139 94 22MB
German Pages 336 Year 1953
Entscheidungen
des Reichsgerichts in Zivilsachen Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von Professor Dr. Leonhard Auerbach, Berlin ; Präsident des Reichspatentamtes a. D . Johanne* Ejlau, München; Rechtsanwältin Charlotte Graf, Berlin; Ministerialdirektor z.WV. Senatspräsident Dr. Ernst Knoll,Berlin ; Rechtsanwalt Erich Kommeiow, Berlin ; Rechtsanwalt Hermann Reoß, Berlin; Rechtsanwalt Dr. Walter Schmidt, Düsseldorf ; Landgerichtsdirektor Alezander Swarzemki, Berlin ; Rechtsanwalt Dr. Werner Vahldiek, Berlin. G r u p p e III
Handelsrecht
Privatversicherungsrecht Teil 2
Berlin
1953
Walter de Gruyter & Co. to nr'is ri J G'"jchin'scheVerlagshandlung / J.Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J. T r ü b n e r / Veit & Comp.
Versicherungsvertragsgesetz (Fortsetzung)
Bearbeitet
von
Dr. Werner Vahldiek R e c h t s a n w a l t in Berlin
Berlin
1953
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung / J. Guttentag. Verlagsbuchhandlung j Georg Reimer / Karl J.Trübner / Veit Sc Comp.
Archiv Nr. 28 17 53 Sab und Druck: Berliner Buchdruckerei Union G m b H . . Berlin S W 29 Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten
V
In haltsverzeích nis
Seite
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen Haftpflichtversicherung (Fortsetzung)
. . . VD 1
Lebensversicherung
180
Unfallversicherung
247
Schlufirortchriften
321
Sachregister
324
VII
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen aus der alten Sammlung * Entscheidung ist g e k ü r z t * Entscheidung e n t h ä l t n u r RGZ.
Seite
Leitsatz
RGZ
Seite
6 6 . 158 — 164
180
152, 1 9 9 — 2 0 1 *
282
68, 108—116
247
152, 2 3 5 — 2 4 8
53
73, 3 5 9 — 3 6 2
253
152, 2 6 8 — 2 7 2
216
95. 2 5 0 — 2 5 5
257
152, 3 3 0 — 3 4 5
282
97, 189—191
262
153, 1 4 7 — 1 5 3
öi
113. 2 7 « — 2 8 1
321
153, 2 2 0 — 2 3 1 *
220
1 18. 5 7 — 5 9
186
154. 9 9 — 1 1 0
220
120. 1 8 — 2 0
265
154, 1 5 5 — 1 6 0
231
127. 2 6 9 — 2 7 2
188
154, 3 4 0 — 3 4 3
70
130, 5 5 — 5 8
19 1
156, 113 — 1 2 1
296 74
130. 2 7 1 — 2 7 5
193
156, 1 4 6 — 1 5 0
134, 1 4 8 — 1 5 3
197
156. 3 7 8 — 3 8 4
1 35, 1 3 6 — 1 3 9
267
157. 6 — 1 1
23 5
136. 4 9 — 5 2 *
202
157. 8 3 — 8 9
240
136, 3 9 5 — 4 0 1
202
157. 3 1 0 — 3 1 3
303
140. 3 0 — 3 4
208
158, 6 — 1 6
83
158, 1 8 9 — 1 9 2
92 95
141. 4 1 0 — 4 2 0
I
77
142. 9 6 — 9 8
269
159, 1 6 — 2 1
142. 4 1 0 — 4 1 7 '
212
159, 1 4 7 — 1 5 1
100
144, 1 6 3 — 1 7 0
11
159, 3 3 7 — 3 5 2
103
144, 3 0 1 — 3 0 6
17
160, 4 8 — 5 2
145, 2 1 — 2 6
22
160. 2 2 0 — 2 2 5
121
145, 3 2 2 — 3 2 8 "
212
160, 3 1 7 — 3 2 0
125
146, 2 8 7 — 2 9 0
271
161. 9 4 — 1 0 0
128
148. 2 8 2 — 2 8 6
26
161, 1 8 4 — 1 9 2
307
149, 2 1 5 — 2 2 3
274
162, 2 3 8 — 2 4 3
133
149, 2 5 7 — 2 7 0
29
164, 4 9 — 5 2
315
150, 1 8 1 — 1 8 9
42
165. 5 4 — 6 2
138
150, 2 2 7 — 2 3 1
49
167. 2 4 3 — 2 4 9
145
VIII RGZ.
Seile
RGZ.
Seit«
16«, 177—187*
246
171, 43—51
167
1 68, 372—384 170, 397—402
151 163
171, 36t—375 172, 268—271
174 318
Die Entscheidungen sind grundsätzlich ungekürzt gebracht worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem + gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Gruppe ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle aufgenommenen Entscheidungen verzeichnet und nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert sind.
Haftpflichtversicherung Fortsetzung R C Z . 141, 4 1 0 . 1. In welchem Umfange kann der Versicherungsnehmer den Verletzten ermächtigen, die Ansprüche aus dem Haftpfliditversicherungsvertrage unmittelbar gegen den Versicherer gerichtlich geltend zu machen? 2. Welche rechtliche Bedeutung hat eine Deckungszusage, durch die Haftpfiichtversicherungssdiutz zugesagt wird gegen Ansprüche von Verletzten, wenn der Versicherungsnehmer durch Erklärung gegenüber Verwaltungsbehörden die Haftung für die eigentlichen Schädiger über* Bommen hat? 3. Zur Rechtsstellung des Abschlußagenten, auch im Hinblick auf §§ 276, 278 BGB. Versicherungsvertragsgesetz § § 43, 45, 47, 74 flg., 149 flg. BGB. § § 276, 278. VII. Z i v i l s e n a t .
U r t . v. 22. September 193 3.
I. Landgericht Leipzig. — II. Oberlandesgeridit Dresden.
Die Klägerin wurde am 22. August 1926 in der Stadt L. durch den Kraftradfahrer M. überfahren und schwer verletzt. M. gehörte der Vereinigung L.er Motorrad-Fahrer e. V. (V.L.M.) an. Der Unfall ereignete sich anläßlich einer von der Vereinigung an diesem Tage veranstalteten Zuverlässigkeitsfahrt, an der M. teilnahm. Die Klägerin nimmt im Rechtsstreit die Beklagte in Anspruch auf Ersatz des ihr durch schuldhaftes Verhalten des M. entstandenen Schadens. In erster Instanz h a t t e sie Zahlung von 21 328,40 R M nebst Zinsen und weiter Gewährung einer Rente vom 1. Dezember 1929 ab bis zu ihrem Lebensende verlangt. In der Berufungsinstanz hat sie diesem Antrage hilfsweise weitere Anträge beigefügt; darunter den A n t r a g , festzustellen, daß die Beklagte auf Grund und im Rahmen ihrer der V.L.M. gegebenen Dedcungszusage für denjenigen Schaden hafte, dessen Ersatz sie aus dem von ihr erlittenen Unfall v o n der V.L.M.
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Versicherungsvertragsgesetz
und von M. zu fordern berechtigt sei. In diesem Hilfsanträge sah die Beklagte eine Klageänderung, der sie sidi widersetzte. Die Klagansprüdie begründet die Klägerin im wesentlichen s o : Die Beklagte habe durch den Agenten H. der V . L . M . eine Deckungszusage erteilt, auf Grund deren sie der letzteren Versicherungsschutz hinsichtlich der auf die § § 7, 11 flg. K F G . und die § § 8 2 3 , 8 4 7 B G B . gegründeten Ansprüche der Klägerin gegen M. und die V . L . M . zu gewähren habe. Die Beklagte hafte aber der V . L . M . auch aus den § § 2 7 6 , 2 7 8 B G B . für das Verschulden ihres Bevollmächtigten H., falls dieser die Dedcungszusage „unrichtig oder über den Rahmen seiner Vollmacht hinaus" abgegeben habe. Die Ansprüche der V . L . M . gegen die Beklagte gerichtlich geltend zu machen, sei die Klägerin von der V . L . M . ermächtigt worden. Zum Verständnis dieser Klagebegründung ist beizufügen: Der Deutsche Motorradfahrer-Verband e. V . in Berlin ( D . M . V . ) hatte unterm 2 6 . April/3. Mai 1 9 2 6 mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen, wonach diese die Haftpflicht- (und U n f a l l v e r s i c h e r u n g der Mitglieder des D . M . V . zu den aus einer Anlage ersichtlichen Prämiensätzen und Bedingungen übernahm. Die Prämiensätze sollten nur Mitgliedern des D . M . V . zuteil werden. Deshalb sollten alle Versicherungsanträge auf Grund dieses Vertrages „über den D.M.V.-Versicherungsdienst" als eine eigene Abteilung des D . M . V . geleitet werden, welche die Policenausfertigung übernehmen und die Versidierungsabschlüsse bearbeiten sollte; Leiter dieses D.M.V.-Versicherungsdienstes war Martin G . Die Beklagte sollte nicht berechtigt sein, Anträge von Mitgliedern des D . M . V . abzulehnen, falls es sich um „normale R i s i k e n " handle. In der erwähnten Anlage zu diesem Vertrage heißt es hinsichtlich der Haftpflichtversicherung u. a.: „Als Regel-Deckungs-Summen gelten lOOOOO R M für ein Personenschadenereignis, 10 0 0 0 R M für ein Sachschadenereignis." G. hatte unterm 4. Mai 1 9 2 6 seinerseits „als Generalbevollmächigter" der Beklagten dem Agenten Hermann H. in L. schriftlich die Berechtigung erteilt, „im Namen des Versicherungsdienstes des D . M . V . bzw. des D. A. (Beklagte) vorläufige Dedoungszusagen zu erteilen". Die zuständigen sächsischen und thüringischen Verwaltungsbehörden hatten von der V . L . M . als Veranstalterin der eingangs erwähnten Zuverlässigkeitsfahrt die Übernahme der Haftung für den Fall der Tötung oder Verletzung von Personen, die an der Veranstaltung nicht unmittelbar beteiligt seien, oder für Sachschaden unbeteiligter Dritter verlangt und davon ihre Genehmigung abhängig gemacht. Das Thüringische Ministerium des Innern hatte insbesondere
Haftpflichtversicherung
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auch den Nachweis des Abschlusses einer entsprechenden Haftpflichtversicherung gegen solche Sdiäden von der V . L . M . gefordert. Letztere hatte sich deshalb an H. als Versicherungsagenten gewendet. Dieser hatte darauf am 18. August 1 9 2 6 der V . L . M . namens des „Versicherungsdienstes des V . D . M . " Deckungszusage für die Zuverlässigkeitsfahrt „für Haftpflicht 3 0 0 0 0 0 / 1 5 0 0 0 " (erstere Summe in R M für Personen-, letztere für Sachschaden) erteilt und dabei erklärt, die Deckung sei „bei Eingang des Betrages" rechtskräftig. „Der B e t r a g " , nämlich die geforderte Prämie nebst K o s t e n und Stempel, wurde in Höhe von 2 6 5 R M am selben Tage von der V . L . M . an H. gezahlt. Auf Grund der vorerwähnten Ermächtigung der V . L . M . macht die Klägerin deren Ansprüche aus der Deckungszusage gegen die Beklagte geltend. Diese bestreitet die Ansprüche dem Grunde und der H ö h e nach. Sie wendet e i n : Die Klägerin sei nidit klagebefugt. Ein V e r sicherungsvertrag zwischen der Beklagten und der V . L . M . sei nicht zustande gekommen; es seien auch gewisse Bedingungen des Versicherungsvertrages nicht erfüllt worden. Der Vertrag verstoße gegen die guten Sitten. Ferner seien die Ansprüche verjährt und verwirkt; die Klägerin habe auch darauf verzichtet. Die Klägerin ist diesen Einwendungen entgegengetreten. Das Landgericht hielt die Einrede der Verjährung für durchschlagend und wies deshalb die Klage ab. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Diese legte Revision ein und stellte in der Revisionsverhandlung folgenden Hauptantrag: 1. das Urteil des Oberlandesgerichts aufzuheben; 2. festzustellen, daß die Beklagte der Klägerin gegenüber verpflichtet ist, der Vereinigung L.er Motorradfahrer e. V . für die Ansprüche der Klägerin gegen den genannten Verein aus dem Unfall vom 2 2 . August 1 9 2 6 im Rahmen der Haftpflichtversicherung des V e r eins Versicherungsschutz zu gewähren. Den bisherigen Antrag hielt die Revision als Hilfsantrag aufrecht. Das Reichsgericht erkannte auf Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Berufungsurteil den von der Klägerin hilfsweise gestellten Feststellungsantrag abgewiesen hatte. I m übrigen wies es die Revision zurüdc. Gründe: Der Berufungsrichter kommt zur Zurückweisung der Berufung aus drei Gründen: er verneint das Zustandekommen eines Versicherungsvertrags zwischen der Beklagten und der V . L . M . ; er lehnt die aus den § § 2 7 6 , 2 7 8 B G B . hergeleitete Schadensersatzpflicht der Beklagten
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Versidierungsvertragsgesetz
gegenüber der V.L.M. ab; endlidi hält er auch die Klagebefugnis der Klägerin nidit für dargetan. Im übrigen hat er nur zur Einrede der Verjährung Stellung genommen, die er zurückweist; die übrigen Einwendungen der Beklagten hat er als nicht mehr erheblich unerörtert gelassen. Die Erwägungen, mit denen der Vorderriditer die — an erster Stelle zu prüfende — Klagebefugnis der Klägerin verneint, unterliegen aber ebenso rechtlichen Bedenken wie diejenigen, mit denen er das Zustandekommen eines Versicherungsvertrags zwischen der V.L.M. und der Beklagten und die Berechtigung der ersteren ablehnt, Schadensersatz aus § § 276, 278 BGB. zu verlangen. 1. Die Klagebefugnis der Klägerin wird verneint, weil sie sidi nicht im Besitz eines Versicherungsscheines befunden habe und weil nach § 4 Nr. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrage ausschließlich der Versicherungsnehmerin, also der V.L.M., vorbehalten worden sei, die danach unzulässige Abtretung aber nicht durch die Ermächtigung zur Klagerhebung umgangen werden könne. Beide Gründe schlagen nicht durch. § 7 5 Abs. 2 V V G . findet schon um deswillen keine Anwendung, weil es sich bei der von der Klägerin behaupteten Haftpflichtversicherung nicht um eine von dem Versicherungsnehmer im eigenen Namen für einen anderen genommene Versicherung (Versicherung für fremde Rechnung, §§ 74 flg. W G . ) handeln konnte, sondern nur um eine gewöhnliche Haftpflichtversicherung (§§ 149 flg. V V G . ) . Die V . L . M . wollte sich — das ergibt sich mit Sicherheit aus den Feststellungen des Berufungsgerichts über den Hergang, der zum Abschluß eines Haftpflichtversicherungsvertrages führte — gegen diejenige Haftung versichern, die sie gemäß den ihr durch die Behörden auferlegten Bedingungen hatte übernehmen müssen. Sie selbst also sollte Versicherungsnehmer und Versicherter zugleich werden; die Einschränkungen des § 7 5 Abs. 2 des Gesetzes kommen daher nicht in Betracht. Aber auch § 4 Nr. 1 A V B . steht nicht dem entgegen, daß die Klägerin die Rechte der V . L . M . aus einem Versicherungsverträge gegen die Beklagte geltend macht. Einmal entspricht es der reichsgeriditlichen Rechtsprechung ( R G Z . Bd. 73 S. 306, Bd. 94 S. 137), daß das Verfügungsrecht übeT eine Forderung, insbesondere die Klagebefugnis, derart abgetreten werden kann, daß das Gläubigerrecht selbst dem Zedenten verbleibt; der Zessionar übt dann das ihm übertragene Recht zwar im eigenen Namen und im eigenen Interesse, im übrigen aber als Fremder aus, und zwar auch dann, wenn dieses Recht selbst nicht abtretbar ist. Aber es k o m m t
Haftpfliditversidierung
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hierauf nidit einmal an. Denn nach dem oben Ausgeführten lassen die Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme einer „Versicherung zu Gunsten Dritter" keinesfalls in dem Sinne zu, daß als „Dritte" etwaige Verletzte in Frage kämen. Vielmehr kann jenen Feststellungen nur entnommen werden, daß die V.L.M. sich versichern wollte wegen der Ansprüche, die gegen sie selbst erhoben werden könnten, sei es, weil sie als Veranstalterin auf Grund Gesetzes unbeteiligten Verletzten schadensersatzpflichtig würde, sei es, weil sie die Haftung übernommen hatte, zu der sonst auf Grund gesetzlicher Vorschriften nur die Teilnehmer an jener Fahrt verpflichtet gewesen wären. Dann aber kam die Anwendung des § 4 Nr. 1 AVB. gegenüber der Klägerin als einer Verletzten nicht in Frage. Daß die V.L.M. hinsichtlich der sich aus einer solchen Versicherung für sie ergebenden Ansprüche die Klägerin zur gerichtlichen Geltendmachung gegen die Beklagte ermächtigen konnte, scheint auch das Berufungsgericht nicht bezweifeln zu wollen. Die Klagebefugnis der Klägerin ist hiernach zu bejahen. 2. Aber diese Befugnis umfaßt nicht die sämtlichen Ansprüche, welche die Klägerin im Rechtsstreit verfolgt. Sie macht, wie gezeigt, die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer geltend. In den Vorinstanzen hat sie jedoch diesen Rechtsboden verlassen, indem sie, und zwar hauptsächlich, Anträge stellte, die auf Schadensersatzleistung an sie als Verletzte abzielten. Soweit reicht ihre Klagebefugnis nicht; denn auch die V.L.M. hätte, wenn sie selbst geklagt hätte, die Ansprüche der Verletzten nicht im Klagewege gegen die Beklagte verfolgen dürfen. Bei der Haftpflichtversicherung ist nämlich der Streit darüber, ob der Versicherungsnehmer dem Verletzten haftet, grundsätzlich in einem Prozesse zwischen diesen Personen auszutragen, nicht aber im Rechtsstreit des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer. Dies hat der erkennende Senat im Urteil vom 16. Juni 1933 (S. 185 in diesem Bande) im Anschluß an seine frühere Rechtsprechung eingehend dargelegt. Der gegebene Fall liegt insoweit rechtlich nicht anders als der damals entschiedene (vgl. auch § 5 Ziffer 2 Satz 1, 2 AVB.). Ein Grund, weshalb hier eine von der Regel abweichende Beurteilung geboten sein sollte, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin kann daher die — hilfsweise auch in der Revisionsinstanz von ihr noch aufrechterhaltenen — Zahlungsansprüche im gegenwärtigen Rechtsstreit nicht geltend machen. Aus dieser Erwägung ist insoweit ihre Revision zurückzuweisen. 3. Dagegen erstreckt sich die Klagebefugnis der Klägerin auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der V.L.M. aus der
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Versicherungsvertragsgesetz
Deckungszusage vom 18. August 1 9 2 6 in Ansehung des von der Klägerin erlittenen Unfalls Versicherungsschutz zu gewähren. Einen Feststellungsantrag in dieser Richtung, für den das im § 2 5 6 Z P O . erforderte Interesse nicht zu bezweifeln ist (vgl. R G Z . Bd. 135 S. 3 6 9 und S. 192 in diesem Bande), hatte die Klägerin im zweiten Reditsgang hilfsweise gestellt; sie hat ihn in der Revisionsinstanz in einer der Rechtslage besser angepaßten Form als Hauptantrag wiederholt. Der dagegen von der Beklagten erhobene Einwand der Klageänderung ist unbegründet. Der Streit um die Gewährung des Versicherungsschutzes stellte sich von vornherein als Teil des Gesamt-Streitverhältnisses der Parteien dar (vgl. S. 192 in diesem Bande); demnach war es der Klägerin weder im zweiten nodi im dritten Rechtszuge verwehrt, auf diesen Anspruch zurückzukommen und ihn nunmehr in den Vordergrund zu stellen. Ein V e r s t o ß gegen § 5 2 9 Abs. 4 Z P O . k o m m t nicht in Frage. Soweit die Klägerin bei ihrer Antragstellung von der Leistungsklage zur Feststellungsklage übergegangen ist, hat dies unbedenklich als statthaft zu gelten. 4. Hiernach kann sidi die weitere Erörterung nur nodi auf das Feststellungsbegehren beziehen, welches die Klägerin j e t z t mit dem Hauptantrage der Revision verfolgt. Der Berufungsriditer hat auch insoweit die Klage abgewiesen. Er nimmt an, zwischen der V . L . M . und der Beklagten sei kein Haftpfliditversidierungsvertrag zustande g e k o m m e n ; denn der „Deckungsantrag" sei von dem Agenten H. unter Überschreitung seiner Vollmacht, also ohne Vertretungsmacht für die Beklagte „abgeschlossen" und von ihr nicht genehmigt worden, also unwirksam. . . . (Eine Verfahrensrüge wird abgelehnt und dann fortgefahren.) Dazu führt das Urteil aus: Der Versicherungsdienst des D . M . V . sei lediglich Generalagent der Beklagten und in gewissem U m fange durch sie bevollmächtigt gewesen, für sie Haftpflichtversicherungsverträge abzuschließen und vorläufige Deckungszusagen zu erteilen. Aber diese Abschlußvollmacht sei beschränkt gewesen auf Mitglieder des D . M . V . und auf die „gewöhnliche Versicherungsgefahr". Daß die V . L . M . Mitglied des D . M . V . gewesen sei, sei nicht einmal behauptet, jedenfalls nicht bewiesen worden, und die gewöhnliche Versicherungsgefahr sei erheblich überschritten. Genehmigt habe die Beklagte diese Überschreitung nicht. Aus der Nichtübereinstimmung der Vollmacht, die G. und H. gehabt hätten, mit dem Inhalt der Deckungszusage schließt das Berufungsgericht auf die Unwirksamkeit der Deckungszusage.
Haftpflichtversicherung
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Diese Erwägungen sind rechtlich zu beanstanden. Der V o r d e r richter geht selbst davon aus — und würde sich bei anderer Auffassung auch im Widerspruch mit den vom Senat im Urteil v o m 16. Juni 1931 ( R G Z . Bd. 133 S. 9 7 ) niedergelegten Grundsätzen befinden — daß der D . M . V . keine Versicherungsgesdiäfte betreiben k o n n t e und betrieb, sondern daß dessen „Versicherungsdienst" nichts anderes als der Abschlußagent der Beklagten gewesen ist. Als solcher hatte er durch G. dem Agenten H. die Vollmacht vom 4. Mai 1926 erteilt. Damit war •H. grundsätzlich — vorbehaltlich der Ausnahme des § 4 7 W G . — befugt, Versicherungsverträge für die Beklagte in dem Versicherungszweige, für den er bestellt war (Haftpflichtversicherung), abzuschließen und Deckungszusagen zu erteilen. Er k o n n t e nach § 4 5 W G . — wieder vorbehaltlich § 4 7 das. — Änderungen der Versicherungsbedingungen, auch der Prämien von Fall zu Fall vereinbaren (vgl. B r u c k WG. 7. Aufl., B e m . I 1 zu § 4 5 ; derselbe Das Privatversicherungsrecht S. 144 bis 145). Beschränkungen seiner Vertretungsmacht, sei es hinsichtlich des Kreises von Personen, mit denen er Haftpflichtversicherungsverträge abschließen oder denen er Deckungszusagen erteilen durfte, sei es hinsichtlich des Umfanges der Versicherung oder der zugesagten Deckung, waren Dritten gegenüber nur nach Maßgabe des § 4 7 W G . wirksam. Es kann sich also nur fragen, ob festgestellt ist, daß die V . L . M . gerade die Beschränkungen kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, wegen deren Überschreitung das Zustandekommen des V e r tragsabschlusses verneint wird. Eine solche Feststellung hat das Berufungsgericht jedenfalls nicht rechtlich einwandfrei getroffen. Es hätte in dieser Richtung zunächst feststellen müssen, die V . L . M . habe gewußt oder hätte wissen müssen, daß G. (und durch ihn H . ) nur mit Mitgliedern des D . M . V . Versicherungsverträge abschließen dürfe, sie selbst sei aber nicht Mitglied dieses Verbandes. Das ist aber bisher nicht festgestellt worden. Die oben wiedergegebene Ausführung des Berufungsgerichts hierzu trifft nach dem Gesagten nicht den Kernpunkt der Frage ( § 4 7 W G . ) ; abgesehen davon aber ergeben vorgetragene Aktenstellen (werden angeführt) ohne weiteres, daß die V . L . M . M i t glied jenes Verbandes gewesen sein muß. Immerhin hat der Berufungsrichter auch hierüber noch keine Feststellung getroffen; er wird sich damit noch befassen müssen. Es ist nidit verständlich, wie er annehmen kann, eine Beschränkung der Vollmacht des Agenten H. im Sinne des § 4 7 W G . komme nicht in Frage, ohne daraus die Folgerung zu ziehen, daß eine solche Beschränkung, wenn sie vorlag, dann eben dem V e r sicherungsnehmer und mithin auch der Klägerin gegenüber unwirksam
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Versicherungsvertragsgesetz
war. Denn der Berufungsriditer hat auch hinsichtlich der übrigen Einschränkungen der Vollmacht des G., auf die er abstellt, eine Kenntnis der V.L.M. gemäß § 47 V V G . nicht festgestellt. (Wird näher ausgeführt.) Sollte der Berufungsrichter die Bestimmung in § 101 Ziffer 1 AVB. — worin der Versicherungsschutz beschränkt wird auf Ansprüche, die gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden „auf Grund gesetzlicher Haftpfliditbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" — gemeint und erwogen haben, daß die Haftung der V.L.M. nicht auf solchen Bestimmungen, sondern auf der freiwilligen Übernahme der Haftung den Behörden gegenüber beruht habe, oder sollte er § 10 II Ziffer 1 das. im Auge gehabt haben, so wären solche Erwägungen durchaus fehlsam. Denn durch § 10 AVB. sollen nur Ansprüche des Versicherungsnehmers ausgeschlossen werden auf Gewährung von Versicherungsschutz gegen solche Ansprüche des Verletzten, die auf Grund Vertrags oder besonderer Zusage zwischen Versicherungsnehmer und Verletztem den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers überschreiten. Davon kann aber hier nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Rede sein. Vielmehr muß nach diesen angenommen werden, die V.L.M. habe Versicherungsschutz nehmen wollen gegen solche Ansprüche, die vom Verletzten gegen sie selbst, sei es als Veranstalterin (§§ 823 flg. BGB.), sei es auf Grund der Übernahme der sonst nur die einzelnen Teilnehmer der Zuverlässigkeitsfahrt treffenden gesetzlichen Haftpflicht erhoben werden würden. Immer waren also Gegenstand des Versicherungsschutzes Ansprüche, die auf gesetzliche Vorschriften zu stützen waren. Übrigens wären etwaige aus § 10 AVB. herzuleitende Bedenken auch mangels hinreichender Deutlichkeit keinesfalls geeignet, eine Beschränkung der Abschlußvollmacht des Agenten H. hinsichtlich der Deckungszusage gemäß § 47 VVG. (Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit) erkennbar zu machen. Wie bereits ausgeführt, gilt zudem der Abschlußagent, vorbehaltlich eben des § 47 VVG., als ermächtigt, Änderungen der Versicherungsbedingungen von Fall zu Fall zu vereinbaren (vgl. B r u c k VVG. 7. Aufl. Bern. 2 zu § 45 S. 184 und dort angeführte Rechtsprechung). Dazu kommt, wie die Revision zutreffend ausführt, daß gerade in der (der V.L.M. übrigens nicht festgestelltermaßen bekannten) Vollmachtserteilung der Beklagten an den Abschlußagenten, den „Versidierungsdienst", die Einschränkung der Schadenshöchstgrenzen nur als Regel-Deckungssumme bezeichnet wird für e i n Personenschadenereignis, nicht etwa für einen Versicherungsnehmer oder für einen bestimmten Anlaß, so daß gerade nach
Haftpflichtversicherung
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dem Wortlaut der Vollmacht aus ihr keine Höchstgrenze für mehrere Personensdiadenereignisse ersichtlich ist. Das Berufungsgericht verkennt weiter die Rechtsnatur des durch die Deckungszusage übernommenen Versicherungsschutzes. Es meint, hier habe es sidi nicht um den Versicherungsschutz „einer einzelnen Person", sondern „um die Haftpflichtversicherung im Pauschale für die V.L.M. und 265 Teilnehmer an der Zuverlässigkeitsfahrt und den Versicherungsschutz des Publikums gegen deren Gefahren mit einer Höchstsumme von 300 000/15 000 R M " gehandelt. Nach seinen Feststellungen kann es sich aber nur um den Versicherungsschutz des eingetragenen Vereins V.L.M., also einer (juristischen) Einzelperson, gegen diejenigen Haftpflichtansprüche gehandelt haben, die gegen diese Einzelperson erhoben werden konnten, und zwar zum Teil auf Grund einer Mitübernahme der Haftung, die sonst kraft Gesetzes nur die Teilnehmer der Zuverlässigkeitsfahrt zu tragen hatten. Es handelte sich also nicht um einen Versicherungsschutz der 265 Teilnehmer und noch weniger um einen solchen des Publikums. Daß aber eine derartige Haftpflichtversicherung im Bereiche des von der Beklagten Vorgesehenen lag, ergibt sich gerade auch aus § 101 Ziff. 3 Satz 2 AVB., wo von „mehreren entschädigungspflichtigen Personen", auf deren Haftung sich der Versicherungsschutz erstrecken kann, die Rede ist. Es kann also nicht davon gesprochen werden, daß der beabsichtigte Versicherungsschutz — der V.L.M. bewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bewußt (§ 47 W G . ) — „weit die normalen Grenzen, wie sie die Vertragschließenden sich vorgestellt haben, überstiegen habe". Sollte hier der Berufungsrichter mit den „Vertragschließenden" die Beklagte und den Versicherungsdienst des D.M.V. meinen, so würde seiner Erwägung erst recht die angeführte Bestimmung der Allgemeinen Versidierungsbedingungen entgegenstehen. Das Berufungsgericht hat so die Rechtsnatur des Haftpflichtversicherungsvertrages — der als solcher weder eine Versicherung Dritter noch zu Gunsten Dritter noch für fremde Rechnung darstellt — weiter auch die Vorschriften der §§ 45, 47 VVG., den Begriff der Vollmacht des Abschlußagenten und die Bedeutung der Vorschriften der §§ 74, 75 VVG. verkannt. Auf diesem irrigen Wege ist der Vorderrichter zu dem Ergebnis gelangt, ein Haftpflichtversicherungsverhältnis zwischen der V.L.M. und der Beklagten sei durch die Deckungszusage vom 18. August 1926 wegen Überschreitung der Vertretungsmacht durch H. und mangels Genehmigung durch die Beklagte nicht zustande gekommen.
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Versicherungsvertragsgesetz
5. Aber auch die Anwendung der §§ 276, 278 BGB. bedarf auf der richtiggestellten Grundlage einer erneuten Prüfung, wenn es nach dem zu 4. Ausgeführten hierauf noch ankommen sollte. Denn das Berufungsgericht würdigt das Verhalten des Versicherungsdienstes des D.M.V. nur unter dem Gesichtspunkt des § 43 VVG. als dasjenige eines Vermittlungsagenten und kommt — von diesem Standpunkt aus zutreffend — zu dem Ergebnis, der Versicherer habe bei einem Antrag auf Neuabschluß einer Versicherung nicht dafür einzutreten, wenn der Vermittlungsagent den Antrag nicht weitergebe. Wie dargelegt, war jedoch der Versicherungsdienst des D.M.V. Abschlußagent; Abschlußagenten der Beklagten waren dann aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl G. als auch H. War, wie nach dem vorher Ausgeführten anzunehmen sein wird, der Haftpflichtversicherungsvertrag durch die Erteilung der Deckungszusage bereits vorläufig zustande gekommen, so waren nunmehr die Abschlußagenten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu betrachten; dann hatte sie deren Verschulden, mit welchem auch das Berufungsgericht rechnet, zu vertreten. Auf ein ebenfalls aus der Rechtsstellung der Genannten als Abschlußagenten sich ergebendes, ihnen möglicherweise zur Last fallendes Verschulden beim Vertragsabschluß wird es nach dem Ausgeführten (§§ 45, 47 W G . ) nicht mehr ankommen. 6. Nach alledem läßt sich auf Grund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts dessen Annahme nicht aufrechterhalten, es sei durch die Deckungszusage vom 18. August 1926 zwischen der V.L.M. und der Beklagten kein Versicherungsvertragsverhältnis begründet worden. Deshalb muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden, soweit es den auf Feststellung gerichteten Hilfsantrag der Klägerin durch Zurückweisung ihrer Berufung abgewiesen hat. Die Sache ist insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Aus dem Dargelegten erhellt aber, daß, wenn ein Versicherungsvertrag zwsichen der V.L.M. und der Beklagten zustande gekommen ist, dodi das Feststellungsbegehren nur in dem Umfange Erfolg haben kann, der ihm durch den Hauptantrag der Revision gegeben worden ist. Soweit die übrigen eingangs erwähnten, im angefochtenen Urteil nicht erörterten Einwendungen der Beklagten nach dem Ergebnis der erneuten Verhandlung noch von Belang sein werden, wird sidi das Berufungsgericht mit ihnen auseinanderzusetzen haben.
Haftpflichtversicherung
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R C Z . 144, 163. 1. Hat eine Obliegenheitsverletzung, die der Versicherungsnehmer begeht, nachdem von mehreren in einem Haftpflichtversicherungsvertrag geregelten Versicherungsfällen der eine eingetreten ist, und die nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Versicherungsnehmer den Verlust seiner Rechte nach sich zieht, Einfluß auf seine Rechte aus einem weiteren Versicherungsfall, der erst nach jener O b ' liegenheitsverletzung eintritt? 2. Ist die versicherungsrechtliche sog. Repräsentantenhaftung von Bedeutung für den Eintritt des Versicherungsfalls? 3. Kann eine an sich vor dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit des Versicherungsnehmers auch noch nach dem Eintritt verletzt werden? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 — W G . — (RGBl. S. 263) §§ 6, 149 flg. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 16. März 1934.
I. Landgericht Bielefeld. — II. Oberlandesgericht Hamm.
Die Ehefrau des Klägers, Christine B., war seit dem 15. September 1928 mit einem „Vermietkraftwagen" bei der Beklagten gegen Haftpflicht versichert. Gemäß § 101 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) umfaßte der Versicherungsschutz: 1. die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlidien Inhalts gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden, wenn bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs Personen verletzt oder getötet oder Sadien beschädigt oder zerstört werden; 2. die Haftpflicht des Führers (nicht bloß des angestellten Führers) des im Antrag bezeichneten Kraftfahrzeugs. In § 4 AVB. war unter „Rechtsverhältnis Dritter" bestimmt: 1. Ist die Versicherung zugunsten Dritter abgeschlossen, so steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu; dieser ist auch für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich. In § 5 das. war weiter unter Nr. 1 als „Obliegenheit im Schadensfall" vorgeschrieben, daß jeder Versicherungsfall der Gesellschaft unverzüglich anzuzeigen sei. Unter Nr. 2 Satz 2 das. war unverzügliche Anzeige gefordert von der Einleitung eines Strafverfahrens aus einem Ereignis,
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Versicherungsvertragsgesetz
das einen Haftpfliditansprudi zur Folge haben könne. Endlich bestimmte noch § 6 unter der Überschrift „Rechtsverlust": Wird eine Obliegenheit verletzt, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls der Gesellschaft gegenüber zu erfüllen ist, so ist die Gesellschaft von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung dieser Pfliditen weder auf Vorsatz n o d i auf grober Fahrlässigkeit beruht. Am 2. O k t o b e r 1928 stieß der Kraftwagen, den der damals noch minderjährige Sohn der Versidierungsnehmerin, Hermann B., lenkte, mit einem Kraftrad zusammen: der Kraftradfahrer K. wurde dabei schwer verletzt, sein Kraftrad beschädigt. Spätestens am 20. März 1929 erhielt Hermann B. Sohn durch Vorladung zur Geschäftsstelle des Amtsgerichts und durch Vernehmung zur Sadie Kenntnis davon, daß K. bei dieser Geschäftsstelle ein Gesudi gestellt h a t t e zum Zweck der Erlangung des Armenrechts für eine Klage gegen Hermann B. Sohn wegen der Folgen jenes Zusammenstoßes. Letzterer erhielt auch eine Abschrift des Gesuchs. Diese übergab er der Generalagentur der Beklagten, der Firma P. & Co. in H., durch welche die Beklagte das Gesuch am 11. April 1929 erhielt. Sie setzte eine Gegenäußerung zu dem Gesudi auf und übersandte sie mit Schreiben vom 22. April 1929 an die Versicherungsnehmerin. In diesem Schreiben forderte sie diese u. a. auf, ihr, der Beklagten, weitere Schriftstücke, die der Versidierungsnehmerin nodi zugehen würden, unverzüglich einzusenden. Sie fügte bei, daß, wenn ein Strafverfahren gegen B. Sohn eingeleitet werden sollte, ihr davon unverzüglich Mitteilung zu machen sei. Bereits am 3. O k t o b e r 1928 hatten wegen des Zusammenstoßes polizeiliche Erhebungen stattgefunden, die dann von der Staatsanwaltschaft fortgesetzt wurden. Am 1. Dezember 1928 stellte jedoch die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen B. Sohn ein. Von diesem Verfahren machte weder die Versicherungsnehmerin nodi ihr Sohn der Beklagten Mitteilung. Im Mai 1929 erhielt B. Sohn die Klage des Verletzten K. mit Terminsbestimmung zugestellt. Mit ihr wurde beantragt, S. Sohn zur Zahlung von 1634,8 5 RM nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, daß er verpflichtet sei, dem Kläger K. die Hälfte des Schadens zu ersetzen, der ihm aus dem Zusammenstoß entstanden sei und noch entstehen werde. Von der Erhebung dieser Klage erhielt die Beklagte ebenfalls keine Mitteilung. Weder B. Sohn noch die Versicherungsnehmerin sorgten für Vertretung, so daß das Landgericht am 21. Juni 1929 Versäumnisurteil nach dem Klagantrag erließ. Am 4. Juli 1929
Haftpflichtversicherung
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gab B. Sohn der Beklagten von dem Versäumnisurteil Kenntnis. Mit Sdireiben vom 5. Juli 1929 lehnte diese gegenüber der Versicherungsnehmerin den Versicherungsschutz ab, weil sie Versäumnisurteil gegen sich habe ergehen lassen. B. Sohn ließ gegen das Versäumnisurteil Einspruch einlegen. Durch die Einspruchsbegründung erfuhr K., daß B. Sohn minderjährig war. Mit Sdiriftsatz vom 12. September 1929, „Klage und Ladung" überschrieben, „erweiterte" sodann K. die Klage, indem er sie auch gegen die Versicherungsnehmerin Christine B. und deren Ehemann Hermann B., den jetzigen Kläger, richtete. Mit Schreiben vom 28. Oktober 1929 gaben die Prozeßbevollmächtigten der Versidierungsnehmerin und des Sohnes B. der Beklagten von dieser Klagerweiterung Kenntnis. Mit Schreiben vom 31. Oktober und S.November 1929 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom S.Juli 1929 nochmals jeden Versicherungsschutz ab. Die Klage gegen B. Sohn wurde am 14. Februar 1 9 3 0 vom Landgericht abgewiesen. Insoweit ist gegen das Urteil keine Berufung eingelegt worden. In dem gegenwärtigen, im Dezember 1929 eingelegten Rechtsstreit erhob Frau B. Klage auf Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr „für den Rechtsstreit K. gegen B. jg. u n d Ehefrau B. . . . nach Maßgabe des Versicherungsscheins Versicherungsschutz zu gewähren". Im Laufe des Rechtsstreits ist Frau B. gestorben. Der Kläger nahm als ihr Erbe den Prozeß auf. Die Beklagte verweigert den Versicherungsschutz mit der Begründung, der Anspruch darauf sei gemäß § 6 AVB. verwirkt, weil die Versicherungsnehmerin ihr weder von der Erhebung des Haftpfliditanspruchs seitens des K. durch den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts noch von der Erhebung der Klage des K. gegen B. Sohn unverzüglich Kenntnis gegeben und auch von dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren keine Mitteilung gemacht habe. Dadurch habe sie grob fahrlässig gegen die Obliegenheiten aus § 5 Nr. 1, Nr. 2 Satz 2 AVB. verstoßen. Für Verschulden ihres Sohnes habe sie gemäß § 4 und auch deshalb einzustehen, weil dieser ihr Repräsentant gewesen sei. Der Kläger behauptet, das Armenrechtsgesuch sei unverzüglich der Generalagentur der Beklagten übersandt worden, ebenso die Klagschrift des K. gegen B. Sohn. Die Versicherungsnehmerin selbst habe von dem Armenrechtsgesuch ebensowenig Kenntnis gehabt wie von der Klage. Landgericht und Oberlandesgericht haben nach dem Klagantrag erkannt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
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Versicherungsvertragsgesetz
Aus den G r ü n d e n : Die Entscheidung des Berufungsrichters rechtfertigt sich aus anderen als den von ihm angeführten Gründen (§ 563 ZPO.). Er hat nicht erkannt, daß durch den Abschluß des Haftpflichtversicherungsvertrags zwei voneinander unabhängige Versicherungsfälle unter Versicherungsschutz gestellt waren. Der Versicherungsschutz umfaßte nach § IO I Nr. 1 AVB. „die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche, die . . . gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden . . .". Nach Nr. 2 das. umfaßte er weiter die Haftung des (Kraftwagen-)Führers. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats tritt der Versicherungsfall bei der Haftpflichtversicherung erst mit der Geltendmachung des Anspruchs des Verletzten gegenüber dem Versicherungsnehmer oder, wenn die Versicherung zugunsten eines Dritten oder für fremde Rechnung abgeschlossen ist, gegenüber dem Versicherten ein (vgl. WarnRspr. 1916 Nr. 176; LZ. 1915 Sp. 839; JW. 1933 S. 761 Nr. 1 ; Urteile des erkennenden Senats vom 15. April 1933 VII 29/33 und vom 13. Juni 1933 VII 9/33; so auch W a r n c y c r W G . zu § 153 Bern. II und B r u c k W G . N o t e 5 zu § 15 3). Von dieser Rechtsauffassung abzugehen, besteht auch gegenüber den Ausführungen der Revision keine Veranlassung. Hält man daran fest, so ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß der Versicherungsfall aus § 10 I Nr. 1 AVB. nicht dadurch eintreten konnte, daß K. gegen B. Sohn Ansprüche erhob. Das gilt auch dann, wenn anzunehmen wäre, daß K. den Genannten nicht nur für den Führer, sondern auch für den Halter des Kraftwagens hielt und ihn in diesen beiden Eigenschaften in Anspruch nehmen wollte. Dabei kann ferner dahingestellt bleiben, ob etwa B. Sohn auch Halter des Kraftwagens gewesen ist. Denn keinesfalls waren mit der Erhebung von Haftpflichtansprüchen gegen ihn auch solche gegen die Versidierungsnehmerin (§ 101 Nr. 1 AVB.) erhoben. O b K. nur aus Unkenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die Inanspruchnahme der Versicherungsnehmerin zunächst unterlassen hat, ist dabei gleichgültig. Die Revision hat in der mündlichen Verhandlung geglaubt, durch den Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats in RGZ. Bd. 101 S. 213 dieser Folgerung entgegentreten zu können, aber mit Unrecht. Denn in der dort entschiedenen Sache war der Versicherungsfall aus der H a f t pflichtversicherung bezüglich des Führers und des Versicherungsnehmers gleichzeitig eingetreten; jedenfalls war gegen beide gleichzeitig die Klage erhoben worden, und es handelte sich nur um die Frage, ob eine durch „positive Tätigkeit" vorsätzlich bewirkte Obliegenheits-
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Verletzung des Versicherungsnehmers, die sich auf die gegen den Kraftwagenführer (für den Versicherungsschutz überhaupt nicht begehrt wurde) gerichtete Prozeßführung bezog, Rüdewirkungen auf den eigenen Versicherungsschutz-Anspruch des Versicherungsnehmers äußern kann. Das wurde in jener Entscheidung bejaht. Dagegen ist aus ihr nichts dafür zu entnehmen, daß der Versicherungsfall hinsichtlich des Versicherungsnehmers schon dann als eingetreten anzusehen sei, wenn nur gegen den Dritten Ansprüche erhoben werden, zu dessen Gunsten oder für dessen Rechnung die Haftpflichtversicherung (ebenfalls) abgeschlossen ist. Eine solche Rechtsauffassung wäre abzulehnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sog. „Repräsentantenh a f t u n g " . Dieser von der Rechtsprechung herausgearbeitete Begriff hat es nur mit der Haftung des Versicherungsnehmers für ein Verhalten solcher Personen zu tun, die in gewisser Weise „ a n Stelle des Versicherungsnehmers stehen", insbesondere wenn es sich um die Erfüllung von Obliegenheiten des Versicherungsnehmers handelt. Der Rechtsbegriff der Repräsentantenhaftung bedeutet aber nichts für die Frage des Eintritts des Versicherungsfalls. Dieser tritt nicht etwa bezüglich der Versicherungsnehmers um deswillen ein, weil ein anderer (möge er auch dem Versicherungsnehmer gegenüber die Eigenschaft eines Repräsentanten besitzen) für seine Person in Anspruch genommen wird. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Verletzte bei richtiger Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse den anderen überhaupt nicht oder doch neben ihm auch den Versicherungsnehmer in Anspruch genommen haben würde. Soweit es sich um den Eintritt des Versicherungsfalls handelt, ist allein entscheidend, welche Person tatsächlich in Anspruch genommen worden ist. Deshalb k o m m t nichts an auf die Bedenken, welche der Annahme einer RepräsentantenEigenschaft oder auch nur derjenigen eines „Wissensvertreters" — wie sie der Berufungsrichter sich vorstellt — bei dem minderjährigen Sohne der Versicherungsnehmerin im vorliegenden Falle entgegenstehen. Hiernach ist davon auszugehen, daß der Versicherungsfall aus § 1 0 1 Nr. 1 AVB. erst eingetreten ist, als die Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen wurde. Es ist nicht ersichtlich und nicht behauptet, daß dies vor der Zustellung des Schriftsatzes „ K l a g e und L a d u n g " vom 12. September 1929 geschehen wäre. Die von der Beklagten behaupteten Obliegenheitsverletzungen, mit denen sich das Berufungsgericht befaßt hat, liegen alle vor dem September 1929, also vor Eintritt des Versicherungsfalls aus § 1 0 1 Nr. 1 A V B . Es k o m m t deshalb für den Versicherungsschutz, den die Versicherungsnehmerin
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Versicherungsvertragsgesetz
(oder deren Erbe) für die gegen sie selbst erhobenen Ansprüche begehrt, nicht darauf an, ob in der Verzögerung der Übersendung des Armenreditsgesuchs oder in der unterlassenen Mitteilung von der (ersten) Klagerhebung des K. eine Obliegenheitsverletzung gefunden werden kann. Denn keine der hier als verletzt bezeichneten Obliegenheiten könnte, was den aus § 10 I Nr. 1 AVB. hergeleiteten Versicherungsschutz- Ansprudi betrifft, nadi dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen gewesen sein, da dieser jedenfalls nicht vor dem 12. September
1929 eingetreten ist. Anders k ö n n t e rechtlich die weiter von der Beklagten behauptete Obliegenheitsverletzung zu beurteilen sein, die darin liegen soll, daß weder die Versicherungsnehmerin noch ihr Sohn von der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den letzteren der Beklagten eine Mitteilung gemacht hat. Zwar hat gegenüber den Ausführungen der Revision die Revisionsbeantwortung mit Recht darauf hingewiesen, daß die Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen nur eine dem § 6 Abs. 2 VVG., nicht aber eine dem Abs. 1 das. entsprechende Vertragsbestimmung enthalten. Wenn sie aber in sachlicher Übereinstimmung mit dem Berufungsriditer meint, es könne sich hier nur um eine Verletzung der Obliegenheiten handeln, die v o r dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen gewesen wären, für die deshalb die Rechtsfolge des § 6 AVB. nicht in Frage komme, so kann ihr nicht beigetreten werden. Vielmehr ist es sehr wohl denkbar, daß auch nach dem Eintritt des Versicherungsfalls aus § 101 Nr. 1 AVB. noch die schon vorher begründete (§ 5 Nr. 2 Satz 2 AVB.) Obliegenheit der Anzeige von der Einleitung eines Strafverfahrens zu erfüllen war. Das war auch dann möglich, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls das Ermittlungsverfahren vom Staatsanwalt bereits eingestellt worden war. Denn es kann unter Umständen für den Versicherer weniger auf das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens vom Standpunkt der Strafverfolgungsbehörde aus ankommen, als auf die Tatsache, daß ein Strafverfahren geschwebt hat, daß Ermittlungen stattgefunden haben, und auf den Inhalt, den sie hatten. Auch bedeutete die staatsanwaltsdiaftliche Einstellung des Verfahrens keine rechtskräftige Erledigung, sondern ein solches Verfahren konnte jederzeit wieder aufgenommen werden. Aber es kann hier auf die möglicherweise reditsirrige Auffassung des Berufungsgerichts zu diesem Punkt nicht ankommen. Denn zu der Zeit, als der Versicherungsfall aus § 101 Nr. 1 AVB. eintrat, hatte die Beklagte bereits der Versicherungsnehmerin gegenüber jeden Versicherungsschutz abgelehnt. Sie kann sich danach
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keinesfalls mehr darauf berufen, daß ihr nicht trotzdem noch eine M i t teilung über das Ermittlungsverfahren gemacht worden sei. Andere als die von der Beklagten im Rechtsstreit bisher geltend gemachten Obliegenheitsverletzungen konnten in der Revisionsinstanz nidit in Betracht gezogen werden. Insbesondere konnte es nidit darauf ankommen, ob etwa nach dem Eintritt des Versidierungsfalls aus § 1 0 1 Nr. 1 A V B . , d. h. nachdem K . Ansprüche gegen die Versidierungsnehmerin selbst erhoben hatte, Obliegenheiten im Sinne des § 6 A V B . von ihr oder von ihrem Sohn (falls sie für dessen Verhalten einzustehen hätte) verletzt worden sind. Solche würden übrigens weiter schon um deswillen ausscheiden, weil sie zu einer Zeit zu erfüllen gewesen wären, als die Beklagte bereits den Versicherungsschutz abgelehnt hatte, so daß die sich auch insoweit auf angebliche spätere V e r letzungen von Obliegenheiten nicht mehr berufen könnte. O b sich die Versicherungsnehmerin oder ihr Sohn (falls sein V e r halten der Versicherungsnehmerin anzurechnen wäre) einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung derjenigen Obliegenheiten schuldig gemacht haben, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls aus § 1 0 1 Nr. 2 A V B . zu erfüllen wären, kann dahingestellt bleiben. Denn die Klage gegen B. Sohn ist vom Landgericht M. rechtskräftig abgewiesen worden. In jenem Prozesse stritten sowohl der Kläger wie der Beklagte B. Sohn im Armenrecht. Es ist also insoweit jedenfalls kein Gegenstand mehr vorhanden, auf den sich der Versicherungsschutz aus § 1 0 1 Nr. 2 AVB. beziehen könnte. R C Z . 144, 301. 1. Zum Begriff der „typischen" Willenserklärung. 1. Zur Zulässigkeit der ausdehnenden Auslegung eines Haftpflicht' Versicherungsvertrags. BGB. § § 133, 157. Versicherungsvertragsgesetz vom 30. Mai - W G . - (RGBl. S. 2 6 3 ) § 1. VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Wuppertal. —
Urt. v. 11. Mai II. Oberlandesgericht
1908
1934. Düsseldorf.
Der Kläger, der in L. eine Werkstatt für die Ausbesserung von Kraftfahrzeugen und eine Fahrschule betreibt, war als Besitzer von drei Personenkraftwagen gegen die Folgen der gesetzlichen Haftpflicht bei der Beklagten versichert. Die Versicherung war abgeschlossen „auf Grund, im Umfang und nach Maßgabe des Antrags vom 28. Juni 1 9 2 5 " zu den „Allgemeinen Versicherungsbedingungen" und den im Antrag Versicherungsvertragsgesetz II
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Versicherungsvertragsgesetz
oder im Versicherungsschein angegebenen In dem von dem Kläger unterzeichneten zu dessen Herstellung ein Vordrude der stehen folgende gedruckte Bestimmungen. In jeden Versicherungsschein werden gungen aufgenommen.
„Besonderen Bedingungen". Antrag vom 28. Juni 1925, Beklagten verwendet war, folgende besondere Bedin-
2. Der Versicherungsschutz wird nur dann gewährt, wenn der Führer (sei es der Halter oder eine dritte Person) bei Eintritt des Schadens im Besitz eines Führerscheins war. Hat im Schadensfall ein Dritter das Fahrzeug geführt, der sich nicht im Besitz eines Führerscheins befand, so wird der Versicherungsschutz dann gewährt, wenn der Halter entschuldbarerweise annehmen konnte, daß der Dritte einen Führerschein besitze. Das Versicherungsverhältnis bestand noch am 7. Mai 1928. An diesem Tage wollte der Kläger einen nidit bei der Beklagten versicherten, schadhaft gewordenen Opel-Lastwagen eine Anhöhe hinaufschleppen lassen. Zu diesem Zweck ließ er einen ihm gehörigen, bei der Beklagten versicherten Benz-Wagen aus seiner Werkstatt holen. Anwesend waren der Monteur und Chauffeur des Klägers, Sdi., der 18jährige Werkstattlehrling B. und ein Schwager des Besitzers des Opel-Wagens, St. Der Kläger hielt es für zweckmäßig, den OpelWagen rückwärts auf der linken Straßenseite abzuschleppen, um ihn oben auf der Höhe die abschüssige Straße wieder vorwärts durch die eigene Sdiwerkraft in den Hof seiner Werkstatt rollen zu lassen. Zu diesem Zweck wurde der Benz-Wagen durch ein etwa 6 m langes Seil mit dem Lastwagen verbunden. Während der Fahrt saß der Kläger am Steuer des Lastwagens. Der Lehrling B., der nicht im Besitz eines Führerscheins war, steuerte den Benz-Wagen. Der Monteur Sdi. stand auf dem linken Trittbrett des Lastwagens, und St. ging hinter diesem her. Nach kurzer Fahrt wurde eine Straßenpassantin, Frau K., die sich auf der linken Seite hart am Bürgersteig in der Richtung des Schleppzugs bewegte, von dem Benz-Wagen ohne Gefährdung überholt, dagegen von der breiten Rüdewand des Lastwagens umgestoßen und schwer verletzt. Im April 1930 wurde aus Anlaß dieses Unfalls der Kläger von der Verletzten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Diese erstritt gegen ihn ein rechtskräftiges Grundurteil. In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von der Beklagten Gewährung von Versicherungsschutz. Er ist in erster Instanz
HaftpfliAtversidierung
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unterlegen. In zweiter Instanz hat er obgesiegt. Die Revision der Beklagten führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Gründe: Der Berufungsrichter führt aus: 1. Die Inanspruchnahme der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag sei begründet. Einmal sei der Kläger aus dem Unfall als Halter des versicherten Benz-Kraftwagens, der den OpeI-Lastkraftwag«n abgeschleppt habe in Anspruch genommen. Sodann hafte er f ü r die Unfallfolgen auch gemäß §§ 823 flg. BGB. wegen Außerachtlassung der erforderlichen Sicherung des Schleppzuges. 2. Ein vom Kläger im Rahmen seines Gewerbebetriebs vorgenommenes Abschleppen falle unter das versicherte Risiko und begründe keine sdiuldhafte Erhöhung der Gefahr im Sinne von § 23 Abs. 1 W G . 3. Von ihrer Leistungsverpflichtung sei die Beklagte auch nidit dadurch befreit, daß der versicherte Wagen von dem Lehrling B. gelenkt worden sei, der keinen Führerschein gehabt habe. Es sei zwar richtig, daß die Beklagte allgemein nur für ein Fahren mit Führerschein aufzukommen habe und daß die wiedergegebene Ausnahmebestimmung hiervon keine unmittelbare Anwendung finden könne, denn diese Bestimmung behandle den entschuldbaren Irrtum über den Besitz eines Führerscheins, während hier ein Irrtum über die das Fahrzeug lenkende Person geltend gemacht werde. Die Ausnahmebestimmung sei aber entsprechend anzuwenden. Denn im vorliegenden Fall sei das Schutzbedürfnis, dem die Ausnahmebestimmung Rechnung tragen solle, noch größer als in dem in ihr ausdrücklich geregelten Fall. 4. Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei als erwiesen anzusehen, daß der Kläger entschuldbarerweise angenommen habe, nicht B., sondern der Monteur Sch., der einen Führerschein gehabt habe, lenke den Abschleppwagen. 5. Der Kläger habe den Versicherungsanspruch auch nicht verwirkt. Der gegen ihn erhobene Vorwurf einer grobfahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht treffe nicht zu. Die Revision beanstandet die Stellungnahme des Berufungsgerichts nach verschiedenen Richtungen hin. V o n ihren Angriffen ist ebenfalls die Rüge irriger Auslegung der besonderen Bedingungen in Nr. 2 des Antrags vom 28. Juni 1925 begründet. Diese Bedingung enthält eine typische Willenserklärung, die der freien Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich ist. Hiergegen spricht nidit, daß sie als „besondere Bedingung" bezeichnet ist. Denn für die Frage, ob eine typische 2*
Versicherungsvertragsgesetz
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W i l l e n s e r k l ä r u n g v o r l i e g t , ist nicht die äußerliche Bezeichnung als ,,allgemeine"
oder
„besondere"
Bedingung
entscheidend,
sondern
maß-
gebend hierfür ist, o b die B e d i n g u n g b e s t i m m t ist, in zahlreiche gleidiliegende, nicht auf
den
Bezirk
eines
Oberlandesgerichts
beschränkte
Versicherungsverträge als B e s t a n d t e i l a u f g e n o m m e n zu werden. aber hier der Fall. 28.Juni jeden
Denn
Das ist
in dem zur Herstellung des A n t r a g s
vom
1925 v e r w e n d e t e n V o r d r u d e h e i ß t es, daß die Bedingung in Versicherungsschein
als
besondere
Bedingung
aufgenommen
würde. Bei der danach g e b o t e n e n freien Auslegung vermag der e r k e n n e n d e Senat die Auslegung des Berufungsrichters nicht zu billigen. sätzlich wird nach der g e n a n n t e n nur dann g e w ä h r t , wenn Halter,
sei
es eine
dritte
B e d i n g u n g der
der Führer Person)
Besitze eines Führerscheins war.
des Kraftfahrzeugs
bei
Eintritt
Grund-
Versicherungsschutz
des
(sei
es
Schadensfalls
H a t aber im Schadenfall ein
so
soll
der
Versicherungsschutz
ausnahmsweise
dann
be-
gewährt
werden, wenn der H a l t e r entschuldbarerweise annehmen k o n n t e , der D r i t t e einen Führerschein besitze.
im
Dritter
das Fahrzeug geführt, der sich nicht im Besitz eines Führerscheins fand,
der
daß
Als Führer im Sinne dieser B e -
stimmung ist d e r j e n i g e anzusehen, der zur Z e i t des Unfalls das K r a f t fahrzeug u n t e r eigener V e r a n t w o r t u n g l e i t e t , d. h. die Verrichtungen ausübt, die erforderlich
sind, damit
die bestimmungsmäßigen
k r ä f t e des Fahrzeugs auf dieses zur F o r t b e w e g u n g einwirken. aber im vorliegenden Fall u n z w e i f e l h a f t der Lehrling B.
Trieb-
Das war
D e r v o n ihm
g e f ü h r t e B e n z - W a g e n und der geschleppte Lastkraftwagen bildeten als Schleppzug eine Einheit. M i t h i n w a r B . Führer für den ganzen Schleppzug (vgl. R G U r t . v o m 8. M a i 1930 V I 499/29, m i t g e t e i l t i m „Deutschen A u t o r e c h t " 1930 Sp. 201). Es liegt also der Regelfall vor, in dem nach der V e r e i n b a r u n g
der P a r t e i e n
der Versicherungsschutz
nicht zu
ge-
währen war. D e r A u s n a h m e f a l l dagegen, daß der K l ä g e r entschuldbarerweise a n n e h m e n k o n n t e , B. b e s i t z e einen Führerschein, ist nicht
ge-
geben, da der K l ä g e r w u ß t e , daß j e n e r k e i n e n Führerschein h a t t e . D e r Berufungsrichter v e r k e n n t dies auch nicht.
Er m e i n t aber, es liege ein
Bedürfnis für eine entsprechende Ausdehnung der A u s n a h m e v o r , da der K l ä g e r hier in entschuldbarer W e i s e zwar nicht über den B e s i t z des Führerscheins, w o h l aber über die P e r s o n des Führers geirrt h a b e . In diesem Fall sei das Schutzbedürfnis noch dringender als in j e n e m . D i e ausdehnende A u s l e g u n g , welche der Berufungsrichter damit a n w e n d e t , ist aber hier nicht angezeigt. D e n n der Fall des Irrtums über die Person des Führers liegt völlig anders als der Fall des Irrtums über den B e s i t z
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des Führerscheins. Das vom Berufungsgericht angenommene gesteigerte Bedürfnis nach Gewährung des Versicherungsschutzes muß in einem Fall wie dem vorliegenden — der Halter und Versicherte war bei dem Unfall persönlich anwesend — Bedenken begegnen und führt jedenfalls zu einer Ausdehnung der von der Beklagten zu vertretenden Gefahr, welche die Grenzen des Vertrags überschreitet und deshalb nicht gebilligt werden kann. Man denke dabei an einen Fall, daß der Halter seinen Kraftwagen einem im Besitz eines Führerscheins befindlichen Freunde leiht und dieser dann ohne Wissen des Halters die Führung des Wagens einer Person ohne Führerschein überläßt. In einem solchen Fall müßte, wie in dem hier vorliegenden, die Regel durchgreifen, daß für Fahrten ohne Führerschein Versicherungsschutz nicht gewährt wird. In der Verhandlung vor dem Revisionsgericht hat die Beklagte einen Vordrude ihrer Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für Kraftfahrzeug-Versicherungen überreichen lassen. Nadi § 3 Nr. 2 dieser Bedingungen wird ,,der Versicherungsschutz nur dann gewährt, wenn bei Eintritt des Schadens der Führer des Kraftfahrzeugs im Besitz eines zur Führung des betreffenden Fahrzeuges berechtigenden Führerscheins war, es sei denn, daß das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Versicherungsnehmers benutzt wurde oder der Versicherungsnehmer entschuldbarerweise annehmen konnte, daß der Führer im Besitz des erforderlichen Führerscheins war". Auch wenn diese Regelung auf das streitige Versicherungsverhältnis der Parteien Anwendung zu finden hätte, was nicht festgestellt ist, würde sich daraus keine dem Kläger günstigere Auslegung ergeben. Denn in der wiedergegebenen Bestimmung wird die Gefahrübemahme durch die Beklagte grundsätzlich beschränkt auf Fahrten mit Führerschein. V o n den beiden Ausnahmen trifft die erste, daß das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Versicherungsnehmers benutzt wurde (Schwarzfahrt), hier nicht zu, da der Kläger die Verwendung des Benz-Wagens zum Abschleppen des Lastwagens angeordnet hatte. Die zweite Ausnahme deckt sich mit der Ausnahme der „besonderen Bedingung" in dem Antrage vom 28. Juni 1925. Es kann sich daher nur noch fragen, ob etwa aus beiden Ausnahmen in ihrem Zusammenhalt im Wege der ausdehnenden Vertragsauslegung die Haftung der Beklagten im vorliegenden Fall gefolgert werden könnte. Auch dies ist abzulehnen, da sich auch aus den beiden Ausnahmen keine Erweiterung der von der Beklagten vertragsmäßig übernommenen Gefahr rechtfertigen läßt. . . .
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RGZ. 145, 21. Weldie Bedeutung hat die Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung: Übersteigen die Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme, so hat die Gesellschaft die Prozefikosten nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche zu tragen, in den Fällen, in denen eine Versicherungssumme bestimmt ist und ein unbegründeter Anspruch erhoben wurde? W G . § 150. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 19.Juni 1934.
I. Landgericht Leipzig. — II. Oberlandesgeridit Dresden.
Der Beklagte war bei der Klägerin gegen gesetzliche Haftpflicht bei Personenschäden in Höhe von 50 000 RM versichert. Der Kaufmann P. hatte auf Grund der Behauptung, daß er am 11. November 1928 in dem Geschäftsräume des Beklagten durch Ausgleiten auf dem Linoleumfußboden einen Unfall erlitten habe, mit einer Klage vor dem Landgericht von dem Beklagten Zahlung von 2000 RM und die Feststellung verlangt, daß dieser ihm auch allen weiteren Schaden aus dem Unfall zu erstatten habe. Im Verlaufe des Rechtsstreits erhöhte P. seinen Leistungsanspruch derart, daß sich ein Streitwert von 171 500 RM ergab. In der Berufungsinstanz ist der Wert des Streitgegenstandes mit 173 500 RM, in der Revisionsinstanz mit 176 000 RM angenommen worden. Die Klage des P. ist rechtskräftig abgewiesen worden. Die Klägerin hat dem Beklagten nach Maßgabe ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung — AVB. — Versicherungsschutz gewährt, indem sie den Rechtsstreit in seinem Namen auf ihre Kosten geführt hat. Erstattung ihrer Kosten kann sie von P. nicht erlangen. Von dem Beklagen fordert sie mit der vorliegenden Klage Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen den Kosten eines Streitwertes von 50 000 RM (Versicherungssumme) und den durch den Anspruch des P. tatsächlich entstandenen. Den Unterschied berechnet die Klägerin auf 6957,11 RM. Sie stützt ihren Anspruch auf den § 3 III 1 AVB. Hier ist bestimmt: Übersteigen die Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme, so hat die Gesellschaft die Prozeßkosten nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche zu tragen, und zwar auch dann, wenn es sich um mehrere aus einem Schadensereignis entstehende Prozesse handelt. Die Gesellschaft ist in solchen Fällen berechtigt, durch Zahlung der Versicherungssumme und ihres der
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Versicherungssumme entsprechenden Anteils an den bis dahin entstandenen Kosten sich von weiteren Leistungen zu befreien. Der Beklagte ist der Ansicht, diese Bestimmung sei hier nicht anwendbar, weil es sich um die Abwehr unbegründeter Ansprüche handle; in einem soldien Fall habe die Gesellschaft schlechthin alle Prozeßkosten auf Grund des von ihr zu gewährenden Versicherungsschutzes zu tragen. Die Klägerin habe andernfalls durch die Zahlung der Kosten über einen Streitwert von 50 0 0 0 RM hinaus bewußt eine Nichtschuld getilgt (§814 BGB.). Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht erklärte auf die Berufung der Klägerin ihren Anspruch dem Grunde nadi für gerechtfertigt. Die Revision des Beklagten führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Gründe: Das Landgericht ist mit dem Beklagten der Ansicht, daß sich die Bestimmung des § 3 III 1 AVB. nur auf Fälle beziehe, in denen die Gesellschaft den Versicherungsschutz durch Befriedigung berechtigter Ansprüche zu gewähren habe und diese die Versicherungssumme überstiegen, indem es unter Haftpflichtansprüchen nicht die erhobenen, sondern die begründeten versteht. Es weist dabei auf die Auslegung des § 150 Abs. 2 V V G . durch den erkennenden Senat in RGZ. Bd. 124 S. 235 (237) hin, wonach trotz vereinbarter Versicherungssumme eine entsprechende Beschränkung der Kostenpflidit nicht besteht, wenn der Versicherungsnehmer den Rechtsstreit auf Veranlassung des Versicherers führt. Das Berufungsgericht sieht dagegen in der Bestimmung eine zulässige Einschränkung des § 150 Abs. 2 V V G . , die alle Haftpflichtansprüche, auch die unbegründeten, umfasse. Es meint, dem Beklagten könne auch darin nicht beigepflichtet werden, daß von einer Doppeldeutigkeit des § 3 III 1 gesprochen werden müsse, die nach Treu und Glauben zu Lasten der für Klarheit in ihren Bedingungen verantwortlichen Klägerin gehe. Da es sich bei den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung um sog. typische Vertragbedingungen handelt, unterliegt ihre Auslegung der selbständigen Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, mit welcher der Beklagte im März 1924 den Versicherungsvertrag geschlossen hat, weist in der Anlage zu dem damals aufgestellten Versicherungsschein darauf hin, daß
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Versicherungsvertragsgesetz
dem Versicherten durch die Haftpflichtversicherung Schutz gewährt werde: 1. gegen u n b e r e c h t i g t e Ansprüche, weil sie in diesem Fall auf ihre Kosten und Gefahr für die Abwehr solcher Ansprüche eintrete; 2. gegen b e g r ü n d e t e Ansprüche, für welche der Versicherte nach den gesetzlichen Bestimmungen hafte, weil sie in diesem Falle dem Versicherten die zu leistenden Entschädigungen ersetze. Das entspricht der Bestimmung im § 3 II 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin. Nach § 3 II 2 das. bilden die in dem Versicherungsschein angegebenen Versicherungssummen die Höchstgrenze bei jedem Schadensereignis. Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über den Anspruch zwischen dem Versicherungsnehmer und einem Geschädigten oder dessen Rechtsnachfolger, so führt die Gesellschaft den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf ihre Kosten (§ 3 II 3). Nach § 3 II 4 werden die Aufwendungen der Gesellschaft für Kosten nicht als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. Diese Bestimmungen werden ergänzt durch diejenigen des Versicherungsvertragsgesetzes, soweit in jenen nicht eine von dem Gesetz abweichende Regelung erfolgt ist. Nach § 150 VVG. umfaßt die Versicherung die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten geltend gemachten Anspruch entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist, und zwar gilt dies auch dann, wenn sich der Anspruch als unbegründet erweist. Die Versicherung betrifft in einem solchen Fall die eigenen Kosten des Versicherungsnehmers, wenn sie von dem Gegner nicht zu erlangen sind. Dies gilt unbeschränkt, wenn keine Versicherungssumme bestimmt ist. Ist das dagegen, wie hier, der Fall, so hat nach § 150 Abs. 2 Satz 1 V V G . der Versicherer Kosten, die in einem auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreit entstehen, auch insoweit zu ersetzen, als sie die Versicherungssumme übersteigen. Hier greift nun die im Tatbestande mitgeteilte Bestimmung des § 3 III 1 AVB. ein, die vorsieht, daß der Versicherer Kosten über die Versicherungssumme hinaus nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche zu tragen hat. Diese Regelung enthält demnach allerdings eine Einschränkung des § 150 Abs. 2 Satz 1 VVG. insofern, als die Leistungspflicht des Versicherers, wenn und soweit die Kosten die Versicherungssumme übersteigen, durch die Bestimmung herabgesetzt wird, daß der Versicherer Kosten über die Versicherungssumme hinaus nur von einem Streitwert in deren Höhe zu tragen hat. Nach Ansicht der Klägerin, der das Be-
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rufungsgericht beigetreten ist, soll d a s zur Folge haben, daß bei unbegründeten Ansprüchen, also in Fällen, in denen — wie hier — ein g e g e n den Versicherungsnehmer erhobener Haftpflichtanspruch rechtsk r ä f t i g abgewiesen w o r d e n ist, die Versicherung K o s t e n eines v o n ihr g e f ü h r t e n Rechtsstreits nur v o n einem Streitwert in H ö h e der V e r sicherungssumme zu tragen habe. D a s würde zu dem § 1 5 0 W G . und den mitgeteilten Sätzen der Versidierungsbedingungen in Widerspruch stehen. Im § 3 III 1 A V B . ist solches jedenfalls nicht zum Ausdruck gek o m m e n . D i e s e Bestimmung läßt zunächst durchaus die D e u t u n g zu, d i e ihr das Landgericht gegeben hat, die Versicherungsgesellschaft h a b e ihre Verpflichtung zur Zahlung der anteiligen Prozeßkosten auf den Fall beschränken wollen, daß sie die bedungene Versicherungssumme zahlen m ü s s e . Wenn darin gesagt w i r d : Ü b e r s t e i g e n die Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme . . ., so ist die Gesellschaft berechtigt, durch Zahlung der Versicher u n g s s u m m e und ihres der Versicherungssumme entsprechenden Anteils an den bis dahin erwachsenen K o s t e n sich v o n weiteren Leistungen zu befreien, so k o n n t e der Versicherungsnehmer nach Treu und G l a u b e n daraus sehr wohl entnehmen, daß die Berechtigung der Klägerin, nur die anteiligen K o s t e n zu zahlen, ihre Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme, also einen begründeten Haftpflichtanspruch zur Voraussetzung habe. Aber auch wenn m a n der Klägerin darin f o l g t , daß sich die Bestimmung des § 3 III 1 A V B . auch auf die Fälle beziehe, in denen eine Versicherungssumme bestimmt ist und ein unbegründeter Anspruch erhoben wurde, so würde sich daraus nicht n o t w e n d i g ergeben, daß d i e Klägerin von den entstandenen K o s t e n solche nur in H ö h e des Werts der Versicherungssumme zu tragen habe. Nach d e m oben mitgeteilten Zweck des § 3 III 1 A V B . würde dann vielmehr die A n n a h m e zuzulassen sein, daß die Klägerin auch bei u n b e g r ü n d e t e n Haftpflichtansprüchen K o s t e n bis zur H ö h e der Versicherungssumme unbeschränkt, darüber hinaus aber nur von einem Streitwert in deren H ö h e zu tragen habe. Danach ergeben sich bei der A u s l e g u n g d e s § 3 III 1 A V B . Unklarheiten, die jedenfalls zu Gunsten der K l ä g e r i n nicht zu beheben sind. Deshalb muß d i e für den Versicherungsnehmer günstigere A u s l e g u n g entscheidend sein, da die Klägerin, w e n n sie eine V e r t r a g s b e d i n g u n g mit dem von ihr behaupteten Inhalt aufstellen wollte, d a f ü r hätte sorgen müssen, daß diese eindeutig nur so v e r standen werden k o n n t e . D i e K o s t e n des v o n der Klägerin für den Beklagten geführten Prozesses muß sie sonach in vollem U m f a n g e tragen,
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Versidierungsvertragsgcset;
weil ihr Gesamtbetrag weit 50 0 0 0 R M zurückbleibt.
hinter
der
Versicherungssumme
von
RGZ. 148, 282. Bedarf es zur Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung von Versicherungsschutz gegen Haftpflichtansprüdie außer dem Nachweis, daß der Haftpflichtanspruch auf eine unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit gestützt wird, auch des Nachweises, daß der Haftpflichtanspruch tatsächlich auf einer solchen Tätigkeit beruht? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) § 149. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 2. August 1935.
I. Landgeridit Arnsberg. — II. Oberlandesgericht Hamm.
Der klagende Rechtsanwalt ist bei der Beklagten in Höhe von 20 0 0 0 RM gegen Haftpflicht wegen eines bei Ausübung seines Anwaltsberufs begangenen Verstoßes versichert. Mit der Klage fordert er die Gewährung von Versicherungsschutz gegenüber den vom Milchhändler M. in S. im Prozeßwege gegen ihn verfolgten Haftpflichtansprüchen. M. hatte im Jahre 1928 seinen Bauernhof für 57 0 0 0 RM an E. verkauft. Diesem wurde zwar der Hof übergeben, auch für ihn sein Anspruch auf Auflassung im Grundbuch vorgemerkt, er erfüllte aber seinerseits die Kaufbedingungen nur zum Teil. Die Folge waren zahlreiche Prozesse, die M. wegen der Erfüllung der Kaufverpflichtungen gegen E. führte und in denen der Verkäufer M. durch den Kläger vertreten wurde. Schließlich setzte M. im Jahre 1932 dem Käufer gemäß § 326 BGB. Nachfrist zur Erfüllung, die fruchtlos verstrich. Um nun E. vom Hofe zu entfernen, vereinbarten nach der Behauptung des Klägers dieser und der Rechtsanwalt Sch. mit M. die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens in der Weise, daß M. den genannten beiden Anwälten für ihre Gebührenforderungen an dem noch auf ihn eingetragenen Hof eine später in eine Grundschuld umgewandelte Hypothek bestellte und der Kläger auf Grund dieses Rechts die Zwangsvollstreckung in den Hof betrieb. Der Kläger blieb bei der Versteigerung am S.Dezember 1932 mit einem Bargebot von 5 0 0 0 R M Meistbietender. Er trat seine Rechte aus dem Meistgebot an H. ab, dem daraufhin der Zuschlag erteilt wurde. Auf Klage des Erstehers wurde nunmehr E. zur Räumung des Hofes und zur Bewilligung der Löschung der für ihn eingetragenen Auflassungsvormerkung verurteilt. Im Verteilungstermin vom 2. März 1933 wies das Vollstreckungsgericht den auf 57 0 0 0 R M
Haftpflien. Seine Erben sind die Kläger geworden. Bis zum 6. April 1937 war der Rechtsanwalt Dr. M. in Dr. Testamentsvollstrecker für den Nachlaß. Mit einem der Firma Johannes K. gehörenden Kraftwagen hat der Kaufmann Helmuth W. am 11. Juni 1936 den Buchhalter Karl H. tödlich verletzt. W. ist wegen dieses Unfalls zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Witwe und die Kinder des getöteten H., ferner die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und die Berufsgenossensdiaft für die diemische Industrie haben Schadensersatzansprüche erhoben. W. und „die Firma Johannes K., Sdiokoladenmaschinenfabrik, Inhaberin Frau verw. K . " sind rechtskräftig zur Leistung von Schadensersatz an die Hinterbliebenen des H. verurteilt worden. Johannes K. war bei der Beklagten seit 193 3 gegen Haftpflicht versichert. Der Versicherungsschutz hat sich auf den vorgenannten Personenkraftwagen als ,.Privat- und Gesdiäftswagen" erstreckt.
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Die Kläger verlangten Erstattung der an die Hinterbliebenen des H. bereits geleisteten Schadensersatzbeträge, sowie Befreiung von allen anläßlich des Unfalls für sie entstandenen Verbindlichkeiten. Sie haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihnen 8 52,84 RM nebst Zinsen zu zahlen und sie von allen Ansprüchen zu befreien, die von den Klägern des Vorprozesses sowie von der Reichsversicherungsanstalt und der Berufsgenossenschaft aus dem Unfälle vom 11. Juni 1936 an sie gestellt worden sind und noch gestellt werden. Die Beklagte weigert sich, diesen Ansprüchen nachzukommen, und beantragt Klageabweisung mit der Begründung, Rechtsanwalt Dr. M. habe als Testamentsvollstrecker für den Nachlaß des Johannes K. O b liegenheiten verletzt, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der dem Versicherungsverträge mit dem Erblasser Johannes K. zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) zu erfüllen gewesen seien; denn er habe es unterlassen, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens habe dienen können, und dabei die Weisungen der Beklagten zu befolgen. Erst im November 1936 habe er ihr die ihm am 6. Oktober 1936 zugegangene Klageschrift der Hinterbliebenen nach Beendigung des Armenrechtsverfahrens zur Kenntnis gebracht; in diesem Verfahren habe er durch den mit ihm zusammen tätigen Rechtsanwalt Dr. D. die Vertretung der Firma übernommen und einen Schriftsatz an das Gericht eingereicht, obwohl sie ihn ausdrüddich darauf hingewiesen habe, daß sie vorläufig selbst die Regelung des Schadensersatzansprudis vornehmen und sich die Entscheidung über die Vertretung im Prozesse vorbehalten wolle. So habe er Obliegenheiten verletzt, die nach dem Eintritt des VeTsicherungsfalles zu erfüllen gewesen seien, und sie sei nach § 6 AVB. von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden, weil diese Verletzung auf VOTsatz oder auf gröber Fahrlässigkeit beruhe. Die Kläger haben dem Testamentsvollstrecker den Streit verkündet; er ist dem Rechtsstreit auf ihrer Seite beigetreten. Das Landgeridit hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Kläger und ihres Streitgehilfen führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Der Berufungsrichter stellt lediglich fest, Johannes K. sei bei der Beklagten gegen Haftpflicht versichert gewesen; der Versicherungsschutz habe sich „auch" auf den Personenkraftwagen erstreckt. Darauf, ob die F i r m a Johannes K. oder ob der Erblasser unter seinem Namen bei
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der Beklagten versichert gewesen sei, komme es nidit an; denn Johannes K. sei Alleininhaber der Firma gewesen und deshalb habe „die Firma zum Nachlaß gehört", den der Testamentsvollstrecker zu verwalten gehabt habe. Nicht die Kläger als Erben, sondern der Testamentsvollstrecker habe die nadi den Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer obliegenden Handlungen vorzunehmen gehabt. Der erst in der Revisionsinstanz in Absdirift zu den Akten gebrachte Versicherungsschein Nr. 607 381 vom 18. November 1933 ergibt, daß der Versicherungsschutz „Herrn Johannes K . " zu gewähren war. In dem im Versicherungsschein als Vertragsbestandteil erklärten Antrage auf „Kraftwagen-Fahrzeug- und/oder Haftpflichtversicherung" ist unter „Stand bzw. Art des Betriebes" angegeben: „Maschinenfabrik", unter „Verwendung des Kraftfahrzeugs": „Privat- und Geschäftswagen". In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen § 4 Ziff. 2 ist bestimmt, daß „alle für den Versicherungsnehmer geltenden Vorschriften auf dessen Rechtsnachfolger . . . entsprechende Anwendung finden". Der Vorderrichter ist offenbar der Meinung, das Versidierungsverhältnis sei auf die Erben übergegangen in der Art, daß es seinem ganzen Inhalt nadi zum Nachlaß gehört habe, welcher der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterstand ( § 2 2 0 5 BGB.); damit sei weiter auch jeder aus diesem Versidierungsverhältnis herzuleitende Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz schlechthin Nachlaßbestandteil geworden, habe mithin der Verwaltung des Testaments Vollstreckers unterlegen. Ohne weitere Erörterung sdieint der Berufungsrichter ferner anzunehmen, daß sich dies auch beziehe auf den Versicherungsschutzanspruch, den im vorliegenden Rechtsstreit die sämtlichen Erben des Johannes K. als Kläger erheben wegen der von den H.sehen Hinterbliebenen „gegen die Firma Johannes K., Schokoladenmaschinenfabrik, I n h a b e r i n F r a u v e r w . K . " , im Vorprozeß geltend gemachten Ansprüche und wegen der weiteren Ansprüche, die von der im Tatbestande genannten Reidhsversicherungsanstalt und der ebendort bezeichneten Berufsgenossenschaft (gegen wen, wann, mit welchem Inhalt und welcher Begründung, ist nicht festgestellt) erhoben worden sein sollen. Offenbar aus dieser Auffassung heraus nimmt das Berufungsgericht schließlich an, die Pflicht und die Befugnis des Testamentsvollstreckers ZUT Verwaltung des Nachlasses habe unter Ausschluß der Erben die Vornahme aller nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer obliegenden Handlungen und Unterlassungen, insbesondere die Erfüllung von Obliegenheiten nach dem Eintritt des Versicherungs-
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Versicherungsvertragsgesetz
falles umfaßt. Und offenbar deshalb hält der Vorderrichter allein das Verhalten des Rechtsanwalts Dr. M. in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker für erheblich; denn daß Dr. M. im übrigen als Vertreter der Erben tätig geworden sei, verneint er ausdrücklich. Diese Rechtsauffassung wird der besonderen Rechtslage, die sich im Falle des Todes des Versicherungsnehmers bei der Haftpflichtversicherung ergibt, nicht gerecht. Sie berücksichtigt die Rechtslage insbesondere nicht im Zusammenhang mit der Tatsache, daß im vorliegenden Falle das Schadensereignis und der Versicherungsfall erst nach dem Tode des ursprünglichen Versicherungsnehmers, des Erblassers der Kläger, Johannes K., eingetreten sind, und prüft auch nicht, mit welchem Inhalte und gegen wen der Versicherungsfall eingetreten ist. Zur Rechtslage nadi dem Tod eines Haftpflichtversicherungsnehmers ist vor allem zu prüfen, ob und mit welchem Inhalte das Haftpflichtversicherungsverhältnis auf die Erben übergeht, und, wenn es übergeht, inwieweit es Vermögen des Erblassers (Nachlaß) oder Vermögen der Erben selbst, unabhängig vom Nachlaß, geworden ist. Ein Obergang des Versicherungsverhältnisses durch Erbfall ist schon bei der Sachschadenversicherung nicht immer selbstverständlich; jedenfalls kann er dort durch den Versicherungsvertrag ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen werden. Bei der Haftpflichtversicherung insbesondere bedarf die Frage des im Erbwege stattfindenden Übergangs stets besonderer Prüfung, und zwar sowohl nach der Seite der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit wie nach der Seite der vertraglichen Regelung (Vertragsauslegung). Nach heute herrschender und zutreffender Auffassung stehen der Annahme, daß der Erbe in das Haftpflichtversicherungsverhältnis des Erblassers eintreten kann, grundsätzliche Bedenken, wie sie früher vielfach gehegt wurden, nicht entgegen. Maßgelbend werden insbesondere der durch Auslegung zu ermittelnde Vertragswille, die Natur des versicherten Gefahrenbereiches und die Beziehungen des Erblassers wie die der Erben zu diesem Bereiche sein. Denn die Haftpflichtversicherung knüpft häufig an besondere Umstände und Eigenschaften eines gerade für den Versicherungsnehmer (Erblasser) und nur für ihn gegebenen Gefahrenbereiches in der Weise an, daß sich daraus das Erlöschen des Versicherungsverhältnisses mit dem Ableben des Versicherungsnehmers notwendig von selbst ergeben muß. (Vgl. über die hier einschlägigen Fragen u. a. O b e r b a c h Allgem. Vers. Bed. für Haftpflichtversicherung 1 9 3 8 S. 4 2 — 4 4 ; S i e g in Hans. Rechts- und Gerichtszeitschr. 1938 Sp. 169flg.; d e r s e l b e in Jur. Rdsch. f. d. Privatvers. 1938 S. 129flg.; C a p i t a i n in Deutsche öffentl.-rechtl. VeTS.
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1935 S. 296; das Urteil des erkennenden Senats VII66/17 vom 18. Mai 1917, abgedr. bei Grudiot Bd. 61 S. 810 0g.; H a g e n Begriff und Grundlagen der Haftpflichtversicherung in Grudiot Bd. 64 S. 513 [523]). Es bedarf keiner Betonung, daß es sidi hier nicht um die Frage nach der Rechtslage handelt, die sich ergibt, wenn der Schadensfall und etwa sogar der Versicherungsfall schon vor dem Erbfall eingetreten sind (vgl. das bei S c h a c k Deutsches Vers. Recht S. 183 Nr. 48 angeführte Urteil). Der sidi im Erbwege vollziehende Übergang des Eigentums an einem Kraftwagen, für den der Erblasser einen Haftpflicbtversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, bringt für sich allein einen Übergang auch des Haftpflichtversidierungsverhältnisses auf die Erwerber, die Erben, nodi ebensowenig mit sich, wie ein rechtsgeschäftlicher Eigentumsübergang (eine Veräußerung); denn die Vorschriften des § 6 9 W G . sind auch hierfür nicht anwendbar, so wenig wie aus § 151 Abs. 2 des Gesetzes dergleichen entnommen werden kann. Für die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Kraftwagens hat das der erkennende Senat in dem in RGZ. Bd. 156 S. 146 albgedruckten Urteile VII 79/1937 vom 5. November 1937 entschieden. Stirbt der Haftpflichtversicherungsnehmer einer Kraftfahrzeugversicherung, so kommt es vielmehr auch hier darauf an, ob durch den Erbgang selbst das Versicherungsverhältnis auf die Erben übergeht, ob also der Erwerber der Sache, an deren Besitz oder Betrieb das Haftpflichtversicherungsverhältnis geknüpft war, an sich, unabhängig von dem Eigentumswechsel an der Sache, in das Versicherungsverhältnis selbst eintritt (vgl. den ersten Absatz der Gründe des vorstehend angeführten Reichsgerichtsurteils). Ist nun die Haftpflichtversicherung inhaltlich an den Besitz oder den Betrieb von Sachen — wie beim Kraftfahrzeug — oder auch an den Geschäftsbetrieb eines Versicherungsnehmers oder an beides zugleich geknüpft, so steht an sich nichts im Wege, den Versicherungsvertrag dahin auszulegen, daß das Haftpflichtversicherungsverhältnis mit dem Tode des Haftpflichtversicherungsnehmers nicht erlöschen, sondern daß die sich aus dem Vertrag ergebende Rechtsstellung selbst auf die Erben übergehen soll, wenn und soweit diese in die den Gefahrenbereich umschließende Stellung des Erblasses zu der Sache oder zu dem Betriebe eintreten. Für solche Auslegung mag insbesondere im vorliegenden Falle die oben erwähnte Bestimmung in § 4 AVB. herangezogen werden. Soweit es sich um die Versicherung eines Betriebes handelt, können für diese Auffassung die gleichen Gedanken ins Feld geführt werden, welche der Regelung des § 1 5 1 Abs. 2 W G . zugrunde liegen ( O b e r b a c h a. a> O. S. 43). Wenngleich im vorliegenden Fall eine Betriebsversicherung
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Versicherungsvertragsgesetz
nidit in Frage steht, so war dodi die Haftpflicht des Halters und des Führers des Kraftwagens auch insoweit versichert, als sie aus dem Betriebe des Kraftwagens im Geschäftsbetriebe herrührte oder in Anspruch genommen wurde. In solchen Fällen und überhaupt in jedem Falle des im Erbwege stattfindenden Übergangs eines Haftpflichtversicherungsverhältnisses tritt nun aber grundsätzlich der Erbe mit seiner Person an Stelle des Erblassers in das Haftpflichtversicherungsverhältnis ein; das heißt: er selbst wird nunmehr Versicherungsnehmer und (je nach dem Inhalte des Versicherungsschutzbereiches) auch Versicherter. Rechte und Pflichten entstehen von nun ab in seiner Person; weder die ersteren noch die letzteren gehören also an sich „zum Nachlaß" — von dem Übergang bereits vor dem Erbfalle entstandener Rechte und Pflichten, insbesondere von der Rechtslage abgesehen, die sidi aus einem vor dem Erbfall eingetretenen Schadensereignis und Versidierungsfall ergibt. Die Haftpflichtversicherung, die Johannes K. eingegangen war, hatte sich offenbar nur auf seine eigene Haftung als Halter (§ 1 AVB.) und auf diejenige des berechtigten Führers ( § 1 0 Ziff. 2 AVB.) des Kraftwagens aus dessen Betriebe bezogen, und zwar gleichviel, ob dieser Betrieb im Geschäfte der Firma oder für persönliche Zwecke stattfand. Für die Gefahren des Geschäftsbetriebes der Firma im übrigen war Johannes K. mit dem Versicherungsschein Nr. 607 381 nicht versichert. Gleichwohl wird aber, insbesondere auch im Hinblick auf § 4 AVB., im vorliegenden Falle davon ausgegangen werden können, daß das Haftpflichtversidierungs-Rechtsverhältnis auf die Erben übergegangen ist, wenn und insofern es nidit an besondere Umstände und Eigenschaften angeknüpft hatte, die nur in der Person des Erblassers, nicht aber auch in den Personen seiner einzelnen Erben nach dem Erbfalle gegeben waren, sondern an solche Beziehungen des Versicherungsnehmers (Erblassers) zu der Sache (dem Kraftwagen), die auf die Erben übergegangen sein mögen, worüber allerdings Feststellungen des Vorderrichters fehlen. Ob insbesondere die sämtlichen als Kläger im vorliegenden Dedcungsprozeß auftretenden Erben in diesem Sinne in den vom Erblasser und für ihn versicherten Gefahrenbereich eingetreten sind, darüber fehlt gleichfalls jede Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, ebenso wie die Auslegung des Versicherungsvertrages hierzu. Nur insofern würde man sagen können, das H a f t pflichtversidierungs-Rechtsverhältnis „gehöre zum Nachlaß", als der gegen Haftpflicht versicherte Gefahrenbereich ohne belangvolle Änderung in den Nachlaß gelangt ist und zu ihm gehört. Aber die Rechts-
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natur der Haftpflichtversicherung verbietet von selbst auch für diesen Fall die Vorstellung, daß nunmehr etwa „der Nachlaß" in das Haftpfliditversicherungsverhältnis eingetreten, also Versicherungsnehmer geworden sei; Versicherungsnehmer können immer nur d i e E r b e n geworden sein. Jede andere Auffassung würde die Klarheit des versidierungsrechtlidien Verkehrs unerträglich gefährden. Die Erben sind es, die in die Gefährdungshaftung als Halter, überhaupt in den versicherten Gefahrenbereich eingetreten sind (vgl. die Erörterungen von B o e h m e r Der Übergang des Pflichtlebens des Erblassers auf den Erben — Die Reichsgeriditspraxis im Deutschen Rechtsleben, III. Band S. 245/246 und 255/256). Wird n a c h dem Eintritt des Erbfalls durch den versicherten Besitz oder Betrieb des Gegenstandes, an den die Haftpflichtversicherung geknüpft ist, ein Schadensfall verursacht und schließt sidi die Erhebung von Ansprüchen Dritter hieraus, also der Vcrsicherungsfall, an, so sind es die Erben und nicht der Nachlaß, gegen die sich die Ansprüche Dritter richten werden. Die Erben werden, wenn es sich um die Haftpflicht aus dem Kraftfahrzeugbetrieb handelt, auf Grund ihrer persönlichen Haftpflicht als Halter, als Führer oder, wie im gegenwärtigen Fall im Vorprozeß, auch abgesehen von diesen Rechtsgründen aus unerlaubter Handlung (§831 BGB.) persönlich und mit i h r e m ganzen Vermögen von dem Verletzten oder dessen Rechtsnachfolgern in Anspruch genommen. Der Haftpflichtberechtigte kümmert sich nicht um den Nachlaß, er richtet seine Ansprüche nicht gegen diesen. Er hat es mit dem Erben als Halter oder Führer des Wagens, hier auch als Geschäftsherrn (§831 BGB.), nicht mit dem Nachlaß zu tun. Ist nun der Erbe wirklich durch den Erbgang in das Haftpflichtversicherungsverhältnis eingetreten als Versicherungsnehmer und je nach dem Inhalte des Versicherungsschutzbereichs auch als Versicherter, so kann e r Versicherungsschutz gegen solche Ansprüche begehren, die gegen i h n erhoben werden. Der Nachlaß hat dann mit solchen Ansprüchen an sich nichts zu tun. Eine besondere Rechtslage kann sich aber dadurch ergeben, daß der Gegenstand, an dessen Betrieb oder Besitz die Haftpflichtversicherung anknüpft, also hier der Kraftwagen, zu einem Nachlaß gehört, der im Rechtssinne gewissermaßen eine gesonderte Vermögensmasse darstellt. Diese kann vom sonstigen Erbenvermögen unterscheidbar gesondert verwaltet, als Inhaberin des Gegenstandes (der Sache, des Betriebes) angesehen werden, auf den sich die Haftpflichtversicherung bezieht, so daß der Verwalter dieses Vermögens für einen dazu gehörigen Kraftwagen etwa als Halter anzusehen ist. Dann wäre es denkbar, diesen
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Nachlaß als denjenigen anzusehen, auf den insoweit das HaftpflichtversicherungsVerhältnis übergegangen wäre, als es an die Haltereigenschaft anknüpft. Die Frage nach der Haltereigenschaft bestimmt sich allerdings grundsätzlich nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach rein reditlidien Beziehungen. Soweit in solchem Falle ein Verletzter Ansprüche gegen den Halter erheben will, würde er sie zutreffend gegen den Testamentsvollstrecker richten. Würden sie gegen diesen als Halter gerichtet, so wäre auch er als zur Verwaltung des Haftpflichtversicherungs-Rechtsverhältnisses, insbesondere zur Geltendmachung des Anspruchs auf Versicherungsschutz, berechtigt anzusehen, ohne Rücksicht darauf, daß Schadens- und Versicherungsfall nach dem Erbfall liegen. Es wäre dann denkbar, daß die Haftung des Halters als Nachlaßverbindlichkeit, der Anspruch auf Versicherungsschutz als Nachlaßforderung anzusehen wäre. Wird aber nidit der Testamentsvollstrecker, sondern werden die Erben a l s H a l t e r in Anspruch genommen, so wäre es eine Frage, die im Schadensprozeß auszutragen wäre, ob die Erben dem Haftpflichtberechtigten die Einwendung entgegensetzen könnten, nicht sie seien Halter, sondern der Testamentsvollstrecker, und ob sie insbesondere geltend machen könnten, ihre Haftung beschränke sich auf den Nachlaß, weil eine Nachlaßverbindlichkeit vorliege. Das gleiche würde dann gelten, wenn der Haftpflichtberechtigte zwar den vom Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlaß als „Halter" in Anspruch nehmen will, aber gemäß § 2 2 1 3 Abs. 1 Satz 1 BGB. die sämtlichen Erben verklagt. Das alles hat mit der Frage nichts zu tun, ob der Erbe, wenn e r als Halter oder gar, wie hier, auch aus unerlaubter Handlung ( § 8 3 1 BGB.) in Anspruch genommen wird, berechtigt ist, vom Versicherer Versicherungsschutz zu begehren. Denn die Frage, ob der Versicherungsnehmer (Versicherte) dem Verletzten haftet, inwieweit und aus welchem Rechtsgrunde, und ob er etwa seine Haftung (auf den Nachlaß) beschränken kann (vgl. OLG. Kassel v. 29. November 1934 in JW. 1935 S. 1254 Nr. 8 und Besprechungen in Jur. Rdsch. f. d. Privatvers. 1935 S. 198, Deutsche öffentl.-rechtl. Vers. 1937 S. 247 und P r o e 1 ß Probleme des Haftpfl. Vers. Rechts, Wirtschaft u. Recht der Versicherung 1937 Heft 2 S. 48), hat mit der Frage, ob Versicherungsschutz zu gewähren ist, grundsätzlich nichts zu tun. Im vorliegenden Fall war übrigens, wie erwähnt, der Geschäftsbetrieb des Johannes K. mit dem Versicherungsschein Nr. 607 381 nicht gegen Haftpflicht versichert, sondern nur der Betriefc des Kraftwagens, und eine Haftung aus § 8 3 1 BGB. war durch diesen Versicherungsschein überhaupt nicht gedeckt.
Haftpflichtversicherung
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Für die hier zu lösende Frage ist deshalb die rechtliche Bedeutung des Versicherungsfalls in der Haftpflichtversicherung, d. h. der Inhalt der von den haftpflichtberechtigten Dritten erhobenen Ansprüche erheblich. Für die Entstehung des Anspruchs auf Versicherungsschutz genügt, wenn gegen den Versicherungsnehmer ein Ansprudi erhoben wird, der mit einein in den Schutzbereich fallenden Rechtsverhältnis auch nur b e g r ü n d e t wird (RGZ. Bd. 148 S.282[285], Bd. 154 S. 3401341], Bd. 159 S. 16; R G . in Jur. Rdsch. f. d. Privatvers. 1938 S. 308 Nr. 197, in SeuffArch. Bd. 92 Nr. 149 und Nr. 150). Ebenso kann auch für die Frage, ob der E r b e s e l b s t für seine Person und ohne Beschränkung aus dem nach dem Erbfall eingetretenen Schadensereignis in Anspruch genommen wird oder aber nur als Inhaber des der V e r waltung des Testamentsvollstreckers unterstehenden Nachlasses und unter Beschränkung auf diesen, nur der vom Dritten erhobene Anspruch maßgebend sein, s o w i e e r e r h o b e n u n d b e g r ü n d e t w o r d e n i s t. „Der Haftpflidiiprozeß (d. i. Schadensprozeß) ist kraft seiner versicherungsrechtlichen Funktion unverrückbare Grundlage für die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers; im Haftpflichtprozeß, nicht so sehr im Deckungsprozeß, entscheidet sich das Schicksal der Haftpfliditversicherung" sagt P r o e l ß zutreffend (Kernfragen der Versicherungsrechtsprechung, 1938, S. 110, unter Hinweis auf RG. in Veröff. RAufsA. f. PrivVers. 1914 Nr. 803). Mit anderen W o r t e n : es handelt sich darum, wessen Vermögen durch den vom Dritten (sog. Haftpflichtberechtigten) erhobenen Angriff, so wie er erhoben ist, bedroht wird und belastet werden soll, ob dasjenige eines (oder mehrerer oder aller) Erben selbst oder nur das des Erblassers, der Nachlaß. Denn die Haftpflichtversicherung dient in erster Linie der Sicherung d e s V e r m ö g e n s d e s V e r s i c h e r t e n gegen Angriffe Dritter aus dem Versicherungsschutzbereich heraus gegen dieses Vermögen. Ergibt sich, daß sich der Angriff des Dritten (so wie er von diesem erhoben ist) gegen den Erben nicht nur als den Inhaber des der Testamentsvollstreckung unterworfenen Nachlasses, sondern gegen sein gesamtes Vermögen richtet, dann ist der Erbe selbst, auf den, nach dem oben Ausgeführten, die Eigenschaft als Versicherungsnehmer und Versicherter übergegangen ist, von dem Angriff des Dritten mit seinem ganzen Vermögen betroffen; dann kann auch der Anspruch auf Versicherungsschutz jedenfalls nicht nur dem Testamentsvollstrecker als Teil des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens des Erblassers (als Teil des Nachlasses) zustehen, sondern ihn muß dann mindestens a u c h der Erbe selbst haben, der Versicherungsnehmer und Versicherter geworden und dies trotz der Anordnung
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Versicherungsvertragsgesetz
der Testamentsvollstreckung auch geblieben ist. Unter der vorerwähnten Voraussetzung wäre der Testamentsvollstrecker auch nicht um deswillen allein befugt, einen solchen Anspruch zu verwalten, weil er den auf die Erben übergegangenen Kraftwagen als Nachlaßbestandteil verwaltet und weil sich aus seiner Verwaltung des Nachlasses — je nach den tatsächlichen Umständen, wie oben erwähnt —, auch seine Eigenschaft als Halter (§ 1 I AVB.) ergeben mag. Denn es kommt für die Frage, wem der Anspruch auf Versicherungsschutz zusteht, zunächst nicht darauf an, wer Halter i s t , sondern wer Versicherungsnehmer und Versicherter ist und als Halter i n A n s p r u c h g e n o m m e n wird. Wesentlich ist es deshalb vor allem, ob sidi der Angriff des Dritten nur gegen das der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegende Vermögen, den Nachlaß, riditet oder auch gegen den Versicherungsnehmer und Versicherten selbst mit dessen ganzem Vermögen, über die Erbschaft oder den „Anteil" des Erben daran hinaus. Ist nun der Erbe persönlich mit seinem ganzen Vermögen durch den Anspruch des Verletzten bedroht, so ist die Auffassung unmöglich, daß trotz des — hier auch vom Berufungsgericht angenommenen — Eintritts des Erben in das Haftpflichtversicherungsverhältnis der ihm aus seinem Eintritt zustehende Anspruch auf Versicherungsschutz als Nachlaßbestandteil ausschließlich vom Testamentsvollstrecker zu verwalten wäre. Denn es handelt sich dann nicht oder jedenfalls nicht nur um die Befreiung des Nachlasses von einer diesem drohenden Belastung, sondern um die Befreiung des Erben von einer i h m mit seinem g a n z e n Vermögen drohenden Belastung. Dann bleibt es bei der Regel, daß der Erbe selbst es ist, der durch Gesamtrechtsnachfölge in den versicherten Gefahrenbereich und in die versicherte Gefährdungshaftpflicht eingetreten ist, aus der heraus er selbst mit seinem Vermögen von dem Dritten belangt wird (vgl. die oben angeführten Darlegungen von B o e h m e r), daß aber auch der Erbe selbst es ist, der nun Versicherungsnehmer und Versicherter geworden ist. Dann ist es unmöglich, anzunehmen, daß die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers für den Nachlaß so weit gehen könnte, daß er a l l e i n über den Anspruch des oder der Erben aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis verfügen könnte. Der Erbe k ö n n t e aus einem — annahmeweise — der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Gefahrenbereich persönlich mit seinem ganzen Vermögen, also auch mit dem Nachlaß oder seinem „Anteil" hieran, aber darüber hinaus auch mit seinem ganzen sonstigen Vermögen und Einkommen durch den Anspruch des Haftpflichtberechtigten bedroht •werden. Ob in solchem Falle ein Zusammenwirken von Testaments-
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Haftpflichtversicherung
Vollstrecker und Erben in der Verwaltung des HaftpfliditversicherungsRechtsverhältnisses, also des Versicherungsschutzanspruchs, stattzufinden hat, braucht alber hier nicht geprüft zu werden, da alle tatsächlichen Feststellungen als Grundlage solcher Prüfung fehlen. Im vorliegenden Falle sind im Vorprozeß von den H.sdien Hinterbliebenen Schadenersatzansprüche erhoben worden gegen die „Firma Johannes K., I n h a b e r i n F r a u v e r w . K . " . Der dort mitverklagte Helmuth W. kommt in diesem Rechtsstreit nicht in Betracht (obwohl an sich, soweit ersichtlich, gemäß § 1 0 Ziff. 2 A V B . auch wegen der gegen ihn erhobenen Ansprüche Versicherungsschutz hätte begehrt werden können; dies ist aber anscheinend nicht geschehen). Das Urteil des Landgeridits im Vorprozeß richtet sich denn auch gegen die „Firma Johannes K . , Inhaberin Frau verw. K . " . Sie ist aus dem Kraftfahrzeuggesetz als Halterin und außerdem aus § 8 3 1 BGB., insoweit also aus ihrem persönlichen vermuteten und — vom Standpunkt der Klage aus — v o n ihr nicht zu widerlegenden Verschulden ohne Beschränkung auf den Nachlaß in Anspruch genommen und, wie die Gründe des landgerichtlichen Urteils ergeben, ohne solche Beschränkung auch aus diesen Reditsgründen verurteilt worden. Gegen wen und mit welcher Begründung die Reichsversicherungsanstalt und die Berufsgenossenschaft Ansprüche erhoben haben oder erheben wollen, ist nicht festgestellt und nicht ersichtlich. Der Berufungsrichter geht offensichtlich, aber ohne Feststellung dazu, von der Annahme aus, Inhaber der Firma seien sämtliche M i t erben, die Kläger, gewesen. Die davon abweichende Fassung der Klage und des Urteils im Vorprozeß hat er nicht beachtet. Nun steht dem Testamentsvollstrecker die Befugnis zu und es liegt ihm die Pflicht ob, den N a c h l a ß zu verwalten. Audi wenn man annimmt, zum Nachlaß habe nach dem, was oben darüber ausgeführt worden ist, das Haftpflichtversicherungs-Rechtsverhältnis insoweit gehört, als das Kraftfahrzeug mit seinem Betriebe für die F i r m a versichert war, die der Testamentsvollstrecker verwaltete, ja, wenn man weiter unterstellt, daß der Testamentsvollstrecker als Halter des Kraftfahrzeuges anzusehen gewesen sei, so ergab sich daraus doch nicht die Rechtsfolge, daß er das auf die Erben übergegangene Haftpflichtversicherungs-Rechtsverhältnis im ganzen und unter Ausschluß der Erben zu verwalten hatte. Denn es liegt nichts dafür vor, daß sidi dieses Rechtsverhältnis auf den Nachlaß beschränkte und nicht vielmehr den ganzen Gefahrenbereich in sich begriff, den es vor dem Erbfall umfaßt hatte und in den eben nicht nur der Nachlaß (d.h. die Erben m i t d e m N a c h l a ß ) , sondern Versicherungsvertragsgesetz II
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Versicherungsvertragsgesetz
auch die Erben selbst f ü r i h r e P e r s o n eingetreten waren. Wenn nun die Erben oder einer von ihnen nidit unter Beschränkung auf den Nachlaß und mit diesem, sondern darüber hinaus mit ihrem ganzen Vermögen persönlich in Anspruch genommen wurden aus der Haftpflicht, die eben diesem Gefahrenbereich entsprang, so mußte ihnen auch ein Anspruch darauf gegeben sein, diese i h r e m Vermögen drohende Belastung abgewendet zu sehen, wenn sie einmal Versicherungsnehmer und Versicherte geworden waren. Kam ihnen aber ein solcher Anspruch um deswillen zu, weil sie an die Stelle des Erblassers als Versicherungsnehmer und Versicherte getreten waren, so konnte dieser Anspruch nicht oder jedenfalls n i c h t n u r einen Nachlaßbestandteil gebildet haben. Deshalb gehörte zur Verwaltung des Nachlasses weder ein Recht noch eine Pflicht des Testamentsvollstreckers, Ansprüche auf Versicherungsschutz zu verwalten, soweit sie nicht auf Befreiung von solchen Forderungen gerichtet waren, die den Nachlaß bedrohten, sondern von solchen, die sich gegen den oder die Erben persönlich richteten. Der dem Erben etwa zustehende Anspruch auf Versicherungsschutz gegen die Folgen eines nach dem Erbfall eingetretenen Schadensereignisses aus dem der Erbe selbst unbeschränkt für seine Person in Anspruch genommen wird, bildet deshalb jedenfalls insoweit keinen Bestandteil des Nachlasses, den der Testamentsvollstrecker zu verwalten hatte, als nicht der Nachlaß, sondern der Erbe selbst von dem Anspruch des Dritten betroffen wurde. Es ist schon gesagt worden, daß Feststellungen des Berufungsgerichts darüber, gegen wen Ansprüche der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und der genannten Berufsgenossenschaft gerichtet worden sind oder gerichtet werden sollen, ebenso fehlen, wie darüber, inwiefern in dieser Hinsicht der Versicherungsfall überhaupt bereits eingetreten ist, inwieweit nämlich eine Inanspruchnahme der Erben, und zwar welcher von ihnen, seitens dieser Körperschaften bereits stattgefunden hat. Was die Kläger des Vorprozesses betrifft, so haben sie gegen die „Firma Johannes K., Inhaberin Frau verw. K. in D r . " geklagt, und so lautet auch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts, das sie erstritten haben. Wer damals wirklich Inhaber der Firma war, hat weder der Richter im Vorprozeß, noch im gegenwärtigen Rechtsstreit der Vorderrichter festgestellt. Dieser scheint anzunehmen, daß sämtliche Erben Inhaber gewesen sind. Dann war die Parteienbezeichnung im V o r prozeß in Klage und Urteil durch die Benennung der Witwe K . als der (alleinigen) Inhaberin der Firma unrichtig. W o h l kann ein Kaufmann unter seiner Firma verklagt werden; und wird der Inhaber in der Klage
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nicht bezeidinet, so ist eben verklagt, wer zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit Inhaber war, insbesondere wenn dies zweifelhaft ist. Wenn aber eine bestimmte Person in Klage und Urteil als Inhaber der Firma bezeichnet wird, dann ist es mindestens ungewiß, ob dann nicht eben doch n u r diese Person verklagt und verurteilt worden ist. O b die Parteibezeichnung, wenn sie falsch war, im Vorprozeß vielleicht ohne weiteres durch Berichtigung hätte in Ordnung gebracht werden können, ist hier gleichgültig, weil dort keine Berichtigung stattgefunden hat. O b Ansprüche gegen die übrigen Inhaber der Firma oder gegen die übrigen Erben überhaupt, unabhängig von ihrer In'habersdiaft, oder gegen den Nachlaß als solchen, zu dem jene Firma gehört haben mag, auf diese Weise rechtshängig gemacht werden konnten, ob es nicht vielmehr einer Klage gegen s ä m t l i c h e Erben oder, was den Nachlaß betrifft ( § 2 2 1 3 Abs. 3 BGB., § 748 Z P O . ) , gegen den Testamentsvollstrecker als den für den Nachlaß Sachbefugten bedurft hätte, mag dahingestellt bleiben. Soweit der Vorprozeß in Frage kommt, kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß von dem Anspruch der Haftpflichtberechtigten n u r der Nachlaß bedroht worden wäre, welcher der V e r waltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterstand. Gleichviel, o b man annimmt, daß sich jene Klage nur gegen die Witwe K . oder daß sie sich auch gegen die übrigen Inhaber der Firma richtete, jedenfalls ging sie nicht n u r gegen das Vermögen des Erblassers, sondern a u c h gegen dasjenige der Erbin oder der Erben, über ihre Inhaberschaft am Nachlaß hinaus. Dann hatten aber auch die Erben selbst, nicht bloß in ihrer Eigenschaft als solche — als Nachlaßinhaber —, sondern persönlich den Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn ein solcher Anspruch bestand (wie oben ausgeführt). Dann fehlte es an einer Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers für diesen Anspruch auf Versicherungsschutz, welcher der von den Klägern des Vorprozesses in Anspruch genommenen Erbin, der Witwe K., oder auch den übrigen Erben den im Vorprozeß gegen sie erhobenen Ansprüchen gegenüber etwa zustand. Dann konnte der Testamentsvollstrecker mit einer den Versicherungsanspruch der Erben berührenden Wirkung keine Verletzung von Obliegenheiten begehen, die im Hinblick auf den hier vorliegenden Versicherungsfall nach dessen Eintritt (§ 6 A V B . ) dem Versicherer gegenüber zu erfüllen waren. Der Berufungsrichter stellt aber, wie bereits erwähnt, ausdrücklich fest, der Testamentsvollstrecker sei von der Schadensanzeige vom 17. Juni 1 9 3 6 an bis zum Schreiben vom 6. November 1 9 3 6 der Beklagten gegenüber als Testamentsvollstrecker für den Nachlaß K., nicht etwa als Vertreter der Erben des
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Johannes K. — also auch nicht als Vertreter der Miterbin Frau verw. K. — tätig geworden; nur in jener Eigenschaft soll er die ObliegenheitsVerletzungen begangen haben. Im vorliegenden Rechtsstreit begehren nach Aufhebung der Testamentsvollstreckung die sämtlichen Miterben Versicherungsschutz. Nach dem, was bisher ausgeführt wurde, ist es möglich, daß der Versicherungsfall, soweit die Kläger des Vorprozesses in Frage kommen, bisher nur in der Richtung gegen e i n e Miterbin, die Witwe K., eingetreten ist. Soweit die Reidisversicherungsanstalt und die Berufsgenossenschaft in Frage kommen, fehlt jede Feststellung hierüber. Wenn man aber auch von der Auffassung ausgehen will, mit der im Vorprozeß von der Witwe und den Kindern H. erhobenen Klage seien die sämtlichen nun klagenden Erben als die damaligen Inhaber der Firma verklagt und demgemäß auch verurteilt worden, und wenn man weiter annimmt, daß auch die Ansprüche der beiden anderen Haftpflichtberechtigten bereits in diesem Sinne erhöben worden seien, so fehlt es doch auch für diesen Fall an jeder Unterlage für die Annahme, daß nicht die Erben persönlich von solchen Ansprüchen bedroht worden seien, sondern nur der Nachlaß, daß sich also die genannten Haftpflichtberechtigten auf die Inanspruchnahme des Nachlasses K. beschränkt hätten oder hätten beschränken wollen oder müssen Denn wenn man auch „die Firma Johannes K . " als Nachlaßbestandteil ansieht, so ist damit doch nicht gesagt, daß sich die Ansprüche der Haftpflichtberechtigten, auch soweit sie gegen „die Firma Johannes K . " erhoben wurden, in Wahrheit n u r gegen den Nachlaß und nicht auch gegen die Erben selbst unabhängig vom Nachlaß richten sollten, daß also Vetmögen der Erben, das nicht zur Firma gehörte und nicht Nachlaßbestandteil war, von dem Angriff der Haftpflichtberechtigten nicht betroffen sein sollte und betroffen war. Soweit aber eine solche Beschränkung nicht anzunehmen war, bestand keine Sachbefugnis des Testamentsvollstreckers, das auf die Erben und nicht bloß auf „die Firma", also einen Nachlaßbestandteil, übergegangene HaftpflichtversicherungsRechtsverhältnis zu verwalten. Als Erbenvertreter aber hat der Testamentsvollstrecker nach der ausdrücklichen Feststellung des Berufungsgerichts nicht gehandelt. Daß ewta auch die Kläger selbst ein Verschulden in dem Sinne treffe, wie das Berufungsgericht es dem Testamentsvollstrecker zur Last gelegt hat, und daß sich die Beklagte auf ein solches Verschulden der Kläger selbst berufe, kann den Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht entnommen werden. Keinesfalls kann der Revisionsbeantwortung
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darin zugestimmt werden, daß die Kläger das Verhalten „ihres Testamentsvollstreckers", gegen das sie keinen Widerspruch erhöhen hätten, nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen müßten. Hier handelt es sich nicht um rechtsgeschäftliches Verhalten eines Vertreters ohne Vertretungsmacht, das der angeblich Vertretene nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen müßte, sondern um die Frage nach grobem Verschulden bei Nichterfüllung einer Obliegenheit. Lag die Erfüllung nicht im Amte des Testamentsvollstreckers, so kann eine Nichterfüllung durch ihn den Erben nicht schaden; die Grundsätze des § 278 BGB. finden weder auf Obliegenheiten noch auf Testamentsvollstrecker Anwendung. O b ein eigenes Verschulden der Kläger angesichts der Tätigkeit, die der Testamentsvollstrecker nun einmal entfaltet hat, überhaupt angenommen und ob es als grobe Fahrlässigkeit (§ 6 AVB.) gewertet werden könnte, braucht bei dieser Sachlage hier nicht erörtert zu werden. Nach alledem muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung, zur weiteren Tatsachenfeststellung und zur anderweiten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
RGZ. 160, 4 8 . 1. Ist nach § 1 Nr. 1 der Allgemeinen Veisicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung die Gewährung von Versicherungsschutz gegenüber Ansprüchen auf Ersatz des sich aus der Beschädigung oder Vernichtung von Sachen ergebenden Schadens (Sachschadens) davon abhängig, daß der Ersatzberechtigte der Eigentümer der beschädigten oder vernichteten Sache ist oder gewesen ist? 2. Bedeutet die Zusicherung einer Eigenschaft durch den gegen Haftpflicht versicherten Verkäufer einer Sache eine den Versicherungsschutz ausschließende Erweiterung der Haftpflicht im Sinne des § 4 1 Nr. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung? W G . § 149. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 7. März 1939. I. Landgericht Berlin. —
II. Kammergeridit
daselbst.
Die Beklagte ist bei der klagenden Versicherungsgesellschaft gegen Haftpflichtschäden versichert. Sie lieferte im Jahre 1935 an die Firma K. R. in S. Stoffe (Pappe und Klebemasse) zur Herstellung eines Fußbodenbelags in Räumlichkeiten in A., die für die Lagerung von Getreide bestimmt waren. Anfang 1936 trat die Firma R. mit Schadensersatz-
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ansprächen hervor, die sie damit begründete, daß die von der Beklagten gelieferten Stoffe einen starken Geruch entwickelten und dadurch eine Beeinträchtigung des für die Reichsgetreidestelle eingelagerten Getreides verursacht hätten. Die Beklagte zeigte diese Inanspruchnahme als Versicherungsfall der Klägerin an. Mit dem Vorbehalt der Nachprüfung, ob ein Versidierungsanspruch gegeben sei, übernahm die Klägerin die Regelung der Angelegenheit und vermittelte für die Beklagte einen Vergleich, in dem sidi die Firma R. mit einem Betrage von 6000 RM für alle Nachteile aus der behaupteten fehlerhaften Lieferung für abgefunden erklärte. Die Klägerin zahlte auch die Abfindungssumme an die Firma R. aus, nachdem die Beklagte die Erklärung abgegeben hatte, daß die Frage, ob der Abfindungsbetrag zu ihren Lasten oder zu Lasten der Klägerin gehe, in einem besonderen Prozeß, der auf Rückzahlung der 6000 RM zu richten wäre, entschieden werden solle. Nunmehr hat die Klägerin die Erstattung der 6000 RM und der durch ihre Bemühungen entstandenen Kosten im Betrage von 100 RM verlangt, weil nach ihrer Auffassung der Beklagten ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrage u . a . aus folgenden Gründen nicht zustehe: 1. Gegenstand der Versicherung sei nach § 1 Nr. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) nur die Haftpflicht für Personen- und Sachschäden. Die geschädigte Firma habe aber nur einen Vermögensschaden erlitten, indem sie von der Reichsgetreidestelle, der das beschädigte Getreide gehört habe, auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden sei. 2. Nach § 4 I Nr. 1 AVB. beziehe sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund Vertrags oder besonderer Zusage über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers hinausgingen. Hier habe die Beklagte der Firma R. die Geruchlosigkeit des gelieferten Stoffs besonders zugesichert. Das Landgericht erkannte nach dem Klageantrage; das Kammergericht wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Aus
den
Gründen:
I. Das Berufungsgericht entscheidet zunächst die Frage, ob die Haftpflicht der Beklagten gegenüber der Firma R. nach § 1 Nr. 1 AVB. unter die Haftpflichtversicherung falle, zu Gunsten der Beklagten. Es führt hierzu aus, nach der genannten Bestimmung gewähre die Klägerin dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Ereignisses, das die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge habe, für diese Folge auf Grund gesetzlicher H a f t -
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pflichtbestimmungen privatreditlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werde. Dieser Fall sei gegeben. Die Lieferung angeblich ungeeigneter Klebemasse habe die Beschädigung des von der Firma R. eingelagerten Getreides zur Folge gehabt. Wegen dieses Sachschadens sei die Beklagte in Anspruch genommen worden. Daß der Sachschaden nicht der Beklagten und Versicherungsnehmerin selbst, sondern dem Eigentümer des Getreides erwachsen sei, k ö n n e nicht zur Ablehnung des Versicherungsschutzes führen. Die genannte Bestimmung setze sogar voraus, daß der Sachschaden nicht dem Versicherungsnehmer selbst entstanden sei. Dieser sei gededct f ü r den Vermögensschaden, der ihm dadurch entstehe oder entstanden sei, daß er f ü r den einem anderen entstandenen Sachschaden aufzukommen habe. Die Revision stellt die Richtigkeit dieser Stellungnahme zur Nachprüfung. Es handele sich, so meint sie, nur um einen Vermögenssdiaden, der sich daraus ergeben habe, daß die Reichsgetreidestelle wegen Beschädigung ihres Getreides Rückgriff nahm. Der Berufungsrichter läßt allerdings die Besonderheit des Sachverhalts, daß das beschädigte Getreide nicht der Firma R., sondern der Reichsgetreidestelle gehörte, daß diese wegen ihres Schadens die Firma R. und die letztere wiederum die Beklagte in Anspruch g e n o m m e n hat, bei seinen Erwägungen außer Betracht. Die Berücksichtigung dieser Sachlage vermag indessen an dem Ergebnis nichts zu ändern. Der erkennende Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1937 (VII 231/36, abgedr. in JW. 1937 S. 1496 Nr. 14) mit der in Frage stehenden Bestimmung befaßt, die als Teil der für Versicherungsverträge gleicher Art allgemein geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung der Auslegung des Revisionsgerichts zugänglich ist. Danach sind Vermögensschäden, die der Versicherungsschutz nur bei besonderer Vereinbarung umfaßt (§ 1 Nr. 3 AVB.), solche Schäden, die weder Personenschäden noch Sachschäden sind noch sich aus solchen Schäden herleiten. Gegenstand der Versicherung nach § 1 Nr. 1 AVB. sind dagegen die Ansprüche auf Ersatz der Schäden, die sich aus dem Tode, d e r Verletzung und Gesundheitsbeschädigung von Menschen (Personenschäden) oder aus der Beschädigung und Vernichtung von Sachen (Sachschäden) ergeben, gleichviel, ob der auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (unerlaubter Handlung, Vertrags) Anspruchsberechtigte durch das schädigende Ereignis unmittelbar oder mittelbar betroffen worden ist. Der Senat hat demzufolge die Auffassung abgelehnt, daß der den Versicherten in Anspruch nehmende Dritte kein anderer als der Verletzte
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oder der Eigentümer der beschädigten Sache sein dürfe. Entscheidend ist vielmehr ob der Schaden durch das unter die versicherte Gefahr fallende Ereignis verursacht worden ist. An dieser Auslegung hält der Senat fest. Dann kann aber der Versicherungsanspruch der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt sein, daß die Firma R. nicht selbst die Eigentümerin des beschädigten Getreides gewesen, sondern wegen dieser Beschädigung von der Eigentümerin, der Reichsgetreidestelle, auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden ist und wegen dieses ihres Schadens gegen die ihr aus kaufreditlichen Gesichtspunkten haftende Beklagte Rüdegriff genommen hat. II. Der Berufungsrichter verneint weiter den Ausschluß des Versicherungsschutzes gemäß § 4 I Nr. 1 AVB., weil die Haftpflicht der Beklagten nicht durch Vertrag oder besondere Zusagen über den gesetzlichen Umfang hinaus ausgedehnt worden sei. Die Beklagte habe, so stellt er auf Grund der Beweisaufnahme fest, die Geruchfreiheit des gelieferten Stoffs weder zugesichert, nodi dafür eine besondere Gewähr übernommen. Sie könne von der Firma R. auf Schadensersatz nur in Anspruch genommen werden, weil sie nach § 459 BGB. dafür einzustehen habe, daß die von ihr gelieferten Stoffe nicht mit Fehlern behaftet gewesen seien, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufhöben oder minderten. Ihre Haftung ergdbe sich also nur aus dem Gesetz (§459 in Verbindung mit § 276 BGB.). Das würde auch nicht anders sein, wenn angenommen werden müßte, daß die Geruchfreiheit des Stoffs als besondere Eigenschaft zugesichert worden sei. Denn auch in diesem Falle bestimme das Gesetz (§ 463 BGB.) den Umfang der Gewährleistungspflicht. Diese Erwägungen, denen eine zutreffende Auslegung der in Frage stehenden Bestimmung zugrunde liegt, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Der Berufungsrichter nimmt insbesondere mit Recht an, daß die Zusicherung einer Eigenschaft beim Kaufvertrage den Ausschluß des Versicherungsschutzes nach § 41 Nr. 1 AVB. nicht zu begründen vermag. Denn eine solche Zusicherung bedeutet noch keine Haftungserweiterung des Verkäufers, die über den Rahmen des üblichen Kaufvertrages, wie er im Gesetz seine Ausgestaltung erfahren hat, hinausgeht. Der Versicherungsnehmer kann jedenfalls bei der Prüfung der Bedingung nicht auf den Gedanken kommen, daß dem Versicherungsschutz innerhalb der von den kaufrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes geregelten Gewährleistungspflicht eine Grenze gezogen werden solle. Die Revision erhebt insoweit auch keinen Angriff. Sie meint indessen, aus dem Umstand, daß die Beklagte am 4. November 193 5 an die Firma R. ge-
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schrieben habe, die gelieferte Pappe gebe keinen Geruch ab, und daß sie diese Mitteilung am 9. Januar 1936 dahin ergänzt habe, audi die gelieferte Klebemasse sei gerudilos und für die Zwecke der Getreideaufbewahrung jederzeit verwendbar, habe der Berufungsriditer schließen können und müssen, daß mindestens der Vertreter der Beklagten eine Gewährleistungszusage abgegeben habe. Die Revision kann indessen mit diesem Angriff keinen Erfolg haben. Der Berufungsrichter hat die bezeichneten Mitteilungen nidit außer adit gelassen. Er hat ihnen nur die Bedeutung beigelegt, daß die Klägerin die vertraglich vorausgesetzte Gerudifreiheit der Pappe und Klebemasse nur nachträglich bestätigt habe. Hierin könne allenfalls die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft, aber nicht die Übernahme der Gewähr für einen bestimmten Erfolg ohne Rücksicht auf ein Versdiulden im Falle des Nichteintritts dieses Erfolges gefunden werden, worin allerdings ein Fall der in § 4 1 Nr. I AVB. gekennzeichneten Art zu sehen wäre. Eine solche Gewährleistung habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder die Firma R. verlangt, noch der Vertreter R. übernommen. Der Berufungsrichter hat also den Sachverhalt mit Einschluß der von der Revision betonten Umstände erschöpfend gewürdigt. Das im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Ergebnis dieser Würdigung muß die Revision hinnehmen . . . RGZ. 160, 220. 1. Enthält die Führerscheinklausel der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung eine Obliegenheit oder eine sachliche Gefahrenbegrenzung? 2. Kann der Besitz des Führerscheins durch den Nachweis der für die Erteilung des Führerscheins erforderlichen Kenntnisse ersetzt werden? Österr. V V G . § 32. V V G . §§ 6, 32. VIII. Z i v i l s e n a t . I. Landgeridit Graz. —
Beschl. v. 4. Mai 1939. II. Oberlandesgeridht
daselbst.
Der Kläger nimmt auf Grund einer Haftpflichtversicherung die Beklagte für Schäden in Anspruch, die am 24. Mai 1936 durch den Betrieb eines von ihm gelenkten Kraftrades mit einem Hubvolumen von 500 ccm entstanden sind. Die Beklagte lehnt die Haftung unter Berufung auf die in Art. 5 Ziffer 1 f der Allgemeinen Versicherungsbedingungen — AVB. — enhaltene Führerscheinklausel deshalb ab, weil der Kläger am 24. Mai 1936 ohne behördlichen Führerschein gefahren sei, insofern als er einen Führerschein bloß für Kleinkrafträder mit
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einem Hubvolumen von höchstens 2 5 0 ccm hatte, für deren Betrieb nadi der in der Ostmark geltenden Kraftfahrverordnung minder strenge Vorschriften bestanden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger zur Z e i t des Unfalls nur einen Führerschein für Kleinkrafträder hatte, und ist auf die vom Kläger gestellten Beweisanträge, daß er die Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften 'besitze, deren V o r handensein durch den Führerschein für schwere Krafträder festgestellt werden solle, nicht eingegangen. Das Oberlandesgericht ist der Ansidit. es handle sich bei der Führerscheinklausel nicht um eine Gefahrumstandsbeschränkung im technischen Sinne, sondern dem Wesen nach um eine dem Versicherungsnehmer auferlegte Obliegenheit, nämlich um die Pflicht, eine Fahrt nur gedeckt durch einen behördlichen Führerschein zu unternehmen oder unternehmen zu lassen. In den A V B . werde diese Pflicht allerdings unter der Überschrift „Sachliche Begrenzung der H a f t u n g " angeführt. Diese Fassung könne aber nichts daran ändern, daß die Klausel als das behandelt werden müsse, was sie tatsächlidi sei, nämlich als die Vereinbarung einer Obliegenheit des Versicherungsnehmers zu bestimmtem Verhalten. Auf diese Vereinbarung sei daher die zwingende Schutzbestimmung des § 32 Abs. 2 ö s t e r r . V V G . anwendbar, der die Verwirkung des Versicherungsanspruchs bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit ausschließe, wenn diese Verletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung ursächlich geworden sei. Das Oberlandesgericht hat daher das erste Urteil aufgehoben und dem Landgericht aufgetragen, die vom Kläger angebotenen Beweise darüber zu erheben, ob der Kläger, obwohl er einen behördlichen Führerschein für schwere K r a f t fahrräder erst auf Grund einer später abgelegten Prüfung erhalten hat, nicht doch schon am 2 4 . Mai 1 9 3 6 die Fahrtüchtigkeit und die persönliche Vertrauenswürdigkeit besessen habe, die Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Führerscheins sind. Würde dem Kläger dieser Beweis gelingen, dann wäre nach Meinung des Oberlandesgerichts der Mangel eines Führerscheins für den Unfall nicht ursächlich und daher die Verwirkungsabrede nach § 32 Abs. 3 Österr. V V G . unwirksam. Auf den von der Beklagten eingebrachten Rekurs wurde dieser Beschluß aufgehoben und dem Oberlandesgericht aufgegeben, in der Sache zu entscheiden. Gründe: Bei der Führerscheinklausel nach Art. 5 Ziffer
1 f AVB.
handelt
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es sich um keine Obliegenheit, sondern um eine sachliche Begrenzung des Haftpflichtverhältnisses (§ 120 österr. W G . ) , in dessen Rahmen sich der Versicherer verpflichten wollte. Richtig ist, daß der bloße Wortlaut nicht entscheidet, ob eine Abrede als eine dem § 32 zu unterstellende Obliegenheit oder als eine unter die volle Vertragsfreiheit fallende Begrenzung des Umfanges der übernommenen Haftung zu beurteilen ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob im Sinne des Versicherungsvertrages in erster Linie ein vom Versicherungsnehmer zu beobachtendes Verhalten bedungen werden sollte, oder ob der Versicherer gewisse Haftpflichttatsachen von vornherein aus seiner Haftung ausschließen, also nicht bloß von einer übernommenen Haftung bei pflichtwidrigem Verhalten wieder frei werden wollte. Die Vereinbarung, daß für einen Schaden, den ein Lenker ohne behördlichen Führerschein verursacht, nicht gehaftet wird, ist ihrem Wesen nach sowie nach ihrer Einreihung in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Ausschluß eines Gefahrumstandes aus der Haftung und wurde als solcher auch in der Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs SZ. X V I I Nr. 82 beurteilt, auf die sich das Berufungsgericht für seine Auffassung mit Unrecht bezieht. Die gleiche Auffassung herrscht in der Rechtsprechung des Altreichs bei Auslegung der im Altreich üblichen Führerscheinklausel. Nach dieser Klausel wird Versicherungsschutz nur gewährt, wenn der Führer den zur Führung des Fahrzeugs vorgeschriebenen Führerschein hat. Daß hier eine echte Gefahrenbegrenzung vorliege, spricht nicht nur die vom Kläger mit Unrecht für seine Ansicht angeführte Entscheidung des Reichsgerichts vom 16. Dezember 1932 (JW. 1933 S. 765 Nr. 4) aus, sondern auch diejenige in RGZ. Bd. 158 S. 284 (286). Der erkennende Senat hält nunmehr auch für das österreichische Recht und die Auslegung der in der Ostmark üblichen Führerscheinklausel an dieser Auffassung fest. Nadi dem Ausgeführten kann der Ausschluß des Versicherungsschutzes infolge Fahrens ohne Führerschein durch den Nachweis, daß das Fehlen des Führerscheins für den Schaden nicht ursächlich war, nicht beseitigt werden. Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, wann ein Fahren ohne behördlichen Führerschein im Sinne des Art. 5 Ziffer 1 f AVB. vorliegt. Diese Versicherungsbedingung muß, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ. XVII Nr. 82 dargetan hat, nach dem vermuteten Willen der Vertragschließenden (Art. 278 ö s t e r r . HGB.) ausgelegt werden. Es kann den Parteien des Versicherungsvertrages nicht darauf ankommen, daß der Lenker den Führerschein, d. h. die Urkunde über die behördliche Zulassung, bei sich trägt, wie dies
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§ 8 8 der Kraftfahrverordnung von 1930 aus verkehrspolizeilidien Gründen allerdings vorschreibt. Für den Versicherer hat nur Bedeutung, daß der Lenker die Erlaubnis zum Fahren erhalten hat, die durch den Führerschein beurkundet wird. Daher ist der Versicherungsschutz weder dann ausgesdilossen, wenn der Lenker den Führerschein zu Hause vergessen hat, noch dann, wenn er ihn verloren hat, weil keine Vorschrift besteht, die an den Verlust der Urkunde den Widerruf der Erlaubnis knüpfen würde. Umgekehrt würde eine Fahrt nach dem Widerrufe des Führerscheins keinen Versicherungsschutz genießen, auch wenn es der Lenker unterlassen hätte, den Führerschein abzugeben. Aber auch die behördliche Erlaubnis ist für die Parteien nicht unter allen Umständen das Entscheidende. Die Führerscheinklausel soll Gewißheit darüber geben, daß der Lenker jene Fähigkeiten und Eigenschaften besitzt, deren Nachweis von der Behörde vor Erteilung des Führerscheins verlangt wird. Dem Versicherer kann es nur darauf ankommen, daß der Lenker schon vor Antritt der Fahrt seine Fahrkunst und seine sonstige Verläßlichkeit in zweifelsfreier Weise dargetan hat. Darum nahm die Entscheidung SZ. XVII Nr. 82 Versicherungsschutz in einem Fall an, wo der Lenker seine persönliche Verläßlichkeit durch den Erwerb eines anderen Führerscheins, seine Fahrkunst alber durch die Ablegung der Fahrprüfung dargetan hatte und die Ausstellung des Führerscheins nur deshalb unterblieben war, weil der Lenker noch kein Lichtbild beigebracht hatte. In solchen Fällen bringt die Fahrt vor Ausstellung des Führerscheins keine größere Gefahr mit sich als nach Ausstellung des Scheines. Dagegen kann es dem Versicherungsnehmer nicht gestattet werden, erst nachträglich den Beweis zu erbringen, daß der Lenker zwar nicht die Erlaubnis zum Fahren, aber die für eine solche Erlaubnis erforderlichen Fähigkeiten und Eigenschaften besaß. Durch das Erfordernis des „ F ü h r e r s c h e i n s " wird deutlich ausgesprochen, daß dieser Beweis in einer jederzeit leicht und sicher überprüfbaren Weise schon vor der Fahrt erbracht worden sein muß, so daß er urkundlich oder wenigstens aktenmäßig geführt werden kann. Nicht mehr will auch die bereits erwähnte Entscheidung JW. 193 3 S. 765 Nr. 4 besagen, die den Nachdrudc auf die Fahrkunst des Lenkers zu legen scheint, auf den vorliegenden Fall aber schon deshalb unanwendbar ist, weil der Lenker damals nur den bereits ausgestellten Führerschein verloren hatte. Die Möglichkeit, daß der Lenker seine Fähigkeit zum Fahren nachträglich durch eine Prüfung dartut, würde das Haftungsverhältnis mit einer Unsicherheit belasten, die dem Versicherer nicht zugemutet wer-
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den kann, besonders deshalb, weil darüber, ob der Beweis gelungen ist, die Meinungen sehr geteilt sein könnten. Nachzuweisen wäre, daß der Lenker, wenn er vor der Fahrt die Zulassung zur Prüfung und die Ausstellung des Führerscheins nachgesucht hätte, die Prüfung bestanden und den Führerschein erhalten haben würde. Ein solcher Beweis ist schon deshalb nicht mit Sicherheit zu erbringen, weil bei Einschätzung eines Prüfungsergebnisses und bei Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eines Menschen stets das freie Ermessen der Behörde eine Rolle spielt. Die Ansicht der zweiten Instanz läuft, wie der Rekurs der Beklagten mit Recht bemerkt, darauf hinaus, daß der Versicherer auch mit der Haftung für die Fahrten ungeprüfter Lenker belastet würde und daß es der Untersuchung im einzelnen Fall überlassen bliebe, ob der Lenker die erforderliche Eignung hatte oder nicht. Das wäre ein für den Geschäftszweig der Haftpflichtversicherung unerträglicher Zustand. RCZ. 160, 317. Umfaßt der Ausschluß der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für Haftpfliditansprüche von Angehörigen des Versicherungsnehmers nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch Ausgleichsansprüche unter mehreren am Unfälle des Verwandten beteiligten Kraftfahrzeughaltern? KFG. § 17. W G . § 1 4 9 . VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 6.Juni 1939.
I. Landgeridit Berlin. — II. Kammergeridit daselbst.
Am 10. Juni 1935 hatte der Personenkraftwagen des damals bei der Beklagten gegen die Folgen gesetzlicher Haftpflicht des Kraftwagenhalters versicherten Klägers in der Gegend von Laufen a. Neckar an einer Straßenkreuzung einen Zusammenstoß mit einem dem Fuhrunternehmer H. in B. gehörigen Omnibus, wobei der vom Haftpflichtschutz miterfaßte Lenker jenes Kraftwagens, B., getötet und zwei Insassen, die Schwägerin des Klägers Frau M. und ihr Ehemann, und zwar der Ehemann tödlich, verletzt wurden. Die Witwe M. hat in einem gegen H. geführten Rechtsstreit für sich und als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Mannes Schadensersatzansprüche erstritten, die teils auf Barzahlung, teils auf Feststellung der Ersatzpflicht H.s gerichtet sind. Im gegenwärtigen Rechtsstreit verlangt der Kläger für sich und die Witwe und Erbin B.s Versicherungsschutz für den von H. angekündigten Aus-
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Versicherungsvertragsgesetz
gleichsanspruch. Die Beklagte lehnt den Versicherungsschutz ab, und zwar im wesentlichen wegen des in ihren Versicherungsbedingungen vorgesehenen Ausschlusses der Versicherung für Haftpflichtansprüche von Angehörigen, zu denen unstreitig die Eheleute M. zu rechnen sind ( § 1 0 II 3 AVB. f. Kraftfahrzeugvers.). Während das Landgericht die Klage abwies, hat das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: Die Bestimmung in § 10 II 3 der dem Versidierungs Verhältnis der Parteien zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für Kraftfahrzeug*^Versicherung schließt von der Versicherung aus „Haftpflichtansprüche von Angehörigen des Versicherungsnehmers, wenn sie sich bei Eintritt des Schadens in dem Kraftfahrzeug selbst befanden". Versicherungsnehmer im Sinne des hier vorliegenden Versicherungsvertrages ist der Kläger, als dessen Angehörige die bei dem Unfall verletzten Eheleute M. unstreitig zu gelten haben; ob mit Recht, kann dahingestellt bleiben. Daß diese zu dem mitversicherten Führer des Kraftwagens, B., nicht in einem Angehörigkeitsverhältnisse standen, ist für die Beurteilung ohne Belang, da nach dem Inhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Ausschluß der Versicherung nur das Angehörigkeitsverhältnis zum Versicherungsnehmer selbst entscheidend ist. Die Frage des Rechtsstreits ist sonach allein die, ob mit § 10 II 3 AVB. auch der Versicherungsschutz des Klägers gegenüber den gegen ihn und die Witwe des Fahrers etwa auf Grund von § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 3 KFG. von dem Omnibushalter H. herzuleitenden Ausgleichungsansprüchen, die auf seiner Inanspruchnahme durch die Witwe M. und seiner Verurteilung im Vorprozesse beruhen, als ausgeschlossen zu gelten hat. Das Berufungsurteil verneint dies im Hinblidc auf den Wortlaut der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die rechtliche Verschiedenheit des vom Verletzten erhobenen Schadensersatzanspruchs gegenüber dem zwischen mehreren Urhebern des Unfalls bestehenden Ausgleichungsanspruche. Dieser Meinung ist entgegen den Ausführungen der Revision beizutreten. Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, daß bei der Auslegung der streitigen als „typisch" anzusehenden und daher der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegenden Vertragsbestimmung die Grundsätze von Treu und Glauben neben dem Wortlaut zu beachten sind. Darin hat aber der Vorderrichter nicht gefehlt, der bei seiner Entscheidung auch den Zweck der Bestimmung beachtet, ihren Wortlaut mit der seit 1921 geltenden Neufassung der Allgemeinen Versicherungs-
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bedingungen für die allgemeine Haftpflichtversicherung vergleicht und die Belange der Parteien des Versicherungsvertrags berücksichtigt. Den darüber vom angefochtenen Urteil gemachten Ausführungen ist beizupflichten. O h n e weiteres ist klar, daß die Abweichung des Wortlauts der hier streitigen Versicherungsbedingung — Ausschluß der Haftpflichtansprüche „ v o n " Angehörigen des Versicherungsnehmers — von der Fassung der seit 1921 geltenden Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen, wonach sich der Ausschluß auf Haftpflichtansprüdie ,,a u s S c h a d e n f ä l l e n der Angehörigen" bezieht, nicht belanglos ist, vielmehr gute Gründe hat (vgl. RGUrt. vom 27. Juni 1930 VII 593/29, abgeidr. in JRPrV. 1930 S. 271). Die letztgenannte Fassung stellt zweifellos eine allgemeinere und weitergehende dar, insofern sie alle Haftpflichtansprüdie umfaßt, die nur im Schaden eines Angehörigen ihre Entstehungsgrundlage haben, ohne Rücksicht darauf, von wem sie erhoben werden, während sich der hier streitige § 10 II 3 dem allgemeinen Sprachgebrauch nach, wie das Berufungsgericht richtig bemerkt, auf Ansprüche d e r Angehörigen selbst beschränkt. Nachdem einmal seit 1921 diese beiden Fassungen nebeneinander bestanden und gerade im Zusammenhange mit der Frage, ob auch auf dem Unfallsereignis beruhende Ansprüche Dritter von dem Ausschluß betroffen seien, Rechtsprechung und Wissenschaft auf diese Verschiedenheit hingewiesen hatten, mußten die in erster Reihe sachkundigen Versicherungsgesellschaften, wenn sie, wie die Beklagte, den Ausschluß der Haftpflichtversicherung im Kraftwagenwesen auch auf nur irgendwie mit den Ansprüchen Angehöriger des Versicherungsnehmers zusammenhängende Forderungen Dritter ausdehnen wollten, den Wortlaut ihrer Versicherungsbedingungen so fassen, daß diese Absicht unzweideutig zum Ausdruck kam und nicht vielmehr bei den nicht eingeweihten Versicherungsnehmern gerade der gegenteilige Eindruck erweckt wurde. Dies war aber der Fall, wenn die Fassung „Haftpflichtansprüdie v o n Angehörigen" bestehen blieb, weil dann der nicht sachkundige Laie eben darunter nur Ansprüche der Angehörigen selbst verstehen konnte. Diese Fassung unterlag an sich keiner Mißdeutung und steht der von der Beklagten vertretenen weiteren Auslegung zweifelsfrei entgegen; im übrigen könnte sich die Beklagte, wenn die Fassung mißdeutig war, auf einen zu ihren Gunsten etwa möglichen weitergehenden Inhalt schon deshalb nidit berufen, weil derartige Versidierungsaussdilüsse und Verzichtsabreden als Ausnahmeregelungen in jedem Falle streng auszulegen sind. Da im Falle des Mitfahrens von Familienangehörigen des Kraftfahrzeughalters, soweit hier eine gesetzliche Haftung für ihn
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besteht (vgl. § 8 Nr. 1 KFG.) und es sich um reine Gefälligkeitsfahrten handelt, eine gewisse tatsächliche Vermutung dafür geltend gemadit werden kann, daß diese Mitfahrer bei etwaigen Unfällen und nur fahrlässigen Körper- und Vermögensbeschädigungen keine Haftpflichtansprüdie gegen ihn zu stellen beabsichtigen, so ist auch ein innerer Grund für die Annahme vorhanden, daß in der Kraftfahrzeughaftpfliditversidierung der in § 10 I I 3 der Allgemeinen Bedingungen für Kraftfahrzeug-Versicherung ausgedrückte Versieh erungsausschluß, beschränkt auf Haftpflichtansprüche, die von Angehörigen selbst erhoben werden, kein zufälliger oder ungewollter ist, daß es vielmehr, als 1921 die Allgemeinen Haftpfliditversicherungsbedingungen vom Jahre 1909 (in § 6 I 2 daselbst) für den allgemeinen Bereich der Haftpflichtversicherung neu gefaßt wurden, auf eine sachliche Änderung (Erweiterung) des Versidierungsausschlusses zu Gunsten der Versicherer (nicht etwa nur auf die bloße Verdeutlichung eines bereits bestehenden und nur unvollkommen ausgedrückten Rechtsgedankens) abgesehen war. Mit Recht legt das angefochtene Urteil dar, daß es sich bei den dem Kläger und der Witwe B. drohenden Ansprüchen H.s nicht um Haftpflichtansprüche Angehöriger, sondern um den seiner rechtlichen Natur nach selbständigen, auf §§ 17, 18 KFG. beruhenden Ausgleichungsanspruch H.s handelt, der nicht etwa in einen Anspruch Angehöriger des Versicherungsnehmers eingetreten ist, sondern einen eigenen Anspruch aus dem zwischen ihm, dem Kläger und B. bestehenden Gesamtschuldverhältnis verfolgt (vgl. RGZ. Bd. 87 S. 64). Ein Ausschluß dieses Anspruchs vom Versicherungssdiutze würde eine Vereinbarung der Parteien voraussetzen, die weder ausdrücklich getroffen nodi, wie dargelegt, durch Auslegung aus den Versicherungsbedingungen zu entnehmen ist. Die H.sche Forderung ist vielmehr ein auf besonderem Rechtsgrunde beruhender Haftpfliditansprudi eines nicht zu den Angehörigen zählenden Berechtigten und daher gemäß § 10 I, weil auf den Kraftfahrzeugunfall zurückgehend, vom Versicherungssdiutze mitumfaßt. RGZ. 161, 94. 1. Gibt die Führermitversichening im HaftpflichtversicherungsvertTage des Kraftwagenhalters dem Führer einen unmittelbaren Ansprach auf Versicherungsschutz gegenüber dem Versicherer, wenn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zusteht?
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2. Ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Angestellten einer Ausbesserungswerkstatt, der bei einer Probefahrt den versicherten Kraftwagen gefahren und damit Schaden angerichtet hat, aus der Führermitversidierung Versicherungsschutz zu verschaffen? 3. Ist Versicherungsschutz, auf den ein solcher Angestellter aus der Führermitversicherung Anspruch hat, auch dann zu gewähren, wenn der vom Halter und Versicherungsnehmer aus dem Werkvertrag in Anspruch genommene Inhaber der Ausbesserungswerkstatt gegen jenen Angestellten aus dem Dienstvertrage Rüdegriff nimmt? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 - W G . - § 67. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 11.Juli 1939.
I. Landgericht Wuppertal-Elberfeld. — II. Oberlandesgericht Düsseldorf.
Die Firma S. & E. in W. war mit ihrem Kraftwagen bei der H. A. Versidierungs-Aktiengesellschaft, deren Rechtsnachfolgerin die jetzige Klägerin geworden ist, gegen Haftpflicht sowie gegen Verlust und Beschädigung des Fahrzeugs versichert. Nach § 10 Ziffer 2 der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen (AVB.) umfaßt der Versicherungsschutz auch die Haftung des Führers — nicht nur des angestellten Führers — des Kraftfahrzeugs. § 4 AVB. bestimmt, daß, wenn die Versicherung zu Gunsten Dritter abgeschlossen ist, die Ausübung der Rechte aus der Versicherung ausschließlich dem Versicherungsnehmer zustehen soll; die Versicherungsansprüche können ohne ausdrückliche Genehmigung der Gesellschaft vor ihrer endgültigen Feststellung weder übertragen noch verpfändet werden. Im Oktober 1936 übergab die Versidierungsnehmerin den versicherten Kraftwagen der Erstbeklagten, damit in deren Ausbesserungswerkstatt eine Unregelmäßigkeit im Getriebe beseitigt werde. Bei einer von dem Zweitbeklagten als Angestellten dem Erstbeklagten am 30. Oktober 1936 durchgeführten Probefahrt wurde der Padcer O . S. aus W. angefahren und verletzt. Auf dessen Klage gegen die Firma S. & E. als Halterin und den Zweitbeklagten als Führer des Kraftwagens erging das rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts in W. vom 17. Februar 1938, das den Anspruch auf Zahlung einer Rente und eines Schmerzensgeldes gegen die damaligen Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärte. In der Folge trat die Firma S. & E. ihre vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen die Erstbeklagte an die H. A. Versidherungs-Aktiengesellschaft (im folgenden der Kürze halber als Klägerin bezeichnet) ab. Diese hatte aus der Versicherungsvertragsgesetz II
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Kasko-Versidierung an die Versicherungsnehmerin 111 RM und — nadi ihrer Behauptung — aus der Haftpflichtversicherung an den Verletzten und an den Bezirksfürsorgeverband insgesamt 1 4 6 7 , 3 9 RM bereits gezahlt. Auf Grund der Abtretung und des gesetzlichen Forderungsübergangs (§ 67 VVG.) h a t die Klägerin jetzt mit der Begründung, die Erstbeklagte h a f t e aus dem Werkvertrag für den durch ihren Erfüllungsgehilfen, den Zweitbeklagten, angerichteten Schaden, die Verurteilung der Erstbeklagten beantragt, 1. an sie 1 4 6 7 , 3 9 R M nebst 2 °/o über den jeweiligen Reichsbankdiskont Zinsen seit I . O k t o b e r 1937 zu zahlen; 2. sie von den ihr als Haftpflichtversicherer der Firma S. & E. auf Grund des Unfalls vom 30. O k t o b e r 1936 obliegenden Verbindlichkeiten, insbesondere den aus dem Urteil des Landgerichts W. vom 17. Februar 1938 entstandenen und k ü n f t i g entstehenden Verpflichtungen zu befreien, 3. sie v o n der im vorgenannten Rechtsstreit entstandenen und noch entstehenden Streitkosten-Erstattungspflicht zu befreien. Den zunächst weiterhin gestellten Antrag, die beiden Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung v o n 111 RM (Kasko-Schaden) zu verurteilen, hat die Klägerin unter Verwahrung gegen entsprechende Kostenbelastung für erledigt erklärt, nachdem dieser Betrag (nach Klageerhebung) gezahlt worden war. Die Beklagten haben um Abweisung der Klage gebeten. Die Erstbeklagte ist der Auffassung, ihrer Inanspruchnahme stehe entgegen, daß der Zweitbeklagte, der ihr wiederum aus dem Dienstvertrage hafte, als Kraftfahrzeugführer aus dem zwischen der Klägerin und der Firma S. & E. geschlossenen Versicherungsvertrage Versicherungsschutz genieße. Das Landgericht h a t durch Teil- und Zwischenurteil vom 12. Juli 1938 den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt, den Anträgen auf Verurteilung zur Schuldbefreiung stattgegeben, die Klage im übrigen antragsgemäß für erledigt erklärt und die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten. Das Oberlandesgericht h a t die von der Erstbeklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung zurüdcgewiesen. Ihre Revision blieb ohne Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht erachtet die auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzansprüche der Firma S. & E. gegen die Erstbeklagte für begründet. Letztere habe, so erwägt es, als Werkunternehmerin für das durch das rechtskräftige Zwischenurteil des Landgerichts W. festgestellte, im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht mehr bestrittene
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Versdiulden des Zweitbeklagten als ihres Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB. einzustehen. Die erhobenen Ansprüche hielten sich im Rahmen der durch § 2 4 9 BGB. gebotenen Wiedergutmachung des Schadens, der durch die Auslösung der Schadenersatzansprüche des Verletzten und deren gerichtliche Geltendmachung angerichtet worden sei. Die Begründung des Urteils läßt insoweit einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die Revision erhebt hiergegen auch keinen Angriff. Das Berufungsgericht nimmt weiter an, der Umstand, daß nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AVB. des zwischen der Klägerin und der Firma S. & E. bestehenden Versicherungsvertrages der Zweitbeklagte als Führer des Kraftwagens im Zeitpunkte des Unfalls mitversichert sei, stehe der Geltendmachung der Schadenersatzansprüche gegen die Erstbeklagte nicht entgegen. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, den letztere aus diesem Umstand in Verbindung mit der Möglichkeit, ihrerseits aus dem Dienstvertrage gegen den Zweitbeklagten Rüdegriff zu nehmen, herleite, scheitere schon daran, daß ein solcher Rückgriffsanspruch von der Führerversicherung nicht gedeckt werde. Zwischen der Firma S. & E. und dem Zweitbeklagten bestehe auch kein Treuverhältnis, das jene hindern könnte, die zum Rüdegriff berechtigte Erstbeklagte in Anspruch zu nehmen. Die Führermitversicherung sei kein Vertrag zu Gunsten Dritter. Der Versicherungsnehmer, der nur seine eigenen Belange versichere, habe es bei dem Mangel einer entgegenstehenden Vereinbarung völlig in der Hand, ob er Versicherungsschutz für den Kraftwagenführer in Anspruch nehmen wolle oder nicht. Auch aus dem Umstände, daß der Versicherungsnehmer nach § 4 AVB. über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich verfüge, ergebe sich, daß dem mitversicherten Führer keinerlei Rechte zugewendet werden sollten. Schließlich könne auch der Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag für die Annahme, daß die Firma S. & E. dem Zweitbeklagten Versicherungsschutz zu verschaffen habe, nicht in Betracht kommen. Der Kraftwagenhalter beziehe ausschließlich zum eigenen Vorteil den Führer in die Haftpflichtversicherung ein, um unter allen Umständen gegen jede Inanspruchnahme Dritter, insbesondere bei der Überlassung der Führung des Wagens an Familienangehörige, geschützt zu sein. Der Gedanke, daß er als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Angestellten einer Ausbesserungswerkstatt habe handeln wollen, liege völlig fern. Der Berufungsrichter geht zutreffend davon aus, daß der Klage die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen würde, wenn die Klägerin dem Zweitbeklagten für seine Haftung aus dem Dienst9'
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vertrage Versidierungssdiutz zu gewähren und demgemäß für diesen den der Erstbeklagten durch ihre Inanspruchnahme aus dem Werkvertrag erwachsenden Schaden zu dedeen hätte. Die Klägerin würde in diesem Falle von der Erstbeklagten etwas verlangen, was sie ihr mittelbar zurückgewähren müßte. Eine solche Rechtsausübung ist nach anerkannten Rechtsgrundsätzen unzulässig und berechtigt den Inanspruchgenommenen zur Erhebung der Einrede der Arglist. Die Erstbeklagte macht also, entgegen der Meinung der Revisionsbeantwortung, keine — rechtlich unbeachtliche — Einrede aus dem Rechte des Dritten geltend, wenn sie sich auf den Versicherungsschutz des Zweitbeklagten beruft. Dem BerufungsrichteT kann jedoch nicht darin beigetreten werden, daß, wenn überhaupt der Zweitbeklagte Versicherungsschutz zu beanspruchen hätte, seine Haftung aus dem Dienstvertrage gegenüber der Erstbeklagten von der Versicherung nicht umfaßt würde. Diese Haftung beruht letzten Endes auf dem beim Betriebe des Kraftfahrzeugs eingetretenen (Personen-) Schaden und wird vermittelt durch gesetzliche Haftpflichtbestimmungen bürgerlichrechtlichen Inhalts. Sie fällt damit unter den in § 101,1 AVB. seinem Umfange nach umschriebenen Versicherungsschutz ohne Rücksicht darauf, daß die Anspruchsberechtigte — die Erstbeklagte — durch das schädigende, unter die versicherte Gefahr fallende Ereignis nur unmittelbar betroffen ist (Urteile des erkennenden Senats VII 231/36 vom 19. Februar 1937, abgedruckt in JW. 1937 S. 1496 Nr. 14, und VII 162/38 vom 7. März 1939, in DRW. S. 1088 Nr. 32). Entscheidend ist hiernach die Frage, ob dem Zweitbeklagten auf Grund des zwischen der Firma S. & E. und der Klägerin geschlossenen Versicherungsvertrags ein Anspruch auf Versicherungsschutz überhaupt zusteht. Diese Frage hat der Berufungsrichter rechtsirrtumsfrei verneint. Es trifft zwar zu, daß die Mitversicherung des Führers in dem Haftpfliditversidierungsvertrage des Kraftwagenhalters einen Fall der Versicherung für fremde Rechnung darstellt. Steht aber, wie im vorliegenden Falle (§ 4 AVB.), die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu und können die Versicherungsansprüdie vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Genehmigung des Versicherers auch nicht einmal auf den Versicherten übertragen werden, so hat dieser nach feststehender Rechtsprechung keine unmittelbaren Ansprüche gegen den Versicherer erworben (Entscheidungen des erkennenden Senats VII 256/14 vom 18. Dezember 1914, abgedruckt im Recht 1915 Nr. 845, und VII 66/34 vom 19. Juni 1934, in Jur. Rdsch. f. d. Privatvers. 1934 S. 220, sowie des VI. Zivil-
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senats des Reichsgerichts V I 3 3 5 / 3 6 vom 17. Juni 1937, in JW. 1937 S. 2648 Nr. 11). Ein Vertrag zu Gunsten des Zweitbeklagten im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB. liegt also, wie der Berufungsriditer zutreffend annimmt, bei dieser Rechtslage nicht vor. Der Versicherer braucht vielmehr für den mitversicherten Führer nur einzustehen, wenn dies dem Willen des Versicherungsnehmers entspricht. Einen entsprechenden Willen der Firma S. & E. behauptet die Erstbeklagte aber nidit. Er liegt audi offenbar nidit vor, und es kann nicht davon die Rede sein, daß die Firma mit einer solchen Stellungnahme etwa gegen Treu und Glauben im Verkehr verstieße. Hat danach aber der Zweitbeklagte keinen Anspruch auf Versicherungsschutz gegenüber der Klägerin, so kann deren Reditsausübung nidit unzulässig sein. Die Erstbeklagte beruft sich schließlich darauf, daß der Zweitbeklagte einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Firma S. & E. auf Verschaffung des Versicherungsschutzes habe. Es kann dahinstehen, ob die Erstbeklagte mit diesem Vorbringen nicht wirklich eine ihr unzugängliche Einrede aus dem Rechte eines Dritten erhebt. Der Berufungsriditer hat jedenfalls eine sdiuldrechtlidie Verpflichtung der genannten Firma, dem Zweitbeklagten Versicherungsschutz bei der Klägerin zu verschaffen, ohne Rechtsirrtum verneint. Diese Frage beurteilt sich allein nadi dem zwischen dem Versicherungsnehmer und dem mitversicherten Führer bestehenden Innenverhältnis. Vertragliche Beziehungen zwischen der Firma und dem Zweitbeklagten, vermöge deren der letztere auf die Verschaffung von Versicherungsschutz Anspruch erheben könnte, liegen nicht vor. M i t Recht verneint der Berufungsrichter auch die Entstehung sdiuldreditlicher Beziehungen geeigneter Art unter dem Gesichtspunkte der Geschäftsführung ohne Auftrag. Seine Annahme, daß es nicht im Willen der Versidierungsnehmerin gelegen habe, für den Angestellten eines fremden Betriebs, der Werkstätte der Erstbeklagten, als Geschäftsführer ohne Auftrag zu handeln, ist rechtlich nidit zu beanstanden. RGZ. 162. 2 3 8 . 1. Zum Begriffe des Versicherungsfalles bei der Haftpflichtversicherung im Rahmen des § 39 W G . 2. Zur Auslegung des § 4 2 V V G . VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 19. Dezember 1939. I. Landgericht Berlin. —
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daselbst.
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, ist bei der verklagten Versicherungsgesellschaft seit 1933 gegen die gesetzliche Haftpflicht für Vermögens-
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schaden versichert. Über die Beitragszahlung bestimmt § 9 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.): Die nach Beginn des Versicherungsschutzes zahlbaren regelmäßigen Folgeprämien sind an den im Versicherungsschein festgesetzten Zahlungsterminen . . . zu entrichten. Unterbleibt die Zahlung, so ist der Versicherungsnehmer auf seine Kosten unter Hinweis auf die Folgen fortdauernden Verzugs durch einen an seine letztbekannte Adresse gerichteten eingeschriebenen Brief zur Zahlung innerhalb einer Frist von zwei Wochen aufzufordern. Tritt der Verstoß nach dem Ablauf dieser Frist ein und ist der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintritts mit der Zahlung der Prämie oder der Kosten im Verzug, so ist die Gesellschaft von der Verpflichtung zur Leistung frei. Nach dem Ablauf der Frist ist die Gesellschaft, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung im Verzug ist, berechtigt, das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, oder, solange noch nicht sechs Monate seit Ablauf der Frist verstrichen sind, die rüdeständige Prämie nebst Kosten gerichtlich e i n z u z i e h e n . . . Den am 1. Mai 1934 fälligen Folgebeitrag zahlte der Kläger nicht. Mit eingeschriebenem Briefe vom 11. Juni 1934 setzte ihm die Beklagte eine Zahlungsfrist von zwei Wochen, indem sie auf die Rechtsfolgen der Fristversäumnis im einzelnen hinwies. Unter dem 27. September 1934 mahnte die Beklagte den Kläger erneut mit dem Hinweise darauf, daß bis zur Begleichung des rückständigen Beitrags ,,in einem evtl. Schadensfalle" ihre Entschädigungsleistung ruhe. Der Kläger zahlte den Beitrag am 18. oder 19. O k t o b e r 1934. In einem Rechtsstreit des Rentners F. H. in S. gegen den Bankverein N., in dem dieser durdi Urteil des Landgerichts in N. vom 31. Juli 1934 zur Zahlung von 4035,67 RM nebst Zinsen seit dem 1. August 1932 und in die Kosten des Rechtsstreits verurteilt worden war, übernahm der jetzige Kläger die Vertretung des verklagten Bankvereins für das Berufungsverfahren. Die von ihm am 3. Oktober 1934 beim Kammergericht eingereichte Berufungsbegründungsschrift hatte er nicht unterschrieben. Dieser Mangel führte auf die Revision des Klägers H. gegen das seine Klage abweisende Urteil des Kammergerichts vom 29. November 1934 zur Aufhebung dieses Urteils und zur Verwerfung der Berufung des Bankvereins durch Erkenntnis des Reithsgerichts vom 24. Juli 1936. Der Bankverein mußte infolgedessen dem Urteil des Landgerichts nachkommen; er nahm den Kläger auf Schadensersatz in Anspruch und erwirkte das — später rechtskräftig gewordene — Urteil
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des Landgerichts in B. vom 2 5 . Januar 1 9 3 7 , in dem der jetzige Kläger zur Zahlung von 7 4 3 3 , 2 2 R M nebst Zinsen und Kosten verurteilt wurde. Die Beklagte lehnte wegen dieses Haftpflichtschadens den V e r sicherungsschutz unter Berufung auf ihre Leistungsfreiheit gemäß § 9 A Y B . ab. M i t der vorliegenden, im Mai 1 9 3 8 eingeleiteten Klage verfolgt der Kläger die ihm nach seiner Meinung aus dem Versicherungsvertrage zustehenden Ansprüche. Das Landgericht und das Kammergericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Kammergericht verneint auf Grund des § 9 A V B . die V e r pflichtung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsschutz, weil der Kläger im Zeitpunkte des seine Haftpflicht begründenden Verstoßes sich mit der Zahlung eines nach dem Beginn der Versicherung fällig gewordenen Beitrags trotz ordnungsmäßiger Bestimmung einer damals abgelaufenen Zahlungsfrist im Verzuge befunden habe. Es geht davon aus, daß § 9 A V B . von § 3 9 V V G . insofern abweiche, als für den Z e i t punkt des verschärften Verzuges nicht auf den Versicherungsfall, d. h. die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch den geschädigten Dritten, sondern auf den V e r s t o ß , das Schadensereignis, abgestellt werde. Diese Abweichung wirke sich aber, so meint der Berufungsrichter, nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers im Sinne des § 4 2 V V G . aus. W e n n diese Vorschrift bestimme, daß der Versicherer sich auf eine Vereinbarung, durch welche von den Vorschriften der § § 37—41 W C . zum Nachteile des Versicherungsnehmers abgewichen werde, nicht berufen könne, so k o m m e es dabei nicht auf den Einzelfall, sondern auf das durchschnittliche Ergebnis in allen der Bestimmung unterliegenden Fällen an. In Fällen der vorliegenden Art, in denen der Verstoß in die Zeit des verschärften Verzuges falle, werde zwar der Versicherungsnehmer benachteiligt. In anderen Fällen jedoch, in denen der Verstoß vor Beginn dieses Verzuges, die Inanspruchnahme, der Versicherungsfall, aber während seiner Dauer eintrete, wirke sich die vom Gesetz abweichende Regelung der Versicherungsbedingungen zum V o r t e i l des Versicherungsnehmers aus. Die beiden Gruppen von Fällen hielten sich, wenn man sie schätzend überschaue, ungefähr die Waage. Es lasse sich nicht sagen, daß, auf das Ganze gesehen, die getroffene Vereinbarung dem Versicherungsnehmer, d. h. allen Versicherungsnehmern, nachteilig sei.
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Dem Berufungsrichter ist zunächst darin beizutreten, daß nach der Vorschrift des § 39 Abs. 1 VVG. ein die Beklagte von der Verpflichtung zur Leistung befreiender Verzug des Klägers mit der Zahlung eines Folgebeitrags nicht vorliegt. In seiner Entscheidung vom 14. Januar 1938 (RGZ. Bd. 156 S. 378) hat der erkennende Senat bereits grundsätzlich ausgesprochen, daß auch im Rahmen dieser Vorschrift nicht schon die Tatsache, für die der Versicherungsnehmer auf Grund seiner Haftpflicht von dem geschädigten Dritten verantwortlich gemacht wird (Schadensereignis, Verstoß), sondern erst die Erhebung des Anspruchs durch den Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer als der Eintritt des Versicherungsfalles anzusehen ist. An dieser grundsätzlichen Auffassung hält der Senat fest. Zu einer Änderung der längst gefestigten Rechtsprechung über den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in der Haftpflichtversicherung (RGZ. Bd. 114 S. 117, Bd. 136 S. 370, Bd. 144 S. 163, Bd. 150 S. 48 und oft) besteht im übrigen um so weniger Veranlassung, als das am 1. Juli 1940 in Kraft tretende Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes übeT den Versicherungsvertag vom 7. November 1939 (RGBl. I S. 2223) keine Bestimmung enthält, die zu der Auffassung berechtigen könnte, daß diese Rechtsprechung dem Sinne des Gesetzes nicht entspreche. Es ist zwar durch § 153 Abs. 1 VVG. in der neuen Fassung dem Versicherungsnehmer nunmehr die Pflicht zur Anzeige des Schadensereignisses auferlegt, anderseits aber bestimmt worden, daß auf diese Anzeigepflicht die Vorschrift des § 6 Abs. 3 VVG., die von den nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheiten handelt, s i n n g e m ä ß e Anwendung finde. Entgegen der Meinung der Revisionsbeantwortung ist also durch diese Neuregelung der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers der Eintritt des Versicherungsfalles nicht auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses festgelegt worden. Die vorgeschriebene sinngemäße Anwendung des § 6 Abs. 3 läßt vielmehr erkennen, daß der Gesetzgeber die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage nicht antasten wollte (vgl. dazu auch H a g e m a n n in DRW. 1939 S. 2033, 203 5). Führt hiernach die Anwendung des § 39 Abs. 1 W G . im vorliegenden Falle zu dem Ergebnis, daß die am 18. oder 19. O k t o b e r 1934 — vor Eintritt des frühestens im Januar 193 5 gegebenen Versicherungsfalles — geleistete Zahlung des rückständigen Beitrags den Verzug des Klägers beseitigt hat, die Beklagte also von der Leistungspflicht nicht frei geworden ist, so bedeutet demgegenüber die in § 9
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AVB. getroffene, zu der entgegengesetzten Entscheidung führende Regelung des Zahlungsverzuges eine Benachteiligung des Klägers. Der Berufungsrichter hält dieses Ergebnis deshalb für unschädlich, weil die Vorschrift des § 42 W G . die Berufung des Versicherers auf eine von den Bestimmungen der §§ 37—41 W G . abweichende vertragliche Vereinbarung nur dann ausschließe, wenn sidi diese Vereinbarung in ihrer Anwendung auf alle von ihr betroffenen Fälle als überwiegend nachteilig für die Versicherungsnehmer auswirke. Diese Auslegung des Gesetzes wird von der Revision mit Recht als irrig bekämpft. Die Vorschrift des § 42 W G . stattet die Bestimmungen, auf die sie sich bezieht, zum Schutze des Versicherungsnehmers mit zwingender Kraft insofern aus, als sich bei ihrer vertraglichen Abwandlung zu Ungunsten des Geschützten die Rechtslage nach dem Gesetze bestimmen soll. Die begrenzte zwingende Wesensart dieser Bestimmung tritt also dann in Erscheinung, wenn der durch sie angestrebte Schutz des Versicherungsnehmers durch eine vertragliche Vereinbarung vereitelt wird. In diesem Falle soll sich der Versicherer auf die Vereinbarung nicht berufen dürfen, seine Verpflichtung sich vielmehr nach dem Gesetze bestimmen. O b der Versicherungsnehmer durch die Abweichung von der gesetzlichen Regelung benachteiligt wird, kann nur nach der Lage des Einzelfalles beurteilt werden. Der Berufungsrichter verkennt das Wesen der begrenzt zwingenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes, wenn er von dem Ergebnis einer Prüfung im Einzelfalle deshalb absehen zu müssen glaubt, weil die Gültigkeit der vertraglichen Vereinbarung, ihre grundsätzliche Verbindlichkeit, sonst immer in der Schwebe bleibe. Die Gültigkeit der Vereinbarung an sich steht überhaupt nicht in Frage; dem Versicherer ist nur in bestimmten Fällen die Berufung auf sie dem Versicherungsnehmer gegenüber versagt. Die Vereinbarung bleibt für den Versicherer im ganzen Umfange verbindlich, bindet ihn also insbesondere dann, wenn sie im Einzelfalle den Versicherungsnehmer gegenüber dem Gesetz begünstigt, und versagt nur dann, wenn sie im Ergebnis zu einer Verkürzung, der durch die begrenzt zwingenden Vorschriften des Gesetzes gewährleisteten Rechte des Versicherungsnehmers führt. Das angefochtene Urteil beruht hiernach auf rechtsirrige Anwendung des § 42 W G . In der bereits angeführten Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. Januar 1938 ist dem im verschärften Verzuge befindlichen Versicherungsnehmer trotz Zahlung des rückständigen Beitrags vor Eintritt des Versicherungsfalles der Versicherungsschutz unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Verkehr (§ 242
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Versicherungsvertragsgesetz
BGB.) deshalb versagt worden, weil er im Zeitpunkt der Zahlung bereits von dem Schadensereignis Kenntnis hatte und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Geschädigten erwartete. Der Senat hat in jener Entscheidung ( a . a . O . S. 384) indessen ausgesprochen, daß ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des Versicherungsnehmers regelmäßig dann nidit angenommen werden könne, wenn dieser den rückständigen Versicherungsbeitrag zwar erst nach dem Schadensereignis (Verstoß), aber unbeeinflußt von diesem, insbesondere ohne Kenntnis von dessen Eintreten, entrichtet und das Versicherungsverhältnis danach noch unverändert und ohne einen Vorbehalt von Seiten des Versicherers fortgedauert habe. Audi nadi dieser grundsätzlichen Beurteilung, bei der der Senat verbleibt, kann dem Kläger im vorliegenden Falle der Versicherungsschutz wegen Verzugs mit der Beitragszahlung nicht versagt werden. Wie der Berufungsrichter feststellt, hat der Kläger im Zeitpunkte der Zahlung mit der Möglichkeit, daß er bei der Begründung der Berufung im Rechtsstreit H. wider Bankverein N. einen den Erfolg in Frage stellenden Fehler gemacht habe und deshalb auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden würde, noch nicht gerechnet. Die Beklagte hat die Zahlung entgegengenommen, ohne einen Vorbehalt zu machen oder an dem Versicherungsverhältnis etwas zu ändern. Umstände, die nach Treu und Glauben zu einer Versagung des Versicherungsschutzes für die Haftung des Klägers aus dem in die Versicherungszeit fallenden Schadensereignis ( § 1 4 9 V V G . ) trotz Zahlung des rüdeständigen Beitrags vor Eintritt des Versicherungsfalls führen müßten, sind danach nicht e r s i c h t l i c h . . . R G Z . 16$,
54.
Genügt es zur Begründung des Versicherungsanspruchs nach § 3 Nr. 2 AlIgKraftfVersBed., wenn sich der gute Glaube des Versicherungsnehmers nur darauf bezieht, daß der berechtigte Fahrer von der zuständigen Behörde eine außerhalb des vorgeschriebenen Führerscheinverfahrens formlos (ohne förmlichen Führerschein) erteilte Erlaubnis zum Lenken erhalten habe? VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 15. O k t o b e r
I. Landgericht Regensburg. —
II. Oberlandesgericht
1940. Nürnberg.
Mit Versicherungsschein vom 2 6 . Januar 1937 verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger auf Grund seines schriftlichen Antrags vom 19. Januar 1937 und der bei der Antragstellung ausgehändigten allgemeinen Versicherungsbedingungen (AlIgKraftfVersBed.) sowie der im
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Versicherungsschein angegebenen besonderen Bedingungen für seinen Lastkraftwagen Versicherungsschutz gegen Haftpflicht und Fahrzeugbeschädigung zu gewähren. Nach § 3 Nr. 2 AllgKraftfVersBed. ist die Gewährung des Versicherungsschutzes an die Voraussetzung geknüpft, daß der berechtigte Fahrer des Kraftfahrzeugs bei Eintritt des Schadens den zu Führung des Fahrzeugs vorgeschriebenen Führerschein hatte oder der Versicherungsnehmer dies entschuldbarerweise annehmen k o n n t e . Der Vertrag wurde für die Z e i t v o m 22. Januar 1937 bis zum 22. Januar 1938 abgeschlossen; er sollte sich stillschweigend jeweils um ein Jahr verlängern, sofern er nicht drei M o n a t e vor Ablauf von einem der V e r tragschließenden schriftlich gekündigt wurde; dies ist nicht geschehen. A m 2. September 1938 fuhr der Kraftwagenführer R. H., der im Dienste des Klägers stand, mit dessen Kraftwagen durch den Weiler G . D o r t stieß er mit einem von dem Forstmeister O . K. gesteuerten Personenkraftwagen zusammen. K. wurde schwer verletzt, sein Fahrzeug zertrümmert. Auch der Wagen des Klägers wurde beschädigt. Die drei Mitfahrer des H. erlitten leichtere Verletzungen. H . , der als Sudeten deutscher nach Deutschland geflüchtet war, besaß nur einen tschechoslowakischen Führerschein. Er wurde auf Grund dieses Unfalls durch Unteil des Amtsgerichts in N. v o m 2 8 . September 1938 wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung zu einer Gefängnisstrafe von drei M o n a t e n und zu einer Geldstrafe von sechs Reichsmark, ersatzweise zwei Tagen Gefängnis verurteilt. M i t der Klage will der Kläger festgestellt haben, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm sowohl die Geldbeträge, die er auf Grund seiner Verantwortlichkeit für den Unfall vom 2. September 1938 dem G e schädigten K . zu leisten hat, als auch den eigenen Schaden, der ihm bei demselben Unfall an seinem Lastkraftwagen entstanden ist, voll zu ersetzen. Die Beklagte hat sich geweigert, Versicherungsschutz zu gewähren, weil die
Versicherungsgefahr
durch
die
Einstellung
des H.
erhöht
worden sei; denn H., der im Rechtsfahren nicht ausgebildet gewesen sei, habe nicht in ausreichender Weise umgelernt und demzufolge keinen Führerschein erhalten. Zur Übernahme dieser Gefahrerhöhung sei sie weder vertraglich noch gesetzlich verpflichtet. Beide Vordergerichte haben der Klage in der allgemeinen Fassung stattgegeben, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger in bezug auf den Unfall vom 2. September 1938 nach Maßgabe des Versicherungs-
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Versicherungsvertragsgesetz
Vertrages vom 26. Januar 1937 Versicherungsschutz zu gewähren. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Gründe: Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der Führer des — von der Versicherung erfaßten — Kraftwagens des Klägers, H., keinen vorgeschriebenen Führerschein besessen; er hatte weder einen zwischenstaatlichen noch einen deutschen Führerschein. Der tschechoslowakische Führerschein, den er besaß, habe ihm die Erlaubnis, innerhalb des Deutschen Reichs einen Lastkraftwagen zu führen, nicht verschaffen können ( § 1 5 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13. November 1937 — RGBl. I S. 1215, 1354 - in der bis zum Unfalltage - 2. September 1938 — geltenden Fassung — StVZO. —, sachlich übereinstimmend mit der entsprechenden Vorschrift des § 3 Abs. 3 der Reichstraßenverkehrsordnung vom 28. Mai 1934 — RGBl. I S. 457 —, die zur Zeit des Abschlusses des Versicherungsvertrages zwischen den Parteien vom 26. Januar 1937 gegolten hat). In Anlehnung an die Entscheidung V I I 2 2 6 / 3 2 des erkennenden Senats vom 16. Dezember (nicht Februar) 1932 (JW. 1933 S. 765 Nr. 4) meint das Berufungsgericht, nach dem Sinne der erwähnten Bestimmung komme es nicht auf den Besitz des Führersdieines, sondern auf die Erlaubnis zum Führen des Fahrzeugs an. Wesentlich sei die von der zuständigen Verwaltungsbehörde erteilte Erlaubnis. Diese bringe zum Ausdrude, daß der Führer über einen solchen Grad von Fahrkunst verfüge, daß er zum öffentlichen Verkehr zugelassen werden könne. Der Führerschein habe dabei keine andere Bedeutung als die eines Beweismittels; er diene dazu, der Verkehrspolizei die notwendigen sofortigen Feststellungen zu ermöglichen. Die Führerscheinabrede in § 3 Nr. 2 AllgKraftfVersBed. bezwecke die Abgrenzung der Gefahren, welche die Versicherungsgesellschaft übernehmen wolle. Dabei könne sie nicht auf den Besitz eines Papiers über die Fahrkunst, sondern nur auf diese selbst abstellen; denn die Fahrkunst gebe den Maßstab für die Größe der Gefahr ab. Danach sei aus § 3 Nr. 2 AllgKraftfVersBed. der Wille der Parteien zu entnehmen, daß die Beklagte dem Kläger Versicherungsschutz gegen solche Gefahren zu gewähren habe, die bei dem Betrieb eines Kraftwagens entstehen, wenn dessen Führer nadi der Fahrerlaubnis der Verwaltungsbehörde die für den öffentlichen Verkehr erforderliche Fahrkunst aufweise. Wenn nun nach der Versicherungsbedingung dem Besitz des vorgeschriebenen Führerscheins als Voraussetzung für die Gewährung des Versicherungsschutzes der Fall gleichgestellt sei, daß der Versicherungs-
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nehmer entschuldbarerweise habe annehmen können, sein Führer habe diesen Ausweis, so müsse — so meint der Berufungsrichter weiter — folgerichtig der Versicherungsschutz auch dann erteilt werden, wenn der Versicherungsnehmer entschuldbarerweise habe annehmen können, der Führer habe durdi die Verwaltungsbehörde die Erlaubnis erhalten, den versicherten Wagen zu führen. In dieser Richtung stellt der Vorderrichter fest, daß weder das zuständige Bezirksamt nodi etwa die Wehrmadit dem Führer H. eine Fahrerlaubnis erteilt habe. Die staatliche Bauverwaltung sei zur Erteilung der Fahrerlaubnis nicht zuständig gewesen; sie habe deshalb eine derartige Befugnis auch nicht auf den Bauleiter der Firma G. übertragen können, für welche die fraglichen Fuhren geleistet worden seien. Wenn dieser den Fahrer H. als Führer für den Kraftwagen des Klägers bestimmt habe, so sei gleichwohl noch die Fahrerlaubnis des Bezirksamts erforderlich gewesen. Des weiteren nimmt das Berufungsgericht an, daß der Gendarmeriehauptwaditmeister Sdi. in R. am 25. August 1938 zur Ehefrau des Klägers gesagt habe, H. könne weiterfahren, müsse aber eine Ergänzungsprüfung machen. Diese Äußerung könne nur als Erteilung der Fahrerlaubnis, verbunden mit einer Auflage, verstanden werden, nicht aber in dem Sinne, daß H. weiterfahren dürfe, w e n n er diese Prüfung gemacht habe. Der Kläger habe sich auf das, was er hierüber, sei es von seiner Frau, sei es von Sch. unmittelbar erfahren habe, verlassen dürfen. Er sei nadi den im Urteil des erkennenden Senats vom 25. Oktober 1938 (RGZ. Bd. 158 S. 284) niedergelegten Grundsätzen über den entschuldbaren Irrtum im Sinne der Führerscheinabrede nicht verpflichtet gewesen, sich beim Bezirksamt darüber zu erkundigen, ob die Weisung des Gendarmeriebeamten in Ordnung sei. Denn dieser habe der Frau des Klägers in Aussicht gestellt, er wolle mit dem Verwaltungsinspektor beim Bezirksamt R. sprechen. Sch. habe sich dann tatsächlich auch im Bezirksamt erkundigt und, nachdem dies geschehen sei, am gleichen Tage den Kläger und seine Ehefrau nochmals aufgesucht und sich zur Frage der Fahrerlaubnis in der bezeichneten Weise ausgelassen. Der Kläger habe danach annehmen dürfen, daß der Gendarmeriehauptwachtmeister ihm die Anordnung des Bezirksamts richtig übermittelt habe, und es sei auch entschuldbar, daß der Kläger nach den bezeichneten Vorgängen geglaubt habe, das Bezirksamt habe für seinen bei der Beklagten versicherten Wagen dem Fahrer H. die Fahrerlaubnis erteilt. Dies sei auch nicht etwa durch eine übermäßige Verzögerung der Ablegung der Ergänzungsprüfung anders geworden; eine solche Verzögerung liege nicht vor.
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Diese Feststellungen vermögen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu rechtfertigen. Der Kläger hat unstreitig gewußt, daß der Fahrer H. nicht den deutschen, sondern nur den tschechoslowakischen Führerschein gehabt hat. Er kann auch nicht darüber im Zweifel gewesen sein, daß ein f ü r das Gebiet der Tschechoslowakei erteilter Führerschein nicht zugleich für das Gebiet des Deutschen Reiches Geltung hat. Der Fahrer H. hätte vielmehr, wie dem Kläger auch von amtlicher Seite eröffnet worden war, um die Fahrerlaubnis für das Reichsgebiet zu erhalten und demzufolge den sie voraussetzenden Führerschein zu erlangen, zunächst die in § 15 StVZO. — für den Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis — vorgeschriebene Ergänzungsprüfung vor einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder einem Polizeibeamten ablegen und damit ausreichende Kenntnisse der deutschen Verkehrsvorsdmften nachweisen müssen. Ferner hing die Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis davon ab, daß im übrigen keine Zweifel an der Eignung des H. als Fahrer bestanden. Über alles dies war der Kläger als Spediteur offenbar unterrichtet. Demnach k o n n t e er auch nicht entschuldbarerweise annehmen daß H. als berechtigter Führer des Kraftfahrzeugs bei Eintritt des Schadens den zur Führung des Fahrzeugs vorgeschriebenen Führerschein gehabt habe. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts steht fest, daß die — in den zur Zeit noch geltenden Allgemeinen Kraftfahrzeugversicherungsbedingungen (§ 3 Nr. 2) enthaltene — Führerschein- (mit Entschuldigungs-)abrede (Führerscheinklausel) keine vertragliche, dem Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer obliegende Vertragspflicht begründet, auch keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, deren Verletzung in der Frage des Verschuldens und in der Frage der Beweisführung nach § 6 W G . beurteilt werden müßte, sondern daß sie eine gegenständliche Abgrenzung des Versicherungsbereichs („Risikobeschränkung") darstellt, daß also die eine oder die andere der beiden in der Führerscheinabrede vorgesehenen Voraussetzungen, d . h . entweder das Vorhandensein des zur Führung des Fahrzeugs vorgeschriebenen Führerscheins für den berechtigten Führer oder auf seiten des Versicherungsnehmers die zwar irrige, aber gutgläubige und entschuldbare Annahme vorliegen muß, daß der Führerschein im Besitze des berechtigten Führers sei, um den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz und auch auf die Versicherungsleistung sachlich zu rechtfertigen (Entscheidungen des erkennenden Senats vom 25. O k tober 1938, RGZ. Bd. 158 S. 284 [286 flg.], und vom 13. Februar 1940,
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Jur. Rdsch. f. d. Privatvers. 1940 S. 147 Nr. 114; vgl. auch das in einem nach ostmärkischem Versicherungsrecht beurteilten Streitfall ergangene Erkenntnis des VIII. Zivilsenats vom 4. Mai 1939, RGZ. Bd. 160 S. 2 2 0 [222 flg.], dem eine ähnliche, aber nidit mit einer Entschuldigungsabrede verbundene Führerscheinklausel zugrunde liegt). Diese beiden Voraussetzungen, unter denen zum Zwecke der Einschränkung der Versicherungsgefahr die deutschen Kraftfahrzeugversicherer den Versicherungsschutz übernehmen, stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander mit der Folge, daß der vereinbarungsmäßige Anspruch auf Versicherungsschutz auch dann besteht, wenn der berechtigte Führer den Führerschein nicht besitzt, weil ihm entweder die Fahrerlaubnis mangels genügender Eignung versagt worden ist oder weil er sich der vorgeschriebenen Prüfung überhaupt nicht unterzogen hat, oder wenn ihm die früher erteilt gewesene Fahrerlaubnis wieder entzogen worden ist — dies selbst dann, wenn ihm jede Eignung zum Fahren mit dem Kraftfahrzeuge fehlen sollte —, sofern nur beim Schadenseintritt deT Versicherungsnehmer entschuldbarerweise annehmen konnte, daß der berechtigte Fahrer den Führerschein besitze. Die Entschuldbarkeit auf Seiten des Versicherungsnehmers soll allein genügen, um seinen Anspruch auf Versicherungsschutz zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung, die einen Ausnahmetatbestand begründet, darf aber nicht, wie der Vorderrichter reditsirrig annimmt, ausdehnend für den Fall angenommen werden, daß der Versicherungsnehmer zwaT wußte, der berechtigte Führer besitze den vorgeschriebenen Führersdiein nicht, aber gutgläubig und auch entschuldbarerweise der Meinung war, die zuständige Behörde habe jenem eine Fahrerlaubnis und zwar außerhalb des gesetzlichen Verfahrens über die Erteilung des sie beurkundenden Führerscheins und ohne Ausstellung eines solchen, gegeben. Eine derartige Ausdehnung würde den Umfang des bestimmt abgegrenzten Versicherungsschutzes, wie ihn der Versicherer kraft allgemeiner vertragsmäßiger Regelung übernehmen will und auch im vorliegenden Falle nur hat übernehmen wollen, in einem wesentlichen Ausmaß erweitern und die Versicherungsgefahr im Verhältnis der Parteien des Versicherungsvertrags zu Lasten des Versicherers beträchtlich verschieben. Das entspricht weder dem klaren Wortlaut der Versicherungsbedingungen, noch kann es als dem erkennbaren Willen der Vertragsteile und dem Zweck der Versicherung entsprechend angesehen werden. Die Führerscheinabrede bezweckt, Sicherheit dafür zu geben, daß der Fahrer die Fähigkeiten und Eigenschaften besitzt, deren Nachweis von der Behörde zur Erteilung der Fahrerlaubnis und des Führerscheins
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verlangt wird. Es liegt also im Sinne der Vertragsabrede, daß d i e Fahrerlaubnis vorliegen muß, die regelmäßig nach vorheriger Eignungsprüfung, sei es gemäß § § 4 , 11 oder, wenn es sich um den Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis handelt, gemäß § 15 S t V Z O . , durch Ausstellung einer amtlichen, die Eignung des Fahrers bezeugenden Bescheinigung, eben des Führerscheins, erteilt wird. Daß irgendeine andere, außerhalb des vorgeschriebenen Prüfungs- und Erteilungsverfahrens gegebene Erlaubnis, sei es auch der an sich für die Ausstellung des Führerscheins zuständigen Behörde, vorgelegen hat, kann danach als sachliche Voraussetzung des Versicherungsschutzes nach Maßgabe des die Rechtsbeziehungen der Parteien abschließend ordnenden Versicherungsvertrags nicht genügen. Daraus folgt zugleich, daß, wenn kein Führerschein, also keine im vorgeschriebenen Verfahren erteilte Erlaubnis vorliegt, vereinbarungsgemäß zur Begründung des Versicherungsanspruchs auch nicht die gutgläubige und entschuldbare Annahme des Versicherungsnehmers genügen kann, dem Fahrer sei — außerhalb des Führerscheinverfahrens und ohne Ausstellung eines Führerscheins — eine (formlose) Erlaubnis zum Lenken des Fahrzeugs erteilt worden. Im gegebenen Falle wußte der Kläger, daß der Fahrer H. die Auflage erhalten hatte, nachträglich durch eine Prüfung seine Eignung zum Fahren nachzuweisen. Erst dann sollte H. den Führerschein bekommen, und der Kläger konnte darüber nicht im unklaren sein. Seine Annahme, H. dürfe vorläufig fahren, wenn er sich nur demnächst der Prüfung noch mit Erfolg unterziehe, kann nach den Versidierungsbedingungen keinen Anspruch auf Versicherungsschutz begründen. Denn dessen vertragliche Übernahme war gerade für den Fall ausgeschlossen, daß keine nach vorgängiger (Ergänzungs-) Prüfung erteilte Fahrerlaubnis durch Ausstellung und Behändigung des Führerscheins vorlag. Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsähnlichkeit kann bei solchen Umständen kein Anspruch auf Versicherungsschutz zuerkannt werden, weil eine für die gegenständliche Abgrenzung der Versicherungsgefahr wesentliche V o r aussetzung fehlt und der Versicherungsgesellschaft nicht zugemutet werden kann, sich auf eine derartige, das Versicherungsverhältnis mit einer Unsicherheit belastende Ausweitung der Versicherungsgefahr einzulassen, die den mit dem Erfordernis des Führerscheins deutlich ausgedrückten Vertragsabsichten nicht entspricht. Auch durch die Bezugnahme des Vorderrichters auf die Entscheidung VII 2 2 6 / 3 2 des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1 9 3 2 ( J W . 1933 S. 7 6 5 Nr. 4 ) kann das Berufungsurteil nicht gerechtfertigt werden. Ihr lag ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde, als es in
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dem jetzigen Streit der Fall ist. Denn damals hatte der berechtigte Führer den vorgeschriebenen Führerschein im gesetzlichen Prüfungsund Erteilungsverfahren tatsächlidi erworben; er hatte ihn bei der Schadensstiftung nur nicht zur Hand, weil er ihn verloren hatte. Nur diesen Fall haben die Ausführungen des bezeichneten Erkenntnisses im Auge; sie haben keine darüber hinausgehende allgemeinere Bedeutung. Namentlich beziehen sie sidi nicht auf den Fall, daß der Fahrer den Führerschein überhaupt nicht erworben hatte, ihm audi nadi Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften keine Fahrerlaubnis erteilt worden war und der gute Glaube des Versicherungsnehmers sich, wie hier, nur darauf bezog, daß dem Fahrer von der Behörde erlaubt worden sei, einstweilen zwar ohne Führerschein, aber unter der Auflage zu fahren, die vorgeschriebene Prüfung baldigst abzulegen. Wenn in dem Urteil v o m 16. Dezember 1932 auf die sachliche Bedeutung des Führerscheins als der gesetzlichen Ausdrudesform der amtlichen Fahrerlaubnis Wert gelegt und dies hervorgehoben ist, so hat der Senat damit nicht ausgesprochen, daß in allen Fällen die entschuldbare Annahme einer, wenn auch nur formlos erteilten Erlaubnis genüge; vielmehr besteht die dort betonte Bedeutung des Führerscheins als der eigentlichen Fahrerlaubnis, auf die es ankomme, in der Erteilung der vorgeschriebenen Erlaubnis im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, welche die Straßenverkehrsordnung dafür aufstellt. Nur diese konnte nach dem damals zu würdigenden Sachverhalt, wie sich aus dem Zusammenhang klar ergibt, damit gemeint sein. R G Z . 167, 2 4 3 . Kann der im sogenannten Deckungsprozeß auf Gewährung von Versicherungsschutz in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer auch dann noch geltend machen, das Schadensereignis falle nicht unter den Versicherungsschutz, wenn im vorausgegangenen SchadensprozeB die Haftpflicht des Versicherten derart reditskräftig festgestellt worden ist, daß die Zugehörigkeit des Schadensereignisses zum Bereich des Versicherungsschutzes eine Urteilsgrundlage gebildet hat? Welche Einwendungen gegen seine Versicherungsschutzpflicht kann der Versicherer in solchem Falle sonst noch erheben? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263), auch in der Fassung des Gesetzes v o m 7. November 1939 (RGBl. I S. 2223) und der Verordnung vom 19. Dezember 1939 (RGBl. I S . 2443), - W G . - § 149. Versicherungsvertragsgesetz II
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VII. Z i v i l s e n a t . 1. Landgericht Leipzig. —
Urt. v. 2 2 . J u l i
1941.
II. Oberlandeigeridit Dresden.
Der Kläger war bei der Beklagten gegen die gesetzliche Haftpflicht aus dem Betriebe eines Personenkraftwagens versichert. Nach § 17 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten ( A V B . ) umfaßt der Versicherungsschutz unter den üblichen Voraussetzungen auch die Haftpflicht des Fahrers. In § 9 das. ist bestimmt: Wird eine Obliegenheit verletzt, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles . . der Gesellschaft gegenüber zu erfüllen ist, so ist die Gesellschaft von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht oder daß sie nachweislich der Gesellschaft keine Nachteile gebracht hat. In § 18 wird unter der Überschrift „Obliegenheiten im Versidierungsfalle" u . a . bestimmt: 2. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, unter Beachtung der Weisungen der Gesellschaft . . . alles zu tun, was zur Klarstellung des Schadensfalles dient. Er hat der Gesellschaft . . . alle Tatumstände, welche auf den Schadensfall Bezug haben, mitzuteilen . . . 3. K o m m t es zum Prozeß über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer alle . . . von der Gesellschaft für nötig erachtete Aufklärung zu geben . . . Am 8. Juli 1 9 3 6 stieß der obengenannte, vom Rechtsanwalt Dr. K. gesteuerte Kraftwagen mit einem von dem Lageristen T h . gesteuerten Kraftrade zusammen, wobei Th. Körper- und Sachschaden erlitt. T h . nahm vor dem Landgericht Leipzig den Kläger als Halter und den Dr. K. als Fahrer des Kraftwagens auf Schadensersatz in Anspruch. Die Haltereigenschaft des (nunmehrigen) Klägers wurde in jenem Rechtsstreit nicht bestritten. Durch Zwischen- und Teilurteil vom 16. Dezember 1 9 3 7 erklärte das Landgericht Leipzig die gegen den nunmehrigen Kläger als Halter und gegen Dr. K. als Fahrer des Kraftwagens von T h . erhobenen Zahlungsansprüche dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt und stellte die weitergehende Ersatzpflicht beider für die Hälfte des noch entstehenden Schadens rechtskräftig fest. Das Verfahren über den Betrag war zum Teil bereits durch Vergleich erledigt, als die Beklagte, die zunächst dem Kläger und dem Dr. K. Deckungsschutz gewährt hatte, beiden gegenüber die Gewährung weiteren Versicherungsschutzes ablehnte und auch Rückzahlung der bis dahin aufgewendeten
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Beträge forderte. Sie berief sidi darauf, daß der Kläger, wie sie nunmehr festgestellt habe, am Unfalltage nicht Halter des Kraftfahrzeuges gewesen sei. Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, ihm und dem Rechtsanwalt Dr. K. weiterhin Versicherungsschutz wegen der Ansprüche aus jenem Zusammenstoß zu gewähren, insbesondere sie beide weiterhin von den Ansprüchen zu befreien, die Th. auf Grund der im Schadensprozeß ergangenen Urteile noch erhebe oder erheben werde. Die Beklagte macht geltend, der Kläger sei nie Halter des Kraftfahrzeugs gewesen. Seiner Berufung auf die rechtskräftige Feststellung seiner Haltereigcnschaft stehe daher die Einwendung der Arglist entgegen. Er habe durdi bewußt falsche Unterrichtung der Beklagten diese Feststellung im Schadensprozeß herbeigeführt, wodurch ihre Verpflichtung nach den oben angeführten Bestimmungen ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen entfallen sei. Da Dr. K. nidit von dem wirklichen Halter des Wagens ermächtigt gewesen sei, den Kraftwagen zu steuern, bestehe auch kein Anspruch des Klägers als Versicherungsnehmers auf Gewährung von Versicherungsschutz für Dr. K. Beide Vordergeridite haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Aus den
Gründen:
I. Das Landgericht hat die eigene Prüfung der Frage, ob der Kläger wirklich Halter des Kraftwagens gewesen ist, abgelehnt, weil sie im Schadensprozeß rechtskräftig entschieden worden und weil diese Entscheidung für die des Deckungsprozesses bindend sei. Es hat dabei den aus § 322 Abs. 1 Z P O . hergeleiteten Begriff der Rechtskraft, die ja nur zwischen den Parteien jenes Rechtsstreits Wirkung äußern kann, nicht gleichgesetzt mit der Bindung, von der es spricht. Diese Bindung leitet das Landgericht vielmehr, wie die Bezugnahme auf Schrifttum und Rechtsprechung (insbesondere des erkennenden Senats) ergibt, aus der Rechtsnatur des Anspruchs her, der den Gegenstand der Haftpflichtversicherung (§ 149 VVG.) bildet. Die Rechtskraft des Urteils im Schadensprozeß habe dabei nur insofern Bedeutung, als ohne ihren Eintritt auch keine Bindung gegeben sein könne. Diese Bindung hindere jedoch nicht, so fährt das Landgericht fort, daß im gegenwärtigen Rechtsstreite die Frage zu prüfen sei, ob der Kläger im Hinblick auf die Klärung der Frage der Haltereigenschaft seinen Obliegenheiten aus § 18 Ziff. 2 und 3 in Verb, mit § 9 AVB. nachgekommen sei. 10'
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Dieser, wie noch auszuführen sein wird, durchaus zutreffenden Reditsauffassung des Landgerichts glaubt das Berufungsgericht nicht folgen zu können. Es führt aus, der Grundsatz, wonach die Frage, ob der Versicherungsnehmer dem Verletzten hafte, im Rechtsstreit zwischen dem Verletzten und dem Versicherungsnehmer zu entscheiden sei und wonach die rechtskräftige Entscheidung hierüber dann „insoweit" bindend für die Entscheidung des Deckungsprozesses sei, gelte dann nicht, wenn der Versicherer eine versidierungsrechtliche Einwendung erhebe. Eine solche sieht der Berufungsrichter in der Einwendung, der Kläger sei zur Zeit des Unfalls nicht Halter des Kraftwagens gewesen. Deshalb sei die Beklagte zum Beweise hierfür zuzulassen. Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist rechtsirrig. Der Irrtum liegt darin begründet, daß der Vorderrichter den Begriff der „versicherungsrechtlichen Einwendung" verwechselt mit den Bestandteilen der Anspruchsbegründung des Verletzten im Schadensprozeß. „Wird im Schadensprozeß die Haftpflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten rechtskräftig festgestellt, so ist ddese Feststellung auch im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer maßgebend. Die Frage der Haftpflicht kann in einem späteren Dedcungsprozeß nicht mehr aufgerollt werden. Dem Versicherer steht aber auch dann noch der Einwand offen, daß der Versicherungsnehmer durch vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Abwehrjj flicht oder durch ebenso schuldhaften Verstoß gegen eine sonstige Obliegenheit den Versicherungsanspruch verwirkt habe" ( S c h a c k in JW. 1939 S. 449 flg. [S. 453, zweite Spalte oben]). Dieser Darlegung ist beizustimmen. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats und der einhelligen Rechtslehre. Freilich ist damit noch nichts für die Frage gewonnen, ob die sonach für den Dedcungsprozeß bindend festgestellte Haftpflicht des Versicherungsnehmers unter den Versicherungsschutz fällt (vgl. S c h a c k a. a. O.). Im vorliegenden Fall ist aber audi dieses zugleich mit der rechtskräftigen Feststellung der Haftpflicht des Klägers bindend für den Dedcungsprozeß entschieden: denn der (im Anschluß an die wiedergegebene Stelle von Sdiadc erörterte) Fall, daß in der Entscheidung des Schadensprozesses ungeklärt geblieben ist, ob das Schadensereignis in den Versicherungsbereich fällt, so daß der Prüfung dieser Frage im Dedcungsprozeß nichts im Wege steht, ist hier nicht gegeben. Vielmehr ist durch das rechtskräftige Urteil im Schadensprozeß, in welchem der Kläger a l s H a l t e r des Kraftwagens in Anspruch genommen und rechtskräftig verurteilt worden ist, in einer für den Deckungsprozeß bindenden Weise zugleich festgestellt, daß das
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Schadensereignis in den Grenzen des Versicherungsbereichs stattgefunden hat; denn ein Zweifel anderer Art über die Zugehörigkeit des Schadensereignisses zum Versidierungssdiutzbereidi kam hier nicht in Frage. Auch „diese Feststellung ist also gegenüber dem Versicherer bindend, und er kann im Deckungsprozeß nicht mehr einwenden, sie sei unrichtig, tatsächlich habe es sidi (doch) um einen Vorgang gehandelt, der außerhalb des Versicherungsbereichs gelegen habe" (S c h a c k a. a. O.). Zu Unrecht beruft sich der Vorderrichter für seine anscheinend abweichende Ansicht auf P r ö 1 ß. Dieser führt in seinem Erläuterungswerk (3. Aufl. S. 335 unten, 336) ausdrücklich im Anschluß an die Wiedergabe des vorerwähnten Bindungsgrundsatzes aus: „Hat also das Gericht entschieden, daß der Versicherungsnehmer dem Verletzten als Autohalter ersatzpflichtig sei, so kann der Versicherer nicht einwenden, der Versicherungsnehmer sei gar nicht Autohalter"; dafür weist Prölß mit Recht auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats hin. Die Einwendung des Versicherers, der Versicherungsnehmer sei nicht Halter des Kraftfahrzeuges gewesen, ist also keine „versicherungsrechtliche Einwendung", wie der Vorderrichter meint; sie leitet sich nicht aus dem Versicherungsvertrage her, greift vielmehr die tatsächliche und rechtliche Grundlage an, auf die der Verletzte dem Versicherungsnehmer gegenüber im Schadensprozeß seinen Anspruch gestützt und auf der er rechtskräftig obgesiegt hat. D i e s e r Angriff steht dem Versicherer aber nidit mehr offen . . . Ungeachtet der oben erwähnten rechtsirrtümlichen Bemerkung hat jedoch den Vorderrichter in Wahrheit der vom Landgericht zutreffend hervorgehobene, auch aus den oben wiedergegebenen Stellen des Aufsatzes von Sdiack ersichtliche Rechtsgedanke geleitet, daß dem Versicherer unbeschadet durch jene Bindung „versicherungsrechtliche Einwendungen" offen bleiben, d. h. Einwendungen, die sich aus dem Versicherungsvertrag als solchem ergeben und nicht die Frage betreffen, ob der Versicherungsnehmer dem Verletzten aus einem in den Versicherungsschutzbereich fallenden Schadensereignis haftet. Zu solchen Einwendungen berechtigen insbesondere die, wie oben wiedergegeben, von Schack angeführten Verstöße des Versicherungsnehmers, mögen sie Obliegenheiten im engeren Sinne betreffen oder nicht, wenn sie nach dem Inhalte ders Versicherungsvertrages oder auf Grund Gesetzes entweder den Versicherungsvertrag selbst zur Auflösung bringen oder doch das Freiwerden des Versicherers von der Leistungspflidit zur Folge haben können. So hatte denn auch die Beklagte geltend gemacht, der Kläger habe sie über die Tatsachen, die für die Bejahung oder Ver-
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neinung seiner Haltereigensdiaft erheblich waren, bewußt getäuscht und sie dadurch veranlaßt, im Schadensprozeß seine Haltereigensdiaft nicht zu bestreiten, so daß es insoweit zur Verurteilung des Klägers als Halters des Wagens gekommen sei. Aus dieser Behauptung hatte sie Rechtsfolgen hergeleitet, insbesondere die sich aus § 9 A V B . in V e r bindung mit § 18 Ziff. 2 und 3 das. ergebende Befreiung von ihrer Leistungspflicht . . . Diese wirklich „versicherungsrechtlichen" Einwendungen allein durfte der Berufungsriditer prüfen, nicht aber die für diesen Rechtsstreit bereits bindend durch das rechtskräftig gewordene Urteil im Schadensprozeß feststehende Haltereigensdiaft des Klägers als den Rechtsgrund seiner Haftung gegenüber dem Verletzten. Darin liegt kein Widerspruch etwa um deswillen, weil eine Obliegenheitsverletzung oder gar darüber hinaus eine arglistige Täuschung der Beklagten durch falsche Angaben des Klägers über die für die Haltereigensdiaft erheblichen Umstände begrifflich ausgeschlossen sei, wenn doch seine Haltereigensdiaft für diesen Rechtsstreit bereits bindend feststehe. Vielmehr setzen die aus der Behauptung einer Obliegenheitsverletzung (oder einer arglistigen Täuschung) mit obiger Begründung hergeleiteten Einwendungen gerade voraus, daß der Kläger an 9idi endgültig dem V e r l e t z t e n als H a l t e r h a f t e t und daß deswegen an sich die Beklagte dem Kläger aus dem Versicherungsvertrage zur Leistung verpflichtet ist. Denn aus der Obliegenheitsverletzung — oder aus der arglistigen Täuschung — will die Beklagte ja gerade den Schluß herleiten, durch diese Obliegenheitsverletzung (arglistige Täuschung) 9ei es zur vorerwähnten Bindung und damit zu ihrer Leistungspflidit g e k o m m e n ; von dieser ihrer (sonst bestehenden) Leistungspflidit sei sie aber — als Folge der Obliegenheitsverletzung (arglistigen Täuschung) — dem Kläger gegenüber frei geworden. Die Bindung des Richters im Deckungsprozeß in der Frage, o b der Kläger dem Verletzten als Halter hafte, hinderte also, wie das Landgericht richtig erkannt hat, nicht, daß der Richter prüfte, o b es gerade infolge einer Obliegenheitsverletzung zu jener Bindung gekommen sei, so daß die Voraussetzungen des § 9 in V e r b , mit § 18 Ziff. 2 und 3 A V B . zutreffen würden. Nur unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten k ö n n e n demgemäß die Ausführungen der Revision Beachtung finden, mit denen sie das Berufungsurteil angreift. II. Die Erwägungen, mit denen der Vorderrichter zu dem Schlußergebnis gelangt, „der Kläger sei zur Z e i t des Unfalls am 8. Juli 1 9 3 6 Halter des Wagens gewesen, er habe also keine nach Eintritt des V e r sidierungsunfalls der Beklagten gegenüber zu erfüllende Obliegenheit
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Haftpflichtversicherung
verletzt", beruhen im wesentlichen auf dem ihm als Tatrichter vorbehaltenen Gebiete der tatsächlichen Feststellung und Beweiswürdigung. Vergebens versucht ihm die Revision Rechtsverstöße nachzuweisen . . . (Dies wird im einzelnen ausgeführt.) Erweist sich nach alledem die (an sich vielleicht unter einem rechtsirrigen Gesichtspunkte getroffene) Feststellung des Vorderrichters, der Kläger sei zur Zeit des Unfalls Halter jenes Kraftwagens gewesen, als rechtlich nicht zu beanstanden, so entfällt damit die Möglichkeit, daß dem Kläger die von der Beklagten behauptete Obliegenheitsverletzung oder arglistige Täuschung zur Last fiele. Demgemäß ist die Revision zurückzuweisen. RGZ. 168, 372. Unter welchen Voraussetzungen kann der Versicherungsnehmer, der mit einem Lastwagen gegen Haftpflicht versichert ist, vom Versicherer Versicherungsschutz verlangen, wenn er gelegentlich Personen zur Beförderung auf dem Wagen hat mitfahren lassen und diesen Personen durch einen Unfall während der Fahrt Haftpfliditanspriidie gegen den Versicherungsnehmer entstanden sind oder sein sollen, die sie gegen ihm geltend machen? V V G . §§ 149 flg. VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Berlin. —
Urt. v. 24. Februar 1942. 11. Kammergericht
daselbst.
Der Kläger war seit dem 2. Juni 1938 mit dem von ihm gefahrenen, polizeilich zugelassenen Kraftfahrzeug gegen Fahrzeugverlust und -Schäden (Kasko) und gegen Haftpflicht versichert. In dem von ihm unterzeichneten, vorgedruckten Versicherungsanträge für KraftfahrzeugVersicherung (Fragebogen) vom gleichen Tage hatte er das zu versichernde Fahrzeug als Lastwagen bezeichnet und die unter Nr. 3 b enthaltenen Fragen nach der „Verwendung des Fahrzeugs" wie folgt beantwortet: 1. Personenfahrzeuge . . . 2. Güterfahrzeuge. Werden gewerbsmäßig Güter gegen Entgelt für andere befördert? . . . ja. Werden Fahrten ausgeführt, die nach dem Güterfernverkehrsgesetz als Fernfahrten gelten? . . nein. Werden Fahrten ausgeführt, auf denen Personen befördert werden? . . . nein.
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Über den Umfang des von der Beklagten zu gewährenden Haftpflichtversicherungsschutzes heißt es in § 14 der in den Versicherungsschein aufgenommenen „Allgemeinen Bedingungen" für die Haftpflichtversicherung: Der Versicherungsschutz umfaßt die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden, wenn bei dem Betriebe des Kraftfahrzeugs Personen verletzt oder getötet (Personenschaden) oder Sachen beschädigt oder zerstört werden (Sachschaden) oder eine Vermögenseinbuße, die weder durch eine Personen- noch durch eine Sachbeschädigung herbeigeführt ist (reiner Vermögensschaden), eintritt. Unter den die Haftpflichtversicherung betreffenden Fragen des Fragebogens für den Versicherungsantrag befindet sich unter Nr. 8 a die Frage: Sollen, falls Fahrten zur Personenbeförderung ausgeführt werden, Ansprüche beförderter Personen mitversichert sein? Diese Frage hatte der Kläger unbeantwortet gelassen. Im Kopf des Versicherungsantrags findet sich der aufgedruckte Hinweis: Alle Fragen sind sorgfältig und genau zu beantworten. Striche oder Niditbeantwortung gelten als Verneinung. Am 6. Oktober 1938 fuhr der Kläger, wie schon seit Monaten täglich, mit dem versicherten Lastwagen von W. nach R. in der Pfalz. Er hatte im Auftrage der Heeresverwaltung eine Fahrt nach W. ausgeführt und befand sich nach Erledigung des Auftrages nunmehr auf der Rückfahrt. Am Ostausgange von W. begegnete er mehreren Soldaten, die er auf ihren Wunsch ein Stüde Weges mitnahm. Auf der Weiterfahrt kam es zwischen D. und R. zu einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Lastwagen, wobei der Wagen des Klägers beschädigt und drei der auf der Pritsche des Wagens sitzenden Soldaten verletzt wurden. Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger gegenüber den Haftpflichtansprüchen aus diesem Unfall Versicherungsschutz zu gewähren. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm für die Folgen des ihm am 6. Oktober 1938 zugestoßenen Verkehrsunfalls Versicherungsschutz zu gewähren. Die Beklagte hat eingewendet, die Versicherung des Klägers erstrecke sich nicht auf solche Haftpflichtansprüche, die infolge einer Beförderung von Personen entständen; denn in dem Versicherungsantrage habe der Kläger den
HaftpfliAtversidieruiig
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versicherten Wagen als Lastwagen, d. h. als ein der Beförderung von Gütern und nicht von Personen dienendes Kraftfahrzeug, bezeichnet. Darüber hinaus habe er auch die Frage, ob Fahrten ausgeführt werden, auf denen Personen befördert werden, ausdrüddich verneint. In den ersten beiden Rechtszügen ist die Klage abgewiesen worden. Auf die Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Beklagte dem Klagebegehren entsprechend verurteilt. Gründe: Das Landgericht hatte einen Anspruch auf Versicherungsschutz nadi § 14 AVB. nicht für begründet angesehen. Allerdings sei in dieser Vertragsbestimmung keine ausdrückliche Beschränkung der Haftpflichtversicherung auf Schäden ausgesprochen, die sich bei Güterfahrten ereignen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnten auch Schäden als in die Versicherung eingeschlossen angesehen werden, die sich auf Fahrten mit Personenbeförderung zutragen. Bei der Auslegung des Vertrages sei aber der wirkliche Wille der Parteien zur Zeit des Vertragssdilusses zu ermitteln. Im vorliegenden Falle sei im Versicherungsscheine von der Beklagten besonders betont worden, daß der Versicherungsschutz auf Grund des gestellten Antrags übernommen werde. In diesem Antrag habe der Kläger sein (zu versicherndes) Fahrzeug als Lastwagen für den gewerbsmäßigen Güterverkehr bezeichnet und ausdrücklich die Ausführung von Fahrten mit Personenbeförderung verneint. Darin liege nicht nur eine Beschreibung des angemeldeten Fahrzeugs, sondern gleichzeitig auch eine Abgrenzung des gewünschten Versicherungsschutzes. Es müsse davon ausgegangen werden, daß der Kläger einen Versicherungsschutz bloß in dem Rahmen erstrebt habe, in dem er seinen Wagen zu benutzen beabsichtigte, also nur zur Beförderung von Gütern in seinem Fuhrunternehmen. Ein Versicherungsschutz bei Personenbeförderung sei für ihn nur insoweit von Bedeutung gewesen, als es sich um die Beförderung von Begleitpersonen der Güterbeförderung gehandelt habe, nicht darüber hinaus. Es sei nicht anzunehmen, daß bei ihm die Absicht bestanden habe, die erhöhten Beitragssätze der Personenbeförderung zu übernehmen, obwohl er den Wagen zu solchen Fahrten nicht habe benutzen wollen. O b es sich bei der Personenbeförderung um eine nur gelegentliche oder um eine regelmäßige handle, ob ein Entgelt dafür geleistet werde oder eine Gefälligkeit vorliege, sei für die Leistungspflicht der Beklagten unerheblich. Das Landgericht hatte noch hinzugefügt, einer solchen Auslegung könne nicht entgegengehalten werden, daß der Kraftwagen-
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führer es dann wegen des für ihn entstehenden Wagnisses ablehnen müsse, auch einen Schwerverletzten und dessen Begleitpersonen auf seinen Lastwagen zu nehmen und zur Lebensrettung in ein Krankenhaus zu bringen; denn die Versicherungsgesellschaft müsse sidi eine solche Gefahrerhöhung ohne nachteilige Rechtsfolge für den Versicherungsnehmer nach § 26 W G . gefallen lassen. Im vorliegenden Falle habe der Kläger die Soldaten sicherlich nur aufsteigen lassen, um ihnen Anstrengungen zu ersparen und sich ihnen gefällig zu erweisen; offenbar seien die mitgenommenen Insassen durchaus gesunde und marschfähige Personen gewesen, die ihren Weg hätten zu Fuß zurüdklegen können. Das Kammergericht hat sich dieser Begründung im wesentlichen angeschlossen. Es ist auch der Meinung, maßgebend für den Inhalt des Versicherungsvertrags sei das, was die Parteien hätten versichern wollen. Aus den ihm im Antragsvordrude vorgelegten Fragen habe der Kläger ersehen müssen, daß es für die Beklagte von Bedeutung gewesen sei, zu wissen, ob er mit dem zur Versicherung angemeldeten Lastwagen auch Personen befördere. Seine Antworten auf die Fragen des Versicherungsantrags hätten auf die Beklagte nur die Wirkung haben können, daß sie sich keine Gedanken darüber habe zu machen brauchen, wie sie das Versicherungsverhältnis für den Fall einer Personenbeförderung habe gestalten wollen. Denn der Kläger habe ja klar zu erkennen gegeben, daß er keine Personen befördere. Das bedeute aber, daß die Beklagte den Fall der Personenbeförderung nicht in den Bereich ihres Wagnisses mit habe einbeziehen, dem Kläger also gegen etwaige Haftpflichtansprüche aus Personenbeförderung keinen Versicherungsschutz habe gewähren wollen. O b der Kläger bei der Verneinung der unter der Überschrift „Verwendung des Fahrzeugs" enthaltenen ersten Frage (ob nämlich Fahrten ausgeführt würden, auf denen Personen befördert werden) die Vorstellung gehabt habe, daß damit nur die bestimmungsmäßige Verwendung des Fahrzeugs zur Personenbeförderung, nicht aber die gelegentliche Mitnahme von Personen gemeint sei, k ö n n e dahinstehen. Denn entscheidend für die Auslegung einer Willenserklärung sei nicht die Vorstellung des Erklärenden, sondern der Sinn, in welchem der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben habe verstehen können. Aus dem Zusammenhange von Frage und Antwort habe aber die Beklagte nur entnehmen können, daß die Personenbeförderung für den Kläger ohne jede Bedeutung gewesen sei; infolgedessen habe sie diese in den von ihr zugesagten Versicherungsschutz nicht mit einschließen wollen. Daraus folge, daß der Kläger durch den abgeschlosse-
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neu Versicherungsvertrag gegen Haftpflichtansprüche aus einer Personenbeförderung nicht geschützt werde. Auch der Hinweis auf § 2 6 W G . k ö n n e dem Kläger nichts nützen, weil diese Vorschrift den Fall einer nach dem Abschlüsse des Versicherungsvertrags vom Versicherungsnehmer vorgenommenen Gefahrerhöhung betreffe. Diese Frage spiele hier deshalb keine Rolle, weil die M i t n a h m e der Soldaten unter dem Gesichtspunkte zu betrachten sei, ob sie überhaupt unter die Versicherung falle, und dies bereits verneint werden müsse. I. Diese Auslegung des Versicherungsvertrags durch die beiden Vordergerichte kann nicht gebilligt werden. Sie unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts der freien Nachprüfung im Revisionsverfahren, da es sich offenbar um eine für alle gleichartig liegenden Versicherungsfälle der verklagten Versicherungsgesellschaft gleichmäßig gültige (sog. typische) Vertragsurkunde (Versicherungsschein v o m 2 4 . Juni 1 9 3 8 mit dem darin bezogenen Versicherungsantrage v o m 2. Juni 1 9 3 8 ) handelt. Dieser Annahme s t e h t die Ausgestaltung des als Versicherungsantrag verwendeten Fragebogens, der einen Bestandteil des Versicherungsvertrags bildet, und die darin vorgesehene Art der Ausfüllung der A n t w o r t e n auf die v o n der V e r sicherungsgesellschaft gestellten Fragen nicht entgegen. Diese sind nach einem ein für allemal geltenden M u s t e r vorgedruckt und, soweit sie den eigentlichen Vertragsinhalt betreffen, so gehalten, daß sie mit Ja oder mit Nein zu beantworten waren. Es ist also klar, daß die Z u grundelegung des dergestalt nach Vorschrift der Versicherungsgesellschaft ausgefüllten Fragebogens, abgesehen von den in aller Regel vorliegenden Abweichungen, wie sie sich aus der Verschiedenheit der beteiligten Personen, aus der Beschreibung des der Versicherung unterstellten Wagens und dergleichen ergeben, einen im wesentlichen für alle Versicherungen der beteiligten Versicherungsgesellschaft übereinstimmenden Vertragsinhalt schaffen muß, für den das Bedürfnis nach gleichmäßiger Auslegung in demselben Umfange besteht, als wären die für die Auslegung in Betracht kommenden Bestimmungen unmittelbar in den vorgedruckten Bedingungen enthalten, ohne in Fragen und A n t worten zerlegt zu sein. Zur Beurteilung der dem Versicherungsvertrage zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungbedingungen ist vorauszuschicken, daß es sich um einen Streitfall handelt, auf den die neu eingeführten B e dingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB.) und für die Kraftfahrhaftpflichtversidierung ( A K H B . ) noch nicht allgemein anwendbar sind (Stichtag für deren I n k r a f t t r e t e n : I . J a n u a r 1 9 4 1 ; Abschluß des V e r -
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sidierungsvertrags: 2./24.Juni 1938; Versicherungsfall [Schadensereignis]: 6. Oktober 1938). Ihm sind demnach die bis zum 1. Januar 1941 bedungenen Allgemeinen Vertragsbedingungen zugrunde zu legen (vgl. Urteil des Reichsgerichts VII 95/40 vom 31. Januar 1941 [JRfPrV. 1941 S. 59 Nr. 35]). Der erkennende Senat hat in der Sache VII 118/40 mit Urteil vom 8. April 1941 (DJ. 1941 S. 638 = JRfPrV. 1941 S. 95 Nr. 56) dahin entschieden, beim Fehlen einer besonderen Verdeutlichung des Begriffs „Personenbeförderung" in der besonderen Bedingung eines im Jahre 1937 geschlossenen Kraftfahrzeugversicherungsvertrags, wonach der Haftpflichtversicherungsschutz für einen Lastkraftwagen nur unter der Voraussetzung gewährt wird, daß das Fahrzeug nicht zur Beförderung von Personen oder zum genehmigten Güterfernverkehr Verwendung findet, könne der Versicherungsausschluß (Verwendung zur Beförderung von Personen) nicht dahin verstanden werden, schon jede gelegentliche Mitnahme einer betriebsfahrtzugehörigen oder -nichtzugehörigen Person bei einer Betriebsfahrt schließe den Versicherungsschutz aus. Der vorliegend zu entscheidende Streitfall ist rechtlich nicht wesentlich verschieden von dem Sachverhalt des Urteils vom 8. April 1941. Allerdings hatte in jenem Streitfalle der Fahrer des Lastkraftwagens, für den die Versicherung genommen war, bei der zum Haftpflichtfall führenden Fahrt mehrere Personen zu sich auf den Führersitz genommen und dort an der Fahrt teilnehmen lassen, und nur diesen Fall hat die Entscheidung vom 8. April 1941 unmittelbar im Auge. Der Schaden, um dessen Ersatz es sich damals handelte, war auch kein Personenschaden, insbesondere kein solcher, den die mitgenommenen Personen erlitten hatten, sondern ein Sachschaden. Dagegen handelt es sich im vorliegenden Fall um die Mitnahme einer Anzahl von Soldaten, die der Versicherungsnehmer, wie er unwidersprochen angegeben hat, unentgeltlich, aus Gefälligkeit zu sich auf den unter Versicherungsschutz stehenden Lastwagen genommen hatte und nicht auf dem Führersitz, sondern auf der Pritsihe, also auf dem Laderaum, hatte mitfahren lassen, und der auf der Unglücksfahrt entstandene Schaden ist vornehmlich ein solcher, der einigen der mitgenommenen Wehrmachtangehörigen durch Gesundheitsbeschädigung entstanden ist und dessen Ersatz diese von dem Versicherungsnehmer gefordert haben. (Ob daneben hier noch andere Personen Haftpflichtansprüche gegen den Kläger aus dem bezeichneten Schadensereignis erheben können, kann auf sich beruhen, da dies für die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung des Versicherungsschutzes ohne wesentliche Bedeutung wäre.) In rechtlicher Beziehung kann aber
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der Sachverhalt des vorliegenden Streitfalls nicht wesentlich anders beurteilt werden als der im Urteil vom 8. April 1941 entschiedene. In beiden Fällen betont die Fassung der in Betracht kommenden Versicherungsbedingungen — abweichend von der Fragestellung des Versicherungantrags in einer früher dem erkennenden Senat zur Entscheidung unterbreiteten Streitsache (Urteil VII 9 5 / 4 0 vom 31. Januar 1941 [JRfPrV. 1941 S. 59 Nr. 35]) - nicht sowohl die Gefahr, die auf der Beförderung von Personen bei (einzelnen) Fahrten beruht, als vielmehr den Verwendungszweck des (zu versichernden) Fahrzeugs überhaupt und im allgemeinen. Namentlich weist die Ausdrucksweise „Verwendung des Fahrzeugs" (hier [in der Überschrift zu Ziff. 3 des Fragebogens zum Versicherungsantrag vom 2 . J u n i 1938] wie dort „Verwendung findet") darauf hin, daß dabei einerseits nur an die (geplante) Weise der Verwendung des unter Versicherungsschutz gestellten Fahrzeugs während der Dauer des Versicherungsverhältnisses überhaupt und („Verwendungszweck") anderseits an eine dauernde wesentliche, d. h. gefahrerhöhende Änderung in der Art des Betriebs des Versicherungsnehmers oder mindestens in der innerhalb des Betriebs beabsichtigten Verwendung des Lastwagens gedacht sein konnte. Im Falle der Entscheidung vom 31. Januar 1941 waren in Gegensatz gestellt der Verwendungszweck des Fahrzeugs bei der einzelnen Fahrt und die erfahrungsmäßige Erhöhung des Wagnisses (des Gefahrumfangs) durch die Mitbeförderung von (der Betriebsfahrt zugehörigen oder nichtzugehörigen) Personen, noch dazu außerhalb des Führersitzes. Im Falle des Urteils vom S.April 1941 kam es auf einen anderen Gegensatz an: nämlich auf die gelegentliche, zumal auf den Führersitz beschränkte Mitnahme einzelner Personen während einer Betriebsfahrt auf der einen Seite und auf die dauernde Änderung des Betriebs des versicherten Unternehmers oder der Verwendung des versicherten Fahrzeugs auf der anderen Seite. Der erkennende Senat hat sich in der Sache VII 1 1 8 / 4 0 (anders als im Urteil VII 9 5 / 4 0 vom 31. Januar 1941) dazu entschlossen, bei einer derartigen Vertragsgestaltung das Hauptgewicht darauf zu legen, daß für die Frage des Ausschlusses des Versicherungsschutzes zwei Verwendungsarten des versicherten Kraftfahrzeugs völlig gleichwertig nebeneinandergestellt seien, nämlich einmal die Verwendung zum „genehmigten Güterfernverkehr" und weiter die zur „Beförderung von Personen", und daß für diese beiden Verwendungsweisen der Versicherer eine dermaßen wirksame Gefahrerhöhung als gegeben angesehen haben wolle, daß er insoweit die Übernahme des Wagnisses regelmäßig abzulehnen gewillt sei. Wenn bei dem vorliegenden Ver-
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sicherungsausschluß sdion eine nicht gewerbsmäßige Personenbeförderung, genau so wie der genehmigte Güterfernverkehr, zu den schlechthin unzulässigen Verwendungsweisen zu redinen sei, so setzten doch beide Verwendungsbereidie — so hat der erkennende Senat damals ausgeführt — eine Umstellung, sei es des Betriebs des Versicherungsnehmers überhaupt, sei es wenigstens in der Verwendung des unter V e r sicherung gestellten Lastwagens innerhalb des Betriebs, voraus, wie sie bei nur gelegentlicher Mitnahme einzelner (betriebszugehöriger oder nichtbetriebszugehöriger) Personen auf einer Betriebsfahrt, und zwar neben dem Fahrer auf dem Führersitz, keineswegs vorliege. Die gleichen Erwägungen müssen audi im vorliegenden Falle für die Annahme den Ausschlag geben, daß der Schaden, der den Kläger (als Versicherungsnehmer auch für die Haftpflichtversicherung) durch die Mitnahme der verunglückten Personen auf die Unfallsfahrt betroffen hat, als unter den Bereich der Versicherung fallend anzuerkennen ist. In den beiden in Vergleich zu stellenden Fällen ( V I I 1 1 8 / 4 0 und — hier — V I I 1 6 / 4 1 ) haben es die beteiligten Versicherungsgesellschaften unterlassen, in ihren Bedingungen irgendwie zu verdeutlichen, daß der Begriff der (zusatzpflichtigen) Personenbeförderung so weit zu fassen sei, daß jede auch nur gelegentliche (unentgeltliche) Mitnahme einzelner Personen ausgeschlossen sei und, falls sie dennoch stattfinde, zum Ausschluß des Versicherungsschutzes schlechthin oder mindestens zum Ausschluß der Einbeziehung des Personenschadens für die auf die Unglücksfahrt mitgenommenen Personen führen müsse. Beiden Fällen ist auch gemeinsam, daß zu solcher Verdeutlichung mit Rücksicht auf die sonst bestehende Einstellung der zuständigen Versicherungsfachkreise zur Zeit des Vertragsabsdilusses und aus der daraus ersichtlichen Verkehrsauffassung besonderer Anlaß bestand, zumal in einem Falle wie dem vorliegenden, wo aus den Versicherungsbedingungen nicht einmal ersichtlich ist, daß schon die Mitübernahme der Gefahr für nur gelegentliche Personenbeförderung einen Zuschlag zum bedungenen Versicherungsbeitrag erfordern würde. Der erkennende Senat hat schon im Urteil v o m 8. April 1941 (VII 1 1 8 / 4 0 ) zur Bestärkung seiner Meinung darauf hingewiesen, bereits seit Jahren habe die Fachgruppe Kraftfahrzeugversicherung (in der Wirtschaftsgruppe Privatversicherung der Gesamtorganisation der gewerblichen Wirtschaft) sowohl dem Reichskommissar für die Preisbildung als auch ihren Mitgliedern gegenüber den Standpunkt vertreten, der Beitragszusdilag für die Übernahme der Versichcrungsgefahr bei der Personenbeförderung sei bei der Versicherung von Lastfahrzeugen nur dann zu erheben, wenn eine Fahrt eigens zum Zwecke
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der Personenbeförderung durchgeführt werde, wenn es sich also um Fahrten zum ausschließlichen Zwecke der Personenbeförderung handle, daß dagegen in allen übrigen Fällen ein Zusdilag nicht zu beredinen sei: die b l o ß e Mitnahme fremder Personen erfordere also keinen Zuschlag. Habe auch während der Geltungszeit des Prämientarifs für Kraftfahrzeugversicherungen, Ausgabe Mai 1 9 3 4 , keine zwingende Auslegung des Begriffs der zuschlagpflichtigen Personenbeförderung auf Güterfahrzeugen bestanden, so habe doch damals schon (seit 1 9 3 4 ) der Verband der Kraftfahrzeugversicherer zu der Frage Stellung genommen, was als Personenbeförderung im Sinne jenes Tarifs anzusehen sei, und seinen Mitgliedern anheimgestellt, durch die Fassung ihrer Anträge auf K r a f t fahrzeugversicherungen den Begriff der Fahrten zur Personenbeförderung enger zu fassen, j e nachdem welche Erfahrungen sie mit diesem Wagnis gemacht hätten. Wenn dennoch (im damaligen Streitfalle) die verklagte Versicherungsgesellschaft unterlassen habe, im Versicherungsvertrage vom 2 9 . Dezember 1 9 3 7 , obwohl dieser keine Möglichkeit der M i t versicherung der in der Einbeziehung der Personenbeförderung liegenden höheren Gefahr vorsehe, den Begriff der Personenbeförderung näher zu umreißen, so könne bei der Auslegung ihrer Bedingungen jedenfalls nicht zu ihren Gunsten angenommen werden, daß auch schon bei der nur gelegentlichen Mitnahme einzelner Personen auf dem Führersitz (während einer Betriebsfahrt) entsprechend dem VertTagswillen jeder Versicherungsschutz entfallen solle. Diese Erwägungen treffen auch für den vorliegenden Fall zu, in dem die verklagte Versicherungsgesellschaft nodi im Juni 1 9 3 8 ihre bisherigen Fragebogen zu den Anträgen für die Kraftfahrzeugversicherungen und die bei ihr gebräuchlichen Versicherungsbedingungen unverändert angewendet und auf dieser Vertragsgrundlage den Versicherungsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen hat, ohne irgendwie zu verdeutlichen, was sie unter Verwendung eines Güterfahrzeugs zur Personenbeförderung verstanden haben wollte, o b wohl sie durch die seit Jahren bekannte Einstellung ihrer Fachgruppe auf die Notwendigkeit einer solchen Klarstellung genügend hingewiesen worden und ihr sicherlich auch bekannt war, daß eine nur gelegentliche Mitnahme einzelner Personen auf Lastwagen bei einer Fahrt, die nicht eigens zum Zwecke der Personenbeförderung durchgeführt wurde, keinen Zusdilag zum gewöhnlichen Versicherungsbeiträge zu rechtfertigen vermochte. M i t Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, daß die Beklagte als gewerbsmäßig tätige Versicherungsgesellschaft ihre Bedingungen nach den Erfahrungen aus der Praxis einzurichten gewohnt ist, wie j a auch der Verband der Kraftfahrzeugversicherer schon seit Jahren zu der
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Frage Stellung genommen hatte, was als Personenbeförderung im Sinne des Tarifs anzusehen sei, und seinen Mitgliedern anheimgestellt hatte, durdi die Fassung ihrer Anträge auf Kraftfahrzeugversicherung den Begriff der Fahrten zu Personenbeförderungen enger zu fassen, je nachdem, welche Erfahrungen sie mit diesem Wagnis gemacht hätten. Angesichts dieser Sachlage kann auch der hier etwas anders gestaltete Sachverhalt, insbesondere die Tatsache, daß die zur Mitfahrt mitgenommenen Soldaten nidit auf dem Führersitz, sondern auf der Ladepritsche Platz genommen hatten, und zwar in einer Lage, in der sie im Fall eines Zusammenstoßes einer Verletzung leichter ausgesetzt gewesen sein mögen, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung des Inhalts und der Bedeutung des Versicherungsvertrages Anlaß geben, als es in der Sache V I I 1 1 8 / 4 0 geschehen ist. Irgendeine Einschränkung der Vertragshaftung der Beklagten bei einer etwaigen Benutzung des dem Versicherungsschutz unterstellten Kraftfahrzeugs des Klägers zum Zwecke der gelegentlichen Personenbeförderung enthält die Abmadiung zwischen den Parteien nicht. Eine solche Personenbeförderung war zur Zeit des Vertragsabschlusses vom Kläger nicht beabsichtigt; mehr besagt seine Erklärung nicht. Daß sie ganz und gar unstatthaft sein sollte, hat die Beklagte weder ausdrücklich noch stillschweigend ausbedungen. Für die Auslegung eines Versicherungsvertrags sind einseitige Auffassungen, sei es des Versicherungsnehmers, sei es des Versicherers, zu seinen Gunsten nidit maßgebend. Vielmehr kommt es bei der Auslegung der Allgemeinen Versidierungsbedingungen in erster Reihe auf eine gegenständliche, vornehmlich von der Rücksicht auf Treu und Glauben und die Verkehrssitte beherrschte Betrachtungsweise an, zumal alles Zufällige des einzelnen Streitfalls beiseite zu bleiben hat und eine durchaus einheitliche und gleichmäßige Anwendung der Bedingungen in allen Streitfällen derselben Art gewährleistet bleiben muß (vgl. S c h a c k Treu und Glauben im vertraglichen Versicherungsrecht in der Festschrift für Erwin Bumke 1939 S. 315 flg. und die dort angeführten Entscheidungen des Reichsgerichts). Die bezeichneten Rüdcsichten führen dazu, daß die Beklagte auch im vorliegenden Falle mit dem Einwände nicht gehört werden kann, der vom Kläger begehrte Versicherungsschutz liege außerhalb des Rahmens des von ihr vertraglich übernommenen Wagnisses. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Kläger, als er den Antrag stellte, die besondere Frage zur Haftpflichtversicherung (Nr. 8d des Fragebogens), ob, falls Fahrten zur Personenbeförderung ausgeführt werden, Ansprüche beförderter Personen mitversichert sein sollen, unbeantwortet gelassen, somit — gemäß dem allgemeinen Hinweis am
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Kopfe des Fragebogens — verneint hat. Denn diese Frage beschränkte sich auf einen Fall, von dem der Kläger nadi Treu und Glauben annehmen durfte, daß er nicht eintreten werde. In der Frage unter 8d wird ja noch deutlicher, als es, wie schon hervorgehoben, mit der Ü b e r schrift zur Frage 3b des Fragebogens geschehen ist, der allgemeine V e r wendungszweck des unter Versicherung genommenen Fahrzeugs b e t o n t und nicht darauf abgestellt, zu welcher Verwendung die einzelne Fahrt mit dem Lastkraftwagen tatsädilidi gedient hat oder dienen würde. Der Kläger konnte, o h n e sich selbst eines Verstoßes gegen Treu und Glauben rchuldig zu machen, voraussetzen, daß „Fahrten zur Personenbeförder u n g " , d. h. solche Fahrten, die im Sinne des damals geltenden Tarifs eigens zum Zwedce der Personenbeförderung ausgeführt werden würden, also Fahrten, bei denen es sidi um solche zum ausschließlichen Zwedce der Personenbeförderung handelte, in seinem Betriebe nicht vorkämen. Um eine solche Annahme auszuschließen, die inzwischen auch sachlich ihren Niederschlag in den neuen A K B . und A K H B . gefunden haben dürfte (vgl. Urteil V I I 95/40 vom 31. Januar 1941 a . a . O . ) , h ä t t e es, wie erwähnt, einer besonderen Verdeutlichung beim Abschluß des auf jenen Abmachungen beruhenden Versicherungsvertrags bedurft. Um so weniger kann sich die Beklagte auf eine Auslegung der Nr. 8d des Fragebogens in ihrem Sinne berufen, als der Fragebogen nicht einmal erkennen läßt, daß die Mitversicherung der Haftpflichtansprüche von „Insassen" gegen den Versicherungsnehmer aus Anlaß ihrer nur gelegentlichen Mitnahme schon eines Zuschlags zum gewöhnlichen V e r sicherungsbeitrage bedurft hätte. Der Kläger, dem an der Mitversicherung von Haftpfliditansprüchen etwaiger Insassen bei Fahrten ausschließlich zur Personenbeförderung offenbar nichts gelegen war, h a t t e deshalb auch nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die V e r k e h r s sitte keinen Anlaß, die ihm vorgelegte Frage, ob Ansprüche beförderter Personen mitversichert sein sollten, falls „Fahrten zur Personenbeförderung" ausgeführt werden, zu beantworten. Aus der Nichtbeantwortung dieser Frage kann jedenfalls bei der gegebenen Sachlage für eine Auslegung zugunsten des Standpunktes der Beklagten nichts gefolgert werden. Wie schon hervorgehoben, steht die Entscheidung des erkennenden Senats in der Sache V I I 95/40 (Urteil vom 31. Januar 1 9 4 1 [ I R f P r V . 1 9 4 1 S. 59 Nr. 35]), w o der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Gewährung des Haftpflichtversicherungsschutzes für den dort bezeichneten Streitfall abgewiesen worden ist, den hier ausgesprochenen Gedankengängen in keiner Weise entgegen. Denn damals wich die im Versicherungsvertragsgesetz II
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Kraftfahrzeugversicherungsvertrage (Versicherungsschein vom 5. November 1 9 3 6 ) getroffene Regelung, wie der Senat dargetan hat, in wesentlichen Beziehungen von den unverkennbar zugunsten der V e r sicherungsnehmer lautenden Bestrebungen der maßgebenden Fachkreise ab, und es war angesichts der getroffenen Versicherungsabreden unmöglidi, diese abweichende Regelung so auszulegen, wie sie der V e r sidierer, deutlidi erkennbar, gerade nicht verstanden haben wollte, und wie sie auch vom aufmerksamen, unbefangenen Antragsteller nicht verstanden werden konnte. II. O h n e Bedeutung für die Entscheidung ist auch die Frage, o b sich der Kläger durch die Mitnahme der verunglückten Soldaten einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht hat. Daß er vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, herbeigeführt h ä t t e ( § 1 5 2 V V G . ) , ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Die Haftpflicht des Versicherungsnehmers setzt aber in aller Regel ein fahrlässiges Handeln voraus: gerade dafür wird vom Haftpflichtversicherer gehaftet, und vor den Folgen einer Fahrlässigkeit, selbst einer groben, will die Haftpflichtversicherung vertragsgemäß schützen. Eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers liegt nicht vor. V o n einem vertraglichen Versicherungsausschluß (§ 14 Abs. II A V B . ) ist keine Rede. III. Noch weniger kommt ein arglistiges Verschweigen wesentlicher Umstände beim Vertragsabschluß in Betracht. Auf eine gewillkürte Gefahrerhöhung nach dem Vertragsabschluß kann sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags, wie dargelegt, keine Erhöhung der Gefahr vorliegt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Veränderungen, hier also die gelegentliche M i t n a h m e einzelner Personen, allgemein nach den den Betrieb des betreffenden Vcrsicherungszweigs beherrschenden Anschauungen dem Versicherer vernünftigerweise hätten Anlaß bieten können, die V e r sicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Beiträge fortzusetzen (P r ö 1 ß V V G . , 3. Aufl. 1 9 4 1 , Bern. 2 zu § 23 und die dort verzeichnete Rechtsprechung). Diese Voraussetzung liegt nicht v o r ; die für die G e fahrerhöhung beiweispflichtige Beklagte ( P r ö l ß a . a . O . Bern. 3 zu § 2 5 ) hat sich in den Vorinstanzen auch nicht darauf berufen (vgl. insbesondere ihre Ablehnungsschreiben vom 12. November 1 9 3 8 ) . I V . Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und zugleich, da die Aufhebung nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis ausgesprochen wird und
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nach diesem die Sache zur Endentscheidung reif ist, in der Sache selbst zu entscheiden, wie geschehen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.). R G Z . 170, 397. Wie waren nach der Verordnung vom 14. Februar 1 9 3 8 Verträge über die Versicherung von Kraftfahrzeugen auf die Beitragssätze des Einheitstarifs umzustellen? Verordnung über die Versicherung von Kraftfahrzeugen vom bruar 1 9 3 8 (RGBl. I S. 2 0 0 ) § 2 . BGB. § § 1 4 5 , 151.
M.Fe-
VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 12. März 1943. I. Landgericht Münster i. W . —
II. Oberlandesgericht
Hamm.
Am 21. Januar 1 9 4 0 fuhr der Lohndreschereibesitzer B. mit seinem Kraftwagen in den Hof der Witwe H. in M. Als er wieder abfahren wollte, stockte die Kraftzufuhr. Er versuchte, den Schaden in der Scheune zu beheben, wobei er eine brennende Laterne benutzte. Durch Entzündung der Benzindämpfe entstand ein Brand. Die klagende Versicherungsanstalt zahlte gemäß ihrem Versicherungsvertrag an Frau H. eine Brandentschädigung von 32 3 39,05 RM. B. war als Besitzer eines Lohndreschereibetriebs gegen Haftpflicht in Höhe von 30 0 0 0 D M für Sachschäden und ferner als Besitzer eines Kraftwagens gegen Haftpflicht in Höhe eines Sachschadens von 20 0 0 0 R M beim verklagten Versicherungsverein versichert. Er trat seine Ansprüche gegen diesen an die Klägerin ab. Darauf zahlte der verklagte Versicherungsverein an diese 10 0 0 0 R M . Die Klägerin begehrt weitere 10 0 0 0 R M nebst Zinsen. Der verklagte Verein ist der Meinung, daß der Kraftwagenhaftpflichtversicherungsvertrag nach § 2 der Verordnung über die Versicherung von Kraftfahrzeugen vom 14. Februar 1938 vertraglich auf eine Haftsumme von 10 0 0 0 R M für Sachschäden umgestellt und daß der Schaden beim Betriebe des Kraftwagens entstanden und deshalb seine, des Beklagten, Haftung auf die gezahlten 10 0 0 0 RM beschränkt sei. Während das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, ist der verklagte Verein vom Oberlandesgericht antragsgemäß verurteilt worden. Seine Revision blieb erfolglos. Gründe: Beide Vordergeridite gehen — zutreffend und von der Revision unangefochten — davon aus, daß die Versicherung des Dreschereibetriebs B.s und die Versicherung seines Kraftwagenbetriebs auf zwei selbständigen Versicherungsverträgen beruhten und daß der Brandschaden li
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durch den Betrieb des Kraftwagens verursadit worden sei. Weiter führt das Berufungsurteil aus, nadi dem ursprünglichen Versicherungsvertrage für den Kraftwagenbetrieb hätten die Versicherungssummen für B.s Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bei Personenschäden für jedes Ereignis bis zu 200 000 RM und bei Sachschäden für jedes Ereignis bis zu 20 000 RM betragen. Nach § 2 der Verordnung vom 14. Februar 1938 habe dieser Vertrag auf die Einheitssätze umgestellt werden müssen. Dies sei nicht geschehen; Umstellungsverhandlungen seien nicht geführt worden. Der Nachtrag zum Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsschein vom 20. Dezember 1938, auf dessen widerspruchslose Entgegennahme wie auf die Zahlungen des geforderten Versicherungsbeitrags der verklagte Veiein sich stütze, sei dem Versicherungsnehmer B. nicht nachweislich zugegangen. Nach den allgemeinen Bedingungen des verklagten Vereins seien die im Versicherungsschein und seinen Nachträgen enthaltenen Erklärungen des verklagten Vereins maßgebend, falls der Versicherungsnehmer nicht binnen eines Monats schriftlich widerspreche. Dies verpflichte den verklagten Verein, besonders dafür zu sorgen und im Streitfalle zu beweisen, daß eine entsprechende Urkunde dem Versicherungsnehmer wirklich zugegangen sei. Hier sei — trotz einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Behauptung des verklagten Vereins — kein ausreichender Beweis erbracht. Die Versicherungsverordnung vom 14. Februar 1938 bestimmt in § 2, daß Versicherungsverträge, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung ( § 3 : 1. März 1938) bestehen, vom 1. April 1938 ab, spätestens nach Ablauf des laufenden Versicherungsjahres (hier spätestens vom 1. April 1939 ab) auf die Beitragssätze des Einheitstarifs umgestellt werden müssen und daß mit diesem Zeitpunkt entgegenstehende Vereinbarungen unwirksam werden (vgl. dazu auch die Erläuterungen des Reichskommissars für die Preisbildung Nr. 51/38 vom S.Mai 1938 [Mitteilungsblatt 1938 Nr. 10 S. 3 = JW. 1938 S. 1447]). Nach § 1 3 das. gilt die Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen vom 26. November 1936 (RGBl. I S. 955) nicht für die in und nach der bezeichneten Versicherungsverordnung geregelten Entgelte. Die Bestimmung des § 2 begründet für die Vertragsparteien eine gesetzliche Zwangspflicht. Zwar ist regelmäßig zu erwarten, daß die Vertragsbeteiligten (Versicherer und Versicherungsnehmer) eine Umstellungshandlung vornehmen und darüber miteinander verhandeln. Kommt aber keine vertragliche Umstellung zustande, so wird der Versicherungsvertrag kraft Gesetzes dem Einheitstarif angepaßt. Dem Zwecke der Verordnung entspricht es, wie sich auch aus der vom Berufungsrichter
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verwerteten amtlichen Auskunft des Reichskommissars füT die Preisbildung vom 18. März 1941 ergibt, Verträge abweichenden Inhalts unter Angleichung an das neue Recht aufrechtzuerhalten, nicht sie einfach ersatzlos erlöschen zu lassen. Da das Versicherungsentgelt von der Versicherungsleistung nicht getrennt werden kann, bezieht sidi, wie in der bezeichneten Auskunft des Preiskommissars ebenfalls zutreffend hervorgehoben ist, sowohl die rechtsgeschäftliche wie die gesetzliche Umstellung nicht nur auf die Beitragssätze des Einheitstarifs, sondern auch auf die im Tarif angegebenen Dedcungsleistungen. Entsprechen die vor dem Inkra(treten der Versicherungsverordnung vertraglich abgemachten Dedcungssummen denen des Einheitstarifs, so wird das Versicherungsverhältnis einfach auf die zugehörigen Beitragssätze des Tarifs umgestellt. Waren Dedcungssummen niedriger vereinbart als die Regel oder als die Mindestdeckungssummen des Einheitstarifs, so ist nicht nur auf den Regel- oder Mindestbeitrag des Einheitstarifs, sondern auch auf die Regel- oder Mindestdedcungssummen umzustellen. Waren bestimmte, im Einheitstarif nicht vorgesehene Dedcungssummen abgemacht, so muß mangels ausdrücklicher Vereinbarung des nach dem Wirksamwerden der Versicherungsverordnung gewünschten Haftungsumfangs angenommen werden, daß kraft Gesetzes auf das umgestellt ist, was dem im Versicherungsvertrag ausgesprochenen Vertragswillen des Versicherungsnehmers am nächsten lag, im Zweifel auf den Regelbetrag. Im vorliegende Falle kommt nach der einwandfreien Feststellung des Berufungsurteils als das Nächstliegende der Dedcungsbetrag von 25 0 0 0 RM als gesetzlich maßgebender Umstellungssatz in Betracht. Vergeblich beruft sich der verklagte Versicherungsverein auf einen Nachtrag zum Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsschein vom 20. Dezember 1938, den er dem Versicherungsnehmer auf Grund der Versicherungsverordnung zugesandt habe. Darin ist die maßgebliche Sachschadendedcung für jedes Ereignis auf nur 10 0 0 0 RM festgelegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Nachtrag — was das Berufungsgericht als zweifelhaft ansieht — dem Versicherungsnehmer zugegangen ist und ob somit eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags zustande gekommen sein könnte. Audi die Frage kann offen bleiben, ob angesichts der Regelung in § 2 Satz 2 der Versicherungsverordnung eine derartige Vereinbarung rechtswirksam wäre. In der letzten Beziehung ist gewiß davon auszugehen, daß die bezeichnete Vorschrift in § 2 Satz 2 „Mit diesem Zeitpunkt werden entgegenstehende Vereinbarungen unwirksam" sich nicht bloß auf damals schon vorliegende, frühere Vereinbarungen bezieht, sondern
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auch neue (Umstellungs-)Abmachungen erfassen würde, welche der nunmehrigen gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen. Die Berufung des verklagten Vereins auf diesen Vertragsnachtrag ist schon deshalb ungeeignet, eine entsprediende Vertragsabmachung darzutun, weil es sich offenbar bloß um eine nur einseitige Umstellungserklärung des verklagten Versicherungsvereins handelt. Es kam ihm nicht darauf an, mit der Zusendung des Nachtrags vom 20. Dezember 1938 eine vertragliche Vertragsänderung zu begründen, sondern er wollte dem Versicherungsnehmer eine rein tatsächliche Mitteilung über die von ihm einseitig vorgenommene Umstellung des Versicherungsvertrags machen. Umstellungsverhandlungen sind unstreitig nicht geführt worden. Der Versicherungsnachtrag vom 20. Dezember 1938 ist aber vom verklagten Versicherungsverein so gefaßt („wird mitgeteilt, daß der Versicherungsvertrag auf Grund der Verordnung vom 14. Februar 1938 dem Einheitstarif entsprechend . . . wie folgt geändert ist . . ."), daß der Empfänger nicht wohl auf den Gedanken kommen konnte, der Verein wolle ihm damit einen Antrag auf Abänderung des Versicherungsvertrags stellen, der von ihm, um eine vertragsmäßige Bindung zu begründen (§145 BGB.), sei es ausdrücklich, sei es durch ein der ausdrücklichen Annahmeerklärung gleichstehendes Verhalten (§151 BGB., §§ 6 [7] AVB.) angenommen werden müsse, zumal einen Vertragsantrag, der eine von der — im Regelfall einsetzenden — gesetzlichen Umstellung wesentlich abweichende vertragliche Regelung zu begründen bezwedee. Als einen solchen Vertragsantrag konnte der Versicherungsnehmer jenen „Nachtrag" um so weniger auffassen, als es sich um einen — in derartigen Dingen offenbar unerfahrenen — Mann handelte und, wie das Berufungsurteil feststellt, keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß er im einzelnen die Versicherungsverordnung und den neuen Einheitstarif gekannt hätte. Das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht angenommen, daß es Sache des verklagten Versicherungsvereins gewesen wäre, sich mit ihm unter Darlegung der Einzelheiten wegen einer Vertragsänderung in Verbindung zu setzen, statt den Versuch zu machen, die Dekkungssumme einseitig festzusetzen. Die erforderliche Darlegung der Einzelheiten ließen aber sowohl der „Nachtrag" vom 20. Dezember 1938 als auch das beigefügte grüne Rundsdireiben des Vereins vom selben Tage vermissen. Ein derartiger Versuch ist um so weniger geeignet, die vertragliche Begründung eines von der gesetzlichen Umstellungsregelung abweichenden Vertragsverhältnisses herbeizuführen, als auch das grüne Rundschreiben des Vereins vom 20. Dezember 1938 im unbefangenen Leser den Eindruck erwedeen mußte, es handle sidi um
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keine andere als um die gesetzliche Umstellung. Zu billigen ist auch die Meinung des Berufungsgerichts, bei der verhältnismäßig geringfügigen Erhöhung des Versicherungsbeitrags auf 103 R M (statt bisher 9 0 R M ) spreche die Erfahrung des Lebens und des Verkehrs dafür, daß B. die höheren Deckungssummen, also die für die gesetzliche Umstellung maßgebenden nächstliegenden Beträge, gewählt haben würde. Der Meinung der Revision, daß der Versicherungsnehmer, wenn er mit der im „Nachtrag" angebotenen abweichenden Regelung nicht einverstanden sein wollte, sich hätte erkundigen müssen und daß die ohne Erkundigung geleistete Zahlung des angeforderten Versicherungsbeitrags als sein Einverständnis ausgelegt werden müsse, ist nicht beizutreten. Nach den das Versicherungsverhältnis in besonderem M a ß e beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben ( R G Z . Bd. 146
S. 221 [224], Bd. 148 S. 298 [301], Bd. 1 50 S. 147 [l 50], Bd. 1 52 S. 330 [337], Bd. 169 S. 24 [35] und o f t ) durfte B. unter den gegebenen Umständen darauf vertrauen, daß es sich um eine der gesetzlichen U m stellung angeglichene Regelung handeln sollte, um nichts anderes, insbesondere nicht um eine wesentliche, vertragsmäßige Abweichung von den für die gesetzliche Umstellung geltenden Grundsätzen. So wenig er Anlaß hatte, hieran zu zweifeln, so wenig brauchte er auf den Gedanken zu kommen, daß er sich bei dem verklagten Versicherungsverein oder bei Dritten erst erkundigen müsse. Da sonach unbedenklich davon ausgegangen werden kann, daß der Nachtrag vom 20. Dezember 1938 dem Versicherungsnehmer so, wie er abgesandt wurde, auch zugegangen ist, bedarf es keines Eingehens auf die verfahrensrechtlichen Angriffe, welche die Revision gegen die A n nahme
des
Berufungsgerichts
erhebt,
daß
dies
nicht
hinreichend
bewiesen sei.
RGZ. 171, 43. Was ist in § 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen
für
Haftpflichtversicherung unter dem Ursachenereignis zu verstehen?
Ist
zu erfordern, dafi, wenn die Schadensursache innerhalb der sachlichen Versidierungsdauer liegt, auch der verursachte Schaden und der Versicherungsfall in die Versicherungszeit fallen? V V G . § § 149 flg. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Leipzig. —
Urt. v. 26. März 1 9 4 3 . II. Oberlandesgericht
Dresden.
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Nach dem Versicherungsschein vom 27. März 1929 war die Klägerin für die Zeit vom 5. April 1929 bis zum S.April 1938 bei der verklagten Versicherungsgesellschaft gegen gesetzliche Haftpflicht versichert. Die Versicherung erstredete sich insbesondere auch auf Haftpflichtansprüche, die gegen die Klägerin aus der Herstellung von Heizungsanlagen geltend gemacht werden sollten. Für den eintretenden Sachschaden war die Versicherungssumme auf 10 000 RM begrenzt. In den Monaten November 1937 bis März 1938, also innerhalb der Vertragsdauer des Versicherungsverhältnisses, lieferte die Klägerin in eine Baradce auf dem Fabrikgelände der Firma M. M. in T. eine aus mehreren Öfen bestehende Heizungsanlage nebst den dazu gehörigen Rauchabzügen und führte sie aus. Am 9. Januar 1939, also nach Ablauf des im Versicherungsvertrage bezeichneten Geltungszeitraums, brannte die Baradce ab; nach der Behauptung der Bestellerin sollten die Rauchabzüge nicht sicher genug hergestellt gewesen sein; sie verlangte von der Klägerin Schadensersatz. Die verklagte Versicherungsgesellschaft lehnte den von der Klägerin beanspruchten Versicherungsschutz ab. Die Klägerin verlangt mit der Klage die Feststellung, daß die verklagte Versicherungsgesellschaft nach Maßgabe des Versicherungsverhältnisses zur Leistung des Versicherungsschutzes verpflichtet sei. Die beiden Vordergerichte haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Gründe: Nach § 1 der dem Haftpflichtversicherungsvertrag vom 27. März 1929 zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Allg. HaftpflVersBed.), der für das in Frage stehende Versicherungsverhältnis die Bestimmung in § 149 VVG. ersetzt, gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Ereignisses, das . . . die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen zur Folge hatte, für die Folge von . . . einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Als Zeitraum der „Wirksamkeit der Versicherung" (Haftungszeitraum) setzt der Versicherungsschein die Zeit vom 5. April 1929 bis zum 5. April 1938 fest. In diesen Zeitraum, nämlich in die Jahre 1937 bis 1938, fällt im Streitfalle nur die Herstellung der Heizungsanlagen, also das (angeblich fehlerhafte) Tun oder Lassen der Klägerin, woraus ihr Vertragsgegner seine Schadensersatzforderung gegen sie herleitet, das sog. Ursachenereignis. Erst am 9. Januar 1939 ist die Baradce, angeblich zufolge fehlerhafter Arbeit
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der Klägerin, in Brand geraten und damit der Sadischaden entstanden, für den sie haftpflichtig gemacht wird und für den sie von der verklagten Versicherungsgesellschaft Versicherungsschutz begehrt. Es fragt sich, was nach dem Versicherungsvertrag unter dem „während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Ereignisse" zu verstehen ist, das in den Versicherungszeitraum fallen muß, damit der Versicherer für den entstandenen Schaden einzutreten habe. Der Berufungsrichter hat sich nach dem Anhören von Versicherungsfachleuten, dem ersten Richter folgend, für die Auslegung des Versicherungsvertrags dahin entschlossen, daß das Ursadienereignis in die Vertragszeit fallen müsse. Er hat erwogen, maßgebend für die Auslegung seinen nicht die Entstehungsgeschichte der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, auch nicht einseitige Vorstellungen des Versicherers; maßgeblich sei vielmehr, wie die Rechtsordnung, welche die verklagte Gesellschaft in ihren Versicherungsbedingungen der Klägerin angeboten habe, damit sie in den Vertrag eintrete, von der Klägerin, richtiger von jedem eintrittsbereiten Volksgenossen, nach Treu und Glauben habe aufgefaßt werden dürfen. Wer, wie die Klägerin, einen derartigen Haftpflichtversicherungsvertrag für einen gewerblichen Betrieb abschließe, wolle sich damit des Wagnisses, der Haftpflichtgefahren entschlagen, die der Betrieb, die darin entfaltete Tätigkeit für ihn mit sich bringe. Er wolle es ausschließen, auch später noch für rückliegendes Betriebstun einstehen zu müssen; erst recht wolle er keine Haftung mehr, wenn er den versicherten Betrieb, seine gefahrbringende Tätigkeit eingestellt habe. Für ihn gehe es darum, daß der Versicherer die Haftungsursache dedce; er dürfe ein Versicherungsangebot erwarten, wonach die Haftungstatsache in den Versicherungszeitraum zu fallen habe. Die Belange des Versicherers ständen dem, so hat der Berufungsrichter weiter erwogen, nicht ohne weiteres entgegen. Gewiß müsse er vielleicht lange Zeit Schadensrücklagen einstellen, was sonst der Versicherungsnehmer vorsorglich tun müßte. Auch sei leichter erkennbar, daß das meist offensichtliche Schadensereignis in die Versicherungszeit falle, als dies bei der oft dunklen Haftungsursache der Fall sei, wofür aber wieder der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer beweisbelastet sei, und darum sei es für den Versicherungsbetrieb handlicher, wenn das Schadensereignis als maßgeblich angesehen werde. Aber andererseits hafte der Versicherer nicht, wenn nur das Schadensereignis, nicht die Haftungsursache im Versicherungszeitraum liege, und jene Erschwernisse seien für den Versicherer nicht untragbar. Der
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Betriebsinhaber und der ihm Gleichstehende dürfe daher erwarten, daß das Versicherungsangebot der Versicherungsgesellschaft diese seine Belange — insbesondere, daß die Haftungsursache maßgebend sei, — berüdcsichtige, es sei denn, daß ihre gegenteilige Auffassung beim Vertragsabschluß offen zutage trete, was hier aber nicht der Fall sei. Wer den vorliegenden Versicherungsschein lese, finde nichts, was den Versicherungsnehmer in seiner berechtigten Erwartung enttäuschen könne. Der dem Versicherungsschein eingegliederte Versicherungsantrag spreche von Haftpflichtversicherung für (industrielle) „Betriebe" und im § 1 Abs. 2 AllgHaftpflVersBed. davon, daß sich der Versicherungsschutz erstrecke auf die gesetzliche Haftpflicht aus Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten. Dies weise darauf hin, daß die Entstehung der Haftpflicht aus diesen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten im Versicherungszeitraum liegen solle. Hier sei nicht klar gesagt, innerhalb der Versicherungszeit müsse die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen, das Ereignis, wobei solche beschädigt oder vernichtet worden seien, liegen, vielmehr sei abgestellt auf das Ereignis, das die Sachbeschädigung (Vernichtung) „zur Folge" habe; es sei also auf etwas zeitlich vorher Liegendes, die Sachbeschädigung selbst erst Verursachendes verwiesen, worunter leichter die erste Haftungsursache zu begreifen sei als die spätere letzte Schadensursache. Den Einwand der verklagten Versicherungsgesellschaft, daß das „Ereignis" nicht auch eine Unterlassung sein könne, hält das Berufungsgericht nicht für durchschlagend. Wenn in einem gegebenen Zeitpunkt aus rechtlichen oder sonstigen Gründen ein Tun geboten oder zu erwarten gewesen sei, so sei das Ausbleiben des Tuns, das Unterlassen, ein „Ereignis". Bei der Nachprüfung der Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats und überhaupt des Reichsgerichts im Revisionsverfahren nicht nur zulässig, sondern auch geboten ist, tritt kein Rechtsfehler des Berufungsurteils zutage; sie ist richtig und vermag keine Beanstandung zu rechtfertigen. Insbesondere trifft die Rüge der Revision nicht zu, daß das Berufungsgericht die Bestimmung im § 1 Abs. 1 Allg. HaftpflVersBed. keiner gegenständlichen Auslegung unterzogen und es abgelehnt habe, die Entstehungsgeschichte bei der Auslegung heranzuziehen. Es ist zwar der Meinung, auf die Entstehungsgeschichte komme es ebensowenig wie auf etwaige einseitige Vorstellungen des Versicherers entscheidend an; trotzdem hat es gerade die Entstehungsgeschichte der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherungs-Bedingungen ins Auge ge-
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faßt und eingehend gewürdigt, aber richtig betont, maßgeblich sei, wie die darin von der Beklagten selbst niedergelegte und angebotene Rechtsordnung nach Treu und Glauben, also nach gegenständlichen Rücksichten, habe aufgefaßt werden dürfen. Der Berufungsrichter hat im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung auch erwogen, nach der Absicht der Schöpfer des § 1 AllgHaftpflVersBed. brauche als Voraussetzung der Haftung des Haftpfliditversicherers nicht der Tatbestand während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten zu sein, dessentwegen der Versicherungsnehmer von einem Dritten verantwortlich gemacht werde, wohl aber das Schadensereignis. Auch müsse auf Grund der eingeholten Auskünfte der drei Versicherungsfachleute zugegeben v/erden, daß die Versicherer — mindestens vorwiegend — die Versic'nerungsbedingungen in diesem Sinne auch gehandhabt hätten. Unbedenklich müsse der verklagten Versicherungsgesellschaft zugestanden werden, daß sie sich bei Abschluß des Versicherungsvertrags unter dem ..Ereignis" das Schadensereignis vorgestellt haben werde. Wie der Vorderrichter hervorhebt, gehen die Meinungen darüber im Schrifttum auseinander. Die eine will das Ursachenereignis als Haftpflichttatsache und damit als ..Versicherungsfall" betrachten. Andere sehen das Folgeereignis als Versicherungsfall an (darüber P r ö 1 ß Probleme des Haftpflichtversicherungsrechts in „Wirtschaft und Recht der Versicherung", Beiheft Nr. 2 / 1 9 3 7 zur Ztschr. ÖffVers. S. 25 unter IX im Eingang). Wenn jetzt der Berufungsrichter sich bei der Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherungs-Bedingungen der ersten Meinung anschließt, so ist ihm beizutreten. Der Grundsatz des angefochtenen Urteils, daß es für die Auslegung maßgeblich darauf ankomme, wie die von der Beklagten der Klägerin für ihr Versicherungsverhältnis angebotene ,.Rechtsordnung" nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte, also nach gegenständlichen Rücksichten aufgefaßt werden durfte und von jedem Volksgenossen aufgefaßt werden würde, ein Grundsatz, der in der Rechtslehre und auch in der Rechtsprechung schon bisher herrschend war, muß jetzt um so mehr gelten, als die Anschauung durchgedrungen ist, daß die allgemein verbindlichen Versicherungsbedingungen, wie überhaupt die allgemeinen Geschäftsbedingungen, sich kaum noch als eine echte Vereinbarung darstellen, vielmehr die Unterwerfung unter eine fertig bereitliegende Rechtsordnung bedeuten, und daß daher derartige Geschäftsbedingungen ähnlich wie gesetzliche Vorschriften auszulegen sind, wobei in erster Reihe die Gemeinschaftsbelange gewahrt, d. h.
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nicht die Belange beider Vertragsparteien für den einzelnen Fall, sondern die Belange der Wirtschaftskreise, denen die Vertragschließenden angehören, in billiger Weise gegeneinander abgewogen werden müssen (Urteil VII 95/40 des erkennenden Senats vom 31. Januar 1941 in DR. Ausg. A 1941 S. 1210 Nr. 12, sowie neuerdings das Urteil I 129/41 des I.Zivilsenats vom 13. Oktober 1942, RGZ. Bd. 170 S. 233 [240 flg.]). Dies muß um so unbedenklicher dann angenommen werden, wenn, wie es vorliegend der Fall ist, eine einheitlidie Willensauffassung selbst in den Kreisen derer, welche die maßgeblichen Bestimmungen nach gemeinschaftlicher Aussprache und Beratung geschaffen haben, nicht zustande gekommen ist, sondern damit gerechnet werden muß, daß Meinungsverschiedenheiten über den Sinn und Inhalt der Bedingungen trotz aller bei der Abfassung angewendeten Sorgfalt in gewissem Grade und Umfange fortbestanden haben. In solchen Fällen bleibt nichts anderes übrig, als daß der Richter den Weg beschreitet, den das Berufungsgericht hier gegangen ist, nämlich nach gegenständlichen Rücksichten unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwedcs der getroffenen Regelung und der gewählten Ausdrudesweise den Sinn der Normung, den sie für alle Beteiligten und für alle Fälle vernünftigerweise gleichmäßig haben muß, entsprechend der Auslegung, die alle Gesetze in Zweifelsfällen finden müssen, zu erforschen und gemeinhin im Urteilsspruche festzulegen. Ein derartiges Verfahren steht mit der gesunden Volksmeinung keinesfalls in Widerspruch. Es ist auch — entgegen den Ausführungen der Revision — nidit zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei der Auslegung die beiderseitigen Belange, sowohl die des Versicherers wie die des Versicherungsnehmers, ins Auge gefaßt und gegeneinander abgewogen hat. Daß die Versicherer unter Umständen längere Zeit Sdiadensrücklagen einstellen müssen und öfter vor der Schwierigkeit stehen werden, eine o f t dunkle, vielleicht lange Zeit zurückliegende Haftungsursache aufklären zu müssen, ist auch sonst im Versicherungswesen nichts Ungewöhnliches. Derartige Umstände haben die Haftpfliditversidierer auch nicht abgehalten, für die sogenannte allgemeine Vermögenshaftpflichtversicherung den Grundsatz aufzustellen, daß es nur darauf ankomme, ob ein Verstoß während der gegenständlichen Versicherungsdauer begangen sei, audi wenn dieser Verstoß während der Versicherungsdauer ohne Folgen blieb. Der Hinweis von P r ö 1 ß (a. a. O . S. 26) auf die Verhältnisse in der Seeversicherung vermag keine Vergleichsmöglichkeit zu bieten. So mannigfach im Seeverkehr die Ereignisse sind, die zu den gededeten oder zu den nicht gedeckten Gefahren gehören, so leicht ist dort oft der Zusammenfluß verschiedenartiger
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Geschehnisse zu einem Schaden, so sdiweT oft der innere Zusammenhang dieser Geschehnisse zu erkennen. Man hat deshalb nadh einer Formel gesucht, die vielleicht roher als die in gewöhnlichen Schadensfällen angewandte, so doch einfacher und geeigneter wäre, mit der Massenerscheinung des Versicherungsfalls in der Seeversicherung fertig zu werden. Als eine solche Formel hat man die Regel: Causa proxima, non remota spectatur gefunden, über deren Bedeutung aber lebhafte Meinungsverschiedenheiten bestanden (vgl. R i t t e r Das Recht der Seeversicherung 1922, Bern. 18 S. 470). Jedenfalls tritt aber auch für das Recht der Seeversicherung die Rechtsfrage nach der nächsten Ursache nur unter besonderen Voraussetzungen auf. Selbst auf diesem Rechtsgebiet ist grundsätzlich der ursächliche Zusammenhang nach der im Bereiche des bürgerlichen Rechts allgemein anerkannten Regel der „adäquaten" Verursachung zu beurteilen (vgl. RGUrt. I 61/41 vom 28. November 1941, RGZ. Bd. 169 S. 1 [17 flg.]). Für die allgemeine Haftpflichtversicherung liegen die Verhältnisse in dieser Beziehung nicht anders. In Streitfällen der vorliegenden Art kann nur von einem einheitlichen Schaden die Rede sein, der auf den angeblich von der Klägerin (Versicherungsnehmerin) als Unternehmerin ihrem Auftraggeber (Besteller) gegenüber zu vertretenden Baufehler als entferntere Ursache und den im Werke der Klägerin, in der angeblich mangelhaften Heizungsanlage, ausgebrochenen Brand als nächste Ursache zurückzuführen ist. In solchen Fällen bestehen keine so ungewöhnlich liegenden Schwierigkeiten für die Aufklärung des Ursachenzusammenhangs, daß eine ähnliche Regelung wie im Seeversicherungsrecht oder gar eine rechtsähnliche Anwendung des in der sogenannten causa proxima-Regel ausgedrückten Rechtsgedankens geboten oder auch nur rätlich wäre, insbesondere nicht in einem solchen Grade, daß man schon bei der Auslegung der diesen Gedanken nicht enthaltenden allgemeinen Versicherungsbedingungen ihn billigerweise berücksichtigen müßte, zumal wenn es die Versicherungsgesellschaften unterlassen haben, eine Einschränkung des Grundsatzes vom sogenannten adäquaten Ursachenzusammenhang für den Inhalt des Versicherungsvertrags so einwandfrei in den allgemeinen Versicherungsbedingungen oder sonst beim Abschlüsse des Versicherungsvertrags zu verdeutlichen, daß sie für die Vertragsgegner, und zwar allgemein für die als Versicherungsnehmer in Betracht kommenden Volksgenossen oder Volkskreise, ohne weiteres erkennbar wäre. Davon ist hier keine Rede, und zwar auch dann nicht, wenn es sich im einzelnen Falle darum handelte, bei der Feststellung des Schadens, seines Umfangs und des Ursachenzusammenhangs
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die schädlichen Folgen einer etwaigen reinen Unterlassung (in der Handlungsweise des Versicherungsnehmers) zu ermitteln. Die Erwägung, daß im einzelnen Falle für die Aufklärung des Ursachenzusammenhangs im Schadensprozeß besondere Schwierigkeiten entstehen können, vermag es nicht zu rechtfertigen, Versicherungsbedingungen der vorliegenden Art zugunsten des Versicherers auszulegen, wenn dieser es unterlassen hat, seine in dieser Richtung möglicherweise bestehenden Belange in der Fassung seiner allgemeinen oder besonderen Bedingungen für den Inhalt des Versicherungsvertrags zur Geltung zu bringen. Liegt das Schadens(Ursachen)ereignis innerhalb der sachlichen Versicherungsdauer, so ist nicht zu erfordern, daß auch der verursachte „Erfolg", der Schaden, in die Versicherungszeit falle; der Schaden kann dann ebenso wie der Versicherungsfall, d. h. die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers (des Versicherten) durch den Geschädigten (RGZ. Bd. 162 S. 238), auch noch nach dem Ablauf der Versicherungsdauer eintreten, ohne daß dies den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz beeinträchtigt. Das Revisionsgericht schließt sich nach alledem unbedenklich der (besonders bei O b e r b a c h AllgemVersBed. für Haftpflichtversicherung 1938 S. 73 eingehend vertretenen) Auslegung des Berufungsrichters an. Übrigens enthalten die Allgemeinen Haftpflichtversicherungs-Bedingungen im Gegensatz zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflicht-Versicherung für Vermögensschäden ( O P A V . 1930 S. 130), wie gegenüber einem Hinweise der Revision in der mündlichen V e r handlung bemerkt sein mag, keine besondere Rückwärtsversicherung. Da auch im übrigen das angefochtene Urteil keinen sachlichen Rechtsfehler erkennen läßt, ist die Revision zurückzuweisen. RGZ. 171, 3 6 8 . 1. Uber den Begriff des Versicherungsfalls und des Schadensereignisses in der allgemeinen Haftpflichtversicherung. 2. Welche Rechtslage ergibt sich, wenn der Versicherungsnehmer während der Versicherungszeit in Zahlungsverzug geraten und das Versicherungsereignis während des Verzugs eingetreten ist, der VerSicherungsnehmer aber den rüdeständigen Beitrag noch vor seiner Inanspruchnahme aus einem Haftpflichtfall an den Versicherer bezahlt hat? V V G . § § 39, 149. VI. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 17. September 1943.
I. Landgericht Wuppertal. —
II. Oberlandesgericht Düsseldorf.
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Der Kläger ist nach dem Versicherungsschein vom 17. April 1 9 3 0 seit dem l . M a i 1 9 3 0 bei der verklagten Versicherungsgesellschaft gegen die gesetzliche Haftpflicht versichert. Er wurde im Jahre 1941 zusammen mit B. nach einer von ihm an diesem durchgeführten Salvarsankur von der Näherin K . , die angeblich von B. mit einer Geschlechtskrankheit (Syphilis) angesteckt worden war, mit einem Schadensersatzanspruch gerichtlich in Anspruch genommen und verlangt deshalb von der verklagten Versicherungsgesellschaft Versicherungsschutz. Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe den am l . M a i 1 9 4 0 fällig gewesenen Folgebeitrag trotz Mahnung und ordnungsmäßiger Fristsetzung v o m l . J u n i 1 9 4 0 zunächst nicht gezahlt. Dies sei erst am 2 3 . Dezember 1 9 4 0 geschehen. Der Kläger habe also in der Z e i t v o n M i t t e 1 9 4 0 bis zum 2 3 . Dezember 1 9 4 0 und damit auch zur Z e i t des Schadensereignisses, nämlich zur Z e i t der v o m Kläger angeblich im O k t o b e r 1 9 4 0 dem B. gegenüber ausgesprochenen „Freigabe" des G e schlechtsverkehrs, keinen Versicherungsschutz genossen. Der Kläger vertritt die Meinung, unter „Versicherungsfall" im Sinne der maßgeblichen Versicherungsbedingungen (§ 9) sei nicht das Schadensereignis, welches Schadensansprüche Dritter gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben k ö n n e , also im vorliegenden Falle die Freigabe des G e schlechtsverkehrs gegenüber B. durch ihn als den behandelnden Arzt, sondern erst die Geltendmachung solcher Schadensersatzansprüche des geschädigten Dritten zu verstehen. Zu dieser Z e i t , im Januar 1 9 4 1 , seien die Folgen des Zahlungsverzugs beseitigt gewesen. Beide Vordergerichte haben die verklagte Versicherungsgesellschaft dazu verurteilt, dem Kläger wegen der v o n der Näherin K . geltend gemachten Schadensersatzansprüche Versicherungsschutz zu gewähren. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Gründe: Nach den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen (§ 1) hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu gewähren für den Fall, daß er wegen eines während der W i r k s a m k e i t der Versicherung eingetretenen Ereignisses, das die Verletzung (Gesundheitsbeschädigung) von M e n schen zur Folge hatte, für die Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrcchtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Im ersten Rechtszuge hatte die Beklagte nur Verzug des Klägers mit der Zahlung eines Versicherungsbeitrags beim Eintritt des V e r -
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sidierangsfalls (§ 9) eingewendet. Mit den erst im zweiten Rechtszug erhobenen weiteren Einwendungen, daß nämlidi der Kläger den eingetretenen Schaden (bedingt) vorsätzlich herbeigeführt (§ 4 II Nr. 1 AVB.) und daß er die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls ihm obliegenden Verpflichtungen verletzt habe (§ 6 in Verbindung mit § 5 Nr. 2 AVB.), hat sich der Vorderrichter sachlich nur „zusätzlich" beschäftigt. Er meint, sie stellten sich als neue Verteidigungsmittel der Beklagten gegen die Klage dar, die nach § 529 Abs. 1 ZPO. in der Fassung der zur Zeit der Schlußverhandlung erster Instanz (25. Juni 1942) bereits in Kraft befindlich gewesenen Dritten Vereinfadiungsverordnung vom 16. Mai 1942 (RGBl. I S. 33 3) im Berufungsverfahren nur dann zu berüdesiAtigen wären, wenn ihre Geltendmachung im ersten Reditszuge der Partei auch bei Berücksichtigung ihrer Pflicht zur sachgemäßen und sorgfältigen Prozeßführung nidit zuzumuten gewesen wäre. Von dieser Voraussetzung könne keine Rede sein. Der Vorderrichter hat deshalb die Beklagte mit der Geltendmachung der beiden Einwendungen ausgeschlossen. (Die insoweit erhobenen Revisionsangriffe werden zurückgewiesen; sodann wird fortgefahren:) In sachlicher Beziehung hat der Vorderrichter erwogen, der Kläger habe unstreitig den am 1. Mai 1940 fällig gewesenen Folgebeitrag nidit bezahlt und auch die unter Fristsetzung und unter Hinweis auf die Folgen fortdauernden Zahlungsverzugs mit Einschreibebrief vom l.Juni 1940 ausgesprochene Mahnung unbeachtet gelassen. Erst am 23. Dezember 1940 hat danach der Kläger den Beitragsrüdestand bezahlt. In der Zeit von Juni bis zum 23. Dezember 1940 hat er sich demnach in Zahlungsverzug befunden. Nach § 9 AVB. wird der Versicherer, wenn der Versicherungsfall nach dem Ablaufe der dem Versicherungsnehmer gestellten Zahlungsfrist eintritt und zu dieser Zeit der Versicherungsnehmer noch im Verzug ist, von seiner Vertragspflicht frei. Unter dem Versicherungsfall im Sinne dieser Bestimmung versteht der Berufungsrichter nidit das Ereignis, aus dem sich als ursächliche Folge der Schaden ergibt, für den der Versicherungsnehmer haftpflichtig gemacht wird, hier also nicht die vom Kläger dem B. gegenüber ausgesprochene Freigabe des Geschlechtsverkehrs, worauf die Ansteckung der K. beruht haben soll, sondern die Erhebung des Anspruchs des geschädigten Dritten gegenüber dem Versicherungsnehmer. Nach der Feststellung des Berufungsurteils hat die K. erst im Januar 1941, also nach der Beseitigung des Zahlungsverzugs des Klägers, Schadenersatzansprüche gegen ihn (und B.) gestellt. Nach der Meinung des Berufungsrichters konnte der Kläger auch zur Zeit der Beitragszahlung am 23. Dezember 1940
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nicht mit der auch nur entfernten Möglichkeit rechnen, daß auf Grund seiner „Freigabeerklärung" gegenüber B. Schadensersatzansprüche gegen ihn erhoben werden würden. Denn dem Kläger sind, wie im Berufungsurteil ausdrücklich weiter festgestellt ist, vor dem 23. Dezember 1940 keine Tatsachen bekannt geworden, aus denen er auf die Möglichkeit einer Erkrankung der K. hätte schließen können. Da auch B. von einer Anstedcung der K. oder von „grippeartigen Krankheitserscheinungen" an dieser nach seinem Geschlechtsverkehr mit ihr im September und Oktober 1940 bis zur seiner Vorladung im Strafverfahren Ende Januar 1941 nichts bekannt gewesen sei, habe er auch den Kläger über irgendwelche verdachterregenden Anzeichen nicht unterrichten können; auch sonst liege nichts vor, woraus dem Kläger eine solche Kenntnis geworden sein könnte. Die Ausführungen des Berufungsurteils stehen im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, insbesondere mit der alten, längst gefestigten Annahme des erkennenden Senats, daß der Versicherungsfall in der allgemeinen Haftpflichtversicherung gleichbedeutend ist mit der Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen aus einem unter die Versicherung fallenden Schadensereignis durch den Geschädigten gegenüber dem Versicherungsnehmer. An diesem Grundsatz ist durch die dem vorliegenden Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Haftpflichtversicherungsbedingungen, insbesondere die Bestimmungen in §§ 1, 5—6 AVB., nichts geändert. Er ist auch nach dem Inkrafttreten der neu erlassenen gesetzlichen Vorschriften über den Versicherungsvertrag vom 7. November 1939 (RGBl. I S. 2223) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts gegenüber der Neufassung des § 153 VVG. aufrechterhalten, insbesondere in den Entscheidungen VII 69/39 vom 19. Dezember 1939 (RGZ. Bd. 162 S. 238) und VI (VII) 144/42 vom 26. März 1943 (RGZ. Bd. 171 S. 43) erneut bestätigt worden. Die Nachträge zum Versicherungsvertragsgesetz haben sich, wie die Begründung zum Pflichtversicherungsgesetz hervorhebt (DJ. 1939 S. 1771 [1773]), von einer Stellungnahme zur Streitfrage bewußt ferngehalten. Der im letzterwähnten, von der Revision zur Begründung ihrer abweichenden Meinung angezogenen Urteil behandelte Streitfall berührt eine andere Frage. Dort ist nämlich erörtert und entschieden, daß, wenn das Schadensursachenereignis innerhalb der sachlichen Versicherungsdauer liegt, nicht auch der verursachte Erfolg, der Schaden, in die Versicherungszeit zu fallen braucht, und es ist weiter ausdrücklich ausgesprochen, daß unter jener Voraussetzung der Schaden, ebenso wie der Versicherungsfall, d. h. die Inanspruchnahme des VersidierungsVersidicruiigsvertragsgesetz II
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nehmers (Versicherten) durch den Geschädigten, auch n o d i nach dem Ablauf der Versicherungsdauer eintreten k a n n , ohne daß dies den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz beeinträchtigte ( R G Z . Bd. 171 S. 43 [50]). Der hier maßgebliche Versicherungsvertrag bestand schon beim Inkrafttreten des Pflichtversicherungsgesetzes u n d der Angleichungsverordnung für die Nichtkraftfahrversicherung (1. Januar 1 9 4 1 ; vgl. R G B l . 1939 I S. 2 4 4 3 , 2223). Allerdings setzt § 5 N r . 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Fassung, w i e sie N e u a b schlüssen in der Zeit vom I . J a n u a r 1941 ab zugrunde zu legen sind ( P r o l ß W G . , 4. Aufl. 1943, S. 392 flg.), den Versicherungsfall im Sinne des Versicherungsvertrags abweichend v o n der bisherigen Rechtslage gleich mit dem Schadensereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben k ö n n t e . Aber diese Bestimm u n g gehört nicht zu den Vorschriften, die nadi der — auf die Verordnung über die Anwendung Allgemeiner Versicherungsbedingungen v o m 29. N o v e m b e r 1940 (RGBl. I S. 1 5 4 3 ) gestützten — Bekanntmachung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung vom H . F e bruar 1941, betreffend Haftpflichtversicherung (Reichsanzeiger Nr. 48), auch für schon bestehende Versicherungsverhältnisse gelten. Vielmehr h a t es für den vorliegenden Versicherungsvertrag bei der alten Fassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung ( V e r ö f f A u f s A P r V e r s . 1921 S. 120) sein Bewenden, die eine dera r t i g e Vorschrift nicht enthalten, vielmehr nach wie vor unterscheiden zwischen dem Versicherungsereignis im Sinne des § 1 A V B . (d. h. hier der dem Kläger vorgeworfenen „ F r e i g a b e e r k l ä r u n g " des Geschlechtsv e r k e h r s gegenüber B. und der angeblich darauf zurückzuführenden Schädigung der K . als Schadensfolge) einerseits und dem Versicherungsfall im Sinne der erwähnten bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (§§ 5, 6, 9 A V B . in Verbindung mit § 39 V V G . ) andererseits. Es braucht deshalb auch nicht geprüft zu werden, ob die v o n der Rechtsprechung des Reichsgerichts abweichenden Meinungen, insbesondere d i e v o n O b e r b a c h (Allgemeine Versidierungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, 1938, S. 69) zu einem andern Ergebnis führen k ö n n t e n ; auch O b e r b a c h lehrt, daß der Versicherungsfall erst „eing e t r e t e n " sei mit der Erhebung v o n Ansprüchen des Geschädigten g e g e n ü b e r dem Versicherungsnehmer, hier also erst, nachdem der rücks t ä n d i g e Versicherungsbeitrag bezahlt war. V e r g e b e n s beruft sich die R e v i s i o n auf die Fassung des § 1 A V B . , die für den Anspruch des Versicherungsnehmers auf vertragsmäßigen Versicherungsschutz gegenüber
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dem Versicherer voraussetzt, daß er wegen eines „während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Ereignisses" . . . auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Diese W o r t e können nichts anderes besagen als die W o r t e „während der Versicherungszeit" in der grundlegenden Bestimmung des § 149 W G . , also nur gleichbedeutend sein m i t : „nach sachlichem Versicherungsbeginn und vor sachlichem Ende der Versicherung", ohne daß es darauf ankommen k ö n n t e , o b in dem maßgeblichen Z e i t p u n k t e die H a f t u n g des Versicherers aus besonderen Gründen, etwa wegen Zahlungsverzugs des Versicherungsnehmers, geruht hat. Denn § I AVB. enthält nur die persönliche, sachliche und zeitliche Umschreibung der Versicherungsgefahr, während die sonstigen, das gegenseitige Versicherungsverhältnis betreffenden Fragen, insbesondere die Verzugsfolgen und ihre Beseitigung, selbständig und erschöpfend in § 3 Nr. 1 I, § 9 AVB. geregelt sind. H ä t t e bei der Schaffung der maßgeblichen Versicherungsbedingungen eine davon abweichende Absicht im Sinne der Revison obgewaltet, so h ä t t e sie, um bei der Auslegung nach Treu und Glauben bestehen zu können, f ü r die Versicherungsnehmer erkennbar und jedenfalls viel deutlicher als geschehen ausgedrückt werden müssen. Dies vorausgesetzt läge übrigens eine Änderung des § 39 V V G . vor, und es bliebe alsdann immer noch die Frage offen, ob eine solche Vereinbarung nach § 42 V V G . zulässig und wirksam gewesen wäre (vgl. die zu einem Fall aus der Haftpflichtversicherung gegen Vermögensschaden, VeröffAufsAPrV. 1930 S. 130, ergangene Reichsgerichtsentscheidung V I I 6 9 / 3 9 vom 19. Dezember 1939 in RGZ. Bd. 162 S. 238). Jedenfalls k ö n n t e sich die verklagte Versicherungsgesellschaft schon aus dem oben hervorgehobenen G r u n d auf eine abweichende Bedeutung des § 1 AVB. nach Treu und Glauben nicht berufen. Andererseits darf aber auch das Verhalten des Versicherungsnehmers, wenn er trotz seines Zahlungsverzugs im Zeitpunkte des Versicherungsereignisses für sich Versicherungsschutz in Anspruch nimmt, nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Im vorliegenden Falle kann es sich nur um die Frage handeln, ob der Versicherer von seiner Leistungspflicht fiei wird, wenn der Versicherungsnehmer mit einem Folgebeitrag in Verzug geraten ist. Nach § 39 Abs. 1 Satz 3 V V G . soll es darauf ankommen, ob der Verzug des Versicherungsnehmers zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch andauert oder nicht. Mit dieser Frage, die wesentlich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu beurteilen ist (vgl. S c h a c k in JW. 1937 S. 1213), hat sich der erkennende Senat in der Entscheidung VII 151/37 vom 14.Januar 1938 (RGZ. Bd. 156 12'
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S. 378 beschäftigt. Dort ist entschieden, ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des Versicherungsnehmers könne regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn dieser den Beitrag zwar erst nach dem Schadensereignis („Verstoß"), aber unbeeinflußt von diesem, insbesondere ohne Kenntnis von dessen Eintreten, entrichtet und das Versicherungsverhältnis danach noch unverändert und ohne einen Vorbehalt von seiten des Versicherers fortgedauert hat, und darauf hingewiesen, daß neben der Kenntnis vom Schadensfall die Erwartung des Versicherungsnehmers, daß er für den Schaden demnächst werde in Anspruch genommen werden, wesentlich ins Gewicht falle (das. S. 384). Jedenfalls darf der Versicherungsnehmer, nachdem diese Kenntnis oder Erwartung in seiner Person eingetreten ist, nicht versuchen, sich den Versicherungsschutz noch dadurch zu sichern, daß er den fälligen und ordnungsmäßig angemahnten Versicherungsbeitrag schleunigst bezahlt. Ein solcher Fall, der dem Versicherer das Recht gibt, sich seiner Versidierungspflicht nach § 39 W G . zu entschlagen, liegt aber hier gewiß nicht vor. Denn der Kläger hat, als er den unter Fristsetzung angemahnten Versicherungsbeitrag am 23. Dezember 1940 bezahlt und damit seinen Zahlungsverzug beendigte, nach der rechtlich einwandfreien Feststellung des Berufungsriditers nicht nur keine Kenntnis von der eingetretenen Schädigung der K. gehabt, sondern ihm waren auch keinerlei Tatsachen bekannt, aus denen er auf die Möglichkeit ihrer Erkrankung wie auch auf die bevorstehende Inanspruchnahme seiner eigenen Person aus dem Schadensereignis hätte schließen können. Nach alledem ist die Weigerung der verklagten Versicherungsgesellschaft, dem Kläger den vertragsmäßigen Versicherungsschutz zu gewähren, unbegründet.
Lebensversicherung RGZ. 66, 158. 1. Gehört das „Bezugsrecht" auf die nach dem Tode des Versicherungsnehmers zahlbare Lebensversicherungssumme aus einem vom Versicherungsnehmer ohne Benennung eines Bezugsberechtigten geschlossenen Vertrage zum Vermögen des Versicherungsnehmers? 2. Welchen EinfluB hat die Klausel „zahlbar an den Inhaber" auf das Bezugsredit?
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VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 24. Mai 1907. I. Landgericht Gießen. — II. OberlandesgeriAt Darmstadt.
Aus den G r ü n d e n : . . . „Zutreffend und im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgeridits führt das Berufungsgericht zunächst aus, daß die unentgeltliche Zuwendung der Lebensversidierungssumme an einem Dritten zwar stets anfechtbar sei, die Rückgewährpflicht des Begünstigten dagegen sidi versdiieden gestalte, je nachdem der Versicherungsnehmer den Vertrag von Anfang an zugunsten des Dritten geschlossen, oder das Bezugsrecht auf die Versicherungssumme aus einer ursprünglich zu eigenen Gunsten (oder zugunsten seines Nachlasses oder seiner Erben als solcher) genommenen Versicherung nachträglich dem Dritten zugewendet hat. Im ersten Falle seien nur die während des letzten Jahres oder der letzten zwei Jahre (§32 Nr. 1,2 KO., § 3 Nr. 3,4 Anfechtungsgesetzes) bezahlten Prämien, im letzteren Falle die vom Begünstigten bezogene Versicherungssumme zurückzugewähren. Dem ist beizutreten. Der erkennende Senat hat sidi in diesem Sinne auch bereits früher ausgesprochen — Urteil vom 10. November 1905, Entsdi. in Zivils. Bd. 62 S. 46 — und findet keine Veranlassung, hiervon abzugehen. Rechtlich verfehlt sind dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, die sidi auf die Bedeutung der hier fraglichen Zuwendung beziehen, und zum großen Teile einem Urteile des bayerischen obersten Landesgerichts — S e u f f e r t s Archiv Bd. 41 Nr. 138 —, zum Teil aber auch nicht hierher passenden oder vom Berufungsgerichte mißverstandenen Entscheidungen des Reichsgerichts entnommen sind. Die Beweisführung des Berufungsgeridits läßt sich kurz dahin zusammenfassen: A u c h bei Ausstellung einer an den Inhaber zahlbaren Police sei es übereinstimmender Wille des Versicherers und des Versicherungsnehmers, daß nicht der Versicherungsnehmer, sondern der von ihm erst noch zu bestimmende Dritte den Anspruch auf die Versicherungssumme als eigenes, ursprüngliches und selbständiges Recht erwerben solle. Übergebe der Versicherte die Police demnächst einem Dritten mit der Erklärung, daß sie ihm gehöre, und er nach Ableben des Versicherten die Versicherungssumme für sich erheben könne, so liege hierin nicht eine „Zession" des Anspruchs, sondern die im Vertrage vorbehaltene Bestimmung des Dritten, dem der Anspruch als ursprüngliches, selbständiges Recht zustehen solle. Zum Vermögen des Versicherten habe der Anspruch von Anfang an nicht gehört, könne daher auch keinen Bestandteil seines Nachlasses bilden. Vorliegend müsse dies um so mehr angenommen werden, als der Versicherte in den
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Vertragsanträgen als Zwedc der Versicherung die Sorge für seine Familie angegeben, und die Gesellschaft die Anträge in diesem Sinne angenommen habe. Für den Versicherten habe von vornherein festgestanden, daß er selbst nie bezugsberechtigt sein, nie bezugsberechtigter Präsentant der Police im Sinne des § 3 3 der Versicherungsbedingungen werden könne. Habe er also, ohne selbst einen Ansprudi auf die Versicherungssumme erworben zu haben, von dem Rechte der Namhaftmachung eines bezugsberechtigten Dritten Gebrauch gemacht, so habe er damit keinerlei Recht aus seinem Vermögen auf die Beklagte übertragen. Diese Ausführungen sind in mehrfacher Richtung rechtsirrig; der Grundirrtum liegt in der Annahme eines „nie zum Vermögen des Versicherten gehörig gewesenen Bezugsrechts." Eine Unterscheidung zwischen dem sofort aus dem Vertragsschlusse entstehenden Rechte des Versicherten und dem demnächstigen Rechte auf den Bezug der Versicherungssumme ist am Platze, wenn der Vertrag zugunsten eines Dritten geschlossen ist; hat dagegen der Versicherte die Versicherung für sich (oder seinen Nachlaß oder seine Erben als solche) genommen, so entbehrt die Unterscheidung der inneren Berechtigung; sie ist irreführend und hat in Wissenschaft und Rechtsprechung schon häufig Verwirrung gestiftet. Der Lebensversidierungsvertrag weist regelmäßig zwei Besonderheiten auf, die Abhängigkeit des Anspruchs auf die Versicherungssumme von der Zahlung fortlaufender Prämien und vom Tode des Versicherten. Beide sind aber dem Vertrage nicht wesentlich, und für die Beurteilung der „sofort aus dem Vertragsschlusse entstehenden Rechte des Versicherten" ist es von Vorteil, wenn man von diesen Besonderheiten absieht. Ist, statt fortlaufender Prämien, vom Versicherten nur eine einmalige Zahlung einer entsprechend höheren Summe gleich beim Vertragsschluß zu leisten, so erwirbt er damit den u n b e d i n g t e n Anspruch auf die Versicherungssumme, deren Fälligkeit stets weit hinausgeschoben sein wird, aber sofort festgesetzt werden kann. Steht der Fälligkeitstag fest, so wird schwerlich jemand auf den Gedanken kommen, daß das Bezugsrecht, das Recht, die Forderung bei Verfall für sich einzuziehen, nicht schon jetzt zum Vermögen des Versicherten gehöre, sondern erst künftig, am Fälligkeitstage, als ein von der Forderung losgelöstes selbständiges Recht zur Entstehung gelange. Es ist vielmehr selbstverständlich, daß das „Bezugsrecht" von Anfang an als unmittelbarer Ausfluß und hauptsächlichster Wesensbestandteil der Forderung selbst mit dieser für den Gläubiger begründet ist. Was am Fälligkeitstage neu hinzukommt, ist lediglich die Fälligkeit der Forderung mit dem in ihr inbegriffenen Bezugsrecht; an dem Inhalt der Forderung ändert sich nichts.
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Dasselbe gilt aber audi, wenn statt eines bestimmten Kalendertages der Todestag des Versicherten als Fälligkeitstermin vereinbart worden ist. Freilich kann in diesem Falle der Versicherte die Forderung nicht selbst einziehen; er muß dies von vornherein seinem Rechtsnachfolger überlassen. Aber das hat die Forderung schließlich mit jeder anderen Forderung gemein, deren Fälligkeit der Gläubiger nicht erlebt. Audi wenn ein Darlehen mit der Abrede gegeben ist, daß es bei Lebzeiten des Gläubigers unkündbar, an seinem Todestage (oder gewisse Zeit nachher) fällig sein soll, können nur die Erben des Gläubigers die Forderung einziehen; es ist aber wohl noch nie die Meinung aufgestellt worden, dieses „Bezugsrecht" habe nie zum Vermögen des Erblassers gehört. Es ist vielmehr selbstverständlich, daß es den Erben nur als Wesensbestandteil der Forderung, als deren unmittelbarer Ausfluß, nur deshalb zusteht, weil eben die Forderung selbst auf sie übergegangen ist. Ganz schlagend erweist sich die Wesensgleichheit des 'Bezugsrechts mit der Forderung selbst, wenn der Gläubiger die Forderung bei Lebzeiten einem Dritten a b g e t r e t e n hat. Der Übergang des Einzugsrechtes auf den neuen Gläubiger, der doch sicher nicht in Zweifel zu ziehen ist, wäre nidit möglich, wenn nidit schon der Abtretende dasselbe besessen hätte, da niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat. Erlangt aber der Zessionar das Bezugsredit aus dem Vermögen des ersten Gläubigers bzw. seines Vormannes, so kann für die Gesamtreditsnadifolger nidits anderes gelten. Allerdings hat gelegentlich audi das Reichsgericht — vgl. Urteil vom 18.Mai 1887, Rep. VI 129/87, Jurist. Wochenschr. S. 293 Nr. 25 — die hier beanstandete Unterscheidung machen zu sollen geglaubt. Allein jenes Urteil schließt gleichzeitig die Möglichkeit irriger Folgerungen selbst aus, indem es sofort hinzufügt, das Bezugsrecht gehöre zum Nachlaß, weil es lediglich als unmittelbare Wirkung und als Ausfluß der durch den Vertrag begründeten Forderung sich darstelle. Das heißt mit anderen Worten, die Erben können die Forderung einziehen, weil eben die Forderung durch Erbgang auf sie übergegangen ist. Der Versicherungsnehmer, der den Anspruch auf die Versicherungssumme einem Dritten zuwenden will, kann dieses Ziel nun nidit nur auf dem Wege der Abtretung, sondern noch auf anderem Wege erreichen: dadurch, daß er die Zahlung an den Dritten als Selbstbereditigten mit dem Versicherer vereinbart. Er kann dies beim Abschluß des Vertrages, er kann es durch spätere Vertragsänderung. Der erstere Fall scheidet hier aus; er liegt nidit vor, und über seine Beurteilung besteht audi keine Meinungsverschiedenheit zwischen dem erkennenden Senate
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und dem Berufungsgerichte. Was den zweiten Fall betrifft, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß die naditrägliche Benennung eines Bezugsberechtigten s t e t s eine Zuwendung aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers enthält. Das ergibt sich ohne weiteres aus den bisherigen Darlegungen, das hierdurch entstehende Rechtsverhältnis unterscheidet sich allerdings in einigen Beziehungen von der A b t r e t u n g der Forderung. Einmal kommt es nicht, wie die letztere, durch Vertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten, sondern durch Vertrag zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zustande. Sodann pflegt es zunächst nur beliebig widerruflich eingeräumt zu werden. Und endlich erhält der „Bezugsberechtigte" nicht, wie der Zessionar, die volle Gläubigerstellung, sondern nur gewissermaßen einen Ausschnitt aus derselben. Denn audi nachdem das Bezugsredit des Dritten unwiderruflich geworden, behält der Versicherungsnehmer ein Forderungsrecht gegen den Versicherer auf Leistung an den Dritten (§ 335 BGB.). Der Dritte hat also eine ähnliche Rechtsstellung wie der Pfändungsgläubiger, dem die gepfändete Forderung zur Einziehung überwiesen ist. D i e s e s Einziehungsrecht ist, seine Unwiderruflichkeit vorausgesetzt, in der Person des Dritten ein selbständiges; er erhält dasselbe nicht aus dem Nachlaß des Versicherten, sondern erwirbt es k r a f t des Vertrages zwischen Versichertem und Versicherer, in unmittelbarer Folge dieses Vertrages, aber selbstverständlich nicht infolge des u r s p r ü n g l i c h e n Vertrages, sondern infolge der nachträglichen Vertragsänderung. Da vor dieser Änderung das „Bezugsrecht" als unselbständiger Wesensteil der ursprünglichen Forderung dem Versicherten zustand und ohne die Vertragsänderung auch fernerhin in dessen Vermögen geblieben wäre, so ist klar, daß der Dritte das Bezugsrecht aus dem Vermögen des Versicherten erhält, geradeso wie der Nießbraucher oder der Hypothekengläubiger sein Recht aus dem Vermögen des Bestellers, obgleich auch diese Rechte vorher nicht als selbständige Rechte, nicht in dieser reditlidien Gestalt im Vermögen des Bestellers enthalten waren. — Das Berufungsgericht scheint nun aber der Meinung zu sein, daß der Fall ursprünglicher Bestellung eines Bezugsberechtigten vorliege, wenn sich der Versicherte beim Vertragsabschlüsse die Bestellung eines solchen vorbehalten habe und später von dem Vorbehalt Gebrauch mache. Auch das ist rechtsirrig. Da die nachträgliche Benennung eines Begünstigten, wie erwähnt, eine Änderung des ursprünglichen Vertrages enthält, so erfordert sie die Zustimmung des anderen Vertragsteils, des Versicherers. Diese Zustimmung entbehrlich zu machen, die Änderung an die einseitige Erklärung des Versicherungsnehmers zu knüpfen, ist
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Zweck und Wirkung des Vorbehalts. Wie es aber möglich sein sollte, durch den Vorbehalt die Tatsache zu beseitigen, daß bis zur Vornahme der Vertragsänderung das volle, durdi ein Bezugsrecht Dritter nidit beschränkte Gläubigerrecht beim Versicherungsnehmer war, und daß dieser erst durdi die Benennung des Begünstigten den wesentlichsten Teil seiner Reditsbefugnisse dem Begünstigten einräumt, ist nicht zu verstehen. Hieraus ergibt sich, daß hinsichtlich der Frage, ob eine Zuwendung aus dem Vermögen des Versicherten vorliegt, zwischen der Abtretung der Forderung und der nachträglichen Umwandlung des Vertrages in einen solchen auf Leistung an Dritte kein Unterschied zu madien ist. Es ist noch zu untersuchen, ob hieran etwa die Bestimmung „zahlbar an den Inhaber der Police" etwas ändert. Audi dies ist zu verneinen. Die Inhaberklausel macht den Versicherungsschein nicht zum Wertpapier im engeren Sinne; die Forderung ist nicht in ihm derart verkörpert, daß die Übereignung des Papiers von selbst den Übergang der Forderung bewirkte. Die Klausel ist vielmehr im wesentlichen eine zugunsten des Versicherers getroffene Legitimationsbestimmung; der Versicherer kann an den Inhaber des Scheins zahlen, muß dies aber nicht, sondern ist berechtigt, von ihm den Nachweis rechtmäßigen Erwerbs der Forderung zu verlangen. Die Forderung aber wird auch hier wie sonst durch Abtretung übertragen. Wenn der Versicherte den Sdiein einem Dritten mit der Erklärung übergibt, er solle ihm gehören, der Anspruch auf die Versicherungssumme solle ihm zustehen, so liegt hierin nicht, wie das Berufungsgericht meint, „Tradition, wohl zu unterscheiden von der Zession", sondern in Wahrheit begreift der Vorgang beides in sich, die Abtretung der Forderung und die Übereignung des Papiers. Das Maßgebende aber ist die Abtretung, die gemäß § 952 BGB. das Eigentum am Versicherungsschein auch ohne dessen Übergabe nach sich ziehen würde. Welche Wirkungen sonst noch der Inhaberklausel zukommen, richtet sich nach dem Vertrage. Näher braucht hierauf nicht eingegangen zu werden; denn selbst wenn man Verkörperung der Forderung im Versicherungsschein unterstellt, ergibt dies keine Stütze für den Standpunkt des Berufungsgerichts. Der Schuldner, der — beispielsweise — ein Darlehen gegen Aushändigung einer Schuldverschreibung auf den Inhaber erhält, will sich allerdings nicht dem Darlehensgeber als solchem, sondern dem Inhaber der Versdireibung zur Rückzahlung verpflichten. Wenn aber der Darlehensgeber sich selbst die Versdireibung aushändigen läßt, so wird selbstverständlich er, und nur er, Gläubiger, und er bleibt es, solange er Eigentümer der Schuldverschreibung bleibt.
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Warum dies beim Lebensversidierungsvertrag anders sein sollte, ist nicht abzusehen. Ganz unverständlich ist die Annahme, daß die Inhaberklausel den Vertrag zu einem Vertrag zugunsten eines Dritten mache, und daß die „ T r a d i t i o n " der Police sidi als die Benennung des Dritten darstelle. Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil Tradition wie Zession ein Geschäft des Versicherten mit dem begünstigten Dritten, die Umwandlung des Vertrages in einen solchen auf Leistung an Dritte dagegen ein Geschäft des Versicherten mit dem Versicherer ist. Da nun vorliegendenfalls der Versicherte die beiden Policen bis zu seinem Tode in Besitz hatte, so war er auch Gläubiger der Forderungen geworden und geblieben. Und daß ihn auch der Versicherer als Gläubiger angesehen hat, dafür ist der sicherste Beweis die Tatsache der Verpfändung der Policen an den Versicherer für ein Darlehen. Erst durch den Antrag auf Umschreibung der Policen auf die Beklagte hat der Versicherte die Zuwendung der Forderungen an die Beklagte eingeleitet, und erst mit dem Wirksamwerden dieses Antrages sind die Forderungen, genauer das Recht, sie einzuziehen, aus dem Vermögen des Versicherten ausgeschieden und in das der Beklagten übergegangen. Die Anfechtung dieser Zuwendung kann daher nicht mit der Begründung abgewiesen werden, daß das Bezugsrecht nidit zum Vermögen des Versicherten gehört habe." . . . R G Z . 118, 57. Wird bei einer Lebensversicherung der Umfang der Leistung des Versicherers durch einen ihm bei Abschluß des Vertrags verschwiegenen Umstand beeinflußt, wenn der Versicherer bei Kenntnis dieses Umstands den Vertrag nicht oder nur zu höheren Prämiensätzen geschlossen hätte? Gesetz über den Versicherungsvertrag § 2 1 . VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 20. September 1927.
1. Landgericht F r a n k f u r t a. M . —
II. O b e r l a n d e s g e r i d i t
daselbst.
Rudolf R. war laut Lebensversicherungspolice vom 15. Februar 1924 bei der Beklagten mit 5000 RM zugunsten der Klägerin, seiner Ehefrau, versichert und ist am 19. September 1925 gestorben. Durch Schreiben an die Klägerin vom 28. Oktober 1925 erklärte die Beklagte ihren Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Die Klägerin verlangt Zahlung der Versicherungssumme. Das Landgericht wies die Klage ab; das Oberlandesgericht gab ihr statt. Die Revision der Beklagten war erfolglos.
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Gründe: Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der Versicherungsnehmer R. die im Versicherungsvertrag enthaltene Frage, ob er an Krankheiten der Atmungsorgane, insbesondere an Asthma gelitten habe oder leide, unrichtig mit „ n e i n " und die weitere Frage, wer der Arzt sei, von dem er sich behandeln lasse, unrichtig mit „ k e i n e r " beantwortet. (Es wird zunächst ausgeführt, daß arglistiges Verhalten des R. nicht anzunehmen sei.) Die Beklagte hat den Rücktritt vom Vertrag deshalb erklärt, weil R. bei Schließung des Vertrags die bezeichneten falschen Angaben gemacht habe. Das Berufungsgericht erachtet den Rüdetritt für unberechtigt, weil die Umstände, in Ansehung deren die Anzeigepflidit verletzt worden sei (das Asthmaleiden des R. und seine Behandlung durch einen Arzt), keinen Einfluß auf den Eintritt des Todes des Versicherten und den U m f a n g der Leistung der Beklagten gehabt hätten. Dagegen meint die Revision, der U m f a n g der Leistung der Beklagten sei durch die unrichtige Beantwortung der Fragen beeinflußt, weil bei richtiger Beantwortung die Beklagte den Vertrag überhaupt nicht oder nur unter anderen, für den Versicherungsnehmer schwereren Bedingungen geschlossen hätte. Außer Streit ist, daß die Umstände, in Ansehung deren R. die Anzeigepflicht verletzt hat, auf seinen T o d keinen Einfluß gehabt haben. Zu prüfen ist also nur die Frage, ob das Rüdctrittsrecht der Beklagten auch dann ausgeschlossen ist, wenn sie bei richtiger Beantwortung der Fragen den Vertrag entweder abgelehnt oder mit höheren Leistungen des Versicherungsnehmers geschlossen hätte. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten schließen den Rücktritt des Versicherers wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach dem T o d e des Versicherten aus, wenn nachgewiesen wird, daß der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt worden ist, keinen Einfluß auf den Eintritt des Todes und auf den Umfang der Leistung der Beklagten gehabt hat. Diese Bestimmung ist ihrem wesentlichen Inhalt nach dem § 2 1 V V G . entnommen, unterliegt also nach dem zu vermutenden Parteiwillen der gleichen Auslegung, wie die gesetzliche Vorschrift, die zudem nach § 31 W G . nicht durch Vereinbarung zuungunsten des Versicherungsnehmers geändert werden kann und, insoweit dies geschehen sein sollte, unmittelbar angewendet werden müßte. Gegen die Zulässigkeit der Nachprüfung der durch das Be-
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rufungsgericht vorgenommenen Auslegung der Vertragsbestimmung bestehen keine Bedenken. Die Behauptung der Beklagten, sie hätte bei richtiger Beantwortung der Fragen den Vertrag nur zu höheren Prämiensätzen abgeschlossen, betrifft nicht, wie die Revision meint, den Umfang der Leistung der Beklagten, sondern den Umfang der Leistung des Versidierungsnehmers. Lediglich auf den Umfang der Leistung der Beklagten stellt aber die Vertragsbestimmung (wie das Gesetz) ab, nicht auf den wirtschaftlichen Erfolg, den der Versicherungsvertrag der Beklagten bringt. Wird nur der wirtschaftliche Erfolg, nicht aber die Leistung des Versicherers durch den Umstand beeinflußt, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, so ist das Rüdctrittsrecht ausgeschlossen. Die erwähnte Behauptung der Beklagten ist daher unerheblich. Das gleiche gilt auch für ihr Vorbringen, sie hätte bei richtiger Fragenbeantwortung den Vertrag nicht geschlossen. In diesem Falle würde ihre Leistungspflicht allerdings entfallen. Aber diese Wirkung könnte nicht auf die Umstände zurückgeführt werden, in Ansehung deren R. die Anzeigepflicht verletzt hat, also auf seine Krankheit und ärztliche Behandlung, sondern er würde sich lediglich auf das Verschweigen dieser Tatsachen gründen lassen. Der Vertrag, wie das Gesetz, läßt in einem solchen Falle den Rüdetritt nicht zu. Die Ausführung der Revision, bei solcher Auslegung habe die Vertragsbestimmung keine praktische Bedeutung, denn es sei nicht abzusehen, wie der Umfang der Leistung der Beklagten in anderer als der von ihr dargelegten Weise beeinflußt werden könne, vermöchte, auch wenn sie zuträfe, an dem Ergebnis nichts zu ändern. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß § 21 W G . auch für andere Versicherungszweige als die Lebensversicherung gilt und insoweit sicher praktische Bedeutung hat. Die Möglichkeit, daß seine Vorschrift in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten ohne hinreichende Prüfung der Frage hinübergenommen ist, ob sie in allen Einzelheiten auf Lebensversicherungsverträge Anwendung finden könne, ist nicht von der Hand zu weisen. RGZ. 127, 269. Uber die Pfändung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers ans einem Lebensversicherungsvertrag, nach dem die Versicherungssumme vorbehaltlich des Widerrufs des Versicherungsnehmers an einen Dritten gezahlt werden soll. MuB der Pfändungsgläubiger den Widerruf vor
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Eintritt des Versicherangsfalls erklären, um den Dritten vom Bezog der Versicherungssumme auszuschließen? BGB. §§ 330,331. Versicherungsvertragsgesetz §§ 165,166. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25.Februar 1930. I. Landgericht Weimar. — II. Oberlandesgeridit Jena.
Der Ehemann der Klägerin hatte sein Leben vom 1. April 1925 ab versichert. Die Versicherungssumme von 15 000 DM sollte am 1. April 1939 an den Versicherten, bei seinem früheren Ableben sofort an die Klägerin zahlbar sein. Er stand im Dienste der Beklagten. Diese entließ ihn im Oktober 1928, erwirkte gegen ihn einen Arrestbefehl und ließ am 18. Oktober 1928 die Ansprüche pfänden, die ihm aus dem Lebensversicherungsvertrag zustanden. Der Ehemann der Klägerin erschoß sich am 25. Januar 1929. Die Versicherungsgesellschaft verlangte von der Klägerin die Beibringung der Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung der Versicherungssumme an die Klägerin. Im Rechtsstreit beantragte die Klägerin, die Beklagte zur Einwilligung in die Auszahlung der Versicherungssumme an die Klägerin zu verurteilen. Die Vorinstanzen entsprachen diesem Antrag. Die Revision der Beklagten hatten keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat erwogen, daß dem Ehemann der Klägerin zur Zeit der Pfändung neben dem bedingten Anspruch auf die Lebensversicherungssumme das Recht zugestanden habe, die Bezeichnung der Klägerin als Bezugsberechtigte zu widerrufen und den Vertrag nach § 1 6 5 VVG. zu kündigen. Weder das eine noch das andere habe er getan, und solche Erklärungen habe auch die Beklagte als Pfändungsgläubigerin nicht abgegeben. Sie sei dazu auch nicht befugt gewesen; denn wie das Kündigungsrecht nach § 165 VVG. ein unentziehbares Recht sei (§ 172 das.), so sei auch das höchstpersönliche Recht des Widerrufs der Bezugsberechtigung unentziehbar und durch die Pfändung nicht betroffen. Jedenfalls sei aber in der Pfändung nicht die Ausübung des Widerrufsredits zu finden. Die Revision greift diese Ausführungen an. Sie meint, durch Verpfändung der Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag werde das Bezugsrecht dritter Personen aufgehoben oder trete doch hinter das Pfandrecht zurück. Das gleiche müsse für ein Pfändungspfandrecht gelten.
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Nicht zu billigen ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Befugnis des Versicherungsnehmers zum Widerruf einer vordem begründeten Bezugsberechtigung sei ein höchstpersönliches Recht in dem Sinne, daß es von der Person des Versicherungsnehmers nicht gelöst werden könne (RGU. vom 13. Februar 1914, abgedr. in den Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung 1914, Anhang S. 78 Nr. 871 und LZ. 1914 Sp. 955 Nr. 19). Unzutreffend ist auch die Gleichstellung der Kündigung des § 165 V V G . mit dem Widerruf der Bezugsberechtigung in Ansehung der Frage, ob diese Rechte dem Versicherungsnehmer entzogen werden können. Denn es fehlt beim Widerrufsrecht an einer dem § 172 V V G . entsprechenden Vorschrift, wonach nicht wirksam auf den Widerruf dem Versicherer gegenüber verzichtet werden könnte, und es steht außer Zweifel, daß die Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der beteiligten Gesellschaft rechtswirksam ist, wonach der Versicherungsnehmer den Widerruf ausschließen kann (§ 14 Satz 3). Es ist sonach davon auszugehen, daß zu den Rechten des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag, die der Zwangsvollstreckung unterliegen, auch die Befugnis zum Widerruf der Bezugsberechtigung gehört, und daß die Beklagte durch den ihr erwirkten Pfändungsbeschluß auch dieses Recht gepfändet hat. Diese Rechtsstellung ermächtigte sie mithin zum Widerruf der Bezugsberechtigung der Klägerin. Ob es dazu noch einer vorgängigen Überweisung dieses Rechtes zur Einziehung bedurft hätte — welche die Beklagte nicht erwirkt hat —, kann dahingestellt bleiben; denn die Beklagte hat die Bezugsberechtigung nicht widerrufen, und die Annahme der Revision, daß die Pfändung das Erlöschen der Bezugsberechtigung zur unmittelbaren Folge habe, trifft nicht zu. Das Pfändungspfandrecht ergreift das Recht des Versicherungsnehmers in dem zur Zeit der Pfändung bestehenden Umfang; eine Änderung des Rechts wird durch die Pfändung nicht herbeigeführt. Daher bleibt die Aussicht des Bezugsberechtigten auf Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungssumme bestehen, und um diese Aussicht zunichte zu machen, bedarf es des Widerrufs. Unterläßt der Pfandgläubiger bis zum Tode des Versicherungsnehmers eine solche Erklärung, so erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungssumme, ohne durch das Pfandrecht beschränkt zu werden. Denn dieser Erwerb tritt gemäß §§ 330, 331 BGB., § 1 4 Satz 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen unmittelbar mit dem Tode des Versicherungsnehmers ein, dergestalt daß der Bezugsberechtigte weder aus dem Nachlaß noch überhaupt aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers erwirbt (RGZ. Bd. 80 S. 177, Bd. 71 S. 327,
Lebensversicherung
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Bd. 51 S. 4 0 5 ) . Mit dem Tode des Versicherungsnehmers ist an die Stelle seines Anspruchs auf die Versicherungssumme ein neuer, durdi das Pfandrecht nicht beschwerter Anspruch des Bezugsberechtigten getreten. Die Beklagte kann also auf Grund der Pfändung der Auszahlung der Versicherungssumme an die Klägerin nicht widersprechen. Die Frage, ob für ein auf Grund einer Verpfändung bestelltes Pfandrecht andere Grundsätze maßgebend sind, bedarf keiner Erörterung, da es sich hier nicht um ein solches Pfandrecht handelt. Es mag aber darauf verwiesen werden, daß mit der Bestellung eines Pfandrechts durch den Versicherungsnehmer dessen Erklärung, er widerrufe die Bezugsberechtigung, verbunden werden und daß eine solche Erklärung auch stillschweigend abgegeben werden kann. Dagegen spielen beim Erwerb von Pfändungspfandrechten Willenserklärungen des Schuldners keine Rolle. RGZ. 130, 55. Wie ist bei einer Lebensversicherung die Bedingung auszulegen, wonach die Leistungspflicht der Gesellschaft mit der ersten Prämienzahlung beginnt, vorausgesetzt daß der Versicherte seit der ärztlichen Untersuchung nicht erheblich erkrankte?
VVG. § § 159 flg. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 23. September 1930.
1. Landgeridit Dortmund. —
II. Oberlandesgeridit Hamm.
Der Erblasser der Kläger, Bankprokurist R., beantragte am 24. Mai 1927 bei der Beklagten eine Lebensversicherung in Höhe von 2 0 0 0 0 R M . Nachdem am 8. September 1927 die ärztliche Untersuchung stattgefunden hatte, nahm die Beklagte am 14. gleichen Monats den Antrag an. Am 16. September wurde die erste Prämie telegraphisch gezahlt. Bereits am 12. September hatte sich R. wegen einer kleinen wunden Stelle an der linken Stirnseite in ärztliche Behandlung begeben. Am 15. September wurde ein kleines Geschwür, das sich gebildet h a t t e , durdi einen Einsdinitt gespalten und am 16. September neuerlich eine Operation des Furunkels vorgenommen, wobei der entzündliche Herd in ganzer Ausdehnung geöffnet wurde. V o m 17. bis 2 0 . September war R . bei gutem Befinden. Am 2 1 . September zeigten sich Erscheinungen einer Hirnhautentzündung, an der er am 22. September 1 9 2 7 starb. In § 1 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der B e klagten ist bestimmt:
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Versicherungsvertragsgesetz
D i e Leistungspflicht der G e s e l l s c h a f t a u s der Versicherung b e g i n n t mit der Z a h l u n g ( g e m e i n t ist die erste P r ä m i e n z a h l u n g ) , v o r a u s g e s e t z t , daß der Versicherte a l s d a n n noch lebt u n d seit der Erklärung über seine G e s u n d h e i t s v e r h ä l t n i s s e — bei Versicherungen m i t ärztlicher Untersuchung seit d e r ärztlichen Untersuchung — nicht erheblich e r k r a n k t e o d e r verletzt wurde. Streit herrscht zwischen d e n P a r t e i e n d a r ü b e r , o b der Versicherte i m Sinne dieser B e s t i m m u n g zwischen der ärztlichen U n t e r s u c h u n g und der Prämienzahlung erheblich e r k r a n k t ist und o b daher die L e i s t u n g s pflicht der B e k l a g t e n aus der Versicherung b e g o n n e n hat. D i e V o r i n s t a n z e n verurteilten d i e B e k l a g t e zur Z a h l u n g der V e r s i c h e r u n g s s u m m e . Ihre R e v i s i o n f ü h r t e zur A u f h e b u n g und Z u r ü c k verweisung. Gründe: N a c h der a n g e f ü h r t e n V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g ist m a ß g e b e n d für d e n B e g i n n der Leistungspflicht der B e k l a g t e n aus der V e r s i c h e r u n g , daß der Versicherte in der Z e i t v o n der ärztlichen U n t e r s u c h u n g bis zur ersten Prämienzahlung nicht erheblich erkrankte. D i e A u s l e g u n g dieser B e s t i m m u n g durch das B e r u f u n g s g e r i c h t ist entsprechend der s t ä n d i g e n Rechtsprechung d e s Reichsgerichts, v o m Revisionsgericht frei nachzuprüfen, da sich die g e s a m t e n V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n als typische V e r t r a g s b e s t i m m u n g e n d a r s t e l l e n . Z u z u s t i m m e n ist d e m Ber u f u n g s u r t e i l darin, daß für die B e a n t w o r t u n g der Frage, o b der V e r sicherte in dem angegebenen Z e i t r a u m erheblich erkrankte, ein o b j e k tiver M a ß s t a b anzulegen ist und daß also darauf nichts a n k o m m t , o b er selbst sich für erheblich e r k r a n k t g e h a l t e n h a t oder nicht. D a s ist d e m W o r t l a u t w i e auch d e m o f f e n b a r e n Sinn d e r B e s t i m m u n g z u entn e h m e n (vgl. U r t . des e r k e n n e n d e n Senats v o m 26. Februar 1 9 2 9 V I I 4 7 0 / 2 8 ) . D a g e g e n ist es nicht richtig, w e n n der Vorderrichter d a v o n a u s g e h t , daß sich mit Rücksicht auf die U n b e s t i m m t h e i t d e s A u s d r u c k s „erhebliche E r k r a n k u n g " und die u n b e g r e n z t e n K r a n k h e i t s m ö g l i c h k e i t e n eine allgemein g ü l t i g e B e g r i f f s b e s t i m m u n g der Erheblichkeit einer Erk r a n k u n g nicht aufstellen lasse, und wenn er schließlich d i e Entscheidung d a r a u f abstellt, o b im einzelnen F a l l e der ärztliche K r a n k h e i t s b e f u n d „ i n der kritischen Z e i t " (d. h. zur Z e i t der P r ä m i e n z a h l u n g ) ein dera r t i g e r war, daß o b j e k t i v betrachtet m i t einem tödlichen A u s g a n g gerechnet werden mußte, o d e r o b z u dieser Z e i t nach ärztlichem E r m e s s e n a n einen u n g ü n s t i g e n A u s g a n g nicht gedacht z u werden brauchte. Es m u ß vielmehr ein allgemeinerer S t a n d p u n k t g e f u n d e n werden, wenn
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man dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht werden will. Die Beklagte hat sich mit der in Frage stehenden Versicherungsbedingung offensichtlich davor schützen wollen, daß sie in Anspruch genommen werde, wenn beim Versicherten, obgleich die ärztliche Untersuchung ein günstiges Ergebnis gehabt hatte, schon zur Zeit der ersten Prämienzahlung eine Krankheit eingetreten war, die in der Folgezeit zu seinem Tode führen konnte. Dann muß aber die Erkrankung und die sich daran anschließende Krankheit als etwas Einheitliches betrachtet und das entscheidende Gewicht auf den Gesamtverlauf der Krankheit gelegt werden. Allerdings muß die Erkrankung als solche zur Zeit der Prämienzahlung schon in die Erscheinung getreten sein. Wer zu diesem Zeitpunkt bereits erkennbar erkrankt war und im Verlauf der Krankheit an ihr stirbt, der hat nach dem angegebenen Zweck der Bestimmung als bereits in diesem Zeitpunkt „erheblich erkrankt" zu gelten. Anderseits muß die zur Zeit der ersten Prämienzahlung vorhandene Krankheit ursächlich für den T o d gewesen sein; denn weiter kann der durch die Bedingung der Beklagten gewährte Schutz nach ihrem Sinn und Zweck nicht ausgedehnt werden. War der Versicherte in der Zeit zwischen ärztlicher Untersuchung und Prämienzahlung von einer Krankheit befallen worden, die an sich gefährlich war und ihrer Art nach zum Tode führen konnte, war er aber von dieser Krankheit völlig genesen und ist sein Tod dann aus einem anderen Grunde eingetreten, so kann die Beklagte nicht aus der fraglichen Bedingung herleiten, daß ihre Leistungspflicht nicht eingetreten sei. Das gleiche muß gelten, wenn eine zur Zeit der Prämienzahlung vorhandene, an sich leichte Erkrankung nur infolge von Einwirkungen, die später unerwarteterweise von außen herantraten, so schlimm geworden ist, daß sie zum Tode geführt hat; auch dann fehlt es an dem erforderlichen ursächlichen Zusamenhang zwischen der im maßgebenden Zeitpunkt vorhandenen Krankheit und dem schließlich eingetretenen Tode. O b das bei dem verstorbenen R. schon von der Prämienzahlung aufgetretene Geschwür, das sicher als eine in die Erscheinung getretene Erkrankung aufzufassen ist, als solches zu seinem Tode geführt hat, oder ob eine diesen ursädilidien Zusammenhang ausschließende, von außen unerwartet herangetretene anderweitige Einwirkung den Tod verursacht hat, darüber hat sich das Berufungsgericht bisher nicht ausgesprochen. RGZ. 130, 271. Findet § 1 7 6 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes auch dann Anwendung, wenn der Versicherer den Versicherungsvertrag nach EinVersicherungsvertragsgesetz II
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tritt des Versicherungsfalls wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer mit Erfolg angefochten hat? Versicherungsvertragsgesetz §§ 176, 178. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 21. November 1930.
I. Landgericht Magdeburg. — 11. Oberlandesgeridit Naumburg a. S.
Der Kaufmann F. in M. hatte mit der Beklagten im November 1924 und im Januar 1925 zwei Lebensversicherungen über je 150 000 Goldmark abgeschlossen. Er starb am 14. März 1928. Die Prämien waren bis zu seinem Tode vertragsgemäß gezahlt worden. Durch Schreiben an seine Erben vom 24. April 1928 erklärte die Beklagte die Anfechtung der beiden Versicherungsverträge wegen arglistiger Täuschung, weil der Versicherungsnehmer beim Versicherungsabschluß bewußt unrichtige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht habe. Unstreitig ist die Anfechtung berechtigt. Die Klägerin, der die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen abgetreten worden sind, fordert mit der Klage in erster Linie Rückzahlung der entrichteten Prämien, zum mindesten aber den Betrag von 45 2 0 5 , 5 0 R M als Rückvergütung aus der Prämienreserve. Die Beklagte hält das Klageverlangen für unbegründet. Der Anspruch auf Rückzahlung der Prämien ist nach ihrer Meinung durch § 7 Nr. 4 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen, wo bestimmt ist, daß im Falle der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer die gezahlten Prämien der Versicherungsgesellschaft verbleiben sollen. Zur Rückvergütung der Prämienreserve hält sich die Beklagte unter diesen Umständen auch nicht für verpflichtet. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagte nach dem Hilfsantrag und wies im übrigen die Berufung der Klägerin zurück. Auf die Revision der Beklagten wurde die Berufung der Klägerin in vollem Umfang zurüdegewiesen. Gründe: Für die Revisionsinstanz kommt nur der Hilfsantrag auf Rückerstattung der Prämienreserve von 45 2 0 5 , 5 0 R M in Betradit. Die Entscheidung über ihn ist im wesentlichen davon abhängig, ob § 176 V V G . auch auf den Fall der Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung anzuwenden ist. Das Berufungseridit hat dies bejaht, seine Ansicht ist jedoch rechtsirrig. Nach § 176 Abs. 1 a. a. O . hat der Versicherer den Betrag der auf die Versicherung entfallenden Prämienreserve zu erstatten, falls eine
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Kapitalversidierung für den Todesfall, bei welcher der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiß ist, durch Rücktritt oder Kündigung aufgehoben wird. Im Anschluß daran bestimmt Abs. 2, daß diese Erstattungspflicht auch dann besteht, wenn nach dem Eintritt des Versicherungsfalls der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung des Kapitals frei ist. Das Berufungsgericht nimmt an, daß ein Freisein von der Verpflichtung im Sinne der letzterwähnten Vorschrift auch dann vorliege, wenn der Versicherungsvertrag infolge einer nadi Eintritt des Versicherungsfalls vom Versicherer erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hinfällig geworden sei, da der Versicherer auch durch eine solche Anfechtung von seiner bis dahin bestehenden Zahlungsverpflichtung befreit werde. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Gewiß ist der Versicherer auch dann von seiner Leistungspflicht frei, wenn er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung begründeterweise angefochten hat. Aber diese Befreiung ist nicht diejenige, welche § 176 Abs. 2 V V G . im Auge hat. Denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf die Fälle, wo der Veríidierer nach Eintritt des Versicherungsfalls von der Leistung frei ist, ohne daß der Vertrag aufgehoben wäre (vgl. auch K i r c h m a n n in der Zeitschr. f. Versicherungswesen 1916 S. 453; S p r i n z Versicherungsvertragsgesetz S. 286). Das ergibt sich schon aus der Nebeneinanderstellung der in Abs. 1 und Abs. 2 des § 176 W G . getroffenen Bestimmungen. Denn der Rücktritt und die Kündigung, von denen im Abs. 1 die Rede ist, heben den Vertrag auf, und gerade darum hat sich das Gesetz veranlaßt gesehen, im Abs. 2 die Fälle zu erwähnen, in denen der Versicherer ohne eine Aufhebung des Vertrags von seiner Leistung frei ist. Wenn die Pflicht zur Erstattung der Prämienreserve auch für den Fall der Anfechtung h ä t t e vorgesehen werden sollen, so wäre dafür im Abs. 1 der richtige Platz gewesen; jedenfalls wäre nicht einzusehen, warum nicht ebenso wie diese Verpflichtung auch der Rücktritt vom Vertrag unter die Fälle des Abs. 2 hätte einbezogen werden können. Denn der Rüdetritt und die Anfechtung wirken nicht verschieden, weil auch der Rücktritt rüdewirkende Kraft hat (§§ 327, 346 BGB.; RGRKomm. Anm. 3 zu § 346). Die Meinung, daß für das Gebiet des Versicherungsrechts das Gegenteil anzunehmen sei (so K i s c h Privatversicherungsrecht Bd. 2 S. 430; B r u c k Versicherungsvertragsgesetz N o t e 11 zu § 20), hat im Gesetz keine Stütze. Daß die allgemeine Fassung des § 176 Abs. 2 VVG. und besonders der Ausdruck „frei ist" dazu berechtige, den Fall der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in die dort gemeinten Fälle einzubeziehen, ist 13*
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nidit richtig. Die Begründung des Gesetzes, die von der Anfechtung nicht spricht, legt eher das Gegenteil nahe. Denn wenn es dort heißt: „Dasselbe (nämlich die Verpflichtung des Versicherers zur Erstattung des Deckungskapitals) trifft zu, wenn der Versicherer bei dem Eintritt des Versicherungsfalls von der Leistungspflicht frei wird, weil der Versicherungsnehmer die Vorschriften über die Gefahrerhöhung verletzt hat ( § 2 5 Abs. 1, § 28 Abs. l ) oder weil der Versicherungsfall durch den Selbstmord desjenigen, auf dessen Kosten die Versicherung genommen war, herbeigeführt ist (§ 1 6 9 ) " , so kann aus den hervorgehobenen Fällen mit Gr und entnommen werden, daß das Gesetz im § 176 Abs. 2 nur die Fälle einseitiger Leistungsbefreiung des Versicherers, d. h. der Befreiung von der Leistung ohne die Aufhebung des Versicherungsvertrags, hat treffen wollen. Der Ausdruck „frei i s t " deutet um so weniger auf einen anderen Standpunkt, als dieser Ausdrude auch in den § § 2 5 , 2 8 , 39, 169 W G . gebraucht ist und in den § § 6 , 12, 32, 33, 38 das. ebenfalls von der Vorschrift gesprochen wird, daß der Versicherer von der Leistung frei sein solle. Mit der Meinung des Berufungsgerichts, die ohne nähere Begründung auch von B r u c k Privatversicherungsrecht S. 213 und von Bruck-Dörstling Recht des Lebensversidierungsvertrags § 7 Note 61 vertreten wird, kommt man auch in Schwierigkeiten, wenn man den Fall berücksichtigt, daß die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erklärt worden ist. Denn dieser Fall könnte schon nach dem Wortlaut des § 176 Abs. 2 W G . nicht unter diese Vorschrift gebracht werden. Es wäre jedoch ein widerspruchsvolles Ergebnis, wenn bei Anfechtung v o r dem Versicherungsfall der Ausschluß der Rückerstattung der Prämienreserve zulässig wäre, bei Anfechtung n a c h dem Eintritt des Versicherungsfalls aber nicht. Denn für die Frage der Erstattungspflicht kann unmöglich die Zeit der Anfechtung entscheidend sein. Gerade diese Erwägung spricht ausschlaggebend für die Annahme, daß der Fall der Anfeditung überhaupt nicht unter § 176 W G . fällt. Dies entspricht auch der Tatsache, daß das Versicherungsvertragsgesetz die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gar nicht besonders regelt, sondern es deswegen bei den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs bewenden läßt (§ 22 W G . ) . Hält man dies aber fest, so erklärt sich, warum § 176 nicht auch von der Anfechtung spricht. Hätte das Versicherungsvertragsgesetz für sie bei der Vorschrift des § 176 eine Ausnahme machen wollen, so wäre ihre ausdrückliche Erwähnung um so angebrachter gewesen.
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Nach alledem geht die Ansicht des Berufungsgerichts fehl, daß sich weder im Wortlaut des § 176 Abs. 2 W G . noch sonst ein Grund dafür finden lasse, diese Vorschrift auf diejenigen Fälle zu beschränken, wo im Versicherungsvertragsgesetz ausdrücklich von einem Freisein des Versicherers von seiner vertraglichen Leistung die Rede sei. Dann steht aber der Anwendung des § 7 Nr. 4 der Versicherungsbedingungen auf den Hilfsantrag der Klägerin kein Hindernis entgegen. Daß diese Vorschrift trotz der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags Gültigkeit habe, weil sie als eine selbständige Abrede gedacht und gewollt gewesen sei, hat das Berufungsgericht ohne Reditsirrtum angenommen. Zu demselben Ergebnis kommt man auch mit Hilfe des § 139 BGB. Denn daß nach dem Willen der Vertragsparteien eine Vertragsbestimmung für den Fall keinen Bestand haben sollte, für den sie eigens aufgestellt worden ist, läßt sich vernünftigerweise nicht annehmen. Der Gültigkeit der genannten Bestimmung steht ebensowenig die Vorschrift des § 178 W G . entgegen, wenn sich § 176 Abs. 2 das. nicht auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bezieht. Sie kann endlich auch nicht auf Grund des § 138 BGB. als nichtig gelten. Denn sittenwidrig ist die Vereinbarung nicht, daß im Falle arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer die gezahlten Prämien dem Versicherer verbleiben sollen. Die Bestimmung spricht zwar nur von der Rüdczahlung der gezahlten Prämien. Aber sie ist auch auf die Prämienreserve anzuwenden, weil diese aus einem Teil der gezahlten Prämien gebildet wurde und nur zur Dedcung für die künftig zu zahlende Versicherungssumme dienen sollte, die hier nicht zu zahlen ist. Es besteht deshalb kein Grund, sie nicht ebenso wie die Prämien zu behandeln. RGZ. 134, 148. Wie ist die Bestimmung in den Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen einer Lebensversicherungsgesellsdiaft auszulegen, daß die Leistungspflidit der Gesellschaft mit der Zahlung der ersten Prämie beginne, „vorausgesetzt, daß der Versicherte seit der ärztlichen Untersuchung bzw. der Antragstellung nicht erheblich erkrankte"? W G . § 159. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 10. November 1931.
I. Landgericht Hamburg. — II. Oberlandesgeridit daselbst.
Der Ehemann der Klägerin hatte auf Grund seines Antrags vom 9. November 1927 und einer ärztlichen Untersuchung vom 10. November 1927, bei der wie üblich ein Fragebogen ausgefüllt wurde, mit der
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Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag über 15 000 RM zugunsten der Klägerin abgeschlossen. Die erste Prämie hatte er bei Fälligkeit am 15. Februar 1928 gezahlt. Am 6. Mai 1929 ist er an Magenkrebs gestorben. Die Klägerin verlangt Auszahlung der Versidierungssumme. Die Beklagte wendet ein, daß sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten habe, ferner daß sie wegen Verletzung der Anzeigepflicht von ihm zurückgetreten sei, endlidi daß sie von der Verpflichtung zur Leistung gemäß § 1 Nr. 2 ihrer Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen (AVB.) frei sei, weil der Verstorbene nach Stellung des Antrags und vor Zahlung der ersten Prämie erheblich erkrankt sei. Die angeführte Bestimmung lautet: Die Leistungspflicht der Gesellschaft aus der Versicherung beginnt mit der Zahlung des ersten Beitrages, vorausgesetzt, daß der Versicherte . . . seit der ärztlichen Untersuchung bzw. der Antragstellung nicht erheblich erkrankte . . . Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurüdcverweisung. Gründe: Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Ehemann Sch. sei schon vor der Antragstellung vom 9. November 1927 an Krebs erkrankt gewesen und die Beschwerden, über die er Ende Februar und Anfang März 1928 gegenüber den Ärzten Dr. M. und Dr. B. geklagt habe, seien spätestens im November 1927 aufgetreten und Erscheinungen der Krebskrankheit gewesen, an der SA. dann gestorben sei. Diese Beschwerden, von denen noch nicht feststehe, ob sie vor der Antragstellung oder erst nachher aufgetreten seien, bildeten die einzige Tatsache, durch welche die Krebserkrankung bis zur ersten Prämienzahlung vom 15. Februar 1928 in die Erscheinung getreten sei. Insbesondere lasse sich ein Zusammenhang mit der Krebskrankheit weder bei einer Erkrankung vom Jahre 1924 feststellen, die samt ähnlichen Beschwerden, wie den im Jahre 1928 den Ärzten geklagten, vielleicht doch nur auf einen Bandwurm zurückzuführen gewesen sei, noch auch bei einer nach Weihnachten 1927 aufgetretenen „akuten Magenentzündung", die schließlich auch bloß auf einem verdorbenen Magen beruht haben könne. (Es folgen Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung und den Rücktritt wegen Verletzung der Anzeigepflicht ablehnt, abgesehen von dem Falle, daß die erwähnten Beschwerden schon vor der Antragstellung wieder aufgetreten seien. Das Urteil fährt dann fort:) Dagegen würde nach der
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Annahme des Berufungsrichters dann, wenn diese Beschwerden sdion vor der Antragstellung wieder aufgetreten waren, dem verstorbenen Sch. bei Beantwortung verschiedener Punkte des Fragebogens, besonders bei der Erklärung, daß er sich zur Zeit vollkommen gesund fühle, Arglist zur Last fallen; denn dann habe ihm dieBedenklidikeit des Wiedereintritts der Beschwerden nicht verborgen bleiben können, wegen deren er sich bereits 1924 an einen Spezialarzt gewendet habe; dann habe er seine Antworten so wie geschehen offenbar in der Absicht gegeben. Schwierigkeiten beim Abschluß des Versicherungsvertrags zu vermeiden. Zur Berufung der Beklagten auf § 1 Nr. 2 AVB. führt der Vorder richter aus: Diese Bestimmung sei dahin auszulegen, daß innerhalb des dort angegebenen Zeitraums die Krankheit in die Erscheinung getreten sein müsse, während dem bloßen Auftreten einer Krankheit im medizinischen Sinne, ohne daß sie nach außen erkennbar geworden sei, keine Bedeutung zukomme. Anderseits scheide § 1 Nr. 2 aus, wenn die Krankheit schon in der Zeit vor der Antragstellung offenbar geworden sei. Denn maßgebend sei die Einschätzung der vom Versicherer übernommenen Gefahr auf Grund der im allgemeinen verwertbaren Erkenntnisquellen, wie ja auch die vertrauensärztliche Beurteilung im wesentlichen auf den Angaben des Versicherungsnehmers über seinen Gesundheitszustand und auf der — üblicherweise nur allgemeineren — Untersuchung beruhe. Die Bestimmung des § 1 Nr. 2 diene dazu, eine unerwartete Erhöhung des Risikos innerhalb des angegebenen Zeitraums zu vermeiden. Unerwartet sei aber eine solche Erhöhung dann, wenn in der fraglichen Zeit eine bei der Untersuchung zwar bereits bestehende, aber nicht erkannte und vielleicht audi nicht erkennbare Krankheit in die Erscheinung trete; damit verliere die auf der ärztlichen Untersuchung beruhende Einschätzung der Gefahr ihre Grundlage. Für die Anwendung der Bestimmung sei also entscheidend, ob die Beschwerden beim Verstorbenen schon vor dem 9. November 1927 oder erst nachher eingetreten seien. Das Berufungsgericht hat aber den Zeitpunkt des Wiedereinsetzens der Beschwerden — abgesehen von der schon erwähnten Feststellung, daß sie spätestens im November 1927 wieder aufgetreten seien — schließlich doch dahingestellt gelassen, weil bei einem Wiedereintritt vor dem 9. November 1927 die von der Beklagten erklärte Anfechtung des Vertrags wegen Arglist, im andern Fall aber ihre Berufung auf § 1 Nr. 2 AVB. gerechtfertigt sei. Die Revision bezweifelt die Rechtsgültigkeit dieser Bestimmung, da sie mit den im Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag enthaltenen Vorschriften über die Anzeigepflicht im Widerspruch stehe. Sie
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wendet sidi weiter gegen die vom Berufungsgericht ihr gegebene Auslegung und führt aus, der Eintritt der Krankheit als solcher sei ausschlaggebend, nidit aber der Zeitpunkt, in dem diese in die Erscheinung getreten sei. Endlich beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht den Zeitpunkt des Wiederauftretens der Beschwerden dahingestellt gelassen habe, weil nicht nur die beiden von ihm angenommenen Möglichkeiten in Frage kämen, sondern möglicherweise auch im Falle des früheren Eintritts der Beschwerden kein arglistiges Verhalten des Verstorbenen anzunehmen sei. Die Rechtsgültigkeit des § I Nr. 2 AVB. kann auf sich beruhen, wenn die Bestimmung im Sinne der Revision ausgelegt werden muß. Das ist aber der Fall. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist, da sidi die gesamten Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen der Beklagten als typische Vertragsbestimmungen darstellen, entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts vom Revisionsgericht frei nachzuprüfen. Der erkennende Senat hat sich schon im Urteil vom 26. Februar 1929 VII 470/28 mit einer fast gleichlautenden Bestimmung, nämlich der folgenden befaßt: „Die Leistungspflicht der Gesellschaft aus der Versicherung beginnt mit der Zahlung des ersten Beitrags, der etwaigen staatlichen Gebühren und der geschäftsplanmäßigen Aufnahmegebühr, vorausgesetzt, daß der Versicherte zu diesem Zeitpunkt noch lebt und bis dahin weder erheblich erkrankt noch erheblich verletzt war." Der Senat hat damals unter Billigung der Ansicht der Vorinstanz diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß die nachträgliche erhebliche Erkrankung nach der Stellung des Versicherungsantrags neu eingetreten sein müsse, daß es aber nicht genüge, wenn eine schon vorher verborgen vorhanden gewesene Krankheit erst nachträglich erkennbar geworden sei. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Zweifellos stellt die Bestimmung nach ihrem Wortlaut und ihrem offenbaren Sinn auf die objektive Sachlage ab; davon geht auch das Berufungsgericht aus. Auf Grund des Vertragsschlusses wäre der Versicherer an sich gebunden, vom Zustandekommen des Vertrags an Versicherungsschutz zu gewähren, auch wenn unmittelbar nachher und noch vor Zahlung der ersten Prämie eine erhebliche, vielleicht sogar sehr gefährliche Krankheit einträte; denn auch ein solcher Fall fiele an sich unter das übernommene Risiko. Daß die Beklagte für einen derartigen Fall, wo arglistige Herbeiführung des Vertragsschlusses oder Verletzung der Anzeigepflicht nidit mehr in Frage kommen kann, ihre Leistungspflicht ausschließen wollte, ist im § 1 Nr. 2 AVB. genügend deutlich zum Ausdruck gekommen, und es ist auch genügend klar gesagt, daß diese
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Regelung auf die Zeit von der Antragstellung bis zum Vertragssdiluß erstreckt werden sollte. Anders liegt es jedoch, wenn die Krankheit vor der Antragstellung schon vorhanden, aber noch nicht in die Erscheinung getreten war. Für diese Zeit ist an sich vom Gesetz vorgesehen, daß sich der Versicherer durch Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung oder durdi Rüdetritt wegen schuldhafter Verletzung der Anzeigepflicht von der Verpflichtung zur Leistung befreien kann. Das gleiche gilt auch noch für die Zeit bis zum Vertragssdiluß, weil die Anzeigepflicht so lange fortdauert, wie aus der Fassung des § 16 Abs. 1 W G . („bei der Schließung des Vertrags") zu entnehmen ist (vgl. B r u c k W G . 6. Aufl. § 16 Anm. 1 und 10), und weil auch arglistiges Verschweigen einer erst nach der Antragstellung bekannt gewordenen Tatsache bis zum schließlichen Zustandekommen des Vertrags möglich ist. Für beide Rechtsbehelfe ist aber ein mehr oder weniger starkes Verschulden des Versicherungsnehmers Erfordernis. Wenn diese günstigere Reditslage des Versicherungsnehmers durch eine von der subjektiven Seite ganz absehende Bestimmung, wie es § 1 Nr. 2 AVB. ist, zum Vorteil des Versicherers geändert werden sollte, dann mußte der Umfang dieser Änderung klar zum Ausdrude gebracht werden. Mag die Beklagte ein Interesse am Ausschluß ihrer Leistungspflicht auch für den Fall gehabt haben, daß die erhebliche Krankheit zuvor schon verborgen bestand und erst in der Zeit zwischen Antragstellung und erster Prämienzahlung erkennbar wurde (unter dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Gesichtspunkt der Risikoeinschätzung und der nachträglichen unerwarteten Erhöhung des Risikos), so kann doch nicht anerkannt werden, daß § 1 Nr. 2 dies unter Nichtbeachtung der gegenteiligen Interessen des Versicherungsnehmers ausspreche. Die Bestimmung stellt auf ein „Erkranken" ab. Das ist aber der Eintritt einer neuen, vorher nicht vorhanden gewesenen, nicht dagegen das Erkennbarwerden einer alten, längst bestehenden Krankheit. Audi wenn man den Begriff „Erkrankung" eng faßt und darunter nicht sdion jede den Grund zur Erkrankung legende Beeinflussung des menschlichen Organismus versteht, so hatte Sch. doch sdion zur Zeit der Antragstellung als „erkrankt" zu gelten; er litt nach der Feststellung des Berufungsgerichts sdion damals an Krebs. Die Beklagte kann sich danach nicht auf § 1 Nr. 2 AVB. berufen. Nadi dem Gesagten kann das Urteil nidit aufrechterhalten werden, ohne daß noch auf die Frage der Rechtsgültägkeit der umstrittenen Vertragsbestimmung einzugehen wäre. Denn mag audi die Annahme einer arglistigen Täuschung für den Fall, daß die Beschwerden bereits
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vor dem 9. November 1927 (oder richtiger: vor dem 10. November 1927 als dem Tag der Beantwortung der Fragen im Fragebogen) bei Sch. wieder aufgetreten waren, als im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegend rechtlich nicht zu beanstanden sein, so fehlt es eben noch an der Feststellung, daß sich die Beschwerden schon vor diesem Zeitpunkt wieder gezeigt haben. Dies hat das Berufungsgericht bewußt tinentschieden gelassen. Gegebenenfalls wird diese Tatsache noch zu klären sein. Anderseits wird aber der Berufungsrichter unter Berücksichtigung des noch festzustellenden Zeitpunkts des Vertragsschlusses neben der Frage der Anfechtung erneut die Frage der Verletzung der Anzeigepflicht zu prüfen haben. . . . RGZ. 136, 49. Kann ein Verzicht des Versicherers auf das Zagehen des Widerrufs einer Bezugsberechtigung darin gefanden werden, daß der Versicherungsvertrag mit einer Klausel geschlossen worden ist, wonach der Versicherer befugt sein soll, den Inhaber des Versicherungsscheins als berechtigt zur Verfügung über alle Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag anzusehen? BGB. § 332. VVG. § 166. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 22. März 1932. Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht. Recht der Schuldverhältnisse 3". RGZ. 136, 395. 1. Ist nach § 199 Abs. 2 W G . zur Abtretung oder Verpfändung der Rechte aus einer Lebensversicherung oder zur sonstigen Verfügung über sie die schriftliche Einwilligung des zu Versichernden erforderlich oder kann dies Erfordernis wenigstens im Versicherungsvertrag festgesetzt werden? Welche Wirkung hat, falls letzteres geschehen ist, eine ohne schriftliche Einwilligung des Versicherten vorgenommene Abtretung? Tritt Heilung der Unwirksamkeit solcher Abtretung dadurch ein, daß die Versicherungssumme später dem Abtretenden anfällt? 2. Zur Anwendung des § 139 ZPO.
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VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 14.Juni 1932. I. Landgericht Köln. — II. Oberlandesgeridit daselbst.
Die Eheleute Gastwirt Franz Josef N. und Sibylle N. in K. hatten bei der Beklagten erheblidie Schulden. Der Ehemann verstarb am 2. Juni 1929. Er war laut Versidierungssdiein der V.B. u. P. Lebens-Versidierungs-Aktiengesellschaft vom 4. März 1925 mit 15 000 DM, zahlbar bei seinem Tode, spätetestens aber am l.März 1950, versichert. Im Versidierungssdiein war bestimmt, daß Bezugsberechtigte sein sollten für den Fall, daß der Versicherte den l.März 1950 erleben würde, dieser selbst, für seinen früheren Todesfall Sibylle N., und falls auch diese verstorben sein sollte, ihre Tochter Katharina N., jetzt Ehefrau des Klägers. Als Versicherungsnehmer und Prämienzahler war im Versicherungsschein ursprünglich Frau Sibylle N. und später an ihrer Stelle laut Nachtrag vom 15. Dezember 1926 Katharina N. aufgeführt. Für die Versicherung sollten die Allgemeinen Versidierungsbedingungen für die Todesfallversicherung vom Jahre 1924 (AVB.) gelten. Am 18. Juli 1929 hinterlegte die Versicherungsgesellschaft unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme die Versicherungssumme. Die Hinterlegung geschah für den gegebenenfalls gerichtlich festzustellenden Berechtigten, und zwar deshalb, weil die Beklagte nach dem Tode des Franz Josef N. zur Sicherung ihrer eingangs erwähnten Forderungen einen Arrestbefehl in Höhe von 15 500 RM gegen Sibylle N. und Katharina N. erwirkt und auf Grund dieses Titels den Anspruch der Sibylle N. auf Zahlung der Versicherungssumme gepfändet hatte. Im Oktober 1929 erhob dann der Kläger gegen die Beklagte Klage auf Einwilligung in die Auszahlung der hinterlegten Summe, wobei er seinen Anspruch auf ein angeblich am 4. Dezember 1926 mit Frau Sibylle N. geschlossenes Abkommen stützte. Dieses ist von Sibylle N. und dem Kläger unterzeidinet und hat im wesentlichen folgenden Wortlaut: Zession. Meine Forderung aus dem Versicherungsschein über die Versicherungssumme von 15 000 Mark trete ich hiermit an Herrn Josef K., Wirt zu K„ ab. Herr K. erhält die Police ausgehändigt. Idi trete meine Rechte aus dem Versicherungsschein an Herrn K. ab, insbesondere erwirbt derselbe mit dem heutigen Tage das Recht auf die Leistungen aus dem Versicherungsschein, die beim Eintritt des Versicherungsfalles 15 000 Goldmark betragen bzw. gemäß Zusatzbedingungen bei Unfall 30 000 Goldmark.
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Als Gegenleistung verpflichtet Herr K. sich, falls ich ohne Einkommen bin, für meinen Lebensunterhalt zu sorgen, wofür ich midi außerdem noch zu Hilfeleistungen in dem Wirtschaftsbetrieb des Herrn K. verpflichte. Herr K. hat die Prämien fortan zu zahlen und bin ich mit einer Beleihung des Versicherungsscheines seitens des Herrn K. einverstanden . . . Die Beklagte, die im Lauf des Rechtsstreits ein rechtskräftiges Urteil wegen der Arrestforderung im Betrage von 12 060,20 RM nebst Zinsen gegen Sibylle N. erwirkt hat, steht auf dem Standpunkt, daß die vom 4. Dezember 1926 datierte „Zession" erst nach dem Tode des Versicherten und nach der Vorpfändung der Versicherungssumme zustande gekommen sei und daher ihre Pfändung nicht berühre. Der Kläger unterlag in allen drei Rechtszügen. Gründe: Der Berufungsrichter läßt dahingestellt, ob die „Zession" am 4. Dezember 1926 vorgenommen ist, wie der Kläger behauptet, oder erst später nach dem Tode des Versicherten und nach der Pfändung durch die Beklagte, wie diese behauptet. Er führt aus, daß eine Fremdversicherung im Sinn v o n § 159 V V G . vorliege, da die Lebensversicherung von Sibylle N. zu ihren Gunsten für den Fall des Todes ihres Ehemannes genommen worden sei, und daß nach § 1 5 9 Abs. 2 Satz 1 W G . in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AVB. nur mit schriftlichem Einverständnis des Versicherten die Versicherung h ä t t e abgetreten oder verpfändet oder sonst über die Rechte aus der Versicherung hätte verfügt werden können. Da der Kläger selbst nicht habe behaupten können, daß der Versicherte sein schriftliches Einverständnis mit der „Zession" erklärt habe, sei diese unwirksam, möge man ihr die Bezeichnung des Klägers als Bezugsberechtigten oder die Abtretung der künftigen Forderung auf die Versicherungssumme'sehen. Wolle man aber darin lediglich die Abtretung des Bezugsrechts der Sibylle N. finden, so sei diese Abtretung gegenstandslos, da sich das Bezugsrecht nur als eine Anwartschaft oder Erwartung darstelle, die der Verfügung des Bezugsberechtigten nicht unterliege. In § 1 5 9 Abs. 2 Satz 1 V V G ist bei der Fremdversicherung die schriftliche Einwilligung des zu Versichernden zwingend nur für den Abschluß des Versicherungsvertrages vorgeschrieben. Die Begründung zum Versicherungsvertragsgesetz f ü h r t auf S. 156 hierzu aus, die Aussicht auf den lediglich durch den Eintritt des Todes eines anderen bedingten Gewinn k ö n n e immerhin den Anreiz zu Handlungen bilden,
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welche die Verwirklichung des Gewinnes bezweckten. Der Gesetzgeber h a t es deshalb für geboten angesehen, jener Gefahr durdi besondere Vorschriften entgegenzutreten. Als solche besondere Vorschrift erschien an erster Stelle das Erfordernis der schriftlichen Einwilligung des zu Versichernden zur Gültigkeit des Versicherungsvertrages. Dagegen ist im Gesetz das gleiche Erfordernis nicht auch für die Abtretung oder Verpfändung oder sonstige Verfügung über die Rechte aus der Versicherung aufgestellt worden. Die Allgemeinen TodesfallversidierungsBedingungen der in Deutschland arbeitenden Lebensversicherungsgesellschaften (Normativbedingungen) haben es sich jedoch angelegen sein lassen, den Schutz des Versicherten gegen die Gefährdung seines Lebens durch Dritte noch weiter auszudehnen, und deshalb zu jeder späteren Verfügung die nochmalige schriftliche Einwilligung des Versicherten gefordert (vgl. B r u c k - D ö r s t l i n g Das Recht des Lebensversicherungsvertrages S. 238). Demgemäß ist in § 1 5 Abs. 2 AVB. bestimmt: Ist der Verfügungsberechtigte nidit zugleich Versicherter, so kann nur mit schriftlichem Einverständnis des Versicherten die Versicherung abgetreten oder verpfändet oder sonst über die Rechte aus der Versicherung verfügt werden. Die Gesellschaft kann den Nachweis des Einverständnisses verlangen. Gegen die Gültigkeit dieser Bestimmung können mit Rücksicht auf § 399 BGB., der den Ausschluß der Abtretbarkeit einer Forderung durch Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner gestattet, keine rechtlichen Bedenken hergeleitet werden, insbesondere nicht aus § 137 BGB. Der Ausschluß der Abtretung durch Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner wird regelmäßig im Interesse des Schuldners vorgenommen. Eine Abrede dieser Art nimmt der Forderung die Eigenschaft der Veräußerungsfähigkeit. Sie bestimmt den Inhalt der Forderung als solchen und fügt ihr nicht ein ihrem Wesen an sich fremdes Veräußerungsverbot hinzu, wie es in § 137 BGB. vorausgesetzt ist. Eine Forderung begründet ein schuldrechtliches Band nur zwisdien Gläubiger und Schuldner. Eine dem Schuldner gegenüber unwirksame Abtretung kann daher nicht als ein Vermögensübergang, aufgefaßt werden. Daraus folgt, daß die entgegen der Abrede vorgenommene Abtretung keine Gläubigerrechte auf den Zessionar überträgt; diese Rechte bleiben vielmehr bei dem Zedenten. Es kann nun keinen Bedenken unterliegen, daß sich § 399 BGB. nicht bloß auf den Fall bezieht, wo die Abtretung gänzlich ausgeschlossen ist, sondern auch auf den Fall, wo sie an gewisse sachliche Erfordernisse oder an eine Form oder an beides geknüpft ist. Die trotzdem erfolgte Abtretung ist in dem dargelegten Sinn unwirk-
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sam, und diese Unwirksamkeit kann hier audi von der Beklagten geltend gemacht werden, welche die Forderang nach dem Todesfall gegen die Zedentin Sibylle N. gepfändet hat. Keiner Erörterung bedarf, ob und auf weldie Weise die Unwirksamkeit der Abtretung nachträglich behoben werden kann, insbesondere ob die einseitige Zustimmung des Sdiuldners genügt oder ob dazu eine Änderung des Schuldverhältnisses durch Vertrag (§ 305 BGB.) notwendig ist. Denn es ist nicht ersichtlich, daß derartige Rechtshandlungen vor der Pfändung oder vor der Vorpfändung stattgefunden hätten, und es könnte nidit anerkannt werden, daß ihnen, falls sie später vorgenommen sein sollten, eine Rüdewirkung zukäme, wodurch die in der Zwischenzeit erworbenen Rechte Dritter berührt würden (RGZ. Bd. 75 S. 142, Bd. 86 S. 350). An diesem Ergebnis kann sich nichts durch die Bestimmung in § 15 Abs. 2 Satz 2 AVB. ändern, wonach die Gesellschaft den Nachweis des Einverständnisses des Versicherten verlangen kann; denn damit ist nur ein besonderer schuldrechtlicher Anspruch des Versicherers auf Führung dieses Nachweises geschaffen worden. Eine Verfügung im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 AVB. auch in der Bezeichnung eines anderen Bezugsberechtigten, womit der Berufungsrichter bei Auslegung der „Zession" vom 4. Dezember 1926 rechnet. Denn die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten bewirkt eine unmittelbare Änderung des Vertragsinhalts, und die gesetzgeberischen Erwägungen zu § 159 Abs. 2 VVG., die von den Normativbedingungen zu Gunsten des Versicherten aufgenommen und fortgeführt und demnächst in § 15 Abs. 2 AVB. übergegangen sind, treffen auch für den Fall zu, daß in der Person des Bezugsberechtigten ein Wechsel eintritt, mag die Bezugsberechtigung unwiderruflich sein oder dem Widerruf unterliegen. Auch zur Bezeichnung eines Bezugsberechtigten bedurfte es also des schriftlichen Einverständnisses des Versicherten. Es braucht deshalb nicht errötert zu werden, ob diese Bezeichnung, die sinngemäß nur bis zum Eintritt des Versicherungsfalls erfolgen kann, eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, und ob sie darum zu ihrer Wirksamkeit der Versicherungsgesellschaft gegenüber abzugeben war (vgl. RGZ. S. 49 dieses Bandes; B r u c k Versicherungsvertragsgesetz 7. Aufl. S. 464). Die gegenteiligen Ausführungen der Revision sind hiernach abzulehnen. Soweit sie die Anwendung des § 1 5 9 Abs. 2 Satz I VVG. bekämpfen, kann dahingestellt bleiben, ob die dort vorgeschriebene schriftliche Einwilligung des Versicherten nicht auch auf wesentliche Abänderungen des Versicherungsvertrags zu beziehen ist, und ob die
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naditräglidie Wegbedingung des die schriftliche Einwilligung für spätere Verfügungen vorschreibenden § 15 Abs. 2 AVB. eine solche wesentliche Vertragsänderung wäre. Denn eine nachträgliche Änderung des Versicherungsvertrags in diesem Punkt ist weder behauptet noch festgestellt worden. In keinem Fall aber trifft es zu, daß die unwirksame Verfügung der Sibylle N. allein dadurdi hätte unwirksam werden können, daß ihr nach dem Tod ihres Ehemannes das Recht auf die Versicherungssumme anfiel (RGZ. Bd. 75 S. 142). Selbstverständlich hätte nunmehr Sibylle N. ihren Anspruch auf die angefallene Versicherungssumme durch Vertrag mit dem Kläger an diesen abtreten können. Einer solchen Abtretung hätte das Abtretungsverbot des § 399 BGB. und des § 1 5 Abs. 2 Satz 1 AVB. nicht mehr entgegengestanden. Sie ist jedoch nicht behaupet. Eine frühere Abtretung aber blieb wegen jenes Verbots unwirksam. Denn es war mit dem Anfall der Versicherungssumme gerade der Fall eingetreten, in welchem das Abtretungsverbot praktisch wirksam werden sollte. Bei einer anderen Auslegung hätte es keinen Sinn. O b die nach der Behauptung des Klägers am 4. Dezember 1926 vorgenommene Abtretung etwa sonst Rechtswirkungen zwischen Sibylle N. und dem Kläger erzeugen konnte, und ob sie sich etwa in die Erteilung einer unwiderruflichen Einziehungsvollmacht umdeuten ließe, kann dahingestellt bleiben. Denn diese möglichen Rechtswirkungen gehen die Beklagte nichts an. Sie wirken nicht dinglich. Es kann sich daher nur noch fragen, ob das Ergebnis, zu dem der Berufungsrichter gelangt, auf verfahrensrechtlich einwandfreier Grundlage gewonnen ist. Die Revision rügt Verletzung des § 139 Z P O . Dabei behauptet sie, eine schriftliche Einverständniserklärung des Versicherten liege tatsächlich vor; der Berufungsrichter hätte dies durch Ausübung des Fragerechts klarstellen müssen. Diese Annahme beruht aber auf einer Überspannung der in § 139 Z P O . verordneten Fragepflicht. Allerdings hat nach dieser Bestimmung der Vorsitzende dahin zu wirken, daß die Parteien über alle erheblichen Tatsachen sich vollständig erklären und sachdienliche Anträge stellen, insbesondere auch ungenügende Angaben der geltend gemachten Tatsachen ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. Zu diesem Zweck hat er, soweit erforderlich, das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlidien Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Hier hatte die Beklagte im Schriftsatz vom 26. Oktober 1931 unter Hinweis auf § 1 5 Abs. 2 Satz 1 AVB. die schriftliche Einwilligung des Versicherten als
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erforderlich bezeichnet. Auf diesen Schriftsatz hatte der Kläger erwidert, ohne hierauf einzugehen. Der gleiche Hinweis war bereits im Schriftsatz der Beklagten vom 28. Februar 1930 enthalten. Damals hatte der Kläger erwidert: durch den Nachtrag vom 15. Dezember 1926 sei seine Ehefrau Versicherungsnehmerin und Prämienzahlerin geworden; diese Verfügung sei mit der Zustimmung des Ehemanns N. als des Versicherten erfolgt; denn die Versicherungsgesellschaft hätte sonst den Nachtrag nicht genehmigt. Mit keinem Wort hatte der Kläger geltend gemacht, das schriftliche Einverständnis des Franz Josef N. mit der „Zession" vom 4. Dezember 1926 liege vor. Bei dieser Sachlage und nachdem der Streitpunkt in den Schriftsätzen der Anwälte klar herausgearbeitet worden war, konnte der Kläger nicht erwarten, daß zu diesem Punkt noch Fragen gestellt werden würden. Eine Rechtspflicht des Berufungsriditerg hierzu bestand unter solchen Umständen jedenfalls nicht. RGZ. 140, 30. Müssen bei einer Lebensversicherung Willenserklärungen des Versicherungsnehmers über die Bezugsberechtigung, namentlich die Bestimmung eines Bezugsberechtigten, dem Versicherer zugehen, um reditswirksam zu sein? Versicherungsvertragsgesetz § § 4 3 , 44, 166.
BGB. § 332.
VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 17. Februar 1933. I. Landgericht Breslau. —
II. Oberlandesgeridit daselbst.
Der Kaufmann Gerhard K., mit dem die Beklagte verheiratet war, hatte laut Versicherungsscheins vom 19. Oktober 1927 bei der A. und St. Lebensversicherungsbank AG. eine Lebensversicherung über 4 2 0 0 0 GM abgeschlossen. Nach seinem am 1. Mai 1930 erfolgten Tode ist über seinen Nachlaß das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter ernannt worden. Auf die Versicherungssumme erheben beide Parteien Anspruch: die Beklagte, indem sie behauptet, bezugsberechtigt zu sein; der Kläger, indem er geltend macht, daß die Beklagte weder von Anfang an bezugsberechtigt gewesen noch diesdurch eine nachträgliche Erklärung des Versicherungsnehmers geworden sei. Die Versidierungsbank hat als Versicherungssumme nach gewissen Abzügen 4 0 8 1 8 , 6 0 RM beim Amtsgericht in St. hinterlegt. Beide Vorinstanzen haben die Beklagte entsprechend dem Klagantrag verurteilt, darein zu willigen, daß von der hinterlegten Summe ein Teilbetrag von 6 1 0 0 RM an den Kläger ausgezahlt werde. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.
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Gründe: 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß zwar in früheren Verträgen des verstorbenen K. mit der Rechtsvorgängerin der A. und St. Lebensversicherungsbank die Beklagte als unwiderrufliche Bezugsberechtigte bezeichnet gewesen sei; diese Verträge seien aber durch Vereinbarung zwischen K. und der Versicherungsbank aufgehoben worden, was auch mit Rechtswirksamkeit gegenüber der Beklagten trotz der Unwiderruflichkeit ihrer Bezugsberechtigung habe geschehen können, und im neuen Vertrage vom Jahre 1 9 2 7 , den man als selbständigen Vertrag, losgelöst von den alten Verträgen, geschlossen habe, sei nichts überdie Bezugsberechtigung der Beklagten vereinbart worden. Die Ausführungen des Berufungsurteils in dieser Beziehung sind rechtlich einwandfrei. 2. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die von der Beklagten unter das Zeugnis des Agenten H. gestellte Behauptung übergangen, daß ihm K. auch bei und nach dem neuen Vertragsschluß ausdrücklich gesagt habe, seine Frau solle auch hier bezugsberechtigt sein, und daß beide davon ausgegangen seien, daß die Beklagte bereits im Vertrage benannt sei; wenn auch letzteres unrichtig gewesen sein möge, so sei doch jedenfalls die Erklärung des K. dem H. gegenüber wesentlich, und es sei rechtlich ohne Bedeutung, daß H. diese Erklärung nicht an die Versicherungsbank weitergegeben habe. Hierzu ist zunächst u bemerken, daß die Beklagte in den V o r instanzen nur die Behauptung aufgestellt hat, K . habe vor und b e i dem neuen Vertragsschluß dem H. gegenüber die fragliche Erklärung abgegeben, dagegen das Gleiche nicht auch für eine Zeit n a c h dem Vertragsschluß behauptet hat. Die erstere Behauptung der Beklagten hat aber der Berufungsrichter keineswegs übergangen, sondern er hat sich mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt. Als wahr hat er unterstellt, daß K. mit H. vereinbart habe, die Bezugsberechtigung der Beklagten solle auch für den hier in Betracht kommenden Vertrag gelten. Er hat dies aber für rechtlich unerheblich erklärt; denn selbst wenn man von der Vertretungsbeschränkung laut § 17 der Allgemeinen V e r sicherungsbedingungen absehe, so sei doch der Agent H. nach § § 4 3 flg. W G . vielleicht zur Entgegennahme, keinesfalls aber zur Abgabe v o n Willenserklärungen für die Versicherungsbank befugt gewesen. Der Berufungsrichter geht also ersichtlich davon aus — und auch die Beklagte hat nichts anderes behauptet —, daß H. nur Vermittlungsagent der Versicherungsbank gewesen ist. Dann aber konnten bloß mündliche Verabredungen, die im schriftlichen Antrag dementsprechend auch im Versicherungsvertragsgesetz II
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Verfidicrunjsvertragsgcsot:
Versicherungsschein nicht irgendwie zum Ausdruck gekommen sind, und von denen der Agent auch der Versicherungsbank keinerlei Mitteilung gemacht hat, nicht zum Bestandteil des neuen Vertrags werden. Das ergibt sich sowohl aus den § § 4 3 , 44 VVG. als auch mittelbar aus dem § 17 AVB. O b Abweichendes dann zu gelten hätte, wenn H. der Versicherungsbank von einer im Versicherungsantrag nicht zum Ausdruck gekommenen mündlichen Verabredung bei dessen Übersendung oder jedenfalls noch vor Ausstellung und Übermittlung des Versicherungsscheins etwas mitgeteilt hätte, kann auf sich beruhen. 3. Die Revision macht ferner geltend, K. habe mindestens nachträglich seinen Willen erklärt, daß die Beklagte bezugsberechtigt aus der Versicherung sein solle. Das möge zwar nicht der Versicherungs'bank gegenüber erklärt worden sein, aber es sei sonst in genügender Weise ausgedrückt worden, so namentlich in dem Abschiedsbrief des K. an die Beklagte vom 1. Mai 1930 mit den beigefügten Anweisungen an sie, wie sie sich der Versicherungsbank gegenüber verhalten solle, um die Versicherungssumme ausgezahlt zu bekommen. Wenn dieser Wille des Versicherungsnehmers K. überhaupt zum Ausdruck gekommen sei, so müsse das als ausreichend angesehen werden. Denn die Erklärung, mit der ein Bezugsberechtigter bezeichnet werde, sei keine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Versicherer gegenüber abgegeben werden müsse. Die Revision beruft sich hierfür auf die Bestimmungen des § 166 VVG. und des § 332 BGB. sowie auf die Ausführungen von B r u c k Versicherungsvertragsgesetz 7. Aufl. Anm. 10 vor § § 1 6 6 flg. Die Revision wendet also nichts gegen die tatsächliche Feststellung des Berufungsurteils ein, daß der Versicherungs'bank auch nachträglich keine Erklärung des K. zugegangen ist, die Beklagte solle aus der Lebensversicherung bezugsberechtigt sein, wie auch nach dem zuvor Gesagten keine nachträgliche Erklärung des K. dem H. gegenüber in Betracht kommt. Die rechtlichen Ausführungen der Revision, daß eine Willenserklärung des Versicherungsnehmers gegenüber der als bezugsberechtigt in Frage kommenden Person oder auch gegenüber sonstigen Personen ausreiche, können aber nicht als zutreffend anerkannt werden. Zwar steht es nach § 166 VVG. im Zweifel — und ein Ausnahmefall ist hier nicht anzunehmen — dem Versicherungsnehmer frei, jederzeit einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen wie auch an Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen oder anderseits auch eine widerrufliche Bezugsberechtigung einfach zu widerrufen, ohne daß der Versicherer dem allen gegenüber einen Einwand erheben könnte. Aber das Recht des Bezugsberechtigten beruht doch auf dem Vertrage
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zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer, und da es sich bei allen den gedachten Bestimmungen des Versicherungsnehmers um eine Änderung des Vertrags handelt, wenn auch um eine einseitig von ihm herbeigeführte, so muß diese Änderung doch so erfolgen, daß der Vertragsgegner in die Lage versetzt wird, sie zur Kenntnis zu nehmen, d . h . eben: die Erklärung muß ihm zugehen. Insbesondere ist daraus, daß der Versicherer einer solchen Änderung des Vertrags nicht widersprechen kann, nicht zu folgern, daß sie ihm auch nicht zur Kenntnis gebracht zu werden brauchte. Mit Recht hat der Revisionsbeklagte darauf hingewiesen, daß es zur größten Unsicherheit führen könne, wenn man jeder, schriftlich oder sogar nur mündlich gegenüber irgendwem betätigten Willenskundgebung des Versicherungsnehmers über die Bezugsberechtigtung in den angegebenen Richtungen Rechtswirksamkeit beimessen wollte. Daran ändert auch der § 332 BGB. nichts. Diese Vorsrchift wird zwar auf Grund des § 166 W G . für das Versicherungsrecht dahin zu erweitern sein, daß der Versicherungsnehmer im Zweifel nicht nur eine von Anfang an getroffene Bezugsberechtigung durch letztwillige Verfügung auf einen anderen umstellen, sondern daß er sie durch eine solche auch erstmalig bestimmen kann. Dagegen ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, daß nun überhaupt einseitige, dem Versicherer gar nicht zugegangene Erklärungen über die Bezugsberechtigung rechtswirksam sein k ö n n t e n ; insofern liegt vielmehr im § 332BGB. eine der ausdehnenden Auslegung nicht zugängliche Ausnahmebestimmung. Der erkennende Senat hat sich auch schon in RGZ. Bd. 127 S. 269 ohne besondere Ausführung und in RGZ. Bd. 136 S. 49 (52) mit näherer Begründung auf den Standpunkt gestellt, daß Erklärungen über die Bezugsberechtigung als empfangsbedürftige Willenserklärungen anzusehen sind, also dem Versicherer gegenüber abgegeben werden müssen; durch letztere Entscheidung ist gerade das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13.Juli 1931 aufgehoben worden, auf das sich B r u c k a. a. O . bezogen hat. An dieser Ansicht hat der Senat gegenüber den Beanstandungen im Schrifttum, besonders den Ausführungen von B r u c k , bereits ausdrücklich im Urteil vom 25. November 1932 VII 280/32 festgehalten. In allen drei den erwähnten Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen handelt es sich zwar um die Frage, ob die Erklärung eines Widerrufs der Bezugsberechtigung dem Versicherer zugehen müsse; abei das Gleiche muß auch für die erstmalige nachträgliche Anordnung einer Bezugsbcrechtigung wie für die Umstellung einer solchen gelten, und in RGZ. Bd. 136 S. 52 ist diese weitere Geltung 14'
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immerhin schon angedeutet. Irgendein Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Fälle besteht nicht, und ebensowenig kann die Sachlage deshalb für die Beklagte günstiger beurteilt werden, weil es sich nicht um einen Rechtsstreit mit der Versicherungsgesellschaft handelt, sondern um einen Streit zwischen zwei Parteien, von denen jede die Versicherungssumme für sich in Anspruch nimmt. Übrigens kommt im vorliegenden Fall auch noch der § 15 AVB. in Betracht, nach dessen Satz 1 der Versicherungsnehmer bei Abschluß der Versicherung oder später der Gesellschaft gegenüber dritte Personen als bezugsberechtigt bezeichnen kann, was als das Erfordernis einer der Versidierungsbank gegenüber abzugebenden, ihr zugehenden Erklärung verstanden werden muß. Daß in dem Abschiedsbrief des K. vom l . M a i 1930 keine rechtswirksame letztwillige Verfügung liegt, hat das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei angenommen, und das gilt aus dem gleichen Grund auch für die dem Brief beigefügten Verhaltungsmaßregeln für die Beklagte. Im übrigen ist es aber nach dem vorher Ausgeführten ohne rechtliche Bedeutung, ob aus den beiden Schriftstücken an sich der Wille des K. erhellt, daß die Beklagte bezugsberechtigt sein sollte. RGZ. 142, 410. Verstößt ein Vater gegen die guten Sitten, wenn er die Bezugsberechtigung seiner Kinder erster Ehe aus einer Lebensversicherung widerruft und diese Berechtigung seiner zweiten Ehefrau zuwendet, mit der er während des Bestehens der ersten Ehe ehewidrige Beziehungen unterhalten hat? BGB. § 138. Versicherungsvertragsgesetz § 166. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 24. November 1933. I. Landgericht Breslau. — II. OberlandesgeriAt daselbst.
Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil i". RGZ. 145, 3 2 2 + . 2. Zur Frage deT Beweislast für das Vorliegen von Selbstmord im Falle einer Verbindung von Lebens- und Unfalltodesversidierung. V V G . § 4 Abs. 1, § 181. BGB. § 808 Abs. 1 Satz 2.
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VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 6. November 1934. I. Landgericht Hamburg. — II. Oberlandesgeridit daselbst.
Der Vater der Klägerinnen R. W. war bei der Beklagten vom l . M ä r z 1931 bis zum I.März 1951 gegen Todesfall versidiert. Die Versicherungssumme betrug 5000 RM, sie sollte fällig sein beim Tode des Versicherten, spätestens an dem angegebenen Ablauftermin, und im Falle des Ablebens des Versicherten vor dem Ablauftermin an den Überbringer des Versicherungsscheins gezahlt werden. Bei der Feststellung dieser Zahlungsbedingung ist im Versicherungsscheine auf § 15 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwiesen. Nach dieser Vorschrift kann die Versidierungsgesellschaft den Inhaber des Versicherungsscheins als berechtigt ansehen, über alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere die von der Gesellschaft zu leistenden Zahlungen in Empfang zu nehmen; sie kann aber auch den Nachweis der Verfügungs- oder Empfangsberechtigung verlangen. § 7 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen bestimmt: Begeht der Versicherte Selbstmord, so wird die volle Versicherungssumme gezahlt; nur in dem Falle, daß der Selbstmord innerhalb eines Jahres nach Abschluß der Versicherung erfolgt und nicht nachgewiesen werden kann, daß der Versicherte in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistetstätigkeit sich befunden hat, wird statt der Versicherungssumme die Prämienreserve gezahlt. Bei Tod durch Unfall sollte die doppelte Versicherungssumme gezahlt werden. Nach den „Ergänzenden Bedingungen für Tod durch Unfall" gilt als Tod durch Unfall nicht Selbstmord, und zwar auch dann nicht, wenn der Versicherte die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder unter dem Drudce körperlicher Leiden begangen hat. R.W. ist am 16. Dezember 1931 auf seinem Schrebergartenlande mit einer schweren Schußwunde aufgefunden worden. Neben ihm lag eine abgefeuerte Jagdflinte. Er ist noch an demselben Tage an den Folgen der Verletzung gestorben. Zuvor hatte er noch zwei Ärzten mehrfach erklärt, er habe Ratten , schießen wollen. Die Klägerinnen sind im Besitze des Versicherungsscheins. Beide Instanzgeridite haben ihrem auf Zahlung von 10 000 RM gerichteten Klagbegehren stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
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Aus den
Gründen:
. . . Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht seine bisherige Auffassung hinsichtlich der Beweislast, soweit es sich um den für den Fall des Unfalltodes vereinbarten Zusatzbetrag von 5 0 0 0 R M handelt, nicht bestehen lassen können. Es ist der Meinung, die Beklagte sdiulde die vollen 10 0 0 0 R M , wenn sie den Selbstmord des Versicherungsnehmers nicht beweisen könne; es stehe nur in Frage, ob Selbstmord vorliege und die Beklagte gar nichts schulde oder ob Unfall vorliege und die Beklagte 10 0 0 0 R M sdiulde. Dabei verkennt der Berufungsrichter, daß es sich um eine mit einer Lebensversicherung verbundene zusätzliche Unfalltodesversidverung handelt und daß die Voraussetzungen eines Anspruchs aus dieser andere sind als die für den Lebensversicherungsanspruch (vgl. RGUrt. vom 18. November 1932 VII 166/32 in DRZ. 1933 Rspr. Nr. 29 und in HRR. 1933 Nr. 4 9 8 ) . Nadi den „Ergänzenden Bedingungen für Tod durdi Unfall" liegt ein Unfall, der im Todesfalle die Erweiterung des Versicherungsanspruchs auf den doppelten Betrag bedingt, dann vor, „wenn der Versicherte unfreiwillig durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis eine Körperbesdiädigung erfährt und wenn dadurch sofort oder innerhalb von 30 Tagen nadi dem Unfall als dessen unmittelbare Folge der Tod des Versicherten eintritt". Als Tod durdi Unfall gilt ferner nicht der Tod infolge Selbstmord. Danach steht außer Zweifel, daß der Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers oder der Bezugsberechtigte als Voraussetzung seines erweiterten Anspruchs das Vorliegen eines Unfalls in dem bezeichneten Sinn zu beweisen hat. In derartigen Fällen hat nadi der Rechtsprechung des Reichsgerichts der Kläger, der die (erhöhte) Versicherungssumme fordert, zu beweisen, daß der Tod des Versicherungsnehmers durch einen Unfall (und nicht durch Selbstmord) herbeigeführt worden ist (RGUrt. vom 13. Dezember 1927 V I I 4 8 9 / 2 7 in JW. 1928 S. 554 Nr. 2 und vom 30. September 1932 VII 124/32). In VII 4 8 9 / 2 7 handelte es sich um einen Schadensfall, wo vereinbart war, daß den Nachweis des Eintritts eines ersatzpflichtigen Schadens und dessen Höhe derjenige zu führen habe, der Ansprüche aus der Versicherung geltend mache. Der erkennende Senat hat damals ausgesprochen, der Versicherte müsse danach den Beweis erbringen, daß ein Unfall geschehen, daß also nicht der Versicherte selbst die Beschädigung (des versicherten Wagens) böswillig verursacht habe. In dem in VII 124/32 entschiedenen Falle sollte die vierfache Versicherungssumme gezahlt werden, falls der Tod durch Unfall einträte; die Versicherungsgesellschaft hatte an den Bezugsberechtigten
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nur 10 000 RM gezahlt und die Zahlung weiterer 30 000 RM mit der Begründung abgelehnt, daß der T o d des Versicherungsnehmers nicht durch Unfall, sondern durch Selbstmord herbeigeführt worden sei. Allerdings liegt nadi der gesetzlichen Regelung in § 181 W G . bei der Unfallversicherung der Beweis für die vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls, und dazu gehören auch Selbstmord oder Selbstmordverstümmelung, grundsätzlich dem Versicherer ob. Aber diese Vorschrift ist nicht zwingend, und der erkennende Senat hat bisher stets angenommen, daß durdi die bezeichnete Art der Abmachung in den Versicherungsbedingungen die Beweislast zu Gunsten des Versicherers umgekehrt geregelt sei (RGUrt. vom 16. April 1929 V I I 4 5 1 / 2 8 bei WarnRspr. 1929 Nr. 103 und vom 12.Mai 1933 VII 302/32 das. 1933 Nr. 155, in LZ. 1933 Sp. 858 Nr. 10 und in HRR. 1933 Nr. 1504). Zu einer davon abweichenden Beurteilung gibt audi der vorliegende Sachverhalt keinen Anlaß. Denn hier ist die Sachlage nur insofern anders, als der Anspruch auf die Versicherungssumme durch Selbstmord innerhalb des ersten Jahres regelmäßig überhaupt ausgeschlossen sein soll. Deshalb ist, wie das Berufungsgericht richtig annimmt, die Versicherungsgesellschaft zwar für den Selbstmord beweispflichtig, sofern sie erreichen will, daß der Versicherungsanspruch gänzlich abgewiesen werde. Soweit aber die Klagpartei über den gewöhnlichen Betrag der Versicherungssumme von 5000 RM hinaus das Doppelte begehrt, ist der Anspruch davon abhängig, daß der Tod des Versicherungsnehmers durch Unfall herbeigeführt worden ist. Dafür, daß dies der Fall ist, trägt die Klagpartei die Beweislast. Es läßt sich auch nicht geltend machen, daß der Klagpartei der Mehrbetrag von 5000 RM schon deshalb zuerkannt werden müsse, weil die Beklagte den Anspruch auf den gewöhnlichen Betrag der Versicherung nicht durch den Nachweis des Selbstmords habe zu Fall bringen können. Denn insoweit hat das Berufungsgericht zwar die Beklagte für beweisfällig erklärt, weil sie den — ihr obliegenden — Nachweis des Selbstmords nicht geführt habe. Nicht aber hat es festzustellen vermocht, es sei erwiesen, daß Selbstmord wirklich ausgeschlossen sei; vielmehr geht die Feststellung des Berufungsgerichts in dieser Hinsicht nicht über die Annahme hinaus, es sei m ö g l i c h , daß der Tod des Versicherungsnehmers durch ein unbeabsichtigtes Abfeuern des Gewehrs herbeigeführt worden sei. Mit der Feststellung einer solchen Möglichkeit hat aber die Klagpartei den Nachweis eines Unfalls als Todesursache noch nicht geführt. Abweichend von dem Landgericht hat sich das Berufungsgericht, wie seine Gründe deutlich ergeben, nicht dazu entschließen
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können, das Vorliegen eines Unfalltodes festzustellen und damit die Möglichkeit eines Selbstmords ganz auszuschließen. Der Meinung, in diesem Falle stehe fest, daß kein gewöhnlicher Todesfall vorliege, folglich sei schon wegen des V e r s a g e n s der Beweisführung der Beklagten die für den Fall des Unfalltodes vorgesehene doppelte V e r sicherungssumme zuzuerkennen, kann aber nicht beigetreten werden. Sind an eine Beweispflicht, wie sie danach der Klagpartei obliegt, regelmäßig auch keine hohen Anforderungen zu stellen (RGUrt. vom 12. Mai 1933 VII 302/3 3 a . a . O . ) , so wird das Berufungsgericht doch veranlaßt sein, den Sachverhalt unter Beachtung der bezeichneten BeweisJastgrundsätze erneut zu prüfen, sofern eine Klagbefugnis der Klägerinnen, sei es kraft eigenen Rechts, sei es nach entsprechender Änderung des Klagantrags (vgl. § § 264, 268, 529 und — mit Rüdcsicht auf die angeblich vorliegende Pfändung des Versicherungsanspruchs — § § 265, 829 flg. Z P O . ) gemäß § 2 0 3 9 BGB., überhaupt festgestellt werden kann.
RGZ. 152, 268. Ist der Versicherer bei einer Lebensversicherung berechtigt, den für den Fall der Kündigung des Versicherungsnehmers vorgesehenen Abzug auch dann zu machen, wenn der Versicherungsnehmer wegen fehlender Genehmigung der Devisenbewirtschaftungsstelle die Fremdwährungsprämie nicht mehr zahlen kann und die Auszahlung der Prämienreserve verlangt? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) - W G . - § 1 7 6 . BGB. § § 13 3, 242. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 30. O k t o b e r 1936.
1. Landgericht Berlin. —
II. Kammergericht
daselbst.
Der Kaufmann Ernst R., ein Bruder der Klägerin, hat am 3./5. Mai 1924 mit der verklagten Lebensversicherungsgesellschaft einen Lebensversicherungsvertrag über 25 000 nordamerikanische Dollar abgeschlossen. Im Dezember 1929 sind die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag durch Abtretung und Übernahme auf die Klägerin übergegangen. Diese hat bis Ende April 1934 die Prämien in Dollar gezahlt. Als durch eine Anordnung der Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung vom 29. September 1934 die vor dem 1. O k t o b e r 1934 erteilten Einzelgenehmigungen zur Bezahlung in Dollar, die sich nicht auf die Bezahlung eingeführter Waren bezogen, für unwirksam erklärt wurden, wurde auch die der Klägerin schon erteilte Genehmigung zur Bezahlung der Prämien für Mai bis O k t o b e r 1934 hinfällig. Darauf hat die Be-
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klagte der Klägerin durch Schreiben vom 1. Oktober 1934 mitgeteilt, die Weiterführung von Fremdversicherungen sei nunmehr unmöglidi geworden, und der Klägerin die Umstellung der Versicherung auf Reichsmark angeboten. Die Klägerin hat dieses Angebot abgelehnt und von der Beklagten die Auszahlung des Wertes der Versicherung verlangt. Die Beklagte hat diesen Wert unter Berücksichtigung eines Abzugs gemäß § 5 Abs. 3 ihrer Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen (AVB.) in Höhe von 1000 Dollar auf 7601 Dollar berechnet. Sie erklärte sich zur Auszahlung dieses Betrags bereit, wenn die Klägerin den Empfang von 7601 Dollar bekenne und sich für alle Rechte aus dem Vertrag für abgefunden erkläre. Als die Klägerin die Erteilung einer solchen Bescheinigung ablehnte und die Beklagte darauf jede Zahlung verweigerte, hat die Klägerin auf Zahlung von 8601 Dollar nebst Zinsen geklagt. Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Klagantrag verurteilt; das Kammergericht hat die Brrufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als die Klage in Höhe von 1000 Dollar nebst Zinsen abgewiesen wurde. Gründe: . . . Der Berufungsrichter führt aus: Auf Seiten der Klägerin liege eine Unmöglichkeit der Leistung hinsichtlich der weiteren Prämienzahlungen vor; bei entsprechender Anwendung des § 323 BGB. müsse die Beklagte den Rückkaufswert der Versicherung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung an die Klägerin zahlen. Diese Zahlung könne die Beklagte auch nicht von einer Verzichtserklärung für die weiter streitigen 1000 Dollar abhängig machen, da sich die Klägerin zur Erteilung einer Empfangsbescheinigung über 7601 Dollar bereit erklärt habe. O b die Auffassung des Berufungsrichters zutreffend ist, es liege auf Seiten der Klägerin hinsichtlich der ihr obliegenden Leistung der Prämien eine dauernde Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB. vor, kann dahingestellt bleiben. Denn auch in diesem Falle würde nicht etwa das Vertragsverhältnis aufgelöst sein, sondern mit den sich aus § 323 BGB. ergebenden Folgen grundsätzlich weiter bestehen. Da die Klägerin für die Vergangenheit erfüllt hat, würde auch nur eine teilweise Unmöglichkeit ihrer Leistung vorliegen und sich deshalb die Gegenleistung der Beklagten nach § 323 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB. mindern. Da aber diese Gegenleistung nach dem durch Nachtrag vom 8. Dezember 1926 veränderten Vertrag erst mit dem Tode des Ver-
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sicherten, spätestens am 30. September 1949 fällig wird, würde die Klägerin, selbst wenn die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB. gegeben sein sollten, noch keinen fälligen Anspruch auf diese Gegenleistung haben. Die Klägerin hat aber unstreitig, als sie im O k t o b e r 1934 keine Devisen zur Zahlung der Prämien mehr erhalten k o n n t e , in dem sich zwischen den Parteien entwickelnden Schriftwechsel den Wert der Police einschließlich des Gewinnanteils und Auszahlung eines entsprechenden Betrags in Dollar verlangt. Hierdurch hat sie unzweideutig zu erkennen gegeben, daß sie das Versicherungsverhältnis nicht fortsetzen, sondern beendigen wolle. Das nimmt auch der Berufungsriditer an, der darüber hinaus aus den Schreiben der Beklagten deren Bereiterklärung zur Zahlung des geminderten Rückkaufwertes folgert. Der weiteren Auffassung des Berufungsrichters, eine Kündigung der Klägerin nach § 5 AVB. liege nicht vor, k a n n jedoch der Senat nicht beitreten. Vielmehr ist unter Anwendung der §§ 133, 242 BGB. das Verhalten der Klägerin als eine Kündigung nach § 5 AVB. anzusehen. Als sie sah, daß sie die Genehmigung zur Zahlung der Prämien in Devisen auf absehbare Zeit nicht mehr erhalten werde, war sie nach § 242 BGB. verpflichtet, die dadurch entstehenden Schwierigkeiten im Rahmen des Vertrags, soweit wie möglich, zu lösen. Diese Verpflichtung beruht schon darauf, daß jeder Volksgenosse und auch jeder andere, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 6 Abs. 6 des Gesetzes über die Devisenbewirtschaftung vom 4. Februar 1935, RGBl. I S. 106), gehalten ist, die aus der Devisennotlage des Reichs u n d aus der durch sie veranlaßten Devisengesetzgebung hervorgehenden Schwierigkeiten nach Möglichkeit zu beseitigen, und daß mithin derjenige gegen Treu und Glauben verstößt, der etwa versucht, aus diesen für sich besondere Vorteile zu ziehen, auf die er bei Nichtvorhandensein der Schwierigkeiten keinen Anspruch h ä t t e . Das muß im vorliegenden Fall um so mehr gelten, als für die Klägerin verschiedene Möglichkeiten zur Regelung der Rechtslage bestanden. Ihr war entsprechend den vom Reichsaufsichtsamt f ü r Privatversicherung aufgestellten Richtlinien von der Beklagten angeboten worden, die Versicherung auf Reichsmark mit Fremdwährungsanteil umzustellen. Daneben blieb die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit bestehen, die Versicherung in eine prämienfreie Dollarversicherung umzuwandeln. V o n beiden Möglichkeiten hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr wollte sie den Wert der Police ausgezahlt haben, d. h. die Versicherung zurückkaufen. Das k o n n t e sie aber im
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Rahmen des noch bestehenden Vertrags nur im Wege der in § 5 AVB. geregelten Kündigung erreichen. Deshalb kann ihre Erklärung nach § § 133, 2 4 2 BGB. nur dahin ausgelegt werden, daß sie den Vertrag kündige. In diesem Sinne hat auch die Beklagte nach ihrem Schriftwechsel die Erklärung der Klägerin zuerst aufgefaßt; daß sie im Laufe des Rechtsstreits einen anderen Standpunkt eingenommen hat, steht dieser Auslegung der Erklärung der Klägerin nicht entgegen. Das Bestreben der Klägerin, durch Vermeidung einer „Kündigung" nach § 5 AVB. den in Nr. 3 das. vorgesehenen Abzug zu vermeiden, verdient auch keinen Schutz; denn dieses Bestreben widerspricht gerade der aus dem Versicherungsvertragsgesetz zu entnehmenden grundsätzlichen Regelung. Dieses sieht nämlich den Abzug nicht etwa nur für den Fall einer vom Versicherungsnehmer ausgehenden Kündigung vor, sondern auch in den Fällen der Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie (§ 174 W G . ) , der Kündigung von Seiten des Versicherers (§ 175 das.) sowie des Rücktritts und der Kündigung nach § 176 das. Die Meinung des Berufungsrichters, in allen Fällen der §§ 174 bis 176 V V G . rechtfertige das nicht vertragsmäßige Verhalten des Versicherungsnehmers den Abzug, ist schon deshalb nicht richtig, weil eine Kündigung des Versicherungsnehmers kein vertragswidriges Verhalten darstellt. Der gesetzgeberische Grund für diese Regelung ist vielmehr, der Versicherungsgesellschaft eine Entschädigung dafür zu gewähren, daß die Versicherung vor ihrer im Vertrag zunächst vorgesehenen Beendigung zu laufen aufhört. Aus dieser Regelung ist aber der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, daß der Abzug grundsätzlich i n a l l e n F ä l l e n gestattet ist, in denen eine Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie oder aber eine Rückzahlung des Deckungskapitals erfolgt. Wenn etwa die Allgemeinen VersidierungsBedingungen für besondere Fälle der Rückzahlung des Deckungskapitals einen solchen Abzug nicht vorsehen — so in den hier maßgebenden Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen unter bestimmten Voraussetzungen bei Tod im Kriegsfall (§ 8) und im Ausland (§ 9) und bei Selbstmord ( § 1 0 ) — so spricht dies nicht etwa dafür, daß ein solcher Abzug auch noch in anderen, nicht genannten Fällen unterbleiben solle. Hiernach ist das Verhalten der Klägerin als Kündigung anzusehen. Daraus folgt, daß der Klaganspruch wegen des nach § 5 Nr. 3 AVB. um 1000 Dollar ermäßigten Deckungskapitals nebst Gewinnanteil, die unstreitig zusammen 7601 Dollar 'betragen, begründet, dagegen in Höhe des Abzugs von 1 0 0 0 Dollar unbegründet ist. Soweit die Beklagte die Zahlung der 7601 Dollar von der vorherigen Erteilung einer Verzichts-
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erklärung auf die weiteren 1 0 0 0 Dollar abhängig madit, hat der Berufungsriditer diesen Einwand mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Im übrigen ist die Fälligkeit dieses Betrags sowie die Zinsforderung von 4 %> seit Klagezustellung nidit bestritten. Demnach ist die Revision unbegründet, soweit die Beklagte zur Zahlung von 7601 Dollar nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im übrigen ist die Revision begründet und die Klage in diesem Umfang abzuweisen. RGZ. 153, 2 2 0 . 1. Kann bei der Lebensversicherung der Arrestpfandgläubiger des Versicherungsnehmers das Bezugsredit eines Dritten auf die Versicherungssumme widerrufen? 2. Enthält die Abtretung der Versidierungsansprüdie von Seiten des Versicherungsnehmers an den Bezugsberechtigten einen Widerruf des Bezugsrechts? 3. Wie gestaltet sidi die Anfechtung der Begünstigung des Dritten wegen Gläubigerbenachteiligung, wenn das ursprünglich nur für den Todesfall vorgesehene Bezugsredit nachträglich auf den Erlebensfall umgestellt worden und dieser Fall eingetreten ist? ZPO. § § 835, 916, 9 3 0 Abs. 1 Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 2 6 3 ) - W G . - § 166 BGB. § 328 AnfG. §§ 3, 7. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 12.Januar 1937.
Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Verfahrensrecht — Zivilprozeßordnung". RGZ. 154, 99. Kommt es für die Frage der Nichtigkeit der Benennung eines Bezugsberechtigten bei der Kapitalversicherung auf die Kenntnis des Versicherers an? BGB. § 138. Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 2 6 3 ) - V V G . - § 166. VII. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 23. Februar 1937.
1. LandgeriAt Hamburg. —
II. Oberlandesgeridit daselbst.
Gemäß Versicherungsschein Nr. 2 1 6 658 vom 12. März 1924 war der Kaufmann P. bei einer Lebensversicherungsbank, der Streitgehilfin der Beklagten, mit einer Summe von 50 0 0 0 Goldmark, zahlbar nach
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dem Ableben des Versicherten an Fräulein W., die jetzige Klägerin, spätestens jedoch am 15. Februar 1938 an den Versicherten selbst, versichert. Auf Antrag des Versicherten war am 5. Juni 1925 auf dem Versicherungsschein vermerkt worden, daß die darin enthaltene Begünstigung unwiderruflich sein sollte. P. hatte die Klägerin, von Beruf Tänzerin, im Jahre 1919 kennengelernt; seit dem Jahre 1920 hat sie mit P., der verheiratet war, aber von seiner Ehefrau getrennt lebte, zusammengewohnt. Seine Ehe wurde am 30. Mai 1926 geschieden. Am 13. April 1927 verheiratete er sich mit der Klägerin. Diese Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 12. Dezember 1933 aus beiderseitigem Verschulden, und zwar auf Seiten der Klägerin wegen Ehebruchs, geschieden. Am 22. Mai 193 5 ist P. gestorben. Während der Ehe der Klägerin mit P. übertrugen beide zusammen am 10. Mai 1932 die Rechte aus dem Lebensversicherungsschein Nr. 216 65 8 unter Übergabe des Scheins auf den Rechtsanwalt B. und teilten dies der Streitgehilfin mit. Am 17. Mai 1932 trat P. allein die Versicherungsrechte an die Beklagte ab. Auf die Anzeige hiervon wies die Streitgehilfin am 28. Mai 1932 auf die noch wirksame Abtretung an Rechtsanwalt B. hin. Daraufhin verzichtete dieser am 30. Mai 1932 auf seine Rechte an der Versicherung. Mit Schreiben vom 19. November 1932 erklärte die Beklagte der Versicherungsgesellschaft, das vertragliche Rückkaufsrecht ausüben zu wollen, und beantragte die Auszahlung der Rüdekaufssumme. Gegen Aushändigung des Versicherungsscheins mit Schreiben vom 3. Februar 193 3 erhielt die Beklagte die Rüdekaufssumme im Betrage von 10419,75 RM am 6. Februar 1933 von der Versicherungsgesellschaft ausgezahlt. Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten die Auszahlung der Rüdekaufssumme, zunächst in Höhe eines Teilbetrags von 2000 RM, und zwar auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung. Die Streitgehilfin ist auf die Streitverkündung der Klägerin hin der Beklagten beigetreten. Das Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz erhob die Beklagte im Wege der Anschlußberufung Widerklage mit dem Antrage, festzustellen, daß der Klägerin Ansprüche gegen sie wegen Auszahlung des Rüdekaufswertes an sie, soweit solche Ansprüche mit der vorliegenden Klage noch nicht geltend gemacht seien, nicht zuständen. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Klägerin gegen das erste Erkenntnis zurück und gab auf die Widerklage der Beklagten deren Feststellungsbegehren statt. Die Revision der Klägerin war erfolglos.
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Gründe: 1. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die verklagte Bank die richtige Beklagte sei („Passivlegitimation"), sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben. 2. Zu Gunsten der Klägerin nimmt der Berufungsrichter an, daß diese das ihr v o n P . eingeräumte unwiderrufliche Bezugsredit durch die Scheidung ihrer Ehe mit P. nicht verloren habe. Er g e h t aber weiter davon aus, daß die Klägerin aus dem zu ihren Gunsten abgeschlossenen Versicherungsvertrag keine Rechte erlangt habe, weil ihre Benennung als Bezugsberechtigte wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sei. Infolgedessen habe P. die Rechte aus dem Versicherungsvertrag durch Abtretung wirksam auf die Beklagte übertragen k ö n n e n . Deshalb habe auch die Klägerin durch die Auszahlung des Rückkaufswertes keinen Rechtsverlust erlitten. Das Berufungsurteil beruht also auf der Annahme der Sittenwidrigkeit der Bezugsrechtseinräumung. In dieser Hinsicht hat der Berufungsrichter erwogen, wenn P . während des Bestehens seiner ersten Ehe an Stelle seiner damaligen Frau die Klägerin, mit der er zu jener Z e i t in wilder Ehe zusammenlebte, als Bezugsberechtigte benannt habe, so k ö n n e er dies nur getan haben aus Dank und zur Belohnung für das zwischen ihnen bestehende ehebrecherische Liebesverhältnis und zu dem Zwecke, die erheblich jüngere Klägerin auch weiterhin an sich zu k e t t e n . Er habe sie damit also zur Fortsetzung des unsittlichen Liebesverhältnisses bestimmen wollen. Das Oberlandesgericht hält die Benennung der Klägerin als Bezugsberechtigte für ein einseitiges Rechtsgeschäft und meint, der v o n dem Verfügenden verfolgte unsittliche Zweck reiche aus, um die Nichtigkeit der Verfügung zu begründen, ohne daß es darauf ankommen k ö n n e , o b dem Versicherer die Sittenwidrigkeit der Begünstigung bekannt gewesen sei. Auch durch die spätere Eheschließung der Klägerin mit P. sei ihre Benennung als Bezugsberechtigte nicht wirksam geworden; denn die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts k ö n n e durch eine Veränderung der Umstände nicht geheilt werden, und eine neue Begünstigungserklärung des P. während seiner Ehe mit der Klägerin liege nicht vor. Die Revision bekämpft die Auffassung des Berufungsrichters mit dem Hinweis, daß 1. die Annahme eines vom Versicherungsnehmer verfolgten sittenwidrigen Zwecks nicht einwandfrei begründet worden sei; 2. die Sittenwidrigkeit der Begünstigung der Klägerin nicht die Nichtigkeit ihrer Benennung als Bezugsberechtigte, sondern allenfalls
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ein Widerrufsredit des Versicherungsnehmers ihr gegenüber begründen könnte, das jedoch an der Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB. scheitern müßte. Der unter 1 gerügte Verfahrensverstoß liegt nicht vor. Es trifft zu, daß die Klägerin gegenüber dem Einwand der Nichtigkeit ihrer Begünstigung geltend gemacht hat, diese sei ihr nidit als Belohnung für den ehebrecherischen Verkehr, sondern als Entschädigung dafür zugewendet worden, daß sie ihren Beruf und damit die Aussicht auf eigenen Lebenserwerb aufgegeben habe. Soweit damit die Absicht des Versicherungsnehmers, die Klägerin für die Aufgabe ihres Berufs zu entschädigen, hat behauptet werden sollen, steht diese Tatsache der Auffassung des Berufungsrichtcrs, der Versicherungsnehmer könne die Benennung der Klägerin als der Bezugsberechtigten nur als Dank und Belohnung für das ehebredierisdie Liebesverhältnis vorgenommen haben, nicht zwingend entgegen. Denn die Aufgabe des Berufs der Klägerin steht mit der Fortsetzung des sie und den Versicherungsnehmer verbindenden Liebesverhältnisses in so engem Zusammenhang, daß sich eine Entschädigung für die Berufsaufgabe nicht ohne gleichzeitige Belohnung für das Liebesverhältnis vorstellen läßt. Die Aufgabe des Berufs war die unmittelbare Folge der Fortsetzung des Liebesverhältnisses; sie wäre nidit in Betracht gekommen, wenn die Klägerin es nicht vorgezogen hätte, ihr Verhältnis zu P. aufrechtzuerhalten. Wenn aber der Versicherungsnehmer sie für die Aufgabe des Berufs entschädigen wollte, die nur durch das Liebesverhältnis veranlaßt war — daß es anders sein könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen —, so läßt sich der Auffassung des Berufungsgerichts, daß das Bezugsrecht aus Dank und zur Belohnung für das ehebrecherische Liebesverhältnis begründet worden sei, mit rechtlichen Erwägungen nicht entgegentreten. Durch das Sadivorbringen der Klägerin war der Berufungsrichter an dieser Annahme nicht gehindert. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 24. November 193 3 (RGZ. Bd. 142 S. 410) ausgesprochen, die Bestimmung eines Bezugsberechtigten bei einem Lebensversicherungsvertrag sei die Ausübung eines Gestaltungsrechts, in dieser Hinsicht vergleichbar mit der Erbeinsetzung. Die Frage nach ihrer Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten sei daher wie bei einem einseitigen Rechtsgeschäft zu behandeln, so daß es auf die Kenntnis des Versicherers nidit ankommen könne und der von dem Verfügenden verfolgte unsittliche Zweck zur Herbeiführung der Nichtigkeit der Verfügung ausreiche (dazu Urt. des
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erkennenden Senats vom 18. Dezember 1934 VII 290/34, abgedr. in JRfPrV. 193 5 S. 22 Nr. 1). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Was die Revision dagegen anführt, schlägt nicht durch. a) Die Revision meint, im Fall eines in der Leistungsannahme liegenden Sittenverstoßes sei nur ein Herausgabe-(Bereidierungs-) ansprudi gemäß § 817 BGB. begründet. Daran ist aber nur richtig, daß f ü r den Herausgabeanspruch nicht die Nichtigkeit des Leistungsgeschäfts zu fordern ist. Es kann also wegen der Sittenwidrigkeit der Leistungsannahme ein Herausgabeanspruch audi dann bestehen, wenn das Geleistete trotz des sittenwidrigen Zweckes der Leistung als in das Eigentum des Empfängers übergegangen zu gelten hat (RGZ. Bd. 63 S. 179 [18 5], Bd. 75 S. 68 [75], Bd. 89 S. 65 [67]). Dies schließt jedoch nicht aus, daß der sittenwidrige Zwedc einer Leistung audi das Leistungsgeschäft nichtig macht und daß die Nichtigkeit dieses Geschäfts ohne Rüdcsidit auf die Sittenwidrigkeit der Leistungsannahme einen Herausgabeanspruch gemäß § 812 BGB. begründet (RGZ. Bd. 89 S. 65 [67]). Damit das Leistungsgesdiäft als gegen die guten Sitten verstoßend nichtig sei, ist zu fordern, daß das Geschäft im ganzen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände sittenwidrig sei; dafür ist nicht der Beweggrund des Handelnden allein, sondern die aus Beweggrund eines Beteiligten, Inhalt und Zwedc zu entnehmende Gesamtwesensart des Geschäfts entscheidend (RGZ. Bd. 75 S. 68 [74], Bd. 80 S. 219 [221], Bd. 114 S. 338 [341]). Daß diese Voraussetzung hier vorliege, hat der Berufungsrichter ohne Reditsirrtum angenommen. t ) Der VI. Zivilsenat des Reidisgeridits hat in seinem Urteil vom 12. März 1934 VI 447/33 (JW. 1934 S. 1409 Nr. 1) entschieden, die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten sei im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer nidit deshalb niditig, weil der Versicherungsnehmer mit der Begünstigung des Dritten einen dem Versicherer unbekannten unsittlichen Zweck verfolge, wobei es keinen Unterschied begründe, ob die Bezeidmung beim Abschlüsse des Versicherungsvertrags oder erst später stattfinde. Der VI. Zivilsenat hat hierbei erwogen, aus der Nichtigkeit der Zuwendung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag könne nidit ohne weiteres gefolgert werden, daß auch die Vereinbarungen des Versicherungsnehmers mit der Versicherungsgesellschaft, auf denen diese Zuwendung beruht, niditig seien. Der Bezugsberechtigte erwerbe das Redit unmittelbar, ohne daß es seiner Mitwirkung bedürfe; es brauche ihm also weder die Annahme des Rechts angetragen zu werden, noch brauche er dem Vertrag beizutreten. Aus
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dieser rechtlichen Gestaltung des Rechtserwerbs des Dritten bei Verträgen zu seinen Gunsten folge, daß die Sittenwidrigkeit des mit der Zuwendung verfolgten Zweckes keinen Einfluß auf die Wirksamkeit des Vertrags auszuüben vermöge. Grundsätzlich sei bei V e r t r ä g e n die Nichtigkeit des ganzen Geschäfts nicht anzunehmen, wenn nur der eine Teil unsittliche Zwedce verfolge, der andere Teil dagegen den unsittlichen Charakter des Geschäfts nicht kenne. Hieraus will der VI. Zivilsenat schließen, daß aus der Unsittlichkeit des vom Kläger mit der Benennung des Bezugsberechtigten verfolgten Zweckes die Nichtigkeit dieser Benennung im Verhältnis des Klägers zur Versicherungsgesellschaft nicht gefolgert werden könne. Diese Ausführungen geben dem erkennenden Senat indessen keinen Anlaß, von seiner in RGZ. Bd. 142 S. 410 ausgesprochenen Meinung abzuweichen. Es handelt sich hier nicht um die Frage, ob die Sittenwidrigkeit und die daraus folgende Nichtigkeit der Begünstigung der Klägerin einen Einfluß auf den Rechtsbestand des Versicherungsvertrags als solchen auszuüben vermöchte. Es handelt sich insbesondere nicht darum, ob der Versicherer, wenn die Nichtigkeit der Bezeichnung eines Bezugsberechtigten feststände, den ganzen Versicherungsvertrag als nichtig behandeln und demgemäß beim Eintritt des Versicherungsfalles die Auszahlung der Versicherungssumme verweigern könnte. Vielmehr geht es nur darum, ob der Versicherungsnehmer P. berechtigt war, ohne Rücksicht auf seine unwiderrufliche Begünstigungserklärung (für den Todesfall) anderweit über den (durch den Todes- und Erlebensfall bedingten) Versicherungsanspruch zu verfügen, wie er es zu Gunsten der Beklagten getan hat, und zwar deshalb, weil die Nichtigkeit der Begünstigungserklärung ihn von jeder rechtlichen Bindung an diese befreite. Bei dieser Frage ist zu beachten, daß die Bezeichnung eines Dritten als Bezugsberechtigten eine einseitige (empfangsbedürftige) Willenserklärung ist, deren Wirksamkeit zwar das Bestehen einer Vertragsbindung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer voraussetzt, die aber keineswegs einen Bestandteil des Versicherungsvertrags selbst darstellt. Bei der Kapitalversicherung (§§ 166. 189 VVG.) ist dem Versicherungsnehmer im Zweifel die Befugnis vorbehalten, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen, sowie an die Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen; die Befugnis des Versicherungsnehmers, an die Stelle des bezugsberechtigten Dritten einen anderen zu setzen, gilt im Zweifel auch dann als vorbehalten, wenn die Bezeichnung im Vertrag erfolgt ist. Das Gegenteil kann vereinbart werden. Versicherungsvertragsgesetz II
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Also kann sich schon aus dem Inhalt des einzelnen Versicherungsvertrags ergeben, daß die bezeichnete Befugnis des Versicherungsnehmers nidit bestehen, daß er vielmehr an die einmal getroffene Bestimmung gebunden sein soll und daß deren Abänderung der Zustimmung des Versicherers bedürfe. Von diesem Fall abgesehen bedarf der Versicherungsnehmer also zur Ausübung seines Bestimmungsrechts keiner Zustimmung des Versicherers. Die Befugnis des Versicherungsnehmers zur Begründung des Bezugsrechts eines Dritten fließt aus der gegenseitigen Vertragsbindung des Versicherers und des Versicherungsnehmers; ohne sie ist die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten nicht denkbar. Ist der Versicherungsvertrag unwirksam, so ist notwendigerweise auch das Bestimmungsrecht des Versicherungsnehmers hinfällig. Umgekehrt begründet die Nichtigkeit der Ausübung des Bestimmungsrechts grundsätzlich nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags. Die Belange des Versicherers werden durch das Bestimmungsiecht des Versicherungsnehmers und durch die Begründung einer Bezugsberechtigung in aller Regel nicht berührt; deshalb kann und darf er, von besonderen Abmachungen abgesehen, der Bestimmung eines Dritten als Bezugsberechtigten nicht widersprechen. Es bleibt sich für ihn ganz gleich, ob er beim Fälligwerden der Versicherungssumme diese an den Versicherungsnehmer oder an einen Dritten zu zahlen hat. Im Bereiche der Kapitalversicherung ist im Gegensatz zur allgemeinen Regelung des Vertrags zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB.) dem Versicherungsnehmer das Bestimmungsrecht gerade unabhängig von einer Zustimmung des Versicherers gewährt. Nur der besondere Inhalt eines Versicherungsvertrags k ö n n t e wegen seiner auf den Einzelfall zugeschnittenen Fassung darin eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Liegt eine solche nicht vor, so ist die ursprüngliche oder nachträgliche Bezeichnung des Dritten, mag sie widerruflich oder unwiderruflich sein, also auch der nachträgliche Verzicht auf das Widerrufsrecht, eine einseitige (empfangsbedürftige) Willenserklärung des Versicherungsnehmers, deren Wirksamkeit von einer Zustimmung des Versicherers unabhängig ist (Amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag zu § 166, abgedruckt bei G e r h a r d - H a g e n S. 660, 661). Wie man das Bestimmungsrecht des Versicherungsnehmers rechtlich auch auffassen mag, immer handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung, deren Gültigkeit nicht nach den Grundsätzen beurteilt werden kann, die für die Unwirksamkeit von Verträgen aufgestellt worden sind. Insbesondere k a n n auf sie weder unmittelbar noch entsprechend der für die Verträge geltende Satz angewendet werden, daß
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die Nichtigkeit des ganzen Geschäfts in der Regel nicht anzunehmen sei, wenn nur der eine Teil unsittliche Zwedce verfolgt, der andere Teil dagegen die unsittliche Wesensart des Geschäfts nicht k e n n t (RGRKomm. z. BGB. § 138 Bern. 1 Abs. 3). An die hierin abweichende Auffassung des VI. Zivilsenats, der übrigens auf Anfrage erklärt hat, daran nicht festhalten zu wollen, ist der erkennende Senat nicht gebunden (Gesetz vom 28. Juni 1935 [RGBl. I S. S44] Art. 2, Art. 9 Nr. 7). Im vorliegenden Fall steht auch nicht in Frage, ob der Zweck der Leistung des Versicherungsnehmers an den Versicherer (Prämienzahlung) oder der Zweck der Leistung des Versidierers an den Versicherungsnehmer (Gefahrtragung) gegen die guten Sitten verstößt; entscheidend ist allein, ob die Bezeichnung des Dritten als Bezugsberechtigten mit Rücksicht auf den Zweck, den der Versicherungsnehmer damit einseitig und ohne Zustimmung oder sonstige Beteiligung des Versicherers verfolgt hat, als sittenwidrig vor der Rechtsordnung Bestand haben kann. Diese Frage hat der Berufungsrichter richtig erkannt und ohne Rechtsirrtum verneint. Die im Schrifttum ausgesprochene Meinung, daß zur Begründung eines unwiderruflichen Bezugsrechts eine vertragsmäßige Übereinkunft zwischen dem Versicherungsnehmer u n d dem Versicherer nötig sei, ist also abzulehnen. Auch macht der Umstand, daß es sich hier um eine ursprüngliche, schon im Versicherungsschein enthaltene Begünstigung handelt, die Einräumung des Bezugsrechts nicht zu einem Vertragsbestandteil. Diese Verbindung ist nur äußerlich; sie ändert nichts an der Wesensart der Begünstigungserklärung als einer einseitigen, von der Zustimmung des Versicherers unabhängigen, auf dem gesetzlichen Gestaltungsrecht (§ 166 VVG.) beruhenden Willenserklärung des Versicherungsnehmers, die als dessen freie willkürliche Rechtshandlung selbständig neben dem Versicherungsvertrag steht und einer eigenen Beurteilung ihrer Rechtswirksamkeit zugänglich und bedürftig ist (so H a g e n in Ehrenbergs Handbuch Bd. 8 II S.427 und in JW. 1934 S. 1409; v. G i e r k e Lebens Versicherungsvertrag 1936 S. 4 gegen Kühlmorgen Lebensversicherungsvertrag zu Gunsten Dritter S. 30 flg.). c) Auch der Inhalt der dem Versicherungsvertrag vom 12. März J 924 zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Versicherungsnehmer kann nach § 15 Abs. 1 das. beim Abschluß der Versicherung oder später bestimmte Personen der Gesellschaft gegenüber als empfangsberechtigt bezeichnen; diese erwerben dann ein Recht, aus der Versicherung eine Leistung zu 15*
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fordern, erst mit dem Eintreten des Versicherungsfalls. Bis dahin kann — so ist in § 15 Abs. 1 Satz 4 weiter bestimmt — der Versicherungsnehmer über die Versicherung frei verfügen, er darf die Bezeichnung widerrufen oder ändern; wenn der Versicherungsnehmer dagegen beantragt und die Versicherungsgesellschaft demgemäß auf dem Versicherungsschein vermerkt hat, daß es nicht zulässig sein soll, die Bezeichnung zu widerrufen, dann erwerben die bezeichneten Personen sofort und unwiderruflich ein Recht darauf, aus der Versicherung eine Leistung zu fordern. Aus dieser Fassung der maßgeblichen Vorschriften der Allgemeinen Versidierungsbedingungen ist nicht zu entnehmen, daß das Rechtsverhältnis hinsichtlich der Einräumung eines Bezugsrechts abweichend vom Gesetz (§ 166 W G . ) hätte geordnet werden sollen. Über diese Frage hat sich das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung im Geschäftsbericht für das Jahr 1908 (VeröffRAAmtPrVers. 1909 S. 165) dahin ausgesprochen: Aus dieser Fassung könnte geschlossen werden, daß sich die Gesellschaft im W i d e r s p r u c h m i t d e m G e s e t z ein Zustimmungsrecht sichern wolle, während in Wirklichkeit nur beabsichtigt ist, die Bezeichnung des Begünstigten urkundlich festzulegen und die Gesellschaft vor der Gefahr von Zahlungen an Niditempfangsberechtigte zu schützen. Der Senat, welcher über die Genehmigung der Normativbedingungen erkannte, hat daher von den Gesellschaften die Abgabe geschäftsplanmäßiger Erklärungen, daß sie den Vermerk auf dem Versicherungssdiein aus keinem Grunde verweigern werden, gefordert. Der hier bekundeten Meinung, daß die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in diesem Punkte von der gesetzlichen Regelung in § 166 W G . nicht abweidien, ist beizutreten. Auch angesichts der bezeichneten Fassung der Versicherungsbedingungen bleibt die — nach Gesetz und Vertrag für den Versicherer verbindliche — Bezeichnung des Dritten als Bezugsberechtigten eine einseitige, von der Zustimmung des Versicherers unabhängige Willenserklärung des Versidierungsnehmers. d) Die Revision führt noch aus, die Annahme der Nichtigkeit der Bezugsberechtigung müsse dazu führen, daß gemäß § 139 BGB. der ganze Versicherungsvertrag nichtig sei. Aber keiner der Prozeßbeteiligten, auch nicht die als Streitgehilfin beteiligte Versicherungsgesellschaft, hat eine derartige Folgerung gezogen. Sie wäre auch nicht richtig. Das Bestimmungsrecht des Versicherungsnehmers ist zwar, wie schon hervorgehoben, Ausfluß des Versicherungsvertrags und setzt dessen Bestehen voraus, aber die Ausübung des Bestimmungsrechts, die Begünsti-
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gung, steht als einseitige Willenserklärung neben diesem, sie ist als solche kein Teil des Versicherungsvertrags im Sinne des § 139 BGB. Im vorliegenden Fall war die Begünstigungseridärung schon im Versicherungsvertrag enthalten; sie konnte aber vom Versicherungsnehmer zunächst noch abgeändert werden; erst später ist sie unwiderruflich geworden, übrigens zu einer Zeit, in der die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit ebenso vorlagen wie bei der ersten Bezeichnung der Klägerin als Bezugsberechtigte. In diesem Fall ist, wie schon hervorgehoben, in der bezeichneten Richtung das Verhältnis der Begünstigung zum Versicherungsvertrag nicht anders zu beurteilen, als wenn es sich um eine nachträgliche Bestimmung handelte. Wie in dieser Beziehung mit Rücksicht auf den besonderen Inhalt des Versicherungsvertrags zu entscheiden wäre, wenn die Begünstigung von Anfang an als „unwiderrufliche bedungen" worden wäre, kann dahinstehen. Die Angabe der Revision, die Bezugsberechtigung der Klägerin sei der alleinige Beweggrund -des Versicherungsnehmers für den Abschluß des Versicherungsvertrags gewesen, er würde diesen nicht abgeschlossen haben, wenn er die Nichtigkeit des Bezugsrechts gekannt hätte, ist unbeachtlich, weil die Klägerin im Rechtsstreit nicht geltend gemacht hat, der Versicherungsvertrag sei im ganzen nichtig, im Gegenteil, um ihren Anspruch durchzusetzen, von der Rechtsgültigkeit des Vertrags ausgehen mußte und schon deshalb nicht veranlaßt war, eine derartige Behauptung aufzustellen. Die Tatsache, daß der Versicherungsnehmer nur für den Todesfall das Bezugsrecht der Klägerin begründet hat, nicht auch für den Erlebensfall, würde übrigens eher gegen als für die Annahme sprechen, daß er nicht gewillt war, den Versicherungsvertrag auch ohne das Bezugsrecht der Klägerin abzuschließen. Aber es kommt hierauf wegen der Rechtsnatur der Begünstigung als einer einseitigen Willenserklärung nicht an. Die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit des Versicherungsvertrags nach § 139 BGB. liegen jedenfalls nicht vor. e) Der von der Revision schließlich noch betonte Gesichtspunkt, es sei für die Beteiligten untragbar („die Konsequenzen für und gegen die Lebensversicherungsgesellschaften wären nicht abzusehen"), wenn ein sittenwidriger Zweck, den der Versicherungsnehmer mit der Anordnung einer Bezugsberechtigung verfolgte, deren Nichtigkeit nach sich zöge, kann ebenfalls keine andere Beurteilung rechtfertigen. Es ist anzunehmen, daß eine Nichtigkeit des Versicherungsvertrags nur in seltenen Ausnahmefällen einer im Vertrag selbst bedungenen, von vornherein unwiderruflichen Begünstigung eintreten könnte. Der Versicherungsnehmer müßte die Folgen einer solchen — von ihm selbst
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verschuldeten — Nichtigkeit ohne weiteres auf sich nehmen. Die Versicherungsgesellschaft k ö n n t e in solchen Fällen unter Umständen Schaden erleiden, wenn sie nämlich ohne Kenntnis der Umstände, welche die Nichtigkeit der Begünstigung begründen, die Versicherungssumme an den Begünstigten auszahlte und nachträglich von besser Berechtigten in Anspruch genommen würde. Im Fall des Streites unter mehreren Beteiligten kann sie sich durch Hinterlegung der Versicherungssumme der Gefahr mehrfacher Inanspruchnahme entziehen (§ 3 7 2 B G B . ) . Zahlt sie aber mangels K e n n t n i s der Möglichkeit eines nachträglichen Streites an den Bezugsberechtigten aus, so ist die Gefahr für sie keine größere als in anderen Fällen der Nichtigkeit des Vertrags, z. B. wegen Geisteskrankheit des Versicherungsnehmers. Hierbei handelt es sich um eine Gefahr, die bei der Bemessung der Prämien schon berücksichtigt sein wird. Im übrigen ist der Versicherer durch die (in aller Regel vereinbarte) Inhaberklausel ( § 1 3 der Allgemeinen Todesfallversicherungsbedingungen v o n 1 9 1 9 [Veröff.RAAmtPrVers. 1 9 1 9 S. 9 2 ] , hier § 17 A V B . ) und die für die Abtretung geltenden Grundsätze ( § § 4 0 7 , 4 0 9 B G B . ) , die unbedenklich auf die Begünstigung entsprechend angewendet werden k ö n n e n , gegen die Gefahr mehrfacher Inanspruchnahme im Falle der Nichtigkeit einer Begünstigungserklärung genügend g e s c h ü r t . Daß diese Gefahr nicht als untragbar anzusehen ist, ergibt sich auch daraus, daß im vorliegenden Fall eine der leistungsfähigsten deutschen Versicherungsgesellschaften als Streitgehilfin der Beklagten deren Standpunkt vor den Instanzgerichten vertreten hat. f) Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 11. April 1 9 1 9 III 5 3 6 / 1 8 (abgedr. LZ. 1 9 1 9 Sp. 7 9 0 ) vertritt der Berufungsrichter die Meinung, daß die (wegen Sittenwidrigkeit) nichtige Begünstigung nicht durch spätere Veränderung der Umstände, welche die Nichtigkeit begründeten, hier die Eheschließung des Versicherungsnehmers mit der Begünstigten, habe gültig werden können. Der erkennende Senat hat abgesehen hiervon in R G Z . Bd. 142 S. 4 1 0 ( 4 1 3 ) darauf hingewiesen, es sei nicht ersichtlich, warum der Zweck, die Begünstigte für das eingegangene Liebesverhältnis zu belohnen und ihr dafür zu danken, nicht auch noch nach der Eheschließung hätte fortwirken können. O b diese Auffassung unter allen denkbaren V e r h ä l t nissen bestehen k ö n n t e , mag auf sich beruhen. U n t e r den Umständen des vorliegenden Falles besteht k e i n Grund, die Meinung des Berufungsrichters zu mißbilligen. 3. Die Frage, o b nicht aus anderen Gründen die Klage gleichfalls h ä t t e abgewiesen werden müssen, braucht nicht geprüft zu werden,
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weil schon die Ausführungen unter 2 das klagabweisende Erkenntnis des Berufungsgerichts rechtfertigen. Insbesondere kann dahinstehen, ob der Meinung des Oberlandesgerichts unbedingt beizutreten wäre, daß die Klägerin ein ihr etwa rechtswirksam zugewendetes Bezugsrecht durdi ihre spätere Scheidung und Mitschuldigerklärung nicht verloren habe, und ob für die Beurteilung dieser Frage die Vorschriften der §§ 2 0 7 7 , 2 2 6 8 , 2 2 7 9 BGB. eine brauchbare Richtschnur bieten. RGZ. 154, 155. 1. Zur Auslegung der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltenen Bestimmung, wonach der im Versicherungsvertragsgesetz vorgesehene Rüdetritt wegen Verletzung der Anzeigepflicht nur innerhalb der ersten fünf Jahre nach Schließung, Abänderung oder Wiederinkraftsetzung der Versicherung stattfindet. 2. Zur Auslegung der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltenen Bestimmung, wonach bei Verschiedenheit der Person des Verfügungsberechtigten und des Versicherten eine Abtretung oder Verpfändung der Rechte aus der Versicherung sowie eine sonstige Verfügung über diese Rechte nur mit schriftlicher Einwilligung des Versicherten zulässig ist. 3. Uber die Rechte des Versicherungsnehmers, der einem Dritten ein unwiderrufliches Bezugsrecht an der Versicherungsforderung eingeräumt hat. Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) - V V G . - §§ 159, 163, 166. BGB. § 328. VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Berlin. —
Urt. v. 9. März 1937. II. ICammergeridit
daselbst.
Für den Kläger ist ein Pensionsversicherungsvertrag bei der Beklagten abgeschlossen worden, nach Behauptung des Klägers von ihm selbst, nach Behauptung der Beklagten von seinem Arbeitgeber, einem Berufsvefband, für Rechnung des Klägers. Der Versicherungsschein ist dem Kläger im Mai 1928 ausgehändigt worden. Die Versicherung wurde mit Wirkung vom 1. April 1931 wegen Nichtzahlung der fälligen Prämie für erloschen erklärt und am S.Februar 1933 wieder in Kraft gesetzt. Im April 1934 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß sich seine Mutter seit ihrem 72. Lebensjahre in der Landesirrenanstalt B. befinde, da sie an Schizophrenie leide oder doch gelitten habe. Da der Kläger in den abgegebenen Gesundheitserklärungen seine Mutter als gesund bezeichnet hatte, erklärte die Beklagte dem Verband gegenüber
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am 30. Juni 1934 ihren Rüdetritt vom Vertrag und zahlte auf dessen Verlangen das Deckungskapital mit 16 8 1 3 , 5 0 R M an diesen aus. Der Kläger hält den Rüdetritt für unwirksam; er hat Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Pensionsversicherungsvertrags erhoben. Das Landgericht hat nach dem Klagantrag erkannt. Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz hilfsweise beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt werde, an ihn 16 8 1 3 , 5 0 R M nebst Zinsen zu zahlen. Das Oberlandesgeridit hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurüdcverweisung. Gründe : Nach § 9 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten über die Pensionsversicherung (AVB.) findet der im Versicherungsvertrag vorgesehene Rücktritt wegen Verletzung der Anzeigepflicht nur innerhalb der ersten fünf Jahre seit Schließung, Abänderung oder Wiederinkraftsetzung der Versicherung statt. Der Berufungsrichter hält den am 30. Juni 1934, also erst sechs Jahre nach Vertragsschluß, erklärten Rücktritt für verspätet. Die Fünfjahresfrist habe durch die auf die Kraftloserklärung vom Jahre 1931 folgende Wiederinkraftsetzung der Versicherung vom S.Februar 1933 nicht neu zu laufen begonnen. Denn — so führt er aus — § 9 A V B . könne nur dahin verstanden werden, daß dem Versicherer nach jeder Abänderung oder Neuinkraftsetzung der Versicherung wegen der bei d i e s e r Gelegenheit gemachten unrichtigen Angaben fünf Jahre lang eine Rüdctrittsmöglichkeit gegeben sein solle. Nicht aber lasse jede Änderung oder Wiederinkraftsetzung der Versicherung diese Frist wegen der bei früheren Gelegenheiten gemachten unrichtigen Angaben neu laufen. Der Sinn der Bestimmung sei offenbar der, daß der Versicherer aus einer unrichtigen Angabe dann keine Rechte herleiten wolle, wenn sie sich eine bestimmte Zeit hindurch als unschädlich erwiesen und durch den Zeitablauf auch an Erheblichkeit verloren habe. Diesem Sinn würde es aber widersprechen, wenn man die Frist mit jeder Änderung des Vertrags neu in Lauf setzen wollte. Die Revision bezweifelt die Richtigkeit dieser Ausführungen, jedoch mit Unrecht. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unterliegen als sog. typische Vertragsbestimmungen der freien Auslegung des Reichsgerichts. Der Auslegung des Berufungsrichters kann aber nur beigetreten werden. Der Rüdetritt des Versicherers wegen Verletzung einer Anzeigepflicht ist im Versicherungsvertrags-
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gesetz (§ 163 W G . ) und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen deshalb an eine Frist geknüpft, weil erfahrungsgemäß eine Verletzung der Anzeigepflicht im Laufe der Zeit ihre Bedeutung zu verlieren pflegt. Der verschwiegene oder der unrichtig angegebene Umstand erweist sich, je älter der Versicherte wird, um so weniger als gefahrerheblich (vgl. B r u c k - D o r s t l i n g Das Redit des Lebensversicherungsvertrages 2. Aufl. Bern, zu § 8). Die Frist kann deshalb im Fall einer Abänderung oder Wiederinkraftsetzung der bisherigen Versicherung nur dann von neuem zu laufen beginnen, wenn der Versicherte vor der Abänderung oder der Wiederinkraftsetzung erneut Erklärungen abgegeben hat, durch die er seine Anzeigepflicht verletzt hat. Daß dies geschehen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. Die Revision meint, v o n dem vertretenen Standpunkt aus könne die Frist auch ablaufen, wenn der Vertrag schon beim Ausbleiben der ersten Folgeprämie, also nach etwa sechs Monaten, gekündigt und erst nach dem Ablauf der Frist wieder in Kraft gesetzt werde. Ein derartiger Fall ist allerdings denkbar. In solchem Falle hat der Versicherer es jedoch nach § 5 Abs. 3 AVB. in der Hand, neue Gesundheitsnachweise zu fordern. Audi die Annahme, es träte eine Hemmung des Laufes der Frist des § 9 AVB. ein während der Zeit zwischen dem am 1. April 1931 erfolgten Erlöschen und der Wiederinkraftsetzung der Versicherung am 8. Februar 1933, ist abzulehnen. Erfährt der Versicherer innerhalb der sedis Monate, in denen der Versicherungsnehmer durch Nachzahlung die Versicherung ohne Zustimmung des Versicherers wieder in Kraft setzen kann, einen Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigt, so ist er in der Lage, aus diesem Grunde sofort vorsorglich den Rüdetritt zu erklären und so das Winderinkrafttreten der Versicherung zu verhindern. Da ein arglistiges Verhalten des Klägers (§ 9 Abs. 4 AVB.) nicht behauptet ist, hat der Berufungsrichter also den Rüdetritt der Beklagten mit Redit als verspätet und daher unwirksam angesehen. Nun hat sich aber der Arbeitgeber des Klägers dadurch, daß er die Zahlung des Deckungskapitals angenommen hat, mit der Aufhebung des Vertrags einverstanden erklärt. Der Vorderrichter hält auch diesen rechtlichen Vorgang für unwirksam, weil jener zur Aufhebung nadi § 19 Abs. 2 AVB. der Zustimmung des Klägers bedurft hätte. Damit wird jedoch die Bedeutung dieser Bestimmung mißverstanden. Sie lautet: Ist der Verfügungsberechtigte nicht zugleich Versicherter, so ist eine Abtretung oder Verpfändung der Rechte aus der Versicherung sowie eine sonstige Verfügung über diese Rechte nur bei schriftlicher Einwilligung des Versicherten gültig.
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Sie betrifft also nur Fälle, in denen der Verfügungsberechtigte nicht zugleich der Versicherte ist. Bei Lebensversicherungen auf die Person eines Dritten fordert § 159 VVG. zum Schutze der zu versichernden Person deren schriftliche Einwilligung zum Abschluß der Versicherung. § 19 Abs. 2 AVB. aber will den dritten Versicherten gegen Gefährdung seiner Gesundheit durch andere dadurch schützen, daß zu jeder Verfügung über die Versicherung die Einwilligung des Versicherten gefordert wird. Zweck einer solchen Bestimmung, die sich auch in den älteren Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung befand, ist, zu verhindern, daß andere Personen an der Lebensdauer oder (bei der Pensionsversicherung) an dem Gesundheitszustand des Versicherten ein geldliches Interesse erhalten, ohne daß sich der Versicherte zuvor damit einverstanden erklärt hat. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich, daß unter den Verfügungen in § 19 Abs. 2 AVB. alle diejenigen Rechtshandlungen des Versicherungsnehmers zu verstehen sind, durch die ein anderer die Forderung auf die Versicherungssumme oder ein Recht an dieser Forderung erwirbt, nicht aber Kündigungen und sonstige Aufhebungen des Vertrages durch den Verfügungsberechtigten (vgl. B r u c k - D ö r s t l i n g Das Recht des Lebensversicherungsvertrages l . A u f l . Bern. 9 und 38 zu § 16). Die Bestimmung ist aber hier schon deshalb nicht anwendbar, weil der Berufungsrichter dem Kläger ein unwiderrufliches Recht an der Versicherung zuspricht, also davon ausgeht, daß der Kläger der Verfügungsberechtigte ist. Eine entsprechende Anwendung der Bestimmung auf diesen Fall ist nach ihrem dargelegten Zweck unmöglich. Auch aus allgemeinen Erwägungen steht die unwiderrufliche Bezugsberechtigung des Versicherten einer Aufhebung des Versicherungsvertrags für die Zukunft durch den Versicherungsnehmer nicht entgegen. Zwar kann der Versicherungsnehmer nicht mehr Leistung an sich, sondern nur noch an den Bezugsberechtigten verlangen; er bleibt aber nach wie vor Vertragspartei und kann mit Ausnahme der Bezeichnung eines Bezugsberechtigten alle Gestaltungsrechte ausüben, wie kündigen, umwandeln und Vorauszahlung fordern (vgl. B r u c k Versicherungsvertrag 7. Aufl. Vorbem. vor §§ 166 bis 168 Anm. 15, die nicht nur für die Lebensversicherung zutrifft). Demnach war der Arbeitgeber des Klägers, auch wenn diesem, wie der Berufungsrichter annimmt, ein unwiderrufliches Bezugsrecht zustand, dennoch ohne Zustimmung des Klägers zur Aufhebung des Versicherungsvertrags berechtigt. Die Zahlung des Deckungskapitals mußte allerdings an den Kläger erfolgen.
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Der Berufungsriditer hätte es deshalb nicht unentschieden lassen dürfen, ob die Versicherung von dem Kläger selbst oder von seinem Arbeitgeber zu seinen Gunsten abgeschlossen worden ist. Nur wenn jener selbst die Versicherung abgeschlossen hat, ist sein Antrag auf Feststellung des Fortbestehens der Versicherung begründet. Wäre dagegen anzunehmen, daß der Arbeitgeber den Versicherungsvertrag für den Kläger abgeschlossen und ihm ein unwiderrufliches Redit an der Versicherung eingeräumt habe, so wäre nur seinem Hilfsantrag auf Zahlung des Dedcungskapitals an ihn stattzugeben. Die Revision greift aber auch die Feststellung des Vorderrichters über die unwiderrufliche Bezugsberechtigung des Klägers an. Wenn diese Angriffe begründet sind, könnte vielleicht in dem Verlangen des Arbeitgebers auf Zahlung des Deckungskapitals an ihn ein zulässiger Widerruf der Bezugsberechtigung des Klägers liegen. Der Vorderrichter wird die Gründe nachzuprüfen haben, aus denen er eine Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung des Klägers annimmt. Denn die dem Versicherungsschein angehefteten Allgemeinen Versicherungsbedingungen können nichts dafür hergeben, daß die Bezugsberechtigung eines dritten Versicherten im einzelnen Falle unwiderruflich sein soll. V o r allem kann die Bestimmung des § 19 Abs. 2 AVB., auf welche der Berufungsrichter das Hauptgewicht legt, nicht zur Begründung herangezogen werden; denn sie bezieht sich, wie bereits dargelegt, gerade auf diejenigen Fälle, in denen der Versicherte nicht der Verfügungsberechtigte ist. Auch gegen die Richtigkeit des aufgestellten Erfahrungssatzes bestehen Bedenken. Viele große Firmen, die ihren Vorstandsmitgliedern Pensionen zusichern, schließen zu ihrer eigenen Deckung Pensionsversicherungen, ohne den Versicherten eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung einzuräumen. Der Wortlaut des Versicherungsscheins schließlich spricht nicht für eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung des Klägers, sondern eher dafür, daß dieser selbst den Versicherungsvertrag für sich abgeschlossen hat.
RGZ. 157, 6. Macht bei der Lebensversicherung die Vollstreckung der Todesstrafe an dem Versicherten den Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) -
WG. -
§ § 169, 170.
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VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Dresden. —
Urt. v. 11.Januar 1938. II. Oberlandesgeridit daselbst.
Die Klägerin hat von der Beklagten ein Darlehen von lOOOOO RM erhalten und dafür auf ihrem Erbbauhaus in L. eine Hypothek eintragen lassen. Die Tilgung des Darlehns sollte u. a. in der Weise erfolgen, daß die Klägerin sich verpflichtete, mit der Beklagten eine Anzahl von Lebensversicherungen abzuschließen, in denen diese unwiderruflich als Bezugsberechtigte bezeichnet würde. Die jeweils fälligen Versicherungssummen sollten auf die Darlehnsschuld der Klägerin verrechnet werden. Da sich die Klägerin als Genossenschaft nicht selbst auf den Todesoder Erlebensfall versichern lassen konnte, sollte sie als Versicherungsnehmerin Kinder ihrer Mitglieder oder sonstige dritte Personen versichern lassen. Demgemäß hatte sie im Jahre 1934 den am 14. Dezember 1914 geborenen kaufmännischen Angestellten G., dessen Vater ihr Genosse ist, bei der Beklagten zu 10 0 0 0 R M mit der Maßgabe versichern lassen, daß diese unwiderruflich für alle Zahlungen aus dem Vertrage bezugsberechtigt sein sollte. Die Versicherungsleistung sollte beim Tode des Versicherten, spätestens am 1. Juli 1969, fällig werden. Der Versicherte G. ist wegen eines am 12. Dezember 1935 an dem Kaufmann N. begangenen Raubmordes am 23. Juni 1936 zum Tode verurteilt und am 30. September 1936 hingerichtet worden. Die Beklagte hat bei dieser Sachlage die Auszahlung der Versicherungssumme von 10 0 0 0 R M (im Wege der Verrechnung auf ihre Darlehnsforderung gegen die Klägerin) abgelehnt. Die Klägerin hat deshalb mit der Klage die Feststellung verlangt, daß die Versicherungsleistung durch den Tod des G. fällig geworden sei. Das Landgericht hat dem Klagantrage stattgegeben, das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ihre Revision hatte keinen Erfolg. Aus den
Gründen:
. . Die Revision der Beklagten geht davon aus, daß der zwischen den Parteien geschlossene Lebensversicherungsvertrag nicht anders ausgelegt werden dürfe, als wenn der Versicherte ihn für sich und seine Erben abgeschlossen hätte. Sie begründet das damit, daß die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Selbstversicherung und die Fremdversicherung übereinstimmten und daß sie bei beiden Arten der Versicherung nur gleichmäßig ausgelegt werden dürften. Bei einer Selbstversicherung müsse aber die Möglichkeit als ausgeschlossen erachtet werden, daß die Versicherungssumme auch dann fällig werde, wenn der
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Versicherungsnehmer einen Mord begehe und deshalb hingerichtet werde. Man könne sich einen Vertrag, der eine ausdrückliche Bestimmung in diesem Sinne enthalte, nicht wohl vorstellen. Jede Versicherungsgesellschaft würde sie ablehnen, und es würde sich auch kein „Versicherungsinteressent" finden, der ihre Aufnahme verlangte. Deshalbe müsse bei einer Auslegung nach Treu und Glauben grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Fall nicht als unter Versidierungssdiutz stehend gewollt sei. Es gebe Dinge, die man, auch wenn sie gewollt seien, in einen Vertrag nicht hineinschreiben könne. Eine Versicherungsgesellschaft dürfe es einem anständigen Menschen nicht zumuten, die Möglichkeit, daß der Versicherte in Zukunft vielleicht einen Mord begehe und deshalb hingerichtet werde, zum Gegenstande besonderer Regelung in einem Vertrage zu machen. Darüber, daß in einem solchen Falle kein Anspruch auf die Versicherungssumme bestehe oder das Gericht zu ermitteln habe, was als Vertragswille zu erachten sei, könnten die Vertragschließenden einig sein, ohne daß dies in den Vertrag aufgenommen werde. Da bei einer Selbstversicherung die Vereinbarung der Leistungspflicht des Versicherers in soldiem Falle, wenn sie erörtert wäre, ausgeschlossen sei, auch gegen die guten Sitten verstoßen würde, so könne bei einer Selbstversicherung die Auslegung des Vertrages nur dahin gehen, daß bei Vollstreckung der Todesstrafe an dem Versicherten der Versicherer von der Leistungspflicht frei sei. Dann könne aber der gleiche Vertrag bei einer Fremdversicherung nidit anders ausgelegt werden. Der Revision mußte Erfolg versagt bleiben. Die Grundlage für die Nachprüfung ihrer Einwendungen bildet die Feststellung, daß bei der gewöhnlichen Todesfallversicherung, wie sie hier vorliegt, gleichviel ob es sich dabei um eine Selbstversicherung oder um eine Fremdversicherung handelt, nach dem Versicherungsvertragsgesetz sowohl wie audi nadi den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung grundsätzlich die Leistungspflidit des Versicherers mit dem Tode des Versicherten eintritt. Todesart und Todesursache sind dabei ohne Belang. Eine Ausnahme ist im § 169 VVG. nur für den Fall getroffen, daß der, auf dessen Person die Versicherung genommen ist, Selbstmord begangen hat, sofern die Tat nicht in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. § 170 Abs. 1 W G . bestimmt für den Fall der Fremdversicherung, daß der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des Ver-
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sicherten herbeiführt. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten beschränken im § 10 die Leistungsfreiheit des Versicherers im Fall eines Selbstmordes des Versicherten insofern, als ihre Verpflichtung bestehen bleibt, wenn beim Ableben des Versicherten seit Beginn der Leistungspflicht zwei Jahre verstrichen sind. Weder im Gesetz noch in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind im übrigen Fälle geordnet, in denen der Versicherungsnehmer (der Versicherte) infolge eines ihm zuzurechnenden Verhaltens sein Leben verliert, so infolge Zweikampfes, im Raufhandel, bei Gelegenheit einer vorsätzlich verübten rechtswidrigen Handlung oder im Falle der Verurteilung zur Todesstrafe. Insoweit sind nach dem heutigen Rechtszustande die Vertragschließenden befugt, zu vereinbaren, was in soldien Fällen Rechtens sein soll. Wird nichts vereinbart, so besteht die Leistungspflicht des Versicherers im Falle des Todes des Versicherten. Vor dem Inkrafttreten des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 ist der Rechtszustand kein anderer gewesen. Die Entwicklung, die sich aus den Bedingungen der Versicherungsgesellschaften ergibt, rechtfertigt vielmehr die dargelegte Auffassung. In dem Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 4. November 1874 (ROHG. Bd. 14 S. 431 [43 5—440]) ist die Frage behandelt, ob sich in Deutschland ein allgemeines ungeschriebenes Versicherungsrecht dahin gebildet habe, daß die Versicherung ungültig sei und die gezahlten Prämien der Gesellschaft verbleiben sollten, wenn der Versicherte während einer ,,kriminellen Verhaftung" sterbe. Die damals verklagte Lebensversicherungsgesellschaft hatte dem Gericht die Bedingungen von 3 5 deutschen, österreichischen und schweizerischen Lebensversicherungsanstalten zum Nachweis dafür vorgelegt, daß eine solche allgemeine Rechtsanschauung bestehe. Das Reichsoberhandelsgericht hatte daraus entnommen, daß die Bedingungen in einer ganzen Reihe von Fällen die Versicherung sdion im Falle der bloßen Verurteilung des Versicherten zu einer Freiheitsstrafe für ungültig erklärten, anderwärts dafür der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Verurteilung wegen eines Verbrechens oder Verurteilung wegen eines gemeinen Verbrechens gefordert, wieder in anderen Fällen auf die Dauer oder die Art der verhängten Strafe abgestellt wurde. Es hat seine Feststellung, daß das Vorbringen der damals verklagten Versicherungsgesellschaft unerheblich sei, mit der Anführung geschlossen, daß sieben Gesellschaften die Ungültigkeit des Vertrages nur für den Fall bedungen hätten, „daß der Versicherte durch die Hand der Gerechtigkeit seinen Tod finde, resp. infolge des Vollzuges einer gerichtlichen Verurteilung sterbe oder durdi eine ver-
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brecherische Handlung und deren Folgen sein Leben ende, verkürze oder seine Gesundheit verschlechtere" ( a . a . O . S. 4 3 9 ) . In dem Geschäftsbericht des Kaiserlichen Aufsichtsamtes für Privatversicherung für das Jahr 1 9 0 8 (Veröffentlichungen des Amts, 8. Jahrgang 1 9 0 9 S. 165) heißt es: „Die früher üblichen Bestimmungen über den Fall des Todes des Versicherten infolge Vollstreckung der Todesstrafe sind als nicht mehr zeitgemäß mit Recht weggelassen worden". Aus diesen Darlegungen ergibt sich als audi schon vor dem Inkrafttreten des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag bestehende Rechtslage, daß der T o d des V e r sicherten durch Vollstreckung der Todesstrafe den Versicherer von seiner Leistungspflidit nur dann freimachte, wenn das in den V e r sicherungsbedingungen bestimmt oder sonst besonders vereinbart war. Die Revision sucht dem entgegenzutreten, indem sie ausführt, es bestehe kein Anlaß, die mitgeteilte Äußerung des Reichsaufsichtsamts dahin zu deuten, daß das Amt etwa hätte sagen wollen, es sei nicht mehr zeitgemäß, daß im Falle einer Hinrichtung eine Versicherungssumme nicht gezahlt werde. Es liege viel näher, die W o r t e dahin zu verstehen, daß es nicht mehr zeitgemäß sei, einem Versicherungsnehmer zuzumuten, den Fall, daß er zum Mörder werde, in einer Vertragsbestimmung zu regeln. Im übrigen komme es auf die damalige Meinung des Reichsaufsichtsamts zu dieser Frage entscheidend zum mindesten heute nicht mehr an. Der Gedanke, daß jemand seinen Hinterbliebenen für den Fall seiner Hinrichtung wegen Mordes wirksam eine G e l d summe versprechen lasse, sei jedenfalls mit dem Rechtsempfinden der gegenwärtigen Zeit schlechterdings so unvereinbar, daß ein dahin gehender Vertragswille nicht angenommen werden könne, wenn er nicht klar im Vertrage zum Ausdruck gelangt sei, ganz abgesehen davon, ob er nicht schon wegen grundsätzlicher Sittenwidrigkeit in Allgemeinen Bedingungen, die auch für die Selbstversicherung maßgebend sein sollten, keinen Platz finden könne. Audi diese Ausführungen vermögen die Revision nicht zu b e gründen. Daß für die Meinungsäußerung des Aufsichtsamts für Privatversicherung nur diejenige Deutung zutreffen kann, die ihr die Klägerin gibt, ist nach dem Zusammenhang des Geschäftsberichts nicht zweifelhaft. W e n n in früheren Zeiten die Versicherungsbedingungen die B e stimmung enthielten, daß der Versicherer im Falle des Todes des V e r sicherten infolge Vollstreckung der Todesstrafe von der Leistungspflicht frei werde, so war damit eine Ausnahme von der Regel zu Gunsten der Versicherer geschaffen. Ließen sie später diese Bestimmung in ihren gedruckten Bedingungen weg, so verzichteten sie damit auf die Lei-
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stungsfreiheit in einem solchen Falle; und zwar aus der Erwägung, daß sie ihn wegen seiner Seltenheit unbedenklich in ihr Risiko aufnehmen konnten. Hätten sie die Bestimmung beibehalten wollen, so ist nicht einzusehen, weshalb die Rücksicht auf die Person des Versicherten sie daran hätte hindern sollen und warum sich jemand durch die Aufnahme in die Bedingungen hätte abhalten lassen, einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Es kann der Beklagten auch nicht zugegeben werden, daß die Aufnahme der Bestimmung in einen Lebensversicherungsvertrag dem gesunden Volksempfinden widersprechen würde. Das ist ebensowenig anzunehmen insofern, als es sich um die Auszahlung der Versicherungssumme beim Tode durch Hinrichtung handelt. Wollte man der Revision zugeben, daß sich Fälle denken lassen, die so liegen, daß es im Sinne des § 242 BGB. gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der Versicherer gehalten sein sollte, im Falle einer Hinrichtung des Versicherten die Versicherungssumme zu zahlen, so könnte es sidi dabei doch nur um ganz besondere Einzelfälle handeln, die dem Selbstmord nach Treu und Glauben gleichgestellt werden müßten. Solche Fälle würden aber für Selbstversicherung und Fremdversicheruung nicht ohne weiteres gleich zu beurteilen sein. Sie würden bei der letzteren zum mindesten zur Voraussetzung haben, daß der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich die Hinrichtung des Versicherten mit herbeigeführt hätte. Im vorliegenden Falle hat die Klägerin mit der Verübung des Mordes durch den Versicherten G. nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat aus zutreffenden Erwägungen verneint, daß die Geltendmachung ihres Anspruchs auf die Versicherungssumme irgendwie gegen Treu und Glauben verstieße. RGZ. 157, 83. Ist die Beweislast im Falle des § 181 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag anders verteilt als in dem des § 170 Abs. 1 das.? Kommt es auf die Art des „Unfalls" an? Welche Anforderungen an die Beweisführung sind zu stellen? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) - VVG. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 18. Februar 1938. 1. Landgericht Kiel. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Kläger hatte seine Ehefrau bei der Beklagten für den Fall ihres Todes oder des Erlebens des 1. September 1973 in Höhe von 20 000RM versichert. Hinzu trat eine Unfall-Zusatzversicherung über 20 000RM.
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Nach § 2 N t . 1 der besonderen Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung war ein Unfall dann als vorliegend anzusehen, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleide. Den Unfall im Sinne dieser Bedingungen hat nadi § 1 Nr. 1 Abs. 2 das. der Ansprucherhebende zu beweisen. Als bezugsberechtigt war für jeden Versicherungsfall der Kläger bezeichnet. Am Abend des 10. November 1934 haben sich die Eheleute in T. an den Strand der Ostsee und auf die Landungsbrücke begeben, um das Meeresleuchten besser beobachten zu können. In der Zeit zwischen ihrem letzten Besuch und dem 10. November war die Landungsbrücke in den Winterzustand versetzt, insbesondere eine Treppe entfernt worden, die den aus Beton bestehenden, dem Strande zugekehrten Teil der Brücke mit dem in die See vorspringenden, auf Jochen ruhenden Holzteil verbunden hatte. Dadurch war ein leerer Zwisdienraum entstanden, ein „Wasserbassin", wie ihn das Berufungsgericht bezeichnet, weil er auch links und rechts an den Seiten von Verbindungsbalken umschlossen war, die von der Beton- zur Holzbrücke führten. Die Ehefrau des Klägers ist von der Betonbrücke ins Meer gestürzt und ertrunken. Gegen den Kläger wurde Anklage wegen Mordes an ihr erhoben. Vom Sdiwurgericht in L. ist er wegen erwiesener Unschuld freigesprochen worden. Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die für den Fall des Todes der Versicherten durch Unfall fällige Versicherungssumme von 40 000 RM. Die Beklagte weigert sich zu zahlen, mit der Begründung, der Kläger, der das Vorliegen eines Unfalls zu beweisen habe, müsse hierzu auch den Nachweis führen, daß er nicht selbst seine Frau ins Wasser gestoßen oder, was dem gleichstehe, vorsätzlich ihre Rettung unterlassen habe; in diesen beiden Fällen liege kein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Diesen Beweis habe der Kläger nicht geführt und könne ihn nicht führen. Es widerspreche auch den Grundsätzen von Treu und Glauben im Versidierungsredit, daß der Kläger bei solcher Sachlage die Auszahlung der Versicherungssumme begehre. Der Klage wurde in allen drei Instanzen stattgegeben. Aus den
Gründen:
Eine der für die Entscheidung des Berufungsgerichts besondere erheblichen Fragen ist die nadi der Beweislast. In dieser Richtung hat das Berufungsgericht zunädist zwischen dem aus der Lebensversicherung VereidieniiissTertragsgesetz II
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und dem aus der zusätzlichen Unfallversicherung je in Höhe von 20 000 RM erhobenen Anspruch unterschieden. Bei jenem liege der Beweis für die Voraussetzungen der Leistungsbefreiung nach § 170 Abs. 1 VVG. dem Versicherer ob. Aber auch für den Unfallanspruch sei das nach § 181 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes nicht anders. Für den auf die Unfallversicherung gestützten Anspruch habe allerdings der Versicherungsnehmer zunächst den vollen Tatbestand des „Unfalls" im Sinne der Versicherungsbedingungen zu beweisen, was in § 1 der hier maßgebenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) noch besonders ausgesprochen sei. Der Versicherungsnehmer habe also auch zu beweisen, daß der Versicherte u n f r e i w i l l i g von dem Ereignis, das im übrigen die Voraussetzungen des Unfallbegriffes erfülle, betroffen worden sei. Für den Fall, daß der Versicherungsnehmer den Unfall des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben solle, ergebe sich keine Änderung der aus dem Gesetz ( § 1 8 1 Abs. 1 Satz 2) herzuleitenden Beweislast des Versicherers. Für den Tatbestand des Unfalls als solchen im Sinne der Allgemeinen Versidierungsbedingungen komme es nur darauf an, wie auf den Versicherten eingewirkt worden sei. Ein (im Sinne der Unfallbegriffsbestimmung nach diesen Bedingungen) „plötzlich von außen unfreiwillig auf den Körper des Versicherten wirkendes Ereignis" liege auch dann vor, wenn es durch den Versicherungsnehmer verursacht worden sei; der Unfallstatbestand sei dann ebenfalls erfüllt. Diese Grundlagen der angefochtenen Entscheidung werden von der Revision beanstandet, aber mit Unrecht. Sie meint, § 181 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes habe einen Fall ,.wie den vorliegenden" nicht im Auge, nämlidi den der Annahme, daß der Kläger seine Ehefrau durch Hinabstoßen in das Wasser vorsätzlich getötet haben k ö n n t e ; denn wenn die Tätigkeit des Versicherungsnehmers einen Bestandteil des Unfallvorgangs selbst bilde, wenn also „der Unfall ohne Berücksichtigung der Tätigkeit des Versicherungsnehmers gar nidit denkbar sei", dann regle sidi die Bcweislast nicht nach jener Bestimmung zu Ungunsten des Vcrsidierers. Diese von der Revision aufgestellte und mit Beispielen vertretene Unterscheidung, die schon an sich als schlechthin undurchführbar gelten muß, ist jedoch nicht gerechtfertigt; weder das Gesetz noch die vertragliche Regelung bieten irgendwelchen Anhalt dafür. Audi im Schrifttum und Rechtsprechung wird sie nicht vertreten. Es erübrigt sich, auf diese Unterscheidung im einzelnen einzugehen. Vielmehr stellt der Berufungsrichter mit Recht auf die Person des Versicherten, d . h . auf die Einwirkung ab, die gegen i h n erfolgt; dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob sie durch den Versicherungsnehmer oder
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durch einen Dritten, vorsätzlich oder fahrlässig, oder auch ohne Mitwirkung eines anderen Menschen stattfindet; gleichgültig ist es ferner, ob die Tätigkeit des Versicherungsnehmers (oder eines Dritten) einen ..Bestandteil des Unfalls s e l b s t bildet" oder ob sie „als den Unfall auslösend v o r h e r g e g a n g e n ist". Auf die Tätigkeit des Versicherungsnehmers kommt insoweit überhaupt nichts an, sondern nur darauf, ob sich an dem Versicherten der durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegte Tatbestand des Unfallbegriffs verwirklicht hat. Deshalb ist es folgerichtig, wenn der Berufungsrichter ausführt, der Kläger genüge, was den Beweis des Unfallstatbestandes im Sinne der Bedingungen betrifft, seiner Beweispflicht, wenn er dartue, daß seine Frau unfreiwillig durch ein plötzlidi von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis den Tod gefunden habe. Es ist sonach unrichtig, daß der Kläger den Beweis eines Unfalls nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nur im Sinn einer „wahldeutigen Tatsadienfeststellung" (um diesen dem Strafredit angehörigen Begriff hier entsprechend zu gebraudien) erbracht habe, nämlich dahin, daß seine Ehefrau zwar keinesfalls freiwillig in das Wasser geraten, daß aber dabei offen geblieben sei, ob sie durch ein Versehen ins Meer gestürzt sei oder ob er sie hineingestoßen habe, so daß letzteres für dieses Tatbestandsmerkmal unterstellt werden müßte. Vielmehr liegt die Sache so, daß der Kläger zunächst einmal die begrifflichen Tatbestandsmerkmalc des Unfalls (im Sinne der Versidierungsbedingungen), nicht mehr und nicht weniger, zu beweisen hatte. Denn dadurch, daß das Merkmal der Unfreiwilligkeit zum Bestandteil des Begriffes „Unfall" vertragsmäßig erhoben wurde, ist die Beweislast für die vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls durch den Versicherten ( § 1 8 1 Abs. 1 Satz 1 W G . ) , die sonst den Versicherer treffen würde, dem Versicherungsnehmer aufgebürdet. Nach der Auffassung des Berufungsriditers hat der Kläger diese Tatbestandsmerkmale bewiesen; alles andere gehörte noch nidit hierher, insofern blieb also für die Beweisführung hier nichts offen. Eine wahldeutige Tatsadienfeststellung darüber, daß ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen anzunehmen war, liegt deshalb nicht vor; die von der Revision hierzu herangezogene Frage des Beweises dafür, ob Frau G. durch ein Versehen ins Meer gestürzt sei oder ob der Kläger sie hineingestoßen habe, hat :nit d i e s e r Beweisführung nichts zu tun. Sie gehört vielmehr zu der anderen und v/citeren Frage, ob der Versicherer von der Pflicht zur Leistung frei wird, obgleich der Tod der Versidierten eingetreten ist und zwar in Verwirklidiung eines „Unfalls"; hierbei handelt es sidi 16*
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um die Voraussetzungen des § 181 Abs. 1 Satz 2 VVG., die zweifellos vom Versicherer darzutun sind. Die Revision meint nun weiter, wenn von dem Versicherungsnehmer kein strenger Beweis dafür, wie der Unfall vor sidi gegangen sei, gefordert werde, dann dürfe der Richter auch nicht hinsichtlich desselben Vorgangs, wegen dessen er insofern mildere Anforderungen stelle, vom Versicherer zur Anwendung des § 181 Abs. 1 Satz 2 VVG. strenge Beweisführung verlangen. In Betreff dieser Anforderungen an den vom Versicherungsnehmer zu erbringenden Nachweis der Unfreiwilligkeit liegt der vom Berufungsgericht erwähnten Rechtsprechung (vgl. insbesondere aus letzter Zeit RGZ. Bd. 156 S. 113 [118] und die dort angeführten Urteile des erkennenden Senats) der Gedanke zugrunde, es sei ohne besondere Anhaltspunkte im allgemeinen nicht anzunehmen, daß ein Mensch sich selbst freiwillig körperliche Verletzungen oder den Tod zufüge. Dieser auf dem menschlichen Selbsterhaltungstrieb beruhende Erfahrungssatz trifft aber auf die Voraussetzungen von § 181 Abs. 1 Satz 2 a. a. O. nicht zu. Ein Widerspruch liegt also nicht vor, wenn an den Nachweis der Voraussetzungen dieser Vorschrift keine milderen Anforderungen gestellt werden, als § 286 ZPO. mit § 2 8 2 das. bestimmt. Es ist auch nicht richtig, daß der Bcrufungsriditer strengere Anforderungen, als das Gesetz vorschreibe, an die Beweisführung der Beklagten gestellt hätte. Die von der Revision hierfür angeführten Stellen der Entscheidungsgründe ergeben das nicht. Der Berufungsrichter hat dort offenbar lediglich diejenige Beweisführung im Auge, die ihm die Überzeugung von dem nachzuweisenden Hergang zu verschaffen geeignet ist. Einen solchen Beweis hat er vermißt. Ebensowenig läßt sich dem Urteil entnehmen, daß der Vorderrichter dem Zusammenhang der gesamten Umstände nicht die gebührende Aufmerksamkeit zugewandt hätte. Die Beweislast für die beiden hier in Betracht kommenden Befreiungsgründe (§ 170 Abs. 1 und § 181 Abs. 1 Satz 2 W G . ) trifft also nicht den Kläger, sondern die Beklagte. Sollte sich aus der knappen Bemerkung von P r ö l ß )Versicherungsvertragsgesetz Bern. 2 zu § 181) für § 181 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes die gegenteilige Ansicht ergeben, so wäre ihr nicht zu folgen. Denn es ist jedenfalls nicht allgemein richtig, daß schon der Beweis der Unfreiwilligkeit die Aufklärung, ob der Unfall durch den Versicherungsnehmer herbeigeführt wurde, in sich schließe. Im vorliegenden Falle hat dies der Berufungsrichter mit Erwägungen begründet, die rechtlich nicht zu beanstanden sind; insoweit hat auch die Revision keine Angriffe erhoben.
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Was den sonach in vollem Umfang von der Beklagten zu führenden Beweis insbesondere der Voraussetzungen des § 181 Abs. 1 Satz 2 W G . betrifft, so kommt der Vorderrichter zu dem Ergebnis, es sei weder der Beweis, noch audi nur eine Wahrscheinlichkeit dafür erbracht. Selbst wenn man gemäß den Regeln des Beweises nach dem ersten Anschein verfahren und die Beweispflicht dem Kläger auferlegen wolle, so müsse der ihm danach obliegende Beweis als geführt angesehen werden. Daran ist nun zwar rechtsirrig, daß sich durch die Anwendung der Grundsätze über den sogenannten Beweis nach dem ersten Anschein die Beweislast umkehren und daß sie dem Kläger auferlegt werden würde. Vielmehr gehören nach ständiger Rechtsprechung die Grundsätze über den Beweis nach dem ersten Anschein überhaupt nicht der Frage nach der Beweislast, sonder der B e w e i s w ü r d i g u n g an und ist von einer Umkehrung der Beweislast dabei nicht die Rede (RGZ. Bd. 134 S. 241 und oft). Der Berufungsrichter verkennt aber selbst nicht, daß die Grundsätze über die Beweisführung nach dem ersten Anschein für die Frage, ob der Kläger den tödlichen Unfall seiner Frau vorsätzlich herbeigeführt hat, überhaupt nicht anwendbar sind. Es erübrigt sich deshalb, in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Vorderrichters hierzu weiter einzugehen. Es bedarf also auch nicht der Nachprüfung, ob er bei d i e s e n Ausführungen die Anforderungen an die Beweisführung zutreffend bemessen hat. Sachlich-rechtlich meint die Revision weiter, der Kläger hätte, audi wenn er völlig unschuldig sei, das Bestehen der Versicherung unter den obwaltenden Umständen (weil es ihn schwerem Verdacht aussetze) als ein Unglück betrachten und auf jeden Anspruch verzichten müssen. Das entspreche dem gesunden Parteiwillen. O b nun die Revision daraus, daß der Kläger dies nicht getan hat, weiter auch ein Beweisanzeichen für seine Schuld im Sinne von § 1 7 0 Abs. 1, § 1 8 1 Abs. 1 Satz 2 W G . oder etwa eine Einwendung aus § 242 BGB. gegen den trotzdem erhobenen Anspruch herleiten will (was unklar bleibt) oder ob sie beides beabsichtigt, ist gleichgültig; denn jede solche Auffassung wäre fehlsam. Von einem Parteiwillen solcher Art kann keine Rede sein. Wenn der Kläger unschuldig ist (und das unterstellt die Revision bei diesen Ausführungen selbst), dann ist es im übrigen keine auf dem Rechtsgebiete liegende Frage, ob er es für angebracht hält, den ihm zustehenden Anspruch aus dem Versicherungsvertrage zu erheben oder nicht. Für die Entscheidung des Klägers nach der einen oder anderen Richtung konnten mannigfache Erwägungen maßgebend sein, so die Rüdcsicht auf seine Kinder oder auch die Erwägung, daß gerade
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ein nachträglicher Verzicht auf den Anspruch den Schuldverdacht gegen ihn verstärken könnte. Die Revision will weiter aus dem der Versicherung zugrunde liegenden Begriff der Gemeinschaft und der sich daraus ergebenden Treupflicht herleiten, der Kläger habe unter den hier vorliegenden besonderen Umständen nicht ohne Verstoß gegen diese Pflicht Anspruch auf die Versicherungssumme erheben dürfen. Es kann aber nicht darauf ankommen, ob die Versicherung erst kurze Zeit bestand, ebensowenig, ob der Versicherungsnehmer — wie die Revision meint — eine „Gefahrenlage herbeigeführt" hat, die ihn dem Verdachte der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles aussetzte, und ob die Tatsache des Bestehens einer Versicherung und die Erhebung von Ansprüchen daraus selbst als Anzeichen solcher Herbeiführung gewertet werden können. Alle diese Umstände konnten nur Bedeutung haben für die Frage, ob ein Unfall vorlag, und weiter, ob die Voraussetzungen gegeben waren, unter denen der Versicherer, obwohl der Versicherungsfall eingetreten war, von der Verpflichtung zur Leistung befreit wird. Hat aber der Tatrichter die Umstände sorgfältig geprüft und hat er sich dann nicht davon überzeugen können, daß jene Voraussetzungen vorliegen, dann geht es nicht an, solche Umstände, die sich als Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Befreiung von der Leistungspflicht als unstichhaltig erwiesen haben, doch dahin zu verwerten, daß der Versicherungsnehmer die Leistung, auf die er sonst einen Rechtsanspruch hat, nicht sollte fordern dürfen. Mit Recht hat der Berufungsrichter eine solche Auffassung als vollkommen abwegig bezeichnet; auch dem von der Revision angeführten Aufsatz von P r ö l ß (JW. 1934 S. 1073) ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen; er hat wesentlich andere Verhältnisse zum Gegenstand. Nach alledem bestehen keine sachlich-rechtlichen Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts. RGZ. 168, 177. 1.-2. . . . 3. Findet § 332 BGB. beim Lebensversicherungsvertrag Anwendung, wenn die Geltung nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist? VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 22. Dezember 1941. Die Entscheidung ist abgedruckt unter "Bürgerliches Recht, Erbrecht 2".
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Unfallversicherung RGZ. 68, 103. 1. Bedeutung der VertTagsbestimmung bei der Unfallversicherung, daß alle nicht innerhalb 6 Monaten nach Ablehnung einer Entschädigung „vermittelst vollständiger K l a g e " vor den zuständigen Richter gebrachten Anspriidie durch den blofien Ablauf dieser Frist erlöschen. Genügt die Zustellung eines Zahlungsbefehles in der Frist? Steht der Fristablauf einer nachträglichen Erweiterung des Klaganspruches entgegen? 2. Bedeutung der Vertragsbestimmung, wonach die Versicherung nur gegeben ist „gegen die Folgen körperlicher Verletzungen, insoweit diese Verletzungen innerhalb Jahresfrist, von ihrem Eintreten ab gerechnet, den Tod oder die Erwerbsunfähigkeit, bzw. Erwerbsbesdiränktheit des Versicherten herbeiführen". Fällt eine erst nach Ablauf der Jahresfrist hervortretende Steigerung der Erwerbsbeschränktheit nicht in die Versicherung? 3. Haftung der Versicherungsgesellschaft für den Schaden, den der von einem Unfälle betroffene Versicherte bei einer von ihr angeordneten ärztlichen Untersuchung infolge Verbrennung durch Röntgenstrahlen erleidet. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 14. Februar 1908. 1. Landgericht K ö l n . —
II. O b e r l a n d e s g e r i d i t
daselbst.
Durdi die in Breslau von der dortigen Generalagentur der verklagten Versicherurigsgesellschaft am 6. Dezember 1892 ausgestellte Police hatte der Kläger für die Zeit vom 8. Dezember 1892 bis zum S.Dezember 1902 bei der Beklagten Unfallversicherung genommen. Während der Dauer der Versicherung fiel er am 21. Oktober 1900 über einen Futtertrog und verletzte sich hierbei. Auf Veranlassung der Beklagten unterzog er sich ärztlichen Untersuchungen durch deren Vertrauensarzt Dr. St., die in der Zeit vom 21. bis zum 2 3. Mai und erneut am 30. September 1901 stattfanden. Der Kläger behauptete, er sei durch die am 21. und 22. Mai 1901 von Dr. St. vorgenommene Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen körperlich verletzt worden; infolge der hierbei erlittenen Rückenverbrennung sei er nervenleidend und erwerbsunfähig geworden. Er forderte Entschädigung für die Folgen des Unfalls und der Verbrennung. In der ersten Instanz hatte er noch nicht volle Erwerbsunfähigkeit, sondern dauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 Prozent be-
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hauptet und seinen Anspruch auf dieser Grundlage berechnet. In der zweiten Instanz ging der Antrag des Klägers dahin: die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine jährliche, in Vierteljahrsraten im voraus zu entriditende, mit dem 22. Oktober 1901 beginnende Rente von 7 5 0 0 M, auf die ein am 20. Juni 1904 gezahlter Betrag von 585,35 M in Ab-> redinung zu bringen sei, nebst 4 Prozent Zinsen seit dem Tage der Fälligkeit zu zahlen. Das Oberlandesgericht erkannte zunächst durch Zwischenurteil nach § 303 ZPO. über zwei Verteidigungsbehelfe der Beklagten und erließ demnächst ein Zwischenurteil nadi § 304 ZPO., worin es die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach für berechtigt erklärte. Die Revision wurde zurückgewiesen. Gründe: ,Durch das angefochtene Zwischenurteil ist unter I der Anspruch des Klägers auf eine nach Maßgabe und in den Grenzen des Versicherungsvertrages zu gewährende Entschädigung für die Folgen des Unfalles vom 21. Oktober 1900 dem Grunde nach als gerechtfertigt erklärt. Hiergegen richtet die Revision zunächst die Beschwerde, daß der aus § 23 der Versicherungsbedingungen erhobene Einwand mit Unrecht verworfen worden sei. Nach § 23 sind „alle nicht innerhalb 6 Monaten nach . . . Ablehnung einer Entschädigung . . . von dem Versicherungsnehmer . . vermittelst vollständiger Klage vor den zuständigen Richter gebrachten . . . Ansprüche an die Gesellschaft . . . durch den bloßen Ablauf dieser Frist erloschen". Die ablehnende Erklärung der Beklagten ist, wie unbestritten feststeht, durch deren Schreiben vom 17. Oktober 1901 erfolgt. Die Klage ist allerdings erst am 31. Mai 1902 zugestellt worden, so daß, wenn dies entscheidend wäre, die Frist des § 23 als versäumt angesehen werden müßte. Das Landgericht hat jedoch in seinem Zwischenurteile vom S.Oktober 1902 zutreffend ( § 6 9 3 ZPO.) darauf hingewiesen, daß die Rechtshängigkeit des Klaganspruches schon durch die im Dezember 1901 erfolgte Zustellung der beiden Zahlungsbefehle an die Beklagte eingetreten, und daß diese Wirkung auch nachträglich nicht erloschen ist, da die Erhebung der Klage innerhalb der durch § 697 ZPO. bestimmten Frist stattgefunden hat. Insoweit hat auch die Revision Bedenken gegen die vom Berufungsgerichte gebilligten Ausführungen des Landgerichts nicht erhoben. Die Vorinstanzen sind weiter der Ansicht, mit dem in § 23 der Versicherungsbedingungen aufgestellten Erfordernis einer „vollständigen Klage" sei nicht gemeint, daß der Anspruch mittels Zustellung einer förmlichen Klageschrift im
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Sinne des § 253 Z P O . rechtshängig gemacht werden müsse; vielmehr habe jener Ausdrude nur den Sinn, daß mit der Rechtshängigkeit sogleich Grund und Betrag des Anspruchs vollständig zur Kenntnis der Beklagten gelangen müsse. Diesem Erfordernisse sei durch die Zahlungsbefehle genügt; auch in einer förmlichen Klageschrift hätte eine genauere Begründung des Anspruches, als sie in den Zahlungsbefehlen enthalten sei, nicht gegeben zu werden brauchen. Diese Auslegung des § 2 3 der Vers.-Bed. enthält keine Verletzung einer Rechtsnorm, sie ist an sich möglich, namentlich auch mit dem Wortlaute jener Bestimmung durchaus vereinbar, und im übrigen als tatsächliche Feststellung des Vertragswillens der Nachprüfung durch den Revisonsrichter entzogen. Allerdings ist im Laufe des Rechtsstreites der Anspruch weit über den ursprünglich (in den Zahlungsbefehlen und nachher, damit übereinstimmend, in der Klageschrift) geltend gemachten Betrag erweitert worden. Dies gesdiah aber nur infolge und nach Maßgabe des nach der Behauptung des Klägers allmählich hervorgetretenen Fortschreitens der die Unfallsfolge bildenden Minderung seiner Erwerbsfähigkeit bis zu deren schließlich angeblich eingetretener vollständiger Aufhebung. Es versteht sich von selbst, daß in der durch § 23 vereinbarten Frist der Anspruch nicht auch schon auf den Grad der Minderung der Erwertosfähigkeit erstreckt werden konnte, der erst nach Ablauf der Frist erreicht worden ist. Die Vorinstanzen durften deshalb davon ausgehen, daß in einem Falle solcher Art die entsprechende nachträgliche Erweiterung des Anspruches durch den § 2 3 nach dessen gewollter Bedeutung nicht hat ausgeschlossen werden sollen. Daß sie sich hierüber nicht ausdrücklich geäußert haben, erklärt und rechtfertigt 9idi dadurch, daß die Beklagte selbst einen besonderen Einwand nach jener Richtung nicht vorgebracht hatte, dies vielmehr erst durch die Revision geschehen ist. Mit der zuletzt erörterten Frage berührt sich der zweite von der Revision erhobene Angriff gegen die Entscheidung zu I des angefochtenen Urteiles. Dieser Angriff stützt sich auf § 1 der Vers.-Bed., wonach die Versicherung gegeben ist „gegen die Folgen körperlicher Verletzungen . . ., insoweit diese Verletzungen innerhalb Jahresfrist von ihrem Eintreten ab gerechnet, den Tod oder die Erwerbsunfähigkeit, bzw. Erwerbsbeschränktheit des Versicherten direkt und nicht durch irgendwelche andere Umstände vermittelt herbeiführen". Die Revision meint, daß hiernach das Maß der Minderung der Erwerbsfähigkeit, das erst nach Ablauf eines Jahres seit dem Unfall eingetreten ist, überhaupt nicht in den Bereich der Versicherung falle. Der in § 1 gebrauchte Aus-
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druck „insoweit" scheint auf den ersten Blick diese Auffassung zu unterstützen. Erwägt man aber die Einbeziehung des Todesfalles in den durch das W o r t „insoweit" eingeleiteten Satzteil, so ergibt sich, daß nicht eine Scheidung der Unfallsfolgen in der Art beabsichtigt sein kann, daß diese zum Teil, nämlich insoweit sie innerhalb der Jahresfrist eingetreten sind, in die Versicherung fallen, zum anderen Teil aber, nämlidi insoweit sie erst nach Ablauf jener Trist eintreten, in die V e r sicherung nicht einbegriffen sein sollen; denn der T o d kann nicht zum Teil vor und zum Teil nach Ablauf der Frist eingetreten sein. Dies legt den Gedanken nahe, daß das W o r t „ i n s o w e i t " , wie es in weniger sorgfältigem Sprachgebrauche mitunter geschieht, als gleichbedeutend mit „ s o f e r n " oder „ w e n n " angewendet worden ist; jedenfalls erscheint diese Auslegung, von der die Vorinstanzen, wenngleich sie sich nicht ausdrücklich hierzu geäußert haben, ersichtlich ausgegangen sind, als rechtlich möglich und ist deshalb nicht zu beanstanden. Danach genügt es, daß nur überhaupt eine voraussichtlich lebenslängliche (§ 12 der Vers.-Bed.) Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb der Jahresfrist durch den Unfall herbeigeführt worden ist; ist dies der Fall, so hat die Gesellschaft auch für spätere Steigerung des Schadens, sofern diese nur ebenfalls noch ursächlich direkt und allein auf dem Unfälle beruht, aufzukommen, wie ihr ja umgekehrt auch eine spätere Besserung des Zustandes, abgesehen von gewissen Ausnahmefällen, zugute k o m m t (§ 12 letzter Absatz und § 13 a. a. O.). Z u I des angefochtenen Urteiles sind hiernach Angriffe als begründet nicht anzuerkennen.
die
erhobenen
Der Hauptangriff der Revision richtet sich gegen die Entscheidung zu II des Urteils, in der auch dessen hauptsächliche Tragweite für die Parteien liegt. Für die Einbuße, die der Kläger an seiner Erwerbsfähigk e i t festgestelltermaßen infolge der Verbrennung bei der am 21. und 22. Mai 1901 angewendeten Röntgenbestrahlung erlitten hat, begehre er von der Beklagten v o l l s t ä n d i g e Entschädigung, ohne Rücksicht auf die Grenzen, die der Forderung aus dem Versicherungsvertrage durch den Betrag der Versicherungssumme in Verbindung m i t der in der P o l i c e abgedruckten Rententabelle gezogen sind. Durch jene Entscheidung ist dieser Anspruch auf vollständige Entschädigung ebenfalls dem Grunde nach als gerechtfertigt erklärt worden, wobei zugleich das Maß der Erwerbseinbuße, für verschiedene Zeiträume abgestuft, prozentual festgestellt worden ist, während die Entscheidung über den Betrag der Entschädigung auch hier, wie zu I, dem Endurteile vorbehalten ist (§ 304 Z P O . ) .
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In dem vorangegangenen Zwischenurteile vom S.Juli 1905 ( § 3 0 3 Z P O . ) h a t t e das Berufungsgericht die von der Beklagten auf Grund des § 11 der Vers.-Bed. angeordnete ärztlichc Untersudiung als eine zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit aus dem Versicherungsverträge v o r g e n o m m e n e Handlung, also als ein Erfüllungsgeschäft der Beklagten angesehen, zu dem diese sich des Dr. St. bedient habe; f ü r den Fall, daß die damals angeordnete Beweisaufnahme ergeben würde, daß Dr. St. durch ein Verschulden bei der Anwendung der Röntgenstrahlen die Gesundheitsbeschädigung des Klägers herbeigeführt habe, leitete das Berufungsgericht die H a f t b a r k e i t der Beklagten aus §§ 278, 276 BGB. her. In dem jetzt angefochtenen Urteil ist das Berufungsgericht, wenn auch v o n diesem Standpunkte nicht gerade ausdrücklich ab-, so doch über ihn hinausgegangen. Es nimmt jetzt an, daß es darauf, ob den D. St. ein Verschulden treffe, überhaupt nicht ankomme, daß vielmehr die volle H a f t b a r k e i t der Beklagten, ohne Unterschied, ob man das französische Recht oder das preußische Allgemeine Landrecht oder das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs f ü r anwendbar zu erachten habe, aus dem G r u n d e ergebe, weil die ärztliche Untersuchung vermöge eines besonderen, selbständig neben dem eigentlichen Versicherungsvertrage zwischen den Parteien begründeten Vertragsverhältnisse erfolgt sei. gleichviel ob dieses als Auftragsvertrag oder, von dem Gesichtspunkt aus, daß die Bestimmung des § 11 der Vers.-Bed. im beiderseitigen Interesse getroffen sei, als Gesellschaftsvertrag anzusehen wäre. Der Revision ist zuzugeben, daß die Annahme eines selbständig neben dem Versicherungsverträge bestehenden Auftrags- oder gar Gesellschafts Verhältnisses weder in dem Inhalte der Police und der Versicherungsbedingungen, noch in den sonst festgestellten Tatsachen, eine Grundlage findet. Nach § 11 war der Kläger verpflichtet, dem von der Beklagten abgeordneten Arzte jederzeit Z u t r i t t zu gestatten und ihren zur Bef ö r d e r u n g der Heilung getroffenen Anordnungen unbedingte Folge zu leisten, w e n n er nicht (§ 20) jeden Entschädigungsanspruch verwirken wollte. Das Recht zu der A n o r d n u n g , auf Grund deren sich der Kläger der zur Vorbereitung und damit auch „zur Beförderung der Heilung" bestimmten Untersuchung durch Dr. St. unterzog, stand hiernach der Beklagten unmittelbar auf G r u n d des Versicherungsvertrages zu, und f ü r die A n n a h m e eines besonderen Vertragsverhältnisses der erwähnten A r t ist kein Raum, weshalb die daraus hergeleiteten rechtlichen Folgerungen auf sich beruhen k ö n n e n . Gleichwohl ist die Entscheidung des Berufungsgerichts zu billigen (§ 563 Z P O . ) .
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Die Beklagte selbst behauptet, daß Dr. St. bei Anwendung der Röntgenstrahlen irgendeinen Fehler nicht begangen habe. Daraus folgt aber, und das muß sie gegen sich gelten lassen, daß die eingetretene Verbrennung eine mit jener Art der ärztlichen Untersuchung (wenn auch vielleicht nur nach dem damaligen Stande der Technik dieses Ver fahrens) n o t w e n d i g v e r k n ü p f t e o b j e k t i v e G e f a h r bildete. Wenn aber die Beklagte, von ihrer vertragsmäßigen Befugnis Gebrauch machend, den Kläger, der sich der Verwirkung seines Versicherungsanspruchs nicht konnte aussetzen wollen, in die Zwangslage versetzte, ihrer Anordnung „unbedingt Folge zu leisten", so verstand es sich von selbst, daß sie die mit der Befolgung dieser Anordnung notwendig verbundene Gefahr in vollem Umfange auf sich nahm. Nicht dies bedurfte besonderer Kundgebung in dem Verträge, sondern ein gegenteiliger Wille hätte solcher Kundgebung bedurft. Die Beklagte traf die Anordnung in i h r e m Interesse. Jedem Billigkeitsgedanken und allen Anforderungen von Treu und Glauben aber würde es widersprechen, hätte man anzunehmen, daß es in der Richtung des Vertragswillens gelegen habe, daß der Kläger verpflichtet sein sollte, für die Beklagte seine Gesundheit in Gefahr zu bringen, ohne eintretendenfalls vollen Schadensersatz zu erhalten. Die entgegengesetzte Annahme allein entspricht einer dem § 157 BGB. folgenden Auffassung der in Rede stehenden Vertragsbestimmung. Ein ähnlicher Gedanke, wie der hier für die Auslegung der Vertragsbestimmung als maßgebend dargelegte, hat in den schon im Berufungsurteil gestreiften Bestimmungen über die Seeversicherung seine gesetzliche Verwirklichung gefunden. Nach § 19 HGB. ist der Versicherte verpflichtet, wenn sich ein Unfall zuträgt, sowohl für die Rettung der versicherten Sachen, als für die Abwendung größerer Naditeile tunlichst zu sorgen; über die erforderlichen Maßregeln hat er, wenn tunlich, vorher mit dem Versicherer Rüdcsprache zu nehmen. Die Kosten, die durch die ergriffenen Maßregeln entstehen, fallen, selbst wenn der Erfolg nicht erreicht ist, dem Versicherer zur Last (§ 834 Nr. 3 HGB.), und zwar hat er diese Kosten vollständig zu erstatten, wenngleich die hiernach im ganzen zu zahlende Vergütung die Versicherungssumme übersteigt (§ 840 Abs. 2 HGB.). Bei der Seeversicherung hat also unmittelbar das Gesetz dem Versicherten eine Verpflichtung zu Rettungsmaßregeln auferlegt, die der im vorliegenden Falle dem Kläger vertragsgemäß durch die Anordnung der Beklagten auferlegten entspricht. Weil sich jene Verpflichtung (§819 a. a. O.) keineswegs von selbst versteht und der Versicherte, indem er die Rettungspflicht übt,
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nicht seine eigene, sondern die Angelegenheit des Versicherers betreibt ( L u t z , Protok. der Komm, zur Beratung eines Allg. Dtsch. HGB.s S. 4426), oder wenigstens, wenn man so weit nidit gehen will ( V o i g t , Seeversicherungsrecht S. 357, 358), die Übung der Rettungspflicht jedenfalls den Interessen des Versicherers dient ( V o i g t , a. a. O. S. 566), hat das Gesetz den entstehenden Aufwand in vollem Umfange dem Versicherer auferlegt. Damit ist aus der gesetzlich begründeten Verpflichtung des Versicherten eine ähnliche Folgerung gezogen, wie sie hier aus der vertraglich begründeten hergeleitet worden ist: so wenig das Gesetz dem Versicherten billigerweise hat zumuten wollen, Geld im Interesse des Versicherers aufzuwenden, ohne vollen Ersatz zu erhalten, so wenig ist anzunehmen, daß durch den vorliegenden Vertrag dem Kläger zugemutet werden sollte, seine Gesundheit im Interesse der Beklagten preiszugeben und für den entstehenden Schaden nur eine beschränkte Vergütung nach Maßgabe der Versicherung zu erhalten. Die Ersatzpflicht der Beklagten hat, soweit die Folgen der Röntgenbestrahlung in Betracht kommen, ihren Rechtsgrund nicht in der Versicherung, sondern in der getroffenen Anordnung und in der durch diese nach dem Sinne des Vertrages erfolgten Übernahme der vollen Gefahr. An dem so gewonnenen, zur Zurückweisung der Revision führenden Ergebnisse kann auch der von der Beklagten geltend gemachte Umstand nichts ändern, daß ihre Anordnung nicht speziell auf die Anwendung der Röntgenstrahlen gerichtet war. Kraft der Anordnung war der Kläger gehalten, sich die Art der Untersuchung gefallen zu lassen, die der von der Beklagten damit betraute Arzt für angezeigt halten würde. Auch war die Anwendung der Röntgenstrahlen nicht etwas so Fernliegendes, daß man sagen könnte, sie habe gänzlich außerhalb des möglichen Willensbereiches der Beklagten gelegen; das behauptet die Beklagte auch selbst nicht. Hiernach mußte dem Rechtsmittel der Erfolg versagt bleiben." RGZ.73, 359. Nach welchen Gesichtspunkten ist bei der Privatversicherung die Frage zu beantworten, ob eine die Versicherung zum Rohen bringende Gefahrerhöhang gegeben ist? VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 20.Mai 1910. I. Landgericht Leipzig. — II. Oberlandesgeridit Dretden.
Der Kläger war laut Versicherungsschein vom 5. Januar 1892 bei
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Versidierungfvcrtrajsgefct:
der Beklagten gegen die Folgen körperlicher Unfälle versichert. In dem der Versicherung zugrunde liegenden Antrage vom 31. Dezember 1891 hatte sich der Kläger als Restaurateur und Getreidehändler bezeichnet und die Frage 5d dahin lautend: „Ist eigenes Fuhrwerk vorhanden, mit wieviel Pferden?" mit „nein" beantwortet. Der § 9 der Bedingungen bestimmt: „Wenn der Versicherte seinen Beruf oder seine regelmäßige Beschäftigung ändert oder in Verhältnisse eintritt, nach denen die im Versicherungsantrage gemachten Angaben nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmen, und daraus eine erhöhte Gefahr für die Gesellschaft entsteht, so ist davon der Gesellschaft schriftlich Anzeige zu erstatten; die Verbindlichkeit der Oberrheinischen Gesellschaft aus der Versicherung ruht eventuell mit dem 15. Tage nach dem Eintritt der Veränderung, tritt aber mit dem Zeitpunkt, an welchem die Gesellschaft zur Fortsetzung der Versidierung schriftlich ihre Zustimmung erteilt, und der Versicherte die wegen Gefahrerhöhung etwa gestellten Bedingungen erfüllt hat, f ü r s p ä t e r e i n t r e t e n d e U n f ä l l e wieder in Kraft . ." Zur Zeit des Abschlusses des Versicherungsvertrages besaß der Kläger kein eigenes Fuhrwerk; seine Geschäftsreisen zu den ländlichen Kunden machte er mittels geliehenen oder gemieteten Gespannes. Erst im April 189S schaffte er sich ein einspänniges Geschirr an, ohne der Beklagten hiervon Anzeige zu erstatten. Am 21. August 1905 erlitt er auf einer Fahrt mit jenem Geschirr infolge des Zusammentreffens mit einem Automobil schwere körperliche Verletzungen. Von dem Unfall machte er der Beklagten die vorgeschriebene Anzeige. Diese lehnte jedoch ihre Ersatzverbindlichkeit ab. Darauf erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn wegen der Folgen des erlittenen Unfalls nach Maßgabe des Versicherungsvertrages zu entschädigen. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, indem sie insbesondere einwendete, daß der Versicherungsanspruch im Hinblick auf § 9 der Bedingungen erloschen sei, da der Kläger von der nachträglichen Anschaffung des Fuhrwerks keine Anzeige gemacht habe. Das Landgericht erkannte nach dem Klagantrage und das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurüdc. Auf die Revision der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Gründe: „Der Berufungsrichter verwirft den aus § 9 der Versicherungsbedingungen hergeleiteten Einwand der Beklagten, indem er mit dem Landgericht den Standpunkt vertritt, daß es bei der Frage der das
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Ruhen der Versicherung herbeiführenden Erhöhung icr Gefahr nicht sowohl darauf ankomme, ob die Beklagte die Anschaffung eigenen Fuhrwerks als einen gefahrsteigernden Umstand betrachte, als darauf, ob wirklidi nach der konkreten Gestaltung der Dinge ein höheres Resiko gegeiben sei. Diese Frage verneint er auf Grund der Beweisaufnahme, wonadi der Kläger das angeschaffte Fuhrwerk im wesentlichen zu Privatzwecken benutzt und seltener Geschäftsreisen mit ihm ausgeführt habe, als dies früher der Fall gewesen sei. Der Standpunkt des Berufungsrichters ist, wie die Revision mit Recht geltend macht, mit den Grundsätzen des Vcrsicherungsrechts nicht vereinbar. Richtig ist, daß nicht jede Veränderung in der Beschäftigung oder in den Verhältnissen des Versicherten die in § 9 bezeichnete Wirkung hat. Die Veränderung muß eine Gefahrerhöhung in sich schließen. Dabei kommt es audi, wie weiter zuzugeben ist, nicht lediglich auf die Anschauungen der Versicherungsgesellschaften an; vielmehr ist nach einem objektiveren Maßstabe zu suchen. Aber auf dem vom Berufungsrichter eingeschlagenen Wege ist er nicht zu finden. Bei der Frage, ob ein gewisser Umstand den Kreis der versicherten Gefahren ungünstig zu beeinflussen geeignet ist, ob also dieser Kreis beim Fortbestehen der Versicherung erweitert werden würde, kann nicht die besondere Gestaltung des einzelnen Falles ausschlaggebend sein. Ihre Beantwortung kann nicht von dem mehr oder minder unsicheren Ergebnis einer Untersuchung abhängen, die sich damit beschäftigt, ob eine an sich vielleicht erhebliche Veränderung dennoch im Hinblick auf die Persönlichkeit des Versicherten und sein Verhalten gegenüber der Veränderung nicht zu berücksichtigen sei. Soll nicht an die Stelle einer Regel, an deren Hand die Entscheidung zu gewinnen ist, der Zufall treten, so ist zu prüfen, ob die Veränderung allgemein nach den den Betrieb des betreffenden Versicherungszweiges beherrschenden Anschauungen dem Versicherer vernünftigerweise hätte Anlaß bieten können, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, abgedruckt bei G e r h a r d - M a e n e s , Kommentar S. 120). Es ist die gleiche Frage, die sich erhebt, wenn bei Abschluß des Versicherungsvertrages gewisse Umstände verschwiegen sind, und die der § 2026 preuß. ALR. II. S in einer auch für andere Rechtsgebiete zutreffenden Weise dahin beantwortet, daß das Verschweigen solcher Umstände, die nach dem vernünftigen Ermessen der Sachkundigen auf den Entschluß des Versicherers, sich auf den Vertrag einzulassen, hätten Einfluß haben können, die Assekuranz unverbindlich macht.
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Vgl. auch E h r e n b e r g , Versidierungsrecht S. 399, 335, der auf objektive Gesichtspunkte, auf die regelmäßige Anschauung des Verkehrs und das vernünftige Ermessen Unbeteiligter hinweist. Als erheblich werden i m Z w e i f e l , wie dies der § 18 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 nunmehr ausdrücklich bestimmt, die Umstände anzusehen sein, nadi denen der Versicherer besonders gefragt hat. Treten sie später im Laufe der Versicherung ein, so hat sidi etwas geändert, worauf der Versicherer Wert legte, und es kann nur darauf ankommen, ob diese Wertschätzung nicht vom Gesichtspunkt vernünftiger, sachgemäßer Versicherungstechnik aus übertrieben und sonach ungerechtfertigt war, ob also nach der Sachlage nicht zu sagen wäre, daß ein billig denkender Versicherer dennodi die Versicherung fortgesetzt haben würde. Aus Vorstehendem ergibt sich, daß das Berufungsurteil nicht haltbar ist und daher aufgehoben werden muß. Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es nicht, da nach dem festgestellten Sachverhältnis der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Bei seiner Beurteilung der Sache schaltet der Berufungsrichter ohne weitere Begründung die Benutzung des eigenen Fuhrwerks zu Privatzwecken aus. Es liegt aber auf der Hand, daß die Anschaffung eigenen Gespannes insofern immer eine Erweiterung des vorhandenen Unfallgefahrenkreises bedeutet, als naturgemäß dadurch häufiger, sei es im geschäftlichen, sei es im privaten Verkehr, die Gelegenheit der Benutzung des Fuhrwerks und damit eines Unfalls gegeben ist. Objektiv betrachtet, drohen Gefahren in größerer Anzahl durch den Besitz eigenen Geschirrs, als ohne solches; der Benutzungszwedc ist nicht entscheidend. Darum hat audi die Beklagte besonders nach eigenem Fuhrwerk gefragt und damit zu erkennen gegeben, daß sie auf diesen Umstand, der tatsächlich für die Gefahrenschätzung von Bedeutung ist, Gewicht lege. Schloß sie die Versicherung mit dem Kläger als einer Person, die sich zu Fahrten über Land fremden Fuhrwerks miet- oder leihweise bedienen mußte, so änderte sich das Risiko zu ihren Ungunsten, als der Kläger Eigentümer eines Gespannes wurde. Dadurch wurde die Möglichkeit der Vermehrung von Unfällen eröffnet, ohne daß es ins Gewicht fällt, ob der Kläger diese Möglichkeit dadurch verwirklichte, daß er, öfter als früher geschehen, sich eines Fuhrwerks bediente. Daß es geschehen k o n n t e , ist für den Versicherer, der mit dem gewöhnlichen, durchschnittlichen Verlauf der Dinge zu rechnen pflegt und rechnen muß, maßgebend, und es bedarf auch im vorliegenden Falle keines weiteren Sachverständigenbeweises für die Beantwor-
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tung der Frage, ob der Beklagten die Fortsetzung der Versicherung audi nach dem Erwerb eigenen Fuhrwerks durch den Kläger zuzumuten war. Die Frage ist nadi dem Ausgeführten zu verneinen. Trifft dies aber zu, so greift auch § 9 der Bedingungen durch. Die gefahrerhöhende Veränderung, nämlich die Anschaffung eigenen Fuhrwerks, brachte nach Ablauf der 14tägigen Frist die Versicherung zum Ruhen. Daß sie infolge der Zustimmung der Beklagten wieder in Kraft getreten sei, behauptet der Kläger selbst nicht. Deshalb ist der Unfall, für den er Entschädigung begehrt, durdi die Versicherung nidit gedeckt (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 15.Januar 1907 bei G r u c h o t Bd. 51 S. 8 1 3 ) . " . . . R G Z . 95, 2 5 0 . 1. Liegt bei der Versicherung für fremde Rechnung die Verpflidi' tung, von einer nach AbsdiluB des Versicherungsvertrags eingetretenen Gefahrerhöhung dem Versicherer Anzeige zu machen, dem Versicherten oder dem Versicherungsnehmer ob? 2. Welche Rechtsfolgen zieht die Unterlassung dieser Anzeige bei .der Kollektivversicherung für fremde Rechnung nach sich? VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Düsseldorf. —
Urt. v. 11. April 1919. II. Oberlandesgeridit daselbst.
Die Klägerin hat durch Vertrag vom 18. August 1914 eine Anzahl ihrer Beamten, darunter den Registrator L., bei der Beklagten gegen Unfall versichert. Mit der Behauptung, L. sei im Juli 1916 über eine Türschwelle gestolpert und dadurch zu Schaden gekommen, hat sie gegen die Beklagte, die eine Entschädigung des Unfalls ablehnte, Klage erhoben. Die Klage ist jedoch abgewiesen und die Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Auch die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Gründe: „Durch den Vertrag vom 18. August 1914 hat die Klägerin ihre Angestellten bis zur Höhe der für jede Person beantragten Versicherungssumme gegen die Folgen körperlicher Unfälle versichert, von welchen sie während der Dauer ihres Dienstverhältnisses bzw. ihrer Mitgliedschaft betroffen werden. Die Versicherten sind im Vertrage nach Gruppen mit Namen aufgeführt, für jede einzelne Gruppe ist die vereinbarte Versicherungssumme pro Kopf angegeben. Letztere beträgt in , beim G.-Konzern, wenn es sich um die linke Hand handelte, 60%>, wenn es sich um die rechte handelte, 70 %> der versicherten Summe. An Prämien für alle drei Versicherungen hatte der Kläger zusammen rund 1500 RM jährlich zu entrichten. Am 30. September 1932 geriet der Kläger, der Linkshänder ist, mit der linken Hand in das Zahnradgetriebe einer Netzmaschine, die in den Räumen der Hochseenetzwerke stand. Dabei wurde ihm die Hand derart zerquetscht, daß sie abgenommen werden mußte. Die Maschine, an der sich der Kläger die Verletzung zuzog, gehörte der Firma H. u. G. in B. Es handelte sich um eine gebrauchte Maschine, die früher im Betriebe der Hochseenetzwerke benutzt und am 6. Januar 1930 für Rechnung der genannten Firma nach Südamerika geliefert worden war. Von dort war sie wieder zurückgekommen, weil die Käufer mit ihr nicht hatten umgehen können. Auf Wunsch der Firma H. u. G. hatten die Hochseenetzwerke die Maschine bei sich aufgestellt, um sie gelegentlich anderweit zu verkaufen. Der Kläger hat die Maschine, die unbenutzt und völlig verstaubt dastand, wieder betriebsfertig machen lassen. Am Morgen des 30. September 1932 ließ er, ohne daß jemand zugegen war, die Maschine laufen, wobei er sich in der angegebenen Weise verletzte. Alle drei Versicherungsgesellschaften verweigerten die Zahlung der Versicherungssumme, die Beklagte mit Schreiben vom 12. November 1932, das am folgenden Tage beim Kläger einging. Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen Versicherungsbetrugs endete am 17. Mai 1935 mit seiner Freisprechung. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Zahlung von 180 000 RM. Die Beklagte bestreitet ihre Verpflichtung zur Zahlung, weil die Versicherung sich nach den Unterlagen nicht auf derartige Unfälle beziehe, der Kläger auch die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt habe; sie hat außerdem ihren Rücktritt vom Vertrag erklärt. Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Klagantrag verurteilt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger im Wege der Anschlußberufung beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm allen Schadcn zu ersetzen, der ihm durch die nicht rechtzeitige Zahlung der
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180 0 0 0 R M entstanden sei. Diesen Anspruch h a t t e der Kläger bereits v o r h e r im Jahre 1935 mit einer besonderen Klage e r h o b e n , die er am 19. Mai 1936 kurz vor Einlegung der A n s d i l u ß b e r u f u n g zurückgenomm e n hat. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie sei u n t e r keinen U m s t ä n d e n mit der Z a h l u n g in Verzug g e k o m m e n , außerdem sei der Anspruch auf Ersatz des Verzugssdiadens v e r j ä h r t . Das O b e r l a n d e s g e r i d i t hat Berufung u n d Anschlußberufung zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Dagegen f ü h r t e die Ansdilußrevision des Klägers zur A u f h e b u n g des Berufungsurteils, soweit die A n s d i l u ß b e r u f u n g zurückgewiesen war, u n d zur Zurückverweisung. Aus den Gründen : A. Z u r R e v i s i o n d e r
Beklagten.
Nicht zu beanstanden sind die A u s f ü h r u n g e n des Vorderrichters über den U m f a n g des Versicherungsschutzes, den der abgeschlossene Versicherungsvertrag gewähre. Gewiß k a n n der U m f a n g des bei U n fällen zu gewährenden Versicherungsschutzes durch Parteiabmachungen eingeschränkt werden, sei es durch Beschränkung der Entschädigungspflidit auf bestimmte Arten v o n Unfällen, sei es d u r d i Beschränkung auf Unfälle, die sidi im Z u s a m m e n h a n g mit einer bestimmten Berufsa u s ü b u n g ereignen. Aber diese Beschränkung muß im Versicherungsscheine deutlich zum Ausdrude k o m m e n . Die Beklagte hat in dem Versicherungsschein v o m 22. März 1926 erklärt, sie versichere den Kläger „auf G r u n d des Antrages v o m 16. März 1926 in der im Antrage angegebenen Eigenschaft als Kaufm a n n " gegen die Folgen körperlicher Unfälle. Sie will daraus herleiten, daß sich der Versicherungsschutz — abgesehen von Unfällen des täglichen Lebens, denen jeder M c n s d i ausgesetzt ist — auf Unfälle beschränke, die im Zusammenhang mit dem im Antrage näher geschilderten Berufe des Klägers als K a u f m a n n ständen. Die Parteien sind darüber einig, daß dem Versicherungsschein eine unriditige Abschrift des gestellten Antrages angeheftet ist und daß der Kläger die Frage nach seinem Beruf mit „ K a u f m a n n , F a b r i k a n t " b e a n t w o r t e t h a t . Auf den abweichenden Inhalt der dem Versicherungsschein a n g e h e f t e t e n Abschrift k a n n sich die Beklagte nadi § 1 5 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) nicht berufen, da sie selbst nicht behauptet, den Kläger auf die Abweichung hingewiesen zu h a b e n . Maßgebend ist vielmehr der Antrag so, wie ihn der Kläger gestellt hat. Die W o r t e , die Beklagte versichere den Versicherungs-
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n e h m e r „auf G r u n d des Antrages v o m . . . in der im A n t r a g e a n gegebenen Eigenschaft als . . ." sind in den Versicherungsscheinen der Beklagten vorgedruckt, müssen aber in jedem Einzelfalle durch A u s f ü l l u n g des Tages des Antrags und des Berufs des Versicherungsnehmers ergänzt werden. Ihre Bedeutung k a n n nur im Z u s a m m e n h a n g mit dem jeweils gestellten Antrage beurteilt werden. Um eine sog. typische V e r tragsbestimmung, die der freien Auslegung durch das Revisionsgericht unterliegt, handelt es sidi daher nicht. Der Berufungsrichter k o m m t zu dem Ergebnis, daß die Parteien den Versicherungsschutz nicht auf Unfälle haben beschränken wollen, die im Z u s a m m e n h a n g mit dem v o n ihm angegebenen Berufe s t ä n d e n , u n d daß sich insbesondere eine solche Beschränkung auch nicht aus der Fassung des Versicherungsscheins ergebe. Er geht davon aus, daß die im Versicherungsantrage gestellten Fragen im allgemeinen nur den Zweck verfolgen, den Versicherer über die Gefahrenlage a u f z u k l ä r e n ; er v e r k e n n t nicht, daß sie auch den Zweck haben k ö n n e n , den U m f a n g des Versicherungsschutzes vertraglich festzulegen, verneint dies aber f ü r den vorliegenden Fall u n t e r W ü r d i g u n g aller in Betracht k o m m e n d e n U m s t ä n d e , insbesondere auch der Fassung des Versicherungsscheins. Hiergegen sind aus Rechtsgründen Einwendungen nicht zu erheben. O b die Parteien eine Beschränkung des U m f a n g s des Versicherungsschutzes gewollt haben, ist Frage der Auslegung, die der Tatrichter u n t e r W ü r d i g u n g aller U m s t ä n d e v o r z u n e h m e n h a t . Das hat der Berufungsrichter im vorliegenden Falle getan. Auch seine Auslegung des V e r sicherungsscheins liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet u n d ist, da sie weder unmöglich ist noch Auslegungsregeln verletzt, f ü r die Revisionsinstanz maßgebend. Für die Richtigkeit seiner Auslegung h ä t t e der Vorderrichter noch a n f ü h r e n k ö n n e n , daß von der Auslegung der Beklagten aus die Abgrenzung der entschädigungspflichtigen U n f ä l l e bei der U n b e s t i m m t h e i t des Begriffes der „Unfälle des täglichen Lebens" außerordentlich schwierig sein würde. O b die Leitung eines Betriebes, in dem Maschinen hergestellt und v e r k a u f t werden, gegenüber der Leitung einer Netzfabrik im versicherungstechnischen Sinne eine G e f a h r e r h ö h u n g bedeutet, und o b der Kläger deshalb verpflichtet war, der Beklagten im Jahre 1927 anzuzeigen, daß in dem Betriebe der Hochseenetzwerke f o r t a n auch N e t z maschinen hergestellt und v e r k a u f t würden, k a n n unentschieden bleiben. Denn jedenfalls war eine hierdurch eingetretene G e f a h r e r h ö h u n g im Jahre 1930 dadurch wieder weggefallen, daß die H o d i s e e n e t z w e r k e Aktiengesellschaft die Maschinenherstellung aufgab. In dem U m s t a n d ,
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daß in ihren Räumen aus Entgegenkommen gegen den Käufer eine Masdiine aufgestellt war, welche dieser wieder verkaufen wollte, kann eine Gefahrerhöhung beim Kläger keinesfalls gesehen werden. Denn eine Gefahrerhöhung setzt einen dauernden Zustand voraus. Aus der Unterlassung einer Anzeige im Jahre 1927 kann die Beklagte daher nach § 4 AVB., ebenso wie nach § 24 Abs. 2 W G . , keine Rechte mehr herleiten. . . . Bei Beantwortung der Frage, ob ein Unfall vorliegt, geht der Vorderrichter mit Redit davon aus, daß der Kläger nach § 2 AVB. die Unfreiwilligkeit seiner Verletzung zu beweisen habe. Der erkennende Senat hat in einer Reihe von Entscheidungen Rechtsregeln über die Beweisführung in solchen Fällen aufgestellt. Er hat ausgesprochen, daß an die Beweispflicht des Versicherungsnehmers für die Unfreiwilligkeit des Hergangs bei einem Unfall in der Regel keine hohen Anforderungen zu stellen seien, insbesondere dann, wenn sich der Unfall ohne Augenzeugen ereignet habe, daß aber ein strengerer Maßstab angelegt — also die gewöhnlichen Regeln über die Beweisführung angewendet — werden müßten, wenn wegen der Unfreiwilligkeit Bedenken ernsterer Art beständen (vgl. insbesondere RGZ. Bd. 145 S. 322 [327flg.], Urteile des Reichsgerichts vom 21. Mai 1935 VII 389/34 - HRR. 1935 Nr. 1 4 8 6 - , vom 28. April 1936 V I I 2 4 1 / 3 5 - JW. 1936 S.2537 Nr. 10 - , vom 28. August 1936 VII 12/36 - JW. 1936 S. 3234 Nr. 4 - und vom 20. Oktober 1936 V I I 6 2 / 3 6 — JW. 1937 S. 303 Nr. 6 - ) . Im vorliegenden Falle hatte die Beklagte geltend gemacht, de- Verdacht der Selbstverstümmelung sei dadurch begründet, daß der Kläger keinen genügenden Anlaß gehabt habe, die Maschine zu besichtigen und sie — entgegen seiner Gewohnheit — persönlich einer Prüfung zu unterziehen, daß er über die Veranlassung hierzu wechselnde Angaben gemacht habe, weiter dadurch, daß seine Unfallversicherungen außerordentlich hoch gewesen seien und er sich in schlechter Vermögenslage befunden habe, und schließlich dadurch, daß er eine durchaus unzuverlässige Persönlichkeit sei. Diese Verdachtsgründe hätte der Berufungsrichter zunädist erörtern sollen, um festzustellen, ob sie in ihrer Gesamtheit Anlaß gaben, von Beweiserleichterungen für den Kläger abzusehen und von ihm den Nachweis der Unfreiwilligkeit der erlittenen Verletzung nach den gewöhnlichen Regeln zu fordern. So ist er allerdings nicht vorgegangen. Er erörtert vielmehr die Verdachtsgründe im Zusammenhang mit dem Unfallshergang und den dabei bestehenden Zweifeln, ohne sich darüber auszusprechen, welchen Maßstab er an den vom Kläger zu erbringenden Beweis über den Hergang des Unfalls anlegt. Dieser
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Umstand kann aber nidit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Denn der Berufungsrichter setzt in eingehenden Darlegungen auseinander, weshalb er auf jeden einzelnen Verdachtsgrund kein besonderes Gewidit legen könne, und kommt abschließend unter Würdigung der gesamten Sachlage zu dem Ergebnis, alle von der Beklagten aufgeworfenen Zweifel und Bedenken seien soweit beseitigt, daß er von der Unschuld des Klägers überzeugt sei. Diese Beweiswürdigung ist für die Revisionsinstanz maßgebend. Daß der Berufungsrichter dabei an die Beweispflicht des Klägers zu niedrige Anforderungen gestellt habe, hat die Revision nicht dartun können. Die Revision rügt weiter, der Vorderrichter habe übersehen, daß sidi die Beklagte das Vorbringen des G.-Konzerns über eine Verletzung der Auskunftspflicht durch den Kläger und das damit bedingte Freiwerden der Beklagten angeeignet habe; er habe durdi die Niditerörterung dieses Einwandes gegen die Bestimmung des § 5 5 1 Nr. 7 23*0. verstoßen. Audi diese Rüge geht fehl. Nadi der bisherigen Rechtsprechung des Reidisgeridits ist eine Entscheidung auch dann im Sinne dieser Bestimmung „nicht mit Gründen versehen", wenn ein Einwand des Beklagten nicht errötert worden ist, welcher den geltend gemachten Anspruch selbständig zu Fall bringen soll. O b diese weite Auslegung des § 5 51 Nr. 7 ZPO. aufrechtzuerhalten ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls würde der etwa vorliegende Verfahrensverstoß nicht zur Zurückverweisung der Sadie an das Berufungsgeridit nötigen, weil das übergangene Verteidigungsmittel nicht zu dem von der Revision erstrebten Ergebnis führen kann (Urteil des Reichsgerichts vom 22. N o vember 1929 II 129/29 — JW. 1930 S. 705 Nr. 7 - , vom 3. Juli 1931 II 493/30 - ZZP. Bd. 57 S. 148 - und vom 6. November 1935 V 67/35 - HRR. 1936 Nr. 183 - ) . Die Revision übersieht, daß nicht jede Unrichtigkeit von Einzelangaben des Versicherungsnehmers zur Befreiung des Versicherers führt, daß dies vielmehr nur dann der Fall ist, wenn die unrichtige Angabe mit dem Versuch einer arglistigen Täuschung verbunden ist (Urteile des Reidisgeridits vom 17. Oktober 1930 VII 23/30 — WamRspr. 1930 Nr. 221 - , vom 18. Dezember 1934 VII 241/34 — JurRdsdiPrVers. 1935 S.44 — und vom 13. September 1935 VII 23/35 — HRR. 1935 Nr. 1671 - ) . Aus den Ausführungen des Berufungsrichters zu dem übrigen Vorbringen der Beklagten ergibt sich aber, daß die Angaben des Klägers nadi dem Unfall zwar zum Teil ungenau waren, aber keine Irreführung der Beklagten bezweckten.
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B. Z u r A n s c h l u ß r e v i s i o n
des
Klägers.
Mit der ausdrücklichen Ablehnung der Zahlung durch die Beklagte wurde die Versicherungsforderung des Klägers fällig; um die Beklagte in Verzug zu setzen, bedurfte es keiner Mahnung mehr. Die Beklagte meint aber, sie sei nach § 28 5 BGB. deshalb nicht in Verzug gekommen, weil der Unfall des Klägers nicht zu den Unfällen gehöre, für die sie nach dem Inhalt des Versicherungsscheins Versicherungsschutz zu gewähren habe, und weil erhebliche Bedenken bestanden hätten, ob nicht Selbstverstümmelung vorliege. Zwar hält das Reichsgericht an seiner Ansicht, daß nur in ganz besonderen Fällen ein nicht auf Fahrlässigkeit beruhender Rechtsirrtum den Schuldner von den Verzugsfolgen befreien könne, nicht mehr mit derselben Strenge wie früher fest. Es neigt vielmehr neuerdings dazu, den Rechtsirrtum dem Tatsachenirrtum gleichz u s e t z e n ( R G Z . Bd. 146 S. 133 [ I 4 4 f l g . ] , Bd. 148 S. 2 2 5 [234]).
Voraus-
setzung dafür, daß ein Rechts- oder Tatsachenirrtum den Verzug ausschließt, ist aber stets, daß der Schuldner den Irrtum nicht zu vertreten hat. Mit Recht nimmt der Vorderrichter deshalb an, daß die Beklagte sich auf den behaupteten Irrtum über den Umfang des zu gewährenden Versicherungsschutzes nicht berufen könne. Der Versicherungsschein ist von ihr ausgestellt, die Versicherungsbedingungen sind von ihr entworfen. Sie muß deshalb beides so gegen sich gelten lassen, wie es nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen ist. Aber auch auf ihre Bedenken wegen des Vorliegens einer Selbstverstümmelung kann sie sich zur Abwendung der Verzugsfolgen nicht berufen. Nach § 12 Abs. 1 AVB. lief für die Beklagte eine Frist von drei Monaten, innerhalb deren sie sich über die Anerkennung der Versicherungsforderung erklären mußte. Diese Frist, die mit der Stellung der Invaliditätsansprüche beginnt, hat die Beklagte nicht voll ausgenutzt, sondern sie hat schon vor ihrem Ablauf endgültig jede Zahlung abgelehnt. Als sie dies erklärte, war ein Strafverfahren wegen Versicherungsbetrugs gegen den Kläger noch nicht eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft hat auch später die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zunächst abgelehnt und damit zu erkennen gegeben, daß ihrer Meinung nach die von der Beklagten geltend gemachten Verdachtsgründe nicht schwerwiegend genug waren. Bei dieser Sachlage vermögen die Zweifel der Beklagten an der Unfreiwilligkeit der Verletzung des Klägers sie vor den Folgen ihres Zahlungsverzugs nicht zu bewahren. Wenn ein Strafverfahren gegen den Versicherungsnehmer schwebt, so wird der Versicherer allerdings in der Regel seine endgültige Stellungnahme von dessen Ausgang abhängig machen können (vgl. Urt. d. RG. vom 1 8 . N o -
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vember 1 9 3 0 V I I 6 2 8 / 2 9 - J W . 1931 S. 3 1 9 5 Nr. 4 und vom 19. Juni 1931 VII 3 9 3 / 3 0 - J W . 1931 S. 3 1 8 9 Nr. 1 - ) . Da dies aber zur Zeit der Ablehnung durch die Beklagte nidit der Fall war, so handelte sie bei der Ablehnung auf eigene Gefahr, wenn sich der V e r dadit gegen den Kläger in der Folgezeit nicht bestätigte. Auf das später, vor allem auf Betreiben des G.Konzerns, doch noch gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren, das mit seiner Freisprechung geendet hat, kann sich die Beklagte um so weniger berufen, als sie die Zahlung bereits endgültig abgelehnt hatte. Verjährt ist der Anspruch des Klägers auf Ersatz des Verzugsschadens nicht. Wie der erkennende (damals als der VI. bezeichnete) Zivilsenat bereits in R G Z . Bd. 111 S. 102 ( 1 0 4 / 1 0 5 ) ausgesprochen hat, ist der Beginn der Verjährungsfrist für die eigentliche Versicherungsforderung und den Verzugsschaden nicht einheitlich in dem Sinne, daß mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Versicherungsanspruch erhoben werden konnte, die Frist für alle Ansprüche aus dem Vertrage, also auch für solche, die etwa erst später entstanden, zu laufen begonnen hätte. Allerdings verjähren mit der Versicherungsforderung, wenn sie nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht wird, nach § 2 2 4 BGB. auch alle Ansprüche auf Verzugsschaden. Wenn die Versicherungsforderung aber rechtzeitig geltend gemacht wird, so beginnt die Verjährungsfrist für den einzelnen selbständigen Verzugsschadensanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 W G . erst mit dem Schlüsse des Jahres, in dem wegen dieses Schadens die Leistung verlangt werden kann. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Ersatz von Verzugsschaden vor allem darauf, daß über das Vermögen der Hochseenetzwerke Aktiengesellschaft das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Der Konkurs ist aber erst am 2. Januar 1933 eröffnet worden, so daß die Verjährung durch die im Jahre 1935 erhobene Sdiadensersatzklage und die unmittelbar nach deren Rüdcnahme erfolgte Klagerweiterung im gegenwärtigen Prozeß rechtzeitg unterbrochen worden ist (vgl. § 2 0 9 , § 2 1 2 Abs. 2 BGB.). RGZ. 157, 310. Ist eine Wundinfektion, bei welcher der Ansteckungsstoii durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangt ist, auch dann ein Versicherungsfall nach § 2 II lb der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Einzel-Unfallversicherung, wenn die Unfallverletzung aus der Zeit vor Beginn der Versicherung stammt?
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Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. S. 263) - VVG. - § 179. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Mai 1938. 1. Landgericht Magdeburg. — II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.
Am 12. Januar 1936 ist der praktische Arzt Dr. P. im Landeskrankenhause zu G. verstorben. Er war bei der Beklagten gegen Unfall versichert, und zwar bis zum 1. Oktober 1935 nur für den Fall dauernder oder vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, vom 1. Oktober 193 5 bis zum 1. Oktober 1936 auch für den Todesfall, in diesem Falle mit einer Summe von 50 000 RM. Als Bezugsberechtigter war der Kläger, ein Neffe des Versicherten, bezeichnet. Der Kläger teilte der Beklagten am 16. Januar 1936 telegraphisch den Tod des Versicherten mit und erhob Ansprüche auf die Versicherungssumme. Am nächsten Tage wiederholte er beides schriftlich. Durch Schreiben vom 29. Januar 1936 lehnte die Beklagte die Zahlung der Versicherungssumme ab. Der Kläger behauptet, der Versicherte sei an einer Halsphlegmone gestorben, und diese sei durch Eitererreger hervorgerufen, die bei der Behandlung von furunkelkranken Patienten durch eine Wunde in den Körper des Verstorbenen eingedrungen seien. Er verlangt die Versicherungssumme von 50 000 RM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Januar 1936 und beruft sich auf zwei Bestimmungen des Versicherungsvertiages. Nadi § 2 II lb der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB.) gelten als Unfälle auch „Wundinfektionen, bei denen der Anstedeungsstoff durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangt ist", und nach einer besonderen Bedingung sind in die Versicherung „alle in Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstandenen Infektionen eingeschlossen, bei denen aus der Krankengeschichte hervorgeht, daß die Krankheitserreger durch einen Defekt der äußeren Haut (gleichviel wie dieser entstanden sein mag) . . . in den Körper gelangt sind". Der Kläger erachtet die Voraussetzungen beider Vorschriften für gegeben. Die Beklagte hat dies bestritten. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Oberlandesgericht meint, die Infektion der Wunde des Versicherten, Dr. P., die seinen Tod zur Folge hatte, sei keine Wundinfektion der in § 2 II 1 b AVB. bezeichneten Art gewesen, stelle also keinen Versicherungsfall dar, weil die Unfallverletzung, die das Eindringen des Anstedcungsstofles in den Körper des Versicherten ermög-
Unfallversidienin£ licht und damit die Infektion herbeigeführt habe, aus der Zeit vor dem Beginn der Unfallversicherung stamme, aus welcher der Kläger seine Ansprüche herleite, sie auch allein herleiten könne. Diese Auslegung der erwähnten Vertragsbestimmung beruht auf dem Gedanken, daß ein Versicherungsfall nach § 2 II i b A V B . nur dann vorliege, wenn auch die dort erforderte Unfallverletzung ein unter die Versicherung fallender Unfall sei. Da die Auslegung allgemeine, zweifellos als typisch anzusehende Versicherungsbedingungen zum Gegenstande hat, so unterliegt sie der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Sie kann aber nicht als richtig anerkannt werden. Die Unfallverletzung, die in der mehrerwähnten Bestimmung gemeint ist, steht in keinem Zusammenhang mit der Versicherung; sie braucht also auch nicht in die Versicherungszeit zu fallen, wenn sie den vertraglich gestellten Anforderungen genügen soll. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Zunächst widerstreitet der W o r t l a u t des § 2 II l b der Auslegung des Oberlandesgerichts. Nach der besonderen Infektionsklausel, die auch im vorliegenden Falle vereinbart worden ist, gilt ebenso wie nadi § 2 II 1 b die Infektion als Unfall, d . h . als Versicherungsfall. Hier ist es die Infektion einer Wunde, dort eine Infektion, die in Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstanden ist. In beiden Fällen aber wird ausdrüdclidi die Infektion als Versicherungsfall hingestellt. Daran ändert auch nichts, daß die beiden schon angeführten Beschränkungen des Begriffs „ I n f e k t i o n " nicht die einzigen sind, welche die Versicherungsbedingungen einführen, sondern daß auch aus der Zahl der Wundinfektionen oder der Infektionen, die in Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstanden sind, nur besonders bezeichnete unter die Versicherung fallen sollen. In beiden Fällen wird noch erfordert, daß „der Anstedcungsstoff", oder, wie es bei der besonders vereinbarten Infektionsklausel heißt: „die Krankheitserreger" auf bestimmte Weise in den Körper gelangt sind, nämlich bei der Wundinfektion durch eine Unfallverletzung, nach der besonderen Infektionsklausel durch einen Defekt der äußeren Haut, gleichviel wie dieser entstanden ist, oder durch Einspritzen infektiöser Massen in Auge, Mund oder Nase. Wie bei der besonderen Klausel die Beschränkung in keinem Zusammenhang mit der Versicherung steht, so kann man auch bei der Wundinfektion als Versicherungsfall keinen solchen Zusammenhang als gewollt annehmen. § 2 II l b erklärt eine Wundinfektion zum Unfall im Sinne der Versicherung, allerdings nur eine bestimmt geartete, aber doch eben nur die Infektion. Es ist nichts davon gesagt, daß die Artbestimmung d e r Wundinfektion in Beziehung zu der Versicherung stehen müsse. Versicherungsvertragsgesetz II
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Das Berufungsgericht entnimmt dies Erfordernis offenbar dem Worte „Unfallverletzung". Das Wort „Unfall' in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen braudit aber keineswegs immer zu bedeuten: unter die Versicherung fallender Unfall, und dies ist um so weniger anzunehmen, wenn es, wie hier, in der Zusammensetzung mit dem Worte „Verletzung" als „Unfallverletzung" erscheint. Es ist in keiner Weise ersichtlich, daß der Zusatz „Unfall" zu dem Worte „Verletzung" in § 2 II lbAVB. etwa mehr bedeuten soll als die allgemeine Abgrenzung gegen Verletzungen anderer Art, z. B. durch das Messer des Arztes, infolge langen Liegens auf dem Krankenbett, infolge bewußter Selbstverletzungen oder dgl. mehr. Nur diese Auslegung, von der übrigens offensichtlich auch die Beklagte in ihrem Ablehnungsschreiben an den Kläger vom 29. Januar 1936 ausgegangen ist, ergibt einen guten S i n n . Müßte die Unfallverletzung, die das Eindringen des Anstedcungsstoffes in den Körper ermöglichte und so die Wundinfektion hervorrief, ein unter die Versicherung fallender Unfall sein, so würde sie selbst schon den Versicherungsfall darstellen. Die Leistungspflicht des Versicherers würde dann aber den Fall einer nachträglich eintretenden Wundinfektion schon umfassen; es wäre also nicht ersichtlich, wie eine solche Wundinfektion überhaupt nochmals ein selbständiger Versicherungsfall sein könnte und welche Bedeutung sie als solcher haben sollte. Es kann auch nicht anerkannt werden, daß die hier gegebene Auslegung aus dem Grunde unbillig wäre, weil der Versicherer dann auch für Wundinfektionen haftete, die auf alte, ihm bei Abschluß des Versicherungsvertrags unbekannte Unfallverletzungen zurüdezuführen seien. Vor solcher Unkenntnis und ihren Folgen kann sich der Versicherer durch Stellung einer Frage vor Abschluß des Vertrages schützen. Auch das kann der Revisionsbeklagten nicht zugegeben werden, daß mindestens das Eindringen des Ansteckungsstoffes in den Körper in die Versicherungszeit fallen müsse. In § 2 II l b AVB. ist ein solches Erfordernis nicht aufgestellt; es kann in diese Bestimmung auch nicht hineingetragen werden. Es werden dort nur die Begriffe Wundinfektion und Unfallverletzung nebeneinandergestellt, und es wird gesagt, die Unfallverletzung müsse mit der Wundinfektion in ursächlichem Zusammenhang stehen (wodurch es dann gerechtfertigt erscheint, die Wundinfektion bei einer Unfallversicherung als Versicherungsfall anzusehen); der Weg von der Unfallverletzung zur Wundinfektion ist aber nicht zeitlich nochmals untergeteilt und in irgendwelchen Teilen zu der Versicherung
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in Beziehung gesetzt. Die Auslegung würde deshalb fehlgehen, wenn sie eine soldie Teilung vornähme und eine soldie Beziehung erforderte. RGZ. 161, 184. 1. Was ist im Sinne der allgemeinen Versidieningsbedingungcn für die Unfallversicherung anter Arbeitsfähigkeit zu verstehen? Wie ist die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit (oder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit) zeitlich und sachlich von der dauernden abzugrenzen? Inwieweit kommt es dabei auf das Maß der Behinderung des Versicherten in seinem Beruf oder seiner Beschäftigung an? 2. Kann der Versicherte auch für neue Dauerschäden, die sich erst nach Ablauf eines Jahres vom Unfalltag an ergeben, Invaliditätsentsdiädigung verlangen? Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl S. 263) - W G . - § 179. III. Z i v i l s e n a t .
Urt. v. 28.Juli 1939.
I. Landgericht Krefeld-Uerdingen. — II. Oberlandesgeridit Düsseldorf.
Wegen des Sadi- und Streitstandes wird auf das Urteil III 59/36 des erkennenden Senats vom 10. November 1936 (RGZ. Bd. 152 S. 330) Bezug genommen. In dem fortgesetzten Verfahren hat das Berufungsgericht zunädist durch Teilurteil vom 13. Juli 1937 den streitbefangen gebliebenen Anspruch des Klägers wegen der Tagegelder sowie wegen der Vorprozeßkosten — letzteren mit einer geringfügigen Abweichung — zuerkannt. Das Teilurteil ist nicht angefoditen worden. Den seither allein noch streitig gebliebenen Anspruch wegen der Invaliditätsentschädigung hat der Kläger nunmehr auf 6 1 0 0 R M erhöht, während der Beklagte die Widerklage als dadurch erledigt erklärt hat. Der Kläger hat zugleich noch die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihm dadurch entstehen, daß er Ansprüche auf Invaliditätsentschädigung gegen die Versicherungsgesellschaft A. nicht geltend machen kann. Nadi Erhebung von Gutachterbeweis ist das Berufungsgericht in seinem Schlußurteil zur Abweisung der nodi zur Entscheidung stehenden Anträge des Klägers gelangt. Seine Revision blieb zum Feststellungsbegehren erfolglos, führte im übrigen aber zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache. 20*
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Gründe: Es handelt sich nur noch um die Frage, ob der Kläger gegen den Beklagten auch insoweit Rückgriff nehmen kann, als ihm etwaige Ansprüche gegen die Versicherungsgesellschaft A. auf Gewährung von Invaliditätsentschädigung infolge ungenutzten Ablaufs der in § 19 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung — AVB. — bestimmten Klagefrist verlorengegangen sind. Das Berufungsgeridit sieht ein solches Rückgriffsrecht des Klägers grundsätzlich als gegeben an, weil der Beklagte seine Verpflichtungen aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Anwaltsvertrage — auch im Hinblidc auf eine dem Kläger etwa zustehende Invaliditätsentschädigung — verletzt habe. Der Anwaltsvertrag habe sich nämlidi auf alle Ansprüche des Klägers gegen die Versicherungsgesellschaft bezogen, die nach dem damaligen Sachverhalt überhaupt hätten in Betracht kommen können. Hierüber habe der Beklagte den Kläger unter Hinweis auf die Folgen nicht rechtzeitiger Einklagung zu belehren gehabt. Er habe dem Kläger „raten müssen", abgesehen von den Ansprüchen auf Tagegeld audi Invaliditätsansprüche geltend zu machen. Diesem Rate — so meint das Berufungsgeridit — würde der Kläger gefolgt sein. Anscheinend will also das Berufungsgeridit nidit davon ausgehen, daß schon eine Belehrung über die bloße Möglichkeit von derartigen Ansprüchen unJ über ihre Gefährdung durch den bevorstehenden Fristablauf den Kläger zu ihrer Einklagung veranlaßt haben würde, sondern annehmen, daß sein Entschluß hierzu erst durch einen dementspredienden ausdrüdclichen Rat des Beklagten ausgelöst worden wäre. Indessen gibt das Berufungsurteil keine Begründung dafür, warum der Beklagte über eine pfliditmäßige Rechtsbelehrung hinaus bei einer Abwägung des Für und Wider dem Kläger die Einklagung von solchen Ansprüchen seinerseits geradezu hätte empfehlen müssen. Das ursädilidie Verschulden des Beklagten hätte insoweit, wie die Revisionsbeantwortung mit Recht betont, näher dargelegt werden müssen. Über diesen Mangel des Urteils h ä t t e — zumal der Kläger dadurch nicht beschwert ist — hinweggesehen werden können, wenn dem auf anderweitigen Erwägungen beruhenden klageabweisenden Ergebnisse des Berufungsurteils beizutreten wäre. Da dies jedoch, wie noch dargelegt werden soll, beim Zahlungsansprudi nicht angängig ist, muß darauf hingewiesen werden, daß die vom Berufungsgeridit angenommene Haftungsgrundlage der nochmaligen tatrichterlichen Würdigung bedarf, während für den gegenwärtigen Reditsgang zu Gunsten des Klägers ein ursächliches Verschulden des Beklagten unterstellt werden muß.
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Auch bei dieser Unterstellung kann der Rüdegriff nur durchdringen, wenn und soweit eine rechtzeitige Inanspruchnahme der Versicherungsgesellschaft auf Gewährung von Invaliditätsentschädigung Erfolg gehabt hätte. Das aber hängt in erster Linie davon ab, ob dem Kläger nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen überhaupt eine solche Entschädigung zustand, und in zweiter Linie davon, ob er den Anspruch hierauf durch seine Weigerung, sich in einer Heilanstalt behandeln zu lassen, gemäß § 9 Nr. 6c und § 10 AVB. verloren hat. Das Berufungsgericht läßt die zweite Frage offen, weil es schon die erste Frage verneint. Es führt dazu folgendes aus: Der Versicherungsvertrag verstehe unter Invalidität die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, wobei für die Bemessung des Grades die Berufstätigkeit und die Beschäftigung des Versicherten maßgebend seien (§ 6 II und § 11). Der Kläger meine also zu Unrecht, daß die Invaliditätssumme auch dann gezahlt werden müsse, wenn sein Beruf und seine Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt seien; vielmehr stelle der Versicherungsvertrag die Leistung ausdrücklich auf die Arbeitsfähigkeit und deren Maß beim Versicherten ab. Eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers liege aber nach den gerichtlichen Gutachten des Professors Dr. F. und des Dr. B. nicht vor. Sie sei weder am 23. September 1933, als der Kläger sich auf Verlangen der Versicherungsgesellschaft habe untersuchen lassen, nach dem damaligen Privatgutachten des Dr. F. vom 26. September 1933 vorhanden gewesen, noch sei sie seitdem hervorgetreten. Allerdings bestünden beim Kläger auch heute noch gewisse Störungen im Gebrauch des rcchten Armes, der einen deutlichen Muskelschwund zeige. Aber diese Störungen seien geringfügiger Natur. Die Handschlußkraft sei immerhin jetzt so groß, daß der Kläger bei der letzten Untersuchung ein Gewicht von 22 kg habe drücken können. Damit sei aber eine wesentliche Besserung gegenüber dem Zustande vom September 1933 eingetreten, wo eine Handschlußkraft überhaupt nicht vorhanden gewesen sei und eine erhebliche Drudcschmerzhaftigkeit des Nervengeflechts im rechten Arme bestanden habe. Jetzt aber bestehe beim Kläger nach den übereinstimmenden Feststellungen der genannten beiden Gutachter keine Störung mehr, die ihn in seiner Berufstätigkeit als Inhaber eines Zigarrengeschäftes (Tabakwarengroßhandlung) beeinträchtige. Von den übrigen Beschwerden im Befinden des Klägers seien seine Kurzatmigkeit und seine Beklemmungszustände auf anderweitige Leiden, seine geistigen Störungen aber auf eine „Wunsdmeurose" zurückzuführen, für welche die Versicherungsgesellschaft nach § 7 Nr. 4 keine Entschädigung
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zu leisten gehabt hätte. So sei heute die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht dauernd beeinträchtigt, und deshalb könne das natürlich audi früher nicht der Fall gewesen sein. Wenn etwa früher eine Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, müsse sie daher nur als vorübergehende angesehen werden, die keinen Anspruch auf Invaliditätsentsdiädigung begründe. Diese Ausführungen des Berufungsgeridits sind in mehrfacher Hinsicht von Rechtsirrtum beeinflußt. Die Schlußfolgerung, daß ein Unfallverletzter, der — sei es auch nach noch so langer Zeit — seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, nicht dauernd in seiner Arbeitsfähigkeit behindert ist, trifft rein gedanklich zu. Sie ist jedoch in dieser Allgemeinheit für eine verständige Regelung von Unfallversicherungsansprüchen unverwertbar, da diese Ansprüche ganz offenbar nicht während unbegrenzter Zeiträume in der Schwebe bleiben können. Wenn auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zwischen vorübergehender und dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit scharf unterscheiden und im ersten Falle nur die Leistung von Tagegeld, im anderen Falle aber auch eine in der Regel feste Invaliditätsentschädigung vorsehen (§ 6 I, II und § 11 I, II), so ist gleichwohl klar, daß insoweit ohne eine im Einzelfall alsbald Platz greifende zeitliche Abgrenzung nicht auszukommen ist. Freilich sagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht ausdrüddich, wann eine vorübergehende oder eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit anzunehmen ist. Immerhin bieten aber ihre Bestimmungen für die Abgrenzung hinreichend sichere Anhaltspunkte, die in der reichsgerichtlichen Entscheidung VII 225/33 vom 19. Januar 1934 (Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung 1934 S. 15 Nr. 2672) dargelegt sind. Diese Entscheidung geht aus von der Bestimmung in § 6 II, wonach sich die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs innerhalb eine Jahres, vom Unfalltag an gerechnet, ergeben muß, sowie von der weiteren Bestimmung in § 14 I Nr. 2, wonach der Gesellschaft im Falle der Invalidität, soweit es sich nicht um Gliederverluste handelt, das Recht zusteht, nach Feststellung die Auszahlung des Kapitals auf drei Jahre, vom Abschluß der ärztlichen Behandlung an gerechnet, auszusetzen und die dann auszuzahlende Kapitalentschädigung nach dem für diesen Zeitpunkt festgestellten Beeinträchtigungsgrad zu bemessen. Daraus ist entnommen, daß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nach den Versicherungsbedingungen, wie sie der Versicherungsnehmer auffassen durfte, dann gegeben ist, wenn die Beeinträchtigung der
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Arbeitsfähigkeit innerhalb eines Jahres, vom Unfalltag an gerechnet, besteht und anzunehmen ist, daß sie in erheblichem Maße länger als drei Jahre vom Abschluß der ärztlichen Behandlung an dauern wird, ohne daß ihr Ende mit Sicherheit abzusehen ist. Im Hinblick auf die in § 14 I Nr. 2a weiter enthaltene Bestimmung, wonach die Verzinsung einer festgesetzten, aber von der Gesellschaft ausgesetzten Invaliditätsentschädigung von dem Tag an beginnt, an dem die Zahlung eines Tagegeldes aufhört oder, wenn ein solches nicht in Frage kommt, die ärztliche Behandlung abgeschlossen wird, also die gemäß § 6 I Nr. 3 nur für die Dauer eines Jahres vorgesehenen Leistungen zu Ende gehen, ist ferner geschlossen worden, daß auch vom Standpunkt des Versicherers aus der Versicherungsnehmer spätestens binnen vier Jahren nach dem Unfall für seine Ansprüche aus dem Vertrag abgefunden sein soll. Schließlich ist aus dem zwischenraumfreien Anschluß der Zinszahlungspflicht an die Zahlung der Tagegelder gefolgert worden, daß die Frage der dauernden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) des Versicherten innerhalb eines Jahres, vom Unfalltag an gerechnet, abschließend geprüft werden soll mit der sich aus § 14 I Nr. 2 ergebenden Maßgabe, daß die Gesellschaft im Fall einer dahin gehenden Feststellung die Auszahlung des Kapitals auf drei Jahre, vom Abschluß der ärztlichen Behandlung an, zu dem Zweck aussetzen darf, eine in diesem Zeitraum eintretende Besserung bei der Bemessung der endgültigen Kapitalentschädigung geltend zu machen. Daraus ist zugleich aber auch nach der anderen Seite hin geschlossen worden, daß im Falle der Festsetzung der Arbeitsunfähigkeit nach den Versicherungsbedingungen die bloße Möglichkeit einer weiteren Besserung oder gar der völligen Wiederherstellung des Versicherungsnehmers nach Ablauf des einjährigen (§ 6 II) und des dreijährigen (§ 14 I Nr. 2) Zeitraumes nicht von Bedeutung sein kann. An diesen Grundsätzen muß festgehalten werden. Aus ihnen ergibt sich von selbst, wie das Gericht des Anfang 1934 in Gang gekommenen Vorprozesses bei der Beurteilung der Frage nach der dauernden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers hätte vorgehen müssen, wenn außer den Ansprüchen auf Tagegeld auch Invaliditätsansprüche rechtzeitig bis zum Ende der im Mai 1934 ablaufenden Frist aus § 19 Nr. 2 AVB. in den Prozeß eingeführt worden wären. Denselben Standpunkt hatte aber auch das gegenwärtige Berufungsurteil einzunehmen, weil es darauf abstellen mußte, was der Vorprozeß bei richtiger Entscheidung vom damaligen Standpunkt aus für den Kläger ergeben hätte. Das Berufungsgericht hätte daher fragen müssen, ob nach dem körperlichen Zustande des Klägers im ersten Jahre nach dem
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Unfall, also bis zum 31. Januar 1 9 3 4 , eine Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit vorlag, von der anzunehmen war, daß sie in erheblichem Maße länger als drei Jahre vom Abschluß der ärztlichen Behandlung an dauern würde, ohne daß sich ihr Ende mit Sicherheit absehen ließ. Das Berufungsgericht hat jedoch keine diesen Anforderungen genügenden Feststellungen getroffen. Darauf, wie sich der Kläger nach den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und Dr. F. im Herbst 1 9 3 7 und im Juni 1 9 3 8 befand, k o m m t es nach alledem nicht an. Auch die günstige Voraussage Dr. F.s in seinem zufolge Auftrags der Versicherungsgesellschaft erstatteten Privatgutachten vom 2 6 . September 1933, daß die Unfallfolgen wahrscheinlich binnen Jahresfrist abklingen würden, kann nicht ohne weiteres maßgebend sein, weil das Gutachten — abgesehen von einem unten noch zu erörternden Mangel — nur einen Ausschnitt aus dem ersten Jahre nach dem Unfall umfaßt und keine Feststellungen darüber getroffen worden sind, o b und in welcher Weise es die Entscheidung im Vorprozesse beeinflußt haben würde, wenn diese nach richtigen Gesichtspunkten getroffen worden wäre. Das Berufungsgericht hat aber nicht nur verkannt, wo die zeitliche Grenze zwischen vorübergehender und dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zu finden ist, sondern hat auch den sachlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit oder der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, wie er nach den Allgemeiner. Versicherungsbedingungen aufzufassen ist, mißverstanden. Es stellt glcich zu Beginn seiner Ausführungen den Satz auf, daß bei dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) für die Bemessung ihres Grades die Berufstätigkeit und die Beschäftigung des Versicherten maßgebend seien, um daraus zu folgern, beim Kläger liege nur eine vorübergehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit vor, weil der Kläger trotz des Weiterbestehens körperlicher Behinderungen jedenfalls in seiner Berufsausübung nicht dauernd beeinträchtigt worden sei. Das Berufungsgericht übersieht dabei, daß die Allgemeinen Versicherungsbedingungen keine Bestimmung enthalten, wonach die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit für die Invaliditätsentschädigung zugleich von einer dauernden Behinderung im Beruf oder in der Beschäftigung begleitet sein muß. Das Zusammentreffen beider Arten der Behinderung ist in § 11 I vielmehr nur für den Fall vorübergehender Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit gefordert, in dem die Bemessung des Tagegeldes davon abhängt, während für den Fall dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nach § 11 II völlig anders geartete Bemessungsgrundsätze gelten, nämlich
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nach dem Unterabschnitt A die festen Invaliditätssätze der sogenannten Gliedertaxe und nadi dem Unterabschnitt B, falls sich der Beeinträchtigungsgrad nach der Gliedertaxe nicht bestimmen läßt, eine freie Schätzung, die neben anderen Gesichtspunkten freilich auch in Betracht ziehen soll, welche Tätigkeit dem Versicherten nadi seinen K r ä f t e n und Fähigkeiten unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden darf. Daher k a n n nicht die Behinderung im Berufe den Prüfstein d a f ü r abgeben, ob eine v o r ü b e r gehende oder dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit vorliegt, sondern umgekehrt ist die entweder vorübergehende oder dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit d a f ü r entscheidend, inwieweit die Behinderung im Beruf zum Maßstab für die Entschädigung — d. h. f ü r das Tagegeld im Falle vorübergehender Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (§ 111) — genommen werden darf. Auch allgemeine Erwägungen müssen dazu führen, daß die Arbeitsfähigkeit und nicht die Fähigkeit zur Ausübung eines bestimmten Berufs grundsätzlich entscheidend ist. Es ist herrschende Ansicht, daß die Arbeitsfähigkeit des Versicherten als solche das durch die Versicherung geschützte Rechtsgut bildet und daß die Versicherung, jedenfalls soweit es sich um Invaliditätsentschädigung handelt, keine Schadens-, sondern eine Summenversicherung ist (RGUrt. VII 329/3 3 vom 9. März 1934, abgedr. in Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für P r i v a t versicherung 1934 S. 18 N r . 2675). Unter Arbeitsfähigkeit im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen darf der Versicherungsnehmer deshalb, wenn der Versicherungsvertrag im Einzelfalle nichts Abweichendes ergibt, die jedem Menschen auf der Grundlage körperlicher Unversehrtheit regelmäßig innewohnende Fähigkeit verstehen, Arbeit zu leisten. Dabei muß es an sich gleichgültig sein, welchen Beruf der Versicherte ausübt und ob er überhaupt einen Beruf oder ein Beschäftigung hat. Erweist sich seine so zu verstehende Fähigkeit zur Arbeit für eine nach den bereits dargelegten Regeln zu bestimmende Zeitdauer in meßbarem Grad als beeinträchtigt, dann entsteht grundsätzlich der Anspruch auf eine nach § 11 II zu bestimmende Invaliditätsentschädigung, wobei es auf die Art der Berufsbetätigung des Versicherten nicht a n k o m m t und seine Fähigkeit, einen Beruf auszuüben, nur im Rahmen und unter den Voraussetzungen von § 11 II B mitberücksichtigt werden kann. N u n handelt es sich bei dem Kläger, soweit ersichtlich, um eine mehr oder minder große Beeinträchtigung der Gebraudisfähigkeit seines rechten Armes, die durch den Gutachter Dr. B. noch für Ende 1937 als vom chirurgischen Standpunkt aus recht erheblich angesehen worden
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ist. Auf Dauerschäden dieser Art trifft aber die Gliedertaxe in § 11 II A zu, die — wie hier schon der Wortlaut der Bestimmung zeigt — keinen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Versicherten besitzt. Die ärztlichen Gutachten haben daher völlig zu Unrecht darauf abgestellt, in welchem Maße der Kläger durch die teilweise Gebrauchsfähigkeit seines Armes in der Ausübung seines Berufs behindert worden ist. Dazu sei bemerkt, daß sich audi im ärztlichen Schrifttum die oben dargelegten Grundsätze vertreten finden (vgl. den Abschnitt IX „Die private Unfallversicherung" von Prof. Dr. L i n i g e r im Handbuch der gesamten Unfallheilkunde von Prof. Dr. König und Prof. Dr. Magnus 1933 Bd. II S. 482). Das Berufungsgericht hätte den Gutachten daher insoweit nicht folgen dürfen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Zahlungsanspruch der Klage kann wegen der aufgezeigten Redbtsmängel somit nicht von Bestand sein. Beizupflichten ist dem Berufungsurteil aber insoweit, als es den Feststellungsantrag des Klägers als unbegründet abgewiesen hat. Gegen die Zulässigkeit dieses Antrags gemäß § 256 ZPO. bestehen freilich keine Bedenken. Der Kläger geht davon aus, daß der Beklagte verpflichtet gewesen sei, vor Fristablauf für ihn einen Feststellungsantrag wegen des Ersatzes künftigen Invaliditätsschadens gegen die Versicherungsgesellschaft zu stellen, da schon damals die auch heute noch bestehende Befürchtung begründet gewesen sei, daß die in seinem Nacken steckende Kugel zu wandern beginne und neuen Schaden anrichte. Geht man von diesem Standpunkte des Klägers aus, dann kann ihm das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung schon im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist in § 37 der Reichsrechtsanwaltsordnung vom 21. Februar 1936 (RGBl. I S. 107) nicht abgesprochen werden. Der festzustellende Anspruch ist indessen unbegründet. Zunächst sdion deshalb, weil — wie das Berufungsgericht feststellt — keine irgendwie greifbare Möglichkeit für ein Wandern der Kugel mehr besteht und insoweit die sachliche Grundlage für einen Rüdegriff gegen den beklagten Anwalt fehlt. Zum anderen aber auch aus folgendem Grunde: Wie oben dargelegt worden ist, kann die Regelung von Unfallschäden nidit für unabsehbare Zeit in der Schwebe bleiben. Die Folgen des Unfalls für die Arbeitsfähigkeit des Versicherten sollen grundsätzlich innerhalb eines Jahres nach dem Unfall abschließend geprüft sein. Sie werden auf Grund dieser Prüfung regelmäßig in Gestalt einer einheitlichen Invaliditätsentschädigung vergütet, soweit sich eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ergeben hat. Für eine nachträgliche Berücksichtigung neuer, aus dem Unfall vielleicht noch zu befürchtender Folgen,
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die beim Kläger bis heute nodi nicht einmal eingetreten sind, bleibt daher nach den Allgemeinen Versidierungsbedingungen kein Raum. Solche Unfallfolgen hat aber der gegenwärtige Feststellungsantrag — wie auch die Revision nicht bestreiten konnte — im Auge. Der Beklagte kann schon deshalb nicht für sie haften, weil auch die Versicherungsgesellschaft nicht für sie einzustehen hätte. RGZ. 164, 49. Zum Begriff der „Bewußtseinsstörung" im Sinne des § 3 d der Allgemeinen Unfall'Zusatzversidierungsbedingangen. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Mai 1940. I. Landgericht Düsseldorf. — II. Oberlandesgeridit daselbst.
Der Kühlefbauer W. H. in D. hatte mit der Beklagten eine Lebensund Unfall-Zusatzversidierung in Höhe von je 20000 RM abgeschlossen. Am 27. November 1938 fuhr er mit einem von ihm gelenkten Kraftwagen auf der Provinziallandstraße W.-R. gegen einen Baum und starb an den Folgen dieses Unfalls am gleichen Tage. Die Beklagte zahlte die Lebensversidierungssumme an die kraft Benennung (Erstkläger) und als gesetzliche Erben (Zweitklägerin und Drittkläger) bezugsberechtigten Kläger, lehnte aber die Auszahlung der Unfallversicherungssumme unter Berufung auf § 3d der Allgemeinen Unfall-Zusatzversidierungsbedingungen (AVB.) ab, welche lautet: „Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle infolge von Schlag-, Krampf-, Ohnmachts- und Schwindelanfällen, von Geistes-und Bewußtseinsstörungen, es sei denn, daß diese Unfälle und Störungen durch einen Unfall im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 hervorgerufen waren." Sie begründete ihre Ablehnung damit, der Unfall sei auf die Trunkenheit und eine dadurch bedingte Bewußtseinsstörung des Versicherten zurückzuführen. Das Landgericht hat der auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Unfallversicherungssumme zum Betrage von 10 000 RM an den Erstkläger, von 2500 RM an die Zweitklägerin und von 7500 RM an den Drittkläger gerichteten Klage entsprochen. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil ist zurückgewiesen worden. Ihre Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Gründe: Das Berufungsgericht hält den der Beklagten obliegenden Beweis, daß der Unfall die Folge einer Bewußtseinsstörung des Versicherten gewesen und damit nach § 3d AVB. von der Versicherung ausgeschlossen
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sei, für unerbringlich. Es unterstellt die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten, daß der Versicherte betrunken gewesen sei, daß er von 10 Uhr bis 16 1 /: Uhr sich in einer Wirtschaft aufgehalten, erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen, bei Antritt der Fahrt geschwankt und das Schloß der Wagentür nicht gleich gefunden habe. Daraus lasse ¿ich, so meint der Berufungsrichter, auf eine Bewußtseinsstörung, die allerdings durch Trunkenheit hervorgerufen werden könne, um deswillen nicht mit Sicherheit schließen, weil die Trunkenheit bei den einzelnen Menschen völlig verschiedene Wirkungen zeitige und erfahrungsgemäß keineswegs immer Trübungen und Störungen des Bewußtseins im Gefolge habe. Im gegebenen Falle spreche dagegen, daß der Versicherte den Wagen noch in Fahrt gebracht habe, eine Strecke von 3 km gefahren sei und die Kurve, in der es zum Unfall gekommen sei, nicht geschnitten, sondern verkehrsordnungsmäßig rechts auszufahren versucht habe. Es möge zutreffen, daß er unter dem Eindruck des genossenen Alkohols zu schnell gefahren sei und infolgedessen, wie der polizeiliche Unfallbericht in den Ermittelungsakten der Staatsanwaltschaft ergebe, zunächst zwei Randsteine sowie einen Baum gestreift habe und dann gegen den nächsten Baum gefahren sei. Dieser Unfallverlauf lasse aber, auch im Sinne des Beweises des ersten Anscheins, nicht auf eine Bewußtseinsstörung schließen. Der Kerngedanke dieser Ausführungen geht dahin, der Nachweis einer für den Unfall ursächlichen Bewußtseinsstörung müsse auch bei feststellbarer Trunkenheit des Versicherten an der Tatsache scheitern, daß dieser noch fähig gewesen sei, den Kraftwagen bis zur Unfallstelle zu lenken. Mit dieser Auffassung wird der Berufungsrichter, wie die Revision mit Recht beanstandet, dem Begriff der Bewußtseinsstörung im Sinne der in Rede stehenden Ausschlußbestimmung nicht gerecht. Daß die Bewußtseinsstörung im Sinne dieser Bestimmung, die als ,.typische" (allgemein gültige) Versicherungsbedingung der Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich ist, durch Trunkenheit hervorgerufen werden kann, unterliegt keinem Zweifel, wird vom Berufungsrichter auch nicht verkannt. Eine Bewußtseinsstörung, wie sie allgemein verstanden wird und deshalb auch hier verstanden werden muß, ist nicht mit völliger zeitlich begrenzter Bewußtlosigkeit gleichzustellen. Sie erfordert also nicht, wie diese, ein gänzliches Versagen der Sinnestätigkeit, sondern nur ihre Störung mit wesentlicher Beeinträchtigung der Aufnahme- und Gegenwirkungsfähigkeit. Die Ausschlußbestimmung des § 3d AVB. beruht auf dem Gedanken, daß das Ergebnis des Unfallereignisses die Tötung oder Gesundheitsbeschädigung, letzten Endes
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nicht eigentlich auf den Unfall, sondern auf den bei dessen Eintritt schon vorhandenen krankhaften Zustand des Versicherten zurückzuführen ist. Unter die krankhaften Zustände dieser Art wird mit gutem Grunde die Störung oder Trübung des Bewußtseins einbegriffen, weil ein soldier Zustand bereits den Versicherten unfähig madit, die Gefahrlage, in der er sich befindet oder in die er sich begibt, klar zu erkennen und sich darin besonnen und richtig zu verhalten, mithin das zu tun, was bei Beherrschung der Sinne zur Vermeidung eines Unfalls erwartet werden kann. Wenn nun der Berufungsrichter bei unterstellter T r u n k e n heit eine Bewußtseinsstörung des Versicherten deshalb von vornherein ablehnt, weil dieser den Wagen noch bis zur Unfallstelle habe lenken k ö n n e n , so muß angenommen werden, daß er unter Bewußtseinsstörung einen der Bewußtlosigkeit gleichkommenden Zustand versteht und sich damit von dem richtigen Sinne der Aussdilußbestimmung entfernt. Erfahrungsgemäß kann ein im Alkoholrausch Befindlicher durchaus imstande sein, durdi Übung beherrschte Handlungen und Bewegungen nodi auszuführen, ohne sidi dessen klar bewußt zu sein. Dies gilt auch -vom Fahren eines Kraftwagens. Die Beeinträchtigung der Sinnestätigk e i t , die Bewußtseinsstörung, tritt erst in die Erscheinung, wenn besondere Anforderungen an den Handelnden gestellt werden, deren Bewältigung eine ungestörte Aufnahme und geistige Verarbeitung der äußeren Eindrücke voraussetzt. Die Betätigung des Versicherten vor dem Unfall, welcher der Berufungsrichter ausschlaggebende Bedeutung beimißt, vermag deshalb die Möglichkeit einer für den Unfall ursächlichen Bewußtseinsstörung nicht auszuschließen. Diese kann sich vielmehr gerade dahin ausgewirkt haiben, daß der Versicherte die Kurve, in der sich der Unfall ereignete, nicht wahrgenommen hat oder daß er sich der durch übermäßig schnelles Durchfahren der Kurve hervorgerufenen Gefahr nicht bewußt zu werden vermochte. Die das Urteil tragende Auffassung, daß trotz angenommener Trunkenheit des Versicherten dessen Unfall sich nicht als die Folge einer Bewußtseinsstörung erweisen lasse, beruht hiernach auf einer falschen Auslegung der strittigen Ausschlußbestimmung. Das Urteil muß daher schon aus diesem Grunde aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Revision eingegangen zu werden braucht. Das B e rufungsgericht wird die für den Zustand des Versicherten, die Tatsache des Unfalls selbst und seine Begleiterscheinungen angebotenen Beweise zu erheben und zu würdigen und, zwedemäßigerweise unter Hinzuziehung eines ärztlichen Sachverständigen, zu der Frage, o b der A l k o h o l -
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Versicherungsvertragtgesetz
genuß des Versicherten eine Bewußtseinsstörung und diese den Unfall im Gefolge gehabt hat, erneut Stellung zu nehmen haben. RGZ. 172, 268. Zum Begriffe des Unfalls und der UnfallYerletzang im Sinne der Besonderen Bedingungen für die Unfall-Zasatzversichening. W G . §§ 1816g. VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 4.Februar 1944. I. Landgericht Stuttgart.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Unfallzusatzversicherungsbetrag von 20 000 RM, den die Klägerin als Bezugsberechtigte auf Grund des Lebensversicherungsvertrags vom 2. Januar 1941 von der verklagten Versicherungsgesellschaft fordert. Das Landgericht hat die Gesellschaft antragsgemäß verurteilt. Die Sprungrevision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Gründe: Der Versicherungsnehmer C., der Ehemann der Klägerin, zog sich, wie das Landgeridit festgestellt hat, am 11. April 1942 bei der Gartenarbeit eine Blase an der Innenseite der linken Hand zu, die während der Arbeit aufplatzte. Am 21. April 1942 ging er zum Arzt Dr. G. Dieser stellte an der Innenseite der linken Hand in der Gegend des Ringfingers eine leichte druckempfindliche Hautverdickung fest, die von der aufgesprungenen Blase zurückgeblieben war. Dort zeigte sidi in der Folge eine Entzündung mit Eiterbildung. Am 27. April 1942 überwies Dr. G. den Versicherungsnehmer an den Fadiarzt Dr. B. Es zeigte sich eine tiefere Zellgewebsentzündung, die Dr. B. unter Betäubung öffnete. Die Entzündung ging zurück und das Befinden C.s wurde besser, verschlechterte sich jedodi nachher wieder. Am 9. Mai 1942 war er wieder bei Dr. B.; eine Blutvergiftung war eingetreten. Am 17. Mai 1942 starb C. im Krankenhaus. Anstedcungskeime waren durch die aufgeplatzte Blase in die Blutbahn eingedrungen und hatten dort eine Vergiftung hervorgerufen, die den Tod des Versicherungsnehmers herbeiführte. Die Besonderen Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung des vorliegenden Versicherungsvertrags vom 13. Februar 1941 legen in § 1 I den Unfallbegriff dahin fest, daß der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, erweitern aber zugunsten des Versicherten in § 1 II lb den Unfallbegriff dahin, daß auch als Unfälle
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gelten „Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangt ist". Daneben enthalten die bezeichneten Bedingungen auch noch andere Ausnahmen sowohl zugunsten der Versicherten wie — in Gestalt der „Ausschlüsse" in § 1 II 2 und in § 2 — zugunsten des Versicherers. Der Vorderrichter hält den Versicherungsanspruch der Klägerin sowohl nach § 1 I wie nach § 1 II lb der Besonderen Bedingungen für begründet. Möge auch das allmähliche Entstehen der Blase an der Hand des Versicherten kein plötzlich auf seinen Körper wirkendes Ereignis gewesen sein, so seien doch solche Ereignisse in dem Aufplatzen der Blase und in dem Eindringen der Ansteckungskeime in die Wunde zu finden; alles dies stehe in ursächlichem Zusammenhange zueinander und habe die Blutvergiftung und damit die zum Tode des Versicherten führende G.esundheitsbeschädigung ursächlich herbeigeführt. Diese Begründung des Vorderrichters ist rechtlich einwandfrei und rechtfertigt sein Erkenntnis. Es kommt auch nicht auf seinen Zweifel darüber an, ob der Begriff der Unfallverletzung in § 1 II lb mit dem des Unfalls in § 1 I gleichbedeutend oder nicht vielmehr ein anderer und weiterer ist. Denn jedenfalls muß es für die Annahme einer Unfallverletzung im Sinne des § 1 II l b genügen, wenn beim Vorliegen einer miteinander zusammenhängenden Kette (Ursachenreihe) von Ereignissen oder Einwirkungen der vorliegenden Art, die insgesamt durch ihr ursächliches Wirken die Gesundheitsbeschädigung des Versicherten herbeigeführt haben, mehrere der ursächlichen Glieder die Eigenschaft von plötzlichen Ereignissen gehabt haben, wie dies der Vorderrichter rechtlich einwandfrei feststellt. E>ies braucht nicht gerade bei der ersten Ursache, hier der Blasenbildung selbst, der Fall gewesen zu sein. Nach Treu und Glauben darf die zugunsten des Versicherten getroffene Bestimmung nicht zu seinem Nachteil ausgelegt und angewandt werden, selbst wenn bei der Abfassung und bei der Vereinbarung der besonderen Bedingungen nicht absichtlich eine von dem in § 11 festgelegten Unfallsbegriff abweichende Ausdiudcsweise („Unfallverletzung" in § 1 I lb) gewählt worden sein sollte. Abgesehen davon unterliegt es aber, abweichend von dem vom Vorderrichter geäußerten Zweifel, nach dem festgestellten Sachverhalt auch keinen Rechtsbedenken, schon in dem Entstehen der Blase an der Hand des Versicherten ein plötzliches Ereignis im Sinne des § 1 I zu erblicken. Denn der Versicherte hatte, wie der Vorderrichter tatsächlich und rechtlich unbedenklich annimmt, die allmählich entstandene Blase nicht beachtet und somit keinen Grund, die Arbeit vorzeitig zu beenden. Dies steht auch durchaus im Einklang mit der allgemeinen Lebens-
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erfahrung. Andernfalls würde man dem Versicherten eine mit der gesunden Volksmeinung und mit Treu und Glauben unvereinbare und kaum tragbare Beweislast aufbürden. Nach der bisherigen hödistrichterlidien Rechtsprechung muß das Ereignis unvorhergesehen, unerwartet und unentrinnbar auf den Körper des vom Unfall Betroffenen eingewirkt haben. Dies liegt in dem sachlichen Begriffe des Plötzlichen begründet, hat aber mit einem Verschulden des Versicherten nichts zu tun. Auf die Unfallversicherung als eine Personenversicherung sind die Vorschriften der die Sachversicherung betreffenden §§ 49 flg VVG. grundsätzlich nicht anwendbar, insbesondere nicht die die schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalles behandelnde Bestimmung des § 6 1 W G . In dieser Beziehung gilt für die Unfallversicherung die Sondervorschrift des § 1 8 1 VVG., von deren Anwendung nach dem feststehenden Sachverhalt hier keine Rede sein kann. Trotzdem spielen, wie P r ö l ß )VVG., 3. Aufl. 1941, Bern. 3 zu § 182) zutreffend hervorhebt, auch bei der Voraussetzung des Plötzlichen im Begriffe des Unfalls gewisse „subjektiv gefärbte" Erfordernisse eine Rolle, die aber nicht auf dem Gebiete des Verschuldens liegen. Ein auf den Körper des Versicherten einwirkendes Ereignis verliert nicht dadurch die Eigenschaft des Unerwarteten, nicht Voraussehbaren und, wenn man sagen will, des Unentrinnbaren, daß es nicht schnell, jählings oder gar blitzartig auf den Betroffenen einwirkt, sondern allmählich, mit einer gewissen Langsamkeit, wie hier beim Entstehen einer Hautblase bei der Ausführung einer dem Versicherten ungewohnten körperlichen Arbeit, zumal wenn es, wie es nach der Lebenserfahrung vielfach der Fall ist und hier auch offenbar der Falle war, dem Verletzten nicht sogleich zum Bewußtsein kommt. Unter solcher Voraussetzung muß zur Annahme der Plötzlichkeit vollkommen genügen, daß sich das Ereignis, wie hier, innerhalb eines kurz bemessenen Zeitraums abspielt ( P r ö l ß ) a. a. O.). Nach der Verkehrsauffassung ist in einem derartigen Falle die Voraussetzung des Plötzlichen nicht zu bezweifeln. Auf die Erheblichkeit der körperlichen Beschädigung durch die erste Ursache kann es aber nicht ankommen (vgl. RGUrt. VII 342/33 vom 23. März 1934 in VAPV. 1934 Nr. 2677), wenn im weiteren Verlauf eine Blutvergiftung hinzutritt, die schließlich den Tod des Versicherten herbeiführt; ebensowenig darauf, daß das Unfallereignis nicht mit einer gewissen Gewalt über den Betroffenen hereingebrochen ist. Da somit nach den beiden vom Vorderrichter angezogenen Bestimmungen der Besonderen Bedingungen in § 1 unter I und unter II l a b der Klageansprudi begründet ist, bedarf es keines Eingehens auf
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den Angriff der Revision, daß das Vorliegen eines Unfalls durch Wundinfektion im Sinne des § 1 II l a b die Anwendung des § 11 überhaupt ausschließe.
Schlußvorschriften RGZ. 113, 278. 1. Zur Tragweite des § 36 des preußischen Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten vom 25. Juli 1910. 2. Inwieweit kann bei den von solchen Anstalten geschlossenen Versicherungsverträgen eine Änderung der Bedingungen ohne die Zustimmung der Versicherungsnehmer erfolgen? Reichsgesetz über die privaten Versidierungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 § § 4 1 , 119. Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 § 1 9 2 . VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. April 1926. I. Landgericht Wiesbaden. — II. Oberlandesgeridit Frankfurt a. M.
Das Haus D.-Straße 47 in H., welches jetzt dem Kläger gehört, war seit dem Jahre 1880 im Wege freier Vereinbarung bei der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des preußischen Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten vom 25. Juli 1910 (GS. S. 241), gegen Feuerschaden vcrsichcrt. Am 6. Juli 1923 beschloß die Beklagte einen Nachtrag zu ihrer Satzung vom S.Mai 1912, der am 5. Oktober 1923 mit Wirkung vom 1. Oktober 1923 durch den Landesausschuß in Kraft gesetzt und im Amtsblatt der Regierung zu Wiesbaden gehörig veröffentlicht wurde. Der Nachtrag bezweckte, hinsichtlich der Feststellung der Versicherungssummen und der Entschädigungen der eingetretenen Geldentwertung Rechnung zu tragen, und brachte demgemäß eine Erhöhung der von den Versicherten zu leistenden Beiträge mit sich. Im § 5 des Nachtrags war bestimmt: Diese Neuregelung ergreift auch den nicht auf Versicherungszwang beruhenden Versicherungsbestand der Anstalt, falls die Versicherungsnehmer nicht binnen 4 Wochen nach Publikation dieses Nachtrags im Wiesbadener Regierungs-Amtsblatt ihre Versicherungen gekündigt und bis zum Inkraftreten des Nachtrags die Zulässigkeit dieser Kündigung gemäß § 78 der Satzung nachgewiesen haben. Der Kläger hat es unterlassen, die vorgesehene Kündigung auszusprechen; er behauptet, von dem Nachtrage nicht rechtzeitig erfahren Versicbeningsvcrtrajsgesetz II
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zu haben, und bestreitet, daß dieser für ihn verbindlich geworden sei. Nachdem er von der Beklagten zur Zahlung der seit dem 1. Oktober 1923 fällig gewordenen erhöhten Versicherungsbeiträge aufgefordert und deswegen mit Zwangsbeitreibung bedroht worden war, erhob er die vom 18. September 1924 datierte Klage, mit der er beantragte: festzustellen, daß der sein Haus betreffende Versicherungsvertrag der Parteien seit dem I.Oktober 1923 nicht mehr bestehe, und daß er nicht mehr verpflichtet sei, Versicherungsbeiträge an die Beklagte zu leisten; hilfsweise: festzustellen, daß der Nachtrag zur Satzung der Beklagten vom 6. Juli 1923 auf das etwa zwischen den Parteien noch bestehende Vertrauensverhältnis keine Anwendung finde. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Gründe: Mit Recht macht die Revision geltend, daß der Vorderrichter dem § 36 Satz 1 des preußischen Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten vom 25. Juli 1910 eine zu große Tragweite beigelegt hat. Es handelt sidi hier unzweifelhaft um eine reine Übergangsbestimmung, die den Zwedc verfolgt, den in Betracht kommenden Anstalten die Möglichkeit zu geben, auch die auf Grund freier Vereinbarung früher von ihnen eingegangenen Versicherungsverhältnissc demjenigen Rechtszustand zu unterwerfen, der sidi durdi die gemäß § 34 des bezeichneten Gesetzes neu zu fassenden Satzungen und Versicherungsbedingungen ergab. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte nach dem letzten Absatz der „Schluß- und Ubergangsbestimmungen" in ihrer die Versidierungsbedingungen mit enthaltenden Satzung vom 8. Mai 1912 Gebrauch gemacht. Da damals keine Kündigung des Versidierungsveihältnisses zwischen den Parteien erfolgte, so war seitdem der Kläger gemäß dem angeführten § 36 Satz 1 an die Satzung gebunden. Diese Bindung bezog sich aber nur auf ihren damals festgestellten Inhalt. Für die Frage, ob der Kläger auch Änderungen dieser Satzung, denen er nicht zugestimmt hat, gegen sich gelten lassen muß, ist dem § 36 nichts zu entnehmen, da er nur Bedeutung hat für die Überleitung in den Reditszustand, wie er durch das neue Gesetz und die auf ihm beruhenden Satzungen und Versicherungsbedingungen geschaffen worden ist. Bei der Beantwortung der für den Rechtsstreit entscheidenden Frage ist zunächst zu beachten, daß regelmäßig die Änderung von Bedingungen eines auf freier Vereinbarung beruhenden Vertrags der Zustimmung beider Teile bedarf. Dieser Grundsatz gilt auch für das
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Versicherungsrecht; er hat in § 4 1 Abs. 3 des Reichsgesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 Ausdruck gefunden ( R G Z . Bd. 112 S. 1 2 3 / 1 2 4 ) . Wenngleich § 1 1 9 dieses Gesetzes bestimmt, daß ihm die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften errichteten öffentlichen Versicherungsanstalten nicht unterliegen, so behält dennoch jener Rechtsgrundsatz auch für die von diesen Anstalten mittels freier Vereinbarung geschlossenen Versicherungsverträge seine Bedeutung. Danach steht ihnen nicht ohne weiteres die Befugnis zu, ihren Versicherungsnehmern zu erklären, daß eine Neuregelung des Vertragsverhältnisses eintrete, wenn es nicht binnen einer bestimmten Frist von ihnen gekündigt werde. Freilich kann eine öffentliche Versicherungsanstalt, ohne durch die im Reichsgestz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1 9 0 8 aufgestellten Schranken der Vertragsfreiheit gebunden zu sein (§ 1 9 2 Abs. 2 das.), in ihrer Satzung vorschreiben, daß und gegebenenfalls unter welchen Formen die Versicherungsbedingungen von ihr einseitig ohne Einholung der Zustimmung der Versicherungsnehmer geändert werden dürfen. O b derartiges in der maßgebenden Satzung der B e klagten vom 8. Mai 1 9 1 2 bestimmt ist, hat der Berufungsrichter bisher nicht geprüft. Diese Untersuchung ist ihm vorzubehalten, weil sich die Satzung als eine nur im Regierungsbezirk Wiesbaden geltende Norm des öffentlichen Rechts darstellt und somit ihre Beurteilung gemäß § 5 4 9 Abs. 1 Z P O . dem Revisionsrichter entzogen ist. Deshalb ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sachregister (Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen dieses Bandes)
Abänderung, Nachträgliche — der Versicherungsbedingungen 321 Abonnenten-Unfallversicherung, Unfall mit Todesfolge vorsätzlich herbeigeführt 2 6 9 Abschloßagent, Rechtsstellung 1 Abtretung der Rechte aus einer Lebensversicherung, Erfordernisse 2 0 2 — oder Verpfändung der Rechte aus der Versicherung bei Pensionsversicherungsvertrag 231 Abzug des Versicherers bei Nichtzahlung Fremdwährungsprämie wegen fehlender Genehmigung der Devisenbewirtschaftungsstelle 216 Agent siehe AbsdiluBagent Allgemeine Versicherungib ed ingungen für Haftpflichtversicherung, Bedeutung 22 Angehörige siehe
des
Versicherungsnehmers
Ausgleichsansprüche
Anhänger, Haftpflichtversicherung von — n an Zugmaschinen 100 Anrechnung der Leistungen der Unfallversicherung auf den vom Kraftwagenhalter zu zahlenden Schadensersatz 271, 2 8 2 Anzeigepflicht siehe Pensionsversicherung Arbeitsfähigkeit im Sinne der allgemeinen Unfall-Versicherungsbedingungen 307 Arglistige Tätudinng, Zur Erstattung der Prämienreserve bei — r — des Versicherers durch den Versicherungsnehmer 193 Arrestpfandgläubiger, Zum Widerruf des Bezugsrechts eines Dritten auf die Lebensversicherungssumme durch den — des Versicherungsnehmers 220
Arzt, Unfallversicherung eines —es gegen Infektion bei Ausübung des Berufs 2 6 7 , 303 XnteMatuhaß siehe Schiedsgutachten Ärztliche Untersudiung siehe Erkrankung Aufrechnung des Versicherers gegenüber dem Verletzten 83 Ansbesserongswerkstatt, Zum Versicherungsschutz des Angestellten einer — bei Führermitversicherung 128 Auigleichjansprüche unter mehreren am Unfall des Verwandten beteiligten Kraftfahrzeughaltern bei Ausschluß der Haftpflichtversicherung für Ansprüche von Angehörigen des Versicherungsnehmers 125 Auslegung, Ausdehnende — eines Haftpflicht-Versicherungsvertrages unzulässig 17 —
der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung 22 - - - der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen einer Lebensversicherung bezgl. Erkrankung seit der ärztlichen Untersuchung bzw. Antragstellung 191. 197 — der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Einholung des Schiedsgutachtens des Ärzteausschusses 274
B Bedingung, Lebensversicherung mit — über Erkrankung, Auslegung 191. 197 Beitragssätze, Umstellung der Kraftfabrzeugversicherungsverträge auf die — des Einheitstarifs 163 Beruf, Bedeutung der Angaben über — und Tätigkeit des Versicherungsnehmers im Antrag und im Versicherungsschein 2 9 6
Sadiregister
E
Berufsbehinderung und Invalidität 307 Beweislast für das Vorliegen von Selbstmord bei einer Lebens- und Unfalltodesversidierung 212 — und Beweisführung bei Tod durch Unfall 240 Beweispflidit, Anforderungen an die — des Versicherungsnehmers für die Unfreiwilligkeit des Hergangs bei dem Unfall 296 Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 d der Allgemeinen Unfall-Zusatzversidierungsbedingungen 315 Bezagsberechtignng, Widerruf der — aus einer Lebensversicherung 202 — . Bestimmung über die — aus einer Lebensversidierung muß dem Versidierer zugehen 208 — , Widerruf der — der Kinder aus einer Lebensversidierung zugunsten der Zweiten Ehefrau 212 — , Nichtigkeit der — wegen Sittenwidrigkeit. Unkenntnis des Versidierers 220 — , Erlösdien der — aus einer Lebensversidierung kraft letztwilliger Verfügung des Erblassers 246 Bezugirecht auf die Lebensversidierung und Vermögen des Versidierungsnehmers 180 — , Einfluß der Klausel „zahlbar an den Inhaber" auf das — bei der Lebensversidierung 180 — , Zum Widerruf des — s 220 — , Rechte des Versicherungsnehmers, der einem Dritten ein unwiderrufliches — eingeräumt hat 231
D DedcnngtprozcS, Schadensprozeß und — , Einwendungen des Versicherers gegen Versicherungssdiutzpflicht 14; Dedcungsrüddage, Haftpflichtversicherung und — 29 Dedcungsznsage, Rechtliche Bedeutung 1 —• Vorläufige — bei der KraftwagenHaftpflichtversicherung 53 Devisenbewirtsdiaftangsstelle siehe Abzug Dritter, Lebensversidierung zugunsten eines — n 188
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Ehefrau siehe Widerruf Eigeasduft siehe Zusicherung Eigentümer. Versicherungsschutz, wenn Ersatzberechtigter nicht — 117 Einheitstarif siehe Beitragssätze Erben siehe Vererblichkeit Erkrankung, Auslegung der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen einer Lebensversidierung bezgl. — seit ärztlicher Untersuchung bzw. Antragstellung 191, 197 Ermächtigung des Verletzten zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Haftpflichtversidierungsvertrag gegen den Versidierer 1 Erwerbsbesdiriinktheit. Nachträglich hervortretende — bei der Unfallversicherung 247
F
! { l \
Feuerrersicheningtanstalten nach dem preuß. Gesetz vom 25. 7. 1910. Änderung der Bedingungen ohne Zustimmung der Versicherten 321 Fremde Rechnung, Versicherung gegen Unfall für . Anzeigepflicht des Versicherten bezgl. Gefahrerhöhung. Rechtsfolgen bei Unterlassen der Anzeige 257 Fremdwährung, Lebensversicherung in — und Devisenbewirtschaftungsstelle 216 Fristablanf nach § 1 2 II VVG.. Beginn 42 — , Erlöschen der nicht vor den Richter gebrachten Versicherungsansprüche durch — . Nachträgliche Erweiterung des Klaganspruchs 247 Führer, „Berechtigter — " im Sinne des § 3 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für KraftfahrzeugVersicherung 70 Führermitversidiening, Zum unmittelbaren Anspruch auf Versicherungsschutz bei — 128 Führerschein, Ersatz des — s durch Nachweis der erforderlichen Kraftfahrkenntnisse? 121 Führersdieinabrcde, Guter Glaube des Versicherungsnehmers 138
Sachregister
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Führerscheinklausel der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung 121
| !
G Gefahrerhöhung bei Unfallversicherung 253 — , Versicherung gegen Unfall für fremde Rechnung. Anzeigepflicht des Versicherten 2 5 7 — , Zur Frage der — bei der Unfallversicherung 2 9 6 Gefäiligkeitffahrt, Versicherungsschutz bei Unfall anläßlich einer —
H Haftpflichtversicherung I — 1 8 0 Hautdiener, Umfang der Haftpflichtversicherung eines Hotelbesitzers, H.i ftpflicht nach § 8 3 1 BGB. für den — 92 Heilung der Unwirksamkeit einer Abtretung der Rechte aus einer Lebensversicherung 2 0 2 Hinrichtung, Verpflichtung aus der Lebensversicherung bei — des Versicherten 2 3 5 Hotelberitzer, Umfang der Haftpflichtversicherung eines — i bei Unfall durch Schuld des Hausdieners 92 I
Inhaberklausel rung 180
bei der
j
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Geschäftsbetrieb, Haftpflicht aus — , § 1 5 l l l V V G . 42 Gläubigerbenachteiligung, Anfechtung wegen — bei Umstellung des Bezugsrechts 2 2 0 Guter Glaube, Kein VersicherungsanSpruch bei — m — n des Versieherungsnehmers bezgl. Fahrerlaubnis seines Kraftfahrers 138
Infektion eines Arztes als Unfall 303
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267,
Lebensversiche-
Invaliditätientschädigung, Unfallversicherung ist, soweit es sich um die — handelt, keine Schadens- sondern eine Summenversicherung 307
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I j |
J Jäger, Haftpflicht aus dem Besitz von Schußwaffen „auch als Schütze, nicht als — " 65
K Klaganspruch siehe Fristablauf Klagefrist, Zur Wahrung der —- durch Teilklage bei der Unfallversicherung 282 Kohlenoxydgas, Unfall bei Todesfall durch — 265 Koilektiwersidierung für fremde Rechnung. Rechtsfolgen bei Unterlassung der Anzeige über die Gefahrerhöhung 257 Konkors, Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung als Vorrechte im — , § 80 V A G . 29 Kraftfahrzeug-Versicherung, „Berechtigter Führer" im Sinne des § 3 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen 7 0 — . Auschluß der — für HaftpflichtAnsprüche von Angehörigen des Versicherungsnehmers 125 Kraftwagen, Zum Übergang der Haftpflichtversicherung eines — b e s i t z e r s auf den Erwerber des — s 74 Kraftwagen-Haftpflichtversicherung. Eintritt des Versicherungsfalls bei Mehrheit von Verletzten 53 — bei Unfall von gelegentlich mitgenommenen Personen 151 Kraftwagenhalter, Anrechnung der Leistungen der Unfallversicherung auf den vom — zu zahlenden Schadensersatz 282
L Lebensversicherung 1 8 0 — 2 4 6 Letztwiüige Verfügung siehe berechtigung
Bezugs-
N Nachträglich hervortretende Erwerbsbeschränktheit bei der Unfallversicherung 247 Nachweis zur Geltendmachung des Versicherungsschutzes gegen Haftpflidhtansprüche 26
Sadiregister
O Oblicgenheitsverletzung, Kein Reditsverlust durch — des Versidierungsnehtners vor Eintritt des Versidierungsfalls 11 — nach Eintritt des Versidierungsfalls 11 Operation, Unfall und —
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P Penslonsversicherung, Lauf der Frist zum Rücktritt wegen Verletzung der Anzeigepflicht. Stellung des Bezugsbereditigten 231 Pfändung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers aus einem Lebensversidierungsvertrag 188 Prämie, Herabsetzung der —, Auslegung des § 42 VVG. 133 Prämienreserve, Zur Erstattung der — bei arglistiger Täuschung des Versidierers durch den Versicherungsnehmer 193 Probefahrt, Zum Versicherungsschutz des Angestellten einer Ausbesserungswerkstatt bei Führerroitversidierung 128 ProzeBkoiten, Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung (§ 3 II 1) bezgl. — 22 R Repräsentantenhaftung ohne Bedeutung für den Eintritt des Versidierungsfalls 11 Röntgenstrahlen, Haftung der Versicherungsgesellschaft für Schaden, den der Versicherte bei einer von ihr angeordneten ärztlichen Untersuchung infolge Verbrennung durch -— erleidet 247 Rückständiger Beitrag, Zahlung des — n — s nadi Eintritt des Versidierungsfalls 77 — siehe audi Zahlungsverzug Rüdetritt wegen Verletzung der Anzeigepflidit bei der Lebensversicherung 231 S Sachschaden siehe Versicherungsschutz Schadens- und DedcungsprozeS, Einwendungen des Versicherers gegen Ver•icherungsschutzpflicht 145
327
Schadensereignis bei der Haftpflichtversicherung 167 —-. Versicherungsfall und — in der Haftpfliditversidierung. Begriff 174 Schadensersatz siehe Anrechnung Schadenersatzansprüche, Erfordernisse bei Geltendmachung von — n des Verletzten gegenüber dem Versidierungsnehmer 53 Schiedigutachten des Ärzteaussdiusses Vertragswidriges Verhalten des Versicherers 274 SdiluSvorsdiriften 321—323 Schuldnerverzug bei Nichtzahlung von Versicherungsbeiträgen durdi den Versicherer 296 Schußwaffe siehe Jäger Schütze siehe Jäger Selbstmord, Beweislast für das Vorliegen von — bei einer Lebens- und Unfalltodesvcrsidierung 212 Sittenwidriges Zusammenwirken von Versicherer und Versicherungsnehmer gegenüber Geschädigten 42 Sittenwidrigkeit, Nichtigkeit der Bezugsbereditigung wegen — . Unkenntnis des Versicherers 220 T Teilklage, Zur Wahrung der Klagfrist durdi — ->ei der Unfallversicherung 282
Testament, Anwendung der § 332 BGB. auf die Lebensversicherung 246 Testamentsvollstrecker, Obliegenheitsverletzung des — s im Sinne des § 6 II VVG. 103 Todesstrafe, Lebensversicherung bei Tod durdi Hinrichtung 23 5 Trennung, Zur Frage der — des Anhängers vom Kraftfahrzeug 100 „Typisdie" Willenserklärung, Begriff 17 U Übergang der Haftpflichtversicherung nach § 151 II W G . 42 —, Zum — der Haftpfliditversidierung eines Kraftwagenbesitzers auf den Erwerber des Wagens 74 — - der Haftpfliditversidierung auf die Erben des Versicherungsnehmers, Voraussetzungen 103 Umstellung der Kraftfahrzeug-Versicherungsverträge auf die Beitragssätze des Einheitstarifs 163
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Sachregister
Unfall, Beweislast und Beweisführung bei T o d durch — 2 4 0 — und Operation 262 — bei T o d durch Kohlenoxydgas 265 — , Zum Begriff des — s und der Unfallverletzung im Sinne der Besonderen Bedingungen für die UnfallZusatzversicherung 318 Unfallversicherung 2 4 7 — 3 2 1 Unfall-Zusatzverjicherung, Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 d der Allgemeinen —s-Bedingungen 315 — , Zum Begriff des Unfalls und der Unfallverletzung 318 Urudhenereignis im Sinne des § 1 der Allg. Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung 167 V Verbindlichkeit, Zur — des ärztlichen Schiedsgutachtens 274 Vererblichkeit der Haftpflichtversicherung 103 Vergiftung durch Gas und UnfallverSicherung 265 Verjährung, Beginn des Fristablaufs nach § 12 II V V G . 42 — , Beginn und Umfang der — bei der Haftpflichtversicherung 49 — . Beginn der — von Schadensersatzansprächen we;:cn Verzugs der Versicherers mit Zahlung der Vcrsicherungssumme 296 Verkchrsanwalt, Verantwortung des — s für die Prozeßführung 282 Verletzter siehe Ermächtigung Verpfändung der Rechte aus einer Lebensversicherung, Erfordernisse 202 — siehe auch Abtretung Verschweigen eines für den Versicherer einer Lebensversicherung wichtigen Umstandes 186 Versicherungsbeiträge siehe Verzug Versicherung!fall, Eintritt des — s bei Kraftwagen-Haftpflichtversicherung 53 — , Zahlung des rückständigen Beitrags nach Eintritt des — s 77 — nach Ableben des Versicherungsnehmers 103 — . Zum Begriff des — s bei der Haftpflichtversicherung im Rahmen des § 3 9 V V G . 133 — und Schadensereignis in der HaftPflichtversicherung, Begriff 174 — siehe auch Obliegenheitsverletzung und Wundinfektion
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Versicherungsschutz, Nachweis zur Geltendmachung des — e s gegen Haftpfliditansprüche 2 6 — , Umfang des — e s bei der Haftpflichtversicherung 4 9 — bei Zahlung des rückständigen Beitrags nach Eintritt des Versicherungsfalls 77 — ohne Rücksicht auf die Frage der Ersatzpflicht 95 — , wenn Sachschaden nicht dem V e r sicherungsnehmer entstanden ist 117 — bei Führermitversicherung 128 Verzug, Zum Versicherungsschutz bei mit der Beitragszahlung nach — Eintritt des Versicherungsfalls 77 — siehe auch Schuldnerverzug und Zahlungsverzug Vorredit, Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung als — e im Konkurs. § 80 V A G . 29 Vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls mit Todesfolge bei AbonnentenUnfallversicherung 269 w Widerruf der Bezugsberechtigung der Kinder aus einer Lebensversicherung zugunsten der zweiten Ehefrau 212 — der Bezugsberechtigung aus einer Lebensversicherung, Verzicht auf Zugehen des — s 202 — des Bezugsrechts siehe Arrestpfandgläubiger Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung 188 Willenserklärung siehe „Typische" — Wundinfektion, Zum Versicherungsfall bei — hervorgerufen durch V e r letzung vor Versicherungsbeginn 303
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Zahlungsverzug, Rechtsfolgen bei Schadensereignis während des — s des Versicherungsnehmers und Zahlung des rückständigen Beitrags noch vor Inanspruchnahme aus dem Haftpflichtfall 174 Zugmaschine siehe Anhänger Zurfickbehaltung, Zur — des Versicherers der von ihm geschuldeten Leistungen 8 3 Zusicherung einer Eigenschaft eine den Versicherungsschutz ausschließende Erweiterung der Haftpflicht? 117