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German Pages 58 [116] Year 1945
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Entscheidungen des Reichsgerichts. Herausgegeben von
den Mitgliedern deS Gerichtshofes und der Reichsanwaltschaft.
Entscheidungen des
Reichsgerichts in
Zivilsachen. 172. Band.
Walter de Gruyter & Co. vormals G.J. Göschen'sche Berlagshandlung — I. Guttentay, Verlags buchhandlung — Georg Reimer —- Karl I. Trübner — Bert & Comp.
___________________________V Die Bände der „Entscheidungen deS Reichsgerichts in Zivilsachen" gelangen z. Z. in vier Hefte« tm Umfang von je fieben Bogen znr Ausgabe. Gebundene Bände fowie Einbanddecken können erst «ach dem Kriege geliefert werden.
Inhalt Seite
Nr.
18. Verliert eine vor dem Inkrafttreten der Vierten Bereinfachungsverordnung vom 12. Januar 1943 eingelegte unselbständige Anschlußberufung auch nach dem Inkrafttreten der Verordnung ihre Wirkung, wenn die Be rufung zurückgenommen wird? Wie ist über die Anschließung zu ent scheiden? ............................................................................................. 19. Zur Frage der Rechtskraft, insbesondere, wenn auf verneinende Fest stellungsklage dahin erkannt ist, daß ein vom Beklagten behaupteter (höherer) Anspruch auch zu dem den Gegenstand des Feststellungsbegehrens bildenden geringeren Teile nicht bestehe. — Unter welchen Voraussetzun gen kann eine vor dem Inkrafttreten der Vierten Vereinfachungsverord nung beim Berufungsgericht eingegangene schriftsätzliche Erklärung, daß die Berufung zurückgenommen werde, trotz unterbliebener Zustellung des Schriftsatzes mit dem Inkrafttreten der genannten Verordnung und der in ihr enthaltenen Beseitigung des Zustellungserfordernisses wirksam werden?................................................................................................................... 20. Nach welchen Gesichtspunkten beurteilt sich die Zuweisung der gemeinsam für den ehelichen Haushalt gemieteten Wohnung an den einen oder an deren Ehegatten, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden worden ist? . . 21. Unter welchen Voraussetzungen kann ein der Umgangssprache entnom menes, einen Allgemeinbegriff wiedergebendes Wort („Fettchemie") in der Verwendung als Firmenbestandteil die Bedeutung eines für die Firma kennzeichnenden Schlagwortes erlangen? — Wie weit reicht der Namens schutz aus einem solchen zum Firmenkennzeichen gewordenen Allgemein begriff? ................................................................................................................... 22. Sind die Vorschriften der Grundstücksverkehrsverordnung vom 7. Juli 1942 auf einen Grundstückskaufvertrag anwendbar, von dem ein Teil vor dem Inkrafttreten der Verordnung rechtswirksam zurückgetreten war? — Wie ist die Abrede in einem im September 1941 geschlossenen Grundstücks kaufvertrag auszulegen, daß im Falle der Festsetzung eines niedrigeren Kaufpreises durck die Preisbehörde das Grundstück als zu diesem Preise verkauft gelten, der Verkäufer aber berechtigt sein solle, innerhalb einer Woche nach dem Bekanntwerden der niedrigeren Preisfestsetzung vom Ver trage zurückzutreten?......................................................................................... 23. Ist dem Erfordernisse der Berufungsbegründung genügt, wenn in der Berufungsschrrft dargetan ist, daß es zur Zeit unmöglich ist, eine dem § 518 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. entsprechende Begründung zu geben?.......................... 24. Besteht eine Haftung für Verschulden des Erfüllungsgehilfen nur gegen über dem Heistungsberechtigten oder auch gegenüber demjenigen, dessen sich dieser bei der Abwicklung des Geschäfts als Hilfskraft bedient? . . . 25. Kann der Erbe eines Grundbesitzes, an dem zur Ausführung eines Ver mächtnisses ein Nießbrauch bestellt worden ist, vom Nießbraucher verlan gen, daß er aus den Erträgnissen des Grundbesitzes die Zinsen und Kosten einer Hypothek bezahle, die zur Begleichung der den Erben treffenden Erb schaftsteuer auf dem Grundbesitz eingetragen werden soll?.......................... 26. Wird der Zuständigkeitsmangel geheilt, wenn eine Ehescheidungsklage bei dem erst- in zweiter Reihe zuständigen Gericht des gewöhnlichen Aufent haltsortes des Mannes erhoben wurde, obwohl die verklagte Ehefrau fich damals noch im Sprengel des Gerichts des letzten gemeinsamen Aufent halts aufhielt und erst während des Rechtsstreits ihren Aufenthalt in die sem Sprengel aufgab?......................................................................................... 27. Kann nach österreichischem Recht ein Verwalter nur für eine gemeinsame körperliche 'Sache oder auch für ein gemeinsames Unternehmen bestellt werden?.................................................................................................................. 28. Bestand bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Reichshaft pflichtgesetzes vom 15. August 1943 eine Gefährdungshaftuna für Schäden durch Explosion von Leuchtgas, das aus den in den Straßen liegenden Rohren ausgeströmt war? — Kann auf Grund von § 1 a Abs.4, § 7b des Anderungsgesetzes dann einem der Geschädigten ein Gefährdungs anspruch ganz versagt werden, wenn das außergewöhnliche Maß der Gas explosion auf die besonderen, von ihm zu vertretenden Verhältnisse des
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Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlages
18, Verliert eine vor dem Inkrafttreten der Vierten Vereinfachungsverordnung vom 12. Januar 1943 eingelegte unselbstän dige Anschlutzberufung auch nach dem Inkrafttreten der Verord nung ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen wird? Wie ist über die Anschließung zu entscheiden? ZPO. §§ 342, 515, 522, 542. Verordnung zur weiteren Verein fachung der bürgerlichen Rechtspflege (Vierte Vereinfachungs verordnung — 4. BereinfV.) vom 12. Januar 1943 (RGBl. IS. 7) § 4 Abs. 1, 4, 6, § 16 Abs. 2.
V. Zivilsenat. Urt. v. 22. Oktober 1943 i. S. G. (Kl.) w. R. (Bekl.). V 68/43. I. Landgericht Halberstadt. II. Oberlandesgericht Naumburg.
Durch Urteil des Landgerichts wurde der Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen Verletzung seiner Ehefrau auf Grund des § 845 BGB. eine Rente von vierteljährlich 60 RM. zu zahlen, während der Kläger mit seiner Mehrforderung abgewiesen wurde. Der Kläger legte rechtzeitig Berufung ein. Nach Ablauf der Berufungs frist schloß sich der Beklagte der Berufung an mit dem Antrag'auf gänzliche Abweisung der Klage. Durch Versäumnisurteil vom 15. Dezember 1942 änderte das Oberlandesgericht unter Zurück weisung der Berufung des Klägers auf die Anschlußberufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts ab und wies die Klage ganz ab. Der Kläger legte hiergegen frist- und formgerecht Einspruch ein und erklärte in der Einspruchsschrift, daß er seine Berufung zurücknehme. Dieser Schriftsatz ist laut Vermerk in den Gerichts akten am 30. Januar 1943 mit der Ladung zur mündlichen Ver handlung vom 2. März 1943 zur Zustellung gegeben worden. In dieser Verhandlung hat der Kläger seine Erklärung, daß er die Be rufung zurücknehme, wiederholt und beantragt, die Anschluß berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen. Der Beklagte hat der Zurücknahme der Berufung widersprochen. Seinem Antrag entsprechend hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil auf rechterhalten und die weiteren Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Auf die Revision des Klägers wurde die Anschluß berufung als unzulässig verworfen. Entsch. in Zivils. 172.
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Gründe: 1. Das Berufungsgericht meint, in der Zeit vor dem 1. Fe bruar 1943, dem Tage des Inkrafttretens der Vierten Bereinfachungsverordnung vom 12. Januar 1943, sei die Zurücknahme der Berufung, als der Kläger den Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt habe, nach § 515 ZPO. nicht mehr zulässig gewesen, weil der Berufungsbeklagte mit der Verlesung seines Anschluß berufungsantrags und dem zu dessen Begründung gehaltenen Sach vortrage mündlich verhandelt habe und deshalb ohne seine Ein willigung die Berufung nicht mehr wirksam habe zurückgenommen werden können. Dabei berücksichtigt das Berufungsgericht nicht die Vorschrift des § 342 mit § 542 ZPO., wonach der Rechtsstreit durch den Mässigen Einspruch in die Lage zurückversetzt worden ist, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befunden hatte. Nach dieser Vorschrift muß der Kläger so gestellt werden, wie er gestanden hätte, wenn er in der Sitzung vom 15. Dezember 1942 erschienen wäre. Der Umstand, daß der Beklagte, indem er Versäumnisurteil Beantragte und den Antrag begründete, mündlich verhandelt hat, kann nicht mehr zuungunsten des Klägers berücksichtigt werden, weil diese BerhaMung erst nach dem Eintritt der Säumnis des Klägers stattgefunden hat und die Wirkung des Verhandelns durch den Einspruch beseitigt worden ist. Der Kläger konnte also in der neuen Verhandlung alles das geltend machen, was er am 15. De zember 1942 hätte vorbringen können, wenn er zur Verhandlung erschienen wäre. Da er damals in der Lage gewesen wäre, seine Berufung alsbald ohne Einwilligung des Beklagten wirksam zurückzunehmen und damit die Anschlußberufung nach § 522 ZPO. unwirksam zu machen, konnte er dies auch noch bei oder nach Ein legung seines Einspruchs (vgl. die Entscheidung des erkennenden (früher VI.] Zivilsenats vom 30. September 1941, RGZ. Bd. 167 S. 293). Daß die Berufung vor dem 1. Februar 1943 rechtswirksam zurück genommen worden sei, will die Revision daraus entnehmen, daß die die Zurücknahme der Berufung aussprechende Einspruchsschrift vom 25. Januar 1943 nicht nur am 30. Januar 1943 von Amts wegen zur Zustellung an den Bellagten gegeben, sondern ihm auch schon am 25. Januar 1943 zu Händen seines Anwalts von Partei wegen zugestellt worden sei. Zum Beweise hierfür beruft sie sich auf die in den Handakten des Berufungsanwalts des Klägers be-
18. Unselbständige Anschlußberufung und 4. VereinfB.
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findliche Quittung des gegnerischen Anwalts vom 25. Januar 1943 über den Empfang der Einspruchs- und Berufungsrücknahmeschrist. Das dem Anwalt des Beklagten nach dieser Quittung zugegangene Schriftstück ist aber offenbar die bei dessen Handakten befindliche unbeglaubigte Abschrift, auf der sich eine Verfügung des Anwalts vom 26. Januar 1943 befindet. Der Mangel der Beglaubigung machte die Zustellung unwirksam; denn diese besteht nach § 170 Abs. 1 ZPO. in der Übergabe einer beglaubigten Abschrift des zu zustellenden Schriftstücks und das Fehlen des wesentlichen Erforder nisses der Beglaubigung machte die Zustellung unwirksam (vgl. RGZ. Bd. 99 S. 140). In der nächsten mündlichen Verhandlung vom 2. März 1943 hat der Beklagte den Mangel zwar nicht gerügt, obwohl er ihm bekannt sein mußte; gleichwohl hat er dadurch nicht das Rügerecht nach § 295 Abs. 1 ZPO. verloren, weil in der Verhandlung nicht auf die Zustellung Bezug genommen worden ist. Die Revision ist der Ansicht, daß nach § 187 ZPO. in der Fassung der Zustellungsverordnung vom 9. Oktober 1940 (RGBl. IS. 1340) auch die Zustellung einer unbeglaubigten Abschrift der Rücknahmeerklärung als rechtswirksam angesehen werden könne. Ob das richtig ist oder ob bei; neue § 187 zwar gestattet, über Mängel der Zustellung eines Schriftstücks hinwegzusehen, aber nichts daran ändert, daß das zu übergebende Schriftstück nach § 170 ZPO. entweder eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift sein muß, kann dahin gestellt bleiben. Kenn auf jeden Fall ist die Berufung, wenn nicht vor, dann nach dem Inkrafttreten der Vierten Vereinfachungs verordnung wirksam zurückgenommen worden, und zwar durch Er klärung in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 1943. 2. Das Berufungsgericht meint, nach § 532 Abs. 4 ZPO. in der Fassung der Vierten Vereinfachungsverordnung, die eine Anschlußberufung nicht mehr kenne, sei dem Berufungsbellagten nur das Recht eingeräumt, vor Ablauf der Berufungsftist die nach Abs. 1 bis 3 das. zulässigen Anträge zu stellen; ein solcher Antrag gelte als nicht gestellt, wenn die Berufung zurückgenommen werde. Dabei verstehe es sich von selbst, daß die Zurücknahme wirksam, d. h. mit Einwilligung des Berufungsbellagten, geschehen sein müsse. Daß das Recht zur Stellung jener Anträge dem Berufungsbellagten nm für die Zeit vor Ablauf der Berufungsfrist eingeräumt sein soll, ist aber aus dem Gesetz nicht zu entnehmen; in dem an gefochtenen Urteil findet sich auch keine Begründung für diese Aus-
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legung. Ebenso ist unerfindlich, weshalb die Zurücknahme der Be rufung der Einwilligung des Berufungsbeklagten bedurft haben sollte. Nach § 515 Abs. 1 ZPO. in der neuen Fassung kann die Berufung grundsätzlich bis zum Schluffe der mündlichen Verhand lung ohne Einwilligung des Berufungsbeklagten zurückgenommen werden. Seiner Einwilligung bedarf es nur dann, wenn er einen neuen Antrag gemäß § 532 Abs. 4 gestellt hat, d. i. einen der in § 532 Abs. 1 allein zugelassenen Anträge (Änderung des Klageantrags nach Maßgabe des § 268 Nr. 3, d. i., wenn statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Ver änderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird, oder Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage). Einen solchen Antrag hat der Berufungsbeklagte aber nicht gestellt. Mso konnte der Kläger die Berufung bis zum Schluffe der müMichen Verhandlung ohne Einwilligung des Gegners zmücknehmen. Auch die Folgerungen, die das Berufungsgericht aus der Über gangsbestimmung des § 16 Abs. 2 4. BereinfB. gezogen hat, sind verfehlt. Dieser Absatz 2 bestimmt nicht nur in seinem Satz 1, daß ein vor dem 1. Februar 1943 eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sondern er sagt im Satz 2 weiter, daß auf eine vor dem 1. Februar 1943 eingelegte Berufung oder Anschlußberufung die Vorschriften des bisherigen § 519 Abs. 1 bis 5 und der bisherigen §§ 522,522a ZPO. weiterhin anzuwenden sind mit der — hier nicht in Frage kommenden — Maßgabe, daß für die Erweiterung der Berufungsanträge § 519 ZPO. gilt. Danach war auf die Anschluß berufung des Beklagten auch nach dem Inkrafttreten der Vierten Bereinfachungsverordnung die Vorschrift des bisherigen § 522 ZPO. weiterhin anzuwenden, wonach die Anschließung ihre Wirkung ver liert, wenn die Berufung zurückgenommen wird. Da, wie schon ausgeführt wmde, die Berufung seit dem 1. Februar 1943 bis zum Schluffe der mündlichen Verhandlung ohne EinwMgung des Berufungsbeklagten zurückgenommen werden konnte, hat also jedenfalls durch die in der Verhandlung vom 2. März 1943 erklärte Zurücknahme der Berufung die Anschließung ihre Wirkung ver loren. Die Folge des nachträglich eingetretenen Verlustes der Wirkung der Anschließung ist gewesen, daß der mit der Anschließung verfolgte Antrag nicht mehr gestellt werden konnte, d. h. unzulässig geworden ist. Die Ansicht der Revisionsbeantwortung, daß das nachträgliche
Wirkungsloswerden der Anschließung diese nicht unzulässig machen könne/ da sich nach RGZ. Bd. 168 S. 355 die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, also auch die einer Anschließung, nur nach dem Zeit punkte der Einlegung richte, trifft nicht zu. Wie die Berufung nicht nur, wenn sie überhaupt nicht statthaft war, sondern auch dann, wenn sie an sich zulässig war, aber nicht in der gesetzlichen Frist und Form begründet worden ist, nach § 519b ZPO. als unzulässig verworfen werden muß, so ist auch die Anschlußberufung als unzu lässig zu verwerfen, wenn eines der Erfordernisse einer wirksamen Anschlußberufung, das Vorhandensein einer Berufung, durch deren Zmücknahme wegfällt. Auch die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 10. Dezember 1941 (RGZ. Bd. 168 S. 355) kann die Revisions beantwortung nicht für ihre gegenteilige Auffassung anführen, da diese Entscheidung überhaupt nicht die Frage der Zulässigkeit einer Anschlußberufung und des Verlustes ihrer Wirkung, sondern nur die Frage betrifft, ob die nachträgliche Verminderung des Beschwerde gegenstandes ein Rechtsmittel nachträglich unzulässig machen könne, eine Frage, die bei der Unabhängigkeit der Anschließung von einer Rechtsmittelsumme für die Zulässigkeit der Anschließung ohne Be deutung ist. Der Gedanke des Berufungsgerichts und der Revisionsbeant wortung, es sei anzunehmen, daß die Vierte Vereinfachungsverord nung den Anschlußberufungskläger nicht habe schlechter stellen wollen als bisher, ist schon deshalb unzutreffend, weil nach den Ausfüh rungen unter 1 auch nach den bisherigen Vorschriften die Anschluß berufung durch die Zurücknahme der Berufung ihre Wirkung ver loren hat. Eine Auslegung der Übergangsbestimmung, die eine vor dem 1. Februar 1943 eingelegte sogenannte unselbständige An schlußberufung von der Anwendbarkeit des § 522 Äbs. 1 ZPO. be freien würde, würde der grundsätzlichen Einstellung der Verordnung, welche die Anschließung an ein Rechtsmittel ganz beseitigt und die Möglichkeit der Zurücknahme eines Rechtsmittels erheblich erweitert, völlig widersprechen. Die Revisionsbeantwortung meint schließlich, mangels Antrags des Klägers stehe rechtskräftig fest, daß die Berufung unbegründet gewesen sei, und darin liege zugleich mit Denknotwendigkeit der Ausdruck, daß sie nicht wirksam zurückgenommen worden sei. Mer auch dem kann nicht gefolgt werden. Die angefochtene Entscheidung
selbst hat nur das Versäumnisurteil aufrechterhalten und damit er neut unter Zmückweisung der Berufung des Klägers auf die An schlußberufung des Beklagten in Abändemng des Urteils des Land gerichts die Klage ganz abgewiesen; sie hat aber nicht etwa fest gestellt, daß die Berufung nicht wirksam zurückgenommen worden sei. Die nur in den Entscheidungsgründen enthaltenen rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen erlangen keine Rechtskraft, auch wenn die darauf beruhende Entscheidung rechtskräftig wird. Im vorliegenden Fall ist nur ein Teil der auf jener Annahme beruhenden Entscheidung rechtskräftig geworden, nämlich die Zurückweisung der Berufung des Klägers; denn dieser hat insoweit keine Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt. Aber auch der Teil der Ent scheidung, den der Kläger mit der Revision angefochten hat, nämlich die gänzliche Abweisung der Klage auf die Anschlußberufung hin, beruhte auf der Annahme des Bemfungsgerichts, daß die Berufung nicht wirksam zurückgenommen sei, und da dieser Teil der Ent scheidung mit der Revision angefochten worden ist, unterlagen die gesamten diesem Teile zugrunde liegenden Entscheidungsgründe der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.
IS. 1. Zur Frage der Rechtskraft, insbesondere, wenn auf ver neinende Feststellungsklage dahin erkannt ist, daß eilt vom Be klagten behaupteter^ (höherer) Anspruch auch zu dem den Gegen stand des Feststellungsbegehrens bildenden geringeren Teile nicht bestehe. 2. Unter welchen Voraussetzungen kann eine vor dem In krafttreten der Vierten Bereinsachungsverordnung beim Be rufungsgericht eingegangene schriftsätzliche Erklärung, daß die Berufung zurückgenommen werde, trotz unterbliebener Zustellung des Schriftsatzes mit dem Inkrafttreten der genannten Verord nung und der in ihr enthaltenen Beseitigung des Zustellungs erfordernisses wirksam werden? ZPO. §§ 322, 515. Großer Senat für Zivilsachen. Beschl. v. 30. Ok tober 1943 i. S. Fürst z. L. (Kl.) w. Fritz Th. (Bekl.). GSE 7/43.
Der Sachverhalt und die Entscheidung ergeben sich aus den
Gründen: Der Kläger verkaufte im Jahre 1921 die ihm gehörigen Ritter güter A. und N. an den Beklagten. Gleichzeitig gründete er mit diesem eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wobei er sich ver pflichtete, zur Erfüllung seiner auf 950 000 M. festgesetzten Stamm einlage das ihm gleichfalls gehörige Rittergut G. einzubringen. Die Grundstücke wurden alsbald an den Beklagten und die GmbH, aufgelassen und der Eigentumsübergang im Grundbuch verlautbart. Im Zusammenhänge hiermit kam es zum Abschluß mehrerer Ver träge, durch die der Kläger dem Beklagten ein Recht auf Abtretung seines Geschäftsanteils eimäumte, während er selbst wegen des dafür zu entrichtenden Entgelts durch treuhänderische Hinterlegung eines auf 9 500 000 M. lautenden abstrakten Schuldversprechens der A.-Th.-Hütte sichergestellt wmde. Am 17. April 1923 wurden die zuletzt erwähnten Verpflichtungen in der Weise abgelöst, daß der Bruder des Beklagten, Dr. Heinrich Th., den Geschäftsanteil des Klägers erwarb, dieser hingegen sich gegen Zahlung eines Be trags von 60 000 holl. Gulden wegen aller seiner Ansprüche für befriedigt erklärte. Am 20. Februar 1924 wurde ein weiterer Ver gleich zwischen der GmbH., dem Beklagten und seinem Bruder einerseits, dem Kläger andererseits geschlossen, auf Grund dessen dieser von den Brüdern Th. nochmals 60 000 RM. erhielt. Dabei wurde erneut ausgesprochen, daß damit sämtliche Ansprüche der Beteiligten gegeneinander abgegolten seien. Nach einem vergeblich gebliebenen Versuch, mittels Klage die Nichtigkeit des Gesellschaftsgründungsvertrags feststellen zu lassen, verlangte der Kläger mit einer weiteren, im April 1931 er hobenen Klage Bermteilung des Bellagten zur Zahlung von 10 000 RM. nebst Zinsen als Teilbeträgen weit höherer Ansprüche. Er begründete die Klage damit, alle urkundlich festgelegten Verträge seien nicht ernst gemeint gewesen und hätten nur den in Wahrheit gewollten Verkauf der drei Güter an den Beklagten zu einem schließlich vereinbarten Preise von 14 250 000 M. verdecken sollen. Da deshalb die Verträge und ebenso auch der durch sie verdeckte mündliche Kaufvertrag nichtig seien, sei der Bellagte nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zur Herausgabe des eingetretenen Bermögenszuwachses verpflichtet. Sei aber das
urkundliche Vertragswerk gültig, so treffe den Beklagten als den eigentlichen Erwerber des Geschäftsanteils die Verpflichtung, an den Kläger die vereinbarte Gegenleistung von 9 500 000 M- zu zahlen. Da diese durch die bisherigen Leistungen nur unvoll kommen erbracht worden sei, habe er seine Schuld aufzuwerten. Auch der Tatbestand der unerlaubten Handlung sei gegeben. Der Beklagte erhob Widerklage mit dem Antrag auf Feststellung, daß dem Kläger ein Anspruch in Höhe von 300 000 RMnicht zustehe. Das Landgericht in D. wies die Klage durch Urteil vom 18. Dezember 1931 (3 0 341/31) ab und gab der Widerklage unter deren Abweisung im übrigen in Höhe von 290000 RM. statt. Berufung und Revision des Klägers blieben erfolglos. Mit Klage vom 9. September 1941 machte der Kläger erneut Ansprüche gegen den Beklagten geltend. Er vertrat nunmehr den Standpunkt, zwischen ihm und dem Beklagten habe von Anfang an Einverständnis darüber geherrscht, daß dieser die drei Güter zum Preise von 14 250 000 M. kaufe, hierauf, wie geschehen, 4 750 000 M. zahle und die restlichen 9 500 000 M. gegen Verzinsung zunächst unbeglichen lasse, bis er ein dem Kläger zusagendes kleineres Gut finde und ihm übereigne. Alles, was urkundlich festgelegt worden sei, sei nur zum Scheine geschehen und habe lediglich der Erfüllung des mündlich Vereinbarten dienen sollen. Danach sei der Be klagte Schuldner des Restkaufgeldes und habe es aufzuwerten. Auf den Aufwertungsbetrag, der sich nach § 15 des Gesetzes über die Ver zinsung aufgewerteter Hypotheken usw, vom 9. Juli 1927 (RGBl. I S. 171) auf 1276800 RM. belaufe, seien die bisherigen Zahlungen von 60 000 holl. Gulden--96 000 RM. und 60000RM. anzu rechnen. Ebenso hoch wie der danach noch offene Aufwertungs betrag sei der Schaden, für den der Beklagte nach §§ 823,826 BGB. zu haften habe, weil er die Notlage des Klägers ausgenutzt habe, um sich auf dessen Kosten zu bereichern. Zum mindesten habe der Beklagte nach den Grundsätzen über ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er auf Grund der als nichtig anzusehenden Rechtsgeschäfte erlangt habe. Das sei der Wert der Nutzungen, die er aus den Gütern gezogen habe, sowie der bei ihrem Weiterverkauf erzielte Erlös von 871206 RM. nebst den darauf gezahlten Zinsen. Der Kläger beantragte demgemäß unter Geltendmachung eines Teilbetrags der von ihm behaupteten Ansprüche, den Beklagten
zur Zahlung von 300 000 RM. nebst 5 v. H. Zinsen seit dem 1. Ja nuar 1927 zu verurteilen. Der Beklagte, der sich außer Landes befindet und dessen Aufenthalt unbekannt ist, war zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in D. durch öffentliche Zustellung ordnungsmäßig geladen worden, aber nicht erschienen und auch nicht vertreten. Sein Vermögen ist durch Verfügung des Regierungspräsidenten vom 11. Dezember 1939 auf Grund des Gesetzes über die Ein ziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 (RGBl. I S. 293) in Verb, mit § 1 der Verordnung des Preuß. Ministers des Innern zur Durchführung dieses Gesetzes vom 31. Mai 1933 (Pr. GS. Nr. 207) und des Gesetzes über die Einziehung Volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 479) zugunsten des Preußischen Staates eingezogen worden. Er selbst ist durch Bekanntmachung des Reichsministers des Innern vom 4. Februar 1940 der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig er klärt worden. Der Kläger beantragte Bersäumnisurteil. Das Land gericht verurteilte den Beklagten durch Versäumnisurteil vom 27. Januar 1942 zur Zahlung von 268 800 RM. nebst Zinsen; mit der Mehrforderung wies es den Kläger ab. .Es hielt nach dem gemäß §331 ZPO. als zugestanden anzunehmenden Klagevor bringen den Klageanspruch unter dem Gesichtspunkte der Auf wertung des Restkaufpreises aus einem zwar formungültigen, aber durch Auflassung und Eintragung geheilten mündlichen Kauf verträge der Parteien von Anfang November 1921 dem Grunde nach für gerechtfertigt, erachtete aber eine Aufwertung des in Höhe von 44 800 GM. als ungetilgt anzusehenden Restkaufpreises nach § 242 BGB. nur zu dem zuerkannten Betrage für begründet. Mit der danach gegebenen Befähigung seines Bertragsanspruchs bleibe,
so führte es weiter aus, für einen Anspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung kein Raum. Für eine weitergehende Haftung des Beklagten aus §§823, 826 BGB. habe der Kläger nichts Ausreichendes dargetan. Das Urteil ist, soweit zuungunsten des Beklagten lautend, mit dem Ablaufe des 17. März 1942 rechtskräftig geworden. Der Kläger hat gegen den klageabweisenden Teil des Urteils Berufung ein gelegt, aber mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1942, beim Berufungs gerichten: gleichen Tage eingegangen, erklärt, daß er die Berufung Mrücknehme. Eine Zustellung dieses Schriftsatzes an den Beklagten
ist unterblieben, nachdem der Kläger erklärt hatte, daß er von einem Antrag auf öffentliche Zustellung absehe. Der Oberreichsanwalt hat am 23. Februar 1943 die Wieder aufnahme des Verfahrens gemäß § 2 des Gesetzes vom 15. Juli 1941 beantragt, soweit der Klage durch Versäümnisurteil stattgegeben worden ist. Er hält die Entscheidung des Landgerichts in diesem Umfange für umichtig, weil die Forderung, die dem Kläger zu gesprochen werde, ihm durch das in der Sache 3 0 341/31 des Land gerichts D. ergangene Urteil vom 18. Dezember 1931 bereits rechts kräftig aberkannt worden sei. Der Antrag des Oberreichsanwalts ist zulässig und auch sachlich -begründet. Das Urteil des Landgerichts D. vom 27. Januar 1942 wäre in seinem vom Oberreichsanwalt beanstandeten Teil in der Tat un richtig, wenn ihm die sachliche Rechtskraft einer früheren, denselben Streitgegenstand betreffenden Entscheidung entgegenstände. Ob dem Gericht schon daraus ein Vorwurf zu machen ist, daß es nicht von sich aus der Frage nach dem Vorhandensein einer solchen Entscheidung nachgegangen ist, oder ob es mangels eines hierauf hinweisenden Vortrags des Klägers diesen Punkt beiseite lassen durfte, kann unerörtert bleiben. Auch wenn sein Urteil insoweit keinem Bedenken unterläge, käme es für das außerordentliche Wiederaufnahmeverfahren nur darauf an, ob es nach dem jetzt feststehenden Sachverhalt eine Fehlentscheidung darstellt, deren Beseitigung geboten ist (vgl. RGZ. Bd. 169 S. 145). Ebensowenig schlösse der Umstand, daß nach dem Erlasse des Urteils des Land gerichts D. vom 18. Dezember 1931 das Vermögen des Beklagten eingezogen und er selbst der deutschen Staatsangehörigkeit für ver lustig erklärt worden ist, eine Berücksichtigung der Rechtskraft wirkung jener Entscheidung aus. Diese Maßnahmen lassen die Sach befugnis des Beklagten unberührt und hindern nicht, dem Kläger die Rechtskraft der früheren Entscheidung entgegenzuhalten. Nach § 322 ZPO. reicht die Rechtskraft so weit, wie über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch ent schieden worden ist. Der zweite Richter ist durch die frühere Ent scheidung gebunden, soweit durch sie eine bestimmte Rechtsfolge aus einem bestimmten Tatbestände bejaht oder verneint worden ist. Das ist, wie unbedenklich angenommen werden kann, hier insofern der Fall, als im Urteil des Landgerichts D. vom 18. Dezember 1931 ebenso wie in der jetzt beanstandeten Entscheidung über Ansprüche
erkannt worden ist, die der Kläger mit der Pflicht des Beklagten zm Aufwertung von Verbindlichkeiten aus dem Erwerbe des Gutes G., Hilfsweise, aus ungerechtfertigter Bereicherung des Beklagten und seiner Haftung aus unerlaubter Handlung begründet. Die beiden zuletzt genannten Klagegründe können für die Frage der Rechtskraftwirkung außer Betracht bleiben, da beide Urteile überein stimmend davon ausgehen, daß sich daraus keine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ergebe. Hinsichtlich des auf Auf wertung vertraglicher Ansprüche gestützten Klagebegehrens ist der Gegenstand beider Entscheidungen derselbe. Zwar hatte der Kläger im früheren Verfahren seine Aufwertungsforderung damit be gründet, daß Käufer des von ihm veräußerten Geschäftsanteils in Wahrheit nicht Dr. Heinrich Th., sondern der Beklagte gewesen sei, daß dieser ihm also auch die Gegenleistung in Höhe von 9 500 000 M. schulde und sie, da sie bisher nur unvollkommen getilgt worden sei, aufzuwerten habe. Demgemäß hat damals auch das Berufungs gericht zm Frage der Aufwertung nur auf dieser Grundlage Stellung genommen und unter Billigung des Reichsgerichts das Bestehen einer Aufwertungsverpflichtung des Beklagten verneint, weil dieser nicht Schuldner des Entgelts für den von seinem Bruder erworbenen Geschäftsanteil geworden sei. Im späteren Rechtsstreit hat der Kläger seine Aufwertungsforderung dmauf gestützt, daß der zwischen ihm und dem Beklagten geschlossene, formungültige Kaufvertrag über das Rittergut G. durch dessen Auflassung an die GmbH, und ihre Eintragung in das Grundbuch nach § 313 Satz 2 BGB. geheilt worden sei und der Bellagte aus diesem Grunde für die ihm obliegende Leistung des auf 9 500 000 M. bemessenen Kauf preises einzustehen habe. Er hat also hierbei für seinen Aufwertungs anspruch nicht, wie früher, auf das Entgelt für den von ihm ver äußerten Geschäftsanteil, sondern auf die Kaufpreisschuld des Be klagten aus dem Gutserwerb abgestellt und das vom Oberreichs anwalt angegriffene Versäumnisurteil ist auf dieser Grundlage er gangen. Das bedeutet jedoch nicht, daß der Gegenstand der beiden Entscheidungen dem Grunde nach verschieden wäre. Der tragende Gedanke für das Aufwertungsbegehren des Klägers war im einen wie im anderen Falle, daß das urkundliche Bertragswerk nicht den wirklichen Willen der Betelligten wiedergebe, daß dadurch vielmehr nur habe verschleiert werden sollen, was zwischen dem Kläger und dem Beklagten mündlich verabredet worden sei. Danach habe
in Wahrheit letzterer Träger aller Rechte und Verbindlichkeiten sein ollen, die aus dem Erwerbe der drei Güter gegenüber dem Ver äußerer erwuchsen; er sei insbesondere Schuldner des Klägers ge worden, soweit es sich um den zunächst unberichtigt gelassenen Kauf preis von 9 500 000 M. für das Rittergut G. gehandelt habe. Dabei war es vom Standpunkte des Klägers aus ohne Belang, in welcher Gestalt diese Verpflichtung des Beklagten nach außen in die Er scheinung trat. Mochte sie sich hinter dem von der A.-Th.-Hütte ab gegebenen abstrakten Schuldversprechen verbergen oder in die Form eines von Dr. Heinrich Th. geschuldeten Entgelts für den ihm überlassenen Geschäftsanteil gekleidet worden sein, so lag dem allen nach Auffassung des Klägers doch immer nur das Bestreben der Beteiligten zugrunde, eine tatsächlich nur den Beklagten treffende Verbindlichkeit aus dem Gutskauf ins Leben zu rufen. Auf sie allein griff der Kläger zurück, wenn er den Beklagten in Anspruch nahm. Sowohl die von ihm im früheren Rechtsstreit verlangte Auf wertung des Entgelts für die Abtretung des Geschäftsanteils als auch seine im späteren Verfahren vvrgebrachte Behauptung, der Beklagte hafte aus unmittelbarer Vertragspflicht, hatten als tat sächliche und rechtliche Grundlage die Annahme gemeinsam, daß das urkundlich Niedergelegte nichtig und in Wirklichkeit der Be klagte als Käufer des Gutes G. berechtigt und verpflichtet sei. Auf dieser Grundlage sind auch die beiden Urteile ergangen. Ihren Gegenstand bildet übereinstimmend eine Aufwertungsforderung des Klägers aus der vertraglichen Verpflichtung des Beklagten zur Ent richtung des restlichen Kaufpreises für das Gut G., mag sie als Anspruch auf das Entgelt für die Abtretung des Geschäftsanteils oder unter einem sonstigen Rechtsgrund erhoben und von den Ge richten gewürdigt worden sein. Im früheren Urteil war Gegenstand der Entscheidung eine Forderung dtzs Klägers von 10 000 RM. als Teil eines weit höheren, auf mindestens 1 Million RM. bezifferten Anspruchs, dessen sich der Kläger rühmte, und ein weiterer Betrag von 290 000 RM. auf Grund eines vom Beklagten im Wege der Widerklage begehrten Ausspruches dahin, daß der vom Kläger behauptete Anspruch auch in Höhe von 300 000 RM. nicht bestehe. Mit der Abweisung der Klage und der Feststellung im Sinne der Widerklage hinsichtlich eines über den Klageanspruch hinausgehenden Betrags von 290 000 RM. hatte das Landgericht ausgesprochen, daß eine Ver-
Kindlichkeit des Beklagten gegenüber dem Kläger aus den von diesem angeführten Rechtsgründen auch nur in Höhe von 300 000 RM. nicht gegeben sei. Auf diesen Betrag beschränkt sich die Rechtskraft seiner Entscheidung. Diese konnte freilich nicht ergehen, ohne daß damit zugleich das Bestehen einer Forderung des Klägers überhaupt verneint, dem von ihm geltend gemachten Sachverhalt also die Fähigkeit, einen Anspruch der behaupteten "Art zu begründen, schlechthin abgesprochen wurde. Aus dieser denkgesetzlichen Notwendigkeit folgt indessen nicht, daß auch sie an der Rechtskraft teil nähme. Das liefe dem klaren Wortlaute des § 322 Abs. 1 ZPO. zuwider, der den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch nur insoweit der Rechtskraft unterstellt, als über ihn entschieden ist (vgl. RGZ. Bd. 120 S. 317; IW. 1931 S. 2401 Nr. 8). Dies gilt nicht nur gegenüber einer auf einen Teilbetrag beschränkten Leistungs- oder bejahenden Feststellungsklage des Gläubigers, sondern ebenso für das Urteil, das einer nur einen Forderungsteil betreffenden verneinende Feststellungsklage des Schuldners stattgibt; die darin liegende Aberkennung des zm Entscheidung gestellten Teils ent hält nicht auch einen der Rechtskraft fähigen Ausspruch im Sinne des § 322 ZPO. über die Forderung im ganzen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die verneinende Teilfeststellungswiderklage mangels eines rechtlichen Interesses nicht schon deshalb abzuweisen gewesen wäre, weil dem Beklagten mit der begehrten Feststellung eben wegen ihrer nur beschränkten Folge von vornherein nicht gedient sein konnte. An der Rechtskraftwirkung der gleichwohl ergangenen sachlichen Entscheidung wird dadurch nichts geändert. Brachte der Kläger seine Aufwertungsforderung erneut zu richterlicher Entscheidung, so konnte er der Rechtskraftwirkung des früheren Urteils nur entgehen, wenn ihm ein Anspruch zustand, der den ihm rechtskräftig bereits aberkannten Betrag von 300 000 RM. überstieg. Da er sein Aufwertungsguthaben auf über 1 Million RM. bezifferte, ergab sein erneutes, auf 300 000 RM. beschränktes Klage begehren ohne weiteres auch bei Berücksichtigung der vergleichs weise erfolgten Zahlungen die Möglichkeit eines dahin gehenden Er kenntnisses; ihm konnte im Rahmen der behaupteten Gesamtforde rung ein Betrag von 300 000 RM. oder weniger auch dann noch zustehen, wenn sein Aufwertungsanspruch infolge der früheren rechtskräftigen Teilabweisung in Höhe von 300 000 RM. als schon erledigt zu gelten hatte. Es zwingt nichts zu der Annahme, daß er
126 19. Verneinende Feststellung. Rechtskraft. Berufungsrücknahme.
mit der späteren Klage gerade nur den Tell seiner Gesamtforderung habe geltend machen wollen, mit dem er im früheren Rechtsstreit bereits abgewiesen worden war. Das Landgericht durste deshalb dem Klagebegehren auch nicht zu einem Teile stattgeben, ohne zu prüfen, wie es sich mit der Rechtskraft der früheren Entscheidung verhalte. Nm wenn es zu dem Ergebnis gelangte, daß sich der Aufwertungsanspruch des Klägers auf über 300 000 RM. belaufe, konnte es den Beklagten zu einer Zahlung verurteilen. Der hierin liegende Mangel des beanstandeten Urteils nötigt zu dessen Auf hebung und zur Zurückverweisung der Sache. Das Landgericht wird unter Beachtung der Rechtskraft der früheren Entscheidung anderweit zu erwägen haben, ob der Kläger noch einen Anspruch gegen den Beklagten hat. Dabei braucht es sich an einer erneuten Stellungnahme auch zur Höhe der Aufwertung nicht dadurch ge hindert zu fühlen, daß der Kläger seine Bemfung gegen den klage abweisenden Tell des beanstandeten Urtells mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1942 zurückgenommen hat. Denn dieser Schriftsatz ist ausweislich der Akten dem Beklagten nicht zugestellt worden, die Rücknahmeerklärung also nach §515 ZPO. in der damals noch geltenden Fassung unwirksam geblieben. Ob sie der Kläger ent sprechend der nunmehrigen, auf § 4 der 4. Vereinfachungsverordnung vom 12. Januar 1943 (RGBl. I S. 7) beruhenden Änderung des § 515 ZPO. als dem Gericht gegenüber abgegeben und damit wirk sam geworden gelten lassen will, kann ohne seine nochmalige Äuße rung nicht entschieden werden. Die Frage läßt sich schon deshalb nicht ohne weiteres bejahen, weil er früher auf Befragen die Stellung eines Antrags auf öffentliche Zustellung des Rücknahmeschriftsatzes ausdrücklich abgelehnt, damit also zum Ausdruck gebracht hat, daß er die Rücknahme nicht wirksam werden lassen wolle. Sollte sich ergeben, daß der klageabweisende Teil des beanstandeten Urteils rechtskräftig geworden ist, so wäre auch dies für die weitere Ent scheidung zu beachten, eine Forderung im Sinne der Klage mithin nur zuzusprechen, wenn auch nach Abzug dieses Betrags und Be rücksichtigung der vergleichsweise erfolgten Zahlungen ein Auf wertungsguthaben des Klägers übrigbliebe.
20. Rach welchen Gesichtspunkten beurteilt sich die Zuweisung der gemeinsam für de« ehelichen Haushalt gemieteten Wohnung an den einen oder anderen Ehegatten, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden worden ist? BGB. §§ 242,1353 flg.
Großer Senat für Zivilsachen. Beschl. v. 30. Ok tober 1943 i. S. G. (Kl.) w. H. (Bekl.). GSE 31/43. Der Sachverhalt und die Entscheidung ,ergeben sich aus den Gründen:
Die Parteien waren seit dem Jahre 1935 miteinander ver heiratet. Sie hatten in B. gemeinsam eine aus Stube und Küche bestehende Wohnung gemietet. Im Februar 1940 wurde der Mann zur Wehrmacht eingezogen. Während seiner Abwesenheit beging die Frau Ehebruch. Die Ehe der Parteien wurde auf die Widerklage des Mannes nach § 49 EheG, am 27. Mai 1942 geschieden und die Frau für alleinschuldig erklärt. Nach der Scheidung bewohnte die Beklagte mit ihrem aus dem Ehebruch stammenden Kinde die gemeinsam gemieteten Räume weiter; sie nahm auch den Ehebrecher in die Wohnung auf. Der Mann klagte gegen seine frühere Frau auf Räumung der Wohnung mit der Begründung, ihm könne nicht zugemutet werden, mit der Beklagten und ihrem Liebhaber bei Rückkehr aus dem Felde oder bei Urlaub die Wohnung zu teilen. Während das Amtsgericht die Beklagte zur Räumung verurteilte, wies das Landgericht durch das beanstandete Urteil auf die Berufung der Frau die Klage ab. Die Entscheidung des Landgerichts enthält im Einverständnis beider Parteien keine Begründung. Der Wiederaufnahmeantrag des Oberreichsanwalts ist be gründet. Die Gemeinschaft der Ehegatten hinsichtlich der für den ehelichen Haushalt gemieteten Wohnung ist nicht schuldrechtlicher, sondern nach Grundlage und Inhalt familienrechtlicher Art. Sie besteht ohne Rücksicht darauf, ob der Vertrag mit dem Vermieter von dem einen Ehegatten allein oder von beiden abgeschlossen ist. Mit der Auflösung der Ehe hat diese Gemeinschaft begrifflich ihr Ende gefunden. Ein von dem einen, oder dem anderen Ehegatten erzwungener Fortbestand der Gemeinschaft kommt als dem gesunden
Bolksempfinden und allen praktischen Bedürfnissen widersprechend nicht in Frage; es ginge nicht an, wie es in der Rechtsprechung ver einzelt geschehen ist, das Auseinandersetzungsbegehren mangels aus drücklich einschlägiger Gesetzesbestimmungen abzuweisen. Ebenso fehlsam erscheint aber auch der Versuch, die Auseinandersetzung schuldrechtlichen Teilungsgrundsätzen zu unterstellen mit dem Er gebnis, daß mangels Verständigung über eine andere Art der Lösung nunmehr eine Verwertung des gemeinschaftlichen Rechts auf gemeinsame Rechnung beider Ehegatten Platz zu greifen hätte; denn mit einer solchen Lösung wäre weder dem einen noch dem anderen Ehegatten wirtschaftlich irgendwie gedient. Es kommt daher als begrifflich einzige Lösung des Widerstreits die Zuweisung der Wohnung an den einen der Ehegatten, und zwar an denjenigen in Betracht, der sich bei einer alle Umstände des Einzelfalles berück sichtigenden Billigkeitserwägung sowohl unter ideellen als auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten als der näher berechtigte erweist. Dabei sind als die wichtigsten Umstände einerseits die zu berück sichtigen, die zur Lösung der Ehe geführt haben, insbesondere also die Schuldfrage, und andererseits die Bedürfnislage der Ehegatten, namentlich desjenigen, in dessen Betreuung die der bisherigen Familiengemeinschaft angehörenden Kinder verbleiben. Darüber, daß die Abwägung der Verhältnisse vorliegend zu gunsten des Mannes gehen muß, kann kein Zweifel bestehen. Der treulosen Ehefrau mitsamt dem Ehebrecher und dem aus dem Ehe bruch hervorgegangenen Kinde weichen zu müssen, würde für den im Felde seine vaterländische Pflicht erfüllenden Mann eine schlechterdings unerträgliche Härte bedeuten, die auch aus Rücksichten auf die augenblickliche mehr oder weniger große Wohnungs notlage der Frau und ihres Kindes nicht zu rechtfertigen wäre. Auch dem Umstand, daß die Frau sich gegenwärtig im tatsächlichen alleinigen Besitze der Wohnung befindet, kann keinesfalls ein solches Gewicht beigemessen werden, daß nunmehr die Beibehaltung dieses Zustandes als die bessere Lösung erschiene — auch nicht auf die Zeit beschränkt, in der sich der Mann bei der Wehrmacht befindet und in der tatsächlichen Benutzung seiner Wohnung weitgehend be hindert ist. So wie die Dinge hier liegen, müssen die ideellen Gesichtspunkte vor den nach der entgegengesetzten Richtung weisen den wirtschaftlich praktischen Erwägungen den Vorrang haben. Inwieweit und gegebenenfalls in welcher Weise bei der Zu-
Weisung der Wohnung an den einen Ehegatten auch die Belange des Vermieters in Rechnung zu stellen sind, kann hier — wie auch die Frage der sonstigen Einwirkungen auf das Mietverhältnis — offen bleiben, da im vorliegenden Falle der Vermieter, wie sich aus seiner Erllärung gegenüber dem Oberreichsanwalt ergibt, mit dem Aus scheiden des einen oder anderen Ehegatten aus dem Mietverhältnis einverstanden ist. Danach ist die Berufung der Bellagten gegen das Räumungs urteil des Amtsgerichts zurückzuweisen. Nach § 721 ZPO. ist der Bellagten eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bis zum 1. April 1944 bewilligt worden.
21. 1. Unter welchen Voraussetzungen kann ei« der Umgangs sprache entnommenes, einen Allgemeinbegriff wiedergebendes Wort 0,Fettchemie") in der Verwendung als Firmenbestandteil die Bedeutung eines für die Firma kennzeichnenden Schlag wortes erlangen? 2. Wie «eit reicht der Namensschutz aus einem solchen zum Firmenkennzeichen gewordenen Allgemeinbegriff? BGB. § 12. UnlWG. § 16.
II. Zivilsenat. Urt. v. 1. November 1943 i. S. Fettchemie H.-F. GmbH. (Bell.) w. B. Fettchemie GmbH. (Kl.). II84/43. I. Landgericht Magdeburg. II. Oberlandesgericht Naumburg.
Die Klägerin, ein chemisches Unternehmen mit dem Sitz in Ch., die im Jahre 1935 gegründet worden ist, führt seitdem die Firma „B. Fettchemie GmbH.". Sie wendet sich dagegen, daß die im Jahre 1940 gegründete Beklagte, die ihren Sitz in M. hat, in ihrer Firma ebenfalls das Wort „Fettchemie" benutzt, und hat geltend gemacht: Das Wort „Fettchemie" sei infolge langjährigen Ge brauchs zum Kenn- und Schlagwort ihrer Firma geworden. Sie werde in den beteiligten Verkehrskreisen allgemein abgekürzt als „Fettchemie" bezeichnet. Die Benutzung des Wortes durch die Be klagte sei deshalb geeignet, Verwechslungen hervorzurufen. Die Klägerin hat demgemäß beantragt, die Bellagte zu verurteilen, es Entsch. in Zivils. 172.
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zu unterlassen, in ihrer Firma das Wort „Fettchemie" zu führen, und diesen Teil ihrer Firma beim Handelsregister löschen zu lassen. Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und entgegnet: Die Klägerin könne nicht ein in der Umgangssprache übliches und für diese unentbehrliches Wort dem Gemeingebrauch entziehen, in dem sie es als gewerbliches Kennzeichnungsmittel benutze. In ihrer Firma sei auch nicht das Wort „Fettchemie", sondern der Name „B." kennzeichnend. Es bestehe also keine Verwechslungsgefahr. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandes gericht hat die Bellagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Revision führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Gründe: Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß das Wort „Fett-, chemie" als eine dem allgemeinen Sprachgebrauch oder doch der Fachsprache entnommene Bezeichnung für einen bestimmten Zweig der chemischen Wissenschaft oder auch als Gattungsbezeichnung für bestimmte chemische Erzeugnisse oder für ein bestimmtes Arbeits gebiet in der Verwendung als Firmenbestandteil grundsätzlich nicht geeignet ist, einer so gebildeten Firma Unterscheidungskraft zu ver leihen. Es hält aber gleichwohl die Klage in vollem Umfange für begründet, weil die Klägerin bei einem beträchtlichen Teile der von ihrer geschäftlichen Betätigung betroffenen Berkehrskreise unter dem in ihrer Firma enthaltenen Worte „Fettchemie" bekanntge worden sei, dieses sich also als kennzeichnendes Schlagwort für ihr Unternehmen eingebürgert habe, und weil die Benutzung des Wortes „Fettchemie" in der Firma der Bellagten geeignet sei, Ver wechslungen mit der Firma und dem Unternehmen der Klägerin herbeizuführen, zum mindesten in dem Sinne, daß der Verkehr an nehme, die Beklagte stehe in geschäftlichen Beziehungen zur Klägerin und dürfe sich deshalb der gleichen Bezeichnung bedienen. 'Das Be rufungsgericht glaubt, sich für seine Auffassung auf die im Urteil II157/39 des erkennenden Senats vom 16. März 1940 (RGZ. Bd. 163 S. 233 — Hydraulik —) dargelegten Grundsätze berufen zu können, die es auch im vorliegenden Falle für anwendbar er achtet. Der Revision ist jedoch zuzugeben, daß sich der hier zu be urteilende Sachverhalt von dem dort behandelten dermaßen unter scheidet, daß seine Unterstellung unter die jenem Urteil zugrunde liegenden Gesichtspunkte durchgreifenden Bedenken unterliegt.
Solche ergeben sich schon insofern, als das Berufungsgericht für erwiesen erachtet, daß das Wort „Fettchemie" in der Firma der Klägerin einem beachtlichen Teile des betroffenen Verkehrs als Hinweis auf diese bekanntgeworden sei, mithin Verkehrsanerkennung als Bezeichnung der Klägerin und damit Unterscheidungskraft er langt habe. Handelt es sich, wie hier, um ein Wort der Umgangs sprache, das als Bezeichnung für einen bestimmten Zweig der chemi schen Wissenschaft oder auch für ein damit zusammenhängendes be stimmtes Arbeitsgebiet nicht entbehrt werden kann, so kann zwar auch ein solches Wort ausnahmsweise des Namens- und Kennzeich nungsschutzes teilhaftig werden, wenn es als Schlagwort Verkehrs geltung für ein bestimmtes Unternehmen gewonnen hat. Die Be hinderung, die der Verkehr durch-die damit verknüpfte Einengung des allgemeinen Sprachgebrauchs erleidet, gebietet es aber, an den Beweis solcher Verkehrsgeltung strenge Anforderungen zu stellen und ihn nur dann als erbracht anzusehen, wenn feststeht, daß das Wort in der Tat für sich allein und ohne jeden Zusatz von den be teiligten Kreisen als Kennzeichen für einen bestimmten Betrieb angesehen wird (vgl. HRR. 1933 Nr. 1123). Wie es zur Entstehung einer derartigen Verkehrsauffassung kommt, mag für deren Gewicht und Beachtlichkeit nicht von entscheidender Bedeutung sein. Es kann insbesondere nicht darauf ankommen, ob der Benutzer der Bezeichnung selbst darauf ausgegangen ist und dazu beigetragen hat, ihr Anerkennung als Hinweis auf seinen Betrieb zu verschaffen. Auch ohne sein Zutun kann sich eine verbreitete Meinung dahin bilden, daß ein sonst als Gattungsbegriff verwendetes Wort bei firmenmäßigem Gebrauch auf ein bestimmtes Unternehmen Hin weise. Es spricht aber von vornherein gegen die Entstehung eines schutzfähigen Namensrechts, wenn es überhaupt an erkennbaren Umständen fehlt, die den Verkehr hätten veranlassen können, gerade den Allgemeinbegriff zum Kennzeichen des Unternehmens zu er heben. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß sie selbst das in ihrer Firma enthaltene Wort „Fettchemie" irgendwie betont und in den Vordergrund gestellt habe. Sie bedient sich ihrer Firma im geschäft lichen Verkehr nur in der eingetragenen Form, also unter Voran stellung des Namens „B.", dem das Wort „Fettchemie" samt der Angabe der Gesellschaftsform ohne jede blickfangende Hervor hebung nachfolgt. Auch sonst hat sie nichts getan, um das Wort „Fettchemie" als wesentlichen Teil ihrer Firma zur Geltung zu 9*
bringen. Daß sie es als Drahtanschrift benutzt, besagt nicht, daß sie es als den für die Unterscheidungskraft ihrer Firma ausschlaggeben den Teil betrachte. Das Wort ist auch für sich allein nicht so un gewöhnlich oder neuartig, daß es schon deswegen das Firmenbild hätte bestimmen müssen. Hat das Wort in den beteiligten Berkehrskreisen gleichwohl die Bedeutung eines Hinweises auf die Klägerin erlangt, wie das Berufungsgericht auf Grund der ihm er teilten Auskünfte verschiedener Industrie- und Handelskammern sowie der Reichswirtschaftskammer annimmt, so läßt sich dies uur damit erllären, daß der Verkehr in dem Worte „Fettchemie" ein willkommenes Merkmal zur Unterscheidung der Klägerin von zwei anderen Firmen erblickt hat, die ebenfalls den Familiennamen „B." als Bestandteil führen, nämlich der Firma H. Th. B. AG. in Ch. und der Firma A. Th. B. in D., die sich beide als chemische Fabriken auch wettbewerblich mit der Klägerin berühren. Auch die Reichs wirtschaftskammer weist in ihrer gutachtlichen Äußerung darauf hin, daß das Bedürfnis, die verschiedenen chemischen Betriebe des Na mens „B." auseinanderzuhalten, den Verkehr veranlaßt habe, die Bezeichnung „B. Fettchemie" als Kennzeichen für die Klägerin aufzugreifen. Dann ist es aber nicht das Wort „Fettchemie" für sich allein, das die Aufmerksamkeit der betroffenen Kreise auf sich ge zogen hat. Vielmehr hat erst seine Verbindung mit dem Namen „B." dazu geführt, dem Mgemeinbegriff Kennzeichnungswirkung zu verschaffen. Sie besteht darin, daß der Firmenbestandteil „Fett chemie" das so bezeichnete „B."-Untemehmen in den Augen des Verkehrs von den anderen Betrieben dieses Namens abhebt, besagt aber nicht, daß die Bezeichnung „Fettchemie" auch ohne eine solche gedankliche Verbindung in jedem Fall eine Beziehung zur Klägerin ergäbe. Der hier vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich insofern von dem in RGZ. Bd. 163 S. 233 behandelten, als dort der zur Firmenbildung verwendete Allgemeinbegriff („Hydraulik") den Firmenkern darstellte, ohne den sich die Firma sprachlich überhaupt nicht wiedergeben ließ, der also auch nur allein für die Auffassung des Verkehrs bestimmend sein konnte; es fehlte die Verbindung mit einem Familiennamen, der, wie hier, die Kennzeichnungs wirkung des Mgemeinbegriffs notwendigerweise beeinflußt und nur in dieser Verbindung zur Geltung kommen läßt. Von einer Kennzeichnuntzskraft des Wortes „Fettchemie" in der Firma der Klägerin kann mithin höchstens insofern gesprochen werden, als es
im Zusammenhänge mit dem Namen „B." den beteiligten Kreisen eine leichtere Unterscheidung des Unternehmens von den anderen Betrieben dieses Namens ermöglicht. Das bedeutet nicht, daß das Wort auch dann der Klägerin zu alleiniger firmenmäßiger Ver wendung Vorbehalten bleiben müsse, wenn es sich um einen Ge brauch außerhalb jenes Zusammenhanges handelt. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Wort „Fettchemie" in der Firma der Klägerin habe eine zur Begründung eines Namensschutzes aus reichende Verkehrsgeltung erlangt, entbehrt hiernach einer aus reichenden Grundlage. Selbst wenn man aber der Auffassung des Berufungsgerichts, das Wort „Fettchemie" in der Firma der Klägerin sei infolge erlangter Verkehrsanerkennung unterscheidungskräftig, beitreten wollte, so könnte ein daraus herzuleitender Schutzanspruch nach § 12 BGB., § 16 UnlWG. doch immer nur so weit reichen, als die Be nutzung des Wortes durch einen anderen geeignet wäre, die Gefahr einer Verwechslung, wenn auch nur im weiteren Sinne der An nahme bestehender geschäftlicher Beziehungen zur Klägerin, zu be gründen. Das wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn das Wort „Fettchemie" nicht im Sinn eines Kennzeichnungsmittels, sondern in seiner allgemeinen Bedeutung als wissenschaftlicher oder technischer Einteilungsbegriff verwendet würde. Denn auch die auf Verkehrs anerkennung beruhende Unterscheidungsfähigkeit eines allgemeinen Gattungsbegriffs verleiht dem Berechtigten nicht die Befugnis, einem Gebrauch des Wortes lediglich in seiner sprachüblichen, be schreibenden Bedeutung entgegenzutreten. Sein Berbietungsrecht beschränkt sich auf eine Verwendung, die dem ihm vorbehaltenen Kennzeichnungszwecke des Wortes zuwiderläuft. Die Klägerin wäre danach in ihrem Namens- und Firmenrecht nicht betroffen, wenn der Gebrauch des Wortes „Fettchemie" in der Firma der Beklagten vom Verkehr nicht als Unterscheidungsmerkmal, sondern nm als beschreibender Hinweis auf deren Tätigkeitsgebiet anzusehen wäre. Insoweit ist auch hier wesentlich, daß sich die Beklagte beim Ge brauch ihrer Firma unstreitig jeder Hervorhebung des Wortes „Fett chemie" enthält, die zu der Annahme führen könnte, sie wolle ihm eine über den sprachüblichen Inhalt hinausgehende Bedeutung bei legen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Wort bilde den schlagwortartigen Bestandteil ihrer Firma und sei zu diesem Zwecke von ihr gewählt, ermangelt einer tatsächlichen Grundlage; das Wort
ist ohne eine besondere Hervorhebung durch Schrift oder Druck keineswegs „einprägsamer" als der ihm nachfolgende, zumal in der Zusammenstellung durchaus eigenartige Name „H.-F." und läßt nicht erkennen, daß es dazu bestimmt sei, das Firmenbild zu be herrschen. Soweit ihm eine über den begrifflichen Gehalt hinaus gehende Kennzeichnungswirkung innewohnt, könnte diese allenfalls darin bestehen, daß es die Beklagte von ihren ebenfalls in M. an sässigen Stammfirmen, der Firma „Bereinigte Olfabriken H.-F." und der Firma „H. Handelsgesellschaft", unterscheidet. Auch dabei handelt es sich aber, ebenso wie bei der Klägerin, nur um eine in diesem engen Bereich wirkende Folge, welche die Belange der Klägerin nicht berührt, zum mindesten keine so naheliegende Verwechflungsmöglichkeit begründet, daß von einer Berwechflungsgefahr auch nur im weiteren Sinne gesprochen werden könnte. Einen etwaigen Rest bestehender Berwechflungsmöglichkeit muß die Klägerin hinnehmen, wenn sie sich eines im Gemeingebrauch stehen den Wortes zur Firmenbildung bedient (vgl. RGZ. Bd. 116 S.'210; IW. 1933 S. 2897 Nr. 1). . Das angefochtene Urteil kann hiernach nicht bestehen bleiben. Weder die Schutzvorschriften des § 12 BGB., § 16 UnIWG. vermögen das Klagebegehren zu rechtfertigen, noch stehen der Klägerin sonstige wettbewerbliche Gesichtspunkte zur Seite, die ihrer Klage zum Er folg verhelfen könnten. Das angefochtene Urteil ist deshalb, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Revision bedarf, aufzuheben und, da die Sache zm Endentscheidung reif ist, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
22. 1. Sind die Vorschriften der Grnndstücksverkehrsoerordnung vom 7. Juli 1942 auf einen Grnndstückskaufvertrag anwendbar, von dem ein Teil vor dem Inkrafttreten der Verordnung rechts wirksam zurückgetreten war? 2. Wie ist die Abrede in einem im September 1941 ge schlossenen Grnndstückskaufvertrag auszulegen, daß im Falle der Festsetzung eines niedrigeren Kaufpreises durch die Preisbehörde das Grundstück als zu diesem Preise veickauft gelten, der Ver käufer aber berechtigt feil» solle, innerhalb einer Woche nach dem Bekanntwerden der niedrigeren Preisfestsetzung vom Vertrage zurückzutreten?
Verordnung über die Preisüberwachung und die Rechtsfolgen von Preisverstößen im Grundstücksverkehr vom 7. Juli 1942 (RGBl. I S. 451) 2, 3. BGB. 88 133,157. III. Zivilsenat. Urt. v. 4. November 1943 i. S. L. (Bekl.) w. M. (Kl.). III83/43. I. Landgericht Hamburg. II. Oberlandesgericht daselbst.
Durch notarischen Vertrag vom 16./24. September 1941 kaufte der Kläger vom Beklagten dessen in D. gelegene Büdnerei zum Preise von 22 000 RM. In 810 des Vertrags war bestimmt: Sollte die Preisbildungsstelle einen niedrigeren Preis als hier vereinbart festsetzen, so soll das Grundstück zu diesem niedri geren Preise als verkauft gelten; doch hat der Verkäufer in diesem Falle das Recht, innerhalb einer Woche, nachdem die niedrigere Preisfestsetzung ihm bekannt geworden ist, vom Vertrage zurückzutretem
Unter dem 14. Februar 1942 erging ein dem Beklagten am 19. März 1942 zugestellter Bescheid des Landrats des Kreises D. als zu ständiger Preisbehörde dahin, daß der vereinbarte Kaufpreis preis rechtlich nicht genehmigt werden könne, die Preisbehörde jedoch auf Grund einer von der Hochbauabteilung aufgestellten Gebäude schätzung einem Kaufpreise von 19 000 RM. zustimmen werde und daß hiergegen die Beschwerde beim Mecklenburgischen Staats ministerium binnen 2 Wochen seit Zustellung gegeben sei. Mt Schreiben vom 31. März 1942, das dem Kläger am 1. April 1942 zuging, teilte diesem der Beklagte mit, er habe von seinem Be schwerderecht keinen Gebrauch gemacht und trete vom Vertrage zurück. Mt der Klage verlangt der Kläger vom Bellagten die Auf lassung des Grundstücks zu einem Preise von 19 000 RM. mit der Begründung, die Rücktrittserklärung sei verspätet und demgemäß der Verkauf zu dem niedrigeren Preise zustande gekommen; not falls sei der Beklagte gemäß 8 2 Abs. 3 und 8 3 Abs. 1 Nr. 1 der Grundstücksverkehrsverordnung vom 7. IM 1942 zur Erteilung seines Einverständnisses mit dem geringeren Preise verpflichtet, weil der Kläger das Grundstück zm Ausübung seines Gewerbes benötige, dessen Verlegung nach Mecklenburg er bereits vorbereitet
Habtz, und weil der Unterschied zwischen dem ursprünglich verein barten und dem herabgesetzten Kaufpreise verhältnismäßig gering sei. Der Beklagte hat geltend gemacht, eine Preisfestsetzung im Sinne des § 10 des Vertrags liege überhaupt nicht vor, so daß der Kaufvertrag infolge der Preisbeanstandung nichtig sei; auf jeden Fall sei der Rücktritt rechtzeitig erllärt, weil die Frist dafür nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung der Preisbehörde habe be ginnenkönnen. Landgericht und Oberlandesgericht haben zugunsten des Klägers erkannt. Die Revision des Beklagten führte zm Ab weisung der Klage. Gründe: Das Berufungsgericht ist der Ansicht, nach § 2 der Grundstücks verkehrsverordnung vom 7. Juli 1942, der nach § 3 das. auch auf früher geschlossene Verträge anwendbar sei, gelte bei Beanstandung des vereinbarten Kaufpreises das von der Preisbehörde als zulässig bezeichnete Entgelt als vereinbart, wenn der Veräußerer sich dem Erwerber gegenüber mit ihm einverstanden erllärt habe. Diese Voraussetzung sei hier auf Grund der Abrede in § 10 des Vertrags erfüllt, da der Bescheid des Landrats als „Festsetzung eines niedri geren Preises" im Sinne der Abrede anzusehen sei und der Bellagte das ihm vorbehaltene Rücktrittsrecht verspätet ausgeübt habe; denn jene Vereinbarung könne nur dahin verstanden werden, daß die Frist zum Rücktritt bereits mit dem Bekanntwerden der landrätlichen Entscheidung, nicht erst mit ihrer Rechtskraft habe beginnen sollen. Diese Beurteilung unterliegt in mehrfacher Hinsicht recht lichen Bedenken. Die im § 3 der Grundstücksverkehrsverordnung vom 7. Juli 1942 angeordnete Rückwirkung der Vorschriften des § 2 auf einen vor dem Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Vertrag setzt voraus, daß der Vertrag in diesem Zeitpunkte noch zu Recht bestand oder seiner Rechtsgültigkeit doch nur eine Beanstandung des verein barten Entgelts durch die Preisbehörde entgegenstand. War er da gegen schon vorher—etwa durch endgültige Versagung der erforder lichen behördlichen Genehmigung oder auch auf Grund einer Verein barung der Beteiligten — hinfällig geworden, so ist für eine An wendung des § 2 der Grundstücksverkehrsverordnung kein Raum (vgl. das Urteil III85/43 des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1943 auf S. 43 dieses Bandes). Das muß auch dann gelten, wenn der Veräußerer des Grundstücks von einem ihm vertraglich ein-
geräumten Rücktrittsrechte Gebrauch gemacht und dadurch den Vertrag zum Erlöschen gebracht hatte. Es kommt deshalb insoweit darauf an, wie sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien auf Grund der Vereinbarungen im Kaufverträge vom September 1941 vor dem Inkrafttreten der Verordnung entwickelt hatten. Bei der Abrede in § 10 des Vertrags handelt es sich um die bedingte Vereinbarung eines niedrigeren als des in erster Reihe festgelegten Kaufpreises für den Fall, daß „die Preisbildungsstelle" einen niedrigeren Preis „festsetzen" sollte. Dann sollte das Grund stück zu dem festgesetzten niedrigeren Preise verkauft sein. Diese Vereinbarung, deren Gültigkeit nicht zweifelhaft sein kann, hatte — wenn man von der gleichzeitigen Einräumung eines Mcktrittsrechts vorläufig absieht — beim Eintritt der darin gestellten Bedingung unmittelbar zur Folge, daß der Kaufvertrag zwischen den Parteien nunmehr mit dem geringeren Preise galt, ohne daß dafür ein neuer Bertragsschluß notwendig war. Das Berufungsgericht erblickt in dem Bescheide des Landrats vom 14. Februar 1942 die Festsetzung eines niedrigeren Preises im Sinne der Vereinbarung. Wenn der Beklagte dazu im Berufungsverfahren geltend gemacht hatte, der Landrat sei hier nicht als Preisbildungsstelle, wie im Vertrage vor gesehen, sondern als Preisüberwachungsbehörde gemäß der 5. An ordnung des Reichskommissars für die Preisbildung über die Wahr nehmung der Aufgaben und Befugnisse des Reichskommissars für die Preisbildung vom 6. Oktober 1937 (RAnz. Nr. 238) tätig ge worden, so mag das richtig sein; die Beurteilung kann dadmch aber nicht beeinflußt werden, weil es sich insoweit ersichtlich nur um ein Fehlgreifen im Ausdruck handelt. Zweifelhaft ist dagegen, ob der Bescheid des Landrats, in dem nur der Kaufpreis von 22 000 RM als zu hoch beanstandet und die Zustimmung der Preisbehörde zu einem Preise von 19000RM. in Aussicht gestellt war, ohne weiteres als „Festsetzung eines niedrigeren Preises" im Sinne der Parteiabrede angesehen werden kann. Das Berufungsgericht er wägt hierzu, die Preisbehörde sei gar nicht berechtigt gewesen, ein geringeres Entgelt festzusetzen, sondern habe nur zum Ausdruck bringen dürfen, welches Entgelt preisrechtlich zulässig sei und von ihr gebilligt werden würde; nur diese Möglichkeit hätten die Parteien bei ihrer Vereinbarung im Auge gehabt und für einen solchen Fall die Geltung des Kaufvertrags zu dem niedrigeren Preise gewollt. Demgegenüber weist die Revision mit Grund darauf hin, daß der
Reichskommissar für die Preisbildung noch in seinem Runderlaß vom 17. März 1941 (abgedr. DR .Ausg. A 1941 S. 1144) die Auf fassung vertreten hat, die Preisbehörden seien befugt, den volks wirtschaftlich berechtigten Preis von sich aus festzusetzen und die Aufrechterhaltung eines Grundstücksverkaufs zu diesem Preise anzu ordnen. Der Erlaß ist erst nach Bekanntwerden des Reichsgerichts urteils vom 30. Januar 1941 (RGZ. Bd. 166 S. 89) ergangen, in dem grundsätzlich festgestellt ist, daß ein Grundstückskaufvertrag bei Beanstandung des vereinbarten Entgelts durch die Preisbehörde nichtig sei, und setzt sich mit deiy dort eingenommenen Standpunkt dahin auseinander, daß dieser nicht gelten könne, wenn die Preis behörde im öffentlichen Interesse die Aufrechterhaltung des Kauf vertrags zum zulässigen Preise angeordnet habe. Als die Parteien den Kaufvertrag vom September 1941 schlossen, konnte also sehr wohl damit gerechnet werden, daß die Preisbehörde auf Grund des erwähnten Runderlasses einen geringeren als den vereinbarten Kaufpreis mit beabsichtigter Bindung der 'Parteien an ihn fest setzte. Daß sie dazu rechtlich nicht befugt war, ist in aller Klarheit erst später in dem Urteil des Reichsgerichts vom 29. November 1941 (RGZ. -Bd. 168 S. 92) ausgesprochen worden. Unter diesen Um ständen ist die Möglichkeit nicht von vornherein abzulehnen, daß die Parteien bei der Abrede in § 10 des Vertrags an einen solchen Fall wirklicher „Festsetzung" eines niedrigeren Preises gedacht haben, wobei dann der Schwerpunkt der Vereinbarung in der Ein räumung des Rücktrittsrechts für den Beklagten gelegen hätte. Würde dies zutresfen, so wäre der Kaufvertrag der Parteien bereits infolge der Beanstandung des Preises dmch den Landrat hinfällig geworden und der Mcktritt des Beklagten ohne Bedeutung. Daß der Berufungsrichter sich jener Möglichkeit bei seiner Vertrags auslegung bewußt gewesen ist und sie berücksichtigt hat, lassen seine Ausführungen nicht erkennen. Schon aus diesem Grunde muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Aber auch die Ansicht des Berufungsrichters, daß der Beklagte den Mcktritt verspätet erklärt habe, weil die im Vertrage dafür gesetzte Wochenfrist bereits mit der Zustellung des landrätlichen Bescheides an ihn zu laufen begonnen habe, kann rechtlich nicht ge billigt werden. Der Berufungsrichter meint, wenn die Parteien ein befristetes Rücktrittsrecht für den Verkäufer vereinbarten, stehe es völlig in ihrem Belieben, zu bestimmen, von wann an die Frist
laufen solle, ob insbesondere schon von der Entschließung der Preis behörde an, oder ob der Erfolg einer Beschwerde abgewartet werden solle. Es sei daher verfehlt, anzunehmen, die Frist könne erst vom Ablaufe der Beschwerdefrist an laufen. Hier nötige eine Vertragsauslegung zu der Annahme, daß die Parteien eine andere Regelung gewollt hätten; denn es heiße in dem Vertrag ausdrück lich, der. Verkäufer könne zurücktreten binnen einer Woche, nachdem ihm die niedrigere Preisfestsetzung „bekanntgeworden" sei. Das könne nur so verstanden werden, daß der Verkäufer sich endgültig entscheiden müsse, sobald er erfahren habe, wie die Preisbehörde über die Kaufpreisabrede denke. An eine Beschwerdemöglichkeit hätten die Parteien beim Vertragsschluß offenbar gar nicht gedacht, weil sie sonst im Vertrag etwas darüber gesagt oder jedenfalls nach Bekanntwerden der landrätlichen Entscheidung miteinander über die Aussichten einer Beschwerde beraten haben würden. Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß die Gestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien Sache ihrer Ver einbarung ist und sie es deshalb an sich auch in der Hand haben, zu bestimmen, daß die Frist für das dem Verkäufer eingeräumte Rücktrittsrecht schon mit dem Bekanntwerden der ersten preisbehördlicheu Stellungnahme beginnen und die weiter vorgesehene Geltung des Verkaufs zu dem herabgesetzten Preise bereits mit dem frucht losen Ablaufe der Frist eintreten soll ohne Rücksicht darauf, ob die Festsetzung eines niedrigeren Preises rechtskräftig geworden ist. Es trifft aber nicht zu, daß hier Wortlaut und Sinn der getroffenen Vereinbarung eine dahin gehende Auslegung des Parteiwillens rechtfertigten, geschweige denn, daß sie dazu nötigten, wie das Be rufungsgericht annimmt. Wenn die Parteien eines Grundstücks kaufvertrags, wie hier, eine Änderung der ursprünglichen Verein barung, nämlich die Geltung des Verkaufs zu einem niedrigeren Preise, von der behördlichen Festsetzung eines solchen Preises ab hängig machen, so tritt diese Rechtsfolge in aller Regel erst ein, wenn die behördliche Festsetzung endgültig und unabänderlich ist, also im Fall ihrer befristeten Anfechtbarkeit erst mit dem Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder mit ihrer Bestätigung durch die Rechtsmittelinstanz. Dann erst ist eine sichere und be ständige Grundlage für den Eintritt der vorgesehenen Änderung des Bertragsinhalts vorhanden. Daß die Parteien etwas anderes gewollt hätten, kann nm angenümmen werden, wenn ein dahin
gehender Wille klar zum Ausdruck gekommen ist. Läßt man also mit dem Berufungsgericht hier den Bescheid des Landrats an sich als Festsetzung eines niedrigeren Kaufpreises im Sinne des Ver trags gelten, so tritt doch die für diesen Fall vereinbarte Änderung des vertraglichen Kaufpreises im Zweifel erst mit dem Rechts kräftigwerden dieses Bescheides, nicht schon mit seiner Bekannt machung ein. Das scheint auch das Berufungsgericht dann an nehmen zu wollen, wenn die Parteien eine derartige Vereinbarung ohne Rücktrittsrecht getroffen hätten. Der Umstand aber, daß hier die Vereinbarung durch die gleichzeitige Einräumung eines Rücktrittsrechts an den Verkäufer eingeschränkt worden ist, bringt in dieser Hinsicht keine wesentliche Änderung. Auch in diesem Fall ist deshalb davon auszugehen, daß im Zweifel erst die rechtskräftige und damit endgültige Entscheidung über die Festsetzung eines niedrigeren Kaufpreises dessen Geltung als Vertragspreis bewirkt und daß bis dahin eine „Festsetzung" im Sinne des § 10 des Vertrags nicht vor liegt. Ein anderer Wille der Parteien läßt sich hier aus der Ver einbarung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ent nehmen. Er folgt keineswegs daraus, daß nach ihr die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts beginnen soll, nachdem die niedrigere Preisfestsetzung dem Verkäufer „bekanntgeworden" ist. Diese Be stimmung ist vielmehr zwanglos dahin auszulegen, daß für den Fristbeginn nur das Bekanntwerden der für den Eintritt der Ver tragsänderung im Zweifel maßgebenden endgültigen Preisfest setzung in Betracht kommt. Eine solche Auslegung liegt nicht nur von vornherein sehr viel näher als die des Berufungsgerichts; sie führt auch in ihrer praktischen Auswirkung zu brauchbareren Er gebnissen und vermeidet die Schwierigkeiten, die bei der anderen Auslegung auftreten. Diese würde vor allem dahin führen, daß dem Verkäufer, wenn er nicht sein Rücktrittsrecht durch Fristablauf ver lieren will, die Beschwerde gegen den landrätlichen Bescheid, mit deren Durchführung innerhalb einer Woche niemals gerechnet wer den kann, praktisch verschlossen wäre, mag auch der Bescheid für ihn untragbar sein und die Beschwerde begründete Aussicht bieten, zu einer annehmbaren Preisfestsetzung zu gelangen und so den Rück tritt zu vermeiden. Etwas derartiges können die Parteien ver nünftigerweise nicht gewollt haben, es sei denn, daß sie durch be sondere Gründe — wie z. B. die Notwendigkeit schleuniger Klar stellung, ob und mit welchem Preise der Verkauf bestehen bleibt —,
dazu gewungen waren. Solche Gründe sind aber hier vom Be rufungsgericht nicht festgestellt und von den Parteien nicht behauptet worden. Der Umstand, daß diese beim Vertragsschluß an eine Be schwerdemöglichkeit nicht gedacht haben, vermag die Auslegung des Berufungsgerichts nicht zu rechtfertigen, auch nicht mit der Ein schränkung, die der Berufungsrichter am Schlüsse seiner Entschei dung Hilfsweise erwägt, daß die Frist zum Rücktritt nur dann nicht sofort zu laufen begonnen hätte, wenn der Beklagte entweder selbst von seinem Beschwerderecht Gebrauch gemacht oder dem Kläger durch rechtzeitige Bekanntgabe der Entscheidung und seiner Stellung nahme die Möglichkeit gewährt hätte, seinerseits ein Rechtsmittel einzulegen, um die Genehmigung des Vertragspreises zu erreichen. Auch für einen solchen Willen der Parteien fehlt es an jedem Anhalt. Hiernach ist die Auslegung der streitigen Vereinbarung durch das Berufungsgericht mit den Erfordernissen der §§ 133,157 BGB. nicht vereinbar und deshalb rechtlich fehlerhaft. Das Berufungsurtell ist somit auch aus diesem Grund aufzuheben. Einer Zurück verweisung der Sache bedarf es nicht, weil der Sachverhalt hin reichend geklärt ist, um dem Revisionsgericht eine eigene abschließende Entscheidung zu ermöglichen. Wie bereits die bisherigen Dar legungen ergeben, begann bei richtiger Auslegung des Vertrags die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts erst mit der Rechtskraft der landrätlichen Entscheidung zu laufen, so daß der Rücktritt des Beklagten rechtzeitig erklärt worden ist und den Kaufvertrag zum Erlöschen gebracht hat, sofern dieser nicht bereits infolge der Preis beanstandung des Landrats mangels „Festsetzung eines niedrigeren Preises" im Sinne der Parteivereinbarung nichtig war. Im letz ten Falle würden allerdings die Vorschriften des § 2 der Grund stücksverkehrsverordnung an sich anwendbar sein, insbesondere dessen Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1, wonach das von der Preisbehörde als zulässig bezeichnete Entgelt, wenn der Veräußerer sich dem Erwerber gegenüber damit einver standen erklärt, als vereinbart gilt, der Veräußerer unter gewissen Voraussetzungen zur Erteilung des Einverständnisses verpflichtet ist und dies durch Klage erzwungen werden kann. Da in dem voraus gesetzten Falle, daß keine Preisfestsetzung im Sinne des Kaufver trags vorliegt, der Beklagte sein Einverständnis mit dem geringeren Preise bisher nicht erklärt hat, kann es sich nur darum handeln, ob er zur Erteilung des Einverständnisses verpflichtet ist. Eine solche
Verpflichtung des Beklagten hat der Kläger zwar im ersten Rechtszuge behauptet; was er aber zur Begründung dafür angefiihrt hat, reicht keinesfalls aus, um die Weigerung des Beklagten als einen Verstoß gegen Treu und Glauben oder eine grob unbillige Härte für den Erwerber im Sinne der genannten Vorschriften er scheinen zu lassen. Unter diesen Umständen braucht nicht erörtert zu werden, ob der Kläger den behaupteten Anspruch mit der vor liegenden Klage gemäß § 2 Abs. 3,4 der Verordnung ordnungsmäßig geltend gemacht hat, ob er insbesondere — wogegen allerdings praktische Erwägungen sprechen — sein Klagebegehren danach auf die Verurteilung des Beklagten zur Erteilung seines Einverständ nisses mit dem Verkaufe des Grundstücks zu dem geringeren Preise hätte richten müssen (vgl. Pritsch-Friemann bei PfundtnerNeubert Das neue Deutsche Reichsrecht III e S. 334 Bem. 13 zu § 2 der Verordnung). Die Klage ist nach alledem unbegründet.
23. Ist dem Erfordernisse der Berufungsbegründung genügt, wenn in der Berufungsschrift dargetan ist, daß es zur Zeit un möglich ist, eine dem § 518 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. entsprechende Be gründung zu geben?
IV". Zivilsenat. Beschl. v. 10. November 1943i. S. EhemannB. (Bekl.) tu. Ehefrau B. (Kl.). IV B 76/43. 1. Landgericht Hamburg. II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Frage wird bejaht aus folgenden Gründen:
Das Landgericht hatte auf die Klage der Frau unter Abweisung der Widerklage die Ehe der Parteien durch Urteil vom 29. Juli 1943 — zugestellt am 27. August .1943 — zur Schuld des Mannes ge schieden. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten suchte darauf rechtzeitig für die Berufung das Armenxecht mit der Begründung nach, die schriftliche Unterrichtung seitens des im Felde stehenden Beklagten sei unzulänglich und eine mündliche Rücksprache bei dessen für die nächste Zeit zu erwartendem Urlaub erforderlich; er
bitte daher zwecks rechtzeitiger Einlegung der Berufung um das Armenrecht, um sodann die Aussetzung des Verfahrens zu erwirken, bis sich die Rücksprache ermögliche. Auf das daraufhin — nach Mlauf der Berufungsfrist — bewilligte Armenrecht legte der Prozeßbevollmächtigte mit der Bitte um Wiedereinsetzung Berufung ein. Er nahm dabei auf das erstinstanzliche Vorbringen und Beweis ergebnis Bezug; weitere Begründung werde folgen, sobald der Be klagte auf Urlaub sei; dann werde sogleich seine sofortige Verneh mung beantragt werden. Das Berufungsgericht' hat in dem an gefochtenen Beschlusse die Wiedereinsetzung versagt, da es entgegen § 236 Abs. INr. 3 ZPO. an der Nachholung der versäumten Prozeß handlung, einer dem Erfordernisse des § 518 Abs. 2 Nr. 3 entsprechend begründeten Berufung, fehle; es hat gleichzeitig die Berufung als unzulässig verworfen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Beschwerde ist begründet. § 518 ZPO. n. F. geht von der—in aller Regel zutreffenden — Annahme aus, daß der Berufungskläger in der Lage sei, bereits in der Berufungsschrift anzugeben, nach welcher Richtung und mit welcher Begründung er das Urteil angreifen wolle. Er verlangt von ihm deshalb, daß er die Gründe der Anfechtung sowie die neuen Tatsachen usw., die er zur Rechtfertigung der Berufung anzuführen hat, bestimmt bezeichnet. Dies entspricht der Pflicht zur fas' gemäßen und sorgfältigen Prozeßführung. Daß § 518 vom Beruft ngskläger aber nicht mehr verlangt, als er unter Berücksichtigung die er Pflicht leisten kann, ergibt sich ohne weiteres aus § 529 Abs. 1 Satz 2, der nachträgliches Vorbringen zuläßt, wenn es eben unter Berücksich tigung dieser Pflicht in der Berufungsschrift noch nicht gebracht werden konnte. Wenn die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse einer straffen Prozeßführung den sog. Formalbegrün dungen scharf entgegengetreten ist, ohne sich dabei damit zu befassen, wodurch die Unzulänglichkeit der Berufungsbegründung im Einzel falle verursacht war, so war dies um deswillen gerechtfertigt, weil dem Berufungskläger mit dem Antrag'auf Verlängerung der Be gründungsfrist ein Mittel an die Hand gegeben war, für ihn be stehende Schwierigkeiten unschwer zu beheben. In solchen Fällen war es eben Pflicht des Prozeßbevollmächtigten, die Ver längerung der Begründungsfrist nachzusuchen. Diese Möglichkeit scheidet jetzt aus. Dem sachlich nicht unterrichteten Prozeßbevoll mächtigten bleibt daher, wenn man ihm nicht zumuten will, um
dem Gesetz der Form nach zu genügen, nach eigenem Gutdünken das Urteil nach der einen oder anderen Richtung anzugreifen — ein Gedanke, der ohne weiteres abzulehnen ist, — nur die Möglich keit, in der Berufungsschrift auszusprechen, daß und aus welchem Grunde er nicht in der Lage sei, schon jetzt die sachliche Begründung zu bringen. Damit hat er seiner Pflicht zm sachgemäßen und sorg fältigen Prozeßführung genügt und mehr kann von ihm billigerweise nicht verlangt werden. Im vorliegenden Fall ergibt die Berufungs schrift, zumal nach dem vorausgegangenen Armenrechtsgesuch, klar, daß der Prozeßbevollmächtigte sich außerstande sieht, ohne Rück sprache mit dem zur Zeit im Felde befindlichen Beklagten eine dem § 518 Abs. 2 Nr. 3 sachlich entsprechende Begründung der Be rufung zu geben. Wenn das Berufungsgericht meint, bei den ob waltenden Schwierigkeiten hätte der Prozeßbevollmächtigte, statt Berufung einzulegen, „zwischen den Instanzen" bei dem unteren Gericht die Aussetzung des Verfahrens nachsuchen müssen, so ist richtig, daß im vorliegenden Falle das erstrebte Ergebnis durch einen solchen Antrag wahrscheinlich erreicht worden wäre. Dieser Weg würde indessen nicht gangbar sein, wenn es sich nicht um einen Wehrmachtangehörigen handelt; man denke etwa an den Fall, daß die Unmöglichkeit der rechtzeitigen Begründung auf Zerstörungen oder Verkehrsstörungen durch Luftangriffe zurückzuführen ist. Fehlsam wäre es schließlich auch, den Anwalt darauf zu verweisen, wegen der derzeitigen Unmöglichkeit, eine dem § 518 Abs. 2 Nr. 3 entsprechende Begründung zu geben, die Berufungseinlegung zu nächst bis zu einer sachlich ausreichenden Unterrichtung durch den Auftraggeber ganz zurückzustellen und sie nach Behebung des Hindernisses unter Erbittung der Wiedereinsetzung nachzuholen. Ein solches Verfahren wäre dem Anwalt bei der erfahrungsgemäß bestehenden Unsicherheit, ob einem Wiedereinsetzungsantrage statt gegeben wird, nicht wohl zuzumuten. Nach alledem muß § 518 in sinngemäßer Erweiterung seiner Wortfassung dahin ausgelegt werden, daß dem Erfordernisse des Abs. 2 Nr. 3 das. auch dann genügt ist, wenn in der Berufungsschrift die derzeitige Unmöglich keit dargetan ist, eine der Nr. 3 entsprechende Begründung zu geben. Das ist im vorliegenden Fall unbedenklich anzunehmen. Die mit dem Wiedereinsetzungsgesuch verbundene Berufungseinlegung muß daher als den gesetzlichen Vorschriften genügend angesehen werden.
24. Besteht eine Haftung für Verschulden des Erfüllungsgehilfen nur gegenüber dem Leistungsberechtigten oder auch gegenüber demjenigen, dessen sich dieser bei der Abwicklung des Geschäfts als Hilfskraft bedient? ABGB. § 1313a.
VII. Zivilsenat. Urt. v. 10.November 1943i.S.Sch.(Bell.) w. G. (Kl.). VII142/43. I. Landgericht Klagenfurt. II. Oberlandesgericht Graz.
Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerks. Im Erdgeschoß be findet sich der Sägeraum, im Kellergeschoß darunter der Triebwerk raum und daneben der Sägespäneraum. Die Späne vom Gatter fallen unmittelbar in den Späneraum, die Späne der Säumkreis säge in den Triebwerkraum, in dem die Hauptwelle mit den Treib riemen untergebracht ist. Bei dem Bau ordnete die Baubehörde an, daß das Getriebe und die bewegten Maschinenteile vom Späne raum abzutrennen seien. Dies geschah in der Weise, daß das Keller geschoß durch eine Lattenwand abgeteilt wurde. In dem einen Abteil befand sich das Triebwerk, in dem anderen Teil der Säge späneraum. In der Lattenwand befand sich eine Tür, die vom Triebwerkraum mittels einer Kette abgeschlossen werden konnte. Vom Sägespäneraum führte eine Tür ins Freie, die aber von der Innenseite verschlossen war. Nach einiger Zeit war den Arbeitern, welche die sich im Triebwerkraum ansammelnden Späne in den Sägespäneraum zu schaffen hatten, die Lattentür unbequem; sie hängten die Tür aus. Der Beklagte ließ es dabei, brachte aber oberhalb des Türrahmens einen Anschlag mit der Inschrift an: „Mchtbeschäftigten ist der Eintritt verboten". Er verkaufte die Säge späne an private Kunden und übertrug einem Sägearbeiter den Verkauf. Am 7. Mai 1943 schickte Frau F. ihren Sohn Eduard E. in das Sägewerk nach Sägespänen. Dieser nahm sich zwei Knaben, den Kläger und Johann A., als Hilfskräfte mit. Er meldete sich bei dem mit dem Verkauf der Späne betrauten Arbeiter G. im Erd geschoß des Sägewerks. Dieser stieg mit E. durch eine Falltür in den Triebwerkraum hinab und schritt von dort durch den Türrahmen in den Späneraum. E. öffnete die ins Freie führende Tür, durch Entsch. in Zivils. 172.
10
dje nunmehr der Kläger und A. in den Späneraum eintraten. G. begab sich wieder in das Erdgeschoß des Sägewerks zu seiner Arbeit. Die drei Knaben blieben in dem Späneraum und füllten zunächst dort befindliche Späne in einen Sack. Dann ging E. durch den Türrahmen in den Triebwerkraum und die beiden anderen folgten ihm. Hier wurde E. von der Welle des Triebwerks erfaßt. Der Kläger wollte ihm helfen, wurde aber ebenfalls von der Welle erfaßt und herumgedreht. Dabei wurde ihm ein Arm ausgerissen. Auf Grund dieses Sachverhalts beantragt der Kläger, festzu stellen, daß der beklagte Sägewerksbesitzer an dem Unfall schuld sei, und begehrt ein Schmerzensgeld von 5000 RM. Das Erst gericht hat die Klage abgewiesen, während das Berufungsgericht ihr entsprochen hat. Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen: Das Berufungsgericht findet ein Verschulden' des Beklagten darin, daß er die Lattentür zwischen Späneraum und Triebwerk raum von seinen Arbeitern wegnehmen ließ, da hierdurch der Späne raum nicht mehr abgetrennt gewesen sei. Diese Ansicht bekämpft die Revision; sie hat jedoch unrecht. Wäre die Tür in der Latten wand geblieben und vom Werkraum mit einer Kette abgeschlossen worden, sobald Kunden in den Späneraum eingelassen waren, so wäre diesen das Betreten des gefährlichen Werkraumes nicht mög lich gewesen. Der Beklagte hat diese Gefahr geradezu herbeigeführt, da er die seinerzeit eingerichtete Abtrennung, die auch von der Bau behörde angeordnet war, später beseitigen ließ. Falls diese Abtrennung nicht mehr durch eine Tür geschah, mußte das Betreten des Werkraumes durch Kunden zumindest durch eine Aufsichtsperson oder durch die mit dem Verkauf betrauten Arbeiter verhindert werden. Auch das ist nicht geschehen. Ob die Unterlassung auf das Fehlen eines Auftrags des Beklagten oder auf ein fehlerhaftes Verhalten des Verkäufers G. zurück zuführen ist, ist für die Haftung des Beklagten gleichgültig. Hat er überhaupt keinen Auftrag gegeben, so liegt sein Verschulden vor. Liegt aber ein fehlerhaftes Verhalten G.s vor, so haftet der Beklagte für dieses Verhalten des G., dessen er sich zur Erfüllung seiner Ver pflichtung bediente, den Käufern ein ungefährdetes Betreten seiner Räume zu ermöglichen, nicht nur gegenüber der Vertragspartei, die von dem Erfüllungsgehilfen die Ware kaufte, sondern auch
25. Nießbrauch am Nachlaßgrundstück. Erbschaftsteuer.
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gegenüber den Personen, die von der Gegenpartei bei Durchführung des Kaufvertrags als Gehilfen zum Fassen und Wegbringen der
Ware beigezogen wurden. Da die Haftung des Beklagten für das Verhalten G.s nach § 1313 a ABGB. gegeben ist, hat die Frage, ob der Beklagte auch nach § 1315 ABGB. für G. wegen dessen Untüchtigkeit haften würde, keine ausschlaggebende Bedeutung.
25. Kann der Erbe eines Grundbesitzes, an dem zvr Ausführung eines Vermächtnisses ein Nießbrauch bestellt worden ist, vom Nießbraucher verlangen, daß er aus den Erträgnissen des Grund besitzes die Zinsen und Kosten einer Hypothek bezahle, die zur Begleichung der den Erben treffenden Erbschaftsteuer auf dem Grundbesitz eingetragen werden fall?
BGB. §§ 1087, 1088, 1089.
Erbschaftsteuergesetz - ErbStG. §§ 15, 34.
III. Zivilsenat.
Urt. v. 15. November 1943 i. S. (Bell.) w. v. K. (Kl.). III77/43.
v. W.
I. Landgericht Breslau. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der im Jahre 1941 verstorbene Rittergutsbesitzer Heinrich v. W. hat durch Testament seinen Neffen, den Kläger, zum Alleinerben berufen und einen anderen Neffen, Wolfgang v. W., zum Ersatzund Nacherben eingesetzt. Seiner Ehefrau, der Beklagten, hat er den Meßbrauch an seinem Nachlasse vermacht. Dazu gehört unter anderen Vermögenswerten das Rittergut B. Auf diesem Grund
besitz ist das Meßbrauchsrecht der Beklagten im Grundbuch ein getragen. Das Finanzamt hat die Erbschaftsteuer des Klägers auf 135 892 RM. und die der Beklagten auf 15 473 RM. festgesetzt. Der Kläger, der den auf ihn entfallenden Steuerbetrag aus seinem Vermögen nicht aufbringen kann, beabsichtigt, auf dem vorerwähnten Mttergut eine Hypothek eintragen zu lassen, um sich die Mttel zur Zahlung der Steuerschuld durch Aufnahme eines Darlehens zu verschaffen. Er hält die Bellagte als Meßbraucherin für verpflichtet, die Zinsen und die laufenden Berwaltungskosten für die Hypothek, die in Höhe des Steuerbetrags zuzüglich der infolge der vorläufigen 10*
Stundung auflaufenden Zinsen einzutragen sei, aus den Ein künften des Gutes zu tragen. Er hat demgemäß beantragt, festzu stellen, daß die Bellagte ihn von den Zinsen und Berwattungskosten einer auf dem Rittergut einzutragenden Hypothek von entsprechender Höhe freizustellen habe. Die Bellagte hat die Zulässigkeit der Feststellungsllage sowie den vom Kläger geltend gemachten Anspruch bestritten. Sie hat darauf hingewiesen, daß der Kläger gemäß § 34 ErbStG. die Aus setzung der Versteuerung bis zur Beendigung des Meßbrauchs be antragen könne. Beide Bordergerichte haben der Klage stattgegeben. Die Re vision der Bellagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Fest stellung hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Gründen bejaht. Die Behauptung der Bellagten, der Vormund des Nacherben sowie das Bormundschaftsgericht hätten ihre Zustimmung zm Aufnahme einer Hypothek zwecks Zahlung der Erbschaftsteuerschuld des Klägers mit Rücksicht auf §34 ErbStG. abgelehnt, reicht entgegen der Ansicht der Revision nicht aus, um das Interesse auszuschließen. Das Vormundschaftsgericht ist durchaus in der Lage, seinen Stand punkt zu ändern, wenn es nachträglich erkennt, daß die vom Kläger geplante Steuerregelung dem Gute und damit dem Nacherben zum Vorteil gereichen würde. Der Nießbrauch der Bellagten an dem Rittergut ist zur Er füllung des ihr in dem Testament ausgesetzten Vermächtnisses bestellt worden. Wenn auch der dort vermachte Meßbrauch noch nicht an allen Nachlaßgegenständen gemäß § 1085 BGB. bestellt worden ist, so gelten doch bezüglich des Meßbrauchs an dem Mttergut die nach § 1089 BGB. entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§1086 bis 1088 BGB. Die entsprechende Anwendung be deutet, daß als Schulden, wegen deren der Erbe Mckgabe der zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Gegenstände verlangen kann (§ 1087 BGB.), nur die eigentlichen Nachlaßschulden anzu sehen sind, diese allerdings ohne Rücksicht darauf, zu welcher Zeit sie entstanden sind. Um eine solche eigentliche Nachlaßschuld handell es sich aber bei der Erbschaftsteuer nicht. Diese trifft vielmehr nach § 15 Abs. 1 ErbStG. den Erwerber persönlich mit seinem ganzen
Vermögen. Neben dieser Haftung des Erwerbers mit seinem Eigenvermögen ist allerdings in § 15 Abs. 3 die Haftung des Nach lasses bestimmt. Aber hierbei handelt es sich nur um eine Sicherungs maßnahme zugunsten der Steuerbehörde. An der Tatsache, daß der Erwerber persönlich der eigentliche Schuldner der Erbschaft steuer ist und sie daher aus seinem Vermögen aufzubringen hat, wird hierdurch nichts geändert. Hiernach kann die Erbschaftsteuer nicht als eine Nachlaßverbindlichkeit im eigentlichen Sinn an gesehen werden. So kann auch bei der Berechnung der Höhe des Erwerbs die Erbschaftsteuer nicht abgezogen werden (§ 23 Abs. 7 ErbStG.). Wenn ferner § 2378 Abs. 1 BGB. bestimmt, daß der Erbschaftskäufer dem Verkäufer gegenüber verpflichtet ist, die Nachlaßverbindlichkeiten zu erfüllen, und dann § 2379 Satz 3 aus spricht, daß den Käufer die von der Erbschaft zu entrichteten Ab gaben treffen, worunter die Erbschaftsteuer fällt (vgl. RGRKomm. z. BGB. Bem. 3 zu § 2379), so ergibt sich auch hieraus, daß das Gesetz die Erbschaftsteuer nicht zu den eigentlichen Nachlaßverbind lichkeiten rechnet. Denn andernfalls hätte es gegenüber der Be stimmung in § 2378 Ms. 1 nicht noch der besonderen Vorschrift in § 2379 Satz 3 bedmft. § 8 Ms. 2 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I S. 925) bestimmt zwar, daß die Erben für die aus dem Nachlaß zu entrichtenden Steuern wie für Nachlaßverbindlichkeiten nach bürgerlichem Recht haften; hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Ausgestaltung der in § 15 Nr. 3 ErbStG. angeordneten Nachlaßhaftung, aus der jedoch, wie bereits aus geführt, nicht gefolgert werden kann, daß die Erbschaftsteuer eine reine Nachlaßverbindlichkeit darstellt. Ebensowenig kann § 15 Abs. 4 ErbStG. zugunsten des Klägers herangezogen werden. Denn durch diese Vorschrift wird nur llargestellt, daß der Borerbe in seinem Verhältnis zum Nacherben die Steuer aus dem Vermögen der Borerbschaft entnehmen kann (vgl. -Diego to Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl., Bem. III zu § 15, S. 194, und die dort angeführte Ent scheidung des Reichsfinanzhofs). Das Verhältnis des Nießbrauchers an der Erbschaft zum Vorerben wird durch diese Bestimmung nicht berührt. Dafür, daß auch das Erbschaftsteuergesetz davon ausgeht, daß der Nießbraucher nicht dem Erben gegenüber verpflichtet ist, die diesen treffende Erbschaftsteuer zu tragen, spricht eMich die Bestimmung des § 34 ErbStG. Hiernach kann beim Erwerbe von Vermögen, dessen Nutzung einem anderen als dem Steuerpflichtigen
zusteht, der Pflichtige verlangen, daß die Versteuerung bis zum Er löschen des Nutzungsrechts ausgesetzt bleibt. Der Zweck dieser Vor schrift ist, den Erwerber eines Vermögens, dessen Nutzung ihm zu nächst nicht zusteht, davor zu schützen, daß er die unter Umständen sehr hohe Steuer bezahlen soll, bevor ihm die Nutzungen zustehen und bevor er über das Vermögen selbst verfügen kann (vgl. RFH. i. RStBl. 1935 S. 999 Nr. 706), Als Anwendungsfall dieser Be stimmung wird gerade die Belastung des Nachlasses mit einem Meß brauch zugunsten eines Dritten angesehen (vgl. M e g o w a.a.O. Bem. I zu § 34, S. 315; Brecht Erbschaftsteuergesetz Bem. I zu § 34, S. 279). Dies wäre nicht möglich, weil dem vorerörterten Zwecke der Bestimmung nicht entsprechend, wenn der Erbe vom Meßbraucher die Herausgabe der zur Tilgung der Erbschaftsteuer erforderlichen Gegenstände verlangen könnte. Die Entscheidung in RGZ. Bd. 153 S. 29 ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Es handelt sich bei der Erbschaftsteuer nicht um eine laufende Aus gabe, die aus den Erträgnissen des Vermögens geleistet werden soll, sondern um eine einmalige Abgabe, die zudem in erster Linie den Erben mit seinem ganzen Vermögen persönlich trifft. Soweit der Nachlaß mithaftet, handelt es sich um eine außerordentliche Last (vgl. § 2379 Satz 3 BGB.). Daher kann auch die entsprechende Anwendung der §§ 1087, 1088 BGB. hier nicht in Frage kommen. Die gesetzlichen Bestimmungen über das Verhältnis des Bestellers des Meßbrauchs zum Meßbraucher vermögen somit den Klage anspruch nicht zu begründen. Es kann sich hiernach nur fragen, ob das Klagebegehren in dem Willen des Erblassers eine Stütze findet. Das Berufungsgericht kommt zwar nach näherer Erörterung der Steuerverhältnisse zu dem Ergebnis, daß es „im Interesse des Gutes und vernünftiger wirt schaftlicher Erwägungen" liege, wenn sich der Kläger zur alsbaldigen Zahlung der Steuer entschlossen und den Aussetzungsantrag gemäß § 34 ErbStG. nicht gestellt habe, und sagt nachher, daß es „dem Wesen des Nießbrauchs und dem mutmaßlichen Willen des Erblassers bei der Anordnung des Vermächtnisses" entspreche, wenn die Beklagte als Meßbraucherin die Zinsen trage. Diese Meinung des Be rufungsgerichts vom Willen des Erblassers beruht jedoch, wie es scheint, auf der im vorigen zmückgewiesenen unrichtigen Auffassung über das Wesen der Erbschaftsteuer. Die Frage bedarf erneuter Prüfung durch den Tatrichter. (Dazu folgen nähere Anweisungen.)
26. Wird der Zuständigkeitsmangel geheilt, wenn eine Ehescheidungsklage bei dem erst in zweiter Reihe zuständigen Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Mannes erhoben wurde, obwohl die verklagte Ehefrau sich.damals noch im Sprengel des Gerichts des letzten gemeinsamen Aufenthalts aufhielt und erst während des Rechtsstreits ihren Aufenthalt in diesem Sprengel aufgab? ZPO. § 606.
Sd. IN. § 76.
IV. Zivilsenat. Urt. v. 17. November 1943 i. S. Ehemann A. (Kl.) w. Eheftau A. (Bekl.). IV173/43. I. Landgericht Breslau. II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Parteien haben die Ehe in Rumänien geschlossen. Im Rahmen der Umsiedlungsmaßnahmen kamen sie im Winter 1940/41 ins Deutsche Reich, und zwar zunächst nach R. im Landgerichts sprengel Mährisch-Schönberg. Ende März 1941 nahm der Ehe mann seinen ständigen Aufenthalt in Breslau und blieb dort bis zu seinem Eintritt in die deutsche Wehrmacht im Januar 1942. Die Ehefrau blieb bis Februar 1942 in R. und kam dann in das Bolksdeutschen-Lager in Sch. im Sprengel des Landgerichts Reichenberg im Sudetengau, wo sie sich noch jetzt mit den Kindern aufhält. Der Ehemann wurde im Mai 1943 für seine Person ein gebürgert. Der Scheidungsklage des Klägers, die dieser im November 1941 beim Landgericht in Breslau, seinem damaligen Aufenthaltsort, erhob, wmde im ersten Rechtsgange stattgegeben. Das Berufungs gericht wies aber die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit unter Ablehnung einer Berweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Reichenberg und unter Zulassung der Revision ab. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Gründe:
Bon der rechtlich bedenkenfreien Ansicht ausgehend, daß die Parteien im Zeitpunkte der Klageerhebung staatenlos waren, hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung über die Zuständigkeit zu treffend den § 606 RZPO. in der Fassung der 4. Durchführungs verordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941 (RGBl. IS. 654)
und nicht das deutsch-rumänische Abkommen vom 25. Juni 1940 (RGBl. IIS. 140) zugrunde gelegt. An sich hätte die Klage — wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt — bei dem Landgericht Mährisch-Schönberg als dem nach § 76 sd. IN. — gleichlautend mit § 606 RZPO. — in erster Linie zuständigen Gericht des letzten gemeinsamen und von der Beklagten beibehaltenen Aufenthalts ortes im Lager von R. erhoben werden müssen. Das Landgericht in Breslau als Gericht des Aufenthaltsortes des Mannes kam nach § 606 RZPO. erst in zweiter Linie in Betracht. Aus dem allge meinen verfahrensrechtlichen Satze, daß sich die Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse grundsätzlich nach dem Zeitpunkte des Abschlusses der Verhandlung bestimmt, und aus der diesen Satz einschränkenden Vorschrift des § 263 Nr. 2 RZPO. er gibt sich, daß einerseits die die Zuständigkeit des angerufenen Ge richts begründenden Umstände fortwirken, während andererseits Hindernisse, die der Zuständigkeit dieses Gerichts im Zeitpunkte der Klageerhebung entgegenstanden, durch ihren späteren Wegfall ihre Wirkung verlieren. Das Hindernis, das der Durchführung des Rechtsstreits vor dem angerufenen Landgericht in Breslau im Zeit punkte der Klageerhebung entgegenstand — nämlich, daß die Be klagte den letzten gemeinsamen Aufenthaltsort für ihre Person zur Zeit der Klageerhebung noch beibehalten hatte —, hat sich durch das Fortziehen der Bellagten aus R. nachträglich er ledigt. Andererseits ist der Umstand, daß der Kläger währeiw des Rechtsstreits seinen Aufenthalt in Breslau aufgegeben hat, nach dem Grundsätze des § 263 Nr. 2 RZPO. auf die Zuständigkeit ohne Einfluß geblieben. Demnach bestehen, weil das in erster Reihe zu ständige Landgericht Mährisch-Schönberg ausgeschieden ist, gegen die Zuständigkeit des angerufenen und nach § 606 RZPO. in zweiter Linie zuständigen Landgerichts in Breslau keine Bedenken. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das sich nunmehr mit der Sache selbst zu befassen haben wird. Auf die Frage, ob eine Ver weisung nach § 276 RZPO. von einem Gerichte des Altreichs an eines im Geltungsbereiche des österreichischen oder sudetendeutschen Verfahrensrechts zulässig wäre (RGZ. Bd. 161 S. 266), war unter diesen Umständen nicht einzugehen.
27. Kann nach österreichischem Recht ein Verwalter nur für eine gemeinsame körperliche Sache oder auch für ein gemeinsames Unternehmen bestellt werden? ABGB. §§ 833, 836,1188. VII. Zivilsenat. Urt. v. 17.November 1943 i. S. B. (Bekl.) w. K. (Kl.). VII109/43. I. Landgericht Salzburg. II. Oberlandesgericht Innsbruck.
s Als die Parteien im Jahre 1936 einander heirateten, hatten sie zu gleichen Teilen das Eigentum an einer für das Hotelgewerbe eingerichteten Liegenschaft in H. und an dem für den Hotelbetrieb bestimmten Zubehör. Im Jahre 1939 erwarb der Beklagte die Hotelkonzession. Die Klägerin und der Beklagte brachten „je ihren Anteil an der dem Gastgewerbebetriebe gewidmeten Liegenschaft samt Zubehör und ihre Arbeitskraft, der Beklagte überdies seine Gewerbeberechtigung ein, um so ihr gemeinsames Vermögen und Können zu verwenden". Die Ehe wurde im Jahre 1941 ge schieden. Die Klägerin verließ H. Der Beklagte führte den Hotel betrieb weiter. Er heiratete ein zweites Mal. Als er zu Beginn des Jahres 1942 zum Heeresdienst eingezogen wurde, überließ er die Führung des Hotels seiner zweiten Frau. Die Klägerin begehrt die Bermteilung des Beklagten zur Einwilligung in „die Bestellung eines Verwalters für das in ihrem und des Beklagten gemeinschaftlichen Eigentum stehende Hotel". Land gericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.
Gründe: Der Wortlaut des Klägebegehrens und des bekämpften Urteils spruchs könnte dahin verstanden werden, daß nur für die gemein schaftliche Liegenschaft ein Verwalter zu bestellen sei. Die Urteils gründe zeigen aber klar, daß der Spruch in dem Sinne gefällt wurde, daß diese Bestellung auch für das Unternehmen gilt. Da der Sinn des Urteils aus seinen Gründen zu entnehmen ist, ist das Urteil dahin zu verstehen, daß sowohl für die gemeinsame Liegen schaft als auch für das gemeinsame Hotelunternehmen ein Ver walter zu bestellen ist.
Die Revision des Beklagten bekämpft zunächst die Bestellung des Verwalters für die Liegenschaft. Hierzu führt sie aus, der Beklagte habe nicht nur das Miteigentum an der Liegenschaft, sondern auch die Gewerbeberechtigung und deshalb die Mehr heit. Diese Ausführung vermengt den Begriff des Sacheigentums mit dem Begriffe des mit der Sache betriebenen Unternehmens. Soweit es sich um die Verwaltung der gemeinsamen Sache handelt, kommen aber nur die Anteile an der gemeinschaftlichen Sache in Betracht. Der Umstand, daß mit Hilfe der Sache ein Unternehmen betrieben wird, hat für die Rechtsstellung des Miteigentümers an der Sache keine Bedeutung. Auch der Mieter der gemeinsamen Sache, der mit ihrer Hilfe ein Unternehmen betriebe, würde aus der Tatsache des betriebenen Unternehmens keinen Antell an der Sache haben und daher auch keine Rechte aus der Gemeinschaft der Sache ableiten können. Muß aber für die Rechtsstellung der Miteigentümer an der gemeinsamen Sache ihre Stellung in einem gemeinsamen Unternehmen außer Betracht bleiben, so kann die Stellung im Unternehmen keine Mehrheit an den Sachanteilen geben. Die Behauptung der Revision, der Bellagte habe wegen seiner Stellung im Unternehmen die Mehrheit an den Sachanteilen, ist unbegründet. Bon der Gemeinschaft des Eigentums an einer Sache (§§ 825 flg. ABGB.) ist aber die Erwerbsgesellschaft (§ 1175 ABGB.) zu unterscheiden. Diese entsteht nicht schon durch die Gemeinschaft des Eigentums, sondern erst dadurch, daß sich mehrere Personen zu einer Gesellschaft vereinigen. Hierbei ist es möglich, daß sie über haupt keine Sachleistungen, sondern nur Arbeitsleistungen er bringen; es ist möglich, daß eine dieser Personen nur Kapital, die andere nur Arbeitsleistung beistellt, und es ist möglich, daß sie Sachund Arbeitsleistung „zu gemeinsamem Nutzen vereinigen". Mrd aber der Unterschied zwischen der Gemeinschaft des Eigentums an Sachen (§ 825) und der Erwerbsgesellschaft (§§ 1175 flg.) fest gehalten, so ergibt sich, daß einerseits die Teilnahme an der Erwerbs gesellschaft noch kein Recht an der Sache, andererseits das Miteigentum an einer Sache noch nicht die Stellung eines Gesell schafters in der Erwerbsgesellschaft geben muß. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Klägerin und der Bellagte hätten „je ihren Anteil an der Liegenschaft samt Zubehör und ihre Arbeitskraft" eingebracht, um ihr gemeinsames Vermögen
zu verwerten. Nach dieser Feststellung liegt nicht nur eine Gemein schaft des Eigentums nach § 825, sondern auch eine Erwerbsgesellschaft nach § 1175 ABGB. vor, in die jeder Teil seine Liegenschaftshälfte und auch seine Arbeitskraft einbrachte. Der Umstand, daß der Beklagte allein die Konzession und später nach dem Gast stättengesetz die Befugnis zum Gewerbebetrieb hatte, ist öffentlichrechtlich gegenüber der Gewerbebehörde, nicht aber für das Jnnenverhältnis der Gesellschafter von Bedeutung, well von den Vertragstellen die Gewerbebefugnis nicht als Vermögenswett festgesetzt wurde und diese dahär das Arbeitsverhältnis nicht beein flußt. Die Frage, ob dem Beklagten wegen seiner Gewerbebefugnis und der damit verbundenen Geschäftsführung ein erhöhter Anteil am Erträgnis nach § 1193 ABGB. zukommt, ist für die vorliegende Rechtssache ohne Belang. Denn die Höhe des Gewinnanteils mindert die Rechte der Mtglieder der Erwerbsgesellschaft nicht. Entscheidend ist daher die Frage, ob auch dann, wenn die Gesellschafter Kapital und Arbeitskraft vereinigt haben, ein Ver walter für das Unternehmen bestellt werden kann. Daß ein Unter nehmen durch einen Verwalter geführt werden kann, ist angesichts der Bestimmungen der §§ 341, 334 EO. kaum zu bezweifeln. Daß die Gesellschafter, wenn sie einig sind, einen Verwalter bestellen können, ist nach §§ 1188, 828 ABGB. ebenfalls anzunehmen. Die Frage, ob, wenn die Gesellschafter nicht einig sind, die Mehrheit der Gesellschafter einen Verwalter bestellen kann, ist zu bejahen, da nach § 1188 die Bestimmungen der §§ 833,834,835 anzuwenden sind. Eine Mehrheit der Stimmen hat der Beklagte nicht, da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beide Telle ihre Arbeits kraft einbrachten und eine Vereinbarung fehlt, derzufolge die Arbeits kraft des Beklagten und seine Befugnis in Geld veranschlagt worden wäre (§ 1192). Da die Anteile der beiden Streitteile an der Erwerbs gesellschaft gleich groß sind, eine Mehrheit für die Bestellung eines Verwalters somit fehlt, kann dessen Bestellung durch richterliche Entscheidung nach § 836 gefordert werden, der nach § 1188 auch für die Erwerbsgesellschaft anwendbar ist. Die Entscheidung des Be rufungsgerichts beruht daher auf keiner unrichtigen rechtlichen Be urteilung.
28. 1. Bestand bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 15. August 1943 eine Gefähr dungshaftung für Schäden durch Explosion von Leuchtgas, das aus -en in den Straßen liegenden Rohren ausgeftrömt war? 2. Kann auf Grund von § 1 a Abs. 4, § 7 b des Reichshaft pflichtgesetzes einem der Geschädigten ein Gefährdungsanspruch ganz versagt werden, wenn das außergewöhnliche Matz der Gas explosion auf die besonderen, von ihm zu vertretenden Verhält nisse des Grundstücks zurückzuführen ist und sonst die Ansprüche völlig Unbeteiligter, die sich mit ihm in den Höchstbetrag von 25 000 RM. teilen müßten, beeinträchtigt würden? 3. Ist § 836 BGB. bei Schäden aus Gasrohrbrüchen an wendbar? 4. über den Umfang der Sorgfaltspflichten bei der Instand haltung des Gasrohrnetzes.
BGB. § 836. Reichshastpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 (RGBl. S. 207) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Reichshaft pflichtgesetzes vom 15. August 1943 (RGBl. I S. 489) §§ la, 7b. V. Zivilsenat. Urt. v. 23. November 1943 i. S. S. (Kl.) gegen Stadt S. (Bell.). V 77/43. I. Landgericht Siegen. II. Oberlandesgericht Hamm.
Am 22. Februar 1940 gegen 7 Uhr fand auf dem Grundstück des Klägers in S. eine Explosion statt, durch die IQ Personen ge tötet und 12 Personen schwer verletzt wurden, auch das Fabrik gebäude seiner Kleiderfabrik völlig zerstört wmde. Für den ihm entstandenen, durch Versicherung nicht gedeckten Sachschaden von über 350 000 RM. macht er die Beklagte verantwortlich mit der Behauptung, die Explosion sei auf Leuchtgas zurückzuführen, das aus undichten Stellen ihrer an seinem Grundstück vorbeiführenden Rohrleitungen entwichen sei, sich unterhalb seines Fabrikgebäudes gesammelt und beim Ingangsetzen der Dampfkesselanlagen plötzlich entzündet habe. Das Entweichen des Gases fei auf mangelhafte
Instandhaltung und Beaufsichtigung des Rohrnetzes, insbesondere auf den mangelhaften Zustand eines in früheren Jahren abge schnittenen Rohrstückes, zurückzuführen. Die Beklagte bestritt, daß es sich um eine Leuchtgasexplosion gehandelt habe und daß das
Rohrnetz nicht sorgfältig instandgehalten und beaufsichtigt worden sei, und machte geltend, daß, wenn sich Gas tatsächlich unter den Gebäuden des Klägers angesammelt habe, dies auf die außergewöh'nliche Kälte im Winter 1939/40 zurückzuführen sei, die, wie in anderen Städten, erhöhte Rohrschäden herbeigeführt, vor allem aber das Ansammeln und Fortströmen des Gases unter dem ge frorenen Erdboden auf weite Strecken ermöglicht habe. Sie habe damals allen auftauchenden Klagen über Gasgeruch durch chr Personal, das bis zum äußersten angestrengt worden sei, nachgehen und die festgestellten Schäden sofort ausbessern lassen. Bon der nach dem Unfall festgestellten Undichtigkeit der Gasrohre nahe dem Grundstück des Klägers habe sie vorher keine Kenntnis gehabt. Von seinem Schaden hat der Kläger zunächst einen Teilbetrag von 20 000 RM. eingeklagt; später hat er eine weitere Klage auf Zahlung von 341695 RM. erhoben. Während das Landgericht seiner ersten TeMage stattgegeben hat, hat das Oberlandesgericht sie abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Die Revision bittet vor allem um Nachprüfung, ob die Beklagte nicht auf Grund einer Gefährdungshaftung zum Ersatz wenigstens des zuerst eingeklagten Schadens verpflichtet sei, weil bei der im Winter 1939/40 gegebenen Sachlage gefahrdrohende Gasaustritte zu besorgen gewesen seien und nach Ansicht des Berufungsgerichts bei den kriegsbedingten Verhältnissen eine Verhinderung des Aus tritts, ohne von der Beklagten unzumutbare Leistungen zu ver langen, nicht hätte gefordert werden können. Auch sei zu berück sichtigen, daß durch das Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflicht gesetzes vom 15. August 1943 eine Gefährdungshaftung wenigstens bis zur Höhe von 25 000RM. eingeführt sei. Wenn auch das Gesetz keine rückwirkende Kraft habe, so müßten doch seine Grund sätze unter den besonderen Verhältnissen des Winters 1939/40 sinn gemäß angewendet werden. Indessen ist der — allerdings nicht näher begründeten — Meinung des Berufungsgerichts, daß keine Gefährdungshaftung in Frage komme, beizutreten. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung (RGZ. Bd. 159 S. 129 [137], Bd. 167 S. 14 [25] u. ft.) der Grundstückseigentümer als Ausgleich dafür, daß er aus höheren Rücksichten die von gemeinnützigen Arbeiten
und Anlagen ausgehenden Einwirkungen ohne die Möglichkeit einer Abwehr hinnehmen muß, eine Entschädigung für die ihm durch solche unzulässigen Einwirkungen entstandenen Schäden ohne Nach weis einer schuldhaften Handlung verlangen. Wie indessen bereits in RGZ. Bd. 63 S. 374 dargelegt ist, sind bei Schäden aus Gas rohrbrüchen die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch nicht gegeben. Es mag zwar dem natürlichen Laufe der Mnge ent sprechen, daß die in der Straße liegenden Rohre hin und wieder schadhaft werden und Gas ausströmen lassen; daß dieses aber von außen in ein Grundstück eindringen und sich dort in großer Menge, wie sie zu einer Explosion erforderlich ist, unbemerkt ansammeln kann, ist nur bei einem Zusammentreffen außergewöhnlicher Um stände möglich. Eine solche Verkettung von Umständen ist nicht mit Sicherheit im Sinne des § 907 BGB. zu erwarten. Andererseits bedarf die Verlegung der Gasrohre in den Straßen keiner polizei lichen Genehmigung; das Rohrnetz genießt also nicht den Schutz des § 26 GewO. Der Grundstückseigentümer kann vielmehr gemäß § 1004 BGB. die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen und eine vorbeugende Unterlassungsklage ist ihm nur deswegen versagt, weil in der > Regel eine Besorgnis, daß künftig aus schadhaften Stellen eines Rohres Gas ausströmen und sein Grundstück ge fährden werde, nicht begründet ist. Daß im vorliegenden Falle schon vor der Explosion eine berechtigte Besorgnis bestanden habe, es könnten wegen des herrschenden Frostes an den Gasrohren in der Nähe des Grundstücks plötzlich ein größeres Loch oder mehrere Löcher entstehen, daraus die zu einer Explosion erforder liche Menge Gas ausströmen und sich in irgendwelchen — damals gar nicht.bekannten — Hohlräumen unter den Fabrikgebäuden sammeln, ist entgegen der Meinung der Revision nicht anzuerkennen. Es trifft auch nicht zu, daß der Kläger den Gasaustritt aus den Rohren dulden mußte. Denn die Beklagte war verpflichtet, bei Auf treten von Gasgeruch alles Erforderliche zur Beseitigung eines Rohr schadens zu tun; sie hat das nach den Feststellungen des Sachver ständigen auch im Winter 1939/40 in allen ihr bekannt gewordenen Fällen unverzüglich getan. Wenn die Beseitigung der Rohrschäden bei dem tiefgefrorenen Boden erschwert war, die undichten Stellen nicht immer sofort festgestellt werden konnten, so mag dadurch die tatsächliche Durchsetzung der Beseitigungsansprüche hinausgezögert worden sein. Diese tatsächliche Erschwerung kann aber einer recht-
lichen Versagung des Anspruchs nicht gleichgestellt werden. Denn es blieb immer die von der Beklagten gar nicht bestrittene Ver pflichtung bestehen, bei Verdacht eines größeren Gasrohrbruches bis zur Auffindung und Beseitigung der Bruchstelle den in Frage kommenden Teil der Rohrleitung abzusperren, wodurch zunächst einmal jede Gefahr für das Grundstück beseitigt werden konnte. Eine Haftung der Beklagten ohne Verschulden läßt sich auch nicht aus dem Grundsatz herleiten, daß derjenige, der mit Rücksicht auf die allgemeine Nützlichkeit eines Unternehmens gewisse Be einträchtigungen seines Eigentums hinnehmen muß, dafür eine billige Entschädigung verlangen kann (RGZ. Bd. 113 S. 306, Bd. 155 S. 320). Denn dieser Aufopferungsanspruch steht einem Anspruch auf vollen Schadensersatz nicht gleich (RGZ. Bd. 126 S. 360 [361], Bd. 140 S. 276 [281], Bd. 167 S. 14 [26]), da er nur einen an gemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigungen, nicht aber den vollen Ersatz eines später durch Hinzutreten anderer Umstände ent
standenen Schadens geben soll. Das Vorhandensein der Gasrohre in einer anliegenden Straße, die Möglichkeit des Ausströmens von Gas und seiner Entzündung mag zwar eine gewisse Gefahr für die Gebäude und sonstigen Einrichtungen auf dem Grundstück und für seine Bewohner bedeuten, die Benutzung des Grundstücks beein trächtigen, seinen Wert mindern. Eine Beschädigung der Einrichtungen des Grundstücks wie der auf ihm weilenden Personen tritt aber erst beim Hinzukommen weiterer, meist zufälliger Umstände ein. Ersatz dieses Schadens könnte nur auf Grund der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen verlangt werden. Allerdings hat — offensichtlich wegen der aus der Zuleitung und Abgabe von Gas und Elektrizität drohenden Gefahren — das Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 15. August 1943 durch Einfügen der §§ la, 7b in das geänderte Gesetz den In habern der Anlage eine Schadensersatzpflicht ohne Verschulden bis zum Höchstbetrage von 25 000 RM. insgesamt auferlegt. Diese Be stimmungen können jedoch keine Anwendung finden, da das Gesetz keine rückwirkende Kraft hat. Es kann sich nur fragen, ob nicht aus dem Erlasse des Gesetzes zu folgern ist, daß es auch schon im Jahre 1940 der Billigkeit und den neueren Anschauungen über die Pflichten der Gemeinschaft nicht entsprochen habe, die durch die Zuleitung von Gas und Elektrizität drohenden Gefahren, namentlich wenn sie durch besondere Witterungsverhältnisse und infolge der kriegsbedingten
Einschränkung der Instandhaltung und Überwachung des Rohr netzes erhöht waren, allein den Anliegern dieser Anlagen aufzu bürden, oder ob nicht vielmehr den Inhabern der Anlage eine Schadensersatzpflicht ohne Verschulden wenigstens in beschränktem Umfang aufzuerlegen war. Es bedarf indessen vorliegend keiner grundsätzlichen Entscheidung dieser Frage, da hier die besonderen Umstände die Zubilligung eines solchen Ersatzanspruchs an den Kläger nicht rechtfertigen würden. Nach den polizeilichen Ermittlungen ist die Ansammlung des aus den Gasrohren ausgeströmten Gases unterhalb des Fabrik gebäudes nur dadurch möglich gewesen, daß die Senkgruben und Säurebottiche der auf dem Grundstück früher betriebenen Lumpenmühle mit Straßenmüll, Koksasche u. dgl. ausgefüllt worden waren, dieses Material mit den Jahren in sich zusammen gesunken war und sich so unter dem Fußboden des Fabrikgebäudes größere Hohlräume' gebildet hatten. Weiter hatte 2 m unter dem Gebäude noch ein alter, durch die Grundmauern oder unter ihnen hinausführender, nicht himeichend abgeschlossener Abwässerkanal bestanden. Im Jahre 1929 hat der Kläger sein Fabrikgebäude auf den alten Grund- und Umfassungsmauern errichtet und ohne Anlegung eines Kellergeschosses über den aufgeschütteten Erdboden teils eine Balken- und Bohlendecke, teils eine leichte Zementdecke legen lassen. Er hat somit die Ursachen dafür, daß sich Gas in er heblichen Mengen unterhalb des Fußbodens seiner Fabrikgebäude ansammeln und die Explosion ein derartiges Ausmaß annehmen konnte, selbst gesetzt; mindestens geht das zu seinen Lasten. Denn ihm war bei Errichtung des Gebäudes das Vorhandensein der Gas rohre in den anliegenden Straßen bekannt. Er mußte also mit der Möglichkeit rechnen, daß ein Rohrschaden auftreten und Gas aus strömen konnte. Er hätte deshalb bei Errichtung seiner Gebäude etwaigen daraus drohenden Gefahren wenigstens durch möglichst dichten Abschluß des Untergrundes seiner Grundstücke, vor allem durch Beseitigung von Öffnungen des alten Mauerwerkes, entgegen treten müssen. Schon daß er sein Grundstück in einem solch mangel haften Zustande belassen hat, müßte seinen Schadensersatzanspruch erheblich mindern (vgl. RGZ. Bd. 167 S. 26 [27]). Außerdem könnte aber, wenn man ihm überhaupt im Hinblick auf das spätere Gesetz vom 15. August 1943 einen Schadensersatzanspruch auf Grund einer Gefährdungshaftung zubilligen will, dies doch immer
nur im Rahmen und nach den Grundsätzen dieses Gesetzes ge schehen. Im neuen §la Abs. 4 des Reichshaftpflichtgesetzes ist aber ausdrücklich die Anwendung des § 254 BGB. vorgeschrieben und nach § 7b müssen sich sämtliche Geschädigten in den Höchstbetrag von 25 000 RM. teilen. Es geht nicht an, dem Geschädigten, der selbst dafür verantwortlich ist, daß die Explosion ein derartiges Ausmaß angenommen hat, einen Ersatz seines Schadens auf Kosten derjenigen zuzubilligen, die für die Entstehung der Explosion über haupt keine Ursache gesetzt haben. Schon diese Erwägungen müß ten zur Versagung jeglichen Schadensersatzanspruchs 'führen. Eine Haftung der Beklagten ohne Verschulden ist deshalb vom Be rufungsgericht mit Recht abgelehnt worden. Ohne Rechtsirrtum hat es auch die Voraussetzung des § 836 BGB. verneint. Zwar sind die Gasrohre unbedenllich als ein mit dem Grundstück verbundenes Werk anzusehen. Soweit Gas aber aus den beweglich gehaltenen Verbindungsstücken der Rohre, den Muffen, ausströmt, würde dies nicht Folge eines Einsturzes oder eines Ablösens von Teilen des Werkes sein, selbst wenn sich bei Ver lagerung oder Dehnungserscheinungen des eisernen Rohres infolge der Witterung die schon vorhandene geringe Undichtigkeit ver größert haben sollte. -Auch soweit das Gas aus einer Bruchstelle, d. h. aus einer, sei es auf Korrosion, sei es auf sonstige Einflüsse zurückgehenden Zerstörung der Rohrwandung, ausströmt, ist doch der durch die Explosion oder das Verbrennen des Gases entstandene Schaden nicht wie beim Ausströmen von Wasser aus einer zer brochenen Wasserleitung oder einem gebrochenen Damm (RGZ. Bd. 97 S. 114, Bd. 133 S. 6; WarnRspr. 1913 Nr. 502) durch die bewegende Kraft des Einsturzes oder der Loslösung von Tellen des Werkes herbeigeführt worden (vgl. WarnRspr. 1913 Nr. 417; RGRKomm. z. BGB. Bem. 5 zu § 836; Pahland Bem. 6 zu § 836 BGB.; Staudinger Bem.4» zu §836 BGB.). Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch läßt sich somit nur aus §§ 823, 831 BGB. herleiten. Das Berufungsgericht will zwar in Übereinstimmung mit dem Kläger ein für das Ausströmen
des Gases ursächliches Verschulden der Beklagten oder ihrer Leute darin sehen, daß vor längerer Zeit bei Stillegung eines Abzweig rohres von dem Hauptrohr dieses nicht unmittelbar an dem Haupt rohr, sondern in einer Entfernung von 3,60 m abgeschnitten und mit einem Holzstopfen verschlossen worden sei, hält aber nicht für Entsch. in Zivils. 172. 11
erwiesen, ja nicht einmal für wahrscheinlich, daß Has im Fabrik gebäude des Klägers zur Explosion gekommene Gas aus dem nach dem Unglück an der unteren Seite des Abzweigrohres festgestellten, auf Korrosion zurückzuführenden größeren Loche stamme. Beide Annahmen beruhen indessen auf verfahrensrechtlich nicht einwand freier Grundlage. (Wird näher ausgeführt.) Weiter hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch darauf gestützt, daß das Rohrnetz in einem schlechten Zustande gewesen, die Überwachung nicht sorgfältig durchgeführt worden sei und die Be klagte trotz der vielfach auftretenden Gasgerüche nicht die erforder lichen Maßnahmen, insbesondere nicht für die Umgebung des dem Kläger gehörigen Grundstücks, getroffen habe. Bei der Prüfung, ob die Bellagte die Sorgfaltspflichten beachtet hat, die ihr als Gas versorgerin bei der Instandhaltung und Überwachung des Rohrnetzes und der Abwendung der durch ausströmendes Gas entstehenden Ge fahr obliegen, dürfen indessen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da dies sonst auf eine — und zwar unbeschränkte — Gefähr dungshaftung hinauslaufen würde. Es darf vorliegend insbesondere nicht außer acht gelassen werden, daß, wie der Gutachter unter Hinweis auf andere Aufsätze einwandfrei dargelegt hat, im Winter 1939/40 die Gasanstalten durch den außergewöhnlich strengen und anhaltenden Frost in eine schwierige, nicht voraussehbare Lage ge kommen waren, da die technischen Einrichtungen auf solche außergewöhnlichen, bisher unbekannten Verhältnisse nicht eingestellt waren. Denn der Frost war so tief wie niemals seit 50 Jahren in den Boden gedrungen; die Kälte hatte dadurch auf die Rohre unmittelbar einwirken können; dadurch wie durch Verlagerung des Erdbodens waren Spannungen entstanden, welche die Abdichtungen der Rohr enden beeinträchtigten und alte oder neue Schäden an den Rohr wänden auftreten ließen. Der Frost im Fußboden erhöhte ins besondere das sogenannte Vagabundieren der ausströmenden Gase, so daß die Stelle, wo das Gas ausströmte, schwer festzustellen war; er erschwerte außerdem die Tätigkeit mit den Gassuchgeräten und verzögerte das Aufbrechen des Bodens. Deshalb können daraus, daß sich auch in den Straßen der Beklagten Gasgeruch in erhöhtem Maße bemerkbar machte und diese Mängel — auch abgesehen von dem kriegsbedingten Mangel an Arbeitern — nicht immer sofort abgestellt werden konnten, keine Rückschlüsse auf den Zustand des Rohrnetzes oder die Überwachungstätigkeit gezogen werden. Ebenso
läßt sich nichts daraus folgern, daß bei Beseitigung von Rohrschäden gerade in damaliger Zeit mehr oder weniger große Stücke verrosteter Rohre ausgegraben wurden, da Korrosionsschäden an eisernen oder stählernen Rohren unvermeidlich sind. Es läßt sich demnach nicht beanstanden, wenn das Berufungsgericht trotz der gegenteiligen Behauptungen des Klägers, die übrigens nur allgemein gehalten waren, mehr auf dem allgemeinen Gerede beruhten, den allgemeinen Zustand des Rohrnetzes als gut bezeichnet. Ebenso lag es nur im Rahmen seines richterlichen Ermessens und seiner freien Beweis würdigung, wenn es sich auf die von ihm veranlaßten Feststellungen des Sachverständigen über die Beaufsichtigung des Rohrnetzes und die umgehende Beseitigung der gemeldeten oder sonstigen fest gestellten Schäden verließ und nicht etwa die Angestellten und Ar beiter der Beklagten selbst hörte, zumal da solche Feststellungen an Hand der Bücher sicherer getroffen werden können als auf Grund der Aussagen von Zeugen, die sich nach Jahren der Einzelheiten nicht mehr erinnern. Eine Überspannung der an die Sorgfaltspflicht der Beklagten gestellten Anforderungen bedeutet auch die Ansicht des Klägers, die Beklagte habe wegen des häufigen Auftretens undichter Stellen im Rohrnetz während des Winters 1939/40 besondere Maßnahmen, wie Herabsetzen des Gasdrucks, gänzliches oder zeitweises Absperren des Gases, Offenhalten der Kanaldeckel, treffen müssen. Denn es liegt auf der Hand, daß eine Stadtverwaltung schon mit Rücksicht auf die, namentlich während der Verdunkelung, drohenden Gefahren die Kanaldeckel nicht längere Zeit offenhalten oder gar ihr Gasrohr netz ganz oder auch nur zeitweise schon dann absperren oder den Druck erheblich herabsetzen kann, wenn sich in dieser oder in jener Straße Gasgeruch bemerkbar macht und Rohrschäden zeigen, und zwar selbst dann nicht, wenn sich solche Schäden infolge außer gewöhnlicher Witterungsverhältnisse gegenüber normalen Verhält nissen vervielfachen. Dadurch würde die Gasversorgung, auf die gerade in Kriegszeiten die Bevölkerung und vor allem die Industrie angewiesen ist, unterbunden oder unverhältnismäßig gestört, ob wohl erfahrungsgemäß aus Rohrbrüchen der in den Straßen liegen den Gasrohre nur selten erhebliche Schäden entstehen und Explo sionen in dem Maße wie auf dem Grundstück des Klägers überhaupt nur bei Verkettung außergewöhnlicher Umstände, wie sie oben angeführt sind, möglich sind.
Solche einschneidenden Maßnahmen brauchen auch für einen
engeren Bezirk erst dann ergriffen zu werden, wenn die Umstände auf einen oder mehrere größere Rohrbrüche Hinweisen und daraus besondere Gefahren drohen. Das hatte der Kläger freilich wieder holt behauptet und das Berufungsgericht hätte sich trotz aller durch den Krieg bedingten Kürze der Begründung der Entscheidungen (§ 2 der 3. Vereinfachungsverordnung) damit eingehender befassen und den Sachverhalt besser aufklären müssen. (Wird näher aus geführt.) Auch aus diesem Grunde muß sonach das Urteil auf gehoben und die Sache zur weiteren Prüfung an das Berufungs gericht zurückverwiesen werden, das dann auch über einen etwaigen Entlastungsbeweis gemäß § 831 BGB. wie über ein mitwirkendes Verschulden des Klägers zu befinden haben wird.
29. 1. Steht das Recht, die Ehelichkeit des Kindes infolge Legi timation durch nachfolgende Ehe zu bestreiten, nur dem Ehemann der Kindesmutter oder auch dem Kinde selbst und dritten Per sonen zu, die an der Feststellung der Wahrheit beteiligt sind? 2. Zur Frage der Jrresührung des Prozetzgegners.
ABGB. §§ 161, 870.
VII. Zivilsenat. Urt. v. 24. November 1943 i. S. Alois H. (Bell.) w. Ottüie H. u. a. (Kl.). VII111/43. I. Landgericht Wien. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Nachlaß des Johann H. wurde vom Amtsgericht W. auf Grund Gesetzes den drei Klägern, als den ehelichen Kindern des vorverstorbenen Bruders des Erblassers, Josef H., zu je einem Sechstel und dem Beklagten als dem durch nachfolgende Ehe legitimierten Sohne "des anderen vorverstorbenen Bruders des Erb
lassers, Rudolf H., zur Hälfte eingeantwortet. - Der Beklagte war der außereheliche Sohn der Aloisia B., die am 9. Januar 1910 den Rudolf H. heiratete. Dieser erklärte am 27. Juni 1914 vor dem Pfarramt, daß er der leibliche Vater des Beklagten sei, so daß dieser
als der durch die nachfolgende Ehe legitimierte Sohn des Rudolf und der Aloisia H. anzusehen ist. Die Kläger erlangten im Herbst 1939 Kenntnis von dem Vormundschafts-We des Amtsgerichts W.-M., aus dem hervorgeht, daß die Kindesmutter Aloisia B. am 15. März 1907 bei dem Amts gericht H. auf die Frage, ob eine Legitimierung des Kindes durch Verehelichung der Kindesmutter mit dem Kindesvater, möglich sei, zu Protokoll erklärt hat: „Ausgeschlossen, da der Kindesvater bereits tot ist". Der Anwalt der Kläger richtete darauf an den Beklagten das Schreiben vom 7. November 1939, worin er ihm mitteilte, daß laut der Angabe seiner Mutter in dem genannten Pflegschaftsakt Rudolf H. nicht sein leiblicher Vater sein könne, wovon er sich jederzeit durch Befragen seiner Mutter und dmch Einsicht in den Akt überzeugen könne. Infolgedessen sei er nicht als Nachkömm ling von Rudolf H. zu betrachten; ein gesetzlicher Erbanspruch gegen Johann H. sei somit nicht gegeben. Er verlangte namens der Kläger vom Beklagten die unwiderrufliche Erklärung, daß er den ihm aus der Verlassenschaft nach Johann H. zugefallenen Erbteil zur Gänze den gesetzlichen Erben abtrete. Darauf einigten sich die Streitteile am 14. November 1939 mündlich dahin, daß sowohl die Kläger als auch der Beklagte aus dem Nachlaß je ein Viertel ohne jede Bevorzugung oder Benachteiligung erhalten sollten. Die Kläger verlangen im Prozeß die Einhaltung und Durchführung dieses Vergleichs. Die Einwendungen des Be klagten gehen u. a. dahin, die Vereinbarung sei ungültig, weil er bei ihrem Abschluß in einem wesentlichen Irrtum befangen ge wesen sei, den der Vertreter der Kläger veranlaßt habe, und die Kläger hätten hierbei seine Gemütsaufregung im Sinne des § 879 Nr. 4 ABGB. ausgebeutet. > Nachdem die Frage der Notwendigkeit eines Notariatsaktes für die Gültigkeit des Vergleichs vom Reichsgericht verneint worden war, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil es eine Irre führung des Beklagten durch den Anwalt der Kläger feststellte, und der Vergleich auch nach §§ 863, 879 ABGB. nichtig sei. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht den Klageanspruch dem Grunde nach als gerechtfertigt anerkannt. In dem Briefe des Klageanwalts vom 7. November 1939 sei weder eine List noch eine Irreführung zu erblicken, sondern nur die Mitteilung wahrer Um stände. Die Legitimierung selbst sei nichts Unabänderliches, sondern
könne auch von dritten Personen angefochten werden. Die Auf regung des Beklagten sei nicht ausgebeutet worden. Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg. Aus den G r ü n d e n: Daß der mündliche Vergleich vom 14. November 1939 tatsächlich zustande gekommen ist, ist nicht streitig. Das Erstgericht hat auch festgestellt, daß Schriftlichkeit zur Wirksamkeit des. Vertrags nicht vereinbart wurde. Noch weniger bedurfte es eines Notariatsaktes, wie der erkennende Senat bereits in seiner ersten Entscheidung in dieser Sache ausführlich begründet hat. Es bleibt daher nur die Frage offen, ob der Beklagte den Vertrag einzuhalten nicht ver bunden ist, weil er von den Klägern oder ihrem Vertreter dmch List dazu veranlaßt worden ist (§ 870 ABGB.) oder weil die Kläger dabei seine Gemütsaufregung ausgebeutet haben (§879 Nr. 4 ABGB.). Während das Erstgericht die Frage der Irreführung be jaht hat, hat sie das Berufungsgericht verneint. Hierbei handelt es sich in der Hauptsache um den Brief des Vertreters der Kläger vom 7. November 1939, der damit beginnt, daß dem Beklagten die Angaben seiner Mutter vor dem Bormundschaftsgericht vom 15. März 1907 mitgeteilt werden, wonach sein Vater, dessen Name nicht genannt wurde, damals bereits gestorben war. Der Brief fährt fort, die Nennung des Namens des Vaters sei unwesentlich, wesentlich sei vielmehr, daß laut dieser Angaben seiner Mutter Rudolf H. nicht der leibliche Vater des Beklagten sein könne. Wenn dazu gesagt wird, diese Schlußfolgerung sei falsch gewesen, so wird dabei außer acht gelassen, daß sie ausdrücklich von einer Voraus setzung abhängig gemacht wurde, die aus den beigefügten Worten „laut dieser Angaben der Mutter des Beklagten" hervorgeht. Diese Beifügung besagt, daß nach der Erklärung der Moisia B. vom 15.März 1907, d. h. also: wenn diese Erklärung richtig war, Rudolf H. nicht der Vater des Beklagten ge wesen sein könne. Hierin kann aber keine Irreführung erblickt werden. Es läßt sich dagegen auch nicht einwenden, der Personen stand des Beklagten sei durch die Legitimation unabänderlich ge worden. Die Legitimation durch nachfolgende Ehe gemäß §161 ABGB. ist zwar unmittelbare Wirkung der Eheschließung und von einer Zustimmung weder des Kindes noch irgendwelcher Ver wandter abhängig. Doch tritt diese Wirkung nur ein, wenn das
außer der Ehe geborene Kind tatsächlich durch den Ehemann der Mutter erzeugt wurde (SZ. V1129). Ist die Legitimation unter Angabe des Vaters im Geburtenbuch eingetragen, dann gilt der Eingetragene als Vater bis zum Gegenbeweise. Daß die Legitima tion und die Richtigkeit der Eintragung angefochten werden kann, ist nicht bestritten. Streitig war nur, welchen Personen ein solches Anfechtungsrecht zustand. So ist in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Wien (GlUNF. Bd.37 Nr. 1105 und Bd.45 Nr. 4402) dritten Personen', darunter auch der Heimatgemeinde, das Anfechtungsrecht abgesprochen worden, während es in der Entscheidung GlUNF. Bd. 50 Nr. 6572 den in der Ehe geborenen Kindern nur versagt wurde, solange der Vater lebt. Die Rechtslehre hat sich aber dafür ausgesprochen, daß die Bestreitung der Ab stammung infolge Legitimation nicht wie bei den ehelichen Kindern nur dem Ehemanne der Mutter, sondern auch dem Kinde selbst und dritten Personen zustehe, die an der Feststellung der Wahrheit beteiligt sind, z. B. Erbinteressenten; diese Rechtsauffassung entspricht auch den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (RGRKomm. z. BGB. Bem. 3 zu § 1720) und wird daher übernommen. Dabei kann es im Rahmen dieses Rechtsstreits dahingestellt bleiben, ob dritte Personen einen förmlichen Standesprozeß zu führen berech tigt oder verpflichtet sind oder ob sie diese für sie wichtige Frage nur als Vorfrage im Rahmen ihres sonstigen Rechtsanspruchs geltend machen können. Auf keinen Fall läßt sich sagen, der Brief vom 7. November 1939 habe den Beklagten über die Rechtswirkungen der Legitimation irregeführt. Der Brief spricht sich allerdings über die Beweislast in einem solchen Anfechtungsstreit nicht aus und führt nur an, daß der Beklagte „dadurch" (nämlich durch die Angabe seiner Mutter vor dem Pflegschaftsgericht im Jahre 1907) nicht als Nachkömmling des Rudolf H. zu betrachten und somit ein gesetzlicher Erbanspruch nicht gegeben sei. Nach dem Zusammenhänge kann aber auch dieser Teil des Briefes nicht anders verstanden werden, als daß der Erbanspruch des Beklagten nicht gegeben sei, wenn die früheren Angaben seiner Mutter wahr seien. Wenn daher der Ver treter der Kläger bei der Besprechung am 14. November 1939 ge sagt hat, es tue nichts zur Sache, daß auf dem Taufschein des Be klagten der Legitimierungsvermerk eingetragen sei, so liegt darin die durchaus nicht wahrheitswidrige Behauptung, es könne trotz der Anmerkung der Legitimation festgestellt werden, daß dem Be-
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29. Legitimation durch nachfolgende Ehe. Irreführung,
klagten kein Erbrecht zustehe, -wenn er nicht von Rudolf H. gezeugt sei. Der Vertreter der Kläger war auch nicht verpflichtet, sich in jenem Brief oder später über die Beweislast oder die Aussichten der Beweisführung auszusprechen. Eine Unterlassung in dieser Hinsicht kann nicht als Irreführung angesehen werden. Tatsächlich hat er aber am 14. November 1939 nach der eigenen Parteiaussage des Beklagten den Ausdruck „aussichtslos" gebraucht und vor dem Beklagten zu Ottilie H. gesagt, bei einem Prozeß wisse man nicht, wie er ausgehe, wodurch er der Ottilie H. vor Augen stellen wollte, daß auch für die Kläger der Rechtsstreit nicht unbedingt erfolgreich enden müsse. Unter diesen Umständen konnte der Beklagte auch in einer Äußerung der Ottilie H., daß die Legitimation nicht gelte, keineswegs eine irreführende Rechtsbelehrung erblicken. Daß aber im Abhandlungsverfahren das Erbrecht des Beklagten ausdrücklich anerkannt worden wäre, ist nach der Aktenlage nicht der Fall. Es kann daher dem Berufungsgericht kein Rechtsirrtum vorgeworfen werden, wenn es bei den festgestellten Tatumständen und mit Rück sicht auf die Rechtslage eine Irreführung des Beklagten nicht als erwiesen angenommen hat. Nach dem im November 1939 bekannten Sachverhalt, ins besondere,nach dem Bekanntwerden der Angaben der Mutter des Beklagten, war seine wahre Abstammung und damit die Rechts wirksamkeit seiner Legitimation zweifelhaft. Der Beklagte selbst war insoweit im Ungewissen und die Kläger standen vor einem Rechtsstreit, dessen Ausgang für sie unsicher war. Dies macht den Abschluß des Vergleichs vom 14. November 1939 verständlich. Denn dieser Vergleich diente dazu, den ungewissen Rechtsstreit zu vermeiden und durch beiderseitigen teilweisen Verzicht über den vermögensrechtlichen Anspruch der Kläger und den Vermögens anfall an den Beklagten aus dem Nachlaß des Johann H. endgültig Recht zu schaffen. Daß die Gemütsaufregung des Beklagten, in der er sich zweifellos befand, ausgebeutet worden wäre, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gesagt werden. Überdies wäre dadurch der Tatbestand des § 879 Nr. 4 ABGB. noch nicht hergestellt, der ein auffallendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraussetzt, was bei einem Vergleich über diese strittigen Ansprüche nicht festgestellt werden kann.
30. L Gilt die bindende Kraft der Entscheidungen der Verwal tungsbehörde« nach § 146 DBG. auch für Beamte, die vor dem Jnkrasttrete» des Deutschen Beamtengesetzes in de« Ruhestand versetzt worden sind? 2. Gilt die Vorschrift darüber, wie Verpflichtungserklärun gen einer Gemeinde abzugeben sind, auch für solche öffentlichrechtlicher Art und insbesondere für Erklärungen, in denen die Gemeinde ihrem Beamten ans Anlatz feines Ausscheidens eine Leistung verspricht? 3. Kann in der Abgabe eines solchen Versprechens eine Ver letzung der Fürsorgepflicht der Gemeinde ihrem Beamten gegen über liegen, wenn sich das Versprechen wegen Autzerachtlassung der gedachten Vorschrift oder aus anderem Grunde als rechts unwirksam erweist? 4. Rach welchen Gesichtspunkten bestimmen sich Inhalt und Umfang der Fürsorgepflicht, wenn der stellvertretende Bürger meister einer Gemeinde in ihrem Namen mit dem Bürgermeister über die Regelung seines Beamtenverhältnisses verhandelt?
Deutsches Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) — DBG. — §§ 36, 146, 184 Abs. 1 Satz'3. Deutsche Gemeinde ordnung vom 30. Januar 1935 (RGBl. I S. 49) — DGO. — § 36. BGB. §§ 306, 618.
III. Zivilsenat. Urt. v. 2. Dezember 1943 i. S. D. (Kl.)'m. Gemeinde S. (Bell.). III94/43. I. Landgericht Dresden. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Kläger wurde am 1. November 1928 auf fünf Jahre zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Beklagten gewählt und nach dem Ablauf dieser Zeit auf weitere fünf Jahre wiedergewählt, so daß seine Wahlzeit am 31. Oktober 1938 ablief. Er erhielt nach § 2 des Ortsgesetzes der Beklagten „über die Stelle des Bürgermeisters" eine Vergütung und hatte nach § 6 die Anwartschaft auf ein Ruhe geld, sofern er nach zehnjähriger Amtszeit beim Ausscheiden dienst unfähig oder fünfundsechzig Jahre alt geworden sein würde. Der letzte Fall wäre, da der Kläger am 14. August 1873 geboren ist, eingetreten, wenn er bis zum 31. Oktober 1938 im Amte ver blieben wäre. Nach Verhandlungen mit dem stellvertretenden Kreisleiter, der seinen Rücktritt als Bürgermeister wünschte, schied
170 30. Vertr. mit ausscheid. Beamten. Formerfordernis. Fürsorgepflicht.
der Kläger jedoch schon am 31. März 1936 aus seinem Amte. Zuvor hatte unter deut 16. März 1936 der stellvertretende Bürgermeister der Beklagten, Qu., in deren Namen eine Erklärung unterschrieben, in der die Bezahlung von Gehaltsrückständen an den Kläger geregelt wurde. Am Schlüsse heißt es: „Weiter verpflichten wir uns, die Beiträge an den Landespensionsverband bis zum Eintreten der Ruhegeldzahlung an den Bürgermeister D., das ist Ende 1938, weiter zu zahlen." Die Beklagte versuchte auch, diese Verpflichtung auszuführen. Das erwies sich aber als unmöglich, weil nach den Satzungen des Landespensionsverbandes die Weiterversicherung des Klägers nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst unzulässig war. Der Kläger hat daher nach dem 31. Oktober 1938 vom Landespensions verband kein Ruhegehalt erhalten. Am 3. November 1937 verglichen sich die Streitteile über Mei nungsverschiedenheiten wegen des noch rückständigen Gehalts und wegen eines Gemeindekassenfehlbetrags, für den der Kläger ver antwortlich sein sollte» In dem Vergleiche wird auch bestimmt, daß die Beklagte keine Ansprüche aus Feststellungen, die der Buch prüfer K. getroffen hatte, an den Kläger und dieser ebensowenig „irgendwelche anderen Ansprüche" an die Beklagte stellen werde. Nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 143 DBG. macht der Kläger mit der Klage einen Anspruch auf Zahlung von 500 RM. geltend, in erster Reihe als Teilbetrag eines Ruhegeldanspruchs, in zweiter unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs. Er behauptet, durch die Vereinbarung vom 16. März 1936 habe ihm die Beklagte die Gewährung eines Ruhegelds zugesichert. Den Schadensersatzanspruch stützt er darauf, daß die Beklagte durch Ver letzung ihrer Fürsorgepflicht verschuldet habe, daß er kein Ruhegeld erhalte. Die Beklagte bestreitet alles dies. Sie hält dem Klagebegehren auch entgegen, der Kläger habe in dem Vergleich vom 3. November 1937 auf den Anspruch verzichtet. Das Landgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Be rufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Gründe: 1. Als sich der Kläger im Frühjahr 1936 bereit erklärte, aus dem Dienste der Beklagten zu scheiden, unterstand sein Beamten-
Verhältnis den Vorschriften der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 sowie des Ortsgesetzes der Beklagten „über die Stelle des Bürgermeisters". Weder in der Deutschen Gemeinde ordnung noch in dem Ortsgesetz ist für die Entlassung des Bürger meisters aus dem Amte die Einhaltung einer bestimmten Form angeordnet. Der Entlassungswille der Beklagten konnte daher in jeder Art, insbesondere auch mündlich oder durch schlüssiges Ver halten kundgegeben werden (Urt. III 116/30 des erkennenden Senats vom 24. März 1931, abgedr. beiSievers Das Beamten recht der Reichsverfassung Nr. 81 S. 146/147). Daß sich die Be klagte dem Kläger gegenüber damals mindestens, in dieser Weise geäußert hat, ist unstreitig. Es ist daher außer Frage, daß ein ge eigneter Verwaltungsakt stattgefunden'hat, der auf die Entlassung des Klägers abzielte. Verhält es sich aber so, dann ist für jede nunmehrige Beurtei lung des Sachverhalts durch die ordentlichen Gerichte die Beenbiguitg des Beamtenverhältnisses als damals wirksam geschehen hinzunehmen. Das ergibt sich aus § 146 DBG., wo den Entschei dungen der Verwaltungsbehörden darüber, ob und von welchem Zeitpunkt ab das Beamtenverhältnis endet, bindende Kraft für die Beurteilung der gerichtlich geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche des Beamten beigelegt worden ist. Diese Vorschrift gilt nach § 184 Abs. 1 Satz 3 DBG. auch für die Beamten, die schon vor dem Inkrafttreten des Deutschen Beamtengesetzes in den Ruhe stand getreten sind. Damit erledigen sich die von der Revision wiederholten Bedenken des Klägers, ob überhaupt vor Ablauf seines Wahlzeitraums eine wirksame Beendigung seines Beamten verhältnisses eingetreten sei. Demgemäß ist das Klagebegehren unbegründet, sofern es auf die Gehalts- oder Ruhegeldbeträge abzielt, die mit der Stelle, die der Kläger bekleidet hat, kraft Gesetzes verbunden sind. Wegen der Ruhegeldbezüge folgt dies daraus, daß im Frühjahr 1936 die dafür vorgesehenen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 des Ortsgesetzes — Dienstunfähigkeit oder Vollendung des 65. Lebensjahres — nicht erfüllt waren. Hiernach bleibt nur übrig, zu prüfen, ob der Anspruch etwa aus Vertrag oder als solcher auf Schadensersatz aus Ver letzung der Fürsorgepflicht oder der Amtspflicht begründet ist. 2. Als vertragliche Grundlage kommt die „Erklärung" der Be klagten vom 16. März 1936 in Betracht. Daß solche Verträge
öffentlichen Rechts zwischen einer Dienstbehörde und ihrem Be amten zur Herbeiführung eines freiwilligen Ausscheidens rechtlich möglich sind, war fester Bestandteil der höchstrichterlichen Recht sprechung jedenfalls für die Gesetzeslage vor dem Deutschen Be amtengesetz (Urt. III328/23 des erkennenden Senats vom 27. No vember 1923, abgedr. bei S i e v e r s a. a. O. Nr. 475 S. 617). In haltlich ging die Erllärung auf die Übernahme einer neuen Ver pflichtung der Gemeinde. Denn nach der bisherigen Rechtslage be stand keine Verpflichtung der Beklagten, im Falle des Ausscheidens des Klägers aus seinem Amte die Beiträge an den Landespensions verband weiterzuzahlen. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 36 Abs. 2 DÄO. entsteht daher die Frage, ob die Übernahme'dieser Verpflichtung von der Beklagten rechtlich wirksam erklärt wor den ist. Das Berufungsgericht läßt dies dahingestellt; es ist aus ariderem Grunde zu demErgebnis gelangt, daß der Kläger aus dem Schrift stück vom 16. März 1936 nichts für sich herleiten könne. Es hat diese Vereinbarung dahin ausgelegt, daß die Beklagte damit ledig lich die Verpflichtung übernommen habe, die Beiträge für die Ruhegeldversicherung, die sie mit dem Landespensionsverband zugunsten des Klägers abgeschlossen hatte, bis Ende 1938 weiter zuzahlen, nicht aber sich anheischig gemacht habe, von sich aus dem Kläger nach Vollendung seines 65. Lebensjahres das Ruhegeld zu entrichten. Diese Bemteilung wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Die Revision beruft sich darauf, daß der Kläger in seinem Recht auf Ruhegeld dmch sein vorzeitiges Ausscheiden nicht habe verkürzt werden und daß die Beklagte darauf mit der von ihr übernommenen Verpflichtung habe hinwirken wollen. Beides ist nach dem Hergang außer Zweifel, läßt aber Art und Maß des Bei trags offen, den die Beklagte zur Erreichung dieses Zieles leisten wollte und sollte. Das Berufungsgericht hat ihn in der angegebenen Weise begrenzt. Inwieweit es sich dabei auch nach dem Inkraft treten der Deutschen Gemeindeordnung um die Anwendung säch sischen Beamtemechts, also nichtrevisiblen Rechts (§ 549 Abs. 1 ZPO.) handelt, kann unerörtert bleiben. Jedenfalls wird die Aus legung des Berufungsgerichts einerseits durch den zwanglos auf gefaßten Sinn der Erklärung vom 16. März 1936 gefordert und tritt sie andererseits zu jener Einstellung beider Teile in keinen Wider spruch. Wurde die Verpflichtung bet Beklagten aber absichtlich
üTbtefer Weise bestimmt und begrenzt, so würde ihre Veränderung und Erweiterung dem Geschäftswillen der Beteiligten geradezu zuwiderlaufen. Derartiges kann daher auch nicht, wie die Revision möchte, aus dem Gebote von Treu und Glauben hergeleitet werden, das an sich freilich auch die Beziehungen der Streitteile beherrschte. In der Folgezeit hat sich die Ausführung dieser Verpflichtung der Beklagten als unmöglich herausgestellt. Die Unmöglichkeit be ruhte auf den Bestimmungen des Landespensionsverbandes. Sie bestand demgemäß bereits, als die Streitteile die Vereinbarung trafen. Sie wachte daher nach dem Grundsatz des § 306 BGB., der in diesem öffentlichrechtlichen Verhältnis entsprechend anzuwenden ist, die Vereinbarung nichtig. Es entstand also insoweit von vorn herein überhaupt keine Verpflichtung der Beklagten. Darum ist es — abgesehen von der erörterten absichtlichen Begrenzung der Verpflichtung — unzulässig, etwa in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 242 BGB. der Leistung, welche die Be klagte übernehmen wollte, einen anderen möglichen Inhalt zu geben. Auch aus diesen rechtlichen Zusammenhängen ergibt sich also, daß der Kläger aus dem Vertrag als solchem nichts für sich her leiten kann. Dasselbe Ergebnis wird jedoch noch durch den anderen, bereits berührten Gesichtspunkt des § 36 Abs. 2 DGO. notwendig gemacht. Me dargelegt, sollte die Gemeinde im Sinne dieser Vorschrift durch die Erklärung „verpflichtet" werden. Das konnte, wie das Reichs gericht von jeher schon für die entsprechenden Vorschriften früherer Gemeindeordnungen und ähnlicher Bestimmungen ausgesprochen hat (RGZ. Bd. 139 S. 58 [62] mit weiteren Nachweisungen), nur in der gesetzlich bestimmten Weise geschehen; ohne deren Einhaltung konnte eine rechtlich wirksame Verpflichtung überhaupt nicht ent stehen. Dabei ist ohne Belang, daß der Inhalt der Verpflichtung, welche die Beklagte zu übernehmen gedachte, öffentlichrechtlicher Natur ist, da sich § 36 Abs. 2 DGO., wie übrigens ebenfalls schon die entsprechenden Vorschriften des früheren Rechts, in gleicher Weise auf bürgerlichrechtliche und auf öffentlichrechtliche Verpflichtungserklärungen bezieht (Suren-Loschelder Deutsche Ge meindeordnung, 2. Aufl., Bem. 2 s zu § 36 S. 538). Die Urkunde vom 16. März 1936 genügte aber der Anforderung des Gesetzes nicht; denn sie trägt nur die Unterschrift Qu.s, der sich dabei aus-
drücklich als „stellvertretender Bürgermeister" bezeichnet. Es lag also der Fall einer Vertretung des Bürgermeisters vor; für diesen erfordert § 36 Abs. 2 Satz 2 DGO. die Unterzeichnung durch zwei vertretungsberechtigte Beamte oder Angestellte. Wenn der Kläger demgegenüber geltend macht, die Erklärung sei von Qu. erst am 1. April 1936 unterschrieben worden, nachdem er „die Bürgermeister stelle übernommen" gehabt habe, so ist dies ohne Belang, und zwar nicht nur, weil das Vorbringen die Darlegung vermissen läßt, daß Qu. zuvor in der gesetzlich bestimmten Weise Bürgermeister geworden war, sondern vor allem deshalb, weil die Urkunde selbst ausweist, daß er bei ihrer Ausstellung nur in der Eigenschaft als stellvertreten der Bürgermeister tätig geworden ist. 3. Aus dem Bisherigen ergibt sich, daß der Kläger aus der Ur kunde vom 16. März 1936 unmittelbar keine Verpflichtung der Be klagten herleiten kann. Damit ist jedoch der rechtliche Gehalt des Falles nicht erschöpft. Eine andere Frage ist nämlich, ob die Beklagte dafür haftet, daß ihr Beamter Qu. auf die Entschließung des Klä gers zur Amtsniederlegung einwirkte, indem er namens der Beklag ten eine Verpflichtungserklärung abgab, die der Anforderung des Gesetzes nicht genügte, außerdem von vornherein unvollziehbar war. Die Vermeidung solcher rechtlich fehlerhaften Versprechen ist ein Gebot der Fürsorge des Dienstherrn für den Beamten. An dem Vorbringen des Klägers ist daher richtig, daß in dem Verhalten Qu.s, der die Beklagte bei der Vereinbarung vom 16. März 1936 vertrat, der äußere Tatbestand einer Verletzung dieser Pflicht zu erblicken ist. Für den Schaden daraus hat die Beklagte einzustehen, wenn jenem ein Verschulden wegen der Versehen zur Last zu legen wäre. Ob dem Kläger ein Schaden entstanden ist und worin er besteht, müßte der Tatsachenrichter feststellen, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gegeben wären. Er würde zu diesem Zwecke zu ermitteln haben, wie sich die Streit teile verhalten-haben würden, wenn ihnen klar gewesen wäre, daß in der geschehenen Weise den Belangen des Klägers nicht zu dienen war. Es ist einerseits möglich, daß es in diesem Fall überhaupt nicht zu der vorzeitigen Amtsniederlegung des Klägers gekommen wäre, andererseits aber auch, daß er alsdann ohne Ruhegeld und ohne Vorsorge für die Sicherung eines solchen ausgeschieden wäre. Dazwischen liegt die Möglichkeit, daß die Beklagte, die ja durch die Entlassung des Klägers noch den Vorteil davontrug, das Gehalt
und die Beiträge an den Landespensionsverband für den Kläger
nicht weiterzahlen zu brauchen, dem Kläger in anderer Weise ent gegengekommen wäre. Ein Verschulden Qu.s würde, wie das angefochtene Urteil mit Recht sagt, darin zu erblicken sein, daß er sich keine Gedanken darüber gemacht und darum auch nicht aufgeklärt hat, ob der Landespensions verband auch bei dem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers Ruhegeld an ihn zahlen würde, wenn nur die Versicherungsprämien weiter gezahlt würden. Dem ist hinzuzufügen, daß Qu. sich außerdem durch Einsicht in das Gesetz hätte vergewissern müssen, in welcher Weise derartige Erklärungen einer Gemeinde abzugeben sind. Ob in dem ersten eine Fahrlässigkeit des stellvertretenden Bürgermeisters lag, hat das Berufungsgericht jedoch dahingestellt gelassen. Es meint unter Hinweis auf den Grundsatz des § 254 BGB., von dessen Gel tung auch im öffentlichen Recht es ausgeht, der etwa entstandene Schaden sei so überwiegend auf das eigene Verschulden des Klägers zurückzuführen, daß dieser ihn allein tragen müsse. Bor allem sei es seine Sache gewesen, sich darüber zu unterrichten, ob er bei vor zeitigem Ausscheiden aus dem Amte vom Landespensionsverband Ruhegeld fordern könne. Von ihm als langjährigem Gemeinde beamten habe diese Vorsicht gefordert werden müssen, während es Qu., der von Beruf Bauer fei, viel ferner gelegen habe, über haupt solche Zweifel zu hegen und darauf zu kommen, daß Ermitt lungen nötig seien. Gegen diese Betrachtungsweise bestehen schon grundsätzliche rechtliche Bedenken. - Sie läßt den Umstand, daß der Kläger Vor stand der Behörde, Qu. aber nur sein Vertreter war, sich dahin aus wirken, jenem schlechthin das ganze Maß der zu beobachtenden Sorgfalt aufzubürden, diesen aber davon völlig freizustellen. Das entspricht nicht der Rechtslage. Denn eben Qu. stand dem Kläger als Vertreter der öffentlichen Körperschaft gegenüber, die mit ihm als ihrem Beamten verhandelte. Qu. hatte daher gegen den Kläger in vollem Umfange die Pflichten zu erfüllen, die der Beklagten ihm gegenüber wie gegenüber jedem ihrer Beamten in solchem Fall oblagen. Dazu gehört die Fürsorge, der bei der Abwicklung der Angelegenheit der dargelegte besondere Inhalt zukam. Es kann also keine Rede davon sein, daß es von vornherein ausschließlich Sache des Klägers gewesen wäre, sich um die Rechtsgültigkeit und Ausführbarkeit derjenigen Erklärung der Beklagten zu kümmern,
die nach dem Willen beider Teile die Grundlage für die weitere Entschließung des Klägers abgeben sollte. , Dazu kommt, daß die Bedenken der Revision gegen die sach liche Unterlage der ^Würdigung des Berufungsgerichts nicht von der Hand gewiesen werden können. Die hier eingreifende Berfahrensrüge betrifft die Annahme des angefochtenen Urteils, Qu. sei von Beruf Bauer, während sich der Kläger als langjähriger Ge meindebeamter um die einwandfreie Abfassung der Urkunde hätte bekümmern müssen. (Es wird dargelegt, daß die Rüge begründet ist.) Ähnliches würde sich wegen der Nichtbeachtung der Vorschriften des § 36 DGO. ergeben. Schließlich wird für eine abschließende Beurteilung, insbeson dere auch des Verschuldens des Qu. — einer Frage, auf die sich das Berufungsgericht, wie gesagt, bisher nicht eingelassen hat —, die Aufklärung nicht entbehrt werden können, auf welchen Umständen die Unmöglichkeit der Weiterversicherung beruhte. Nach Schrift stücken, welche die Beklagte überreicht hat, scheint die Weiterversiche rung nach dem Ausscheiden aus dem Amte früher möglich gewesen zu sein, sei es mit, sei es ohne besondere Genehmigung der Kasse, und erst 1935 abgeschafft worden zu sein. Dabei fällt noch auf, daß die Möglichkeit solcher Weiterversicherung für im Dienst stehende Beamte entschädigungslos gestrichen worden sein soll, obwohl dafür in der vorhergegangenen Zeit Beiträge gezahlt worden waren. Jedenfalls wird es der Feststellung bedürfen, in welcher Weise der Beklagten von diesen Veränderungen Kenntnis gegeben worden war, um beurtellen zu können, ob ihren Beamten ein Vorwurf zu machen ist, wenn sie über die Verhältnisse unzutreffend unter richtet waren. Das Berufungsgericht wird also die Fragen der Verletzung der Fürsorgepflicht und des beiderseitigen Verschuldens nach der er forderlichen weiteren Aufklärung des Sachverhalts neu zu würdigen haben. 4. Diese Notwendigkeit würde entfallen, wenn der weitere Entscheidungsgrund zuträfe, daß der Verzicht des Klägers in dem Vergleich vom 3. November 1937 auf den Klageanspruch zu er strecken sei. (Es wird dargelegt, daß auch diese Annahme des Be rufungsgerichts auf verfahrensmäßig fehlerhafter Grundlage beruht.)
31. Zum Begriffe der Stromenge im Sinne des § 43 der Schiff fahrtspolizeiverordnung für das Deutsche Rheinstromgebiet vom 18. Januar 1939. I. Zivilsenat. Urt. v. 3. Dezember 1943 i. S. B. GmbH. & Co.
(Kl.) w. St. & B. GmbH. u. 1 and. (Bell.). 174/43. I. Amtsgericht (Schiffahrtsgericht) Kehl. II. Oberlandesgericht Karlsruhe.
Am 14. Dezember 1940 traf das aus dem Kehler Hafen mit vier Anhängen zu Tal fahrende Boot „St. & B. I" auf dem Rhein mit dem auf der Bergfahrt befindlichen Schleppzuge des Bootes „B. III" bei km 130,3 elsässischer Zählung zusammen. Der mit seinen beladenen Anhängen'„Onnalinda" und „Codam 99" gestreckt vor dem elsässischen Ufer liegende Bergschleppzug verhielt im Augen blicke des Zusammentreffens auf der Stelle, um den Talschleppzug an sich vorbeizulassen. Während dem Boot „St. & B. I" die Borbei fahrt gelang, wurde der Kahn „Onnalinda" von dem backbord auf erster Länge des Talschleppzuges fahrenden Kahne „Raab Karcher 9" angefahren. Die abgerissenen Anhänge zweiter Länge des Tal schleppzuges, die leeren Kähne „Raab Karcher 63" und „Ronsard", stießen gegen den Kahn „Codam 99". Beschädigt wurden „Onna linda", „Codam 99", „Raab Karcher 9 und 63" sowie „Ronsard". Mit der Klage, die sich gegen die Erstbellagte als Eigentümerin und gegen den Zweitbellagten als Kapitän des Bootes „St. & B. I" richtet, verlangt die Klägerin Ersatz des dem Kahne „Codam 99" zugefügten Schadens. ' Durch eine Bekanntmachung des Wasserstraßenamtes Kehl vom 20. Dezember 1940 wurde die Strecke von der Kehler Hafen einfahrt bis km 300,2 (etwa 132,1 elsässischer Zählung) als Strom enge im Sinne von § 43 der Schiffahrtspolizeiverordnung für das Deutsche Rheinstromgebiet vom 18. Januar 1939 (RGBl. IIS. 41) — RheinSchPalBO. — erklärt. Um die Beachtung der genannten Vorschrift zu erleichtern, wurde mit Wirkung vom 21. Dezemb er 1940 eine amtliche Wahrschau mit Anweisungen für den Schiffs verkehr eingerichtet. Diese Maßnahmen sollten bestehen bleiben, solange der Wasserstand des Rheins am Straßburger Pegel unter 2,75 m lag. Die Klägerin hat vorgetragen, schuld an dem Unfall sei der Zweitbellagte als Kapitän des Bootes „St. & B. I". Er habe die Enisch. in Zivils. 172.
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Gefährlichkeit der Lage, die bei der Ausfahrt noch durch die Vorbei fahrt des Motorschiffes „Titlis" an der Hafenmündung erschwert worden sei, nicht richtig erkannt. Bei dem niedrigen Wasserstande habe sich der Bergschleppzug in einer Stromenge befunden. Schon aus diesem Grunde habe der Zweitbeklagte mit der Ausfahrt warten müssen, bis der Bergschleppzug aus der Enge heraus gewesen sei. Der Beklagte habe auch während der Ausfahrt nautische Fehler gemacht. Er habe nicht genügend Fahrt auf dem Ruder gehabt und sei nicht weit genug in den Strom hinausgefahren, um seine Anhänge, insbesondere die schwer beladenen Kähne erster Länge, richtig aus dem Hafen herausziehen zu können. Infolgedessen sei der Schleppzug in Unordnung geraten. Die Steuerbordanhänge hätten schon bei der Ausfahrt am Hafenkopf gerakt. Der Versuch des Zweitbeklagten, die Anhänge von dem badischen Grund abzu bringen und in gestreckte Lage zu bringen, habe nicht mehr ge lingen können. Die Beklagten, die den Klageanspruch nach Grund und Höhe bestreiten, sind der Meinung, der Unfall sei durch den Kapitän des Bootes „B. III", der die Begegnung an ungeeigneter Stelle abgewartet habe, und den Kapitän des Motorschiffes „Titlis" ver schuldet worden, der den Talschleppzug bei der Ausfahrt behindert habe. Das Schiffahrtsgericht hat abweichend von dem Gutachten des von ihm zugezogenen Sachverständigen den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erllärt, weil der Zweitbeklagte §43 Nr. 2c RheinSchPolBO. schuldhaft verletzt habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Schiffahrtsobergericht die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zm Aufhebung und Zurückverweisung. Äus den G r ü n d e n: Die Gründe, aus denen der Berufungsrichter unter Mißbilli gung der Rechtsansicht des Schiffahrtsgerichts zu dem Ergebnis gelangt ist, der Unfall habe sich nicht in einem engen Fahrwasser ereignet, sind rechtlich nicht bedenkenfrei. Der Berufungsrichter geht davon aus, daß das Wasserstraßenamt Kehl erst am 20. De zember 1940, fünf Tage nach dem Unfall, bekanntgemacht hat, daß die Strecke zwischen der Kehler Hafeneinfahrt und km 300,2 als Enge im Sinne des § 43 RheinSchPolBO. anzusehen sei, und
daß es im Hinblick hierauf gewisse schiffahrtspolizeiliche Anordnungen getroffen hat, um die Beachtung der genannten Vorschrift zu er leichtern. Am Tage vor dem Erlasse dieser Bekanntmachung zeigte der Straßburger Pegel 2,55 m, während am Unfalltag als Pegel stand noch 2,95 m gemessen wurden und das Fahrwasser entsprechend breiter war. Dieser Sachverhalt ändert indessen nichts daran, daß die Schlepperführer sich am Unfalltag unter eigener Verantwortung' darüber klar werden mußten, ob in dem in Frage stehenden Strom abschnitt, wie dies § 43 Nr. 1 RheinSchPolBO. verlangt, das Fahr wasser unter Berücksichtigung aller örtlichen Umstände unzweifel haft hinreichenden Raum für die gleichzeitige Durchfahrt der be teiligten Schleppzüge gewährte. Die genannte Vorschrift gilt un mittelbar und unabhängig davon, ob ihre Voraussetzungen durch eine schiffahrtspolizeiliche Bekanntmachung anerkannt worden sind. Die Bekanntmachung des Wasserstraßenamts Kehl vom 20. Dezem ber 1940 hatte ihrem Inhalte nach nur zum Ziele, die Befolgung der gesetzlichen Vorschrift zu erleichtern, nachdem es nach Ansicht des Amtes für Schleppzüge und auch für Einzelfahrzeuge am hin reichenden Raum zum Begegnen und Borbeifahren mangelte. Der Berufungsrichter hat dies zwar nicht verkannt. Die Erwägungen, mit denen er § 43 Nr. 1 RheinSchPolBO. auf das Zusammen treffen der Schleppzüge am Tage und am Orte des Unfalls für un
anwendbar erachtet, werden jedoch dem Sinn und der Tragweite des Gesetzes nicht in vollem Umfange gerecht. Die Vorschrift stellt strenge Anforderungen an die Vorbeifahrt von Schleppzügen und Einzelfahrzeugen, und zwar sowohl für den Fall der Überholung, als auch für den Fall der Vorbeifahrt in entgegengesetzter Richtung (vgl. Wassermeyer Der Kollisionsprozeß in der Binnen schiffahrt, 1940, S. 122, 123, und für §§ 6,10 der Rheinschiffahrts polizeiordnung vom 1. Dezember 1913 RGUrt. 171/42 vom 11. De zember 1942 in der Zeitschrift für Binnenschiffahrt 1943 S. 22). In beiden Fällen ist die Vorbeifahrt nur dann zulässig, wenn unter Berücksichtigung aller örtlichen Umstände das Fahrwasser un zweifelhaft hinreichenden Raum für die gleichzeitige Durchfahrt gewährt. Das Gesetz spricht somit von. der gleichzeitigen Durchfahrt sich begegnender Schleppzüge. Hierbei geht es davon aus, dcß die in entgegengesetzter Richtung fahrenden Schleppzüge ihre Fahrt fortsetzen. Es gestattet ihnen die Borbeifahrt nur dann, wenn für die Führer der Schleppzüge nach den besonderen örtlichen Verhält12*
nissen außer Zweifel steht, daß am Orte der Begegnung das Fahr wasser genügend breit ist, um bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die gleichzeitige Durchfahrt ohne Gefährdung der be teiligten Fahrzeuge ausführen zu können. Ist diese Frage zu ver neinen, die zunächst unabhängig von der Frage zu prüfen ist, welchen der beteiligten Schlepperführer ein Verschulden trifft, so ist das Fahrwasser eng im Sinne des Gesetzes und es gilt alsdann für die Schleppzüge das Verbot, in der Stromenge aneinander vorbei zufahren. Zur Durchführung des Verbots gibt § 43 Nr. 2 RheinSchPolBO. Vorschriften, die dem Begegnen von Schleppzügen unb Einzelfahrzeugen in Stromengen vorbeugen sollen. Für den Streit fall kommt weiter die Vorschrift des § 66 Nr. la RheinSchPolVO. in Betracht, nach der das Stilliegen von Fahrzeugen im Bereiche von Stromengen (§ 43) verboten ist. Die Meinung des Berufungs richters, für die Oberrheinverhältnisse mit ihren vielen verhältnis mäßig engen Stellen sei die Frage, ob das Fahrwasser nicht ge nügend breit sei, im Interesse einer durchlaufenden Schiffahrt unter Anlegung eines weniger strengen Maßstabes zu beurteilen als auf dem Mittel- und Unterrhein, ist grundsätzlich nicht zu billigen. Das Gesetz macht insoweit keine Unterschiede. Gewohnheiten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen, sind miß bräuchlich und unzulässig. Mißverständlich ist in dem erörterten Zu sammenhang auch die weitere Bemerkung des Berufungsrichters, § 43 Nr. 2e RheinSchPolVO. sei eine eng auszulegende Ausnahme vorschrift. Im Streitfälle war vorab zu untersuchen, ob die beiden Schleppzüge in einer Stromstrecke zusammengetroffen sind, in der im Sinne des §43 Nr. 1 RheinSchPolVO. bei Berücksichtigung aller örtlichen Umstände und Anwendung der gebotenen Sorgfalt für die gleichzeitige ungefährdete Durchfahrt der Schleppzüge un zweifelhaft genügend Raum vorhanden war. War dies nicht un-> zweifelhaft, so war weiter zu prüfen, ob zur Vermeidung des Zusammentreffens in der Stromenge der Bergschleppzug oder der Talschleppzug hätte warten müssen. Die Eigenart des Streitfalls besteht darin, daß der Bergschleppzug, wie nach den Feststellungen des Berufungsrichters angenommen werden muß, die Unfallstelle schon erreicht hatte und sich im Fahrwasser unterhalb der Hafen mündung befand, als der Talschleppzug mit der Ausfahrt aus dem Hafen begann. Die weitere Fragestellung spitzt sich daher nach § 43 Nr. 2c RheinSchPolVO. dahin zu, ob der Zweitbeklagte, als er
den Entschluß zum Verlassen des Hafens faßte, hätte erkennen müssen, daß der Bergschleppzug bereits in eine Stromstrecke ein gefahren war, in der das Gelingen einer gleichzeitigen Durchfahrt der Schleppzüge zweifelhaft war. Zu den besonderen örtlichen Umständen, die nach § 43 RheinSchPolVO. von dem Kapitän des Talschleppzuges vor der Ausfahrt zu berücksichtigen waren, gehörte auch die von den Beklagten in der Klagebeantwortung hervor gehobene Tatsache, daß den Kehler Hafen verlassende Schleppzüge bei der Einfahrt in den Strom wegen der Grund- und Strömungs verhältnisse mit Schlenkerbewegungen der Anhängkähne zu rechnen haben. Aus diesem Grunde haben die Beklagten selbst die Unfall stelle bei dem Wasserstande des Unfalltages als für eine Begegnung von Schleppzügen gefährlich und ungeeignet bezeichnet. In der Klagebeantwortung ist sogar von dem bedrohlich in der Enge liegen den Bergschleppzuge die Rede. Der Sachverständige hgt hinsichtlich der üblichen Fahrweise der Talschleppzüge angegeben, daß es bei der Ausfahrt aus dem Kehler Hafen notwendig gewesen sei, die Anhänge möglichst in die Mitte der Fahrrinne zu bringen, und daß unterhalb der Kinzigmündung von der badischen Seite zur elsässischen Seite habe übergegangen werden müssen. Auch diese Tatsachen waren im Zusammenhänge mit der Tiefe und Breite des Fahr wassers bei der Entscheidung der Frage heranzuziehen, ob in der Stromstrecke, in der sich der Unfall ereignet hat, die gleichzeitige ungehinderte Durchfahrt der Schleppzüge unzweifelhaft möglich war und ob der Zweitbeklagte im Vertrauen hierauf die Talfahrt antreten durfte. Die Ausführungen des Berufungsrichters lassen nicht erkennen, daß er der dargelegten Sach- und Rechtslage aus reichende Beachtung geschenkt hat. (Wird ausgeführt.)
32. Inwieweit ist die Enterbung von Kindern aus unbegrün deter Gehässigkeit zugunsten entfernter Verwandter nichtig?
Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938 (RGBl. I S. 973) — TestG. — § 48 Abs. 2.
VII. Zivilsenat. Urt. v. 14. Dezember 1943 i. S. Rudolf und Guido M. (Kl.) w. Josef und Ernst H. (Bell.). VII140/43. I. Landgericht Feldkirch. II. Oberlandesgericht Innsbruck.
Der am 11. April 1941 verstorbene Vater der Kläger traf, nachdem er die Kläger in einem früheren Testament auf den Pflicht teil gesetzt hatte, in seinem Testament vom 1. Oktober 1934 u. a. folgende Verfügung: „Ms Erben setze ich meinen Neffen Josef H. und meinen Neffen Ernst H., meinen Bruder Julius M. zu gleichen Teilen ein. Meine beiden Söhne Rudolf M. und Guido M. sollen nichts erhalten, da dieselben durch viele Jahre sich mir gegenüber feindselig und perfid verhalten haben. Frl. C. W. soll V10 des Nach lasses erhalten." Julius M. und C. W. schlugen die Erbschaft aus. Die zwei Söhne des Erblassers klagen gegen Josef H. und Ernst H. auf Nichtigkeit dieser Verfügung nach § 48 Abs. 2 TestG. Ihr Pflichtteilsanspruch ist von den Beklagten anerkannt. Die beiden Bordergerichte haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Kläger wurde die angefochtene Verfügung insoweit für nichtig er klärt, als darin über mehr als die Hälfte des Nachlasses zum Nachteile der Kläger verfügt ist. Aus den Gründen: Das Testament stammt aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938. Der Erblasser starb erst nachher. Er hielt somit sein Testament auch nach dem Inkrafttreten jenes Gesetzes aufrecht, ohne für die gänzliche Enterbung seiner Kinder bestimmte Tatsachen anzuführen, die, wenn schon nicht eine völlige Enterbung (§§ 540 und 790 ABGB.), so doch die Beschränkung auf den Pflichtteil nicht als Verstoß gegen die bereits auf Grund des bestehenden Gesetzes vqn der Rechtsprechung aufgestellten und durch den Borspruch und § 48 Abs. 2 des neuen Testamentsgesetzes besonders festgelegten Pflichten des Erblassers ansehen lassen. Jede Verfügung von Todes wegen ist darauf zu prüfen, ob sie vor den Anforderungen des § 48 Abs. 2 TestG. bestehen kann, wobei der Wille des Erblassers nur untergeordnete Bedeutung hat. Denn diese Bestimmung geht von einem „verantwortungsbewußten Erblasser" (also einem sachlichen Maß) aus, der gegen seine Familie die erforderliche Rücksicht nimmt. Eine Verfügung, die diese Rück sicht vermissen läßt, ist nichtig, wenn sie dem gesunden Volks empfinden widerspricht. Darüber hinaus besteht auch nach dem Inkrafttreten des Testamentsgesetzes freies Berfügungsrecht. Da sich diese Schranke nur nach sachlichen Gesichtspunkten bestimmt,
scheiden alle rein persönlichen Umstände, alle Meinungen, Absichten und Beweggründe aus, es sei denn, daß sie irgendwelche Folgen haben, die von einem verantwortungsbewußten Erblasser zu berück sichtigen wären. Gehässigkeit des Erblassers wäre an sich bedeu tungslos, wenn auch ein verantwortungsvoller Erblasser aus anderen Gründen eine solche letztwillige Verfügung getroffen hätte. Un erheblich ist auch das Pflichtteilsrecht der Kläger; denn die Grenz festsetzung des § 48 Abs. 2 TestG. geht von ganz anderen Gesichts punkten aus als das Gesetz beim Pflichtteilsrecht. Dieses ist ein reines Vermögensrecht und stellt nur einen bestimmten Vermögenswert dar, während das Testamentsgesetz die Bindung der einzelnen Gegen stände des Vermögens an die Familie in den Vordergrund stellt. Bei den Rücksichten auf die Familie kommen alle Umstände in Betracht, die das Verhältnis des Erblassers zu seiner Familie, aber auch die, welche die Beziehungen des Erblassers zu den eingesetzten Begünstig ten betreffen. Handelt es sich um nahe Verwandte und ist das Verhältnis zwischen dem Erblasser und ihnen so, wie es sein soll', so sind die Bande der Familie als stark anzusehen und man kann n*ch; annehmen, daß ein verantwortungsbewußter Erblasser sein Ver mögen unter Übergehung der Familie einem Familienfremden hinterlassen dürfte. Sind aber die Familienbande gelockert oder han delt es sich um entferntere Verwandte, die als gesetzlicheErben berufen wären, oder um reichlich versorgte Verwandte, liegen vielleicht sogar Umstände vor, die eine Zuwendung an eine Person, die der Familie fernsteht, besonders rechtfertigen, so wird man nicht leicht einen Verstoß gegen § 48 Abs. 2 TestG. annehmen können (s. dazu die Entscheidungen des Reichsgerichts in SeuffArch. Bd. 96 Nr. 22, ins besondere S. 53 und 54, und Bd. 97 Nr. 65, insbesondere S. 170). Untersucht man die Feststellungen des Landgerichts unter diesen Gesichtspunkten, so ergibt sich, daß es folgende Umstände im Verhalten der Kläger zur Rechtfertigung der Verfügung des Erb lassers zum Nachteile der Kläger heranzieht: 1. Der Erblasser sei zweifellos zutiefst davon überzeugt gewesen, daß ihm seine Kinder (und seine Frau) im ersten Scheidungsstreit (1919) unrecht getan und ihn einseitig belastet hätten; seine eigenen Kinder hätten sich eindeutig gegen ihn eingestellt und nicht der Aussage enthalten. 2. Die Kläger seien etwa zwischen 1920 und 1924 anläßlich eines Streites zwischen den Eltern ungebührlich und drohend gegen den Vater vorgegangen; der Erstkläger habe im Jahre 1910 (also im
Alter von 6 Jahren) von Haß gegen seinen Vater gesprochen und der Zweitkläger habe in seinem Tagebuch geschrieben, er verspüre Haß auf seinen Vater. 3. Beide Kläger hätten sich offenbar, nachdem sie erwachsen waren, um ihren Vater in keiner Weise gekümmert, keine Nachricht darüber gegeben, wo sie sich befanden, die üblichen Wünsche zu den hohen Festtagen unterlassen- sich für Geschenke nicht bedankt, ihn überhaupt als nicht vorhanden betrachtet; der Erblasser habe die Heirat des Erstklägers von fremden Leuten er fahren müssen; die Kläger hätten ihren Vater nicht einmal mehr gegrüßt, seien ihm ausgewichen oder hätten bei Begegnung auf die Seite geschaut. Nicht erwiesen ist, daß die beiden Kläger im ersten Ehescheidungs streit (1919) die Unwahrheit ausgesagt haben. Sie waren damals erst 13 und 15 Jahre alt, und es kann schon wegen des jugendlichen Alters nicht angenommen werden, daß sie entsprechend überlegen und beurteilen konnten, ob es richtiger sei, sich der Aussage zu ent halten oder für ihre Mutter, zumal ihr Unrecht drohte, hie Wahrheit auszusagen. Dabei muß beachtet, werden, daß der Vater nach einem sehr groben Verhalten gegenüber der Mutter sogar seinerseits die Ehescheidungsklage erhob, die schließlich wegen seines Ver schuldens abgewiesen wurde. Die Zeugenaussage der Kläger mag den Haß des Einsichtslosen gesteigert haben; sie rechtfertigt aber nicht sein späteres Verhalten ihnen gegenüber. Das angeblich ungebührliche und drohende Verhalten der Kläger bei einem Streit zwischen den Eltern, der in Tätlichkeiten des Vaters gegen die Mutter auszuarten schien, muß als Verhinde rung einer Mißhandlung der Mutterdurch den Vater angesehen und es muß deshalb geradezu als eine sittliche Pflicht der Kinder bezeichnet werden, die Mutter vor den Tätlichkeiten des Vaters in angemessener Weise zu schützen. Daß dabei das notwendige Maß überschritten worden wäre, ist um so weniger dargetan, als über die Art des ganzen Vorgangs weder bestimmte Angaben noch Feststellungen gemacht wurden, wie denn überhaupt alle Feststellungen hierüber auf schwachem Grunde stehen. Jedenfalls ist nicht erwiesen, daß sich die Kläger ohne genügende und von ihrem Vater herbeigeführte Ursache gegen den Vater gestellt hätten. =i Es steht fest, daß der Erblasser seinen noch im Kindesalter stehenden Kindern, abgesehen von einer lieblosen und geradezu feindseligen Behandlung unter Verweigerung der gemeinschaft-
lichen Wohnung und des notwendigen Unterhalts, sogar wiederholt erklärt hat, er sei mit ihnen fertig und werde sie enterben. Ebenso steht fest, daß er einen der Kläger, als dieser ihm nach Vollendung der Mittelschulstudien, die der Vater zu verhindern versuchte, das Reifezeugnis in der Erwartung vvrlegte, wenigstens diesmal eine Anerkennung des Vaters zu finden, in gröblichster Weise verhöhnte.. Damit hat er für die Kläger klar und eindeutig zu erkennen gegeben, daß er zu ihnen nicht die geringste Zuneigung empfinde, aber auch, daß er im späteren Mer mit ihnen nichts mehr zu tun haben wolle; er hat sich damit derart abstoßend benommen, daß die Kinder an nehmen konnten und durften, weitere Annäherungsversuche seien zwecklos. Diese Annahme entsprach auch nicht nur dem Verhalten des Erblassers, sondern ebenso seiner sonstigen offenbaren Einsichts losigkeit gegenüber seiner eigenen Familie. Wenn es daher wirklich richtig sein sollte, daß der Erblasser sonst ein guter Mensch und nicht bloß „ein Gassenlächler" gewesen ist, wie es sein Bruder be zeugen will, so spricht es nicht für, sondern gegen ihn, wenn er gerade gegen seine eigenen Kinder zu einer Zeit, in der sie dafür besonders empfindlich waren, ohne einen wirklichen Grund in der festgestellten lieblosen und gehässigen Weise vorgegangen ist. Denn gerade der Unterschied dieses Benehmens des Vaters mußte die Kinder besonders abstoßen und schließlich tiefste Abneigung bei ihnen wachrufen. Deshalb sind" auch die Äußerungen der Kinder im frühesten Kindesalter durchaus auf das Verhalten des Vaters zurückzuführen und begreiflich, so daß auch diese vereinzelten Äuße rungen aus jener Zeit als Rechtfertigung für die getroffene Ver fügung nicht verwendet werden können. Die Kläger sind die Kinder des Erblassers, also die nächsten Verwandten; deshalb wird nach den vorangestellten'Grundsätzen des Testamentsgesetzes nach dem Maßstab eines „verantwortungs bewußten Erblassers" erwartet, daß der Vater ihnen nicht bloß den Pflichtteil» sondern wenigstens einen großen Teil des Familien gutes, also der Erbschaft, zukommen läßt. Eine gegenteilige Ver fügung ohne wichtige Gründe, die auch für einen verantwortungs bewußten Erblasser maßgebend wären, würde dem gesunden Volks empfinden widersprechen. Hier steht aber fest, daß die Familien bande zwischen dem Erblasser und seinen Kindern äußerst gelockert waren. Das könnte den Erblasser von der Rücksichtnahme auf die Kläger befreien, wenn dieser Zustand durch die Kläger herbei-
geführt oder gar verschuldet wäre. Nach den getroffenen Fest stellungen ist aber gerade das Gegenteil der Fall. Die erste und immer wieder fortzeugende Ursache der Lockerung des Familien bandes liegt beim Erblasser. Er hat seine Kinder entweder grundlos oder aus nichtigen, jedenfalls nicht aus solchen Gründen, die sein Verhalten gegenüber den Kindern irgendwie rechtfertigen könnten und mit den Pflichten eines Vaters in Einklang zu bringen wären, aus bloßer Gehässigkeit von sich gestoßen, so daß dann ihr Verhalten wohl zum allergrößten Teil auf sein liebloses und gehässiges Ver halten zurückzuführen ist. Hat aber der Erblasser zum weitaus überwiegenden Teile die Lockerung der Familienbande verschuldet, so kann diese Lockerung nicht in einem solchen Maße seinen Kindern nachteilig sein, daß ein verantwortungsbewußter Erblasser seine Kinder durch Ausschließung vom Erbrecht auf den Pflichtteil setzen und sie damit von den Gegenständen des Familienvermögens gänzlich ausschließen dürfte, ohne durch diese Entfremdung dem gesunden Volksbewußtsein gröblich zu widersprechen. Ebensowenig rechtfertigt der Hinweis der Beklagten auf die Benachteiligung der Geschwister des Erblassers durch den früheren Erwerb des väterlichen Hauses die getroffene Verfügung des Erb lassers. Wenn diese Geschwister durch die Geldentwertung Nach
teile erlitten haben, so hätten diese, soweit das Gesetz eine Abhilfe einräumte, rechtzeitig nach dem Familiengläubigergesetze bereinigt werden sollen. Der Erblasser hat übrigens nur einen Teil seiner Geschwister begünstigt und in seiner letzten Anordnung von irgend einer Absicht, damit einen derartigen Schaden ausgleichen zu wollen, nichts erwähnt. Ein solcher Ausgleich würde auch die ge troffene Verfügung nur zum allergeringsten Teile rechtfertigen können; denn diese Verfügung würde geradezu zur Umkehrung des Verhältnisses führen, weil die Beklagten günstigsten Falles nur je 1/i2 des Hauses erhalten hätten, während sie nach der getroffenen Verfügung das ganze Haus bekommen sollten. Eine derartige Be günstigung der Beklagten und gleichzeitige Benachteiligung der Kläger müßte nach den oben dargelegten Richtlinien als grober Verstoß gegen das gesunde Volksempfinden angesehen werden. Immerhin läßt auch das Testamentsgesetz, wie schon erwähnt wurde, dem Erblasser über die eingangs festgestellten Pflichten eines „verantwortungsbewußten Erblassers" hinaus Verfügungs freiheit offen. Daraus ergibt sich im allgemeinen, daß er auch
seinen Kindern nicht sein ganzes Vermögen hinterlassen muß. Insbesondere kann dabei besonders berücksichtigt werden, daß die eingesetzten Erben Kinder seiner Schwester, also auch verhältnis mäßig nahe Verwandte sind, und in diesem Zusammenhang auch die zuletzt erwähnte Tatsache, daß diese Schwester und damit offen bar auch die Besagten durch die frühere Übernahme des großväter
lichen Hauses durch den Erblasser infolge der Geldentwertung in einem gewissen Umfange benachteiligt wurden. Mit Rücksicht auf das Verhältnis zwischen dem Erblasser und den Klägern einerseits, dem Erblasser und den Beklagten andererseits und der Tatsache Ritter gewissen Benachteiligung der Beklagten kann es immerhin noch als angängig angesehen werden, daß der Erblasser über eine Hälfte des Familiengutes frei verfügte; dafür muß aber wenigstens die andere Hälfte nach hen Grundsätzen eines verantwortungs bewußten Erblassers den Kindern uneingeschränkt bleiben. Dazu führt insbesondere die Erwägung, daß der Erblasser seine Kinder nicht schlechter stellen darf als die von ihm im Testament Bedachten. Die Erbverzichte der übrigen im Testament Bedachten sind für die Entscheidung belanglos, weil nach § 560 ABGB. die durch die Verzichte erledigten Teile des Nachlasses den Testamentserben, also den Beklagten, zufallen. Der erkennende Senat kommt demnach zu dem Ergebnis, daß die von den Klägernbekämpfte Verfügung ihres Vaters insoweit nach §48 Abs. 2 TestG. nichtig ist, als der Erblasser damit über'mehr als die Hälfte der Erbschaft (also der Erbschaftssachen selbst) zum Nachteile seiner Kinder verfügt hat. Die Verfügung kann somit nur bezüglich der anderen Hälfte wirksam bleiben, so daß die Be klagten nur je zu einem Viertel des Nachlasses auf Grund des Testaments, die Kläger aber ebenfalls zu je einem Viertel des Nachlasses auf Grund des Gesetzes Erben und infolgedessen ins besondere uuch zu je einem Viertel Miteigentümer des Hauses samt Zubehör und der übrigen Erbschaftssachen werden.
33. Hat derjenige, der einem Mäkler für bestimmte Zeit einen Alleinauftrag zur Vermittlung des Verkaufs einer fremden, der Verfügung des Auftraggebers nicht unterliegenden Sache erteilt, dafür einzustehen, daß mährend dieser Zeit auch der Verfügungs berechtigte nicht selbständig verkauft? Schuldet der Auftraggeber
im Fall eines solchen anderweitigen Verkaufs dem Mäkler die vertragsmäßige Vergütung? Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Handelsagenten vom 24. Juni 1921 (BGBl. Nr. 348) § 29. VII. Zivilsenat. Beschl.v. 15.Dezember 1943i.S.W.(Bekl.) w. K. (Kl.). VII154/43. I. Landgericht Graz. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Beklagte hat mit dem Kläger einen Mäklervertrag ab geschlossen. Er suchte durch eine Anzeige in der Frankfurter Zeitung für eine Liegenschaft mit Ziegelwerk einen Käufer. Der Kläger bot ihm seine Dienste als Mäkler an und schrieb, er werde einen Berkaufsauftrag in längstens vier Wochen durchführen, wenn ihm für diese Zeit ein Alleinauftrag erteilt werde. Der Beklagte er klärte darauf, daß er dem Kläger vier Wochen freie Hand lasse und andere ihm zugegangene Zuschriften zwar prüfen, aber nicht eingehend behandeln wolle. Auf diesen Brief antwortete der Kläger, er nehme den ihm.erteilten Alleinauftrag dankend an. Während der vier Wochen wurde die Liegenschaft anderweit verkauft. Der Klage auf Zahlung des Mäklerlohnes gab das Landgericht zum Teil, das Oberlandesgericht ganz statt. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen: Richtig ist, daß der Beklagte in seinen Briefen das Wort „Alleinauftrag" ebensowenig gebraucht, wie die Worte „fest an die Hand geben", sondern davon spricht, daß er dem Mäkler vier Wochen freie Hand geben wolle. Dies war aber die Antwort auf die Bemerkung im Briefe des Klägers, die Heranziehung mehrerer Müller könne sich schädlich auswirken und die Erteilung eines Allein auftrages sei am Platze. Der Bellagte bespricht in seinen Antwort briefen diese Anregung und erklärt auf den Vorschlag, dem Kläger den Alleinauftrag zu erteilen und ihm die Liegenschaft fest an die Hand zu geben, daß er während vier Wochen die „anderen laufenden Offerten" nicht eingehend behandeln und in keine nähere Bezie hungen zu „Interessenten" treten wolle. Dieser Inhalt seiner Briefe läßt erkennen, daß er wußte, was der Kläger wollte, und daß er grundsätzlich damit einverstanden war. Nicht bloß von anderen
Vermittlern ist die Rede; der Beklagte spricht von Offerten und von Interessenten und erklärt, daß er zu diesen nicht in Beziehung treten wolle. Daraus geht hervor, daß nicht nur die Vermittlung durch andere Müller, sondern auch der unmittelbare Verkehr mit Interessenten während der Frist unterbleiben sollte. Das ist aber dasselbe, was der Kläger wollte und durch den Ausdruck „Allein verkauf" zum Ausdruck brachte. Der Inhalt der Vereinbarung war somit, daß der Bellagte dem Kläger den Verkauf während vier Wochen überlassen hat. Bevor noch die vier Wochen abgelaufen waren, haben die Eigen tümer Liegenschaft und Ziegelei an einen nicht vom Kläger bei gebrachten Käufer verkauft. Infolgedessen verlangt der Kläger vom Bellagten den Betrag, den bei einem von ihm herbeigeführten Verkauf der Käufer und der Verkäufer zu zahlen gehabt hätten. Der Regelfall des Mäklervertrags besteht darin, daß der Müller ein bestimmtes Ereignis, den Abschluß eines Vertrags, verursacht und in diesem Fall eine bestimmte Vergütung erhält. Die Parteien können — innerhalb der Grenzen des redlichen Verkehrs und der guten Sitten — auch anderes vereinbaren, so z. B., daß der Müller die Vergütung auch erhalten sott, wenn der Verkauf nicht durch ihn verursacht worden ist. Eine solche Vereinbarung wird anzu nehmen sein, wenn der Auftraggeber für eine bestimmte Zeit dem Müller die ausschließliche Möglichkeit überläßt, einen Verkauf zu stande zu bringen; schließt der Auftraggeber dann doch einen anderen, vom Mäller nicht herbeigeführten Vertrag ab, so soll der Mäkler die gleiche Vergütung erhalten, die er vom Auftraggeber bei einem von ihm zustandegebrachten Vertrag erhalten hätte. Dieses Ver sprechen kann sowohl den Fall, daß der andere Vertragsschluß eine schuldhafte Verletzung des Mällervertrags ist, als auch den Fall treffen, daß den Auftraggeber kein Verschulden trifft. Im ersten Falle wird sich die Zusage des Bergütungsbetrags dem Wesen einer Vertragsstrafe nähern; im zweiten Falle wird sie mehr einer Gewährleistung für einen Umstand gleichen, der ohne Verschulden einer Vertragspartei eintritt. Eine derartige Gewähr wird ins besondere dann anzunehmen sein, wenn der Auftraggeber weder Eigentümer noch verfügungsberechtigt ist. In diesem Falle kann ein selbständiger Vertragsschluß durch den Eigentümer keine schuld hafte Verletzung des Mäklervertrags sein, da der Eigentümer diesen nicht geschlossen hat. Er kann aber auch keine Vertragsverletzung
des Auftraggebers sein, da nicht dieser, sondern der am Mäkler vertrag unbeteiligte Eigentümer den Berkaus vornimmt. Der Sinn des Mäklervertrags verlangt aber in einem solchen Falle die Aus legung, daß der Auftraggeber für einen Umstand einsteht, der eine erfolgreiche Tätigkeit des Mäklers ausschließt und eine Vertrags verletzung sein könnte, wenn der Auftraggeber selbst den Umstand herbeigeführt hätte. Hier gilt der Vergütungsbetrag als für den Fall versprochen, daß ohne Verschulden des Auftraggebers der Ver fügungsberechtigte den Kaufvertrag selbständig abschließt. Der Auftraggeber leistet für eine Tatsache Gewähr. Im vorliegenden Falle haben Kläger und Beklagter dies nicht ausdrücklich hervorgehoben. Der Beklagte hat aber dem Kläger für eine bestimmte Zeit die ausschließliche Möglichkeit eingeräumt, den Verkauf herbeizuführen. Sollte diese Möglichkeit gewahrt bleiben, so mußte es ausgeschlossen sein, daß der Eigentümer sie vereitelt. Infolgedessen ist der Vertrag dahin auszulegen, daß der Bellagte dafür eintritt, daß der Eigentümer nichts tue, was diese Möglichkeit vernichtet, und daß, falls dies doch geschehen sollte, der Beklagte die Vergütung zu bezahlen hat. Bei dieser Auslegung des Vertrags ist es gleichgültig, ob der Beklagte im Auftrage des Eigentümers oder als Geschäftsführer ohne Auftrag den Mäklervertrag mit dem Kläger abschloß. Die Ansicht der Revision, er habe für das Ver halten des Eigentümers nicht einzustehen, weil er nur Geschäfts führer ohne Auftrag gewesen sei, kann nicht geteilt werden. Eine andere Frage ist jedoch, wie weit die vertragliche Haftung des Beklagten reicht. (Es folgen Erörterungen darüber, welche Bergütungssätze maßgebend sein können. Dann wird fortgefahren:) Zum Regelfälle des Mäklervertrags gehört es, daß der Auftrag geber die auf ihn entfallende Vergütung zu bezahlen hat. Daß er nach dem Vertrag auch die Vergütung leisten müßte, die bei eipem vom Müller herbeigeführten Vertragsschluß sein Vertrags partner zu zahlen hätte, liegt so sehr außerhalb des üblichen Rah mens, daß dies, sofern es überhaupt zulässig ist, ausdrücklich be dungen sein müßte. Weder aus dem Sachverhalt noch aus dem Begriffe des Mleinauftrags läßt sich eine derartige vertragliche Ver pflichtung ableiten. Die entgegengesetzte Ansicht des Berufungs gerichts kann nicht geteilt werden. In den „Allgemeinen Geschäfts bedingungen" ist eine solche ausdrückliche Bestimmung zwar enthalten. Es ist aber unbestritten, daß diese Bedingungen dem
Beklagten nicht zugesandt und nicht bekanntgemacht wurden; sie wmden daher nicht Gegenstand des Vertrags. Da es der Kläger zu vertreten hat, daß diese Bedingungen dem Beklagten nicht bekanntgegeben wurden, kann er aus seiner Unterlassung nicht eine Verpflichtung des Beklagten ableiten, diese Bedingungen einzuhalten. Eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Vergütung, die ein vom Mäkler zugebrachter Käufer zu zahlen gehabt hätte, liegt somit nicht vor. Etwas anderes als eine solche vertragliche Verpflichtung ist aber eine Pflicht zum Ersätze des Schadens, den der Beklagte durch schuldhafte Verletzung des Mäklervertrags dem Mäkler zugefügt haben kann. - Ein solcher Schadensersatzanspruch könnte auch die Vergütung umfassen, die der Mäkler vom Käufer hätte erhalten sollen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch setzt ein schuldhaftes vertragswidriges Vorgehen des Beklagten voraus. Ob dieser den Mschluß des Vertrags zwischen den Eigentümern und dem Käufer veranlaßt oder begünstigt und dadurch gegen seine Pflicht aus dem Mäklervertrage verstoßen hat, ist noch nicht erörtert und nicht fest gestellt. Für den Kläger wird sich eine Beweisschwierigkeit insofern er geben, als der Eigentümer zum Abschluß eines Vertrags mit dem vom Mäkler zugebrachten Käufer nicht verpflichtet war. Dazu kann jedoch auf die Entscheidung RGZ. Bd. 76 S. 361 verwiesen werden, in der ausgesprochen ist, es genüge zur Begründung der Schadens ersatzpflicht, „wenn der Mäkler nüchweist, daß er innerhalb der ge setzten Frist einen zum Ankauf unter sachgemäßen Bedingungen bereiten und fähigen Vertragschließenden gestellt haben würde". Dieser Grundsatz wird auch im vorliegenden Fall anzuwenden sein. Mit der Erörterung und Feststellung dieses Sachverhalts wird auch die Frage gelöst werden können, ob und was der Kläger bereits getan und eingeleitet hatte; denn für die Zuerkennung eines Schadensersatzbetrags genügt nicht, daß bloß die Voraussetzung einer vertraglichen Gewährverpflichtung gegeben ist. Wäre der Kläger untätig gewesen oder hätte er keinen tauglichen Käufer an der Hand gehabt, so könnte er aus der Tatsache des Verkaufs durch den Eigentümer keinen Schadensersatzanspruch ableiten.
34. 1. Darf das Gericht Vorbringen, dem es nicht gefolgt ist, und Bemeisanträge, denen es nicht stattgegeben hat, in der Ur teilsbegründung unerwähnt lassen? 2. Setzt die Ausschließung eines neuen Vorbringens im Berufungsversahren voraus, daß durch die Zulassung die Erledi gung des Rechtsstreits verzögert werden würde? 3. Mutz das Gericht mit den Parteien darüber verhandeln, ob ein Vorbringen neu ist und ob die frühere Geltendmachung zu mutbar war? Verordnung zur weiteren Vereinfachung der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege und des Kostenrechts (Dritte Ver einfachungsverordnung — 3. VereinsB.) vom 16. Mai 1942 (RGBl. I S. 333) § 2 Abs. 1. ZPO. §§ 286, 529.
I. Zivilsenat. Urt. v. 17. Dezember 1943 i. S. H. (Kl.) w. D.L C. (Bell.). 199/43. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Mieterin einer ihm ge hörigen, im Hamburger Hafen gesunkenen Schute auf Schadens ersatz in Anspruch. Die Beklagte hat geltend gemacht: Die Schute sei ordnungsgemäß beladen und die Fahrweise ihres Schleppers „Pirat 2" einwandfrei gewesen. Der Unfall sei ausschließlich durch den Fährdampfer „Sonnin" herbeigeführt worden, der mit zu starker Fahrt zu nahe an die Schute herangekommen sei, so daß diese durch die hohe Heckwelle des Fährdampfers voll Wasser ge schlagen sei. Als Streithelfer haben sich dem Kläger die Eigentümerin des Fährdampfers „Sonnin" und der Beklagten die Eigentümerin des Schleppers „Pirat 2" angeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandes gericht hat die Berufung der Streithelferin des Klägers zurück gewiesen. Deren Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den Gründen: Die Entscheidung des Oberlandesgerichts beruht auf der An nahme, daß die Schute vorn mindestens 50 und hinten mindestens 25 cm Freibord gehabt habe, und auf der weiteren Annahme, der
Fährdampfer „Sonnin" habe während der Borbeifahrt an der Schute eine „hohe" Heckwelle erzeugt. Der Kläger und seine Streit helferin hatten jedoch den Eichbrief der Schute eingereicht und vor getragen, aus ihm ergebe sich, daß bei einer achterlastigen Be ladung der Schute mit 1101 Kies der Freibord hinten nicht 25 cm betragen haben könne, sondern weit geringer gewesen sein müsse. Trifft diese Behauptung zu, so ist dem Berufungsurteil die Grund lage entzogen. Ferner hatte die Streithelferin des Klägers aus geführt, der Fährdampfer „Sonnin" mache überhaupt kaum einen Schwell, und hatte sich dafür auf das Gutachten eines Sachver ständigen bezogen; sie hatte hierzu beantragt, das Gericht solle sich selbst durch eine Fahrt mit dem Dampfer von dem geringen, keines wegs erheblichen Schwell überzeugen. Den Beweisantrag hatte sie sodann nach dem Eingänge des Sachverständigengutachtens in
der Schlußverhandlung in der Fassung wiederholt, das Gericht werde, wenn es die tägliche Fahrt von „Sonnin" mitmache, er kennen, wie wenig die Frage des Schwells, den dieser Dampfer angeblich erzeugt habe und bei der hier beobachteten Entfernung er zeugt haben könne, in Betracht komme. Der Sinn dieses Vor bringens der Streithelferin war also der, daß der Fährdämpfer „Sonüin" in Wahrheit keine „hohe" Heckwelle erzeugt habe, sondern daß die Bewegungen des Wassers, die er auch bei voller Fahrt nur hervorgerufen habe, in einer Entfernung von 40 m nicht größer gewesen seien als die Wasserbewegungen, welche die im Hafen ver kehrenden Fahrzeuge allgemein erzeugten und welche bei der Be ladung einer Schute stets mit in Rechnung gestellt werden müßten. Diese — für die Entscheidung erheblichen — Ausführungen und die dazu gestellten Beweisanträge hat der Berufungsrichter nicht erwähnt. (Wird näher ausgeführt.) Insoweit ist daher, wie die Revision mit Recht rügt, § 286 ZPO. verletzt. Dem steht § 2 Abs. 1 3. VereinfB. nicht entgegen, da diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden kann, daß das Gericht ermächtigt wäre, in der Begründung seiner Entscheidung das Vorbringen der Par teien, dem es nicht gefolgt ist, und die Beweisanträge, denen es nicht stattgegeben hat, schlechthin mit Stillschweigen zu übergehen (vgl. I o n a s in DR. Ausg. A 1942 S. 997 Ziff. II lf letzter Satz [©. 1001]). Das angefochtene Urteil muß mithin aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht Enisch. in Zivils. 172.
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zurückverwiesen werden, damit der Berufungsrichter hierzu noch Stellung nimmt. Dabei wird das Oberlandesgericht folgendes zu beachten haben: Zunächst wird zu prüfen sein, ob und inwieweit der Kläger oder seine Streithelferin bereits im ersten Rechtszug — oder in der Berufungsbegründung — jene Behauptungen vorgetragen und jene Beweisanträge gestellt haben. Wenn das nicht der Fall ist, so könnten sie nach § 529 Abs. 1 ZPO. (in der Fassung der Dritten Bereinfachungsverordnung) nur beachtet werden, wenn die Geltendmachung im ersten Rechtszug oder in der Beru fungsbegründung dem Kläger oder der Streithelferin auch bei Be rücksichtigung ihrer Pflicht zu einer sachgemäßen und sorgfältigen Prozeßführung nicht zuzumuten war — wobei es gleichgültig ist, ob durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits im Be rufungsrechtszuge verzögert werden würde oder nicht, wie der Wortlaut der neuen Fassung klar ergibt, der von der bis zum 31. Mai 1942 geltenden Fassung bewußt abweicht (so auch Jonas a. a. O. Zifs. I Abs.4 fS.999]; Baumbach ZPO., 17.Aufl., Bem. 1 zu § 529, denen beizutreten ist, während die Auffassung Reinbergers in DR. Ausg. A 1942 S. 1004 Ziff. I Abs. 1 fS. 1005] und Ziff. III Abs. 1 fS. 1007] abgelehnt werden muß) —. Ob es sich um neues Vorbringen handelt und ob früheres Geltend machen zumutbar war oder nicht, darüber wird der Berufungs richter mit den Parteien verhandeln und ihnen Gelegenheit geben müssen, ihre Auffassung vorzutragen; es kann nicht verlangt werden, daß die Partei gleichzeitig mit der Geltendmachung von Angriffs-, Verteidigungs- und Beweismitteln von sich aus darlege, daß das Vorbringen nicht neu sei, sondern nur Ergänzungen und Erläute rungen des bereits früher Borgebrachten enthalte, oder daß früheres Geltendmachen ihr nicht zuzumuten gewesen sei. Ge gebenenfalls wird dann ein Beschluß gemäß § 529 Abs. 2 ZPO.' ver kündet werden müssen. Neues Vorbringen der Streithelferin könnte dabei nur insoweit zugelassen werden, als gleichartiges Vor bringen des Klägers selbst ebenfalls zugelassen werden müßte, da die Streithelferin keine weitergehenden Befugnisse hat als die von ihr unterstützte Hauptpartei (Sydow-Busch-Triebel ZPO. Bem. 1 zu § 67).
35. 1. Schließt die Ausnahmevorschrift des § 24 Abs. 4 der Straßenverkehrs-Ordnung auch die Anwendung des § 23 Abs. 1 das. aus? 2. Zur Anrechnung des eigenen Arbeitsverdienstes auf den Schadensersatzanspruch bei Schadensteilung. Straßenverkehrs-Ordnung vom 13. November 1937 (RGBl. I S. 1179) — StVO. — §§ 23, 24. BGB. § 254. V. Zivilsenat. Urt. v. 7. Januar 1944 i. S. W. (Kl.) w. Firma W. G. u. 1 and. (Bell.). V, 108/43. I. Landgericht Wuppertal. II. Oberlandesgericht Düsseldorf.
Am Abend des 2. Juni 1939 war der Ehemann der Klägerin im Begriffe, mit einem Handwagen Gras in seine Wohnung zu bringen, das er an der Landstraße L.-B. gemäht hatte. Der Hand wagen war nicht beleuchtet. Nach der Feststellung des Berufungs gerichts war auch kein Rückstrahler an ihm zu sehen. Während die Klägerin den Handwagen auf der rechten Straßenseite an der Deichsel zog, ging ihr Ehemann an der linken hinteren Seite des Handwagens so, daß er die rechte Hand auf die linke hintere Seite des Wagens auflegte. Hierbei wurde er von einem überholenden, der Erstbeklagten gehörenden und vom Zweitbeklagten gesteuerten Personenkraftwagen von hinten angefahren. Er erlitt Schädel verletzungen und schwere Brüche und starb an den Folgen. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Unter Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des Ver unglückten hat das Landgericht den Klageanspruch dem Grunde nach zu zwei Dritteln, das Berufungsgericht hingegen nur zur Hälfte für berechtigt erklärt. Soweit die Klägerin die Zahlung einer Rente vom 1. November 1939 ab beansprucht — dem Zeit punkt, an dem sie eine Anstellung bei der Reichspost gefunden hat —, hat das Berufungsgericht die Klage ganz abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte wegen der bezifferten Klageansprüche, soweit sie nicht auf" Träger der Reichsversicherung übergegangen sind, zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Aus den Gründen: Das Berufungsgericht erblickt ein mitwirkendes Verschulden des Verunglückten einmal darin, daß er seinen Handwagen nicht be13*
leuchtet gehabt habe; das Fehlen der Beleuchtung müsse ihm als schweres Verschulden angerechnet werden. Ferner habe es „einen kaum zu überbietenden Leichtsinn" dargestellt, daß er, anstatt sich an der äußersten rechten Straßenseite zu halten, links neben dem Handwagen hergegangen sei. Die erste Erwägung beruht auf einer Verkennung der Vor schriften der Straßenverkehrs-Ordnung. > Das Berufungsgericht läßt unerörtert, welchen gesetzlichen Bestimmungen es entnimmt, daß der Handwagen des Verunglückten „unter allen Umständen hätte beleuchtet sein müssen". In Betracht kommen die Vorschriften der §§ 23, 24 StVO. § 23 Abs. 1 schreibt vor: „Alle Fahrzeuge müssen an der Mckseite... rote Schlußlichter oder rote Rückstrahler führen; ausgenommen sind Kinderwagen, die ihrem Bestimmungszweck dienen, und Handschlitten." § 24 Abs. 1 bestimmt: „Bei Dunkel heit ..." muß „an Fahrzeugen... nach hinten ihr Ende durch rote Laternen oder rote Rückstrahler erkennbar gemacht werden..." Im Abs. 4 des § 24 heißt es weiter: „Diese Vorschriften gelten nicht für Fahrzeuge, die von Fußgängern mitgeführt werden und nicht breiter als ein Meter sind." Unstreitig war der Handwagen des Verunglückten weniger als ein Meter breit. Aus den vorstehenden Vorschriften ergibt sich zunächst, daß eine rückwärtige Beleuchtung der Fahrzeuge — für Kraftfahrzeuge gelten andere Vorschriften; vgl. § 53 StVZO. — überhaupt nicht unbedingt gefordert wird, sondern daß ihre Erkennbarmachung durch rote Rückstrahler genügt. Im übrigen besteht aber äußerlich eine Unstimmigkeit zwischen den Vorschriften der §§ 23 und 24 StVO, insofern, als § 23 Abs. 1 das Führen von roten Schlußlichtern oder roten Rückstrahlern durch alle Fahrzeuge vorschreibt,' ohne, wie im § 24 Abs. 4, für weniger als ein Meter breite, von Fußgängern mitgeführte Fahrzeuge eine Ausnahme zu machen. Die richtige Anwendung der einander scheinbar widersprechen den Bestimmungen ergibt sich aus ihren unterschiedlichen Zwecken. §23 StVO, enthält eine Zustands-, §24 eine Betriebsvorschrift (vgl. Müller Straßenverkehrsrecht, 15. Ausl., Bem. 2 Abs. 2 zu § 23, Bem. 1 zu § 24 StVO.). Die Zustandsvorschrift des § 23 soll die Durchführung der Betriebsvorschrift sichern, wobei der Ge danke als für den Gesetzgeber maßgebend betrachtet werden kann, daß an einem Fahrzeuge, das nicht ständig einen fest angebrachten Rückstrahler führt, ein solcher leicht bei Dunkelheit fehlen werde.
Diese Erwägung muß im Verhältnis des § 23 Ms. 1 zu § 24 Abs. 1 dazu führen, daß die Zustandsvorschrift des § 23 Abs. 1 ohne Rück
sicht auf die Dunkelheit gilt, im Verhältnis des § 23 Abs. 1 zu § 24 Abs. 4 dagegen dazu, daß, soweit die Voravsßsetzungen der Aus nahmevorschrift des § 24 Abs. 4 gegeben sind, nicht nur § 24 Abs. 1, sondern auch § 23 Abs. 1 nicht anzuwenden ist; denn es wäre sinnlos, Fahrzeuge von nicht mehr als einem Meter Breite, die von Fuß gängern mitgeführt werden, für die Zeit der Dunkelheit von der Betriebsvorschrift der Erkennbarmachung durch rote Laternen oder rote Rückstrahler auszunehmen, sie aber gleichzeitig der Zustands vorschrift des Führens solcher Laternen oder Rückstrahler zu unterwerfen.. Dem Verunglückten kann daher weder das Fehlen einer Schluß beleuchtung noch das Fehlen oder die mangelnde Erkennbarkeit eines roten Rückstrahlers als Verstoß gegen die Berkehrsvorschriften zur Last gelegt werden. Das Berufungsgericht begründet die Mweisung der Klage in dem vorbezeichneten Umfange damit, vom 1. November 1939 ab könne die Klägerin bis auf weiteres keinen Schadensersatzanspruch erheben. Da das Reineinkommen ihres Mannes vor dem Unfall nach den von ihr überreichten Lohnbescheinigungen monatlich weniger als 210 RM. betragen, während sie selbst sofort nach ihrem Eintritt bei der Reichspost monatlich 110 RM. ohne weiteren Abzug erhalten habe, sei ihr ein auszugleichender Schaden auch dann nicht entstanden, wenn man gebührend berücksichtige, daß der Ber-» storbene das Haus instand gehalten und verbessert und auf einem Morgen Land eine Kuh, ein Kalb, ein Schwein, Ziegen und Hühner gehalten habe. Es sei dabei zu berücksichtigen, daß die Klägerin wegen des Mitverschuldens des Verstorbenen nur die Hälfte dessen beanspruchen könne, was ihr an sich zustehen würde. Die Revision macht demgegenüber geltend, schon in der Klage schrift sei betont, daß die Klägerin nervenkrank sei. Wenn sie trotzdem nach Kriegsausbruch die Anstellung bei der Post angenommen habe, so ftage es sich, ob sie dazu nach § 254 BGB. bei einem solchen Ge sundheitszustände verpflichtet gewesen sei. Inzwischen habe sie aus diesem Grund ihre Anstellung wieder verloren. Soweit die Revision damit rügen will, das Berufungsgericht habe unter Verkennung der in RGZ. Bd. 154 S. 236 aufgestellten
Grundsätze nicht beachtet, daß es für die Anrechnung des eigenen Arbeitsverdienstes der Witwe darauf ankomme, ob und inwieweit ihr die Übernahme der Arbeit zuzumuten sei, kann ihrer Rüge nicht beigetreten werden«. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß das Berufungsgericht nicht von diesen Grundsätzen ausgegangen sei. Eine ausdrückliche Erörterung der Frage im Urteil war im vorliegenden Falle nicht geboten, da die Klägerin in ihrer Klage aufstellung selbst diesen Arbeitsverdienst als schadenmindernd berücksichtigt hatte. Rechtsirrtümlich ist es dagegen, wenn das Berufungsgericht seine Annahme, der Arbeitsverdienst von 110 RM. habe den der Klägerin durch den Verlust des Unterhaltsanspruchs erwachsenen Schaden völlig ausgeglichen, damit begründet, daß sie wegen des Mitverschuldens des Verstorbenen nur die Hälfte dessen beanspruchen könne, was ihr an sich zustehen würde. Die Beklagten haben nach § 254 Abs. 2 BGB. allerdings ein Anrecht darauf, daß die Klägerin ihren Schaden im Rahmen des Zumutbaren durch eigenen Arbeits verdienst mindere. Den durch diesen Verdienst nicht gedeckten Teil des Schadens haben sie jedoch zu dem aus der Anwendung des § 254 BGB. sich ergebenden Bruchteil zu ersetzen. Das Berufungs gericht hätte also den Wert des Unterhalts, den der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens der Klägerin zu gewähren verpflichtet gewesen wäre, ziffernmäßig feststellen und davon die 110 RM. Arbeitsverdienst abziehen müssen. Wenn dann noch ein Schaden der Klägerin bleibt, haben die Beklagten ihn zu dem ihnen 'auferlegten Bruchteil zu ersetzen. Der Standpunkt des Berufungs gerichts läuft darauf hinaus, den Arbeitsverdienst der Klägerin ein seitig zur Minderung der Ersatzschuld des Schädigers zu verwenden, während dem Beschädigten dann unter Umständen ein Schaden bleibt, der vom Schädiger auch nicht zu einem Bruchteil ersetzt wird. Auch der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Rente ist daher unter entsprechender Abänderung pes Berufungsurteils dem Grunde nach zu zwei Dritteln für gerechtfertigt zu erklären, da der Begründung des Berufungsgerichts entnommen werden kann, daß es irgendeinen Schaden für gegeben erachtet hat, wenn der Arbeits verdienst nicht auf den von den Beklagten zu ersetzenden Teil, sondern auf den vollen Schaden der Klägerin angerechnet wird. Das Weitere ist dem Verfahren über die Höhe der Klageansprüche zu überlassen.
36. 1. Ist der Testamentsvollstrecker befugt, die Mitgliedschafts rechte des Erben eines Kommanditisten auszuüben, der als sol cher in die Gesellschafterstellung des Erblassers eingetreten ist? 2. Kann der Erblasser durch letztwillige Verfügung anord nen, daß sich der Erbe die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte durch den Testamentsvollstrecker gefallen lassen müsse? Ist dies auch zulässig, wenn der Testamentsvollstrecker zugleich Nacherbe des besreiten Vorerben und persönlich hastender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist, dem gegenüber die Kommanditisten nach dem Gesellschaftsvertrage besondere überwachungsrechte haben? Müssen die übrigen Gesellschafter die Ausübung dieser Rechte durch den Testamentsvollstrecker hinnehmen?
BGB.. §81940, 2194, 2205, 2208 Abs. 2, §2216 Abs. 1, § 2219. HGB. § 161 Abs. 2, §§ 171, 172, 177. II. Zivilsenat, litt. v. 10. Januar 1944 i. S. Kurt F. (Bell.) w. Emmy F. (Kl.). I1103/43. I. Landgericht Braunschweig. II. Oberlandesgericht daselbst.
Der am 13. Februar 1937 verstorbene Ehemann der Klägerin, der Privatmann Bernhard F., war Kommanditist der Kommandit gesellschaft F. Sch., einer Familiengesellschaft. Der einzige persön lich haftende Gesellschafter ist der Beklagte. Die Kommanditeinlagen betrugen beim Tode des Bernhard F. insgesamt 421 500 RM., wovon 153 500 RM auf ihn selbst, 12 500 RM. auf die Klägerin entfielen. Über die Kommanditistenrechte bestimmt der Gesell schaftsvertrag vom 5. April 1935 im wesentlichen folgendes: Nach § 5 werden die den Kommanditisten zustehenden Rechte durch eine Kommanditistenversammlung ausgeübt, die mindestens einmal jähr lich einberufen werden muß. Ihr ist der Jahresabschluß vorzulegen und Bericht über die Geschäftsergebnisse zu erstatten (§ 5 c). Die Kommanditisten dürfen sich in den Kommanditistenversammlungen nur durch einen anderen Kommanditisten oder ein Mitglied des Beirats vertreten lassen (§ 5e). Veränderungen oder Übertragungen von Beteiligungen bedürfen ihrer Genehmigung (§ 6d). Die Kommanditistenversammlung hat zur Aufnahme eines persönlich haftenden Gesellschafters ihre Zustimmung zu erteilen (§ 7 b), kann einem persönlich haftenden Gesellschafter die Befugnis zur Ber-
tretung und Geschäftsführung entziehen (§7e), muß einen Beirat Bestellen (§ 8a) und faßt Beschlüsse über Änderungen des Gesell schaftsvertrags sowie über die Höhe der Gewinnausschüttung (§§ 12, 14b). Der Beirat, der aus 3 bis 5 Personen bestehen soll, hat die persönlich haftenden Gesellschafter in der Geschäftsführung zu unterstützen (§ 8a). Eine große Reihe ihrer Handlungen unter liegt seiner Genehmigung (§ 9a). Er kann unter gewissen Voraus setzungen Teilvorauszahlungen von Gewinnausschüttungen an ordnen (§ 9b). Die persönlich haftenden Gesellschafter haben ihm monatlich über die genehmigungsbedürftigen Vorgänge sowie über den Fabrikations- und Geschäftsgang Bericht zu erstatten (§ 9c). Er hat ein Recht auf Einsicht in alle den Geschäftsbetrieb betreffenden Unterlagen, Belege, den Briefwechsel usw., darf den Fabrikattons betrieb besichtigen und Vorlegung aller Kalkulationen verlangen (§ 9d). Schließlich ist er auch berechtigt, im Einvernehmen mit den persönlich haftenden Gesellschaftern deren Tätigkeitsbereiche sowie die Tätigkeitsbereiche der Angestellten mit über 5000 RM. jähr licher Vergütung abzugrenzen, schriftliche Geschäftsanweisungen zu erteilen und die Anstellungsverträge dieser Angestellten zu ge nehmigen (§ 10b). Die Mitglieder des Beirats werden durch die Kommandittstenversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit ge wählt 8 a Satz 4). Kommanditisten, die 20 v. H. des Kommaüditkapitals vertreten, ist das einmalige Recht eingeräumt, einen Ver treter in den Beirat zu entsenden (§ 8a Satz 6). Die Kommandit anteile sind vererblich (§ 6 g). Im Falle des Todes eines persönlich haftenden Gesellschafters oder eines Kommanditisten wird die Ge sellschaft nicht aufgelöst, sondern mit den Erben des Verstorbenen fortgesetzt (§ 17 a). Zufolge gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute Bernhard F. vom 17. Januar 1937 ist der Ehemann von seiner Witwe, der Klägerin, als befreiter Borerbin beerbt worden; Nacherbe ist der Beklagte, ein Neffe des Erblassers. Weiter ist der Beklagte in dem Testamente zum Testamentsvollstrecker „mit der Beschränkung auf die Fürsorge der Borerbschaft" ernannt worden mit der Maßgabe, daß er in der Eingehung von Verbindlichkeiten für die Vorerbschaft nicht beschränkt sein soll, von der Beschränkung des § 181 BGB. befreit ist und innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises auch die höchstpersönlichen G^sellschafterrechte des Vorerben an der Kommanditgesellschaft ausüben soll (§ 4). Für den Fall, daß der
36. Testamentsvollstrecker. Kommanditgesellschaft.
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Beklagte „etwa wegen widerstreitender Interessen in seiner Eigen schaft als Gesellschafter der F- Sch. Kommanditgesellschaft oder in seiner Eigenschaft als Komplementär dieser Gesellschaft oher aus einem sonstigen Grund" an der Ausübung und Wahrnehmung der „ihm selbst im Erbgang anfallenden Geschäftsanteile" verhindert sein sollte, ist in §5 die Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers vorgesehen. Nachdem zunächst im Einvernehmen der Parteien auf Grund des Entsendungsrechts, das gemäß § 8a Satz 6 des Gesellschafts vertrags dem Inhaber des ererbten Kapitalanteils zusteht, die Kläge rin in den Beirat entsandt worden war, hat der Bellagte laut Schreiben vom 15. Mai 1942 in seiner Eigenschaft als Testaments vollstrecker und gegen den ihm bekannten Willen der Klägerin an ihrer Stelle den Bankdirektor A. in den Beirat berufen. Er hält sich auch für befugt, das Stimmrecht für den auf die Klägerin als Vorerbin übergegangenen Kommanditanteil auszuüben. Die Klägerin ist der Meinung, daß es sich bei ihrem ererbten Stimm-, und Beiratsentsendungsrecht um ihr als Kommanditistin zustehende höchstpersönliche Rechte handele, die der Beklagte daher nicht in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker an ihrer Stelle ausüben könne. Mit der vorliegenden Klage hat sie in erster Reihe die Feststellung begehrt, daß 1. der Beklagte als Testamentsvoll strecker des Bernhard F. nicht berechtigt sei, a) das Stimmrecht für sie als befreite Vorerbin auszuüben und b) ein Mitglied in den Beirat für je 20 v. H. des Kömmanditistenkapitals an ihrer Stelle
zu entsenden, daß ferner 2. die vom Beklagten vorgenommene Entsendung des Bankdirektors A. in den Beirat ihr gegenüber un wirksam sei. Hilfsweise hat sie zu lb) um Feststellung gebeten, daß der Beklagte nicht berechtigt sei, das Entsendungsrecht gegen ihren ausdrücklichen Willen auszuüben. Der Beklagte hat den Standpunkt vertreten, daß es sich nicht um höchstpersönliche Rechte handele, so daß ihm als Testaments vollstrecker die Ausübung zustehe; er hat u. a. noch geltend gemacht, es sei der Wille des Erblassers gewesen, dem Testamentsvollstrecker größtmögliche HaMungsfreiheit zu gewähren, um die Zukunft der Firma zu sichern und seine bejahrte und wenig geschäftsgewandte Frau zu schützen. Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat das Berufungsgericht den Hauptanträgen stattgegeben. Die Revision
des Beklagten führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Gründe: Zu der Frage, inwieweit der Testamentsvollstrecker befugt ist, die Mitgliedschaftsrechte des nach dem Gesellschaftsvertrag in die Gesellschafterstellung des Erblassers bei einer offenen Handels gesellschaft eingetretenen Erben auszuüben, hat der erkennende Senat in einer Entscheidung vom 4. März 1943 (RGZ. Bd. 170 S. 392) folgendes ausgeführt: Der Machtbereich des Testaments vollstreckers sei grundsätzlich.auf den Nachlaß beschränkt. Daher sei ihm jede Einwirkung auf die nicht ausschließlich in den Bereich des Nachlasses fallenden Rechtsbeziehungen des Erben versagt. Zu diesen Rechtsbeziehungen gehörten die Rechte und Pflichten, die dem Erben aus der Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung des Erblassers (bei der offenen Handelsgesellschaft gemäß § 139 HGB.) erwüchsen. Die Rechtsstellung, die der Erbe mit dem Eintritt in die offene Handelsgesellschaft erwerbe, beruhe zwar auf der Erb folge. Ihr Inhalt bestimme sich aber nicht nach den Grundsätzen des Erbrechts, sondern sowohl im Innen- und Außenverhältnis als auch Personen- und vermögensrechtlich ausschließlich nach Gesell schaftsrecht. Der Erbe hafte als Gesellschafter ohne Rücksicht auf die Kräfte des Nachlasses persönlich und unbeschränkt für die Berbindlichkeiten der Gesellschaft. In demselben Umfange habe er seinen Mitgesellschaftern gegenüber für die Deckung etwaiger Ver luste der Gesellschaft einzustehen. Er unterwerfe sich ferner mit seinem Eintritt in die Gesellschaft Bindungen persönlicher Art, die sich keineswegs nur auf seine Erbenstellung oder auf sein Verhältnis zum Nachlaß auswirkten. Demgegenüber könne der Testaments vollstrecker, sofern ihm diese Befugnis vom Erblasser eingeräumt sei, Verbindlichkeiten immer nur mit Wirkung für den Nachlaß ein gehen, nicht aber darüber hinaus den Erben schlechthin persönlich verpflichten. Aus dieser Eigenart der Stellung des GesellschafterErben folge nicht nur, daß ihm ohne Rücksicht auf die Anordnung einer Testamentsvollstreckung allein die Entscheidung über die Aus übung der Rechte aus § 139 HGB. und die Zustimmung zur Ver längerung oder Auflösung der Gesellschaft oder zur Änderung des Gesellschaftsvertrags obliege, sondern daß auch alle übrigen mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten, ohne Unterschied, ob sie über tragbar oder nicht übertragbar seien, für di^ Dauer der gesellschaft-
36. Testamentsvollstrecker. Kommanditgesellschaft.
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lichen Bindung dem Machtbereich des Testamentsvollstreckers nicht unterfielen. Ob dies auch für den bei der Auflösung der Gesell schaft erwachsenden Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben gilt, sowie, ob etwa im Gesellschaftsvertrag oder durch letztwillige Verfügung eine andere Regelung getroffen werden könnte, hat der Senat damals dahingestellt gelassen. Die vorstehend dargelegten, die offene Handelsgesellschaft be treffenden Grundsätze müssen gemäß § 161 Abs. 2 HGB. auch auf die Kommanditgesellschaft, und zwar nicht nur für die Erben der persönlich haftenden Gesellschafter, sondern auch für die Erben der Kommanditisten, entsprechende Anwendung finden, soweit sich nicht aus der Eigenart der Kommanditgesellschaft etwas anderes ergibt. Letzteres ist aber nicht der Fall. Die Stellung der Kommanditisten unterscheidet sich nur insofern von der der persönlich haftenden Ge sellschafter, als ihre Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern und in der Regel auch gegenüber der Gesellschaft und den Mit gesellschaftern nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags auf eine bestimmte Bermögenseinlage beschränkt ist. Im übrigen gilt aber auch für sie, was oben von den Gesellschafter-Erben der offenen Handelsgesellschaft gesagt worden ist, daß sich ihre Haftung sowohl im Außen- als auch im Jnnenverhältnis nicht nach den Grundsätzen des Erbrechts, sondern ausschließlich nach denen des Gesellschafts rechts richtet, daß sie also im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfange persönlich und nicht etwa be schränkt auf den Nachlaß des Erblassers haften. Ferner unterwerfen auch sie sich mit ihrem Eintritt in die Gesellschaft Bindungen per sönlicher Art, die sich keineswegs nur auf ihre Erbenstellung oder auf ihr Verhältnis zum Nachlaß auswirken. Hieraus folgt, daß auch die mitgliedschaftlichen Rechte des Kommanditisten, gleichviel, ob sie übertragbar sind oder nicht, gleichviel also auch, ob sie als „höchst persönliche" Rechte des Gesellschafters anzusehen sind — wie das Berufungsgericht annimmt, von der Revision aber in Abrede ge stellt wird —, für die Dauer der gesellschaftlichen Bindung dem Machtbereich des Testamentsvollstreckers nicht unterliegen. Dies gilt ganz besonders auch vom Stimmrecht des Kommanditisten ebenso wie von seinem in dem hier in Rede stehenden Gesellschafts verträge vorgesehenen Recht zur Entsendung eines Mitglieds in den Beirat; deun gerade die Ausübung dieser Rechte hängt aufs engste mit der gesellschaftlichen Stellung des Kommanditisten zusammen,
der hierbei auch persönlich durch seine Treupflicht gebunden ist. Inwieweit die KommaMtanteile übertragbar und vererblich sind und inwieweit sich der Gesellschafter bei der Ausübung dieser gesell schaftlichen Befugnisse durch Bevollmächtigte vertreten lassen kann, die seinen Weisungen unterworfen sind, ist — entgegen der Auf fassung der Revision — für die Beurteilung des Machtbereichs des Testamentsvollstreckers, der die zum Nachlaß gehörigen Rechte des Erben im eigenen Namen und nach eigenem Ermessen, wenn auch mit Verantwortlichkeit gegenüber dem Erben verwaltet, ohne jede Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr allein, daß die erwähnten gesellschaftlichen Befugnisse grundsätzlich nicht in den Bereich des Nachlasses fallen. Auch kann es — entgegen der Annahme der Revision — nicht darauf ankommen, ob der Kommanditanteü des Erblassers bei dessen Tode voll eingezahlt war; denn der Umfang der gesellschaftlichen Haftung des Kommanditisten-Erben hängt nicht davon ab, inwieweit der Kommanditanteil beim Tode des Erb lassers eingezahlt ist, sondern davon, inwieweit die Einzahlung zur Zeit der Inanspruchnahme als geleistet anzusehen ist (vgl. § 172 Abs. 4 HGB.). Ob' im Gesellschaftsvertrag eine andere Regelung getroffen und außer der Vererblichkeit der KommaMtanteile auch ihre Unterstellung unter den Machtbereich eines Testamentsvollstreckers zugelassen werden kann, braucht auch hier nicht erörtert zu werden. Denn zweifellos enthält der vorliegende Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen, nach denen diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen wäre. Am allerwenigsten kann es im Sinne des Gesellschafts vertrags liegen, die selbstäMge Ausübung der Kommanditistenrechte eines Erben einem Testamentsvollstrecker zu überlassen, der zugleich persönlich haftender Gesellschafter ist; denn dies stünde nicht im Einklang mit den im Gesellschaftsvertrage bis in alle Einzelheiten geregelten Befugnissen der Kommanditisten und des von ihnen bestellten Beirats, den persönlich haftenden Gesellschafter in seiner Geschäftsführung zu überwachen. Eine Frage ist jedoch, ob die ausdrückliche Anordnung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute Bernhard F., daß der Testamentsvollstrecker innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgaben kreises, d. h. im Rahmen der Fürsorge für die Borerbschaft, auch die höchstpersönlichen Gesellschafterrechte des Borerben an der Kommanditgesellschaft F. Sch. ausüben solle, eine andere Beurtei-
hing der Rechtslage rechtfertigt. Wenn auch durch eine derartige Anordnung nicht unmittelbar in die gesellschaftlichen Beziehungen eingegriffen werden kann, so läßt sie doch die Auslegung zu, daß damit der Vorerbin zur Auflage (§ 1940 BGB.) gemacht worden ist, die Ausübung auch ihrer persönlichen mitgliedschaftlichen Rechte, also auch des Stimmrechts und des Rechts der Entsendung eines Mitgliedes zum Beirat, dem Testamentsvollstrecker zu überlassen. In der Tat ist diese Auslegung den Umständen nach sogar geboten, wie mangels ausreichender Prüfung der Frage durch das Be rufungsgericht gemäß § 4 Abs. 12 der Vierten Vereinfachungs verordnung vom 12. Januar 1943 (RGBl. I S. 7) auch das Re visionsgericht nach mündlicher Verhandlung hierüber von sich aus festzustellen befugt ist. Der Verwirklichung einer solchen Auflage steht, falls die übrigen Gesellschafter mit ihrer Erfüllung einver standen sind, nichts im Wege. Insbesondere ist darin keine sitten widrige Bindung des Gesellschafter-