Beklagten. Letzteres sei schon um deswillen nicht der Fall, weil keinesfalls ein grobes Verschulden in Frage komme und die in Betracht zu ziehenden Personen nicht zu den leitenden Angestellten der Beklagten in dem erwähnten Sinne gehörten. Demgegenüber ist folgendes zu bemerken. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich um eine Undichtigkeit des Schiffes, die nicht in dessen Beschaffenheit selbst, sondern in mangelhafter Stauung der Ladung und gegebenenfalls auch im Fehlen der Garnierung begründet ist. O b eine solche Reiseuntüchtigkeit vorliegt, entscheidet sidi erst nach Einnahme der Ladung und nicht schon in dem Augenblick, wo der Schiffskörper ladebereit geliefert wird ( § 5 5 9 Abs. 1 HGB.). Trotzdem ist entsprechend dem Sinn und Zwedc von § 5 59 HGB. in Verbindung mit §§ 513, 514 HGB. mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, daß in dem hier entscheidenden Umfang der Mangel der Reisetüchtigkeit bei Antritt der Reise nach denselben Rechtsgrundsätzen wie die Seeuntüchtigkeit im engeren Sinne bei Lieferung des Schiffes zu beurteilen ist ( S c h a p s Seerecht § 513 Anm. 4, § 559 Anm. 9, 2; W ü s t e n d ö r f e r Studien zur modernen Entwicklung des Seefrachtredits Bd. I S. 472, 467, 474; Hans. RZtsdir. 1926 S. 422 flg. Nr. 137, Urteil des OLG. Hamburg vom 19. Januar 1926). Soweit ein für die Reiseuntüchtigkeit in Betracht kommendes Verschulden vorliegen sollte, handelt es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur um ein einfaches Verschulden solcher Erfüllungsgehilfen der Beklagten, die nicht zu ihren leitenden Angestellten gehörten. Allerdings ist die Rechtsgrundlage der Haftung des

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Verfrachters aus § 559 H G B . nicht so sehr ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen, insbesondere der Schiffsbesatzung, als die frachtrechtlidie Gewährleistung für den Zustand des gelieferten Schiffes ( O L G . Hamburg Urteil vom 20. Dezember 1915 in Hans. GerichtsZtg. 1916 Hptbl. S. 84 Nr. 44; Hans. RZtschr. 1926 S.422 Nr. 137, O L G . Hamburg, Urteil vom 19. Januar 1926). Diese Gewährleistung reicht indes nur soweit, als das Fehlen der See- oder Reisetüchtigkeit des Schiffes bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters entdedct und beseitigt werden konnte. K o m m t dagegen in dieser Beziehung, wie hier, nur ein Sorgfaltsmangel von Erfüllungsgehilfen des Verfrachters in Frage, die nicht zu seinen leitenden Organen gehören, und ist dieser Sorgfaltsmangel weder als Vorsatz noch als gröbe Fahrlässigkeit anzusehen, so stehen insoweit einer Freizeichnung des Verfrachters keine rechtlichen Bedenken entgegen (S c h a p s Seerecht § 559 Anm. 8, 9, § 606 Anm. 33 flg.; W ü s t e n d ö r f e r a. a. O . I S. 478 flg.; R G . U r t e i l vom 30. September 1885 in Hans. GerichtsZtg. Hauptbl. S. 18 Nr. 6; R G Z . Bd. 11 S. 106). Dem Berufungsgericht kann aber darin nicht zugestimmt werden, daß nach den Konnossements-Bedingungen, die einen Bestandteil des Frachtvertrags bilden, eine solche Freizeichnung stattgefunden hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Freizeichnung mit genügender Deutlichkeit (unzweideutig) vorgenommen werden muß und daß alle Zweifel zu Lasten des Verfrachters gehen ( R G Z . Bd. 110 S. 224; S c h a p s a. a. O . § 559 Anm. 8). Dementsprechend gelten allgemeine Freizeichnungen von den Gefahren oder Zufällen der Seeschiffahrt (perils of the sea, accidents oder perils of navigation) oder von Nachlässigkeit der Schiffsbesatzung (Negligenz-Klausel) nicht als ausreichend ( S c h a p s a. a. O . § 559 Anm. 8, § 606 Anm. 38, 58, 59, 62; W ü s t e n d ö r f e r a. a. O . Bd. I S. 398; O L G . Hamburg vom 19. Januar 1926 in Hans. RZtschr. 1926 S.422 Nr. 137; O L G . Hamburg vom 20. Dezember 1915 in Hans. GerichtsZtg. 1916 Hauptbl. S. 84 Nr. 44; O L G . Hamburg vom 20. Januar 1910 in Hans. GerichtsZtg. 1910 Hauptbl. S. 138 Nr. 53; vgl. auch über das Verhältnis von § 33 Nr. 3 zu § 58 der Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen von 1919 R G Z . Bd. 118 S. 13; ferner V o i g t Das Deutsche Seeversicherungsrecht S. 448 flg.). Die maßgeblichen KonnossementsKlauseln gehen aber nicht über den Rahmen derartiger, ganz allgemein gehaltener Freizeichnungen hinaus. Denn sie besagen nur folgendes: „Die Reederei ist nicht verantwortlich Schiffahrt und des Verkehrsgewerbes Scbiffahrtsrccht II

für die Gefahren der für Schaden oder Verlust 3

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durch Kollision, Strandung und alle anderen Schiffahrtsunfälle, selbst wenn der dadurch entstehende Sdiaden oder Verlust auf irgendeine rechtswidrige Handlung, eine Nachlässigkeit, einen Fehler oder Irrtum des Lotsen, des Schiffers, der Besatzung oder anderer Angestellten der Reederei zurückzuführen ist" (Nr. 1 der Konnossements-Bedingungen). Daß diese Bedingungen für die Freizeichnung nicht genügen, bedarf nach dem vorher Gesagten keiner Ausführung. Somit ist zu unterstellen, daß die vom Berufungsgericht festgestellte Reiseuntüditigkeit des Schiffes auf Verschulden von Erfüllungsgehilfen der Beklagten in nicht leitender Stellung beruht, das sie zu vertreten hat. Hierfür würde sie grundsätzlich persönlich haften; dagegen nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht, wenn und soweit ein Fall vorliegt, wie er in § 486 HGB., insbesondere in Nr. 2, 3 geregelt ist ( S c h a p s § 606 Anm. 15, § 5 59 Anm. 5; Hans. GeriditsZtg. Hauptbl. 1910 S. 137/138 Nr. 53). Dies trifft für den Schiffer des Dampfers „Kanal I V " zu; ob auch für die angeblich von der Beklagten angestellten Stauer und den Disponenten S., hängt von Umständen ab, die aus dem Berufungsurteil nicht zu ersehen und gegebenenfalls vom Tatrichter aufzuklären und festzustellen sind. Dasselbe gilt für die Frage, ob und inwieweit eine etwa an sich begründete Haftung der Beklagten mit Schiff und Fracht wegen der vom Berufungsgericht festgestellten freiwilligen Versteigerung des Schiffes in eine andere Verpflichtung der Beklagten übergegangen ist. Dabei ist zu beobachten, daß trotz der Freiwilligkeit dieser Versteigerung eine persönliche Haftung der Beklagten nach §§ 765, 773 HGB. begründet sein kann. Auch könnten der Klägerin persönliche Rechte gegen die Beklagte aus anderen Gründen zustehen, z. B. wegen des Verkaufs des Schiffes nach allgemeinen Grundsätzen über unerlaubte Handlungen (S c h a p s Seerecht § 765 Anm. 4, 5) oder, falls Fracht verdient worden sein und die Beklagte sie eingezogen haben sollte, — was das Berufungsgericht zwar als „kaum in Frage kommend" bezeichnet — nach § 771 HGB. (vgl. auch S c h a p s a. a. O. § 755 Anm. 13, § 756 Anm. 11 flg.). R C Z . 121, 300. Uber Art und Umfang der dem Schiffer nach § 535 HGB. obliegenden Maßnahmen. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 16. Juni 1928.

I. Landgericht Bremen, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit Hamburg.

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Seeredit

Die Klägerin ist Inhaberin eines Konnossements über 8 0 0 0 Busheis Weizen. Das Konnossement ist am 2 8 . Juli 1 9 1 4 für den damals in Galveston liegenden Dampfer „Neckar" des Beklagten ausgestellt worden. Es bezeichnet Bremen als Bestimmungshafen, lautet an die Order der Ablader, der Firma J. R., G. & Co., und ist mit deren Blank o i n d o s s a m e n t versehen. Der Dampfer hat die Beförderung der Ware nach Deutschland wegen des Kriegsausbruchs nicht ausgeführt, sondern einen Teil seiner Weizenladung in Havanna gelöscht und dann Baltimore als Nothafen angelaufen. Dort hat der Kapitän die übrige Ladung gelöscht und im Einvernehmen mit dem dortigen ständigen Agenten des Beklagten an die Abladerfirma J. R., G. & Co. gegen eine Bescheinigung ausgehändigt, obgleich diese Firma nicht im Besitz eines über die Ware gezeichneten Konnossements war. Die Firma J. R., G. & Co. hat dann den Kaufpreis der so zurückerhaltenen Ware abzüglich Kosten und Spesen im Mai 1 9 1 9 bei dem Alien Property Custodian in New York für die Empfänger der Ware insgesamt hinterlegt. Die Klägerin hatte von der Ladung einen Teil, jene 8 0 0 0 Busheis, gekauft; die Dokumente hierüber hatte sie nach anfänglicher Weigerung am 30. September 1914 gegen entsprechende Zahlung aufgenommen. Als legitimierte Konnossements-Inhäberin macht sie S c h a d e n ersatzansprüche gegen den Beklagten wegen Auslieferung ihres Ladungsanteils an einen nichtlegitimierten Dritten unter Berufung auf § § 6 5 9 , 61 1 HGB. geltend. Das Landgericht gab der Klage zum Teil statt. Das Oberlandesgericht wies sie gänzlich ab. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat auf Grund eingehender Erwägungen festgestellt, daß die Aushändigung der Ladung an die Firma J. R., G. & Co. gemäß § 535 HGB. erfolgt sei. Dabei wird im einzelnen ausgeführt, daß der Kapitän und in seiner Vertretung der Agent des Beklagten nach pflichtmäßigem Ermessen und unter Anwendung gehöriger Sorgfalt gehandelt hätten. Diese Erörterungen liegen im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Der Schiffer befand sich auf der Reise und war berechtigt und verpflichtet, nach § 535 HGB. zu verfahren. Die dort gegebene Aufzählung von Maßnahmen, die dabei in Betracht kommen, ist nicht erschöpfend ( S c h a p s Seeredit 2. Auflage § 535 Anm. 2 0 ) . Audi die im vorliegenden Fall ergriffenen Maßregeln können sehr wohl unter § 53 5 HGB. fallen. Allerdings hatte der Schiffer ein 3n der Order der 3'

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Firma J. R., G. & Co. lautendes Konnossement ausgestellt und diese Firma war Abladerin der Ware. Sie ist auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den Agenten des Beklagten an den Schiffer herangetreten mit der Aufforderung zur Auslieferung der Güter in Baltimore. Soweit die Aufforderung auf Grund von § 6 5 9 HGB. geschehen sein sollte, durfte ihr der Schiffer mangels Rüdegabe sämtlicher Konnossements-Exemplare keine Folge leisten. Das ändert aber nichts daran, daß unter Umständen der Schiffer ganz unabhängig von etwaigen Anweisungen des Abladers auf Grund von § 53 5 HGB. Maßnahmen ergreifen konnte und mußte, die im Ergebnis zur Auslieferung der Ware an die Ablader-Firma ohne entsprechende Rückgabe der Konnossemente führten. Hatte der Sdiiffer diese Maßnahmen unter Anwendung gehöriger Sorgfalt und unter Berücksichtigung aller einschlägigen und damals für ihn erkennbaren Verhältnisse ausgewählt und durchgeführt, wie dies das Berufungsgericht festgestellt hat, so ist es unerheblich, wenn sich später herausstellt, daß der vom Schiffer eingeschlagene Weg den Interessen der Ladungsbeteiligten nicht dienlich war oder daß ein anderer Weg vorteilhafter gewesen wäre. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht bei Würdigung des Verhaltens des Schiffers auf Grund von § 535 HGB. erwogen hat, daß später eingetretene Umstände, die der Auseinandersetzung zwischen der Klägerin als Ladungsbeteiligter und der Firma J. R., G. & Co. als Abladerin nicht günstig gewesen seien (die lange Dauer des Krieges, das Eingreifen Amerikas in den Krieg, die Beschlagnahme deutschen Privatvermögens durch die Vereinigten Staaten von Amerika), zur Zeit der Aushändigung der Güter an die Abladerfirma nicht hätten vorausgesehen werden können. •Hieran wird durch die vom Berufungsgericht festgestellte Mitwirkung des Agenten des Beklagten nichts geändert. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dieser Agent habe, solange der Schiffer anwesend gewesen sei, als sein Berater und nach dessen Abreise bei Erledigung der weiter erforderlichen Maßnahmen als sein Vertreter gehandelt. Auch wenn der Agent zu erkennen gegeben oder erklärt haben sollte, daß er als Vertreter des Reeders (Beklagten), handle, so habe er doch nur Entscheidungen getroffen, die zum Pflichtenkreis des Schiffers gehörten. Er habe daher auch dann rechtlich nur als Gehilfe und Vertreter des Schiffers gehandelt. Daß der Agent auf besondere Weisung des Beklagten der Auslieferung der Güter an den Ablader zugestimmt habe, sei nicht behauptet worden. Nach herrschender Rechtsauffassung handelt der Schiffer, wenn er nach § 535

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HGB. tätig ist, aus eigenem Recht und aus eigener Pflicht, und handelt der Agent des Reeders, wenn er derartige Geschäfte in überseeischen Häfen neben oder an Stelle des Schiffers vornimmt, grundsätzlich als dessen Beauftragter und Vertreter ( S c h a p s Seerecht § 5 35 Anm. 4a; 7 ; OLG. Bd. 37 S. 50; B o l z e Pr. d. RG. Bd. 6 Nr. 305 S. 111). Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, daß das Eingreifen des Agenten, welcher Art es auch gewesen sein mag, mittelbar oder unmittelbar nur solche Maßnahmen zur Folge gehabt hat, zu denen der Schiffer nadi § 535 HGB. berechtigt und verpflichtet war. Daraus konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum entnehmen, daß der Agent, auch wenn er sich selbst als Vertreter des Beklagten bezeichnet haben sollte, in Wahrheit nur als Gehilfe und Vertreter des Schiffers im Rahmen von § 535 HGB. tätig gewesen ist. Ist aber dieser Rahmen bei Auslieferung der Güter an die Firma J. R., G. & Co. nicht überschritten worden, so kann ihretwegen die Klägerin als Ladungsbeteiligte und Inhaberin der die Ware betreffenden Konnossemente keine Ansprüche gegen den Beklagten herleiten. RGZ. 122, 316. 1. Nach welchem Recht ist eine Chartepartie zu beurteilen, die in London vom dortigen Agenten der englischen Reederei und dem der einem andern Staat angehörigen Befrachterin auf einem Vordruck der Baltic and White Sea Conference gezeichnet ist? 2. Zar Bedeutung der Konnossementsklausel „Freight and all conditions and exceptions as peT Charter Party" für die Bestimmung des auf die Rechtsbeziehungen zwischen Verfrachter und Empfänger anzuwendenden Rechts. Inwieweit kann für diese Rechtsbeziehungen entgegen einer Konnossementsklausel, welche das den Frachtvertrag beherrschende Recht für maßgebend erklärt, das abweichende Redit des Bestimmungsortes in Betracht kommen? HGB. §§ 557, 651. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 24. November 1928. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.



An Bord des der Klägerin gehörigen Dampfers „Mary Amelia" brach auf einer Reise vom Schwarzen Meer nach Hamburg Feuer aus. Durch die Einwirkung des Feuers verklumpte die aus Ölkuchen bestehende Ladung. Infolgedessen verursachte die Löschung der Ladung in Hamburg besondere, über die gewöhnlichen Löschkosten hinaus-

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gehende Unkosten. Die Klägerin fordert Erstattung dieser Unkosten von den Beklagten als Empfängern der Ladung. Nach Auffassung der Beklagten fallen diese Kosten dem Reeder zur Last. Das Landgeridit gab der Klage statt, das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg Gründe: Streitig ist zwischen den Parteien, ob die laut Konnossement befugten Empfänger einer Ladung dem Verfrachter für die außergewöhnlichen Löschungskosten haften, die mit einer besonderen Haverei der Ladung in ursächlichem Zusammenhang stehen. Darüber, daß es nach der Chartepartie an sich zu Lasten des Verfrachters ging, die Ladung aufzunehmen und längsseits des Sdiiffs zu bringen, besteht Einigkeit. Streit herrscht schon über das Recht, nach welchem diese Frage zu entscheiden ist. Gezeichnet ist die Chartepartie in London von den dortigen Agenten der englischen Reederei und der Befrachterin, die der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken angehört. Das in einem Hafen des Schwarzen Meeres an die Order der Befrachterin ausgestellte Konnossement enthält die Klausel: ,,Freight and all conditions and exceptions as per Charter Party" usw. Die durch Feuer verklumpte Ladung, deren Entlöschung die Aufwendung außergewöhnlicher Unkosten (sogenanntes ,,dirty money") erforderte, wurde im Bestimmungshafen Hamburg von deutschen Firmen übernommen. Das Berufungsgericht hat die Rechtsbeziehungen der Verfrachterin und der Empfänger nadi englischem Recht beurteilt und ist in dessen Anwendung zu dem Ergebnis gelangt, die Verfrachterin könne die durdi die Verklumpung der Ladung entstandenen Mehrlöschkosten von den Empfängern audi unter dem Gesichtspunkt der besonderen Haverei nidit verlangen, da nach dem Fraditvertrag die Entlöschung in vollem Umfang ohne Rücksicht auf ihre Kosten Sache der Verfrachterin gewesen sei. Die Revision hat demgegenüber die Auffassung vertraten, es handle sidi im Rechtsverhältnis der Parteien bei dem Streit darüber, wer die Kosten der Entlöschung zu tragen habe, um die Frage der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Konnossement, für diese aber sei das Recht des Bestimmungshafens, also deutsdies Recht, maßgebend. Hiernach aber fielen die streitigen Kosten den Empfängern zur Last. Hier sei nämlidi einer der in § 593 HGB. vorgesehenen Ausnahmefälle gegeben, da, wie unter Beweis gestellt, nadi Hamburger

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Ortsgebraudi mit Mehrkosten der erörterten Art nicht, wie es der grundsätzlichen Regelung in § 593 entspredie, der Verfrachter, sondern der Ladungsempfänger belastet werde. Die Revision kann indes keinen Erfolg haben. Für die Auffassung, daß die zur Erörterung stehenden Rechtsbeziehungen der Parteien nach englischem Recht zu beurteilen seien, hat sich das Berufungsurteil die Begründung des erstinstanzlichen Urteils zu eigen gemacht. Dieses entnimmt den Umständen des Falles (Abschluß des Vertrags in London durch englische Firmen unter Benutzung eines dem englischen Schiffahrtsrecht eigenen Vordrucks), daß Verfrachter und Befrachter den Frachtvertrag dem englischen Recht hätten unterwerfen wollen. Daß die Reditsbeziehungen zwischen Verfrachter und Ladungsempfänger von dem gleichen Recht beherrscht würden, folgert es aus der oben angeführten Bestimmung des für diese Beziehungen maßgebenden Konnossements. Daß das Berufungsgericht den Frachtvertrag als solchen unter englisches Recht stellt, kann nicht als rechtsirrtümlich angesehen werden. Es entspricht anerkannten Rechtsgrundsätzen, bei Prüfung der Frage, welchem Recht die Beziehungen zwischen den Parteien eines Seefrachtvertrags zu unterstellen seien, der innerhalb verschiedener Reditsgebiete zur Entstehung und Abwicklung gelangt, in erster Linie das entscheidende Gewicht darauf zu legen, ob sich aus den Einzelumständen des Falles Anhaltspunkte für den Willen der Parteien ergeben, das zwischen ihnen entstehende Rechtsverhältnis einem einheitlichen Recht zu unterwerfen (RGZ. Bd. 68 S. 203). Daß die Gesichtspunkte, welche das erstinstanzliche Urteil in dieser Richtung herangezogen hat, erheblich sind, ist ebenfalls von der Rechtsprechung anerkannt. Bei dem Vertragsvordruck handelt es sich allerdings nicht um eine dem englischen Verkehrsrecht allein eigentümliche Gestaltung der Vertragsbedingungen, sondern, wie die Überschrift („The Documentary Council of the Baltic and White Sea Conference") zeigt, um einen in zwischenstaatlicher Besprechung vorgeschlagenen Vertragsentwurf. Diesen hat jedoch die großbritannische Chamber of Shipping angenommen („adopted by the Documentary Committee of the Chamber of Shipping of the United Kingdom"). Immerhin weist der Vertrag in mehreren Punkten (unselbständige Negligence clausc in Nummer 2 Abs. 2, Lien clause in Nummer 8) Bestimmungen auf, die der englischen Rechtsauffassung eigentümlich sind. Unter diesen Umständen kann darin keine Verletzung von Auslegungsgrundsätzen erblickt werden, daß aus der Vereinigung der einzelnen Anhaltspunkte

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die Unterstellung des Vertrags unter englisches Recht entnommen worden ist. Diesen Anhaltspunkten mag nodi ergänzend hinzugefügt werden, daß nadi Nummer 12 der Chartepartie ein Fall großer Haverei in London abgewickelt und damit — abgesehen von der Anwendung der York-Antwerp Rules — englischem Recht unterstellt worden ist. Daß danach auch Fälle besonderer Haverei mit Recht nach englischen Rechtsanschauungen beurteilt worden sind, bedarf keiner weiteren Darlegung. Ohne Rechtsirrtum hat aber das Berufungsgericht weiter angenommen, auch die Rechtsbeziehungen der Verfrachterin und der Empfänger unterlägen, soweit sie auf dem Frachtvertrag beruhten, der Beurteilung nach englischem Recht. Die erwähnte Klausel des Konnossements läßt erkennen, daß diese Rechtsbeziehungen gleich denen der Parteien des Frachtvertrags gestaltet werden sollten, soweit sich nicht aus dem Konnossement etwas anderes ergab. Die Fassung der Klausel genügt auch den Anforderungen des § 651 Abs. 2 HGB. Unter diesen Umständen bestehen keine Rechtsbedenken gegen die Auffassung, daß auch die in der streitigen Rechtsfrage berührten Rechtsbeziehungen zwischen Verfrachterin und Empfängern der Beurteilung nach englischem Recht zu unterwerfen seien. Zuzugeben ist allerdings der Revision, daß nach deutscher Rechtsanschauung im allgemeinen für die Beurteilung der Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Konnossement das Recht des Bestimmungsortes als maßgebend gilt (ROHG. Bd. 25 S. 192; S c h a p s Seerecht Anm. 35 zu § 642 HGB. und die weiteren dort angeführten Entscheidungen). Es gibt zweifellos auch Fälle, in denen, selbst wenn im allgemeinen nach dem aus der Sachlage entnommenen Willen der Beteiligten die Reditsbeziehungcn zwischen Verfrachter und Empfänger von anderem Recht beherrscht werden, die Sachlage in gewissen Beziehungen die Anwendung des Rechts des Bestimmungsortes fordert. Das kann sowohl aus einer unter dem Gesichtspunkt eines vernünftigen und billigen Ergebnisses vorzunehmenden Ergänzung des Parteiwillens folgen wie auch schon durch Sinn und Zwedc der Vorschriften des Rechts des Bestimmungsortes mit Rücksicht auf die Sicherung des kaufmännischen Konnossementsverkehrs gefordert werden (RGZ. Bd. 34 S. 72 [80, 82]). Zu denken ist dabei z. B. an Bestimmungen oder Ortsgebräuche, die den Vorgang der Entlöschung als solchen betreffen ( B o y e n s , Das deutsche Seerecht Bd. I §§ 32, 51), sowie an die Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen Rechte und Verpflichtungen zwischen Verfrachter und Empfänger erwachsen (z. B.

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§§ 614 flg. HGB.). Um solche Fragen handelt es sich aber im vorliegenden Falle nicht, sondern lediglich darum, ob die Bestimmung des Frachtvertrags, wonach der Verfraditerin die Ausladung des Ladungsgutes auf ihre Kosten obliegt, die Anwendung der Rechtsgrundsätze über besondere Haverei ausschließt, letzthin also um die Tragweite einer Bestimmung des Frachtvertrags. Es scheint nicht geboten, diese Frage, abweichend von dem den Frachtvertrag und die Rechtsbeziehungen zwisdien Verfrachter und Empfänger im allgemeinen beherrschenden Recht, nach dem Recht des Bestimmungsortes zu entscheiden. Ein berechtigtes Interesse der Verfrachterin, die den Frachtvertrag englischem Recht unterworfen hat, diese Frage nach dem ihr etwa günstigeren Recht des Bestimmungsortes und eines dort etwa bestehenden Ortsgebraudis entschieden zu sehen, ist nidit zu erkennen. Das englische Recht ist somit ohne Rechtsirrtum angewandt worden. Die Beurteilung, welche der Fall nach diesem Recht erfahren hat, insbesondere auch die Frage, ob die Erheblichkeit eines Ortsgebrauchs im Bestimmungshafen erschöpfend gewürdigt worden ist, war in der Revisionsinstanz nicht nachzuprüfen. RGZ. 123, 108. Uber Art and Umfang der Vertretungsbefugnis des Korrespondentreeders and über Form und Zustandekommen von Mehrheitsbeschlüssen der Reederei. HGB. §§ 4 8 9 flg. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 9. Januar 1929. I. Landgericht Verden. — II. Oberlandesgeridit Celle.

Die Reederei des Fischdampfers „Usedom", bei der die Klägerin und die Beklagten Mitreeder und die Klägerin auch Korrespondentreederin war, ist aufgelöst und befindet sich in Liquidation. Die Klägerin verlangt Zahlung eines auf die Beklagten als Mitreeder entfallenden Anteils an den Schulden der Reederei, die im Liquidationsverfahren nach Verkauf des Dampfers „Usedom" und Einziehung des Kaufpreises verblieben sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Klägerin als KOTrespondentreederin trotz Auflösung der Reederei zur Geltendmachung

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dieses Anspruchs formell befugt ist, entspricht der herrschenden Rechtsauffassung und ist von der Revision auch nicht beanstandet (RGZ. Bd. 11 S. 194, Bd. 42 S. 69. Bd. 71 S. 27; S c h a p s Seerecht 2. Aufl. § 506 Anm. 8). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei nach Lage der Sache anzunehmen, daß die Schulden der Reederei, auf deren anteilmäßige Deckung die Beklagten in Anspruch genommen werden, nach Grund und Betrag den Angaben der Klägerin entsprächen. Die Geschäftsbücher der Reederei, einschließlich der Belege, hätten geraume Zeit hindurch in der Geschäftsstelle des Landgerichts den Beklagten zur Prüfung und Einsichtnahme zur Verfügung gestanden. Daß die Bücher unübersichtlich geführt seien, hätten die Beklagten nicht behauptet. Unter diesen Umständen könnten sie sich nicht darauf beschränken, die Angaben der Klägerin über Entstehung und Höhe der Reedereischuld schlechthin zu bestreiten, sondern hätten die ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen prüfen und ihre Beanstandungen im einzelnen vorbringen müssen. Es genüge auch nicht, daß die Beklagten einfach behaupteten, es handle sidi nicht um Reedereisdiulden, sondern um persönliche Schulden der Klägerin, auch insoweit hätten die Beklagten unter den obwaltenden Umständen bestimmte Behauptungen aufstellen müssen. Die Revision sagt, daß die letztere Erwägung des Berufungsgerichts eine Verkennung der nach § 4 9 4 H G B . der Klägerin obliegenden Behauptungs- und Beweislast sei. Dabei legen die Beklagten besonderes Gewicht auf die Frage, ob die Klägerin die hier streitigen Bankkredite als Korrespondentreederin, d. h. im Namen der Reederei aufgenommen habe. Dies ist aber nicht von entscheidender Bedeutung. In § 494 HGB. ist nur das Verhältnis der Reederei und der Mitreeder zu Dritten geregelt. Im Innenverhältnis der Reederei macht es keinen Unterschied, ob der Korrespondentreeder den Bankkredit im eigenen Namen oder auf den Namen der Reederei aufgenommen hat, wenn nur feststeht, daß der Kredit vom Korrespondentreeder für die Zwecke der Reederei bestimmt war und der Korrespondentreeder dabei im Rahmen seiner Befugnisse gehandelt hat. Das Berufungsgericht durfte annehmen, daß die Klägerin durch Einrcichung der Bücher und Belege ihrer Behauptungs- und Beweispflicht zunächst genügt hat. (Wird ausgeführt.) Eine andere Frage ist, ob die Klägerin bei Aufnahme der Bankkredite innerhalb der Grenzen der ihr als Korrespondentreederin zustehenden Befugnisse gehandelt hat und ob eine etwaige Überschrei-

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tung dieser Grenzen mit rechtlicher Wirksamkeit für die Reederei oder die Mitreeder genehmigt ist. . . . In § 6 des zwischen der Klägerin und den Mitreedern schriftlich vereinbarten Reedereiabkommens heißt es: „Reedereiversammlungen werden einberufen, wenn erforderlich, mindestens einmal im Jahr nach Sdiluß des Geschäftsjahres." Diese Bestimmung ist insofern von besonderer Bedeutung, als die Reederei einen Fischdampfer betraf, dessen Reisen regelmäßig von kurzer Dauer waren und in kurzen Abständen zu erfolgen pflegten, so daß mit einer größeren Zahl von Fangreisen im Laufe eines Jahres von vornherein zu redinen war. Dies weist darauf hin, daß durch § 6 des Reederei-Übereinkommens die Vorschrift in § 4 9 6 Abs. 2 HGB.. wonach der Korrespondentreeder „zu neuen Reisen . . . vorher die Beschlüsse der Reederei einzuholen h a t " , insoweit ausgeschaltet ist, als für die einzelne Fangreise eine Einberufung der Reederei Versammlung nicht erforderlich war. Im übrigen enthält das Reedereiabkommen keine Vorschrift dahin, daß Reedereibesdilüsse nur auf Reedereiversammlungen gefaßt werden könnten, sondern nach § 1 des Übereinkommens gelten hier die allgemeinen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs. Danach war keine besondere Form für die Mehrheitsbeschlüsse der Reederei vorgeschrieben. Insbesondere war dazu an sich keine Zusammenberufung der Mitreeder erforderlich. Es genügte, wenn die Mehrheit der Mitreeder — und zwar auch ohne Anhörung der Minderheit — den Beschluß faßte und irgendwie zur äußeren Erscheinung brachte. Das gilt auch für die nachträgliche Genehmigung solcher Maßnahmen des Korrespondentreeders, für deren Reditswirksamkeit im Verhältnis der Mitreeder ein Mehrheitsbeschluß der Reederei erforderlich und genügend war. Dabei kann es dahingestellt bleiben, wie es sich in solchem Falle mit dem in § 501 HGB. vorgesehenen Abandonrecht verhält, da ein solches unstreitig von den Beklagten nicht ausgeübt ist. Nun hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum festgestellt und haben die Beklagten nicht bestritten, daß die bis Ende O k t o b e r 1 9 2 4 aufgelaufenen Reedereischulden durch den Beschluß der Reedereiversammlung vom 15. August 1924 genehmigt und gebilligt worden sind. Es spricht aber ferner manches dafür, daß auch die bis 31. Dezember 1925 und später in dem mit der Klage behaupteten Umfang entstandenen Reedereischulden in dien späteren Reederei-Versammlungen genehmigt worden sind. Zum mindesten ergibt sich eine solche Genehmigung aus folgendem. Die Behauptung der Klägerin, daß M i t -

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recder, denen die Mehrzahl der 100 Schiffsparten (54) gehörte, die Geschäftsführung der Klägerin genehmigt und ihre Anteile an den Reedereisdmlden mit 525,58 M für je Vioo Reedereianteil bezahlt hätten, ist von den Beklagten nicht bestritten worden. Von diesen 54 Parten fallen allerdings 22 auf die Klägerin als Mitreederin. Dahingestellt kann aber die Frage bleiben, ob hier, wo es sidi um die Genehmigung der Geschäftsführung der Klägerin als Korrespondentreederin handelt, ein Mitzählen ihrer Reedereianteile zulässig ist (S c h a p s Seeredit § 491 Anm. 2). Die erforderliche Mehrheit ist audi dann gegeben, wenn statt der 22 Parten der Klägerin die 25 Parten der beklagten Firma H. & G. nebst den 8 Parteien der beklagten Firma H. W. eingesetzt werden. Dies ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gerechtfertigt. Denn danach sind die Beklagten in Wesermünde ansässige und in der Fischereisdiiffahrt tätige Kaufleute. Wesermünde war der damalige Sitz der Reederei und der Heimatshafen des Fischdampfers „Usedom". Es ist den Beklagten nicht verborgen geblieben, daß die „Usedom" nicht im Hafen blieb, sondern weiterhin Fahrten unternahm. Sie haben im Verlauf des Jahres 1925 ferner erfahren, daß die Reederei ständig mit Verlusten arbeitete. Wenn ihnen auch die genaue Höhe der Reedereischulden nidit bekannt gewesen sein sollte, so wußten sie doch, daß die Schuldenlast sich vermehrt hatte. Sie mußten damit rechnen, daß der Verlust sich weiter vergrößern konnte. Insbesondere mußte ihnen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bekannt sein, daß zur Ausrüstung der Fahrten die Aufnahme neuer Kredite erforderlich war. Die Beklagten wußten auch, daß durch die Fahrten des Schiffes im Laufe des Jahres 1925 die Reedereischulden gestiegen waren oder doch jedenfalls steigen konnten. Sie haben trotzdem gegen das Weiterfahren der „Usedom" keinen Widerspruch erhoben in der Hoffnung, daß durch die weiteren Fahrten der Verlust wieder eingebracht würde. Es hat sich dabei für die Beklagten gewissermaßen um ein Spekulationsgeschäft gehandelt. Wenn hieraus das Berufungsgericht entnommen hat, daß die Beklagten durch ihr Verhalten die Fahrten des Schiffes im Jahre 1925 und die hierdurch, sowie die weiterhin in dem von der Klägerin behaupteten Umfang entstandenen Reedereisdiulden genehmigt haben, so kann dies, jedenfalls im Verein mit dem sonstigen Verhalten der Beklagten bei den erwähnten Reedereiversammlungen, nicht als rechtsirrtümlich erachtet werden. Damit ist aber die für die Genehmigung der Geschäftsführung der Klägerin erforderliche Mehrheit unter allen Umständen gesichert. Denn für diese Genehmigung kommen außer

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den mindestens einzusetzenden 32 Anteilen noch 33 (8 + 25) Anteile der beiden Beklagten in Betracht. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß für die Genehmigung der Maßnahmen der Klägerin, die sich im Rahmen des vorgesehenen Betriebes einer Fischdampfer-Reederei hielten, Einstimmigkeit sämtlicher Mitreeder nidit erforderlich war ( S c h a p s Seeredit § 491 Anm. 3 flg.). Die Geltendmachung der danach vorliegenden Genehmigung bedeutet keine Klageänderung. Denn die Klage ist von Anfang an auf einen Mehrheitsbeschluß der Reederei gestützt und die Frage, ob dieser Beschluß auf einer Reederei-Versammlung gefaßt ist oder nidit, hat hier keine rechtserhebliche Bedeutung. Da die Beklagten zu der Mehrheit gehören, welche die Rechnung und Verwaltung der Klägerin als Korrespondentreederin genehmigt hat, können sie auch jetzt nicht gemäß § 499 HGB. Sdiadensersatzansprüdie gegen die Klägerin wegen angeblidien Verschuldens bei jener Geschäftsführung geltend machen. RGZ. 124, 49. 1. Zar Anwendbarkeit der Regeln vom Beweis des ersten Anscheins beim seereditlichen Uberfahrtsvertrag, wenn ein Reisender eine Beschädigung erleidet. 2. Über die Anforderungen, die in bezog auf Schutzvorrichtungen des Schiffes sowie auf Stärke der Schiffsbesatzung an die Sorgfaltspfficbt des Verfrachters zu stellen sind, und über die Sorgfaltspflicht der Schiffsbesatzung selbst. HGB. §§ 485, 664 flg. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. März 1929. I. Landgericht Lübeck. — II. Oberlandesgeridit Hamburg.

Der Kläger fuhr am 23. Juli 1925 mit dem der Beklagten gehörenden Dampfer „Möwe" von Dahme nadi Lübeck. Beim Anlegen des Dampfers in Grömitz geriet er infolge einer Bewegung des Schiffes mit der linken Hand zwischen Reeling und Landungsbrüdoe und erlitt eine Quetschung. Mit der Klage fordert er Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil die Beklagte ihren Pflichten zur Sicherung der Reisenden nicht genügt habe. Er stützt die Haftung der Beklagten auf den Beförderungsvertrag und auf unerlaubte Handlung. Die Beklagte bestritt die ihr vorgeworfene Pflichtverletzung. Der Kläger unterlag in allen drei Rechtszügen.

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Gründe: Nadi dem Sachverhalt, den das angefochtene Urteil zugrundelegt, hat der Kläger während des Anlegemanövers der „Möwe" auf dem Vorderdeck bei seinem dort aufgestellten Gepäck gestanden. Durch eine starke Bewegung des Schiffs ist er an die Reling geworfen worden und hat sich dort festgehalten. Kurz darauf ist er bei einem Überholen der „Möwe" mit einer Hand zwischen Reling und Anlegebrücke geraten und hat dabei die Quetschung erlitten. Das Berufungsgericht hat verneint, daß die Beklagte oder die Besatzung des Dampfers ein Verschulden an dem Unfall treffe. Der Kläger hatte der Beklagten zum Vorwurf gemacht, sie habe nidit für eine Einrichtung gesorgt, die das gefährliche Berühren der Reeling mit der Hand verhindert habe, sie habe es auch unterlassen, die Fahrgäste durch Warnungstafeln auf die Gefahr einer solchen Berührung hinzuweisen; die Besatzung habe überdies ihre Pflicht zur Warnung der Fahrgäste nicht ordnungsmäßig erfüllt oder sei nicht stark genug bemessen gewesen, um ungeachtet ihrer Beanspruchung durch das stürmische Wetter auch diesem Teil ihrer Aufgaben gehörig nachkommen zu können. Zu diesen Vorwürfen hat das Berufungsgericht im einzelnen ausgeführt: Es sei nicht möglich, das Schiff rundherum mit einem so hohen Gitter zu umgeben, daß kein Reisender beim Anlegen verletzt werden könne. Auch Warnungstafeln würden in Fällen versagen, wo — wie hier — der Fahrgast in einer Reflexbewegung einen Halt suche. Warnungsrufe seien von der Schiffsbesatzung gegeben worden; wenn sie vom Kläger infolge der starken Bewegung des Schiffs und des stürmischen Wetters nicht vernommen worden seien, so sei dies keiner Seite zum Verschulden anzurechnen. Es könne auch nicht verlangt werden, daß die Besatzung, die in solcher Lage in erster Linie auf die ordnungsmäßige Ausführung des Landungsmanövers zu achten habe, ihr Augenmerk darauf richte, ob sich an irgendeinem Teil des Schiffes ein Fahrgast in einer ihn gefährdenden Weise verhalte. An sich sei die Besatzung gemäß den Vorschriften ausreichend bemessen gewesen. Diese Erwägungen lassen keinen Reditsirrtum erkennen und tragen die Entscheidung. Grundsätzlich haftet die Beklagte dem Kläger sowohl auf Grund des Beförderungsvertrags wie auch außervertraglich für den Schaden, der ihm durch ihr Verschulden auf der Reise der „ M ö w e " erwachsen ist (RGZ. Bd. 116 S. 213); vertraglich, weil der Beforderungsvertrag sie verpflichtete, alle zur sicheren Beförderung des Fahrgastes gebotenen Maßnahmen mit der gehörigen Sorgfalt zu treffen, und außervertraglich auf Grund der allgemeinen Rechtspflicht, für

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die Sicherheit des Verkehrs auf dem Schiff zu sorgen. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld kommt nur auf Grund außervertraglicher Haftung in Betracht. Für das Verhalten einer Person der Besatzung, durch das ein Schaden verursacht wird, hat die Beklagte nach § 48 5 HGB., im Rahmen des Beförderungsvertrags auch nach § 278 BGB., unter den dort aufgestellten Voraussetzungen einzustehen. Die im angefochtenen Urteil angeführten Vorschriften des § 4 8 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB. sind nur für die Haftungsbeschränkung von Bedeutung. Die Frage der Beweislast hat der Vorderrichter nicht erörtert. Keinem Zweifel unterliegt, daß für den Fall der außervertraglichen Haftung dem Kläger die Beweislast für ein schadenstiftendes schuldhaftes Verhalten der Beklagten oder ihrer Besatzung obliegt. Ebenso hat grundsätzlich derjenige, der aus einem Personen-Beförderungsvertrag Schadensersatzansprüche herleitet, zu beweisen, daß die Gegenseite ihre vertraglichen Pflichten verletzt und dadurch den Schaden verursacht hat. In vielen Fällen wird sidi jedoch bereits aus der Sachlage, z. B. schon aus der Tatsadie der Verletzung einer Person oder aus dem Versagen einer Einrichtung, zunächst der Schluß rechtfertigen, daß die dem Beförderungsunternehmer pflichtmäßig obliegende Sorgfalt vernachlässigt worden ist. In solchem Falle ist der erste Anschein eines Versdiuldens des Unternehmers gegeben, und es muß diesem, der den Betriebsvorgängen nachzugehen vermag, überlassen bleiben, den Beweis des ersten Anscheins zu entkräften. Die bisherige Rechtsprechung steht im allgemeinen auf diesem Standpunkt, wie er besonders in der Entscheidung RGZ. Bd. 86 S. 321 dargelegt ist. In anderen Entscheidungen ist die grundsätzliche Verteilung der Beweislast und die Beweisannahme auf Grund ersten Anscheins immer scharf hervorgehoben; es besteht jedoch kein Anlaß, eine grundsätzlich andere Einstellung dieser Entscheidungen anzunehmen (vgl. R G Z . Bd. 6 6 S. 15, Bd. 83 S. 343; JW. 1908 S. 196 Nr. 10; LZ. 1918 Sp. 623). Diese Regelung der Beweislast entspricht den Grundsätzen, wie sie allgemein bei Schadensersatzansprüchen auf Grund schuldhafter Vertragsverletzung angenommen werden (vgl. RGZ. Bd. 65 S. 13, Bd. 66 S. 289, Bd. 90 S. 134, Bd. 97 S. 117; JW. 1912 S. 6 8 2 Nr. 5). Es ist zunächst kein Grund ersichtlich, für den seefahrtsrechtlichen Überfahrtsvertrag von anderen Grundsätzen auszugehen. Die anderweitige Regelung der Beweislast bei der Haftung für Ladungsgut (§606 HGB.) und für Seetüchtigkeit des Schiffes gegenüber dem Güterbefrachter (§ 559 HGB.) gibt dazu ebenfalls keine ausreichende Veranlassung; denn in einem Falle der hier vorliegenden Art fehlt es nicht, wie dort,

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Schiffahrtsrecht

regelmäßig für die eine Vertragsseite an jeder Möglichkeit der Einsicht in die Ursache des Verlustes. Dahingestellt kann bleiben, inwieweit mit Rüdesicht hierauf noch an der Entscheidung des Senats vom 17. Dezember 1902 (Seuff. Ardi. Bd. 58 S. 160) festzuhalten ist. Diese scheint einen abweichenden Standpunkt eingenommen zu haben, weil dort das Berufungsgericht ohne ersichtlichen Reditsirrtum das Fehlen eines Verschuldens auf der Unternehmerseite festgestellt hatte. Zu eigenem Verschulden rechnet der Kläger der Beklagten an, daß die Reeling nicht mit einem Gitter versehen gewesen sei, das die gefährliche Berührung der Reeling verhindert hätte. Das Berufungsgericht stellt demgegenüber fest, dies sei in der Ostsee bei Lübeck weder üblich noch möglich. Der Unfall ereignete sich unstreitig in der Nähe der Reelingspforte, durch die der Laufsteg für die ein- und auszuschiffenden Fahrgäste gelegt wird. Der knappen Darlegung des Berufungsgerichts kann danach nur der Sinn beigelegt werden, daß der Anbringung eines Schutzgitters an dieser Stelle anderweitige Anforderungen des Sdiiffsdienstes entgegenstanden. Von solcher Feststellung aus hat es ein Verschulden der Beklagten im fraglichen Punkt ohne rechtlichen Verstoß verneint. Die Forderung nach Vorrichtungen, welche die Fahrgäste auch bei starken Bewegungen des Dampfers vor Zufällen schützen und ihnen insbesondere bei Anlegemanövern den Zutritt oder Zugriff zu gefährdeten Stellen unmöglich machen, findet ihre natürliche Begrenzung in der Notwendigkeit, durch diese Vorrichtungen die ordnungsmäßige Abwicklung des Schiffsdienstes nicht zu behindern. Mit Rücksicht auf diese Notwendigkeit bemißt sich, was an Sicherheitsvorrichtungen möglich ist. Es wird sich danach nicht in jeder Hinsicht erreichen lassen, die Sicherheitsvorrichtungen so auszugestalten, daß die Fahrgäste vor den Folgen jedes durch die Schiffsbewegungen herbeigeführten unglücklichen Zufalls geschützt sind. Auch mit einer Seereise lediglich in Küstengewässern sind an sich unvermeidbare Gefahrumstände verknüpft, welche die Fahrgäste auf sich nehmen müssen. Die Anforderungen an Schutzvorrichtungen sind danach unter Berücksichtigung der gesamten Bedürfnisse des in Betracht kommenden Verkehrs zu bemessen. Das ergibt sidi aus feststehenden allgemeinen Grundsätzen (RGZ. Bd. 102 S. 49) über den Umfang der Sorgfaltspflicht bei vertraglicher wie außervertraglicher Haftung, und gilt ebenso im Rahmen des Beförderungsvertrages aus dem nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte festzustellenden Inhalt der vom Unternehmer geschuldeten Leistung (RGZ. Bd. 69 S. 3 57). Daß das

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Seeredit

angefochtene Urteil gegen diese Grundsätze verstoßen habe, ist nicht ersichtlich. Nach dem festgestellten Sadiverhalt rechtfertigt sich in Anwendung dieser Grundsätze audi das Ergebnis, zu dem das Urteil insoweit gelangt ist. Daß die Verhältnisse bei Anbringung einer Innensdiranke, worauf die Revision hinweist, wesentlich anders liegen würden, ist nicht anzunehmen. Zur besonderen Erörterung dieser Möglichkeit h a t t e das Berufungsgericht keine Veranlassung, da sie in den zur Würdigung tatsächlicher Fragen berufenen Rechtszügen keine Rolle gespielt hat. Daß die Besatzung der Pflicht zur Warnung nachgekommen ist, hat das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt. Ebensowenig wie Warnungstafeln wären übrigens auch nachdrücklichere Warnungsrufe geeignet gewesen, das Halt:uchen des Klägers an der Reeling zu verhindern, das ein Reflex war auf eine durch eine Schiffsbewegung ausgelöste Fallbewegung. Das angefochtene Urteil hat außerdem den oben erörterten Begriff der verkehrsmäßigen Sorgfalt nicht verkannt, wenn es weiter ausgeführt hat, daß gerade bei der Ausführung schwieriger Manöver ein Obachtgeben auf jeden einzelnen Fahrgast nicht verlangt, daß auch eine Verstärkung der Mannschaft allein zu diesem Zweck nicht gefordert werden könne, daß vielmehr die Sdiiffsleitung ihrer Sorgfaltspflicht genügend Rechnung getragen habe, indem sie auch den Aufwärter zum Schiffsdienst mit herangezogen habe. Von Gesetzes wegen, wie anscheinend das Berufungsgericht meint, bestehen übrigens für die Zahl der nicht in der Stellung von Schiffsoffizieren bcfindlidicn Mitglieder der Besatzung keine allgemeinen Vorschriften. Lediglidi die Unfallverhütungsvorschriften der Seeberufsgenosscnschaft geben in beschränktem Umfang Bestimmungen für hier nicht in Betracht kommende Reisen. Die Bemessung der Besatzungsstärke ist dem pflichtmäßigen Ermessen des Schiffers zu überlassen. Die Erwägungen des Berufungsgerichts genügen indes zur Darlegung dafür, daß weder die Beklagte noch den Schiffer hinsichtlich der Stärke der Besatzung ein Verschulden trifft. RGZ. 125, 65. Welchem Zweck dient die Vorschrift über die Lichterführung manövrierunfähiger Schiffe? Inwiefern kann ein Verstoß gegen sie von ursächlicher Bedeutung für den Unfall eines aufkommenden Schiffes sein? SchlfFahrtsredit II

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Schiffahrtsrecht

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HGB. § § 735, 736, 738. I n t e r n a t i o n a l e s Ü b e r e i n k o m m e n zur einheitlidien Feststellung v o n Regeln über d e n Z u s a m m e n s t o ß v o n Schiffen v o m 23. September 1910 A r t . 4, 13. S e e s t r a ß e n o r d n u n g Art. 11. I. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 22. Juni

1929.

1. Landgericht H a m b u r g , Kammer f ü r Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.



In der Nacht zum 28. Dezember 1926 geriet auf der Elbe auf dem Bösdirücken der der Erstbeklagten gehörige D a m p f e r ,,Port D a r w i n " auf G r u n d . Der m e h r e r e S t u n d e n später, k u r z nach 5 U h r morgens, e l b a u f w ä r t s k o m m e n d e D a m p f e r der Klägerin „ E m m a " Sauber" wich mit S t e u e r b o r d r u d e r aus u n d geriet dabei ebenfalls auf d e m Böschrücken fest. W ä h r e n d der A n n ä h e r u n g der „Emma Sauber" b r a n n t e n auf der ,,Port D a r w i n " , die einen A n k e r w e g g e w o r f e n h a t t e , zwar die in Art. 11 Abs. 2 der S e e s t r a ß e n o r d n u n g vorgeschriebenen Ankcrlichtcr. nicht aber die in Abs. 4 dieses Artikels für Fahrzeuge, die in einem Fahrwasser oder n a h e bei einem solchen am G r u n d festsitzen, weiter vorgeschriebenen, die M a n ö v r i e r u n f ä h i g k e i t anzeigenden u n d in Art. 4 a SeestrO. näher bezeichneten zwei r o t e n Lichtcr. Die Klägerin b e h a u p t e t , der Führer ihres Schiffes sei durch die schuldhafr vorschriftswidrige Lichterführung der ,,Port D a r w i n " zu irrtümlicher Beurteilung der Lage v e r a n l a ß t u n d so gehindert w o r d e n , mit Backb o r d r u d e r auf einem die G e f a h r einer G r u n d b e r ü h r u n g ausschließenden Kurs der ,,Port D a r w i n " auszuweichen. Sie f o r d e r t v o n der Erstbcklagten als der Reederei des D a m p f e r s „ P o r t D a r w i n " und von der Z w c i t b e k l a g t e n als selbstschuldnerischer Bürgin Ersatz des durch die G r u n d b e r ü h n i n g e n t s t a n d e n e n Schadens. Die Beklagten bestreiten ein Verschulden der Besatzung des Dampfers ..Port D a r w i n " , messen vielmehr die Schuld am Festgeraten der „Emma Sauber" deren F ü h r u n g bei. Die Beklagten unterlagen in allen drei Rechtszügen. Aus den G r ü n d e n : (Nach Wiedergabe der nautischen Lage wird a u s g e f ü h r t : ) Das Berufungsgericht k o m m t zu dem Ergebnis, d a ß die V o r schriften der S e e s t r a ß e n o r d n u n g über Lichterführung auf der „ P o r t D a r w i n " schuldhaft verletzt w o r d e n seien u n d daß das danach anz u n e h m e n d e schuldhafte V e r h a l t e n des Führers der „ P o r t D a r w i n " o h n e m i t w i r k e n d e s Verschulden der Besatzung der „Emma S a u b e r " ursächlich gewesen sei für das Festgeraten des l e t z t g e n a n n t e n D a m p f e r s , da dieser bei rechtzeitiger K e n n t n i s d a v o n , daß er ein m a n ö v r i e r -

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Sccrecht

unfähiges Schiff vor sich habe, m i t Badcbordruder an der „ P o r t D a r w i n " v o r b e i g e g a n g e n wäre, einem M a n ö v e r , das die G e f a h r des Festgeratens ausgeschlossen h ä t t e . Der Berufungsrichter hält danach die Klage aus § 738 HGB., § 823 BGB. f ü r b e g r ü n d e t . Die Rechtslage ist allerdings, da ein englisches Schiff beteiligt und ein eigenes Verschulden des Reeders nicht b e h a u p t e t ist, nicht nach den bezeichneten V o r s c h r i f t e n zu beurteilen, sondern gemäß Arf. 12 des I n t e r n a t i o n a l e n Ü b e r e i n k o m m e n s zur einheitlichen Feststellung v o n Regeln über den Z u s a m m e n s t o ß von Schiffen vorn 2 3. September 1910 (RGBl. 1913 S. 49) aus A r t . 13 dieses A b k o m m e n s . Auch § 2 54 BGB., den das a n g e f o c h t e n e Urteil bei der W ü r d i g u n g eines m i t w i r k e n d e n Verschuldens der „Emma Sauber" a n f ü h r t , k o m m t gegenüber Art. 4 des e r w ä h n t e n A b k o m m e n s nach d e m Sachverhalt nicht in Frage (RGZ. Bd. 78 S. 176, Bd. 94 S. 93). Die A n w e n d u n g dieser Bestimmungen f ü h r t jedoch hier zu k e i n e r abweichenden Beurteilung der Sachlage. Soweit die Entscheidung in A n w e n d u n g v o n § 2 5 4 BGB. auf das weitaus ü b e r w i e g e n d e Verschulden der Besatzung des Schiffes der Erstbeklagten g e s t ü t z t ist, h a n d e l t es sich nur um eine in zweiter Linie h i n z u g e f ü g t e Begründung der Entscheidung. Diese b e r u h t somit nicht auf der unzulässigen A n w e n d u n g dieses Rechtsgrundsatzcs. Die Revision wünscht zunächst eine N a c h p r ü f u n g der Erwägungen, aus denen das a n g e f o c h t e n e Urteil zur Bejahung eines Verschuldens der „Port D a r w i n " gelangt ist. Sie geben indessen keinen Anlaß zu Beanstandungen. M i t Recht erachtet es das Berufungsgericht als schuldh a f t e n Verstoß gegen die Vorschriften der Seestraßenordnung über Liditerführung, daß die die M a n ö v r i e r u n f ä h i g k e i t anzeigenden zwei roten Lampen w ä h r e n d der A n n ä h e r u n g der „Emma Sauber" nicht gesetzt waren. Man m u ß v o n der Schiffsleitung f o r d e r n , daß v o n v o r n herein für den Fall einer Störung der Lichtkabellcitung die A n b r i n g u n g v o n Rcserveöllampen in einer Weise sichergesteilt ist, die ihr v o r schriftsmäßiges Brennen gewährleistet. Die v o m Berufungsgericht festgestellten äußeren Llmstände ( W i n d s t ä r k e 6) w a r e n keinesfalls derartig, daß das Versagen der Ö l l a m p e n auf einen nicht zu v e r t r e t e n d e n Zufall oder gar auf h ö h e r e G e w a l t zurückgeführt w e r d e n k ö n n t e , zumal da sich schon beim ersten Versuch z u m A u f b r i n g e n der Lampen, einige Stunden vorher, die u n g e e i g n e t e A r t ihrer A n b r i n g u n g herausgestellt hatte. O h n e V e r s t o ß gegen Rechtsgrundsäize hat das angefochtene Urteil auch den ursächlichen Z u s a m m e n h a n g zwischen d ; r V e r l e t z u n g der Vorschriften über Lichterfiihrung bei der „ P o r t D a r w i n " u n d d-^m 4

52

Sdiiffahrtsrcchc

Auflaufen der „Emma Sauber" als gegeben angesehen. Es sagt hierüber, daß der Entschluß der Schiffsleitung der „Emma S a u b e r " , an der „ P o r t D a r w i n " mit Steuerbordruder vorbeizugehen, welcher das Auflaufen zur F o l g e hatte, nur durch die irrige Annahme veranlaßt worden sei, man habe einen Dampfer v o r sich, bei dem noch mit einer Bewegung voraus zu rechnen und daher ein Kreuzen des Bugs gefährlich war. Diese irrige Auffassung beruhte nach Annahme des Berufungsgerichts lediglich auf der unrichtigen Lichterfühvung des auf Grund sitzenden Dampfers; ohne sie würde die „Emma Sauber" das gefahrlose Badcbordruder-Manöver ausgeführt haben. Diese Erwägungen liegen im wesentlichen auf tatsächlichem G e b i e t und enthalten keinen V e r s t o ß gegen Rechtsgrundsätze . . . (Nach weiteren Ausführungen zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs wird fortgefahren:) M i t seinen Ausführungen zur Frage des Verschuldens und des ursächlichen Zusammenhangs hat das angefochtene Urteil sich auch nicht in Widerspruch gesetzt mit dem Urteil des Reichsgerichts im John Johnasson-Etna-Fall (Hans. G Z . Hauptblatt 1 8 8 7 Nr. 35). D o r t ist lediglich ausgeführt: Aus unrichtiger Lichterführung eines festgeratenen Schiffes k ö n n e nicht ohne weiteres auf mitwirkendes V e r schulden dieses Schiffes an dem Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug geschlossen werden, wenn letzteres ein Verschulden treffe, das schon für sich den Zusammenstoß vollständig erkläre. Eine Befreiung des aufrennenden Schiffes von den Folgen seines Verschuldens k ö n n e vielmehr nur dann eintreten, wenn es nachweise, daß das festgefahrene Fahrzeug schuldhaft nicht einer Verpflichtung nachgekommen sei, durch seine Lichterführung aufkommende Schiffe vom unrichtigen Kurs abzuhalten, und daß bei richtiger L.ichterfülirung der Zusammenstoß vermieden worden wäre. Weiterhin wird dort ausgeführt: Der Zwedc der Vorschriften über die Lichtcrfiihrung manövrierunfähiger Fahrzeuge sei nur der, anderen Schiffen darzutun, daß das die Lichter zeigende Fahrzeug nicht aus dem Wege gehen k ö n n e , nicht aber der, zu Rückschlüssen über die Grenzen des Fahrwassers zu dienen. Ein V e r s t o ß gegen die Vorschriften stelle daher bloß in bezug auf solche Schäden ein erhebliches Verschulden dar, die ein aufkommendes Schiff erlitten habe infolge der durch den V e r s t o ß vcranlaßten irrigen Annahme, ein manövrierfähiges Fahrzeug vor sich zu haben, und infolge der dadurch gebotenen M a n ö v e r , nicht aber insoweit, als das aufkommende Schiff unter Vernachlässigung der gebotenen eigenen Sorgfalt daraus Schlüsse auf die Grenzen des Fahrwassers gezogen habe.

53

Seerecht

Gerade der dort erwähnte erste Fall ist hier gegeben: Die falsche Liditerführung des festgeratenen Dampfers hat ein aufkommendes Schiff, das an sich gefahrlosen Kurs steuern wollte, in den Glauben versetzt, ein noch manövrierendes Fahrzeug vor sich zu haben, und dadurch bei diesem die Manöver veranlaßt, die das Festgeraten zur Folge hatten. Die Beurteilung, die diese Sachlage durch das Berufungsgericht erfahren hat, entspricht den oben wiedergegebenen Reditsgrundsätzen über die Bedeutung der Vorschriften der Art. 4 a und 11 Abs. 4 SeestrO. und über die Grenzen des ursächlichen Einflusses eines Verstoßes dagegen auf Unfälle eines aufkommenden Schifies . . . RGZ. 126,

35.

Zur Haftung des Reeders für Schäden, welche Stauereiarbeiter in Ausführung ihrer das Losdien eines Seeschiffes betreffenden Dienstverrichtungen Dritten zugefügt haben. HGB. § § 4 8 1 , 4 8 5 , 4 8 6 Nr. 3. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 19. O k t o b e r

1929.

1. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.



Im September 1 9 2 7 ereignete sich im Hamburger Hafen bei der Löschung einer Ladung von Quebrachostämmcn aus dem Scedampfer ..Geddington-Couit" in den Kahn des Schiffseigners W. ein Unfall. Eine Hieve, die mehrere Stämme enthielt, schoß aus, als sie der Lukenmeistcr über Bord des Seeschiffes herausschwenkte. Sämtliche Stämme der Hieve fielen in den Kahn. Ein Stamm durchbohrte dabei die Ladebühne, das Bodenlager und die Bodenplanken des Kahns. Der im Kahn befindliche Bootsmann wurde verletzt. Der Kahn sprang lcck und mußte auf Strand gesetzt werden. Ferner sind Sachen und Lebensmittel der Kahnbesatzung bei dem Unfall verloren gegangen. Den Auftrag zum Ahnehmen der Stämme aus dem Seeschiff hatte der Kahneigner von der Neuen N.sehen F.-Dampfschiffahrrs-Gesellschaft erhalten. Das Löschen der Stämme aus dem Scedampfer hatte die Stauereifirma C. T. in Hamburg im Auftrag der Reederei des Dampfers ,.Geddington-Court" übernommen. Der Kahneigner hat die von ihm aus dem Unfall hergeleiteten Ansprüche gegen die Beklagten an die Allgemeine F.-Versicherungsgesellschaft abgetreten, soweit sie nicht etwa schon kraft Gesetzes auf diese Gesellschaft übergegangen waren. Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht dieser Gesellschaft auf Ersatz des bei dem Unfall entstandenen Schadens. Sic behauptet, der Schaden sei durch Ver-

Sdiiffahrtsrc du

?4

s c h u l d e n d e r m i t d e r L ö s c h u n g b e t r a u t e n L e u t e der S t a u e r e i f i n n a C. T., des §§

Lukenmeisters 4 3 5, 4 8 1

HGB.

und

des

Wiegers,

entstanden.

Auf

Grund

f o r d e r t sie Ersatz d e s Schadens, v o n

der

von Erst-

b e k l a g t e n als R e e d e i i n des Seeschiffes und v o n d e r B e k l a g t e n zu 2 als , , K a v e n t i n " (Bürgin) d e r E r s t b e k l a g t e n auf G r u n d s e l b s t s c h u l d n e r i s c h e r B ü r g s c h a f t . D i e B e k l a g t e n h a b e n den K l a g e a n s p r u c h nach G r u n d

und

Betrag bestritten. In d e n b e i d e n e r s t e n R c c h t s z ü g c n

w u r d e die Klage

abgewiesen.

D i e R e v i s i o n der Klägerin f ü h r t e nur A u f h e b u n g u n d Z u r ü c k v c r w e i s u n g . G r ii n d e : D i e K l a g e ist schließlich darauf g e s t ü t z t , d a ß d i e E r s t b e k l a g t e , d i e als R e e d e r e i des D a m p f e r s , , G e d d i n g t o n - C o u r t " d i e H a m b u r g e r S t a u e r e i f i r m a C. T . m i t der E n t l ö s c h u n g des D a m p f e r s b e a u f t r a g t h a t t e , f ü r das a n g e b l i c h e V e r s c h u l d e n d e r E r f ü l l u n g s g e h i l f e n d e r S t a u e r e i firma ( d e ; L u k e n m e i s t e r s u n d des W i e g e r s ) nach § § 4 S 5 , 4 S I . 4 i 6 Nr. 3 HGB. einzustehen habe. Dementsprechend h a t das Berufungsgericht s e i n ; E r w ä g u n g e n darauf a b g e s t e l l t , o b die S t a u c r e i f i r m a und i h r e E r f ü l l u n g s g e h i l f e n im Sinne v o n § 4 S I H G B . z u r Schiffsbesatzung g e i c d i n c t w e r d e n k ö n n e n o d e r nicht. H i e r ü b e r h a t das B e r u f u n g s g e r i c h t f o l g e n d e s a u s g e f ü h r t . D i e S t a u c r e i f i r m a h a b e mit i h r e n e i g e n e n i . e i n e n auf G r u n d eines W e r k v e r t r a g e s m i t der R e e d e r e i die L ö s c h u n g des Seeschiffes s e l b s t ä n d i g b e s o r g t . A n sich sei das L ö s d i e n eines d e r a r t i g e n Seeschiffes Sache des R e e d e r s und g e h ö r e in diesem S i n n e zu den S c h i f f s d i e n s t c n (vgl. auch § 5 1 4 H G B . ) . A u s g e f ü h r t w ü r d e n aber diese A r b e i t e n bei d e n g r ö ß e r e n Seeschiffen seit g e r a u m e r Z e i t n i d i t m e h r v o n L e u t e n d e r S c h i f f s m a n n s c h a f t o d e r v o n solchen P e r s o n e n , die d e r Reeder angenommen habe, sondern von selbständig arbeitenden S t a u e r e i b e t r i e b e n . D a s Laden u n d Löschen geschehe auf diesen Schiffen nach e i n e m v o m R e e d e r u n d v o m S t a u e r a u f g e s t e l l t e n P l a n , f ü r d e s s e n A u s f ü h r u n g d e r S t a u e r e i u n t e r n e h m e r allein d e m R e e d e r v e r a n t w o r t l i c h sei. D e r Schiffer h a b e d e m Stauer u n d seinen L e u t e n g e g e n ü b e r n u r c'as auf d e m H e i r s c h a f t s r c c h t am Schiff b e r u h e n d e H a u s recht w a h r z u n e h m e n u n d sich g e g e b e n e n f a l l s in V e r t r e t u n g des R e e d e r s d a v o n zu ü b e r z e u g e n , o b die S t a u u n g o d e r L ö s c h u n g d e m P l a n e n t s p r e c h e n d a u s g e f ü h r t w e r d e . S e l b s t ä n d i g e A n o r d n u n g e n in b e z u g auf d i e A r b e i t des S t a u c n s u n d Löschcns h a b e d e r Schiffer d e m Stauer u n d d e s s e n L e u t e n n i d i t zu e r t e i l e n . Ein v o n d e r s e e f a h r e n d e n B e v ö l k e r u n g g e t r e n n t e r b e s o n d e r e r E r w e r b s z w e i g h a b e s e l b s t ä n d i g die, eine b e s o n d e r e b e r u f -

Scerecht

liehe Schulung erfordernde, Arbeit des Entlöschens u n d Beladen» solcher Schiffe ü b e r n o m m e n . D e m g e g e n ü b e r ist folgendes zu beachten. Die Frage der H a f t u n g des Reeders nach § § 4 8 1 , 4S5, 4 8 6 Nr. 3 HGB. für das V e r h a l t e n der Angestellten eines selbständigen Stauereiunternehmens beim Entlöschen eines Seeschiffes f ü r den Fall, daß der selbständige Stauereiunternehmer die Entlöschung auf G r u n d eines mit dem Reeder abgeschlossenen W e r k vertrages ü b e r n o m m e n h a t . in Rechtsprechung und Schrifttum k e i n e einheitliche B e a n t w o r t u n g gefunden (vgl. W ü s t e n d ö r f e r Seeschiffahrtsrecht in Ehrenbergs Handbuch Bd. VII, A b t . 2 § 96 zu III, 2 u n d 3, S. 5 1 8 / 5 1 9 , u n d das dort unter Anm. 20 bis 27 a n g e f ü h r t e Schrifttum, insbesondere P a p p e n h e i m in Gruch. Beitr. Bd. 43 S. 342 flg.; vgl. ferner S i c v e k i n g Das Deutsche Seerecht S. 24 flg.; S c h a p s Seerecht 2. Aufl. § 481 Anm. 1 bis 6, 10 (15); M i t t e l s t e i n in Ehrenbergs H a n d b u c h VJI, Abt. 1 S. 1 1 7 / 1 1 8 ; R G Z . Bd. 10 S. 18; H a n s e a t . G e r Z t g . H a u p t b l . 1909 S. 57 Nr. 2S sowie H a u p t b l . 1913 S. 2 3 7 Nr. 140). Die Schwierigkeit liegt darin, den Kreis der Personen zu umgrenzen, die im Sinne von § § 4 S I , 48 5, 486 N r . 3 HGB. zur Schiffsbesatzung gehören oder doch rechtlich so zu behandeln sind, als o b sie dazu g e h ö r t e n . U n b e s t r i t t e n gehören zur Schiffsbesatzung außer den in § 481 HGB. ausdrücklich a n g e f ü h r t e n Personen (Schiffer, Schiffsoffiziere, Schiffsmannschaft) auch die auf dem Schiff dauernd, d. h. für eine längere Zeit u n t e r Eingliederung in den Schiffsorganismus, angestellten Personen (Arzt, Zahlmeister, P r o v i a n t m e i s t e r , Stewards, Köche, Barbiere, Telegraphisten usw.). Darüber hinaus sind aber auch diejenigen Personen zur Schiffsbesatzung zu rechnen, d i e im Dienst des Reeders zu Schiffszwecken — wenn auch nur v o r ü b e r g e h e n d - tätig sind, indem ?ie der Schiffsbesatzung eigentümliche Arbeiten (Schiffsdienste) — mit oder o h n e Benutzung von Bordgeschirr — verrichten ( R G Z . Bd. 13 S. 116, Bd. 20 S. 86, Bd. 50 S. 35. Bd. I I 9 S. 2 7 0 ; Hanseat. G e r Ztg. 1910 H a u p t b l . S. 264 N r . 113 betr. R G U r t . vom 14. März 1910 I 120/09). O b hierzu auch die Leute eines selbständigen Stauereiunternchmens g e h ö r e n , die auf G r u n d eines Vertrages zwischen diesem und dem Reeder mit dem Entlöschcn eines Seeschiffes u n t e r Aufsicht eines vom U n t e r n e h m e r angestellten Vorarbeiters (Stauervizen) beschäftigt sind, ist zum mindesten zweifelhaft (s. auch S c h a p s Seerecht § 481 Anm. 2, 10, 15; § § 520, 522, 525, 749 HGB.). Doch braucht diese Frage hier nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist auf diese Stauereiarbeiter in bezug auf ihre g e n a n n t e T ä t i g k e i t die Reederh a f t u n g des § 485 HGB. s i n n g e m ä ß auszudehnen.

56

Schiffahmredit

Das Handelsgesetzbuch rechnet ersichtlich das Beladen und Entlösdien eines Seeschiffes zu den Sdiiffsdiensten, die grundsätzlich unter Aufsicht des Schiffers vorzunehmen sind (§§ 514, 593 HGB.; W ü s t e n d ö r f e i in Ehrenbergs Handbuch VII, Abt. 2 S. 518 und 5 1 9 ; S i e v e k i n g a. a. O. S. 25 flg.). Dementsprechend fallen Leute, die vom Reeder oder vom Schiffer zu Lade- und Löschzwecken, wenn auch nur vorübergehend, angenommen und beschäftigt sind, regelmäßig unter § 481 HGB. Eine verschiedene Behandlung der Reederhaftung nach §§ 48 5, 4 8 6 Nr. 3 HGB., je nachdem der Stauereiarbeiter als ein vom Reeder oder Schiffer angestellter Arbeitnehmer oder im Dienst eines selbständigen Stauereiunternehmers tätig ist, würde, wie W ü s t e n d ö r f e i a. a. O. S. 5 1 9 zutreffend hervorhebt, den Ersatzanspruch des durch Verschulden des Stauereiarbeiters geschädigten Dritten „von einem äußerlich oft nicht erkennbaren zufälligen Umstand der inneren Betriebsverfassung" abhängig machen (s. auch P a p p e n h e i m a. a. O S. 3 6 8 / 3 6 9 ) . Dies ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn, wie hier, der Reeder zur Entlastung von Kapitän und Mannschaft für eine Tätigkeit, die gesetzlich in der Regel von der Schiffsbesatzung unter Aufsicht des Kapitäns vorzunehmen ist, freiwillig die Dienste eines selbständigen Stauereiunternehmers und seiner Leute annimmt. Die Reederhaftung nach § § 4 8 5 , 4 3 6 Nr. 3 HGB. beruht nach der jetzt herrschenden Rechtsauffassung auf dem Gedanken, es sei wegen der mit der Schiffahrt verbundenen besonderen Gefahren den im Betrieb dieser Schiffahrt Geschädigten ein besonderer Anspruch gegenüber dem Reeder zu geben, der sich einerseits ¿TUI das sogenannte Schiffsvermögen (Schiff und Fracht) beschränkt, anderseits durdi den Entlastungsbeweis aus § 831 BGB. nicht gefährdet ist (s. auch RGZ. Bd. 119 S. 2 7 2 ; W ü s t e n d ö r f e r a. a. O . S. 520). Geht man von diesem Rechtsgedanken aus, so liegt grundsätzlich eine Gleichheit der Interessenlage vor, die darin besteht, daß die mit dem Löschen eines Seeschiffes beschäftigten Stauereiarbeiter gleichartige Schiffsdienste für Rechnung des Reeders verrichten, einerlei, ob sie vom Reeder oder vom Schiffer angestellt sind oder ob sie im Dienste eines vom Reeder mit dem Löschen betrauten selbständigen Stauereiunternehmers stehen ( W ü s t e n d ö r f e r a. a. O . S. 5 20; S c h a p s a. a. O . § 481 Anm. 15). Die Erwägungen des Berufungsurteils wollen dies mit dem Hinweis darauf verneinen, daß die Reederhaftung auch nicht für Personen vorgesehen sei, die an Bord des Seeschiffes Handwerker- oder ähnliche Dienste verrichten, wie Herstellungs- und Ausbesserungsarbeiten, Dodcarbeiten, Kohleneinnahme

Seeredit

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usw. Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß es sich in soldien Fällen um Arbeiten handelt, die zwar für das Schiff vorgenommen werden, aber nicht wie das Löschen und Laden, in den Rahmen der vom Reeder übernommenen Beförderung von Gütern fallen und nicht zu den typischen, dem regelmäßigen laufenden Schiffsbetrieb eigentümlichen und mit den besonderen Gefahren der Schiffahrt verbundenen Schiffsdiensten gehören. Danach ist es gerechtfertigt, die in § § 48 5, 486 Nr. 3 HGB. vorgesehene Reederhaftung sinngemäß auch auf solche Fälle auszudehnen, wo den Schaden Stauereiarbeiter in Ausführung ihrer das Löschen eines Seeschiffes betreffenden Dienstverrichtungen verschuldet haben, die im Arbeitsverhältnis eines vom Reeder mit dem Löschen des Schiffes betrauten selbständigen Stauereiuntemehmers stehen. Die so begründete Reederhaftung ist durch die vom Berufungsgericht angeführte neuzeitliche Entwicklung des Stauereigewerbes nicht beseitigt worden. Nach den Darlegungen des Berufungsgerichts hat diese Entwicklung dahin geführt, daß da, w o der Reeder das Lösdien des Schiffes einem selbständigen Stauereiunternehmer übertragen hat, die Löscharbeiten nach einem zwischen dem Reeder und dem Unternehmer vereinbarten Löschplan durch die vom Unternehmer angestellten und von seinem „Stauervizen" beaufsichtigten Arbeiter verliebtet werden. Für die gehörige Ausführung dieses Löschplans ist der Stauereiunternehmer dem Reeder verantwortlich. Der Schiffer hat — a b gesehen von seinem auf dem Herrschaftsrecht am Schiff beruhenden Hausrecht — nur zu beaufsichtigen, o b die Löscharbeiten dem Löschplan entsprechend ausgeführt werden. Wenn danach zwischen dem Reeder und dem Stauereiunternehmer ein Vertrag geschlossen wird, durch den im Verhältnis der Vertragschließenden der Schiffer von den ihm gesetzlich zustehenden Rechten und Pflichten der Beaufsichtigung des Löschens ganz oder teilweise befreit wird, so kann dies, wie dargelegt, die Haftung des Reeders, die ihm gemäß § § 485, 486 Nr. 3 H G B . Dritten gegenüber obliegt, nicht berühren. Andernfalls k ö n n t e der Reeder seine durch das Handelsgesetzbuch grundsätzlich festgelegte Rechtsstellung Dritten gegenüber einseitig dadurch verbessern, daß er soldic zum Schiffahrtsbetrieb gehörige Dienstleistungen, die leicht zur Verwirklichung seiner R e e derhaftung führen, durch nicht von ihm oder dem Schiffer angestellte Personen besorge ließe (s. auch P a p p e n h e i m a. a. O . S. 369). D a bei ist zu beachten, daß sich in Fällen der hier fraglichen Art der Reeder des Einflusses, der ihm oder seinem Kapitän auf die sachgemäße

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Sdiiffahrtsredit

Durchführung der Löscharbeiten gesetzlich obliegt und zusteht, freiwillig begibt und daß anderseits der Reeder sich im Schadensfall an den mit ihm im Vertragsverhältnis stehenden Stauereiunternehmer halten kann, während dieser Unternehmer den vom geschädigten Dritten gegen ihn erhobenen Ansprüchen mit dem Entlastungsbeweis nach § 831 B G B . begegnen k ö n n t e .

RGZ. 126,

40.

Zur Frage der Auskunftspflicht

des Korrespondentreeders

nach

§ 4 9 8 HGB., wenn er teils als solcher, teils als selbständiger Reeder Rechtsgeschäfte vorgenommen hat. I. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t

Urt v. 19. O k t o b e r

1929.

Hamburg, K a m m e r für Handelssachen. II. O b c r l a n d e s g e r i c h t d a s e l b s t .



Der Rcchtsvorgänger der Kläger, der im November 1922 verstorbene E., hat am 4. O k t o b e r 1871 mit anderen Personen und Handelsgesellschaften einen Reedereivertrag geschlossen, der eine durch die mitbeteiligte (jetzt verklagte) Firma R. M . S. jr. begründete und unter deren Geschäftsführung zu betreibende Dampferlinic nach dem Mittelmeer betraf. Zu diesem Vertrag sind am 15. Dezember 3S97 und am 9. Dezember 1 9 0 0 zusätzliche Abmachungen getroPen worden. Als nach dem Weltkrieg der Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte in Frage kam, hat hierüber E. mit den anderen Teilhabern der Beklagten ein A b k o m m e n getroffen, das durch ein Schreiben der anderen Beteiligten an E. v o m 4. Dezember 1 9 1 8 bestätigt worden ist. Des weiteren ist, nachdem E. am 11. April 1 9 1 9 aus der Firma der Beklagten als Teilhaber ausgeschieden war, zwischen E. und den Teilhabern der Beklagten ein Abkommen vom 1. April 1 9 2 0 über den Wiederaufbau der M i t t e l m e e r - F l o t t e getroffen worden. Nach diesem Abkommen sind die Beteiligten verfahren, j e d o d i sind die sämtlichen Ersatzbauten, audi soweit es sich um Partenschiffe handelt, auf den Namen der Beklagten in das Schiffsregister eingetragen worden. Im Jahre 1 9 2 5 ergab sidi die Möglichkeit, außer der Entschädigung für verlorene Tonnage von der Reichsregierung zu günstigen Bedingungen ein Darlehen zur Verwendung für Schiffsneubautcn zu erhalten, dessen H ö h e für die einzelne Reederei nach dem Wert der am 1. Juli 1 9 2 4 vorhanden gewesenen Tonnage bemessen wurde. V o n dieser Möglichkeit hat die Beklagte Gebrauch gemacht und dabei die Partenbeteiligung der Kläger an der am 1. Juli 1 9 2 4 vorhandenen

Soeredit

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T o n n a g e als m i t b e s t i m m e n d f ü r die H ö h e des D a r l e h e n s b e n u t z t . F e i n e r h a t die B e k l a g t e fünf D a m p f e r , d a r u n t e r vier, an d e n e n die K l ä g e r als P a r t e n i n h a b e r b e t e i l i g t w a r e n , f ü r einen b e s t i m m t e n Z e i t r a u m an die T r e u h a n d v e r w a l t u n g f ü r das D e u t s c h - N i e d e r l ä n d i s c h e F i n a n z a b k e m m e n zu fiduziarischem E i g e n t u m ü b e r t r a g e n . Auf diese W e i s e h a t die B e k l a g t e f ü r einen w e i t e r e n ihr v o r t e i l h a f t e n Kredit Sicherheit g e g e b e n . D i e Kläger b e h a u p t e n , da/3 sie a n den V o r t e i l e n , welche die B e k l a g t e aus d e m R c i c h s d n r l c h e n u n d aus dei fiduziarischen Eigentumsübertragung gezogen hat. ihrem Partcnbesitz entsprechend beteiligt w e r d e n m ü ß t e n . Sic h a b e n d e s h a l b K l a g e e r h o b e n auf A u s k u n f t e r t e i l u n g über d i e b e i d e n G e s c h ä f t s v o r g ä n g e u n d auf Z a h l u n g ihres sich h i e r a u s e r g e b e n d e n G e w i n n a n t e i l s . D i e B e k l a g t e h a t diese Klageansprüche bestritten. Die I n s t a n z g e r i c h t e h a b e n d e m A n t r a g auf A u s k u n f t e i t e i l u n g s t a t t g e g e b e n . Im d r i t t e n R e c h t s z u g ist d i e K l a g e , s o w e i t sie auf A u s kunfterteilung gerichtet war, abgewiesen worden. Gründe: Die Verurteilung der Beklagten auf Auskunfterteilung geht dahin: 1. A u s k u n f t zu e r t e i l e n ü b e r d i e H ö h e , die R i i c k z a h l u n g s b e d i u g u n g e n u n d die V e r w e n d u n g des im J a h r e 1 9 2 4 / 2 5 e r h a l t e n e n R e i d i s d a r l e h e n s einschließlich der A b r e c h n u n g ü b e r die m i t H i l f e des Reichsd a r l e h e n s e r w o r b e n e n Schiffe. 2. A u s k u n f t zu e r t e i l e n ü b e r alle E i n z e l h e i t e n des A b k o m m e n s auf Ü b e r t r a g u n g der D a m p f e r . . B a r c e l o n a " , „ M e s s i n a " , „ P a l e r m o " u n d . . G i r g e n t i " an die T r e u h a n d v e r w a l t u n g f ü r das D e u t s c h N i e d e r l ä n dische F i n a n z a b k o m m e n u n d ü b e r den aus dieser M a ß n a h m e erzielten Gewinn. D i e Kläger h a b e n die hier in Betracht k o m m e n d e n K l a g e a i v sprüche u. a. auf i h r e v o n d e m Erblasser E. e r l a n g t e M i t b e t c i l i g u n g an Schiffsparten v o n D a m p f e r n g e s t ü t z t . H i e r z u h a t das B e r u f u n g s g e r i c h t f o l g e n d e s a u s g e f ü h r t . Bei der R. M . S. jr. M i t t e l m e e r - L i n i e h a b e es zu der maßgeblichen Z e i t n e b e n P a r t e n s c h i f f e n (erst 7, d a n n 6. an d e n e n auch die K l ä g e r als R e c h t s n a c h f o l g e r v o n E. b e t e i l i g t w a r e n u n d sind) p a r t e n f r e i c , im alleinigen E i g e n t u m der B e k l a g t e n s t e h e n d e Schiffe g e g e b e n . A u ß e r d e m h a b e die B e k l a g t e auf d e r g e n a n n t e n M i t t e l m e e r Linie auch mit g e c h a r t e r t e n Schiffen g e a r b e i t e t . Die w e g e n d e r P a r t e n schiffe b e s t e h e n d e P a r t e n r e e d e r e i sei a l l e r d i n g s a u s d e m Schiffsregister nicht ersichtlich g e w e s e n , da d o r t die B e k l a g t e als alleinige E i g e n t ü m e -

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Schiffahrtsrecht

rin der Partenschiffe eingetragen gewesen sei. Hierdurch seien aber im Innenverhältnis die Rechtsbeziehungen der einzelnen Parteninhaber zueinander und zum Korrespondentreeder nicht berührt worden. Die Rechte der Kläger als Parteninhaber erschöpften sich nicht in der Beteiligung am Ergebnis der von den Partenschiffen ausgeführten Reisen. Über alle Rechtshandlungen, die der Korrespondentreeder als solcher vornehme, habe er den Partenreedern auf Verlangen Auskunft zu geben (§ 498 HGB.). Was nun das der Beklagten wie anderen deutschen Reedereien zum Wiederaufbau ihrer Flotte gewährte Reidisdarlehen anlange, so habe im Verhältnis der Beklagten zum Reich die Größe der vorhandenen Tonnage nur einen Maßstab zur Verteilung der vorhandenen Mittel unter die einzelnen Reedereien gebildet. Das schließe aber nidit aus, daß im Verhältnis der innerhalb der Reederei an den einzelnen Schiffen Beteiligten zueinander die Ausnutzung der vorhandenen Gesamttonnage zur Inanspruchnahme des Reichsdarlehens im Interesse eines Beteiligten den anderen Beteiligten Ansprüche gewähre. Bei Inanspruchnahme des Reichsdarlehens habe die Beklagte auch die zu einem Teil den Klägern gehörende Tonnage der Partenschiffe verwertet und so ein entsprechend höheres Darlehen erhalten. Das Reichsdarlehen habe der Beklagten wirtschaftliche Vorteile von Vermögenswert geboten. Diese Vorteile seien durch Heranziehung der auf die Parten der Kläger entfallenden Tonnage und durch die damit bewirkte Erhöhung des Reichsdarlehens entsprechend vergrößert worden. An dem so erhöhten Vermögensvorteil seien die Kläger anteilmäßig beteiligt. Zur Klarstellung der diesen Anteil betreffenden Verhältnisse hätten die Kläger gegen die Beklagte als Korrespondentreeder einen Anspruch auf entsprechende Auskunfterteilung. Ebenso verhalte es sich mit der fiduziarischen Eigentumsübertragung der Partenschiffe an die Treuhandverwaltung für das DeutschNiederländische Finanzabkommen. Allerdings hätten die Partenschiffe, die allein auf den Namen der Beklagten in das Schiffsregister eingetragen gewesen seien, schon um deswillen für die Verbindlichkeiten der Beklagten gehaftet. Die Beklagte habe aber über diesen, von den Parteneignern geduldeten Zustand hinaus die Partenschiffe als Grundlage eines besonderen Kreditabkomens verwandt, und zwar in der Form, daß sie auf Grund ihres formalen Verfügungsrechts das Eigentum an den Schiffen zugunsten der genannten Treuhandverwaltung vorübergehend aufgegeben habe. Hierdurch habe die Beklagte besondere Vermögensvorteile erlangt. Dies sei, soweit die Partenschiffe in

SeereAt

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Frage kämen, geschehen durch eine die Rechte der Parteninhaber unmittelbar berührende Rechtshandlung der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Korrespondentreeder. Audi hier hätten die Kläger Anspruch auf einen ihren Parten entsprechenden Anteil an dem besonderen Vermögensvorteil der Beklagten. Damit sei auch hier das Recht der Kläger auf entsprechende Auskunfterteilung durch die Beklagte begründet. Demgegenüber ist folgendes zu bemerken: a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Kläger an den Partenschiffen ihren Parten entsprechend beteiligt sind, daß ferner die Beklagte den Klägern gegenüber insoweit als Korrespondentreeder zu erachten ist und daß hieran dadurch nichts geändert wird, daß die Partenschiffe auf den Namen der Beklagten in das Schiffsregister eingetragen sind ( W ü s t e n d ö r f e r Seeschiffahrtsrecht in Ehrenbergs Handbuch VII, 2 S. 504, 505; RGZ. Bd. 74 S. 406). Die Kläger können also gemäß § 498 HGB. von der Beklagten Auskunft verlangen über alle Maßnahmen, die sie als Korrespondentreeder getroffen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte bei Inanspruchnahme des Reichsdarlehens auch die zu einem Teil d en Klägern gehörende Tonnage der Partenschiffe in der Weise verwertet, daß sie diese Tonnage bei der auf Grund der Reichsrichtlinicn vom 21. Januar 192 5 gemachten Angabe des am 1. Juli 1924 ihr gehörigen Schiffsraums eingerechnet und so ein entsprechnd höheres Darlehen erlangt hat. Dies war aber auch den Klägern schon zur Zeit der Klageerhebung bekannt und braucht ihnen von der Beklagten nicht mehr mitgeteilt zu werden. Es fragt sich, ob die Beklagte im übrigen bei Aufnahme und Verwertung des Reichsdarlehens als Korrespondentreeder gehandelt hat. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben zur Genüge, daß dies nicht der Fall ist. Nach dem Abkommen zwischen den Beteiligten vom I. April 1920 waren die Kläger als Parteninhaber, abgesehen von den beiden Ersatzbauten der Schiffswerft und Maschinenfabrik ,,Neptun", an den übrigen Ersatzbauten für die Mittelmeer-Linie nur mit denjenigen Beträgen beteiligt, die sie oder ihr Erblasser E. nach dem Reedereiabfindungsvertrag vom 23. Februar 1921 nebst Zusatzvertrag vom 9. März 1921 vom Deutschen Reich erhalten hatten. Im übrigen war die Beklagte den Klägern gegenüber verpflichtet, den Wiederaufbau der Mittelmeer-FIotte aus eigenen Mitteln zu betreiben. Als dann im Jahre 1925 den deutschen Reedereien die Möglichkeit geboten wurde, entsprechend den Richtlinien der Reichsregierung vom 21. Januar

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Sdiiffahrtsrecht

192 5 für Schiffsneubautcn ein Reichsdarlehen zu günstigen Bedingungen zu erhalten, bedeutete dies, wie auch die Kläger zugeben, einen neuen Umstand, den die Beteiligten bei Abschluß des Vertrages vom 1. April 1 9 2 0 nicht vorausgesehen hatten. Das ändert aber nichts daran, daß im Innenverhältnis der Parteien die Leistungen der Kläger für Neubauten der Mittelmeer-Linie in der oben angegebenen W e i s e auf Grund des Vertrags vom 1. April 1 9 2 0 beschränkt blieben und daß alle weiteren Neubaukosten von der Beklagten allein zu tragen waren. Gewährt worden ist demgemäß das Reichsdarlehen nicht nur nach außen hin der Beklagten als einer selbständigen Reedereifirma, auf deren Namen die Partenschiffe im Schiffsregister eingetragen waren. Vielmehr waren auch im Innenverhältnis der Parteien die Kläger als Parteninhaber an der Aufnahme und Verwendung des Reichsdarlehcns nicht beteiligt, da die Beklagte dieses Darlehen zum Bau von Schiffen erlangt und verwendet hat, deren Allcincigentiimcrin sie im Verfolg des Vertrags vom 1. April 1 9 2 0 von vornherin werden sollte und später auch tatsächlich geworden ist. Wenn also die Beklagte durch die Einrechnung der Parten der Kläger bei Angabe des am 1. Juli 1 9 2 4 vorhandenen Schiffsraums ein entsprechend höheres Darlehen erhalten und demnächst verwendet hat, so ist dies ausschließlich in ihrer Eigenschaft als selbständige Reedereifirma und nicht in ihrer Eigenschaft als Korrespondentvceder geschehen. Die Reederei der Partenschiffe ist rechtlich mit dem Darlehensgeschäft in keinerlei Verbindung getreten; sie erlangte weder an dem Darlehen Rechte, noch ergab sich für sie aus dein Darlehen irgendeine Verpflichtung. Die Beklagte ist daher weder nach § 4 9 8 HGB. noch aus einem anderen Rcditsgrund (z. B. § § 6 8 1 , 6 3 7 Abs. 2, §§ 6 6 7 , 2 5 9 B G B . ) zu der von den Klägern verlangten Auskunft über das Darlehensgeschäft als solches und über die Verwendung des Darlehens verpflichtet. Eine solche Auskunftspflicht läßt sich auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung oder des Schadensersatzes wegen unerlaubter Handlung begründen. Es kann also dahingestellt bleiben, o b derartige rechtliche Gesichtspunkte den Klägern um deswillen zur Seite stehen, weil die Beklagte zur Erlangung eines größeren Rcichsdarlchens bei der Angabe des ihr gehörigen Schiffsraums die Parten der Kläger eingerechnet hat. b) Nicht anders verhält es sich mit den Auskunftsansprüchen, welche die Kläger daraus herleiten, daß die Beklagte die Partenschiffe vorübergehend an die Treuhandverwaltung für das Deutsch-Niederländi?che Finanzabkommen zu fiduziarischem Eigenturn übertragen und

Seerccht

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dadurch besondere wirtschaftliche Vorteile erlangt hat. Die fiduziarische Eigentumsübertragung an den Partenschiffen geschah zur Sicherheitsleistung für einen an dritte Seite gegebenen Kredit. N a c h der u n b e s t r i t t e n e n Angabe der Beklagten ist durch diesen Kredit der Bau zweier Motorschiffe ermöglicht w o r d e n , die nach Fertigstellung der Beklagten für zwei Jahre zur Bercederung überlassen worden sind. D i e Beklagte hat die beiden Motorschiffe beim W i e d e r a u f b a u der M i t t e l meer-Linie ¡jemäß dem Vertrag v o m 1. April 1920 benutzt. Die beiden Motorschiffe haben nach ihrer Erbauung als Sicherheit f ü r den g e n a n n t e n Kredit gedient, während die Partensdiiffe wieder freigegeben wurden. Über die Partenschiffc, jedenfalls soweit es sich um die P a r t e n der Kläger handelte, h a t die Beklagte in ihrer Eigenschaft als K o r r e s p o n d e n t r e e d e r v e r f ü g t . Auch hier w a r e n die Kläger von diesem V e r f ü g u n g s a k t zur Z e i t der Klageerhebung bereits unterrichtet. Im übrigen ist das ganze Geschäft eingeleitet und abgewickelt w o r d e n zwar unter Benutzung der Parten der Kläger, aber als eigenes Geschäft der Beklagten in ihrer Eigenschaft als selbständige Reederfirma. Es handelt sich auch hier um geschäftliche M a ß n a h m e n , welche die Beklagte zur D u r c h f ü h r u n g des Wiederaufbaues der Mittelmeer-Linie v o r g e n o m m e n h a t . An diesem W i e d e r a u f b a u waren die Kläger nach dem Vertrag vom 1. April 1920 nur in dem d o r t vorgesehenen bestimmten und beschränkten U m f a n g beteiligt. Alles, was d a r ü b e r hinausging, geschah nicht nur nach außen, sondern audi im I n n e n verhältnis der Parteien auf alleinige Rcchming und Gefahr der Beklagten. Diese h a n d e l t e insoweit weder als Korrcspondcntrceder noch als Dcsorgcr eines fremden Geschäfts im Sinne v o n § § 677 flg. BGB. Sie ist daher auch nicht verpflichtet, über diese Geschäfte den Klägern die von ihnen verlangte A u s k u n f t zu erteilen. O b die Kläger gegen die Beklagte wegen Benutzung der Parten der Kläger Ansprüche aus unerlaubter H a n d l u n g oder aus ungerechtfertigter Bereicherung h a b e n , k a n n auch hier dahingestellt bleiben, da solche Ansprüche die A u s kunftspflicht nicht begründen würden. RCZ. 126, 324. 1. Kann der Schleppunternehmer seine Schlepp-Bedingungen audi gegenüber einem geschleppten Kahn geltend machen, wenn sich der Kahneigner im Frachtvertrag dem Absender gegenüber, der die Schleppkraft stellen mußte, diesen Schlepp-Bedingungen unterwoifen hatte?

Sdiiffahrtsrecht

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2 . Sind die in R G Z . Bd. 9 8 S. 123 aufgestellten Grundsätze auch dann anwendbar, wenn der Schleppunternehmer bei dem Unfall des geschleppten Schiffes nicht zugegen war? 3. Unter welchen Umständen kann der Kahneigner

gegenüber

der Berufung auf § 12 Nr. 1 der Elbe-Sdilepp-Bedingungen (Versäumung unmittelbarer Schadensanzeige) die Einrede der Arglist erheben? BGB. § § 157, 2 4 2 , 328. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 30. November

192^.

I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgeridit daselbst.



Am 4. Dezember 1925 morgens 5 } / j Uhr geriet der Kahn des Klägers „M. H. 9 9 0 3 " bei der Kilometermarke 5 0 0 auf einem Blosscnsand auf Grund. Der Kahn war erster Anhang des Dampfers ..Württemberg" der Erstbeklagten, der unter Führung des Zweitbeklagtcn 9 Kähne elbaufwärts schleppte. Abschleppversuche, bei denen sich audi der Dampfer „Deutschland" der Erstbeklagten beteiligte, blieben zunächst vergeblich. Erst am 14. Dezember gelang es mit Hilfe eines anderen Dampfers, den beschädigten Kahn nach Werfen eines Teils der Ladung freizubekommen. Der Kläger klagt auf Schadensersatz. Der Anspruch gegen den Zweitbeklagten ist durch landgerichtliches Teilurteil rechtskräftig abgewiesen worden. Die Erstbeklagte hat den Klageanspruch nach Grund und Höhe bestritten und widerklagend Vergütung ihrer Hilfeleistung gefordert. Das Landgericht hat dann audi den Anspruch gegen die Erstbeklagte (weiterhin lediglich als „Beklagte" bezeichnet) abgewiesen und der Widerklage entsprochen. Das Oberlandesgericht hat dagegen durch Zwischen- und Teilurteil unter Abweisung der Widerklage den Klageanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Gründe: Das Berufungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, der Schlepperführer habe das Auflaufen des Kahns verschuldet. Die Revision hat insoweit keine Beanstandungen erhoben. Ein Grund zu solchen ist audi nicht ersichtlich. D i e Schlepp-Bedingungen der Beklagten verpflichten in § 12 Nr. I den Eigner eines geschleppten Schiffs, falls wegen eines Schadens ein Anspruch erhoben werden soll, davon selbst oder durch den Schiffer den Kapitän des Schleppdampfers sofort und die nädistgelegenc Geschäftsstelle der Gesellschaft innerhalb 4 8 Stunden nach Entstehung

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Seerecht

des Schadens in Kenntnis zu setzen; andernfalls soll der Anspruch auf Schadensersatz entfallen. Im vorliegenden Falle unterstellt das Berufungsgericht, daß solche Anzeige erst am 13. Januar 1926 durch die Versicherer des Klägers in dessen Auftrag erstattet worden ist, nachdem der Kahn am 4. Dezember 1925 festgeraten und am 14. dess. Monats wieder abgebracht worden war. Das Berufungsurteil versagt jedoch der Berufung der Beklagten auf diese Bestimmung mit Rücksicht auf die Lage des Falls die vorgesehene Wirkung. Ausgehend von der diese Vertragsklausel behandelnden Entscheidung in RGZ. Bd. 98 S. 123 führt es aus: Die Vertragsbestimmung dürfe nur in einem auf die Interessen b e i d e r Vertragsparteien Rücksicht nehmenden Sinne ausgelegt werden, nicht aber über das sachliche Interesse einer Partei hinaus dieser eine Handhabe bieten, Rechte der Gegenseite auf formalem Wege unter Verletzung der Verkehrstreue zu Fall zu bringen. Die Klausel sei bestimmt, die Schleppunternehmung vor Schadensansprüchen zu schützen, deren Nachprüfung auf Grund und Höhe wegen Zeitablaufs unbillig erschwert sei. Das komme hier nicht in Betracht. Gemeinsame Feststellung der Höhe des am Kahn verursachten Schadens sei gesichert durch die Bestimmung in Nr. 2 des § 12 (Verletzung dieser Bestimmung ist nicht behauptet). Daß es sich bei dem Auflaufen des Kahns um einen erheblichen Unfall handle, sei den Schlepperführern der Beklagten erkennbar gewesen. Der Kläger habe danach auch annehmen dürfen, daß diese der Beklagten pflichtgemäß über den Unfall berichten würden; endlich habe es als regelmäßige und selbstverständliche Folge solchen Unfalls erachtet werden müssen und daher nuch keiner besonderen Hervorhebung gegenüber den Schlepperführern und der Beklagten bedurft, daß der Unfall zu Ersatzansprüchen des Geschädigten, insbesondere auf Veranlassung seiner Versicherungsgesellschaft Anlaß geben würde. Der Ersatzanspruch sei in voller Höhe erst nach der Abbringung zu übersehen und daher auch erst an diesem Tag als entstanden im Sinne der streitigen Vertragsbcstiinmung anzusehen gewesen. Vorher sei dem Kläger unter den obwaltenden Umständen nicht zuzumuten gewesen, während der dringenden Abbringungsarbeiten eine rein formelle Anzeige zu erstatten; zu jener Zeit habe er die Anzeige als gänzlich überflüssige Formalität betrachten dürfen. Schließlich habe die Unterlassung der Anzeige keinerlei tatsächliche oder rechtliche Nachteile für die Beklagte zur Folge gehabt. Die Revision weist zunächst darauf hin, daß in der angezogenen reichsgerichtlichen Entscheidung vor allem insofern ein anderer Sachverhalt vorgelegen habe, als sich dort der Unfall unter den Augen des Sdiiffihrtsrccht II

5

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Schiffahrtsrecht

Schleppreeders abgespielt habe. Das Interesse des Reeders erschöpfe sich auch nicht, wie das Reichsgeridit angenommen habe, darin, alsbald bei der Feststellung des Schadens Gelegenheit zur Mitwirkung zu haben, sondern erstrecke sich auch darauf, möglichst sofort an Ort und Stelle die für die Frage der Haftung in Betradit kommenden Umstände nachprüfen zu können. In dieser Beziehung seien im vorliegenden Fall die Interessen der Beklagten verletzt worden, da eine Reihe von Feststellungen, die für die Schuld/rage ausschlaggebend geworden seien — die Feststellung der Lage des Kahns durch einen Strommeister und die durch einen Zeugen vorgenommene Prüfung, ob der Kahn einen Eisboden gehabt habe —, ohne die Mitwirkung der Beklagten getroffen worden seien. Daß Schadensansprüche erhoben würden, habe der Schlepperführer nicht annehmen können, da er überzeugt gewesen sei, daß das Festkommen des Kahns durch die Bildung eines Eisbodens verursacht worden sei. Reditsirrtümlich seien auch die Erwägungen des Berufungsgerichts darüber, wann der Schaden im Sinne der angezogenen Bestimmung als entstanden zu betrachten sei. Der Kläger sei zur rechtzeitigen Anzeige sehr wähl imstande gewesen, da er seiner Versicherungsgesellschaft an dem auf den Unfall folgenden Tage von D. aus eine Anzeige erstattet habe. Die Ausführungen der Revision sind indes nicht geeignet, das Ergebnis des Berufungsgerichts als rechtsirrig erscheinen zu lassen. Auszugehen ist mit dem angefochtenen Urteil davon, daß sich die Beklagte dem Kläger gegenüber auf ihre Schlepp-Bedingungen berufen kann. Unmittelbare Vertragsbeziehungen bestehen allerdings zwischen beiden nicht, sondern nur — auf Grund des Frachtvertrags — zwischen dem Kläger und dem Absender. Nach den Bedingungen des Frachtvertrags hat sich jedoch der Kläger den Schlepp-Bedingungen der Reederei unterworfen, welcher der zur Gewährung der Sdileppgelegenheit („frei Schleppen") verpflichtete Absender den Kahn überwiesen hat. Davon aber, daß damit nadi den Umständen des Falles auch der Schlepperreederei die Berechtigung gegeben werden sollte, sidi gegenüber dem Kahneigner, mit dem sie an sich keine Vertragsbeziehungen verknüpften, auf ihre Schlepp-Bedingungen zu berufen (§ 328 Abs. 1 BGB.), geht offenbar das Oberlandesgericht aus. Das ist rechtlich unbedenklich; der Kläger hat es, zum mindesten im zweiten Rechtszug, nicht mehr bekämpft. Der Bestimmung des § 12 Nr. 1 der Schlepp-Bedingungen ist gemäß § 157 BGB. der Inhalt zu geben, der einer gesunden Verkehrsanschauung entspricht. Eine sich hieraus ergebende Begrenzung seiner

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Tragweite darf sich allerdings nicht zu einem unzweideutig erklärten Vertragswillen in Widerspruch setzen, dem gegenüber nur eine Prüfung gemäß §§ 134, 138 BGB. Platz greifen kann. Die streitige Bestimmung ist jedoch, zwar nicht was Form und Frist der Anzeige, wohl aber was ihre Voraussetzungen angeht, so allgemein gehalten, daß sie für eine Auslegung nach den Gesichtspunkten gesunder Verkehrsanschauung Raum bietet. Nur insoweit, als dies dem berechtigten Interesse der Schleppunternehmung entspricht, ist es mit Treu und Glauben im Verkehr und dem daraus zu entnehmenden Vertragswillen der Parteien zu vereinen, die Verfolgbarkeit eines begründeten Anspruchs in so einschneidender Weise von der Erfüllung einer formellen Vorschrift abhängig zu machen, wie dies in der streitigen Bestimmung geschehen ist. Dies war bereits die Auffassung des Urteils in RGZ. Bd. 98 S. 123. Der Senat hält an ihr fest. Er erachtet aber weiter auch gegenüber der Berufung auf eine Vertragsvorschrift dieser Art die Einrede der Arglist für gegeben, falls der Schlepperreederei durch die Nichteinhaltung der Anzeigepflicht keinerlei Nachteil entstanden ist und sie die Fristversäumnis im Widerspruch mit Treu und Glauben nur benutzt, um einen wohlberechtigten Anspruch der Gegenseite zu vereiteln. Von beiden Gesichtspunkten aus erscheint das Ergebnis, zu dem das Berufungsgericht gelangt ist, nicht rechtsirrtümlich. Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß der Schlepperreeder an einer frühzeitigen Anzeige im Sinne der erörterten Bestimmung nicht nur zur Ermöglichung einer Beteiligung bei Feststellung des Schadens ein Interesse hat, wie dies die erwähnte Entscheidung hervorhebt; von besonderer Bedeutung ist vielmehr für ihn auch die durch die Anzeige zu ermöglichende Gelegenheit zu rechtzeitiger Nachprüfung der für seine Haftung an sich maßgebenden Umstände. Das Berufungsgericht hat jedoch diesen Gesichtspunkt nicht übersehen, sondern ihn bei Würdigung des Sachverhalts — im allgemeinen nach den Rechtsgrundsätzen in RGZ. Bd. 98 S. 123 — berücksichtigt. Betrachtet man von diesem Gesichtspunkt aus die zur Erörterung stehende Vorschrift, so wird allerdings nicht der Auffassung des Berufungsgerichts beigepflichtet werden können, daß der Schaden erst dann als entstanden im Sinne der Vorschrift zu betrachten sei, wenn er sich in voller Höhe übersehen lasse. Vielmehr wird im allgemeinen die Anzeigefrist als von dem Zeitpunkt an laufend betrachtet werden müssen, in dem die Entstehung eines zur Erhebung von Ersatzan»prüdien Anlaß gebenden Schadens als Folge eines Verhaltens des 5'

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Schleppers erkannt werden kann. Nur diese Auffassung wird dem offenbaren Zweck der Vorschrift, dem Schutz der Interessen des in Anspruch genommenen Reeders zu dienen, gerecht und daher durch Treu und Glauben erfordert. Anderseits wird aber die Anzeige nach den erörterten Gesichtspunkten dann als überflüssig erscheinen müssen, wenn der Geschädigte damit rechnen durfte, es könne bei der Gegenseite keine Unklarheit bestehen über die Art des Unfalls, über die Sicherheit oder hohe Wahrscheinlichkeit schaden bringender Folgen und über die bei verständiger Betrachtung nach den Erfahrungen des Verkehrslebens nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, daß Ersatzansprüche erhoben würden. Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils genügen, um diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall als erfüllt zubetrachten. Daß es sich um einen schweren Unfall mit schadenbringenden Folgen handelte, lag für die Führer des Schleppers, die einen ganzen Tag vergeblich am Abbringen des Kahns gearbeitet haben, auf der Hand. Bei dieser Sachlage war sofortiger eingehender Bericht an eine Geschäftsstelle des Reeders ihre Pflicht und konnte vom Kläger als geschehen unterstellt werden, wie das angefochtene Urteil mit Recht annimmt. Es ist daher insoweit nicht von ausschlaggebender Bedeutung, daß im vorliegenden Falle nicht der Schlepperreeder selbst, wie in der früher entschiedenen Sache, bei dem Unfall zugegen gewesen ist. Mit Erhebung von Schadensansprüdien mußte die Gesdiäftsstelle der Beklagten auf Grund der Erfahrung des Verkehrslebens rechnen, insonderheit deshalb, weil die Versicherer in der Regel bestimmenden Einfluß auf die Verfolgung solcher Ansprüche gegenüber den Schadensträgern haben und auf deren Durdiführung drängen. Dies muß aus den soeben angeführten Gründen selbst für den Fall gelten, daß der Kahneigner zunächst bis zur Entfernung des Schleppers die Schuld an dem Unfall in einem Eisboden seines Kahns und nicht in unvorsichtiger Navigierung des Schleppers gesucht haben sollte. Die Erfahrung des geschäftlichen Verkehrs gebot auch unter solchen Umständen, den Sachverhalt für den Fall der Erhebung von Haftungsansprüchen umgehend nachzüprufen. Keiner Prüfung bedarf danach die Frage, welche Bedeutung im aligemeinen der Vorschrift des § 12 Nr. 1 der Schlepp-Bedingungen im Fall einer zunächst bestehenden Unklarheit des Geschädigten über die Schuldfrage beizumessen ist. Das Berufungsgeridit hat ferner festgestellt, daß die Verspätung der Anzeige keine sachlichen Nachteile für die Beklagte gehabt habe. Hiernach steht dem Kläger auch die Einrede der Arglist gegenüber der

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durch berechtigte Interessen nidit getragenen Berufung der Beklagten auf die Verletzung der formellen Anzeigepflicht zur Seite. Diese Erwägungen rechtfertigen es, der Beklagten die Berufung auf die erörterte Bestimmung ihrer Bedingungen zu versagen. Ohne Bedeutung ist daher, ob es dem Kläger tatsächlich möglich gewesen wäre, die Anzeige in der vorgeschriebenen Weise vorzunehmen. RGZ. 131, 300. Haftet der Reeder den gemäß § 6 4 Nr. 4 der Seewasserstraßenordnung beförderten Elblotsen für das Verschulden eines Besatzungsmitglieds? HGB. § 4 8 5 . Seewasserstraßenordnung (SWO.) vom 31. März 1927. - RGBl. II S. 157 - § 64. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 7. Februar 1931.

I. L a n d g e r i d « Hamburg, K a m m e r für Handelssachen. —• II. Oberlandesgericht daselbst.

Der klagende Patentlotse sollte in der Nacht vom 15. zum 16. April 1928 mit mehreren anderen Lotsen vom Feuerschiff „Elbe 3 " nach Hamburg mit dem der Beklagten gehörenden Dampfer „Rhön" zurückbefördert werden. Als der Kläger von der Barkasse des Feuerschiffs mittels einer vom Bord des Dampfers herabgelassenen Strickleiter (Lotsentreppe) auf den Dampfer überzusteigen im Begriff war, verlor er den Halt, stürzte rücklings in die Barkasse und zog sich Verletzungen zu. Er behauptet, daß die Lotsentreppe nicht ordnungsmäßig befestigt gewesen sei, und begehrt Ersatz des ihm entstandenen Schadens und Schmerzensgeld. Die Beklagte hat zu ihrer Verteidigung geltend gemacht, gemäß § 64 S W O . würden die Lotsen auf eigene Gefahr befördert. Durch Teil-Zwischenurteil hat das Landgericht den ziffernmäßig bestimmten Klageantrag dem Grunde nach für berechtigt erklärt und hierin die Billigung des Berufungsgerichts erfahren. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Gründe: In tatsächlicher Beziehung stellt der Berufungsrichter fest, Unfall des Klägers sei darauf zurückzuführen, daß ein Matrose Beklagten die Lotsentreppe nicht ordnungsmäßig befestigt habe. kommt so zu dem Ergebnis, daß dem Kläger, auch wenn man Abschluß eines unentgeltlichen Beförderungsvertrags zwischen

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Parteien annehme, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus außervertraglicher Haftung der Beklagten nach § 485 HGB. zustehe. Die Revision macht demgegenüber in erster Linie geltend, durch die Vorschrift in § 64 Nr. 4 SWO., wonach die elbaufwärts bestimmten Schiffe die vom dritten Elbfeuerschiff zurückzubefördernden Lotsen a u f d e r e n e i g e n e G e f a h r unentgeltlich mitzunehmen hätten, sei insoweit die Haftpflicht des Reeders nach § 485 HGB. für Verschulden eines Besatzungsmitglieds aufgehoben. Der Berufungsrichter hat zu dieser Rechtsfrage nicht selbst Stellung genommen. Die rechtliche Stellungnahme des Landgerichts, die er zu billigen erklärt, beschränkt sich auf die Anführung einer Anmerkung von S e b b a in dessen Erläuterungsbudi zur Seewasserstraßenordnung, wo die Haftung aus § 485 HGB. als durch diese Bestimmung der Seewasserstraßenordnung nidit ausgeschlossen bezeichnet wird. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist jedoch, wenn man diese Rechtsfrage prüft, nidit zu beanstanden. Die Seewasserstraßenordnung ist, wie schon ihre nähere Bezeichnung als „Polizeiverordnung zur Regelung des Verkehrs auf den deutschen SeewasserstTaßen" erkennen läßt, eine schiffahrtspolizeiliche Verordnung, zu deren Erlaß der unterzeichnete Reichsverkehrsminister nach den Eingangsworten seine Ermächtigung aus § 11 des Staatsvertrags betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich und aus dem in Betracht kommenden Landespolizeirecht ableitet. In ihrem Rahmen ist die in Rede stehende Anordnung ersichtlich zu dem Zweck ergangen, durch die Regelung dier Zurüdcbeförderung der Lotsen im Interesse der Schifffahrt die Abwicklung des Lotsendienstes zu erleichtern. Es handelt sidi danach um eine Verbindlichkeit, die auf einem öffentlichrechtlicher Regelung zugänglichen Gebiet aus öffentlidirechtlichen Beweggründen den einlaufenden Schiffen auferlegt worden ist. Bei der Rückbeförderung der Lotsen handeln die Reedereien demnach in Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Verpflichtug. Schon aus diesem Grunde kommt, wie gegenüber den Ausführungen von E h l e r s in der „Hansa" Jahrg. 1931 S. 153 (Über die Reederhaftung bei Mitnahme von Lotsen) zu bemerken ist, bei dieser Leistung eine Schenkung oder eine sonstige freiwillige unentgeltliche Zuwendung, die zur Annahme einer erleichterten Haftung Anlaß geben könnte, nicht in Frage. Die Bestimmung des Inhalts und Umfangs dieser Verbindlichkeit und der ihr entsprechenden Berechtigung der Lotsen lag im Ermessen der zu dieser polizeilichen Regelung befugten Behörde. Allerdings mag diese danach auch als befugt erscheinen, die Verpflichtung zur Heim-

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Beförderung der Lotsen in der Richtung zu begrenzen, daß bei ihr die nadi Lage der Sadie mögliche Gefährdung der die Beförderung in Anspruch Nehmenden in weitem Umfang zu Lasten der Berechtigten geht, einschließlich einer Gefährdung, die durch Verschulden eines Besatzungsmitglieds herbeigeführt wird. Keinesfalls aber kann der Revision zugegeben werden, daß der in Rede stehenden Bestimmung ein so weitgehender Sinn zu entnehmen ist. Nach ihrem Wortlaut braucht ihr an sidi keine weitergehënde Bedeutung zuzukommen, als daß die Rüdebeförderung der Lotsen stattzufinden habe im Rahmen des regelmäßigen, ordnungsmäßigen Schiffahrtsbetriebes mit den ihm an sich innewohnenden Gefahren und Schwierigkeiten, und daß keine Verpflichtung der Reederei bestehe zu irgendwelcher besonderen Anpassung ihrer Einrichtungen und ihres Betriebes an diese Beförderung, wie sie beim regelmäßigen Überfahrtsvertrag in Frage kommt. Hierzu gehört vor allem wegen ihrer an sich bestehenden objektiven Gefährlichkeit die Anbordnahme der Lotsen vom Boot aus (vgl. hierzu auch ,.Hansa" Jahrg. 1928 S. 110). Bei solchem Sinn der Bestimmung entfällt aber selbstverständlich nicht die Verpflichtung der Reederei, ihrer allgemeinen Verkehrspflicht nachzukommen, durch Beobachtung sachgemäßer Sorgfalt eine Beschädigung der mit ihrem Schiffsbetrieb in Berührung kommenden Personen zu vermeiden. Zwingende Anhaltspunkte zu einer Auslegung in weiterem Sinne sind nicht erkennbar. Von Bedeutung ist in dieser Hinsicht, daß nach seerechtlichem Sprachgebrauch unter einer Beförderung a u f G e f a h r einer Person keineswegs unbedingt eine Beförderung unter Ausschluß der Haftung auch für Verschulden verstanden wird (RGZ. Bd. 116 S. 215; S c h a p s Seerecht I § 566 Anm. 2, § 606 Anm. 32; vgl. auch RGZ. Bd. 117 S. 105). Unter diesen Umständen kann aus der Vorschrift eine Regelung der Beförderungsverpflichtung in dem von der Beklagten in Anspruch genommenen Sinne nicht hergeleitet werden. Die Haftung der Beklagten für das Verschulden des Besatzungsmitglieds (§ 485 HGB.) entfällt somit nicht auf Grund von § 64 Nr. 4 SWO. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist danadi berechtigt. RGZ. 133. 167. 1. Uber eigenes Verschulden des Reeders „in Ansehung der Vertragserfüllung" nach § 486 Abs. 2 HGB. 2. Zur Frage der reditsähnlicben Anwendung von § 774 HGB. auf die beschränkt-persönliche Haftung des Reeders, der sein mit

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Sdüffsgläubigerrechten belastetes Schiff freiwillig an einen Ausländer verkauft hat. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 24. Juni 1931. I. Landgericht Flensburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht Kiel.



Am 5. Dezember 1924 ist der der Beklagten gehörige Dampfer ,,Kanal I V " auf der Fahrt von Flensburg nach Hamburg gesunken. Das Schiff hatte außer anderen Stückgütern Kupferbleche geladen. Der größte Teil der Ladung, insbesondere die Kupferbleche, waren für die Reise bei der Klägerin versichert. Die Klägerin hat diesen Versicherungsnehmern die ihnen durch den Unfall entstandenen Schäden satzungsgemäß vergütet. Mit der Klage macht sie einen Teil der von den Ladungsbeteiligten aus dem Unfall hergeleiteten Schadensersatzansprüche geltend, die durch die Schadensregulierung auf sie übergegangen seien. Sie stützt den Klageanspruch einmal darauf, daß das Schiff wegen unsachgemäßer Stauung der Ladung, wegen Fehlens einer Garnierung und aus anderen Gründen nicht seetüchtig gewesen sei, ferner darauf, daß der Reeder das Sdiiff freiwillig an einen Ausländer verkauft habe. Die Klage ist in allen drei Rechtszügen abgewiesen worden. Aus den G r ü n d e n : 1. Das Berufungsgericht hat mit näherer Begründung dargelegt, dal? eine persönliche Haftung der Beklagten als Reeder wegen eigenen Verschuldens ,,in Ansehung der Vertragserfüllung" im Sinne von § 4 8 6 Abs. 2 HGB. nicht in Frage komme. Insbesondere sei der Beklagten kein Vorwurf daraus zu machen, daß ihr Vorstand die Verstauung der Ladung dem Schiffer überlassen habe, zu dessen Obliegenheiten sie nach § 514 HGB. gehört habe. Der Vorstand der Beklagten habe weder allgemein mit den Erfordernissen einer ordnungsmäßigen seemännischen Verstauung vertraut zu sein, noch in diesem Falle sich um die Stauung zu kümmern brauchen. Es sei regelmäßig nicht Sache des Reeders, den Schiffer über alle möglichen nautischen Dinge zu unterweisen. Der Vorstand der Beklagten habe hier den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Verfrachters genügt, indem er die Stauung nach Seemannsbrauch dem bis dahin stets tüchtigen und sorgfältig ausgewählten Schiffer übertrug. Audi die Sturmwarnung habe den Vorstand der Beklagten nicht zu besonderen weiteren Maßnahmen verpflichtet; so habe er nicht deshalb persönlich eine eigene Überwachung daraufhin vorzunehmen braudien, ob der Schiffer seiner

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Pflicht zur ordnungsmäßigen Verstauung nachgekommen sei, sondern er habe sidi darauf verlassen können, daß dies geschehen sei und daß der Sdiiffer, soweit besondere Maßnahmen erforderlich sein sollten, diese getroffen habe oder treffen würde; auch sei keine Veranlassung gewesen, das an sich seetüchtige Schiff wegen der Sturmwarnung nicht auslaufen zu lassen. Danach hat das Berufungsgericht nicht außer acht gelassen, daß wegen des bevorstehenden und angekündigten Sturmes besondere Verhältnisse vorlagen. Die Feststellung, daß trotzdem der Beklagten als Reeder des Schiffes und Verfrachter bei der Vertragserfüllung kein Verschulden zur Last falle, béruht im wesentlichen auf tatsächlichen Erwägungen und läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. 2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das Schiff nicht in das Ausland veräußert. Bei der von ihr vorgenommenen freiwilligen Versteigerung des Schiffes sei, so wird dort ausgeführt, der Zuschlag dem Kaufmann R., der kein Ausländer gewesen, erteilt worden. R. habe das Schiff im Auftrag und für Rechnung des Werftbesitzers K. ersteigert und seine Rechte aus dem Zuschlag an diesen abgetreten, und zwar für die K.-Werft in Kiel-Wellingdorf, nicht etwa für die gleichfalls dem K. gehörige Düppelwerft in Sonderburg. Auf der K.-Werft sei das Schiff dann noch sieben Monate verblieben, bis K. es an den Reeder C. in Hadersleben weiterverkauft habe. K. habe die dänische, aber nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Wolle man nun auch unterstellen, daß der Erwerb des Schiffes über den R. einem unmittelbaren Erwerb des K. gleichzusetzen sei, so sei doch für eine rechtsähnliche Anwendung von § 774 HGB. im Verhältnis der Parteien kein Raum. Auf Grund des Verkaufs des Schiffes an den Ausländer K. sei das Schiff nicht in das Ausland gekommen, sondern zunächst im Inland geblieben. Solange das Schiff im Inland verblieben, sei die Befriedigung der Schiffsgläubiger aus ihm nicht dadurch gefährdet worden, daß K. Ausländer gewesen sei (§ 761 Abs. I HGB., §§ 864, 870 Abs. 2 Z P O . ) . Die Veräußerung an K. habe zwar die Folge gehabt, daß das Schiff nach § 1 3 Abs. 2, §§ 2, 4 des Gesetzes betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899 — RGBl. S. 319 — (in der deutschen Fassung des Gesetzes vom 29. Mai 1901, RGBl. S. 184) im deutschen Schiffsregister gelöscht worden sei. Trotzdem 9eien nach § 171 Z V G . die Vorschriften dieses Gesetzes über die Zwangsversteigerung entsprechend anwendbar gewesen. Die Klägerin habe auch noch nach dem Übergang des Schiffseigentums auf K. ihr Schiffsgläubigerrecht ohne Schwierigkeit

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geltend machen können, zumal da K. ihr spätestens durch Schreiben vom 8. Mai 1926 mitgeteilt habe, daß er das Schiff gehoben habe. Die hiergegen erhobenen Revisionsangriffe sind unbegründet. Die Fälle der beschränkt-persönlichen Haftung des Reeders, der sein mit Schiff sgläubigerrechten belastetes Schiff freiwillig verkauft, gegenüber den Schiffsgläubigern sind in §§ 765 flg. HGB. geregelt. In Schrifttum und Rechtsprechung ist anerkannt, daß über diese Fälle in rechtsähnlicher Anwendung des § 774 HGB. hinausgegangen werden kann, aber nur in besonderen Ausnahmefällen (S c h a p s Seeledit 2. Aufl. § 774 Anm. 16, 9, § 765 Anm. 4; W ü s t e n d ö r f e r in Ehrenbergs Handb. des ges. Handelsrechts Band VII Abt. 2 S. 373 flg.; P a p p e n h e i m Handbuch des Seerechts Band II § 24 S. 282 flg.; M i t t e l s t e i n Binnenschiffahrtsrecht Bd. I § 114 Anm. 1 S. 443; derselbe in Ehrenbergs Handb. Bd. VII Abt. 1 § 11 S. 59 flg.; derselbe Sdiiffspfandredht und Schiffsgläubigerrecht § 21 S. 155; E h r e n b e r g Beschränkte Haftung des Schuldners nach Seeund Handelsrecht S. 256/257, 298/300; S c h r o e t e r in Goldschmidts Ztsdir. für das ges. Handelsrecht Bd. 32 S. 248; B r a n d i s Das deutsche Seerecht I S. 112; Hanseatische Rechtszeitschrift 1927 S. 279 Nr. 92). Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgeridits ergeben, daß ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt, da eine den Grundsätzen von § 774 HGB. entsprechende Gefährdung der Schiffsgläubigerrechte der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgänger durch den Verkauf des Schiffes an K. und durch den Übergang des Schiffseigentums auf ihn nicht eingetreten ist. Denn trotz dieser Vorgänge hätten, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum ausgeführt hat, die Schiffsgläubiger ihre Schiffsgläubigerrechte während der sieben Monate, in denen das Schiff nach dem Verkauf auf der K.-Werft in KielWellingdorf verblieben ist, in der gleichen Weise wie bisher wahrnehmen können. Unter solchen Umständen ist die bloße Tatsache des Schiffsverkaufs an einen Ausländer bedeutungslos. Dies um so mehr, als K. beim Erwerb des Schiffes noch nicht wußte, wie er es verwerten würde, insbesondere mit der Möglichkeit des Weiterverkaufs des Schiffes an einen inländischen (deutschen) Käufer rechnete und jedenfalls beim Erwerb des Schiffes nicht schlechthin sein alsbaldiges oder demnädistiges Verbringen ins Ausland im Auge hatte. Wenn das Sdiiff dann späterhin auf Grund eines von K. mit dem Reeder C. in Hadersleben abgeschlossenen Kaufvertrags ins Ausland gekommen ist, so stand dies nicht mehr in einem adäquaten Zusammenhang mit dem von der Beklagten im Wege der freiwilligen Versteigerung durch-

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geführten Verkauf des Schiffes an R. und dem darauf beruhenden Schiffserwerb durch K. Es ist daher im Verhältnis der Parteien unerheblich, ob infolge der so erfolgten Verbringung des Sdii ff es ins Ausland die Verfolgung der Schiffsgläubigerredite der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgänger erschwert oder vereitelt worden ist. . . . RGZ. 1 3 7 . 301 Ist der Inhalt eines Durdikonnossements über eine See- und anschließende Binnenschiffs-Beförderung für denjenigen maßgebend, der an Stelle der Reederei des Seeschiffes auf Grund des Durchkonnossements die Waren aus dem Seeschiff in das Binnenschiff umgeladen und das für das Binnenschiff gezeichnete Flußkonnossement (Ladeschein) in Empfang genommen hat? HGB. § 651. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 5. Oktober 1932. I. Landgericht Duisburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgeridit Düsseldorf.



Die Klägerin schloß am 28. November 1929 in Rostock einen Frachtvertrag ab mit einem Schiffsmakler M. über die Beförderung von Weizen, den sie an die Firma P. in Düsseldorf verkauft hatte, von Rostock nach Rotterdam zwecks Weiterbeförderung im Rheinschiff nach Düsseldorf. Sie zahlte an den Schiffsmakler die ganze Fracht von Rostode nach Düsseldorf. Das die Beförderung der Ware von Rostode nach Rotterdam mit dem Dampfer „Toussika" und weiter mit Rheinschiff von Rotterdam nach Düsseldorf betreffende Konnossement vom 14. Dezember 1929 wurde von dem Schiffsmakler unterzeichnet mit: „für die beteiligten Reedereien F. M. Reederei". Dieses Konnossement indossierte die Klägerin in blanko an die Firma P. in Düsseldorf und händigte es gegen Zahlung des Kaufpreises für den Weizen an sie aus. In Rotterdam veranlaßte die Beklagte, angeblich gegen Zahlung der bis dahin entstandenen Fracht an den Schiffer der „Toussika", die Umladung der Ware aus dem Seeschiff in das Rheinsdiiff „Lajo" und unterschrieb den die Beförderung von Rotterdam nach Düsseldorf betreffenden Ladeschein (Rheinkonnossement) vom 27. Dezember 1929 als ,,die Agentur" der Firma L. & Cie. AG. für diese als die Kahneignerin, Verladerin und Frachtführerin. Das Rheinkonnossement blieb im Besitz der Beklagten, die darin als „Absender" bezeichnet ist. Nach Ankunft der Ware in Düsseldorf wollte die Beklagte, da M. das von der Klägerin gezahlte Frachtgeld nicht

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an sie abgeliefert hatte, den Ladeschein (Rheinkonnossement) sowie die Ware an die Firma P. als die legitimierte Inhaberin des Seekonnossements (Durchkonnossements) nur ausliefern gegen Zahlung von 5172,89 holländischen Gulden als Frachtgeld für die streitige Beförderung und für die Beförderung von zwei früher ebenfalls von M. an die Firma P. verfrachteten Ladungen Weizen. Die Firma P. zahlte den verlangten Betrag unter Vorbehalt der Rüdeforderung und eihielt darauf das Rheinkonnossement sowie die Ware. Sie hat alle ihre Rechte aus dieser unter Vorbehalt geleisteten Zahlung an die Klägerin abgetreten. Dementsprechend verlangt diese jetzt von der Beklagten die Rückzahlung des genannten Betrags nebst Zinsen oder eines entsprechenden Reichsmarkbetrags. Das Landgericht gab der Klage nur zum Teil statt, das Oberlandesgericht entsprach ihr vollständig. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Gründe: Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es entscheidend darauf ankommt, welche Rechte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Firma P., als legitimierte Inhaberin des Konnossements auf Auslieferung der Ware hatte. Das Berufungsgericht wendet deutsches Recht an. Audi dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenngleich im Berufungsurteil dafür auf hier nicht maßgebliche strafrechtliche Verhältnisse Bezug genommen wird. Denn die den dortigen Erwägungen zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen zeigen, daß sich die Beteiligten für die mit der Konnossementsausstellung zusammenhängenden und aus ihr ergebenden Rechtsverhältnisse dem deutschen Recht unterworfen haben (vgl. S c h a p s Seeredit 2. Aufl. § 642 HGB. Anm. 28 flg.). Die Beklagte hat denn auch in der Revisionsinstanz gegen die Anwendung deutschen Rechts keine Einwendungen erhoben, sondern selbst ihre Revision auf Verletzung materiellen deutschen Rechts ( § 6 5 1 HGB.) gestützt. Das Konnossement nimmt auf den „Frachtvertrag vom 28. November 1929" Bezug. Das ist der zwischen M. „als Agenten der Eigner des Dampfers Toussika" und der Klägerin geschlossene Vertrag vom 28. November 1929. Hierin ist ausdrüdclidi darauf hingewiesen, daß Durchkonnossemente (through-bills of lading) Rostock-Düsseldorf ausgestellt seien. Demgemäß ist das Konnossement, das an sich auf das Schiff „Toussika", Schiffer S. C., lautet, „für die beteiligten Reedereien unterzeichnet, und zwar durch M. mit dem Zusatz ,,Reederei". Der Inhalt des Konnossements vom 14. Dezember 1929

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ist zwar nicht ganz klar und eindeutig. Er ergibt aber zur Genüge, daß es sich, wie der Vorderriditer angenommen hat, um ein durchgehendes Konnossement für die Beförderung der Ware von Rostock über Rotterdam (mit Umladung daselbst) nach Düsseldorf handelt i.s. S c h a p s a. a. O. § 651 HGB. Anm 24 bis 28). Auf Grund dieses Konnossements hat der Schiffer des Dampfers „Toussika" die Güter an Bord seines Schiffes genommen, von Rostode nadi Rotterdam befördert und dort zur Weiterbeförderung nach Düsseldorf an den Kahn „Lajo" abgegeben. Damit ist die vom Berufungsgericht nicht ausdrücklich festgestellte, aber ersichtlich angenommene und seinen Erwägungen zugrunde gelegte Befugnis des M. (der auch als „Charterer" der „Toussika" mit der Reederei dieses Schiffes die Zeitcharter vom 28. November 1929 geschlossen hat — S c h a p s a. a. O. § 642 Anm. 15 a. E.; § 651 Anm. 1 2 — ) zur Ausstellung des Konnossements für den Dampfer „Toussika" genügend begründet ( S c h a p s a. a. O. § 642 Anm. 15). Übrigens scheint auch die Beklagte diese Vollmacht des M. für den Dampfer „Toussika" nicht bestritten zu haben und bestreiten zu wollen. . . . (Wird ausgeführt.) Nach dem Durchkonnossement hatte an sich die Reederei der „Toussika", die Firma Sch., St. & Co. in Kopenhagen, die Ware in Rotterdam umzuladen, das für das Rheinschiff „Lajo" gezeichnete Rheinkonnossement vom 27. Dezember 1929 in Empfang zu nehmen und dieses Konnossement (Ladeschein) an den durch das Seekonnossement (Durchkonnossement) legitimierten Empfänger der Ware zu übergeben ( S c h a p s a. a. O. § 651 Anm. 25). Tatsächlich ist in der Weise verfahren worden, daß die Beklagte in Rotterdam die Umladung der Ware von der „Toussika" auf das Rheinschiff „Lajo" veranlaßt und den Ladeschein (Rheinkonnossement) vom 27. Dezember 1929 für die Verladerin, die Firma L. & Cie. AG., als deren „Agentur" ausgestellt hat (s. §§ 72 flg. BinnenschiffG.). In diesem Ladeschein ist angegeben, daß die genannte Verladerin die Ware von der Beklagten empfangen habe. In welcher Weise die Beklagte in Rotterdam die Umladung der Ware veranlaßt und dabei den Besitz daran erlangt hat, ist vom Vorderrichter nicht näher festgestellt worden. Seine Ausführungen zeigen aber, daß dies auf Grund des Durchkonnossements vom 14. Dezember 1929 — in welchem die Beklagte als Meldeadresse für Rotterdam aufgeführt war — geschehen ist. Sie ergeben, daß demgemäß die Beklagte für die Reederei der „Toussika" diese Umladung in Rotterdam vollzogen hat, die an sich im Verhältnis zu dem als legitimierter Inhaber des Durchkonnossements ausgewiesenen

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Empfänger ZUT Umladung verpflichtet war. Danach mußte auch im Verhältnis zu dem genannten Konnossementsinhaber die Beklagte mit der Ware und dem darüber ausgestellten Ladeschein (Rheinkonnossement) so verfahren, wie dies an sich der Reederei der „Toussika" oblag. Zutreffend hat der Berufungsrichter angenommen, daß nach dem Inhalt des Durchkonnossements keinerlei Frachtansprüche auf der Ware gegenüber dem legitimierten Inhaber des Durchkonnossements ruhten, und zwar, wie das Konnossement zweifelsfrei ergibt, für die ganze Beförderung bis Düsseldorf, so daß diesem ohne Rücksicht auf etwaige Frachtforderungen, mochten sie aus der gegenwärtigen oder aus anderen Beförderungen herrühren, die Ware am Bestimmungsort Düsseldorf ausgehändigt werden mußte (HGB. §§ 645 flg.; S c h a p s a. a. O . § 651 Anm. 2, 12). Denn die im Durchkonnossement enthaltene Klausel „franko Fracht" geht als besondere Vorschrift der Bestimmung vor: „Die Weiterbeförderung ab Rotterdam nach Düsseldorf erfolgt auf Grund der Bedingungen der am Weitertransport beteiligten und durch die Firma J. O. & Zoons (die Beklagte) vertretenen Reederei und/oder Transportgesellschaft." Ebenso geht sie der gleichfalls im Konnossement enthaltenen Bezugnahme aiuf den Frachtvertrag vom 28. November 1929 (zwischen M. und der Klägerin) vor. Dieser Inhalt des Durchkonnossements war im Verhältnis zu seinem legitimierten Inhaber sowohl für die Beklagte als audi für die von ihr vertretene Firma L. & Cie. AG. als die Verladerin der Ware ab Rotterdam insofern maßgebend, als die letzteren beide nur auf Grund des Durchkonnossements in den Besitz der Ware gelangt waren und nur auf Grund dieses Papiers die Ware von Rotterdam nach Düsseldorf weiterbefördern durften. So enthält denn auch, wie das Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben hat, der Ladeschein (Rheinkonnossement) die Klausel „Fracht von — franko" und „Nachnahme von — keiner" ( S c h a p s a. a. O. § oder ein Hilfslohn gefordert werden? Wann kann man sagen, daß die Besatzung das Schiff „verlassen" habe? B S & G . § § 93, 96. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Februar 1904. I. Landgericht Hamburg. —

II. Oberlandesgeridit daselbst.

Die Flußschlepper „August" und „Ferd. W. Trees" waren am 25. November 1902 damit beschäftigt, einen aus vier Fahrzeugen bestehenden Sdileppzug von Hamburg nach Elmshorn zu sdileppen. Unweit der Lühe geriet man in Nebel. Die Dampfer kamen auf einer Sandbank fest, was zur Folge hatte, daß die beiden ersten Anhangsfahrzeuge gegen die Vordersdiiffe stießen. Das zweite Anhangsfahrzeug, die mit Gerste beladene Kastenschute „Max Karl", erhielt dadurch vorn ein Leck, durch das Wasser in den Raum drang. Es gelang indes, das Leck notdürftig zu dichten und die Schute vor Anker zu bringen. Der Führer der Schute ging dann auf eins der anderen Fahrzeuge über. Der Schlepper „Ferd. W. Trees" fuhr inzwischen nach der Lühe, um von dort aus nach Hamburg um Hilfe zu telegraphieren. Der Schlepper „August" suchte die anderen durcheinander geratenen und durch die Flut abgetriebenen Fahrzeuge wieder geordnet ans Tau zu bekommen, was bei Nebel und Eisgang einige Mühe machte. Als der Dampfer dies erreicht hatte, kehrte er nach etwa % Stunden zum „Max Karl" zurück. In dieser Zwischenzeit aber hatte der dem Kläger gehörige Flußschlepper „ O l g a " von dem „Max Karl" Besitz ergriffen. Die „Olga" hatte auf der Fahrt von Brunshausen nach Hamburg den „Max Karl" passiert. Der Führer legte Iängsseite, überzeugte sich, daß niemand an Bord war, und daß im Raum 2 bis 3 Fuß Wasser stand, und beschloß daher, das Fahrzeug, um es mit der Ladung in Sicherheit zu bringen, an Strand zu setzen. Er hatte die Ankerkette bereits abgestemmt und über Bord gehen lassen, auch sein Tau befestigt, als der „August" her-

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ankam und die Herausgabe des Fahrzeugs forderte. Diese wurde indes verweigert. Die „Olga" brachte dann auch den „Max Karl" nach Schulau und setzte ihn dort auf den Strand. Die Gerste wurde in Auktion verkauft. Gestützt auf die von der „Olga" aufgewandte Arbeit zur Rettung von Schiff und Ladung forderte der Kläger einen Bergelohn von 2000 M, eventuell aber Hilfslohn. Die Beklagten bestritten das Vorliegen eines Bergungsfalles oder einer Hilfeleistung in Schiffahrtsnot. In der Berufungsinstanz war die Klage abgewiesen worden. Die Revision blieb ohne Erfolg. Aus den G r ü n de n : „Anspruch auf B e r g e l o h n wird nach § 93 BSdiG. in zwei Fällen gewährt: 1. wenn ein in Gefahr befindliches, von der Schiffsbesatzung verlassenes Schiff geborgen ist, und 2. wenn aus einem solchen, vom Untergang unmittelbar bedrohten Schiff Ladung geborgen wird. Nach den Behauptungen des Klägers soll es sich hier um den ersten Fall handeln. Voraussetzung für den Anspruch auf Bergelohn ist demnach 1. daß der „Max Karl" ein in Gefahr befindliches Schiff war, und 2. daß er von der Schiffsbesatzung verlassen war. Sollte eine dieser Voraussetzungen fehlen, so kann von Bergelohn keine Rede sein. Das Oberlandesgericht hat angenommen, daß beide Voraussetzungen fehlen. Was die erste Voraussetzung anlangt, so geben die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu dem Bedenken Anlaß, daß der Begriff der Gefahr verkannt sei. Das Oberlandesgericht stellt nur in Abrede, daß sich der „Max Karl" in einer u n m i t t e l b a r e n Gefahr befunden habe. Eine u n m i t t e l b a r e Gefahr aber fordert das Gesetz für den ersten Bergungsfall im deutlichen Gegensatz zum zweiten nicht. Dies Bedenken kann indes nicht zur Aufhebung des Urteils führen, da dem Berufungsgericht in der Verneinung der zweiten Voraussetzung zuzustimmen ist. Während für das Seerecht durch § 740 HGB. diese Voraussetzung dahin bestimmt ist, daß das Schiff „der Verfügung der Schiffsbesatzung entzogen oder von ihr verlassen war", spricht das Binnenschiffahrtsgesetz nur davon, daß das Schiff „von der Schiffsbesatzung

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verlassen" ist. Die Abweichung in der Fassung des Gesetzes, die schon der erste Entwurf enthielt, wird in dessen Begründung (S. 116) damit gerechtfertigt, daß bei der Binnenschiffahrt die Fälle, wo eine Vergütung wegen Bergung beansprucht werden könne, enger als im Seeredit begrenzt werden müßten. Eine solche Einschränkung rechtfertige sidi durch die bei der Binnenschiffahrt besonders naheliegende Gefahr, daß Schiffe oder Ladungsgüter, die zeitweise von der Besatzung unbeaufsichtigt gelassen seien, unter dem Vorwand der Bergung von Unbefugten ohne Not in Besitz genommen werden könnten, um demnächst hieraus einen Anspruch auf Bergelohn abzuleiten. Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Binnenschiffahrtsgesetz unter einem „von der Schiffsbesatzung verlassenen" Schiff nicht jedes Schiff hat verstehen wollen, auf dem in einem gegebenen Zeitpunkt tatsächlich die Mannschaft nicht anwesend ist, daß, mit anderen Worten, die körperliche Entfernung der Schiffsbesatzung allein nicht ausreicht, um diese Voraussetzung eines Bergungsfalles zu erbringen, wobei bemerkt werden mag, daß dies in der Literatur auch für das Seeredit angenommen wird. Vgl. B u r c h a r d , Bergung und Hilfeleistung in Seenot S. 201. Vielmehr wird das „Verlassen" des Schiffes im Sinne einer Besitzaufgabe verstanden werden müssen. Das Schiff muß ohne menschliche Aufsicht, gleichsam eine „verlorene Sadie" (§ 965 BGB.) sein. Vgl. M i t t e l s t e i n , Binnenschiffahrtsrecht 2. Aufl. Bd. 1 S. 397. Nach § 8 56 Abs. 2 BGB. aber wird der Besitz durch eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt nicht beendigt. Eine derartige Sachlage aber ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts. Die Besatzung ist erst von Bord gegangen, nachdem das Leck vorläufig gedichtet, und der Anker ausgebracht war. Der Schleppdampfer „August" war mit den anderen drei Schuten in unmitelbarer Nähe. Er wollte diese, die, als die Flut stieg, ins Treiben geraten waren, wieder ins Schlepptau nehmen und dann zum „Max Karl" zurückkehren, was auch innerhalb % Strunden geschah. Inzwischen war die Lage des „Max Karl" — von dem Eingreifen der „Olga" abgesehen — unverändert geblieben. Er befand sich noch an derselben Stelle, wo man ihn zurückgelassen. Eine Besitzaufgabe war weder beabsichtigt, noch tatsächlich verwirklicht. Nur der herrschende Nebel konnte die irrige Meinung erzeugen, das Schiff sei „verlassen". Tatsächlich war es nicht verlassen.

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Sdiiffahrtsredit

Der Vertreter der Revision hat geltend gemacht, daß es nicht auf die objektive Sachlage, sondern darauf ankomme, wie die Sachlage dem Führer der „Olga", als er den „Max Karl" antraf, erscheinen mußte. Das Urteil des Berufungsgerichts läßt eine Feststellung hierüber vermissen. Gleichwohl kann auch diese Rüge zu einer Aufhebung de» Urteils nidit führen. Selbst wenn der Satz richtig wäre, von dem die Revision ausgeht — was unerörtert bleiben mag —, so würde sich daraus höchstens ergeben, daß, wenn die beabsichtigten Rettungsmaßnahmen der „ O l g a " , o h n e d a ß d e r e n B e s a t z u n g ü b e r d i e w a h r e S a c h l a g e a u f g e k l ä r t w o r d e n w ä r e , ganz oder teilweise zur Ausführung gelangt wären, der „Olga" ein Bergelohn nicht abzusprechen sein möchte. So liegt der vorliegende Fall aber nicht. Vielmehr ergibt sich aus den Feststellungen des Oberlandesgerichts, daß kurze Zeit, nachdem die Besatzung der „Olga" an BoTd gegangen war, der Schlepper „August" mit den anderen Schuten wieder längsseit des „Max Karl" kam und dessen Freigabe forderte. Der Irrtum, worin sich der Führer der „ O l g a " befunden haben mochte, wurde hierdurch also aufgeklärt, und zwar zu einer Zeit, als mit der Ausführung der Rettung noch nicht begonnen war. Daß man inzwischen einen Mann an die Pumpe beordert hatte, ist, wie das Oberlandesgericht feststellt, bedeutungslos gewesen. Das Abstemmen der Ankerkette aber, das die Preisgabe von Anker und Kette zur Folge hatte, kann als eine für die Rettung erfolgreiche Maßnahme nicht in Betracht kommen. Die zuletzt erwähnten Umstände führen weiter zu dem Ergebnis, daß der „Olga" auch ein Hilfslohn nicht zuerkannt werden kann. Denn nach § 96 BSchG. hat auf Hilfslohn keinen Anspruch, wer seine Dienste aufgedrungen hat. Dies aber trifft für die tatsächlich durchgeführten Rettungsmaßnahmen der „ O l g a " zu. Sie sind erst nach dem Zeitpunkt ins Werk gesetzt, als die Besatzung des Schleppzuges wieder zur Stelle war, der Hilfeleistung widersprach und die Herausgabe der Schute forderte. Wenn der Kläger endlich versucht hat, den Ersatz der von ihm bei der Durchführung der Rettung bestrittenen Auslagen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e Auftrag zu fordern, so ist auch diese Klagebegründung vom Berufungsgericht auf Grund des festgestellten Sachverhältnisses mit Recht zurückgewiesen worden. Da die Geschäftsführung dem Willen des Geschäftsherrn nicht entsprach, würde nach §§ 683, 6 8 4 BGB. höchstens ein Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gegeben sein. Ein

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solcher Anspruch aber ist nicht erhoben, und es fehlt an allen zu seiner Begründung erforderlichen Behauptungen." . . . R G Z . 58, 190. Begründet die Rettung eines Binnenschiffes aus einer Schiffahrtsnot auch dann einen Ansprudi auf Hilfslohn, wenn die Rettung von einem anderen Schiff desselben Eigentümers bewirkt wird? Welche Bedeutung kommt in diesem Falle einem Vertrag zu, der zwischen den Führern der beiden Schiffe über die Rettung und ihre Belohnung abgesdilossen ist? BSchG. §§ 93, 94, 97, 102. HGB. §§ 740, 744, 751, 754, 819, 834. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 30. Mai 1904. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger war Eigentümer zweier Flußschlepper, „Lima" und „Hertha". Am 11. Februar 1901 schleppte die „Lima" bei schwerem Eisgang den Dampfer „Allegro", der wegen eines Maschinenschadens nicht manövrierfähig war, von Brunsbüttel nach Hamburg. Unweit Stade wurde auch die „Lima" selbst manövrierunfähig, indem der Schaft am Hintersteven brach, und die Schiffsschraube verloren ging. Der Anker wurde ausgeworfen, hielt aber nicht. Beide Schiffe kamen ins Treiben und in die Gefahr, auf Sandbänke zu geraten. Inzwischen kam die „Hertha" mit einem nach Itzehoe bestimmten Leichter elbabwärts. Die drei Schiffsführer unterhandelten miteinander, und nachdem sowohl der „Allegro" als auch die „Lima" der „Hertha" einen Hilfslohn von je 4500 M zugesichert hatten, übernahm diese die Rettung beider Fahrzeuge. Sie brachte zunächst ihren Leichter in der Mündung der Schwinge in Sicherheit, nahm alsdann den „Allegro" und die „Lima" ans Tau und brachte beide zurüdc nach Hamburg. Der Kläger hatte die „ L i m a " bei der Beklagten versichert und forderte von dieser die Bezahlung des Hilfslohns von 4500 M, sowohl auf Grund des Abkommens zwischen den beiden Schiffsführern, als auch als angemessenen Hilfslohn. Die Beklagte bestritt, daß ein Hilfslohnfall vorliege, und daß der Kläger für die Dienste, die er mit einem ihm selbst gehörigen Schiff einem anderen ihm gehörigen Schiff geleistet habe, Ersatz fordern könne. Der Vertrag der Schiffsführer, die beide in des Klägers Diensten ständen, sei nicht ernstlich gemeint und eventuell nach § 138 Abs. 2 BGB.

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nichtig. In zweiter Linie wurde geltend gemacht, daß die geforderte Summe stark übersetzt sei. Nach Vernehmung dreier Zeugen und eines Sachverständigen verurteilte das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 4500 M. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht zunächst durch Zwischenurteil die Begründung des Klageanspruchs auf den zwischen den Führern der Dampfer „Hertha" u n d „Lima" abgeschlossenen V e r t r a g über Hilfslohn zurück. Demnächst wurde durch Endurteil die Verurteilung der Beklagten nur für einen Betrag von 600 M aufrecht erhalten, der Kläger aber mit der Mehrforderung abgewiesen. Auf die Revision des Kläges verurteilte das Reichsgericht die Beklagte im ganzen zur Zahlung von 1500 M, hielt die Abweisung der Klage für 2700 M aufrecht und wies wegen 300 M die Sache in die Berufungsinstanz zurück. Gründe: „Die Parteien streiten nicht darüber, daß die Beklagte auf Grund der von ihr übernommenen Versicherung des Schleppers „Lima" verpflichtet sein würde, dem Kläger einen Hilfslohn zu ersetzen, der zur Rettung des Schleppers aus einer Schiffahrtsgefahr aufgewendet werden mußte oder doch nach §§ 97, 102 Ziff. 3 BSdiG. sich als eine auf dem Schlepper lastende Schiffsschuld darstellen würde. Beanstandet wird der Klageanspruch nur mit Rücksicht darauf, daß es der Schiffseigner der „Lima" selbst ist, der mit der ihm ebenfalls gehörigen „Hertha" die Hilfe geleistet hat. Die Beklagte führt aus, daß der Eigentümer eines Binnenschiffes durch die Hilfe, die er mit diesem Schiff einem anderen, ihm ebenfalls gehörigen Schiff leiste, nicht ein Forderungsredit gegen sich selbst erwerben könne. Dem ist das Oberlandesgericht beigetreten. Es hat nur insofern einen Anspruch des Klägers aus der Versicherung anerkannt, als der Kläger wirkliche Aufwendungen zur Rettung der „Lima" gemacht habe. Denn nach § 819 HGB. sei er auf Grund des Versicherungsvertrags verpflichtet gewesen, für die Rettung des versicherten Schiffes tunlichst zu sorgen, und die hierfür aufgewendeten Kosten seien ihm nach § 834 Ziff. 3 HGB. vom Versicherer zu ersetzen. Während demnach, wie das Oberlandesgericht ausdrücklich feststellt, der Lohn, der dem Schiff eines anderen Eigentümers für die der „Lima" geleistete erfolgreiche Hilfe nach den in § 94 Abs. 4 BSchG. näher angegebenen Gesichtspunkten zuzubilligen sein würde, auf 1500 bis 1800 M zu schätzen sei, sind dem Kläger nur 600 M zugesprochen, nämlich 150 M für den Nachteil, den er durch die Unterbrechung der

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Sdileppfahrt des Leichters, den die „Hertha" in der Schwinge unterbrachte, erlitten habe, und 450 M für Kohlenverbraudi, Abnutzung der Maschine und Mannschaftslöhnung. Soweit sie zuungunsten des Klägers lautet, ist diese Entscheidung reditlidi unhaltbar. Für das S e e r e c h t ist durch Urteil des Reichsgerichts vom 6. Juli 1892 (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 32 S. 4 flg.) anerkannt, daß dem Reeder eines Schiffes, durdi dessen Hilfe ein in Seenot geratenes anderes Schiff desselben Reeders gerettet ist, ein Ansprudi auf Hilfslohn zusteht, und daß der Reeder des geretteten Schiffes für den Hilfslohn, der ihm als Reeder des rettenden Schiffes gebührt, vom Versicherer des geretteten Schiffes Ersatz verlangen kann. Die dem früheren Handelsgesetzbuch entnommenen Rechtssätze, mittels deren dieses Ergebnis gewonnen ist, sind unverändert in das jetzt geltende Handelsgesetzbuch übergegangen. Die T a t s a c h e der Bergung und Hilfeleistung begründet unabhängig von einem Vertrag nadi § 740 einen Rechtsanspruch. Die „dritten Personen", von denen dieser Paragraph spridit, deuten nur auf den Gegensatz zur Besatzung des notleidenden Schiffes. Der aus der Bergung oder Hilfeleistung entstehende dinglidie Ansprudi gegen das Sdiiffsvermögen (§§ 751, 754 Ziff. 4 HGB.) als gegen ein Sondergut des Reeders kann nadi Analogie der Eigentümerhypothek und der Einlösung des Bodmereibriefs durch den Reeder sehr wohl auch dem Reeder selbst zustehen. Ohne Zulassung eines rechten Berge- und Hilfslohnansprudis würde der Reeder unter Umständen kein Interesse daran haben, die Existenz eines zweiten Schiffes an das gefährdete erste Schiff zu wagen; der Anreiz zu solcher Rettung aber ist der Beweggrund für die gesetzliche Aufstellung des Anspruchs und für die Ausgestaltung des Rechtsinstituts als gewagten Geschäfts auf egoistischer Grundlage. Mit der Zulassung des Anspruchs ergibt sidi aber auch ohne weiteres die Haftung des Kaskoversidierers, da für das Versicherungsverhältnis die verschiedenen Sondervermögen der mehreren Schiffe eines Eigentümers in ihrem getrennten Bestand zu betrachten sind. Aus den §§ 819, 8 34 Ziff. 3 HGB. etwas anderes ableiten zu wollen ist rechtsirrtümlich, weil eine Scheidung der nadi § 744 im Berge- oder Hilfslohn steckenden verschiedenen Elemente untunlich und willkürlich ist, und demnach die in § 834 Ziff. 3 erwähnten „Kosten" den ganzen Hilfslohn umfassen würden. Die angezogenen Bestimmungen des Seeversidierungsredits passen aber hier überhaupt nicht, weil sie sich nur auf pflichtmäßige Rettungsmaßnahmen beziehen, der Versicherte aber dem Versicherer gegenüber nicht verpflichtet ist, ein gewagtes Geschäft mit einem an-

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Schiffahrtsrecht

deren Schiff zu machen und dieses aufs Spiel zu setzen, um das versicherte Schiff zu retten. Nadi dem Reichsgesetz über die Verhältnisse der B i n n e n s c h i f f a h r t aber ist der Anspruch auf Berge- und Hilfslohn — abgesehen von nebensächlichen, hier nidit weiter in Betracht kommenden Abweichungen — ebenso geregelt und ausgestaltet, wie im Handelsgesetzbuch für die Verhältnisse der Seeschiffahrt. Die Tatsache der Rettung begründet nach § 93 den Anspruch. Er wird seinem Betrag nach aus den gleichen Gesichtspunkten bestimmt (§ 94 Abs. 4), hat dinglichen Charakter (§ 100) und gewährt die Rechte eines Schiffsgläubigers an dem durch das Flußschiff repräsentierten Sondervermögen (§§ 9 7 , 102 Ziff. 3). Wie das Reichsgericht durch Urteil vom 2. Dezember 1899 (Entsdi. des RG.'s in Zivils. Bd. 45 S. 50 flg.) bereits ausgesprochen hat, ist daher ebenfalls für das Recht der Binnenschiffahrt anzuerkennen, daß dem Schiffseigner, der sein Schiff mit einem anderen ihm gehörigen Fahrzeug aus einer Schiffahrtsnot rettet ( § 9 3 Abs. 2), ein Hilfslohnanspruch zusteht. Die angefochtene Entscheidung ist demnach insofern fehlsam, als sie bei dem Ersatzanspruch des Klägers zwischen Aufwendungen im engeren Sinne und eigentlichen Hilfslohn unterscheidet. Diese Unterscheidung ist in Wegfall zu bringen, und da das Oberlandesgericht bereits ausgesprochen hat, daß für die geleistete Rettung nach § 94 BSchG., wenn der Kläger nicht selbst auch Eigentümer des geretteten Schiffes wäre, ein Hilfslohn von 1 5 0 0 bis 1 8 0 0 M angemessen sein würde, gegen diese Annahme auch Bedenken nicht obwalten, so kann durch Zubilligung des genannten geringeren Betrags sogleich in der Sache selbst erkannt weiden. O b innerhalb des Spielraums, den diese Schätzung läßt, dem Kläger noch mehr zuzusprechen ist, muß allerdings einer weiteren Entscheidung des Oberlandesgerichts überlassen bleiben. Unbedenklich zuzustimmen aber ist dem Oberlandesgericht darin, daß der „ V e r t r a g " über die Vornahme und über die Belohnung der Rettung, der zwischen den Führern der beiden dem Kläger gehörigen Schiffe „Hertha" und „Lima" abgeschlossen worden ist, rechtlich ohne Bedeutung und insbesondere außerstande ist, den Ansprüchen des Klägers aus dem Versicherungsvertrag eine selbständige Stütze, namentlich auch in bezug auf die Höhe des Hilfslohns, zu gewähren. Subjekt der Rechte und Pflichten, die aus einem Vertrag erwachsen, den der Schiffer innerhalb seiner gesetzlichen Vertretungsmacht abgeschlossen hat, ist -stets der Reeder oder Schiffseigner, auch dann, wenn er für die Obliegen-

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heiten aus dem Vertrag nicht „persönlich", sondern nur mit Schiff und Fracht einzustehen hat. Nur als Vertreter des Reeders oder Schiffseigners handelt der Schiffer innerhalb des Bereichs seiner Vollmadit. Da aber niemand mit sich selbst einen Vertrag abschließen kann, ist es auch rechtlich unmöglich, einer Verabredung zwischen zwei Vertretern desselben Rechtssubjekts die Bedeutung eines rechtlich bindenden Vertrags beizulegen. Und dies ist auch für den Fall anzuerkennen, daß die die Vertreter durch ihre Rechtshandlungen nicht das Gesamtvermögen des Vertretenen, sondern nur verschiedene Sonderbestandteile aus diesem Vermögen obligieren können, wie es nach See- und Binnenschiffahrtsrecht beim Sdiiffer zutrifft. Wenn das Gesetz diese Sondervermögen auch selbständig abgrenzt, und wenn in beschränktem Umfang anzuerkennen ist, daß auch dem Inhaber selbst ein Anspruch gegen das Sondervermögen zustehen kann, so bildet dodi dies schon eine Ausnahme, die nur aus der besonderen Natur des betreffenden Anspruchs abgeleitet werden kann. Vgl. die Ausführungen in dem bereits angeführten Urteil Entsdi. a. a. O . Bd. 4 5 S. 54 u. 5 5, wo trotz der Einräumung eines Anspruchs auf Hilfslohn ein Anspruch aus einem Zusammenstoß rwisdien zwei Schiffen desselben Reeders oder Schiffseigners versagt worden ist. Für die Anerkennung der Rechtswirksamkeit von Verträgen zwischen dem Reeder oder Sdiiffseigner einerseits und seinem durch das Schiff dargestellten Sondervermögen andererseits lassen sich schon im allgemeinen weder Gründe der Billigkeit, noch sonstige aus legitimen Interessen abgeleitete Gesichtspunkte anführen. Völlig aber fehlen solche Gesichtspunkte in dem hier vorliegenden Falle, wo es sich um ein Abkommen zwischen zwei Schiffsführern desselben Schiffseigners über den Betrag einer Lohnforderung handelt, für deren angemessene Bestimmung das Gesetz selbst die nötige Handhabe bietet." RGZ. 62, 373. Sdiiffseigner im Sinne des § 2 des Binnenschiffahrtsgesetzes (Aasrüster). Tragweite der Bestimmung im Abs. 2 dieses § 2. Rechtskraftwirkung eines auf Grund eines Schiffsgläubigeranspruchs gegen einen gewesenen Ausrüster erstrittenen Urteils. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 10. Februar

I. Landgericht Duisburg. —

II. Oberlandesgericht

1906. Hamm.

Der Kläger war Eigentümer des Kahns „Frieda Ludwig". Dieser wurde am 18. April von dem Schleppdampfer „Boreas" auf dem Rhein geschleppt und beim Passieren der Eisenbahnbrücke bei Worms infolge SchlfTahnsrccht II

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Versehens der Besatzung des „Boreas" mit großer Gewalt gegen einen Brüdcenpfeiler geschleurdert und dadurch sdiwer beschädigt. Der „Boreas" stand damals im Eigentum des Reeders J. L. in Ruhrort, wurde aber zur Schiffahrt verwendet von der Firma R. K. & Co. in Duisburg. Nach der vorinstanzlichen Feststellung hatte diese Firma den Dampfer von J. L. für die Zeit vom 7. Januar 1901 bis zum 8. Januar 1902 gemietet. Auf Grund einer vom Kläger im März 1902 erhobenen Klage war die Firma R. K. & Co., die ihrerseits dem J. L. den Streit verkündet hatte, durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 11. November 1903 zu einer Schadensersatzzahlung von 2500,11 M nebst Zinsen mit der Maßgabe verurteilt worden, daß sie nur mit dem Schiff „Boreas" und der Fracht hafte. Eigentümerin des „Boreas" war seit dem 2. Februar 1902 die Ehefrau L., die Nebenintervenientin, seit dem 6. Oktober 1902 die Beklagte. Mit der gegen sie gerichteten, im Juni 1904 erhobenen Klage wurde beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in den Dampfer wegen der Forderung von 2500,11 M nebst Zinsen zu gestatten. Sie wurde gestützt einmal auf das erwähnte Urteil vom 11. November 1903 und in zweiter Linie unmittelbar auf die §§ 1, 3, 4 Nr. 3, 102 Nr. 5 des Binnenschiffahrtsgesetzes. Die Beklagte wandte ein, daß es sich um eine Rheinschiffahrtssache handle, und daher die ordentlichen Gerichte nicht zuständig seien, widersprach aber auch sachlich der Klage. Vom Landgericht wurde die Klage abgewiesen, und vom Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auch die Revision wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : „Das Berufungsgericht hat den Einwand der Beklagten, daß der Streit der Parteien nicht vor die ordentlidien Gerichte gehöre, insoweit, als er auch dem auf das Urteil im Vorprozeß gestützten Anspruch entgegengesetzt worden ist, verworfen und diesen Anspruch in Übereinstimmung mit dem Landgericht deshalb abgewiesen, weil die Beklagte des Vorprozesses zur Zeit der Erhebung der Klage gegen sie nidit mehr Ausrüsterin des „Boreas" und darum für die Klage des Schiffsgläubigers nicht mehr passiv legitimiert gewesen sei.

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Über die rechtliche Natur des Schiffsgläubigeranspruchs ist man in der Theorie zu einem Einverständnis bisher nidit gelangt 1 ). Der Revisionskläger glaubt sich für die Ansicht entscheiden zu müssen, daß das Recht des Schiffsgläubigers sich nicht in dem Pfandrecht am Sdiiffsvermögen, das gegen den jeweiligen Reeder (Schiffseigner) geltend zu machen sei, erschöpfe, sondern daneben ein persönliches Forderungsrecht bestehe, das gegen denjenigen, allerdings auch nur mit Schilf und Fracht haftenden, Reeder (Schiffseigner) sich richte, in dessen Person der Verpflichtungsgrund wirksam geworden sei. Er enthält deshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig. Allein zu der von der Revision berührten Streitfrage braucht hier keine Stellung genommen zu werden. Mag sie im Sinne der Revision zu beantworten sein, oder nicht, so ist im Ergebnis der Entscheidung des Berufungsgerichts jedenfalls aus dem Grunde beizutreten, weil das im Vorprozeß erstrittene Urteil der Rechtskraft gegen die jetzige Beklagte entbehrt. Daraus, daß die frühere Beklagte nicht mehr Schiffseignerin (Ausrüsterin des „Boreas") war, als gegen sie Klage erhoben wurde, folgt ohne weiteres, daß die Bestimmung des § 325 Abs. 1 ZPO., wonach das rechtskräftige Urteil für und gegen die Parteien und diejenigen Personen wirkt, die n a c h dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind, hier nicht zur Anwendung gelangen kann. Von den Erweiterungen dieser Regelbestimmung, welche die Zivilprozeßordnung zuläßt, trifft keine hier zu; insbesondere ist eine Heranziehung der §§ 68 und 74 Abs. 3 Z P O . von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil die Streitverkündung im Vorprozeß nicht der Kläger, sondern die damalige Beklagte vorgenommen hatte, und außerdem derjenige, dem der Streit verkündet wurde, damals gar nicht mehr Eigentümer des „Boreas" war. Aber auch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 BSchG., auf die der Revisionskläger sich beruft, läßt sich hier nicht verwerten. Dieser Vorschrift ist nur zu entnehmen, daß im Falle der Verwendung eines Schilfes zur Binnenschiffahrt durch einen anderen als den Eigentümer des Schiffes dieser letztere, wofern er nicht den freigelassenen Beweis führt, einen aus der Verwendung hergeleiteten Schiffsgläubigeranspruch nicht auf Grund seines Eigentums bestreiten und, wenn gegen den Ausrüster zur Zwangsvollstreckung in das Schiff geschritten wird, dagegen nicht mit Erfolg die Widerspruchsklage des § 771 Z P O . erheben kann. Die Frage, auf die es im vorliegenden Falle ankommt, läßt der § 2 Abs. 2 BSdiG. unberührt." . . . ') Siehe darüber insbesondere P a p p e n h e i m , S. 2 9 0 flg.

H a n d b u c h dos Seerechts Bd. 2

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Schiffahrtsredit

RGZ. 63, 30S. 1. Bedeutung des § 3 des Binnenschiffahrtsgesetzes. 2. Schadensersatzanspruch der Ladung eines geschleppten Fahrzeugs gegen den Schlepper. Kann sich der Schlepper einem solchen Anspruch gegenüber auf Befreiungsklauseln im Schleppvertrag berufen? BSchG. §§ 3, 4, 7. BGB. §§ 276, 823 Abs. 1. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 16. Mai 1906. I. L a n d g e r i c h t

II B e r l i n . —

II. K . i m m e r ^ c r i \ T i :

daselbst.

Die Klägerin hatte im April 1900 in einem -der Witwe Br. gehörigen R u ß k a h n 1600 Sack Rohzucker verfrachtet. Führer des Kahns war der Schiffer N. Dieser schloß mit dem Beklagten einen Schleppvertrag für die Strecke von Spandau bis Havelort. Der Kahn wurde als viertes Anhangsfahrzeug von dem beklagtischen Schlepper „Auguste" mitgenommen. Bei der Durchfahrt unter der Eisenbahnbrücke bei Rathenow geriet der Kahn gegen einen Brückenpfeiler und sank. Die Ladung wurde beschädigt und konnte nur zum Teil geborgen werden. Die Ladung gehörte der Firma L. B. & Söhne zu Hamburg. Auf Grund einer Zession dieser Firma nahm die Klägerin den Beklagten auf Ersatz des Ladungsschadens in Anspruch, indem sie geltend machte, daß der Führer des Schleppers, Steuermann Gr., das Brückenjoch unrichtig angesteuert und durch diese Vernachlässigung seiner Pflichten den Schaden verursacht habe. Die Beklagte bekämpfte die Klage u. a. auch deswegen, weil der Schleppvertrag mit der Klausel geschlossen sei, daß sich der Kahnführer für etwa entstehende Schäden nur an deren Urheber, nicht aber an sie (die Beklagten) halten könne. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, in zweiter Instanz aber unter Beschränkung der Haftung des Beklagten mit Sdiiff und Fracht dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Das Reichsgericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : ,,Die Begründung des Berufungsurteils ist nicht frei von Rechtsirrtum, die Entscheidung selbst aber stellt sich aus anderen Gründen als gerechtfertigt dar, so daß die Revision nach § 563 Z P O . zurückzuweisen war. Das Berufungsgericht hat den Vorwurf, der Führer des Schleppers habe den Unfall des Br.'sehen Kahns durch fahrlässige Steuerung verursacht, für begründet erachtet. Es sieht die Firma L. B. k Söhne, aus

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deren Rechten die Klage erhoben ist, als Ladungsbeteiligte an und folgert aus § 7 BSchG., daß der Führer des Schleppers auch dieser Firma gegenüber verpflichtet sei, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden, und daß er ihr für jeden durch die Vernachlässigung dieser Sorgfalt entstandenen Schaden hafte. Der Beklagte aber sei für diesen Schaden nach den §§ 3 und 4 BSchG. in der Weise verantwortlich, daß er mit Schiff und Fracht hafte. Gegenüber dieser gesetzlichen Haftung k o m m e die Befreiungslclausel des Schleppvertrags nicht in Betracht, da L. B. Sc Söhne Rechte nicht aus dem Schleppvertrag ableiteten. Aus dieser Begründung ergibt sich, daß der Berufungsrichter nicht verkannt hat, daß durch § 3 BSchG. nicht eine selbständige Deliktsklage gegen den Schiffseigner geschaffen ist, die nur von dem Nachweis eines Dienstverschuldens der Schiffsbesatzung abhinge. Der Gedanke des Gesetzes ist nur der, daß, wenn dem geschädigten Dritten auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen ein Ersatzanspruch gegen die schuldige Person der Schiffsbesatzung gegeben sei, auch der Schiffseigner für diesen Anspruch haften solle, und zwar in der aus § 4 ersichtlichen Beschränkung. Nachgebildet ist der § 3 der seerechtlichen Vorschrift des § 485 HGB. (früher Art. 451), für die dieser Grundsatz stets anerkannt worden ist (Entsdi. des RG.'s in Zivils. Bd. 9 S. 162); das Reichsgericht hat ihn auch für § 3 BSchG. in dem Urteil vom 22. Juni 1901 in der Sache Rep. I 82/01 (Jurist. Wochenschr. S. 619 Nr. 8) bereits zur Anwendung gebracht. Der Anspruch gegen die Person der Schiffsbesatzung, für den der Schiffseigner nach § 3 einzutreten hat, kann seinen Reditsgrund in besonderen Bestimmungen ders Binnensdiiffahrtsredits haben. Dahin gehört die Haftung des Schiffers für gehörige Sorgfalt in der Ausführung «einer Dienstverrichtungen, die nach § 7 auch gegenüber den Ladungsbeteiligten (Absender und Empfänger) besteht. Ein Irrtum des Berufungsgerichts aber ist es, daß dieser Fall hier vorliege. L. B. &. Söhne waren zwar Ladungsbeteiligte im Sinne von § 7 gegenüber dem Br.'sehen Kahn, in dem der Zudcer verfrachtet war. Der Schlepper aber, dessen Dienste der Br.'sche Kahn zur Ausführung der Frachtreise in Anspruch genommen hatte, stehen sie nicht als Ladungsbeteiligte gegenüber. Eine Ladung des Schleppzugs, die dem Schlepper anvertraut wäre, gibt es nicht, und ebensowenig liegt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Absender oder Empfänger der Kahnladung einerseits und dem verklagten Schleppschiffahrtsunternehmer andererseits vor. Aber der Anspruch des Geschädigten gegen die Person der Schiffsbesatzung, der die Grundlage der Klage aus § 3 bilden muß, kann seinen

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Rechtsgrund auch in Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts haben. In dieser Beziehung kamen vor 1900 in den gemeinrechtlichen Gebieten vor allem die Bestimmungen des Aquilischen Gesetzes in Frage. Jetzt treten an deren Stelle die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über unerlaubte Handlungen, insbesondere die §§ 823 und 826 BGB. Das vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhältnis aber ergibt ohne weiteres, daß hier ein unter § 823 Abs. 1 BGB. fallender Tatbestand vorliegt. Der Steuermann Gr., dem die Führung des Schleppers „Auguste" oblag, hat fahrlässig das Eigentum der Firma L. B. & Söhne widerrechtlich verletzt. Er ist daher der Klägerin, an die L. B. & Söhne ihre Rechte abgetreten haben, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet; und weil sich die Fahrlässigkeit des Steuermanns als ein Verschulden in der Ausführung seiner Dienstverrichtungen darstellt, ist auch der Beklagte nach § 3 BSchG. für den Schaden mit verantwortlich. Die Revision will dies freilich nicht gelten lassen. Sie sucht auszuführen, daß von einer Fahrlässigkeit des Steuermanns Gr. nur geredet werden könne, weil und insoweit ihm durch den Schleppvertrag Pflichten gegenüber dem Br.'schen Kahn auferlegt waren. Außerhalb dieses kontraktlichen Bandes, auf das sich der Kläger nicht berufen könne, liege eine Pflichtversäumnis nicht vor. Diese Ausführung kann als richtig nicht anerkannt werden. Fahrlässig handelt nach § 276 BGB., wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Die Beobachtung dieser Sorgfalt liegt, soweit es sich um den Schutz der § S23 Abs. 1 aufgeführten Rechtsgüter handelt, jedermann ob; und wer durch ihre widerrechtliche Vernachlässigung an diesen Rechtsgütcrn geschädigt ist, dem gibt das Gesetz den Ersatzanspruch. Für diesen Ersatzanspruch des Geschädigten ist es ohne Bedeutung, ob sich die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Verhältnis des Schädigers zu einem Dritten zugleich als eine Vertragsverletzung darstellt. Daß Gr. aus dem Schleppvertrag, den er mit dem Br.'schen Kahn abgeschlossen hatte, diesem verpflichtet war, bei der Navigierung des Schleppzuges die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden, ist richtig. Kraft Gesetzes aber lag ihm außerdem audi die Pflicht ob, bei der Navigierung die erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um nicht fremdes Eigentum (oder das Leben oder die Gesundheit anderer) zu beschädigen. Erweist sidi die Klage durch die Vorschriften des § 3 BSchG. in Verb. m. § 823 Abs. 1 und § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB. als begründet, so muß hieraus auch weiter gefolgert werden, daß die Befreiungsklausel, die in dem Schleppvertrag Aufnahme gefunden hat, der Klage nicht ent-

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Binnenschiffahrtsrecfat

gegensteht. Wenn der Beklagte durch Vertrag mit dem Führer des Br.'sehen Kahns diesem gegenüber seine gesetzliche Haftung für ein schadcnstiftendes Verschulden der Schlepperbesatzung ausschloß, s o wurde dadurch seine allgemeine deliktische Haftung gegenüber Dritten nicht berührt. Mag der Verzicht des Kahnführers auch so auszulegen sein, daß er nicht nur dessen kontraktliche, sondern auch dessen deliktische Ansprüche umfaßt, so kann er doch immer nur auf die eigenen Ansprüche des Kahnführers bezogen werden, nicht aber auf Ansprüche der Ladung, auf die zu verzichten der Schiffer nicht legitimiert ist. O b Befreiungsklauseln in einem Frachtvertrag, den ein anderer im eigenen Namen, aber im Auftrage des Eigentümers des Frachtguts abgeschlossen hat, die deliktischen Ansprüche aus dem Eigentum mitumfassen, steht nicht zur Erörterung. Den Schleppvertrag schließt der Kahnführer nicht im Auftrage des Ladungseigentümers oder des Absenders, sondern im eigenen Interesse zur Ausführung der ihm obliegenden Frachtreise. Bei dieser Rechtslage durfte das Berufungsgericht es unentschieden lassen, ob die Behauptung des Beklagten richtig sei, daß die Befreiungsklausel auf Elbe und Havel bei allen Schleppschiffahrts-Unternehmen üblich, und dies auch den Spediteuren und Versendern bekannt sei. Audi wenn man annimmt, daß die Klägerin die Ausführung der Frachtreise durch Schlepperhilfe beim Abschluß des Frachtvertrags als selbstverständlich unterstellt hat, kann dieser Sachverhalt keinen Anlaß bieten, der Befreiungsklausel eine Ausdehnung auf die Rechte Dritter zu geben, die ihr an sich nicht innewohnt. Das Reichsgericht vermag in dieser Hinsicht den von der Revision ins Feld geführten vermeintlichen Billigkeitsrücksichten kein Gewicht beizulegen." . . . RGZ. 65, 382. Wird bei der Binnenschiffahrt die Haftung des Eigners des geschleppten Schiffes für Versehen der Besatzung des Schleppers durch § 4 Abs. 3 BSchG. gegenüber den seerechtlichen Grundsätzen eingeschränkt? I. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t

I Berlin.

Urt. v. 2 3 . März 1 9 0 7 . •— II. K a m m c r g c r i d i t

daselbst.

Am 27. März 1902 wurde der Kahn des inzwischen verstorbenen, verklagten Schiffseigners W. — an dessen Stelle im Laufe der Berufungsinstanz seine Erben in den Prozeß eingetreten sind — von dem den Nebenintervenienten gehörigen, von dem Nebenintervenienten B. geführten Dampfer „Herold" in Berlin zwischen Schilling- und Michael-

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Schiffahrtsrecht

brücke die Spree abwärts geschleppt. Der Schleppzug war anfangs in der Richtung auf den rechten Brückenpfeiler gefahren; in der Nähe der Brücke ging jedoch der Dampfer mit Backbordruder unter das rechte Brückenjoch. Der Kahn vermochte die Wendung nicht so rasch mitzumachen und rannte zunächst auf den rechts vom Pfeiler befindlichen Schutzpfahl, der brach, und dann gegen den Pfeiler selbst, wobei d k Eisenkonstruktion der Brücke beschädigt wurde. Die Klägerin behauptete, daß sowohl dem Beklagten, als Führer des Kahns, wie auch dem Nebenintervenienten B., als Führer des Dampfers, eine Schuld bei der Kollosion zur Last falle. Sie beantragte daher, die Beklagten zur Erstattung des Schadens zu verurteilen, eventuell gemäß Binnen-Sdiifffahrtsges. § § 3 , 4 Abs. 1 Nr. 3 unter Beschränkung ihrer Haftung auf den Kahn. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung und die Revision der Klägerin wurden zurückgewiesen. Gründe: „Bei Beurteilung der Sache ist zu unterstellen, daß die Kollision auf einem schuldhaft unrichtigen Manöver des Führers des Schleppdampfers „Herold", des Nebenintervenienten B., beruht. Das Berufungsgericht hat sich in dieser Beziehung der eventuell erforderlichen tatsächlichen Feststellung und rechtlichen Würdigung enthalten, weil es der Meinung ist, daß die Beklagten nach Lage des Falles nur für ein Verschulden der u n m i t t e l b a r e n Besatzung des geschleppten Kahns haftbar gemacht werden könnten und ein solches nicht gegeben sei: eine Rechtsauffassung, die den Hauptangriffspunkt der gegenwärtigen Revision bildet. Ohne weiteres darf sodann angenommen werden, obwohl es auch in dieser Beziehung an einer ausdrücklichen Feststellung fehlt, daß die Bugsierung auf Grund eines zwischen dem Kahneigner und den Nebenintervenienten als Eignern des „ H e r o l d " abgeschlossenen S c h l e p p v e r t r a g s erfolgt ist, da ein anderes Rechtsverhältnis zwischen beiden nach den tatsächlichen Umständen nicht wohl denkbar ist. Im Anschluß hieran ist davon auszugehen, daß das regelmäßig für die Bugsierung von Kähnen auf Flüssen und Kanälen geltende Vertragsverhältnis vorgelegen hat, wonach dem Führer des Dampfers die allgemeine Leitung des Schleppzugs oblag, und der Kahnschiffer verpflichtet war, den Erfolg des Unternehmens durch richtiges Nachsteuern und Wahrnehmung der ihm sonst zu Gebote stehenden zweckdienlichen Maßnahmen nach Kräften zu fördern.

Binnensdiiffahrtsredit

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Vgl. M i t t e l s t e i n , Binnenschiffahrtsrecht (2. Aufl.) Bd. 1 S. 55; B o y e n s in G o l d s c h m i d t ' s Zeitschrift Bd. 50 S. 81 flg. Dafür, daß das bei der Bugsierung von Seedampfern regelmäßig obwaltende Verhältnis, wonadi der Führung des geschleppten Schiffes die Leitung zusteht — gemäß der englischen Parömie: the tug is the servant of the tow — gegeben war, liegt nicht nur nichts vor, sondern es würde dies auch der Verteidigung der Beklagten, gegen die in dieser Richtung nichts eingewandt ist, direkt widersprechen. Endlich ist nach der einwandfreien, von der Revision nicht beanstandeten Feststellung des Berunfungsgerichts der unmittelbaren Besatzung des Kahns ein Verschulden an dem Unfall nicht zur Last zu legen. Bei dieser Sachlage muß der Revision zugegeben werden, daß gewisse in früheren Entscheidungen des Senats, Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 13 S. 117, Bd. 20 S. 84, Bd. 46 S. 42, Bd. 50 S. 33, enthaltene Sätze in ihrer konsequenten Anwendung und Weiterverfolgung wohl dazu führen würden, die Beklagten auch im vorliegenden Falle für das in Frage kommende Verschulden des B. verantwortlich zu machen. Es gilt dies besonders von den Urteilen Bd. 46 S. 42 und Bd. 50 S. 33, in denen sich der Senat im wesentlichen der in einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Hanseat. Ger.-Ztg. 1900 Hauptbl. Nr. 1) zum Ausdrude gelangten Rechtsauffassung angeschlossen hat. Dort wurde ausgesprochen: 1. Die Grundsätze, nach denen die Frage zu beantworten ist, welche Personen im gegebenen Falle zu der Besatzung des Schiffes gehören, bleiben trotz der Bestimmung in § 4 Abs. 3 BSchG. für die Binnenschiffahrt die gleichen, wie für die Seeschiffahrt. 2. Beim Schleppzug ist die Besatzung des einen Schiffes, dann und insoweit zugleich als die des andern anzusehen, wenn und insoweit sie eine Dienstverrichtung ausführt, die dem anderen Schiff dient oder für dieses Geltung hat. Im gegenwärtigen Falle würde das etwaige Verschulden des B. darin bestanden haben, daß er dem Schleppzug eine plötzliche Wendung nach Tedits gab, ohne zu bedenken, daß der Kahn der Wendung nicht schnell genug zu folgen vermochte, um einer Kollision mit Pfahl und Brückenpfeiler zu entgehen. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, daß nach den vorstehenden, für das deutsche Seerecht zu unbestrittener Geltung gelangten Grundsätzen B. in bezug auf jene Dienstverrichtung, da „ihre Ausführung auch dem Kahn zu dienen bestimmt war und für ihn Geltung hatte", der Besatzung des letzteren zuzurechnen sein würde

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Sdiiliahrtsrecht

(vgl. Entsch. in Zivils. Bd. 20 S. 84), womit die H a f t u n g der Beklagten als Eigner des Kahns gemäß § 3 Abs. 1 BSdiG. begründet wäre. Nach nochmaliger Prüfung vermag der Senat indes an der früheren Auffassung nicht festzuhalten, weil nach seiner jetzigen Überzeugung die einfache Übertragung der seerechtlichen N o r m weder den Bedürfnissen des Binnenschiffahrtsverkehrs gerecht wird, noch mit der Bestim • mung in § 4 Abs. 3 BSdiG. in Einklang zu bringen ist. Bei der gewöhnlichen Bugsierung eines Seeschiffes, wobei die Gefahr des Unternehmens für andere wesentlich durch die Größe des geschleppten Schiffes bestimmt wird, und der Schlepper nur als ein untergeordnetes O r g a n des Seeschiffes ersdieint, erfordert es die Billigkeit, einen geschädigten Dritten bei einem Verschulden der Besatzung des Schleppers nicht auf diesen allein zu verweisen, sondern ihm auch das Seeschiff, als den eigentlichen Träger des zugleich von ihm aus geleiteten gefahrbringenden Unternehmens, als H a f t u n g s o b j e k t zuzuerkennen. Bei der Flußschleppschiffahrt sind dagegen in der Regel eine Mehrzahl von Schiffen mit dem Schlepper zu einem Schleppzug vereinigt. Dem Schlepper liegt dabei die Führung ob. Im großen und ganzen wird sein W e r t den der einzelnen geschleppten Kähne übersteigen. Es handelt sich nicht um eine vorübergehende Dienstleistung bei einem regelmäßig mit eigener Kraft sich fortbewegenden Schiff, sondern um einen selbständigen Gewerbebetrieb, bei dem häufig weite Strecken in wochenlanger Fahrt zu überwinden sind, und bei dem die Tätigkeit des die Betriebskraft liefernden Schleppers in den Vordergrund tritt. Es ist kein rechtspolitischer G r u n d ersichtlich, weshalb hier bei einem Schaden der ausschließlich durch ein Verschulden der Besatzung des Schleppers angerichtet wird, die sämtlichen im Anhang befindlichen Schiffe (Schleppschiffe) aus dem G r u n d e h a f t b a r gemacht werden sollten, daß die betreffende Dienstverrichung auch ihnen diene. Die Konsequenz eines solchen Grundsatzes würde die sein, daß sämtliche Schiffe im Anhang auch für den Schaden h a f t b a r wären, den der Schlepper bei Ausführung des Schleppdienstes durch seine eigene schuldhafte Kollision mit einem fremden Schiff verursacht. Man k ö n n t e diese H a f t u n g allenfalls nur damit rechtfertigen, daß sämtliche Glieder des Schleppzuges sich das für Dritte gefahrbringende Unternehmen der Schleppschiffahrt zusammenwirkend zu N u t z e machten und deshalb für jeden durch Verschulden eines daran Beteiligten für Dritte entstehenden Schaden solidarisch einzutreten h ä t t e n . Eine so weitgehende Gefährdehaftung und die ihr zugrunde liegende Auffassung des ganzen Schleppzuges als einer nautischen u n d rechtlichen Einheit ist aber auch v o n der bisherigen Rechtsprechung

Binncnsdiiffahrlsredit

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stets abgelehnt worden. Auch die englisdie Jurisprudenz, die im übrigen in diesen Fragen für die Entwicklung des deutschen Redits vorbildlich gewesen ist, unterscheidet bezüglich der Haftung des geschleppten Schiffes für Versehen der Besatzung des Schleppers scharf zwischen den Bugsierdiensten, die einem Seeschiff vorübergehend durch den Schlepper geleistet werden, und der eigentlichen Schleppschiffahrt, v/ie sie insbesondere im Binnenschiffahrtsverkehr in die Erscheinung tritt. Vgl. M a r s d e n , Collisions S. 172; B o y e n s . Seerecht Bd. 1 S. 159 flg. Ist es hiernach geboten, vorsichtig zu prüfen, inwieweit die von der Gerichtspraxis für die Bugsierung von Seeschiffen gewonnenen Rechtssätze für die Binnenschiffahrt anwendbar sind, so ist ferner anzuerkennen, daß die hanseatische Auslegung des § 4 Abs. 3 BSchG.. der das Reichsgericht bisher im wesentlichen gefolgt ist, dieser Gesetzesbestimmung nicht gerecht wird und ihr die beabsichtigte Wirkung vorenthält. In der Regierungsvorlage war ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts zwar sämtliche geschleppten Schiffe für ein Versdiulden des Schleppers haften würden, daß indessen, wenn der Unfall lediglich einem geschleppten Schiff zum Verschulden gereiche, nur dieses haftbar sein würde. Darauf wurde aus der Kommission erwidert: .,der Schleppzug sei in bezug auf den Umfang der Haftung keineswegs als ein unteilbares Ganges aufzufassen. Es könne sowohl der Schleppdampfer allein, wie jedes einzelne im Schleppzug hängende Schiff Dritten einen Schaden zufügen. Der Führer des Schleppdampfers sei nicht imstande, den Schleppzug so zu führen, daß Schäden vermieden werden müssen, wenn er dabei nicht von allen Führern der angehängten Schiffe durch richtiges Manövrieren unterstützt werde, wie ebenso umgekehrt die Führer der geschleppten Schiffe diese nicht im richtigen Fahrwasser erhalten könnten, wenn der Schleppdampfer nicht richtig geführt werde. Nach reichsgerichtlicher Entscheidung sei die Besatzung des Schleppdampfers als zur Besatzung der geschleppten Schiffe gehörig zu betrachten, nach diesem Grundsatz also, wenn zufällig die am Schleppzug hängenden Schiffe demselben Schiffseigner gehörten wie der schleppende Dampfer, der Besitzer des Dampfschiffcs für einen von diesem verursachten Schaden nicht nur mit dem Dampfschiff, sondern mit sämtlichen angehängten Fahrzeugen verhaftet. Das involviere eine große Ungerechtigkeit." Nachdem alsdann der Regierungsvertreter anerkannt hatte, daß der daraufhin beantragte, dem jetzigen Abs. ? des § 4 entsprechende Zusatz

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SAitf.ihrtsrcclit

eine Verbesserung der Regierungsvorlage enthalte, wurde der Zusatz einstimmig angenommen. Es mag sein, daß in der Reichstagskommission der Irrtum obgewaltet hat, als hätte das Reichsgeridit den Schleppzug u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n als ein unteilbares Ganzes in dem Sinne behandelt wissen wollen, daß jedes geschleppte Schiff für die Fehler des Schleppers haftbar wäre. Auch ist es nicht recht verständlich, weshalb eine soldie Rechtsauffassung gerade dann zu besonders unbilligen Ergebnissen führen soll, wenn sämtliche Glieder des Schleppzuges demselben Eigner gehören. Zugegeben ist jedoch, daß aus der Entscheidung Bd. 2 0 S. 84 folgen würde, daß die geschleppten Sdiiffe wenigstens in der Hauptsache die Fehler des Schleppers zu vertreten hätten. Es lassen sich vielleicht Fälle denken, wo der Schlepper durch einen eigenen Fehler einem Dritten Schaden zufügt, ohne daß man sagen kann, es sei dabei in Ausführung der mit dem Schleppvertrag verbundenen Dienstverrichtung gehandelt worden. Es wird sich dabei aber um ganz seltene Ausnahmen handeln. Das Hanseatische Oberlandesgericht konstruiert in der oben erwähnten Entscheidung den Fall, daß ein Maschinist auf dem Schlepper eine Kesselexplosion verursacht und dadurch eine in der Nähe befindliche Person beschädigt. Es könnte indessen darüber gestritten werden, ob der den Kessel bedienende Maschinist nicht eine zum Schleppdienst gehörige Verrichtung ausführt. In einer anderen Entscheidung (Hanseat. Ger.-Ztg. 1905 Hauptbl. Nr. 79) hat dasselbe Oberlandesgericht die Verantwortlichkeit des Schleppschiffes für eine schuldhafte Handlung des Schleppers verneint, weil dieser dabei die Fahrt verlangsamt habe, um ein zweites Schiff in Tau zu nehmen, was nicht zu seiner Dienstverrichtung gegenüber dem bereits im Tau befindlichen gehörte. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich nicht auch hiergegen vom Standpunkt des Oberlandesgerichts Einwendungen erheben ließen. Gewiß ist, daß die Reichstagskommission, als sie den Abs. 3 des § 4 beschloß, an derartige Ausnahmefälle nicht gedadit hat und sich keineswegs damit begnügen wollte, n u r i n s o w e i t die Haftung der geschleppten Schiffe für ein Verschulden des Schleppers auszuschließen. In der Begründung des Antrages war vielmehr darauf hingewiesen, daß die Schleppschiffe nicht im riditigen Fahrwasser gehalten werden könnten, wenn „der Schleppdampfer nicht richtig geführt werde". Gerade für diesen Normalfall also, wo die Führung des Dampfers für den Kurs des Schleppschiffes bestimmend ist, und jener in Ausführung des Schleppdienstes handelt, wurde es als unbillig empfunden, die Schleppschiffe für das schuldhafte Verhalten des Schleppers haftbar zu machen. Gerade für

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diesen Normalfall sollte der seereditlichen Auffassung für den Schleppdienst auf Binnengewässern entgegengetreten werden. Diese Absicht des Gesetzgebers hat auch im Gesetz durch den Ausspruch, daß die Haftung sidi auf dasjenige Schiff (nebst Fracht) beschränken solle, welches den Sdiaden verursacht hat, einen genügend klaren Ausdrude gefunden. Eine unbefangene Auslegung, die nidit von der Tendenz beeinflußt ist, die seerechtlichen Grundsätze möglichst auf das Binnenschiffahrtsrecht zu übertragen, muß zu diesem Ergebnis gelangen. Audi das Hanseatische Oberlandesgericht hat in der ersten Entscheidung, die die Frage betraf (Hanseat. Ger.-Ztg. 1 8 9 7 Hauptbl. Nr. 1 0 4 ) , dieselbe Auslegung als zutreffend für den Fall anerkannt, daß ein Teil des Schleppzuges einem Dritten Schaden zufüge; doch müsse, weil diese Ausnahme nicht extensiv angewandt werden dürfe, für den Fall, daß sich ein schadenstiftcnder Dritter dem klagenden Eigner des Schleppschiffes gegenüber auf M i t verschulden des Schleppers berufe, der seerechtliche Grundsatz, daß die Besatzung des Schleppers als Besatzung des Schleppschiffes gelte, wieder in seine Rechte treten. V o n diesem unhaltbaren, weil inkonsequenten, Standpunkt ist man dann dazu übergegangen, dem Abs. 3 jede B e deutung für den Begriff der Schiffsbesatzung abzusprechen und ihn dadurch der beabsichtigten Wirksamkeit zu entkleiden. M i t Recht weist aber M i t t e l s t e i n (a. a. O . S. 61, 62) darauf hin, daß der Abs. 3 überhaupt nicht von der „Schiffsbesatzung" spreche, sondern von dem ,,Schiff, welches den Schaden verursacht h a t " , womit das Schiff bezeidinet werden solle, a u f dem etwas versehen sei, ohne daß es darauf ankomme, daß die betreffende Person sich gerade an Bord befunden habe. In der T a t ist es unverkennbar, daß das Gesetz einen Gegensatz macht zwischen den Besatzungen der einzelnen Glieder eines Schleppzuges und jedes Glied nur für seine Besatzung, unter Ausschluß der Besatzung des anderen Gliedes, mag diese auch in anderer Beziehung als seine Besatzung zu gelten haben, haftbar machen will. Daher ist es durch dieses Gesetz ausgeschlossen, den Eigner des geschleppten Schiffes für irgendeine schuldhafte Handlung der eigentlichen Besatzung des Schleppers — im Gegensatz zu einer etwa auf dem Schlepper sich befindenden, zur unmittelbaren Besatzung des geschleppten Schiffes gehörigen Person — verantwortlich zu machen, mag diese Handlung auch die Bewegung des geschleppten Schiffes direkt oder indirekt beeinflußt und hierdurch den Schaden verursacht haben. Diese Auffassung wird nicht nur in eingehender Erörterung von B o y e n s in der Zeitsdir. f. d. ges. Handelsr. Bd. 5 0 S . 81 flg., w o zuerst auf die große Bedeutung der Frage für die Binnenschiffahrt hin-

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Scniiiahrtsrccht

gewiesen ist, sowie von M i t t e l s t e i n a. a. O . vertreten, sondern sie wird auch sonst in der Literatur, soweit ersichtlich, geteilt. S. F ö r t s c h , Binnenschiffahrtsgesetz (2. Aufl.) S. 41; L a n d g r a f . Binnenschiffahrtsgesetz, zu § 4 a. E.; L e o , Seehandelsrecht S. 142 Abs. 2. Da im vorliegenden Falle ein Verschulden der unmittelbaren Besatzung des W.'sdien Kahnes an dem Unfall nicht festgestellt werden kann, sondern nur ein Verschulden des Schiffers des Schleppers hierbei in Frage kommt, ist mithin die Klage mit Recht abgewiesen." . . . RGZ. 66, 39. 1 Macht der Umstand, daß der eine Kontrahent weiß, der andere pflege in der Regel auf Grund seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen abzuschließen, diese Geschäftsbedingungen auch dann zum Vertragsinhalt, wenn tatsächlich ohne jede Bezugnahme darauf abgeschlossen ist, wenn die Geschäftsbedingungen auch früher dem Kontrahenten weder mitgeteilt noch sonst bekannt gegeben wurden? 2. Umfang der Beweislast des Frachtführers oder Verfrachters, der die Verantwortlichkeit für die Besdiädigung des übernommenen Gutes ablehnt. HGB. §§ 429, 606, BSdlG. § 5 8. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 20. April 1907. 1. L a n d g e r i c h t

M a n n h e i m , K a m m e r für Handelssachen. II. O b e r l a n d e s g c r i c h t K a r l s r u h e .

-

Die Klägerin hatte mit der verklagten Gesellschaft anfangs Januar 1905 einen Vertrag über die Beförderung von 667 Säcken Malz zu Schiff von Ludwigshafen nach Hamburg abgeschlossen. Bei der Ankunft des Gutes in Hamburg stellte sich heraus, daß das Malz mit einem widerlichen Gcruch behaftet war, weshalb die Empfängerin, Firma A. J. Ww. in Hamburg, die Annahme verweigerte. Linter der Behauptung, daß die Ware von der Beklagten in völlig geruchfreiem Zustand zum Transport übernommen worden, und daß durch den bezeichneten Mangel des Gutes ein Schaden entstanden sei, den die Klägerin ursprünglich auf 11 317 M, später nach Verkauf eines Teiles des Gutes auf 7500 M berechnete, beantragte sie, die Beklagte zur Zahlung der letztgenannten Summe nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagte lehnte unter Berufung auf das Konnossement ihre Haftung für jeden durch Berührung m i t , oder Ausdünstung v o n anderen Gütern an dem Frachtgut verursachten Schaden ab und machte geltend, daß sie nicht verantwortlich sei, weil

Binnensdiiffahrtsrcdit

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sie die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers angewendet und das Frachtgut weder mit übelriechenden Gütern zusammen gelagert, noch in ungereinigtem Schiffsraum untergebracht habe. Beide Vorinstanzen hatten den Klageanspruch dem G r u n d e nach für berechtigt erklärt. Die v o n der Beklagten eingelegte Revision wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . „ D a s Oberlandesgericht hat auf Grund des Beweisergebnisses festgestellt, daß der Frachtvertrag zwischen den Parteien lediglich auf Grund der g e s e t z l i c h e n Bestimmungen abgeschlossen wurde. Hiernach sind die allgemeinen Konnossementsbedingungen der Beklagten für das Vertragsverhältnis nicht maßgebend. Der Umstand allein, daß die Klägerin, wie wohl jeder größere Kaufmann am Rhein, davon Kenntnis hat, daß die großen Transportunternehmungen ihren Frachtverträgen und Speditionen in der Regel ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde zu legen pflegen, machte diese im vorliegenden Falle nicht zur lex contractus, weil ausnahmsweise hier der Vertrag ohne jede Bezugnahme auf solche Geschäftsbedingungen abgeschlossen wurde, diese auch früher der Klägerin nicht besonders mitgeteilt oder sonst bekannt gegeben waren. Die n a c h Abschluß des Frachtvertrages erfolgte Übersendung des Konnossements k o n n t e die für diesen maßgebenden gesetzlichen Bedingungen nicht mehr ändern. Die Klägerin konnte das Konnossement annehmen und an die Empfängerin der Ware weitergeben, ohne dadurdi ihre erworbenen Rechte aus dem Frachtvertrag zu beeinträchtigen. Die Rüge, es sei mit Unrecht der Beweisantrag übergangen, daß das Malz weder im Rheinschiff noch in dem Schilf „ L a h n " zusammen mit riechenden Waren oder in einem riechenden Raum verladen worden sei, ist nicht begründet. Die Haftung des Frachtführers für Verlust und Beschädigung des Frachtgutes ist seit dem Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 für den gewöhnlichen Landtransport, die Binnenschiffahrt und den Seetransport (vgl. § 4 2 9 H G B . , § 58 Binn.-Schiff.-Ges., § 606 HGB.) einheitlich in dem Sinne geregelt, daß der Frachtführer oder Verfrachter für den durch Verlust oder Beschädigung von der Annahme bis zur Ablieferung entstehenden Schaden haftet, sofern er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers oder Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. N u r für den Eisenbahnfraditvertrag ist durch § 456 HGB. in Übereinstimmung mit den Grund-

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SchiEfahrtsrecht

sätzen des Internationalen Übereinkommens (sog. Berner Vertrages) eine strengere Haftung des Frachtführers insofern durchgeführt, als der Entlastungsbeweis der Eisenbahn hier auf bestimmte Befreiungsumstände beschränkt ist. Über den Umfang der hiernach in allen übrigen Fällen unbeschränkt zugelassenen Entschuldigung des Frachtführers bestehen in der juristischen Literatur Meinungsverschiedenheiten. Zwar ist man darüber einig, daß es Sache des Frachtführers (Verfrachters) ist, die Umstände darzulegen, auf die der Verlust oder die Beschädigung zurückzuführen ist, und aus denen sich zugleich ergeben soll, daß sie durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers (Verfrachters) nicht abzuwenden waren. Vgl. D e n k s c h r i f t zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches 1897 S. 276; M a k o w e r , HGB. (13. Aufl.) § 429 Bern. II c; D ü r i n g e r u. H a c h e n b u r g , HGB. Bd. 3 § 429 Note V ; G o l d m a n n , HGB. Bd. 3 § 429 II. Bleibt jcdoch die Ursache des Schadens hiernach unaufgeklärt, so nehmen S t a u b , Kommentar (6. u. 7. Aufl.) § 429 Anm. 17, und M i t t e l s t e i n , Binnenschiffahrtsgesetz Bd. 1 § 58 Bern. 3 b, an, daß es genügt, wenn der Frachtführer im allgemeinen eine sorgsame Behandlung des Frachtgutes dargetan, oder wenn er die Umstände so weit aufgeklärt hat, daß eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß ein von ihm oder seinen Leuten zu vertretendes ursächliches Verschulden nicht vorliegt. Diese Auffassung entspricht nicht dem Standpunkt des Gesetzgebers, wie er sich aus § 429 Abs. 1 ergibt. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, daß ein „non liquet" hinsichtlich der Schadensursache zu Lasten des Frachtführers (Verfrachters) geht, der sich für den während der Übernahme des Frachtgutes entstandenen Schaden zu verantworten hat. Nur ausnahmsweise wird bei unaufgeklärter Schadensursadie der Frachtführer (Verfrachter) dann als befreit angesehen werden können, wenn ihn hinsichtlich aller möglicherweise in Betracht kommenden Ursachen ein Verschulden offenbar nicht trifft. Vgl. hierzu S i e v e r s , Deutsche Juristenztg. 1897 S. 200; B o y e n s , Seerecht Bd. 2 S. 224 § 606 Bern. 7; S c h a p s , Seerecht § 606 Anm. 22 u. 23; D ü r i n g e r u. H a c h e n b u r g , HGB. Bd. 3 S. 559 lit. h. Auf diesem Standpunkt stehen auch die in der Hans. Ger.-Zeit. Hauptbl. 1897 Nr. 65 S. 156 und in der Jurist. Wochenschr. 1898 S. 576 Nr. 22 mitgeteilten reichsgerichtlichen Entscheidungen. Im vorliegenden Falle hat das Oberlandesgericht mit Recht angenommen, daß der Beklagten der Nachweis nicht gelungen ist, daß sie

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ein Verschulden hinsichtlich der Beschädigung des Frachtgutes offenbar nicht trifft. Auch der von der Beklagten weiter angetretene Beweis, daß die Ware nicht mit übelriechenden Gütern zusammen geladen und nicht in einem schlecht gereinigten, riechenden Schiffsraum untergebracht war, würde hierzu nicht ausreichen. Es bleibt die Möglichkeit, daß die Ware eben doch beim Transport oder bei der Umladung mit übelriechenden Gütern in Berührung gekommen ist, wenn sie auch nicht mit ihnen zusammengeladen waT, oder daß sie sonst während des Transportes eine vorsätzliche oder fahrlässige Behandlung erfuhr, durch die sie den „ölschmierigen Geruch" angenommen hat, wenn auch die Lagerräume diesen Geruch nicht gerade hatten." . . . RGZ. 68, 180. Haftet der Schiffseigner auch dann nur mit Schiff und Fracht, wenn er nicht selbst das Schiff fehlerhaft geführt hat, sondern eine sich auf die Führung des Schiffes beziehende fehlerhafte Anweisung erteilt oder eine ihm obliegende, sich auf die Führung des Schiffes beziehende Anweisung schuldhaft unterlassen hat? Binn.-Schiff.-Ges. § 4 Abs. 2 Satz 2, § 7 Abs. 3. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 21. März 1908. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — 11. Oberlandesgeridit daselbst.

Am Morgen des 19. Januar 1 9 0 6 war eine offene, eiserne Schute im Hamburger Hafen gesunken, und dadurch die Ladung besdiädigt. Diese waT tags zuvor aus einem Dampfer übernommen und sollte am 19. Januar nach Harburg geschafft werden. Der Eigentümer der Ladung belangte den Schiffseigner der Schute auf Schadensersatz. Das Oberlandesgericht nahm an, daß der Beklagten eine Vernachlässigung der ihr aus dem Frachtvertrag obliegenden Sorgfalt zur Last falle, weil sie es unterlassen habe, anzuordnen, daß die Schute, nachdem die Ladung übernommen war, aus der gefahrvollen Lage neben dem DampfeT alsbald an eine sichere Liegestelle verholt werde. Da hiernach ein eigenes Verschulden der Beklagten vorliege, wurde nach dem Klageantrag erkannt, ohne daß die Haftung auf Schiff und Fracht beschränkt wurde. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . „Die Revision hat . . . unter Berufung auf F ö r t s c h , Binn.Schiff.-Ges. (2. Aufl.) S. 39 und 4 9 , geltend gemacht, daß die Beklagte Schiffahrtsrechl II

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gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Binn.-Sdbiff.-Ges. nur mit Schiff und Fracht hafte. Darin kann ihr nicht beigetreten werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich, die im vorliegenden Falle der Beklagten zur Last fallende Unterlassung der rechtzeitigen Anweisung zum Verholen der Schute, wenn auch nicht — was völlig ausgeschlossen erscheint — als eine fehlerhafte Führung des Schiffes, so doch als ein sich auf eine fehlerhafte Führung des Schiffes beziehendes Verschulden des Schiffseigners im Sinne des Gesetzes kennzeichnet. Denn das Gesetz sagt nidit, daß der Schiffseigner, abgesehen von dem Falle der böslichen Handlungsweise, nur mit Schiff und Fracht hafte, wenn sich sein eigenes Verschulden auf die fehlerhafte Führung des Schiffes oder auf sog. nautische Versehen beziehe. Der Senat folgt in dieser Hinsicht der Auslegung von M i t t e l s t e i n , Binn.-Schiff.-Ges. (2. Aufl.) S. 67, die nach der Entstehung der Bestimmung allein gerechtfertigt erscheint und mit ihrer allerdings nicht glüdclichen Fassung immerhin vereinbar ist. Audi bei der Reichstagskommission, die im Gegensatz zu den Regierungsvertretern den dem Satz 2 des Abs. 2 entsprechenden Vorschlag machte, bestand keineswegs die Absicht, die unbeschränkte (persönliche) Haftung der Schiffseigner für eigenes Verschulden a l l g e m e i n im Falle nautischer Versehen auszuschließen; vielmehr wollte sie nur zugunsten der Schiffseigner, die das Schiff selbst führen, eine Ausnahme statuieren. Vgl. L a n d g r a f , Binn.-Sdiiff.-Ges. § 4 Bern. 2 2 - 2 4 . Der streitige Satz denkt somit nicht an ein Verschulden, das a u ß e r h a l b der fehlerhaften Führung durch eine Anweisung oder durch Unterlassung einer Anweisung des Schiffseigners begründet sein könnte, sondern nur an das in der fehlerhaften Führung selbst liegende Verschulden und spricht aus, daß deT Schiffseigner hierfür, abgesehen von Dolus, auch dann nur mit Schiff und Fracht haftet, wenn er als Führer seines Schiffes selbst der Schuldige ist. Demgemäß ist auch § 7 Abs. 3 Binn.-Schiff.-Ges. — im Gegensatz zu F ö r t s c h — dahin zu verstehen, daß der Schiffseigner durch eine schuldhafte dem Schiffer erteilte Anweisung stets persönlich verpflichtet wird. Da die Beklagte im vorliegenden Falle die Schute nicht selbst geführt hat, kann sie sich somit auf die in § 4 Abs. 2 Satz 2 Binn.Sdiiff.-Ges. vorgesehene beschränkte Haftung nicht berufen." . . .

Binnen« dhiffahrttrecht

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RGZ. 70, 274. 1. Wird der Begriff der Bergung im Sinne der §§ 93 flg. Binn.Schiff.-Ges. dadurch ausgeschlossen, daß das zu rettende Schiff gesunken ist? 2. Gehört der Abschluß von Bergungsverträgen zu den dem Schiffer nadi § 15 a. a. O. zustehenden Befugnissen? 3. Kann auf Grand einer vertragsmäßigen Bergung gegen den Schiffseigner ein persönlicher Ansprach aus nützlicher Geschäftsführung oder ungerechtfertigter Bereicherung erhoben werden? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Februar 1909. I. Landgericht Lüneburg. — II. Oberlandesgeridit Celle.

Im Juni 1896 war der dem Beklagten gehörige, von dem Schiffer Otto W. geführte Raddampfer „Kronprinz Wilhelm" bei Magdeburg in der Stromelbe gesunken. Steuermann des Schiffes war der Bruder des Schiffers Paul W. Die Transport-Versidierungs-Aktiengesellsdiaft G. hatte die Versicherung übernommen. Am 27. Juni 1896 stellten die Brüder W. folgende sdiriftlidie Erklärung aus: „Wir, die unterschriebenen Schiffer Gebr. Otto und Paul W. aus Magdeburg vom Dampfer „Kronprinz Wilhelm", erklären hiermit rechtsverbindlich, daß wir den Havarie-Kommissar, Herrn Robert K., und den gerichtlich vereid. Sachverständigen W. Sdhw. in Magdeburg beauftragt haben, die zur Errettung vom Dampfer „Kronprinz Wilhelm" und Ladung aus gemeinsamer Gefahr nötigen Maßnahmen zu treffen (siehe § 78 bis 91 Binn.-Sdiiff.-Ges.), und wir erkennen die getroffenen und noch zu treffenden Maßnahmen als sachgemäß an." K. war Vertreter der genannten Versicherungsgesellschaft G. Zwischen ihm und Sdiw. einerseits und dem Kläger andrerseits kam alsdann der „Bergungsvertrag" vom 28. Juni 1906 zustande. Dieser lautete: „Für Rechnung wen es angeht. Der Unternehmer August Schm., Magdeburg," (der Kläger) „verpflichtet sich hiermit, den in der Stromelbe unterhalb des S.'sdien Badeanstalt am rechten Ufer in Grund liegenden Raddampfer „Kronprinz Wilhelm" unter Beobachtung der strompolizeilidien Vorschriften in schonendster Weise zu heben und transportfähig herzustellen. Der Unternehmer hat die Garantie zu übernehmen, daß der Dampfer demnädist mit der provisorischen Reparatur eine noch näher zu vereinbarende Sdiiffswerft in der nächsten Umgebung glüdclich erreicht. Eventuelle Sdileppkosten 15*

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werden dem Unternehmer vergütet. Als Entschädigung für diese Leistungen sind 3 0 0 0 M vereinbart." Nach der Behauptung des Klägers sollte das nicht mehr vorhandene Original dieses Vertrages auch von den Brüdern W. mitunterschrieben worden sein, und der Beklagte deren Vertretungshandlungen genehmigt haben. Auf Grund des Vertrages hatte der Kläger am 18. Juli 1906 den Dampfer gehoben, transportfähig gemacht und in die Zollelbe geschleppt. Die von ihm zunächst angegangene Versicherungsgesellschaft hatte die Zahlung der vereinbarten Vergütung verweigert, weil nach ihrer Behauptung der Versicherungsvertrag wegen unrichtiger Angaben des Beklagten ungültig sei. Der Kläger wollte sich alsdann an den Beklagten halten und behauptete, daß dieser mit seinem Gesamtvermögen verpflichtet sei erstens auf Grund des von seinen Leuten befugterweise abgeschlossenen, von ihm genehmigten Vertrages, zweitens aus nützlicher Geschäftsführung und aus ungerechtfertigter Bereicherung. In dieser Beziehung trug er vor, die Entfernung des gesunkenen Dampfers hätte im öffentlichen Interesse sofort erfolgen müssen, weil er die Schiffahrt gehindert und gefährdet habe. Die Strompolizeibehörde habe auch die sofortige Hebung und Beseitigung, die dem Beklagten als Eigner obgelegen habe, gefordert. Somit habe dieser infolge der Tätigkeit des Klägers die Hebungs- und Herstellungskosten gespart. Die von ihm berechneten Beträge seien ein angemessenes Entgelt für jene Tätigkeit. Der Beklagte beantragte Klageabweisung, indem er bemerkte, er habe nichts dagegen, wenn der Kläger den Dampfer für seine Bemühungen hinnehme, er verwahre sich aber gegen eine persönliche Haftung. Die erste Instanz verurteilte den Beklagten nach dem Klageantrag. Die zweite Instanz erkannte auf Verurteilung unter Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Dampfer „Kronprinz Wilhelm". Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „1. Zutreffend ist vom Oberlandesgericht angenommen worden, daß der Beklagte auf Grund des „Bergungsvertrages" vom 28. Juni 1 9 0 6 persönlich nicht in Anspruch genommen werden kann. Es handelte sich um eine Bergung im Sinne der §§ 93 flg. Binn.Schiff.-Ges. Dadurch, daß das Schiff bereits gesunken war, wurde eine Schiffahrtsgefahr nicht ausgeschlossen; vielmehr lag die Gefahr weiterer Schädigung vor, wenn die Hebung nicht alsbald gelang. Der Wortlaut

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des Vertrages läßt keinen Zweifel darüber, daß er darauf abzielte, von dem im Schiffsvermögen steckenden Wert zu retten, was noch zu retten war, und das Sdiiff, wenn irgend möglich, wieder betriebsfähig zu machen; keineswegs ging die Absidit des Vertrages dahin, lediglich ein Sdiiffshindernis zu beseitigen. Wie der Fall durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt wird, so muß auch nach dem Zweck der gesetzlichen Bestimmungen angenommen werden, daß eine Bergung gegeben ist. Alle Anordnungen der § § 9 3 bis 101 sowie der sonstigen von der Bergung handelnden Bestimmungen des Binnenschiffahrtsgesetzes passen in gleicher Weise auf die Rettung eines bereits gesunkenen, wie auf die eines anderweit in Gefahr befindlichen Schiffes. Insbesondere wäre nicht einzusehen, weshalb sich der eine Berger wegen seiner Aufwendungen nur an das Schiffsvermögen sollte halten können, während dem anderen auch das Landvermögen de» Eigners haftete, oder warum der eine die Rechte eines Schiffsgläubigers ausüben könnte, der andere nicht. Der gesetzgeberische Grund für die Beschränkung der Haftung (deren Korrelat die begünstigte Stellung des Schiffsgläubigers bildet), daß dem Schiffseigner die Betreibung seines an sich schon mit großem Risiko verbundenen Unternehmens erleichtert, und ihm füT die Rettung des Schiffes nicht mehr Kosten aufgebürdet werden sollen, als dem Wert entspricht, der ihm durch die Rettung zugute kommt, und daß wirtschaftlich wertlose Rettungen tunlichst verhütet werden sollen: dieser Grund trifft durchaus auf die Bergung eines untergegangenen Schiffes zu. Wäre daher das Schiff ohne Vertrag geborgen, d. h. behufs Erhaltung des darin steckenden Vermögenswertes gerettet worden, so könnte der Kläger den Beklagten nach § 100 Binn.-Schiff.-Ges. nur mit dem Sdiiffsvermögen in Anspruch nehmen. Gleiches gilt aber von dem hier gegebenen Falle des Abschlusses eines Bergungsvertrages, weil die vertragslose und die vertragsmäßige Bergung im Sinne des BinnenSchiffahrtsgesetzes in dieser Hinsicht gleich zu behandeln sind. Vgl. die Urteile des RG.'s vom 28. Oktober 1893, Hans. Ger.-Ztg. 1894 Hauptbl. Nr. 68, und vom 1. Mai 1901, Jurist. Wochenschr. 1901 S. 4 2 5 Nr. 9. Dem Berufungsrichter ist aber auch darin beizutreten, daß der Bergungsvertrag ein vom Schiffer innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse gemäß § 15 Binn.-Schiff.-Ges. abgeschlossenes Geschäft war, das die Ausführung der Reise erforderlich machte. Gerade um ihn zu derartigen, meistens Eile erfordernden Maßnahmen in den Stand zu setzen, ist dem Schiffer die gesetzliche Vertretungsmacht gewährt worden. Schon

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die Begründung des Gesetzes hob als Hauptbeispiel der Anwendung des § 15 Aibs. 1 den Fall hervor, daß „es zur AWendung einer drohenden Gefahr der sofortigen Beschaffung von Sachen oder Leistungen bedarf", und bemerkte dazu, der Schiffer werde sie meist nur bewirken können, wenn derjenige, mit weldiem er abschließe, die Sicherheit habe, daß ihm der Schiffseigner für seine Ansprüche mindestens mit Sdiiff und Fracht haftbar sei. Vgl. M i t t e l s t e i n , Binn.-Sdiiff.-Ges. 2. Aufl. Bd. 1 S. 96, 97. Was mit den Worten „welche die Ausführung der Reise erforderlich macht" zu verstehen ist, läßt § 527 (Art. 496) HGB., dem der § 15 Abs. 1 nachgebildet ist, erkennen. Dort wird von der Befugnis des Schiffers gesprochen, „für den Reeder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausrüstung, die Bemannung, die Verproviantierung u n d d i e E r h a l t u n g d e s S c h i f f e s , sowie ü b e r h a u p t die Ausführung der Reise mit sich bringen". Das Gesetz steht also auf dem Standpunkt, daß ein Geschäft zur Erhaltung des Schiffes ein solches ist, welches die Ausführung der Reise mit sich bringt. Daher kann nicht bezweifelt werden, daß auch im Sinne des BinnenschiffahrtsGesetzes ein Geschäft, das auf Bergung und Wiederinbetriebsetzung eines gesunkenen Schiffes abzielt, ein solches ist, welches die Ausführung der Reise erforderlich macht. Hiernach traten sofort mit dem Abschluß des Bergungsvertrages die Wirkungen des § 19 Binn.-Schiff.-Ges. ein, d. h. der Beklagte wurde daraus unmittelbar berechtigt und unter Beschränkung seiner Haftung auf das Schiffsvermögen verpflichtet. Seine nachträgliche Genehmigung konnte hieran nichts ändern. Auch wenn er selbst den Bergungsvertrag abgeschlossen hätte, würde er sich nur mit dem Schiffsvermögen obligiert haben. Ferner bewirkt die Zustimmung zu einem vom Schiffer innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse abgeschlossenen Geschäft selbstverständlich nicht ohne weiteres, daß der Schiffseigner auch mit dem Landvermögen verpflichtet wird. . . . 2. Das Klagefundament der nützlichen Geschäftsführung und der ungerechtfertigten Bereicherung ist hinfällig. Es ermangelt einer wesentlichen Voraussetzung sowohl des § 677, als auch des § 812 BGB., wenn der Kläger zu derjenigen Leistung, auf die er seinen Anspruch stützt, vertragsmäßig verpflichtet war." . . . RGZ. 78, 307. Gegen wen hat der Schiffsgläubiger die Pfandklage zu richten, wenn ein Ausruster das Sdiiff benutzt?

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BS&G. §§ 1 , 2 , 103. HGB. §§ 484. 510, 755, 761. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 21. Februar 1921. 1. Landgeridit Dresden, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Am 14. Juli 1907 fand auf der Elbe in der Nähe von Riesa ein Zusammenstoß zwischen dem Kahn des Schiffers Z. und dem Kahn Nr. 70 der „Vereinigten Elbschiff ahrts-Gesellschaften" statt. Durch den Zusammenstoß wurde auch an der Holzladung des Z.'sehen Kahnes ein Schaden verursacht. Als Versicherer der Ladung hatte die Klägerin diesen Schaden dem Ladungseigentümer bezahlt und sich dafür dessen Ansprüche abtreten lassen. Demgemäß forderte sie mit der Klage von der Beklagten Ersatz. Die Beklagte war nämlich die Eigentümerin des Dampfers Nr. 11, der es übernommen hatte, beide genannten Kähne elbaufwärts zu schleppen. Nach der Behauptung der Klägerin sollte der Führer des Dampfers bei der Zusammenstellung des Schleppzuges fahrlässig zu Werke gegangen sein und dadurch den Zusammenstoß der beiden Kähne schuldhaft verursacht haben. Die Klage forderte Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10 993,24 M nebst Zinsen mit der Maßgabe, daß die Zwangsvollstreckung in den der Beklagten gehörigen Dampfer Nr. 11 beschränkt werde. Die Beklagte bestritt ihre Passivlegitimation mit der Behauptung, daß sie ihren gesamten Schiffsbestand, einschließlich des Dampfers Nr. 11, an die „Vereinigten Elbsdiiffahrts-Gesellschaften" verpachtet habe und daß diese Gesellschaft auch sdion zur Zeit des Zusammenstoßes als Ausrüster den Dampfer zur Schiffahrt verwendet habe. Auf Grund dieses Einwandes wurde die Klage in beiden Instanzen abgewiesen. Das Reichsgericht hat bestätigt. Gründe: „Mit Recht hat das Oberlandesgericht angenommen, daß die Pfandklage, womit der Schiffsgläubiger sein Recht auf Befriedigung aus dem Schiff geltend macht, nach dem Binnenschiffahrtsgesetz (§§ 4,103) gegen den Schiffseigner zu richten ist, d. h. nach § § 1 , 2 gegen den, der das Schiff zur Schiffahrt verwendet, sei er nun Eigentümer oder bloßer Ausrüster. Der Eigentümer, der das Schiff nicht selbst zur Schiffahrt verwendet, sondern es einem Ausrüster überlassen hat, ist für die Pfandklage passiv nicht legitimiert.1) Daß dies der Standpunkt des Gesetzes ist, folgt aus § 2 Abs. 2, wo für den Fall eines Ausrüsterverhältnisses bestimmt wird, daß der Eigentümer denjenigen, welcher aus der Verwendung des Schiffes einen Anspruch als Schiffsgläubiger herleitet, „an der Durchführung des An-

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sprudhes nicht hindern" kann. Damit ist gesagt, daß dem Eigentümer ein Interventionsrecht nicht zusteht, wenn der Schiffsgläubiger gegen den Ausrüster die Befriedigung aus dem Schiff nachsucht. Die Bestimmung wäre gegenstandslos und überflüssig, wenn der Eigentümer selbst mit der Pfandklage überzogen werden könnte. Das Gesetz steht auf dem Standpunkt, daß jeweils nur e i n e Person als Schiffseigner in Betracht kommt: der Eigentrümer, wenn er selbst das Schiff zur Schiffahrt verwendet, der Ausrüster, wenn der Eigentümer das Schiff einem anderen zum Sdiiflfahrtsbetrieb überlassen hat. Das wird besonders deutlich, wenn man die seereditlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches, denen das Binnenschiffahrtsgesetz nachgebildet ist, zur Vergleidiung heranzieht. § 761 Abs. 2 HGB. sagt, die Pfandklage könne „sowohl gegen den Reeder, als gegen den Schiffer gerichtet werden". Sieht man ab von der Klage gegen den Schiffer — der übrigens, wenn ein Ausrüsterverhältnis vorliegt, nach § 5 1 0 immer ein Angestellter des Ausrüsters sein muß —, so ist hiernach der Reeder vom Gesetz als der richtige Beklagte bezeichnet, d. h. nach § 4 8 4 in der Regel der Eigentümer eines zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes, bei der Ausnahme des § 5 1 0 aber der Ausrüster, der im Verhältnis zu Dritten als Reeder angesehen werden soll. Nun hat freilich die Vorschrift des § 761 Abs. 2 HGB. im Binnenschiffahrtsgesetz keine Aufnahme gefunden. Dies ist aber nur unterblieben, weil man die Passivlegitimation des S c h i f f e r s im Binnenverkehr für entbehrlich hielt und beseitigen wollte. Im übrigen war eine Änderung bezüglich der Ausgestaltung der Pfandklage des Schiffsgläubigers nicht beabsichtigt. Nun bestimmt freilich § 103 Abs. 2 BSchG. (und § 755 Abs. 2 HGB.), daß der Schiffsgläubiger sein Pfandrecht gegen „jeden dritten Besitzer des Schiffes" verfolgen kann. Der Eigentümer des Schiffes aber kann, wenn ein Ausrüsterverhältnis besteht, nicht unter diese Vorschrift begriffen werden. Er würde zwar als mittelbarer Besitzer im Sinne von § 868 BGB. anzuerkennen sein, ist aber kein „Dritter", sondern der Eigentümer selbst, von dem an dieser Stelle nicht gehandelt wird. Das Ausrüsterverhältnis ist vom Oberlandesgeridit in bedenkenfreier Weise festgestellt. Danach hat die Beklagte am 1. Juli 1907 ihren gesamten Schiffspark einschließlich des Dampfers Nr. 11 an die „Vereinigten Schiffahrtsgesellschaften" verpachtet und dieser Gesellschaft zugleich ihren ganzen Geschäftsbetrieb übertragen. Die Klägerin hat auch — worauf es übrigens nicht einmal ankommen könnte — von dieser Tatsache alsbald Kenntnis erlangt. Revisionsangriffe gegen diese Fest-

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Stellungen sind nidit erhoben. Die Klage ist daher, weil gegen den unrechten Beklagten erhoben, mit Recht abgewiesen worden. Nur eins verdient nodi hervorgehoben zu werden, obschon die Revision hierauf nicht eingegangen ist. Aus einigen Wendungen in der Begründung des Berufungsurteils scheint hervorzugehen, daß das Oberlandesgericht als den Zeitpunkt, der für die Passivlegitimation entscheidet, den ansieht, wo die Schiffsschuld zur Entstehung gelangt ist, hier also den Tag des Zusammenstoßes. Das wäre ein Irrtum. Entscheiden kann in Wahrheit, wenigstens zunächst, nur der Zeitpunkt der Klageerhebung. Wenn das Ausrüsterverhältnis beendigt ist, ist der Eigentümer wieder „Schiffseigner" und auch für solche Schiffsschulden, die während dessen Dauer entstanden sind, der rechte Beklagte. Es bestehen indes keine Bedenken, die Parteibehauptungen und die entsprechenden Feststellungen des Oberlandesgerichts so zu verstehen, daß das Vertragsverhältnis der Beklagten zu den Vereinigten ElbschiffahrtsGesellsdiaften auf längere Dauer berechnet war und insbesondere gerade zu der Zeit noch fortbestand, als die Beklagte ihre Verteidigung gegen die Klage vorbrachte. Angesichts dieser an sich schlüssigen Verteidigung wäre es Sache der Klägerin gewesen, falls im Laufe des Prozesses Veränderungen eingetreten sein sollten, dies zu behaupten und zu beweisen. Nach dieser Richtung hin muß es daher für das Revisionsgericht genügen, daß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, derartige Behauptungen nicht aufgestellt sind." RCZ. 82, 146. Zum Begriff der „fehlerhaften Fährang" des Schiffes im Sinne des § 4 Abs. 2 des Binnenschiffahrtsgesetzes. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 9. April 1913. I. Landgeridit Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Der Beklagte brachte auf Grund eines mit Gebr. U. geschlossenen Frachtvertrages in einer gemieteten Schute 4 5 0 Sack Fischmehl von Hamburg nach Harburg, wo er sein Fahrzeug bei dem Lagerplatz der Befrachterin an der dort befindlichen Brücke anlegte. In der folgenden Nacht ist das Fahrzeug gesunken und die Ladung zu Schaden gekommen. Die Klägerin hat als Versicherer der Gebr. U. diesen den Schaden gegen Abtretung ihrer Ersatzansprüche gegen den Beklagten ersetzt und macht diese Ansprüche geltend.

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Beide Instanzen erklärten den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach für bereditigt, das Oberlandesgericht hat aber im Gegensatz zum Landgericht entschieden, daß der Beklagte nur mit Schiff und Fracht hafte. Die hiergegen eingelegte Revision ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen: „Nach den Feststellungen des Vorderrichters ist der Unfall darauf zurückzuführen, daß sich die Schute infolge niedrigen Wasserstandes bei Ebbe auf den steil abfallenden Grund aufgesetzt hat und schräg gefallen, bei steigender Flut sodann vollgelaufen ist. Der Mangel des Löschplatzes — so wird ausgeführt —, der darin bestanden habe, daß für die starke Neigung der Böschung die Brücke nicht weit genug in den Strom hinausgeführt sei, und die dadurch bedingte Gefahr für dort anlegende Schuten seien verhältnismäßig leicht zu erkennen und dem Beklagten bekanntgewesen. Seine Verpflichtung wäTe gewesen, wenn er die Schute während der wechselnden Tiden habe liegenlassen wollen, ganz sorgfältige Vorsichtsmaßregeln zu treffen, und wenn die Vermeidung der Gefahr durch ständige Bewachung oder auf andere geeignete Weise nicht ausführbar gewesen sein sollte, überhaupt oder wenigstens für die Nacht einen anderen Lagerplatz aufzusuchen. Insoweit ist die Entscheidung nicht angefochten. Der Streit der Parteien dreht sich nur noch darum, ob der Beklagte 'beschränkt zu haften hat oder unbeschränkt, was davon abhängt, ob es sich bei dem, worin es der Beklagte versah, um fehlerhafte Führung der Schute gehandelt hat. Dazu wird vom Vorderrichter ausgeführt, daß nach herrschender Anschauung unter fehlerhafter Führung des Schiffes dasselbe zu verstehen sei, wie unter nautischem Versehen; daß die Führung des Schiffes nur einen Teil der Dienstobliegenheiten des Schiffers ausmache, daß darunter in erster Linie der eigentliche Schiffstransport verstanden werde; daß aber zu diesem sicherlich das Hinführen des Schiffes an eine bestimmte Stelle am Bestimmungsort wie etwaiges Ab- und Wiederanlegen daselbst gehöre; die Entscheidung, ob, wann und wie das alles zu geschehen habe, liege in erster Linie dem Schiffer als solchem ob; auch während das Schiff am Löschplatz liege, unterstehe es daher der Obhut des Schiffers, und dabei könne es keinen Unterschied machen, ob die etwa erforderliche Maßnahme darin bestehe, das Schiff an eine geeignete Stelle hinzulegen, oder für das Schiff dort, wo es liegt, besondere Vorsichtsmaßregeln, etwa besonders sorgfältige Be-

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wachung, Bereitstellung ausreichender Hilfskräfte für den Fall plötzlicher Gefährdung usw. anzuordnen. Dem ist zuzustimmen. Die Angriffe der Revision sind nidit begründet. Zu einem Teil laufen sie — in verschiedenen Wendungen wiederholt — darauf hinaus, daß der Unfall eingetreten sei, als der Beklagte gar nicht mehr an Bord der Sdrute war; er habe — anscheinend in seiner Wohnung — gewedct werden müssen; er sei in der Lage gewesen, gleidizeitig andere Schuten zu führen, und habe das wahrscheinlich auch getan; von dem Augenblick an, als er die Schute verließ, habe er sie nidit mehr geführt. Das ist teils nicht entscheidend, teils geradezu unrichtig. Unrichtig insofern, als unter Umständen sehr wohl der Schiffer das Schiff führen, d. h. nautische Maßregeln ergreifen und anordnen kann, auch wenn er sich nidit gerade an Bord befindet. Nicht entscheidend ist es, weil das positive Tun, auf welches der Unfall zurüdczuführen ist, das Anlegen der Schute an gefährlicher Stelle, zu einer Zeit erfolgte, als der Beklagte an Bord war. Nur insofern, als der Vorderrichter auch der Anordnung einer ständigen Bewachung der Sdiute als einer der denkbaren Sidierheitsmaßregeln Erwähnung tut, tritt das Bedenken auf, ob es sich hierbei noch um einen Fehler in der Führung des Schiffes gehandelt haben kann. Aber auch dieses Bedenken ist, so wie die Dinge hier liegen, abzulehnen. Gewiß trifft im allgemeinen am Heimatsort die Sorge für die Bewachung seiner im Hafen liegenden Fahrzeuge den Schiffseigner als solchen. Aber darum handelt es sich hier nicht. Worin es der Beklagte versehen hat, ist. daß er, als er das Schiff führte, nicht bedachte, daß es dort, wo es lag, gefährdet war, daß es dort nicht liegen bleiben durfte, ohne daß besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen wurden, als deren eine, wie der Vorderrichter erwägt, auch die Anordnung einer ständigen Bewachung hätte in Frage kommen können. Das zu bedenken und danach Maßregeln zu ergreifen oder zu veranlassen, war, wie der Vorderriditer zutreffend ausführt, Aufgabe gerade der Schiffsführung. Das, was der Beklagte getan und was er unterlassen hat, läßt sidi hier gar nicht voneinander trennen, auch in der Betrachtung nicht. Bedeutung findet diese Unterlassung überhaupt nur in Verbindung mit jenem Tun, und jenes Tun war unzweifelhaft ein Akt der Schiffsführung. Nimmt man aber die Tatsache, daß das Schiff an der Ladebrücke liegen blieb, als gegeben hin, so war der Fehler des Beklagten, daß er nicht bedachte, für diesen besonderen Fall reiche die übliche Art der Bewadwng nicht aus; und

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das zu überlegen und zu entscheiden, war wiederum Sache gerade des Schiffers." RGZ. 85, 372. Zur Anwendung des § 2 5 4 BGB., insbesondere anter Berücksichtigung des § 3 des Gesetzes betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Joli 1895 (RGBl. S. 301). VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 26. Oktober 1914. Die Entscheidung ist abgedrudet unter ,,Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse 1". RGZ. 87, 388. Haftet der Frachtführer im Binnenschiffahrtsverkehr ans dem als Namenspapier aasgestellten Ladeschein dem Ladungsempfänger, auch ohne daß er einen Begebungsvertrag abschließt? Bedeutung eines Vermerks im Ladeschein, das zweite Exemplar als Frachtbrief führen zu wollen. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 18. Dezember 1915. 1. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Im Frühjahr 1913 übernahm der Beklagte von dem Prokuristen A. J. in K., der die Firma R. J. vertrat, u. a. 100 0 0 0 Kilo Weizen zur Beförderung an die Klägerin. Für diese 100 0 0 0 Kilo stellte der Beklagte zugunsten der Klägerin als Empfängerin zwei Ladescheine 3us, ie auf 100 0 0 0 Kilo lautend. Der eine der Ladescheine sollte in der Hand des Beklagten bleiben. Da beide Scheine zu untersiegeln waren und der Beklagte sein Petschaft nicht bei sich hatte, überließ er nicht nur einen der Scheine dem A. J., sondern gab diesem auch den zweiten zur Aufbewahrung. A. J. beutete die Überlassung auch des zweiten Scheines zu einem Betrug aus. Er hatte der Klägerin 200 0 0 0 Kilo Weizen verkauft und erlangte, indem er ihr die beiden Ladescheine als selbständige Urkunden übersandte, von dem ganzen Kaufpreis einen Vorschuß von 9 0 % . Der Beklagte hat der Klägerin auf die beiden Ladescheine nur 100 0 0 0 Kilo Weizen ausgeliefert. Die Klägerin hat einen Schaden erlitten, den sie auf 12 340 M bemißt. Sie stützt ihren Ersatzanspruch auf den Ladeschein, in zweiter Linie auch auf Fahrlässigkeit des Beklagten. Sie ist der Ansicht, daß der Beklagte den zweiten Ladeschein nicht in der Hand des A. J. habe belassen dürfen. Die erste Instanz wies die Klage ab, das Oberlandes-

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gericht verurteilte den Beklagten zum Schadensersatz. Das Reichsgericht hat das erste Urteil wiederhergestellt aus folgenden Gründen: „Was die tatsächlichen Feststellungen anlangt, so geht die Revision mit Recht davon aus, daß der Beklagte den zweiten Ladeschein über lOOOOO Kilo Weizen an die Firma R. J. nicht begeben hat. Es heißt im Tatbestand des Berufungsurteils, der Beklagte habe „den zweiten Schein dem A. J. bis auf weiteres zur Aufbewahrung überlassen", sowie ferner: das zweite Exemplar „sollte dem Beklagten wieder ausgehändigt werden". Diese Feststellung stimmt mit der des ersten Richters überein und befindet sich auch im Einklang mit dem Inhalt des Ladescheins, in dem vermerkt ist, daß der Schiffer das eine der zwei gleichlautenden Exemplare als Frachtbrief führe. Das Oberlandesgeridit läßt im Gegensatz zur ersten Instanz den Beklagten trotz Mangels des Begebungsvertrags audi aus dem zweiten Ladeschein der Klägerin haften. Das ist rechtsirrtümlich. Es ist hier nicht zu untersuchen, was für einen indossablen Ladeschein (vgl. § § 3 6 3 flg. HGB.) Rechtens sein würde. Aus einem als Namenspapier ausgestellten Ladeschein haftet der Frachtführer nur dann, wenn er den Ladeschein in verpflichtender Absicht übertragen hat. Davon kann nach den angeführten tatsächlichen Feststellungen keine Rede sein. R. J. hatte weder aus dem zweiten Ladeschein noch an dem zweiten Ladeschein Rechte erworben. Folglich können auch der Klägerin keine Rechte zustehen. Das Bundesgericht stellt folgende Rechtssätze auf. Der Schiffer, welcher dem Absender einen unterschriebenen Ladeschein übergebe, könne nicht dem gutgläubigen Dritten gegenüber mit der Verteidigung gehört werden, daß er trotz Zeichnung und Übergabe eines Ladescheins an den Absender eine entsprechende urkundliche Verpflichtung nicht habe übernehmen wollen. Der Schiffer könne dem gutgläubigen Besitzer nicht entgegenhalten, daß die Urkunde, die er mit der Verpflichtungswirkung ausgestattet und aus der Hand gegeben habe, in Wirklichkeit eine solche Verpflichtungswirkung nicht habe. Diese Aufstellungen sind unhaltbar. Da die Übergabe des Ladescheins lediglich zur vorübergehenden Aufbewahrung erfolgt ist, legt das Berufungsgericht äußeren Vorgängen, hinter denen kein Verpflichtungswille steht, eine Bedeutung bei, welche keine gesetzliche Grundlage hat. Das Oberlandesgericht meint, daß seine Auffassung als ein Gebot der Rechtssicherheit anzusehen sei. Die Rechtssatzung kann selbst-

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verständlich in bestimmten Fällen den Schutz der Rechtssicherheit über den Schutz der Redite des einzelnen setzen, dessen Rechte dem höheren allgemeinen Sicherheitsinteresse opfern. Wenn von den wider den Willen des Berechtigten in den Verkehr gelangten Orderpapieren, über welche die Rechtsansidhten noch nicht zu voller Übereinstimmung gelangt sind, abgesehen wird, so treten hier als bekannte Beispiele das Inhaberpapier (§ 794 BGB.) und das Wechselakzept hervor. Allein es ist unzulässig, diese besonderen Fälle der versdiärften Skripturhaftung ohne Anhalt an bestimmten Gesetzesvorsdiriften auf Grund allgemeiner Zwedcmäßigkeitserwägungen zu vermehren. Es ist vielmehr den Ausführungen der Kammer für Handelssachen des Landgerichts zuzustimmen, die dem Mangel des Begebungsvertrags entscheidende Bedeutung beigelegt hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die von A. J. betrogene Klägerin sich ihres Schadens nicht bei dem Beklagten erholen kann. In zweiter Linie stützt das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten auf eine zum Schadensersatz verpflichtende Fahrlässigkeit. Das Gericht verweist auf folgenden Satz des Ladescheins? „Ich habe zwei gleichlautende, für einfach geltende Exemplare dieses Frachtvertrags, von welchen ich eins als Frachtbrief führe, eigenhändig unterschrieben und besiegelt." Es führt dann aus, bei Befolgung dieser Bestimmung „sei dem Empfänger die volle Sicherheit dafür gegeben gewesen, daß der in jeder Urkunde verbrieften Lieferungsverpflichtung eine gleichwertige Ladungsübernahme entsprochen habe und wertlose Urkunden ihm nicht hätten üfeersandt werden können. Der so gekennzeichneten Ladescheinvorschrift habe der Beklagte zuwidergehandelt, und zwar unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt". Auch diesen Ausführungen vermag das Reidisgericht nicht zu folgen. Zwar ist es nicht zweifelhaft, daß der Beklagte durch den einen über lOOOOO Kilo Weizen ausgestellten Ladeschein, der wirklich begeben wurde, in ein vertragliches Rechtsverhältnis auch zur Klägerin, der im Ladeschein mit Namen genannten Empfängerin dieser Ladung, trat. Hieraus ergibt sich dann weiter, daß der Beklagte der Klägerin haftet, wenn er die gegen sie übernommenen Ladescheinverpflichtungen fahrlässig verletzte und ihr dadurch Schaden zufügte. Diese Verpflichtungen betreffen aber nur die im Ladeschein als übernommen anerkannte Ladung von 100 000 Kilo Weizen, die der Schiffer dem rechtlichen Besitzer des Ladescheins auszuliefern verspricht. Die Auslieferungsverpflichtung für diese 100 000 Kilo ist vom Beklagten er-

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füllt worden. Verfehlt ist die Annahme, daß der Schiffer neben der bezeichneten Verpflichtung die weitere besondere Verpflichtung vertraglich übernommen hätte: wenn er den Ladeschein nicht als Frachtbrief führe, sondern etwa das zweite Exemplar einem anderen anvertraue, so habe er für den daraus entstehenden Schaden aufzukommen. Denn es handelt sich bei der angeführten Bestimmung des Ladescheins um eine Bemerkung bloß nachrichtlicher Natur. Nach Wortlaut und Wesen der Ladesdieinurkunde erscheint es gezwungen und gekünstelt, dieser Bemerkung die Absicht der Vertragschließenden beizulegen, der Schiffer solle und wolle zugleich jene zweite besondere Verpflichtung eingehen. Hiernach haftet der Beklagte weder aus dem zweiten Ladeschein noch wegen fahrlässiger Vertragsverletzung. Auf der Hand liegt, daß der Beklagte wegen fahrlässigen Verhaltens außerhalb des Vertrags (§ 823 BGB.) nidrt in Anspruch genommen werden kann."... RGZ. 91, 243. Hat der Kahneigner dem Absender gegenüber ein Verschulden seines Schleppers zu vertreten? HOB. § 431, BGB. § 278. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 19. November 1917. 1. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Firma V. & Co. übertrug dem Beklagten die Beförderung einer Ladung Zucker von Hamburg nach Itzehoe. Der Beklagte verlud den Zucker in seinen Leichter Elisabeth und ließ diesen durch den Dampfer Julius, der von seinem Schiffseigner B. selbst geführt wurde, elbabwärts schleppen. Infolge Verschuldens des B. geriet der Leichter auf Grund und wurde ledc; der Zudcer wurde beschädigt. Die Klägerinnen haben als Versicherer der Ladung der Firma V. Sc Co. den Schaden ersetzt und verlangen mit der Klage vom Beklagten die Erstattung des aufgewendeten Betrags. Das Landgericht erklärte den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Seine Revision hatte Erfolg. Gründe: „Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß das Auflaufen des Leichters Elisabeth durch die Fahrlässigkeit des Schlepperführers B. verursacht worden ist, der bei der Leitung des Schleppzuges die durch die Wetterverhältnisse gebotene Vorsicht außer acht gelassen hat. Den Beklagten hat es für das Verschulden des Schlepperführers auf Grund von

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§ 2 7 8 BGB., § 4 3 1 HGB., § 8 BinnenSdiG. als mithaftbar angesehen, da zur Fortbewegung des Leichters ein Sdileppdampfer erforderlich, mithin dessen Führer Erfüllungsgehilfe des Beklagten bei Ausführung der Beförderung gewesen sei, und der Beklagte für das Versehen eines solchen Gehilfen in gleichem Umfang einzutreten habe wie für das Verschulden seiner eigenen Leute. Die letztere Annahme stehe zwar, fügt es hinzu, in Widerspruch mit der vom Reichsgericht am 2 4 . Februar 1912 ( R G Z . Bd. 78 S. 3 80) ausgesprochenen Rechtsauffassung. Wie aber das Urteil vom 11. Dezember 1915 (Hanseat. Rechtszeitschr. Bd. 1 S. 33) beweise, sei das Reichsgericht von jener Auffassung später wieder abgegangen. M i t Redit wird die Begründung des Berufungsurteils von der Revision als irrtümlich angegriffen und die Verletzung des § 4 3 1 HGB. sowie des § 278 B G B . gerügt. Nach der ersteren Vorschrift, die im § 2 6 BinnenSdiG. auf das Frachtgeschäft der Binnenschiffahrt für anwendbar erklärt worden ist. hat der Frachtführer ein Verschulden seiner Leute und ein Verschulden anderer Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, in gleidiem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Diese Vorschrift stimmt in ihrem letzten, hier allein bedeutsamen Teile überein mit dem § 278 BGB., der ganz allgemein dem Schuldner für ein Verschulden derjenigen Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, die gleiche V e r tretungspflicht auferlegt wie für eigenes Verschulden. Hiernach hängt die zwisdien den Parteien streitige Haftpflicht des Beklagten für das Versehen des Schlepperführers davon ab, ob dieser zu den Personen zu rechnen ist, deren sich der Beklagte bei der Ausführung der Beförderung bedient hat. Das Reichsgericht hat in seinem oben erwähnten Urteil vom 2 4 . Februar 1 9 1 2 eine soche Haftung des als Frachtführer beteiligten Eigners des geschleppten Kahnes verneint und dabei das entscheidende Gewicht auf die selbständige Stellung gelegt, die bei der Binnenschifffahrt der Schlepperführer gegenüber dem Schiffer des geschleppten Kahnes einnehme. Daß die Fortschaffung der Güter durch die Hilfe des Schleppdampfers gefördert werde, sei zwar — so wird in jenem Urteil ausgeführt — nicht zu verkennen; der Führer des Schleppers trete jedodi zum Eigner des geschleppten Schiffes nicht in das Verhältnis einer unselbständigen Hilfsperson. Der Eigner des Schleppdampfers bleibe nach dem Schleppvertrag ein selbständiger und unabhängiger Unternehmer; weder er selbst noch der in seinem Dienste stehende SchlepperführeT werde durch den Vertrag zum Angestellten des Kahnführers oder trete

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unter dessen Aufsicht und Machtbereich. Vielmehr liege es gerade umgekehrt so, daß der Kahnführer sich vertragsmäßig unter das Kommando des Schlepperführers begeben habe. An dieser Rechtsansicht muß der erkennende Senat auch bei erneuter Prüfung die Rechtsfrage festhalten. Allerdings ist im § 431 HGB., übereinstimmend mit dem Grundsatz des § 278 BGB., die Haftung des Frachtführers ganz allgemein für ein Verschulden derjenigen Personen ausgesprochen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, und es ist auch unzweifelhaft, daß die Mitwirkung des Schleppdampfers dem Zwedc der Beförderung der Güter dient. Allein die besondere Stellung, die der Eigner und der Schiffer des Schleppdampfers bei der Binnenschiffahrt gegenüber dem Eigner des geschleppten Schiffes und dessen Schiffer einnehmen, nötigen dazu, den Schleppereigner, der durch einen Schleppvertrag die Fortbewegung des befrachteten Schiffes übernimmt, und den von ihm gestellten Schiffer nicht als Hilfsperson des Frachtführers im Sinne der vorgenannten Gesetzesvorschriften anzusehen. Der Schleppereigner steht dem Kahneigner und Frachtführer als ein selbständiger Unternehmer gegenüber, und dem Schiffer des Schleppdampfers liegt selbständig die allgemeine Leitung des Schleppzuges ob, während der Kahnsdiiffer den Weisungen des Schleppers nachzukommen und die Fahrt durch richtiges Nachsteuern und Wahrnehmung der ihm sonst zu Gebote stehenden zweckdienlichen Maßnahmen nach Kräften zu fördern hat (RGZ. Bd. 65 S. 383). Zu dem Frachtführer und Kahneigner tritt der Schlepperführer in kein Abhängigkeitsverhältnis und braucht von ihm für die Leitung des Schleppzugs keine Vorschläge oder Befehle entgegenzunehmen. Unter diesen Umständen erscheint es als eine Überspannung des den §§ 431 HGB., 278 BGB. zugrunde liegenden Rechtsgedankens, wollte man in den Fällen, in denen die Annahme eines Schleppers dem Inhalt des Frachtvertrags und dem Willen beider Vertragsparteien entspricht, dem Frachtführer und Kahneigner die Haftung für jedes Verschulden des Schlepperführers aufbürden, obschon dieser in der Leitung des Schleppzuges von den Weisungen des ersteren ganz unabhängig ist. Den Verkehrsanschauungen entspricht es vielmehr, soldic selbständigen Personen nicht zu denjenigen zu rechnen, deren sich der Frachtführer bei Ausführung der Beförderung „bedient", und sie nicht mit den eigenen „Leuten" des Frachtführers auf die gleiche Stufe zu stellen. Für Verluste und Beschädigung des Frachtguts, die durch ihr Verschulden hervorgerufen sind, haftet daher der Frachtführer nur nach Maßgabe des § 58 BinnenSchG.; ihm steht also der Entlastungsbeweis offen, daß der Verlust oder die Beschädigung durdi UmSchiffahrtsrcdu II

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stände herbeigeführt ist, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten. Unzutreffend ist es, wenn das Berufungsurteil sidi zur Unterstützung seiner abweichenden Ansidit auf das obenerwähnte reichsgerichtliche Urteil vom 11. Dezember 1915 beruft. In dem dort entschiedenen Falle hatte der Frachtführer und Kahneigner einen Schlepper verwendet, den er von dessen Eignern mit der Besatzung zur Ausführung von Sdbleppfahrten auf längere Zeit gemietet hatte. Dort wurde der Frachtführer für das Verschulden des Schlepperführers, der durch Unvorsichtigkeit das Kentern einer geschleppten Schute herbeigeführt hatte, für haftbar erklärt, weil er „sich des Sdilepperführers als Erfüllungsgehilfen bei Ausführung des übernommenen Transports bedient hätte." Dieser Ausspruch hatte in jenem Falle auch seine Berechtigung wegen der rechtlichen Beziehungen, in denen der Frachtführer infolge des Miet- und Dienstverschaffungsvertrags zu dem Schlepperführer stand. Wenn auch nicht unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen ihnen begründet waren, so bestand dennoch für den Schlepperführer die Pflicht, den Anweisungen des Frachtführers Folge zu leisten. Dies ergab sich daraus, daß der Eigner des Schleppers die ihm aus dem Dienstvertrag gegenüber dem Schiffer zustehenden Rechte für die Dauer des Mietverhältnisses auf den Frachtführer übertragen hatte. Der Sdiiffer wurde dadurch den Anordnungen des Frachtführers statt des Schleppcreigners unterworfen (RGZ. Bd. 56 S. 361, B. 82 S. 429). Gerade hierin liegt der durchgreifende Unterschied gegenüber dem jetzt zur Entscheidung stehenden Falle und dem Tatbestand des Urteils vom 24. Februar 1912. In diesen beiden Fällen beruht die Mitwirkung des Sdileppers bei der Ausführung der Beförderung auf einem nach den Regeln des Werkvertrags zu beurteilenden Schleppervertrag, durch den ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis des Schlepperführers von dem Frachtführer nicht begründet wird. Eine verschiedene Beurteilung der beiden Fälle ist auch nicht, wie es in der Besprechung Bd. 1 S. 37 der Hanseat. Rechtszeitschr. geschieht, deshalb geboten, weil bei der jetzt zu entscheidenden Sache nur der Leichter des Beklagten durch den Dampfer geschleppt wurde, während in der älteren Sache der Frachtführer seinen Kahn in einen noch mit anderen Anhängen besetzten Schleppzug eingestellt hatte. Hierbei handelt es sich nur um eine tatsächliche, nicht um eine rechtserhebliche Verschiedenheit. Entscheidend für die Rechtsbeziehungen zwischen Frachtführer und Sdilepperführer ist allein die Natur des Vertrags, auf Grund dessen der Schlepper von seinem Eigner zur Mitwirkung bei

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der Beförderung gestellt wurde. Das war in beiden Fällen unzweifelhaft ein Schleppvertrag. Der jetzige Fall läßt sidi daher audi nicht, wie es weiter in jener Besprechung versucht wird, auf die gleiche Stufe stellen mit dem des reichsgerichtlichen Urteils vom 11. Dezember 1915, bei dem die Gestellung des Schleppers auf einem Miet- und Dienstverschaffungsvertrag beruhte. Nur für den Sachverhalt des letzterwähnten Urteils, nicht aber für den jetzt zu entscheidenden Fall trifft die in der Besprechung füT ausschlaggebend erachtete Erwägung zu, daß der Schlepper ausschließlich zur Verfügung des Frachtführers gestanden und nach dessen Anweisungen sich habe richten müssen. Eben weil es an dieser Voraussetzung im vorliegenden Falle fehlt, kann dem Berufungsgericht in seiner Annahme, daß der Sdilepperführer als ein Ausführungsgehilfe des Frachtführers anzusehen sei, nicht beigepflichtet werden."...

RGZ. 91, 385. Zar Häftling des Reeders für das Verschulden seiner Vizen und sonstigen Vertreter. Gesetz, betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, § 4 Nr. 2. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 19. November 1917. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Beklagte hatte für die Firma T. Koksgrus und Baumwollabfälle in zwei Schuten von Hamburg an den Lagerplatz der Firma in Glüdcstadt zu befördern. Da die Sdiutcn die im Hafen von Glüdcstadt befindliche Schleuse nicht durchfahren konnten, wurden sie einstweilen an der Hafenmauer festgelegt. Nachdem der Ewerführer Sch. sich entfernt hatte, sanken sie in der nächsten Nacht. Der Beklagte hatte den in Glüdcstadt wohnhaften Schiffsmakler F. zu seinem Vertreter bestellt. Die Klägerin, welche die Ladung versichert hatte, vergütete den Ladungsschaden und forderte Ersatz des gezahlten Betrags, weil die Schuten nicht gehörig bewacht worden seien. Beide Instanzen erachteten den Beklagten für unbeschränkt persönlich haftbar. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils. Gründe: (Es wird zunächst eine prozessuale Rüge zurückgewiesen. Sodann wird fortgefahren:) 16«

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Die Revision rügt weiter, der Beklagte habe nidit unbeschränkt persönlich verurteilt werden dürfen. Diese Rüge ist begründet. Der Transport war nidit beendet. Die beiden Schuten waren noch nicht an dem Ort ihrer Bestimmung angelangt. Sie waren noch durch die Schleuse und an das Lager von T. zu bringen. Der Zeuge, Ewerführer Sdi., konnte die Schuten nicht durchschleusen, weil die Baumwollschute zu hoch beladen war und er keine Hilfskräfte beschaffen konnte, um Baumwollballen, soweit nötig, herunterzunehmen. Der Zeuge ist sodann nach Hamburg zurückgefahren. Da der Transport nicht beendet war, gehörte die Bewachung und Kontrollierung der Schuten zu den Dienstobliegenheiten des Zeugen als Ewerführer. Deshalb haftet der Beklagte für eine bei der Bewachung vorgekommene Regelwidrigkeit an sich nur mit Schiff und Fracht. Unbeschränkte persönliche Haftung des Beklagten würde eintreten, wenn der Beklagte einverstanden war, daß Sch. den Transport aufgab und sich entfernte, als er die Schuten vor der Schleuse hingelegt hatte, und daß die weitere Bewachung nur durdi eine nicht zur Besatzung gehörige Persönlichkeit, den Schiffsmakler F., ausgeführt werden sollte. Dann hätte die Bewachung eben nicht mehr zu den Dienstobliegenheiten des Zeugen Sch. gehört. Unbeschränkte persönliche Haftung müßte auch dann eintreten, wenn der Beklagte zwar wollte, daß Sch. den Transport weiterführte, aber doch einverstanden war, daß er sich um die Bewachung nicht kümmerte, sondern diese dem Schiffsmakler F. überließ. Nach Gesetz und Gebrauch gehört zwar die Bewachung bis zur Beendigung der Reise zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers. Aber wenn der Reeder den Schiffer von einem Teil seiner gesetzlichen Dienstobliegenheiten befreit und diese einer nicht zur Schiffsbesatzung gehörenden Person überträgt, dann ist anzunehmen, daß er unbeschränkt haftet (vgl. E h r e n b e r g . Beschränkte Haftung S. 216; L e w i s - B o y e n s . Seerecht Bd.

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flg.).

Unbeschränkte persönliche Haftung tritt aber nidit dann ein, wenn der Reeder in die gesetzlichen und herkömmlichen Dienstobliegenheiten des Schiffers nicht eingreift und nur zur größeren Sicherheit über die eigene Vertragspflidit hinaus noch eine weitere Person mit der Überwachung des Schiffers und seiner Maßnahmen betraut. Denn davon kann nicht die Rede sein, daß die Haftung des Reeders ausgedehnt wird, wenn er in der angegebenen Weise eine besondere, an sich von ihm nidit zu verlangende Vorsorge ausübt.

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Nun hat das Berufungsgericht zwar ausgeführt, das — fahrlässigerweise versäumte — Nachholen der Vertauung der an der Hafenmauer festgelegten Sdiuten habe nidit zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers Sdi. gehört; er habe zu solcher Kontrolle keinen Auftrag gehabt. Es stehe auch dahin, ob er dafür sachverständig gewesen sei. Dabei ist aber übersehen, daß an und für sich die Bewachung der Schuten und ihrer Ladung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehörte. Es war nicht erforderlich, daß ihm ein dahingehender besonderer Auftrag erteilt wurde. Nur wenn der Beklagte ihn von seiner Bewachungspflicht befreit hätte, würde die Sache anders liegen. Der Beklagte hatte aber bestritten, damit einverstanden gewesen zu sein, daß der Schiffer sich um die festgelegten Schuten nidit weiter bekümmerte. Nadi Ausweis des Tatbestandes des Berufungsurteils hatte er vielmehr behauptet, er habe damit rechnen müssen, daß Sch., der die Schuten habe weiterbefördern sollen, nachts bei diesen bleibe. Sch. habe sie ohne Auftrag verlassen. Seine Entschuldigungen, daß er kein Geld gehabt habe und daß er keine Leute habe finden können, seien leere Ausreden. Diese Behauptungen sind dahin zu verstehen, daß der Schiffsmakler F. nur zur Kontrolle des Schiffers und seiner Maßnahmen bestellt worden sei. Sind diese Behauptungen, die das Berufungsgericht nicht genügend gewürdigt hat, richtig, so kann eine unbeschränkte persönliche Haftung des Beklagten auf Grund der ungenügenden Bewachung der Schuten nicht eintreten (vgl. RGZ. Bd. 82 S. 1 4 6 ) . " . . . RGZ. 93, 163. Zur Haftung des Befrachters bei Verladung gefährlicher Ware. BinnenschG. § 45. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 8. Juni 1918. 1. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. —

II. Oberlandesgeridit daselbst.

Der Kläger hatte sich am 6. August 1915 verpflichtet, 639 t eines Salzes von Hamburg nach Stade zu befördern und auf der Horst bei Stade zu löschen. Die Ladung wurde in vier Kastenschuten verladen. In den Ladescheinen war die Ware als Steinsalz bezeichnet. Der Frachtabschluß wurde durch den Schiffsmakler H. vermittelt. Der Kläger behauptete, es habe sich nicht um Steinsalz, sondern um doppelschwefelsaures Natron (Bisulfat) gehandelt. Dies sei eine ätzende Masse und habe die Kastenschuten sowie die Kleidung der Schutenschiffer stark beschädigt. Der Beklagte sei schadensersatzpflichtig,

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SdiiSahrtsrecfat

da er Vertragspartei sei und den Kläger über Art und Beschaffenheit des Frachtguts getäuscht habe. Der Beklagte erwiderte, er habe die Masse, die aus Abfällen der Salpetersäurefabrikation bestanden habe, von einer inländischen Fabrik erhalten, um sie zu vernichten. Er habe mit P. in Stade vereinbart, daß dieser sie in seine bei Stade gelegenen Lehmgruben schütten solle. P. habe die Ware in Hamburg abzunehmen gehabt, und demgemäß habe P. durch Vermittlung von H. den Frachtvertrag mit dem Kläger abgeschlossen. Der Beklagte sei also nicht Vertragschließender. Er habe nicht erklärt, daß die Masse Steinsalz sei, auch habe er den H. zur Abgabe einer solchen Erklärung nicht ermächtigt. Die Ladescheine habe er weder erhalten noch gesehen. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Auf die Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben aus folgenden Gründen: „Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob der Beklagte oder der Zeuge P., der die Vernichtung der Fabrikationsrückstände übernommen hatte, der Befrachter ist. Es geht davon aus, daß der Kläger den Beklagten dann in Anspruch nehmen kann, wenn dieser ihm über mögliche schädliche Wirkungen des Frachtguts nicht die Aufklärungen gegeben hat, die er nach Treu und Glauben und guter Verkehrssitte hätte geben müssen. Weiter wird ausgeführt, ein Hamburger Schutenvermieter kenne die schädlichen Wirkungen von Bisulfat, wie Kläger selbst zugegeben habe. Es komme also nur darauf an, ob H. dem Kläger auf Anstiften des Beklagten die Tatsache, daß es sich um Bisulfat handele, verschwiegen und die Ladung als eine Art Steinsalz bezeichnet habe. Der Beweis für diese Behauptung sei bei dem Widerspruch zwischen den Aussagen des Prokuristen des Beklagten ]. und des Maklers H. nidit erbracht; es bleibe die Möglichkeit, daß J. dem H. gegenüber der Wahrheit gemäß die Ware als Bisulfat bezeichnet habe und daß dabei über die Gefährlichkeit nicht gesprochen sei. . . . (Es wird zunädist eine Prozeßrüge für berechtigt erklärt. Sodann wird fortgefahren:) Das Berufungsurteil ist aber noch in anderer Richtung nicht bedenkenfrei. Nach seinem Ausgangspunkt ist zu unterstellen, daß der Beklagte Gegenkontrahent des Klägers war. Hiervon ausgehend prüft das Berufungsgericht, ob dem Beklagten eine Arglist insofern zur Last falle, als er den Kläger über die Natur und die Eigenschaften des Frachtguts getäuscht habe, und es verneint, daß der Kläger den Beweis der Arglist geführt habe. Mit dieser Darlegung ist aber der Streitfall nicht ausreichend rechtlich gewürdigt. Ähnliche Fälle der

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Beschädigung eines Sdiiflfes durch das Frachtgut sind bereits mehrfach Gegenstand richterlicher Entscheidung gewesen, vgl. u. a. RGZ. Bd. 2 0 S. 78, Hans. Ger.-Ztg. Hauptbl. 1916 Nr. 9. Besonders in dem erstangeführten Urteil ist eingehend dargelegt, daß den Befrachter oder den Ablader auch dann eine Verantwortung für den durch das Frachtgut angerichteten Schaden treffen kann, wenn ihm zwar nicht eine Arglist, wohl aber ein Verschulden zur Last fällt (vgl. § 45 Abs. 1 BinnenschG. und D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g , HGB. § 427 IV). Auch von diesem Gesichtspunkt aus muß das Beweisergebnis geprüft werden. Vor allem aber kommt das Folgende in Betracht. Der vorliegende Fall unterscheidet sich wesentlich von jenen beiden Fällen in dem Punkte, daß dort die Art der Ware — bengalische Zündhölzer in dem einen, Schwefelkies in dem anderen Falle — vom Ablader oder Befrachter riditig angegeben war, während das hier vom Kläger gerade mit Entschiedenheit in Abrede genommen wird. Mit Rücksicht hierauf ergibt sich folgende rechtliche Beurteilung der Sachlage. Nach § 45 BinnensdiG. ist der Absender, der unrichtige Angaben über die verladenen Güter macht, für den durch seine Handlungsweise veranlaßten Schaden verantwortlich, insofern ihm dabei ein Verschulden zur Last fällt. Unter Absender im Sinne dieser Bestimmung ist jedenfalls der Befrachter zu verstehen (vgl. S t a u b , HGB. § 425 Anm. 9); ob auch der Ablader darunter fällt, mag dahingestellt bleiben. Das Gesetz bestimmt also, daß ein Befrachter, der sdiuldhafterweise unrichtige Angaben über das Frachtgut macht, für den dadurch entstehenden Schaden verantwortlich ist. Der schuldvoll unrichtigen Angabc steht das Unterlassen jeglicher Angabe gleich, wenn der Befrachter den schädigenden oder gefährlichen Charakter der Frachtgüter kennt. Das ergibt sich ohne weiteres aus den Grundsätzen, die das Reichsgericht über Verschulden beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) entwickelt hat. In dem Urteil Jur. Wochenschr. 1912 S. 743 Nr. 5 ist dargelegt, daß ein Vertragschließender die Offenbarung und Aufdeckung solcher Tatsachen nach der Auffassung des redlichen Verkehrs erwarten darf, von denen die Gegenseite annehmen muß, daß sie für seine Entschließungen von Bedeutung sind, von denen er sich selbst aber auf andere Weise keine Kenntnis verschaffen kann. Verletzung dieser Vertragspflicht verpflichtet zum Schadensersatz, ob in Höhe des positiven Erfüllungsinteresses, wie in jenem Urteil ausgeführt, oder nur in Höhe des negativen, wie O e r t m a n n , Leipz. Zeitschr. 1914 S. 514 will, kann für den vorliegenden Fall unerörtert bleiben. Der Beklagte haftet also — bei Unterstellung, daß er Be-

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frachter ist —, wenn bewiesen wird, daß er sdiuldhafterweise dem Kläger von der gefährlichen Natur des Frachtguts keine Mitteilung gemacht oder nicht wenigstens mitgeteilt hat, daß es sidi um Bisulfat handelte, dessen gefährliche Natur nadi der Feststellung des Berufungsgerichts den Hamburger Schutenvermietern bekannt ist. Die Verpflichtung des Beklagten erschöpfte sich auch nicht darin, daß er dem Makler von der Natur oder dem Namen des Stoffes Kenntnis gab; er mußte vielmehr den Makler beauftragen, dem Frachtführer diese Mitteilung weiterzugeben, und er mußte sich in geeigneter Weise vergewissern, daß der Makler diesen Auftrag ausführte. Dabei ist die Beweislast wie folgt zu verteilen. Der Kläger muß nachweisen, daß derjenige Tatbestand vorlag, aus dem sich die Verpflichtung des Beklagten zu der bezeichneten Mitteilung ergab. Dann hat der Beklagte nachzuweisen, daß er seine Vertragspflicht erfüllt, also die nötigen Schritte getan hat, um die Mitteilung an den Kläger gelangen zu lassen (vgl. P. K l e i n , Die Anzeigepflicht S. 132). Wollte man dem Kläger den Beweis aufbürden, daß ihm eine solche Mitteilung nicht geworden ist, so würde dies unbefriedigend sein, da ein solcher Beweis in der Regel kaum zu führen ist. Deshalb hat der Beklagte den Nachweis der erfolgten Mitteilung zu führen, wie ein gleiches vom Gesetzgeber im § 694 BGB. für den Verwahrungsvertrag bestimmt ist."... RGZ. 95, 212. Unterwerfung unter Schleppbedingungen durch Anhängen an einen Sdileppzug, insbesondere bei der Vertragsklausel „frei Schleppen"? BinnenschG. § 26. 1. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 26. März 1919. I. Landgericht Hamburg. —

II. Oberlandesgeridit

daselbst.

Ein Kahn des Klägers wurde von einem Dampfer der Beklagten zu I von Hamburg nach Berlin gesdileppt und unterwegs beschädigt. Der Kläger behauptete, daß der Beklagte zu 2, der Führer des Dampfers, bei Boizenburg einen ungeeigneten Platz zum Übernachten gewählt und dadurch den Schaden veranlaßt habe. Die Beiklagten beriefen sich u. a. darauf, daß in den Schleppbedingungen der Beklagten zu 1 vorgeschrieben sei, ein Unfall müsse bei Vermeidung des Verlustes jedes Entschädigungsanspruchs dem Kapitän sofort und der Beklagten zu 1 binnen 48 Stunden angezeigt werden. Letzteres sei nicht geschehen.

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Landgericht und Qberlandesgericht wiesen auf Grund dieser Einrede die Klage ab. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils. Gründe: „Zwischen dem Kläger und der Speditionsfirma R. Gr. in Hamburg war ein Frachtvertrag über Beförderung einer Ladung Kohlen mit dem Kahn des Klägers von Hamburg nach Berlin vereinbart. Der Vertrag enthielt die Klausel „frei Schleppen". Die Klausel bedeutet, daß die Absenderin das Schleppen des Kahnes auf ihre Kosten zu veranlassen hat. Die Firma ließ das Schleppen durch die Beklagte zu 1 ausführen, indem sie dieser den Kahn des Klägers durch einen sogenannten Überweisungsschein überwies. In dem Schein ist erklärt, daß die Überweisung auf Grund der Schleppbedingungen der Beklagten zu 1 erfolgt. Es fragt sich, ob nach diesem Sachverhalt die Sdileppbedingungen für den Anspruch des Klägers maßgebend sind. Die Frage ist zu verneinen. Vertragspflicht der Firma R. Gr. war, das Schleppen zu besorgen. Sie bediente sich zur Erfüllung dieser Vertragspflicht der Beklagten zu 1, so daß diese ihre Erfüllungsgehilfin war. Mit einem Erfüllungsgehilfen tritt der Vertragsgegner nidit in vertragliche Beziehungen. Es ging also den Kläger nichts an, zu welchen Bedingungen die Beklagte abzuschließen pflegt, denn er schloß nicht mit ihr ab. Daß er sich auf Anweisung von R. Gr. an einen Schleppzug anhängte, der von einem Dampfer der Beklagten zu 1 geschleppt wurde, enthielt keinen Vertragsschluß mit der letzteren. Ein anderer Reditsgrund für die Maßgeblichkeit der Bedingungen der Beklagten, als ein Vertragsschluß, ist nicht ersichtlich. Deshalb berühren jene Bedingungen den Kläger nicht und insbesondere berührt es ihn nicht, wenn sie in § 2 Nr. 1 bestimmen, daß jeder Anhängende sich ihnen durch das Anhängen unterwerfe. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe, indem er sich von dem Dampfer der Beklagten zu 1 schleppen ließ, den zwischen dieser und R. Gr. geschlossenen Vertrag genehmigt. Gründe für diese Annahme sind nicht gegeben; es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich. Wenn ein Kahneigner sich im Schilfbefrachtungsschein verpflichtet, die vom Absender zu beschaffende Schleppgelegenheit „auf Grund der beteiligten Dampfsdiiffs-Reederei-Bedingungen zu nehmen", so mag darin eine im voraus erfolgte Unterwerfung unter jene Bedingungen zu finden sein ( M i t t e l s t e i n in Ehrenbergs Handbuch Bd. 7, 1, § 32 S. 154). Im vorliegenden Falle ist aber eine solche Klausel nicht verein-

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bart. Nun ist anerkannt, daß bei der Abmadiung „frei Dampf" oder „frei Schleppen' der Kahneigner Vertragsrechte nur gegen seinen Vertragsgegner, nicht gegen die Schlepperreederei hat ( M i t t e l s t e i n a. a. O. § 70 S.319). Deshalb würde, wenn man vorliegendenfalls eine vertragliche Bindung zwischen den Parteien annehmen wollte, diese nicht darin bestehen, daß Rechte und Pflichten aus einem Frachtvertrag zur Entstehung gelangten, sondern nur darin, daß der Kahneigner sich den Schleppbedingungen unterworfen hätte. Es liegt zutage, daß das dem Willen des Kahneigners nicht entspricht, denn er hätte damit Lasten auf sidi genommen, ohne entsprechende Rechte zu erhalten. Es kann also nur in Frage kommen, ob nach der Verkehrssitte und den Verkehrsanschauungen das bloße Anhängen an einen Schlepper oder an einen Schleppzug dahin auszulegen ist, daß der Kahneigner sich den Schleppbedingungen des Schleppers unterwirft. Diese Frage muß verneint werden. Eine solche Anschauung ist in den beteiligten Verkehrskreisen nidit zum Durchbruch gekommen, wenngleich freilich die Reedereien wünschen mögen, ein solches Ergebnis herbeizuführen. Sie ist auch weder vom Berufungsgericht festgestellt nodi in gerichtlichen Erkenntnissen zutage getreten. Danach können sich die Beklagten gegenüber dem Kläger nicht auf die Schleppbedingungen berufen." RGZ. 102, 45. 1. Zum Begriff der Binnenschiffahrt. 2. Inwiefern werden die Verjährungsvorschriften der § § 1 1 7 Nr. 7, 118 des Binnenschiffahrtsgesetzes durch das Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln Ober den Zusammenstoß von Sdiiffen vom 23. September 1910 (RGBl. 1913 S.49) berührt? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 2. April 1921. I. Landgericht Greifswald. —

II. Oberlandesgericht

Stettin.

Am 29. August 1914 stieß das deutsche Torpedoboot V 26 mit dem deutschen Dampfer Pommern zusammen. Der Zusammenstoß erfolgte auf dem Dammansch vor der Oder in der Nähe der Königsbake. Der Dampfer befand sidi auf der Fahrt von Stettin nach Greifswald. Wegen der durch den Zusammenstoß dem Torpedoboot zugefügten Beschädigungen wurde gegen die Eigner und den Führer des Dampfers Klage erhoben.

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Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Das Oberlandesgericht erklärte die Verjährungseinrede für unbegründet. Auf die Revision der Beklagten wunde das erste Urteil wiederhergestellt. Gründe: Das Berufungsgericht hat im Zwischenurteil vom 10. Mai 1917 ausgeführt, der Dampfer Pommern sei zwar als Seeschiff im Schiffsregister verzeichnet, habe jedoch seiner regelmäßigen Verwendung nach als Binnenschiff zu gelten. Hierin ist ein Rechtsirrtum nicht zu erblicken. Nach den insoweit von keiner Seite bemängelten Feststellungen des in der Berufungsinstanz vorgetragenen landgeriditlidien Urteils machte der Dampfer regelmäßige Fraditenfahrten zwischen Greifswald und Stettin durch die Peene und längs der Küste über den Greifswalder Bodden. Daß diese Fahrten, obgleich sie zum Teil ein der Ostsee angehöriges Gebiet berührten, wegen der eigentümlichen Gestaltung der genannten Küstengewässer (vgl. auch die Vorschriften über die Registrierung und Bezeichnung der Kauffahrteischiffe vom 13. November 1873 § 1 Nr. 5, 6) in vollem Umfange den Charakter von Binnensdiifffahrten hatten, unterliegt aus den in RGZ. Bd. 13 S. 69 für die gleichartigen Fahrten Stettin-Stralsund dargelegten Gründen keinem Zweifel. War aber der Dampfer Pommern ein regelmäßig der Binnenschiffahrt dienendes Schiff, so ist er auch als Binnenschiff zu behandeln, da in dieser Beziehung seine Eintragung in das Seeschiffsregister keine entscheidende Bedeutung hat ( S c h a p s , Seerecht, 2. Aufl., S. 8 Anm. 27). Demgemäß handelt es sich bei dem Klageanspruch um Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Besatzung eines Binnenschiffs, für welche in § 117 Nr. 7, § 118 BinnenSchG. eine Verjährungsfrist von einem Jahr vorgesehen ist, beginnend mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Die in Übereinstimmung mit dem landgerichtlichen Urteil vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, daß bei Zugrundelegung der vorerwähnten Vorschriften die Klageforderung mit Ablauf des Jahres 1915, d. h. v o r Klageerhebung verjährt sei, ist von keiner Seite beanstandet und erscheint zutreffend. Es fragt sich nur, ob, wie das Berufungsgericht meint, durch das Reichsgesetz vom 7. Januar 1913 im Beibehalt des Internationalen Übereinkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23. September 1910 die Anwendbarkeit der erwähnten Verjährungsfrist ausgeschlossen und die in § 901 Nr. 2, § 903 Nr. 3 HGB. (neuester Fassung) vorgesehene zweijährige Verjährungsfrist auch für den vorliegenden Fall eingeführt ist.

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Dies ist aber nidit zutreffend. Das Gesetz vom 7. Januar 1913 sagt in Art. 1: „Das vierte Buch des HGB. wird dahin geändert: I. Die §§ 734—739 (welche über den Sdiaden durch Zusammenstoß von Schiffen handeln) werden durch folgende Vorschriften ersetzt . . . § 739. Die Vorschriften dieses Titels gelten auch dann, wenn bei dem Unfall ein der Binnenschiffahrt dienendes Schiff beteiligt ist." . . . „Dieser Titel" im Sinne des § 739 ist der zweite Titel des 7. Abschnitts des 4. Buches des Handelsgesetzbuchs, während die Verjährung im 11. Abschnitt des 4. Buches behandelt ist. Davon, daB auch diese Verjährungsvorschriften auf Binnenschiffe anzuwenden seien, besagt das Gesetz vom 7. Januar 1913 nichts, obgleich es in Art. 1 unter III—V verschiedene Änderungen der die Verjährung betreffenden §§ 901 flg. HGB. einführt. Das Berufungsgericht meint denn auch die Hauptgründe für seinen Standpunkt aus dem Internationalen Übereinkommen vom 23. September 1910 herleiten zu können. Dieses ist im Reichsgesetzblatt veröffentlicht und daher wie ein deutsches Gesetz zu behandeln. Es bestimmt u. a., daß die Ansprüche auf Schadensersatz, welche für ein Seeschiff aus seinem Zusammenstoß mit einem Binnenschiff hergeleitet werden, ohne Rücksicht darauf, in welchen Gewässern der Zusammenstoß stattgefunden hat, in zwei Jahren von dem schädigenden Ereignis ab verjähren (Art. 1, 7). Diese Vorschrift bezieht sich aber nicht auf einen Fall der hier fraglichen Art, wo alle Beteiligten demselben Staat angehören wie das mit der Sache befaßte Gericht, in welchem Falle nach ausdrücklicher Bestimmung in Art. 12 Nr. 2 die Landesgesetzgebung und nich das Übereinkommen Anwendung findet. Die Verjährungsvorschriften der § § 1 1 7 Nr. 7 , 1 1 8 BinnenSchG. werden daher in Fällen der vorliegenden Art durch das Übereinkommen vom 23. September 1910 nicht berührt. Dementsprechend konnte auch die mit dem Gesetz vom 7. Januar 1913 bezweckte Anpassung der deutschen Gesetzgebung an das erwähnte Übereinkommen sehr wohl durchgeführt werden, ohne die Geltung der § § 1 1 7 Nr. 7 , 1 1 8 BinnenSchG. nach der hier in Betracht kommenden Richtung zu berühren. Sollte dies dennoch geschehen, so hätte es in dem Gesetz vom 7. Januar 1913 deutlich zum Ausdrude kommen müssen. Dies ist aber nach obigem nicht der Fall, vielmehr trifft das Gegenteil zu (vgl. S c ' h a p s , 2. Aufl. § 739 Anm. 3). Die Folge ist, daß die aus einem Zusammenstoß gegen ein deutsches Binnenschiff hergeleiteten Ansprüche auf Schadensersatz nach dem Übereinkommen vom 23. September 1910 Art. 7 in zwei Jahren von dem Ereig-

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nis ab verjähren, wenn sie von den Angehörigen eines fremden Vertragsstaats erhoben werden, während für ein deutsches Gericht die Verjährungsfrist der §§ 117 Nr. 7, 118 BinnenSchG. Platz greift, wenn die sämtlichen Beteiligten deutsche Staatsangehörige sind. Anderseits steht in Gemäßheit des Übereinkommens vom 23. September 1910 deutschen Berechtigten die erwähnte zweijährige Verjährungszeit zur Seite, wenn sich ihre Ansprüche gegen ein Binnenschiff richten, dessen Eigner einem fremden Vertragsstaat angehört, einerlei, ob der Zusammenstoß in deutschen oder fremden Gewässern oder auf höher See erfolgt ist. Die kürzere Verjährung für den Fall, daß alle Beteiligten deutsche Staatsangehörige sind, rechtfertigt sich aus der verhältnismäßig leichteren Verfolgbarkeit solcher Ansprüche. Die bei Ansprüchen gegen Seeschiffe selbst für den Fall, daß alle Beteiligren Deutsche sind, nach § 901 Nr. 2 flg. HGB. in der Fassung des Gesetzes vom 7. Januar 1913 vorgesehene längere Verjährung war in ähnlicher Weise schon in der früheren Fassung des Handelsgesetzbuchs vorgesehen und stand bereits damals in einem wohlerwogenen Gegensatz zur Verjährung der § § 1 1 7 Nr. 7, 118 BinnenSchG. Es führt somit die ihrem Wortlaut entsprediende Anwendung der im Übereinkommen vom 23. September 1910 und im Gesetz vom 7. Januar 1913 niedergelegten Vorschriften keineswegs zu Ergebnissen, die deren Sinn und Zwedc widersprechen oder unbillig sind. RGZ. 102, 47. Sorgfaltspflidit des Schlepperführers als Leiters eines Schleppzogs auf Binnengewässern. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 2. April 1921. 1. Landgericht Hamburg. Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Die Klägerinnen haben mit der Beklagten zu 1 Schleppverträge geschlossen, in denen auf die Scheppbedingungen der Beklagten zu 1 Bezug genommen ist. Auf Grund dieser Sdileppverträge hat die Beklagte zu 1 durch ihren Dampfer Magdeburg, dessen Kapitän der Beklagte zu 2 war, die Kähne der Klägerinnen in einem Schleppzuge, der aus 9 mit Kohlen beladenen Anhängern bestand, auf der Elbe von Hamburg aus stromaufwärts schleppen lassen. In der Nacht zum 24. Dezember 1916, als der Schleppzug unterhalb Boizenburg ankerte, kam ein Orkan auf. Die Anhänge Nr. 2 und Nr. 7 sanken und von den Anhängen Nr. 5 und 6 mußte zu ihrer Rettung ein Teil der Ladung über Bord geworfen werden. Die Klägerinnen verlangen Ersatz des

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Wertes der verloren gegangenen Kohlen, und zwar sowohl aus den Sdileppverträgen als audi als Zessionare der Ladungseigentümer. Die Vorinstanzen wiesen die Klagen ab, die Revision der Klägerinnen hatte keinen Erfolg. Gründe: Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Klägerinnen keine Ermächtigung von den Ladungseigentümern, audi für sie die Sdileppbedingungen der Beklagten anzunehmen; von den Beklagten ist audi nicht behauptet worden, daß die Ladungseigentümer gewußt hätten, daß Schleppbedingungen der genannten Art üblidi seien. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß solchenfalls den hier allein in Betracht kommenden Klageansprüchen, die auf Abtretung der den Ladungseigentümern nach § 823 BGB., § 3 BinnenSchG. erwachsenen Schadenersatzansprüche gestützt sind, die § 14 Nr. 2, § 15 Nr. 1 der genannten Sdileppbedingungen nicht entgegengehalten werden können. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob eine für den Unfall ursächliche Fahrlässigkeit auf seitens des Führers oder der Eignerin des Schlepp, dampfers Magdeburg vorliegt, verneint. Dabei hat es die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Te. und Ti. zugrunde gelegt, das Privatgutachten des Sachverständigen Sdi. aber abgelehnt, weil dieses gegenüber dem, was im Schleppbetrieb auf der Oberelbe allgemein üblich sei, erheblich zu weit gehende und dem praktischen Leben nicht Rechnung tragende Anforderungen stelle. Denn es würde — so fährt das Berufungsgericht fort — eine nidit zu billigende Überspannung der Anforderungen sein, wenn man vom Führer des Schleppers Magdeburg mehr verlangen wollte, als das, was langjährige, mit der Schleppschiffahrt auf der Oberelbe vertraute Praktiker von der gerichtsbekannten Tüchtigkeit der Sachverständigen Te. und Ti. für erforderlich hielten. Diese Darlegungen lassen einen Rechtsirrtum nidit erkennen. Mit der Vorschrift des § 276 BGB.: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt" wird zum Ausdrude gebracht, daß die Anforderungen des Verkehrs den Maßstab geben, nach dem zu entscheiden ist, welches Maß von Umsicht und Sorgfalt zur Verhütung eines Schadens aufgewendet werden mußte. Dabei ist die Berücksichtigung der Ansdiaung eines bestimmten engeren Verkehrskreises nidit ausgeschlossen, sofern es sich nicht um eine im Verkehr eingerissene Nachlässigkeit und Unsitte handelt (RGR. Komm. § 276 Anm. 3). Daß dies letztere der Fall sei, ist den Feststellungen des Berufungsrichters nicht zu entnehmen.

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Die Revision rügt insbesondere die auf die Gutachten der Sachverständigen Te. und "R. gestützte Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beobachtung des Barometers in der oberelbisdien Schiffahrt nicht üblich sei und daß die Erhöhung der Freiborde der Kähne allein dem Ermessen und der Entscheidung der Kahnschiffer unterstehe. Dabei will die Revision einen wesentlichen Unterschied machen zwischen dem gewöhnlidien Kahnschiffer, der einzeln oder in einem Schleppzuge fährt, und dem Führer eines Schleppzugs, der von seinem Dampfer aus den Schleppzug leitet, und meint, ein Schlepper mit zahlreichen Anhängen müsse besser und vollständiger ausgerüstet sein, als ein gewöhnlicher Kahn, und die Führer solcher Schlepper müßten der gesteigerten Pflicht und Verantwortlichkeit entsprechende Kenntnisse haben. Dies letztere ist insofern richtig, als die Führung eines Sdileppdampfers als Einzelfahraeugs sowie die vom Dampfer aus geleitete einheitliche Führung eines ganzen Schleppzugs andere Fähigkeiten und Kenntnisse des Führers und andere Ausrüstungsgegenstände, nautische Hilfsmittel usw. des Dampfers erfordern, als die Führung eines einzeln oder im Schleppzuge fahrenden Kahnes. Das bedeutete indessen nicht, daß der Schlepperführer außer der aus der einheitlichen Führung des Schleppzugs als solcher (ElbschiffahrtsO. § 46 Abs. 3) folgenden Obhutspflicht eine besondere Obhut für jeden einzelnen mit eigener Mannschaft fahrenden Anhang auszuüben und dabei eine größere Umsicht und Sorgfalt zu gewähren hätte, als der Kahnschiffer selbst. Denn der wesentliche Inhalt des Schleppvertrags besteht darin, daß der Schlepper dem Schleppschiff die bewegende Kraft stellt ( M i t t e l s t e i n in Hanseat. Reditszeitsdir. 1919 S. 560), und die nautische Führung der Anhänge geht nur insoweit auf die Schlepperleitung über, als es sich um den Schleppzug als ein besonderes Ganzes und nidit um die einzelnen Schleppschiffe als solche handelt. Dementsprechend bleibt innerhalb des duTch den Schleppzug und seine einheitliche Führung gebildeten Rahmens jedes Schiff selbständig, derart, daß die Leitung desselben in erster Linie berufen ist, für seine Sicherheit zu sorgen und jederzeit in die Lage kommen kann, eigene selbständige Entschlüsse zu fassen (S c h a p s. Seerecht, 2. Aufl. Vorbemerk, zu § 556 Anm. 33, § 481 Anm. 7; M a k o w e r - L ö w e , Binnenschiffahrt, 5. Aufl. § 4 Anm. 6 b, d; M i t t e l s t e i n in Ehrenbergs Handb. des gesamten Handelsrechts VII 1 S. 121, 122, 323 flg.; anders, wenn es sich ausnahmsweise um vom Schlepper in Obhut genommene Anhänge handelt, RGZ. Bd. 67 S. 12). Das schließt natürlich nicht aus, daß die einheitliche Leitung des Schleppzugs unter Umständen besondere Maßnahmen, Beobachtungen, Warnungen usw.

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seitens der Sdilepperführung erfordert, die den einzelnen im Anhang fahrenden Kahnschiffer in der Obhutspflidit über seinen Kahn unterstützen und fördern. In welchem Umfang aber ein solches Vorgehen zu den Pflichten der Sdilepperleitung gehört, hängt mangels entsprechender vertraglicher Vereinbarungen, behördlicher Vorschriften usw. von den Anforderungen des Verkehrs ab, für welche die Verkehrssitte insoweit entscheidend ist, als es sich nidit um eine Unsitte handelt. Nun behaupten die Klägerinnen selbst nidit, daß es für Kahnsdiiffer auf oberelbischer Fahrt verkehrsüblich sei, zwecks Prüfung der bevorstehenden Wetterlage, Barometerbeobachtungen zu machen und diese Beobachtungen allein oder mitbestimmend zu Rate zu ziehen, auch wenn sie selbständig einen Liegeplatz für die Nacht auszuwählen haben. Anderseits sind Schleppdampfer der hier fraglichen Art in dem verhältnismäßig engen und flachen Fahrwasser der Oberelbe auch durch den stärksten Sturm so wenig gefährdet, daß für ihre Sicherheit Barometerbeobachtungen völlig unnötig sind. Bei dieser Sachlage kann es nicht als eine Unsitte in dem oben erwähnten Sinne bezeichnet werden, wenn es verkehrsüblich ist, daß an Bord der auf der Oberelbe verkehrenden Schlepper ein Barometer weder mitgeführt noch zu Wetterbeobachtungen benutzt wird, die höchstens für die Schleppschiffe von Interesse sein könnten, dort aber auch bei Einzelfahrt nicht vorgenommen zu werden pflegen. Daß aber die Benutzung von Barometern an Bord der Schleppdampfer nicht verkehrsüblich ist, hat das Berufungsgericht festgestellt, und zwar ohne erkennbaren Rechtsirrtum auch dann, wenn, wie die Revision behauptet, einzelne oberelbisdie Schleppdampfer mit einem Barometer ausgerüstet sein sollten. Gehörte demnach die erwähnte Barometerbeobachtung nicht zu den Dienstverrichtungen des Schlepperführers, so kann ihm auch im Beibehalt der sonstigen Feststellungen des Berufungsgerichts kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er nidit die Schleppschiffe auf die drohende Sturmgefahr aufmerksam gemacht und sie veranlaßt hat, rechtzeitig ihre Freiborde zu erhöhen. Daß an sich die Erhöhung der Freiborde dem Ermessen und der Entscheidung der Kahnschiffer untersteht, hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, da dies mit der nautischen Leitung des Schleppzugs als solcher nichts zu tun hat. . . . RGZ. 104, 209. 1. Wird den Erfordernissen des § 61 Binnenschiffahrtsgesetzcs genügt, wenn die selbsttätige Verwiegnng des aasgelieferten Frachtguts

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dordi Sachverständige beaufsichtigt wird, die nur für die Verwiegung mittels Dezimalwaagen amtlich bestellt sind? 2. Müssen bei der nadi § 61 BSchG. erfolgenden Gewichtsfeststellung die amtlich bestellten Sachverständigen sich als solche dem Schiffer zu erkennen geben? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 22. März 1922. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger übernahm im November 1919 in Stettin eine Menge losen Hafer zur Beförderung nach Hamburg mittels seines Kahns Harburg Nr. 13. Er klagt einen Restbetrag an Fracht ein. Die Beklagte behauptet, daß er zu wenig Ladung in Hamburg abgeliefert habe. Sie bringt ihm V2 % Reises chwund gut und berechnet danach ihie Forderung auf Ersatz des Wertes der fehlenden Menge zuzüglich Besichtigungskosten auf 10 493,50 M. Diesen Betrag macht sie aufrechnend und widerklagend geltend. Der Kläger bestreitet den Fehlbetrag und behauptet, daß die Förmlichkeiten des § 61 BSchG. nicht eingehalten seien. Der Kahn des Klägers ist in Hamburg mittels Elevators in zwei Fahrzeuge entlöscht worden. Dabei wurde die Ladung mittels einer selbsttätigen Waage durch den Kornumstecher und Getreidewieger G. und dessen Gehilfen Mü. verwogen. Der Inhalt der beiden Fahrzeuge, in welcher der Hafer mittels des Elevators aus dem Kahn des Klägers gelöscht war, wurde von Mü. und dem Gehilfen Ma., als die beiden Fahrzeuge entladen wurden, nochmals nachgewogen. Das Landgericht Hamburg gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Das Oberlandesgericht entschied im entgegengesetzten Sinne. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat angenommen, die selbsttätige Verwiegung müsse riditig gewesen sein, denn ihr Ergebnis sei durch die zweite Verwiegung bei Entlöschung der beiden Fahrzeuge, in welche der Hafer durch den Elevator geschüttet sei, bestätigt worden. Danach sei der Fehlbetrag während der Fraditreise entstanden, so daß der Kläger für ihn zu haften habe. Die Förmlichkeiten des § 61 BSchG. seien gewahrt. Nadi § 61 Abs. 1 könnten Ersatzansprüche wegen eines äußerlich erkennbaren Fehlbetrags nach Annahme des Guts nur dann erhoben werden, wenn der Zustand des Guts durch amtlich bestellte Sachverständige vor der Annahme festgestellt worden sei, wogegen andersartige, also nidit äußerlich erkennbare Fehlbeträge auch dann noch Sdilffihrtmdit II

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geltend gemacht werden könnten, wenn deren Feststellung durch amtliche Sachverständige binnen einer Wodie nadi der Annahme beantragt würde. Hier handle es sich um einen nicht äußerlich erkennbaren, weil nur etwa 2l/z% ausmachender Fehlbetrag. Die Feststellung sei unmittelbar nach der Annahme erfolgt. G. und Mü. seien beeidigte Getreidewieger und als solche amtlich bestellte Sachverständige. Nach der Bescheinigung der Handelskammer könne die Verwiegung selbsttätig erfolgen. Daß jene Personen sich dem Schiffer in ihrer amtlichen Eigenschaft hätte bekannt geben müssen, sei nidit vorgeschrieben. Danach sei den Bestimmungen des § 61 Genüge getan. Diesen Ausführungen kann, wie die Revision mit Recht rügt, jedenfalls in zwei entscheidenden Punkten nicht beigestimmt werden. Nach dem Hamburgischen Regulativ vom 16. Dezember 1882, das zur Zeit der Entlöschung des klägerischen Kahns in Kraft war, wurden Getreidewieger ernannt, die von dem Präses der Deputation für Handel und Schiffahrt in Eid genommen wurden. Diesen Getreidewiegern ist in § 8 zur Pflicht gemacht, das Wiegen mittels Dezimalwaagen vorzunehmen, die sie selbst zu stellen haben. Für diese Art von Verwiegung sind sie also, wie beide Instanzen mit Recht angenommen haben, als amtlich bestellte Sachverständige anzusehen. Anders ist es aber hinsichtlich der selbsttätigen Verwiegung. Wenn das Regulativ ausdrücklich vorschreibt, daß die Wieger Dezimalwaagen selbst zu stellen und zu benutzen haben, so läßt sich nidit sagen, daß sie auch für die Beaufsiditigung einer selbsttätigen Verwiegung amtlich bestellt sind. Daran kann auch die Bescheinigung der Handelskammer vom 10. März 1 9 2 0 nidits ändern. Diese besagt, daß die Getreidewieger als amtliche Sachverständige befugt seien, die von ihnen nach Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften mit selbsttätigen Waagen ermittelten Gewichte beeidigt zu bescheinigen. Einmal ist die Bescheinigung am 10. März 1 9 2 0 ausgestellt, also lange nach der streitigen Verwiegung, und es erhellt nicht, daß der § 8 zur Zeit der Verwiegung nicht mehr in Kraft stand. Sodann hat der Senat am 17. Mai 1 9 2 0 eine Verordnung betreffend die Anstellung beeidigter Getreidewieger erlassen, welche mit dem früheren Regulativ fast wörtlich übereinstimmt und welche insbesondere auch den § 8 wiederholt, wonach die Verwiegung mit Dezimalwaagen zu erfolgen hat. Nach dieser Verordnung ist also der alte Rechtszustand aufrecht erhalten, und es kann sogar als nicht unzweifelhaft angesehen werden, ob die Handelskammer nach dem Gesetz vom 15. November 1907 überhaupt, ohne daß der Senat nach § 2 das Nähere bestimmt hatte, befugt war, den amtlichen Wirkungskreis der beeidigten Getrei-

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dewieger auszudehnen. Jedenfalls aber waren diese zur Zeit der hier streitigen Verwiegung (18. Dezember 1 9 1 9 ) nicht für die selbsttätige Verwiegung im Sinne des § 61 BSdiG. amtlich bestellt, und deshalb kann der Begründung, die das Berufungsgericht für seine Entscheidung gegeben hat, nicht zugestimmt werden. Ergänzend ist zu bemerken, daß alles Vorstehende um so mehr Beachtung finden muß, als keineswegs jeder, der mit einer Dezimalwaage richtig wiegen kann, nun auch ohne weiteres zur Beurteilung befähigt ist, ob die ziemlich verwickelten Getriebe einer selbsttätigen Waage richtig wirken. Noch in einer weiteren Beziehung ist den gesetzlichen Erfordernissen nicht Genüge getan. Das Reichsgericht hat bereits in der Entscheidung Bd. 101 S. 2 3 9 dargelegt, daß nach dem Sinne des § 61 BSchG. dem Schiffer mitgeteilt oder erkennbar gemacht werden muß, daß die Verwiegung durch einen amtlich bestellten Sachverständigen erfolgt und also nicht nur eine vom Empfänger in seinem Interesse getroffene einseitige Maßnahme ist, sondern die vom Gesetz erforderte, den Schiffer angehende Gewichtsfeststellung darstellen soll. An diesem Grundsatz ist festzuhalten. Davon gehen auch die Hamburgischen V e r ordnungen, und zwar sowohl die alte vom 16. Dezember 1 8 8 2 als auch die neue vom 17. Mai 1 9 2 0 , im § 10 aus, indem sie vorschreiben, daß die Gehilfen ein von der Handelskammer festzustellendes, sichtbares Abzeichen tragen müssen. Nun scheint es zwar, als ob das Tragen des Abzeichens trotz der Wiederholung der Vorschrift in der neuen V e r ordnung nicht geübt wird. Aber jedenfalls hatte der Schiffer von der angegebenen Bedeutung der Verwiegung in Kenntnis gesetzt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Es kann auch nicht angenommen werden, daß den gesetzlichen Erfordernissen durch die späteren Verwiegungen Genüge getan ist. Der Hafer ist aus dem Kahn des Klägers durch den ElevatOT in einen anderen Kahn und in eine Schute gelöscht worden, und zwar am 18. Dezember 1919. Die Schute ist unter Verwiegung ihres Inhalts zwei Tage später, nämlich am 2 0 . Dezember 1 9 1 9 , gelöscht worden, der Kahn aber erst in der Zeit vom 2 7 . Dezember 1 9 1 9 bis 5. Januar 1 9 2 0 . Eine so spät erfolgte und sich so lange hinzögernde Verwiegung gewährt, auch wenn im übrigen hierbei die Förmlichkeiten des § 61 beobachtet sein sollten, nidit diejenige Sicherheit eines richtigen Ergebnisses, die das Gesetz durch seine Vorschriften gewährleisten will. Endlich hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung besonderes Gewicht darauf gelegt, daß der Kläger auf Einhaltung der Förmlichkeiten verzichtet habe. Es sei nämlich in dem vom Kläger gezeichneten 17'

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Ladeschein bestimmt, daß er an der Ausladestelle die Entlöschung durch vereidete Wieger oder Elevator während der gesetzlichen Zahl von Tagen ohne weitere Vergütung abzuwarten habe. Allein hierin ist ein Verzicht nicht zu erblidcen. Die Klausel will festsetzen, wieviel Tage der Schiffer ohne Vergütung auf die Entlöschung warten muß. Das ergeben Wortfassung und Zusammenhang aufs klarste. Nur nebenbei ist hinter dem Wort Entlöschung eingefügt „durch vereidete Wieger oder Elevator". Daß diese Einfügung bedeuten solle, bei Entlöschung durch einen Elevator sei die Hinzuziehung amtlich bestellter Sachverständigen überhaupt nicht erforderlich, ist aus ihr nicht mit irgendwelcher Sicherheit zu entnehmen und kann also dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Die Beklagte selbst hat ja auch einen vereideten Getreidewieger zur Stelle geschickt. Es ergibt sich somit, daß die Förmlichkeiten des § 61 nicht gewahrt worden sind. RGZ. 105, 198. Gilt § 117 Nr. 7 des Binnenschiffahrtsgesetzes auch für die Verjährung von Ansprüchen aus Verträgen? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. September 1922. I. Landgericht Düsseldorf. —

II. Oberlandesgericht

daselbst.

Am 23. Dezember 1917 übernahm die Beklagte das Schleppen eines leeren Kahns der Klägerin für die Talfahrt von Biebrich nach Ruhrort. Nach der Behauptung der Klägerin machte der Schleppdampfer unterwegs plötzlich halt; infolgedessen lief der Kahn der Klägerin auf den Schleppdampfer auf, auch wurde er von den beiden nachfolgenden Anhangskähnen angerannt. Wegen des an ihrem Kahn entstandenen Schadens nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 36 215,84 M sowohl aus dem Sdileppvertrage als auch auf Grund unerlaubter Handlung in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung des Anspruchs ab. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Auch ihre Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: Unstreitig ist der auf das Verschulden des Kapitäns der Beklagten gestützte Klageanspruch im Jahre 1917 entstanden und fällig geworden, die Klage aber erst im Jahre 1919 erhoben. Nach § 118 BSchG. ist der Anspruch mit dem Schluß des Jahres 1918 verjährt, sofern auf ihn die

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Vorschrift des § 117 Nr. 7 dieses Gesetzes Anwendung finden muß. Der Streit der Parteien dreht sich hierbei um die Frage, ob der Klageanspruch audi, soweit er sich auf Vertrag stützt, verjährt sei. Das Oberlandesgericht hat diese Frage aus folgenden Erwägungen bejaht: Gemäß § 117 Nr. 7 verjährten mit dem Ablauf eines Jahres die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung. Der klare Wortlaut dieser Bestimmung lasse keine einschränkende Auslegung dahin zu, daß es sidi nur um außervertraglidie Ansprüche handle. Eine solche Auslegung lasse das Gesetz audi nicht deshalb zu, weil im § 117 Nr. 7 in der beigefügten Klammer zwar auf die § § 3 und 4 Nr. 3, nicht aber auf den § 4 Nr. 2 hingewiesen sei. Diese Bestimmung des § 3 und des § 4 Nr. 3 beträfen audi nicht nur außervertragliche, sondern audi vertragliche Ansprüche. Der § 4 Nr. 3 handle nur von der beschränkten Haftung; die Verantwortlichkeit des Schiffseigners für das Verschulden seiner Besatzung stelle vielmehr der § 3 auf, welcher audi dann Platz greife, wenn der Schiffseigner in einem Vertragsverhältnis zum Verletzten stehe. Audi allgemeine Gründe sprächen dafür, die Ansprüche aus Verhältnissen des Binnensdiiffahrtsverkehrs, insbesondere die auf ein Verschulden der Schiffsbesatzung gestützten, in nicht zu langer Zeit verjähren zu lassen. Deshalb müsse schon ein zwingender Grund bestehen, um die weitgreifenden klaren Worte des § 117 Nr. 7 einzuschränken. Ein solcher könne aber nicht aus der bloßen Anführung einiger Paragraphen in der den Worten beigefügten Klammer entnommen werden ( M i t t e l s t e i n in Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts Bd. 7 Abt. 1 S. 426). Die Revision rügt Verletzung des § BSchG

117 Nr. 7 und des § 4

Die rechtliche Würdigung der in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung bestrittenen Frage, ob § 117 Nr. 7 auf Ansprüche aus außervertraglidiem Verschulden einzuschränken sei oder ob diese Vorschrift audi für Ansprüche aus Verträgen gelte, ergibt folgendes: § 117 Nr. 7 sagt: „Mit dem Ablauf eines Jahres verjähren die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung." Das Gesetz spricht also ganz allgemein vom Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung und unterscheidet nidit zwischen vertraglichem und außervertraglidiem Verschulden. Nun sind aber im § 117 Nr. 7 hinter dem Wort „Schiffsbesatzung" in Klammern folgende Gesetzesstellen angeführt: § 3, § 4 Nr. 3, § § 7, 92. Nicht erwähnt ist also § 4 Nr. 2, der von der Haftung des Schiffseigners nur mit Schiff und Fracht handelt, wenn der Anspruch

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Schiftahrtsredit

auf die Nichterfüllung oder auf die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Schiffseigner abgeschlossenen Vertrags gegründet wird, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist oder nicht. Es fragt sich, ob die Weglassung des § 4 Nr. 2 im § 117 Nr. 7 zu dem Schlüsse berechtigt, daß dadurch der Begriff Verschulden auf das außervertragliche Handeln oder Unterlassen eingeschränkt worden ist. Der erkennende Senat verneint diese Frage. Mit Recht sagt M i t t e l s t e i n an der oben bezeichneten Stelle: „Wenn die Anführung von Paragraphen im § 117 Nr. 7 entscheidend sein sollte, so müßte sie auch erschöpfend sein." Dies ist aber nicht der Fall. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die klaren Worte der Nr. 7 genau so aufzufassen sind, wie sie lauten, und daß die in Klammern angeführten Paragraphen nur einige besonders wichtige Fälle hervorheben, keinesfalls aber die allgemeinen Gesetzesworte einschränken sollen. Auch ist zu beachten, daß § 4 Nr. 3 auch dann anwendbar ist, wenn ein Vertragsverhältnis des Schiffseigners zum Anspruchsberechtigten in Rede steht, und daß § 4 Nr. 3 nur von der beschränkten Haftung des Schiffseigners handelt, während dessen Verantwortlichkeit für das Verschulden seiner Besatzung im § 3 geregelt ist. § 3 aber greift auch dann Platz, wenn der Schiffseigner in einem Vertragsverhältnis zum Verletzten steht. Schließlich kommt noch folgende allgemeine, aus dem Grunde und Zwecke der Anspruchsverjährung sich ergebende Erwägung in Betracht: Es ist nicht anzunehmen, daß das Gesetz, welches für die Forderungen aus einem außervertraglichen Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung eine Verjährungsfrist von einem Jahr festgesetzt hat, die Forderungen aus einem vertraglichen Verschulden einer solchen Person erst nach 30 Jahren verjähren lassen will. Denn auch im letzten Falle wird nach den Erfahrungen des Lebens der Berechtigte einen Anspruch, an dessen Erfüllung er ein Interesse hat, innerhalb einer nicht allzulangen Zeit geltend machen. Geschieht dies nicht, so spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Anspruch unbegründet, also des staatlichen Schutzes nicht würdig sei, zumal da durch die Länge der Zeit dem Berechtigten die Beweisführung erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. Alle diese Erwägungen sprechen dafür, daß der § 117 Nr. 7 sich nicht bloß auf Ansprüche aus außervertraglichem, sondern auch auf solche aus vertraglichem Verschulden bezieht. Das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht den geltend gemachten Anspruch als verjährt angesehen.

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Binnensdiiffahrtsredit

RGZ. 106, 337. Begriff und Erfordernisse des Ladescheins im Binnensdiiffahrtsrecht. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 28. Februar 1923. I. Landgericht Nürnberg. —

II. Oberlandesgericht

daselbst.

Die Klägerin ist Inhaberin einer durch Indossament auf sie übertragenen, als „Konnossement" bezeichneten Urkunde vom 15. Oktober 1914, laut welcher sidi die Beklagte in der dort angegebenen Weise verpflichtet hat, eine Partie lose Gerste im angeblichen Gewicht von 6 0 0 0 0 kg durch das Schiff „Ludwig R o t h " , Schiffer Mehling, in Ruhrort an Order abzuliefern. Die Gerste ist, nachdem sie in Würzburg verladen und in Frankfurt a. M. in ein anderes Schiff umgeladen war, bei einer Havarie dieses Schiffes unterhalb Frankfurt a. M. beschädigt worden. Die unbeschädigt gebliebenen 6 6 0 kg Gerste wurden der Klägerin ausgehändigt: der beschädigte Teil von 59 340 kg wurde an die Versicherungsgesellschaft, bei der die Gerste versichert war, herausgegeben. Die Klägerin verlangte mit der Klage zunächst Lieferung von 59 3 4 0 kg Gerste und späterhin Schadensersatz wegen Nichtlieferung. In beiden Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Gründe: Mit Recht wendet sidi die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß das als Konnossement bezeichnete und von der Beklagten unterschriebene Schriftstück vom 25. Oktober 1914 kein Ladeschein (Flußkonnossement) im Sinne von § 72 BinnSdiG., §§ 444flg. HGB. sei. Die Urkunde ist an Order gestellt und vom Absender der darin verzeichneten Waren durch Indossament auf die Klägerin übertragen worden. Als Ablieferungsort ist Ruhrort unter Beifügung einer besonderen Meldeadresse (BSchG. § 72 Abs. 3) angegeben. Ferner ist Ort und Tag der Ausstellung, Name und Wohnort des Frachtführers (der Beklagten), Name des Absenders, die Bezeichnung des Gutes nach Beschaffenheit und Menge aufgeführt und die Unterschrift des Frachtführers vollzogen. Des weiteren heißt es in der genannten Urkunde: „Durch das Schiff »Ludwig Roth« Schiffer Mehling empfangen Sie auf Grund unserer umstehenden Übernahmebedingungen und der Bedingungen der beteiligten Transportunternehmer nachstehend verzeichnete Waren" und weiter „Zur Erfüllung vorstehender Verbindlichkeit wurden drei Konnossemente ausgestellt. Sobald eins erfüllt ist, sind die anderen

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kraftlos." Die so in bezug genommenen Übernahmebedingungen der Beklagten bezeichnen sich als „Konnossementsbedingungen". Dies alles weist darauf hin, daß die Beteiligten, insbesondere die Beklagte, sowie der Absender und die Klägerin, bei Ausstellung und Annahme der Urkunde darin einen Ladeschein der in § 72 BSdiG., § § 4 4 4 flg. HGB. erwähnten Art erblickt haben, der im Verkehr vielfach Fluß- oder Binnenkonnossement oder auch schlechthin Konnossement genannt wird ( M i t t e l s t e i n , Binnenschiffahrtsredit Bd. 1 § 72 Anm. 1 Abs. 2 S. 293). Es ist denn auch — wie die Revision mit Recht betont — der eben erwähnte Charakter der Urkunde als Ladeschein (Fluß-, Binnenkonnossement) in den Vorinstanzen von den Parteien nicht bestritten worden. Zweifellos liegt auch ein solcher Ladeschein wirklich vor. In § 445 HGB. und § 72 BSchG. ist nur der regelmäßige Inhalt eines Ladescheins angegeben, von welchem sehr wohl abgewichen werden kann, ohne daß dadurch das Wesen der Urkunde berührt wird. Was ein Ladesdiein unter allen Umständen enthalten muß, um als solcher zu gelten, hängt in erheblichem Maße von den Umständen des Einzelfalls ab. Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen Vordruck, wie er von der Beklagten im regelmäßigen Betrieb ihres auf Güterbeförderung gerichteten Geschäfts als Ladeschein verwandt und ausdrücklich als Konnossement bezeichnet ist. Die zu befördernden Güter sind in der genannten Urkunde mit genügender Deutlichkeit beschrieben. Wenn es dann weiter heißt, daß diese von Würzburg ab zu verschiffenden Güter von dem legitimierten Inhaber der an Order lautenden Urkunde in Ruhrort durch das Schiff „Ludwig R o t h " Schiffer Mehling, „auf Grund unserer (d. h. der Beklagten) Übernahmebedingungen" zu empfangen sind, so besagt dies nichts anderes, als daß sidi die Beklagte als Fraditführerin verpflichtet, die Güter an den genannten Inhaber der Urkunde in Ruhrort auszuliefern, wie denn auch in dem Schlußsatz der Urkunde von der Erfüllung „vorstehender Verbindlichkeit" die Rede ist. Diese unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ihre Übernahmebedingungen von der Beklagten erklärte Verpflichtung enthält zugleich durch die an den legitimierten Konnossementsinhaber gerichteten Worte „empfangen Sie" eine die Güter betreffende Andienungserklärung und besagt in ihrem Zusammenhang, daß die Beklagte die Güter, deren Auslieferung sie unter Bezugnahme auf die Freizeichnungsklausel „Inhalt, Maß und Gewicht unbekannt, frei von Bruch, frei von Leckage, frei von Beschädigung" nach vollzogener Beförderung verspricht, zum Zwedce dieser Beförderung bereits empfangen (übernommen) hat. Damit sind die Erfordernisse eines rechtsgültigen Ladescheins in ausreißendem

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Maße erfüllt. Mit Unredit führt das Berufungsgericht gegen die Auffassung der Urkunde als Ladeschein den Umstand an, daß sie vor der Verladung der Güter ausgestellt sei. Denn die Vorschrift des § 72 BSchG., daß der Ladeschein nadi der Verladung auszustellen ist, will nur bestimmen, in weldiem Zeitpunkt der Absender ein Recht auf Übergabe des Ladescheins erwirbt. Es können aber Absender und Frachtführer sehr wohl ausdrücklich oder stillschweigend vereinbaren, daß der Ladeschein über zwar vom Frachtführer zur Beförderung übernommene, aber noch nicht verladene Güter ausgestellt wird, wie dies in § 642 Abs. 5 HGB. für die Seeschiffahrt ausdrücklich anerkannt ist, wonach den sog. Ab' ladekonnossementen über Ware, die bereits abgeladen ist, auch Übernahmekonnossemente üblich sind für Ware, die noch nicht abgeladen, sondern erst zur Beförderung übernommen ist. Das wird von der herrschenden Meinung mit Recht angenommen ( M i t t e l s t e i n in Ehrenbergs Handbuch, Bd. 7 Abs. 1, § 30 Anm. 37). Kann aber ein Ladeschein auch vor der Verladung der Güter ausgestellt werden, so hat es nichts Auffälliges, wenn in dem vom Berufungsgericht erwähnten § 3 der „Konnossements-Bedingungen" die Haftung des Frachtführers für die Gefahr des Einladens grundsätzlich abgelehnt wird. Der weiter vom Berufungsgericht angeführte § 2 der „Konnossements-