Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Handelsgesetzbuch, 3 [Reprint 2018 ed.] 9783111582306, 9783111209173


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German Pages 311 [312] Year 1953

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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Handelsgeschäfte
Handelskauf
Kommissionsgeschäft
Speditionsgeschäft
Lagergeschäft
Frachtgeschäft
Sachregister
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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Handelsgesetzbuch, 3 [Reprint 2018 ed.]
 9783111582306, 9783111209173

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Entscheidungen

des Reichsgerichts in Zivilsachen Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von P r o f e s s o r Dr. L. Auerbach, Berlin; P r ä s i d e n t d e s R e i c h s p a t e n t a m t e s a. D. Dr. Johannes Eylau, M ü n c h e n ; R e c h t s a n w ä l t e Charlotte Graf, Berlin; M i n i s t e r i a l d i r e k t o r z. W v . Sen a t s p r ä s i d e n t Dr. Ernst Knoll, Berlin,- Rechtsanwalt Erich Kummerow, Berlin; R e c h t s a n w a l t Hermann Reufi, Berlin; R e c h t s a n w a l t Dr. Walter Schmidt, Düsseldorf; L a n d g e r i c h t s d i r e k t o r Alexander Swarzenski, Berlin; R e c h t s a n w a l t Dr. Werner Vahldiek, Berlin. Gruppe

III

Handelsrecht

Handelsgesetzbuch Teil 3

Berlin

1953

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschensche Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung ' Georg Reimer / Karl J. Trübner / Veit &. Comp.

Bearbeitet

von

Dr. Werner Vahldiek Rechtsanwalt in Berlin

Teil 3

Berlin

1953

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J. Trübner / Veit &. Comp.

A r c h i v - N r . 28 17 53 Satz

und

Druck

: D e u t s c h e Z e n t r a l d r u c k e r c i AG.. Berlin SVV 11.

A l l e Rechte, einschließlich d e s Rechts d e r H e r s t e l l u n g v o n und M i k r o f i l m e n , v o r b e h a l t e n

Photokopien

V

Inhaltsverzeichnis Seite

Verzeichnis der a u f g e n o m m e n e n Entscheidungen

VII

Handel sgesetzbuch Teil 3

Handelsgeschäfte

Handelskauf (Fortsetzung)

1

Kommissionsgeschäft

131

Speditionsgeschäft

245

Lagergeschäft

273

Frachtgeschäft

289

Sachregister

297

VII

Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen - Entscheidung ist gekürzt * Entscheidung enthält nur Leitsatz RGZ.

Seite

RGZ.

1, 286 4, 92 5, 84 6, 46 6, 49 13, 153 17, 31 18, 20 19, 97 32, 39 34, 82 34, 117 40, 187 47, 118 51, 347 54, 8 0 ' 55, 210 57, 7 58, 419 59, 43 59, 75 59, 120 59, 374 60, 44 61, 279' 62, 255 63, 30 63, 301 64, 236 65, 49 !>6, 18668, 368 73, 257 73, 379' 74, 3 9 8 78, 149 84, 355 86, 90 91, 289 91, 420

131 137 142 146 148 273 156 158 162 165 169 178 182 186 1 4 4 10 14 17 19 20 274 278 24 24 193 194 27 32 39 49 51 55 289 281 55 56 59 61

92, 93, 94, 95, 96, 96, 96, 96, 98, 98, 99, 99, 101, 101, 101, 101, 101, 101, 102, 102, 102, 102, 103, 103, 103, 103, 103, 104, 104, 104, 105, 105, 106, 106, 106, 106, 108, 108, 108, 109,

Seite

268" 44 97 122 4 13T 72 175 69 213 37 247 18' 90 152 348' 380 413 15 91 295 388 30 77 129 151 376 95 283 382 125 302 309 359 419 212' 25 158 191 134

63

63

245 290 198 66 68 69 72 73 75 77 80 81 250 286 202 204 209 85 86 89 293 91 96 286 98 103 105 108 210 254 111 113 256 296 116 119 213 121

VIII RGZ.

109, 288* 110, 59 110, 119 110, 155

110, 268 113, 427 114, 9 114, 109

Seite

RGZ.

259 259 216 124

114, 116, 121, 125, 126, 148, 155,

220 263 221 266

Seile

375 198 177 76 70 190 148*

268 227 235 128 238 243 245

Die Entscheidungen sind grundsätzlich ungekürzt gebracht worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem + gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Gruppe ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle aufgenommenen Entscheidungen verzeichnet und nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert sind.

Handelsgeschäfte Handelskauf RGZ.51, 347 1. Wann ist ein Lieferangskauf als ein Fixgeschäft nach § 376 HGB. (§361 BGB.) anzusehen? 2. Bedarf es zum Eintritte der in § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB. bestimmten Reditsfolgen noch der daselbst vorgesehenen Fristbestimmung, wenn der im Verzug beflndlidie Teil Vertragserfüllung ernsthaft weigert, und der andere Teil daraufhin Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. Mai 1902. I. Landgericht Arnsberg. II. Oberlandesgericht Hamm. Der Kläger behauptete, am 5. Juli 1900 durch Vermittlung der Firma Sdi. & PI. mit dem Beklagten einen Vertrag abgeschlossen zu haben, worin der Beklagte sich zur Lieferung von 1000 Zentnern rohen Rüböles, und zwar von je 200 Zentner in den Monaten August bis Dezember 1900, verpflichtet habe. Der Beklagte bestritt, daß das Geschäft für ihn rechtsverbindlich abgeschlossen worden sei, und verweigerte die Lieferung des Rüböles. Der Kläger beanspruchte daher von ihm Schadensersatz wegen Nichterfüllung, und zwar die Differenz zwischen dem vereinbarten Preise und dem jedesmaligen Marktpreise. Nachdem er wegen der Augustlieferung eine rechtskräftig gewordene Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes erwirkt hatte, erhob er wegen der unterbliebenen späteren Lieferungen Schadensersatzklage auf Zahlung von 1600 M. Die Klage wurde vom Oberlandesgerichte abgewiesen, weil die in § 326 BGB. vorgesehene Fristbestimmung nebst Erklärung von seiten des Klägers unterblieben und dadurch nicht überflüssig geworden sei, daß der Beklagte die Vertragserfüllung überhaupt geweigert habe. Diese Entscheidung ist auf Revision des Klägers aufgehoben worden aus folgenden Gründen: . . . „Das Landgericht hatte seine, dem Kläger günstige, Entscheidung auf § 85 HGB. und anscheinend, wie in dem Vorprozesse, auf § 376 HGB. gestützt. Das Oberlandesgericht hat sich in ersterer Beziehung nicht ausgesprochen, dagegen v e r n e i n t , daß ein sog. HGB. 3

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Handelsgesetzbuch

F i x g e s c h ä f t im Sinne des § 376 vorliege, da zwar insofern eine bestimmte Lieferungsfrist gestellt sei, als die Lieferung in den Monaten August bis Dezember habe erfolgen sollen, allein das Kriterium des Fixgeschäftes, daß mit Innehaltung und Verabsäumung der Frist das Geschäft stehe und falle, fehle; denn weder sei eine ausdrückliche dahingehende Vereinbarung getroffen worden, noch sei aus den Umständen ein Wille in diesem Sinne zu entnehmen. Diese auf tatsächlicher Feststellung beruhende Begründung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Rechtsbegriff des Fixgeschäftes ist in § 361 BGB. für gegenseitige Verträge überhaupt und in § 376 HGB. für den Handelskauf dahin festgestellt, daß die Leistung des einen Teiles g e n a u zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist bewirkt werden soll; er entspricht dem Art. 357 des alten Handelsgesetzbuches und ist in dem demselben von der bisherigen Rechtsprechung gegebenen Sinne, nämlich so zu verstehen, daß die getroffene Erfüllungszeit ein so w e s e n t l i c h e r Bestandteil des Geschäftes sein soll, daß mit ihrer Innehaltung und Verabsäumung das Geschäft stehen und fallen, eine nachträgliche Erfüllung nicht mehr als Vertragserfüllung angesehen werden soll. Hiervon ist das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen. Liegt demnach kein Fixgeschäft vor, so kommt, falls der streitige Kaufabschluß rechtswirksam für den Beklagten, dessen Leistungsverzug unbestritten feststeht, geschehen ist, für den vom Kläger erhobenen Schadensersatzanspruch § 326 BGB. in Betracht, welcher denselben davon abhängig macht, daß dem im Leistungsverzuge befindlichen Vertragsteile zur Bewirkung der Leistung von dem anderen Teile eine angemessene F r i s t mit der Erklärung bestimmt worden ist, er werde nach Ablauf der Frist die Annahme der Leistung ablehnen. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Fristbestimmung n i c h t erfolgt sei, und hat deshalb die Klageforderung (Schadensersatzklage wegen Nichterfüllung) abgewiesen. Hierbei hat es zwar festgestellt, daß der Beklagte, der von vornherein das für ihn von Seh. & PI. mit dem Kläger abgeschlossene Kaufgeschäft nicht anerkannt und stets auf dessen Ablehnung beharrt hat, dem Gegenkontrahenten gegenüber die Erfüllung überhaupt g e w e i g e r t habe, ist aber der Ansicht, daß diese Weigerung für die Geltendmachtung des Schadensexsatzanspruches den Kläger nicht von der Fristbestimmung entbunden habe, da § 326 in dieser Beziehung keine Ausnahme mache. Mit Recht greift der Kläger dieser Begründung als rechtsirrig an. Die Frage, ob die Fristbestimmung des § 326 BGB. auch bei ernsthafter Weigerung des säumigen Vertragsteiles, zu leisten, erforderlich ist, damit der andere Teil berechtigt werde, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, ist in der Literatur

Handelskauf

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und Rechtsprechung streitig. 1 ) Die Materialien geben keinen genügenden Anhalt für die eine oder die andere Ansicht. Die Denkschrift zum Rechte der Schuldverhältnisse sagt beim Verzuge nur, daß im Anschlüsse an Art. 354—356 HGB. a. F. der Entwurf dem Gläubiger die im § 326 vorgesehene Befugnis gewähre, und in der Denkschrift zum Handelsgesetzbuche n. F. heißt es zwar, daß in der Rechtsprechung anerkannt sei, daß, wenn sich der Schuldner bestimmt geweigert habe zu erfüllen, der Gläubiger die im Art. 356 HGB. a. F. vorgesehene Erklärung schon vor dem Eintritte der Erfüllungszeit abgeben könne, und dann dem Schuldner eine Nachfrist nicht zustehe, daß diese Auffassung der Natur der Sache sowie den Bedürfnissen des Handelsverkehres entspreche, und anzunehmen sei, daß sie unter der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches, das in dieser Beziehung nichts wesentlich anderes vorschreibe, als das Handelsgesetzbuch, gleichfalls befolgt werde; allein gesetzlichen Ausdruck hat diese Ausführung nicht gefunden. Es ist nicht zu verkennen, daß die bejahende, vom Berufungsrichter adoptierte Meinung in dem Wortlaute der Gesetzesvorschrift, die allgemein von dem Falle spricht, daß bei gegenseitigen Verträgen der eine Kontrahent mit der ihm vertraglich obliegenden Leistung im Verzug ist, sowie darin Unterstützung findet, daß das Gesetz selbst in seinem zweiten Absätze eine Ausnahme anführt, ohne dabei der Leistungsweigerung Erwähnung zu tun; auch erscheint es nicht als angängig, aus der speziell für den Werkvertrag gegebenen Vorschrift des § 634 Abs. 2 BGB. auf ein allgemeines, im Gesetze selbst zum Ausdrucke gekommenes Prinzip bezüglich der Weigerung zu schließen, zumal da im § 295 BGB. ein, wenn auch nur wörtliches, Angebot für den Fall der Annahmeverweigerung des Gläubigers vorgeschrieben ist. Allein diese formalen Gesichtspunkte können nicht ausschlaggebend sein. Der § 326 ist kein zwingendes Gesetz; seine Erfordernisse können durch übereinstimmende Willensbetätigung der Vertragsparteien außer Wirksamkeit gesetzt werden. Es steht fest, daß der Beklagte immer bestritten hat, daß das streitige Kaufgeschäft für ihn bindend abgeschlossen sei, und deshalb die Vertragserfüllung e n t s c h i e d e n g e w e i g e r t hat. Er hat sich hierdurch dem Kläger gegenüber von dem Vertrage losgesagt; sein Verhalten würde einen Vertragsbruch darstellen, falls der Vertrag für ihn rechtswirksam abgeschlossen sein sollte. Durch seine Weigerung ') Vgl. D ü r i n g e r u. H a c h e n b u r g , Handelsgesetzbuch Bd. 2 S. 127, 149, 150, L e h m a n n u. R i n g , Handelsgesetzbuch Bd. 2 S. 119 Bern. 18 Nr. 40; S c h o l l m a y e r , Schuldverhältnisse zu § 326; D e m b u r g , BGB. Bd. 2 S. 214; R o m e i c k , Zur Technik des BGB. H e f t 1 S. 92 ff.; Deutsche J u r i s t e n - Z e i t u n g 1901 S. 443, 494, 1902 S. 67, 121, 220; Bl. f. Rechtspfl. im Bezirk des Kammergerichts 1902 S. 2; S t a u b , K o m m e n t a r zum H a n d e l s g e s e t z b u c h Aufl. 6 u. 7, Exkurs zu § 374 S. 1292; G o l d m a n n u. L i l i e n t h a l , BGB. Bd. 2 S. 382 A n m . 12; Das Recht 1901 S. 421; Jurist. M o n a t s h . für Posen u s w . 1902 S. 37. 1'

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Handelsgesetzbuch

hat er deutlich zu erkennen gegeben, daß er weder eine Frist zur Erfüllung begehre, noch von einer ihm gesetzten Frist Gebrauch machen werde; er will nicht erfüllen. Daher enthält seine Weigerung einen V e r z i c h t auf das Erfordernis der Fristbestimmung; letztere würde unter diesen Umständen zwecklos und überflüssig sein, und es kann nicht angenommen werden, daß im Rechtsverkehre zwecklose und überflüssige Handlungen gewollt sind. Im vorliegenden Falle unterliegt die Annahme eines Verzichtes um so weniger Bedenken, als es sich um einen Handelskauf handelt, und in Anwendung des § 346 HGB. n. F., sowie unter Berücksichtigung der unter der Herrschaft des alten Handelsgesetzbuches feststehenden Rechtsprechung zu den Art. 355 und 356 anzunehmen ist, daß auch unter dem gegenwärtigen Rechte die Erfüllungsverweigerung unter Kaufleuten die Bedeutung eines Verzichtes auf Nachfrist hat. Vgl. für den § 284 BGB. die Entscheidung des III. Zivilsenates des Reichsgerichtes, Rep. III. 287/01. In der auf die Weigerung des Beklagten erfolgten Geltendmachung des Schadensersatzanspruches des Klägers liegt von seiten des letzteren die A n n a h m e des Verzichtes u n d d i e E r k l ä r u n g , daß er nunmehr die Erfüllung ablehne. Damit sind die Voraussetzungen für die in § 326 Abs. 1 Satz 2. aufgeführten Rechtsfolgen gegeben. . . . Da sonach Willensübereinstimmung der Parteien darüber vorliegt, daß es einer Fristbestimmung nicht bedürfe, durfte das Oberlandesgericht nicht wegen der unterbliebenen Fristbestimmung die Klage abweisen; seine Entscheidung beruht auf unrichtiger Anwendung des § 326 BGB." . . . RGZ. 54, 80 Welche Wirkung hat der Weiterverkauf einer wegen Mängel zur Verfügung gestellten Ware durch den Käufer, inbesondere dann, wenn der Weiterverkauf dem Verkäufer verschwiegen wurde? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 3. März 1903. Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse 4". RGZ. 55, 210 Erfordert § 377 Abs. 5 HGB. nur ein auf Täuschung des Käufers gerichtetes und dazu auch geeignetes Verhalten des Verkäufers aber nidit, daß dadurch auch die Täuschung erreicht, d. h. der Käufer zum Unterlassen rechtzeitiger Prüfung oder rechtzeitiger Mängelanzeige bestimmt worden, sei, so daß es der Anwendung des Abs. 5 nicht

Handelskauf

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entgegensteht, wenn der Käufer lediglich aus Fahrlässigkeit die Untersuchung unterlassen oder die Mängelanzeige verspätet hattet II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 26. Juni 1903. I. Landgericht Hainburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst. Obige Frage ist vom Reichsgerichte im ersteren Sinne bejaht worden aus folgenden, den Sachverhalt ergebenden, Gründen: . . . „In der Literatur zu §377 HGB. n. F. wird von S t a u b , HGB. 6./7. Aufl. zu §377 Anm. 131 S. 1374, die Ansicht vertreten, die Anwendung des Abs. 5 des § 377, wonach der Verkäufer, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat, sich auf die vorangegangenen Vorschriften über die Pflicht zur Untersuchung und Mängelrüge nicht berufen könne, setze voraus, daß die Täuschungsabsicht auch erreicht sei; es müsse also der Käufer wirklich in den Glauben versetzt worden sein, der Verkäufer habe vertragsgemäß geliefert, und er müsse d e s h a l b die rechtzeitige Mängelrüge unterlassen haben; mit anderen Worten: es müsse das arglistige Verschweigen kausal gewesen sein für die unterlassene Untersuchung oder Mängelanzeige. Daraus wird gefolgert, daß, wenn die Untersuchung oder Anzeige nur aus Nachlässigkeit unterlassen wurde, also das in Wirklichkeit vorliegende arglistige Verschweigen für dieses Unterlassen nicht kausal war, Abs. 1—4 des § 377 zur Anwendung kommen, und danach — § 377 Abs. 2 — den Käufer das Präjudiz der Genehmigung treffe. In ähnlichem Sinne sprechen sich auch L e h m a n n u. R i n g , HGB. Bd. 2 S. 169 zu § 377 Nr. 74, aus, wenn verlangt wird, es müsse das Unterbleiben der Rüge eine Folge des arglistigen Verschweigens sein, was freilich zu vermuten sei. Dagegen verlangt C o s a c k , Lehrbuch des Handelsrecht § 39 Nr. 9 d, für den Fall, daß der Mangel dem Käufer nicht bekannt war, zur Anwendung des § 377 Abs. 5 und folgeweise zum Ausschlüsse der Abs. 1—4 dieses Paragraphen nur, daß der Verkäufer durch Verschweigen des Mangels arglistig eine Täuschung müsse v e r s u c h t haben; in ähnlichem Sinne führt M a k o w e r , HGB. 12. Aufl. zu § 377, VI 2 S. 1188, aus, daß ein Unterlassen der Anzeige dem Käufer auch dann nicht entgegenstehe, wenn dieses Unterlassen ohne ursächlichen Zusammenhang sei, da nur zum Schutze des redlichen Verkäufers die Vorschriften des § 377 Abs. 1—4 dienen sollen. Im gegebenen Falle ist zwar die Untersuchung rechtzeitig erfolgt, die Mängelrüge aber verspätet, und zwar um deswillen, weil die Beklagte nicht dafür gesorgt hat, daß ihre Abkäuferin a l s b a l d von dem Ergebnisse der Untersuchung benachrichtige. Darin liegt, wie das Berufungsgericht ohne Verletzung des Gesetzes annahm, und was auch von der Revisionsklägerin nicht bekämpft wurde, ein von

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Handelsgesetzbuch

der Beklagten zu vertretendes Verhalten. Wenn daher, wie das Berufungsgericht ohne weitere Prüfung unterstellt, die Bestimmungen der Abs. 1—4 des § 377 zur Anwendung kämen, so wäre die Mängelrüge der Beklagten verspätet und käme daher gegen dieselbe aus dem zweiten Absätze des § 377 das Präjudiz der Genehmigung der Ware zur Geltung. Indessen hat die Beklagte in den Instanzen behauptet, Kläger habe die von ihr geltend gemachten Mängel arglistig verschwiegen. Das Berufungsgericht übergeht dieses Vorbringen, und die Revisionsklägerin hat diesen Mangel in der Begründung zum Gegenstand eines Angriffes gemacht. Nach den gegebenen Ausführungen war dieses arglistige Verschweigen der Mängel für die Verspätung der Mängelanzeige n i c h t kausal. Könnte also den Ausführungen bei S t a u b zugestimmt werden, so wäre die Anwendung des § 377 Abs. 5 durch diesen fehlenden Zusammenhang zwischen dem arglistigen Verschweigen und der Verspätung der Mängelrüge ausgeschlossen, während nach der anderen Meinung dieser fehlende Zusammenhang der Anwendung jener Gesetzesvorschrift nicht entgegenstände. Deshalb ist es notwendig, zu der bezeichneten Streitfrage Stellung zu nehmen; diese war für das seit dem 1. Januar 1900 geltende Recht gegen die Ansicht von S t a u b zu entscheiden. Die Bildung des schon vor dem Handelsgesetzbuche in den einzelnen Territorien vielfach anerkannten Gewohnheitsrechtes, welches den Käufer überhaupt oder doch beim Handelskaufe zur Untersuchung der W a r e und zur Mängelrüge verpflichtet hatte, war unbedenklich durch deutschrechtliche Anschauungen erheblich gefördert worden; hier kommt insbesondere in Betracht die deutschrechtliche Anschauung über die rechtliche Bedeutung und Tragweite der A n n a h m e der Kaufsache, wonach ein Mangel nicht mehr gerügt werden konnte, wenn nicht der Käufer durch betrügerisches Irreführen des Verkäufers in bezug auf diesen Mangel zur Annahme bestimmt worden, und war weiterhin bedeutsam die Auffassung, eine solche Annahme liege vor, wenn der Käufer die Ware während durch Gesetz oder Gewohnheit bestimmter oder angemessener Zeit zur Verfügung hatte und dieselbe nicht wegen des Mangels zur Verfügung stellte. Indem das deutsdie Handelsgesetzbuch jenes Gewohnheitsrecht in dem durch Art. 347 geregelten Umfange aufnahm, traf es in Art. 350 die weitere Vorschrift, daß die Bestimmungen des Art. 347 von dem Verkäufer im Falle eines „ B e t r u g e s " nicht geltend gemacht werden können. In der Literatur und Rechtsprechung zu Art. 350 bestand zwar nach einigem Schwanken darüber kein Streit mehr, daß kein strafrechtlicher Betrug verlangt sei. Auch darüber bestand im Laufe der Zeit Einverständnis, daß die aus einigen Digestenstellen für das gemeine Recht abgeleitete Annahme,

Handelskauf

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ein die actio emti ex dolo begründetes Verhalten liege schon dann vor, wenn der Verkäufer den Fehler bei dem Kaufabschlüsse gekannt und dem Käufer nicht mitgeteilt habe, auf den Fall des Art. 350 nicht schlechthin angewendet werden könne, und daß dort ein auf Täuschung gerichtetes und dazu auch geeignetes Handeln verlangt sei. Dagegen bildete sich kein Einverständnis über die hier streitige Frage. Die strengere Ansicht, es setze die Anwendung des Art. 350 voraus, daß durch den Betrug des Verkäufers der Käufer bestimmt worden sei, die Pflichten aus Art. 347 zu verabsäumen, wurde in der Literatur insbesondere von P u c h e l t - F ö r t s c h , HGB. 4. Aufl. zu Art. 350 S. 1013 Nr. 2, und von S t a u b , HGB. 1.—5. Aufl. zu Art. 350, vertreten. Für dieselbe hat sich auch der erkennende Senat in einem Urteile vom 21. September 1897 (Rep. II. 147/97, teilweise abgedruckt Jurist. Wochenschr. von 1897 S. 549 Nr. 22) ausgesprochen, im wesentlichen auf Grund des Wortlautes, wonach „Betrug", also vollendeter, nicht bloß versuchter Betrug, verlangt sei. Indessen vermag der erkennende Senat für die seit dem 1. Januar 1900 in Kraft getretene Gesetzgebung diesen Standpunkt nicht weiter aufrecht zu halten. Indem der 5. Absatz des § 377 HGB. in der jetzigen Fassung vorschreibt, der Verkäufer könne sich auf die Vorschriften in Abs. 1—4 des gleichen Paragraphen nicht berufen, wenn er den Mangel a r g l i s t i g v e r s c h w i e g e n habe, ist zunächst das Wort „Betrug" durch den Ausdrude „arglistiges Verschweigen" ersetzt worden, und ist dadurch zugleich der rechtliche Begriff des arglistigen Verschweigens, der für das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches ein juristisch technischer ist, in diese Vorschrift des Handelsgesetzbuches übernommen worden. Das Bürgerliche Gesetzbuch erwähnt das arglistige Verschweigen bei der Lehre vom Kauf in den §§ 443, 460, 463, 476, 477, 478, 480 und 485, ferner bei anderen Rechtsmaterien in den §§ 523, 524 (Schenkung), § 540 (Miete), § 600 (Leihe), §§ 637, 638 (Werkvertrag) und §§ 2183, 2385 (Gattungsvermächtnis und Erbschaftskauf). Es versteht darunter ein Verschweigen in der Absicht, den Gegenkontrahenten zu täuschen, also bei dem arglistigen Verschweigen des Mangels durch den Verkäufer ein Verschweigen des Mangels mit der Absicht, den Käufer zu täuschen. Nach den hier in erster Reihe zu berücksichtigenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches aus der Lehre vom Kaufe kann in bezug auf eine Haftung für Mängel der Kaufsache ein arglistiges Verschweigen eines Mangels zunächst beim Kauf a b s c h l u s s e in Betracht kommen (§ 460 Satz 2, § 463 Satz 2). In diesem Falle wird dessen Erheblichkeit ausgeschlossen durch Kenntnis des Käufers beim Vertragsabschlüsse (§460 Satz 1), nicht durch dessen grobe Fahrlässigkeit (§ 460 Satz 2). Im übrigen wird

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Handelsgesetzbuch

der Irrtum präsumiert; denn darin liegt die Bedeutung der Haftung für ädilizische Mängel, und dadurch allein ist die Kausalität gegeben, übrigens sdiließt die Kenntnis des Käufers die rechtliche Erheblichkeit des arglistigen Verschweigens schlechthin aus; dessen Erklärung, den Vertrag abzuschließen, unter Vorbehalt seiner Rechte aus dem Mangel wäre rechtlich bedeutungslos. Das arglistige Verschweigen des Mangels kann ferner in Betracht kommen bei E r f ü l l u n g des Kaufvertrages. Dieses arglistige Verschweigen schöpft seine rechtlich erhebliche Kraft aus der darin enthaltenen und vom Verkäufer nach Vertragsrecht zu vertretenden Vertragsverletzung, nicht aus einer v o l l e n d e t e n T ä u s c h u n g . Folgeweise hat sogar die K e n n t n i s des Käufers hier bei der Annahme der Kaufsache nicht die Wirkung, wie in dem soeben besprochenen Falle, daß das arglistige Verschweigen rechtlich unerheblich wird, und daß deshalb die Annahme mit dieser Kenntnis nicht unter dem Vorbehalte der aus der arglistigen Vertragsverletzung etwa entstandenen Rechte erfolgen könnte. Im Gegenteil ist die Annahme unter diesem Vorbehalte zulässig; nur m u ß dieser, um das Präjudiz der Genehmigung auszuschließen, bei der Annahme erklärt werden. Eine vollendete Täuschung des Käufers und ein Kausalzusammenhang zwischen dem arglistigen Verschweigen und der Annahme ist sonach für diesen Fall nicht gefordert. Als ein arglistiges Verschweigen in E r f ü l l u n g des Vertrages ist beim Gattungskaufe das arglistige Verschweigen eines Mangels der gelieferten Ware zu beurteilen. Der Käufer, welcher den Mangel bei der Lieferung sieht, kann gelieferte W a r e unter Vorbehalt der Rechte wegen des Mangels annehmen. Die Annahme mit dieser Kenntnis hat hier nicht wie bei dem Kaufabschlüsse, die Unerheblichkeit dieses Vorbehaltes zur Folge. Auch hier hat sonach eine aus der arglistigen Vertragsverletzung etwa abzuleitende Rechtsfolge arglistigen Verschweigens eines Mangels nicht eine vollendete Täuschung des Käufers zur Voraussetzung. Daß die §§ 477 Abs. 1 Satz 2, 478 Abs. 2 und 485 Satz 2 von dem gleichen rechtlichen Begriffe des arglistigen Verschweigens ausgehen, bedarf keiner Ausführung. Soweit daher das Bürgerliche Gesetzbuch bei der Gewährleistung wegen Mängel der Kaufsache von einem arglistigen Verschweigen eines Mangels handelt, verlangt es nur ein arglistiges Verschweigen durch den Verkäufer mit der Absicht den Käufer zu täuschen. Negative Voraussetzung der rechtlichen Erheblichkeit eines solchen arglistigen Verschweigens bei dem Kaufabschlüsse ist, daß der Käufer den Mangel nicht kennt, bei der Erfüllung des Kaufvertrages, daß der Käufer im Falle seiner Kenntnis bei der Annahme sich die etwaigen Rechte aus der arglistigen Vertragsverletzung vorbehält. Kein wesentliches Erfordernis ist, daß der Käufer getäuscht, und daß

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d u r c h diese Täuschung das Unterlassen einer in Frage stehenden Rechtsschutzhandlung verursacht sei. Audi nach Entdeckung des arglistig verschwiegenen Mangels läuft die dreißigjährige Verjährung für einen Wandelungs- oder Minderungsanspruch; der Verkäufer, der sich eines arglistigen Verschweigens schuldig macht, kann nicht die kurzen Verjährungen des § 477 BGB. anrufen. Das ergibt sich unzweideutig aus diesem § 477. Danach ist in den besprochenen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches überall der Satz anerkannt, der unter der Herrschaft des Art. 350 HGB. a. F. den Ausgangspunkt für die mildere Ansicht abgab, daß ein auf Täuschung in bezug auf einen Mangel gerichtetes und dazu geeignetes Handeln des Verkäufers zureiche, und daß eine wirklich erfolgte Täuschung nicht nötig sei. In § 377 Abs. 5 HGB. wird aber nichts weiteres verlangt, als daß der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat; auch im übrigen fehlt ein zureichender Anhalt dafür, daß an dieser Stelle dem Begriffe des arglistigen Verschweigens eines Mangels der Kaufsache eine von dem Bürgerlichen Gesetzbuche abweichende Bedeutung beigelegt sei. Deshalb ist der Auslegung beizutreten, es sei in § 377 Abs. 5 mit dem arglistigen Verschweigen des Mangels nur ein auf Täuschung des Käufers gerichtetes und dazu geeignetes Handeln des Verkäufers verlangt und nicht weiter erfordert, daß durch Täuschung des Käufers dieser bestimmt wurde, die Erfüllung der in § 377 Abs. 1—4 geregelten Pflicht zu verabsäumen. Allerdings sind bei Entscheidung der hier streitigen Frage die vielleicht nicht ganz unbedenklichen praktischen Folgen zu berücksichtigen, welche die hier gebilligte Gesetzesauslegung nach sich ziehen kann; denn es liegt nahe, daß im Prozesse bei Fällen verspäteter oder unterlassener Mängelanzeige gegen das Präjudiz der Genehmigung nach § 377 Abs. 2 die Behauptung arglistigen Verschweigens des Fehlers durch den Verkäufer weit häufiger aufgestellt werden wird, und daß bei der hier vertretenen Auffassung der Zweck der handelsrechtlichen Bestimmungen über die Untersuchungsund Anzeigepflicht des Käufers, eine klare und sichere Rechtslage zu schaffen, in vielen Fällen erschwert werden kann; ein Bedenken, daß bereits in dem Urteile des Reichsoberhandelsgerichts, Entsch. dess. Bd. 2 S. 193, prägnanten Ausdruck gefunden hat. Zwar kann wohl eine zielbewußte Rechtsprechung die Voraussetzungen des „arglistigen Verschweigens" in einer Weise näher bestimmen, daß den größten Mißbräuchen von vornherein vorgebeugt ist. Völlig lassen sich jedoch dadurch die als drohend bezeichneten Ubelstände nicht beseitigen, und es könnte im Hinblick auf diese Gefahren auch vom Standpunkte des legitimen Handelsverkehres aus der Zweifel, aufgeworfen werden, ob nicht dem Satze, daß bei einem Zusammentreffen von Fahrlässigkeit des Käufers, bestehend in dem Unter-

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lassen rechtzeitiger Mängelanzeige, und einem hierfür nicht kausalen arglistigen Verschweigen des Mangels darcii den Verkäufer der Käufer entschieden mehr Anspruch auf den Schutz des Gesetzes habe als der arglistige Verkäufer, eine Regelung vorzuziehen wäre, die — allerdings unter Umständen mit einer Häite — eine klare und sichere Rechtslage schafft, daß nämlich die Folge der Fahrlässigkeit des Käufers, bestehend in dem Unterlassen rechtzeitiger Mängelrüge, nur durch ein für dieses Unterlassen kausales arglistiges Verschweigen ausgeschlossen werde. Indessen gestattet das gegebene Gesetz, wie oben dargelegt, nicht, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, und ist für § 377 HGB. der Rechtsgrundsatz aufzustellen: im Falle arglistigen Verschweigens eines Mangels der Kaufsache durch den Verkäufer tritt bezüglich dieses Mangels überhaupt die Anzeigepflicht aus § 377 Abs. 1—4 n i c h t ein; deshalb ist es notwendig, daß durch das arglistige Verschweigen des Mangels der Käufer zum Unterlassen rechtzeitiger Prüfung oder rechtzeitiger Anzeige bestimmt worden ist. Die Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes muß zur Aufhebung des auf dem Präjudize der Genehmigung aus § 377 Abs. 2 beruhenden Urteils führen; denn danach hatte das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe die von ihr geltend gemachten Mängel arglistig verschwiegen, zu prüfen, die, wenn sie richtig wäre, die Anwendung des § 377 Abs. 2 auch dann ausschließen würde, wenn, wie hier, zwischen dem arglistigen Verschweigen und der Verspätung der Mängelanzeige kein Zusammenhang besteht." . . . RGZ. 57, 7 Untersuchungspflicht nach § 377 Abs. 1 HGB. beim Handel mit Konserven in verlöteten Dosen. II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 29. Januar 1904.

I. Landgericht Leipzig. II. Oberlandesgericht Dresden.

Gegen die Klage auf Zahlung des Kaufpreises einer unbeanstandeten Sendung ölsardinen machte der Beklagte geltend, er habe mit der Rüdeforderung des bezahlten Kaufpreises für zwei frühere Sendungen ölsardinen und einem Anspruch auf Schadensersatz aufgerechnet. Diese Ansprüche ständen ihm wegen Mangelhaftigkeit jener Sendungen zu. Die Ablieferung der Ware sei in Hamburg erfolgt, und zwar Anfang November 1900 für die erste Sendung und Mitte Dezember für die zweite Sendung; die Mängelanzeige sei dagegen frühestens Anfang Februar 1901 geschehen. Das Präjudiz des § 377 Abs. 2 HGB. treffe ihn jedoch nach den Umständen des gegebenen Falles nicht. Denn seine Pflicht zur Untersuchung in Hamburg habe sich auf das Feststellen der Zahl der Dosen in den Kisten beschränkt

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und sich nicht auf den Inhalt der verlöteten Dosen erstreckt; w e g e n dieser Art der Verpackung, in der die W a r e mitverkauft werde, sei es n a d i ordnungsgemäßem Geschäftsgänge nicht tunlich gewesen, sie sogleich bei der Ablieferung oder bei d e r A n k u n f t beim A b k ä u f e r in Berlin zu untersuchen; vielmehr habe sich die Mangelhaftigkeit erst herausgestellt, als die Detailabnehmer seines Abnehmers die Dosen geöffnet und Beanstandungen aus der Mangelhaftigkeit erhoben hätten. Darauf sei die Mängelanzeige unverzüglich erfolgt, ü b r i g e n s sei aus der dem V e r k ä u f e r bekannten Bestimmung der W a r e zum W e i t e r v e r k a u f e und zur W e i t e r s e n d u n g in der ursprünglichen Verpackung als stillschweigend vereinbart abzuleiten, daß die Untersuchungspflicht in dem bezeichneten Umfange hinausgeschoben sei. Die Revision des in beiden Vorinstanzen unterlegenen Beklagten w u r d e zu d e r hier streitigen Frage zurückgewiesen aus folgenden Gründen: . . . „Der Revisionskläger findet in den Ausführungen des Berufungsrichters eine Verletzung der in § 377 Abs. 1 HGB. enthaltenen Einschränkung der Untersuchungspflicht, wonach die Untersuchung zu erfolgen habe, „soweit dies nach dem ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist." Die Rüge ist indessen nicht gerechtfertigt. A n und für sich sind bei Entscheidung der Frage, inwieweit die Untersuchung nach dem ordnungsgemäßen Geschäftsgange tunlich sei, die Umstände des einzelnen Falles maßgebend. Dabei wird für die A r t und d e n Umfang der Untersuchung im allgemeinen gelten, daß der Käufer an sich nicht verpflichtet ist, eine solche Art der Untersuchung vorzunehmen, durch die eine Verminderung oder Entwertung der W a r e in irgend erheblichem Umfange herbeigeführt wird oder zu befürchten ist, die Möglichkeit der W e i t e r v e r ä u ß e r u n g aufgehoben oder bedroht wird. Nun gibt es Warengattungen, die entweder ihrer Natur nach, oder nach allgemeiner Verkehrssitte durch Öffnung des Behältnisses, in dem sie aufbewahrt sind, oder der Verpackung, in der sie zum Verkauf kommen, entwertet oder unverkäuflich werden. Hierher gehören z. B. Schaumweine, Flaschenweine, Mineralwasser, Konserven, und sind auch ö l s a r d i n e n zu rechnen, die in verlöteten Blechdosen aufbewahrt sind, und in dieser Verpackung an die Konsumenten verkauft werden. Für solche W a r e n g a t t u n g e n kann indessen nicht der allgemeine Satz aufgestellt werden, daß w e g e n Entw e r t u n g der einzelnen Stücke, die zu Zwecken der Untersuchung geöffnet w e r d e n müssen, nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange eine Untersuchungspflicht überhaupt nicht Platz greife. Für eine solche A n n a h m e k ö n n e n insbesondere nicht, wie das früher mehrfach geschehen, die Verhandlungen der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches angerufen werden. Denn

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wenn dort — Protokolle S. 643 — bei Beratung eines Antrages, wonach jede Untersuchungspflicht beim Handelskauf ausgeschlossen sein sollte, zu dessen Rechtfertigung ausgeführt wurde, .in vielen Beziehungen sei die Ausübung einer entsprechenden Untersuchung nicht möglich, so bei Flaschenweinen, bei allen Waren, die bis zum Augenblick des Verbrauchs in ihrer Verpackung bleiben müßten usw.; in solchen Fällen können höchstens der Zustand der Verpackung, ob sie unverletzt sei oder nicht, oder ein geringer Teil der Ware untersucht werden*, so entsprach das der Meinung der Mehrheit nicht;' diese lehnte n a c h Annahme der Untersuchungspflicht im Prinzipe einen Antrag ab, wonach „die Pflicht zur Untersuchung bei solchen Waren hinwegfallen sollte, die in einer üblichen Verpackung oder Verschließung in den Verkehr zu kommen pflegen, und bei denen eine vorgängige Untersuchung ohne Öffnung der Verpackung oder Verschließung, in der sie verkauft werden, nicht ausführbar ist" (Protokolle S. 652/53). Da das Gesetz sonach für diese Warengattungen keine Ausnahme macht, ist auf der oben zum Teil dargelegten Grundlage des übrigen Inhaltes und Umfanges der Untersuchungspflicht die Frage zu prüfen, ob in dem einzelnen Falle nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange die Untersuchung tunlich sei. Bei diesem Ausgange liegt es nahe, überall dann, wenn große Mengen der gleichen Ware geliefert sind, und dem Käufer die verhältnismäßig unbedeutende Schädigung zugemutet werden darf, die durch Öffnung der zur Untersuchung erforderlichen Stichproben voraussichtlich entstehen wird, nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange auch für solche Warengattungen eine Untersuchungspflicht anzunehmen. So war in der älteren Literatur zu dem Handelsgesetzbuche (vgl. z. B. v. H a h n , HGB. 2. Aufl. Bd. 2 Art. 347 § 11 S. 302 zu Anm. 35 und 36, und noch bestimmter H a n a u s e k , Die Haftung des Verkäufers für Mängel der Kaufsache Bd. 2 S. 60/61 zu Anm. 24 bis 26) — und zwar ohne Unterscheidung zwischen den Fällen, wenn die Ware durch Öffnung der Verpackung völlig entwertet oder nur unverkäuflich wird — die Meinung vertreten, bei Lieferung größerer Quantitäten greife nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange in der Regel eine Untersuchungspflicht Platz; seien dagegen verhältnismäßig kleine Quantitäten verkauft worden, so genüge der Käufer dem ordnungmäßigen Geschäftsgange, wenn er keines der gelieferten Stücke öffne und sich mit der Prüfung der Art der Verpackung sowie der äußerlich erkennbaren Beschaffenheit der verpackten Ware begnüge. In ähnlichem Sinne hatte sich auch das Reichsoberhandelsgericht (Entsch. Bd. 17 S. 217) ausgesprochen, und hatte von der gleichen rechtlichen Autfassung ausgehend das Oberlandesgericht zu Hamburg für den Handel mit Konserven in verlöteten Dosen in den Entscheidungen vom 14. Februar 1880 (Hans. Gerichtsztg. Hauptbl. 1880 S. 88) und

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vom 7. April 1888 (ebenda 1888 S. 118) eine Untersuchungspflicht des Käufers angenommen. Mehr zurückhaltend drückt sich S t a u b , HGB. 6./7. Aufl. Bd. 2 zu § 377 Anm. 13 und 29 aus; er stellt zunächst die Ansicht auf, wenn die W a r e durch Beseitigung der Umhüllung in ihrem Werte gemindert werde (Champagner, Konserven usw.), so dürfe der Käufer die W a r e nicht enthüllen, brauche es aber auch nicht; es handle sich vielmehr alsdann um einen nicht sofort erkennbaren Mangel, und fügt dann bei: »doch wird bei größeren Quantitäten die Öffnung des einen oder anderen Stückes angezeigt sein". L e h m a n n u. R i n g , HGB. zu § 377 Nr. 41 Bd. 2 S. 160, und M a k o w e r , HGB. zu § 377 V b 3 S. 1179, vertreten dagegen die oben dargelegt Auffassung, an der in einer neueren Entscheidung des Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 24. Oktober 1903 (Rechtspr. der OLG.e Bd. 7 S. 388) — wiederum für den Handel mit Konserven in verlöteten Dosen — festgehalten wurde. Der erkennende Senat tritt der letzteren Ansicht bei; nach seiner Auffassung kann sich bei Waren dieser Art der Käufer nach ordnungsgemäßem Geschäftsgänge von der Untersuchungspflicht in der Regel nur dann befreit halten, wenn nach Verhältnis der in Betracht kommenden Lieferung durch Untersuchung von Stichproben, die nötig ist, um sich ein Urteil über die Beschaffenheit der W a r e zu bilden, eine Entwertung oder Unverkäuflichkeit der W a r e in irgend erheblichem Umfange eintritt oder zu befürchten ist. Der Berufungsrichter ging bei seiner rechtlichen Beurteilung von der hier gebilligten Auffassung aus und ist bei Würdigung der gegebenen Sachlage ohne Verstoß gegen das Gesetz zu dem Ergebnisse gelangt, daß der Beklagte als Käufer nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange zur Untersuchung von Stichproben verpflichtet war. Der Revisionskläger macht zwar in diesem Zusammenhange noch geltend, daß bei der hier gelieferten W a r e die Untersuchung von Stichproben, wenn sie nicht sehr umfangreich sei, kein zuverlässiges Bild über die Beschaffenheit der W a r e gebe, was gleichfalls der Annahme einer Untersuchungspflicht „nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange* entgegenstehe. Dieser Angriff geht indessen von einer Auffassung der im § 377 a. a. O. geforderten Untersuchung aus, die dem Gesetze nicht entspricht. Das Gesetz verlangt, wie der Zusatz ergibt „soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich ist", keine in das einzelne gehende, „skrupulöse" Untersuchung. Die Beschränkung der Untersuchung auf Stichproben ist für die hier streitige W a r e unbedenklich, die in großen Mengen gleichmäßig bearbeitet wird und vertragsmäßig von gleicher Beschaffenheit sein soll. Der Revisionskläger greift ferner die Ausführungen des Berufungsrichters an, in denen er die Vereinbarung über das Hinausschieben der Untersuchungspflicht verneinte, die der Beklagte aus

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der dem; Verkäufer bekannten Bestimmung der Ware zum Weiterverkaufe und zur Weiterversendung in der ursprünglichen Verpackung abgeleitet hatte. Der Berufungsriditer geht indessen von der zutreffenden Auffassung aus, es sei Tatsache, wann eine solche Vereinbarung vorliege. Das Wissen des Verkäufers davon, daß die Ware vom Käufer in Originalverpackung weiter verkauft werde, rechtfertigt, wie bereits das Reichsoberhandelsgericht (Entsch. Bd. 17 S. 217) ausgesprochen hat, für sich allein nicht notwendig die Annahme eines Übereinkommens, daß die Untersuchung erst später stattfinde. Der Berufungsrichter verneint aber bei der ihm zustehenden und der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogenen Tatsachenwürdigung, daß die besonderen Umstände des gegebenen Falles darauf hinweisen, es sei der Verkäufer damit einverstanden gewesen, die Untersuchung auf eine spätere Zeit hinauszuschieben. Diese Ausführungen lassen eine Verletzung des Gesetzes nicht erkennen." . . . RGZ. 58, 419 Kann der Verkäufer bei einem Sukzessivlieferungsverträge, wenn der Käufer mit der Spezifikation fälliger Raten im Verzuge ist, Schadensersatz wegen Nichterfüllung auch der noch nicht fälligen Raten verlangen? HGB. § 375 Abs. 2. BGB. § 326. II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 14. Juli 1904.

I. Landgericht Dortmund, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht Hamm.

Die Frage wurde bejaht aus folgenden Gründen: „Das Berufungsgericht hat den Brief vom 8. November 1900, wodurch die Beklagte zur Spezifikation der fälligen Raten aufgefordert worden ist, in dem Sinne ausgelegt, daß die Mahnung zur Spezifikation sich nur auf die damals fälligen Raten bezogen habe, daß aber für den Fall, daß die Beklagte nicht innerhalb der bestimmten Frist von drei Tagen vertragsgemäß spezifiziere, die Ablehnung nachträglicher Spezifikation sowie Schadensersatz wegen Nichterfüllung des g a n z e n Vertrages angedroht worden sei. Unter näherer Darlegung der Gründe ist ausgeführt, daß der Brief in diesem Sinne von der Klägerin sowohl als auch von der Beklagten verstanden worden sei. Im Anschlüsse hieran ist erwogen, die Beklagte habe die Schadensersatzpflicht bezüglich des g a n z e n Vertrages dadurch abwenden können, daß sie die fälligen Raten spezifizierte. Da sie aber dies nicht getan habe, so sei sie mit der ihr obliegenden Leistung in Verzug geraten, und dieser Verzug mit der Teilleistung berechtige die

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Klägerin kraft der einheitlichen Natur des Sukzessivlieferungsvertrages, ungeachtet der Spezifikationstermine, wegen der gesamten Vertragsmenge die Rechte aus § 375 HGB. und § 326 BGB. geltend zu machen." . . . (Es folgen nicht interessierende Ausführungen.) „Nach § 375 Abs. 2 HGB. hat der Verkäufer, wenn der Käufer mit der Verpflichtung, zu spezifizieren, im Verzuge ist, unter anderem das Recht, gemäß § 326 BGB. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern oder vom Vertrage zurückzutreten. Der von dem Berufungsgerichte aufgestellte Grundsatz, daß der Verkäufer bei Verzug des Käufers in der Spezifikation der fälligen Raten zufolge der einheitlichen Natur des Sukzessivlieferungsvertrages Schadensersatz nicht bloß wegen der fälligen, sondern bezüglich der sämtlichen noch restierenden Raten fordern könne, ist rechtlich nicht zu beanstanden und auch von der Revisionsklägerin nicht angefochten. Freilich gehen in der Rechtslehre die Ansichten über die Wirkungen des Verzuges in der Erfüllung einzelner Raten der Sukzessivlieferungsverträge auseinander. Von D ü r i n g e r und H a c h e n b u r g (Handelsgesetzbuch Bd. 2 S. 174 u. 175) wird die Meinung vertreten, in dem Falle, daß es sich um Teilleistungen handele, von denen jede für sich ein Interesse für den Gläubiger habe, könne er beim Verzuge des Schuldners mit der einen nicht schon die noch nicht fälligen ablehnen und für die letzteren nicht ohne den Nachweis besonderer Umstände Schadensersatz statt der Erfüllung fordern. Vgl. M a k o w e r , Handelsgesetzbuch 12. Aufl. S. 1132 und 1133; S t a u b , Handelsgesetzbuch, Exkurs zu § 374 Anmerkung 118 ff.; N e u m a n n , Handausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches Bd. 1 S. 263 ff. Unter der Herrschaft der Art. 354—356 und 359 HGB. a. F. war es in der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes sowohl als auch des Reichsgerichtes feststehender Grundsatz, daß bei Zahlungsoder Lieferungsverzug hinsichtlich einer Rate der Gläubiger stets das Recht habe, den Verzug als gänzliche Nichterfüllung des Vertrages zu behandeln, und nach seiner Wahl vom Vertrage, s o w e i t e r n o c h n i c h t e r f ü l l t w a r , abzugehen, oder Schadensersatz wegen der sämtlichen noch ausstehenden Raten zu verlangen. Vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 2 S. 84, Bd. 9 S. 19, Bd. 13 S. 104, Bd. 16 S. 192, 202; Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 39 S. 58; Jurist. Wochenschr. 1896 S. 153 Nr. 38. Weder im Bürgerlichen Gesetzbuche noch im Handelsgesetzbuche ist der Verzug bei Sukzessivlieferungsverträge Gegenstand b e s o n d e r e r gesetzlicher Regelung. Auch in den Vorarbeiten hat er keine b e s o n d e r e Berücksichtigung gefunden. Vielmehr enthält die Denkschrift zum Handelsgesetzbuche S. 240 nur die allgemeine, auf Verträge aller Art bezügliche Bemerkung:

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»Der Art. 359 HGB. enthält noch eine sowohl für Fixgeschäfte als für andere Geschäfte geltende Bestimmung über die Wirkungen des Verzuges im Falle teilweiser Nichterfüllung. Auch dieser Artikel ist in den Entwurf nicht aufgenommen, da in der gedachten Beziehung künftig die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 326 Abs. 1 Satz 3) Anwendung zu finden haben.* Auf den vorliegenden Fall findet jedenfalls der allgemeine Grundsatz des § 326 Abs. 1 Satzes 2 BGB. Anwendung. Der § 326 Abs. 1 Satz 3 trifft Bestimmung nur für den Fall, daß die Leistung bis zum Ablaufe der bestimmten Frist teilweise nicht bewirkt wird. Für diesen Fall erklärt er die Vorschrift des § 325 Abs. 1 Satz 2 für entsprechend anwendbar; hiernach ist der Gläubiger bei teilweiser Unmöglichkeit der Leistung, wenn die teilweise Erfüllung des Vertrages für ihn kein Interesse hat, berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach Maßgabe des § 280 Abs. 2 zu verlangen oder von dem ganzen Vertrage zurückzutreten. Der Satz 3 des § 326 Abs. 1 setzt somit voraus, daß die Leistung, r ü c k s i c h t l i c h d e r e n d i e F r i s t b e s t i m m t i s t , teilweise bewirkt ist. Deshalb kann er auf einen Fall der vorliegenden Art, in dem die Beklagte auf den Abschluß der Grobbleche überhaupt noch n i c h t s spezifiziert hat, und somit von einer bloß teilweisen Nichtbewirkung der Leistung nicht die Rede sein kann, keine Anwendung finden. Der § 326 BGB. zwingt nicht, von der bisherigen, praktisch bewährten Rechtsprechung abzugehen. Vielmehr kann die Klägerin wegen des Verzuges in der Spezifikation der fälligen Raten gemäß § 326 Abs. 1 Satzes 2 nach ihrer Wahl vom Vertrage zurücktreten, oder Schadensersatz, und zwar nicht bloß wegen der fälligen, sondern wegen s ä m t l i c h e r Raten des Abschlusses, fordern. Denn bei den Sukzessivlieferungsverträgen handelt es sich um Verträge von rechtlich e i n h e i t l i c h e r Natur und zugleich um Geschäfte, die auch wirtschaftlich für die Vertragschließenden wegen des Zusammenhanges mit dem ganzen Geschäftsbetriebe und ihrer auf einen mehr oder minder langen Zeitraum berechneten Dauer von besonderer Bedeutung zu sein pflegen. Als Verträge, die gewöhnlich die Lieferung einer größeren Menge von Waren innerhalb längerer Fristen zum Gegenstand haben und dazu dienen sollen, den geschäftlichen Unternehmunngen der Vertragschließenden für eine gewisse Dauer eine feste Grundlage zu sichern, erfordern die Sukzessivlieferungsverträge regelmäßig von vornherein geschäftliche Vorkehrungen, mögen diese nun den Abschluß anderer Geschäfte, oder die Ablehnung weiterer Aufträge, oder Einrichtungen im Fabrikationsbetriebe betreffen. Folgeweise bedingen sie in höherem Maße das Vertrauen auf sichere und pünktliche Erfüllung der wechselseitigen Verbindlichkeiten, als dies bei einfachen Verträgen der Fall zu sein

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pflegt. Schon der Verzug mit der Leistung einer einzelnne Rate kann hinreichen, das Vertrauen auf die Sicherheit und Pünktlichkeit der Leistung späterer Raten und damit die Grundlage des ganzen Vertrages zu erschüttern." . . . RGZ. 59, 43 Zur Auslegung des § 377 Abs. I (früher A r t 347 Abs. 1) HGB. II. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 30. September 1904. I. Landgericht Freiburg. II. Oberlandesgericht Karlsruhe. Der Beklagte, Inhaber einer Hofbuch- und Kunsthandlung, hatte bei dem Kläger eine größere Bestellung von Ansichtspostkarten — sog. Künstlerkarten — nach Originalaquarellen gemacht. Er stellte die ihm übersendete Partie Auflagedrucke der als zweite Serie bezeichneten Bestellung als mangelhaft zur Verfügimg und weigerte Zahlung des Kaufpreises. Die Instanzgerichte nahmen an, die Mängelanzeige sei noch rechtzeitig. Auf Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben, und die Sache in die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . »Von der als zweite Serie bezeichneten Bestellung hatte der Kläger anfangs September 1899 eine Partie Auflagedrucke dem Beklagten übersendet. Mit Karte vom 7. September bat letzterer den Kläger um umgehende Zusendung der Originale, ohne welche er kein Urteil über die empfangenen Karten fällen könne. Der Kläger kam diesem Ersuchen am 12. September nach; er erinnerte an die für die Beurteilung der Karten maßgebenden Bedingungen, die er seinerzeit gestellt habe, und sagte tunlichste Berücksichtigung etwaiger Wünsche des Beklagten bei den angeblich noch nicht gedruckten Karten zu. Nach Eingang der Originale holte der Beklagte mehrere Gutachten ein. Auf Erinnerung des Klägers vom 27. September 1899, in der um Nachricht auf das Schreiben vom 12. September gebeten wurde, antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 4. Oktober, daß er noch keinen definitiven Bescheid geben könne, weil er von den Sachverständigen noch nicht die erbetenen Äußerungen erhalten habe. Am folgenden Tage erwiderte ihm der Kläger, daß er auf Abnahme der angeblich inzwischen fertig gedruckten Karten bestehen müsse. Mit Brief vom 11. Oktober weigerte der Beklagte deren Abnahme als mangelhafter. Die Instanzgerichte haben übereinstimmend als bewiesen erachtet, daß die Auflagedrucke der zweiten Serie mangelhaft seien, und der Beklagte an sich zu deren Zurückweisung berechtigt war. Der Kläger hat indessen weiter geltend gemacht, die Mängelrüge vom 11. Oktober sei verspätet, und der Beklagte müsse daher die anfangs September gelieferten und auch die übrigen HGB. 3

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Karten der zweiten Serie als genehmigt gegen sich gelten lassen. Der erste Richter und der Berufungsrichter haben mit allerdings zum Teil voneinander abweichender Begründung die Mängelrüge vom 11. Oktober als rechtzeitig erachtet. Die hier allein in Betracht kommenden Ausführungen des Berufungsrichters gehen dahin: nach allem Vorangegangenen (gemeint sind hier auch die Vorgänge mit der ersten Serie) sei es dem Beklagten nicht zu verargen gewesen, wenn er, bevor eine definitive Entscheidung über Annahme oder Zurückweisung der zweiten Serie Postkarten faßte, bei seiner eigenen mangelnden Fachkenntnis zuvor noch das Gutachten von Sachverständigen erhob, wie er dies dem Kläger bereits mit Brief vom 4. Oktober mitteilte, und wie dies in ähnlichen Fällen auch sonst schon für zuverlässig erklärt worden sei. Der Revisionskläger bekämpft diese Ausführungen als auf Verletzung des Gesetzes beruhend; er macht geltend, daß nicht die persönlichen Anschauungen und Verhältnisse des Beklagten dafür entscheidend sein können, ob er durch Erhebung von Gutachten die Mängelrüge, wie hier geschehen, verzögern dürfe. Dem Angriff konnte der Erfolg nicht versagt werden. Dem Käufer ist durch die Bestimmungen des Art. 347 HGB. nicht verwehrt, zu der dort vorgesehenen Untersuchung Sachverständige zuzuziehen; darum handelt es sich hier nicht. In Frage steht vielmehr, ob, wenn durch Einholung von Gutachten sich die darin liegende Untersuchung der W a r e und die Mängelanzeige verzögert, sie doch noch als rechtzeitige angesehen werden kann. Bei Auslegung und Anwendung der darin mit § 377 HGB. n. F. übereinstimmenden Vorschrift in Art. 347 a.a.O., wonach der Käufer die Ware ohne Verzug nach der Ablieferung, soweit dies nach dem ordnungsmäßigen Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sie sich als nicht vertragsmäßig oder gesetzmäßig ergibt, dem Verkäufer sofort davon Anzeige zu machen hat, waren Rechtslehre und Rechtsprechung einverstanden einmal darüber, daß die Zuziehung von Sachverständigen oder die Erhebung von Gutachten zur ordnungsgemäßen Untersuchung dann als erforderlich erachtet werden dürfe, wenn die W a r e von der Art sei, daß ihre Beschaffenheit nur von Sachverständigen erkannt werden könne, sodann darüber, daß für die weitere Frage, ob danach der Käufer zur ordnungsgemäßen Untersuchung Gutachten Sachverständiger einholen dürfe, die objektive Sachlage und die allgemeinen Verkehrsanschauungen, nicht die persönlichen Verhältnisse des Käufers und seine subjektiven Anschauungen entscheidend sein können, und endlich auch darüber, daß, soweit nicht einer der bisher erörterten Fälle vorliegt, der mit solchen Waren handelnde Käufer in der Regel entweder die zu eigener Untersuchung nötige Sachkunde besitzen, oder geeignete Vorkehrungen treffen muß, um die gehörige Untersuchung

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in der für solche Waren üblichen Zeit durch Dritte besorgen zu lassen. Zwar sind bei der Anwendung der dargelegten rechtlichen Grundsätze im übrigen die besonderen Umstände des einzelnen Falls zu berücksichtigen; immerhin muß aber die Würdigung der Sachlage im einzelnen Falle erkennen lassen, daß der Instanzrichter von ihnen ausgegangen sei. Die oben wiedergegebenen Urteilsgründe des Berufungsrichters lassen indessen nach ihrem Wortlaute und ihrem Zusammenhange wohl keine andere Auslegung zu, als daß nach Annahme des Berufungsrichters die persönlichen Verhältnisse des Käufers, dessen subjektive Anschauungen, nicht die besondere Natur der Ware und die allgemeinen Verkehrsanschauungen dafür entscheidend sein, ob die Einholung von Gutachten noch in den Rahmen der in Art. 347 verlangten unverzüglichen Untersuchung, soweit sie nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich sei, falle. Nach dieser Richtung sind die Ausführungen des Berufungsrichters nicht frei von Rechtsirrtum. Da aber auf ihnen die Verneinung der eingewendeten Verspätung der Mängelrüge beruht, so mußte der erwähnte Mangel zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es den hierher gehörenden Teil des Klageanspruchs betrifft, führen. Das Berufungsgericht, an das die Sache in dem bezeichneten Umfange zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist, wird für den Fall, daß es zu dem Ergebnis käme, die Mängelrüge sei verspätet, übrigens noch zum Gegenstand besonderer Prüfung machen müssen, aus welchen Gründen die gegebene Sachlage die Annahme des Klägers rechtfertige, daß das Präjudiz der Genehmigung aus Abs. 2 des Art. 347 die n o c h n i c h t abgelieferten Karten der zweiten Serie in gleichem Maße umfasse, wie die zu Anfang September gelieferten." . . . RGZ. 59, 75 Umfang der Untersuchungspflidit aus § 377 Abs. 1 HGB. bei dem Kauf einer alten, ausgebesserten Lokomobile zum Selbstgebrauch. II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 14. Oktober 1904. I. Landgericht Oppeln. II. Oberlandesgericht Breslau. Die Beklagte, eine Maschinenfabrik, verkaufte Anfang Januar 1901 an den Kläger, einen Sägewerkbesitzer, eine alte, von ihr ausgebesserte Lokomobile. Die Maschine kam am 11. Januar 1901 beim Kläger an, wurde Mitte Januar aufgestellt und in Betrieb genommen. Am 20. Mai 1901 schrieb der Kläger an die Beklagte, nachdem bereits vorher an der Maschine Nachbesserungen vorgennommen waren, die Maschine habe einen Riß; er fordere zu deren Zurücknahme auf. Mit der Anfang Juli 1901 erhobenen Klage wandelte der Kläger und verlangte Zurücknahme der Maschine sowie Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises. Die Beklagte rügte, daß die 2*

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Mängelanzeige verspätet sei. Sie unterlag in beiden Vorinstanzen. Ihre Revision wurde zurückgewiesen. Aus den

Gründen:

. . . „Bei Erörterung der Frage, ob den Kläger das Präjudiz der Genehmigung treffe, weil er die Maschine nicht untersucht und nicht unverzüglich den Mangel angezeigt habe (§ 377 Abs. 1 und 2 HGB.), konnte der Berufungsrichter ohne Verletzung jener Gesetzesbestimmungen nach der Sachlage, unter besonderer Berücksichtigung, daß eine a l t e , a u s g e b e s s e r t e Maschine Kaufobjekt war, sowie daß der Kläger nicht Maschinenhändler ist, und daß er die Maschine zum eigenen Gebrauche gekauft hatte, von der Annahme ausgehen, der Kläger sei auf Grund des § 377 Abs. 1 a. a. O. vor der Ingebrauchnahme der Maschine nicht zu einer besonders eingehenden und gründlichen Untersuchung etwa unter Zuziehung Sachverständiger verpflichtet gewesen; er habe sie vielmehr ohne eine solche Untersuchung in Gebrauch nehmen dürfen, und die Pflicht zu unverzüglicher Anzeige sei erst eingetreten, als sich bei dem Gebrauche herausstellte, daß die Ausbesserung nichts genützt habe. Die hier ausgesprochene Auffassung entspricht der bisher in gleichen oder ähnlichen Fällen dem § 377 (früher Art. 374) Abs. 1 und 2 HGB. gegebenen Anwendung, vgl. Entsch. des ROGH.s Bd. 11 S. 312; B o 1 z e , Bd. 6 Nr. 561, und enthält daher nicht, wie die Revisionsklägerin darzulegen versucht, eine Verletzung der erwähnten gesetzlichen Bestimmung. J e n e Auffassung allein bringt aber der Berufungsrichter zum Ausdruck, wenn er in seinen Urteilsgründen sagt: „Die erfolglose Ausbesserung war der Fehler, der der Maschine anhaftete, und dieser Fehler, welcher die Unbrauchbarkeit nach sich zog, wurde erst unmittelbar vor der Anzeige entdeckt", und weiter ausführt: „Eine frühere Anzeige w a r nicht angängig, weil weniger das Vorhandensein als die mangelhafte Ausbesserung des Risses in Betracht kommt." . . . Daß aber der Kläger u n v e r z ü g l i c h , nachdem sich beim Gebrauch der Maschine herausgestellt hatte, die Ausbesserung habe nichts genützt, die Anzeige an die Beklagte machte, ist in den Gründen des Berufungsurteils einwandfrei festgestellt." . . . RGZ.59, 120 1. Unter welchen Voraussetzungen gelten Verpackungsmängel als Mängel der Ware im Sinne des § 377 HGB.? 2. Für die Rechtzeitigkeit der Untersuchung am überseeischen Bestimmungsorte ist nicht der dort übliche, sondern der aus dem Zwecke des § 377 a. a. O. zu beurteilende ordnungsgemäße Geschäftsgang maßgebend.

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II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 1. November 1904. 1. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgcricht daselbst.

Die Kläger kauften von der Beklagten größere Mengen Schinken und Speck, die nach Lourenzo Marques gesendet werden sollten. Nadi den Kaufbedingungen sollte die Ware .in Leinen eingenäht und dann in trockenes Salz verpackt werden". Die Kläger erhoben Schadensersatzansprüche, weil der Beklagte die zugesandte Art der Verpackung nicht geliefert habe, und infolge davon die Ware, wie eine in Lourenzo Marques vorgenommene Untersuchung ergeben habe, verdorben sei. Die Beklagte bestritt die Mangelhaftigkeit der Verpackung und machte weiter geltend, daß die Kläger das Präjudiz der Genehmigung aus § 377 Abs. 2 HGB. treffe. Denn wenn auch anzunehmen sei, daß, weil die Ware „seemäßig verpackt frei an Bord hier" (Hamburg) zu liefern war, ihre Untersuchung erst in Lourenzo Marques zu erfolgen hatte, so sei die dort vorgenommene Untersuchung jedenfalls verspätet. Die Kläger bestritten die Anwendbarkeit des § 377 a. a. O., da es sich hier um Mängel der Verpackung, nicht um Mängel der Ware handle. Der erste Richter verneinte die Anwendbarkeit des § 377; der zweite Richter bejahte sie und nahm weiter an, daß die Untersuchung in Lourenzo Marques verspätet vorgenommen worden sei. Die Revision der Kläger wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . .1. Der erste Richter hat angenommen, die vorgeschriebene Art der Verpackung „in Leinen eingenäht und dann in trockenes Salz verpackt" sei keineswegs etwas so Wesentliches, daß sie, wie gewisse Originalverpackungen, als Teil der Ware gelte, und deshalb Verpadcungsmängel als Qualitätsmängel zu behandeln wären; danach könne § 377 HGB. . . . nicht in Betracht kommen. Der Berufungslichter führt dagegen aus: die hier vorliegende vertragswidrige Beschaffenheit der ausgedungenen Verpackung sei als ein dem § 377 HGB. unterfallender Mangel im Sinne des Gesetzes zu erachten. Zu diesem Ergebnisse gelangt er auf Grund zweier Erwägungen, von denen jede für sich seine Entscheidung zu tragen geeignet sei. Einmal sei audi die Verpackung mit verkauft gewesen,- es liege aber kein Grund vor, auf die Vorschriftswidrigkeit der vereinbarten Verpackung, wenn sie mitverkauft sei, die §>§ 377 oder 378 HGB. nicht anzuwenden und bei der Moniturpflicht zwischen der Ware und der gleichfalls mitverkauften Verpackung zu unterscheiden. Weiterhin handle es sich um eine für ein heißes Klima bestimmte Sendung, bei der die innere Haltbarkeit, eine längere Konservierung der Ware durch die ausbedungene Art der Verpackung gesichert werden sollte; gerade im Interesse des Weiterverkaufs einer solchen Sendung an den Zwischenhändler am überseeischen Bestimmungsorte sei die

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Qualität der Verpackung für den Exporteur von wesentlicher Bedeutung; sie sei daher für die Verkäuflichkeit der Ware überaus wesentlich gewesen. Darin unterscheide sich der vorliegende Fall von der Sache H., Sch. & Co. wider O., J. & Co., in der die von den Klägern angerufenen Urteile des Oberlandesgerichts Hamburg vom 16. März 1895 und des Reichsgerichts vom 16. Oktober 1895 (Hans. Gerichtsz. Hbl. 1895 Nr. 64 S. 179 und B o l z e , Bd. 21 Nr. 482) ergangen seien. Die Revisionskläger rügen Verletzung des Gesetzes, da der Berufungsrichter mit Unrecht eine Untersuchungspflicht aus § 377 a. a. O. auch wegen der vertragswidrigen Verpackung angenommen habe. Dieser Angriff ist nicht gerechtfertigt. Die Frage, ob ein Mangel gesetzlicher oder vertragsmäßiger Beschaffenheit der W a r e auch in der Beschaffenheit der Verpackung liegen könne, und danach die Untersuchungspflicht nach § 377 — früher Art. 347 — HGB. Platz greife, war seit dem Inkrafttreten des Deutschen Handelsgesetzbuchs Gegenstand wiederholter Erörterung in der Rechtslehre und Rechtsprechung 1 ). Nach den dabei gewonnenen Ergebnissen kann zwar dem ersten Entscheidungsgrunde des Berufungsrichters nicht beigetreten werden, die Kläger habe eine Untersudiungspflicht aus § 377 schon um deswillen getroffen, weil die Verpackung von ihnen mitgekauft sei. Das traf allerdings in dem vom Berufungsrichter bezogenen Falle (Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 28. Sept. 1872, Rep. 1872 Nr. 477; P u c h e l t - F ö r t s c h , HGB. 4. Aufl. S. 980 a. E. unter d) zu; dort waren nämlich die Spritfässer als neue zu besonderem Preise mitverkauft, und drehte sich der Streit nur um ihren Preis; die Spritfässer kamen daher neben dem Sprit als Ware in Betracht. Das trifft aber nidit zu für die hier in Betracht kommende Verpackung, die für sich allein wertlos und kein Verkehrsgegenstand ist. M Vgl. W o l f f , Die k a u f m ä n n i s c h e Dispositionsstellung, in B u s c h , Archiv f ü r H a n d e l s - und Wechselrecht Bd. 15 (1869) S. 306; G a r e i s , Das Stellen zur Disposition (1870) § 23 S. 69/70; H a n a u s e k , Die H a f t u n g d e s V e r k ä u f e r s f ü r die Beschaffenheit der W a r e Bd. 1 § 30 Nr. 6 S. 265/266; v. H a h n , HGB. 2. Aufl. zu A r t . 347 § 14 S. 305; P u c h e l t - F ö r t s c h , HGB. 4. Aufl. Art. 347 Bern. 5 d S. 980/981; S t a u b , HGB. 6./7. Aufl. zu 5 377 Anm. 9 S. 1348; M a k o w e r , HGB. 12. Aufl. zu § 377, 4 a u n d b l S. 1168/1169, 4 c 6 S. 1175/1176; L e h m a n n u. R i n g , HGB. Bd. 2 zu § 377 Nr. 17 S. 154; D ü r i n g e r u. Hachenburg, HGB. Bd. 3 S. 127/128. Urteil des Appellationsgerichts M a r i e n w e r d e r v o m 8. O k t o b e r 1864 (vertragswidrige Verpackung von Rüböl in F ä s s e r n v o n 7—10 Zentner, statt, wie v e r e i n b a r t , von 3—4 Zentner Inhalt), L o h r , C e n t r a i o r g a n für HR. u. WR. Bd. 2 S. 210; Entsch. des ROHG.s Bd. 11 S. 106 (Griffel in Holzkästchen v o n 100 Stück); B o l z e , Praxis Bd. 8 Nr. 500 (ordnungsmäßige Dichtung bei Büchsenhopfen), Bd. 14 Nr. 425 (Zigarren in Erlen- u n d Z e d e r n h o l z v e r p a c k u n g ) ; in diesen Fällen w u r d e die A n w e n d u n g des § 377 — Art. 347 — HGB. a n g e n o m m e n . Sie w u r d e v e r n e i n t für m a n g e l h a f t e Verpackung v o n Glas in dem oben e r w ä h n t e n Urteil des Oberlandesgerichts H a m b u r g , Hans. Gerichtsz. Hbl. 1895 Nr. 64 S. 179, d a s zugleich älteren Urteilen des Oberlandesgerichts H a m b u r g , H a n s . Gerichtsz. Hbl. 1883 Nr. 24 S. 42, u n d des Oberlandesgerichts Dresden, W e n g l e r s Archiv für civilr. Entsch. Bd. 8 n. F. S. 571, e n t g e g e n t r i t t , und in dem oben e r w ä h n t e n Urteil des RG.s, B o l z e , Praxis Bd. 21 Nr. 482.

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Der zweite Entscheidungsgrund des Berufungsrichters ist dagegen frei von e i n e r Gesetzesverletzung. Denn wenn auch davon auszugehen ist, daß § 377 eine Rügepflicht nur in bezug auf „Mängel der W a r e " vorschreibt, so gilt als Mangel im Sinne dieser Vorschrift alles, was die Brauchbarkeit der W a r e überhaupt oder zu bestimmten Zwecken, deren Verkäuflidikeit als solche oder in bestimmten Kundenkreisen mindert oder aufhebt, und wird insbesondere der Begriff der zugesicherten Eigenschaft über die natürlichen, der Sache an sich zukommenden Eigenschaften hinaus auch auf solche tatsächlichen V e r h ä l t n i s s e erstreckt, die zufolge ihrer Beschaffenheit und Dauer nach den Verkehrsanschauungen einen Einfluß auf die Brauchbarkeit oder Wertschätzung der Sache zu üben pflegen. Vgl. Entsch. d e s RG.s in Zivils. Bd. 52 S. 2 ff. W a r a b e r die Verpackung, wie der Berufungsrichter annimmt, nicht bloß ein der V e r s e n d u n g dienendes Mittel, vielmehr ein Mittel zur Konservierung der W a r e im tropischen Klima w ä h r e n d , aber auch n a c h der V e r s e n d u n g , so kann, wie das der Berufungsrichter getan, die zugesicherte A r t des Konservierungsmittels dem Begriffe der zugesicherten Eigenschaft unterstellt werden, und begründet daher sein Fehlen einen M a n g e l der W a r e im Sinne des § 377 HGB., mit der daran geknüpften Untersuchungs- und Anzeigepflicht des Käufers. 2. Von, der Grundlage aus, daß sonach die Rügepflicht nach § 377 Platz greife, führt der Berufungsrichter weiter aus: Da an Bord eines v o m K ä u f e r b e z e i c h n e t e n Dampfers geliefert wurde, sei in Hamburg a b g e l i e f e r t worden. Indessen sei, weil eine Untersuchung der seemäßig verpackten W a r e in Hamburg nicht wohl tunlich war, zugunsten der K l ä g e r die A n n a h m e gerechtfertigt, daß die Parteien stillschweigend über eine Untersuchung bis nach Ankunft der Sendung am überseeischen Bestimmungsorte, Lourenzo Marques, einverstanden waren. D a g e g e n fehle es an j e d e m Grunde, ein noch weiteres Hinausschieben für gerechtfertigt zu erachten. Die Kläger hätten zur Rechtfertigung d e r späten Untersuchung geltend machen können, bei dem heißen Klima am Bestimmungsplatze sei es eben nicht tunlich, die W a r e alsbald nach Ankunft zu untersuchen, weil, wenn sie aus ihrer Verpackung herausgenommen werde, dann die tropische Hitze alsbald einen sofortigen V e r d e r b herbeiführen würde, weshalb man die W a r e bis zum W e i t e r v e r k a u f e liegenzulassen pflege. W e n n a b e r letzteres tatsächlich zutreffend sein sollte, so würde daraus nichts weiter folgen, als daß in Fällen wie dem vorliegenden der Hamburger Exporteur e b e n A n l a ß haben könne, die Anwendung des § 377 HGB. vertragsmäßig auszuschließen, n i c h t aber, daß der wesentlich im Interesse des V e r k ä u f e r s gegebene § 377 bloß deshalb unanwendbar werde, weil das Interesse des Käufers oder seines Abnehmers es ratsam erscheinen lasse, von der gesetzlich gebotenen baldtunlichen

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Untersuchung so lange Abstand zu nehmen, bis die Ware tatsächlich weiter verwertet werde. Die Revisionskläger erheben hiergegen den Angriff, der Berufungsrichter lasse in seinen Erwägungen ganz außer Betracht, daß der Verkäufer bei dem Verkaufe nach auswärts, insbesondere nach tropischen Gegenden, für die Frage nach der Rechtzeitigkeit von Mängelrügen damit rechnen müsse, wie sich der ordnungsmäßige Geschäftsgang am Bestimmungsorte gestalte, und ob danach der Rügepflicht genügt sei. Auch dieser Angriff konnte keinen Erfolg haben. Der Berufungsrichter verneint, daß ein stillschweigendes Einverständnis über eine Untersuchung am überseeischen Bestimmungsorte, ein Unterwerfen etwa unter das dort für die Untersuchungspflicht geltende Recht und die dort deshalb geltenden Verkehrssitten mitenthalte. Im übrigen geht er von der rechtlich zutreffenden Auffassung aus, daß der Begriff des ordnungsmäßigen Geschäftsganges sich nur nach objektiven Regeln richte, und deshalb die Geschäftsübung des einzelnen, die nicht auf einem durch die Umstände gebotenen Zwange beruhe, eine Verzögerung der Untersuchung, wie sie hier vorliege, nicht zu rechtfertigen vermöge. Ein solcher durch die Umstände gebotener Zwang kann aber nach der Sachlage nicht darin gefunden werden, daß dag untersuchte einzelne Stück der Ware durch den Einfluß des tropischen Klimas dem Verderb unterliegt. Hier greifen die gleichen Grundsätze Platz, die der Senat (Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 57 S. 7) für den Handel mit Konserven in verlöteten Dosen aufgestellt hat. Danach konnte den Käufern eine Untersuchung von Stichproben zugemutet werden." . . . RGZ.61, 279 Inwieweit kann der Verkäufer der Berechnung seines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung gegenüber dem in Annahmeund Zahlungsverzug befindlichen Käufer auf Grund des § 326 BGB. das Ergebnis eines von ihm vorgenommenen freihändigen Verkaufs der Ware zugrunde legen? II. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 22. September 1905. Die Entscheidung ist abgedruckt unter .Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse 3". RGZ.62, 255 Darf bei einem Handelskauf der Käufer wegen der von ihm beabsichtigten Vornahme einer nicht sofort ausführbaren Untersuchung der Ware auf nicht unmittelbar wahrnehmbare Fehler eine sofort ausführbare anderweite Untersuchung derselben auf offensichtliche Fehler verschieben? . .

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II. Z i v i l s e n a t .

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Urt. v. 5. Januar 1906.

I. Landgericht Halle a. S. II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Die Beklagte stellte eine ihr von der Klägerin käuflich gelieferte Menge Paraffin, die am 23. Juli 1904 an dem Ablieferungsorte Z. angekommen war, durch Telegramm vom 28. desselben Monats wegen vertragswidriger Farbe der Ware der Klägerin zur Verfügung und verweigerte aus diesem Grunde deren Bezahlung. In dem deshalb eingeleiteten Rechtsstreite bestritt die Klägerin die Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige vom 28. Juli 1904. Die Beklagte erwiderte hierauf, eine gründliche Untersuchung der Ware, namentlich auf ihren Härtegrad, die längere Zeit und ein umständliches Verfahren erfordere, sei auf dem Bahnhofe Z. in den Eisenbahnwaggons, in denen die Ware angekommen sei, nach gewöhnlichem Geschäftsgange unmöglich gewesen; sie habe daher zum Zwecke dieser Untersuchung die Ware von Z. nach ihrem Lagerplatze W. weitersenden müssen; bei Berücksichtigung dieses Umstandes sei die unverzüglich nach der Untersuchung der Ware in W. erfolgte Mängelanzeige für rechtzeitig zu erachten. Das Landgericht und das Oberlandesgericht hielten trotzdem die Mängelanzeige für verspätet und verurteilten die Beklagte zur Bezahlung der Ware. Die von der Beklagten gegen dasi Urteil des Oberlandesgerichts eingelegte Revision wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : .Das Berufungsgericht hat trotz des neuen Vorbringens der Beklagten die erst am 28. Juli 1904 von derselben der Klägerin erstattete telegraphische Mängelanzeige für verspätet erachtet und in dieser Hinsicht folgendes ausgeführt: Die Beklagte hätte die Untersuchung der Ware in Z. als dem Ablieferungsorte derselben im Sinne des § 377 HGB. vornehmen müssen. Sie sei durch die am 23. Juli 1904 tatsächlich dort erfolgte Ablieferung in die Lage versetzt worden, die Ware zu untersuchen und den allein von ihr gerügten Mangel .Lieferung in Farbe abfallend gegen Kaufprobe", der deshalb allein auch in Frage komme, mit Leichtigkeit durch Besichtigung festzustellen. Ob die Untersuchung auf den Härtegrad längere Zeit in Anspruch habe nehmen müssen und in Z. untunlich gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, da Beklagte in dieser Hinsicht keine Rüge erhoben habe. Jedenfalls habe sie, wenn die Untersuchung auf den Härtegrad längere Zeit in Anspruch genommen haben und in Z. nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange nicht zu bewerkstelligen gewesen sein sollte, deshalb die Untersuchung auf die Farbe nicht willkürlich verschieben dürfen. Die Revisionsklägerin hat diese Ausführungen folgendermaßen angefochten: Unrichtig erscheine die Ansicht des Berufungsgerichts, daß jeder im Laufe der Untersuchung sich zeigende Fehler e i n z e l n gemeldet werden müsse, sobald er zu entdecken gewesen sei. Viel-

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mehr müsse es dem Käufer freistehen, zunächst die g a n z e bei Waren der betreffenden Art erforderliche Untersuchung vorzunehmen. Seine Mängelanzeige komme rechtzeitig, wenn sie nach der zu einer s o l c h e n Untersuchung erforderlichen Zeit unverzüglich abgesendet werde. Das Berufungsgericht hätte danach untersuchen müssen, zu welcher Zeit die Beklagte in Z. die ordnungsmäßige Untersuchung, einschließlich der umständlichen und zeitraubenden Prüfung des Härtegrads des Paraffins, hätte vornehmen oder veranlassen, und in welcher Zeit eine nach dem für solche Prüfung nötigen Zeiträume unverzüglich abzusendende b r i e f l i c h e Mängelrüge in Händen der Klägerin hätte sein können. Wenn sich hiernach ergäbe, daß eine d e r a r t abzusendende Anzeige auch erst am 28. Juli bei der Klägerin würde eingetroffen sein, so sei die an diesem Tage der Klägerin telegraphisch zugegangene Mängelrüge rechtzeitig. Diese Beschwerde erscheint als unbegründet. Zunächst hat das Berufungsgericht nicht die ihm von der Revisionsklägerin zugeschriebene Ansicht allgemein ausgesprochen, daß j e d e r im Laufe der Untersuchung sich zeigende Fehler der Ware e i n z e l n gemeldet werden müsse, sobald er zu entdecken sei, sondern es hat lediglich für den gegebenen Fall zur Ausräumung des von der Beklagten aus der angeblich erforderlichen Untersuchung der Ware auf ihren Härtegrad hergeleiteten Einwands erwogen, daß, auch wenn eine Untersuchung der letzteren Art erforderlich gewesen sein sollte, deshalb die mit Leichtigkeit durch Besichtigung auszuführende Untersuchung der Ware auf ihre Farbe nicht hätte verschoben werden dürfen. Diese Ansicht des Berufungsgerichts verstößt nicht gegen die Vorschrift des § 377 HGB. Namentlich hat dasselbe hierbei nicht verkannt, daß dem Käufer durch § 377 eine Verpflichtung zur unverzüglichen Untersuchung der abgelieferten Ware nur insoweit auferlegt ist, als dies nach ordnungmäßigem Geschäftsgang tunlich ist. Zwar ist es nach dieser Bestimmung nicht schlechthin ausgeschlossen, daß der Käufer eine abgelieferte W a r e erst dann zu untersuchen hat, wenn ihm eine s o l c h e Untersuchung möglich ist, auf Grund deren er sich ein Urteil über die g e s a m t e vertragsmäßige oder gesetzmäßige Beschaffenheit der Ware und somit über deren Empfangbarkeit bilden kann. Vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 13 S. 11. Doch trifft dies nicht für alle Fälle zu, namentlich nicht für solche, in denen behufs Feststellung der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Beschaffenheit der Ware eine m e h r f a c h e , verschiedenartige Untersuchung derselben angezeigt sein mag, die zum Teil, wie z. B. eine Besichtigung, sofort erfolgen kann, zum Teil ein umständlicheres und langwierigeres Verfahren erfordert, wie dies z. B. vielfach bei einer chemischen Untersuchung zutreffen wird. Vielmehr ergibt sich für

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solche Fälle aus der namentlich die u n v e r z ü g l i c h e Vornahme der erforderlichen Untersuchung hervorhebenden Vorschrift des § 377 Abs. 1 HGB. in Verbindung mit den die Rechte des Käufers bezüglich nicht sofort erkennbarer Mängel wahrenden Bestimmungen des Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen, daß der Käufer wegen der beabsichtigten Vornahme einer nicht sofort ausführbaren Untersuchung der W a r e auf nicht unmittelbar wahrnehmbare Fehler eine sofort ausführbare anderweite Untersuchung derselben auf offensichtliche Mängel nicht verschieben darf. Von diesem Gesichtspunkte aus hat aber das Berufungsgericht den fraglichen Einwand der Beklagten beurteilt und somit denselben, unter Absehen von weiteren tatsächlichen Erhebungen über die angeblich noch weiter erforderliche Untersuchung der Ware auf ihren Härtegrad, ohne rechtlichen Verstoß für nicht geeignet gehalten, die an sich verspätete Rüge des offensichtlichen Mangels der Farbe als aus dem Grunde noch rechtzeitig erfolgt erscheinen zu lassen, weil eine weitere Untersuchung der W a r e auf ihren Härtegrad hin erforderlich gewesen sein mag. Das trifft um so mehr zu, als die Beklagte einerseits durch ihre Angabe, diese weitere Untersuchung hätte längere Zeit beansprucht und ein umständliches Verfahren erfordert, dem Berufungsgericht genügendes tatsächliches Material zur Beurteilung dieses Einwands geboten, und als sie andererseits auch nicht behauptet hat, daß eine g l e i c h z e i t i g e Untersuchung der Ware auf Farbe und Härtegrad h a n d e l s ü b l i c h sei, so daß die Klägerin etwa aus diesem Grunde erst nach Ablauf der für eine solche d o p p e l t e Untersuchung erforderliche Zeit überhaupt eine Mängelanzeige hätte erwarten dürfen." . . . (Die weitere Revisionsbeschwerde, daß das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige auch die t e l e g r a p h i s c h e Ubersendung derselben hätte berücksichtigen müssen, wurde vom Reichsgericht gemäß § 561 ZPO. zurückgewiesen.) KGZ.64, 236 1. Steht der Umstand, daß der Käufer die ihm nadi § 377 HGB. obliegende Verpflichtung der unverzüglichen Mängelrüge erfüllt hat, dem Verluste der in §§ 462, 463 BGB. bestimmten Gewährleistungsansprüdie gemäß § 464 daselbst entgegen? Ist insbesondere in j e d e r der Vorschrift des § 377 Abs. 1 HGB. entsprechenden Mängelrüge des Käufers zugleich ein nach § 464 BGB. genügender Vorbehalt seiner Rechte wegen des Mangels zu erblicken? 2. Was ist unter Annahme im Sinne des § 464 BGB. zu verstehen? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 30. Oktober 1906. I. Landgericht Essen.

II. Oberlandesgericht

Hamm.

Die verklagte Firma, die ihre Handelsniederlassung in Essen hat, kaufte von dem in Hamburg wohnenden Kläger 100 Tonnen neue

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Weißblethabfälle handelsüblicher Qualität, lieferbar cif Rotterdam. Die Beklagte bezeichnete dem Kläger als ihren Spediteur in Rotterdam, mit dem sich Kläger zu verständigen habe, die Firma P. daselbst. Der Kläger teilte dagegen der Beklagten mit, daß er ihr die Ware durch seinen Spediteur St. in Rotterdam überweisen lassen werde. Die mit einem Dampfer in Rotterdam angekommene Ware wurde am 4. Mai 1903 von dem Spediteur St. der Firma P. ausgeliefert, die an diesem Tage die Ware übernahm. Am 5. Mai teilte diese Firma P. der Beklagten telegraphisch mit, daß die Ware nicht handelsüblich, und neu, sondern stark verrostet und alt sei. Die Beklagte rügte am 6. Mai telephonisch dem Kläger, gegenüber, daß die Ware äußerst verrostet sei. Durch Schreiben vom nämlichen Tage erklärte sie demselben, daß sie Minderung des Kaufpreises verlange. Da sie einen dem angeblichen Minderwert der Ware entsprechenden Teil des bedungenen Kaufpreises nicht bezahlte, so erhob Kläger, der die Mängelrüge nicht anerkannte, Klage auf Zahlung des Restkaufpreises. Er machte namentlich geltend, die Beklagte habe die Ware durch ihren Vertreter, die Firma P., welche dieselbe schon vor der Entladung aus dem Schiffe besichtigt und hierbei eine starke Verrostung festgestellt habe, vorbehaltlos angenommen und könne deshalb wegen dieses offensichtlichen Mangels keine Ansprüche mehr erheben, überdies sei die Mängelrüge vom 6. Mai verspätet. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, indem sie behauptete, die Firma P. sei nicht ihr Vertreter, sondern die Ware sei nur an sie auszuliefern gewesen. Dieselbe habe sich in ihrem Auftrag von dem Zustand der Ware zu vergewissern und ihr darüber zu berichten gehabt. Sie sei daher nicht befugt gewesen, eine Erklärung über die Annahme der Ware abzugeben oder deren Beschaffenheit zu rügen. Der Mangel der Ware sei vor der Entladung nicht gehörig erkennbar gewesen. Sobald derselbe von der Firma P. noch während der Entladung erkannt worden sei, habe diese die Beklagte telegraphisch benachrichtigt, die das Telegramm am folgenden Tage dem Kläger weitergegeben habe. Die Beklagte wurde in beiden Instanzen zur Zahlung des Restkaufpreises verurteilt und die von ihr gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision zurückgewiesen aus folgenden Gründen: . . . „Das Berufungsgericht hat zunächst dahingestellt gelassen, ob die Beklagte die nach § 377 HGB. bestehende Verpflichtung des Käufers, Mängel der Ware unverzüglich nach der Ablieferung dem Verkäufer anzuzeigen, erfüllt habe; denn von dieser Vorschrift sei die Bestimmung des § 464 BGB. unabhängig; nach der letzteren stehe aber der Beklagten ein Recht auf Minderung des Kaufpreises nicht mehr zu, da von ihrer Vertreterin, der Firma P., die Rechte der Be-

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klagten wegen des fraglichen Mangels der Ware bei Annahme derselben nicht vorbehalten worden seien, obgleich diese Firma damals den Mangel bereits gekannt habe. Die Revisionsklägerin hat vor allem die erstere Erwägung des Berufungsgerichts beanstandet, namentlich daß dieses dabei nicht geprüft habe, in welchem Verhältnis § 377 HGB. zu § 464 BGB. stehe, insbesondere ob § 377 nicht als Spezialgesetz für beiderseitige Handelsgeschäfte die Anwendung des § 464 im gegebenen Falle ausschließe, oder ob er wenigstens für die Beurteilung der Frage maßgebend sei, inwieweit in gewissen Handlungen oder Unterlassungen eine Annahme im Sinne des § 464 zu finden sei. Jedoch erscheint die hiermit angefochtene Ansicht des Berufungsgerichts, daß diese beiden Vorschriften unabhängig voneinander seien, daß also deshalb, weil der Käufer die ihm nach § 377 HGB. obliegende Verpflichtung der unverzüglichen Mängelanzeige erfüllt habe, ein Verlust der in §§ 462, 463 BGB. bestimmten Ansprüche gemäß § 464 daselbst nicht ausgeschlossen sei, als rechtlich zutreffend. Es ist nicht anzuerkennen, daß, sofern die Voraussetzungen des § 464 BGB. bei einem beiderseitigen Handelskauf vorliegen, der Umstand, daß der Käufer die ihm gemäß § 377 HGB. obliegende Rügepflicht erfüllt hat, dem Eintritte der sich aus § 464 ergebenden Folge irgendwie entgegenstehe. Weder das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 noch das Einführungsgesetz hierzu enthält eine Bestimmung, welche gemäß Art. 2 des letzteren Gesetzes eine solche Annahme rechtfertigen könnte. Vielmehr ist aus der Denkschrift II zum Handelsgesetzbuch S. 240, worin die Vorschrift des § 464 BGB. (als auch für das Gebiet des Handelsrechts maßgebend) erwähnt, aber als für den Handelsverkehr nicht genügend erklärt ist, zu schließen, daß man bei der Erlassung des Handelsgesetzbuches die unbeschränkte Geltung dieser Vorschrift neben derjenigen des § 377 HGB. auf diesem Gebiete allseitig als selbstverständlich angesehen hat. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, daß diese Vorschriften, wenn sie auch beide im Interesse des Verkehrs, namentlich behufs Sicherstellung des Verkäufers gegen die verspätete Geltendmachung von Mängeln von Seiten des Käufers, erlassen sind, vgl. bezüglich des § 464 die Motive zu § 386 I. Entw. Bd. 2 S. 229, und bezüglich des § 377, bzw. des demselben zugrunde liegenden Art. 347 HGB. a. F. Entsch. des ROHG.s Bd. 15 S. 128, ihrem sonstigen Grunde und ihrem Inhalte nach wesentlich voneinander verschieden sind. Die Bestimmung des § 464 beruht nämlich auf der Anschauung, daß, wenn ein Käufer eine mangelhafte Sache i n K e n n t n i s d e s M a n g e l s o h n e V o r b e h a l t annimmt, hierin ein Verzicht desselben auf die ihm aus dem Mangel erwachsenen Ansprüche liegt, und daher in der n a c h t r ä g l i c h e n Geltend-

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machung eines solchen Anspruchs ein Verstoß gegen Treu und Glauben zu finden ist (vgl. die Motive a. a. O.). Dagegen sind die Gesichtspunkte nicht auch als für den in § 377 HGB. unmittelbar bestimmten Verlust der Gewährleistungsansprüche maßgebend anzusehen, da d i e s e Rechtsfolge nicht die z u r Z e i t d e r A n n a h m e v o r h a n d e n e Kenntnis des Käufers von dem Mangel zur Voraussetzung hat, vielmehr mit der in diesem Paragraphen n u r für beiderseitige Handelsgeschäfte bestimmten unbedingten Verpflichtung des Käufers zur unverzüglichen Untersuchung und Mängelanzeige zusammenhängt. Vgl. die Denkschrift I zum Handelsgesetzbuch a. a. O. F e m e r deckt sich die im § 377 erforderte Unterlassung der daselbst vorgeschriebenen M ä n g e l a n z e i g e , zu welcher der Käufer erst n a c h d e r A b l i e f e r u n g d e r W a r e verpflichtet ist, weder inhaltlich noch zeitlich mit der im § 464 BGB. vorgesehenen Unterlassung des V o r b e h a l t e s d e r R e c h t e w e g e n d e s M a n g e l s , welcher Vorbehalt schon b e i d e r A n n a h m e d e r W a r e zu erfolgen hat. Hiernach ist im Hinblicke auf die dargelegte Verschiedenheit der beiden Vorschriften und d e n Umstand, daß auch sonst kein innerer Grund für die Nichtanwendung der strengeren Vorschrift des § 464 BGB. bei h a n d e l s r e c h t l i c h e n Käufen erfindlich ist, nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber d u r c h d i e V o r s c h r i f t d e s § 377 HGB. die A n w e n d u n g der ersteren Bestimmung h a b e ausschließen oder, namentlich was die Frage betrifft, ob in Handlungen oder Unterlassungen eine Annahme zu finden sei, habe modifizieren wollen. Durch die sich hieraus ergebende g r u n d s ä t z l i c h e Gleichheit d e r A n w e n d u n g des § 464 auf handelsrechtliche und nichthandelsrechtliche Käufe wird aber nicht ausgeschlossen, daß im übrigen für die Anwendung dieses Paragraphen auf die ersteren Käufe auch die das ganze Gebiet des Handelsrechts beherrschende Vorschrift des § 346 HGB. maßgebend ist, wonach unter Kaufleuten in Ansehung der Bedeutung und W i r k u n g von Handlungen und Unterlassungen auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen ist. Doch rechtfertigt die Vorschrift es nicht, in j e d e r der Bestimmung des § 377 Abs. 1 HGB. entsprechenden Mängelanzeige des Käufers zugleich einen nach § 464 BGB. genügenden Vorbehalt seiner Rechte wegen des Mangels zu erblicken. Der seither erörterte rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist daher nicht zu beanstanden. Ferner hat die Revisionsklägerin die Ansicht des Berufungsgerichtes angefochten, daß eine vorbehaltlose Annahme der streitigen W a r e im Sinne des § 464 BGB. von Seiten der Speditionsfirma P. für die Beklagte stattgefunden habe; denn eine s o l c h e Annahme sei von jener Firma nicht gewollt gewesen, wie sich aus dem

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ganzen Sachverhalte, namentlich auch aus der Zeugenaussage des Teilhabers der den Kläger bei dem Erfüllungsgeschäfte vertretenden Speditionsfirma St., V., über eine zwischen ihm und dem Prokuristen der Firma P., M., nadi Ankunft der W a r e in Rotterdam über deren mangelhafte Beschaffenheit stattgehabte Unterredung ergebe, bei der M. dem V. den nach § 464 erforderlichen Vorbehalt erklärt, welche aber das Berufungsgericht mit Unrecht nicht berücksichtigt habe. Audi diese Beschwerde erscheint nach allen Richtungen hin als unbegründet. Zunächst erhellt nicht, daß das Berufungsgericht den Begriff der Annahme im Sinne des § 464 BGB. verkannt habe. Hierunter ist nämlich dieselbe zu verstehen, was in § 363 BGB. mit Annahme als Erfüllung, in § 341 Abs. 3 daselbst als Annahme der Erfüllung und in § 640 Abs. 2 BGB. als Abnahme bezeichnet ist. Vgl. das Urteil des VII. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 22. April 1904, Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 57 S. 338/339. Wie in diesem Urteile bezüglich der Annahme der Erfüllung im Sinne des § 341 Abs. 3 näher ausgeführt ist, was aber auch für die hier in Rede stehende Annahme im Sinne des § 464 zutrifft, ist es für diesen Begriff nicht erforderlich, daß der Empfänger die Erfüllung als eine tadellose angenommen hat; vielmehr genügt es, wenn der Gläubiger die als Leistung aus dem Vertrage angebotene Leistung körperlich hinnimmt und dabei, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend durch sein Verhalten bei und nach der Hinnahme, zu erkennen gibt, daß er die Leistung als xeine der Hauptsache nach dem Vertrage "entsprechende Erfüllung anerkenne. Daß das Berufungsgericht gegen diese Rechtsgrundsätze verstoßen habe, erhellt aus seinen Feststellungen und Ausführungen nicht. Denselben liegt nämlich die Anschauung zugrunde, daß die Firma P. durch die von ihr als Vertreterin der Beklagten trotz ihrer Kenntnis des fraglichen Mangels vorbehaltlos bewirkte Ausladung der W a r e aus dem Schiffe dieselbe im Sinne des § 464 BGB. angenommen habe, und daß diese Annahme mit Beendigung der Ausladung vollendet gewesen sei. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn indem die Firma P. diq Ware für die Beklagte aus dem Schiffe ausladen ließ, hat sich dieselbe zugleich für die Beklagte körperlich hingenommen und für diese als mittelbare Besitzerin den Besitz derselben erworben. W a s das weiter erforderliche Anerkenntnis betrifft, daß die Leistung eine der Hauptsache nach dem Vertrag entsprechende Erfüllung sei, so konnte das Berufungsgericht ohne rechtlichen Verstoß das von ihm festgestellte weitere Verhalten der Firma P. — daß nämlich diese weder der den Kläger bei der Ubergabe vertretenden Speditionsfirma St. in Rotterdam noch unmittelbar dem Kläger gegenüber den Vorbehalt der Rechte der Beklagten wegen des von ihr wahrgenommenen Mangels

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zum Ausdruck brachte, obgleich diesen Mitteilungen nichts im W e g e gestanden habe, daß dieselbe vielmehr, nachdem bereits am 4. M a i 1 9 0 3 die Ausladung beendet worden war, e r s t a m 5. M a i d e r B e k l a g t e n den Mangel telegraphisch meldete, — als ein solches ansehen, durch das sie dem Kläger zu erkennen gegeben habe, daß sie als Vertreterin der Beklagten die Leistung als eine der Hauptsache nach dem Vertrage entsprechende Erfüllung anerkenne. Im Hinblicke auf diese vom Berufungsgerichte offenbar angenommene Schlüssigkeit des Verhaltens der Firma P. kommt es auch darauf nicht entscheidend an, ob diese einen solchen Anerkennungswillen wirklich gehabt hat, da das Nichtvorhandensein dieses Willens dem Kläger oder dessen Vertreterin, der Firma St., gegenüber überhaupt nicht unmittelbar und jedenfalls nicht v o r dem Zeitpunkte in die Erscheinung getreten ist, in dem eine Annahme der W a r e als bereifs durch die körperliche Hinnahme derselben in Verbindung mit dem dargelegten weiteren Verhalten der Firma P. vollzogen anzusehen war." . . . RGZ. 65, 49 Zur Anwendung des § 377 HGB. auf das Redit des Käufers, bei einem Sukzessivlieferungsgesdiäfte wegen mangelhafter Lieferungen vom Vertrage zurückzutreten. Muß insbesondere bezüglich jeder einzelnen mangelhaften Lieferung, durch welche ein soldies Rücktrittsrecht des Käufers gerechtfertigt werden soll, s c h o n z u r Z e i t d e r v o n i h m a b g e g e b e n e n R ü c k t r i t t s e r k l ä r u n g eine den Vorschriften des § 377 HGB. entsprechende Mängelanzeige vorliegen, oder genügt es, wenn zur Zeit dieser Erklärung die mangelhafte Lieferung bereits erfolgt war, und bezüglich ihrer v o r A b l a u f d e r i n § 3 7 7 a . a . O . bestimmten Frist, wenn auch erst nach der Rückt r i t t s e r k l ä r u n g , eine diesen Vorschriften entsprechende Mängelanzeige erstattet wird? II. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 2. Januar 1907. I. Landgericht Hannover. II. Oberlandesgericht Celle. Die Beklagte hat sich durch Vertrag der Klägerin gegenüber verpflichtet, von ihr im Laufe des Jahres 1904 im ganzen 90 Doppelladungen Zement käuflich abzunehmen. Nachdem die Klägerin der Beklagten 35V2 Doppelladungen geliefert hatte, erklärt diese durch Schreiben vom 18. September 1904 der Klägerin, daß ihre beiderseitige Geschäftsverbindung aufgehoben sei, da die Klägerin ihrer Verpflichtung, P r i m a wäre zu liefern, nicht nachgekommen sei. Da die Beklagte von da an keinen Zement mehr von der Klägerin bezog, so beanspruchte diese von ihr mittels Klage Schadensersatz wegen dieser Abnahmeverweigerung. Die Beklagte bestritt d e n Anspruch,

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indem sie geltend machte: die Klägerin habe ihr nicht, wie bedungen, P r i m a - Portland-Zement, sondern wiederholt minderwertigen Zement, der nicht abgebunden habe, geliefert. Sie, die Beklagte, habe auf die von ihren Abnehmern hierüber geführten Klagen diese Mängel der Klägerin rechtzeitig angezeigt. Da diese ihr aber am 13. September 1904 erklärt habe, sie könne andern Zement nicht liefern, so habe sie, die Beklagte, mit Recht die Abnahme weiteren Zements verweigert. Die Klägerin erwiderte hierauf: sie habe stets der Beklagten v e r t r a g s m ä ß i g e Ware geliefert. Bezüglich der angeblich mangelhaften Lieferungen lägen keine dem Gesetze entsprechenden Mängelanzeigen vor. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin wurde in beiden Instanzen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die vom Beklagten eingelegte Revision wurde das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, aus folgenden Gründen: .Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen begründet. Durch das Schreiben vom 18. September 1904 sei der Beklagte nicht nur in der Ansehung der noch ausstehenden 54% Doppelladungen in Annahmeverzug gekommen, sondern sie habe sich der Klägerin gegenüber vollständig vom Vertrage losgesagt. Angesichts dieser entschiedenen Erfüllungsweigerung der Beklagten habe es für die Klägerin, um deren Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zur Entstehung zu bringen, nicht erst noch der nach § 326 BGB. erforderlichen Bestimmung einer Nachfrist bedurft. Vielmehr sei auf Grund des Sichlossagens der Beklagten vom Vertrage die Klägerin ohne weiteres zum Verlangen nach Schadensersatz wegen Nichterfüllung berechtigt, sofern nicht die Beklagte nachweise, daß ihr Rüdetritt vom Vertrage aus besonderen Gründen gerechtfertigt gewesen sei. Dieser Nachweis sei der Beklagten nicht gelungen. Sie sei nicht schon lediglich infolge der von ihr behaupteten Mangelhaftigkeit früherer Zementlieferungen der Klägerin und ganz unabhängig davon, ob sie seiner Zeit die Mängel dieser einzelnen Lieferungen rechtzeitig gerügt habe, zum Rüdetritt berechtigt gewesen. Zwar sei dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, um ein Sukzessivlieferungsgeschäft handele, und wenn bei diesem Geschäft andauernd derart mangelhaft geliefert werde, daß die Annahme gerechtfertigt sei, es werde auch in Zukunft nicht anders geliefert werden, der Käufer im allgemeinen berechtigt, für die noch ausstehenden Lieferungen vom Vertrage zurückzutreten. Für das hier vorliegende Verhältnis zwischen Kaufleuten untereinander gelte aber daneben die Bestimmung des § 377 HGB., wonach die mangelhafte Ware als genehmigt gelte, wenn nicht der Käufer den erkennHGB. 3

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baren Mangel rechtzeitig gerügt habe. Die Genehmigung werde vom Gesetze nicht bloß präsumiert, sondern fingiert. Ein Gegenbeweis dahin, daß trotz Unterbleibens einer rechtzeitigen Rüge die Ware nicht genehmigt sei, finde nicht statt. Die Genehmigung der Ware beseitige aber natürlich j e d e n aus der Mangelhaftigkeit der Ware herzuleitenden Anspruch, mithin auch das Recht des Käufers, wegen Fehlerhaftigkeit der bisherigen Lieferungen von dem ganzen Vertrage zurückzutreten, soweit dessen Erfüllung noch ausstehe. Auch dieses Rücktrittsrecht des Käufers sei also bedingt durch eine rechtzeitige Mängelrüge hinsichtlich der früheren Lieferungen. Es folge auch ohne weiteres schon aus der Natur der Sache, daß der Käufer, der hinsichtlich der e i n z e l n e n Lieferung ein Recht zur Wandlung und zum Rücktritt nur im Falle rechtzeitiger Mängelrüge habe, diese Rüge um so mehr dann vornehmen müsse, wenn er wegen Mangelhaftigkeit einzelner Lieferungen vom g a n z e n Vertrage für die Zukunft zurücktreten wolle; es wäre widersinnig, die Rüge in jenem Falle zu fordern, im letzteren Falle nicht. Hiernach komme es allerdings darauf an, ob die Beklagte z u r Z e i t i h r e r R ü c k t r i t t s e r k l ä r u n g v o m 18. S e p t e m b e r 1904 die angeblichen Mängel der vorausgegangenen Zementlieferungen der Klägerin gegenüber rechtzeitig und ordnungsgemäß g e r ü g t gehabt habe. Etwaige spätere, nach dem 18. September 1904 liegende Rügen bezüglich früherer Zementlieferungen könnten ihrem bereits am 18. September 1904 erklärten Rücktritte natürlich nicht zur Stütze dienen. Schon aus dem letzteren Grunde schieden daher aus die im August 1904 an Sp. und die am 8. September 1904 an B. &F. erfolgten Lieferungen, weil jene erst im Dezember 1904, diese erst im Oktober 1904 gerügt worden sei. Hinsichtlich der anderen angeblich mangelhaften Lieferungen sei die Mängelrüge, die mindestens innerhalb fünf, höchstens sechs Wochen von der Lieferung ab hätte erfolgen müssen, teils verspätet, teils inhaltlich ungenügend (was näher ausgeführt wird). Für den Rücktritt der Beklagten habe es hiernach an einem rechtfertigenden Grunde gefehlt. Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei daher mit Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden. Die Revisionsklägerin hat in diesen Ausführungen zunächst i m a l l g e m e i n e n eine Verletzung der §.§ 326 BGB. und 377 HGB. erblickt und diese Rüge folgendermaßen begründet. Mit dem Rechtssatze, daß der Rücktritt nur dann erfolgen könne, wenn die Fehlerhaftigkeit der bisherigen Lieferungen rechtzeitig gerügt worden sei, werde das Berufungsgericht dem Gedanken nicht gerecht, daß positive Vertragsverletzungen zu einem Rücktritt des Käufers für die Zukunft führen könnten. Es könne dem Käufer nicht verwehrt werden, mangelhafte Lieferungen trotz ihrer Mangelhaftigkeit anzu-

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nehmen und zu bezahlen, alsdann aber wegen ihrer Mangelhaftigkeit für die Zukunft vom Vertrage zurückzutreten. Durdi die Unterlassung der Mängelrüge gelte zwar die mangelhafte Ware als genehmigt. Dies geschehe aber nur unter der Annahme einer in dem Unterlassen der Mängelrüge zu erblickenden Willenserklärung. Die Tatsache der Mangelhaftigkeit der Ware werde durch diese Willenserklärung, die keineswegs dahin gehe, daß die Ware keine Mängel habe, nicht berührt. Der Käufer müsse berechtigt sein, zurückzutreten, nachdem ihm eine Reihe von Einzellieferungen, möge er dieselben auch nicht einzeln beanstandet haben, die Uberzeugung verschafft habe, daß der Verkäufer nicht gesonnen sei, vertragsmäßig zu liefern. Diese Ausführungen, die sich hauptsächlich gegen die vom Berufungsgericht angenommene Anwendbarkeit des § 377 Abs. 2 HGB. im gegebenen Falle richten, erscheinen nicht als zutreffend. Der von der Beklagten durch Schreiben vom 18. September 1904 wegen der seitherigen mangelhaften Zementlieferungen der Klägerin erklärte Rücktritt von dem Sukzessivlieferungsverträge, soweit dieser damals noch nicht erfüllt war, enthielt nämlich die Geltendmachung eines Anspruchs, welcher der Beklagten aus der mangelhaften Beschaffenheit der seitherigen Lieferungen angeblich erwachsen war. Einen solchen Anspruch kann der Beklagte, da der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft war, nach § 377 Abs. 2 a. a. O. durch die Mängel der von ihr als vertragswidrig bezeichneten einzelnen Lieferungen nur unter d e r Voraussetzung rechtfertigen, daß sie diese Mängel bezüglich j e d e r dieser Lieferungen in einer den Vorschriften des § 377 Abs. 1 entsprechenden Weise, namentlich rechtzeitig, der Klägerin angezeigt hat, da andernfalls die nicht beanstandeten Lieferungen als genehmigt zu gelten haben (Entsdi. des RG.s in Zivils. Bd. 3 S. 101). Denn aus der allgemeinen Fassung und dem Zwecke des § 377, wodurch der Verkäufer gegen verspätete Beanstandungen der von ihm gelieferten Waren geschützt werden soll, ergibt sich, daß die im Falle der nicht rechtzeitigen Erstattung einer Mängelrüge kraft Gesetzes anzunehmende Genehmigung der Ware j e d e m aus der nicht gesetzmäßigen oder nicht vertragsmäßigen Beschaffenheit derselben hergeleiteten Anspruch entgegensteht, wie dies bereits der I. Zivilsenat des Reichsgerichts in dem Urteile vom 18. Dezember 1889 (Ent9ch. in Zivils. Bd. 25 S. 28) bezüglich des in dem fraglichen Punkte mit § 377 HGB. n. F. übereinstimmenden Art. 347 HGB. a. F. ausgesprochen hat. Bei einem Sukzessivlieferungsverträge wird daher durch die Vorschrift des § 377 das in dem Urteile des erkennenden Senats vom 23 Februar 1904 (Entsch. in Zivils. Bd. 57 S. 115) anerkannte Recht des Käufers, unter den daselbst bezeichneten Voraussetzungen wegen mangelhafter Lieferungen des Verkäufers und der 3-

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darin liegenden positiven Vertragsverletzungen vom Vertrage zurückzutreten, insoweit eingeschränkt, als dieses Recht auf solche Lieferungen nicht gestützt werden kann, die nach § 377 als genehmigt zu gelten haben. Es ist auch nicht richtig, daß nach § 377 die mangelhafte Ware u n t e r d e r A n n a h m e e i n e r i n d e m U n t e r lassen der Mänge1anzeige zu erblickenden W i l l e n s e r k l ä r u n g als genehmigt gelte; denn das Präjudiz der Genehmigung tritt, wie schon der Wortlaut des § 377 ergibt, als g e s e t z l i c h e F i k t i o n ohne Rücksicht auf den Parteiwillen in Kraft, weshalb auch ein Gegenbeweis, daß der Käufer nicht habe genehmigen w o l l e n , unzulässig ist. Obgleich ferner bei Versäumung der rechtzeitigen Mängelanzeige dennoch die Tatsache der Mangelhaftigkeit der W a r e vorliegen kann, so darf doch der Käufer wegen des erwähnten Präjudizes daraus keinerlei Rechte für sidi herleiten, namentlich das hier in Rede stehende Rücktrittsrecht. Allerdings steht es dem Käufer frei, vertragswidrige Lieferungen trotz ihrer Mangelhaftigkeit anzunehmen und zu bezahlen, alsdann aber wegen der Mangelhaftigkeit derselben von dem Vertrage für die Zukunft zurückzutreten. Aber ein solches Rücktrittsrecht kann nicht auf die Mängel von Lieferungen gegründet werden, die wegen unterlassener oder verspäteter Mängelrüge als genehmigt gelten. Wenn bezüglich einer Lieferung eine rechtzeitige Mängelrüge vorliegt — die ja auch vorsorglich im Hinblick auf die Möglichkeit erstattet werden kann, daß der Käufer später vielleicht erst durch weitere vertragswidrige Lieferungen zum Rücktritte vom Vertrage bestimmt werden könnte —, so kann auch in der Regel in der Annahme und Bezahlung der Lieferung eine Genehmigung derselben durch den Käufer wenigstens insoweit nicht gefunden werden, als dessen Rücktrittsrecht in Frage steht (vgl. das angef. Urteil vom 23. Februar 1904 und das darin erwähnte Urteil des erkennenden Senats vom 14. Mai 1901, Rep. II. 67/01). Endlich ist es rechtlich nicht ausgeschlossen, dann, wenn das Rüdctrittsrecht des Käufers auf rechtzeitig gerügte mangelhafte Lieferungen gestützt werden kann, unter Umständen auch die Mangelhaftigkeit anderer Lieferungen, deren Mängel als genehmigt gelten, ebenfalls zur Begründung der Annahme zu verwerten, daß künftig vertragsmäßige Lieferungen überhaupt nicht zu erwarten seien, was ja eine Voraussetzung für das fragliche Rücktrittsrecht ist (vgl. die angef. Entsdi. Bd. 57 S. 115). Hiernach kann auch die Rücksicht auf das von der Revisionsklägerin betonte Interesse des Käufers nicht zu einer anderen Auffassung der Vorschriften des § 377 a. a. O. in ihrer Anwendung auf das hier in Rede stehende Rücktrittsrecht führen. Die obigen Ausführungen des Berufungsgerichts über die Bedeutung dieser Vorschriften sind daher, abgesehen von dem zur zweiten

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Revisionsbeschwerde zu erörternden Punkte, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Revisionsklägerin hat nämlich insbesondere folgende Erwägungen des Berufungsgerichts, es komme darauf an, ob sie z u r Z e i t i h r e r R ü c k t r i t t s e r k l ä r u n g v o m 18. S e p t e m b e r 1904 die angeblichen Mängel der vorausgegangenen Zementlieferungen rechtzeitig und ordnungsmäßig gerügt gehabt habe, etwaige s p ä t e r e R ü g e n bezüglich f r ü h e r e r Lieferungen könnten ihrem am 18. September 1904 erklärten Rücktritt natürlich nicht zur Stütze dienen, als rechtsirrtümlich und ungenügend begründet bezeichnet und dabei namentlich darauf hingewiesen, daß zur Zeit dieser Rücktrittserklärung eine Genehmigung derjenigen Lieferungen nicht vorgelegen habe, bezüglich deren die Frist für die Mängelanzeige damals noch nicht abgelaufen gewesen sei. Diese Beschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat nämlich bei diesen Ausführungen dem Zeitpunkte der Mängelanzeige nicht nur für d i e Frage Bedeutung beigelegt, ob die Beklagte bezüglich der angeblich mangelhaften früheren Lieferungen den Vorschriften des § 377 HGB. Genüge geleistet habe, und somit diese Vorschriften nicht der Geltendmachung des fraglichen Rücktrittsrechts auf Grund dieser Lieferung entgegenständen — was nach vorstehender Erörterung rechtlich nicht zu beanstanden ist —, sondern es hat auch angenommen, daß Lieferungen der Klägerin, die schon vor der Rücktrittserklärung der Beklagten gemacht worden, damals aber von ihr noch nicht als mangelhaft beanstandet gewesen seien, selbst dann nicht zur Rechtfertigung dieses Rücktritts dienen könnten, wenn sie wirklich mangelhaft gewesen, und deren Mängel noch nachträglich innerhalb der durch § 377 HGB. bestimmten Frist gerügt worden sein sollten. Hierin liegt eine Überspannung der Bedeutung der letzteren Vorschrift bei ihrer Anwendung auf Sukzessivlieferungsverträge. Zwar kann, wie bereits oben ausgeführt ist, die Rücktrittserklärung des Käufers von einem solchen Vertrage nicht durch solche Lieferungen gereditfertigt werden, deren angebliche Mängel überhaupt nicht in einer den Vorschriften des § 377 entsprechenden Weise, also namentlich nicht rechtzeitig, gerügt worden sind. Hieraus ist aber nicht zu folgern, daß bezüglich jeder einzelnen mangelhaften Lieferung, durch welche eine Rücktrittserklärung gerechtfertigt werden soll, s c h o n z u r Z e i t d i e s e r E r k l ä r u n g eine den Vorschriften des § 377 entsprechende Mängelanzeige vorgelegen haben müsse, widrigenfalls die betreffende Lieferung überhaupt nicht für die Frage des Rücktritts in Betracht kommen könne. Vielmehr genügt es in dieser Hinsicht, wenn zur Zeit der Rücktrittserklärung die betreffende mangelhafte Lieferung bereits erfolgt war, und bezüglich ihrer vor Ablauf der in § 377 a. a. O. be-

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stimmten Frist, wenn auch erst nach der Rücktrittserklärung, eine dieser Vorschrift entsprechende Mängelanzeige nicht unterlassen wird. Das hier in Rede stehende Rücktrittsrecht des Käufers bei Sukzessivlieferungsgeschäften wird nämlich, wie in dem Urteil Bd. 57 S. 115 näher dargelegt ist, lediglich als Folge einer positven Vertragsverletzung gewährt. Sobald daher der Verkäufer durch mangelhafte Lieferungen die ihm obliegenden Vertragspflichten in solcher Weise verletzt hat, daß dadurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird, ist sofort das sich aus dieser Vertragsverletzung allein oder in Verbindung mit andern Vertragsverletzungen ergebende Rücktrittsrecht des Käufers an sich begründet, ohne daß es hierfür einer weiteren Rechtshandlung des letzteren bedürfte. Deshalb kann dieses Recht auch sofort durch eine dem Verkäufer gegenüber abzugebende Erklärung des Rüdetritts ausgeübt werden. Falls dann der Verkäufer die Berechtigung dieses Rücktritts bestreitet, so ist die Frage, ob bezüglich derjenigen Lieferungen, welche die Rücktrittserklärung des Käufers rechtfertigen sollen, eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Mängelanzeige vorliegt, i m R e c h t s s t r e i t auszutragen. Wenigstens ist aus der rechtlichen Natur und dem Inhalt der Rücktrittserklärung kein Grund gegen die Zulässigkeit einer solchen nachträglichen Rechtfertigung herzuleiten, ebenso nicht aus dem Inhalt und dem Zwecke der Vorschriften des § 377; denn durch diese nur für Käufe, die Handelsgeschäfte sind, im Interesse des Verkäufers erlassenen Spezialvorschriften des Handelsgesetzbuches sollte nicht so tief in die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegriffen werden, daß eine mangelhafte Lieferung, die nach diesen Grundsätzen ohne weiteres sich als eine Vertragsverletzung darstellt, g e m ä ß § 3 7 7 als solche erst von dem Zeitpunkte an anzusehen wäre, in dem bezüglich ihrer die vorgeschriebene Mängelanzeige erstattet ist. überdies tritt nach Abs. 2 dieses Paragraphen das Präjudiz der Genehmigung erst nach fruchtlosem Ablauf der Frist ein, innerhalb deren die Mängelanzeige hätte erstattet werden können. Bis dahin besteht die Befugnis des Käufers, seine Rechte aus einer mangelhaften Lieferung geltend zu machen, wenn auch mit dem fruchtlosen Ablauf dieser Frist die Unwirksamkeit einer solchen Rechtsausübung wegen nicht erfolgter Mängelrüge eintreten kann. Hiernach hat das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Rücktrittserklärung der Beklagten berechtigt war, mit Unrecht die vorher erfolgten, aber erst nachher gerügten zwei Zementlieferungen vom August 1904 und vom 8. September 1904 aus dem Grunde als nicht zur Rechtfertigung dieses Rücktritts geeignet erklärt, weil die angeblichen Mängel derselben d a m a l s n o c h n i c h t gerügt gewesen seien." . . .

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RGZ. 66, 186 + 1. Ist der Käufer einer Ware beim Vorliegen der Voraussetzungen des Notverkaufs gemäß § 379 Abs. 1 und 2 HGB. v e r p f l i c h t e t , bei Vermeidung des Verlustes der Berechtigung hierzu diesen Notverkauf a l s b a l d vorzunehmen? 2. Ist ein mittels öffentlicher Versteigerung vorgenommener Notverkauf, bei welchem der ursprüngliche Käufer die Ware angesteigert hat, als ein g ü l t i g e s , n e u e s Kaufgeschäft anzusehen? Wer hat In bezug auf das letztere als Verkäufer zu gelten? 3. Kann der ursprüngliche Käufer, welcher bei einem gemäß £§ 379 Abs. 2, 373 Abs. 4 HGB. auf sein Betreiben mittels öffentlicher Versteigerung erfolgten Notverkauf die beanstandete Ware gekauft hat, wegen eines nachträglich entdeckten weiteren Mangels derselben einen n o c h m a l i g e n Notverkauf auf Grund des u r s p r ü n g l i c h e n Kaufes vornehmen? 4. Ist die Befugnis des Käufers, gemäß § 379 Abs. 2 HGB. einen Notverkauf der beanstandeten Ware vorzunehmen, an die in Abs. 1 daselbst bestimmte Voraussetzung geknüpft, daß ihm die Ware auf Grund des in Frage stehenden Kaufvertrages von einem anderen Orte übersendet ist? 5. Können einem Notverkaufe, welcher trotz des Mangels einer oder mehrerer der in § 379 Abs. 1 HGB. bestimmten Voraussetzungen von dem Käufer vorgenommen ist, dennoch dann, wenn diesem ein Wandelungsrecht zugestanden hat, n a c h d e n G r u n d s ä t z e n d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g (§§ 677ff. BGB.) Rechtswirkungen dem Verkäufer gegenüber beigelegt werden?

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II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 7. Juni 1907 I. Landgericht Köln. II. Oberlandesgericht daselbst. Der Kaufmann S. in Berlin kaufte am 9. Dezember 1900 von dem in Köln wohnenden Beklagten 100 Kisten Kühlhauseier zum Preise von 60 M. für das Tausend. Die Eier wurden am 24. Dezember von Köln abgesandt und am 29. Dezember dem S. nach Einzahlung des bedungenen Vorschusses von 8000 M. ausgehändigt. Dieser stellte sie durch Telegramm vom 31. Dezember wegen Minderwertigkeit dem Beklagten zur Verfügung. Da der Beklagte aber keine Verfügung darüber traf, und durch die am 2. Januar 1901 vorgenommene Untersuchung der Ware modriger Geschmack derselben festgestellt wurde, ließ S. am 4. Januar 1901 an der Berliner Börse durch einen Kursinakler 74 Kisten Eier versteigern, und zwar ohne Ausschluß der Gewährleistung den Berliner Börsenusancen gemäß. Er selbst steigerte dieselben, die Kiste zu 3,40 M., unter Verlust von zwei Schock an. Eine erneute Untersuchung vom 7. Januar 1901 ergab, daß die Ware zur menschlichen Nahrung unbrauchbar und nur

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zu gewerblichen Zwecken verwendbar sei. Auf Grund einer Untersuchung vom 10. Januar wurde am 14. Januar 1901 nochmals begutachtet, daß die Eier als Nahrungsmittel untauglich seien. S. teilte darauf dem Beklagten am 15. Januar mit, e r werde die angesteigerten 74 und weitere 7 Kisten Eier versteigern lassen. Diese Versteigerung erfolgte am 19. Januar 1901 unter der Bezeichnung „Eier für gewerbliche Zwecke". Hierbei wurden nur 1317,90 M. erlöst. Am 26. Januar 1901 veranlaßte S. die gerichtliche Vernehmung von Sachverständigen zur Sicherung des Beweises, wodurch 214,30 M. Kosten entstanden. Die verauslagten Kosten für Fracht, Begutachtung und Versteigerung betrugen zusammen 626,92 M. Den Preis der von ihm angenommenen 19 Kisten Eier berechnete S. nach Abzug des durch die Sachverständigen begutachteten Verlustes auf 1596,92 M. Derselbe trat am 24. Mai 1901 sämtliche ihm aus diesem Geschäfte gegen den Beklagten zustehenden Rechte an die Klägerin ab. Diese erhob K l a g e mit dem Antrage, den Beklagten zu verurteilen, an Klägerin 5926,40 M. nebst 5 Prozent Zinsen von 5712,10 M. seit dem 29. Dezember 1900 und von 214,30 M. nebst 4 Prozent Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen. Diese Klage war auf die erwähnten Tatsachen und auf folgende weitere Behauptungen gestützt: der Beklagte sei verpflichtet, ihr die gezahlten 8000 M., sowie alle infolge der schlechten Qualität der Eier entstandenen Unkosten im Gesamtbetrage von 626,92 M. zu ersetzen, von welchen Beträgen mit zusammen 8626,92 M. der Kaufpreis der von S. angenommenen 19 Kisten Eier mit 1596,92 M. sowie der bei der z w e i t e n Versteigerung vom 19. Januar 1901 für die damals verkauften 81 Kisten Eier erzielte Reinerlös im Betrage von 1317,90 M., zusammen also 2914,82 M., in Abzug gebracht würden, so daß S. noch zu fordern gehabt habe 5712,10 M. Hierzu kämen noch die Kosten des Verfahrens zur Sicherung des Beweises mit 214,30 M., was die Klagesumme ergebe. Der Beklagte bestritt diese Forderung, da S. die etwaige schlechte Beschaffenheit der Eier, die sich in Berlin herausgestellt haben sollte, selbst verschuldet habe, die Eier übrigens auch bei ihrer Ankunft in Berlin zum größten Teil noch brauchbar gewesen seien. Die Klägerin bestritt diese Behauptungen. Die Klage wurde in erster Instanz vollständig und in zweiter Instanz bis auf einen der Klägerin zugesprochenen Teilbetrag von 731,20 M. nebst Zinsen abgewiesen. Auf die von der Klägerin wegen dieser Klageabweisung eingelegte Revision wurdS das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, und die Sache in diesem Umfange zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen aus folgenden

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Gründen: . . . „Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, daß die Klägerin weder einen Wandelungs- noch einen Preisminderungsanspruch, noch einen Anspruch auf mangelfreie Lieferung erhoben habe, sondern daß sie die Rückgabe des von dem Käufer S. auf die gekaufte W a r e geleisteten Vorschusses auf Grund des Kaufvertrages verlange. In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht es als der Vertragsabsicht der Parteien entsprechend erachtet, daß, wenn Mangelhaftigkeit der W a r e vorliegen sollte, an die Stelle des Anspruchs auf Erfüllung derjenige auf Rückgewähr des Kaufpreises trete. Ferner hat dasselbe den Beklagten als beweispflichtig für die von ihm behauptete ordnungsmäßige Erfüllung des Kaufvertrages angesehen, aber den Beweis, daß von ihm die W a r e in mangelfreiem Zustande geliefert worden sei, nicht für geführt erachtet. Demgemäß hat das Berufungsgericht die Klägerin für berechtigt gehalten, den Vorschuß abzüglich des Betrages, der, soweit die W a r e angenommen sei oder als angenommen zu gelten habe, dem Beklagten zustehe, zurückzufordern, und es hat den Beklagten für verpflichtet erklärt, die von dem Käufer gemachten Auslagen, vorbehaltlich der näheren Prüfung derselben, sich anrechnen zu lassen. I. Das Berufungsgericht hat daher zunächst von dem durch den Käufer gezahlten Vorschuß von 8000 M. folgende Summen in Abzug gebracht: A. für die von dem Käufer angenommenen 19 Kisten Eier, deren vertragsmäßigen Kaufpreis mit 1596,92 M.; B. den — abzüglich eines Betrages für Verlust — auf 588,35 M. berechneten g e s a m t e n ursprünglichen Kaufpreis derjenigen 7 Kisten Eier, welche der Käufer bei der Versteigerung der übrigen 74 Kisten vom 19. Januar 1901 hatte mitversteigern lassen, was folgendermaßen begründet ist: die Mitversteigerung der 7 Kisten am 19. Januar 1901 sei unzulässig gewesen; wenn S. dieselben nicht hätte annehmen wollen, so hätte er sie s o g l e i c h versteigern lassen müssen; diese 7 Kisten gälten daher als genehmigt; C. den bei der e r s t e n Versteigerung vom 4. Januar 1901 für die übrigen 74 Kisten erzielten Erlös von 5535,20 M., zu welchem Punkte in dem Berufungsurteile folgendes ausgeführt ist: da die W a r e dem Verderben ausgesetzt gewesen, sei der Käufer berechtigt gewesen, sie unter Beobachtung der Vorschrift des § 373 HGB. verkaufen zu lassen. Dagegen habe ihm nicht das Recht zugestanden, die angesteigerten Kisten n o c h m a l s versteigern zu lassen. Möge auch nach Ortsgebrauch eine Versteigerung ohne Ausschluß der Gewährleistung zulässig sein, so habe doch S. von den hieraus abzuleitenden Rechten nicht Gebrauch machen können. Er habe die

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Mangelhaftigkeit der Ware genau kennen müssen und sei jedenfalls verpflichtet gewesen, die erste Untersuchung so gründlich vornehmen zu lassen, daß die Mängel würden festgestellt worden sein. II. Als Auslagen des Käufers, welche der Beklagte sich anredinen zu lassen habe, sind in dem Berufungsurteile im ganzen 451,67 M. festgesetzt, während die von der Klägerin weiter beanspruchten Kosten von zusammen 175,25 M. für die n a c h der Versteigerung vom 4. Januar 1901 erfolgte Lagerung der Ware, für die z w e i t e Untersuchung und die z w e i t e Versteigerung derselben der Klägerin nicht zugebilligt worden sind. Endlich hat das Berufungsgericht auch den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten des Verfahrens zur Sicherung des Beweises im Betrage von 214,30 M. für nicht gerechfertigt erachtet, indem es erwog, dieser Anspruch sei i m P r o z e s s e nicht geltend zu machen; die betreffenden Kosten bildeten einen Teil der Kosten des Hauptprozesses; ihre Zubilligung sei Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens, und. daher seien sie i m U r t e i l nicht zu berücksichtigen. Demgemäß hat das Berufungsgericht den Beklagten für verpflichtet gehalten, der Klägerin 731,25 M. nebst Zinsen seit dem 29. Dezember 1900 zurückzuerstatten. Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob der von dem R e v i s i o n s b e k l a g t e n bestrittene Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß Klägerin keinen auf das g e s e t z l i c h e W a n d e l u n g s r e c h t des Käufers gestützten Anspruch geltend gemacht habe, der Klageanspruch vielmehr als auf Grund einer (stillschweigenden) vertraglichen Vereinbarung der Parteien erhoben anzusehen sei, richtig ist; denn die R e v i s i o n s k l ä g e r i n hat diese Annahme des Berufungsgerichts nicht angefochten, wie dieselbe auch hierdurch nicht beschwert ist; der Revisionsbeklagte aber hat keine Anschlußrevision eingelegt. Auch wenn man im übrigen mit dem Revisionsbeklagten annimmt, daß das Berufungsgericht mit Unrecht das Vorliegen eines Wandelungsanspruchs und demgemäß auch mit Unrecht die Beweispflicht der Klägerin hinsichtlich der vertragswidrigen Beschaffenheit der Ware (vgl. Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 57 S. 399) verneint habe, würde dies doch nicht zu einer Aufrechterhaltung des angefochtenen Teiles des Berufungsurteils führen können, falls die von der Revisionsklägerin erhobenen Angriffe begründet sein sollten. Die Entscheidung über die letzteren hängt aber ebenfalls nicht von der Beurteilung der von der Revisionsbeklagten angeregten Frage ab. Die Revisionsklägerin hat zunächst bezüglich des oben zu I, B angeführten Postens von 588,35 M. gerügt, daß das Berufungsgericht hierbei mit Unrecht für die am 19. Januar 1901 versteigerten 7 Kisten Eier den in dem ursprünglichen Kaufvertrage vom 9. Dezember 1900 vereinbarten Kaufpreis statt des weit geringeren Betrages, der bei

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der Versteigerung vom 19. Januar 1901 für diese Waren erlöst worden ist, als für die anzurechnende Forderung des Beklagten maßgebend erachtet habe; denn S. sei nach § 379 HGB. zur Versteigerung dieser 7 Kisten Eier zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet gewesen. Diese Beschwerde erscheint als begründet. Das Berufungsgericht hat nämlich anscheinend bezüglich a l l e r auf Veranlassung des S. versteigerten 81 Kisten Eier, also auch bezüglich der hier in Rede stehenden 7 Kisten, angenommen, daß S. berechtigt gewesen sei, dieselben s o f o r t n a c h i h r e r A n k u n f t i n B e r l i n (29. Dezember 1900) unter Beobachtung der Vorschriften des § 373 HGB. verkaufen zu lassen; denn es hat dies bezüglich der zum erstenmal am 4. Januar 1901 versteigerten 74 Kisten dieser Ware unter Hinweis darauf, daß die Ware dem Verderben ausgesetzt gewesen sei, ausdrücklich ausgesprochen. Wenn auch hierbei das weitere Erfordernis des § 379 Abs. 2 HGB., daß Gefahr im Verzuge sei, nicht besonders erwähnt ist, so läßt doch der g e s a m t e dieser Vorschrift im übrigen entsprechende Inhalt dieses Satzes des Urteils darauf schließen, daß das Berufungsgericht damit feststellen wollte, daß bezüglich dieser 74 Kisten die Voraussetzungen eines Notverkaufs im Sinne der bezogenen Bestimmungen für die angegebene Zeit, insbesondere auch noch am 4. Januar 1901, vorgelegen hätten. In Verbindung mit dieser Feststellung rechtfertigt aber die angefochtene, auf die 7 Kisten Eier sich beziehende Erwägung die Annahme, daß das Berufungsgericht den S. zum Verkauf dieser 7 Kisten Eier gemäß § 379 Abs. 1 und 2 HGB. zwar für die Zeit bis zum 4. Januar 1901, nicht aber auch für die spätere Zeit, insbesondere nicht mehr am 19. Januar 1901, für berechtigt erachtet hat. Der angefochtenen Erwägung scheint daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zugrunde zu liegen, daß der Käufer beim Vorliegen der Voraussetzungen des Notverkaufs gemäß § 379 Abs. 1 und 2 a.a.O. v e r p f i c h t e t sei, denselben bei Vermeidung des Verlustes der betreffenden Berechtigung a l s b a l d vorzunehmen. Diese Rechtsansicht ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu billigen. Vor allem ist dem Käufer weder durch § 379 — (der Käufer „ k a n n " . . . die Ware verkaufen lassen) — noch durch eine andere gesetzliche Vorschrift e i n e V e r p f l i c h t u n g auferlegt, beim Vorliegen der hierfür bestimmten Voraussetzungen den Notverkauf vorzunehmen. (Vgl. auch die Motive zum preußischen Entwurf des Allgmeinen Handelsgesetzbuchs Art. 264). Das hiernach lediglich vorliegende R e c h t des Käufers zur Vornahme eines Notverkaufs ist aber weder durch eine besondere gesetzliche Vorschrift, noch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an eine bestimmte Z e i t geknüpft. Aus § 379 Abs. 2 a. a. O. ist bezüglich der Dauer desselben nur so viel zu entnehmen, daß ein Notverkaufsrecht dann nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn die gesetzlich bestimmten

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Voraussetzungen, daß die Ware dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzuge sei, weggefallen sind. Solange aber diese Voraussetzungen noch vorliegen, erheischt in der Regel das Interesse des auswärtigen Verkäufers die Vornahme des Notverkaufs, was auch eine entsprechende Berechtigung des Käufers hierzu bedingt. Daß aber die fraglichen, Voraussetzungen am 19. Januar 1901 bezüglich der hier in Rede stehenden 7 Kisten Eier weggefallen gewesen seien, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es könnte sich daher höchstens noch fragen, ob die Verpflichtung des Käufers zur a l s b a l d i g e n Vornahme des Notverkaufs sich etwa aus den nach § 379 Abs. 2 für den Notverkauf maßgebenden Vorschriften des § 373 HGB. oder aus den für den Sel'bsthilfeverkauf anerkannten Reditsgrundsätzen herleiten läßt. Doch ist auch dies zu verneinen. Zunächst enthält § 373 selbst keine Vorschrift über die Zeit, in der der Selbsthilfeverkauf vorzunehmen ist. Wenn aber ferner in analoger Anwendung der Rechtsgrundsätze, welche von der Rechtsprechung für den Selbsthilfeverkauf anerkannt sind, anzunehmen ist, daß auch der Notverkauf von dem Käufer nicht absichtlich verzögert werden darf, um den Verkäufer zu schädigen, vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 20 S. 334, Bd. 21 S. 158; Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 41 S. 64, und daß auch g r o b e Fahrlässigkeit des Käufers bezüglich der verzögerten Vornahme des Notverkaufs in gleicher Weise zu beurteilen ist, vgl. Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 36 S. 89; B o l z e , Praxis Bd. 14 Nr. 441; Jurist. Wodienschr. 1892 S. 241 Nr. 18, 1901 S. 407 Nr. 27, so hat doch das Berufungsgericht bezüglich des hier in Rede stehenden Verhaltens des S. weder selbst das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen angenommen, noch auch solche tatsächlichen Feststellungen getroffen, auf Grund deren etwa eine a b s i c h t l i c h e oder g r o b f a h r l ä s s i g e Verzögerung des in Rede stehenden Notverkaufs dieser 7 Kisten Eier angenommen werden könnte. Namentlich schließt die einstweilige Aufbewahrung der Ware, für die zu sorgen der Käufer sogar nach § 379 Abs. 1 HGB. verpflichtet ist, nicht eine Verfügung über dieselbe in sich, welche der späteren Ausübung des fraglichen Notverkaufsrechts entgegenstände; es kann daher auch hierin nicht eine Genehmigung der einstweilen aufbewahrten Ware gefunden werden. Inwiefern aber diese im gegebenen Falle etwa aus einem anderen Grunde als genehmigt zu gelten hätte, hat das Berufungsgericht nicht dargelegt, namentlich nicht in irgendeiner Weise das Vorhandensein eines Genehmigungs w i l l e n s des S. festgestellt. Hiernach erscheint die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Mitversteigerung dieser 7 Kisten am 19. Januar 1901 unzulässig ge-

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w e s e n und das Ergebnis dieser Versteigerung daher für die fragliche F o r d e r u n g des Beklagten nicht maßgebend sei, als nicht gerechtfertigt. F e r n e r hat die Revisionsklägerin den Ansatz der oben zu I, C aufgeführten Forderung des Beklagten wegen Verletzung des § 460 BGB. und der §§ 286, 313 Nr. 4, 551 Nr. 7 ZPO. beanstandet, weil das Berufungsgericht den Anspruch des B e k l a g t e n auf den Erlös der zuerst am 4. und dann nochmals am 19. J a n u a r versteigerten 74 K i s t e n E i e r nach dem Ergebnisse der ersten Versteigerung, statt nach dem g e r i n g e r e n Ergebnisse der zweiten Versteigerung, berechnet habe. In dieser Hinsicht hat die Revisionsklägerin hauptsächlich gerügt, daß die A n n a h m e des Berufungsgerichts, S. habe die Mangelhaftigkeit der W a r e — daß sie nämlich für den menschlichen Genuß unbrauchbar sei — bei der Versteigerung vom 4. J a n u a r 1901 genau k e n n e n müssen, mit dem Tatbestande im Widerspruch stehe und jedenfalls tatsächlich nicht begründet sei und daß das Berufungsgericht auch das nach § 460 Satz 2 BGB. für den Ausschluß eines Gewährleistungsanspruchs des Käufers erforderliche V o r l i e g e n einer g r o b e n Fahrlässigkeit desselben in bezug auf seine Unkenntnis d e s fraglichen M a n g e l s zur Zeit der ersten Versteigerung nicht festgestellt habe. Diese Beschwerde erscheint nach beiden Richtungen hin als gerechtfertigt. W e n n , w a s oben bereits erörtert ist, die Versteigerung vom 4. J a n u a r 1901 als ein für Rechnung des Beklagten erfolgter Notverkauf im Sinne des § 379 Abs. 1 und 2 HGB. aufzufassen ist, so ist derselbe als ein neuer, selbständiger Kaufvertrag anzusehen, der zwischen d e m durch S. als gesetzlichen Bevollmächtigten v e r t r e t e n e n B e k l a g t e n als V e r k ä u f e r und S. eignen Namens als Käufer zu den von letzterem bei dieser Versteigerung gebotenen Preisen gültig zustande gekommen ist. Die Gültigkeit dieses Rechtsgeschäfts unterliegt namentlich im Hinblick auf die Vorschriften des § 373 Abs. 4 HGB. und d e s § 181 BGB. keinem Bedenken. Insbesondere ist aus § 379 Abs. 2 und § 373 Abs. 4 a. a. O. das Vorliegen eines der in § 181 BGB. vorgesehenen Ausnahmefälle herzuleiten, in denen dem V e r t r e t e r die V o r n a h m e eines Rechtsgeschäfts im Namen des V e r t r e t e n e n mit sich selbst im eigenen Namen gestattet ist; denn die sich aus den ersteren Vorschriften ergebende Befugnis des Käufers, bei einem mittels öffentlicher Versteigerung erfolgenden Notverkauf mitzubieten, schließt nach der dargelegten Natur dieses Rechtsgeschäfts zugleich die Befugnis in sich, den mittels dieser V e r s t e i g e rung zustande kommenden neuen Kauf als V e r t r e t e r des ursprünglichen V e r k ä u f e r s im Namen und für Rechnung desselben mit sich als Käufer im eigenen Namen abzuschließen. Auf Grund der V e r steigerung vom 4. J a n u a r 1901 standen daher dem S. als Käufer für

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den Fall der Mangelhaftigkeit der Ware dieselben Rechte zu wie einem dritten Käufer, also insbesondere nach §§ 459 und 462 BGB. ein Wandelungsrecht. Ob nun die Ware in bezug auf den mittels der Versteigerung vom 4. Januar 1901 zustande gekommenen Kauf als mangelhaft im Sinne des § 459 BGB. zu gelten hat, ist lediglich nach dem Inhalt d i e s e s Kaufes zu bestimmen. In dieser Hinsicht kommt aber in Betracht, daß nach dem Tatbestand diese Versteigerung ohne Ausschluß der Gewährleistung den Berliner Börsenusancen gemäß erfolgt und daß durch die nachher am 7. und 10. Januar 1901 vorgenommenen Untersuchungen der versteigerten Ware festgestellt worden ist, daß diese zur menschlichen Nahrung unbrauchbar sei. Aus den bezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt sich auch dessen Annahme, daß wegen des letzteren Mangels der am 4. Januar 1901 versteigerten Ware ein dem S. bezüglich des letzteren Kaufes zustehendes Wandelungsrecht anzuerkennen sein würde, wenn nicht die Bestimmung des § 460 Satz 2 BGB. deshalb dem entgegenstände, weil S. den letzteren Mangel der Ware (zur Zeit der Versteigerung vom 4. Januar 1901) genau habe kennen müssen, indem er verpflichtet gewesen sei, die e r s t e Untersuchung so gründlich vorzunehmen, daß der hier in Rede stehende Mangel schon vor der Versteigerung vom 4. Januar 1901 würde festgestellt worden sein. Mit Recht hat die Revisionsklägerin diese die Anwendbarkeit des § 460 Satz 2 a. a. O. im gegebenen Falle betreffenden Ausführungen als ungenügend beanstandet; denn vor allem erhellt aus denselben nicht, ob das Berufungsgericht sich dabei des nach § 460 Satz 2 bestehenden Erfordernisses bewußt gewesen ist, daß die Nichtkenntnis des Mangels seitens des Käufers auf g r o b e r Fahrlässigkeit desselben beruhen muß, und ob es auch eine g r o b e Fahrlässigkeit des 5. bezüglich der fraglichen Unkenntnis desselben als vorliegend erachtet hat." . . . (Wird näher ausgeführt.) . . . „Hiernach beruht die Verneinung eines dem S. bezüglich des Verkaufs vom 4. Januar 1901 zustehenden Wandelungsrechts auf Verletzung des § 460 Satz 2 BGB. und der §§ 286, 313 Nr. 4, 551 Nr. 7 ZPO. Daher wird auch die nur durch die Verneinung dieses Wandelungsrechts begründete Annahme des Berufungsgerichts, daß dem S. nicht das Recht zugestanden habe, die am 4. Januar 1901 von ihm angesteigerten Eier nochmals (für Rechnung des Beklagten) versteigern zu lassen, durch den seither erörterten Inhalt des angefochtenen Urteils nicht gerechtfertigt. Andererseits ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, auch bei der Unterstellung eines dem S. bezüglich des Kaufes vom 4. Januar 1901 zustehenden Wandelungsrechts, noch nicht, daß die zweite Versteigerung vom 19. Januar 1901 als ein gemäß § 379 Abs. 1 und 2 HGB. berechtigter Notverkauf erfolgt anzusehen sei. Es kommt

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in dieser Hinsicht nidit nur die von dem Revisionsbeklagten aufgeworfene, aber in den Vorinstanzen noch nicht erörterte und in Ermangelung der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen auch gegenwärtig noch nicht zur Entscheidung reife Frage, ob S. b e z ü g l i c h d i e s e s z w e i t e n K a u f e s dem Beklagten die nach § 377 HGB. notwendige Anzeige des Mangels der Unbrauchbarkeit der Eier zur menschlichen Nahrung rechtzeitig erstattet habe, sondern auch der weitere Umstand in Betracht, daß die aus dem Wortlaut des Abs. 1 des § 379 und dem Zusammenhange dieser Bestimmung mit derjenigen des Abs. 2 daselbst auch für den Notverkauf sich ergebende Voraussetzung, daß die W a r e dem Käufer v o n einem a n d e r e n O r t e ü b e r s e n d e t s e i , bezüglich der von S. a m 4. J a n u a r 1 9 0 1 e r s t e i g e r t e n W a r e nicht zutrifft; denn da letztere sich bereits vor dieser Versteigerung am Versteigerungsort Berlin im Besitz des sie ansteigernden ursprünglichen Käufers S. befand und dieser s i e daselbst bis zu der am 19. Januar 1901 erfolgten nochmaligen Versteigerung im Besitz behielt, so hatte eine Ubersendung der W a r e auf Grund des hier in Rede stehenden Kaufes vom 4. Januar 1901 nicht stattzufinden und hat auch nicht; stattgefunden. Letzterer Kauf ist daher nicht als ein Ubersendungskauf im Sinne des § 379 Abs. 1 und 2 (vgl. Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 33 5. 25) anzusehen. Namentlich kommt hierbei der Umstand, daß dieselbe W a r e Gegenstand eines früheren, zwischen denselben Personen geschlossenen Ubersendungskaufs gewesen war, für den Verkauf vom 19. Januar 1901 nicht weiter in Betracht, da S. das ihm auf Grund des ersten Kaufes gemäß § 379 a. a. O. zustehende Notverkaufsrecht bereits mittels der Versteigerung vom 4. Januar 1901 ausgeübt hatte und dasselbe somit zur Zeit der Versteigerung vom 19. Januar 1901 erloschen war. Da aber jedenfalls die hier allein unmittelbar in Betracht kommende Vorschrift des § 379 Abs 2 wegen der darin liegenden Beschränkung des dem Verkäufer im Falle der Wandelung nach §'§ 467, 346 BGB. zustehenden Rechtes auf Zurücknahme der W a r e als eine handelsrechtliche Ausnahmebestimmung aufzufassen ist, so erscheint eine a n a l o g e Anwendung derselben in solchen Fällen als ausgeschlossen, in, denen zwar die Voraussetzung des § 379 Abs. 1 HGB. nicht vorliegt, im übrigen aber der alsbaldige Verkauf einer vom Käufer beanstandeten W a r e durch diesen im Interesse des Verkäufers liegen mag. Wenn aber auch hiemach die zweite Versteigerung vom 19. J a nuar 1901 nicht als ein Notverkauf im Sinne des § 379 Abs. 1 und 2 HGB. anzusehen und dieselbe daher von d i e s e m rechtlichen Gesichtspunkte aus nicht zu rechtfertigen ist, so ist hieraus doch nicht o h n e w e i t e r e s zu folgern, daß die Klägerin sich i n k e i n e r W e i s e dem Beklagten gegenüber auf das Ergebnis der durch S.

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veranlaßten nochmaligen Versteigerung der W a r e vom 19. Januar 1901 berufen dürfe, vielmehr das Ergebnis der ersten Versteigerung vom 4. Januar 1901 s c h l e c h t h i n für den betreffenden Anspruch des Beklagten maßgebend sei; denn es ist trotz der Nichtanwendbarkeit des § 379 a.a.O. dann, wenn bezüglich des Kaufes vom 4. Januar 1901 ein Wandelungsrecht des S. begründet gewesen sein, sollte, bei der gegebenen Sachlage die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß der nochmaligen Versteigerung der fraglichen W a r e vom 19. Januar 1901 n a c h d e n G r u n d s ä t z e n d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g (§§ 677 ff. BGB.) gegenüber dem Beklagten als Geschäftsherrn Rechtswirkungen beigelegt werden könnten, welche geeignet wären, den Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung des Ergebnisses dieser Versteigerung bei Bemessung d e r bezüglichen Forderung des Beklagten ganz oder teilweise zu rechtfertigen. Wenn nämlich auf Grund des dem Käufer S. gemäß dem Kaufe vom 4. Januar 1901 etwa zustehenden Wandelungsanspruchs der Beklagte als Verkäufer, für dessen Rechnung dieses Rechtsgeschäft als abgeschlossen zu gelten hat, zur Zurücknahme der am 4. Januar 1901 versteigerten Ware verpflichtet gewesen sein sollte, so könnte vielleicht wegen des zu befürchtenden weiteren Verderbs der Ware oder aus anderen Gründen auch die n o c h m a l i g e Versteigerung derselben in Berlin als dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprechend erachtet werden. Vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 12 S. 132, Bd. 16 S. 326. Hiernach ist die erörterte Begründung des Berufungsurteils nicht genügend, um die Festsetzung des hier in Rede stehenden Anspruchs des Beklagten nach dem Ergebnis der Versteigerung vom 4. Januar 1901 zu rechtfertigen. Vielmehr besteht die rechtliche Möglichkeit, daß es in dieser Hinsicht auch auf das Ergebnis der Versteigerung vom 19. Januar 1901 ankommen könnte. Zur Entscheidung dieser Frage bedarf es aber weiterer tatsächlicher Feststellungen auf Grund der oben dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte. Dasselbe gilt auch von dem seitens der Klägerin erhobenen, aber vom Berufungsgericht aberkannten Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten, welche durch die n a c h der Versteigerung vom 4. Januar 1901 stattgehabte Lagerung der Ware, die z w e i t e Untersuchung und die z w e i t e Versteigerung derselben entstanden sind, in welcher Hinsicht eine weitere Revisionsbeschwerde erhoben ist; denn die Entscheidung über diesen Anspruch der Klägerin hängt hauptsächlich von der Beantwortung der oben erörterten Fragen ab, ob dem S. auf Grund der Versteigerung vom 4. Januar 1901 ein Wandelungsanspruch und bejahendenfalls ein Anspruch aus nützlicher Geschäftsführung entstanden ist.

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RZG.68, 368 .1. Befreien die Schwierigkeit der Entdeckung eines Mangels der Ware und der Umstand, dafi der Mangel selten vorkommt, den Käufer von der in § 377 HGB. vorgesehenen Untersudiungspflidit? 2. Kann, wenn die Feststellung eines Mangels der Ware nur durdi Verbrauch oder Verarbeitung möglidi ist, der Mangel audi dann noch bezüglich der ganzen Ware gerügt werden, wenn mehr verbraucht oder verarbeitet wurde, als zur Feststellung erfordernd! war? HGB. § 377. II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 12. Mai 1908.

I. Landgericht Köln, Kammer für Handelssachen. daselbst.

II. Oberlandesgericht

Aus den G r ü n d e n : „Mit der vom Landgerichte abgewiesenen, dagegen vom Oberlandesgeiichte zugesprochenen Klage beansprucht die Klägerin Zahlung des Kaufpreises für 99 080 kg Braugerste, welche sie auf Grund eines Abschlusses aus dem August 1906 am 29. September dieses Jahres der Beklagten geliefert hat, zum Betrage von 19 419,68 M., abzüglich der Zoll- und Werftgebühren in Höhe von 4119,35 M. Die Beklagte hat von dieser Gerste in der Zeit bis zum 8. September 50 000 kg vermälzt; durch Schreiben von diesem Tage stellte sie den Rest der Ware und das daraus hergestellte Malz der Klägerin zur Verfügung, u. a. mit der Begründung, bei der Verarbeitung habe sich ergeben, daß die Keime vorzeitig abstürben und die Ware danach als Braugerste unbrauchbar sei. Auf diese Behauptung gestützt, verweigerte sie demnächst die Zahlung des geforderten Kaufpreises, indem sie den Wandelungsanspruch erhob. Die Klägerin hatte sich demgegenüber auf § 377 HGB. berufen und in dieser Hinsicht aufgestellt, daß eine ordnungsmäßige und rechtzeitige Untersuchung und Mängelanzeige bezüglich der streitigen Ware nicht erfolgt sei; insbesondere sei es unzulässig gewesen, daß die Beklagte, ohne die zur Entdeckung des streitigen Fehlers geeignete Untersudiung an einem hierfür genügenden Teil eintreten zu lassen, mehr als die Hälfte der ihr gelieferten Gerste vermälzt und dadurch auch für Futterzwecke unbraudibar und wertlos gemacht habe. Wäre eine solche ordnungsmäßige, an einer verhältnismäßig geringen Quantität mögliche Untersuchung vorgenommen worden, so wäre der behauptete Mangel, wenn er überhaupt vorhanden gewesen sei, auch mehrere Tage früher festgestellt worden; die am 8. Oktober 1906 erfolgte Mängelanzeige sei daher auch verspätet gewesen. Das Oberlandesgericht ist diesen Ausführungen nicht beigetreten; es hat vielmehr eine besondere Untersuchung überhaupt nicht für erforderlich und die Mängelanzeige nach Entdeckung des Fehlers im HGB. 3

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ordentlichen Geschäftsbetriebe gemäß § 377 für nicht verspätet erachtet. Diese Annahme bietet Anlaß zu rechtlichen Bedenken, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müssen. Sie beruht im wesentlichen darauf, daß das vorzeitige Absterben der Wureeikeime (mangelhafte Keimenergie), sofem es in der Beschaffenheit der Gerste seinen Grund habe, ein selten vorkommender, geheimer Fehler sei, da er sich nicht an äußeren Merkmalen erkenen lasse, sondern erst bei der Vermälzung einer größeren Gerstenmenge nach 4—5 Keimtagen hervortrete; die sonst übliche Untersuchung decke den erwähnten Fehler nicht auf. Eine Untersuchung, die sich nicht auf die Feststellung dieses geheimen Fehlers erstrecke, sondern auf die Bestimmung der Keimfähigkeit und der chemischen Zusammensetzung beschränke, müsse als ordnungsmäßig nach § 377 erachtet werden. Da sich bei der Vergleichung der Ware mit dem Kaufmuster herausgestellt habe, daß die Ware dem Muster entsprochen habe, so habe die Beklagte die gesamte Ware ohne weiteres verarbeiten dürfen. Diese Ausführungen sind um deswillen rechtlich nicht zutreffend, weil weder die Schwierigkeit der Entdeckung eines Mangels, noch der Umstand, daß er selten vorzukommen pflegt, grundsätzlich den Käufer von der darauf gerichteten Untersuchungspflicht nach § 377 entbinden kann. Dabei ist, soweit ein Fehler nicht anders als durch teilweise Verarbeitung und wesentliche Umgestaltung der Ware oder teilweisen Verbrauch ermittelt werden kann, die Verarbeitung oder der Verbrauch in dem notwendigen Umfange nicht nur zulässig, sondern auch erforderlich. Insbesondere ist das von der Rechtsprechung für Braugerste — namentlich bezüglich des hier in Frage stehenden Mangels — sowie für ähnliche Waren, wie Mehl u. dgl., wiederholt ausgesprochen worden. Vgl. Entsdi. des RG.s in Zivils. Bd. 47 S. 20; B o l z e , Praxis Bd. 15 Nr. 357, Bd. 7 Nr. 561; Entsch. des ROHG.s Bd. 8 S. 174, Bd. 9 S. 404, Bd. 12 S. 91, Bd. 22 S. 151; S t a u b - K ö n i g e , zu § 377 Anm. 13 S. 1603. Dabei ist aber, im Interesse des Verkäufers, der die Ware eventuell zurückzunehmen hat, diese Verarbeitung jedenfalls annähernd auf die Quantität zu beschränken, die für die Feststellung des Mangels erforderlich ist. Darüber hinaus und namentlich dann, wenn wie im vorliegenden Falle mehr als die Hälfte der Ware in einer Menge von 50 000 kg verarbeitet wurde, kann von einer Untersuchung der Ware nicht mehr die Rede sein; vielmehr handelt es sich hier in Wirklichkeit um eine Verfügung über die Ware o h n e die nach dem Gesetze erforderliche Untersuchung. Nach dem vom Oberlandesgericht angezogenen Gutachten waren für den in Frage kommenden Tennenvermälzungsversuch mindestens 2 Zentner erforderlich, zweck-

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mäßig aber 4—5 Zentner Gerste zu verwenden. Danach hat die Beklagte, soweit die bisherigen Feststellungen des Oberlandesgericiits reichen, der ihr obliegenden Untersuchungspflicht nach § 377 nicht genügt. Weiterhin kommt aber in Betracht, daß, wenn eine Untersuchung bei Verarbeitung der angegebenen geringeren Quantität vorgenommen wäre, hierzu nach dem Sachverständigengutachten eine nicht unwesentlich kürzere Zeit erforderlich gewesen wäre; ein Moment, das für die von der Klägerin ebenfalls bestrittene Rechtzeitigkeit der Mängelrüge von Bedeutung sein mußte und daher nicht hätte unerörtert bleiben dürfen. Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Zur Sache mußte, da es noch auf weitere Erörterungen nach den bezeichneten Richtungen ankommt, die Zurüdtverweisung an das Berufungsgericht erfolgen." RGZ. 73, 257 Wekhe rechtliche Wirkungen hat die Arbitrageklausel? Einrede des nichterfüllten Vertrages bei Mangelhaftigkeit der Ware. Selbsthilfeverkauf vor Durchführung der Arbitrage. II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 18. März 1910 I. Landgericht Bremen, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgeridit Hamburg. Die Beklagte hatte von der Klägerin eine größere Menge Knopflack auf Abruf gekauft und nachher mit ihr vereinbart, daß statt des Knopflacks Rubinschelladc geliefert werden solle. In dem Kaufvertrage war bestimmt, daß alle Meinungsverschiedenheiten über die Beschaffenheit der Ware durch Arbitrage zu regeln seien, die durch von den Parteien zu ernennende Sachverständige zu erfolgen habe. Die Beklagte beanstandete die Qualität der vier zuerst übersandten Kisten und erklärte der Klägerin, daß sie die Sendung zur Verfügung stelle. In dem darauf folgenden Briefwechsel vertrat die Klägerin die Ansicht, daß die Beklagte unter keinen Umständen zur Verfügung stellen, sondern nur Arbitrage verlangen könne. Als die Beklagte der Aufforderung, über die noch zu liefernden 23 Kisten zu verfügen, nicht nachkam, schritt die Klägerin bezüglich dieser 23 Kisten zum Selbsthilferverkauf. Mit der vorliegenden Klage verlangte die Klägerin, welche die 23 Kisten selbst angesteigert hatte, die Zahlung des Kaufpreises aller 27 Kisten abzüglich des Versteigerungserlöses. Das Landgericht machte die Entscheidung abhängig von einem die Vereinbarung der Arbitrageklausel betreffenden richterlichen Eide der Beklagten. Im Falle der Verweigerung der Eidesleistung sollte die Beklagte verurteilt werden, den eingeklagten Betrag zu zahlen, jedoch unter dem Vorbehalt, ihre etwaigen Ansprüche wegen des Minder4«

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werts im Arbitrageverfahren geltend zu machen. Das Oberlandesgericht erkannte unbedingt auf die Zahlung mit dem angegebenen Vorbehalt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden _ .. , Gründen: „Das Berufungsgericht führt aus, daß die die Arbitrageklausel enthaltenden allgemeinen Vertragsbedingungen, die beim Kaufe des Knopflackes vereinbart worden waren, auch für die über den Rubinschellack geschlossenen Geschäfte Geltung behalten hätten, und daß daher für den vom Landgericht auferlegten richterlichen Eid kein Raum mehr sei. . . . Weiter ist erwogen, auch wenn die gelieferten vier Kisten und die angebotenen 23 weiteren Kisten vertragswidrig gewesen seien und dem Muster nicht entsprochen hätten, habe die Beklagte nicht das Recht gehabt, die Ware zur Verfügung zu stellen, vielmehr habe sie ihre auf Minderung beschränkten Ansprüche im Arbitrageverfahren verfolgen müssen. In dem gegenwärtigen Prozesse komme es auf die Frage, ob vertragsmäßig geliefert oder angedient sei, nicht an. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, das Arbitrageverfahren zwangsweise durchzuführen; die säumige, wiederholt auf das Verfahren hingewiesene, Beklagte müsse sich vielmehr gefallen lassen, so behandelt zu werden, wie wenn sie von der Befugnis der Arbitrage keinen Gebrauch machen wolle. Sie könne sich daher im Prozesse der Verpflichtung zur vertraglichen Leistung nicht einfach unter Berufung darauf entziehen, daß sie vor Durchführung der Arbitrage nicht zu zahlen brauche; mindestens sei dieser Einwand in einem Falle wie dem hier gearteten nicht begründet, wo die Klägerin ausdrücklich erklärt habe, daß der Beklagten ihre etwaigen Minderungsansprüche für das Arbitrageverfahren vorbehalten bleiben sollten. Da die Beklagte sich in Annahmeverzug befunden habe, sei der Selbsthilfeverkauf gerechtfertigt gewesen. Die Revisionsklägerin macht geltend, durch die Arbitrageklausel sei ihr Recht, mangelhafte Ware zurückzuweisen, unberührt geblieben. Deshalb und weil für die Revisionsinstanz zu unterstellen sei, daß die nicht gelieferten 23 Kisten ebenso wie die vier gelieferten vertragswidrige W a r e enthalten hätten, stehe dem Zahlungsbegehren der Klägerin die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegen. Auf jeden Fall sei mangels Angebotes vertragsmäßiger Ware kein Annahmeverzug eingetreten, und der Selbsthilfeverkauf darum ungerechtfertigt gewesen. Diese Ausführungen werden der Bedeutung der Arbitrageklausel nicht gerecht. Das Wesentliche der Klausel besteht darin, daß der Käufer auch eine mangelhafte Ware annehmen muß und im Falle der Mangelhaftigkeit, unter Ausschluß der sonst aus der Gewährleistungspflicht sidi ergebenden Rechte, nur Anspruch auf Minderung des

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Preises nach Maßgabe der Schätzung von Gutachtern hat. Im vorliegenden Fall ist dies in den allgemeinen Vertragsbedingungen noch besonders hervorgehoben durch die der Klausel beigefügte ausdrückliche Bestimmung, daß der Käufer nicht berechtigt sei, wegen Mangelhaftigkeit der Ware von dem Vertrage zurückzutreten oder Nachlieferung mangelfreier W a r e zu fordern, sondern nur Ersatz des Minderwertes beanspruchen könne. Daraus folgt, daß die Beklagte nicht nur bezüglich der gelieferten vier Kisten auf die Minderung beschränkt war, sondern auch die Annahme der angebotenen 23 weiteren Kisten nicht schon aus dem Grunde verweigern durfte, weil die Ware mangelhaft beschaffen sei. Die Zurückweisung des Angebotenen enthielt notwendig gleichzeitig das Verlangen, daß die Klägerin im Falle mangelhafter Lieferung sich auch anderen Gewärleistungsansprüchen als der Minderung fügen müsse. Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags berufen. Die Einrede ist eben dadurch ausgeschlossen, daß die Beklagte auch eine mangelhafte Ware als Vertragserfüllung annehmen mußte und nur Herabsetzung des Kaufpreises verlangen konnte. Die gerügte Verletzung der §§ 320 ff. BGB. liegt deshalb nicht vor. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß die Beklagte nicht etwa Beanstandungen gegen die W a r e erhoben hat, die nach Lage des Falles als überhaupt nicht unter die Klausel fallend anzusehen sind. Aber auch in dieser Richtung bestehen keine Bedenken. Die Beklagte hat in erster Instanz die Zurückweisung der Ware nur darauf gestützt, daß die gelieferten vier Kisten einen beträchtlich höheren Harzgehalt gehabt hätten als die Probe und hierdurch eine geringere Qualität darstellten; und in der Berufungsinstanz hat sie weiter nur vorgebracht, daß die gelieferte Ware auch mit anderen die Wandelung iechtfertigenden Mängeln behaftet gewesen sei; sie sei mit sehr viel Staub und Unreinlichkeit gemischt; ferner braun, ungleichmäßig im Äußeren und glasig im Bruch gewesen. Daß danach Mängel vorliegen würden, über welche, die Vereinbarung der Arbitrage vorausgesetzt, nicht durch Arbitrage zu entscheiden wäre, wurde nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Da das Berufungsgericht hiernach ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen ist, daß die Beklagte nicht nur die gelieferten vier Kisten wegen der von ihr gerügten Mängel nicht zurückweisen durfte, sondern auch die angebotenen 23 weiteren Kisten anzunehmen hatte, stand auch rechtlich nichts im Wege, daß die Beklagte bezüglich der angebotenen Kisten in Annahmeverzug kam, und daß die Klägerin in Ausübung der Befugnis des § 373 Abs. 2 HGB. diese 23 Kisten für Rechnung der Beklagten öffentlich versteigern ließ. Der Annahmeverzug ergab sich nach § 295 BGB. aus dem Umstände, daß die Be-

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klagte, die auf Abruf gekauft hatte, trotz mehrfacher Aufforderung der Klägerin, über die Kisten zu verfügen, den Abruf unterließ. Unbegründet ist ferner der Revisionsangriff, der auf Grund des Selbsthilfeverkaufs erhobene Zahlungsanspruch sei dadurch ausgeschlossen, daß die Arbitrage noch nicht durchgeführt sei. Die Parteien haben sog. freundschaftliche Arbitrage vereinbart! zur Durchführung ist also die — freiwillige oder erzwungene — Mitwirkung der Beklagten notwendig. Die Beklagte hat sich aber, trotz Aufforderung, zur Mitwirkung nie, auch nicht im Prozesse, bereit erklärt, obwohl sie unbeschadet ihres grundsätzlichen Standpunkts, daß Arbitrage überhaupt nicht vereinbart sei, sich vorsorglich darauf hätte einlassen können. Da die Vornahme der Arbitrage nicht dem Interesse der Klägerin dienen soll, sondern den Zweck hat, den etwaigen Minderungsanspruch der Beklagten zu verwirklichen, hat die Klägerin nicht die Pflicht, im Klagewege die Beklagte zur Durchführung anzuhalten, kann es vielmehr ihr überlassen, ob sie von dem ihr zu Gebot stehenden Mittel, ihren etwaigen Minderungsanspruch durchzusetzen, Gebrauch machen will. Solange sich die Beklagte aber weigert, von dem ihr zukommenden Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, und damit selbst den etwaigen Minderungsanspruch ncht geltend machen will, ist auch die Klägerin nicht gehindert, denselben Standpunkt) einzunehmen und durch Anforderung des ungeminderten Kaufpreises die Beklagte so zu behandeln, wie wenn sie von der Arbitrageklausel überhaupt keinen Gebrauch machen wollte. Sodann hält die Revisionsklägerin mit Unrecht dem Klaganspruch entgegen, die Klägerin habe durch den Selbsthilfeverkauf die Arbitrage unmöglich gemacht; ihre Erklärung, daß der Beklagten ihre etwaigen Minderungsansprüche für ein künftiges Arbitrageverfahren gewahrt bleiben sollten, sei ohne rechtliche Bedeutung; sie habe durch den Verkauf über die Ware verfügt, und an dieser Verfügung werde auch durch die im Rethtssinne zufällige Tatsache nichts geändert, daß sie die Ware selbst erstanden habe. Wenn die Klägerin zufolge des Annahmeverzugs der Beklagten an sich befugt war, zum Selbsthilfeverkauf zu schreiten, ist nicht abzusehen, aus welchem Grunde die Arbitrageklausel als solche der Ausübung dieser Befugnis entgegenstehen sollte. Eine andere Frage ist, welche Folgen es gehabt hätte, wenn die an sich berechtigte Verfügung dazu geführt hätte, daß die Arbitrage und damit die Feststellung des etwaigen Minderungsanspruchs der Beklagten nicht mehr stattfinden könnte. Dieser Fall liegt aber nicht vor. An der Durchführbarkeit der Arbitrage wurde durch den Selbsthilfeverkauf nichts geändert, da die Klägerin die Ware selbst ersteigert hat. Außerdem hat schon der erste Richter, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht verweist, zutreffend erwogen, daß die Beklagte einen Teil der Ware,

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nämlich die gelieferten vier Kisten, bereits im Besitze gehabt habe, und daß sie nach ihrem Vorbringen gerade die Qualität dieser vier Kisten als entscheidend ansehe." . . . RGZ. 73, 379 1 2 3. Zum Begriff der Ablieferung im Sinne des § 377 Abs. 1 HGB. II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 19. April 1910 Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil 1". RGZ. 84, 355 Was ist in § 378 HGB. unter einer Abweichung zu verstehen, die so erheblich ist, dafi der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 31. März 1914 I. Landgericht Hannover. II. Oberlandesgericht Celle. Die Beklagte lieferte der Klägerin versehentlich Chloraluminium statt des bestellten Aluminiumchlorats. Der auf die Lieferung der falschen Ware gestützte Schadensersatzanspruch der Klägerin wurde von dem Landgericht und dem Oberlandesgericht für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . .Die angefochtene Entscheidung beruht auch nicht auf der von der Revision weiter gerügten Verletzung der §§ 377, 378 HGB. In dieser Beziehung ist außer Streit, daß die Beklagte nicht etwa nur eine mangelhafte Ware geliefert hat, sondern daß das Gelieferte eine ganz andere, für die Zwecke der Klägerin unbrauchbare und zur Vertragserfüllung überhaupt ungeeignete Ware gewesen ist. Trotzdem ist die Revision der Meinung, daß die Klägerin aus dem ordnungswidrigen Verhalten der Beklagten keine Rechte mehr ableiten könne, weil sie die in § 377 a. a. O. vorgeschriebene unverzügliche Anzeige nicht erstattet habe. Die Revision gründet diese Auffassung auf die Tatsache, daß die Lieferung der anderen Ware ohne Wissen und Willen der Beklagten, nur zufolge einer Verwechslung stattgefunden hat. Sie macht geltend, in einem solchen Falle greife die in dem Schlußsatz des § 378 vorgesehene Ausnahme von der Untersuchungs- und Anzeigepflicht nicht Platz; wenn das Gesetz dort davon spreche, daß der Verkäufer die Genehmigung der Ware als ausgeschlossen betrachten müsse, so setze dies notwendig voraus, daß der Verkäufer wisse, was er liefert. Die Bedeutung der Vorschrift sei darin zu finden, daß der Verkäufer, der wissentlich eine

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andere Ware geliefert hat, sich auf das Unterbleiben der Anzeige nicht solle berufen dürfen, wenn er nach der Art der Abweichung von der Bestellung die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen habe betrachten müssen. Diese Auslegung des Gesetzes kann nicht als richtig anerkannt werden. Die Vorschriften des alten Handelsgesetzbuches über die Untersuchungs- und Anzeigepflicht (Art. 347 ff.) bezogen sich, was unbestritten ist, nur auf die sog. Qualitätsmängel. Das neue Handelsgesetzbuch hat durch das in § 378 Bestimmte grundsätzlich auch die sog. Quantitätsmängel und den hier in Betracht kommenden Fall der Lieferung einer anderen W a r e einbezogen, aber diejenigen Fälle ausgenommen, in denen die Abweichung von der Bestellung offensichtlich so erheblich ist, daß „der Verkäufer die Genehmigung des Verkäufers als ausgeschlossen betrachten mußte". Damit war, wie die Denkschrift zum Entwurf des Gesetzes, S. 225/26, klar ergibt, beabsichtigt, die Grenzlinie zwischen Regel und Ausnahme so zu ziehen, daß nicht die subjektive Auffassung des Verkäufers, sondern das objektiv vorhandene Maß der Abweichung entscheiden soll. Hat aber danach die subjektive Auffassung des Verkäufers außer Betracht zu bleiben, so ist es gleichgültig, ob der Verkäufer sich irgendwelche Gedanken über die Frage der Genehmigung des Käufers gemacht hat und ob er überhaupt Kenntnis von der Vertragswidrigkeit der Ware hatte. Das wird auch in der Denkschrift ausdrücklich anerkannt. Die abweichende Ansicht der Revision beruht auf einer ungerechtfertigten Betonung des nackten Wortlauts des Gesetzes, der keineswegs in diesem Sinne verstanden zu werden braucht, sich vielmehr ohne weiteres daraus erklärt, daß der Verkäufer auch dann, wenn er nicht weiß, was er liefert, immer die handelnde Person bleibt, der gegenüber die gesetzliche Vorschrift eingreift. Die von der Revision vertretene Meinung wird denn auch, soweit ersichtlich, in der Literatur und Rechtsprechung nirgends geteilt." . . . RGZ. 86, 90 Lieferung mangelhafter Ware und Lieferung von Ware einer anderen Art als der bedungenen. Finden auf eine nach dem Regelfalle des § 378 HGB. zu beurteilende Lieferung die Vorschriften über Gewährleistung wegen Mängel der Sadie Anwendung? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 18. Dezember 1914 I. Landgericht I Berlin. II. Kammergericht daselbst. Die Frage ist bejaht worden. Aus den G r ü n d e n : . . . „Die Beklagte hat von der Klägerin 150 Stück KawamattaSeide . . . gekauft. Es wurden ihr von der Klägerin zunächst 150 Stüde Sendai-Seide übersandt. Als sie diese Lieferung mit Schrei-

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ben vom 29. April und 1. Mai 1911 zurückwies, hat die Klägerin mittels Schreibens vom 2. Mai an Stelle der geschickten Sendai-Seide Kawamatta-Seide angeboten und bereits am 3. Mai auch tatsächlich übersandt. Die Beklagte hat aber die Annahme auch dieser Sendung abgelehnt. Sie behauptet, Sendai-Seide sei weniger wert als Kawamatta-Seide und eine andere Qualität als diese; sie will nicht verpflichtet sein, nach Zurückweisung der ihr übersandten, von ihr nicht bestellten Sendai-Seide die dann erst angebotene Kawamatta-Seide anzunehmen. Sie macht auch geltend, daß sie an der Ersatzlieferung kein Interesse mehr gehabt habe. Demgegenüber vertritt die Klägerin den Standpunkt, daß Sendai- und Kawamatta-Seide, die unstreitig aus verschiedenen Provinzen Japans stammen, Waren anderer Art seien. Auch behauptet sie, daß Sendai-Seide besser als Kawamatta-Seide sei sowie daß die Beklagte, die die Sendai-Seide bereits am 19. April erhalten, die Rüge gegen diese Ware erst am 29. April, also verspätet erhoben habe. Beide Vorderrichter haben angenommen, Sendai-Seide sei eine andere Gattung von Seide als Kawamatta, also eine andere Ware; die Waren unterschieden sich nicht nur nach dem Herkunftsorte, sondern seien innerlich anders geartet, indem die Kawamatta-Seide durch die Färbung viel dichter werde als Sendai-Seide. Bei dem Kauf von japanischer Rohseide könne wohl Kawamatta- oder Sendai-Seide geliefert werden, bei dem Kauf von Kawamatta- aber nicht SendaiSeide; im Verhältnis zu Kawamatta-Seide sei Sendai-Seide etwas anderes. Bei der Übersendung der Sendai-Seide durch die Klägerin habe es sich also nicht um einen Gewährsmangel der gelieferten W a r e gehandelt. Auf den nach § 378 HGB. zu beurteilenden Streit der Parteien fänden nicht die Vorschriften über Gewährleistung wegen Mängel der Sache (§§ 459 ff. BGB.) Anwendung, vielmehr habe Klägerin überhaupt noch nicht geliefert, so daß die allgemeinen Vorschriften, insbesondere diejenigen über den Erfüllungsverzug Platz zu greifen hätten. Danach aber habe die Beklagte die nachträglich angebotene Kawamatta-Ware nur zurückweisen dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 326 BGB. gegeben wären. Das sei hier nicht der Fall; eine Fristsetzung habe nicht stattgehabt und dafür, daß die Beklagte infolge des Verzugs der Klägerin an der Lieferung kein Interesse gehabt habe, sei nichts erbracht. Die von der Beklagten behauptete ungünstige Gestaltung der Preislage oder der Geschäftsaussichten reichten dazu nicht aus. Die Beklagte habe sich bei der Zurückweisung der Ersatzlieferung in Annahmeverzug (§ 295 BGB.) befunden und müsse den Kaufpreis bezahlen. Die Annahme des Vorderrichters, daß Sendai-Seide eine andere Gattung von Seide sei als Kawamatta, wird von der Beklagten mit der Revision nicht bemängelt; ein Rechtsirrtum ist in ihr auch nicht

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ersichtlich. Der Folgerung aber, die die Vorderrichter daraus gezogen haben, daß eine andere Ware (ein aliud) geliefert sei, ist nicht beizutreten. § 378 HGB. bestimmt, daß die Vorschriften des § 377 HGB., der die Anzeige wegen Mängel einer gelieferten Ware regelt, audi dann Anwendung zu finden haben, wenn eine andere als die bedungene Ware (oder eine andere als die bedungene Menge von Waren) geliefert ist, sofem die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen erachten mußte. Um diesen Ausnahmefall von der Regel des § 378, der gegeben erscheint, wenn die gelieferte Sache mit der bestellten gar nichts gemein hat und für den Zweck des Käufers ohne Bedeutung ist (Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs S. 226), handelt es sich nach den in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht. Von ihm abgesehen ist in der Literatur (vgl. D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g , Bd. 3, 2. Aufl. 1913, S. 318 Anm. 6 und S t a u b - K ö n i g e , Bd. 2, 9. Aufl. 1913, S. 955 Anm. 10 zu § 378) sowie in der Rechtsprechung der Gerichte (vgl. Rechtspr. der OLG. Bd. 8 S. 70 und Bd. 10 S. 342) Streit darüber entstanden, ob § 378 lediglich die in § 377 wegen Mängel der Sachen geregelte Rügepflicht auf Fälle der Lieferung einer anderen Ware (oder anderen Warenmenge) als der bedungenen ausdehnt, irgend etwas Weiteres aber aus ihm nicht zu entnehmen ist, oder ob der Paragraph mehr zum Ausdruck bringt und auf Grund des § 378 in den von ihm vorgesehenen Fällen auch zugleich die Anwendung der Gewährleistungsvorschriften geboten ist. Der Wortlaut des Gesetzes freilich scheint für das erstere zu sprechen. Es ist richtig, was D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g hervorheben, daß § 378 wörtlich nur den § 377 für anwendbar erklärt und § 377 wiederum nur die Folgen der Unterlassung der Mängelrüge bestimmt. Aber der Sinn und der Zweck des Gesetzes gehen weiter. In zahlreichen Fällen des Handelsverkehrs ist die Entscheidung der Frage, ob es sich um die Lieferung einer mangelhaften oder um die Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware handelte, eine durchaus schwierige. Eine feste Grenze ist zwischen beiden oft nicht zu ziehen; es erscheint häufig willkürlich, das eine oder das andere anzunehmen. Dabei hat die Unterscheidung der beiden Fälle keine innere Berechtigung; sie stehen sich innnerlich gleich. Auch die Lieferung einer fehlerhaften Ware ist bei Zurückweisung der Ware durch den Käufer vollständige Nichterfüllung des Vertrags (vgl. RG. in Jur. Wochenschr. 1905 S. 17 Nr. 10; RGZ. Bd. 52 S. 355, Bd. 53 S. 92). Die Vertragsverletzung des Verkäufers ist also keine wesentlich verschiedene, ob er nun dem Käufer vertragswidrig eine fehlerhafte oder eine solche Ware liefert, die zwar als eine andere Gattung als

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die bedungene anzusprechen ist, aber doch von der Bestellung nur so abweicht, daß die Genehmigung der Ware seitens des Käufers nicht ausgeschlossen erscheint. Gerade aus den vorstehend bezeichneten Gründen ist die Bestimmung des § 378 in dem neuen Handelsgesetzbuche gegeben worden; es war der ausgesprochene Zweck des Gesetzes, dem unbefriedigenden Ergebnis abzuhelfen, das sich bei der Anwendung des alten Handelsgesetzbuchs aus dem Fehlen einer dem § 378 entsprechenden Vorschrift ergeben hatte (vgl. die Denkschrift a. a. O.). Wollte man nun annehmen, daß jetzt zwar die Pflicht zur Rüge gegeben sei, gleichgültig, ob eine mangelhafte oder eine andere Ware geliefert ist, daß aber, wenn Rüge ordnungsmäßig erhoben wurde, im Falle der Lieferung einer mangelhaften Ware die Vorschriften über Gewährsmängel, insbesondere auch § 480 BGB., im Falle der Lieferung einer anderen Ware die Verzugsvorschriften, insbesondere § 326 BGB., zur Anwendung zu bringen seien, so würde bei erhobener Rüge sofort wieder zu unterscheiden sein, ob es sich um das eine oder um das andere handelte; es würde also die Streitfrage, die der Gesetzgeber im Interesse des Verkehrs und entsprechend dessen Erfordernissen beseitigen wollte, nicht beseitigt und die innerlich begründete Gleichstellung der beiden sachlich gleichliegenden Fälle nicht erreicht sein. Mißt der Senat danach dem § 378 HGB. die oben bezeichnete weitere Bedeutung bei, so war das Berufungsurteil, soweit es den Streit der Parteien über die Kawamatta-Seide betrifft, aufzuheben und die Sache in diesem Umfange zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne daß es noch einer Erörterung darüber bedarf, ob der Berufungsrichter nicht in der Tat, wie die Revision meint, von seinem Standpunkt aus, daß § 326 BGB. anwendbar sei, rechtsirrtümlich und mit unzureichender Begründung die Voraussetzungen dieser Vorschrift verneint hat." . . . RGZ. 91, 289 Zum Begriffe der Ablieferung Im Sinne von § 377 HGB. II. Zi v i 1 s e n a t. Urt. v. 30. November 1917 I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger hatte der Beklagten 800 Ztr. Margarine verkauft und 200 Ztr. von Hamburg aus auf dem Seewege nach Königsberg geliefert. Als die Beklagte wegen schlechter Beschaffenheit des Gelieferten die weitere Vertragserfüllung verweigerte, ließ er 300 von ihm angebotene Zentner im Wege des Selbsthilfeverkaufs versteigern. Mit der Klage forderte er den Ausfall von 9040 M. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt, weil die Mangelhaftigkeit der gelieferten

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Partie zu spät gerügt worden sei. Auf die Revision des Beklagten wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . „Dagegen beanstandet die Revision mit Recht die Ausführungen, die sich darauf beziehen, daß die Ablieferung der ersten 200 Ztr. schon in Hamburg stattgefunden habe und daß danach die Beklagte nicht befugt gewesen sei, die W a r e erst nach der Ankunft in Königsberg zu untersuchen. Wie dieser Senat schon mehrfach ausgesprochen hat, ist Ablieferung im Sinne des § 377 HGB. derjenige tatsächliche Vorgang, durch den der Verkäufer die Ware aus seiner Verfügungsgewalt entläßt und den Käufer in die Lage versetzt, nunmehr darüber zu verfügen. Im gegebenen Falle ist nach der Ansicht des Klägers und des Berufungsgerichts die Ablieferung dadurch erfolgt, daß der Kläger die mit der Bahn in Hamburg angekommene W a r e dem Spediteur J. daselbst übergab und daß J. hierbei als Beauftragter der Beklagten tätig war. Nun hat die Beklagte allerdings am 31. Oktober 1914 bei J. angefragt, wieviel er für die Uberführung der W a r e vom Bahnhof zum Dampfer berechne, ferner hat sie ihm am 4. November telegraphiert, er möge sich wegen der Verladung, die demnächst stattzufinden habe, mit dem Kläger in Verbindung setzen. Allein der Kläger hat dann seinerseits am 6. November dem J. geschrieben, er behändige ihm einliegend den Frachtbrief über die Ware, die nach Königsberg in seinem, des Klägers Namen an Order zu verladen sei, die Sendung sei für die Beklagte bestimmt, zu deren Lasten die Spesen von der Zeit der Abnahme aus dem Eisenbahnwagen an gingen, die Konnossemente seien ihm, dem Kläger, sofort zuzustellen. Dieser Weisung hat dann J. auch entsprochen. Danach ist aber die Ablieferung nicht schon in Hamburg erfolgt. Der Kläger hat die Ware nicht schon in Hamburg aus seiner Verfügungsgewalt entlassen, vielmehr, indem er selber die Verladung regelte und dabei die Verschiffung auf seinen Namen vornehmen ließ, sich nicht nur die rechtliche, sondern auch die beim Begriffe der Ablieferung entscheidende tatsächliche Möglichkeit der Verfügung gewahrt. Demgegenüber ist es gleichgültig, ob ein Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und J. bestanden hat und ob nach dem Vertrage der Parteien Abnahme und Zahlung in Hamburg stattfinden sollten. Ebensowenig kommt es auf den Grund an, der den Kläger zu seinem Vorgehen bestimmt und nach der Feststellung des Berufungsgerichts darin bestanden hat, daß die Beklagte am 6. November den Kaufpreis noch nicht gezahlt hatte. Maßgebend kann allein sein, ob es wirklich zur Ablieferung gekommen ist. Denn lediglich an die tatsächlich erfolgte Ablieferung knüpft § 377 HGB. die dort vorgesehenen Folgen. Das Berufungsgericht hat somit aus einem rechtsirrtümlichen Grunde angenommen, daß die Beklagte wegen Verspätung der Män-

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gelanzeige vom 21. November 1914 aus der von ihr behaupteten schlechten Beschaffenheit der gelieferten 200 Ztr. nicht das Recht habe ableiten können, unter dem Gesichtspunkt einer dem Kläger zur Last fallenden positiven Vertragsverletzung die weitere Vertragserfüllung abzulehnen. Die auf dieser Annahme beruhende Entscheidung ist daher nicht haltbar." . . . RGZ. 91, 420 GenQgt es zum Fortfall der handelsrechtlichen Rügepflicht des Käufers, wenn der Verkäufer das Fehlen der zugesicherten EigenSchaft erst nach der Ablieferung der Ware, aber noch innerhalb der für den Käufer laufenden Rügefrist erfährt und dem Käufer keine Mitteilung davon macht? HGB. § 377 Abs. 5. II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 11. Januar 1918 I. Landgericht I Berlin, Kammer für Handelssachen. II. Kanunergericht daselbst. Laut Bestätigungsschreiben vom 29. Januar 1915 verkaufte die Beklagte dem Kläger 50 Fässer deutsches Zylinderöl, Visc. 5—6, Flammpunkt etwa 360°, zum Preise von 204,50 M. für 100 kg, ab Lager Braunschweig, Zahlung beim Empfang der Faktura. Auf Anweisung desi Klägers wurde das ö l am 3. Februar 1915 von Braunschweig an den Abnehmer des Klägers, die Firma St.s Nachfolger in Scharley OL., abgeschickt. Dort traf es am 9. Februar 1915 ein. Die Firma St.s Nachfolger verkaufte das ö l weiter, und zwar wiederum unter Zusicherung des Flammpunktes von 360°. Als ihr von ihren Abnehmern gerügt wurde, daß es den zugesicherten Flammpunkt nicht habe, übersandte sie die Rüge dem Kläger, der sie dann der Beklagten weitergab. Es ist streitig, ob letzteres am 3., 7. oder erst am 16. März 1915 geschah. Der Kläger forderte entgangenen Gewinn, da er das ö l an St.s Nachfolger für 213 M verkauft habe. Während des Prozesses trat G., der Lieferant der Beklagten, dieser als Nebenintervenient bei. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. „ .. a Grunde: „Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Beklagte dem Kläger gemäß dem Bestätigungsschreiben vom 29. Januar 1915 50 Fässer deutsches Zylinderöl mit der Zusicherung eines Flammpunktes von etwa 360° verkauft hat. Trotzdem verneint es einen Gewährleistungsanspruch wegen Fehlens der Zusicherung, weil der Kläger den Mangel nicht unverzüglich gerügt habe. Es unterstellt hierbei, daß er das ö l nicht schon in Braunschweig, sondern erst nach der Ankunft in Scharley zu untersuchen hatte, und daß er sich bei der Untersuchung der Hilfe eines Sachverständigen bedienen durfte.

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Da aber das ö l schon am 9. Februar 1915 in Scharley eintraf und die unverzügliche Untersuchung durch einen Sachverständigen spätestens am 19. Februar 1915 den Mangel ergeben hätte, habe die Anzeige spätestens am 19. Februar 1915 erfolgen müssen. Die nach Behauptung des Klägers frühestens am 3. März 1915 erfolgte Anzeige sei also verspätet gewesen. Diese Annahme des Berufungsgerichts ist rechtlich bedenkenfrei; sie wird auch von der Revision nicht angegriffen. Der Kläger hatte indessen geltend gemacht, § 377 Abs. 1 und 2 HGB. sei nicht anwendbar, da die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen habe. . . . Das Berufungsgericht verneint ein arglistiges Verschweigen deshalb, weil nach seiner Feststellung keine der Parteien beim Abschluß des Vertrages das Fehlen des zugesicherten Flammpunktes kannte und es für die Frage der Arglist der Beklagten auf ihr Wissen im Augenblick des Vertragsschlusses ankomme. Daher sei es unerheblich, wenn der Kläger behaupte, daß die Beklagte alsbald nach dem Vertragsabschluß von ihrem Lieferanten G. unter Vorlegung der diesem von der Hanseatic Oil Company erteilten Bestätigung vom 29. Januar 1915 dahin aufgeklärt worden sei, deutsches Sattdampf-Zylinderöl mit einem Flammpunkt von 360° gebe es überhaupt nicht, das müsse jeder ölhändler wissen, er (G.) habe sich, als er der Beklagten den Flammpunkt auf 360° angab, versprochen. Nach dieser Behauptung hat die Beklagte alsbald nach dem Abschluß des Vertrages — nach der Darstellung des Nebenintervenienten war es etwa eine Woche später — erfahren, daß das dem Kläger gelieferte ö l nicht den zugesicherten, sondern einen um 100° geringeren Flammpunkt hatte. Ist das richtig, so kann daraus in Verbindung mit anderen vom Berufungsgericht festgestellten Umständen ein arglistiges Verschweigen des Mangels seitens der Beklagten entnommen werden. Nach der Bekundung der Zeugin M. war dem Kläger die Höhe des in dem Angebot der Beklagten mit 360° angegebenen Flammpunktes auffallend. Er fragte deshalb bei der Beklagten nochmals an. Diese zog infolge der Anfrage bei G. nochmals Erkundigungen hinsichtlich des Flammpunktes ein und bestätigte dann in Ubereinstimmung mit der von ihm erteilten Auskunft die Richtigkeit der Angabe. Daraus läßt sich nicht nur schließen, daß der Kläger beim Vertragsabschluß das Fehlen des zugesagten Flammpunktes nicht kannte, sondern auch, daß er, der Beklagten erkennbar, auf Grund ihrer wiederholten Versicherung annahm, es werde ihm Öl mit einem Flammpunkt von 360° geliefert werden. Unter diesen Umständen war die Beklagte als Verkäuferin gemäß § 242 BGB. nach Treu und Glauben verpflichtet, nach der ihr durch G. gewordenen Aufklärung, falls diese vor Ablauf der dem Kläger gegebenen Rügefrist, wenn

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auch erst nach Absendung der Ware nach Sdiarley erfolgte, dem Kläger, der durdi ihre früheren Angaben irregeführt war, unverzüglich von dem Fehlen des zugesagten Flammpunktes Mitteilung zu machen. Da die Beklagte dies unterließ, liegt die Annahme nahe, daß sie den Mangel arglistig verschwiegen hat. Ein arglistiges Verschweigen würde nicht vorliegen, wenn die Beklagte erst durch den Brief G.s vom 19. März 1915 aufgeklärt oder wenn sie der Meinung gewesen wäre, der Kläger habe auch ohne ihre Mitteilung den Mangel gekannt. Nach der Behauptung des Nebenintervenienten hat die Beklagte zwar diese Meinung geäußert. Es kommt aber darauf an, ob sie die Meinung wirklich gehabt hat, und die bisher festgestellten Umstände sprechen gegen eine solche Annahme. . . . Hat aber die Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen, so trat nach § 377 Abs. 5 HGB. die Anzeigepflicht hinsichtlich des Mangels gegen den Kläger überhaupt nicht ein, einerlei, ob das arglistige Verschweigen zur Zeit des Abschlusses des Vertrages oder später stattfand und ob der Kläger dadurch zur Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige bestimmt wurde oder nicht (vgl. RGZ. Bd. 55 S. 215 ff.). Es ergibt sich, daß das Berufungsgericht in Verletzung des § 377 Abs. 5 die Frage, ob die Beklagte nach dem Abschluß des Vertrages den Mangel arglistig verschwieg, einer Prüfung nicht unterzogen hat. Da auf dieser Verletzung das angegriffene Urteil beruht, rechtfertigt sich dessen Aufhebung und der Zurückverweisung der noch nicht zur Entscheidung reifen Sache in die Vorinstanz." . . . RGZ. 92, 268 Anwendung des § 326 BGB. bei Verzug des Käufers mit der Abnahme (§ 433 Abs. 2 BGB.) und der Untersuchung der Ware (§ 377 HGB 1 III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 1. März 1918. Die Entscheidung ist abgedruckt unter »Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse 3". RGZ. 93, 44 Unter welchen Voraussetzungen ist der Käufer, dem eine andere als die bedungene Ware geliefert wird, von der aus § 378 HGB. folgenden Untersudiungs- und Anzeigepflidit befreit? II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 16. Mai 1918.

I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin kaufte im Februar 1916 von der Beklagten 10 Tonnen „dunkle Leinölfettsäure aus der Raffination". Als die Beklagte in einem nach dem Vertragsschlusse geschriebenen Briefe die zu liefernde Ware als „aufgeschlossenes Linoxyn" bezeichnete, erwiderte Ihr die Klägerin am 21. März, sie habe dunkle Leinölfettsäure gekauft

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und verlange deren Lieferung. Linoxyn sei etwas ganz anderes. Ähnlich äußerte sie sich in einem weiteren Briefe vom 31. März. Trotzdem erhielt sie im April 1916 aufgeschlossenes Linoxyn geliefert. Die Anzeige, daß die Ware dem Vertrage nicht entspreche, erstattete sie der Beklagten erst etwa zwölf Tage nach der Ablieferung. Ihre auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichtete Klage wurde in der ersten Instanz dem Grunde nach zugesprochen, in der zweiten Instanz abgewiesen. Das Reichsgericht hob das Berufungsurteil auf aus folgenden Gründen: . . . „Die Beklagte hat eingewendet, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, Ersatzlieferung zu verlangen, weil sie die Lieferung der unrichtigen Ware zu spät gerügt habe. Entgegen der Auffassung des Landeridits, das den Einwand zurückweist, ist das Berufungsgericht der Ansicht, daß die Rüge der Klägerin verspätet sei. Hierzu ist ausgeführt: Dem Landgericht könne nicht beigetreten werden, wenn es meine, dunkle Leinölfettsäure (ein bei der Raffination von Leinöl zu Speiseöl gewonnenes Abfallprodukt) und das erst im Kriege als Ersatzware bekannt gewordene aufgeschlossene Linoxyn (ein Stoff, der gewonnen wird aus der zur Herstellung von Linoleum bestimmten Mischung von Kork und oxydiertem Leinöl) seien offensichtlich so verschiedene Dinge, daß der Verkäufer von dunkler Leinölfettsäure, wenn er aufgeschlossenes Linoxyn liefere, die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten müsse. Es komme nach § 378 HGB. nicht darauf an, welche Vorstellung der Verkäufer von der persönlichen Auffassung des Käufers über die Annehmbarkeit oder Nichtannehmbarkeit der Ware gehabt habe, vielmehr sei nach allgemein gültigen Gesichtspunkten zu entscheiden. Auch darauf komme es nicht an, ob die beiden Stoffe chemisch einander mehr oder weniger nahe ständen, sondern entscheidend sei in dieser Beziehung die Auffassung des Handels. Aus der Beweisaufnahme gehe nun hervor, daß zur Zeit des Abschlusses und der Erfüllung des streitigen Vertrages, weil damals die echte Fettsäure mehr und mehr aus dem Handel verschwunden sei, an deren Stelle vielfach aufgeschlossenes Linoxyn angeboten und genommen worden sei, und zwar auch unter dem Namen dunkle Leinölfettsäure. Selbst der Zusatz „aus der Raffination" könne bei der Unklarheit der Handelskreise über seine Bedeutung keine ausschlaggebende Rolle spielen, vielmehr sei der Beweiserhebung zu entnehmen, daß die echte dunkle Leinölfettsäure und aufgeschlossenes Linoxyn um die fragliche Zeit neben- und durcheinander gehandelt worden seien, ohne daß man zwischen ihnen streng unterschieden habe. Dann habe aber nach der Auffassung des Handels zwischen den beiden Stoffen keine solche Abweichung bestanden, daß von vornherein die Genehmigung des einen, wenn der andere verkauft gewesen sei, als ausgeschlossen bezeichnet werden

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könne. Diese Ausführungen werden mit Recht von der Revision angegriffen. Durch § 378 HGB. ist die Anwendbarkeit der Vorschriften des § 377, die sich. nur auf die sog. Qualitätsmängel beziehen, auf den Fall der Lieferung einer anderen Ware als der bedungenen erstreckt. Ausgenommen sind aber diejenigen Fälle, in denen die gelieferte Ware offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte. Die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift setzt also einmal voraus, daß überhaupt eine „andere" Ware geliefert wird, und weiter, daß eine Abweichung vorliegt, die im Sinne des Gesetzes die Empfangbarkeit ausschließt. Das Berufungsgericht hat die beiden Erfordernisse nicht genügend auseinandergehalten. Ob eine Ware überhaupt eine andere ist, bestimmt sich allerdings nach den allgemein gültigen, von der persönlichen Auffassung des Verkäufers unabhängigen Gesichtspunkten, von denen das Urteil spricht. Dagegen ist es nur teilweise richtig, wenn das Berufungsgericht den Ausschluß der Empfangbarkeit der Ware ebenso beurteilt. Hier trifft diese Beurteilung in dem Sinne zu, daß es auf die persönliche Vorstellung und Auffassung des Verkäufers nicht ankommt, sondern daß die objektiv vorhandenen Verhältnisse den Maßstab dafür abgeben, ob auf die Genehmigung des Käufers gerechnet werden konnte (vgl. RGZ. Bd. 84 S. 355). Mit Unrecht will aber das Berufungsgericht innerhalb der objektiven Verhältnisse nur allgemeingültige Gesichtspunkte berücksichtigen und damit die besonderen Umstände d e s einzelnen Falles als bedeutungslos ansehen. Diese Abgrenzung paßt bei der Frage, ob eine andere Ware geliefert ist, nicht aber, soweit es sich darum handelt, ob auf die Genehmigung des Käufers zu redinen war. Der erkennende Senat hat dies schon früher in dem von der Revision angezogenen Urteil vom 17. November 1930 (Jur. Wochenschr. 1904 S. 9) der Sache nach anerkannt, indem er aussprach, daß bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Abweichung auch die Frage der Verwendbarkeit der Ware für die Zwecke, für die der Käufer sie bestellt habe, in Betracht kommen müsse. Ebenso hebt das erwähnte Urteil Bd. 84 S. 355 hervor, daß eine für die Zwecke des damaligen Käufers unbrauchbare Ware geliefert worden sei. Im gegebenen Falle ist ein besonderer Umstand, der zu berücksichtigen gewesen wäre, darin zu finden, daß die Frage, was die Klägerin auf die Bestellung hin zu erhalten habe, vor der Lieferung ausdrücklich zur Sprache gebracht worden ist und daß die Klägerin sich in ihren Briefen vom 21. und 31. März 1916 gegen die Lieferung von aufgeschlossenem Linoxym ausdrücklich verwahrt hat. Denn die Erwartung des Verkäufers, daß die andere Ware genehmigt werde, kann gerade auch dadurch ausgeschlossen sein, daß auf die Unzulässigkeit der Lieferung der beHGB. 3

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stimmten anderen Ware besonders hingewiesen ist. Wenn das Berufungsgericht in den beiden Briefen nichts weiter erblickt als eine bedeutungslose nachträgliche Darlegung der Vertragsauffassung der Klägerin, so kann dies eben deshalb nicht als gerechtfertigt angesehen werden, weil eine solche Mitteilung des Käufers ihrer Natur nach erheblich ist für die hier allein in Betracht kommende Frage, ob auf Genehmigung zu rechnen war. Mit Bezug auf die beiden Briefe ist von dem Berufungsgericht noch erwogen, die Beklagte weise mit Recht darauf hin, daß sie die Briefe an ihre Lieferantin weitergegeben habe, daß sie sich, da ihr selbst der Unterschied zwischen dunkler Leinölfettsäure und Linoxyn nicht genau bekannt gewesen sei, auf die richtige Lieferung ihrer Verkäuferin verlassen habe und daß sie rechtzeitig habe erfahren müssen, ob die Klägerin die angebotene Ware nehmen wolle oder nicht. Diese Erwägung liegt neben der Sache. Die Verpflichtung der Klägerin zur Mängelanzeige wurde nicht bestimmt durch die Verhältnisse, unter denen die Klägerin sich die zu liefernde Ware verschafft hat. Es greift hier aber auch der in dem Urteil Bd. 84 S. 355 ausgesprochene Grundsatz ein, daß es auf die Kenntnis des Verkäufers von der Vertragswidrigkeit der Ware und auf das, was der Verkäufer sich gedacht und vorgestellt hat, nicht ankommt. Hiernach ist die angefochtene Entscheidung nicht haltbar. Das Reichsgericht wäre auch, soweit es sich um den bisher erörterten Streitpunkt handelt, in der Lage, in der Sache selbst zu erkennen und das landgerichtliche Urteil wieder herzustellen. Zurückverweisung hatte aber einzutreten, weil auch Einwendungen gegen den Klaganspruch erhoben sind, die darauf hinauslaufen, daß die Lieferung von Linoxyn gar nicht vertragswidrig gewesen sei, und weil das Berufungsgericht von diesem Gesichtspunkt aus den Streitstoff nicht geprüft hat." RGZ.96, 13 Nach welchen Grundsätzen ist die Mängelrüge zu erstatten, wenn die Ware gemäß den Vereinbarungen der Beteiligten vom Verkäufer unmittelbar an den Abkäufer des Käufers abgeliefert wird? HGB. § 377. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 13. Mai 1919.

I. Landgericht Danzig. II. Oberlandesgericht Marienwerder.

Die Beklagte hat im Juni 1916 einen gebrauchten Dreschsatz (Dreschmaschine, Geräte und Schrotmühle) um 4950 M. frei Bahnhof Dirschau an die Klägerin unter der Garantie für ein ordnungsmäßiges Arbeiten der Maschine verkauft und dabei die Verpflichtung übernommen, die Maschine auszubessern und sie durch einen Monteur in Betrieb zu setzen und vorzuführen. Noch ehe dies geschehen war,

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hat die Klägerin den Kaufpreis bezahlt und den Dreschsatz an den Gutsbesitzer K. in C. um 7500 M. weiterverkauft. Auf Anweisung der Klägerin hat am 16. September 1916 ein Monteur der Beklagten auf dem Gute des K. die unmittelbar dorthin versandte Maschine aufgestellt; ob es damals schon zur Inbetriebsetzung und Vorführung kam, ist streitig. Jedenfalls geschah dies unmittelbar vor dem 24. Oktober 1916. Noch an diesem Tage rügte K. in einem Schreiben an die Klägerin bestimmte Mängel der Maschine. Das Schreiben kam am 27. Oktober der Klägerin zu, die am gleichen Tage der Beklagten eine Mängelanzeige erstattete. Mit der Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten auf Grund Wandlung und Schadensersatzes 7443,55 M. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung wegen Verspätung der Mängelrüge zurückgewiesen. Die Revision hatte Erfolg aus nachstehenden Gründen: .Zur Entscheidung steht die Frage, ob die Klägerin die Mängelanzeige, die sie am 27. Oktober 1916 an die Beklagte abgesandt hat, rechtzeitig gemäß § 377 HGB. erstattet habe. Nach den Vereinbarungen der Parteien hatte die Beklagte die von ihr an die Klägerin verkaufte Dreschmaschine, die diese noch vor der Ubergabe an den Gutsbesitzer K. weiter veräußert hatte, auf dessen Gut durch einen Monteur in Betrieb zu setzen und vorzuführen. Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß diese Inbetriebsetzung und Vorführung der Maschine auf dem genannten Gute erst unmittelbar vor dem 24. Oktober 1916 stattgefunden habe, und es hat festgestellt, daß K. sofort an diesem Tage in einem der Klägerin gesandten Briefe bestimmte Mängel der Maschine gerügt, daß die Klägerin diesen Brief am 27. desselben Monats erhalten und noch am gleichen Tage eine briefliche Rüge der gleichen Mängel an die Beklagte abgesandt habe. Trotzdem hat das Berufungsgericht die Verspätung der klägerischen Mängelrüge angenommen und dies dahin begründet: auch die Rügepflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten habe bereits im Zeitpunkte der Erkennbarkeit der Mängel bei der Vorführung der Maschine bestanden und ihre Erfüllung habe nicht um den Zeitraum hinausgeschoben werden dürfen, der dadurch entstanden sei, daß die Rüge zunächst der Klägerin erstattet worden sei, vielmehr habe die Klägerin dafür Sorge tragen müssen, daß K. unverzüglich der Beklagten die Mängelrüge erstattete oder daß er gegenüber der Klägerin durch Fernsprecher oder Drahtung rügte. Dieser Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht beigetreten werden. In den Fällen, in denen der Verkäufer im Einverständnis mit seinem Käufer die Kaufsache unmittelbar an dessen Abkäufer 5*

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— den zweiten Käufer — abzuliefern hat, die Untersuchung der W a r e also erst zu erfolgen hat, wenn sie in die Verfügungsgewalt des zweiten Käufers gelangt ist, kann der Verkäufer nicht damit rechnen, daß der erste Käufer bei der Ablieferung zugegen sei und die Untersuchung selbst vornehme; er muß vielmehr in Rücksicht nehmen, daß der zweite Käufer, um eine Vertragsrechte gegen seinen Verkäufer zu wahren, diesem die Mängelanzeige erstatte und der erste Käufer erst durch diese Anzeige Kenntnis der Mängel erlange. Es entspricht daher für Fälle der vorliegenden Art dem regelmäßigen Laufe der Dinge und der Verkehrsauffassung, daß der zweite Käufer unverzüglich nach der erfolgten Ablieferung die Mängelanzeige an den ersten Käufer absende und daß dieser unverzüglich nach Empfang der Anzeige gegenüber dem Verkäufer rüge. Nicht erforderlich ist aber, wie das Berufungsgericht meint, daß der zweite Käufer unmittelbar dem Verkäufer die Mängelanzeige erstatte oder daß er vom ersten Käufer zu einer besonders beschleunigten Benachrichtigung des Mangels veranlaßt werde. Voraussetzung für die Rechtzeitigkeit der Rüge des ersten Käufers ist jedoch nicht nur, daß er selbst die ihm zugegangene Rüge unverzüglich an den Verkäufer weitergibt, sondern daß auch der zweite Käufer unverzüglich die Rüge an ihn absendet. Dies rechtfertigt sich, wie schon vom ROHG. Bd. 17 S. 216 ausgesprochen wurde, durch die Erwägung, daß der erste Käufer im Falle der verspäteten Erstattung der Rüge durch den zweiten Käufer zur Zurückweisung der Rüge berechtigt ist. Ob die unverzüglich abgesandten Mängelanzeigen auch rechtzeitig eintreffen, ist unerheblich, da nach § 377 Abs. 4 HGB. die Gefahr der Ubermittelung vom Verkäufer zu tragen ist." . . . RGZ.96, 72 Wird die Befugnis des Käufers zum Notverkaufe nach § 379 Abs. 2 HGB. dadurch lusgeschlossen, daß der Verkäufer erklärt, er erkenne die Zurverfügungstellung der W a r e nldit als berechtigt an? III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 27. Mai 1919. I. Landgericht Stettin. II. Oberlandesgericht daselbst. Der Kläger kaufte im April 1915 von der Beklagten 200 Ztr. geräucherten Speck und ließ die W a r e durch die Beklagte nach Thorn behufs Lieferung an das dortige Proviantamt senden, an das er sie weiter verkauft hatte. Das Proviantamt lehnte die W a r e ab, weil ein Teil davon verdorben war. Der Kläger stellte sie darauf der Beklagten zur Verfügung und schritt nach vorgängiger Androhung zum öffentlichen Verkauf. Auf die Mitteilung von dem beabsichtigten Verkaufe hatte die Beklagte dem Spediteur telegraphiert: „Ablehnen Angelegenheit. Tangiert mich nicht mehr. Sch. alleiniges Verfügungsrecht." Landgericht und Berufungsgericht erachteten den

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Kläger zur Wandelung berechtigt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die Revision beanstandet die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Kläger den Gewährleistungsanspruch durch die Versteigerung der Ware nicht verwirkt habe. Das Berufungsgericht übersehe, daß der Notverkauf nach § 379 HGB. unzulässig sei, wenn der Verkäufer, wie dies hier geschehen sei, dem Verkaufe widerspreche. Die Rüge ist unbegründet. Die Beklagte hat der Versteigerung der Ware nicht widersprochen. Sie hat vielmehr auf die ihr gemachte Mitteilung von der seitens des Klägers beabsichtigten Versteigerung erklärt, daß die Angelegenheit sie nichts angehe und sie es dem Kläger überlassen müsse, zu tun, was er für richtig halte. Darin liegt kein Widerspruch gegen den Notverkauf. Daß die Beklagte damit zum Ausdrucke gebracht hat, sie erkenne die Zurverfügungstellung der Ware nicht als berechtigt an, genügt nicht, wie die Revision annimmt, um dem Käufer die Befugnis zum Verkaufe der Ware unter den Voraussetzungen des § 379 Abs. 2 HGB. zu entziehen. Allerdings ist die Bestimmung des § 379 Abs. 2 im Interesse des Verkäufers erlassen, und es wird hieraus mit Recht die Folgerung gezogen, daß der Verkauf auf Grund dieser Vorschrift nicht gegen den Willen des Verkäufers stattfinden dürfe (vgl. ROHG. Bd. 18 S. 230; RGZ. Bd. 17 S. 67, Bd. 43 S. 27). Keineswegs aber setzt die Bestimmung voraus, daß der Verkäufer sich damit einverstanden erklärt habe, daß die Ware zur Verfügung gestellt werde und daß der Verkauf für seine Rechnung erfolge. Eine derartige Beschränkung des Verkaufsredits des Käufers aus § 379 Abs. 2 HGB. findet nicht nur keine Stütze in der Bestimmung des Gesetzes selbst, sondern würde auch die Interessen des auswärtigen Verkäufers gefährden, denn sie würde auch einen an sich zweckmäßigen Verkauf der W a r e verhindern, solange die Parteien nicht über die Berechtigung der Beanstandung der Ware sich geeinigt haben. Nur ein Widerspruch des Verkäufers gegen den Notverkauf an sich macht also diesen unzulässig." . . . RGZ. 96, 175 Reditlidie Bedeutung und Umfang der Untersuchungspflicht nach § 377 HGB., insbesondere im Zementhandel. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 8. Juli 1919. I. Landgericht Braunschweig. II. Oberlandesgericht daselbst. Die Klägerin fordert Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, daß eine von ihr erbaute Brücke infolge mangelhafter Beschaffenheit des zu dem Bau verwendeten, von der Beklagten im Sommer 1914 gelieferten Portlandzements eingestürzt sei. Die Klage

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ist in beiden Reditszügen abgewiesen worden, weil die Klägerin die rechtzeitige Untersuchung und Mängelrüge unterlassen habe. Auf die Revision wurde die Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Gründe: „Das Berufungsgericht nimmt auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen B., des Leiters einer Portlandzementfabrik, an, daß die Klägerin verpflichtet gewesen sei, sich vor der Verarbeitung des gelieferten Zements durch eine siebentägige Prüfung auf Druckfestigkeit mittels der sogenannten Geigenprobe davon zu überzeugen, ob der Zement den zu stellenden Anforderungen entspreche, und daß sie deshalb durch Unterlassung dieser Untersuchung das Recht zur Geltendmachung des behaupteten Mangels der Ware nach § 377 HGB. verwirkt habe. Diese Annahme des Berufungsgerichts entbehrt der ausreichenden Begründung. Die Untersuchung der Ware liegt dem Käufer nach § 377 HGB. nicht als eine gesetzliche Pflicht gegenüber dem Verkäufer ob. Nicht die Unterlassung der Untersuchung, sondern die der rechtzeitigen Anzeige der Mängel hat die im § 377 Abs. 2 bestimmte rechtliche Folge. Die Bedeutung der Untersuchung liegt vielmehr darin, daß die für eine ordnungsmäßige Untersuchung erforderliche Frist maßgebend für die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige ist, und daß anderseits die Unterlassung einer nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlichen Untersuchung den Käufer der Gefahr aussetzt, daß seine bei nachträglichem Hervortreten von Mängeln erstattete Anzeige als verspätet zurückgewiesen wird, weil die Mängel bei ordnungsmäßiger Untersuchung bereits früher hätten angezeigt werden können (vgl. ROHG. Bd. 8 S. 10, Bd. 12 S. 91; RGZ. Bd. 47 S. 23, Bd. 73 S. 169; Jur. Wochenschr. 1902 S. 425 Nr. 32). Aus dieser rechtlichen Bedeutung der Untersuchung folgt, daß sie, um die Ansprüche des Käufers zu wahren, regelmäßig in einer solchen Art und in solchem Umfang angenommen werden muß, wie es erforderlich ist, um das Vorhandensein von Mängeln festzustellen. Es sind jedoch keine Anforderungen an sie zu stellen, die eine unbillige Zumutung an den Käufer enthalten, ihn z. B. mit übermäßigen Kosten belasten oder ihn in unbilliger Weise in der Verfügung über die Ware verhindern würden. Im einzelnen sind Art und Umfang der Untersuchung nach der objektiven Sachlage, unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsanschauungen zu bestimmen (vgl. RGZ. Bd. 57 S. 8, Bd. 59 S. 45, Bd. 64 S. 162). Zu berücksichtigen ist dabei die in dem Geschäftszweige bestehende Übung, die zwar nicht schlechthin darüber entscheidet, was nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang als erforderlich und tunlich anzusehen ist, aber doch, wie

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das Reichsgericht im Urteil vom 22. Juni 1909 II 168/09 ausgesprochen hat, in der Regel einen geeigneten Maßstab für die Bemessung der hinsichtlich der Untersuchung an Art und Umfang zu stellenden Anforderungen bildet. Das Berufungsgericht nimmt nun zwar an, daß die siebentägige Geigenprobe dem ordnungsmäßigen Geschäftsgänge entspreche, mit ihr auch nichts unbilliges dem Käufer zugemutet werde. Allein diese Annahme wird weder durch die Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen B. noch durch die sonstigen Feststellungen des Berufungsgerichts gerechtfertigt. Der Sachverständige hat sich darüber, worauf es wesentlich ankommt, ob die Geigenprobe nach der zur Zeit der Zementlieferungen an die Klägerin herrschenden Verkehrsauffassung als eine dem Zwecke entsprechende und nach § 377 HGB. gebotene Untersuchungsart angesehen wurde, überhaupt nicht ausgesprochen. Daß er in seinem Gutachten gelegentlich auf Praxis und Erfahrung Bezug nimmt, kann diesen Mangel seines Gutachtens nicht ersetzen. Die Lieferungsbedingungen des Vereins Deutscher Portlandzement-Fabrikanten sprechen nur von der, im vorliegenden Falle nicht in Betracht kommenden, Prüfung des Zements auf Abbinden und Volumenbeständigkeit mittels der auf einfache Weise auszuführenden Kuchenprobe. Die Normen dieses Vereins aber erwähnen wohl eine siebentägige Prüfung des Zements auf Zugfestigkeit, erklären jedoch hinsichtlich der Druckfestigkeit die 28tägige sogenannte Würfelprobe für allein entscheidend. Sonach steht nicht einmal fest, welche rechtliche Bedeutung auch nur der eine Teil der Interessenten, die Fabrikanten und Verkäufer, der Geigenprobe beilegen. Würden diese der Geigenprobe zur erheblichen Zeit eine Bedeutung für die Anzeigepflicht des § 377 HGB. überhaupt nicht beigemessen haben, so könnte die Vornahme dieser Probe füglich auch nicht von der Klägerin verlangt werden. Eine andere Beurteilung könnte Platz greifen, wenn die Auffassung dieser Interessentenkreise dahin ging, daß zwar die Vornahme der siebentägigen Prüfung nicht schlechthin genüge, aber doch deshalb geboten sei, weil auch sie schon mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit die Entdeckung eines Mangels der Druckfestigkeit ermögliche, und in diesem Falle eine längere Untersuchung unnötig mache. Keinesfalls aber kann, wo wie hier ein Gegensatz der Interessen des Verkäufers und des Käufers besteht — vgl. das bei S c h ü r h o f f „Die Mängelrüge im Portlandzementhandel" S. 48 mitgeteilte Gutachten der Berliner Handelskammer —, die einseitige Auffassung nur des einen Interessenkreises darüber entscheiden, ob eine Untersuchung nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist. Nur die Auffassung des gesamten Verkehrs, insbesondere also sämtlicher beteiligter Kreise, kann maßgebend sein. Es kann daher auch die Ver-

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nehmung eines Sachverständigen nur aus dem einen Kreise der Beteiligten nicht genügen. Zumal die Frage, ob die Art der Untersuchung nicht dem Käufer Unbilliges zumutet, kann nicht wohl entschieden werden, ohne beim Mangel eines völlig unbeteiligten Sachverständigen auch ein Gutachten aus dem Kreise der Käufer, hier also derjenigen einzuholen, die den Zement verwenden und die Schwierigkeiten, die für die Bausausführung durch die Anstellung länger dauernder Prüfungen des gelieferten Zements erwachsen können, zu beurteilen vermögen." . . . RGZ.98, 69 1. Haftet der Käufer, der die Aufbewahrung der beanstandeten Ware einem Dritten überläßt, für dessen Verschulden? 2. Hat er für die Aufbewahrung in höherem Maße zu sorgen, wenn er an solcher Ware ein Zurückbehaltungsrecht ausübt? HGB. §.§ 369, 379. II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 23. Januar 1920.

I. Landgericht III Berlin, Kammer für Handelssachen. daselbst

II. Kammergericht

Am 19. April 1916 hat der Kläger unter anderem 50 Faß Vaselinspindelöl zu 75 M. für 100 kg netto einschließlich Faß von der Beklagten gekauft. Das ö l wurde auf sein Ersuchen an die Firma W. & D. in Düsseldorf versandt. Die sodann vorgenommene Analyse ergab eine vertragswidrige Beschaffenheit der Ware. Infolgedessen stellte der Kläger das bereits von ihm bezahlte ö l der Beklagten zur Verfügung. Diese wies die Bemängelung als unbegründet zurück, worauf die Ware bei der Rh.-Transportgesellschaft in Düsseldorf eingelagert wurde. Verhandlungen der Parteien über einen Verkauf des Öles für gemeinsame Rechnung führten zu keinem Ergebnis. Ende Juli 1916 teilte die Rh.-Transportgesellschaft dem Kläger mit, daß die Fässer leckten und bereits ein Mindergewicht von 1438 kg aufwiesen. Der Kläger benachrichtigte hiervon die Beklagte am 5. August und schlug wiederholt eine Versteigerung für gemeinsame Rechnung vor. Die Beklagte lehnte jedoch wiederum ab, auf den Vorschlag einzugehen. Der Kläger beansprucht von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Beklagte wandte hauptsächlich ein, daß er seine Aufbewahrungspflicht verletzt habe. Infolgedessen sei ein erheblicher Gewichtsverlust eingetreten. Der Kläger erwiderte, daß die 50 Faß einer zuverlässigen Firma übergeben und von Zeit zu Zeit nachgesehen und ausgebessert worden seien. Das Faßholz sei aber von der Beklagten in mangelhaftem und zu wenig widerstandsfähigem Zustande geliefert worden.

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Das Landgericht gab der Klage statt; die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auch ihre Revision hatte keinen Erfolg. Aus den

Gründen:

. . . .Mit Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Kläger nach § 379 HGB. nicht verpflichtet gewesen sei, das beanstandete ö l selbst in Aufbewahrung zu nehmen, daß er vielmehr befugt gewesen sei, es einer verläßlichen Firma zur Einlagerung zu übergeben. § 379 schreibt nur vor, daß der Käufer, welcher die ihm von einem anderen Orte übersandte Ware beanstandet, f ü r i h r e e i n s t w e i l i g e A u f b e w a h r u n g z u s o r g e n h a t . Der Kläger hat daher seiner Pflicht genügt, wenn er das ö l der Rh.-Transportgesellschaft zur Aufbewahrung übergab und die Beklagte, sobald er von der Leckage erfuhr, über diesen Vorgang benachrichtigte. Insoweit erhebt auch die Revision keinen Angriff. Sie meint nur, daß die Rechtslage sich dadurch verändert habe, daß der Kläger die Ware wegen seiner Schadensersatzansprüche zurückbehielt. Dieser Auffassung ist jedoch nicht beizupflichten. Das Zurückbehaltungsrecht ist nichts anderes als die rein schuldrechtliche Befugnis, eine an sich geschuldete Leistung zu weigern, um den anderen Teil durch solche Weigerung zur Beschaffung der ihm obliegenden Leistung zu bewegen. Irgendein neues Rechtsverhältnis hat die ursprüngliche Leistung nicht ergriffen. Es ist das alte Rechtsverhältnis aufrecht erhalten geblieben, und daher kann die Frage, welche Pflichten dem Zurückhaltenden hinsichtlich des zurückbehaltenen Gegenstandes obliegen, auch nur nach den Vorschriften beantwortet werden, welche das Rechtsverhältnis beherrschen, auf Grund dessen sich der zurückbehaltene Leistungsgegenstand in seinen Händen befindet. Im vorliegenden Falle hat der Kläger das von ihm zurückbehaltene ö l auf Grund eines Kaufgeschäfts zugesandt erhalten. Er hat die Ware beanstandet und seine Pflicht hinsichtlich der Behandlung dieser Ware bestimmt sich daher ausschließlich nach § 379 HGB." . . . RGZ.98, 213 Handelskauf. Abstrakter Schaden. Welcher Zeitpunkt ist der Berechnung zugrunde zu legen? II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 5. März 1920.

I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Beklagte hat dem Kläger am 8. März 1916 20 000 kg Kakaostücke, rollend von Holland oder in der Abladung begriffen oder sofort abzuladen, für 8,55 M. das Kilogramm verkauft. Am 15. März 1916 schrieb sie dem Kläger, daß sie dessen Anspruch auf Lieferung auf das entschiedenste ablehne, da das Geschäft überhaupt nicht zu-

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Stande gekommen sei. Am 17. März bestimmte er eine Nachfrist bis zum 24. März, die sie indes verstreichen ließ. Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wurde durch rechtskräftiges Urteil dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; die Parteien streiten nunmehr über die Höhe des Schadens. Der Kläger macht den abstrakten Schaden geltend und will der Berechnung den Marktpreis vom 16. März — 9,25 M. — zugrunde legen. Die Beklagte behauptet, daß ihm ein Schaden überhaupt nicht entstanden sei, weil die Kriegskakaogesellschaft die Ware in Anspruch genommen haben würde, daß er jedenfalls einen höheren Gewinn als 2°/o der Kaufsumme nicht in Rechnung stellen dürfe, äußersten Falles aber den Marktpreis vom 24. März mit 9 M. in die Rechnung stellen müsse. Das Landgericht sprach dem Kläger den Betrag zu, der sich unter Berücksichtigung der Marktlage vom 24. März ergibt. Die von beiden Teilen eingelegten Berufungen wurden vom Oberlandesgerichte zurückgewiesen. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg. Gründe: „Die unter den Parteien streitige Frage, ob der Kläger seiner Berechnung des Schadens den früheren Zeitpunkt zugrunde legen kann, wo die Beklagte die Leistung rundweg verweigert hat, ist vom Landgerichte mit der Begründung verneint worden, daß er Nachfrist gesetzt habe. Das ist vom Vorderrichter mit Recht abgelehnt worden. G r u n d s ä t z l i c h ist der Z e i t p u n k t m a ß g e b l i c h , wo d e r V e r k ä u f e r i n V e r z u g kommt, w a s auf dem Ged a n k e n b e r u h t , d a ß in d i e s e m M o m e n t e d e r V e r käufer sich durch die V e r t r a g s v e r l e t z u n g ersatzp f l i c h t i g m a c h t . Daran ändert auch nichts, daß der Käufer dem Verkäufer nach § 326 BGB. eine Nachfrist setzt. Das hat nur eine Erweiterung seines Rechtes insofern zur Folge, als er n a c h s e i n e r Wahl auch den Z e i t p u n k t der Rechnung z u g r u n d e l e g e n k a n n , in w e l c h e m s i c h d e r A n s p r u c h auf Erf ü l l u n g in e i n e n s o l c h e n auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung umwandelt. Gleichwohl ist der Vorderrichter zu demselben Ergebnis wie der erste Richter gelangt, indem er ausführt, es liege ausreichendes dafür nicht vor, daß die Beklagte schon am 16. März in Verzug geraten sei; es sei nicht anzuerkennen, daß damals schon Fälligkeit bestanden habe; angesichts dessen, daß am 8. März vereinbart worden sei .rollend von Holland . . . oder sofort abzuladen, glückliche Ankunft vorbehalten", sei als Tag der Fälligkeit etwa der 24. März anzusehen, an welchem Tage auch die gesetzte Nachfrist ablief. Das erscheint zutreffend. Beachtet man, daß die Berechtigung zur abstrakten Be-

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redinung des Schadens auf dem Gedanken beruht, d a ß b e i V e r t r a g s e r f ü l l u n g der Käufer in der Lage gewesen wäre, das Gelieferte zum gängigen Preise zu verkaufen, so ist es nur folgerichtig, daß der Käufer nicht zum Nachteil des Verkäufers einen Zeitpunkt zugrunde legen kann, wo die Lieferung ohne Vertragsverletzung des Verkäufers noch ausstand. Es ist ferner die Annahme des Vorderrichters rechtlich nicht zu beanstanden, daß. Lieferung bis 24. März noch rechtzeitig gewesen wäre. Wer in Hamburg am 8. März Ware, die in Holland liegt, daraufhin kauft, daß sie möglicherweise noch nicht abgeladen ist, muß damit rechnen, daß eine nicht genau bestimmbare, von den Umständen abhängige Zeit verlaufen wird, bis die Ware eintrifft. Namentlich kann nicht zugegeben werden, daß ohne besondere darauf gerichtete Vereinbarung der Verkäufer eine Gewähr dafür übernimmt, daß Verladung und Beförderung nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es unter regelmäßigen Verhältnissen nach dem gewöhnlichen durch keinen Zwischenfall unterbrochenen Verlauf der Dinge zu geschehen pflegt. Daher konnte der Vorderrichter in dem unbestrittenen Inhalt des Vertrages eine ausreichende Grundlage finden, um in einer — im übrigen rein tatsächlichen — Würdigung nach freiem Ermessen zu dem Ergebnis zu gelangen, daß hier der Käufer eine Dauer des Transports bis 24. März hätte hinnehmen müssen. Eine Veranlassung, nach § 139 ZPO. die Parteien hierauf hinzuweisen, bestand unter diesen Umständen nicht. Verfehlt ist der Einwand der Revision, daß der Kläger am 16. März in der Lage gewesen wäre, seinen Lieferungsanspruch zum damaligen Marktpreis zu veräußern. Mit diesem Gesichtspunkt ist zu der Bestimmung eines für die Schadensberechnung maßgeblichen Zeitpunktes überhaupt nicht zu gelangen. Denn die Möglichkeit, den Lieferungsanspruch zu veräußern, besteht zu jeder Zeit, solange nur der Anspruch selbst besteht, vor Verzug und vor Fälligkeit, vom Abschluß des Vertrages an.* RGZ. 99, 37 Wann ist der Käufer, dem eine andere Ware als die bedungene geliefert wurde, von der Anzeigepflidit befreit? HGB. § 378. II. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 27. April 1920. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst. Die Klägerin hat im Juni 1917 von der Beklagten Quillajarinde gekauft. Etwa drei Wochen nach der Ablieferung stellte sie die Ware der Beklagten zur Verfügung, indem sie schrieb, daß 19 der gelieferten 20 Säcke bereits ausgezogene, völlig unbrauchbare Rinde enthielten. Der bezüglich dieser 19 Säcke erhobenen Wandelungsklage

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gab das Landgericht statt. Das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : »Die Klägerin hat behauptet, Quillajarinde werde gehandelt, um auf chemischem Wege zur Gewinnung von Saponin ausgezogen zu werden; bereits ausgezogene Rinde, wie die hier streitige, sei völlig wertlos und könne zu irgendwelchen im Handelsverkehr beachtlichen Zwecken nicht mehr verwendet werden; der Saponingehalt, den die streitige Ware noch aufgewiesen habe, sei so gering gewesen, daß die Kosten der Extraktion weit größer gewesen wären als der Wert des zu gewinnenden Stoffes. Daraus hat sie abgeleitet, daß eine vollkommen andere Ware als die bedungene geliefert sei und daß deshalb nach § 378 HGB. die Vorschriften des § 377 daselbst über die Untersuchungs- und Anzeigepflicht keine Anwendung fänden. Der erste Richter ist dieser Auffassung auf Grund des von ihm erhobenen Gutachtens beigetreten. Das Berufungsgericht begründet seine abweichende Ansicht mit folgenden Erwägungen: Die Klägerin habe allerdings prima Handelsware zu beanspruchen gehabt, wählend nach dem Gutachten die 19 beanstandeten Säcke wegen ihres geringen Saponingehalts überhaupt nicht als normale Handelsware bezeichnet werden könnten. Der Sachverständige halte für wahrscheinlich, daß das Saponin — der einzig wertvolle Stoff der Rinde — bereits auf technischem Wege ganz oder zum größten Teil herausgezogen worden sei. Wenn auf Grund dieses Gutachtens als feststehend angesehen werden könnte, daß eine ganz andere als die bedungene Ware geliefert worden sei, so könnte § 378 HGB. vielleicht zur Anwendung kommen, weil die Genehmigung einer so minderwertigen Ware als ausgeschlossen gelten müßte. Es könne indessen nicht für richtig gehalten werden, daß die Klägerin eine andere als die bedungene Ware — nämlich Quillajarinde — erhalten habe; der Umstand, daß die von dem Sachverständigen geprüfte Ware nur 3,2 % Saponin aufweise, während prima Ware 15 bis 20 %> enthalten solle, rechtfertige nicht dieses Ergebnis, sonst könnte jeder mit Grund gerügte Qualitätsmangel diesen Schluß herbeiführen; die Klägerin hätte deshalb, was nicht geschehen sei, den Mangel unverzüglich gemäß § 377 HGB. rügen müssen. Der Revision ist einzuräumen, daß dieser Beurteilung insofern nicht gefolgt werden kann, als das Berufungsgericht der Ansicht ist, daß nur ein sogenannter Qualitätsmangel vorliege. Maßgebend für die Frage, ob eine Sache mangelhaft ist oder ob sie rechtlich als eine andere zu gelten hat, ist die Anschauung des Verkehrs. Dieser Gesichtspunkt muß aber hier — bei Unterstellung der Richtigkeit des klägerischen Vorbringens — dazu führen, daß eine andere als die bedungene Ware geliefert ist, da ausgezogene Quillajarinde sich ver-

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kehrsüblidi nur als ein von der verkauften Ware herrührender Abfallstoff darstellt. Es ist also im Gegensatz zum Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 378 HGB. auszugehen. Uber die Tragweite dieser Vorschrift hat sich der erkennende Senat in dem Urteil vom 17. Februar 1920 II 304/19 RGZ. Bd. 98 S. 158 ausgesprochen. Danach hat die Sdilußbestimmung der Vorschrift, wonach der Käufer von der bei Lieferung einer anderen Ware Platz greifenden Anzeigepflicht ausnahmsweise dann befreit sein soll, wenn der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte, nur den Zweck, den normalen Käufer bei gerechtfertigter Unterlassung einer sachlich bedeutungslosen Anzeige vor Rechtsverlust zu bewahren. Die Bestimmung soll nicht dazu dienen, einem nachlässigen Käufer, der sich über die Untersuchungs- und Anzeigepflicht hinwegsetzt, Vorteile zu verschaffen, sondern nur zur Anwendung kommen, wenn der Käufer, die ordnungsmäßige Untersuchung vorausgesetzt, nach der Lage der Verhältnisse sich sagen darf, daß es nicht erst der Anzeige bedürfe, um den Verkäufer über die Untauglichkeit der W a r e zur Vertragserfüllung aufzuklären. Im gegebenen Falle mag nun objektiv die Abweichung der gelieferten Ware von der bedungenen so erheblich gewesen sein, daß sie an sich zur Anwendung der Ausnahmebestimmung genügte. Es fehlt aber nach den vorliegenden Tatsachen an dem weiteren Erfordernis, daß für die Klägerin ein gerechtfertigter Grund bestanden hat, die dem § 377 genügende Anzeige als entbehrlich anzusehen, vielmehr hatte das Unterbleiben der rechtzeitigen Anzeige, soweit ersichtlich, seinen Grund nur darin, daß die ordnungsmäßige Untersuchung unterlassen wurde. Im Ergebnis ist daher der von der Revision beanstandeten Auffassung des Berufungsgerichts beizutreten.' . . . RGZ. 99, 247 Ist der Käufer nach § 377 HGB. zur unverzüglichen Untersuchung der Ware nach verborgenen Mängeln verpflichtet, wenn Anhaltspunkte für das Vorhandensein solcher gegeben sind? III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 2. Juli 1920.

I. Landgericht Chemnitz, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht Dresden.

Ende August 1917 kaufte der Kläger von der Beklagten nach Muster 200 Kartons Schalottensuppenpulver mit Kümmel, hergestellt von der Firma G. in H. Er erhielt diese alsbald geliefert und bezahlte am 8. September 1917 den Kaufpreis. Am 1. November 1917 wurde eine Bekanntmachung des Sächs. Ministeriums des Innern veröffentlicht, durch die das von jener Firma hergestellte Ersatzmittel .G.s Suppen* vom Handel in Sachsen ausgeschlossen wurde. Am 2. dess. Mts. benachrichtigte der Kläger die Beklagte von diesem Ver-

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bot. Auf eine Anfrage vom 11. nach dem Grunde des Verbots antwortete das Ministerium dem Kläger unter dem 14., dieses sei erfolgt, weil die vom Hersteller über die Zusammensetzung des Mittels gemachten Angaben von dem Untersuchungsbefund erheblich abwichen und weil der eingestellte Kleinverkaufspreis zu hoch sei. Auf weitere Anfragen vom 6. und 15. Dezemer 1917, worin die Abweichung bestehe, wurde dem Kläger unter dem 10. und 18. dess. Mts. unter Hinweis auf die Geheimhaltupgspflicht die Auskunft verweigert. Der Kläger beauftragte nun am 22. Dezember ein öffentliches chemisches Laboratorium mit der Untersuchung der Ware. Nach Eingang des Gutachtens des Dr. St. vom 5. Januar 1918 teilte der Kläger am 9. der Beklagten, die er schon am 3. um Rücknahme der noch auf seinem Lager befindlichen etwa 180 Kartons Schalottensuppe und um Rückzahlung des Kaufpreises ersucht hatte, das Ergebnis der Untersuchung mit und wiederholte die Aufforderung zur Rücknahme der Ware. Mit seiner noch im Januar 1918 erhobenen Klage beansprucht er die Rückzahlung des Kaufpreises für 188 Kartons wegen heimlicher Mängel. Das Landgericht hat der Klage entsprochen, das Berufungsgericht den Kläger abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos. Gründe: „Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung in erster Linie darauf, daß die erst mit dem Briefe vom 9. Januar 1918 erfolgte Mängelrüge verspätet gewesen sei. Er stellt fest, daß die nach dem Gutachten des Dr. St. der Ware anhaftenden Mängel sämtlich in der Probe und bei der Prüfung der Ware gemäß § 377 Abs. 1 HGB. mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln der Untersuchung nicht erkennbar waren, und folgert daraus zutreffend, daß die Probemäßigkeit der W a r e die Beklagte von der Haftung für diese Mängel nicht befreie (vgl. RGZ. Bd. 95 S. 45; Warneyer Bd. 13 S. 50 Nr. 37). Es nimmt aber an, daß der Kläger die ihm nach § 377 Abs. 3 HGB. obliegende Pflicht, die sogenannten heimlichen oder verborgenen Mängel unverzüglich nach ihrer Entdeckung zu rügen, nicht erfüllt habe. Denn er habe auf Grund des Handelsverbots vom 1. November 1917 und der Auskunft des Ministeriums vom 14. dess. Mts. über den Grund dieses Verbots mit dem Vorhandenseinn von Mängel rechnen müssen und deshalb Anlaß gehabt, sich die genaue Kenntnis von ihnen unverzüglich durch Vornahme einer weiteren Untersuchung, die nach der Sachlage nur eine chemische sein konnte, zu verschaffen, zu dieser aber erst am 22. Dezember 1917, also verspätet, Auftrag gegeben. Er habe auch die weitere Anfrage an das Ministerium vom 6. dess. Mts. schon verzögert und aus dessen Antwort vom 10. die Uberflüssigkeit der dritten Anfrage vom 15. erkennen können, so daß er sich auch nicht

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auf diese Anfragen berufen könne; seine am 2. November erfolgte Mitteilung von dem Erlaß des Handelsverbots enthalte keine Mängelrüge, weil sie nicht zu erkennen gäbe, weldie Mängel der Ware er rügen wolle. Der Berufungsrichter legt also den § 377 Abs. 3 dahin aus, daß der Käufer zur unverzüglichen Untersuchung der Ware nach verborgenen Mängeln verpflichtet sei, wenn er die Uberzeugung von dem Vorhandensein solcher Mängel habe oder haben müsse, und bei einer Verzögerung dieser Untersuchung die bei einer solchen erkennbaren Mängel nicht mehr geltend machen könne. Diese Ansicht hat auch bereits in der Rechtsprechung und der Rechtslehre Vertretung gefunden; vgl. insbesondere das Urt. RG. II 168/09 vom 22. Juni 1909 (im Auszug abgedruckt LZ. 1909 Sp. 774), wo gesagt ist: „Haben sich bei einer ordnungsmäßigen Untersuchung nach der Ablieferung keine Mängel gezeigt, so braucht der Käufer ohne besondere Veranlassung nicht eine nochmalige Untersuchung der Ware vorzunehmen. Eine Verpflichtung hierzu entsteht jedoch, sobald Zweifel an dem Vorhandensein von Mängeln bei ihm auftauchen"; s. auch B o l z e , Pr. Bd. 19 S. 293 Nr. 544; anderseits RGZ. Bd. 73 S. 169 und das Urt. RG. I 109/17 vom 22. Dezember 1917, das die Frage einer nochmaligen Untersuchungspflicht dahingestellt läßt; ferner S t a u b , HGB. 9. Aufl. Bd. 2 S. 812 § 377 Anm. 18; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g , HGB. 2. Aufl. Bd. 3 S. 308 § 377 Anm. 62; M a k o w e r HGB. 13. Aufl. Bd. 2 S. 1266 Erl. VIc 2 usw. Sie läßt sich allerdings auf den Wortlaut des § 377 Abs. 3 nicht stützen. Dieser schreibt die Verpflichtung zur Anzeige sogenannter verborgener Mängel, d. h. solcher, die bei der Vorschrift des § 377 Abs. 1 entsprechenden, ordnungsmäßigen Untersuchung nach der Ablieferung nicht erkennbar waren, ausdrücklich nur „unverzüglich nach der Entdeckung" vor, also erst dann, wenn sie wirklich entdeckt sind, sich gezeigt haben, und sagt, anders als der Abs. 1, nichts davon, daß der Käufer die Ware auf verborgene Mängel zu untersuchen habe. Aber auch der Abs. 1 legt dem Käufer dem Verkäufer gegenüber nicht eine Verpflichtung zur Untersuchung der Ware, sondern nur zur rechtzeitigen Mängelanzeige auf. Nur die Unterlassung der letzteren, nicht die der Untersuchung hat die Rechtsfolge, daß die W a r e als genehmigt gilt. Die Untersuchung oder die für eine ordnungsmäßige Untersuchung erforderliche Frist ist nur für die Frage der Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige bedeutsam (vgl. darüber RGZ. Bd. 96 S. 175 und die daselbst angeführten Entscheidungen). Denn die Vorschriften des § 377 bezwecken, den Verkäufer über den Verlauf des Geschäfts nicht länger als nötig in Ungewißheit zu lassen, ihn vielmehr möglichst bald in den Stand zu setzen, die durch die Bean-

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standung der gelieferten Ware wegen Mangelhaftigkeit gebotenen Maßnahmen zu treffen; deshalb ist dem Käufer die Pflicht zur unverzüglichen Mängelrüge auferlegt. Mit diesem Zweck der Vorschriften und auch mit dem das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB.) ist es unvereinbar, wenn man, sich an den Wortlaut des Abs. 3 klammernd, den Käufer für berechtigt erachtet, trotz des Vorliegens genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorhandensein verborgener Mängel mit der Mängelrüge zu warten, bis diese erkennbar geworden, entdeckt sind. Ihnen wird vielmehr nur die Ansicht gerecht, die den Abs. 3 im Anschluß an die Bestimmungen der beiden vorhergehenden Absätze dahin auslegt, daß die Ware hinsichtlich derjenigen verborgenen Mängel als genehmigt gilt, die der Käufer dem Verkäufer nicht unverzüglich angezeigt hat, sobald er sie nach dem Hervortreten solcher Anhaltspunkte durch eine ordnungsmäßige Untersuchung feststellen konnte. Der Angriff der Revision gegen die obige Ansicht des Berufungsrichters ist daher unbegründet. Das gleiche gilt von ihrer Rüge, eine Verpflichtung zu einer chemischen Untersuchung bestehe nur d?.nn, wenn eine solche in dem betreffenden Handelszweig üblich sei, worüber das Berufungsgericht nichts festgestellt habe. Die Art der im § 377 geforderten Untersuchung richtet sich nach der Sachlage. Die Feststellung, daß nur durch eine chemische Untersuchung die Zusammensetzung der Ware sich habe ermitteln lassen, trägt für den gegebenen Fall die Entscheidung, daß der Kläger eine solche habe vornehmen lassen müssen. Der Kläger hat ja auch, wenn auch verspätet, eine chemische Untersuchung bewirkt. Daß der Kläger die Wandelung auf das der Beklagten unverzüglich angezeigte Verbot des Handels mit G.s Suppen nicht stützen könne, hat der Vorderrichter mit zutreffender Begründung dargelegt. Dieses Verbot bestand noch nicht zur Zeit der Lieferung der Ware und stellt keinen Mangel der Ware dar; auch die Möglichkeit des Verbots wegen der Nicht-Ubereinstimmung der Zusammensetzung der Suppenpulver mit deren Beschreibung bildet keinen Sachmangel.* RGZ. 101, 18 Muß der Verkäufer die trotz seines Widerspruchs vom Käufer veranlaßte Versteigerung beanstandeter Ware gegen sich gelten lassen, wenn diese zu verderben drohte? III. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 23. November 1920. Die Entscheidung ist abgedruckt unter .Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse 5".

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RGZ. 101, 90 Wie lange darf der Käufer bei Säumnis des Verkäufers die Eindeckung hinausschieben? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 11. Dezember 1920. I. Landgericht Magdeburg. II. Oberlandesgericht Naumburg a. S. Die Klägerin kaufte von der Beklagten im Juli 1915 auf Grund mündlicher Verhandlungen zusammen 100 000 gebrauchte Weißzuckersäcke zu 1,20 M. das Stück, Lieferung August/September. Bei der Bestätigung des Abschlusses ergaben sich Unstimmigkeiten. Es fanden weitere Verhandlungen statt, in deren Verlauf aber über eine von der Beklagten gewünschte Klausel keine Einigung erzielt wurde. Am 5. August wurde die Beklagte von der Klägerin aufgefordert, mit der Lieferung zu beginnen und alle fünf Tage eine Ladung Säcke abrollen zu lassen. Die Beklagte dagegen schrieb am selben Tage, sie trete vom Geschäfte zurück. Am 7. Oktober forderte die Klägerin wiederum Lieferung der 100 000 Säcke, gab für die Lieferung der ersten Ladung eine Nachfrist bis zum 15. Oktober und erklärte, nach fruchtlosem Ablauf der Frist Schadensersatz zu fordern. Die Beklagte wiederholte am 14. Oktober ihre Lieferungsweigerung. Nunmehr verlangt die Klägerin Schadensersatz und legt ihrer Forderung die Preise von Käufen zugrunde, die sie am 2. November 1915 und 29. Januar 1916 zur Eindeckung abgeschlossen haben will. Sie beziffert ihren Schaden auf 75 000 M. und klagt einstweilen 6000 M. ein. Die Schadensforderung ist dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt. Im Verfahren über die Höhe des Anspruchs wies das Landgericht die Klage ab. Das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Die Revision hatte teilweise Erfolg. Gründe: Es handelt sich darum, ob die Klägerin berechtigt ist, der Berechnung ihres Schadens ihre Käufe vom 2. November 1915 und 29. Januar 1916 zugrunde zu legen, wie dies die Klage in Anspruch nimmt, oder ob die Eindeckung wenigstens nicht früher als am 1. Oktober 1915 zu erfolgen brauchte, auf welchen Standpunkt sich das Berufungsgericht gestellt hat. Dabei ist davon auszugehen, daß die Beklagte die streitigen 100 000 Weißzuckersäcke im August/September 1915 zu liefern hatte, worüber die Parteien ausweise des landgerichtlichen Protokolls vom 8. April 1919 einverstanden sind. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Klägerin im August und September 1915 getätigten Sackkäufe, insbesondere der Kauf vom 9. August, welche zu verhältnismäßig niedrigen Preisen abgeschlossen seien, kämen als Deckungskäufe nicht in Betracht, da sie nicht als solche gemeint seien und die Klägerin derzeit großen HCB. 3

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laufenden Bedarf an Säcken gehabt habe. Gegen den mit der Beklagten geschlossenen, unerfüllt gebliebenen Vertrag habe sie sich vielmehr durch ihre erwähnten Käufe vom 2. November 1915 und 29. Januar 1916 decken wollen. Ob diese Eindeckung verspätet sei, könne dahingestellt bleiben. Die Klägerin sei jedenfalls nicht verpflichtet gewesen, sich schon im August/September 1915 einzudecken, sondern habe damit bis zum Ende der Lieferfrist, etwa Ende September, warten dürfen. Bei einer Eindedcung am 1. Oktober 1915 würde sie für den Sack 6 Pf. über den zwischen den Parteien vereinbarten Preis haben zahlen müssen. Das ergebe auf 100 000 Säcke einen Mehrbetrag von 6000 M. Da dieser Betrag mit der Klage gefordert werde, sei der Klageanspruch begründet, ohne daß es zurzeit darauf ankomme, ob die Beklagte darüber hinaus die erheblich höheren Preise der Käufer vom 2. November 1915 und 29. Januar 1916 gegen sich gelten lassen müsse. Die Revision bestreitet zunächst, daß der Kauf vom 9. August 1915 nicht als Deckungskauf in Betracht komme; sie ist weiter der Meinung, daß eine Eindeckung am 1. Oktober schon verspätet gewesen wäre. Was zunächst die von der Klägerin im August und September 1915 abgeschlossenen Käufe, insbesondere den Kauf vom 9. August angeht, so hat die säumige Beklagte nicht das Recht, beliebige dieser Käufe, die nicht als Deckungskäufe gemeint waren, wie das hier vom Berufungsgericht festgestellt ist, trotzdem als Deckungskäufe gegen die unterbliebene Vertragsleistung in Anspruch zu nehmen. Die Käufe kommen vielmehr nur insoweit in Betracht, als sie beweisen, daß eine Eindeckung, wenn solche im August/September zu erfolgen hatte, zu den Preisen dieser Käufe möglich war. Die Entscheidung des Rechtsstreits ist also davon abhängig, wann die Klägerin sich eindecken mußte. Das ist nach den Grundsätzen über Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Gepflogenheiten des Handels zu beurteilen. Nun kann kein Zweifel darüber bestehen, daß nach den Anschauungen des Handels eine Eindedcung möglichst umgehend zu erfolgen hat, nachdem die Lieferungs-weigerung des einen Teils feststeht. Wird von diesem Grundsatze abgewichen, so kann — wie zutage liegt — der Nichtsäumige durch Hinausschieben der Eindedcung mit Leichtigkeit auf Kosten des Säumigen spekulieren. Fallen die Preise, so macht der Käufer, dem sein Vertragspartner nicht liefert, Gewinn; zieht der Markt an, so hält er sich an jenem schadlos. Dies Ergebnis dünkt dem Handel auch gegenüber einem säumigen Vertragsgegner unzulässig, und deshalb wird möglichst umgehende Eindedcung in marktgängigen Waren für erforderlich erachtet. Das hat sehr vielfach in. Handelsgebräuchen Ausdruck ge-

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funden. Es gilt ausnahmslos für den K a s s e - und Terminhandel in W e r t p a p i e r e n , also nicht nur für Fixgeschäfte, wie im § 376 HGB. vorgeschrieben. S o bestimmen die Bedingungen für die Geschäfte an der B e r l i n e r Fondsbörse (vgl. z.B. P a s s o w , M a t e r i a l i e n für das wirtschaftliche Studium, Bd. 2 S. 96) in § 9, daß, w e n n das Zustandek o m m e n eines Börsengeschäfts von der einen Partei bestritten wird, die andere Partei „sofort" zur Zwangsregulierung (Eindeckung) zu schreiten hat; gerät beim Kassehandel eine Partei in Verzug, so muß die a n d e r e spätestens am achten T a g e nach Fälligkeit zur Erfüllung auffordern und nach Ablauf einer Nachfrist sich am nächsten B ö r s e n t a g e eindecken (§ 14); hat d e r säumige V e r t r a g s g e g n e r erklärt, nicht erfüllen zu wollen, s o muß die Zwangsregulierung sofort vorgenommen werden; beim Zeithandel in W e r t p a p i e r e n ist bei Säumigkeit e i n e s V e r t r a g s t e i l s d i e Eindeckung an der nächsten Börse nach dem Erfüllungstage v o r z u n e h m e n (§ 19). Gleiche Bestimmungen treffen die a l l g e m e i n e n Bedingungen für den Handel mit W e r t papieren an der Hamburger B ö r s e (vgl. J ü r g e n s - L e u c k f e l d , Hamburger Börsenhandbuch, S. 103). W i l l der Nichtsäumige sich eindecken, so muß er das beim K a s s e e f f e k t e n h a n d e l am nächsten oder übernächsten B ö r s e n t a g e nach F ä l l i g k e i t oder nach Ablauf einer Nachfrist tun, beim Zeithandel am nächsten oder übernächsten Börsentage nach Fälligkeit. Im wesentlichen das gleiche gilt für die Frankfurter Börse (vgl. H e i 1 f r o n . G e s e t z g e b u n g über Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 310); nach'§ 13 muß bei Kassegeschäften der Säumige binnen acht T a g e n unter Setzung einer Nachfrist gemahnt werden; die Eindeckung erfolgt am T a g e nach Ablauf der Nachfrist. Ähnliche Grundsätze gelten für den W a r e n h a n d e l . Nach den Berliner Ortsg e b r ä u d i e n für d e n Getreidehandel ( P a s s o w Bd. 3 S. 23) muß, wenn Schadensersatz auf Grund eines Deckungskaufs gefordert wird, der A n k a u f innerhalb der drei nächsten W e r k t a g e nach Ablauf einer viertägigen Nachfrist erfolgt sein (§ 18). Nach dem sog. deutschniederländischen V e r t r a g über G e t r e i d e muß die Eindeckung bei Säumnis d e s V e r k ä u f e r s innerhalb dreier Geschäftstage erfolgen (Bd. 3 S. 34 und 41). Gleich kurze Fristen für die Eindeckung sind für den Terminhandel in Kupfer (P a s s o w S. 141) und Zinn (S. 146) vorgesehen. Für den Handel mit Futtermitteln ist in Hamburg vorgeschrieben, daß bei Säumnis eine Nachfrist gewährt und dann binnen dreier T a g e die Eindeckung v o r g e n o m m e n werden muß ( J ü r g e n s L e u c k f e l d S. 174). Im Handel mit K a i t o f f e l f a b r i k a t e n muß am T a g e der Säumnis Protest e r h o b e n werden, widrigenfalls alle Ansprüche gegen den Säumigen erlöschen; die Eindeckung hat am nächsten W e r k t a g e zu geschehen (S. 179). A l l e diese Beispiele zeigen, wie energisch der Handel auf baldige V o r n a h m e der Eindeckung dringt. Diesen Anschauungen würde es 6*

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nicht entsprechen, wenn man eine so weite Hinausschiebung der Eindeckung zuließe, daß, wie vorliegendenfalls in der Klage vorgetragen, bei einem Kauf zu einem Vertragspreise von 120 000 M. ein Schaden von 75 000 M. oder, wie in einem späteren Schriftsatz berechnet, von 56 650 M. gefordert werden könnte. Die Rechtsprechung und Rechtslehre ist den dargelegten Anschauungen zum Teil gefolgt. S t a u b , Anhang zu § 374 Anm. 68, erklärt, daß die Eindeckung .alsbald" erfolgen müsse. Nach. D ü r i n g e r H a c h e n b u r g Bd. 2 S. 247 Anm. 357 ist sie entweder bei Eintritt des Verzugs oder nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist vorzunehmen, also zu denjenigen Zeiten, die auch für die Berechnung eines abstrakten Schadens maßgebend sind. Das Reichsgericht hat zwar Bd. 83 S. 176 ausgeführt, daß der nichtsäumige Verkäufer berechtigt sei, zunächst Erfüllung zu verlangen und dann noch nach längerer Zeit einen Deckungsverkauf vorzunehmen. Andererseits ist aber wieder in dem Urteil bei H o l d h e i m Bd. 14 (1905) S. 219 anerkannt worden, daß eine Hinauszögerung der Fristsetzung unter Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen könne. Einer grundsätzlichen Entscheidung über den Zeitpunkt der Eindeckung bedarf es vorliegendenfalls nicht, denn der zur Entscheidung stehende Tatbestand bietet besondere Eigentümlichkeiten, die vom Berufungsgericht nicht genügend in Rücksicht gezogen worden sind. Zunächst steht fest, daß schon im ersten Kriegsjahre eine starke Steigerung der Preise fast aller Waren, insbesondere auch aller Textilwaren u. dgl. eingetreten war. Die Preise für Jutesäcke und ähnliche Säcke nahmen an dieser Steigerung teil; das Berufungsgericht stellt fest, daß — gegenüber einem Vertragspreise von 1,20 M. aus Juli 1915 — die Preise bis Ende September auf 1,26 bis 1,30 M. angezogen hatten. Das ist, wie der zu den Akten gebrachte Briefwechsel ergibt, darauf zurückzuführen, daß größere Vorräte in Deutschland nicht mehr vorhanden waren und die Neuanfertigung verboten wurde. Bald nach dem 1. Oktober trat dann eine sprungweise Aufwärtsbewegung ein. Sodann kommt zweitens in Betracht, daß die Klägerin selbst, wie ihre Aufstellung erweist, im August und September andauernd erhebliche Quantitäten Säcke eingekauft hat. Die Beschaffung weiterer Mengen war möglich, wie die Aussage des Zeugen G. ergibt. Irgendein Interesse, die Eindeckung nicht schon im August und September vorzunehmen, hat die Klägerin nicht geltend machen können. Dann aber erscheint es weder den dargelegten Anschauungen des Handels noch den Erfordernissen von Treu und Glauben entsprechend, daß die Klägerin zwar für eigene Rechnung fortdauernd zu billigen Preisen kaufte, die Eindeckung für die unterbliebenen Lieferungen der Beklagten aber trotz des wegen der mangelnden Vorräte vorauszusehenden und teilweise schon in

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die Erscheinung getretenen Anziehens der Preise hinausschob. Sie hätte die Eindeckung vielmehr — eventuell nach Setzung einer Nachfrist, die aber nach der bestimmten Lieferungsweigerung der Beklagten nicht einmal erforderlich war — nach Fälligkeit der Lieferungen der Beklagten baldigst vornehmen müssen. Die Fälligkeit war eingetreten, denn die Klägerin hat die ersten Ladungen auf den 15. August und die weiteren mit Zwischenräumen von j e fünf Tagen abgerufen. Danach mußte sie sich für 50 000 Säcke Ende August und für weitere 50 000 Säcke Ende September eindecken. Ende August konnte sie, wie die Aussage des G. und ihre eigenen Käufe ergeben, noch zum Vertragspreise kaufen; Ende September mußte sie, wie das Berufungsgericht feststellt, 1,26 M. zahlen. Sie kann danach von der Beklagten nur einen Schadensersatz von 6 Pf. auf 50 000 Sack, das ist 3000 M., fordern. RGZ. .102, 91 Verliert der Käufer, wenn der Verkäufer die Ware unmittelbar an dessen Abnehmer gesandt hat, seine etwaigen Gewährleistungsansprüche, wenn der Abnehmer als Nichtkaufmann die unverzügliche Mängelanzeige unterlassen und infolgedessen der Käufer selbst dem Verkäufer verspätet Nachricht von der mangelhaften Beschaffenheit der Ware gegeben hat} II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 12. April 1921. I. Landgericht II Berlin, Kammer für Handelssachen. II. Kammergericht daselbst. Der Kläger hat dem Beklagten 50 kg Möhrensamen zum Preise von 190 M. für das Kilo unter Gewährleistung für gute Keimfähigkeit verkauft und am 5. März 1918 auf Ersuchen des Beklagten den Samen unmittelbar an dessen Abkäuferin, die Gemeinde Neukölln, gesandt. Letztere hat dem Beklagten am M.März den Samen zurückgesandt, weil er eine angeblich unzulässige Beimischung enthielte. Am gleichen Tage stellte der Beklagte den Samen dem Kläger mit der Begründung zur Verfügung, daß die Zusicherung guter Keimfähigkeit nicht eingehalten sei. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung des Kaufpreises einschließlich der Verpackungskosten. Der Beklagte wandte ein, die Mängelanzeige sei verspätet. Landgericht und Kammergericht haben unter Zurückweisung des Einwands der Klage stattgegeben. Auch die Revision blieb erfolglos. Aus den G r ü n d e n : Einwandfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Beklagte etwaige Gewährleistungsansprüche wegen mangelhafter Beschaffenheit der gelieferten Waren infolge verspäteter Mängelanzeigen verwirkt hat. Das Reichsgericht hat in seiner RGZ. Bd. 96

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S. 15 abgedruckten Entscheidung ausgesprochen, daß bei unmittelbarer Ubersendung der W a r e an den Abnehmer des Käufers dieser zwar erst dann die Mängel anzuzeigen habe, wenn er die entsprechende Anzeige von seinem Abnehmer erhalten habe; doch sei dabei vorauszusetzen, daß der Abnehmer des Käufers selbst den Mangel unverzüglich angezeigt habe. Von diesem Grundsatze darf a u d i dann nicht abgegangen werden, wenn der Abnehmer des Käufers kein Kaufmann war und daher auch nicht die Verpflichtung hatte, gemäß § 377 HGB. den Mangel unverzüglich anzuzeigen. Für das Verhältnis der Parteien zueinander bleibt die Vorschrift dieser Gesetzesbestimmung maßgebend. Läßt sidi der Verkäufer auf eine unmittelbare Übersendung an d e n Abnehmer seines Käufers ein, so liegt es im Rahmen eines ordnungsmäßigen Geschäftsganges, wenn der Käufer den Befund seines Abnehmers abwartet. Es kann aber dem Verkäufer nicht zugemutet werden, länger über die Entschließung seines Vertragsgegners im Ungewissen zu bleiben, als es die Verständigung zwischen dem Käufer und dem Dritten erfordert. Es muß daher in solchen Fällen Sache des Käufers sein, sich den alsbaldigen Bescheid seines Abkäufers zu sichern. Unterläßt er dies, wie im vorliegenden Falle, so hat er die Gefahr einer dadurch verspäteten Erstattung der Mängelanzeige zu tragen. Die Ware war unstreitig bereits am 5. März 1918 bei der Stadtgemeinde Neukölln eingetroffen und erst am 14. März hat der Beklagte dem Kläger von der angeblich zu geringen Keimfähigkeit des Samens Mitteilung gemacht. Daß eine derartige Verspätung nicht mit einem ordnungsmäßigen Geschäftsgange vereinbar ist, kann nicht wohl bezweifelt werden. . . . RGZ. 102, 295 Hat die Mängelanzeige, die in den Geschäftsräumen des abwesenden Geschäftsinhabers von seinen Angestellten durch den Fernsprecher entgegengenommen wird, die gleidie Wirkung, wie wenn sie von dem Geschäftsinhaber persönlich entgegengenommen worden wäre? III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 24. Juni 1921.

I. Landgericht Dresden, Kammer für Handelssachen. daselbst.

II. Oberlandesgericht

Die in Dresden ansässige Beklagte verkaufte im August 1918 dem in Berlin ansässigen Kläger einen Bahnwagen Glaubersalz. Der im September gelieferte Wagen enthielt aber nicht reines Glaubersalz, sondern eine Mischung von solchem und Steinsalz. Der Kläger verlangte wegen schuldhaft mangelhafter Vertragserfüllung Schadensersatz. Das Landgericht erklärte den Anspruch für gerechtfertigt.

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Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gründe: Das Berufungsgericht weist die Klage wegen Verspätung der Mängelanzeige nach § 377 HGB. ab, weil diese dem Handlungsagenten der Beklagten, dem Kaufmann F. in Berlin, persönlich frühestens zwei Tage nach der Entdeckung des Mangels gemacht worden, eine von dem Kläger behauptete frühere Mitteilung durch Fernsprecher aber mangels Weitergabe durch die Angestellten des F. an diesen unwirksam gewesen sei. Das Berufungsgericht geht also gemäß § 86 Abs. 2 HGB. davon aus, daß eine Mängelanzeige mit Wirkung für den Verkäufer auch dessen Handlungsagenten gemacht werden könne, verlangt aber in diesem Fall eine Erklärung gegenüber dem Agenten selbst und will eine in seiner Abwesenheit durch den Fernsprecher eingehende Anzeige nur dann gelten lassen, wenn sie von den sie entgegennehmenden Angestellten dem Agenten übermittelt worden ist. Diese Einschränkung ist aber mit den Anforderungen des modernen Verkehrs nidit vereinbar. Der Kaufmann, der sich zur Erledigung des Geschäftsverkehrs besonderer Geschäftsräume mit Angestellten bedient, gibt dadurch zu erkennen, daß er mittels dieser Einrichtung mit Dritten zu verkehren bereit ist, und muß daher geschäftliche Kundgebungen, die auf diesem Wege in den Bereich seines Geschäfts gelangen, so gegen sich gelten lassen, als wenn sie an ihn persönlich gelangt wären. Das gilt auch für Mängelanzeigen im Sinne des § 377 HGB. Eine in seiner Abwesenheit eingehende Anzeige dieser Art muß daher als in dem Zeitpunkte gemacht angesehen werden, in dem sie in den Geschäftsräumen von einem seiner Angestellten entgegengenommen wird. Auf das Mittel der Kundgebung kann es dabei nicht entscheidend ankommen. Die mündliche Mitteilung ist daher ebenso als dem Geschäftsinhaber zugegangen anzusehen wie etwa eine in den Geschäftsräumen für ihn abgegebene schriftliche Nachricht. Der mündlichen Erklärung steht aber die durch den Fernsprecher vermittelte gleich. Gerade für Erklärungen der letzteren Art ist eine andere Beurteilung ausgeschlossen durch die Bedeutung, die der Fernsprechverkehr im modernen Geschäftsleben gewonnen hat. Dieser Geschäftsverkehr mittels des Fernsprechers wäre praktisch undurchführbar, wenn Dritte wirksam nur mit dem Geschäftsinhaber persönlich verhandeln könnten oder doch bei Mitteilungen, die in dessen Abwesenheit gegenüber Angestellten gemacht werden, sich noch darüber vergewissern müßten, daß sie von den Angestellten an den Geschäftsherrn weitergegeben werden. Die Mitteilung, die in den

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Geschäftsräumen des abwesenden Geschäftsinhabers von seinen Angestellten durch den Fernsprecher entgegengenommen wird, muß daher die gleiche Wirkung haben, wie wenn sie von dem Geschäftsinhaber persönlich entgegengenommen worden wäre. Die Gefahr, die damit für ihn verbunden sein kann, wird ihm nicht unbilligerweise auferlegt. Da er selbst durch seine Beteiligung am Fernsprechverkehr sich zur Entgegennahme von Mitteilungen durch den Fernsprecher bereit erklärt, muß er auch dafür Sorge tragen, daß geschäftliche Mitteilungen, die auf diesem Wege einlaufen, ihm von seinen Angestellten übermittelt werden. Unter regelmäßigen Verhältnissen wird er auch in der Lage sein, von solchen Mitteilungen Kenntnis zu erhalten. Fehler in der Geschäftseinrichtung und Nachlässigkeiten der Angestellten, die ausnahmsweise dazu führen, daß der Geschäftsinhaber keine Kenntnis erhält, dürfen nicht dem Dritten schaden, der im Vertrauen auf das dargebotene Verkehrsmittel handelt. Freilich kann es nicht genügen, wenn beliebige Personen, wie z. B. eine mit der Reinigung der Geschäftsräume betraute Person, die Erklärungen am Fernsprecher entgegennehmen. Es muß sich um kaufmännische Angestellte handeln, aber auch genügen, wenn sich der Dritte darüber vergewissert, mit einem solchen Angestellten zu verhandeln. Das Reichsgericht hat in RGZ. Bd. 61 S. 125 als Grundsatz ausgesprochen, daß Willenserklärungen, die mittels des Fernsprechers an das Kontor eines Kaufmanns in seiner Abwesenheit gelangen, ihm in dem Augenblick zugehen, in dem sie von einem dazu Befugten entgegengenommen werden, als welcher in der Regel jeder kaufmännische Angestellte des Kontors anzusehen sei. Was hier für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen ausgesprochen ist, muß um so mehr für Mängelanzeigen im Sinne des § 377 HGB. gelten, die nur die tatsächliche Mitteilung von Mängeln enthalten. Für den Fall der Mängelanzeige läßt sich unterstützend auch die Vorschrift des § 377 Abs. 4 heranziehen, die zwar weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden ist, aber immerhin erkennen läßt, daß es für die Anwendung des § 377 überall mehr auf die Betätigung des Käufers, als auf die Ankunft der Anzeige bei dem Verkäufer ankommt. Die hier anerkannte Auffassung wird auch im Schrifttum, so von S t a u b - K ö n i g e HGB. § 377 Anm. 25 in Verb, mit § 54 Anm. 13 und Anhang zu § 361 Anm. 31 a ; R i t t e r HGB. § 377 Anm. 13 f, § 362 Anm. 10 b, vertreten. Die gegenteilige, namentlich in Erörterungen zu § 130 BGB. hervortretende Meinung (vgl. P l a n c k BGB. § 130 Erl. 1 c und 3 und dort erwähnte Schriftsteller) würde dazu führen, den Angestellten des Geschäftsinhabers als Boten des Dritten zu behandeln. Das wäre für den Verkehr unter Kaufleuten gerade das Gegenteil dessen, was der Verkehrsanschauung entspricht. Das Berufungsurteil kann danach nicht aufrecht erhalten

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werden; vielmehr muß es aufgehoben und die Sadie an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Was die Frage der Mängelanzeige betrifft, so bedarf es noch der Feststellung, von wem, an wen und mit welchem Inhalte die behauptete Mitteilung durch den Fernsprecher gemacht worden ist, worüber bis jetzt noch nichts feststeht. RGZ. 102, 388 Kann der Verkäufer, der einen S e l b s t h i l f e v e r k a u f nach $ 373 HGB. ausgeführt hat, später davon absehen, das Veräufierungsgeschäft als Selbsthilfeverkauf gelten zu lassen? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 24. September 1921. I. Landgericht Hildesheim. — II. Oberlandesgeridht Celle.

Die Klägerin kaufte von der Beklagten am 23. Januar 1920 5 Kuxe der Gewerkschaft Caroline zum Preise von je 11 700 M, focht aber gleich darauf den Kaufvertrag wegen Irrtums an. Die Beklagte wies die Anfechtung durch Schreiben von demselben Tage zurück und erklärte, daß sie, falls die Klägerin nicht bis zum 26. Januar 1920 vormittags 10 Uhr die Ordnungsmäßigkeit des Geschäfts bestätigen würde, die 5 Kuxe am 26. Januar 1920 in Essen an der Nachmittagsbörse für die Klägerin bestens versteigern lassen und die Klägerin für den entstehenden Schaden in Anspruch nehmen würde. Demgegenüber hielt die Klägerin ihre Anfechtung aufrecht und erklärte, sie könne die von der Beklagten angedrohte „Exekution" nicht anerkennen und lehne die Vergütung des Schadens, der dadurch der Beklagten entstehen sollte, ab. Mit Schreiben vom 28. Januar 1920 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe in Ausführung der angesagten Exekution die 5 Kuxe an der Düsseldorfer Börse am 27. Januar 1920 verkauft, wobei ein Uberschuß über den mit der Klägerin vereinbarten Kaufpreis erzielt worden sei. Das genannte Schreiben der Beklagten enthält eine ziffermäßige Abrechnung und schließt mit den Worten: „Ein Schaden ist uns durch Ihre Nichtanerkennung des Abschlusses nicht entstanden, wodurch unsere Ansprüche gegen Sie erledigt sind. Den überschießenden Betrag von 11 801,85 M werden wir zu wohltätigen Zwecken verwenden." Nunmehr verlangte die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe des Uberschusses und erhob, als die Beklagte die Zahlung verweigerte, dieserhalb Klage. Die Klage wurde in allen drei Instanzen abgewiesen, vom Reichsgericht aus folgenden „ Gründen: Die Beklagte hat am 27. Januar 1920 5 Kuxe der Gewerkschaft Caroline verkauft und dabei einen höheren Preis erzielt, als der Kaufpreis beträgt, welcher bei dem am 23. Januar 1920 zwischen der Klägerin als Käuferin und der Beklagten als Verkäuferin vereinbarten Kauf von Kuxen derselben Art festgesetzt worden ist. Die Klägerin erhebt An-

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spruch auf jenen Mehrerlös mit der Behauptung, der von der Beklagten am 27. Januar 1920 vorgenommene Verkauf sei für Rechnung der Klägerin ausgeführt, da er entweder als Selbsthilfeverkauf im Sinne von § 373 HGB. oder als Selbsthilfeverkauf wegen verzögerter Abnahme der Kuxe seitens der Käuferin im Sinne der Essen-Düsseldorfer Börsengebräuche vom 1. Januar 1920 unter III zu behandeln sei. Bei Bestreiten der Beklagten ist es Sache der Klägerin, die zur Begründung ihrer Klage erforderlichen Nachweise zu erbringen. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß dies der Klägerin nicht gelungen sei. Sollte es sich wirklich um einen Selbsthilfeverkauf nach § 373 HGB. handeln, so gebührt allerdings, wie in der Rechtsprechung und im Schrifttum allgemein anerkannt ist, der Mehrerlös der Klägerin. Dasselbe ist der Fall, wenn die Essen-Düsseldorfer Börsengebräuche maßgebend sein sollten. Nun stand aber die Vornahme eines Selbsthilfeverkaufs sowohl nach § 373 HGB. als auch nach den Essen-Düsseldorfer Börsengebräuchen im freien Belieben der Beklagten. Hieran wird nichts geändert, wenn die Beklagte mit dem Schreiben vom 23. Januar 1920 einen solchen Selbsthilfeverkauf angedroht oder bei Vornahme des Verkaufs der Kuxe am 27. Januar 1920 zunächst an einen solchen Selbsthilfeverkauf gedacht haben sollte. Denn die bloße Tatsache der Androhung eines Selbsthilfeverkaufs seitens des Verkäufers oder die bloße, bei Vollziehung des Verkaufs vorhandene Absicht desselben, einen Selbsthilfeverkauf vorzunehmen, hat für sich allein keine den Verkäufer nach der hier maßgeblichen Richtung hin bindende Wirkung ( D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g HGB. § 373 Anm. 18, 22, 23, 26, 42, 43, § 374 Anm. 3; S t a u b HGB. § 373 Anm. 13b, 21, 51, § 374 Anm. 1, Anhang zu § 374 Anm. 31; Urteile des Reichsgerichts vom 11. Februar 1907 I 146/07 und 4. Juli 1916 II 259/15). Vielmehr konnte die Beklagte in ihrem Verhältnis zur Klägerin auch noch nach Ausführung des angedrohten Verkaufs von seiner Behandlung als Selbsthilfeverkauf jedenfalls so lange Abstand nehmen, als die Klägerin ihrerseits einer solchen Auffassung des Verkaufs ablehnend gegenüberstand. Dies hat die Klägerin, welche nach Empfang des den Verkauf der Kuxe androhenden Schreibens der Beklagten vom 23. Januar 1920 die Rechtsgültigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrags und die Zulässigkeit eines Selbsthilfeverkaufs seitens der Beklagten ausdrücklich bestritten hat, bis zu dem Zeitpunkte getan, w o sie durch Schreiben der Beklagten vom 28. Januar 1920 erfuhr, daß ein Mehrerlös erzielt war. Danach war die Beklagte noch bei Abfassung und Absendung ihres Schreibens vom 28. Januar 1920 berechtigt, die Behandlung des Geschäfts als eines im Verhältnis der Parteien wirksamen Selbsthilfeverkaufs abzulehnen. Dies konnte die Beklagte in verschiedener W e i s e zum Ausdrude bringen. So war sie in der Lage, im Hinblick darauf, daß

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die Klägerin nicht nur in Annahmeverzug (Gläubigerverzug) sondern auch in Zahlungsverzug (Schuldnerverzug) war und die Erfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags ernstlich verweigerte, den Verkauf, der übrigens nicht, wie angedroht, in Essen sondern anderswo vollzogen worden ist, als Deckungsverkauf gemäß § 326 BGB. zu behandeln. Die Beklagte konnte aber auch jenen Verkauf als ein selbständiges, von dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag unabhängiges Geschäft betrachten, wie dies im Berufungsurteil zutreffend dargelegt worden ist. In beiden Fällen würde der Mehrerlös der Beklagten zustehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 28. Januar 1920 eine Erklärung zu entnehmen ist, daß die Beklagte einen jener Wege gewählt hat oder welchen anderen Weg sie hat einschlagen wollen. Denn jedenfalls ist in dem genannten Schreiben vom 28. Januar 1920 trotz seiner unbestimmten Fassung mit genügender Klarheit zum Ausdruck, gekommen, daß der Verkauf als ein für Rechnung der Klägerin vollzogener Selbsthilfeverkauf — sei es nach § 373 HGB., sei es nach den Essen-Düsseldorfer Börsengebräuchen — keinesfalls gelten sollte, da die Beklagte ausdrücklich den Mehrerlös für sich in Anspruch nimmt. Mangels einer dahingehenden Erklärung der Beklagten kann die Klägerin aber aus dem früheren, auf einen Selbsthilfeverkauf hinweisenden Verhalten derselben Ansprüche auf den Mehrerlös nicht herleiten. RGZ. 103, 77 1. Liegt im S a a t g u t h a n d e l dem Verkäufer die G a r a n t i e für Saatguteigensdiaften ob? 2. Zur Frage des Verschuldens beim Verkauf von Saatgut III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. Oktober 1921. I. Landgericht Rudolstadt. — II. Oberlandesgericht Jena.

Die Klägerin hatte am 8. Januar 1915 bei der Beklagten 200 Zentner Saatweizen, und zwar „Sommer-Bordeaux-Weizen zur Saat" bestellt und auf diese Bestellung von der Beklagten Ende Januar 1915 100 Sack unter der Inhaltsangabe „Sommer-Bordeaux-Weizen zur Saat" zugesandt erhalten. Sie verkaufte den größten Teil dieses Weizens alsbald an Landwirte und schrieb der Beklagten am 2. Juli 1915, sie habe bis heute von ca. 6 Abnehmern die Mitteilung erhalten, daß der als Sommer-Bordeaux-Weizen bezogene Weizen kein Sommer- sondern Winterweizen sei. Die Klägerin fordert Schadensersatz wegen Nichterfüllung, und zwar neben deT Zahlung zweier bezifferter Beträge die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Nichterfüllung des Vertrages vom 8. Januar 1915 entstanden ist.

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Das Landgericht hat durch TeilurteU diesem Feststellungsantrag entsprochen; der Berufungsrichter hat ihn abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. „ a Gründe: Der Berufungsrichter stellt fest, daß die Beklagte nicht eine bloß mangelhafte, sondern eine ganz andere Ware als die bestellte — Ausnahmefall des § 378 HGB. — geliefert hat, und diese Feststellung beruht nicht auf Verkennung, sondern auf richtiger Auffassung des Wortes „offensichtlich" in § 378; vgl. RGZ. Bd. 98 S. 159. Die Klage stützt sich in erster Linie auf die als selbstverständlich anzunehmende Garantie der Beklagten dafür, daß Sommer-BordeauxSaatweizen geliefert werde. Ein solches stillschweigendes Garantieversprechen verneint der Berufungsrichter mangels genügender Anhaltspunkte; es folge ein solches Versprechen nicht aus der bloßen Bezeichnung des Kaufgegenstandes mit der Angabe seines Verwendungszwecks „Sommerweizen als Saatgut"; daß der Käufer den gekauften und nicht einen anderen Gegenstand geliefert haben wolle, treffe bei jedem Kaufe zu. Die Revision wendet ein: Die Garantie müsse angenommen werden, wenn ein vernünftiges Ergebnis und die Sicherheit des Verkehrs gewollt werde. Die Eigenschaft als Saatgut sei erst durch die Aussaat selbst, behufs deren das Saatgut an die Bauern verkauft werde, feststellbar, so daß nur der aussäende Landwirt richtig zu rügen vermöge. Bei Verneinung der Garantie sei der Käufer dem Verkäufer auf Gnade und Ungnade preisgegeben; nur der Verkäufer, der seinerseits von dem Erzeuger aufgekauft habe, sei in der Lage, sich Sicherheit durch ein zweifelsfreies Ursprungsattest zu verschaffen; habe er dies unterlassen, so müsse er seinem Käufer haften. Dieser Ausführung der Revision muß beigetreten und die Rechtsauffassung des Berufungsrichters als rechtsirrig abgelehnt werden. Nach der Feststellung des Berufungsrichters war das von der Klägerin am 8. Januar 1915 bestellte Saatgut nach beiderseitigem Willen sofort zu liefern und für Aussaat im Frühjahr 1915 bestimmt, und es war Gewißheit über die Sommersaatgut-Eigenschaft nur durch Anbauversuche zu erlangen. Die Schwierigkeit, diese Gewißheit zu erhalten, wird besonders ins Licht gestellt durch das erste, vom Reichsgericht aufgehobene Urteil des Berufungsgerichts, welches trotz des auf Anbauversuche gestützten ersten Gutachtens des Sachverständigen den Beweis für die Klagebehauptung nicht für geführt erachtet hatte; erst auf Grund des weiteren ausführlichen Gutachtens des Sachverständigen hat nunmehr der Berufungsrichter festgestellt, daß der gelieferte Weizen zu 48 vH. aus Winterweizen bestand, der zur Aussaat im Frühjahr gänzlich unbrauchbar war. Es handelte sich also um eine Ware, deren zweckentsprechende, nur durch Anbau ausführbare Untersuchung nach dem Sinne des Vertrags dem Käufer, der Klägerin,

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unmöglich war, deren wirkliche Beschaffenheit der Klägerin vielmehr unerkennbar bleiben mußte. Denn die Klägerin war, wie die Beklagte wußte, nur Zwischenhändlerin, die den Weizen nicht ihrerseits aussäen, sondern alsbald an die Landwirte behufs Aussaat durch diese spätestens im April 1915 weiterveräußern wollte und sollte. Audi die Beklagte war, wie die Klägerin wußte, nur Zwischenhändlern!, auch sie brauchte den Weizen nicht durch eigenen Anbau auf SommersaatFähigkeit zu untersuchen, bevor sie ihn an die Klägerin verkaufte. Nur der Züchter des Saat-Sommerweizens kann und muß Gewißheit über diese Eigenschaft haben; er muß, wenn er Sommerweizen als Saatgut verkauft, seinem Käufer ohne weiteres und unbedingt dafür einstehen; der erste Käufer kann diese Zusage des Erzeugers nicht als eine bloße Warenbezeichnung, sondern nur als eine Garantieübernahme auffassen. Diese Garantie des Züchters kommt vorliegend nicht in Frage; denn der Nebenintervenient X. — von dem die Beklagte den streitigen Weizen gekauft hatte — hatte den Weizen, wie der Berufungsrichter feststellt, vom Erzeuger gar nicht als Saatgut, sondern als Mahlgut gekauft. Dieselbe Garantiehaftung, die dem Züchter obliegt, muß aber auch den Saatgut-Zwischenhändler treffen, gleichviel ob er an einen weiteren Zwischenhändler oder an einen das Saatgut zum Anbau verwendenden Landwirt weiterveräußert. Der Anbau ist eben das einzige Mittel, die Sommersaatgut-Eigenschaft zu erproben und zu erkennen, und zu dem Anbau, dem vertragsmäßigen Zweck des Kaufgeschäfts, wird regelmäßig die ganze Saatgutmenge verwendet und aufgebraucht. Eine Vorprobe durch einen der Hauptaussaat vorausgehenden Teilanbau ist regelmäßig, insbesondere bei Kauf im Januar zur Aussaat im Frühjahr desselben Jahres ausgeschlossen, da der rechtzeitige Anbau an eine kurze Aussaatzeit gebunden ist und erst nach längerer Zeit, also nach Ablauf der Aussaatzeit, ein die Beurteilung ermöglichendes Ergebnis liefert. Nicht nur der erste Verkäufer solcher Ware, nämlich der mit Herkunft, Art und Beschaffenheit notwendig bekannte Erzeuger, sondern auch jeder spätere Verkäufer darf eine derartige Ware nach Treu und Glauben nur mit dem Willen weiterveräußern, daß er die so von ihm bezeichnete Eigenschaft der Kaufsache schlechthin garantiert. Andernfalls wäre, von etwaigem nachweisbarem Verschulden des einen oder andern Verkäufers abgesehen, immer der letzte Käufer, der aussäende Landwirt, der endgültig Geschädigte, und wäre immer der wirklich Schuldige, nämlich das Mahlgut als Saatgut oder Wintersaat statt Sommersaat verkaufende Erzeuger, mangels eines bis auf ihn zurückgehenden Rückgriffs der endgültig frei Ausgehende. Ein solches Ergebnis ist unannehmbar. Die Garantiehaftung, wie sie dem Erzeuger obliegt, muß sich in den Zwischenhändlern fortsetzen. Das ist ein aus der Natur der Sache fließendes, zur Sicherung des Verkehrs notwendiges Gebot. Getreidesaatgut-Käufe sind notwendig völlige Vertrauensgeschäfte,

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die redlicherweise nur auf dem Boden der Garantiehaftung gewollt sein können und gewollt sein dürfen. Damit stimmt die Rechtsprechung überein, schon in Zeiten, als die Landwirtschaft und der Getreidesaatguthandel noch nicht entfernt den jetzigen Umfang und die jetzige Bedeutung erlangt hatten. Das Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 2. November 1872 (Bd. 7 S. 409) folgert für einen dem vorliegenden völlig gleichen Fall — Kauf von Sommersaat, Sommerrübsen und Sommerraps zu dem ausgesprochenen Zwecke sofortiger Aussaat in demselben Jahre, nämlich zur Nachsaat an Stelle ausgegangener Winterfrüchte — aus Art. 282 ADHGB. ( = § 347 Abs. 1 HGB.) den Garantiewillen des Verkäufers und findet ein Verschulden schon in der Abschließung des Vertrags, falls der Verkäufer dabei beabsichtigt haben sollte, dem Käufer nicht — wie dieser es erwarten konnte und mußte — unter allen Umständen für die Lieferung derjenigen Ware, deren er bedurfte und die er von ihm kaufte, einzustehen (vgl. RGZ. Bd. 20 S. 91). Die Entscheidung des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 22. Mai 1913 II 63/13 (kurz abgedruckt in Leipz. Zeitschr. 1913 Sp. 756) billigt die auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Annahme einer Garantie beim Verkauf von Petersilienwurzelsamen, der von dem minderwertigen Schnittpetersiliensamen äußerlich nicht zu unterscheiden ist. Nicht entgegen steht die von der Beklagten angezogene, eine Garantie ablehnende Entscheidung des I. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 29. Mai 1920 I 24/20, J.W. 1920 S. 831 Nr. 1; dort waren Rotkohlpflanzen „ohne weitere Bestimmung" verkauft, hier aber hat die Beklagte im Januar 1915 Sommer-Bordeaux-Saatweizen zu sofortiger Aussaat im Frühjahr 1915 verkauft. Ähnlich wie in I 24/20 lag die Sache in der vom Berufungsrichter angezogenen Entscheidung vom 14. März 1913 II 569/13, Warneyer 1913 Nr. 279; dort war nur „Futterrübensamen" verkauft und waren nadi der tatsächlichen Auffassung des damals erkennenden Senats weitere, einen Garantiewillen ergebende Umstände nicht behauptet. Der Beklagten liegt hiernach grundsätzlich die unbedingte Garantiepflicht ob. Die Beklagte scheint sogar selbst nach Ausweis ihrer Briefe an die Klägerin an ihrer Garantiepflicht nicht gezweifelt zu haben. Sie schreibt im Briefe vom 3. Juli 1915: „Es ist ganz selbstverständlich, daß der Ablader (der Nebenintervenient X.) für allen Schaden aufzukommen hat, wenn . . . . statt Sommerweizen Winterweizen geliefert ist", und im Briefe vom 12. Juli 1915 sagt sie, wenn positiv sicher festgestellt werde, daß es Winterweizen war, habe sie ihren Regreßanspruch an ihren Ablader und würden alle Abnehmer der Klägerin zu ihrem Rechte kommen. Die weitere eventuelle Frage, ob ohne eine Garantie eine anderweite Verantwortlichkeit d«r Beklagten bestehe, verneint der Be-

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rufungsriditer. Eine Nichterfüllung liege hier gar nicht vor, sondern die Beklagte habe nur andere Ware als die bestellte geliefert. Die Beklagte sei auch nicht in Verzug gekommen, denn die Klägerin habe die Beklagte nicht gemahnt, die richtige Ware, nämlich den Sommerweizen, zu liefern; schon darum entfalle § 326 Abs. 2 BGB. Eben deshalb liege auch auf Seiten der Beklagten, an die das Ansinnen, den Sommerweizen noch zu liefern, überhaupt nicht gestellt worden sei, keine positive Vertragsverletzung vor; an der Lieferung einer völlig anderen Ware treffe die Beklagte kein Verschulden, weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit. Es ist jedoch nicht verständlich, wie die Klägerin zu einer Mahnung hätte schreiten können, da, wie der Berufungsrichter selbst vorher feststellt, Gewißheit, ob es Sommer- oder Winterweizen war, nur durch der Klägerin ebensowenig wie der Beklagten mögliche Anbauversuche zu erlangen und eine Nachlieferung von Sommersaatweizen zur Aussaat für Frühjahr (April) 1915 im Juli 1915 (nach Einlauf der Mitteilungen der aussäenden Landwirte an die Klägerin) unmöglich war. Eben darum hat die Beklagte endgültig überhaupt nicht erfüllt (Entsch. ROHG. Bd. 7 S. 410, S t a u b - K ö n i g e § 378 Anm. 14) und konnte nachträglich nicht mehr erfüllen. Die Klägerin ihrerseits hatte nichts weiter zu tun und konnte nichts weiter tun, als ihren Schadensersatzanspruch geltend zu machen, und dies hat sie sofort nach Empfang der Mitteilungen der Landwirte durch den Brief vom 2. Juli 1915 getan. Anlangend die Frage eines Verschuldens der Beklagten braucht die Beweislast, weil vom Berufungsrichter nicht behandelt, nicht erörtert zu werden. Sachlich aber schlägt der Satz ein, daß der Verkäufer schuldhaft handelt, der eine Ware, insbesondere Saatgetreide liefert, von der er selbst nicht weiß, von welcher Beschaffenheit sie ist (RGZ. Bd. 20 S. 92 Abs. 2 und JW. 1920 S. 832 Nr. 1). Die Beklagte hatte gekauft von dem Ablader X., der, wie sie wußte, den angeblichen Sommersaatweizen von dem Erzeuger hereingeholt hatte. Sie mußte zumal nach dem vom Berufungsrichter selbst betonten strengen Maßstab der Sorgfaltspflicht im Samenhandel, von X. verlangen, daß er ihr die Eigenschaft als Saat-Sommer-Bordeaux-Weizen (der BordeuxWeizen war eine neue, besonders gezüchtete, besonders anspruchsvolle, behufs Hebung des Nahrungsstandes in der Kriegszeit den Landwirten empfohlene Getreideart) durch ein Attest des Erzeugers nachweise, vgl. „Vorlegung eines amtlichen Keimattestes" in II 569/12 bei Warneyer 1913 Nr. 279 und „Herstellung zulässiger Kontrollen" bei Bezug vom Produzenten in RGZ. Bd. 20 S. 92. Bei Durchführung solchen Verlangens hätte sich sofort herausgestellt, daß X. den Weizen gar nicht als Saatgut, sondern als Mahlgut vom Erzeuger gekauft hatte. Die Beklagte darf der Klägerin gegenüber nicht einwenden, diese habe ebenso unsorgfältig gehandelt, nämlich von ihr, der Beklagten, ebenfalls ohne ein Attest des Erzeugers gekauft. Damit würde

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die Beklagte das ihr selbst geschenkte Vertrauen der vertrauenden Klägerin zum Vorwurf machen (RGZ. Bd. 20 S. 93), während doch nur sie selbst, die Beklagte, die Ware aus der Hand des ersten Käufers (X.) nahm und die Klägerin bei dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufgeschäft der Zuverlässigkeit der Beklagten vertrauen, nämlich annehmen durfte, daß diese die im Saatgutzwischenhandel durch die Natur der Sache und durch die Verkehrssitte in besonders hohem Grade gebotene und bei der Entnahme aus der Hand des ersten Käufers durch Forderung der Vorlage eines Attestes des Erzeugers leicht durchführbare Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auch wirklich geübt habe. RGZ. 103,129 1. Inhalt der V e r s e n d u n g s p f l i c h t des Verkäufers b e i m Distanzkaufe. 2. Bedeutung der Lieferung der Ware in ein anderes Verbraudisgeblet für die Frage des K e t t e n h a n d e l s . II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 1. November 1921 I. Landgericht Hamburg, Kammer f. Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst. Zwischen der in Hamburg ansässigen Klägerin als Verkäuferin und dem in Leipzig wohnhaften Beklagten als Käufer kam Ende September 1918 ein Abschluß über etwa 7000 Stück Demijons (mit Weiden umflochtene Glasflaschen) zum Preise von 2,70 M. für das Stück zustande. Im übrigen lauteten die Vertragsbedingungen: franko Waggon Hamburg, Akkreditiv bei der N. Bank gegen abgestempelten Duplikatfrachtbrief. Zur Lieferung kam es nicht, da nach längerem Briefwechsel über die Art der durch die Klägerin zu bewirkenden Versendung der Ware der Beklagte schließlich den Rücktritt vom Vertrag erklärte. Die Klägerin erhob sodann Klage auf Zahlung des Kaufpreises von 18 900 M. mit dem Vorbringen, die gekauften Demijons ständen dem Beklagten jederzeit zur Verfügung. Der Beklagte hat, abgesehen von anderen hier nicht interessierenden Einwendungen, geltend gemacht: Zahlung oder Akkreditivstellung habe erst gegen abgestempelten Duplikatfrachtbrief, jedenfalls nicht vor Beginn der durch die Klägerin zu bewirkenden Verladung erfolgen müssen, die Klägerin habe mit der Verladung nicht einmal begonnen, sei also nicht erfüllungsbereit gewesen. Endlich hat der Beklagte noch den Einwand des Kettenhandels erhoben. Während des Rechtsstreits ließ die Klägerin die Ware gemäß § 373 Abs. 2 HGB. öffentlich versteigern und beschränkte nunmehr den Klaganspruch auf den nach Abzug des Erlöses vom Kaufpreise verbleibenden Betrag von 12 550,39 M. Beide Vorinstanzer haben der Klägerin diesen Betrag zuerkannt. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

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Aus den G r ü n d e n : Nach der Auffassung des Berufungsgerichts begründete die Vertragsklausel „franko Waggon Hamburg, Akkreditiv bei . . . gegen abgestempelten Duplikatfrachtbrief" für die Klägerin die Verpflichtung, die W a r e an den Waggon zu schaffen. Der Umstand, daß sie einen Waggon nicht stellen konnte, habe — so wird ausgeführt — dem Beklagten nicht das Recht gegeben, vom Vertrag zurückzutreten. Denn wenn beim Distanzkaufe der Verkäufer sich um Stellung eines Waggons bemühe, so geschehe das im Interesse des Käufers, eine Verpflichtung dazu bestehe nicht. Der Beklagte habe daher, weil die Klägerin keinen Waggon stellen konnte, nicht vom Vertrage zurücktreten können. Die Revision meint, die Klägerin, die zur Vorlegung des Duplikatfrachtbriefs verpflichtet gewesen sei, habe naturgemäß auch für den Waggon oder die Waggons sorgen müssen,- solange sie diese Verpflichtung nicht erfüllt, habe sie auch die Gegenleistung nicht verlangen können. Aus dem Handelsbrauche, wonach bei Distanzkäufen der Verkäufer die Ware dem Käufer an dessen Wohnort oder gewerbliche Niederlassung zu übersenden hat, ergab sich für die Klägerin die Verpflichtung, sich um einen Wagen zu bemühen, mittels dessen die Ware von Hamburg nach Leipzig befördert werden konnte. Durch die Vereinbarung „franko Waggon Hamburg, Akkreditiv . . . gegen abgestempelten Duplikatfrachtbrief" wurde an dieser Verpflichtung nichts geändert. Inhaltlich ging die Verpflichtung dahin, jedenfalls die gemeinhin üblichen Schritte zwecks Erlangung eines Waggons zu tun; außergewöhnliche Anstrengungen brauchte die Klägerin jedoch in dieser Richtung nicht zu machen, und insbesondere kann davon, daß sie für die Stellung eines Waggons durch die Eisenbahnbehörde Gewähr zu leisten gehabt habe, nicht die Rede sein. Der Verkäufer handelt bei der Versendung der Ware regelmäßig im Interesse und nach Art eines Beauftragten des Käufers. Entstehen besondere Schwierigkeiten, so ist es Sache des Käufers, dafür zu sorgen, daß die Versendung ausgeführt werden kann. Daraus folgt, daß auch bei ungewöhnlichem Waggonmangel, wie er im Spätherbst 1918 in Deutschland herrschte, der Käufer die der Waggonstellung entgegenstehenden Hindernisse aus dem Wege zu räumen, zum mindesten aber bei deren Beseitigung entsprechend mitzuwirken hat. Aus dem Briefwechsel der Parteien ergibt sich nun ohne weiteres, daß die Klägerin zur Ermöglichung der Versendung der Ware, namentlich auch zwecks Erlangung eines Waggons, alles, was nach den Umständen von ihr verlangt werden konnte, getan hat und daß es lediglich am Beklagten selbst lag, wenn sie die zur Bereitstellung der Versendung weiter erforderlichen Schritte unterließ. Am 30. September 1918 ersuchte sie den Beklagten um eine polizeilich beglaubigte Dringlichkeitserklärung, die nach Angabe ihres Spediteurs zur Erwirkung eines Waggons nötig sei. Auf die Antwort HGB. 3

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des Beklagten, er habe eine solche Erklärung bis jetzt nicht bekommen können, die Klägerin möge mitteilen, wie sonst der Versand nach Leipzig erfolgen könne, schlug sie ihm am 7. Oktober 1918 den Wasserweg bis Halle vor, worauf er erklärte, er werde sich mit einem Spediteur daselbst in Verbindung setzen und sodann weitere Mitteilung machen. Mitteilung hierüber kam aber nicht, obwohl die Klägerin den Beklagten am 15. Oktober 1918 an die Einsendung seiner Versandvorschriften erinnerte. Auf ihre Aufforderung vom 9. November 1918, nunmehr ein Akkreditiv zu stellen, da ihr für die nächsten Tage ein Waggon zugesagt sei, antwortete er zunächst überhaupt nicht, und auf die Erinnerung vom 29. November erklärte er den Rücktritt vom Vertrage, da er die zur sofortigen Lieferung gekaufte Ware jetzt, nach einem Vierteljahr, nicht mehr gebrauchen könne und sein Auftraggeber seinen Auftrag annulliert habe. Der Standpunkt des Beklagten, daß er das Akkreditiv vor erfolgter Verladung der Ware und Ausstellung des Duplikatfrachtbriefes nicht habe zu stellen brauchen, ist schon mit Rücksicht darauf, daß er die von ihm verlangte Dringlichkeitserklärung nicht beigebracht und damit die Beschaffung eines Waggons von vornherein vereitelt hat, nicht haltbar. Bei dieser Sachlage ist kein Zweifel, daß er zum Rücktritt vom Vertrage nicht berechtigt war. Wohl aber war die Klägerin wegen des Annahmeverzuges, in dem der Beklagte sich befand, zum Selbsthilfeverkaufe nach § 373 HGB. befugt. Die Rechtsfolgen, die das Landgericht und ihm folgend auch der Berufungsrichter hieraus gezogen haben, werden von der Revision nicht beanstandet. Auch die Zurückweisung des Einwandes des Kettenhandels wird von der Revision vergeblich angegriffen. Zwar ist die Annahme des Berufungsrichters, daß Demijons (gläserne Behältnisse zur Aufnahme beliebiger Flüssigkeiten) nicht Gegenstände des täglichen Bedarfs seien, nicht unbedenklich. Entscheidend ist aber, daß die Ware — wenn auch beide Parteien Großhändler sind — von Hamburg nach Leipzig verkauft war, also in ein ganz anderes Verbrauchsgebiet geliefert werden sollte. Dieser Entscheidungsgrund trägt die Verneinung des Vorliegens eines Kettenhandelsgeschäftes. RGL. 103, 376 Welche Verpflichtungen ergeben sldi für den Käufer aus der Vertragsbestimmung „ K a s s e g e g e n A k k r e d i t i v " ? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. Januar 1922 i. S. L. (Bekl.) w. G. (Kl.). II 299/21. I. Landgericht II Berlin, Kammer f. Handelssachen. — II. Kammergericht daselbst.

Durch Briefwechsel vom 21. und 24. Juni 1919 kam zwischen der klägerischen Firma als Käuferin und dem Beklagten als Lieferer ein Kaufvertrag über , 3 Ladungen ä ca. 10 000 Stück ganze Original-Sekt-

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flaschen" zu 40 M. das Hundert unter den weiteren Bedingungen „frei Waggon Berlin, Kasse gegen Akkreditiv" zustande. Die beiden ersten Ladungen wurden geliefert; über sie besteht kein Streit zwischen den Parteien. Dagegen weigert sich der Beklagte, die noch ausstehende dritte Ladung mit etwa 10 000 Stüde zu liefern, weil die Klägerin ihre Verpflichtung bezüglich der Akkreditivstellung nicht erfüllt habe. Wegen dieser dritten Ladung schrieb der Beklagte der Klägerin am 28. Oktober 1919, voraussichtlich könnten 8000—10 000 Stüde in der ersten Hälfte des November geliefert werden, die Klägerin möge das Akkreditiv für 8000—10 000 Flaschen bei der Bank für Handel und Industrie in Berlin, Depositenkasse Y, stellen. Am 7. November 1919 übersandte sodann die Klägerin der Depositenkasse Y einen Verrechnungsscheck Nr. 25 879 auf die Diskontogesellschaft, Filiale Frankfurt a. M., im Betrage von 4000 M. mit dem Anfügen: Die Firma Hans L. (der Beklagte) in Berlin habe an die Klägerin etwa 8000—10 000 Stüde ganze Original-Sektflaschen zu 40 M. für hundert Stüde frei Verladung ab Berlin zu liefern; gegen Aushändigung eines bahnamtlich abgestempelten Duplikatfrachtbriefs solle der Rechnungsbetrag an die Firma L. ausbezahlt werden, auch möge die Depositenkasse Y dieser Firma „von dem Inhalt" sofort Nachricht geben. Am 16. November 1919 schrieb die Klägerin der Depositenkasse Y weiter, die 4000 M. seien als ein zugunsten des Beklagten gestelltes Akkreditiv zu betracht; dieser Firma solle sofort mitgeteilt werden, daß ihr der Betrag von 4000 M. bei der Depositenkasse Y gegen Duplikatfrachtbrief zur Verfügung stehe. Schon am 10. November hatte der Beklagte unter Bezugnahme auf ihre Mitteilung vom 28. Oktober der Klägerin geschrieben: Das Akkreditiv sei bis heute nicht gestellt, auch habe die Klägerin nichts weiter von sich hören lassen; es werde ihr nunmehr zur Stellung eines „unwiderruflichen" Akkreditivs bei der Bank des Beklagten eine Frist gesetzt bis zum 20. November; sei das Akkreditiv bis dahin dort nicht eingelaufen, so müsse der Beklagte annehmen, daß die Klägerin auf die Lieferung der Flaschen verzichte, länger könne er ihr diese nicht zur Verfügung halten. Nach Mitteilung der Depositenkasse Y ist der Schede am 9. November, keinesfalls aber später als am 11. November bei ihr eingegangen und am 11. desselben Monats von ihr an die Berliner Zentrale der Bank für Handel und Industrie weitergegeben worden. Nach einem Schreiben der Frankfurter Filiale der Diskontogesellschaft an Josef Lub. in Frankfurt a. M. vom 27. April 1920 hat diese Filiale dessen Schedeentnahme N. 25 879 an die Order der Bank für Handel und Industrie, Depositenkasse Y Berlin, im Betrage von 4000 M. am 14. November 1919 zu Lasten des Lub. eingelöst. Mit Schreiben vom 21. November 1919 hat die Depositenkasse Y den Beklagten von der Eröffnung des Akkreditivs benachrichtigt; nach Behauptung des Beklagten ist ihm dieses Schreiben am 22. November 1919 zugegangen. Ebenfalls am 21. November 1919 v

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schrieb der Beklagte an die Klägerin: Das Akkreditiv sei ihm auch bis heute von seiner Bank nicht als gestellt avisiert worden; er müsse daher auf seinem Brief vom 10. November beharren, er habe der Klägerin die Flaschen lange genug zur Verfügung gehalten und ihr einen reichlichen Zeitraum zur Stellung des unwiderruflichen Akkreditivs gelassen. Die Klägerin verlangt nunmehr vom Beklagten Lieferung von 10 000 ganzen Original-Sektflaschen zu den oben angeführten Vertragsbedingungen und, wie ausdrücklich bemerkt wird, mit der Klausel .Kasse gegen Akkreditive". Das Landgericht hat die Klage in Höhe von 8000 ganzen OriginalSektflaschen zugesprochen, mit ihrer Mehrforderung aber die Klägerin abgewiesen. Die Berufung des Beklagten war erfolglos. Auf seine Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache in die Vorinstanz zurückverwiesen. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht läßt unentschieden, ob die Klägerin mit der Akkreditiveröffnung sich im Verzuge befunden, ob der Beklagte auf den Rücktritt vom Vertrage verzichtet habe und ob die der Klägerin im Schreiben vom 10. November 1919 gesetzte Frist angemessen gewesen sei. Auf alles das soll es nicht ankommen, weil die Klägerin das Akkreditiv innerhalb der Frist, also vor dem Ablauf des 20. November 1919, gestellt habe. Die Annahme des von der Klägerin übersandten Schecks seitens der Berliner Depositenkasse Y der Bank für Handel und Industrie sei zahlungshalber, vorbehaltlich des Eingangs des Betrages, erfolgt. Mit der Einlösung des Schecks durch den Bezogenen sei die Zahlung geleistet gewesen. Die Frankfurter Filiale der Diskontogesellschaft habe aber den Scheck am 14. November 1919, also vor Ablauf der Nachfrist, eingelöst. Es könne hiernach dahinstehen, ob die Bank für Handel und Industrie ein Verschulden in der Richtung treffe, daß der Beklagte erst am 22. November 1919 die Nachricht von der Bestellung des Akkreditivs erhalten habe. Die Einziehung des Schecks sei für den Beklagten erfolgt, ein Verschulden der Bank würde nicht der Klägerin zur Last fallen. Diese Ausführungen sind rechtsirrig; sie verkennen die durch die Verpflichtung der Klägerin zur Akkreditivstellung geschaffene Sachund Rechtslage. Vereinbart war zwischen den Parteien die Stellung eines Akkreditivs bei der Bank des Beklagten, der Bank für Handel und Industrie in Berlin, Belle-Alliance-Platz 6; das ist die Depositenkasse Y dieser Bank in Berlin. Wollte die Klägerin ihre Verpflichtung unter Verwendung des ihr zur Verfügung stehenden Schecks N. 25 879 erfüllen, so mußte sie dafür sorgen, daß nicht bloß der Scheck selbst an die Depositenkasse Y gesandt, sondern auch die Depositenkasse Y in die Lage versetzt wurde, über den Betrag des durch Verrechnung ein-

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gelösten Schecks zugunsten des Beklagten zu verfügen. W e i t e r a b e r gehört zur Akkreditivstellung die Erklärung der Bank an den V e r käufer, daß ihm der betreffende Geldbetrag vom Käufer bei ihr zur Verfügung gestellt sei. Die Erklärung wird j e nach den Umständen, insbesondere j e nach der Unwiderruflichkeit oder Widerruflichkeit des Akkreditivs, verschieden gefaßt sein und für die Bank eine V e r pflichtung zur vertragsmäßigen Auszahlung dem V e r k ä u f e r g e g e n ü b e r begründen oder nicht. J e d e n f a l l s verlangt der V e r k ä u f e r erst durch die Erklärung der Bank Kenntnis von seiner Akkreditierung und die mit dieser erstrebte Sicherstellung. W i e unbestritten, ist die Benachrichtigung des Beklagten von der Akkreditiveröffnung in Höhe von 4000 M. erst durch Schreiben der Depositenkasse Y vom 21. November 1919 erfolgt, das dem Beklagten am 22. November zuging. Hiernach k a n n davon, daß die Akkreditivstellung — wie die Klägerin behauptet — vor dem 20. N o v e m b e r 1919, dem T a g e des Ablaufs der Nachfrist, bewirkt worden wäre, nicht die Rede sein. Nach den Feststellungen des Berufungsurteils und der dort in bezug genommenen Korrespondenz kann nicht eingenommen werden, daß die Depositenkasse Y v o r Ablauf des 20. N o v e m b e r 1919 über den Betrag des Verrechnungsschecks N. 25 879 zu verfügen in der Lage war. Denn die Einlösung des Schecks ist durch Verrechnung zwischen der Frankfurter Filiale der Bank für Handel und Industrie und der dortigen Filiale der Diskontogesellschaft als Bezogener geschehen, und es läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, daß die Frankfurter Filiale der Bank für Handel und Industrie der Depositenkasse Y in Berlin den Scheckbetrag zur Verfügung gestellt oder ihr auch nur von der Einlösung des Schecks Mitteilung gemacht habe. Daß die Verrechnung nicht unmittelbar zwischen der Depositenkasse Y und der Bezogenen vor sich ging, beruht — worüber die Parteien einig sind — darauf, daß die Depositenkasse Y den ihr von der Klägerin übersandten Scheck «in ihre Zentrale weitergegeben und diese sodann ihre Frankfurter Filiale mit der Besorgung des weiteren betraut hat. Ehe Depositenkasse Y aber hat nach Ablauf der lOtägigen Vorlegungsfrist angenommen, der (inzwischen nicht zurückgekommene) S c h e c k gehe in Ordnung, und deshalb den Beklagten am 21. November 1919 von der Akkreditiveröffnung benachrichtigt. W e n n nun auch nichts dafür vorliegt, daß die Klägerin bei Ubersendung des Schecks an die Depositenk a s s e Y die ihm bis zu seiner Einlösung widerfahrene Behandlung bekannt war, so muß sie doch im Verhältnis zum Beklagten dafür verantwortlich gemacht werden, daß ihre Beauftragte, die Depositenk a s s e Y, nicht alsbald n a d i der am 14. November erfolgten Einlösung des Schecks die Möglichkeit der Verfügung über den Scheckbetrag erhielt. Das Berufungsgericht meint, ein etwaiges Verschulden der Bank hinsichtlich der erst am 22. November 1919 erfolgten Benachrichtigung des Beklagten von der Akkreditivbestellung würde keines-

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falls zu Lasten der Klägerin gehen, da der Scheck „für" den Beklagten (soll wohl heißen: zur Verwendung des Scheckbetrags im Interesse seiner Sicherstellung) eingezogen worden sei. Allein dieser Gesichtspunkt ist nicht entscheidend. Nur darauf kommt es an, daß die Klägerin vertraglich verpflichtet war, das Akkreditiv bei der Bank des Beklagten, der Depositenkasse Y in Berlin, die insoweit ihre Beauftragte war, zu stellen, damit dem Beklagten durch sie der Kaufpreis gegen Ausfolgung des Duplikatfrachtbriefs ausgezahlt würde. Wenn die Klägerin dieser Verpflichtung durch Weitergabe des ihr zur Verfügung stehenden Verrechnungsschecks gerecht werden wollte, so tat sie dies auf ihre Gefahr in dem Sinne, daß die bankmäßige Behandlung des Schecks bis zur Einlösung, das etwaige Unterbleiben der Uberweisung der 4000 M. an die Depositenkasse Y und weiterhin auch die verspätete Benachrichtigung des Beklagten von der Akkreditivstellung ihr — der Klägerin — zur Last fielen. Der Beklagte konnte ruhig abwarten, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung nachkommen würde oder nicht. Er brauchte sich hierwegen auch nicht bei seiner Bank, der Depositenkasse Y, zu erkundigen, durfte sich vielmehr beim Nichtvorliegen von Umständen, die nach Treu und Glauben ein anderes Verhalten zur Pflicht machten, darauf verlassen, daß er — wie es dann auch am 22. November 1919 geschah — von der Depositenkasse Y Anzeige über die erfolgte Akkreditiveröffnung erhalten werde. In gleichem Sinne hat sich schon der III. Zivilsenat des Reichsgerichts in der Entscheidung vom 26. April 1921 III 377/20 (JW. 1921 S. 1312) ausgesprochen. Die Auffassung, daß die Rücktrittserklärung des Beklagten unwirksam gewesen sei, weil die Klägerin das Akkreditiv schon vor dem Ablauf des 20. November 1919 eröffnet habe, ist demnach nicht haltbar. Anderseits ist daran, daß die vereinbarte Akkreditivstellung eine Hauptleistung der Klägerin darstellt und ihr etwaiger Verzug mit dieser Leistung dem Beklagten die Rechte aus § 326 Abs. 1 BGB. verschafft hat, nach Sachlage nicht zu zweifeln. Die Entscheidung über die Berechtigung oder Nichtberechtigung des vom Beklagten erklärten Rücktritts hängt daher von der Stellungnahme zu den eingangs erwähnten Fragen, in erster Linie also davon ab, ob die Klägerin mit der Akkreditivstellung im Verzuge und ob die vom Beklagten gesetzte Nachfrist angemessen war. Die Revisionsbeklagte hat sich im Interesse der Aufrechterhaltung des angefochtenen Urteils noch darauf berufen, daß der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe kein unwiderrufliches Akkreditiv gestellt und daher die ihr obliegende Leistung nicht bewirkt, vom Vorderrichter zurückgewiesen worden sei mit der Begründung, die Unwiderruflichkeit sei nach den Bestätigungsschreiben nicht zur Voraussetzung gemacht worden, das Akkreditiv habe aber für die Lieferung des Be-

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klagten zur Verfügung gestanden. Mit diesem Vorbringen sollte darauf hingewiesen werden, daß die Klägerin wegen der in dem Verlangen eines unwiderruflichen Akkreditivs liegenden Zuvielforderung des Beklagten nicht ordnungsmäßig in Leistungsverzug gesetzt worden sei. Eine Zuvielforderung des Beklagten liegt jedoch überhaupt nicht vor. Wenn auch in den Briefen vom 21. und 24. Juni 1919 das von der Klägerin zu stellende Akkreditiv nicht ausdrücklich als unwiderrufliches bezeichnet war, so ergibt sich die Unwiderruflichkeit doch zweifelsfrei aus der Vertragsbedingung „Kasse gegen Akkreditiv". Rein wörtlich genommen wäre die Klausel unverständlich, da es sich bei diesen beiden Bezeichnungen nicht um einen Austausch von Leistung und Gegenleistung, sondern um eine Verpflichtung lediglich des Käufers handelt. Der Sinn der Klausel, die im heutigen Handelsverkehr typischen Charakter angenommen hat, ist aber offensichtlich der, daß das Akkreditiv in diesem Falle wirtschaftlich auf eine Stufe mit der „Kasse", der Barzahlung, gestellt werden soll. Ein Äquivalent der Barzahlung ist naturgemäß nur das endgültig festgestellte, also das unwiderrufliche Akkreditiv, nicht ein solches, das der Käufer beliebig zurückziehen kann. Das Akkreditiv war auch von seiten der Klägerin als ein unwiderrufliches gemeint, sonst hätte sie nicht die Depositenkasse Y mit Schreiben vom 16. November 1919 um sofortige Benachrichtigung des Beklagten gebeten, daß ihm die 4000 M. bei der genannten Bank gegen Duplikatfrachtbrief zur Verfügung ständen. Entsprechend diesem Ersuchen hat dann die Depositenkasse Y am 21. November 1919 dem Beklagten Mitteilung gemacht, ohne die Frage der Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit in dem Schreiben ausdrücklich zu erwähnen. RGZ. 104, 95 Zur Frage des Erfordernisses der Mängelanzeige außerhalb des Gebiets der beiderseitigen Handelskäufe. II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 21. Februar 1922 I. Landgericht Hamburg, Kammer f. Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Beklagte, eine Handelsfrau, hat im Dezember 1916 der klagenden Stadtgemeinde eine größere Menge Mus verkauft und geliefert; das Mus sollte von der Klägerin an die Einwohner von H. entgeltlich abgegeben werden. Einige Tage nach der Ablieferung zeigte die Klägerin der Beklagten die gesundheitsgefährliche Beschaffenheit des Muses an und verlangte Wandlung des Kaufvertrags und Rückzahlung des Kaufpreises. Das Oberlandesgericht wies die Klage wegen verspäteter Erstattung der Mängelrüge ab. Auf die Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.

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Aus den G r ü n d e n : Nach dem vom Berufungsgericht unterstellten Vorbringen der Klägerin soll deren erstmalige Mängelrüge der Beklagten am 14. Dezember 1916 „oder kurz darauf" übermittelt worden sein. In dem für die Klägerin günstigsten Falle wurde also die Rüge am 6. Tage nach der .spätestens" am 8. Dezember 1916 erfolgten Ablieferung der W a r e erstattet. Auch in diesem Falle hält sie das Oberlandesgericht nach dem von ihm analog angewendeten § 377 HGB. für verspätet. Die Revision bestreitet die Anwendbarkeit des § 377, da die Klägerin, wie auch das Oberlandesgericht annehme, nicht Kaufmann sei und daher ein beiderseitiges Handelsgeschäft nicht vorliege. Der Vorderrichter erachtet das für die Kaufmannseigenschaft erhebliche Merkmal des An- und Verkaufs in Gewinnabsicht bei dem von der Klägerin bewirkten Umsatz von Lebensmitteln allerdings nicht für gegeben. Er wendet aber den § 377 HGB. mit Rücksicht darauf „analog" an, daß die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 1915 bis 1. Oktober 1916 An- und Verkäufe von Lebensmitteln im Betrage von annähernd \}/2 Millionen Mark getätigt habe und daß bei ihr für diesen Verwaltungszweig eine besondere Abteilung mit den nötigen Büroangestellten und mit Hilfskräften (wie Lagerhalter, Verkäufer, Arbeiter) eingerichtet gewesen sei. Nachdem infolge der Kriegsnotwendigkeiten Stadtgemeinden in steigendem Umfang als An- und Verkäufer von Waren aufgetreten und sich unter Schaffung fester Organisationen mit einem großen Kreise von Lieferanten und Abnehmern in Verbindung gesetzt hätten, sei solchen Gemeinden gegenüber die Anwendung der im Interesse höherer Rechtssicherheit und schnellerer Abwicklung der Geschäfte erlassenen strengeren Vorschriften der §§ 377 ff. HGB. geboten. Allein damit läßt sich die Anwendung des § 377 auf das hier streitige Kaufgeschäft nicht rechtfertigen. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf zweiseitige Handelskäufe; fehlt es hieran, so kann es sich weder um ihre unmittelbare noch um ihre analoge Anwendung handeln. Zwar erfordert auch außerhalb des Anwendungsgebiets des § 377 HGB., also auch beim einseitigen Handelskauf, wie er hier vorliegt, der Grundsatz von Treu und Glauben im Verkehr, daß der Käufer, der die ihm abgelieferte Ware als mangelhaft beanstanden will, die Mängelanzeige nicht ungebührlich verzögert; sonst muß er sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob er die Ware billigte und behalten wollte. Im gegenwärtigen Falle ist aber nichts festgestellt und auch von der Beklagten nichts behauptet, was sich für die Annahme einer ungebührlichen Verzögerung der Mängelrüge verwerten ließe. Die von der Klägerin geschaffene Organisation zum An- und Verkauf von Lebensmitteln kann hierzu nicht herangezogen werden. Diese bei der Stadtgemeinde H. wie bei anderen Gemeindeverwaltungen aus der Not der Zeit entstandene Einrichtung hat die Verpflichtungen der Klägerin ihren Lieferern von Lebensmitteln gegen-

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über nicht dahin zu steigern vermocht, daß sie grundsätzlich jede ihr zugegangene Ware, auch wenn sie äußerlich keinen Fehler aufwies, unverzüglich auf etwaige verborgene Mängel hätte untersuchen lassen und, falls ein solcher sich zeigte, dem Verkäufer alsbald Anzeige hätte erstatten müssen. Hier handelte es sich aber gerade um einen verborgenen Mangel, der nur durch chemische Untersuchung festzustellen war. Denn die ordnungswidrige Durchmischung des Muses mit schwefligsaurem Naturon war äußerlich nicht erkennbar. Von einem schon äußerlich feststellbaren Mangel war denn auch in den Vorinstanzen nach dem Akteninhalt nie die Rede, und die Gesundheitsschädlichkeit des Muses wurde nur dadurch, daß dessen Genuß bei einigen Kindern Erkrankungen hervorrief, vor dem Abschluß der chemischen Untersuchung offenbar. Wegen des in der Anwendung des § 377 HGB. liegenden Rechtsirrtums war daher das angefochtene Urteil aufzuheben. . . . RGZ. 104, 283 1. Finden die Vorschriften der § 379 Abs. 2 und § 373 HGB. Anwendung, wenn der Käufer die dem V e r d e r b e n a u s g e s e t z t e W a r e unter Erwirkung einer einstweiligen Verfügung durch einen Gerichtsvollzieher v e r s t e i g e r n l ä ß t ? 2. Entsteht in diesem Falle zwischen dem Käufer und dem von ihm mit der Versteigerung beauftragten Gerichtsvollzieher ein bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis? H a f t e t der Käufer für F e h 1 e r des G e r i c h t s v o l l z i e h e r s bei der Bekanntmachung der Versteigerung? VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. April 1922 I. Landgericht Gera. — II. Oberlandesgericht Jena. Die Beklagte lieferte im April 1920 von B. aus dem in W. wohnenden Kläger 189 Kalbfelle zum Preis von 119 748 M. Der Kläger, der den Kaufpreis im voraus bezahlt hatte, beanstandete die Felle als vertragswidrig und ließ sie wegen drohenden Verderbens nach erwirkter einstweiliger Verfügung durch einen Gerichtsvollzieher versteigern, wobei nur 4723,50 M. gelöst wurden. Der Klage auf Wandlung des Kaufs und Rückerstattung des Kaufpreises begegnete die Beklagte u. a. mit der zur Aufrechnung gestellten Forderung von Schadensersatz, weil der Kläger sie zu spät von der Versteigerung benachrichtigt und diese nicht gehörig bekannt gemacht habe. Das Berufungsgericht wies die Gegenforderung zurück, weil die Felle nicht gemäß § 379 HGB. oder § 383 BGB., sondern auf gerichtliche Anordnung nach § 940 ZPO. versteigert worden seien, die Versteigerung also nicht an die Voraussetzung des § 379 Abs. 2 HGB. geknüpft gewesen sei. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

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Aus den G r ü n d e n : . . . Gegen die Ablehnung des Aufrechnungsanspruchs wendet sich die Revision mit folgender Ausführung: Die einstweilige Verfügung, durch welche die Versteigerung der Felle angeordnet worden sei, habe auf § 379 HGB. beruht und dem Kläger kein besonderes, außerhalb dieser Vorschrift stehendes Recht gegeben. Es hätte daher nach § 373 HGB. verfahren werden müssen. Die erforderliche Sorgfalt sei aber nicht angewendet worden. Mit den angeblich vertragswidrigen seien auch die guten Felle versteigert, die Versteigerung sei trotz des großen Objekts nur in der Lokalzeitung eines kleinen Orts bekannt gemacht und die Beklagte nicht so zeitig von dem Termin benachrichtigt worden, daß sie sich noch mit den zum Mitbieten nötigen Geldmitteln versehen konnte. All das sei vom Berufungsgericht nicht gehörig beachtet worden. Der Angriff ist nicht begründet. Auf Antrag des Klägers hat das Prozeßgericht mittels einstweiliger Verfügung vom 28. Juni 1920 wegen drohenden Verderbs der Felle verordnet, daß der Kläger sie durch einen Gerichtsvollzieher versteigern und den Erlös hinterlegen lasse. Am 29. Juni erhob die Beklagte Widerspruch und beantragte, daß die Versteigerung so lange hinausgeschoben werde, bis ihre Lieferanten und die Personen, die in Berlin mit der Versendung der Felle befaßt waren, diese besichtigt hätten. Das Gericht beschloß am 2. Juli, daß die Versteigerung nicht vor dem 17. Juli stattfinden dürfe. Am 8. Juli fand im Hauptprozeß die Beweisaufnahme statt. Am 10. Juli zog die Beklagte ihren Widerspruch zurück, ohne Gründe dafür anzugeben. Der klägerische Prozeßbevollmächtigte ersuchte am 15. Juli den Gerichtsvollzieher um Vollzug der einstweiligen Verfügung und bat, den Kläger zur Versteigerung zuzuziehen. Der Gerichtsvollzieher machte in der W.er Zeitung vom 20. Juli bekannt, daß er die Felle „auf Rechnung, den es angeht", am 22. Juli vormittags in der Lederfabrik des Klägers versteigern werde. Die Versteigerung fand zur bestimmten Stunde in Gegenwart des Klägers statt. Die Felle wurden insgesamt von einem Kaufmann erstanden, die in dem Protokoll als I a bezeichneten zwei Posten, 39 und 37 Stück, das Pfund zu 5,10 M. und 3,70 M. . . . (Nach Zurückweisung einiger hier nicht in Betracht kommenden Rügen wird fortgefahren:) . . . Auch in der Hauptfrage ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die mit der herrschenden Meinung übereinstimmt, zutreffend. Der Kauf war für beide Parteien ein Handelsgeschäft, der Kläger hatte die an ihn von Berlin gesandten Felle beanstandet. Da diese, wie die Beklagte, nicht bestritten hat, dem Verderben ausgesetzt waren und Gefahr im Verzug bestand, so war der Kläger nach § 379 Abs. 2 HGB. befugt, sie unter Beobachtung der Vorschriften des § 373 HGB. verkaufen zu lassen. Er hat dies nicht getan, sondern bei dem Prozeß-

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geridit die vorbezeichnete einstweilige Verfügung erwirkt. Auch wenn die Voraussetzungen des Notverkaufs gegeben sind und mit der einstweiligen Verfügung der gleiche Zweck erreicht werden soll wie mit ihm, so ist doch jeder der beiden Reditsbehelfe durchaus selbständig, nicht abhängig von dem andern, und folgt seinen eigenen Regeln. Die einstweilige Verfügung ist eine gerichtliche Anordnung, der Notverkauf eine rein private Maßnahme. Hiernach bestimmen sich die rechtlichen Wirkungen beider. Es ist daher nicht anzuerkennen, daß, wenn der Tatbestand des § 379 vorliegt, dessen Vorschriften ungeachtet oder neben der einstweiligen Verfügung Platz greifen, oder daß etwaige Lücken der einstweiligen Verfügung danach zu ergänzen wären. Auch macht es keinen Unterschied, ob das Gericht die zur Ausführung der einstweiligen Verfügung erforderlichen näheren Anordnungen selbst trifft oder sie wie hier dem Antragsteller überträgt oder ihn dazu ermächtigt. Gemäß §§ 936, 928 ZPO. finden auf die Vollziehung der einstweiligen Verfügung die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung Anwendung. Zwischen dem Antragsteller und dem Gerichtsvollzieher, den er mit der Ausführung der einstweiligen Verfügung beauftragt, entsteht mithin ebensowenig wie bei der Zwangsvollstreckung im engeren Sinne ein bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis (RGZ. Bd. 82 S. 83). Der Gerichtsvollzieher handelt als Beamter und nicht als bürgerlich-rechtlicher Beauftragter des Antragstellers. Dieser hat daher für ein Verschulden des Gerichtsvollziehers nicht nach § 278 BGB. einzustehen. Wer durch eine Amtspflichtverletzung des Gerichtsvollziehers Schaden erlitten haben will, muß ihn selbst aus § 839 BGB. oder gegebenenfalls den Staat aus dem Staatshaftungsgesetz in Anspruch nehmen (vgl. für Sachsen-Weimar § 91 AG. z. BGB., wonach der Staat nur als Bürge haftet 1 ). Der antragstellende Käufer braucht ein Mehreres nicht zu tun, als den Gerichtsvollzieher mit der Vollziehung der einstweiligen Verfügung zu beauftragen. Im übrigen kann er dem Gerichtsvollzieher, der nach Maßgabe seiner Dienstvorschriften vorzugehen hat, das weitere Verfahren überlassen, ohne eine Pflichtwidrigkeit gegen den Verkäufer dadurch zu begehen, daß er sich näherer Weisungen an jenen enthält, mag auch das fortbestehende Eigentum des Verkäufers an der beanstandeten Ware durch eine nicht sach- und ordnungsgemäße Versteigerung gefährdet werden können. Diesem Ergebnis steht der Umstand nicht entgegen, daß der Käufer im Fall des § 379 HGB. geneigt sein wird, den Weg der einstweiligen Verfügung zu beschreiten, der ihn in der Regel jeder Verantwortung enthebt. Sind die Erfordernisse der einstweiligen Verfügung vor') Vgl. ferner Art. 131 der Reidisverfassung und dazu einerseits RGZ. Bd. 102 S. 166, anderseits Urt. des Preuß. Gerichtshofs zur Entscheidung von Kompetenz konflikten v. 10. Dezember 1921 im Preuß. Verwaltungsbl. Bd. 43 S. 310.

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handen, so bleibt es ihm natürlich unbenommen, den ihm vorteilhafteren Rechtsbehelf zu wählen. Zwar wird dem geschädigten Verkäufer der unter Umständen schwierige Beweis auferlegt, daß dem — vielleicht fachunkundigen — Gerichtsvollzieher durch die Art, wie er die Versteigerung vorbereitet und vorgenommen hat, ein Verschulden zur Last falle. Der Verkäufer kann indes durch geeignete Anträge bei dem Gerichtsvollzieher oder bei dem Gericht die volle Berücksichtigung seiner Interessen erlangen, wie denn auch hier die Beklagte Anlaß und genügend Zeit gehabt hätte, dafür zu sorgen, daß die Versteigerung in wirksamer Weise bekannt gemacht und sie von dem Termin rechtzeitig benachrichtigt wurde. Aus alldem folgt, daß die Beklagte den Kläger wegen der angeblichen Versäumnisse bei der Bekanntmachung der Versteigerung der Felle und wegen des Schadens, der ihm daraus entstanden sein soll, nicht verantwortlich machen kann RGZ. 104, 382 Muß beim S u k z e s s i v l i e f e r u n g s k a u f j e d e einkommende L i e f e r u n g von neuem sofort u n t e r s u c h t und g e r ü g t werden? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 30. Mai 1922 I. Landgericht Hamburg, Kammer f. Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Am 28. Februar 1920 verkaufte der Kläger dem Beklagten auf Lieferung etwa 400 t Treiböl ab Tankanlage Hamburg in des Käufers Kesselwagen. Geliefert wurde zunächst am 22. April 1920 ein Kesselwagen .Regensburg", den der Beklagte bezahlt hat. Am 10., 20. und 26. Mai wurden weitere vier Wagen geliefert. Der Beklagte beanstandete die gesamte gelieferte Ware und lehnte weitere Bezahlung ab. Der Verkäufer hat von dem Kaufpreis den Teilbetrag von 100 000 M. eingeklagt. Beide Instanzen haben den Beklagten nach dem Klagantrag verurteilt. Der Revision des Beklagten ist stattgegeben worden. Aus den G r ü n d e n : Der Vorderrichter geht davon aus, daß Gegenstand des Kaufs Steinkohlenteeröl für Heiz- und Treibzwecke gewesen ist; er läßt die Frage, ob das Gelieferte diese Beschaffenheit besessen hat, offen, und hat der Klage stattgegeben, weil die Mängelrüge zu spät erfolgt sei. Die Mängelrüge ist am 11. Juni erfolgt, ohne daß bis dahin eine Untersuchung der im Mai gelieferten vier Wagen stattgefunden hatte. Insofern läge allerdings der Tatbestand der verspäteten Rüge offen zutage. Der Beklagte will sein Verfahren damit rechtfertigen, daß, als diese vier Wagen geliefert wurden, die Untersuchung des im Wagen „Regensburg" gelieferten dies im Gang gewesen sei und er die Beendigung dieser Untersuchung abgewartet habe, um sofort, nachdem er das Ergebnis erfahren habe, mitsamt der Lieferung „Regensburg" auch die anderen Lieferungen, die von der gleichen Beschaffenheit gewesen

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seien, zu rügen. Nach seinen, zum Teil durch das Gutachten des Sachverständigen bestätigten, im übrigen noch unerledigten und hier zu unterstellenden Behauptungen kommt es auf eine fachmännische, unter Umständen zeitraubende Untersuchung an. Es bedarf einer quantitativen Analyse des Öles, die in 5 mal 24 Stunden vorgenommen werden kann. Reine Steinkohlenteere — sagt der Sachverständige — die sich im Motor als brauchbar erwiesen haben, weisen chemische und physikalische Konstanten auf, die als Grundlage zur Beurteilung erfahrungsgemäß genügen; solche dagegen, deren Herkunft mit Sicherheit nicht festzustellen ist und deren Konstanten sich an der Grenze der Normen der für den Betrieb von Motoren geeigneten ö l e bewegen, erheischen vorsichtshalber auch eine praktische Prüfung. Diese praktische Prüfung erfordert nach der Behauptung des Beklagten den Zeitraum von vier Wochen. Der Wagen „Regensburg" ist dem Beklagten am 15./17. April geliefert und an dessen Abnehmer, das Fernsprechamt Hannover, weitergeleitet worden, wo er am 22. April eingetroffen ist. Am 23. April hat dieses dem Beklagten telegraphiert: „Nach eingehender Erprobung ö l in reichseigenen Dieselmotoren nicht geeignet. Lieferung steht zu Ihrer Verfügung." Die daraufhin vorgenommene Analyse war am 1. Mai beendet; das Attest schließt mit den Worten: „Der Gehalt an freiem Kohlenstoff und damit zusammenhängend der Verkokungsrückstand sind reichlich hoch; Ausscheidungen im Zylinder daher zu erwarten." Daran sollen sich praktische Versuche angeschlossen haben, von deren negativem Erfolge der Beklagte durch das unmittelbar nach ihrem Abschluß an ihn gerichtete Schreiben eines Dr. K. in Hannover, der die Angelegenheit in Händen hatte, erfahren haben will. Wenn es sich in Wahrheit nach allen Richtungen hin so verhält, muß anerkannt werden, daß die Mängelrüge rechtzeitig erfolgt ist. Unter den Parteien wird gestritten, ob es sich um einen heimlichen Mangel handelt. Ein offener Mangel ist es jedenfalls insofern nicht, als seine Feststellung einer wissenschaftlichen und fachtechnischen Untersuchung bedarf, wobei dann in Grenzfällen der Fall wird eintreten können, daß die Entscheidung, ob ein ö l noch die Beziehungen Treiböl verdient, unsicher bleibt. Hat aber bei diesem Sachverhalt jede andere Art von Untersuchung gar keinen Zweck, nimmt man deshalb an, daß, um den Vorschriften des § 377 HGB. zu genügen, diese umständliche Art der Untersuchung vorgenommen werden muß, so würde man nicht von einem heimlichen Mangel sprechen können, wohl aber muß dann dem Käufer auch die volle Zeit zur Verfügung stehen, die die Untersuchung nach Lage des Falles beansprucht. Es kommt aber, wie die Dinge hier liegen, hierauf nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte von der Untersuchung der nachgelieferten vier Wagen einstweilen ganz Abstand nehmen durfte. An und für sich ist bei Sukzessivlieferungen der Käufer gehalten, jede einkommende Sendung für

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sich von neuem auf ihre Beschaffenheit zu prüfen, wenn er sich dem Präjudiz des § 377 HGB nicht aussetzen will. Indessen gilt das nicht ausnahmslos. Es steht nichts im Wege, auch in dieser Frage den Umständen des einzelnen Falles nach Billigkeit Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall wäre es ein Unding, ein ganz nutzloser Formalismus, wollte man den Käufer für verpflichtet erklären, eine so schwierige und zeitraubende Untersuchung bei jeder der einkommenden Lieferungen von neuem einzuleiten, wofern nur feststand oder sich feststellen läßt, daß die späteren Lieferungen von der gleichen Beschaffenheit gewesen sind. Nahm nur die bereits eingeleitete und im Gange befindliche Untersuchung ihren gebührenden Fortgang, so lief auch in Beziehung auf die späteren Lieferungen die Rügefrist nicht ab, bevor jene Untersuchung durchgeführt war. Der Vorderrichter legt — wenn auch in einem anderen Gedankenzusammenhang — entscheidendes Gewicht darauf, daß der Beklagte diese vier Wagen stillschweigend entgegengenommen hat, obwohl er bereits wußte, daß das ö l bei einem praktischen Versuche seines Abnehmers versagt hatte, und obwohl er wußte oder hätte wissen müssen, daß die daraufhin vorgenommene Analyse nicht so ausgefallen war, daß sie das aufgetretene Bedenken zerstreuen konnte. Von Bedeutung könnte das aber nur sein, wenn sich damit schon „der Mangel gezeigt" hätte, in dem Sinne, wie der § 377 HGB. es meint, und das kann nicht anerkannt werden. Es ist daran festzuhalten, daß die Erkenntnis des Mangels vorliegen muß, daß bloßer Verdacht eines solchen nicht ausreicht; insbesondere wird bei Untersuchungen, wie der hier in Rede stehenden, oft der Verdacht sich nur allmählich und ohne deutliche Ubergänge bis zur Gewißheit steigern; es muß dann dem Käufer die Frist belassen bleiben, um die Untersuchung zu Ende zu führen. Abzulehnen ist der Gedanke des Vorderrichters, daß sich die Frage, ob der Beklagte wegen Verspätung der Rüge als die Ware genehmigend anzusehen sei, nicht nur nach § 377 HGB., sondern auch nach dem beantworte, wie sich der Vertragstreue Käufer nach Treu und Glauben im Verkehr dem Verkäufer gegenüber zu verhalten habe. Ein Präjudiz, wie der § 377 es aufstellt, kann nur in einer ganz positiven Vorschrift seine Grundlage haben und daher auch nur im Umfang der positiv bestimmten Voraussetzungen gelten. Der Vorderrichter meint, es sei nach Lage der Sache ein Gebot von Treu und Glauben gewesen, daß der Beklagte, wenn nicht sofort nach Ablieferung der Wagen, dann doch jedenfalls nach Beendigung der chemischen Untersuchung, also spätestens am 2. Juni den Kläger von dem, was geschah, in Kenntnis setzte; statt dessen habe er durch sein Schweigen dem Gegner die Möglichkeit genommen, bei der Erprobung mitzuwirken, sich seine Rechte zu wahren, insbesondere auch sich gegenüber seinem Lieferanten zu sichern. Diesen Erwägungen braucht nicht jede Berechtigung abgesprochen zu werden; aber bedenklich wäre es doch, darin gerade-

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zu schon eine Vertragsverletzung mit allen ihren Folgen zu erblicken, und jedenfalls bleibt unerfindlich, wieso diese Folgen darin bestehen können, daß der Beklagte rechtlich so anzusehen sei, als habe er die Ware genehmigt. RGZ.106, 309 Ist der Käufer zur A n z e i g e von M ä n g e l n der Ware auch dann verpflichtet, wenn die Mängel erst auf der Beförderung zu dem vom Erfüllungsorte für die Verpfliditungen des Verkäufers verschiedenen Ablieferungsorte entstanden sind? III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 20. Februar 1923 I. Landgericht Limburg. — II. Oberlandesgericht Frankfurt a. M. Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Bezahlung einer Pflanzensendung, welche sie ihm auf seine Bestellung im Dezember 1917 zugehen ließ. Der Beklagte verweigerte die Zahlung, weil die Pflanzen infolge mangelhafter Verpackung in erfrorenem Zustande angekommen seien. Die Vorderrichter verwarfen diesen Einwand, weil die rechtzeitige Mängelrüge unterlassen worden sei, und entsprachen der Klage. Die Revision hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht nimmt in Ubereinstimmung mit dem Landgericht an, daß der Beklagte der ihm nach § 377 HGB. obliegenden Pflicht, unverzüglich nach der Ablieferung der Ware deren Mängel der Klägerin anzuzeigen, nicht genügt habe und deshalb weder die Mangelhaftigkeit der Ware noch die Verletzung der dem Verkäufer obliegenden allgemeinen Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Verpackung der Ware einwenden könne. Die Revision rügt lediglich, daß § 377 HGB. hier überhaupt nicht Anwendung finde, weil die Ware nicht schon bei der Absendung, in dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den Käufer, mangelhaft gewesen sei, sondern die Pflanzen erst während der Beförderung nach dem Ablieferungsort wegen ungenügenden Schutzes gegen die Kälte erfroren seien. Die Revision kann nicht für begründet erachtet werden. Allerdings ist für die rechtliche Beurteilung des Falles davon auszugehen, daß die den Gegenstand des Kaufes bildenden Pflanzen in dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den Käufer mangelfrei waren und erst auf dem Wege zu dem vom Erfüllungsort für die Verpflichtungen des Verkäufers verschiedenen Bestimmungsort — infolge eines von dem Verkäufer zu vertretenden Umstands — erfroren sind. Es kommt hier auch nicht etwa in Frage, daß die Verpackung der Ware ihrerseits einen Teil des Kaufgegenstandes bildete, selbst Ware wäre. Es ist danach zu unterstellen, daß für den Beklagten nicht Gewährleistungsansprüche nach §§ 359 ff. BGB., sondern nur Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens des Verkäufers bei der Versendung der Ware erwachsen konnten. Aber dieser Schadensersatzanspruch gründet sich auf einen

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Mangel der Ware selbst, und dies erfordert die Anwendung des § 377 HGB. Der § 377 HGB. legt beim beiderseitigen Handelsgeschäft dem Käufer die Pflicht auf, dem Verkäufer unverzüglich nach der Ablieferung Anzeige zu machen, wenn sich ein Mangel zeigt; unterläßt er die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Der Wortlaut des Gesetzes unterscheidet nicht, ob der Mangel bereits bei der Absendung vorhanden war oder später entstanden ist; die Anzeigepflicht besteht, wenn sich bei oder nach der Ablieferung ein Mangel zeigt. Von den Rechten, die dem Käufer aus dem Mangel der Ware gegen den Verkäufer erwachsen, ist in der Vorschrift keine Rede. Es fehlt auch jeder innere Grund, eine solche Unterscheidung nach der Art des dem Käufer erwachsenden Rechts, je nachdem er Gewährleistungsansprüche erhebt oder Schadensersatz wegen vertraglichen Verschuldens fordert, in das Gesetz hineinzutragen. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige eines nach der Ablieferung sich zeigenden Mangels ist dem Käufer auferlegt, damit der Verkäufer in der Lage ist, zu prüfen, ob die Mängelrüge begründet ist, und danach sein Verhalten einzurichten, nötigenfalls anders über die Ware zu verfügen, damit er ferner, wenn er die Rüge nicht für begründet hält, sich den Beweis für die vertragsmäßige Beschaffenheit der Ware sichern kann, und weiter auch — s. die Begründung zu Art. 264 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten von 1857, der dem Art. 347 ADHGB. und damit auch dem § 377 HGB. zur Grundlage gedient hat — um zu verhindern, daß der Käufer einen Mangel der Ware zum Vorwand nehme, um auf Kosten des Verkäufers zu spekulieren. Alle diese Erwägungen treffen in gleicher Weise zu, ob es sich um einen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vorhandenen oder einen erst in der Zwischenzeit bis zur Ablieferung entstandenen Mangel handelt, und ob der Käufer Gewährleistungsansprüche oder einen Schadensersatzanspruch, sei es aus § 463 BGB., sei es wegen sonstigen vertragswidrigen Verhaltens des Verkäufers erhebt. Vielfach wird kaum der Zeitpunkt festzustellen sein, in dem der Mangel der Ware eingetreten ist, und wird insbesondere der Käufer nicht beurteilen können, ob der von ihm entdeckte Mangel der Ware schon zur Zeit des Gefahrübergangs vorhanden war oder erst später eingetreten ist. Das Urteil des VI. Zivilsenats vom 6. Oktober 1921 VI 345/21 J W . 1922 S. 287 Nr. 5., auf welches die Revision sich beruft, betrifft einen von dem hier vorliegenden wesentlich verschiedenen Sachverhalt — insbesondere handelte es sich dort nicht, wie hier, um einen Sachmangel der Ware —, so daß es der Einholung einer Entscheidung der vereinigten Zivilsenate nicht bedarf. Ebensowenig nötigen hierzu das noch unter der Geltung des Art. 347 ADHGB. ergangene Urteil des

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I. Zivilsenats vom 16. März 1895 I 184/95, J W . 1895 S. 523 Nr. 482, und das Urteil des II. Zivilsenats vom 7. November 1904, RGZ. Bd. 59 S. 120 (vgl. auch das Urteil des I. Zivilsenats vom 22. Dezember 1917 I 109/17, Holdh. Mtschr. Bd. 27 [1918] S. 93). Das Berufungsgericht hat somit mit Recht die Verpflichtung des Beklagten zur unverzüglichen Mängelanzeige nach § 377 HGB. für gegeben erachtet. RGZ. 106, 359 Untersudiungsredit und Rügepflicht des Käufers nach § 377 HGB. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 13. März 1923 I. Landgericht Neuwied. — II. Oberlandesgericht Frankfurt a. M. Die Klägerin kaufte von der Beklagten 5000 Dosen Apfelmark und erhielt sie in der Zeit vom 25. bis 29. November 1919 geliefert. Sie öffnete probeweise 10 Dosen und stellte in ihnen Ware von vertragsmäßiger Beschaffenheit fest. Im Februar 1920 veräußerte sie 4000 Dosen an die Firma S. & M., welche sie an die B. Hüttenwerke weitergab. Dorthin wurden die Dosen von der Klägerin am 27. und 28. Februar 1920 geliefert. Einige Tage später teilten die B. Werke der Firma S. & M. mit, daß der größte Teil der bisher geöffneten Büchsen übel röche und schmecke, verdorben und für menschlichen Genuß unverwendbar sei. Diese Rüge sandte die Firma an die Klägerin weiter. Demnächst besichtigte einer ihrer Vertreter gemeinschaftlich mit H., dem Mitinhaber der Klägerin, die beanstandeten Dosen auf den B. Werken. Eine von ihnen gab die Klägerin am 17. März einem Chemiker zur Untersuchung. Nach dessen Gutachten vom 24. März befand sich das Mark in einem schwachen Gärungszustande, schmeckte säuerlich, faulig und metallisch und hatte ein unansehnliches, Widerwillen erregendes Ansehen. Von diesem Befunde gab die Klägerin der Beklagten am folgenden Tage Kenntnis. Die Klägerin wurde von S. & M. auf Zahlung von 84 500 M. verklagt und rechtskräftig nach dem Klagantrag verurteilt. Sie verlangt nunmehr Erstattung dieser Summe, der ihr erwachsenen Prozeßkosten, des Kaufpreises für die in ihrem Besitze gebliebenen Dosen und von Lagerkosten. Die Vorderrichter wiesen die Klage wegen Verspätung der Mängelrüge ab. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Aus den G r ü n d e n : Vergeblich sucht die Revision den Entscheidungsgrund des Berufungsrichters zu bekämpfen. Der Handelsverkehr, der die Aufgabe hat, den stets wechselnden Lebens- und Wirtschaftsinteressen nicht nur einzelner Verbraucher, sondern ganzer Völker zu dienen, muß, wenn er sie in befriedigender Weise lösen soll, sich, möglichst wenig beengt durch zwingende Rechtsnormen, im wesentlichen nach seinen eigenen Regeln und Bedürfnissen entwickeln können. Diesen muß auch der Richter durch eine die besondere Gestaltung der Einzelfälle beHGB. 3

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rüdcsichtigende elastische Auslegung und Anwendung der Rechtsvorschriften Rechnung tragen, um unter allen Umständen zu gerechten und billigen Ergebnissen zu gelangen. Hilfsmittel dazu hat ihm der Gesetzgeber in den §§ 133, 157, 242 BGB. und in dem § 346 HGB. an die Hand gegeben. Aber soweit man auch die Grenzen der Herrschaft von Treu und Glauben, von Gewohnheit und Gebräudien in dem Bereiche der Handelsgeschäfte stecken mag, auch das HGB. hat Bestimmungen, auf deren strengste Beobachtung die Rechtsprechung halten muß, wenn der gesetzgeberische Zweck nicht vereitelt und in sein Gegenteil verkehrt werden soll. Das gilt insbesondere von der Vorschrift des § 377 HGB., nach der ein Käufer mangels entgegenstehender Vertragsabreden zur Wahrung seiner Ansprüche und zur Vermeidung einer durch keinen Gegenbeweis zu entkräftenden Genehmigungsfiktion erkennbare Mängel „unverzüglich" nach der Ablieferung der Ware und später hervortretende .unverzüglich" nach deren Entdeckung dem Verkäufer anzuzeigen hat. Dieser Rechtsgrundsatz, der im Interesse des Handelsverkehrs, des Handelsstandes und der einzelnen Vertragsparteien eine möglichst rasche, glatte und reibungslose Abwicklung von Handelsgeschäften herbeiführen soll, duldet der Natur der Sache nach keine weitherzige Auslegung und Anwendung. Der Gesetzeszweck und der zweimalige Gebrauch des Wortes „unverzüglich" weisen vielmehr deutlich darauf hin, daß auch schon eine geringe, bei objektiv ordnungsmäßigem Geschäftsgange vermeidbare Lässigkeit in der Erfüllung der Anzeigepflicht für den Käufer die im Abs. 2 a. a. O. angedrohte Rechtsfolge haben muß. Diese ist aber, wie schon hervorgehoben, lediglich an die Versäumung der Mängelanzeige geknüpft. Eine Untersuchungspflicht in dem Sinne, daß auch deren Verletzung wie ein Anerkenntnis der Vertragsmäßigkeit der Ware wirkt, legt § 377 Abs. 1 a. a. O. dem Käufer nicht auf (vgl. RGZ. Bd. 73 S. 169, J W . 1906 S. 262 Nr. 34). Nur ein Untersuchungsrecht räumt er ihm ein, weil eine Untersuchung in der Regel die sicherste und natürlichste Erkenntnisquelle der Mängel bilden wird. Aber dem Rügezweck entspricht nur eine Untersuchung, welche sich auf die Feststellung beschränkt, daß und welche Mängel vorhanden sind. Lediglich die dazu notwendige Zeit darf daher zwischen der Abnahme der Ware und der Absendung der Mängelrüge liegen. Werden noch weitere Ermittlungen, z. B. hinsichtlich der Ursache der Mängel oder der Frage, wann und wo sie entstanden sind, angestellt, so geht das Mehr an Zeit, das eine derartige Untersuchung erfordert, zu Lasten des Käufers und läßt seine Rüge verspätet erscheinen. Daraus folgt einerseits, daß die Rechtswirksamkeit einer sachlich begründeten Rüge nicht durch eine vorherige Untersuchung bedingt ist, und anderseits, daß bei offen zutage liegenden, auf den ersten Blick erkennbaren Fehlern jede weitere Untersuchung sich erübrigt und eine durch sie veranlaßte Verzögerung der Mängelanzeige die Ge-

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währleistungsansprüche des Käufers zum Erlösdien bringt. Der Verkäufer soll sobald als möglich erfahren, daß und weshalb seine Lieferung beanstandet wird, damit er in die Lage kommt, die zur W a h r nehmung seiner Interessen dienlichen Schritte zu tun. Deshalb verlangt das Gesetz mit gutem Grunde von dem Käufer eine Anzeige nur der Mängel, nicht auch der Mängelursache. Anlaß zur Feststellung der letzteren ist erst dann gegeben, wenn der Verkäufer seine Verpflichtung, die gerügten Mängel zu vertreten, bestreitet, weil sie erst in der Zeit nach dem Ubergang der Gefahr auf den Käufer entstanden seien. Der fristgerechten Rüge wohnt also keine rechtsbegründende, sondern lediglich eine rechtserhaltende Kraft inne. Sie macht nur den W e g für eine sachliche Prüfung von Ansprüchen frei, deren materielle Berechtigung sich nicht auf § 377 HGB., sondern auf die §§ 459, 463, 480 BGB. stützt. Die Frage, ob die Voraussetzungen und Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmungen vorliegen, braucht daher erst dann erörtert zu werden, wenn die Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige feststeht, und bedarf anderseits bei einer — schlechthin anspruchsvernichtend wirkenden — Versäumung der Rügefrist überhaupt keiner Prüfung. Ein Untersuchungsrecht in dem oben erörterten Umfange steht dem Käufer aber auch nur in unmittelbarem Anschluß an die Ablieferung der W a r e zu (§ 377 Abs. 1 HGB.). Erst später sich zeigende Mängel müssen dagegen unmittelbar nach der Entdeckung angezeigt werden. Löst also nach dem klaren Wortlaute des § 377 Abs. 3 a. a. O. die Entdeckung, d. h. das Zutagetreten, das zweifellose Erkennen solcher Fehler, die Pflicht aus, sie ohne Verzug zu rügen, so ist für eine Untersuchung nach ihrer Entdeckung begrifflich kein Raum mehr. Von diesen rechtlichen Gesichtspunkten aus kann der Klägerin der Vorwurf unentschuldbarer Säumigkeit nicht erspart werden. Nicht zu beanstanden ist zunächst die Bezeichnung der erst im März 1920 entdeckten Mängel als verborgener im Sinne des § 377 Abs. 3 HGB., da sie bei der unmittelbar nach der Abnahme der Dosen durch die Klägerin erfolgten Stichprobenuntersuchung noch nicht vorhanden, jedenfalls nicht auffindbar waren. Die Rüge vom 25. März war verspätet, denn spätestens am 16. März hatte H. festgestellt, daß das Apfelmark, wie B.'er Angestellte bekunden, nicht nur „ein Widerwillen erregendes Aussehen" hatte, sondern auch „wie Mist und Jauche" roch und „metallisch und ekelhaft schmeckte". Damit erwuchs für die Klägerin, wenn sie dem § 377 Abs. 3 a. a. O. genügen wollte, die unerläßliche Pflicht, diese Mängel der Beklagten umgehend mitzuteilen, ohne das Ergebnis der von ihr veranlaßten chemischen Untersuchung abzuwarten. Tat sie es doch, so bedeutete das eine schuldhafte Zögerung im Sinne der genannten Vorschrift. Sollte die Klägerin geglaubt haben, sie müsse zugleich mit der Rüge der Beklagten die Ware zur Verfügung stellen und sich deshalb vorher Gewißheit über die Berechtigung dieses Schrittes verschaffen, so 8«

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wäre diese Auffassung reciitsirrig. Das Gesetz verlangt nichts weiter als eine Mängelanzeige, aber eine rechtzeitige, d. h. eine unverzügliche. Etwaige Zweifel darüber, ob der Verderb der Ware auf Fabrikationsfehler oder auf unsachgemäße Lagerung zurückzuführen sei, durfte die Klägerin daher nicht davon abhalten, der Beklagten von dem festgestellten mangelhaften Zustande des Apfelmarks noch am 16. März oder spätestens am folgenden Tage Nachricht zu geben. Uber die auf Grund der angezeigten Mängel zu erhebenden Ansprüche brauchte sie sich im Augenblick und im Rahmen der Mängelrüge noch nicht schlüssig zu machen und zu äußern. Ein Rechtsirrtum in dieser Hinsicht vermag die Folgen einer Rügeverspätung nicht auszugleichen oder rückgängig zu machen. Der durch die chemische Untersuchung entstandene Zeitverlust würde somit für die Klägerin nur dann unschädlich sein, wenn der Beklagten Arglist zur Last fiele (§ 377 Abs. 5 HGB.) oder wenn die Schreiben der Klägerin vom 29. November und 13. Dezember 1919 bereits eine die hier in Rede stehenden Mängel deckende Rüge enthielten. (Wird verneint). .. . RGZ. 108, 25 1. Erwirbt der Käufer das Eigentum an der ihm übersandten Ware, wenn er nach ihrem Eintreffen erklärt, daB er sie besichtigen und demnächst Bescheid geben werde, dann aber die Ware unter Verstoß gegen § 377 HGB. verspätet zur Verfügung stellt? 2. Hat der Vollzug der Wandlung dingliche Wirkungen? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 2. November 1923 I. Landgericht Hamburg. — II. Oberlandesgeridit daselbst

Im Oktober 1920 kaufte der Kaufmann G. vom Kläger einen Posten Directoirehosen. Mit Schreiben vom 1. Dezember zeigte er dem Kläger das Eintreffen der Ware an und erklärte, daß er sie unter dem Vorbehalte fehlerfreier Beschaffenheit annehme; er werde sie durchsehen und dann das Nähere bekanntgeben. Am 30. Dezember rügte er vertragswidrige Beschaffenheit der Hosen und stellte sie zur Verfügung. Der Kläger wies am 3. Januar 1921 die Bemängelung als verspätet und sachlich unbegründet zurück und ersuchte um umgehende Bezahlung des Kaufpreises. G. lehnte jedoch Annahme und Zahlung ab. Als dann der Kläger anfangs April 1921 erfuhr, daß G. in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei, ersuchte er am 5. April um Auslieferung der Hosen, die jedoch auf Grund eines angeblichen Veräußerungsverbots abgelehnt wurde. Nachdem am 25. April der Konkurs über das Vermögen des Käufers eröffnet war, machte der Kläger dem Konkursverwalter gegenüber den Anforderungsanspruch geltend, wiederum ohne Erfolg. Das Landgericht gab der Klage auf Herausgabe der Hosen statt. Das Oberlandesgericht wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers wurde die erste Entscheidung wiederhergestellt.

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Aus den G r ü n d e n : Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß G. durch Verzögerung der Mängelanzeige seine Gewährleistungsansprüche verwirkt hat (wird ausgeführt). . . . Müßte man mit dem Berufungsgericht annehmen, daß G. infolge verspäteter Mängelanzeige das Eigentum an der ihm übersandten Ware erlangt hat, so wäre dem Berufungsgericht jedenfalls insoweit beizutreten, als es eine Rückübertragung des Eigentums an den Kläger als Folge des nachträglichen Wandlungsvollzugs verneint. Zunächst ist es fraglich, ob im vorliegenden Falle vom Vollzug einer Wandlung im Sinne des § 465 BGB. die: Rede sein kann. Das Wandlungsbegehren des G. war infolge Verstoßes gegen § 377 HGB. verwirkt; Gewährleistungsansprüche standen ihm überhaupt nicht zu. Auf der anderen Seite ist das Wandlungsbegehren vom Kläger ernstlich zurückgewiesen worden. Nun hat sich dieser allerdings, sobald er seinen Kaufgeldanspruch infolge schlechter Vermögensverhältnisse des G. für gefährdet halten mußte, entschlossen, seinen ablehnenden Standpunkt aufzugeben und um die Rüdesendung der gelieferten W a r e zu ersuchen. Ob hierin eine nachträgliche Annahme des Wandlungsbegehrens des G. oder nicht vielmehr ein — von diesem demnächst abgelehntes — neues Angebot der Rückgängigmachung des Kaufvertrags zu erblicken ist, muß zweifelhaft erscheinen. Diese Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden; denn selbst wenn man auf Grund des Briefes des Klägers vom 5. April 1921 die Wandlung als vollzogen ansehen will, handelt es sich lediglich um ein schuldrechtliches Abkommen, welches dingliche Wirkungen nicht erzeugen konnte; vgl. S t a u d i n g e r § 467 I 2 a ; O e r t m a n n § 467 l a Abs. 3; S t a u b K ö n i g e (10. Aufl.) § 377 Anm. 64; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g (2. Aufl.), 2. Bd., Einleitung Anm. 371, S. 258; J W . 1903, Beil. S. 179 Nr. 181; Komm. v. RGR. § 346 Anm. 3. Gemäß §§ 467, 346 BGB. ist das ursprüngliche Vertragsverhältnis beseitigt, und an seine Stelle tritt das Schuldverhältnis aus § 346, nämlich die Verpflichtung der Parteien, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (vgl. RGZ. Bd. 71 S. 277). Einen Eigentumserwerb nur auf Grund beiderseitigen Einverständnisses kennt aber das Bürgerliche Gesetzbuch nicht. Es bedarf entweder noch der körperlichen Übertragung (BGB. § 929), oder die Ubergabe wird, falls der Eigentümer im Besitze der Sache ist, durch die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses ersetzt, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt (§ 830 BGB.). Von einer auch nur stillschweigenden Vereinbarung eines solchen Rechtsverhältnisses kann hier schon um deswillen nicht die Rede sein, weil mit der Zurverfügungstellung im Gegenteil der Wille ausgesprochen war, von der Ware befreit zu werden, später aber das Eigentum als längst erworben in Anspruch genommen wurde.

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Es kommt aber auf diesen Punkt nicht wesentlich an, weil der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht, daß im Falle des Verstoßes gegen § 377 HGB. nicht nur die Genehmigung der Ware als vertragsmäßig, sondern auch der Eigentumserwerb durch den Käufer als vollzogen zu gelten habe, nicht zugestimmt werden kann. Auch § 377 HGB. stellt lediglich Grundsätze von schuldrechtlicher Art auf; mit dinglichen Wirkungen hat er gar nichts zu schaffen. Nach § 929 BGB. sind zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache Ubergabe der letzteren und Einigung des bisherigen Eigentümers und des Erwerbers über den Eigentumserwerb erforderlich. Der auf Übertragung oder Erwerb des Eigentums gerichtete Wille braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden; seine Kundgabe kann auch stillschweigend, durch schlüssige Handlungen erfolgen. Beim Versendungskauf ist im Zweilei der Wille des Verkäufers, das Eigentum der versandten W a r e auf den Käufer zu übertragen, anzunehmen. In der Annahme der übersandten Ware durch den Käufer ist jedoch zunächst nur sein Wille zum Ausdruck gebracht, die Ware in Gewahrsam zu nehmen, seiner Abnahmepflicht zu genügen und festzustellen, ob die Ware vertragsmäßig, empfangbar ist. Eigentümer der ihm übersandten Ware wird der Käufer in dem Augenblick, in dem er sie annimmt u n d zu erkennen gibt, daß er die Ware als sein Eigentum behalten will; RGZ. Bd. 12 S. 78; J W . 1904 S. 62 Nr. 21. Auch diese Willenskundgebung kann durch schlüssiges Verhalten, insbesondere stillschweigend erfolgen. Von einer derart schlüssigen Willenserklärung, das Eigentum zu erwerben, kann aber im vorliegenden Falle nicht die Rede sein. G. hat am 1. Dezember 1920 dem Kläger erklärt, daß er die bei ihm eingetroffene Ware erst besichtigen und ihm später Bescheid zugehen lassen werde. Damit hat er zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß er sich die Erklärung, ob er die Ware billige und behalten wolle, vorbehalte. Wenn er dann am 30. Dezember die Ware als vertragswidrig zur Verfügung stellte, so hat er damit die vorbehaltene Erklärung in einem dem Kläger ungünstigen Sinne abgegeben, d. h. er hat — gleichgültig, ob noch zulässig oder verspätet — seinen Willen kundgetan, die Ware nicht zu behalten, das Eigentum an ihr nicht zu erwerben. Wenn S t a u b - K ö n i g e im Anhang zu §382 HGB. Anm. 59 und 61 es als selbstverständlich zu erachten scheinen, daß der Käufer, der gegen die Vorschrift des § 377 BGB. verstößt, auch als Eigentumserwerber der Ware zu gelten habe, so wird dabei nicht beachtet, daß grundsätzlich die dingliche Wirkung nicht mit der schuldrechtlichen zusammenfällt, und daß die an sich unabänderliche gesetzliche Fiktion des § 377 — vgl. RGZ. Bd. 65 S. 54 — der abweichenden Kundgebung hinsichtlich des Eigentumserwerbs nicht im Wege stehen kann. Aus der von S t a u b - K ö n i g e Anhang zu § 382 Anm. 59 angezogenen Entscheidung des I. Zivilsenats — RGZ. Bd. 92 S. 34 (37) — läßt sich nur entnehmen, daß das Eigentum der Kaufsache beim Verkäufer

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bleiben soll, wenn der Käufer rechtzeitig und begründet gerügt hat; daß umgekehrt der verspätet oder grundlos rügende Käufer unter allen Umständen Eigentum erwerbe, wird jedenfalls nicht ausdrücklich ausgesprochen. Im übrigen ist der erkennende Senat auch deshalb nicht gehindert, abweichend zu entscheiden, weil jenes Urteil auf den hier besprochenen Ausführungen nicht beruht und außerdem der hier vorliegende Tatbestand ein anderer ist. (Die bei S t a u b - K ö n i g e a. a. O. an zweiter Stelle angezogene Entscheidung — RGZ. Bd. 93 S. 330 — behandelt den Gefahrübergang nach § 447 BGB.) Der Gemeinschuldner ist daher niemals Eigentümer der ihm vom Kläger zugesandten Ware geworden. Daraus folgt die Berechtigung des Klägers zur Aussonderung und die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. RGZ. 108, 158 Hat bei einem Fixgeschäft der Rücktretende zur Begründung seines RUcktrittsrechts Annahmeverzug des anderen Teils darzutun, wenn die beiderseitigen Leistungen Zug um Zug zu erfolgen haben? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 30. April 1924

I. Landgericht Barmen, Kammer f. Handelssachen. — II. Oberlandesgericht Düsseldorf.

Die Bank für L. und G. in Köln, die durch Verschmelzung auf die Klägerin übergegangen ist, kaufte von der Beklagten am 8./10. August 1922 3000 holländische Gulden zur Lieferung am 4. November 1922 zu 293,50 M. für den Gulden. Die Bank erkannte die Beklagte für den Gegenwert abzüglich Stempel mit 879 619 M., Wert 4. November. Die Zahlung erfolgte aber an diesem Tage nicht, weshalb die Beklagte mit Schreiben vom 6. November ihren Rücktritt vom Vertrage erklärte. Die Bank für L. und G. deckte sich darauf ein. Die Klägerin verlangt mit der Klage Zahlung des Unterschiedes zwischen dem hierbei aufgewendeten Betrage und dem Kaufpreise mit 7 078 331 M. nebst Zinsen. Das Landgericht gab der Klage im wesentlichen statt. Das Oberlandesgericht wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, daß der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ein Fixgeschäft im Sinne des § 376 HGB. bilde und daß die Beklagte davon mit Recht zurückgetreten sei. Die Revision hält beides für rechtsirrig. Der Begriff des Fixgeschäftes ist nicht vekannt. Nach dem feststehenden Sachverhalt sollten die Leistungen beider Teile genau zu einer festbestimmten Zeit, nämlich am 4. November 1922, erfolgen. Das O b e r l a n d e s g e r i c h t betrachtet ferner nach der übereinstimmenden Absicht der Beteiligten die E r f ü l l u n g s z e i t als einen

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so w e s e n t l i c h e n B e s t a n d t e i l d e s G e s c h ä f t s , daß es mit ihrer Innehaltung oder Versäumung stehen oder fallen, daß die nachträgliche Erfüllung nicht mehr als Vertragserfüllung angesehen werden sollte. Dabei legt es unter anderem Gewicht darauf, daß es sich um ein von der Beklagten, einer Waren ausführenden Firma, mit einer Bank zu Kurssicherungszwecken abgeschlossenes Devisentermingeschäft handle und solche Geschäfte nach den beigebrachten gutachtlichen Äußerungen sachverständiger Kreise regelmäßig als F i x g e s c h ä f t e abgeschlossen würden. Diese Würdigung stand im freien Ermessen des Berufungsgerichts und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht führt weiter aus, da ein Fixgeschäft gemäß § 376 HGB. vorliege und der Gegenwert von 879 619 M. am 4. November 1922 nicht gezahlt worden sei, sei die Beklagte zum Rücktritt vom Vertrage berechtigt gewesen, selbst wenn sie die ihr obliegende Leistung, die Zahlung der 3000 Gulden, nicht angeboten haben sollte. Auch das ist zutreffend. Voraussetzung des Rücktrittsrechts nach § 376 HGB. ist nicht Verzug des Schuldners. In dieser Beziehung weicht das Gesetz von dem alten Handelsgesetzbuch Art. 357 absichtlich ab. Die Denkschrift (S. 22/3) sagt hierzu: „Im Gegensatz zu Art. 357 HGB., der einen Verzug voraussetzt, räumt das BGB. bei Fixgeschäften das Recht zum Rücktritt nach Maßgabe des § 361 dem Gläubiger auch dann ein, wenn die Gegenpartei, ohne sich im Verzuge zu befinden, nicht rechtzeitig erfüllt hat, insbesondere also, wenn sie durch einen von ihr nicht zu vertretenden Umstand an der Erfüllung gehindert worden ist. Da dieser Grundsatz dem Wesen des Fixgeschäfts entspricht und auch mit den Bedürfnissen des Handelsverkehrs in Einklang steht, so schließt sich der Entwurf ihm an." Demgemäß wird denn auch im gesamten Schrifttum zur Begründung des Rücktrittsrechts Verzug des anderen Teiles nicht für erforderlich gehalten. Auch in dem Kommentar zum HGB. von S t a u b 10. Aufl. § 376 A. 10 wird zunächst ausgeführt, Voraussetzung des Rücktrittsrechts sei nicht Verzug des Schuldners, es genüge vielmehr, daß die Leistung trotz Fälligkeit nicht bewirkt sei. Die Fälligkeit entstehe, da es sich um eine kalendermäßige Verpflichtung handle, ohne Mahnung (§ 284 Abs. 2 BGB.). Im Anschluß daran wird dann aber gesagt, wenn die Leistungen Zug um Zug r u erfolgen hätten, so müßten auch noch die besonderen Voraussetzungen des Verzugs bei Verpflichtungen dieser Art vorliegen, es müsse der Schuldner hinsichtlich der Leistung, die ihm als Gegenleistung für seine Leistung zu bewirken sei, im Annahmeverzug sein; denn nur dann gerate in solchen Fällen der Schuldner mit seiner eigenen Leistung in Schuldnerverzug. Das ist unklar, weil Anfang und Ende der Ausführungen miteinander in Widerspruch stehen, und unrichtig, weil in § 376 HGB., soweit dort das Rücktrittsrecht behandelt wird, weder vom Schuldner- noch vom Gläubigerverzug die Rede ist. Vielmehr

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braucht bei einem Fixgeschäft, auch wenn die beiderseitigen Leistungen Zug um Zug zu erfolgen haben, der Rüdetretende zur Begründung seines Rüdctrittsredits nur zu behaupten, daß die ihm gebührende Leistung zu der bestimmten Zeit oder innerhalb der bestimmten Frist nicht erfolgt sei; er braucht nicht darzutun, daß er die ihm obliegende Leistung dem anderen Teil angeboten und diesen in Annahmeverzug gesetzt habe. Sache der Gegenseite ist es dann, einzuwenden, daß die rechtzeitig angebotene Leistung nicht bewirkt worden sei, weil die Gegenleistung unterblieben. Die Klägerin hatte geltend gemacht, daß sie der Beklagten den Gegenwert am 4. November zur Verfügung gestellt habe, und sich auf Auskunft der Dresdner Bank zum Beweise dafür berufen, daß diese mit Rücksicht auf ihr Verhältnis zu der Klägerin den Gegenwert jederzeit und insbesondere auch am 4. November für die Beklagte zu Lasten der Klägerin bereit gehalten habe. Mit Recht erblickt das Berufungsgericht darin kein Angebot im Sinne des § 294 BGB., d. h. ein Angebot sofortiger Zahlung. Denn abgesehen davon, daß die Klägerin nicht berechtigt war, in Berlin zu zahlen, genügt es auch nicht, daß die Dresdner Bank den Betrag für die Beklagte bereit hielt, sondern es hätte Zahlung erfolgen müssen, und zwar am 4. November. Diese aber wäre damals auch in Berlin nicht erfolgt, schon deshalb nicht, weil die Bank für L. und G. es unterlassen hatte, der Dresdner Bank rechtzeitig vor dem Termin den Betrag mitzuteilen, den sie der Beklagten als Gegenwert für die 3000 Gulden zu zahlen hatte. Der Angriff, den die Revision in diesem Punkt gegen das Berufungsurteil richtet, ist daher nicht begründet. Verfehlt ist endlich auch die letzte Revisionsrüge, daß die Beklagte am 6. November zum Rücktritt nicht berechtigt gewesen sei, wenn die Bank für L. und G. ihr an diesem Tage vor Eingang der Rücktrittserklärung die Zahlung tatsächlich angeboten habe. War der Beklagten einmal ein Rücktrittsrecht erwachsen, weil die Zahlung am 4. November unterblieb, so konnte sie nicht dadurch dieses Rechtes wieder verlustig gehen, daß ihr am 6. November die schuldige Summe verspätet angeboten wurde. Ob sie den Rücktritt damals schon erklärt hatte oder nicht, ist unerheblich. Von einer wider Treu und Glauben verstoßenden verspäteten Ausübung des Rücktrittsrechts kann keine Rede sein, da der Rücktritt noch am 6. November erklärt ist. RGZ. 109,134 1. Kommt ein gültiger Selbsthilleverkau! durch eine in der Form des § 373 Abs. 2 HGB. erfolgende freihändige Veräußerung der Ware zustande, wenn dem Käufer ausdrücklich die öffentlidie Versteigerung angedroht worden ist?

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2. Liegt eine unzulässige Klagänderung vor, wenn der Kläger, der auf Erfüllung geklagt hat, zum Sdiadensersatzansprudi wegen Nichterfüllung Ubergeht, well der Beklagte die Erfüllung ernstlidi und endgültig verweigert hat? § 373 HGB. § 326 BGB. § 268 Nr. ZPO. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 5. November 1924 I. Landgericht Köln, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Auf Grund eines im Jahre 1920 zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Lieferung und Abnahme der Ware. Nach der Klagerhebung verkaufte die Klägerin die Ware freihändig und setzte die so erzielten Kaufpreise unter entsprechender Änderung des Klagantrags von der Klagforderung ab. Die Beklagte bestritt den Klaganspruch nach Grund und Betrag und erhob Widerklage auf Rückzahlung einer von ihr auf den Kaufpreis gemachten Anzahlung nebst Zinsen. Das Landgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. In der Berufungsinstanz stützte die Klägerin ihren Klaganspruch auch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags gemäß § 326 BGB., da die Beklagte in Zahlungsverzug geraten sei und die Erfüllung des Kaufvertrags ernstlich verweigert habe. Die Beklagte erhob demgegenüber die Einrede der Klagänderung. Das Berufungsgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Gründe: Die Klägerin hat bei Androhung des Selbsthilfeverkaufs laut Schreiben vom 13. August 1920 unter Bezugnahme auf § 373 HGB. „die öffentliche Versteigerung" der Ware angedroht. Richtig ist, daß die Androhung nach § 373 an sich nicht die Angabe zu enthalten braucht, in welcher Art der Selbsthilfeverkauf vorgenommen werden soll. Die Frage, ob solchenfalls der Verkäufer zum freihändigen Verkauf durch einen Handelsmäkler usw. schreiten darf, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist ein solcher freihändiger Verkauf als Selbsthilfeverkauf dann unzulässig, wenn wie hier der öffentliche Verkauf ausdrücklich angedroht und keine Androhung eines freihändigen Verkaufs erfolgt ist. In diesem Falle durfte die im Annahmeverzug befindliche Beklagte davon ausgehen, daß der Selbsthilfeverkauf gegebenenfalls nur im Wege der öffentlichen Versteigerung erfolgen würde, wobei grundsätzlich die Klägerin die Beklagte von dem Ort und der Zeit der Versteigerung vorher zu benachrichtigen hatte und die Beklagte wie die Klägerin bei der öffentlichen Versteigerung mitbieten konnte (§ 373 Abs. 4, 5 HGB.). Demgemäß hatte die Beklagte ein rechtlich anzuerkennendes Interesse daran, daß sie in

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ihrer erwähnten Erwartung nicht getäuscht und nicht etwa ohne weitere Androhung ein freihändiger Selbsthilfeverkauf vorgenommen wurde. Denn die Stellungnahme der Beklagten zu der Androhung und Durchführung des Selbsthilfeverkaufs konnte sehr wohl von der Art des Verkaufsvollzugs beeinflußt sein, und es ist nicht ersichtlich, daß das erwähnte Interesse der Beklagten im vorliegenden Fall aus besonderen Gründen nicht in Frage kommt. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht angenommen, daß die fraglichen Selbsthilfeverkäufe der Klägerin als solche für die Beklagte unverbindlich seien. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich die Beklagte vor dem Vollzuge der Verkäufe nicht nur im Annahme-, sondern auch im Zahlungsverzug, und hat die ihr obliegende Leistung der Zahlung des Kaufpreises ernstlich und endgültig verweigert. Danach ist die Klägerin an sich berechtigt, gemäß § 326 BGB. von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen und zur Begründung dieser Schadensersatzforderung die erwähnten Selbsthilfeverkäufe als Dedcungskäufe zu behandeln. Dem so begründeten Klaganspruch steht auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, die Einrede der Klagänderung entgegen. Laut Klagschrift hat die Klägerin zunächst auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung des Kaufgegenstandes geklagt. Nach Erhebung dieser Klage ist die Klägerin zu den erwähnten Selbsthilfeverkäufen geschritten, hat die so erzielten Kaufpreise von der Klagforderung abgesetzt und nur den alsdann verbleibenden Preisunterschied verlangt. Dieser Anspruch hält sich im Rahmen des ursprünglichen, auf Erfüllung des Kaufvertrags gerichteten Klagantrags. Erst in der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB. gestützt. Daß hierin grundsätzlich eine Klagänderung zu erblicken ist, entspricht der allgemein anerkannten Rechtsprechung. Es ist aber zu prüfen, ob nicht der in § 268 Nr. 3 ZPO. vorgesehene Sonderfall gegeben ist. Würde die Klägerin — vorausgesetzt, daß sie ihrerseits erfüllungsbereit und erfüllungsfähig war — nach der Klagerhebung gemäß § 326 BGB. eine Nachfrist gesetzt und nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist ihren Klaganspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gestützt haben, so würde nach der herrschenden Rechtsprechung die Einrede der Klagänderung unbegründet sein (RGZ. Bd. 88 S. 60, 406). Dasselbe hat aber auch im vorliegenden Falle zu gelten. Die Klägerin begründet ihren Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung damit, daß die Beklagte wiederholt die Abnahme der Ware und die Zahlung des Kaufpreises verweigert habe in einer Weise, die als ernstliche und endgültige Weigerung der Erfüllung des Kaufvertrags anzusehen sei. Danach hatte allerdings die Klägerin schon vor der Klagerhebung die rechtliche Möglichkeit, gemäß § 326 BGB. von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags zu

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verlangen. Sie hat aber von dieser Befugnis, wie dargelegt, erst im Laufe des Rechtsstreits Gebrauch gemacht. Indem die Klägerin nach Klagerhebung Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags verlangte, wurde dieser Anspruch rechtswirksam, während der bis dahin erfolgte Anspruch der Klägerin auf Vertragserfüllung gemäß § 326 BGB. erlosch. Die so im Laufe des Prozesses eingetretene Veränderung der Rechtslage fällt aus den in RGZ. Bd. 88 S. 406 dargelegten Gründen unter die Vorschrift von § 268 Nr. 3 ZPO. (vgl. auch RG.Urt. v. 30. Januar 1924 I 168/23). RGZ. 110, 155 Wie gestaltet sich die Rechtslage des Verkäufers, der nach ergebnislosem Ablauf einer dem säumigen Käufer gemäB § 326 BGB. gesetzten Frist die Ware nach den Vorschriften des § 373 HGB. versteigern läßt, dabei selbst den Zuschlag erhält und Vergütung des Untersdlleds zwischen dem eigenen Höchstgebot und dem Vertragspreise als Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt? BGB. §§ 249, 326. HGB. § 373. VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 3. Februar 1925 I Landgericht Magdeburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht Naumburg. Die klagende Gesellschaft behauptet, durch Briefwechsel vom 20./21. April 1920 der verklagten Firma 4000 Rollen Asphaltdachpappe zur Ausfuhr ins Ausland — je die Hälfte nach Stockholm und Amsterdam — zu den jeweiligen Konventionspreisen zuzüglich 2 vH. für Vermittlungsspesen verkauft zu haben. Sie klagte mit der am 29. Mai 1920 eingereichten Klage auf Abnahme und Zahlung. Sodann setzte sie mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 28. Juli 1920 der Beklagten in Gemäßheit des § 326 BGB. eine Frist bis zum 15. August 1920 zur Abnahme der Ware und zur Zahlung des auf 316 200 M. berechneten Kaufpreises. Nachdem die Frist ergebnislos verstrichen war, forderte nunmehr die Klägerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung, indem sie der Berechnung ihres Schadens eine auf ihre Veranlassung am 28. August 1920 vorgenommene öffentliche Versteigerung der 4000 Rollen Dachpappe zugrunde legte, bei der ihr selbst der Zuschlag erteilt worden war. Den Unterschied zwischen dem Vertragspreis und dem Versteigerungserlös berechnete sie auf 213 190 M., wovon sie zunächst nur einen Teilbetrag von 25 000 M. forderte. Das Landgericht Magdeburg, Kammer für Handelssachen, erklärte am 18. November 1922 diesen Anspruch für dem Grunde nach gerechtfertigt. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. Mai 1923 zurückgewiesen.

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Im weiteren Verfahren vor dem Landgericht erhöhte die Klägerin ihre Forderung auf den vollen Schadensbetrag von 213 109 M. nebst Zinsen und beantragte ferner, die Beklagte für verpflichtet zu erklären, ihr den infolge des Verzugs der Beklagten mit der Zahlung dieser Summe durch die Geldentwertung erwachsenden Schaden zu erstatten. Der erste Richter erkannte am 16. Oktober 1923 nach diesem Antrag. Die Beklagte legte abermals Berufung ein mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragte Zurückweisung der Berufung und im Wege der Anschließung Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10 000 Goldmark. Das Oberlandesgericht erkannte am 5. Juni 1924 nach den Anträgen der Klägerin. Auf die Revision der Beklagten hat das Reichsgericht die Klage abgewiesen. Die Auffassung des Berufungsrichters, infolge der Nichterfüllung des Kaufvertrages von seiten der Beklagten sei der Klägerin ein Schaden entstanden, begegnet rechtlichen Bedenken. Aus den G r ü n d e n : Nachdem die Klägerin den W e g des § 326 BGB. beschritten hatte und, ohne daß Klagänderung gerügt worden wäre, von ihrem ursprünglichen Anspruch auf Vertragserfüllung zum Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung übergegangen war, entbehrte die auf ihr Betreiben am 28. August 1920 vorgenommene Versteigerung der W a r e des rechtlichen Charakters, den die Vorschriften des § 373 HGB. dem Selbsthilfeverkauf beilegen. Insbesondere entfällt die dem am Vertrag festhaltenden Verkäufer zukommende Befugnis, zu verlangen, daß der nach § 373 Abs. 2 vorgenommene Verkauf als für Rechnung des Käufers erfolgt gelte. Soll das Ergebnis einer gemäß § 373 bewirkten Versteigerung der Berechnung des Schadens, dessen Ersatz der Verkäufer begehrt, zugrunde gelegt werden, so kommt es lediglich als ein Bestandteil der Schadensrechnung in Betracht, und als solcher ist der Selbsthilfeverkauf nicht anders zu würdigen, als jedes sonstige Element der Schadensberechnung (vgl. RGZ. Bd. 53 S. 14 ff., Bd. 57 S. 107, Urteil II 356/09 vom 1. April 1910, teilweise abgedruckt Leipz. Zeitsch. 1910, Sp. 460 Nr. 3; S t a u b - K o e n i g e HGB. Anm. 30 im Anh. zu § 374). In den angeführten Entscheidungen wird ein Selbsthilfeverkauf bei derartiger Rechtslage zur begrifflichen Abgrenzung als „Deckungsverkauf" bezeichnet; er entspricht in der Tat dem Deckungskauf des Käufers und hat wie dieser nur Bedeutung für die Aufmachung einer konkreten Schadensberechnung, wie sie — dies bemerkt die Revision zutreffend — hier allein in Rede steht. Der Berufungsrichter verkennt diesen rechtlichen Unterschied. Er ist sich zwar darüber klar, daß es sich bei der Versteigerung vom 28. August 1920 nicht um einen Selbsthilfeverkauf nach § 373 HGB. handelt, meint aber unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und

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Glauben, da die Klägerin vor dem Ablauf der Frist aus § 326 BGB. befugt gewesen sei, den Selbsthilfeverkauf nach § 373 HGB. vorzunehmen und auf Grund seines Ergebnisses mit der Beklagten abzurechnen, dürfe sie durch die Setzung der Nachfrist und deren fruchtlosen Ablauf gegenüber dem säumigen Käufer nicht schlechter gestellt sein, als sie es vorher gewesen sei; die nach § 326 BGB. begründete Schadensersatzpflicht der Beklagten begreife die Verpflichtung in sich, einen unter Beobachtung der Vorschriften des § 373 HGB. vorgenommenen Selbsthilfeverkauf als Grundlage für die Feststellung des entstandenen Schadens gegen sich gelten zu lassen. Diese Darlegungen stehen im Gegensatz zu den eingangs entwickelten Grundsätzen und erweisen sich somit als rechtsirrig. Die Auffassung des Oberlandesgerichts läuft darauf hinaus, die Vorschrift im 3. Absatz des § 373 HGB. auch für solche Fälle als anwendbar zu erklären, wo ein Selbsthilfeverkauf im Sinne des § 373 nicht vorgenommen wurde, sondern nur ein Deckungsverkauf in Frage steht. Gegensätzlich wird aber in RGZ. Bd. 53 S. 15 hervorgehoben, daß der Deckungsverkauf auf Rechnung des Verkäufers geht. Das Berufungsgericht verkennt die Verschiedenheit der Rechtslage des Verkäufers, der am Vertrag festhält, und desjenigen, der nach Ablehnung der Annahme der Leistung des Käufers Schadensersatz verlangt. Die Heranziehung der Grundsätze von Treu und Glauben im Verkehr vermag die Ansicht des Vorderrichters nicht zu stützen. Die Änderung der Rechtsbeziehungen zur Beklagten, die durch ein Vorgehen nach § 326 BGB. im Falle ergebnislosen Fristablaufs herbeigeführt werden würde, mußte der Klägerin bewußt sein; wenn sie dennoch aus freien Stücken den Entschluß faßte, den Weg der Fristsetzung zu beschreiten und dann Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, mußte sie die etwaige Schwierigkeit, ihren Schaden nachzuweisen, in den Kauf nehmen; demnach kommt es nicht in Frage, daß etwa Treu und Glauben erforderten, bei solchen Umständen die rechtliche Lage des Verkäufers zu bessern. Im weiteren Fortgang seiner Erörterung erklärt der Berufungsrichter die Tatsache, daß bei der Versteigerung die Klägerin selbst die Ware angesteigert und somit behalten hat, für unerheblich und meint, es komme nur darauf an, welche Preise bei der Versteigerung erzielt worden seien. Auch hier ist er offenbar von der Vorstellung beherrscht, daß trotz des Nichtvorhandenseins der im § 373 HGB. vorausgesetzten Lage die den Verkäufer begünstigenden Bestimmungen des Paragraphen, auch die Sondervorschrift des 4. Absatzes, bindende Kraft behielten. Hätte sich der Vorderrichter klar gemacht, daß es sich lediglich um die Ermittlung des der Klägerin etwa entstandenen Schadens handelte, so würde er wohl nicht haben annehmen können, daß ein Deckungsverkauf an einen Dritten und ein Verbleiben der Ware in der Hand des Verkäufers gleichwertige Vorgänge darstellten.

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In wirtschaftlicher Beziehung, die doch bei der Feststellung des Schadens auschlaggebend ist, war die Versteigerung vom 28. August 1920 angesichts des Ergebnisses, das sie hatte, offenbar ohne jede Bedeutung. Des weiteren lehnt das Berufungsgericht die Anführung der Beklagten ab, die Klägerin habe deswegen gar keinen Schaden gehabt, weil sie die Ware behalten und diese ihren Wert behalten habe. Es erwägt, die Ansteigerung der Ware bei der Versteigerung durch die Klägerin sei nicht anders zu beurteilen, als wenn sie bei irgendeiner Gelegenheit im Betrieb ihres Handelsgewerbes ein gutes Geschäft gemacht habe,- diesen in erlaubter Weise errungenen Vorteil könne die Beklagte nicht zu ihren Gunsten buchen, da er mit dem Schadensersatzanspruch nur in einem äußerlichen und tatsächlichen, aber in keinem innerlichen und rechtlichen Zusammenhang stehe. Auch diese Ausführung ist zu beanstanden. Sie erscheint ebenfalls von der Vorstellung beeinflußt, daß dem angeblichen Verkauf vom 28. August 1920 die rechtlichen Wirkungen eines Selbsthilfeverkaufs gemäß § 373 HGB. zukämen. Eine Untersuchung, die sich allein mit der Schadensermittlung befaßt, muß zu einem anderen Ergebnis führen. Mit Recht verweist die Revision auf die Urteile des Reichsgerichts in RGZ. Bd. 89 S. 282 und bei Warn. 1918 S. 271 Nr. 184. Dort wird grundsätzlich ausgesprochen, daß bei konkreter Schadensberechnung der Verkäufer sich den Einwand gefallen lassen muß, er sei im Besitz der Ware verblieben und deshalb in der Lage, sie an einen Dritten, und zwar mindestens ebenso vorteilhaft wie an den Käufer, zu veräußern. Es ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde dieser Satz hier unabwendbar sein sollte. Die Vornahme der Versteigerung am 28. August 1920 begründet keine derartige Besonderheit des vorliegenden Falles, daß andere Grundsätze Platz greifen müßten. Sie kann den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Nichtabnahme der Ware durch die Beklagte und der Erhaltung des Besitzes an ihr bei der Klägerin nicht unterbrechen, vielmehr nur als fehlgeschlagener Versuch eines Dekkungsverkaufs bewertet werden, durch den nichts daran geändert wurde, daß der Klägerin das Eigentum an den 4000 Rollen Dachpappe und die Verfügungsgewalt darüber verblieb. Die Möglichkeit für sie, diese Ware ohne Verlust an einen Dritten abzusetzen, erhellt aus der vom Berufungsrichter getroffenen Feststellung, daß die maßgebenden Konventionspreise am Tage der Versteigerung dieselben waren wie zur Zeit des Vertragsschlusses zwischen den Parteien. Zudem hatte die Beklagte, offenbar ohne Widerspruch, vorgetragen, diese Preise seien auch tatsächlich bei Verkäufen um jene Zeit erzielt worden. Der erörterte Einwand der Beklagten greift somit nach Lage der Dinge in vollem Umfang durch. Demnach ist die Aufhebung des Berufungsurteils geboten, ohne daß auf seinen weiteren Inhalt und die

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sonstigen Angriffe der Revision noch einzugehen wäre. Da die Klägerin eine andere als die von ihr gewählte konkrete Schadensberechnung nicht aufgemacht hat, eine abstrakte Berechnung auch offensichtlich an der vom Berufungsgericht festgestellten Stetigkeit der vereinbarten Konventionspreise scheitern müßte, ist die Sache zur Entscheidung reif (§565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.). Die Klage ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen, weil der Klägerin kein Schaden entstanden ist. Dem steht die Rechtskraft der Vorabentscheidung über den Grund des Klageanspruchs, die in Ansehung der zunächst geforderten 25 000 Papiermark ergangen war, nicht entgegen (vgl. JW. 1898 S. 141 Nr. 8, 1899 S. 35 Nr. 19, 20; Gruchot Bd. 39 S. 442, Bd. 45 S. 108). RGZ. 110, 268 betr. HGB. § 373 abgedruckt Seite 219 in diesem Band. RGZ. 125, 76 Zur Untersudiungspflidit des Käufers beim Handelskauf: 1. Ist ein Handelsgebraudi anzuerkennen, wonach die Untersuchung nicht üblich sei? 2. Wann ist die Untersuchung nicht tunlich? HGB. § 377. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 26. Juni 1929 I. Landgericht Düsseldorf, Kammer f. Handelssachen. II. Oberlandesgericht das. Laut Bestätigungsschreiben vom 1. April 1924 kaufte die Klägerin von der Beklagten „1000 Tonnen prima chargierfähigen Abwrackkernschrott bzw. schweren chargierfähigen Stahlschrott, lieferbar Verbraudiswerk Rh. oder Schiff Duisburg-Ruhrort". Am 19. April 1924 lieferte die Beklagte auf diesen Abschluß an das Verbrauchswerk eine Ladung Schrott, bestehend aus Stabstahl-Enden. Diese sind regelmäßig frei von Chrom. Die Klägerin behauptet aber, bei dem gelieferten Schrott einen Chromgehalt von 6,5 vH. festgestellt zu haben. Chrom eignet sich nicht zur Verhüttung und schadet den Martinsöfen; so auch nach Angaben der Klägerin im vorliegenden Fall. Für den hierdurch dem Verbrauchswerk entstandenen Schaden von angeblich 19 319 RM. nimmt die Klägerin die Beklagte — mit dem Antrag auf Zahlung dieser Summe an das Verbrauchswerk — in Anspruch, weil die Beklagte ohne gehörige Prüfung, also schuldhaft, eine Ware geliefert habe, die zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch nicht tauglich gewesen sei. Die Beklagte bestreitet den Chromgehalt des Schrotts, aber auch die Vereinbarung von Chromfreiheit, ebenso die Entstehung eines Schadens. Ferner wendet sie ein, zur Untersuchung der Stabstahl-Enden sei nicht sie, sondern die Klägerin oder das Verbrauchswerk verpflichtet gewesen; mangels rechtzeitiger Rüge könne die Klägerin keine Ansprüche geltend machen. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht erklärte den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt.

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Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : Daß die Klägerin von der Beklagten, falls diese zur Schadensersatzleistung verpflichtet ist, Ersatz des ihrer Kommittentin, dem Stahlwerk Rh., entstandenen Schadens verlangen kann, entspricht einem anerkannten Satze des Handelsrechts (vgl. Komm. v. RGR. Anm. 3 zu § 249 BGB.; RGZ. Bd. 40 S. 172 und 187, Bd. 58 S. 39, Bd. 62 S. 331, Bd. 90 S. 240, Bd. 97 S. 87, Bd. 113 S.250). Unbedenklich kann die Klägerin dieses Verlangen auch mit dem Antrag auf unmittelbare Zahlung an ihre Kommittentin geltend machen. Das Berufungsgericht hat dem Grunde nach ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß infolge des Chromgehalts des gelieferten Schrotts ein Schaden entstanden ist. Es nimmt ferner an, daß die Parteien die Tauglichkeit des Schrotts zur Verhüttung im Martinsofen des Stahlwerks zum Vertragsinhalt erhoben haben. Diese Folgerung liegt wesentlich auf tatsächlichem Gebiet und ist frei von Rechtsirrtum. Daß die Beklagte geradezu Chromfreiheit zugesichert hätte, nimmt der Berufungsrichter nicht an. Schadensersatz wegen Lieferung von Schrott, der wegen seines Chromgehaltes zur Verhüttung im Martinsofen ungeeignet war, kann daher die Klägerin (aus §§ 276, 278 BGB.) nur dann verlangen, wenn die Beklagte oder ihre Angestellten bei jener Lieferung ein Verschulden trifft (vgl. u. a. RGZ. Bd. 53 S. 200, Bd. 106 S. 22). Grundsätzlich braucht nun zwar der Verkäufer die Tauglichkeit der Ware zu dem ihm bekannten Verwendungszweck nicht zu prüfen (vgl. J W . 1910 S. 748 Nr. 5). Aber, wie aus der Verkehrssitte, so kann sich aus den besonderen Umständen des Falles eine solche Prüfungspflicht ergeben. Für die Beklagte, so nimmt der Berufungsrichter an, bestand sie deswegen, weil sie den an das Stahlwerk gelieferten Schrott den Beständen entnahm, die sich bei ihr aus umfangreichen Lieferungen der Inflationszeit angesammelt hatten, obgleich sie wissen mußte, daß damals viel chromhaltiger Schrott im Handel war. Die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte damals allgemein die Untersuchung auf Chromgehalt in ihrem Betrieb vorgeschrieben hatte. Sie hat auch nicht darzulegen versucht, daß sich etwa in diesem Sonderfall nach dem aus den Frachtbriefen für sie ersichtlichen Herkunftsort des Schrotts jede Untersuchung erübrigt hätte. Unter diesen Umständen konnte der Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum annehmen, daß die Beklagte mit Lieferung des nicht auf Chromgehalt untersuchten Schrotts ihre Vertragspflicht verletzte. Zu Unrecht wendet die Revision hiergegen ein, die Beklagte habe nicht damit zu rechnen brauchen, daß der Schrott beim Werk ununtersucht verhüttet würde. Denn wenn dies zuträfe, so könnte es doch die Beklagte nicht von der eigenen Untersuchungspflicht befreien. HGB. 3

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Gleichwohl ist es rechtlich nicht ohne Bedeutung, wie weit die nach § 377 HGB. der Klägerin oder an ihrer Stelle dem Stahlwerk obliegende Untersuchungspflidit nach der Ablieferung des Schrotts ging. Auch für den auf vertragliches Verschulden gestützten Schadensersatzanspruch des Käufers ist, wie die Revision mit Recht hervorhebt, Voraussetzung, daß der Mangel unverzüglich gerügt worden ist (RGZ. Bd. 65 S. 49, Bd. 99 S. 247, insbes. S. 250, Bd. 106 S. 309; S t a u b K ö n i g e Anm. 103 zu § 377 HGB.). Das Berufungsgericht stellt allerdings fest, zur Zeit der Lieferung sei es nicht mehr üblich gewesen, Stahlschrott auf Chromgehalt zu untersuchen, und das Stahlwerk habe solche Untersuchung zu dieser Zeit namentlich deswegen unterlassen dürfen, weil bei Stabstahl-Enden, wie sie die Beklagte geliefert hat, ein Chromgehalt nicht zu vermuten und dem Werk weder der Herkunftsort des Materials noch ferner bekannt gewesen sei, daß dieses aus der Inflationszeit stammte. Dabei ist aber nicht beachtet, daß ein Handelsgebrauch, der von jeglicher Untersuchungspflicht befreien wollte, aller Regel nach als Mißbrauch anzusehen wäre, der rechtlich nicht beachtet werden könnte ( S t a u b - K ö n i g e Anm. 18 zu §377 HGB.). Handelsbräuche werden sich nur ausnahmsweise, insbesondere wenn sich beide Parteien ihnen bewußt unterworfen haben, über Art und Umfang der Untersuchung hinaus auf die Frage erstrecken können, ob von der Untersuchung überhaupt abgesehen werden dürfe ( S t a u b K ö n i g e Anm. 37 zu § 377 HGB.). Auch daß ein Mangel selten vorzukommen pflegt, kann grundsätzlich nicht von der Untersuchungspflicht befreien (RGZ. Bd. 68 S. 368 ff., insbes. 369). Im vorliegenden Falle fehlt es an jedem Anhalt dafür, daß beim St.ihlwerk auch nur eine ganz äußerliche Untersuchung stattgefunden hätte. Daß sie unterblieb, läßt sich, wie dargelegt, nicht mit dem bloßen Hinweis darauf rechtfertigen, daß sie nicht üblich war. Die Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung entfällt nach § 377 HGB. vielmehr nur dann, wenn sie nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang nicht tunlich ist. In dieser Beziehung enthält das Berufungsurteil nur die eine Bemerkung, daß die Untersuchung schon aus technischen Gründen nicht habe erfolgen können. Dabei scheint an die Notwendigkeit schnellen Entladens der Bahnwagen und an die alsbaldige Vermischung mit anderem Material auf den Schrotthalden gedacht zu sein. Hieraus folgt aber noch nicht zwingend, daß jegliche Untersuchung untunlich war. In welchem Umfang und in welcher Art sie erfolgen mußte, läßt sich für das Revisionsgericht noch nicht beurteilen. Es s ei aber doch darauf hingewiesen, daß nach der Beweisaufnahme unter Umständen das einfache Zerschlagen einiger Stabstahl-Enden genügte, um den Chromgehalt zu erkennen. Das Berufungsurteil enthält hiernach einen Rechtsirrtum insofern, als danach einmal das Stahlwerk schon deshalb von der Pflicht zur Untersuchung befreit gewesen sein soll, weil diese nicht üblich ge-

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wesen sei, und weil ferner das Urteil keine schlüssige Begründung dafür gibt, daß die unverzügliche Untersuchung sich als untunlich erwiesen habe. In diieser Beziehung ist eine Nachprüfung tatsächlicher Art erforderlich. Darum mußte das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird ferner zu beachten sein, daß ein Widerspruch darin liegt, wenn das Berufungsgericht annimmt, die Beklagte habe Anlaß zu besonderer Untersuchung der Stabstahl-Enden gehabt, die Klägerin oder das Stahlwerk dagegen nicht mehr, obgleich doch auch zur Zeit der Liefeiung (im April 1924) die Möglichkeit durchaus noch nicht fernlag, daß die Ware aus Inflationszeiten stammte und damit chromverdächtig war. Die Revisionsrüge, hier sei bei der Beurteilung der Parteipflichten mit zweierlei Maß gemessen worden, ist nicht unbegründet.

Kommissionsgeschäft RGZ. 1, 286 Voraussetzungen der Berechtigung des V e r k a u f s - oder E1 n k a u f s - K o m m i s s i o n ä r e s zum Eintritt als Selbstkontrahent nach Art. 376 HGB. Rechte des Kommissionäres dem Kommittenten gegenüber im Falle des Eintrittes, namentlich wenn der Kommittent dem Kommissionär zum Verkaufe bereits ausgeloste Lospapiere übersendet. Geltendmachung der Rechte des Kommissionärs mit der Kaufklage oder mit der Mandatsklage? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 10. April 1880 I. Kreisgerichtsdeputation für Handelssachen Elbing. — II. Appellationsgericht

Marienwerder. Aus den G r ü n d e n : Der Beklagte erteilte dem Kläger am 26. November 1877 eine Verkaufskommission des Inhaltes, daß Kläger 11 Stück 1855er preußische Prämien-Anleihescheine bestmöglich, jedoch nicht unter 134, verkaufen sollte. Am 27. November 1877 erstattete Kläger dem Beklagten die Ausführungsanzeige dahin, daß er dem Auftrage des Beklagten gemäß 3300 M. 3^-prozentige Prämienanleihe zu 134,10 b e g e b e n habe und um Ubersendung der Stücke zum Zwecke der Berechnung bitte. Mit Brief vom 28. November 1877 übersandte Beklagter dem Kläger „die verkauften 11 Stüde preußische Prämienanleihe" mit der Bitte, ihm den „Gegensatz" dafür zu übersenden. Mit Brief vom 29. November 1877 übersandte Kläger dem Beklagten bar 4489,80 M., bescheinigte den Empfang der 3300 M. preußische Prämienanleihe, „die ich, wie vorsteht, a b l i e f e r t e und deren E r l ö s ich Ihnen zugehen lasse". Dem Briefe ist eine Note beigefügt, in welcher der Preis der fraglichen 9*

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Effekten ä 134,10 zuzüglich der Zinsen und abzüglich der Spesen und Provision berechnet wird. Hiermit war das Kommissionsgeschäft zunächst abgemacht. Mit Brief vom 18. September 1878 machte Kläger aber dem Beklagten die Anzeige, daß sich nachträglich herausgestellt habe, daß unter den 11 Stück preußischer Prämienanleihe, welche Beklagter am 29. November 1877 d e m K l ä g e r g e l i e f e r t , drei nach Serie und Nummer bezeichnete Stücke (die jetzt streitigen) bereits am 15. September 1876 ausgelost seien, weshalb er bitte, ihm dagegen drei unverloste Stücke zuzustellen. Diesen Antrag hat Kläger, da Beklagter nicht darauf eingehen wollte, in der vorliegenden Klage wiederholt und dem Beklagten nur nach seiner Wahl freigestellt, den ihm für die drei Stüde vom Kläger bezahlten Preis zurückzuzahlen. Der Kläger behauptet, daß er die Verkaufskommission des Beklagten vom 26. November 1877 durch Eintritt als Selbstkäufer ausgeführt habe. Der Beklagte bestreitet dies, und der Apellationsriditer hat die Klage abgewiesen, indem er annimmt, daß ein Proprekauf zwischen Parteien nicht zustande gekommen sei. Er begründet diese Annahme, indem er nach Mitteilung der vom 20. bis 29. November 1877 gepflogenen Korrespondenz ausführt: Davon, daß Kläger von der Befugnis, die Effekten, deren Verkauf ihm aufgetragen worden, als Käufer für sich zu behalten (Art. 376 HGB.), Gebrauch gemacht habe oder Gebrauch machen wolle, sei in der Korrespondenz überall nicht die Rede gewesen, vielmehr sei die Ausführungsanzeige des Klägers, wie die nichts anders aufzufassenden und auszulegenden Äußerungen „ich begab", „ablieferte", „Erlös" ergäben, dahin gegangen, „daß er den Auftrag ausgeführt habe"; Kläger habe auch weder in seinem Schreiben, noch in der Nota vom 29. November 1877 dem Beklagten den Nachweis gegeben, daß bei dem berechneten Preise der zur Zeit bestehende Börsenkurs eingehalten sei; es sei unter diesen Umständen eine Ubereinstimmung beider Parteien über das Zustandekommen eines Proprekaufes nicht ersichtlich und nicht vorhanden gewesen und das Rechtsgeschäft lediglich als Kommissionsgeschäft zu beurteilen. Allerdings habe dadurch, daß der Kläger in der Ausführungsanzeige eine andere Person als Kläger nicht namhaft gemacht, nach Art. 376 HGB. der B e k l a g t e die Befugnis erlangt, den Kläger selbst als Käufer in Anspruch zu nehmen, dagegen könne der K l ä g e r aus der unterlassenen Benennung eines anderen Käufers nicht Rechte herleiten und das Zustandekommen eines Propregeschäftes geltend machen. Diese Ausführung entspricht allerding der Rechtsprechung des vormaligen preußischen Obertribunals, auf dessen Entscheidung vom 20. November 1866 der Appellationsrichter auch Bezug nimmt. Das vormalige Reichsoberhandelsgericht hat aber in zahlreichen Entscheidungen diese Auffassung als rechtsirrtümlich reprobiert, und das

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Reichsgericht schließt sich der namentlich in dem Urteil des Reichsoberhandelsgerichtes vom 26. Januar 1876 (vgl. Entsch. desselben Bd. 19 S. 355 ff.) näher begründeten, mit der Rechtsprechung des vormaligen Oberappellationsgerichtes zu Lübeck (vgl. S e u f f e r t s Archiv Bd. 24 Nr. 68) im Einklänge stehenden Auffassung des Reichsoberhandelsgerichtes an. Der Appellationsrichter nimmt schon einen rechtsirrtümlichen Ausgangspunkt, wenn er das Kommissionsgeschäft, die Ausführung des Kommissionsauftrages einerseits und das Zustandekommen eines Proprekaufes andererseits als G e g e n s ä t z e behandelt, und wenn er dies auch nicht ausdrücklich ausspricht, doch zweifellos annimmt, der Kommissionsauftrag a l s s o l c h e r werde n u r dadurch, daß der Kommissionär das aufgetragene Geschäft m i t e i n e m D r i t t e n abschließe, a u s g e f ü h r t , mit dem Kommissionsauftrage sei aber zugleich die O f f e r t e zum eventuellen Abschlüsse eines Proprekaufes v e r b u n d e n , welcher letztere dann dadurch perfekt werde und n u r dadurch perfekt werden könne, daß der Kommissionär i n d e r A u s f ü h r u n g s a n z e i g e die A k z e p t a t i o n der O f f e r t e zu einem Proprekaufe erkläre, wogegen, wenn der Kommissionär diese Erklärung nicht in der Ausführungsanzeige abgebe, die Offerte als a b g e l e h n t gelte, und folgeweise der Kommissionär s p ä t e r n i c h t m e h r seinen Eintritt als Selbstkontrahent erklären könne. Diese ganze rechtliche Konstruktion ist eine verfehlte und der Auffassung des Handelsstandes fremde. Der Kommissionsauftrag ist nichts weiter, als das Wort besagt; eine O f f e r t e zu einem Proprekaufe enthält derselbe nicht, und es ist ganz gleichgültig, ob der Kommittent daran gedacht hat. Nach der historischen Entwicklung des Kommissionsgeschäftes hat sich, wie in der allegierten Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichtes ausgeführt ist (vgl. G r ü n h u t , Kommissionshandel §43), die Befugnis des Kommissionärs festgestellt, n a c h s e i n e r W a h l , welche jedoch in den in der allegierten Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichtes (S. 359 a.a.O.) angegebenen Fällen cessiert, die Kommission e n t w e d e r durch einen Abschluß mit einem Dritten o d e r durch den Eintritt als Selbstkontrahent a u s z u f ü h r e n . Der Eintritt als Selbstkontrahent ist daher nichts von der Ausführung des Auftrages V e r s c h i e d e n e s , sondern nur eine A r t der A u s f ü h r u n g des Kommissionsauftrages; der Kommissionär führt den Auftrag aus, indem er das aufgetragene Geschäft nicht mit einem Dritten, sonder „in s i c h " abschließt. Der Kommissionär ist auch in der Ausübung seines Wahlrechtes keineswegs in der Art z e i t l i c h beschränkt, daß die A u s f ü h r u n g s a n z e i g e die betreffende Erklärung bei Verlust des Eintrittsrechtes enthalten müßte; die Übung des Handelsstandes, an welche Art. 376 HGB. sich angeschlossen hat, ist vielmehr im Gegenteil die, daß die Ausführungsanzeige, obwohl die Kommissionsaufträge großenteils durch Eintritt des Kommissionärs als Selbstkontrahent ausgeführt

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werden, selten eine ausdrückliche Erklärung darüber, ob die Ausführung des Auftrages in der einen oder anderen alternativen Weise erfolgt sei, bzw. erfolgen solle, enthält. Da der Kommittent regelmäßig nur ein Interesse dabei, daß das Geschäft überhaupt gemacht wird, hat, es ihm aber gleichgültig ist, ob das Geschäft mit einem Dritten oder von dem Kommissionär in sich gemacht wird, da ferner der Kommissionär dem Kommittenten seine Geschäftsverbindungen nicht ohne Not aufdeckt, so wird es in den meisten Fällen gänzlich mit Stillschweigen übergangen, in welcher der beiden Arten die Kommission ausgeführt ist; jedenfalls darf aber der Kommissionär, wenn er seine Wahl nicht in der Ausführungsanzeige bereits erklärt hat, dies noch später ohne Zeitbeschränkung nachholen, solange das Wahlrecht nicht durch einen besonderen gesetzlichen Grund, worüber es hier keiner weiteren Erörterung bedarf, seine Endschaft erreicht hat. In den vom Appellationsrichter urgierten Ausdrücken, welche in den Briefen des Klägers vom 27. und 29. November 1877 vorkommen („begeben", „abliefern", "Erlös"), kann auch nicht die Erklärung des Kommissionärs, daß er den Auftrag durch Abschluß mit einem Dritten abgeschlossen habe, gefunden werden. Es mag zugegeben werden, daß jene Ausdrücke s p r a c h l i c h eine solche Deutung z u l a s s e n . Aber die t ä g l i c h e U b u n g im Kommissionsgeschäft spricht gegen eine solche Auslegung. Die Kommissionäre gebrauchen regelmäßig solche Ausdrücke in ihren Ausführungsanzeigen, ohne daß sie daran denken, eine Wahl unter den beiden Alternativen treffen und dem Kommittenten eine Erklärung über die getroffene Wahl abgeben zu wollen; sie gebraudien solche Ausdrücke, wenn sie eben über die Ausübung der Wahl eine Erklärung überhaupt noch nicht abgeben, sich vielmehr die Wahl oder eine Erklärung darüber noch für eine spätere Zeit vorbehalten wollen. Mit Unrecht legt ferner der Appellationsrichter darauf Gewicht, daß Kläger weder in seinen Briefen noch in der Note den N a c h w e i s , daß bei dem berechneten Preise der zur Zeit bestehende Börsenpreis eingehalten sei, gegeben habe; dieser N a c h w e i s gehört nach Art. 376 Abs. 2 HGB. zu der dem Kommissionär obliegenden R e c h e n s c h a f t über den Abschluß des Kaufgeschäftes; diesen Nachweis, welcher durch Beifügung des Kurszettels zu erbringen ist, b r a u c h t aber der Kommissionär nur auf V e r l a n g e n des Kommittenten zu liefern; ein solches Verlangen wird jedoch nur selten gestellt werden, da teils der Kommittent dem Kommissionär vertraut, daß er den Börsenkurs nicht überschreitet, teils der Kurszettel regelmäßig auch dem Kommittenten ohne eine Mitteilung des Kommissionärs zugänglich ist. Im vorliegenden Falle ist in der Klage behauptet, daß der Börsenkurs eingehalten sei, und der Beklagte hat dies in der Klagebeantwortung ausdrücklich zugestanden. Die A n z e i g e , daß 134,10 der damalige Börsenkurs sei, ist aber in den Briefen des Klägers zu finden, da wenn ihm der b e s t m ö g l i c h e Verkauf aufgetragen

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wird und er daiauf den Verkauf zu 134,10 anzeigt, darin zugleich liegt, daß nach dem Börsenkurs mehr nicht zu erlangen war. Verfehlt ist es, wenn der Appellationsrichter aus der Bestimmung im Art. 376 Abs. 3 HGB., wonach der K o m m i t t e n t den Kommissionär als Selbstkontrahenten in Anspruch nehmen darf, wenn derselbe nicht in der Ausführungsanzeige einen Dritten als Käufer oder Verkäufer namhaft macht, a contrario folgert, daß in dem hier vorgesehenen Falle der Kommissionär n i c h t das Recht habe, dem Kommittenten gegenüber als Selbstkontrahent aufzutreten. Dieses Recht des Kommissionärs folgt schon aus Art. 376 Abs. 1, 2 bei richtiger Auslegung, und Abs. 3 hat dem Kommittenten nur ein korrespondierendes Recht als Gegengewicht gegen einen etwaigen Mißbrauch des dem Kommissionär eingeräumten Wahlrechtes, namentlich für den Fall einer Verzögerung der Erklärung über die Ausübung des Wahlrechtes, gegeben. Der Abs. 3 ist zugleich ein Belag für die Unrichtigkeit der Annahme des Appellationsrichters, daß es zum Eintritt des Kommissionärs als Selbstkontrahenten einer E r k l ä r u n g der Willens Ü b e r e i n s t i m m u n g , wie solche zur Perfektion eines V e r t r a g e s nötig ist, bedürfe. Wie der Kommissionär nach seiner Wahl das aufgetragene Geschäft in sich selbst ausführen kann, o h n e der Z u s t i m m u n g des Kommittenten zu bedürfen, so kann der Kommittent nach Abs. 3 den Kommissionär als Selbstkontrahenten b e h a n d e l n , ohne dessen Z u s t i m m u n g zu bedürfen. Mit Unrecht will ferner der Beklagte in den Gründen des angefochtenen Urteils eine das Reichsgericht bindende t a t s ä c h l i c h e F e s t s t e l l u n g , daß der Kläger n i c h t als Selbstkontrahent eingetreten sei, sondern das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen habe, finden. Daß Kläger die fraglichen Wertpapiere infolge des A u f t r a g e s des Beklagten t a t s ä c h l i c h an einen Dritten verkauft h a b e , ist weder vom Beklagten behauptet noch vom Appellationsrichter festgestellt, auch offensichtlich nicht der Fall. Die Feststellung des Appellationsrichters beschränkt sich darauf, daß Kläger in der Ausführungsanzeige seinen Eintritt als Selbstkäufer nicht erklärt habe, daher ein Proprekauf nicht perfekt geworden, vielmehr nach Inhalt der Anzeige anzunehmen sei, daß Kläger den Auftrag als Kommissionsgeschäft ausgeführt habe. Diese Feststellung hat keinen relevanten Inhalt und ist nach dem ganzen Zusammenhange von einer r e c h t s i r r t ü m l i c h e n Auffassung beherrscht, kann daher als Grundlage für die Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren nicht dienen. Das angefochtene Urteil war vielmehr auf die zutreffenden Angriffe des Klägers zu vernichten. Die anderweite Entscheidung ergibt sich von selbst. Kläger hat in seiner Ausführungsanzeige noch in suspenso gelassen, ob der Kommissionsauftrag durch Eintritt als Selbstkontrahent oder durch Abschluß mit einem Dritten ausgeführt sei. Er durfte die Erklärung über seine Wahl noch später abgeben und hat sie rechtzeitig und rechts-

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beständig in dem Briefe vom 17. September 1878 und in der vorliegenden Klage dahin abgegeben, daß er den Eintritt als Selbstkäufer gewählt habe und bzw. wähle. Aus der vorstehenden Ausführung ergibt sich bezüglich des Klageanspruches Folgendes: Bei der Erteilung der Verkaufskommission sind beide Teile von der selbstverständlichen Voraussetzung ausgegangen, daß Gegenstand des Geschäftes Prämien-Anteilscheine seien, welche n o c h n i c h t a u s g e l o s t wurden. Es ergibt sich dies, abgesehen davon, daß davon im Börsengeschäft regelmäßig ausgegangen wird, im vorliegenden Falle zweifellos daraus, daß ein Verkaufs-Limitum von 134 festgesetzt ist, während ein ausgelostes Stück keinen höheren W e r t hat, als den am nächsten 1. April zurückzuzahlenden Betrag (115) und an der Börse nicht mehr gehandelt zu werden pflegt. Wenn Beklagter daher mit dem Brief vom 28. November 1877 drei bereits vor einem Jahre ausgeloste Stücke übersandte, was als nicht bestritten anzusehen ist, so hat Beklagter etwas anderes (aliud) geliefert, als Gegenstand des Geschäftes war. Und wenn dann Kläger den Auftrag durch Eintritt als Selbstkäufer ausführte, und ihm in dieser Eigenschaft die Kaufklage gegen den Kommittenten als Verkäufer eingeräumt wird, so hat Beklagter die ihm nunmehr als Verkäufer obliegenden Pflichten nicht erfüllt, indem er dem Kläger ewas a n d e r e s geliefert, als dieser gekauft hat. Kläger fordert daher mit Recht, daß Beklagter durch nachträgliche Lieferung solcher Stücke, wie er dem Kläger verkauft, den Vertrag vollständig erfülle. (Vgl. Entsch. des ROHG. Bd. 14 S. 370, 371 Bd. 20 Nr. 98, 108, 109.) Hieraus ergibt sich zugleich die Grundlosigkeit der Einwendungen des Beklagten. Die Art. 347, 349 HGB. finden keine Anwendung, weil Beklagter nicht eine an einem Qualitätsmangel leidende Sache, sondern ein aliud geliefert hat. Es kommt auch, eben weil Vertragserfüllung gefordert wird, nicht darauf an, ob den einen oder anderen Teil oder beide der Vorwurf eines Versehens trifft, und bzw. welcher Partei das größere Versehen zur Last fällt. Auch wenn dem Kläger ein überwiegendes Versehen, weil er nicht alsbald untersuchte, ob nicht unter den übersandten Stücken bereits ausgeloste sich befanden, zur Last fallen sollte, würde der Beklagte von der Verpflichtung zur Lieferung vertragsmäßiger Stücke nicht frei sein. Des Klägers Petitum ist jedoch nicht einfach auf Umtausch, vielmehr alternativ nach Wahl des Beklagten auf Rückzahlung des für die drei ausgelosten Papiere gezahlten Kaufpreises gegen Rückgabe der Papiere gerichtet. Dieser letztere alternative Antrag würde auch dann begründet sein, wenn man dem Kommissionär, welcher als Selbstkäufer eingetreten ist, nicht die Kaufklage gegen den Kommittenten auf Erfüllung des Kaufvertrags einräumen wollte (vgl. G r ü n h u t , Kommissionshandel S. 485), sondern nur die Mandatsklage. In diesem Fall würde Beklagter als Kommittent jedenfalls nicht den ihm vom

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Kläger übersandten höheren Kaufpreis für nicht ausgeloste Anteilscheine behalten können, während Beklagter ihm nur a u s g e l o s t e Scheine geschickt hat, Kläger also dafür den Preis von 134,10 weder bei einem Verkaufe an einen Dritten, noch bei der Übernahme als Selbstkäufer erlösen konnte. Der Beklagte mußte daher nach dem alternativen Klagantrage verurteilt werden. RGZ.4, 92 Besteht eine und eventuell welche zeitliche Grenze für die Befugnis des Kommittenten, den Kommissionär als Selbstkontrahenten in Anspruch zu nehmen? HGB. Art. 376 Abs. 3 I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 4. Juni 1881 I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergeridit daselbst. Aus den G r ü n d e n : Kläger hat im Juli 1869 der Beklagten eine Einkaufskommission des Inhaltes erteilt, daß die Beklagte für Rechnung des Klägers in eigenem Namen polnische Pfandbriefe III. Emission im Nominalbetrage von 11 000 Ruttel billigst möglich einkaufen, anschaffen sollte. Diese Kommission hat die Beklagte in drei Raten ausgeführt und dem Kläger, jedoch ohne Nennung eines Dritten, mit welchem sie das Geschäft bzw. die betreffenden Geschäfte abgeschlossen, mittels Briefen vom 31. Juli, 2. August, 3. August 1869 Ausführungsanzeigen dahin erstattet, daß sie bzw. 3600, 3990 und 3675, im ganzen 11 265 Rubel für Klägers Rechnung „genommen, per Cassa gekauft, beschafft, angeschafft, geliefert erhalten, empfangen", daß sie die berechneten Kurse „habe anlegen müssen" usw. Sie hat dem Kläger auch die eingekauften Pfandbriefe, und zwar mit der Ausführungsanzeige vom 31. Juli 1869 3600 Rubel und den Rest mit dem Briefe vom 6. August 1869 übersandt. Kläger hat nach jeder Anzeige den Empfang derselben bestätigt und nach Mitteilung des Einkaufes des Restes durch Erief vom 3. August im Briefe vom 4. August 1869 bemerkt, er halte nunmehr „diese Kommission für erledigt" und auch die von der Beklagten berechnete Anschaffungssumme mit Agio und Provision berichtigt. Unter den Pfandbriefen, welche Kläger von der Beklagten erhalten hat, befand sich auch die Nr. 211 422 Lit. B über 750 Rubel. Diese Nummer ist sodann vom Kläger angeblich weiterbegeben und durch verschiedene Hände gegangen. Während die Bankfirma Gebr. G. dieselbe besaß, soll B. in Warschau den Pfandbrief als ihm gestohlen durch die zuständige Warschauer Behörde haben öffentlich aufbieten lassen, und sodann infolge eines zwischen Gebr. G. und B. vor dem Warschauer Gericht geführten und entschiedenen Prozesses die Firma Gebr. G. unentgeltlich an B. als den urteilsmäßigen Eigentümer haben herausgeben müssen. Dann sind angeblich verschiedene Eviktionsprozesse zwischen Gebr. G und deren

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Auktor, dann zwischen diesem und dessen Vormann usw., zuletzt zwischen dem Abnehmer des jetzigen Klägers und dem Kläger geführt und zum Nachteile der jedesmal beklagten Auktoren entschieden. In der vorliegenden Klage verfolgt nun Kläger seinen vermeintlichen Eviktionsanspruch gegen die beklagte Bankfirma und gründet denselben darauf, daß die Beklagte ihm den Pfandbrief durch ein einfaches Kaufgeschäft verkauft, die Beklagte ihm daher als Verkäuferin für die Eviktion haften müsse. Nachdem die Beklagte eingewendet hatte, daß kein Kaufgeschäft, sondern eine ausgeführte Einkaufskommission vorliege, hielt Kläger in der Replik zunächst die Klagebehauptung, daß ein einfaches Kaufgeschäft vorliege aufrecht, machte jedoch eventuell für den Fall, daß eine Einkaufskommission anzunehmen sei, geltend, daß er nach A r t 376 Abs. 3 HGB. berechtigt sei, die Beklagte als Selbstverkäuferin in Anspruch zu nehmen, also auch den vorliegenden Eviktionsanspruch gegen sie zu verfolgen. Dem widersprach die Beklagte. Es tritt nun die Frage in den Vordergrund, ob die Beklagte dem Kläger nur nach Maßgabe der über die Pflichten eines Beauftragten geltenden Vorschriften und Rechtsgrundsätze für ein (nicht dargelegtes) Versehen haften würde, oder ob Kläger die Beklagte als Selbstverkäuferin nach den über die Eviktion bei Kaufgeschäften geltenden Vorschriften (§§ 135 ff ALR. 111) in Anspruch zu nehmen berechtigt ist. Der Appellationsrichter hat sich für die erste Alternative entschieden und die zweite Alternative verneint. Diese Entscheidung ist jedoch nicht als richtig anzuerkennen. Der Appellationsrichter hält an einer, in zahlreichen Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichtes und auch bereits in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 10. April 1880 (vgl. Entsch. des RG. in Civils. Bd. 1 Nr. 105 S. 286 ff.) reprobierten Auffassung, wenngleich anscheinend nicht mehr in voller Schärfe, sondern mit Konzession an die abweichende, hiesige Auffassung fest. Er spricht nicht mehr aus, daß er in der Erteilung einer Einkaufskommission zugleich eine eventuelle O f f e r t e eines Proprekaufes finde, welche spätestens mit der Ausführungsanzeige des Kommissionärs zu a k z e p t i e r e n sei, so daß ein späteres Eintreten des Kommissionärs als Selbstkontrahent nicht mehr stattfinde,- er referiert auch die Ansicht des Reichsoberhandelsgerichts, daß die Erklärung des Kommissionärs, daß er in die Rechtstellung des Selbstkontrahenten einrücke, nicht notwendig mit der A n z e i g e über die Ausführung des Auftrages zu erfolgen brauche, ohne sich ausdrücklich darüber auszusprechen, ob er diese Absicht billige oder nicht. Er nimmt aber an, daß die Befugnis des Kommissionärs nach Art. 376 Abs. 1 HGB., seinen Eintritt als Selbstkontrahent zu erklären, und die korrespondierende Befugnis des Kommittenten, nach Art. 376 Abs. 3 zu erklären, daß er den Kommissionär als Selbstkontrahenten in Anspruch nehmen wolle, z e i t l i c h n i c h t g a n z u n b e g r e n z t sei, vielmehr in der L i e f e r u n g seitens des Kommissionärs und der

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A n n a h m e d e r L i e f e r u n g seitens des Kommittenten ihre zeitliche Grenze dergestalt finde, daß eine s p ä t e r e Erklärung des angegebenen Inhaltes keine reditlidie Wirkung mehr habe, indem in der Lieferung und deren Annahme ein reditswirksames, mindestens stillschweigendes Ü b e r e i n k o m m e n zwischen dem Kommittenten und Kommissionär des Inhaltes zu finden sei, daß der Kommissionsauftrag a l s s o l c h e r ausgeführt sein solle, und daß von der Befugnis, als Selbstkontrahent eintreten bzw. den Kommissionär als Selbstkontrahenten in Anspruch nehmen zu wollen, kein Gebrauch gemacht werden solle. Diese Konstruktion eines maßgebenden Ubereinkommens zwischen den beiden Beteiligten ist aber eine willkürliche, mit der Geschäftsübung und der Auffassung des Handelsstandes sowohl, als mit der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes und des Reichsgerichtes im Widerspruch stehende. Der Appellationsrichter haftet an der in der allegierten hiesigen, früheren Entscheidung reprobierten Auffassung, daß das Kommissionsgeschäft bzw. die Ausführung des Kommissionsgeschäftes einerseits und das Zustandekommen eines Proprekaufes andererseits G e g e n s ä t z e bilden, daß der Kommissionsauftrag a l s s o l c h e r n u r dadurch, daß der Kommissionär das aufgetragene Geschäft m i t e i n e m D r i t t e n abschließe, ausgeführt werde. Diese Auffassung ist aber eine unrichtige. Nach der historischen Entwicklung des Kommissionsgeschäftes wird der Kommissionär als befugt angesehen, nach seiner Wahl die Kommission e n t w e d e r durch einen Abschluß mit einem Dritten o d e r durch den Eintritt als Selbstkontrahent a u s z f ü h r e n ; der Eintritt als Selbstkontrahent ist daher nichts von der Ausführung des Auftrages V e r s c h i e d e n e s , sondern nur eine A r t d e r A u s f ü h r u n g des Kommissionsauftrages; der Kommissionär führt den Auftrag aus, indem er das aufgetragene Geschäft nicht mit einem Dritten, sondern „in sich" abschließt. Der alternativen Befugnis des Kommissionärs nach Art. 376 Abs. 1 korrespondiert die alternative Befugnis des Kommittenten nach Art. 376 Abs. 3. Die eine so wenig wie die andere Befugnis ist durch eine bestimmte zeitliche Grenze beschränkt, und sie kann es nach dne Zwecken des Kommissionsgeschäftes nicht sein. Der Kommissionär hat, um seine Geschäftsverbindungen nicht unnötig aufzudecken, ein Interesse daran, den Namen des Dritten, mit welchem er das aufgetragene Geschäft abschließt, seinen Kommittenten zu verschweigen, und das Gesetz ermächtigt ihn hierzu. Der Kommissionär macht hiervon auch bei den Geschäften der vorliegenden Art regelmäßig Gebrauch. Es wird daher in der Ausführungsanzeige des Kommissionärs nur sehr selten der Name eines dritten Kontrahenten genannt; die Anzeige wird zwar gewöhnlich so gefaßt, als ob das Geschäft mit einem ungenannten Dritten abgeschlossen wäre; d a s i s t a b e r n u r G e s c h ä f t s s t i l ; es ist daraus nicht zu schließen, daß der Kommissionär das Geschäft n i c h t als Selbstkontrahent habe aus-

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führen wollen und ausgeführt habe. Es bleibt vielmehr bei und nach der Anzeige regelmäßig noch in suspenso, ob der Auftrag in der einen oder anderen Art ausgeführt ist; der Kommittent fragt nicht danach, weil es ihm nur darauf ankommt, d a ß der Auftrag ausgeführt wird, aber ganz gleichgültig ist, auf welche der beiden alternativen A r t e n er ausgeführt wird. In ganz gleicher Weise und aus gleichen Gründen wie bei der Ausführungsanzeige bleibt die Frage, in welcher A r t der Auftrag ausgeführt wird, auch bei der L i e f e r u n g und deren Annahme in suspenso, weil der Kommissionär ein Interesse hat, sich n i c h t darüber auszusprechen, der Kommittent aber kein Interesse hat, das Nähere zu erfahren. Dieser Punkt erlangt nur in den Ausnahmefällen Bedeutung, wenn die Erfüllung ganz oder teilweise unterbleibt oder wenn sich hinterher ein Mangel der Erfüllung ergibt. Durch die Lieferung als solche erklärt also der Kommissionär n i c h t , daß er nicht als Selbstkontrahent liefern wolle und liefere,- ebensowenig erklärt der Kommittent durch die Annahme der Lieferung, daß er die Lieferung als Ausführung durch ein vom Kommissionär mit einem Dritten geschlossenes Geschäft annehme und auf Behandlung des Kommissionärs als Selbstkontrahent verzichte. Lieferung und Annahme der Lieferung sind vielmehr für die Frage der A r t der Ausführung des Geschäftes neutrale, nicht konkludente Momente. Die Lösung dieser Frage bleibt regelmäßig bis dahin aufgeschoben und darf bis dahin aufgeschoben bleiben, daß sich ein p r a k t i s c h e s B e d ü r f n i s für den einen oder anderen ergibt, diese Lösung durch eine Erklärung oder Handlung herbeizuführen bzw. zu provozieren. Die Annahme, daß eine solche Erklärung s p ä t e s t e n s bei der Lieferung oder deren Annahme erfolgen müsse, würde den Zweck des Art. 376 ebenso beeinträchtigen, wie die Annahme, daß die Erklärung spätestens bei der Ausführungsanzeige erfolgen müsse, da die Lieferung bei Geschäften der vorliegenden Art regelmäßig gleichzeitig mit der Ausführungsanzeige geschieht oder doch derselben auf dem Fuße folgt. Daß der Wortlaut des Gesetzes für die Annahme spricht, daß die Abgabe der Erklärung des Kommissionärs und ebenso diejenige des Kommittenten, von den ihnen in Art. 376 Abs. 1 bzw. Abs. 3 beigelegten Befugnissen Gebrauch zu machen, nicht durch eine zeitliche Grenze beschränkt sei, gibt der Appellationsrichter zu. Bezüglich der Befugnis des Kommissionärs nach Abs. 1 ist dies auch bereits wiederholt entschieden. Bezüglich der Befugnis des Kommittenten nach Abs. 3 liegt eine solche Entscheidung noch nicht vor; indes sprechen gegen eine zeitliche Beschränkung ganz dieselben Gründe, wie bezüglich des Abs. 1. Im Abs. 3 ist auch mit voller Deutlichkeit ausgesprochen: daß, wenn der Kommissionär nicht z u g l e i c h mit der Ausführungsanzeige eine a n d e r e Person als Käufer oder Verkäufer namhaft mache, der Kommittent befugt sei, den Kommissionär selbst als Käufer oder Verkäufer in Anspruch zu nehmen.

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Der Kommittent hat also diese Befugnis, wenn nicht i n oder b e i der Ausführungsanzeige ein dritter Kontrahent namhaft gemacht wird, e r w o r b e n , und er b e h ä l t dieses Recht, o h n e daß es einer weiteren alsbaldigen E r k l ä r u n g von seiner Seite bedarf. Daß ein V e r z i c h t auf dieses erworbene Recht in der Annahme der Lieferung für sich allein nicht liegt, folgt aus dem oben Ausgeführten von selbst. Die abweichende Meinung des Appellationsrichters führt auch zu praktischen Ergebnissen, welche nicht richtig sein können. Wenn der Kommissionär tatsächlich ein Geschäft mit einem Dritten n i c h t abgeschlossen, sondern die Wertpapiere, deren Einkauf ihm aufgetragen ist, aus seinem eigenen Vorrate geliefert und in der geschäftsüblichen Weise dem Kommittenten in der Ausführungsanzeige über die A r t der Ausführung keine nähere Mitteilung gemacht hat, dann würde, wenn man der Ansicht des Appellationsrichters folgt, der Kommittent bei einem sich nachher ergebenden Erfüllungsmangel rechtlos sein; einen Dritten würde er nicht in Anspruch nehmen können, weil ein solcher nicht existiert, den Kommissionär nicht, weil gegen den Kommittenten zu fingieren wäre, daß das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen sei. Wenn dagegen gesagt wird, der Kommittent könne solcher Unzuträglichkeit durch einen von ihm bei der Annahme der Lieferung zu erklärenden Vorbehalt vorbeugen, so ist darauf zu entgegnen, daß der Kommittent zu solcher Kautel keine Veranlassung hat, da die Verschweigung eines Geschäftsabschlusses mit einem Dritten lediglich im Interesse des Kommissionärs liegt, und es daher näherliegt, daß der Kommissionär durch alsbaldige Benennung des Dritten, mit welchem er abgeschlossen hat, die Selbsthaftung abwendet und dem Kommittenten die Möglichkeit, den Dritten in Anspruch zu nehmen, verschafft. Will der Kommissionär aber den Dritten nicht nennen, dann muß er sich auch die Konsequenz der Selbsthaftung gefallen lassen. So faßt der Handelsstand die Sache auf, und dieser Auffassung ist durch Art. 376 Abs. 3 Rechnung getragen. Ob der Kommissionär die Selbsthaftung überhaupt noch s p ä t e r dadurch abwenden kann, daß er dem Kommittenten nachträglich den Namen des Dritten, mit welchem er das Geschäft abgeschlossen hat, nennt, und Zession seiner Rechte gegen den Dritten offeriert, kann hier unerörtert bleiben. Im vorliegenden Falle hat die Beklagte die Erklärung, daß sie den fraglichen Pfandbrief zum Zwecke der Ausführung der Einkaufskommission von J. B. & L. gekauft habe und dem Kläger Zession ihrer Rechte gegen B. & L. offeriere, zuerst in der Klagbeantwortung, n a c h d e m Kläger bereits in der Klage das ihm nach Art. 376 Abs. 3 zustehende Recht, die Beklagte als Selbstverkäuferin in Anspruch zu nehmen, geltend gemacht hatte, also jedenfalls zu spät abgegeben. Es ist hierbei auch ohne Einfluß, daß Kläger in der Klage ein reines Kaufgeschäft behauptet hatte und erst eventuell in der Replik sich auf das ihm als Kommittenten aus Art. 376 Abs. 3 zustehende Recht berief,

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da es sich um ein und dasselbe Rechtsgeschäft handelte, und es gleichgültig ist, daß Kläger dasselbe in der Klage unrichtig juristisch konstruiert und diese Konstruktion erst in der Replik berichtigt. Der Appellationsrichter hebt noch als Argument gegen die vorstehend entwickelte Auffassung die auffallende praktische Konsequenz hervor, daß danach der Kommissionär noch 30 Jahre lang der Gefahr eines Eviktionsanspruches ausgesetzt und in Ungewißheit, ob und welche Rechte der Kommittent gegen ihn noch geltend machen könne und wolle, bleibe, während er nach der Auffassung des Appellationsrichters nur eine verhältnismäßig kurze Spanne Zeit, nämlich bis zur Lieferung, in einer von dem Belieben des Kommittenten abhängigen prekären Lage bleibe. Die mehr oder weniger bequeme Situation des Kommissionärs kann aber um so weniger einen entscheidenden Grund abgeben, da die Verschweigung seiner Geschäftsverbindungen lediglich in seinem Interesse liegt, und es nur von ihm abhängt, sofort den Dritten, mit welchem er abgeschlossen, zu nennen und dadurch mögliche Weiterungen abzuwenden. Eben weil dem Kommissionär die Verschweigung seiner Geschäftsverbindungen gestattet wurde, mußte das Gesetz den K o m m i t t e n t e n in der in Art. 376 Abs. 3 vorgesehenen Weise gegen mögliche Nachteile schützen." RGZ. 5, 84 Rechtltdhe Natur der „Indentgeschäfte". Unterscheidungsmerkmale zwischen Verkauf und Verkaulskommlsslon. I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 8. Oktober 1881 I. Landgericht Hamburg. — II. Oberlandesgericht daselbst. Beklagter, Agent ostindischer Häuser in Hamburg, hatte dem Kläger für Zuführung von „Konsignationen" Provision versprochen. Er weigerte sich, diese Provision auch von den ihm zugeführten „Indentgeschäften" zu zahlen, weil diese nicht Konsignationen, sondern feste Verkäufe seien. Die deshalb erhobene Klage gab Veranlassung, die rechtliche Natur des im Verkehr mit Indien, China und den Straits seit ungefähr zwölf Jahren aufgekommen sog. „ I n d e n t g e s c h ä f t e s " zum erstenmal zu untersuchen. In dem deshalb eingeleiteten Beweisverfahren wurden Agenten indischer Häuser und in Indien tätig gewesene Kaufleute als Sachverständige vernommen und Proben der bei Konsignationen und bei Indents gebräuchlichen Papiere zur Vergleichung vorgelegt. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, in zweiter Instanz Beklagter verurteilt, von den durch ihn vermittelten Indentgeschäften, bei welchen Verkaufsabrechnungen erteilt worden waren, Provision zu zahlen. Die vom Beklagten hiergegen eingelegte Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : „Das Berufungsgericht geht davon aus, daß das dem Kläger vom Beklagten geleistete Provisionsversprechen nur auf Konsignationen

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und diesen gleidizuaditende Geschäfte zu beziehen ist, und daß die als Indents bezeichneten Geschäfte, weil sie verschiedener rechtlicher Natur sein können, nicht ohne weiteres Konsignationen gleichzuachten sind. Insoweit ist die Entscheidung zugunsten des Beklagten ergangen und nicht angefochten. Der Beklagte ficht aber die weitere Annahme des Berufungsgerichtes an, daß die Indentgeschäfte unter Umständen, und zwar alsdann als Konsignationen zu gelten haben, wenn darüber Verkaufsabrechnungen erteilt worden sind. Indem er der Ansicht ist, daß dieselben immer als feste Verkäufe anzusehen seien, greift er das angefochtene Erkenntnis wegen Verkennung der rechtlichen Natur der zu beurteilenden Rechtsgeschäfte und insbesondere wegen Verletzung des Art. 360 HGB. an. Allerdings hat derjenige Vertrag, welcher mit dem — überhaupt einen Vertrag bedeutenden — englischen Ausdrucke indent zunächst bezeichnet wird, nämlich der Vertrag, durch welchen ein in Indien bestehendes Handlungshaus von Europäern einem eingeborenen Händler bestimmte europäische Waren zu einem in der Landesmünze festgesetzten Preise zu liefern verspricht, die Natur eines Kaufes. Aber nicht um diesen Vertrag handelt es sich bei dem Provisionsversprechen des Beklagten, sondern um denjenigen Vertrag, welchen das bei ersterem als Verkäufer auftretende Haus behufs Anschaffung der zu liefernden Ware mit einem europäischen Fabrikanten oder Handlungshause in der Regel durch Vermittelung eines in Europa befindlichen Agenten oder Vertreters abschließt. Dieser Vertrag, welcher — als durch Indent veranlaßt — mit demselben Namen im Verkehre bezeichnet zu werden pflegt, kann von verschiedener Beschaffenheit sein. Es steht im Belieben des bei dem zugrunde liegenden indent als Verkäufer aufgetretenen Hauses, in welcher Weise es die von ihm zu liefernde Ware anschafft. Es kann sich zu diesem Zwecke eines Kaufes auf eigene Rechnung, aber auch einer ihm schon erteilten oder noch zu erteilenden Verkaufskommission bedienen, so daß man mit dem von dem Sachverständigen M e y e r gebrauchten Ausdrucke indents for own account und indents on commission unterscheiden kann. Im letzteren Falle steht der Umstand, daß der Kaufvertrag mit dem eingeborenen Händler schon abgeschlossen ist, bevor der europäische Fabrikant um Lieferung der Ware angegangen wird, der Annahme eines Kommissionsgeschäftes nicht entgegen. Denn wenn auch mit dem vormaligen Reichsoberhandelsgerichte (vgl. Entsch. des ROHG. Bd. 18 S. 199) annehmen will, daß bei Preisvereinbarung die Vermutung g e g e n die Absicht der Kontrahenten, das Geschäft als Kommission beurteilt wissen zu wollen, streitet, so ist doch die Möglichkeit des Kommissionsgeschäftes dadurch nicht ausgeschlossen. Der Anlaß

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zu Kommissionsgeschäften kann nicht bloß von dem Kommittenten, sondern auch von dem Kommissionär ausgehen, und das wesentliche Merkmal eines Kommissionsgeschäftes, das Kontrahieren im eigenen Namen für fremde Rechnung, liegt auch dann vor, wenn erst nach Abschluß des Handelsgeschäftes mit dem Dritten mit einem anderen verabredet wird, dasselbe als für Rechnung des letzteren geschlossen zu behandeln. Zwar paßt die aus Art. 360 HGH. zu entnehmende Begriffsbestimmung dem Wortlaute nach nur auf den Fall, daß das Geschäft im eigenen Namen des Kommissionärs für Rechnung eines Auftraggebers g e s c h l o s s e n wird, mithin die Erteilung der Kommission vorausgegangen und die Absicht, für Rechnung des Kommittenten zu handeln, schon beim Abschlüsse des Vertrages vorhanden ist. Aber die Vereinbarung, ein schon geschlossenes Geschäft auf Rechnung des anderen gehen zu lassen, erzeugt von da an dieselben Wirkungen, wie wenn das Geschäft von vornherein für Rechnung dieses anderen geschlossen worden wäre. Ob nun das zur Ausführung des zugrunde liegenden Indents mit den europäischen Fabrikanten oder dem europäischen Handlungshause geschlossene Geschäft als Kauf oder als Verkaufskommission anzusehen sei, kann nur im einzelnen Falle nach den ausdrücklich vereinbarten oder als üblich für stillschweigend vereinbart geltenden Vertragsbestimmungen entschieden werden, wie überhaupt für die Unterscheidung von Propre- und Kommissionsgeschäften durchgreifende Unterscheidungsmerkmale sich nicht aufstellen lassen. Vgl. v. H a h n , Kommentar zum Handelsgesetzbuche 2. Aufl. Art. 360. §9; G r ü n h u t , Recht des Kommissionshandels S. 99 ff. Mit Recht untersucht daher das Berufungsgericht, was in Ermangelung einer ausdrücklichen Vereinbarung aus dem tatsächlichen Verhalten des Fabrikanten einerseits und des indo-europäischen Empfängers andererseits bezüglich ihrer Auffassung des Rechtsverhältnisses zu entnehmen sei. Wenn das Berufungsgericht hierbei annimmt, daß die Absicht der Kontrahenten auf ein Kommissionsgeschäft gerichtet erscheine, falls der Fabrikant nicht eine Faktura mit festem Verfalltage ausgestellt hat, sondern eine von dem indo-europäischen Hause ausgestellte Verkaufsabrechnung bekommt, welche der eine Konsignation abschließenden Verkaufsrechnung so ähnlich ist, wie die zu den Akten gebrachten Verkaufsrechnungen über eine Konsignation und über Indents einander sind, so ist hierin eine rechtsgrundsätzliche Verkennung der Unterscheidungsmerkmale zwischen Kauf- und Verkaufskommission in keiner Weise zu erkennen. Einerseits ist nicht ausgesprochen, daß eine Faktura mit festem Verfalltage zum Wesen des Kaufvertrages gehöre, sondern es wird nur aus dem Mangel eines festen Verfalltages auf die Absicht einer Verkaufskommission geschlossen, deren Wesen es entspricht, daß, abgesehen von vereinbarten

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Vorschüssen, die Zahlung des Kommissionärs erst dann erfolgt, wenn er selbst von dem Dritten Zahlung empfangen hat. Andererseits ist die Erteilung einer Verkaufsabrechnung von Seiten des Empfängers mit Recht als ein Beweisgrund dafür, daß eine Verkaufskommission beabsichtigt sei, angesehen worden. Wenn Revisionskläger hiergegen einwendet, daß auch bei einem aus Anlaß eines Indents geschlossenen festen Verkaufe der Fabrikant „franko Fracht und Spesen dort" liefere, also auch hierbei eine Abrechnung des Empfängers mit dem Verkäufer wegen der dem letzteren zur Last fallenden Auslagen des ersteren für Fracht und dortige Spesen nötig sei, mithin die Erteilung einer Abrechnung nicht als Unterscheidungsmerkmal zwischen Kauf und Verkaufskommission angesehen werden könne, so ist hierbei nicht berücksichtigt, daß der Empfänger als Käufer, da der Weiterverkauf auf s e i n e Rechnung stattfindet, dem Verkäufer niemals eine V e r k a u f s abrechnung erteilen kann, die vom Berufungsgerichte angezogenen Abrechnungen aber V e r k a u f s abrechnungen sind, wie sich aus der Uberschrift account sale, aus den Eingangsworten sold on account and risk of Mess. J . Müller & Daucke und aus den einzelnen Rechnungsposten ergibt, welche mit alleiniger Ausnahme der Höhe des Ansatzes für guarantee and brokerage und der auf besonderer Abrede beruhenden Strelichung des Ansatzes für remittance-commission den Ansätzen in den über Konsignationen erteilten Verkaufsabrechnungen nach der Darstellung des Tatbestandes im angefochtenen Erkenntnisse durchweg entsprechen. Das Berufungsgericht hat daher keineswegs, wie Revisionskläger meint, unterlassen festzustellen, ob die betreffenden Geschäfte für Rechnung der Fabrikanten gemacht seien, sondern es erachtet diesen Umstand für den Fall, daß Verkaufsabrechnungen erteilt worden, als eben hierdurch festgestellt... Endlich rügt Revisionskläger, es sei vom Berufungsgerichte nicht berücksichtigt, daß die Fabrikanten selbst in ihren Rechnungen die Indents von den Konsignationen unterscheiden, bei ersteren den schon bedungenen Preis in indischer Landesmünze; bei letzteren dagegen den von ihnen berechneten Wert der Ware in Mark oder Pfund Sterling ansetzen, und die Ware bei Konsignationen „zum bestmöglichen Verkaufe für unsere Rechnung", bei Indents dagegen ohne den Zusatz „für unsere Rechnung" lediglich „in Erfüllung des Indents" und mit dem bei Verkaufskommission überflüssigen, weil selbstverständlichen Zusatz „franko Fracht und Spesen" versenden. Das Berufungsgericht erwähnt die gedachten Rechnungen in der Darstellung des Tatbestandes, ohne auf deren Inhalt in den Entscheidungsgründen einzugehen: Hieraus geht hervor, daß das Berufungsgericht dem Inhalte derselben keine Erheblichkeit für die zu entscheidende Frage beigemessen hat. Hierin ist dem Berufungsgerichte beizustimmen. Der Unterschied, welchen die Fabrikanten in ihren Rechnungen zwischen Konsignationen und Indents machen, erklärt sich zur Genüge aus der VerHGB. 3

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schiedenheit, welche i n A n s e h u n g d e r k a u f m ä n n i s c h e n S p e k u l a t i o n zwischen einem zu bestimmtem Preise schon geschlossenen Kaufe, bei welchem der Fabrikant nur den Schwankungen des Kurses des in indischer Landesmünze festgesetzten Preises ausgesetzt ist, und einem erst demnächst bestmöglich abzuschließenden Kaufe, für welchen die Schwankungen des Preises der Ware maßgebend sind, obwaltet, welche Verschiedenheit auch in dem für beide Fälle ungleichen Ansätze für guarantee and brokerage ihren Ausdruck findet. Dagegen ist aus jener Unterscheidung nicht zu entnehmen, daß die Fabrikanten den Konsignationen und Indents einen verschiedenen r e c h t l i c h e n C h a r a k t e r insofern beilegen, als der Verkauf seitens des Empfängers nur im ersten Falle für Rechnung der Fabrikanten, im letzteren Falle dagegen für eigene Rechnung des Empfängers zu geschehen habe. Vielmehr ist, wie bereits erwähnt, auch bei einem schon abgeschlossenen Verkaufe dessen Ausführung für Rechnung des Fabrikanten möglich und in dem Falle, daß Verkaufsabrechnung von dem Empfänger erteilt und von den Fabrikanten ohne Widerspruch angenommen ist, als beiderseitig beabsichtigt anzunehmen." RGZ.6, 46 Kann der Kommissionär, wenn er die Einkaufs- und Verkaufsaufträge des Kommittenten tatsächlich durch Abschlüsse mit Dritten ausgeführt hat, noch im Prozefi seinen Eintritt als Selbstkontrahent gemäfi Art 376 HGB. erklären?1) I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 12. November 1881.

I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergericht daselbst.

Die Parteien haben mehrere Jahre in einem derartigen Geschäftsverkehr gestanden, daß die klagende Firma durch das beklagte Bankhaus als Kommissionär für Rechnung der Klägerin an der Berliner Börse Wertpapiere ein- und verkaufen ließ. Nach dem letzten Rechnungsabschlüsse behielt die Beklagte einen Saldoanspruch von mehr als 15 000M und befriedigte sich durch Verkauf der von der Klägerin bei ihr deponierten Wertpapiere. Klägerin fordert in der vorliegenden Klage, welche sie als condictio indebiti und als actio doli charakterisiert, den Betrag von 10 000 M zurück, weil die Beklagte in ihren Rechnungen höhere Einkaufspreise und niedrigere Verkaufspreise berechnet, als sie selbst bei den zur Ausführung der Kommissionsaufträge mit Dritten gemachten Abschlüssen ausgelegt bzw. eingenommen habe. Die Beklagte, welche es in ihren Anzeigen über die Ausführung der Aufträge dahingestellt gelassen hatte, ob sie die Aufträge durch Abschlüsse mit Dritten oder „in sich" ausgeführt hatte,behauptete,daß sie die Kommission durch Eintritt als Selbstkontrahentin gemacht, und daß die Abschlüsse, welche sie mit Dritten gemacht, die Klägerin nicht ') Vgl. die folgende Entscheidung RGZ. 6, 49.

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berührten. Klägerin hielt den erst im Prozesse erklärten Eintritt der Beklagten als Selbstkontrahentin für verspätet und unzulässig, und behauptete, daß die Beklagte die Kommissionen tatsächlich stets durch Abschlüsse mit Dritten ausgeführt habe. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Klägerin hat die Nichtigkeitsbeschwerde (nach altem preuß. Prozeßrechte) eingelegt und Verletzung der Art. 361, 376 HGB. und des § 84 ALR. I. 4 gerügt. Das Reichsgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die Annahme des Appellationsrichters, daß die Beklagte bezüglich der ihr von der Klägerin erteilten Kommissionen zum Ein- und Verkaufe von Wertpapieren ihren Eintritt als Selbstkontrahent nicht sofort in der Ausführungsanzeige oder innerhalb einer bestimmt begrenzten Zeit habe erklären müssen, daß vielmehr ihre in der Klagebeantwortung im vorliegenden Prozesse abgegebene Erklärung, daß sie die Kommissionen durch Eintritt als Selbstkontrahentin ausgeführt habe, noch rechtzeitig erfolgt sei, muß als mit der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes und des Reichsgerichtes im Einklänge stehend gebilligt werden. Bedenklich würde es allerdings sein, wenn der Appellationsrichter, wie die Implorantin meint, angenommen hätte, daß die Beklagte auch dann, wenn sie die Kommissionen t a t s ä c h lich durch A b s c h l ü s s e mit Dritten a u s g e f ü h r t h ä t t e , doch noch im jetzigen Prozesse rechtswirksam habe erklären können, daß sie die Kommissionen als durch Eintritt als Selbstkontrahentin ausgeführt angesehen wissen wolle, und daß die Beklagte infolgedessen der Klägerin höhere Einkaufspreise und niedrigere Verkaufspreise, als sie in den Abschlüssen mit jenen Dritten stipuliert, deshalb habe in Rechnung stallen dürfen, weil jene höheren Einkaufs- und niedrigeren Verkaufspreise die B ö r s e n p r e i s e der betreffenden Tage gewesen. Vielmehr hätte die Beklagte, wenn d u r c h jene Abschlüsse mit Dritten die Kommissionen der Klägerin von der Beklagten a u s g e f ü h r t wären, auch die in diesen Abschlüssen stipulierten Preise der Klägerin in Rechnung stellen müssen 1 ). Das Gegenteil hat aber der Appellationsrichter auch nicht ausgesprochen. Die Ausführung des Appellationsrichters, welcher ersichtlich von der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes und des Reichsgerichtes nicht hat abweichen wollen, ist vielmehr, wenngleich sie nicht ganz deutlich ist und zu dem Mißverständnisse der Implorantin Anlaß geben konnte, in ihrem Zusammenhange dahin aufzufassen: die Abschlüsse des Kommissionärs im Dritten können einen doppelten Zweck haben; sie können e n t w e d e r unmittelbar die Ausführung der Kommission ') Vgl. G r ü n h u t , Kommissionshandel S. 474—476; v. H a h n , Kommentar zu Art. 376 §§ 4. 10 Bd. 2 (2. Aufl.) S. 509. 514. l(f

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eines bestimmten Kommittenten enthalten, also für d e s s e n R e c h n u n g erfolgen, o d e r sie können für die e i g e n e Rechnung des Kommissionärs erfolgen, um diesen i n d e n S t a n d z u s e t z e n , Aufträge, welche ihm von seinen Kommittenten bereits erteilt waren oder ihm in Zukunft erteilt werden möchten, durch Eintritt als Selbstkontrahent auszuführen. L e t z t e r e n f a l l s sind die in den Abschüssen mit Dritten stipulierten Preise für das Propregeschäft mit dem Kommittenten n i c h t unbedingt maßgebend; vielmehr kann der Kommissionär dem Kommittenten auch in diesem ungünstigeren B ö r s e n p r e i s e in Rechnung stellen, sofern er nicht dadurch aus besonderen Gründen mit seiner Vertragspflicht dem Kommittenten gegenüber in Widerspruch tritt. Ob die Abschlüsse mit den Dritten zu dem einen oder anderen Zwecke erfolgten, ist eine tatsächliche Frage, und Klägerin hätte, wenn sie den Eintritt der Beklagten als Selbstkontrahentin nicht zulassen wollte, bestimmt und s u b s t a n z i i e r t behaupten müssen, daß i h r e der Beklagten erteilten Kommissionen d u r c h die Abschlüsse mit den Dritten hätten ausgeführt werden sollen und wirklich ausgeführt seien; eine solche s u b s t a n z i i e r t e Behauptung ist aber von der Klägerin nicht aufgestellt, und deshalb müssen die Abschlüsse mit den Dritten als für e i g e n e Rechnung der Beklagten erfolgt angesehen und behandelt werden. So aufgefaßt enthält die Ausführung des Appellationsrichters keine Verletzung des Gesetzes, namentlich auch nicht des Art. 376 HGB., und von diesem Standpunkte aus können auch die Anzeigen der Beklagten an die Klägerin, daß sie zu den in Rechnung gestellten B ö r s e n p r e i s e n verkauft bzw. gekauft habe, als ganz wahrheitsgemäß keine bezügliche Erregung eines Irrtumes enthalten; es ist daher sowohl die condictio indebiti, als die actio doli mit Recht abgewiesen worden. Darin, daß der Appellationsrichter eine s u b s t a n z i i e r t e Behauptung der Klägerin, daß die Beklagte die Abschlüsse mit Dritten n i c h t f ü r e i g e n e Rechnung, sondern f ü r R e c h n u n g d e r K l ä g e r i n z u r A u s f ü h r u n g der ihr von dieser erteilten Kommission gemacht, vermißt, ist eine Gesetzesverletzung nicht enthalten, und eine prozessuale Rüge ist von der Klägerin nicht erhoben. Die Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin erscheint daher unbegründet." RGZ. 6, 49 Verpflichtung des Kommissionärs zur Rechensdiaftsablegung. Handeln des Kommissionärs gegen den Willen des Kommittenten. Rechtliche Bedeutung der Präzisierung der vom Kommissionär über die Ausführung der Kommission gemachten Anzeigen durch spätere Erklärungen.1) ') Vgl. die vorhergehende Entscheidung RGZ. 6, 46.

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Voraussetzung der Zulässlgkeit des Erlasses eines Teilurteiles. Voraussetzung der Berechtigung des Berufungsriditers zur Verweisung der Sache in die erste Instanz. I. Z i v i I s e n a t. Urt. v. 10. Dezember 1881. I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergericht daselbst.

Die Parteien standen in dem J a h r e 1879 und einem Teile des Jahres 1880 in Geschäftsverbindung. Der Beklagte erteilte dem Kläger Aufträge zum Ankaufe und Verkaufe von Börsenpapieren, deren Ausführung dieser übernahm. Die gegenseitigen Forderungen wurden im Kontokorrente notiert. Ende März 1880 wurde die Geschäftsverbindung abgebrochen. Kläger legt mit seiner Klage den Kontokorrentauszug über die vom 1. Januar 1880 an ausgeführten Geschäfte vor, erläutert denselben unter detaillierter Angabe der einzelnen Geschäfte und der Art ihrer Ausführung, behauptet, daß er dem Beklagten den Stand des Kontokorrentes jeden Monat mitgeteilt, daß er ferner durch Schreiben vom 30. Juli 1880 den Beklagten davon, daß er in den in der Klageerläuterung angegebenen Fällen als Selbstkontrahent eingetreten sei (was aus dem Kontokorrentauszuge selbst nicht ersichtlich ist), in Kenntnis gesetzt habe, und klagt den Saldo von 40 954,30 M mit 6 Prozent Zinsen seit dem 1. Juli ein. Der Beklagte beanstandet die Angabe über die Ausführung von vier Verkäufen, welche der Kläger nach seiner Erläuterung dadurch ausgeführt haben will, daß er die Papiere als Selbstkontrahent übernahm. Der Beklagte macht geltend, wenngleich er dem Kläger am 5. März 1880 Auftrag gegeben, seine sämtlichen Papiere am 6. März zu verkaufen, so habe er doch durch einen Brief, welchen der Kläger am 6. März noch vor der Börse erhalten, den Auftrag dahin modifiziert, daß der Kläger nur dann verkaufen solle, wenn er der Ansicht sein werde, daß die Baisse nicht am Ende angekommen sei. Durch den Eintritt als Selbstkontrahent habe der Kläger aber selbst dokumentiert, daß er dieser Ansicht nicht gewesen, und daß er selbst keine Meinung für den Verkauf gehabt habe. Er habe also auftragswidrig gehandelt. Ferner habe der Kläger nach seiner eigenen Angabe von seinem Eintritte als Selbstkontrahent ihn erst am 30. Juli in Kenntnis gesetzt, damals habe er aber das Recht dazu nicht mehr gehabt, da er schon im März den Brüdern des Beklagten, mit welchen er sich auf Aufforderung des Beklagten in Verbindung gesetzt habe, um über die nach Ubersendung des Kontokorrentes an den Beklagten unter den Parteien entstandenen Differenzen eine Einigung zu erzielen, bezüglich der in Rede stehenden Geschäfte erklärt habe, „daß er die betreffenden Papiere tatsächlich an der Börse an dritte Personen verkauft habe und jederzeit imstande sei, die Schlußscheine über die wirklich stattgehabten Verkäufe vorzulegen". Der Kläger gesteht zu, den betreffenden Brief am 6. März erhalten zu haben, bestreitet aber die vom Beklagten daraus gezogenen Konse-

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quenzen. Den Brüdern des Beklagten gegenüber die angeführte Erklärung gegeben zu haben, stellt der Kläger in Anrede, bestreitet aber auch deren Relevanz. Die fünfte Kammer für Handelssachen des Landgerichts I zu Berlin wies die Klage ab, indem sie davon ausging, infolge des Briefes des Beklagten vom 6. März sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, als Selbstkontrahent einzutreten. Hiernach sei der Beklagte berechtigt, jene vier Posten aus seinem Kredite auszuscheiden. Auf Berufung änderte der VI. Zivilsenat des Kammergerichtes dieses Urteil dahin ab, .daß Beklagter schuldig sei, dem Kläger 21 060,75 M laut jetzigen Teilurteiles zu zahlen", daß „ferner der Grund des eingeklagten Anspruches für festgestellt zu erachten und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über den Restanspruch mit Zinsen auch der zugesprochenen 21 060,75 M und Kosten an das Gericht erster Instanz zurückzuweisen". Auf die vom Beklagten eingelegte Revision wurde dieses Urteil vom Reichsgericht aufgehoben und die Sache in die zweite Instanz zurückverwiesen aus folgenden Gründen: „ 1. Der Beklagte argumentiert, er habe durch den Brief vom 6. März seinen Verkaufsantrag dahin modifiziert, daß Kläger nicht verkaufen sollte, wenn er der Ansicht wäre, das Ende der Baisse sei eingetreten. Durch den Eintritt als Selbstkontrahent habe der Kläger nun aber dargetan, daß er dieser Ansicht sei, er habe also auftragswidrig gehandelt, die Übernahme sei mithin wirkungslos. Der erste Richter billigt im wesentlichen diese Argumentation, findet aber, daß durch den Brief des Beklagten die Befugnis des Klägers als Selbstkontrahent einzutreten ausgeschlossen sei. Der zweite Richter ist in dieser Beziehung anderer Ansicht und stellt fest, „der Beklagte habe durch den Brief vom 6. März keine Andersbestimmung (im Sinne) des Art. 376 HGB. getroffen". Die Richtigkeit dieses letzteren Satzes kann wohl nicht bezweifelt werden, denn der Satz: „wenn der Kommittent nicht ein anderes bestimmt hatte", bezieht sich nur darauf, daß der Kommittent dem Kommissionär die Ausführung der Kommission „i n s i c h" untersagt, nicht aber darauf, daß er die Kommission selbst zurückgenommen oder modifiziert hatte. Der Berufungsrichter fährt fort: „Dazu kommt, daß der Beklagte seine Absicht, nur verkaufen zu wollen, wenn die Baisse nach Meinung des Klägers nicht zu Ende sei, keineswegs mit der Bestimmtheit abgegeben hat, wie der Vorderrichter annimmt."

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Er habe den bestimmt erteilten Verkaufsantrag bestehen lassen, und nur den Zeitpunkt des Verkaufes in die Meinung des Klägers verstellt Hierin liege kein Verkaufsverbot, noch ein Widerruf des Auftrages. Audi dies kann zugegeben werden. Allein der Berufungsrichter übersieht, daß, wenn dem Kommissionär eine Erklärung, wie die im fraglichen Briefe enthaltene, gegeben wird, er verpflichtet ist, bei seiner R e c h e n s c h a f t s a b l a g e darzulegen, daß der vom Beklagten vermutete Umstand nicht eingetreten sei, oder warum er trotzdem die Kommission ausgeführt habe. Der Kommissionär kann sich in einem solchen Falle nicht darauf beziehen, daß in Art. 376 Abs. 2 HGB. die Rechenschaft des übernehmenden Kommissionärs auf den Nachweis der Einhaltung des Börsenpreises beschränkt sei; denn diese Bestimmung setzt, wie der ganze Artikel, eine schlechthin erteilte Kommission voraus. Wie es aber bei der Ausführung einer in der angegebenen Weise modifizierten Kommission durch Verkauf an einen Dritten der besonderen Berücksichtigung des fraglichen Umstandes bei der R e c h e n s c h a f t s l e g u n g bedarf, so kann von derselben bei der Selbstübernahme um so weniger abgesehen werden, wenn, wie in concreto, die Selbstübernahme darauf zu deuten scheint, daß die vom Kommittenten ins Auge gefaßte Eventualität eingetreten sei. Es genügt also nicht, daß, wie der Berufungsrichter ausführt, der Kläger trotz anhaltender Baisse Veranlassung haben k o n n t e , die Papiere zu übernehmen, sondern der Kläger mußte darlegen, daß und warum er es im Interesse des Kommittenten gelegen erachtet habe, die Kommission auszuführen. Eine derartige Darlegung hat der Kläger dem Beklagten weder vor dem Prozesse gemacht, noch in erster Instanz vorgebracht. Allerdings bemerkt er in dem vorbereitenden Schriftsatze vom 25. November 1880 (sog. Replik), „er habe bei der Vornahme des Verkaufes ganz im Interesse des Beklagten gehandelt, selbst wenn er angenommen haben sollte, daß das Ende der Baisse bevorstände. Er habe sich nämlich sagen müssen, daß der Beklagte bei seiner Geschäftslage doch in nächster Zeit seine Effekten realisieren lassen müßte, und daß innerhalb dieser Zeit die Baisse dann doch wohl noch nicht beendet sein, ein augenblickliches Zurückhalten der beklagtischen Effekten also auch keinen Zweck haben würde". Diese Argumentation würde zulässig sein, wenn dem Kläger eine selbständige Fürsorge für das Wohl des Beklagten obgelegen hätte. Der Kommissionär, der sich an die Erklärungen des Kommittenten halten muß, war dazu nicht befugt, g e g e n d e s s e n W i l l e n für sein Wohl zu sorgen. Ebensowenig stichhaltig ist das in der Berufungsschrift gebrauchte Argument des Klägers, er habe mit dem Beklagten abbrechen wollen,denn dieser Zweck entbindet ihn nicht von der Erfüllung der ihm als Kommissionär obliegenden Verpflichtung, der Vorschrift des Kommittenten gemäß zu handeln. Dies Argument kann nur insofern verwertet

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werden, als es gegen die Annahme gerichtet ist, aus der Selbstübernahme gehe notwendig die Annahme des Klägers hervor, die Baisse sei beendet. Erst in der Berufungsinstanz bringt der Kläger zum Zwecke der Rechtfertigung seiner Annahme, die Baisse sei noch nicht beendet, verschiedene Behauptungen über die Richtung, welche die Kurse am 6. März genommen hatten, vor, und dieselben werden im Tatbestande des Berufungsurteiles erwähnt. Dieses Vorbringen hätte der Berufungsrichter würdigen, bzw. da der Beklagte dasselbe bestreitet, darüber Beweis erheben sollen. Hierin, bzw. in der ganzen dargestellten Auffassung dieses Punktes liegt ein Verstoß gegen Rechtsgrundsätze, in Spezie gegen Art. 361 HGB. 2. Der Kommissionär hat unter der Voraussetzung des Art. 376 HGB. die Wahl, ob er die Kommission durch Abschluß mit Dritten oder durch Eintritt als Selbstkontrahent ausführen will. Ist er aber einmal nach der einen oder der anderen Richtung vorgegangen, so ist er gebunden, d. h. er kann den Kommittenten gegenüber nur diejenige Art der Ausführung der Kommission geltend machen, welche wirklich stattgefunden hat. Als Selbstkontrahent tritt der Kommissionär ein, indem er dies dem Kommittenten erklärt. Diese Erklärung gilt als erfolgt, sobald sie behufs ihrer Absendung abgegeben ist (Art. 377 HGB.). Hat der Kommissionär die Ausführung des Auftrages ohne nähere Angabe angezeigt, so k a n n darin die Erklärung liegen, als Selbstkontrahent einzutreten, aber auch die Anzeige, mit einem Dritten kontrahiert zu haben. Äußerst sich nun der Kommissionär später dem Kommittenten gegenüber dahin, er sei als Selbstkontrahent eingetreten, so liegt darin eine Präzisierung der ersten Erklärung in dem Sinne, der Kommissionär habe d u r c h seine erste Erklärnug als Selbstkontrahent eintreten wollen, und der Kommittent hat dieses Rechtsverhältnis anzuerkennen, wenn er nicht den Beweis führt, daß der Kommissionär mit einem Dritten abgeschlossen habe. Geht die Äußerung aber dahin, er habe mit einem Dritten kontrahiert, so liegt hierin begrifflich keine Willenserklärung, sondern nur ein Referat, es wird kein Rechtsverhältnis b e g r ü n d e t , sondern es wird m i t g e t e i l t , daß ein solches begründet worden sei. Ist diese Mitteilung richtig, was auf Verlangen der Kommissionär darzutun hat, so hat der Kommittent das Rechtsverhältnis anzuerkennen; ist sie nicht richtig, so ist eben der Auftrag nicht ausgeführt. Jedenfalls aber ist durch diese Äußerung die Möglichkeit, die erste allgemeine Anzeige der Ausführung des Auftrages als Erklärung des Eintrittes als Selbstkontrahent aufzufassen und nachträglich in diesem Sinne zu präzisieren, ausgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kommissionär eine derartige, über die Ausführung

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des Auftrages abgegebene Erklärung als irrtümlich erfolgt zurückzunehmen 1 ) und darlegen kann, daß die erste allgemeine Ausführungsanzeige als Eintrittserklärung beabsichtigt gewesen. Jedenfalls würde der Kommissionär den Irrtum substanziiert darzulegen und nötigenfalls die betreffenden Umstände zu beweisen haben. Nun ist in dem als Klagebeantwortung bezeichneten vorbereitenden Schriftsatze des Beklagten, auf welchen im Tatbestande des ersten und implicite im Tatbestande des zweiten Urteiles Bezug genommen ist, folgendes behauptet: Als nach Ubersendung des Kontokorrentes im März Differenzen unter den Parteien entstanden, beauftragte Beklagter seine Brüder E. und H. Scholz mit dem Kläger über die Differenzen eine Einigung zu erzielen, teilte diesen Auftrag dem Kläger mit und ersuchte denselben, sich zu diesem Zwecke mit seinen Brüdern in Verbindung zu setzen. Kläger akzeptierte dies, und fand die Zusammenkunft im April 1880 statt. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Kläger bezüglich der in Rede stehenden Geschäfte, daß er die betreffenden Papiere tatsächlich an der Börse an dritte Personen verkauft habe und jederzeit imstande sei, die Schlußscheine über die wirklich stattgehabten Verkäufe vorzulegen. Der Kläger stellt in seinem in derselben Weise von den beiden Richtern in bezug genommenen vorbereitenden Schriftsatze („Replik") den „Sachverhalt" so dar: Kläger begab sich auf Ersuchen des Beklagten zu den Brüdern desselben, weil diese, wie sie sagten, über den Stand der Geschäfte ihres Bruders sich informieren wollten. Kläger brachte auf ihren Wunsch die Schlußscheine über die bezüglichen Geschäfte mit. Als er ihnen einen Schlußschein vom 6. März 1880 über 15 000 Diskontokommanditanteile 17 575 unterzeichnet von Joseph Stern vorlegte, behaupteten sie, die Zahlen seien darin geändert. Kläger erklärte ihnen darauf, nach solchen Behauptungen könne er überhaupt nicht weiter mit ihnen verhandeln, und brach die Verhandlung ab. Mehr hat Kläger über die fraglichen Geschäfte mit den Brüdern des Beklagten nicht gesprochen, insbesondere auch kein Wort davon gesagt, daß er die betreffenden Papiere tatsächlich an der Börse an Dritte verkauft habe und jederzeit imstande sei, die Schlußscheine über die wirklich stattgehabten Verkäufe vorzulegen. In der Berufungsinstanz behauptete der Beklagte nach dem Tatbestande des Berufungsurteiles, um der seiner angeführten Erklärung vom ersten Richter zuteil gewordenen Auslegung entgegenzutreten, unter Eideszuschiebung, ') Die Zulässigkeit der Zurücknahme einer solchen Erklärung „auf Grund erweislichen Irrtums" ist anerkannt worden im Urteil des I. Zivilsenats vom 7. Dezember 1881 i. S. W. u. C. B. w. J Rep. I 182/81.

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bereits im Mai 1880 habe Kläger den Brüdern des Beklagten erklärt, daß er die am 6. März 1880 ausgeführten Geschäfte durch Verkauf der Papiere für Rechnung des Beklagten an dritte Personen effektuiert habe. Sind die Behauptungen des Beklagten richtig, so hatte der Beklagte seine Brüder allerdings nicht zum A b s c h l ü s s e einer Vereinbarung mit dem Kläger bevollmächtigt, wohl aber hatte er sie mit Verhandlungen „zur Erzielung einer Einigung über die (in Frage stehenden) Differenzen mit dem Kläger" beauftragt, und der Kläger hatte sich auf diese Verhandlungen in dem angegebenen Sinne eingelassen. Hat nun bei diesen oder weiter im Mai stattgefundenen Verhandlungen der Kläger die Erklärung mit dem vom Beklagten behaupteten Inhalte abgegeben, so muß dieselbe so angesehen werden, als sei sie dem Beklagten selbst gegenüber abgegeben, und erscheint daher als eine Präzisierung der ursprünglichen, allgemein gehaltenen Ausführungsanzeige mit den oben entwickelten rechtlichen Wirkungen, denn daß die Erklärung irrtümlich abgegeben worden sei, wird nicht einmal behauptet. Diese Konsequenzen zieht der Berufungsrichter nicht, erklärt vielmehr den Einwand für unwesentlich. Seine Begründung erscheint aber als rechtsirrtümlich. Diese geht zunächst dahin, bei jenen Besprechungen sei nämlich nicht über das W a h l r e c h t des Klägers verhandelt, sondern vielmehr untersucht worden, ob vom Kläger, gleichgültig an wen, effektuiert sei oder nicht. Es erhellt nicht, worauf diese Annahme sich stützt. Soll sie aus den mitgeteilten Behauptungen entnommen sein, so ist sie irrig, sollte dieselbe aber als eine aus nicht mitgeteilten Parteibehauptungen entnommene tatsächliche Feststellung gemeint sein, so würde sie doch bedeutungslos sein; denn, hat der Kläger die Erklärung so abgegeben, wie sie im Tatbestande des Berufungsurteiles angegeben ist, so verliert dieselbe dadurch, daß sie bei einer Verhandlung abgegeben ist, welche auf den vom Kläger behaupteten Zweck beschränkt ist, nicht an ihrer entwickelten Bedeutung. Die weitere Ausführung aber, der Kläger habe den Brüdern des Beklagten sehr wohl eine allgemeine Erklärung abgeben können, daß er für den Beklagten an dritte Personen verkauft habe, da er ja in der Tat einen erheblichen Teil der für den Beklagten infolge Auftrages vom 5. März 1880 am 6. März effektuierten Wertpapiere unstreitig an dritte Personen verkauft habe, mag an sich ganz richtig sein, ist aber für den vorliegenden Fall völlig bedeutungslos, weil die Behauptung des Beklagten in der Berufungsinstanz nicht dahin geht, der Kläger habe erklärt, am betreffenden Tage überhaupt Geschäfte für Rechnung des Beklagten abgeschlossen zu

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haben, sondern dahin, er habe erklärt, daß e r . d i e a m ß . M ä r z l 8 8 0 a u s g e f ü h r t e n G e s c h ä f t e f ü r Rechnung des Beklagten an dritte Personen effektuiert habe", die fraglichen vier Geschäfte aber in dem vom Kläger vorgelegten Budiauszuge als am 6. März 1880 ausgeführt verzeichnet sind. Der Berufungsrichter hat somit, indem er den betreffenden Einwand des Beklagten als unwesentlich verwarf, gegen die oben entwickelten Grundsätze aus der Lehre von der Kommission verstoßen. 3. Die Erlassung eines Teilurteiles war, wie der Kläger im Termine zur mündlichen Verhandlung der Revision selbst zugegeben hat, nur dann gerechtfertigt, wenn zugleich anerkannt war, daß der Beklagte nicht befugt sei, die bemängelten vier Posten aus dem Debet zu streichen und der Streit sich nur auf die Höhe dieser Posten beschränkte. Sobald jedoch die erste Frage noch nicht entschieden, die Möglichkeit also gegeben war, daß das Schlußresultat des Kontokorrents sich so gestalte, daß der Saldo des Klägers unter die Summe von 21 060,75 M herabsank, war das Teilurteil ungerechtfertigt. 4. Nach § 499 ZPO. sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichtes alle einen zuerkannten und aberkannten Anspruch betreffenden Streitpunkte, über welche in Gemäßheit der Anträge eine Verhandlung und Entscheidung erforderlich ist, selbst wenn über diese Streitpunkte in erster Instanz nicht verhandelt und nicht entschieden ist. Eine Ausnahme hiervon wird in § 500 Nr. 3 gemacht, wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruches durch das angefochtene Urteil, wie dies nach § 276 zulässig ist, über den Grund des Anspruches v o r a b entschieden ist. Ist in diesem Falle der Grund des Anspruchs im Berufungsurteile als vorhanden anerkannt, so ist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung in die erste Instanz zurückzuweisen. Allein über den Grund „ v o r a b " entschieden ist nicht dann, wenn das Urteil tatsächlich nur eine Entscheidung über den Grund des Anspruches enthält, sei es, daß derselbe als vorhanden anerkannt, oder daß es verworfen ist, sondern nur dann, wenn das Gericht v o r h e r b e s c h l o s s e n hatte, es solle nur über den Grund entschieden werden. Dies war im vorliegenden Falle in erster Instanz nicht geschehen, es konnte vielmehr, weil der ganze Anspruch nicht für genügend begründet erachtet und die Klage abgewiesen wurde, auf die Frage nach dem B e t r a g e des Anspruches überall nicht eingegangen werden. Da sonach die Voraussetzung des § 500 Nr. 3 ZPO. nicht vorlag, so erscheint es als ein Verstoß gegen § 499 ebendaselbst, wenn der Berufungsrichter die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über den Restanspruch und die Zinsen des durch das Teilurteil zugesprochenen Betrages in die erste Instanz zurückverweist. Vgl. Entsch. des RG. in Zivils. Bd. 5 Nr. 117 S. 411."

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RGZ. 17, 31 Weldier Ortsgebraudi ist bezüglidi der Frage entscheidend, ob dem Kommissionär ein Recht auf die in Art. 371 Abs. 2 HGB. vorgesehene Auslieferungsprovision zusteht? II. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 29. Oktober 1886. I. Landgericht Straßburg. — II. Oberlandesgericht Kolmar.

Der auf Bezahlung des Fakturapreises für angeblich von ihm in seiner Eigenschaft als Kommissionär verkauftes Kirschwasser verklagte M. in Straßburg verlangte auf dem Wege der Widerklage Verurteilung des Klägers zur Bezahlung einer Auslieferungsprovision für nicht zur Ausführung gelangte andere Geschäfte. In erster Instanz wurde die Widerklage abgewiesen und in zweiter Instanz die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: . . . „Nachdem die Behauptung des Beklagten, in Straßburg sei eine Auslieferungsprovision des Kommissionärs ortsgebräuchlich, sich als unrichtig erwiesen hatte, suchte derselbe seinen Anspruch auf eine derartige Provision durch die Behauptung zu begründen, der Kommissionsvertrag habe v o r z u g s w e i s e in Belgien und Frankreich zur Erfüllung kommen sollen und er habe an verschiedenen französischen und belgischen Handelsplätzen versucht, die Ware abzusetzen; es seien sonach die an diesen Orten bestehenden Handelsgebräuche entscheidend. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht ausgeführt, es könne nicht auf die einzelnen Orte ankommen, w o h i n d a s G e s c h ä f t g e m a c h t w o r d e n s e i oder gemacht habe werden sollen, vielmehr sei derjenige Ort maßgebend, an welchem der Kommissionär seine Tätigkeit entfalte und diese ihren Mittelpunkt habe, als dieser Ort sei aber Straßburg anzusehen. In diesen Ausführungen ist ein Rechtsirrtum nicht zu entdecken. Wir bezüglich der Höhe der von dem Kommissionär zu beanspruchenden Provision, so ist auch hinsichtlich der Frage, ob und welche Auslieferungsprovision denselben zu bewilligen sei, in der Regel derjenige Ort maßgebend, an welchem der Kommissionär seine Handelsniederlassung hat, von wo aus also die in Frage stehenden Geschäfte gemacht werden. Ist in diesem Orte eine Auslieferungsprovision gebräuchlich, so hat der Kommissionär auch dann Anspruch auf dieselbe, wenn an einzelnen Orten, wohin er die Ware abzusetzen suchte, eine Auslieferungsprovision nicht üblich ist. Umgekehrt wird aber auch ein solcher Anspruch, wenn am Orte der Niederlassung eine Auslieferungsprovision nicht gebräuchlich ist, nicht dadurch begründet, daß eine abweichende Übung an einzelnen Orten besteht, an welchen der Kommissionär die Ware absetzen wollte. Nach der Auffassung, welche der Beklagte geltend gemacht hat, würde eine Auslieferungsprovision immer dann zu bewilligen

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sein, wenn der Kommissionär an irgendeinem Orte, an welchem eine Auslieferungsprovision gebräuchlich ist, versucht hat, die Ware abzusetzen. Es würde also der Verkäufer von vornherein gar nicht wissen können, ob er eine solche Provision zu bezahlen habe, und würde diese nicht einheitlich für das ganze Kommissionsgeschäft zu bewilligen oder zu versagen sein, sondern die Entscheidung immer davon abhängen, an welchem Orte, bzw. an welchen Orten eine bestimmte Ware verkauft werden sollte. Dies entspricht aber weder der mutmaßlichen Absicht der Vertragschließenden noch dem Willen des Gesetzes. In Art371 Abs. 2 des Handelgesetzbuches ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, welcher Ortsgebrauch entscheidend sei. Aber es ergibt sich schon aus der Natur der Sache, daß bezüglich der Auslieferungsprovision dieselben Grundsätze entscheidend sind, wie bezüglich der gewöhnlichen Provision. Zudem war in den ersten Entwürfen zum Handelsgesetzbuch (Art. 289 Abs. 2 des preußischen Entwurfes, Art. 317 des Entwurfes erster Lesung) dem Kommissionär auch für den Fall der Ausführung des Geschäftes nur ein Anspruch auf die „ortsübliche" Provision eingeräumt und sind die Worte „im ortsüblichen Betrage" schließlich nur deshalb gestrichen worden, „weil sie an sich selbstverständlich und für Orte, wo ein Herkommen über die Höhe nicht bestehe, bedenklich seien" (vgl. Prot, zum HGB. S. 713—718, 1206, 1207). Es kann aber nicht angenommen werden, daß in demselben Paragraphen dem Worte „ortsüblich" eine verschiedene Bedeutung beigelegt werden sollte. Vom Vertreter des Revisionsklägers wird nun zwar geltend gemacht, wenn auch nicht der Ort entscheidend sei, wohin das Geschäft gemacht werde, sondern derjenige, an welchem der Kommissionär das Wesentliche seiner Tätigkeit entfaltet habe, so komme im vorliegenden Falle in Betracht, daß die Abschlüsse und Verkaufsverhandlungen mit Franzosen und Belgiern, in welchen die Ausführung des Kommissionsvertrages bestanden habe, nicht in Straßburg, sondern auf der Reise im Auslande stattgefunden hätten, ja zur Erleichterung des Geschäftes sogar ein Magazin in Brüssel errichtet worden sei. Durch diese Ausführungen kann jedoch die Revision nicht gerechtfertigt werden. Zunächst ist in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden, daß die Verkaufsverhandlungen und Abschlüsse in Belgien und Frankreich stattfanden, bzw. stattfinden sollten, vielmehr ist das Berufungsgericht von der Auffassung ausgegangen, die Tätigkeit des Beklagten sei in Straßburg entfaltet worden. Auch hat sich der Beklagte in dieser Beziehung zu einem Beweise nicht erboten. Ganz abgesehen davon würde aber, auch wenn der Beklagte Reisen nach Frankreich und Belgien gemacht und auf diesen versucht hätte, den Branntwein, dessen Verkauf ihm übertragen war, abzusetzen, nach den obigen Ausführungen immerhin am Orte seiner Niederlassung bestehende Gebrauch bezüglich der Frage entscheidend sein, ob

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er im Falle der Nichtausführung des Geschäftes eine Auslieferungsprovision zu beanspruchen habe. Daß ein Branntweinlager in Brüssel errichtet und von dort aus verkauft worden sei, hat der Beklagte,weder in der ersten noch in der zweiten Instanz behauptet." RGZ. 18, 20 5. Liegt dem Einkaufskommissionär, der den Auftrag durch Einkauf von Dritten ausgeführt haben will, über den Nachweis des Abschlusses eines der Ausführungsanzeige entsprechenden Geschäftes hinaus auch noch der besondere Beweis, daß dieser Abschluß in Beziehung auf den erteilten Auftrag erfolgt sei, insbesondere durch Vorlegung seiner Handelsbücher, ob? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 18. September 1886 I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst. Die Beklagten hatten dem Kläger zwei Aufträge zum Einkaufe von je 100 Ballen Baumwolle auf dem Markte zu Liverpool per September/ Oktober 1884 erteilt. Kläger zeigte ihnen die Ausführung der Aufträge als am 11. Juli und 8. August 1884 zu bestimmten Preisen geschehen an, und er hat später, da sie die Ware nicht abnahmen, von ihnen die Differenz zwischen diesen Preisen und den geringeren des von ihm wegen Annahmeverweigerung bewirkten Wiederverkaufes klagend beansprucht. Beklagte bestritten, daß Kläger die Aufträge wie er behauptete, durch Ankauf der Waren von Dritten ausgeführt habe. Der Kläger legte zum Beweise die Ankaufszertifikate einer Liverpooler Maklerfirma vor, welche bezeugten, daß diese Firma an den gedachten Tagen für Kläger je 100 Ballen Baumwolle zur Abnahme per September/Oktober 1884 zu den angegebenen Preisen gekaufthabe. Die Beklagten erachteten diese Beweisführung für nicht genügend weil Kläger diese Einkäufe auch für andere Kommittenten oder für sich selbst bewirkt haben könnte, es aber darauf ankomme, daß die Einkäufe für sie, die Beklagten, erfolgt seien. Sie bestritten, daß Kläger für diese Einkäufe sie in seinen Handelsfoüchern belastet habe, verlangten, daß Kläger zum Beweise hierfür die Handelsbücher vorlege, und beriefen sich selbst auf diese Handelsbücher zum Beweise, daß die fraglichen Einkäufe nicht für sie gemacht worden seien. Aus den G r ü n d e n : . . . „Das Berufungsgericht hat den dem Kläger obliegenden Beweis schon durch Überreichung der Zertifikate der Maklerfirma für geführt erachtet, indem es erwägt, daß weder aus Art. 361 HGB. noch aus der Natur des Rechtsverhältnisses eine Rechenschaftspflicht des Kommissionär!: in dem von den Beklagten behaupteten Umfange folge, wonach er zu beweisen hätte, daß die in Ubereinstimmung mit dem Auftrage abgeschlossenen Verträge auch wirklich von vornherein als für den Kommittenten abgeschlossen bestimmt gewesen seien, und daß sich

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diese Bestimmung von vornherein in äußerlich erkennbarer Weise, etwa durch entsprechende Eintragungen in die Bücher des Kommissionärs, manifestiert habe, daß vielmehr Kläger durchaus genug getan habe, wenn er solche Verträge als die für Rechnung der Beklagten gehenden nachwies und vorlegte, welche in allen Teilen dem Auftrage und der von dessen Ausführung gemachten Anzeige genügten und gegen welche die Beklagten irgendeinen sachlichen Einwand zu erheben nicht vermocht haben. Dem gegen diese Erwägung gerichteten Revisionsangriff mußte der Erfolg versagt werden. Allerdings ist das Beweisthema, wenn der Kommissionär seinen Anspruch nicht auf den Eintritt als Selbstkontrahent, sondern auf die wirkliche Ausführung des Auftrages gründet, dahin zu stellen, daß das betreffende Geschäft nach dem Willen des Kommissionärs die Bestimmung gehabt hat, als die Ausführung des erteilten Auftrages zu gelten. Auch würde der Erwägung des Berufungsgerichtes nicht beizutreten sein, wenn nach derselben es überhaupt nicht darauf ankommen sollte, daß das Geschäft schon beim Abschluß zur Ausführung des Auftrages bestimmt gewesen, womit allerdings diesseits nicht geleugnet werden soll, daß im Falle des Zusammentreffens mehrerer Einkaufsaufträge für dieselbe Warengattung bei Abschluß der Geschäfte der allgemeine Wille, dieselben zur Ausführung aller dieser Aufträge vorzunehmen, unter erst nachträglicher Zuteilung der einzelnen Abschlüsse auf die einzelnen Aufträge genügt. Hat der Kommissionär in bloßer Erwartung künftiger Einkaufsaufträge Waren eingekauft, so kann er aus solchen Anschaffungen nur als Selbstkontrahent liefern, wenn er nicht mit dem Kommittenten vereinbart, es solle die betreffende Anschaffung als in Ausführung des Auftrages erfolgt gelten. Nicht aber kann er einseitig eine weder im Auftrage noch in einer Geschäftsführung vorgenommene Anschaffung wegen eines späteren Auftrages als zur Ausführung desselben geschlossen hinstellen. Allein wenn auch das Beweisthema jene Willensrichtung umfaßt, so folgt daraus allerdings noch nicht, daß der Kommissionär, um den Beweis für diese führen zu können, für eine anderweitige äußere Manifestierung, als in der rechtzeitigen Anzeige der Auftragsausführung in Verbindung mit dem Nachweise des Abschlusses eines jener Anzeige entsprechenden Geschäftes zu finden ist, insbesondere eine entsprechende Kennzeichnung der Willensbestimmung in den Handelsbüchern Sorge tragen müßte. In der Tat ist nicht ersichtlich, welche positive Eintragung als geschehen Beklagte verlangen. Daß aus den Handelsbüchern des Klägers einerseits der Abschluß der von der Maklerfirma bezeugten Geschäfte wie andererseits die Anzeige von der Ausführung der Einkaufsaufträge hervorgehe leugnen Beklagte nicht. Ob es nach der Einrichtung und Bestimmung der Handelsbücher überhaupt möglich ist, eine erkennbare

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Beziehung der einzelnen Geschäftsabschlüsse zu den einzelnen Aufträgen, die sich schon mit der Vornahme der Abschlüsse als b e g r ü n d e t darstellt, zu schaffen, kann dahingestellt bleiben. Als üblich k a n n es nicht angesehen werden. W e n n Beklagte geltend machen, es sei nachzuweisen, daß Kläger sie für die Preise jener Einkäufe in ihren Büchern belastet hätte, so ist zu bemerken, daß, gleichviel ob bei A u s f ü h r u n g eines Zeitgeschäftes überhaupt eine Belastung des Auftraggebers mit einem bestimmten Betrage vor der Abwicklung des Zeitgeschäftes stattfindet, darüber kein Zweifel sein kann, daß auch nach Inhalt der klägerischen Bücher Beklagte dem Kläger entsprechend der Ausführungsanzeige des letzteren haftbar sein sollten. Es kommt also auch h i e r der Standpunkt der Beklagten auf das Verlangen des büchermäßigen Nachweises heraus, daß es gerade jene von der Maklerfirma bezeugten Einkäufe seien, durch deren Bewirkung die angezeigte Auft r a g s a u s f ü h r u n g erfolgt sei. N u n ist nicht zu verkennen, daß v e r m ö g e der Bestimmung der Handelsbücher, über alle dem Handelsbetriebe angehörigen Geschäfte die Ubersicht zu gewähren, die Annahme, es sei ein bestimmtes abgeschlossenes Geschäft in A u s f ü h r u n g eines bestimmten Auftrages geschlossen worden, allerdings insofern durch die Handelsbücher eine erhebliche Bestärkung erfahren kann, als sich aus denselben entnehmen läßt, daß andere Aufträge derselben Art zur fraglichen Zeit nicht erteilt sind oder, falls sie erteilt, andere zu ihrer Dedcung geeignete Abschlüsse gemacht worden sind, sowie daß der fragliche Abschluß zu einem anderen Zweck eine V e r w e n d u n g nicht g e f u n d e n hat. Daraus folgt indessen nicht, daß in jedem Falle der Kommissionär den Nachweis der Beziehung des ausgeführten Geschäftes zu dem Auftrage durch Vorlegung seiner Handelsbücher zu f ü h r e n oder zu unterstützen verbunden wäre. Da es für dieses negative Ergebnis nicht auf eine einzelne Eintragung, sondern auf den gesamten Geschäftsverkehr einer bestimmten Zeit ankäme, so würde damit der Kommissionär immer zu einer Aufdeckung seines ganzen Geschäftsv e r k e h r s verbunden sein. Hat rechtzeitig dem Kommittenten eine Ausf ü h r u n g s a n z e i g e gemacht und weist er von dem Standpunkte, den A u f t r a g durch ein Geschäft mit Dritten ausgeführt zu haben, den Abschluß eines Geschäftes, welches sich nach Zeit, Gegenstand und Preis mit der Ausführungsanzeige deckt, nach, so hat er damit der Regel nach — Ausnahmen können eintreten, wenn Rückhaltigkeit oder Unw a h r h e i t e n bei der Anzeige oder dem Nachweise des Abschlusses ein Mißtrauen begründen — in ausreichender Weise den Abschluß j e n e s Geschäftes mit dem Willen, es zur Ausführung jenes Auftrages vorzunehmen, jedenfalls dann glaubhaft gemacht, wenn der Kommittent das Geschäft mit seinem Ergebnisse als ein dem Auftrage bei A n w e n d u n g der erforderlichen Sorgfalt entsprechendes nicht zu b e a n s t a n d e n vermag.

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Allerdings kann gegenüber solchem Beweise des Kommissionärs dem Kommittenten der Gegenbeweis, daß das fragliche Geschäft in Wahrheit nicht zur Ausführung jenes Auftrages geschlossen worden, nicht versagt werden. Die Argumentation, es sei dies für den Kommittenten unerheblich, wenn er doch das Ergebnis sowohl vom Gesichtspunkte der Auftragsausführung durch Einkauf bei Dritten wie von dem des Eintrittes als Selbstkontrahenten müßte gelten lassen, trifft weder hier noch überhaupt zu. Sie würde in ihrer Konsequenz dazu führen, daß es, falls solche Beanstandung nicht stattfindet, überhaupt nicht darauf ankäme, in welcher W e i s e der Auftrag erledigt worden und der Kommissionär von jeder Rechenschaft hierüber entbunden wäre. Dies wäre unrichtig. Ist der Kommissionär nicht als Selbstkontrahent eingetreten und hat er auch den Auftrag nicht durch Ankauf von Dritten ausgeführt, so ist der Kommittent frei. Fiktionen eines solchen Ankaufs in Ausführung seines Auftrages vermögen ihn nicht zu binden. Auch wird durch den Umstand, daß der Kommittent ein Geschäft, wenn es in Ausführung seines Auftrages abgeschlossen wäre, in seinem Ergebnis als dem Auftrage entsprechend anerkennen müßte, nicht ausgeschlossen, daß nicht das in Wahrheit in Ausführung des Auftrages geschlossene Geschäft unter den Kommittenten günstigeren Bedingungen geschlossen worden ist. Nun haben Beklagte nicht bloß vom Kläger den Beweis, daß er für sie j e n e Einkäufe bewirkt, durch Vorlegung der Handelsbücher verlangt, sondern auch ausdrücklich die Vorlegung dieser Bücher damit begründet, es werde sich aus denselben ergeben, daß Kläger j e n e Einkäufe nicht für sie gemacht habe. Aber auch aus der Verwerfung des in dieser Weise begründeten Ansinnens war dem Berufungsgericht kein Vorwurf zu machen. Nach Art. 37 HGB. hängt es vom Ermessen des Prozeßrichters ab, ob er einem Antrage des Prozeßgegners auf Edition den Handelsbücher stattgeben will, wie dies der I. Zivilsenat des Reichsgerichts in dem Urteil vom 3. Oktober 1885 in Sachen G. wider L. Rep. I 208/85 unter Verwerfung der Auffassung, daß die Handelsbücher des Kommissionärs wegen des Kommissionsverhältnisses für ihn und den Kommittenten gemeinschaftliche Urkunden wären, ausgesprochen hat'). Es muß aber als eine von durchaus richtigen Gesichtspunkten ausgehende Betätigung dieses Ermessens angesehen werden, wenn das Berufungsgericht bei solcher Allgemeinheit und Unbestimmtheit der Behauptungen die geforderte Anordnung der Vorlegung der Bücher versagt hat. Lägen dem Kommittenten für den durch die Handelsbücher zu führenden Gegenbeweis keine bestimmte Behauptungen ob, so würde er damit, daß er sich für die einfache Negative dessen, was der Kommissionär beweisen will, auf die Handelsbücher beruft, jene umfassende Offenlegungspflicht des Kommissionärs erzwingen, von der eben ausgeführt ist, daß sie ') Vgl. auch Entsch. des R.G.s in Zivils. Bd. 15 S. 379. HGB. 3

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dem letzteren nicht ohne ganz besondere Gründe obliegt. Gerade, weil der Kaufmann nicht ohne dringende Veranlassung seinen Geschäftsverkehr offenzulegen gezwungen werden soll und zur Verhütung von Prozeßschikanen ist die unbedingte Verpflichtung zur Vorlegung der Handelsbücher auf Verlangen des Prozeßgegners im Art. 37 a. a. O. verneint." .. . RGZ. 19, 97 1. Ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär, welcher den Auftrag gemäfi Art. 376 HGB. als Selbstkontrahent ausgeführt hat, nadi den Grundsätzen des Kommissionsgeschäftes oder aber des Kaufgeschäftes zu beurteilen? 2. Nadi welchen Grundsätzen ist ein Rat, welchen der Kommissionär dem Kommittenten in bezug auf das den Gegenstand des Auftrages bildende Geschäft erteilt, zu beurteilen? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 15. Juni 1887 I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergericht daselbst. Der Kläger, welcher 10 000 M. rumänischer Rente besaß und über deren Sicherheit im Zweifel war, erbat sich den Rat der beklagten Bankfirma, mit welcher er schon vorher im Geschäftsverkehr betr. Ein- und Verkauf von Wertpapieren gestanden hatte, ob er die Rumänier verkaufen und welche Papiere er eventuell dafür wieder einkaufen sollte. Die Beklagte riet zum Verkauf der Rumänier und empfahl dem Kläger neben anderen Papieren den Ankauf von westsizilianischen Eisenbahnaktien, indem sie zur Begründung dieser Empfehlung anführte, daß jene Aktien vom italienischen Staate mit 5'/« jährlicher Verzinsung garantiert seien. Der Kläger hat darauf der beklagten Firma den Kommissionsauftrag erteilt, für seine Rechnung 5000 M. westsizilianische Eisenbahnaktien zu kaufen. Die Beklagte hat diesen Auftrag ausgeführt und dem Kläger eine Ausführungsanzeige erstattet des Inhaltes, daß sie die beorderten Effekten „für den Kläger zu dessen Lasten angeschafft habe und dem Kläger die Stücke nach Lieferung zugehen lassen werde". Die Zusendung der Aktien ist dann auch alsbald erfolgt. Im vorliegenden Prozesse verlangt Kläger, daß die Beklagte gegen Rückgabe der Aktien dem Kläger das von ihm Gezahlte zurückzahle bzw. den Kläger entschädige, weil die Beklagte dem Kläger vor Erteilung der Einkaufskommission zugesichert habe, daß die westsizilianischen Eisenbahnaktien vom italienischen Staate mit 5 •/« jährlicher Verzinsung garantiert seien, nachher aber sich herausgestellt habe, daß der italienische Staat eine solche Garantie überhaupt nicht übernommen habe. Beide Vorinstanzen haben die Klage aus dem Grunde abgewiesen, weil sie annahmen, daß die Beklagte die Einkaufskom-

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mission gemäß Art. 367 HGB. nicht durch Abschluß mit einem Dritten, sondern durch Eintritt als Selbstverkäuferin ausgeführt, also die beorderten Wertpapiere als Verkäuferin aus ihrem eigenen Vorrate dem Kläger geliefert habe, und daß die Klagansprüche nach Art. 349 Abs. 2 HGB., da zwischen der Ablieferung der als Ware anzusehenden Wertpapiere und der Zustellung der Klage mehr als sechs Monate verlaufen, verjährt seien. Es wird ausgeführt, daß, nachdem die Beklagte als Selbstverkäuferin eingetreten sei, ausschließlich die über das Kaufgeschäft geltenden Rechtsnormen, nicht diejenigen über das Kommissionsverhältnis bzw. über die rechtlichen Wirkungen eines von dem Kommissionär dem Kommittenten erteilten Rates maßgebend seien, daß die Klage gegen die Beklagte als Verkäuferin wegen eines von der beklagten Verkäuferin verschuldeten Mangels einer ausdrücklich vorbedungenen Eigenschaft gerichtet sei. Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufsgericht zurückverwiesen. Aus den G r ü n d e n : „Seitens des Revisionsklägers ist zunächst geltend gemacht, daß die Ausführungsanzeige der Beklagten dahin laute, daß die Kommission durch einen Abschluß mit einem Dritten ausgeführt sei, daß in den Verhandlungen nirgend behauptet sei, daß die Beklagte nach der Ausführungsanzeige vor Erhebung der Klage dem Kläger gegenüber eine Erklärung des Inhaltes abgegeben habe, daß sie die Kommission nicht durch Abschluß mit einem Dritten, sondern als Selbstverkäuferin ausgeführt habe, daß vielmehr der K l ä g e r erst in der Klage erklärt habe, daß er gemäß Art. 376 Abs. 3 HGB. von dem Rechte, die Beklagte als Verkäuferin in Anspruch zu nehmen, Gebrauch machen wolle, daß der erste Richter dann (rechtsirrtümlich) den Eintritt der Beklagten als Selbstverkäuferin daraus g e f o l g e rt habe, daß die Beklagte in der Ausführungsanzeige eine a n d e r e Person als Käuferin n i c h t n a m h a f t g e m a c h t und auch Kläger keine andere Person als Verkäuferin in Anspruch genommen habe, und daß endlich daraufhin der Berufungsrichter es (mit Unrecht) als feststehend angenommen habe, daß die Beklagte die Kommission durch Eintritt als Selbstverkäuferin ausgeführt habe. Es kann indes unerörtert bleiben, ob diese Bedenken begründet sind, und ob auf Grund derselben, wenngleich die Beklagte tatsächlich einen Abschluß mit einem Dritten nicht gemacht, sondern die beorderten Wertpapiere aus ihrem eigenen Vorrat geliefert haben sollte, ein Kaufvertrag unter den Parteien als nicht v o r d e r K l a g e zustande gekommen anzusehen sein würde, die Verjährung des Art. 349 Abs. 2 HGB. daher überhaupt n i c h t hätte a n f a n g e n können zu laufen. Denn wenn auch anzunehmen wäre, daß ein Kaufvertrag unter den Parteien länger als sechs Monate vor der Klage perfekt geworden sei, ii«

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so würde doch der vorliegenden Klage die Verjährung aus Art. 349 Abs. 2 nicht entgegenstehen, weil der Klaganspruch auf das Kommissionsverhältnis und den von der Beklagten dem Kläger erteilten Rat gegründet ist, und d i e s e m Anspruch die kurze Verjährung aus Art. 349 HGB. nicht entgegensteht. . .. Ob und inwieweit, falls der Kommissionär von dem Rechte des Eintrittes als Selbstkontrahent Gebrauch macht, das Rechtsverhältnis zwischen den Kommittenten und Kommissionär noch nach den Grundsätzen des Kommissionsgeschäftes beurteilt werden darf, ist eine bestrittene Frage. Das Reichsgericht billigt aber die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der v o r l i e g e n d e Fall ausschließlich nach den Grundsätzen des Kaufvertrages zu beurteilen sei, auch dann nicht, wenn, was mindestens bedenklich ist, mit dem ersten Richter angenommen werden könnte, daß der Eintritt als Selbstkontrahent schon mit der Ausführungsanzeige der Beklagten deshalb als erfolgt anzunehmen wäre, weil die Beklagte in der Ausführungsanzeige nicht zugleich einen anderen Verkäufer namhaft gemacht habe. Der Schwerpunkt liegt nämlich im vorliegenden Falle in dem R a t e , welchen die Beklagte dem Kläger erteilt hat, und wodurch der Kläger veranlaßt ist, der Beklagten die Kommission zum Einkauf der westsizilianisdien Eisenbahnaktien zu erteilen. Dieser Rat ist z e i t l i c h f r ü h e r erteilt, als ein Kaufgeschäft durch Eintritt des Beklagten als Selbstkontrahentin unter den Parteien perfekt geworden ist. Alle Rechtshandlungen des Kommissionärs aber, welche z e i t l i c h v o r der Perfektion des Kaufgeschäftes erfolgt sind, können nicht nach den Grundsätzen über das Kaufgeschäft, sondern nur nach den diese frühere Rechtshandlung beherrschenden Rechtsgrundsätzen beurteilt werden. Es fragt sich also, nach welchen Grundsätzen die Raterteilung seitens der Beklagten zu beurteilen ist. Dieser Rat kann nicht etwa abgelöst von dem Kommissionsverhältnis zwischen den Parteien als eine selbständige Rechtshandlung nach der bezüglich eines Rates geltenden landesrechtlichen Vorschriften, sondern er muß i m Z u s a m m e n h a n g mit dem Kommissionsverhältnis und nach dessen Regeln beurteilt werden. Die Beklagte hatte also bei Erteilung des Rates mit derDiligenz eines ordentlichen Kaufmannes zu handeln; sie haftet für den Schaden, welcher dem Kläger durch die Vernachlässigung dieser Sorgfalt erwachsen ist. Die Anwendbarkeit der Normen des Kommissionsgeschäftes ist aus einem doppelten Grunde geboten. Einmal hat zwischen den Parteien schon vor der hier fraglichen Einkaufskommission ein Geschäftsverkehr derart bestanden, daß die Beklagte als Kommissionärin für Rechnung des Klägers Wertpapiere ein- und verkauft und ihn dabei mit ihrem Rat unterstützt hat. . . . Wo ein solcher Geschäftsverkehr besteht, da sind, wie dieser Gerichtshof bereits in dem Urteil vom 18. April 1885 in Sachen B. & G. wider H. & R. Rep. I. 33/85 angenommen

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hat, die rechtlichen Folgen eines Rates, welcher in einem in dem Rahmen dieses Verkehrs liegenden Falle von dem Kommissionär dem Kommittenten erteilt ist, nach den Grundsätzen des Kommissionsgeschäftes (Art. 361 HGB.) zu beurteilen. Dies wird noch unbedenklicher, wenn man die Lage des konkreten Falles ins Auge faßt, indem hier der von der Beklagten erteilte Rat als ein integrierender Teil des konkreten Kommissionsgeschäftes erscheint." (Dies wird sodann tatsächlich näher begründet.) „Hiernach bilden die Verkaufskommission und die Einkaufskommission ein zusammenhängendes Ganzes, und der Rat der Beklagten bildet einen integrierenden Teil dieses zusammenhängenden Geschäftes, nach dessen Grundsätzen auch der Rat beurteilt werden muß. Es fragt sich also, ob die Beklagte bei Erteilung ihres Rates die ihr als Kommissionärin obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beobachtet hat; im Verneinungsfalle ist sie zur Entschädigung des Klägers verpflichtet. Diesen Entschädigungsanspruch hat Kläger im vorliegenden Prozesse geltend gemacht; derselbe unterliegt nicht der nur für das Kaufgeschäft in Art. 349 HGB. statuierten kurzen Verjährung; der Verjährungseinwand ist daher zu verwerfen, und es ist weiter zu untersuchen, ob der Entschädigungsanspruch begründet ist. In dieser Beziehung ist aber die Sache noch nicht spruchreif." . . . RGZ.32, 39 Zur Auslegung des Art. 368 Abs. 2 HGB. Steht diese Vorschrift der Kompensation einer Forderung, welche der Schuldner aus dem von dem Kommissionär mit ihm abgeschlossenen Geschäft nachher von einem Gläubiger des Kommissionärs durch Zession erworben hat, gegenüber der von dem Kommittenten auf Grund der späteren Zession des Kommissionärs erhobenen Forderung aus dem von dem Kommissionär abgeschlossenen Geschäfte entgegen? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 11. November 1893 I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergeridit daselbst.

R. hatte am 27. Dezember 1890 als Kommissionär der Klägerin in eigenem Namen an die Beklagte Roggen verkauft, der am 29. Dezember 1890 bezahlt werden sollte. Am 29. Dezember zedierte die Handlung B. & R. der Beklagten eine Forderung gegen R., und die Beklagte verweigerte die Zahlung an R. Am 1. Januar 1891 zedierte R. die Forderung aus dem Geschäfte mit der Beklagten ihrem Kommittenten, der Klägerin, und die Zession wurde der Beklagten am 2. Januar bekannt gemacht. Als die Klägerin darauf gegen die Beklagte auf Zahlung des Kaufpreises für den Roggen klagte, wurde die Beklagte in beiden Instanzen unter Verwerfung der Einrede der Kompensation mit der gegen R. erworbenen Forderung zur Zahlung verurteilt, weil die Beklagte nach dem 2. Januar 1891 mit der gegen R. erworbenen Forde-

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rung nicht kompensieren könne. Nachdem das Berafungsurteil durch Urteil des Reichsgerichts vom 10. Februar 1892 auf die Revision der Beklagten wegen Verletzung der §§ 300, 313 I. 16, § 407 ALR. I. 11 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden war, hat das Berufungsgericht wiederum auf Verurteilung nach der Klage erkannt. Auf die Revision der Beklagten ist auch dies Urteil aufgehoben, und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden aus folgenden ~ .. , 3 Gründen: „Der Berufungsrichter stellt unangegriffen fest, daß R. als Kommissionär der Klägerin im eigenen Namen den Roggen der Beklagten verkauft hat, und daß die Forderung von 5500 M., welche B. & R. der Beklagten am 29. Dezember 1890 zediert haben, der Beklagten nicht zum Scheine und ohne Valuta, sondern ernstlich gegen Valuta zediert ist. Nach Art. 360 Abs. 2 HGB. wird der Kommissionär durch das Geschäft, welches er mit dem Dritten abschließt, allein berechtigt und verpflichtet. Zwischen den Kommittenten und dem Dritten entstehen daraus keine Rechte und Pflichten. Nach Art. 368 Abs. 1 das. kann der Kommittent Forderungen aus dem Geschäfte mit dem Dritten gegen diesen erst nach Abtretung geltend machen. Danach würde, wie in dem früheren Revisionsurteile ausgesprochen ist, die Beklagte der Klägerin gegenüber mit der ihr am 29. Dezember 1890 zedierten, damals unstreitig fälligen Forderung wirksam kompensieren zu können, da die Zession der eingeklagten Kaufgeldforderung an die Klägerin erst am 1. Januar 1891 erfolgt und der Beklagten erst am 2. Januar bekannt gemacht ist (§§ 300. 313, I. 16, § 407 ALR. I. 11). Aus Art. 360 Abs. 2. 368 Abs. 1 HGB. ergibt sich der mit den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen gemeinen und preußischen Rechtes übereinstimmende Rechtssatz, daß d e r K o m m i s s i o n ä r Gläubiger aus dem Geschäfte mit dem Dritten, der Dritte sein Schuldner ist, und daß er dem Kommittenten nur mit der actio mandati auf die Zession der Forderung haftet. Dafür ist es grundsätzlich auch unerheblich, ob der Dritte, mit dem der Kommissionär im eigenen Namen verhandelte, wußte, daß sein Kontrahent f ü r R e c h n u n g des Mandanten, Kommittenten, handelte. Der Dritte, der sich vielleicht nicht mit dem Mandanten, Kommittenten, sondern nur mit dem Kommissionär einlassen wollte, ist dies Mandatsverhältnis zu ignorieren berechtigt. Vgl. Entsch. des Obertribunals Bd. 69 S. 226; S t r i e t h o r s t, Archiv Bd. 90 S. 157; Entsch. des ROHG.s Bd. 4 S. 173. 174. Ohne die Vorschrift in Art. 368 Abs. 2 HGB. würde die Wirksamkeit der geltend gemachten Kompensation deshalb rechtlich völlig unbedenklich sein. Der Berufungsrichter folgert die Unwirksamkeit der Kompensation aus Art. 368 Abs. 2, indem er ausführt: daß B. & R. als Gläubiger des Kommissionärs R. nicht berechtigt gewesen seien, sich

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durch Kompensation gegenüber der Klägerin als Kommittenten aus der Kaufpreisforderung gegen die Beklagte zu befriedigen, da diese Forderung auch vor Abtretung ihnen gegenüber als Forderung der Klägerin gelte, u n d d a ß d u r c h d i e Z e s s i o n d e r F o r d e r u n g an die B e k l a g t e d i e s e n i c h t m e h r R e c h t e h a b e e r w e r b e n k ö n n e n , als ihre Z e d e n t i n g e h a b t habe. Dabei ist auf § 101 Einl. z. ALR. Bezug genommen, wonach niemand mehr Recht übertragen kann, als er selbst besitzt. Aber dies Allegat ist unzutreffend. Die Kompensationsfähigkeit und die Kompensationsbefugnis ist keine den Umfang des Rechtes betreffende und bestimmende Eigenschaft der Forderung, nicht ein Teil des Inhaltes der Forderung, der als solcher Gegenstand der Zession sein könnte, sowenig wie es an sich ein Mangel einer Forderung ist, daß ihr eine Forderung kompensabel gegenübersteht. Der Zessionar leitet sein Recht, zu kompensieren, nicht aus der Zession her, sondern aus s e i n e r Gläubigereigenschaft, die zwar auf der Zession beruht, a b e r d i e K o m p e n s a t i o n s b e f u g n i s n i c h t h e r s t e l l t , w e n n er nicht z u g l e i c h S c h u l d n e r d e s d e b i t o r c e s s u s i s t . B. & R. waren G l ä u b i g e r des R., aber nicht Schuldner desselben und können deshalb ein Kompensationsrecht nicht zediert haben. Noch weniger kann deshalb die Rede davon sein, d a ß s i e e i n Ko m p e n s a t i o n s recht zediert haben, das sie nicht hätten zedieren k ö n n e n . Ob eine Forderung zur Kompensation sich eignet, ist lediglich nach ihrer materiellen Natur und nach den Vorschriften in §§ 387 ff. I. 11, §§ 302 ff., 313 ff., 342 ff., 363 ff. ALR. I. 16 zu beurteilen. Es kann sich deshalb nur fragen, ob die Kompensation nach Art. 368 Abs. 2 HGB. ausgeschlossen ist, weil die B e k l a g t e die Kaufpreisforderung, obwohl sie dieselbe vor der Zession dem R. schuldete, als ausstehende Forderung d e r K l ä g e r i n gelten lassen muß. Nur dann darf sie nach § 302 ALR. I. 16 mit der g e g e n R. erworbenen Forderung nicht kompensieren. Nach dem richtigen Verständnis des Art. 368 Abs. 2 HGB. ist dies zu verneinen. Diese Vorschrift will verhindern, daß die a n d e r e n Gläubiger des Kommissionärs, der selbst Schuldner des Kommittenten aus dem Mandate ist, sich aus der ausstehenden Forderung des Kommissionärs, die materiell nicht zu dessen Vermögen gehört, z u m N a c h t e i l e d e s K o m m i t t e n t e n Befriedigung verschaffen. Davon kann überhaupt nur die Rede sein bei dem Kommissionär, der zahlungsunfähig ist und dies dadurch dokumentiert, daß er es zum Konkurse oder zur Zwangsvollstreckung kommen läßt. Gedacht ist die Vorschrift des Art. 368 Abs. 2 hauptsächlich für den Fall des Konkurses. In den Protokollen der Kommission zur Beratung eines deutschen Handelsgesetzbuches (S. 704, 729) ist sie nur im Hinblick auf diesen Fall gerechtfertigt. Sie gibt dem Kommittenten den anderen

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Gläubigern gegenüber ein Aussonderungs- oder Separationsrecht. Er kondiziert auf Grund seines persönlichen Rechtes aus dem Mandate auch ohne Zession die ihm gehörige Forderung, s o w e i t s i e n o c h aussteht. Vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 7 S. 16, 23, v. H a h n , Kommentar Bd. 2 S. 464; D e r n b u r g , Preuß. Privatrecht Bd. 2 §185; L a b a n d i n G o l d s c h m i d t , Zeitschrift Bd. 9 S. 454, 457 ff.; G r ü n h u t i n E n d e m a n n , Handbuch des Handelsrechtes Bd. 3 S. 227. A u f d e n S c h u l d n e r d e s K o m m i s s i o n ä r s aus dem Geschäft, aus welchem die Forderung entstanden ist, paßt die Vorschrift überhaupt nicht. Nach Art. 360 Abs. 2, 368 Abs. 1 HGB. ist er nicht bloß b e f u g t , den Kommissionär als seinen Gläubiger anzusehen, sondern in Wahrheit ist nur der Kommissionär sein Gläubiger aus dem Geschäft. Bis zur Bekanntmachung der Zession an den Kommittenten ist er deshalb befugt, seine Schuld an den Kommissionär zu tilgen, sei es durch Zahlung, sei es durch Aufrechnung, die zwar nicht Zahlung ist, aber wie die Zahlung wirkt u n d k e i n A k t d e r Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g , s o n d e r n ein T i l g u n g s a k t ist. Die so g e t i l g t e F o r d e r u n g s t e h t n i c h t m e h r a u s u n d ist nicht G e g e n s t a n d der Kondiktion des Kommittenten. Das Berufungsurteil beruht hiernach auf Verletzung des Art. 368 Abs. 2 HGB. und hat deshalb aufgehoben werden müssen. Zur Endentscheidung ist die Sache aber noch nicht reif. Die Klägerin hat schon in der Klage der Kompensationseinrede eventuell d i e R e p l i k d e r A r g l i s t entgegengesetzt und zur Begründung derselben in erster Instanz namentlich behauptet und unter Beweis gestellt, daß die Beklagte gewußt, R. habe nur als Kommissionär an sie verkauft, und daß zwischen ihr und B. & R. verabredet sei, letztere müßten die erhaltene Zessionsvaluta zurückzahlen, wenn die Beklagte die Streitsumme zahlen müsse. Dies ist erheblich. Nach dem festgestellten Sachverhalt haben B. & R. ihre Forderung gegen R. im Dezember 1890 eingeklagt. Am 2. Januar 1891 haben sie ein demnächst rechtskräftig gewordenes verurteilendes Erkenntnis erstritten. Am 27. Dezember 1890 haben s i e d e r B e k l a g t e n durch Gerichtsvollzieherakt mitgeteilt, d a ß w e g e n i h r e r F o r d e r u n g d i e P f ä n d u n g d e r j e t z t s t r e i t i g e n F o r d e r u n g d e s R. a n d i e B e k l a g t e b e v o r s t e h e . Nach § 744 ZPO. hatte dies zwar keine rechtliche Bedeutung, weil noch kein vollstreckbarer Schuldtitel vorlag, a b e r d i e B e k l a g t e w u ß t e n u n , d a ß B. & R. d i e F o r d e r u n g d e s R. i n d e r Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g z u m Gegenstande ihrer Befriedigung machen wollten. W u ß t e s i e , d a ß R. n u r a l s K o m m i s s i o n ä r v e r k a u f t h a t t e , so ist klar, daß die Zession der Forderung der Handlung

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B. & R. gegen R. an die Beklagte erfolgte, um der Handlung B. & R. auf einem Umwege Befriedigung aus der materiell der Klägerin gehörigen Forderung des R. an die Beklagte zu verschaffen, welche sie nach A r t 368 Abs. 2 HGB. in der Zwangsvollstreckung nicht erlangt haben würde. Wußte die Beklagte, daß R. nur als Kommissionär verkauft hatte, so handelte sie a r g l i s t i g z u m N a c h t e i l e d e r K l ä g e r i n , wenn sie sich ein Kompensationsrecht zu dem Zwecke verschaffte, das Separationsrecht, welches die Klägerin hätte geltend machen können, wenn es zu der angekündigten Zwangsvollstreckung kam, zu vereiteln. Denn darüber besteht, soweit ersichtlich, unter den Parteien kein Streit, daß der nach der Behauptung der Klägerin mittellose R. die der Klägerin, wenn die Kompensation durchgreift, entzogene Forderung der Klägerin zu bezahlen nicht imstande ist. Zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung hierüber ist die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen." RGZ.34, 82 Zur Bestimmung der Natur und des Begriffes des reinen Differenzgeschäftes. Kann das Kommissionsgeschäft sich als ein Differenzgeschäft gestalten? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 29. Dezember 1894 I. Landgericht Hamburg. — Oberlandesgericht daselbst. Die Klägerin erhebt Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Saldos aus Börsengeschäften. Nach ihrer Angabe hat sie wiederholt Termingeschäfte an der Hamburger Börse in der Weise abgeschlossen, daß sie entsprechend den ihr von dem Beklagten erteilten Aufträgen die aufgetragenen Geschäfte in eigenem Namen abgeschlossen und, soweit erforderlich, entsprechende Schlußnoten in eigenem Namen mit der Hamburger Warenliquidationskasse gewechselt hat. Dem Beklagten gegenüber ist aber die Klägerin durchgängig als Selbstkontrahentin eingetreten. Der Beklagte hat die Forderung der Klägerin bestritten, weil es sich durchgängig um reine Differenzgeschäfte gehandelt habe. Dieser Einwand ist vom ersten Richter verworfen und der Beklagte zur Zahlung verurteilt. Die Berufung ist zurückgewiesen. Auf die Revision ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen aus folgenden Gründen: „Zur Begründung seines Einwandes hatte Beklagter in erster Instanz behauptet, er sei zu den in der Klage erwähnten und zu einer Reihe anderer Börsentermingeschäfte von dem Vertreter der Klägerin, dem Kaufmanne H. in Berlin, veranlaßt worden. H. habe bei einer Abendgesellschaft das Gespräch auf Börsengeschäfte gebracht und

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u n t e r der ausdrücklichen Versicherung, daß bei den durch seine Vermittlung abzuschließenden Geschäften irgend welche Kenntnis nicht erforderlich sei, von effektiver Lieferung oder Abnahme ebensow e n i g die Rede sein solle, da man lediglich mit der Differenz zu tun habe, den Beklagten zu b e w e g e n gewußt, in Gemeinschaft mit einer Dame und einem Referendar auf gemeinschaftliche Rechnung ein Termingeschäft in Baumwolle abzuschließen. Die eingeklagten Geschäfte beziehen sich auf Kaffee und Baumwolle, außerdem hat Beklagter auch Geschäfte in Zucker gemacht. Nach seiner Angabe ist er Inhaber einer Kohlengroßhandlung in Stettin, welche er durch andere Personen betreiben lasse. Er verstehe weder von Baumwolle, noch von Zucker, noch v o n Kaffee das geringste. Er w ü r d e sich ebensowenig wie jene a n d e r e n beiden Personen auf ein derartiges Geschäft eingelassen haben, wenn nicht effektive Lieferung sowie Abnahme ausdrücklich ausgeschlossen wären. Da das erste Geschäft zuungunsten des Beklagten ausschlug, h a b e er sich von H. zu immer neuen Geschäften verleiten lassen, welche sämtlich durch die Hand des H. gegangen seien. Zu diesen Geschäften gehörten auch die in der Klage erwähnten. In der Berufungsinstanz hat Beklagter noch behauptet, die Absicht der Parteien effektive Lieferung bzw. Abnahme auszuschließen und a n Stelle derselben nur die Zahlung der Differenz treten zu lassen, sei nicht nur beim Abschlüsse der Geschäfte, sondern fortgesetzt und wiederholt, insbesondere auch bei und nach Abfassung und Erteilung der Schlußnoten, ausdrücklich unter den Parteien erklärt worden. Das Berufungsgericht unterstellt zunächst eine Behauptung des Beklagten, welche er so nicht gemacht hat. Das Urteil führt aus: W e n n der V e r t r e t e r der Kläger den Beklagten darauf a u f m e r k s a m gemacht habe, daß er niemals i n d i e L a g e k o m m e n k ö n n e , die W a r e n effektiv liefern oder abnehmen und bezahlen z u m ü s s e n , sondern es sich f ü r ihn immer nur um Differenzen h a n d e l n w e r d e , so sei dies vollkommen richtig. Es sei dies keineswegs eine Eigentümlichkeit des reinen Differenzgeschäftes und lasse daher auch den Schluß nicht zu, daß ein solches hier vorliege, sondern bei der Organisation des modernen Spekulationshandels an den großen Börsen k ö n n e der Spekulant niemals in die Lage kommen, das Gek a u f t e abzunehmen oder das V e r k a u f t e liefern zu müssen, w e n n er es nicht wünsche. Es stehe ihm immer die Möglichkeit offen, sich so einzurichten, daß es sich für ihn nur um die Differenz zwischen d e m V e r t r a g s p r e i s e und dem Marktpreise eines späteren Tages handele. Dazu b e d ü r f e es gar nicht der Zustimmung des Gegenkontrahenten. Vorausgesetzt w e r d e dabei nur, daß er ordnungsmäßig operiere, d. h. rechtzeitig ein Deckungsgeschäft vornehme, nicht etwa mit dem Gegenk o n t r a h e n t e n des ersten Geschäftes, sondern am offenen M a r k t e mit einem beliebigen Dritten. Die Ware, welche er dann von dem Gegen-

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kontrahenten des einen Geschäfts erhalte, benutze er, um sie seinerseits dem anderen zu liefern, und durch die Zahlung erhalte er das Mittel, um seinerseits dem ersteren Zahlung zu leisten. Soweit dies Argument eine allgemeine Bedeutung für sich in Anspruch nimmt, geht es fehl, indem es zwei dem Wesen nach sehr verschiedene Dinge, die nur äußerlich einander gleichen, nicht auseinander hält. Der Kaufmann, der gewerbsmäßig kauft, um mit Gewinn zu verkaufen, will durch den U m s a t z d e r W a r e n gewinnen. D i e s e r Handel ist wirtschaftlich, für die Allgemeinheit notwendig und im großen Durchschnitte volkswirtschaftlich produktiv. Und deshalb ist es natürlich, daß das Recht eine Klage auf Erfüllung, eventuell auf das Interesse für das Kaufgeschäft gegeben hat. Ob im e i n z e l n e n nutzbringend für die Allgemeinheit und für den spekulierenden Kaufmann von diesem gekauft und verkauft wird, darum kann sich das P r i v a t r e c h t nicht kümmern; es würde seinen Charakter verleugnen, wenn es nicht dem kontrahierenden Privatmanne einen weiten Spielraum für die Freiheit seiner Erwägungen und seiner Entschließungen einräumte. Jenen Boden, dem Umsätze der Ware zu dienen, verläßt aber im allgemeinen der Kaufmann nicht, wenn er, statt die Ware selbst abzunehmen, seinen Verkäufer anweist, statt an ihn, an einen Dritten zu liefern, dem er seinerseits, sei es vorher, sei es nachher, sei es mit Vorteil, sei es mit Schaden, weiter verkauft hat, und wenn er, statt sie mit eigenem Gelde zu bezahlen, sie von seinem Abkäufer mit dessen Gelde dem ersten Verkäufer bezahlen läßt. Ob nicht a u c h ein Kaufmann, welcher in der von dem Berufungsurteil angeratenen Weise, aber gewerbsmäßig verfährt und dabei unmäßig und weit über seine Kräfte spekuliert, sich nicht bloß nach § 210 KO. wegen Differenzhandels strafbar machen, sondern auch in dem Sinne spielen kann, daß seinen Geschäften die Klagbarkeit unter Umständen zu versagen wäre, mag hier dahingestellt bleiben. In entschiedener Weise tritt die Abweichung von dem regelmäßigen und korrekten Warenhandel bei dem Börsenspieler hervor, dem von vornherein der Umsatz in der Ware, über deren Preise und Kurse er das Differenzgeschäft schließt, völlig gleichgültig ist. Er will a u c h gewinnen, aber nicht dadurch, daß er die Ware in andere Hände bringt, sondern a l l e i n dadurch, daß er die Differenz des Preises, den nach seiner Hoffnung die Ware an diesem Börsenplatze zu dem gehandelten Termine kosten wird, im Vergleiche zu dem Kurse, zu welchem der Preis zur Zeit des Abschlusses des Spielvertrages für jenen Termin an der Börse veranschlagt wird, einstreicht, ohne die Mühe und ohne die Gefahren des Umsatzes auf sich zu nehmen. Ihm ist es gleichgültig, ob Ware dieser Gattung in der Menge, über welche die für jenen Termin gezeichneten Sdilußscheine lauten, zu diesem Termin am Platze sein wird. Ihm ist es ebenso gleichgültig, daß er gar nicht in der Lage ist,

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den Preis der „gekauften" Ware zu zahlen. Es kann ihm vorläufig genügen, daß er einen „Kommissionär" findet, welcher bereit ist, gegen einen Einschuß, welcher nur einige Prozente beträgt, von ihm einen „Auftrag" entgegenzunehmen zu einem nominellen Abschlüsse über sehr bedeutende Mengen und über Summen, welche das Vermögen des Spielers um ein Vielfaches übersteigen. Denn nur auf diese Weise kann er große Gewinne machen, und auf Gewinne hofft der Spieler immer. Sonst würde er nicht spekulieren. Seinen Intentionen entspricht ein Vertrag, welcher genau das ausspricht, was er erreichen will, am besten. Da das aber dem Dekorum nicht entspricht, wird die Verschleierung eines Lieferungsvertrages oder eines Auftrages zum Abschlüsse eines Lieferungsvertrages gewählt mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Nebenabrede, daß nicht geliefert werden soll, sondern daß nur die Differenzen reguliert werden sollen. Wer einem solchen Spieler den Rat geben wollte, lieber statt des verschleierten Differenzgeschäftes ein wirkliches Lieferungsgeschäft zu schließen und dann noch r e c h t z e i t i g ein Deckungsgeschäft vorzunehmen, dem möchte er leicht antworten, daß, wenn sich der Berater zutraue, im gegebenen Augenblicke ein zutreffendes und eintreffendes Urteil über die R e c h t z e i t i g k e i t des Deckungsgeschäftes auszusprechen, so möchte ihm derselbe lieber gleich bei Abschluß des Geschäftes die Richtigkeit der anzuratenden Spekulation garantieren. In den Fällen, in welchen der Spieler es nicht für zweckmäßig erachtet, die Spekulation abzuschneiden, oder in denen er nicht den Mut findet, den zwar noch beschränkten, aber sicheren Verlust der Ungewißheit der weiteren Entwicklung vorzuziehen, wendet sich überdies ein solcher Rat an eine falsche Adresse. Das objektive Recht hat gute Gründe, dieses Spielgeschäft, bei welchem von vornherein d ; e effektive Erfüllung zwischen den Kontrahenten vertragsmäßig ausgeschlossen ist, bei seiner volkswirtschaftlichen Nutzlosigkeit und sozialen Gefährlichkeit die Klagbarkeit zu versagen. Der Hinweis darauf, daß die Römer selbst aus effektiven Geschäften nur auf das Geldinteresse verurteilten, ist kein zutreffendes Argument, um die Unschuldigkeit und Klagbarkeit der Spielgeschäfte zu verteidigen. Auch wenn unser Recht aus Börsentermingeschäften nur eine Klage auf die Differenz zuließe, müßte man das Spielgeschäft von dem Warenhandel scheiden. Denn nicht um der Prozesse willen werden die Rechtsgeschäfte geschlossen. Im vorliegenden Falle hat aber Beklagter etwas ganz anderes, als was oben aus dem Berufungsurteile wiedergegeben ist, behauptet. Nicht daß ein Weg zu finden sei, auf welchem der Beklagte die effektive Erfüllung, wenn er richtig und, wie hinzugesetzt werden darf, glücklich weiter operiere, vermeiden könne, soll besprochen sein. In seinem, nach dem erstinstanzlichen, im Berufungsurteil in bezug genommenen Tatbestande vorgetragenen Schriftsatze hat der Beklagte

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behauptet, er sei zu dem ersten Auftrage durch d i e Erklärung des klägerischen Vertreters bestimmt, es s o l l e von effektiver Lieferung oder Abnahme nicht die Rede sein, da man l e d i g l i c h mit der Differenz zu tun habe. Wenn der Beklagte dies nach seiner Behauptung dahin verstanden hat, daß effektive Lieferung zwischen den Kontrahenten ausdrücklich ausgeschlossen sei, so läßt sich nicht sagen, daß er den Sinn der Worte verkannt habe. Das Berufungsurteil hat also mit seinem ersten Argument einen Tatbestand der Beurteilung unterzogen, welcher nicht vorliegt; und dies Argument trifft den Tatbestand nicht, welcher dem Berufungsgericht vorgetragen ist. Damit ist das Gesetz verletzt, und das Urteil unterliegt der Aufhebung, sofern es nicht durch seine übrigen Argumente getragen wird. Das zweite Argument des Berufungsgerichtes findet es unverständlich, daß jemand auf den wunderlichen Gedanken kommen könnte, ein Spielgeschäft statt zweier Effektivgeschäfte zu schließen. Wäre diese Argumentation zutreffend, so sollte man meinen, daß reine Differenzgeschäfte überhaupt nicht vorkommen. Und das war ja noch vor einigen Jahren eine oft gehörte Behauptung. Indessen ist dem Reichsgericht in seiner Spruchpraxis der Beweis geliefert, daß Termingeschäfte als reine Differenzgeschäfte an deutschen Börsen in bedeutendem Umfange geschlossen sind, und daß an Börsenplätzen ansässige Kommissionäre durch ihre Agenten und Vertreter auswärtige, mit dem Börsenverkehr nicht vertraute Personen vielfach zum Abschlüsse solcher Zeitgeschäfte mit der Erklärung angelockt haben, daß die effektive Lieferung ausgeschlossen bleiben solle, und daß nur die Differenzen zu begleichen seien. Das w i r k l i c h e L e b e n stimmt also mit dem Resultat, zu dem das Berufungsgericht durch seine Erwägungen geführt ist, nicht überein. Audi sind diese Erwägungen nicht stichhaltig. Das Berufungsgericht nimmt an, die Spekulation im Wege eines reinen Differenzgeschäftes sei dergestalt in sich abgeschlossen, daß sich der Spekulant im voraus unabänderlich an den Börsenpreis eines einzigen Tages binde, und daß er einer in der Zwischenzeit etwa befürchteten ungünstigen Entwicklung des Preises nicht würde begegnen können. Das trifft in keiner Weise zu. Wurde das reine Differenzgeschäft in der Form geschlossen, daß der Beklagte „kaufte", und fielen die Preise unerwartet und wider Verhoffen des Beklagten, oder wurde es in der Form geschlossen, daß der Beklagte »verkaufte", und stiegen die Preise unerwartet, so hatte die Klägerin nach ihren Bedingungen den Beklagten verpflichtet, auf ihre Aufforderung bei eintretenden Preisschwankungen jeden zur Deckung ihrer Engagements erforderlichen Nachschuß unverzüglich zu leisten, widrigenfalls der Klägerin das Recht der sofortigen bestmöglichen Liquidation ihrer Engagements zustehe. Ein derartiger Vorbehalt entspricht den Bestimmungen,

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welchen die Klägerin bezüglich ihrer eigenen Verpflichtungen gegenüber der Warenliquidationskasse nach deren Regulativen unterworfen war. Auch hat die Klägerin von dieser Bedingungen dem Beklagten gegenüber Gebrauch gemacht. Der erste Klage p o s t e n ist eine Differenz von 6276,10 M., welche d a r a u s entstanden ist, daß der Beklagte je 500 Sack Kaffee im September, Oktober und November 1893 „ v e r k a u f t " hatte. Als der Preis stieg und das Engagement infolgedessen verlustdrohend wurde, ford e r t e Klägerin nach ihrer Klagebehauptung Nachschüsse ein, und als Beklagter diese nicht leistete, schritt sie am 9. Februar 1894 zur Liquidation, indem sie sich zu den dermaligen Preisen „ e i n d e c k t e " . Sie berechnete nun natürlich nicht die Preisdifferenz, wie sie sich später an dem ursprünglich v e r a b r e d e t e n Termine herausstellte, sondern die vom 9. Februar 1894. Lag ein reines Differenzgeschäft vor, so steht freilich der Klägerin ein klagbarer Anspruch sowenig auf die eine wie auf die andere Differenz zu. Vielmehr ist bei solchem reinen Differenzgeschäft, wenn es bewiesen wird, die Voraussetzung, daß der spielende Kunde ebenso freiwillig zahlt, wie sein an der Börse berufsmäßig handelnder Gegenkontrahent, w e n n er verliert, nach den dort herrschenden Gepflogenheiten. Aber den Intentionen, welche bei dem reinen Differenzgeschäft verfolgt werden, widerspricht diese „Eindeckung" sowenig wie den Intentionen, welche bei den effektiven Lieferunqsgeschäften verfolgt werden. Allerdings hatte die Klägerin, wenn ein Differenzgeschäft vorlag, keinen Anspruch auf Lieferung der „verkauften" 1500 Sack Kaffee an den Beklagten (auch nicht einen Anspruch, der zwar nicht klagbar, aber durch freiwillige Erfüllung tilgbar war); denn die Lieferung war j a d a n n vertragsmäßig ausgeschlossen. Und die „Eindeckung" konnte d a n n dem Beklagten gegenüber nicht die Bedeutung haben, daß sich die Klägerin von einem anderen Kontrahenten die W a r e verschaffte, welche der Beklagte am Termin nicht zu leisten hatte. Das ist aber auch gar nicht erforderlich. Hatte die Klägerin die 1500 Sack Kaffee, welche ihr der Beklagte „verkauft" hatte, ihrerseits an der Hamburger Börse v e r k a u f t und sich dabei der Warenliquidationskasse bedient, u n d deckte sie sich nun im Februar 1894 ein, so war es für die Abrechnung, welche die Klägerin mit Hilfe der Liquidationskasse vornahm, völlig gleichgültig, ob diese Geschäfte zwischen der Klägerin und ihrem Gegenkontrahenten Effektivgeschäfte oder reine Differenzgeschäfte waren. Denn nach den eigenen A u s f ü h r u n g e n des Berufungsgerichtes kam es in dem einen Falle sowenig zur Lieferung wie in dem a n d e r e n Falle. Vielmehr „erledigt sich in der Praxis die Kompensation u n t e r den verschiedenen Kontrahenten am Stichtage durch die Vermittelung der Makler und der Warenliquidationskasse, indem überall da, w o in e i n e r Person (hier der Klägerin) Lieferungs- und Abnahme-

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pflicht hinsichtlich einer gleichen Quantität gleichartiger Gegenstände, obgleich verschiedenen Gegenkontrahenten gegenüber, zusammentreffen, beides im W e g e der sogenannten Skontration ausgeglichen wird". W e n n nur der Beklagte zu zahlen bereit war, so lieferte für sein reines Differenzgeschäft diese Eindeckung der Klägerin den M a ß s t a b für die Differenz, welche er der Klägerin zu zahlen hatte. Das genügte ja. Und e b e n s o einfach erledigen sich die Bedenken des Berufungsgerichtes, w e n n es nicht die Klägerin, sondern der Beklagte war, welcher zu einer Eindeckung die A n r e g u n g gab. Allerdings h a t t e die Klägerin sich in ihren Bedingungen die Zustimmung für die Erledigung durch ein Gegengeschäft vorbehalten. Daß indessen die Klägerin, welche, wie sie behauptet, bei dem eingeklagten Geschäften entsprechende Schlußnoten in eigenem Namen mit der W a r e n l i q u i d a t i o n s k a s s e gewechselt hatte, jene Genehmigung für ein ihr w ä h r e n d laufenden Engagements angetragenes Gegengeschäft, bei dem sie ja wieder verdiente, und welches das Risiko beendigte, weigern sollte, w e n n nur der Beklagte sonst seinen Obliegenheiten nachkam, d a f ü r liegt gar kein Grund vor. Da in diesem Falle nach den Bedingungen die Klägerin sofort Abrechnung zu erteilen hatte, u n d beiderseits ein sich ergebender Saldo sofort fällig war, so erhellt, daß der Spielvertrag für Manipulationen dieser Art den breitesten Raum ließ. Derartige Eindeckungen u n d Gegengeschäfte spielen d e n n auch in Prozessen über Börsengeschäfte, in denen der Beklagte den Einw a n d des Differenzgeschäftes vorbringt, eine sehr große Rolle. Daraus sucht zwar zuweilen der auf den Saldo Verklagte eine B e s t ä t i g u n g seiner Behauptung abzuleiten, daß reine Differenzgeschäfte vorliegen, weil n i e m a l s durch Lieferung und Abnahme erfüllt sei. Daß aber der börsenkundige Kläger d a r a u s ein Moment für seine Deduktion ableitete, daß k e i n reines Differenzgeschäft vorliege, ist wohl noch nicht vorgekommen. W e n n also das Berufungsgericht daraus, daß der Beklagte A u f t r a g zu Deckungsgeschäften gegeben habe, den Schluß zieht, es seien keine reinen Differenzgeschäfte abgeschlossen, so entbehrt dieser Schluß jeglicher Beweiskraft. Das Berufungsgericht stellt weiter die Behauptung auf, es sei begrifflich unmöglich, daß sich der Kommissionsvertrag zu einem reinen Differenzgeschäft gestalte. Niemals k ö n n e der Auftrag selbst ein reines Differenzgeschäft, ein Spielvertrag sein. Dies Argument hat ungefähr dieselbe Bedeutung, wie w e n n behauptet würde, es sei begrifflich unmöglich, daß sich der Kommissionsvertrag zu einem Kaufe oder V e r k a u f e gestalte. Der Kommittent b e a u f t r a g e den Kommissionär, für ihn zu k a u f e n oder zu verkaufen, aber er kaufe nicht von ihm u n d v e r k a u f e ihm nicht. Oder wenn behauptet wird, der Kauf sei begrifflich e t w a s anderes als ein reines Differenzgeschäft. W e r kaufe, könne niemals verabreden, daß ihm die W a r e nicht geliefert werde.

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Juristisch haben solche Argumente wenig zu bedeuten. Denn nicht darauf kommt es an, wie die Kontrahenten ihre Verträge benennen, oder wie ein Dritter die von den Kontrahenten geschlosenen Verträge rubriziert, sondern allein darauf, was sich als I n h a l t des Vertrages ergibt. Ist es angängig, daß der Kommissionär in einem ihm aufgetragenen Lieferungskaufe als Selbstkontrahent eintreten kann, so ist es nicht verständlich, weshalb der Kommissionär nicht in ein ihm aufgetragenes Differenzgeschäft als Selbstkontrahent eintreten könnte. Ja diese Hilfe ist nicht einmal nötig. .Das Differenzgeschäft ist ein Vertrag, bei welchem eine Quantität Waren, deren Preis und eine Zeit festgesetzt werden und beide Kontrahenten versprechen, daß je nachdem die Veränderung des Preises (Kurses) zu dieser Zeit die eine oder die andere Richtung genommen haben sollte, der eine oder der andere die Differenz der Preise von dem Mitkontrahenten ausgezahlt erhalten solle. Es wird oft in die Form eines Lieferungskaufes gekleidet." Vgl. T h ö 1, Handelsrecht § 102. Das läßt sich auch so ausdrücken: Der Käufer kauft zwar nicht, und der Verkäufer verkauft nicht; aber beide verabreden, es sollen zwischen ihnen dieselben Wirkungen nach Maßgabe der Börsenusancen bezüglich der Differenzregulierung am Stichtage eintreten, als ob gekauft und verkauft, aber nicht abgenommen oder nicht geliefert wäre. Natürlich können Auftraggeber und Beauftragter dasselbe verabreden. Der Beauftragte hat zwar einen Auftrag zum effektiven Ankaufe nicht erhalten, Parteien verabreden aber, es sollen zwischen ihnen dieselben Wirkungen eintreten, als wenn der Beauftragte einen solchen Auftrag erhalten und zum Börsenkurse die betreffenden Termingeschäfte ausgeführt, am Stichtage aber für Rechnung des Auftraggebers durch ein Gegengeschäft zum Börsenkurse erledigt hätte. Verlangte das objektive Recht nicht zur Klagbarkeit des Rechtsgeschäftes eine causa, wäre mit T h ö 1 anzunehmen, daß das Differenzgeschäft, „der Windhandel", obwohl er einer causa entbehrt, klagbar sei, so würde kein Grund vorliegen, diesem nach dem Bilde eines Auftragsverhältnisses geschlossenen Differenzgeschäft oder der in die Form eines Auftrages eingekleideten Sponsion die Klagbarkeit zu versagen, um sie dem nach dem Bildes eines Kaufvertrages geschlossenen Differenzgeschäft oder der in die Form eines Kaufes eingekleideten Sponsion zuzusprechen. Das eine Geschäft ist genau so zu behandeln wie das andere. Ob, wie das Berufungsgericht behauptet, der Kommissionär a l s s o l c h e r niemals Spieler oder auch nur Spekulant sein kann, ist für die Entscheidung dieses Prozesses ganz gleichgültig. Denn niemand verhindert den Kommissionär oder seinen Vertreter, Verabredungen zu treffen, durch welche er aufhört, Kommissionär als solcher im Sinne des hanseatischen Oberlandesgerichtes zu sein.

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Ebenso gleichgültig ist es, ob der Kommissionär, welcher im Verhältnisse zu seinem Kommittenten als Spieler und Spekulant auftritt, zu seiner Deckung mit Dritten überhaupt entsprechende Geschäfte abschließt, und ob diese Geschäfte wieder Differenzgeschäfte oder Effektivgeschäfte sind. Auch wenn es richtig wäre, was das Berufungsurteil behauptet, daß der Kommissionär niemals auf eigene Hand spekuliert, sondern sich immer deckt, so wird ja das regelmäßig zu keinem anderen Resultat führen, als das aus diesem Geschäft des Kommissionärs mit seinem Hintermann immer wieder Differenzen herausspringen, welche dann den Differenzen entsprechen, die der Kommissionär dem Kommittenten zu leisten oder von diesem zu fordern hat. Und wenn sich das auch in der Wirklichkeit bisweilen anders verhalten sollte, wenn es sich ereignen sollte, daß der Kommissionär durch Andienungen seines Hintermannes überrascht würde, welche seinen Kommittenten nicht präjudizieren, und denen durch angemessene Aufträge zu entsprechen der Kommittent keine Neigung zeigt: so hat es der börsenkundige Kommissionär doch immer in der Hand, »Bedingungen" für seinen Geschäftsverkehr über Einforderung von Nachschüssen und dgl. zu formulieren, welche ihm aus derartigen Verlegenheiten helfen. Dabei ist freilich immer vorausgesetzt, daß ihm der Kommittent überhaupt die Hand zu reichen gewillt ist, daß er sich nicht auf den Einwand des Differenzspiels und dessen Unklagbarkeit zurückzieht. S o l a n g e der Kommittent dies nicht tut, solange er freiwillig erfüllt und freiwillig neue Aufträge erteilt, obgleich er rechtlich dazu nicht gezwungen werden kann, solange spielt sich das in Form eines Kommissionsgeschäftes geschlossene reine Differenzgeschäft genau so ab wie eine wirkliche Kommission. Allein durch steigende Verluste kann dieser Wille des Kommittenten auf eine Probe gestellt werden, der er nicht mehr gewachsen ist. Wenn er es dann dem Kommissionär gegenüber ablehnt, diese weiteren Verluste zu tragen, und sich im Prozeß auf die Behauptung steift, es sei zwischen ihnen von vornherein verabredet, daß die effektive Lieferung ausgeschlossen sein sollte, so ist es geboten, die Behauptung auf ihre Wahrheit zu untersuchen, d. h. Beweis aufzunehmen, wie ihn der Beklagte angetreten hat, und dessen Resultate zu würdigen. Der Richter darf solchen juristisch erheblichen Behauptungen nicht durch allgemeine, im vorstehenden übrigens widerlegte Betrachtungen ausweichen. Ebensowenig ist aber daraus allein, daß der Beklagte sich bei e i n e m Geschäft so verhalten hat wie ein Kommittent, welcher den Auftrag zu einem Effektivgeschäft gegeben hat, ein zulässiger Schluß auf die Unwahrheit jener für das gesamte Verhältnis der Parteien erheblichen Behauptung zu ziehen. Weil das Berufungsgericht Beweis über jene direkte Behauptung des Beklagten und die seine der Klägerin angeblich bekannt gewor12 HGB 3

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dene Spielabsicht betreffenden weiteren Behauptungen, welche zur Unterstützung heranzuziehen sind, nicht erhoben hat, unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung." . . . RGZ.34, 117 Börsen- oder Marktpreis als Voraussetzung des Selbsteintrittsredites des Kommissionärs. Bedeutung der „Geldnotierung". Kann sich der Kommissionär beim Mangel eines Börsen- oder Marktpreises darauf berufen, daB er trotzdem durdi seinen Selbsteintritt den Auftrag in einer dem Interesse des Kommittenten entsprechenden Weise ausgeführt habe? Preisnotierung für Termin- und Lokoware? HGB. Art. 376. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 23. Januar 1895 I. Landgericht Königsberg. — II. Oberlandesgericht daselbst. Die Klägerin hatte im September 1891 als Kommissionärin des Beklagten an der Königsberger Börse nicht kontingentierten Spiritus zu 50 M. für 100 Liter zum Frühjahr (6. April) 1892 gekauft und auf Ordres des Beklagten am 4. und 5. April 1892 verkauft, unstreitig aber selbst genommen, obwohl der Königsberger Kursbericht am 4. und 5. April für Terminware nur „Geld" notiert hatte, und die Geschäfte in Frühjahrsspiritus in Wahrheit nicht abgeschlossen waren. Ihre Klage auf die Differenz ist in beiden Instanzen abgewiesen und ihre Revision zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen: „Das Berufungsgericht hat angenommen, daß dem auf Art. 376 HGB. gestützten Rechte der Klägerin zum Selbsteintritte in die aufgetragenen Geschäfte weder ein Verbot des Beklagten entgegengestanden habe noch die Natur der Geschäfte selbst. In dieser Beziehung gibt das angefochtene Urteil, welches die Erklärungen der Parteien und die sonstige Sachlage richtig würdigt und auf dem Boden der Rechtsprechung des Reichsgerichtes steht, zu Bedenken keine Veranlassung. Das Berufungsgericht hat ferner ausgeführt, daß das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs das Bestehen eines Börsen- oder Marktpreises zur Zeit der Ausübung dieses Rechtes notwendig voraussetze, und für den vorliegende Fall angenommen, daß am 4. und 5. April 1892 in Königsberg ein Börsen- oder Marktpreis für am Frühjahrstermin 1892 zu liefernden, nicht kontingentierten Spiritus nicht bestanden habe. Hieraus leitet das Berufungsgericht her, daß die auf dem Selbsteintritte der Klägerin beruhenden Verkäufe von 20 000 und 10 000 Liter Spiritus vom 4. und 5. April unbefugte gewesen seien, vom Beklagten nicht anerkannt zu werden brauchten und nicht als Grundlage der klägerischen Differenzforderung dienen könnten.

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Diese Ausführungen des Berufungsurteils werden von der Revision angegriffen. Die Revisionsklägerin rügt zunächst Verletzung des Art. 376 HGB, indem sie unter Bezugnahme auf ein Urteil des Reichsoberhandelsgerichtes vom 2. Oktober 1874, vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 14 S. 387 ff., das Bestehen eines Börsen- oder Marktpreises zur Zeit der Ausführung des aufgetragenen Geschäftes als Voraussetzung des Selbsteintrittes des Kommissionärs nicht gelten lassen will, sondern meint, es müsse genügen, wenn der Kommissionär den Nachweis erbringe, daß er den erhaltenen Auftrag durch seinen Selbsteintritt in einer dem Interesse des Kommittenten entsprechenden Weise ausgeführt habe. Diese Rüge ist jedoch nicht begründet. Der Berufungsriditer hat aus den Materialien des Gesetzes (im Auszuge mitgeteilt in den Entsch. des ROHG.s Bd. 12 S. 182—187 und bei G r ü n h u t , Recht des Kommissionshandels S. 457—464) überzeugend dargelegt, daß dem Art. 376 HGB. die gesetzgeberische Absicht zugrunde liegt, das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs auf den Einkauf und Verkauf solcher Waren zu beschränken, welche einen Börsen- oder Marktpreis haben, weil der Kommittent ganz der Diskretion des Kommissionärs anheimgegeben sein würde, wenn er nicht wenigstens in dem Börsen- oder Marktpreis einen Vergleichungsmaßstab dafür habe, ob mit dem ihm gesetzten Preis sein Interesse gewahrt sei, und daß dementsprechend zur Rechtfertigung des berechneten Preises der Nachweis des Börsen- oder Marktpreises von seiten des Kommissionärs für erforderlich, andererseits aber auch für genügend erachtet worden ist. Daraus folgert der Berufungsrichter mit Recht, daß das Bestehen eines Börsen- oder Marktpreises zur Zeit der Ausführung des Geschäftes bzw. der Erstattung der Anzeige an den Kommittenten eine Voraussetzung für das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs sei, ohne deren Vorhandensein dasselbe nicht ausgeübt werden dürfe. Es erscheint nicht angängig, dieses Recht allgemein bei solchen Waren zuzulassen, welche häufig gehandelt zu werden pflegen und deshalb in einem weiteren Sinne als „marktgängig" bezeichnet werden können. Auch eine börsen- oder marktgängige Ware in diesem Sinne hat nur dann einen Börsen- oder Marktpreis, wenn sie gehandelt wird, und zwar in solchem Umfange, daß auf Grund der geschlossenen Geschäfte gemäß Art. 353 HGB. ein Börsen- oder Marktpreis festgestellt werden kann. In den Zwischenzeiten, wenn sie nicht gehandelt wird, hat sie keinen Marktpreis, und es fehlt ihr deshalb während solcher Zwischenzeit diejenige Eigenschaft, welche der Art. 376 HGB. als Voraussetzung für das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs aufstellt. Dem Kommittenten ist dann die Möglichkeit der Vergleichung des ihm vom Kommissionär in Rechnung gestellten Preises mit dem Marktpreis, welche ihn gegen einen Vertrauensmißbrauch oder Will12*

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kür des Kommissionärs schützen soll, nicht gegeben. Diese Sicherung des Kommittenten durch einen anderweiten vom Kommissionär zu erbringenden Beweis, daß das Interesse des Kommittenten gewahrt sei, zu ersetzen, entspricht nicht der Absicht des Gesetzes; denn es hätte der Beschränkung des Selbsteintrittsrechtes auf solche Waren, welche einen Börsen- oder Marktpreis haben, nicht bedurft, wenn auch beim Fehlen eines solchen dem Kommissionär das Recht des Selbsteintrittes unter Wahrung seiner allgemeinen, aus Art. 361 sich ergebenden Pflichten gegen den Kommittenten zustehen sollte. Gegenüber dieser auch in der Rechtsliteratur überwiegend vertretenen Meinung, vgl. v. H a h n , Kommentar § 6 zu Art. 376; J a c o b y , Recht der Bank- und Warenkommission S. 180; L e p a , Selbsteintritt des Kommissionärs S. 56ff.; G r ü n h u t , Recht des Kommissionshandels S. 463 (eine widersprechende Äußerung findet sich S. 480), kann den Ausführungen in den Gründen des von der Revisionsklägerin in Bezug genommenen Urteils des Reichsoberhandelsgerichtes, welche ersichtlich von der eigentümlichen Lage des dort zu entscheidenden Falles beeinflußt worden sind, eine maßgebende Bedeutung nicht beigelegt worden. Es handelte sich dort darum, daß der Kommissionär das aufgetragene Geschäft zwar mit einem Dritten abgeschlossen, dies aber in der Ausführungsanzeige dem Kommittenten nicht mitgeteilt hatte und von dem Kommittenten gemäß Art. 376 Abs. 3 als Selbstkontrahent in Anspruch genommen worden war, obgleich zur Zeit der Ausführungsanzeige ein Börsen- oder Marktpreis nicht bestanden hatte. Wenn bei solcher Sachlage das Reichsoberhandelsgericht dem Kommissionär den Nachweis offengelassen hat, daß die Ausführung des Geschäftes eine dem Kommissionsauftrage entsprechende gewesen sei, so ist dies sachlich durchaus gerechtfertigt; denn auch das in Art. 376 Abs. 3 dem Kommittenten eingeräumte Recht, den Kommissionär als Selbstkontrahenten in Anspruch zu nehmen, setzt das Bestehen eines Börsen- oder Marktpreises für die Ware voraus. In Ermangelung eines solchen lag eine gewöhnliche Ausführung des Kommissionsauftrages vor, über welche der Kommissionär in gesetzmäßiger Weise Rechenschaft zu geben hatte. Die Fassung der Urteilsgründe, welche darauf hinauszulaufen scheinen, daß der Kommittent auch beim Mangel eines Markt- oder Börsenpreises sich den Selbsteintritt gefallen lassen müsse, ist allerdings irreführend und der von v. H a h n zu ihrer Rechtfertigung unternommene Versuch (Kommentar zu Art. 376 § 18) wenig befriedigend. Die Revisionsklägerin bekämpft ferner die Annahme des Berufungsrichters, daß am 4. und 5. April 1892 ein Börsenpreis für nicht kontingentierten Frühjahrsspiritus in Königsberg nicht bestanden habe, indem er die „ G e l d n o t i e r u n g " des Börsenberichtes als

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Börsenpreis angesehen wissen will und daneben auf den Preis für L o k o w a r e hinweist. Audi dieser Revisionsangriff ist verfehlt. Daß unter Börsen- und Marktpreis derjenige Preis zu verstehen ist, der sich aus der Vergleichung der über die betreffende W a r e an dem Börsen- und Marktplatz zur fraglichen Zeit geschlossenen größeren Zahl v o n Geschäften ergibt, ist nicht zweifelhaft. Als dieser Preis gilt zunächst derjenige, welcher nach den örtlichen Einrichtungen des betreffenden Handelsplatzes als solcher festgestellt wird, w o b e i nicht bloß amtliche, sondern auch außeramtliche Feststellungen in Betracht kommen, wenn sie nur auf einer festen, anerkannten Einrichtung beruhen. Nun pflegen aber an den Börsenplätzen nicht immer und namentlich nicht ausschließlich die wirklich erlangten („bezahlten") Durchschnittspreise notiert zu werden, sondern daneben oder ausschließlich die Durchschnitts- oder die höchsten und niedrigsten Sätze von Angebot und Nachfrage („Brief" und „Geld"). Der hier in Betracht kommende Königsberger Börsenbericht gibt sowohl die bei Geschäftsabschlüssen wirklich erzielten Durchschnittspreise wie auch die Sätze von Angebot und Nachfrage an. Die Berichte vom 4. und 5. April 1892 enthalten für nicht kontingentierten Frühjahrsspiritus n u r e i n e „ G e l d notiz" von 41 bzw. 41,25 M., der die von der Klägerin dem Beklagten in Rechnung gestellten Preise entsprechen. Diese Notierung bedeutet, daß für die W a r e nur Nachfrage vorhanden war, und d a ß der Nachfragende selbst zu seinem höchsten (notierten) G e b o t e die beweist W a r e nicht erhalten hat. D i e b l o ß e G e l d n o t i z a l s o , d a ß es an d e n f r a g l i c h e n B ö r s e n t a g e n zu wirklichen Abschlüssen nicht gekommen ist, weil s i c h zu d e m g e b o t e n P r e i s e e i n A b g e b e r n i c h t g e f u n d e n h a t . Es kann deshalb für diese Börsentage von einem Börsen p r e i s nicht die Rede sein. Die bloße „ G e l d notierung" ist kein wahrer, aus dem Durchschnitt von einer Mehrzahl geschlossener Geschäfte gezogener Preis, sondern nur ein n o m i n a l e r . Vgl. G o l d s c h m i d t , Handelsrecht Bd. 1, 2 § 64 Anm. 35. Das Fehlen eines Börsenpreises für T e r m i n w a r e (Frühjahrsspiritus) kann a b e r durch die Notierung eines wahren Preises für L o k o w a r e nicht unschädlich gemacht werden. Die Klägerin selbst hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Preise des effektiv und des auf Zeit gehandelten Spiritus verschieden seien, und die getrennte Notierung beider in dem Börsenberichte beweist die Verschiedenartigkeit beider Gegenstände des Handelsverkehrs, die eine verschiedene Preisbildung zur Folge hat. Es darf also nicht geschlossen werden, daß der (nicht notierte) Preis für Frühjahrsspiritus an einem Börsentage derselbe g e w e s e n sein würde, wie der an demselben T a g e notierte Preis für Spiritus loco. ü b e r d i e s ist in den vorgelegten Börsenberichten auch für Spiritus loco nur am 4. April eine Notiz für wirklich geschlossene Geschäfte

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angegeben, und der notierte Preis (41,25 M.) ist höher als derjenige, den die Klägerin dem Beklagten in Rechnung gestellt hat. Als unerheblich zu erachten ist nach obiger Ausführung die gutachtliche Meinung des als Sachverständigen vernommenen Kaufmannes L., daß höchstwahrscheinlich am 4. und 5. April 1892 ein höherer Preis für nicht kontingentierten Frühjahrsspiritus als 41 bzw. 41,25 M. nicht zu erzielen gewesen sein würde; denn es handelt sich nicht um die Ermittlung desjenigen Preises, den die Klägerin bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes im Interesse des Beklagten hätte erzielen können, sondern lediglich darum, ob an jenen beiden Tagen ein Börsen- oder Marktpreis für die zu verkaufende W a r e in Königsberg bestanden hat, zu welchem die Klägerin als Käuferin hätte eintreten dürfen.. Da die Börsenberichte einen solchen Preis nicht ergeben, und die Klägerin nicht zu behaupten vermocht hat, daß außerhalb der Börse am 4. und 5. April Verkäufe von Frühjahrsspiritus in Königsberg stattgefunden haben, so ist diese Frage vom Berufungsrichter mit Recht verneint worden. Die Klägerin war also zum Selbsteintritte nicht befugt; der Beklagte braucht sich den dessenungeachtet erklärten Eintritt als Ausführung seines Auftrages nicht gefallen zu lassen, und seine Weigerung, die aus diesen unbefugten Geschäften hergeleitete Differenzforderung zu bezahlen, ist gerechtfertigt. Die Berufung der Klägerin auf einen ihrem Verhalten zur Seite stehenden Handelsgebrauch, nach welchem im Spiritushandel dem Kommissionär das Eintrittsredit auch bei fehlendem Börsen- oder Marktpreise zustehe, hat der Berufungsrichter aus zutreffenden Gründen zurückgewiesen. Soweit die klägerische Behauptung auf das Bestehen einer unabhängig von dem Parteiwillen eintretenden Rechtsnorm, auf ein Handelsgewohnheitsrecht, abzielen sollte, würde demselben gemäß Art. 1 HGB. die Geltung zu versagen sein, weil es den Vorschriften des Art. 376 HGB. zuwiderlaufen würde. Wollte man aber die Behauptung der Klägerin in dem Sinne eines zur Ergänzung des rechtsgeschäftlichen Parteiwillens heranzuziehenden Handelsgebrauches im engeren Sinne auffassen, so fehlt es an jeder tatsächlichen Grundlage dafür, daß auch für den Geschäftsverkehr unter den Parteien ein solcher Geschäftsgebrauch angenommen werden müsse. Die gerügte Verletzung des Art. 279 HGB. ist also nicht anzuerkennen." . . . RGZ. 40, 187 Wer als Beauftragter oder Kommissionär im Interesse des Auftraggebers oder Kommittenten in eigenem Namen einen Vertrag schliefst, kann gegen seinen Mitkontrahenten aus dessen Vertragswidrigkeit auch auf Ersatz des dem Auftraggeber oder Kommittenten hierdurch

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erwachsenen Schadens klagen, und wenn er den Auftrag an einen Dritten weitergegeben hat, auf Grund der Abtretung des Anspruches des Dritten gegen den vertragswidrigen Mitkontrahenten des letzteren. VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. November 1897. I. Landgericht Hof. — II. Oberlandesgericht Bamberg.

Aus den G r ü n d e n : „Der Beklagte C. Sdi. in Wunsiedel kaufte im Juni 1894 von der Firma C. H. D. & Co. in New York 500 kg Senegawurzeln um den Preis von 2308,56 M., welchen Betrag die Verkäuferin mittels eines auf den Käufer gezogenen Wechsels d. d. 29. Juni 1894, zahlbar 60 Tage nach dato, entnehmen wollte. Diesen Wechsel und die über die Waren ausgestellten Konnossemente übersandte die Klägerin im Juli 1894 der Firma A. E. W. in Bamberg mit dem Auftrage, das Akzept des Bezogenen einzuholen und letzterem gegen sein Akzept die Konnossemente auszuhändigen. Die genannte Firma schickte die Papiere mit Schreiben vom 17. Juli 1894 an die mitverklagte Firma Sch. & Z. in Wunsiedel mit dem gleichen Auftrage, wobei sie besonders hervorhob, daß die Konnossemente nur bei Annahme des Wechsels auszuliefern seien. Die Firma Sch. & Z. ließ dem Beklagten C. Sch. den Wechsel durch ihren Buchhalter K. zur Annahme präsentieren. C. Sch. akzeptierte den Wechsel nur zum Teilbetrage von 1008,56 M, überdies mit einem auf die Warenbestellung vom Juni 1894 und ein angebliches Guthaben an die Firma C. H. D. & Co. bezüglichen Beisatze, erhielt aber gleichwohl die Konnossemente von K. ausgehändigt. Im Auftrage der Klägerin ließ die Firma H. Br. in Wunsiedel am 29. August 1894 den Wechsel gegen C. Sch. protestieren. Dieser erklärte hierbei, er bezahle auch den akzeptierten Teilbetrag nicht, weil die Ware, für welche der Wechsel gezogen worden, als nicht ordnungsmäßig geliefert dem Absender zur Verfügung gestellt sei. Die Firma A. E. W. hat alle Rechte, welche ihr gegen die Firma Sch. & Z. daraus zustehen, daß letztere die Schiffspapiere, obwohl C. Sch. den Wechsel nicht akzeptiert hatte, an diesen auslieferte, an die Klägerin zediert. Mit der erhobenen Klage verlangt die Mitteldeutsche Kreditbank die samtverbindliche Verurteilung beider Beklagten zur Bazhlung von 2308,56 M. nebst 6°/o Zinsen vom 29. August 1894 an . . . Die Klage ist in folgender Weise begründet: Klägerin habe von der Firma M., Sch. & Co. in New York, welche ihrerseits von der Firma C. H. D. & Co. den (mit dem Indossamente dieser Firma auf M., Sch. & Co. versehenen) Wechsel und die auf Ordre gestellten Konnossemente käuflich erworben habe, den Auftrag erhalten, das Akzept des Bezogenen gegen Aushändigung der Konnossemente einzuholen. Sie stehe mit der Firma M., Sch. & Co.in einem Kontokorrentverhältnis und habe hieraus ein Guthaben, welches jene ihr um den Betrag von 2083,56 M. gekürzt

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habe, weil sie den Wechsel mit den Konossementen nicht habe zurückgeben können. Klägerin sei also um den genannten Betrag, welcher sich mit dem Werte der Waren decke, beschädigt, und hierfür haften die beiden Beklagten solidarisch. Der Beklagte C. Sch. habe sich nämlich durdi näher beschriebene betrügliche Vorspiegelungen, er werde voll und unbedingt den Wechsel akzeptieren, und das in englischer Sprache geschriebene beschränkte Akzept sei ein Vollakzept, von der Firma Sch. & Z., beziehungsweise von deren Buchhalter K. die Aushändigung der Konossemente zu verschaffen gewußt. Diese Aushändigung, die erfolgt sei entgegen dem Inhalte des von der Firma A. C. W. erteilten Auftrages, beruhe auf einem von der verklagten Firma Sch. & Z. zu vertretenden Versehen. Sie müsse für das Verhalten ihres Budihalters e i n s t e h e n . . . Die gegen die Firma Sch. & Z. erhobene Klage sei hiernach die Mandatsklage. Klägerin könne den Anspruch aus dem mandatswidrigen Verhalten der Firma Sch. & Z. jedenfalls geltend machen, nachdem die Firma A. C. W. ihre entsprechenden Ansprüche der Klägerin zediert habe. Der Anspruch gegen den Beklagten C. Sch. stütze sich dagegen auf das von ihm verübte Delikt des Betruges . . . Berufungsgericht hat die Klage a b g e w i e s e n . . . Die Revision ist jedenfalls in Ansehung der Klage gegen die Firma Sch. & Z. begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Anschauung, daß nach Lage der Sache Klägerin selbst nicht als beschädigt angesehen werden könne, zur Begründung der Klage gegen die Firma Sch. & Z. in dieser Beziehung insbesondere die Tatsache der Belastung der Klägerin mit dem Betrage von 2308,56 M. durch die Firma M., Sch. & Co. nicht genüge, daß also Klägerin nur auf Grund einer Zession des wirklich Beschädigten, der Firma C. H. D. & Co. oder der Firma M., Sch. & Co., den gegen die verklagte Firma verfolgten Anspruch verfolgen könnte. Ob sich ein eigener Schade der Klägerin überhaupt nicht konstruieren ließe, kann hier dahingestellt bleiben. Kein Zweifel kann darüber bestehen, daß im vorliegenden Falle die Beteiligten zwar in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung kontrahiert haben. Dies würde auch von der Firma M., Sch. & Co. gelten, wenn sie, wie Beklagter behauptet, den Wechsel und die Konnossemente nicht erworben, sondern nur mit dem Auftrage erhalten hätte, die Konnossemente gegen das Wechselakzept des Bezogenen (des Käufers) C. Sch. diesem auszuhändigen. Im gemeinen Rechte hat nun derjenige, welcher in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung mit einem anderen kontrahiert, g e g e n l e t z t e r e n aus diesem Vertrage auch einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, welcher s e i n e m A u f t r a g g e b e r durch die Kontraktwidrigkeit des anderen Kontrahenten entsteht. Dadurch, daß er im Interesse eines Dritten kontrahiert, macht er dessen Interesse zu dem seinigen.

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Vgl. 1. 28 (27) Dig. de neg. gest. 3, 5; 1. 8 § 3 Dig. mand. 17, 1, 1. 81 § 1 Dig. de V. O. 45, 1; 1. 14 Dig. si quis caut. 2, 11; Z i m m e r m a n n , im Neuen Archiv für Handelsrecht Bd. 1 S. 48 ff.; W i n d s c h e i d , Pandekten Bd. 2 § 258 Nr. 3 Anm. 19; S t a u b , Kommentar zum Handelsgesetzbuch Art. 360 § 9; v. H a h n , Kommentar zum Handelsgesetzbuch 2.Aufl. Bd. 2 Anm. 1 zu Art. 368. Dieser, auch in der Praxis der Gerichte anerkannte und vielfach angewendete, Rechtsatz, s. S e u f f e r t s Archiv Bd. 11 Nr. 36, Bd. 14 Nr. 23, Anmerkung, Bd. 33 Nr. 19, Bd. 32 Nr. 132; Entsch. des ROHG.s Bd. 11 S. 259 ff., Bd. 14 S. 400, Bd. 17 S. 78, Bd. 22 S. 253; Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 12 S. 112; vgl. Bd. 27 S. 126, ist allgemeiner Natur, für den Verkehr gar nicht zu entbehren, und nach ihm kann der Beauftragte insbesondere auch gegen den von ihm wieder Beauftragten, wenn dieser den Auftrag kontraktswidrig nicht oder mangelhaft erfüllt hat, mit der Mandatsklage das Interesse des ursprünglichen (ersten) Auftraggebers verfolgen. Hierbei ist ganz abzusehen davon, ob den Beauftragten, der in solcher Weise klagt, vielleicht gegenüber seinem Auftraggeber der Vorwurf seines Verschuldens trifft, und auch darauf möchte kein ausschlaggebendes Gewicht gelegt werden dürfen, ob der Mitkontrahent wußte, daß der andere für Rechnung, im Interesse eines Dritten handle, übrigens wird vorliegenden Falles nicht bezweifelt werden können, daß die verklagte Firma sich bewußt war, den fraglichen Auftrag von der Firma A. C. W. nicht für deren eigene Rechnung zu erhalten. Daß der wirklich materiell Interessierte, der erste Auftraggeber, hierbei hervorgetreten ist, ist nicht erforderlich. Hiernach hatte die Firma A. C. W. hier zunächst den Anspruch gegen die verklagte Firma auf Ersatz des Schadens, der, sei es der Firma M., Sch. § Co., oder der Firma C. D. H. & Co., durch die Mandatswidrigkeit der verklagten Firma entstanden war, und diesen Anspruch k a n n jetzt die Klägerin, nachdem ihr die Firma W. denselben abgetreten hat, verfolgen. Die Klage ist ja von der Klägerin nicht bloß aus eigenem Recht derselben, sondern a u c h aus dem abgetretenen Recht der Firma W. gegen die Beklagte erhoben, und diese Abtretung hat nach dem Ausgeführten klagbegründende Bedeutung. Das Berufungsgericht spricht sich nicht darüber aus, nach welchem Rechte es die vorliegende Klage beurteilt hat. Abgesehen von dem Eingreifen handelsrechtlicher Grundsätze, ist allerdings, weil die verklagte Firma in Wunsiedel, woselbst das preußische Allgemeine Landrecht gilt, ihre Niederlassung, und dort ein Geschäft zu besorgen übernommen hat, nicht das gemeine, sondern das preußische Recht anzuwenden. Die zuvor für das gemeine Recht entwickelten Grundsätze müssen aber auch für das Geltungsgebiet des preußischen Landrechtes zur Anwendung kommen. Sie ergeben sich aus der Sachlage selbst,

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wenn jemand in eigenem Namen für fremde Rechnung kontrahiert hat, und sind durch die Bedürfnisse des Verkehrs geboten. Besondere Bestimmungen des preußischen Landrechts, insbesondere diejenige des § 154 ALR. I. 13, stehen der Anwendung nicht entgegen. Vgl. Entsch. den ROHG.s Bd. 17 S. 78 ff. zu § 790 Sächs. BGB. übrigens wird es darauf nicht einmal ankommen. Denn die hier Beteiligten sind Kaufleute und haben zweifellos den fraglichen Auftrag in Ausübung ihres Handelsgewerbes übernommen (Art. 290 HGB.). Sollten sich auch nicht gewerbsmäßig Kommissionsgeschäfte betreiben (Art. 360 HGB.), so müssen doch in der hier in Rede stehenden Beziehung die oben entwickelten Grundsätze, welche für das Verhältnis des Kommissionärs zu seinem Mitkontrahenten überall maßgebend sind, Vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 22 S. 249 f f . ; Zimmermann a. a. O. S. 48, 49, zur Anwendung gelangen. Das angefochtene Urteil mußte hiernach in Ansehung der Klage gegen die Firma Sch. & Z. aufgehoben, und die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, ohne daß hier auf die von dem Berufungsgerichte noch gar nicht erörterte Frage einzugehen ist, ob, bzw. in welchem Umfange der ersten Auftraggeberin aus der behaupteten kontraktswidrigen Handlungsweise der verklagten Firma eine Schade erwachsen ist." (Im weiteren ist ausgeführt, daß auch die Zurückweisung der gegen C. Sch. erhobenen Deliktsklage auf unzureichenden Gründen beruhe.) RGZ. 47, 118 1. Unter welchen Umständen ist der Einkaufskommissionär verpflichtet, bei Beanstandung der Ware durch den Kommittenten einen ProzeB mit dem Verkäufer Uber Abnahme und Bezahlung der Ware zu führen? Voraussetzungen des Ersatzanspruches des Kommissionärs. 2. Beweislast, wenn der Käufer bestreitet, daß die Ware die vereinbarte Herkunft habe. 3. Kann der Kommissionär, weldier auf Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit klagt, Zahlung an sich selbst, oder nur Zahlung an seinen Gegenkontrahenten verlangen? I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 10. Dezember 1900. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Kläger behauptete, er habe im Auftrage und für Rechnung des Beklagten, aber in eigenem Namen nach Maßgabe des Bestätigungsschreibens vom 5. Juli 1899 900 Kisten Kalifornische Santa-KlaraPflaumen, Marke Hermes, unter der Bedingung „Kassa — 1 Prozent

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gegen Verladungsdokumente, Oktober Abladung von Kalifornien" von der Firma R. & W. in Hamburg gekauft. Nachdem am 22. November 1899 die Verkäuferin dem Kläger das über die Ware gezeichnete Konnossement de dato Soisun Cal. 31. Oktober 1899 nebst der Kaufpreisberechnung vom 21. November 1899 zur Einlösung und Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 5886,77 M. angedient hatte, lehnte der Beklagte dem Kläger gegenüber — nach Verhandlungen unter den Parteien, über welche kein Einverständnis herrscht, und aus welchen Kläger ein Versprechen des Beklagten, die Dokumente einzulösen, herleitet — die Einlösung ab, weil in Suisun abgeladen, und danach anzunehmen sei, daß die Pflaumen nicht, wie es dem Kaufe entsprechen würde im Santa-Clara-Thale gewachsen seien. Demzufolge weigerte auch Beklagter, seiner Käuferin gegenüber die Aufnahme der Dokumente und wurde von dieser auf Zahlung des Kaufpreises verklagt. Die W a r e selbst traf im Dezember 1899 in Hamburg ein und wurde von der Verkäuferin auf Lager genommen. Der Kläger war der Meinung, daß Beklagter Dokument und Ware ohne Grund beanstande, und verlangte, daß er von der eingegangenen Verbindlichkeit befreit werde, bzw. daß Beklagter ihm die Mittel dazu gewähre. Der Beklagte leugnete, daß zwischen ihm und dem Kläger ein Kommissionsverhältnis bestehe; vielmehr habe er die Pflaumen unter den angegebenen Bedingungen von dem Kläger gekauft. Jedenfalls sei er nur verpflichtet, Santa-Clara-Pflaumen — die einen höheren Handelswert als andere kalifornische Pflaumen von im übrigen gleicher Güte hätten (Beweis: Gutachten kalifornischer Firmen, sowie des State board of trade in San Franzisko) — abzunehmen, und solche könnten unmöglich in Suisun verladen sein, weil, wie die Landkarte ergebe, dieser Ort nördlich vom Santa-Clara-Tal in Solano liege, in einer Entfernung, für welche ein Schnellzug 7Vs Stunden gebrauche, während die Ware, wie das Konnossement ergebe, mit der Sunset-Route, also in südlicher Richtung, nach New Orleans befördert sei. Ferner könne von ihm nur Zahlung Zug um Zug verlangt werden, Kläger sei aber weder in der Lage, ihm die Dokumente, noch die Ware anzudienen. Dieser könne eventuell erst dann Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit verlangen, wenn auf Grund der Entscheidung des von der Verkäuferin anhängig gemachten Rechtsstreites feststehe, daß er deshalb zahlen müsse, weil die Bemängelung des Beklagten unbegründet sei. Demgegenüber erklärte Kläger es für zweifelhaft, ob Beklagter Pflaumen verlangen könne, die im Santa-Clara-Tale gewachsen seien, trat aber gleichzeitig Zeugenbeweis dafür an, daß solche Pflaumen angedient seien. Der erste Richter beschloß, Beweis darüber zu erheben, ob die streitigen, bei R. & W. lagernden Pflaumen kalifornische

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Santa-Clara-Pflaumen seien, erhielt aber von der Handelskammer die Auskunft, daß sie Sachverständige nicht bezeichnen könne, da da der Begriff .kalifornische Santa-Clara-Pflaumen" kein feststehender sei. Das Landgericht verurteilte alsdann den Beklagten, indem es das behauptete Kommissionsverhältnis für erwiesen erachtete, der zweiten Alternative des Klageantrages gemäß zur Zahlung an den Kläger. In der Berufungsinstanz wiederholte Beklagter die früheren Einwendungen und führte aus, daß die Auskunft der Handelskammer unzutreffend sei, indem er unter Bezugnahme auf beigebrachte schriftliche Erklärung zahlreicher Hamburger Kaufleute Sachverständigenbeweis antrat dafür, daß „Santa-Clara-Pflaumen" ein feststehender Handelsbegriff sei. Er legte auch Schriftstücke vor zum Beweise für die höhere Bewertung der Santa-Clara-Pflaumen und bemerkte, er habe die Pflaumen jetzt besichtigt; doch sei durch die bloße Besichtigung nicht festzustellen, ob sie im Santa-Clara-Tale gewachsen seien, übrigens könne auch nicht zugegeben werden, daß die Pflaumen sonst von guter Qualität seien. Kläger habe zu beweisen, daß die Ware im SantaClara-Tale gewachsen sei, umsomehr als die Verladung in Suisun dagegen spreche. Eventuell beziehe Beklagter sich auf Gutachten Sachverständiger dafür, daß die Ware nicht kontraktlich sei. Kläger erwiderte: auf Grund der Klausel „Kassa gegen Verladungsdokumente" sei Beklagter zur Zahlung verpflichtet, sofern sich aus den Dokumenten ein Grund zur Monitur nicht ergebe. Letzteres sei nicht der Fall; denn der Abladeort spreche keineswegs gegen die Provenienz der Pflaumen aus dem Santa-Clara-Tale. Die Angabe des Beklagten über die Eisenbahnverhältnisse und die Versendung mit der SunsetRoute seien gleichgültig, könnten aber auch als richtig nicht zugegeben werden. Derartige Konnossementsformulare würden auch für andere Linie der Pazifikbahn benutzt. Es sei nichts Ungewöhnliches, daß eine Ware von ihrem Ursprungsorte zunächst nach einem dritten Orte, wo sie ihre handelsmäßige Verpackung erhalte, versandt und erst von hier aus verladen werde. So sei im vorliegenden Fall verfahren worden (Beweis: Zeugen und Sachverständige). Die Berufung wurde verworfen und die hiergegen eingelegte Revision zurückgewiesen aus folgenden Gründen: . . . „Mit Recht ist der Vorderrichter davon ausgegangen, daß die Entscheidung in der Hauptsache davon abhängt, ob der K l ä g e r seinem Verkäufer gegenüber berechtigt war, die Annahme des ihm am 22. November 1899 angedienten Konnossements zu verweigern. 1. Die Annahme, daß nach Maßgabe des Schreibens des Klägers vom 5. Juli 1899 zwischen den Parteien in bezug auf den vom Kläger abgeschlossenen Kauf ein Kommissionsverhältnis bestanden hat, läßt sich mit Grund nicht bekämpfen . . . Bestand aber ein solches Kommis-

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sionsverhältnis, so kommt nach Lage des Falles der zwischen dem Kläger und seinem Verkäufer schwebende Prozeß nicht in Betracht. An sich freilich konnte Beklagter als Kommittent verlangen, daß Kläger als sein Kommissionär das für Erfüllung des Kaufvertrages angediente Konnossement bzw. die dahinter stehende Ware als unkontraktlich zurückwies und den dadurch entstehenden Rechtsstreit auf ordnungsmäßigem Wege zur Entscheidung brachte. Dabei wird aber vorausgesetzt, daß Beklagter das Kommissionsverhältnis anerkennt und dem Kläger Schadloshaltung für die Prozeßkosten zusagt, auf Verlangen auch sicher stellt. Ebenso wird vorausgesetzt, daß Kläger sich nicht bereits — wie es hier der Fall zu sein scheint — durch eine besondere Anerkennung dem Verkäufer gegenüber präjudiziert hat, vermöge deren es wahrscheinlich ist, daß eine Entscheidung zu seinen Ungunsten schon jener Anerkennung wegen ergehen wird, ohne daß die Kontraktlichkeit der Ware geprüft wird. In Ermangelung der ersten Voraussetzung kann von dem Kommissionär, der seinerseits den Anspruch des Verkäufers für berechtigt hält, nicht verlangt werden, darüber im Interesse des Kommittenten, welcher auch das Kommissionsverhältnis bestreitet und sich nicht für regreßpflichtig erklären will, noch einen Prozeß zu führen und weitere Kosten zu übernehmen, obwohl er hierzu berechtigt bleibt. Was die zweite anlangt, so muß dem Kommissionär das Recht zugestanden werden, dem Kommittenten gegenüber nachzuweisen, daß die an sich präjudizierliche Anerkennung für ihn ohne Wirkung gewesen ist, weil der Kontrakt auch ohnehin hätte erfüllt werden müssen. In beiden Fällen ergibt sich allerdings als notwendige Konsequenz, daß der Kommissionär, welcher jene Prozeßführung ablehnt, dem Kommittenten gegenüber den Beweis, daß die Verbindlichkeit an sich zu Recht bestand, zu führen hat, welche Beweisführung normalerweise seinem Gegenkontrahenten in dem anderen Prozesse obgelegen haben würde. Im vorliegenden Falle steht fest, daß Beklagter das Kommissionsverhältnis bestreitet, und demgemäß dem Kläger Schadloshaltung für die Kosten der Prozeßführung gegen den Verkäufer verweigert. Es kommt daher nicht weiter darauf an, ob auch sonstige Gründe — insbesondere eine Anerkennung des Klägers, wegen deren bereits in erster Instanz ein Urteil gegen ihn ergangen ist — vorliegen, welche die Weigerung des Klägers, den Prozeß gegen den Verkäufer fortzuführen, als berechtigt erscheinen lassen. Er kann ohne weiteres vom Beklagten Befreiung von der für ihn eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen, vorausgesetzt, daß er beweist, daß dieselbe an sich zu Recht bestand. Die Beweislast ist somit im gegenwärtigen Prozeß keine andere, als sie in einem Prozeß des Verkäufers gegen den Kommissionär sein würde. Mit Recht ist der Einwand zurückgewiesen, daß Beklagter nur Zug um Zug zu erfüllen habe, und daß Kläger zur Zeit nicht in der Lage

Handelsgesetzbuch sei, die Ware zu liefern, da er sie erst von dem Verkäufer empfangen müsse. Von dem Kommissionär kann in Ermangelung einer besonderen Garantie, die nicht vorliegt, nicht Erfüllung des kommittierten Geschäftes verlangt werden, sondern nur Zession der Rechte gegen den Gegenkontrahenten, die bislang nicht gefordert ist. 2. Was nun die Hauptfrage anlangt, ob der Verkäufer Erfüllung des Kaufgeschäftes, insbesondere Einlösung des angedienten Konnossements an sich, auch abgesehen von einer etwaigen Anerkennung des Klägers, verlangen konnte, so hat Beklagter mit Unrecht behauptet, daß der Vorderrichter sich mit dem Urteil des Senats in den Entscheidungen des Reichsgerichts (Entsch. desselben in Zivils. Bd. 31 S. 100) in Widerspruch gesetzt hat. Dieses Urteil kommt hier in keiner Weise in Betracht, nicht sowohl aus dem vom Vorderriditer angeführten Grunde, daß die Andienung des Konnossements vor Eintreffen der Ware in Hamburg erfolgt ist, sondern vor allem deswegen, weil die Beanstandung der Ware sidi auf den Wortlaut des Konnossements selbst stützt, also eine Beanstandung des letzteren nicht nur in sich schließt, sondern auch, wie Beklagter ausdrücklich erklärt, durch eine Untersuchung der W a r e nicht als gerechtfertigt dargetan werden könnte. Zwar hat Beklagter außerdem noch erklärt, er könne nicht zugeben, daß die Qualität der Ware an sidi eine gute sei, dodi kann hierin eine genügend substanziierte und daher beachtliche Mängelrüge nicht erblickt werden. Der Streit dreht sich daher in der Hauptsache um die Frage, ob Beklagter, bzw. sein Kommissionär, der Kläger, verpflichtet ist, die auf das von Suisun datierte Konnossement abgeladenen Pflaumen abzunehmen, bzw. dieses Konnossement einzulösen, indem Beklagter die Rüge erhebt, daß auf ein derartiges Konnossement unmöglich die von ihm bzw. für ihn gekauften Santa-Clara-Pflaumen abgeladen sein könnten. W ä r e das Konnossement z. B. von San José oder von einem anderen Ort des Santa-Clara-Tales datiert, so würden die Einwendungen des Beklagten schon der tatsächlichen Begründung entbehren. Es erscheint deswegen völlig gleichgültig, ob die Ware gleichzeitig mit, vor oder nach der Andienung des Konnossements in Hamburg angelangt ist. Die Berechtigung der Rüge anlangend, steht fest, daß Kläger kontraktlich die Lieferung von Santa-Clara-Pflaumen verlangen kann, auch hat Beklagter gegenüber der Erklärung der Handelskammer einen an sich beachtlichen Beweis dafür angetreten, daß der Handel hiermit einen bestimmten Begriff, nämlich den der Provenienz aus dem SantaClara-Tal, verbindet, und daß Pflaumen der fraglichen Sorte gegenüber anderen Pflaumen von sonst gleicher Güte im Handel höher bewertet werden. Es kann jedoch die Annahme des Vorderrichters, daß bisher keinerlei Anhalt dafür vorliegt, daß Santa-Clara-Pflaumen n i c h t angedient waren, nicht als rechtsirrtümlich oder auf Verletzung

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prozessualer Grundrechte beruhend, erachtet werden. Die allgemeinen mit der Entfernung des Abladeortes vom Santa-Clara-Tal operierenden Erwägungen des Beklagten rechtfertigen diese Schlußfolgerung durchaus nicht und werden durch die Gegenerwägungen des Klägers entkräftet. Das Konnossement selbst spricht mehr dafür, daß die W a r e direkt über Land nach New York, als daß sie, wie der Beklagte bei jenen Erwägungen unterstellt, über New Orleans transportiert ist. Freilich hat der Vorderrichter ebensowenig festgestellt, daß tatsächlich Santa-Clara-Pflaumen angedient waren, oder daß nach den Gepflogenheiten des in Frage stehenden Handelszweiges ein von Suisun datiertes Konnnossement als ein soldies angesehen werden muß, auf welches Santa-Clara-Pflaumen abgeladen sind. Er ist daher bei seiner zuungunsten des Beklagten getroffenen Entscheidung stillschweigend von der Rechtsansicht ausgegangen, daß diesen die Beweislast für die vorliegende Streitfrage trifft, und hierin ist ihm allerdings beizutreten. Von der Regel, daß der Verkäufer beim Genußkauf das Vorhandensein zugesagter Eigenschaften der Sache beweisen muß, wird gemäß der Anschauung des Verkehrs eine Ausnahme zu machen sein, wenn es sich um eine vereinbarte Provenienz der Ware handelt, welche durch Untersuchung der letzteren nicht feststellbar ist. Ist in diesem Falle nicht zugleich eine Vereinbarung über den Nachweis der Provenienz getroffen und besteht in dieser Beziehung ebensowenig eine Usance, so wird man dem Käufer in Ermangelung eines von ihm zu führenden Gegenbeweises den Empfang einer Ware zumuten müssen, welche nach äußerer und innerer Beschaffenheit die zugesagte Herkunft haben k a n n . Anderenfalls würde der Verkäufer Schwierigkeiten und Weiterungen ausgesetzt sein, die der Verkehrsanschauung nicht entsprechen. Da eine Handelsware vielfach von Hand zu Hand geht, wird ihr letzter Ursprung in vielen Fällen überhaupt nicht nachgewiesen werden können. Dennoch pflegt der Kaufmann die ihm mit der Angabe eines bestimmten Ursprungs verkaufte Ware mit derselben Angabe unbedenklich weiter zu begeben, ohne sich den Nachweis der Herkunft zu sichern. Es beruht dies darauf, daß dem Käufer in der Regel nicht sowohl an dem Ursprung, als an den durdi diesen Ursprung verbürgten Eigenschaften der Ware gelegen ist, und daß der Verkäufer daher regelmäßig nicht darauf gefaßt zu sein braucht, daß er die Provenienz als s o l c h e beweisen muß. Kommt es aber, wie es bei manchen Waren der Fall ist, auf letztere an, so wird auch regelmäßig, sei es infolge ausdrücklicher Abrede, sei es auf Grund einer Usance, kein Zweifel darüber bestehen, daß und wie, z. B. durch ein Ursprungsattest, durch die Originalpackung des Erzeugers, durch dessen auf die Ware gesetzte Marke usw., der Nachweis zu erbringen ist. Nach der sich in diesen Verhältnissen kundgebenden Anschauung des Verkehrs war es gerechtfertigt, auch im vorliegenden Fall einen

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Beweis des Beklagten dafür zu gewärtigen; daß ihm Santa-ClaraPflaumen n i c h t angedient sind, da einerseits weder die Beschaffenheit der Ware noch sonst ein erhebliches Moment dagegen spricht, daß auf das fragliche Konnossement Santa-Clara-Pflaumen abgeladen sind, andererseits Beklagter weder eine Abrede noch den Bestand einer Usance behauptet hat, wonach ihm ein bestimmter Nachweis des kontraktlichen Ursprungs der W a r e zu erbringen wäre. Daß er insbesondere nicht mit einen Nachweis dergestalt verlangen kann, daß der im Konnossement bezeichnete Abladeort im Santa-Clara-Tal oder in unmittelbarer Nähe desselben gelegen ist, ergibt sich aus dem auch vom Berufungsgericht herangezogenen Umstände, daß lediglich „Abladung von Kalifornien" vereinbart war. 3. Allerdings hat Beklagter nun auch sich eventuell auf Gutachten Sachverständiger dafür bezogen, daß die W a r e nicht kontraktlich sei. Diese Beweisantretung kann jedoch nach den Umständen des Falles nicht für genügend erachtet w e r d e n . " . . . (Wird näher ausgeführt.) „4. Da somit der dem Beklagten obliegende Beweis der seiner Rüge zugrundeliegenden Tatsachen nicht erbracht ist, muß die angediente Ware bzw. das angediente Konnossement als kontraktlich gelten. Wenn Beklagter schließlich noch die A r t seiner Verurteilung mit der Begründung angefochten hat, daß er nur zur Zahlung an den Verkäufer, nicht an den Kläger verpflichtet sei, so kann auch dieser Angriff keinen Erfolg haben. Es ist zwar richtig, daß der Kommissionär, wie jeder Beauftragte, prinzipiell nur Befreiung von der für Rechnung des Kommittenten eingegangenen Verbindlichkeit, nicht Zahlung des von ihm geschuldeten Betrages zu seinen Händen verlangen kann (1. 45 pr. Dig. mand. 17, 1 ; vgl. §§ 670, 675, 257 BGB.). Andererseits entspricht es vielfach dem Auftragsverhältnis, insbesondere aber regelmäßig der kaufmännischen Kommission, daß die Befreiung durch Zahlung des Beauftragten an seinen Gläubiger erfolgt, und daß der Auftraggeber ihm zu diesem Zweck entweder vor Eingehung der Verbindlichkeit den erforderlichen Vorschuß oder nachträglich die erforderliche Deckung leistet. Jedenfalls steht es dem Kommittenten der Regel nach frei, seiner Verpflichtung gegenüber dem Kommissionär in dieser Form zu genügen, und er ist an sich nicht verpflichtet, mit dem Kontrahenten des Kommissionärs deswegen in Verbindung zu treten. Es war daher richtig, daß der Kläger im vorliegenden Falle einen alternativen Klageantrag stellte und damit dem Beklagten die Wahl überließ, seiner Verpflichtung in der einen oder anderen Weise nachzukommen. Beklagter hat aber in erster Instanz eine Wahl nicht getroffen, und der erste Richter hat, vermutlich in der Annahme, daß ihm eventuell die g e w ö h n l i c h e Erledigung des Kommissionsverhältnisses genehm sein würde, gewissermaßen das Wahlrecht für ihn — ob mit Recht oder Unrecht, kann dahingestellt bleiben — ausgeübt

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und auf Verurteilung nach der zweiten Alternative erkannt. Zweifellos hätte Beklagter dieser Verfügung des ersten Richters in der Berufungsinstanz widersprechen und sein Wahlrecht nachträglich im anderen Sinne ausüben können. Da aber Beklagter das erste Urteil in der Berufungsinstanz in diesem Punkte nicht beanstandet hat, hat er sich mit der getroffenen Wahl eventuell einverstanden erklärt und kann von dieser stillschweigenden Willenserklärung in der Revisionsinstanz nicht wieder zurücktreten." . . . RGZ.63, 30 Was gehört zu der im § 405 Abs. 1 HGB. geforderten ausdrücklichen Eintrittsanzeige des Kommissionärs? II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 6. März 1906.

I. Landgericht I Berlin, Kammer für Handelssachen. — II. Kammergericht daselbst.

Aus den G r ü n d e n : . . . „Das Berufungsgericht erwägt, der Kläger habe durch den — im Wortlaut mit dem an der Berliner Produktenbörse üblichen Schlußsdieine übereinstimmenden — Schlußschein und das Bestätigungsschreiben vom 17. Februar 1903 n i c h t im Sinne des § 405 Abs. 1 HGB. a u s d r ü c k l i c h erklärt, daß er selbst eintreten wolle. Der Revisionskläger rügt, das Berufungsgericht verkenne dadurch den rechtlichen Begriff der Ausdrücklichkeit im § 405 a.a.O. Dieser Angriff ist nicht begründet. Zunächst ist nicht nötig, zu der vielumstrittenen Frage Stellung zu nehmen, was grundsätzlich zu einer a u s d r ü c k l i c h e n Willenserklärung im Gegensatze zu einer s t i l l s c h w e i g e n d e n zu erfordern sei, und wie die einzelnen Stellen des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Handelsgesetzbuchs, die das Wort „ausdrücklich" gebrauchen, zu verstehen seien. Denn für das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Handelsgesetzbuchs ist der Standpunkt zu billigen, daß das Wort „ausdrücklich" kein technisches sei, und daß für jeden einzelnen Fall seines Gebrauches seine Bedeutung festgestellt werden müsse. Deshalb handelt es sich im gegebenen Falle nur darum, welche Bedeutung das Wort „ausdrücklich" im § 405 Abs. 1 HGB. hat. Nach Zweck, Bedeutung und Enstehungsgeschichte dieser Bestimmung muß, um dem Erfordernisse der Ausdrücklichkeit im § 405 zu genügen, u n z w e i d e u t i g d u r c h W o r t e ausgedrückt werden, daß der Kommissionär vom Recht des Selbsteintritts Gebrauch gemacht habe. Von dieser Auffassung des Gesetzes aus hat das Berufungsgericht rechtlich nicht geirrt, wenn es annahm, der Schlußschein und das Bestätigungsschreiben vom 17. Februar 1903 habe nach der Sachlage keine solche ausdrückliche Erklärung des Selbsteintritts enthalten. Zutreffend erwägt es: Die in der Ubersendung des Schlußscheins und des BestätigungsHGB. 3

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söireibens ohne die ausdrückliche Mitteilung des Selbsteintritts zunächst liegende Ausführungsanzeige könne an sich nur als Erklärung angesehen werden, daß die Ausführung durch Abschluß des Geschäfts mit einem nicht namhaft gemachten Dritten erfolgt sei; daraus aber, daß der Kläger selbst den Schlußschein wie ein Verkäufer vollzog, könne — insbesondere unter den hier obwaltenden Umständen — noch nicht geschlossen werden, daß er damit andere Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten übernommen habe, als wie sie ihm schon nach § 384 Abs. 3 HGB. oblagen. Der Kläger hatte sich noch auf einen Handelsgebrauch berufen, nach welchem bei den an der Berliner Produktenbörse abgeschlossenen Kommissionsgeschäften der Eintritt des Kommissionärs durch Ubersendung eines Schlußscheins des hier vorliegenden Inhalts erfolgen soll. Dieses Vorbringen beseitigt das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei schon mit der Erwägung, der Kläger habe als Ausführungsanzeige nicht bloß den Schlußschein, sondern auch das Begleitschreiben vom 17. Februar 1903 übersendet; letzteres sei aber wegen der darin enthaltenen Stellen: „Sie haben einen sehr guten Kauf gemacht, da der Preis heute 3U M. höher gewesen ist." „Auf dieses Geschäft v e r g ü t e n Sie mir 1 °/o vom Wertbetrage, die usancemäßige Maklergebühr und die Stempelauslagen", wie näher ausgeführt wird, mehr deutig, insbesondere auch in dem Sinne abgefaßt, er, der Kläger, habe nur als Kommissionär mit einem Dritten abgeschlossen. Es war daher nicht erforderlich, die über diesen angeblichen Handelsgebrauch erbotenen Beweise zu erheben." . . . RGZ. 63, 301 Die verschiedenen Möglichkeiten des Inhalts eines Konsignationsvertrags. Hat der Kommissionär die Befugnis, die ganze Kommission auf einen anderen zu übertragen? Rechtsfolge unstatthafter Übertragung der Kommission. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 14. Mai 1906. 1. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgeridit daselbst. Laut einer Faktura vom 28. Juni 1901 hatte die Klägerin zufolge Order der Firma H. & St. eine Konsignationssendung (Fakturenbetrag 5713,20 Frs.) an J. M. L., Amsterdam, transit, abgehen lassen, und durch ein in einem Vorprozeß ergangenes und rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts war die Firma H. & St. verurteilt worden, der Klägerin über jene Konsignationssendung Abrechnung nebst Belegen und über den Verbleib der Waren Auskunft zu erteilen. Die Firma H. & St. hatte eingewendet, daß das Konsignationsgeschäft zwischen J. M. L. in Amsterdam und der Klägerin geschlossen und von ihr, der Beklagten, nur gegen Provision vermittelt worden sei. Dieser Einwand wurde durch das erwähnte Urteil verworfen.

195 Am 18. Februar 1904 schrieb die Firma H. & St. an die Klägerin, sie sende in der Beilage die Abrechnung über die Konsignation an J. M. L. vom 28. Juni 1901 mit einem Nettoprovenu von 1063,75 M.; jedoch sei das nur eine vorläufige Abrechnung, wie sie sie von ihren Amsterdamer Anwälten erhalten habe; L. habe ihr mitgeteilt, daß sein Kunde in Soerabaya (Java), Br., falliert habe, und deshalb nichts mehr von ihm zu bekommen sei; sie habe die Abrechnung nicht als genügend angesehen und infolgedessen gegen L. die erforderlichen Schritte eingeleitet, um von ihm die ganze Summe der Mindestpreise zu erlangen; sobald sie von L. Geldbeträge erhalte, werde sie sie unverzüglich an die Klägerin abführen. Die dem Schreiben beigefügte Anlage war überschrieben „vorläufige Abrechnung"; es fand sich darin der Betrag der Faktura vom 28. Juni 1901 mit 5713,20 Frs. = 4624,98 M. vorgemerkt, und darunter die Notiz „Abrechnung von J. M. L. 23 '/• = 1063,75 M". Ausgehend davon, daß diese Mitteilungen ungenügend seien, und den Standpunkt vertretend, daß sie, da die Firma H. & St. weder eine ordnungsmäßige Abrechnung erteilt, noch Auskunft darüber, was mit der Ware geschehen sei, gegeben habe, jetzt berechtigt sei, den Fakturenbetrag zu fordern, eventuell auch unter Eideszuschiebung behauptend, daß die Firma H. & St. im April 1901 das Delkredere für den Fakturenbetrag übernommen habe, verlangte nunmehr die Klägerin Verurteilung des Beklagten als des Inhabers der Firma H. & St. zur Zahlung von 5713,20 Frs. (4627,69 M.) nebst Zinsen, eventuell Verurteilung zur Herausgabe der in der Konsignationsfaktura verzeichneten Waren. Der Beklagte widersprach diesem Verlangen und bestritt insbesondere die behauptete Übernahme des Delkredere. Vom Landgericht wurde der Beklagte dem ersten Klageantrage gemäß verurteilt, wogegen auf die Berufung des Beklagten vom Oberlandesgericht, nachdem die Leistung des dem Beklagten über die Übernahme des Delkredere zugeschobenen und von ihm angenommenen Eides durch Beweisbeschluß angeordnet worden, und ungeachtet des Widerspruchs der Klägerin gegen die Zulässigkeit dieser Anordnung die Abnahme des Eides erfolgt war, die Klage abgewiesen wurde. Auf die Revision der Klägerin wurde das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt aus folgenden Gründen: „Bei einer Konsignation, d. h. einer Kommission, deren Ziel der Verkauf einer Ware in einem überseeischen Lande ist, kann der zwischen dem Warenbesitzer und seinem Kommissionär abgeschlossene Vertrag verschiedenen Inhalts sein. Es ist möglich, 1. daß der Kommissionär selbst — sei es auch durch einen in seinem Namen Handelnden — den Verkauf im Auslande vornehmen 13-

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soll, in welchem Falle also die Kommission eine Verkaufskommission ist; 2. daß zwei Kommissionsverhältnisse vorliegen: eines zwischen dem Warenbesitzer und einem inländischen Exporthause, bei welchem dieses nur beauftragt wird, für Rechnung des Auftraggebers, aber in eigenem Namen einem überseeischen Hause eine Verkaufskommission zu erteilen, bei welchem mithin die Kommission nur eine Kommission im Sinne des § 406 HGB. ist; ein zweites, das gemäß der ersten Kommission zwischen dem Exporthause und dem überseeischen Hause begründet wird und folglich ein Verkaufskommissionsverhältnis ist. Es können aber auch 3. drei Kommissionsverhältnisse zur Enstehung gelangen, in der Weise nämlich, daß der erste Kommissionär es nur übernimmt, die Ware einem inländischen oder doch europäischen Hause zur weiteren Konsignation an ein überseeisches Haus zu übergeben, und an diese erste Kommission sich dann zwei dem Fall 2 entsprechende Kommissionen anschließen. Endlich kann 4. die Sache so liegen, daß an und für sich der Fall 2 gegeben ist, jedoch bei oder nach Abschluß des ersten Kommissionsgeschäfts vom ersten Kommittenten seinem Kommissionär die Befugnis eingeräumt wird, die ganze Kommission auf einen anderen zu übertragen. Eine solche Befugnis hat g e s e t z l i c h der Kommissionär nicht1). Wurde aber vom ersten Kommittenten seinem Kommissionär die Substitutionsbefugnis eingeräumt, und wird von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, dann ist das Rechtsverhältnis zwischen dem ersten Kommittenten und seinem Kommissionär nicht anders zu beurteilen, als wenn von vornherein der Fall 3 vorgelegen hätte. Zur Abweisung der erhobenen Klage ist nun das Oberlandesgericht auf Grund der Annahme gelangt, es habe dem Inhalt der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen entsprochen, daß die Firma H. & St. die Ware nicht unmittelbar einem Hause in Soerabaya konsigniert, sondern zur weiteren Konsignation an ein solches Haus der Firma J. M. L. in Amsterdam in Kommission gegeben habe. Ob sidi, wie die Revision meint, das Oberlandesgericht durch die so begründete Klageabweisung mit dem rechtskräftigen Urteil des Vorprozesses in Widerspruch gesetzt hat, kann unerörtert bleiben. Der Revision ist darin beizutreten, daß durch das vorliegende, vom Oberlandesgericht aber nicht vollständig berücksichtigte Urkundenmaterial die erwähnte Annahme nicht gerechtfertigt wird. Aus ihm ergibt sich vielmehr folgendes. In einem von dem damaligen Vertreter der Klägerin R. an diese gerichteten Briefe vom 6. April 1901 ist in ganz unbestimmter Weise von einem Geschäftsfreunde der Firma H. & St., der hätte eintreffen ') Vgl. G r ü n h u t , Das Recht des Kommissionshandels S. 312.

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sollen, die Rede; über dessen rechtliches Verhältnis zur Firma H. & St. wird nichts gesagt. Am 15. April 1901 schreibt derselbe Vertreter an die Klägerin: H. &St. verzichteten auf Sumatra, ihnen liege mehr an Soerabaya; wenn sie dort reüssierten, würden sie das Geschäft weiter ausdehnen, und deshalb schickten sie jetzt schon einen Reisenden hinüber . ..; das Haus, mit welchem Genannte (H. & St.) in Soerabaya in Verbindung ständen, habe weder direkt noch durch eine holländische Firma von der Klägerin bezogen. Auf das allerdeutlichste wird hier also die Klägerin auf eine bestehende Geschäftsverbindung der Firma H. & St. mit einem Hause in Soerabaya hingewiesen. Am 16. April 1901 schreibt dann die Klägerin an R.: „Wir erklären uns hiermit bereit, dieser Firma (H. & St.) den Alleinverkauf unserer Fabrikate für Java und Sumatra unter folgenden Bedingungen zu ü b e r t r a g e n . . . " ; und nachdem hierauf H. & St. am 18. April an R. u. a. geschrieben hatten: . W i r werden die Partie zu den von der Fabrik zu fakturierenden Preisen verkaufen", setzt am 19. April R. die Klägerin davon in Kenntnis, daß H. & St. mit ihren Bedingungen einverstanden seien. Damit war der Vertrag zum Abschluß gelangt; man hatte sich dabei (durch die Briefe vom 15., 16., 18. und 19. April) darüber verständigt, daß die Klägerin an eine ihr zu nennende Amsterdamer Firma weder direkt noch indirekt liefern dürfe, vielmehr etwaige Aufträge dieser Firma zur Effektuierung an H. & St. zu überweisen habe, und als diese Amsterdamer Firma war dann der Klägerin die Firma J. M. L. genannt worden; in keiner Weise aber war angedeutet, daß die Firma J. M. L. irgend etwas mit dem Geschäft zu tun haben werde, daß zwischen H. & St. und der Klägerin abgeschlossen wurde. Unzweifelhaft wurde vielmehr durch die den Vertragsabschluß enthaltenden Willenserklärungen der Firma H. & St. eine Kommission erteilt, die n i c h t dahin ging, ein anderes Handlungshaus mit der Konsignation der Ware nach Soerabaya zu beauftragen. Hält man sich an den Wortlaut der Erklärungen, so muß man sogar die erteilte Kommission für eine V e r k a u f s kommission halten. Auf dem Standpunkt, daß es sich um eine solche handle, steht indes die Klägerin selbst nicht. Sie behauptet nur eine Exportkommission der oben unter 2. gekennzeichneten Art; und den erwähnten Verhandlungen sowie einem noch besprechenden Briefe der Klägerin vom 9. Juli 1901 ist auch zu entnehmen, daß es nur auf eine solche abgesehen, mit dem „Verkaufen" somit das Verkaufenlassen durch ein von H. & St. zu beauftragendes javanisches Haus gemeint war. Fragen kann sich demnach nur noch, ob etwa n a c h Abschluß des Kommissionsvertrags der Firma H. & St. von der Klägerin gestattet worden ist, die ihr erteilte Kommission auf die Firma J. M. L. zu übertragen. Daß das ausdrücklich geschehen sei, dafür ist nichts beigebracht. Befolgt hat unstreitig die Klägerin die von H. & St. durch R.

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erhaltene Weisung vom 25. April 1901: „Senden Sie gefl. die für H. & St. bestimmten Waren nicht an seine (so) Adresse hierher, sondern auf Veranlassung dieser Firma an Herrn J. M. L.r Amsterdam." Daraus war keineswegs erkennbar, daß H. & St. sich für die ganze Kommission die Firma J. M. L. substituieren wollten. Diese Firma konnte sehr wohl, wenn nicht nur eine Speditionsfirma, so dodi nur eine Speditions- und Agenturfirma sein, welche die Vertragschließung zwischen H. & St. und dem überseeischen Konsignatar vermittelte, und darum kann aus der Befolgung der erhaltenen Weisung von seiten der Klägerin so wenig, wie daraus, daß ihr mit einem Briefe R.s vom 26. April 1901 eine „Originalorder" von J. M. L. übersandt wurde, die Zustimmung der Klägerin zu einer Übertragung der Kommission auf J. M. L. gefolgert w e r d e n . . . Hinzu kommt dann aber der Brief der Klägerin an H. & St. vom 9. Juli 1901, in welchem sie schreibt: „Wir haben das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß wir die Konsignationssendung für Ihre Freunde in Soerabaya am 28. v. Mts. an Herrn J. M. L. in Amsterdam transit abgesandt haben . . . Einliegend beehren wir uns, Ihnen Faktura h i e r ü b e r . . . zu überreichen, und hoffen gerne, daß Ihre überseeischen Freunde in der Lage sind, einen schnellen und vorteilhaften Verkauf der Waren zu bewerkstelligen." Die Klägerin hat also die Weisung vom 25. April 1901 nicht stillschweigend, sondern unter einer Kundgebung befolgt, durch die sie mit vollster Deutlichkeit die Firma H. & St. wissen ließ, daß diese, und nicht die Firma J. M. L., von ihr als diejenige angesehen wurde, welche die Ware an ein Haus in Soerabaya zu konsignieren habe, und dem haben H. & St. nicht widersprochen. Erst in ihrem Schreiben vom 6. August 19 0 2 nach eingetretener Zahlungsunfähigkeit von J. M. L. machen sie den Versuch, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß die Klägerin an J. M. L. konsigniert habe. — Hat hiernach die Firma H. & St. dadurch, daß sie die ihr erteilte Kommission auf die Firma J. M. L. übertrug, vertragswidrig gehandelt, so folgt daraus ihre Verpflichtung zum Schadensersatz, und deshalb ist im Ergebnis die Entscheidung des Landgerichts für richtig zu erachten. Gerechtfertigt ist es insbesondere, daß das Landgericht die Schadensersatzforderung der Klägerin in Höhe des Fakturenpreises der Kommissionsware zuerkannt hat. Vgl. Entsch. des Oberappellationsgerichtes Lübeck in Hamburger Sachen Bd. 3, S. 148 ff." . . . RGZ. 96, 4 Rechtliche Bedeutung der Zeichnung auf neu aufgelegte Wertpapiere bei einem Bankier, der Weitergabe dieser Zeichnung an die Hauptzeichnungsstelle und der Zuteilung von Wertpapieren durch diese an den Bankier. HGB. §§ 383, 392, 400, 405.

199 I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 7. Mai 1919.

I. Landgericht Nürnberg. — II. Oberlandesgeridit daselbst.

Im Januar 1914 wurden vierprozentige preußische Schatzanweisungen mit sechsmonatiger Sperrfrist zur Zeichnung aufgelegt. Der Bankier B. forderte seine Kunden auf, ihm Zeichnungen zugehen zu lassen, wobei er erklärte, daß die zugeteilten Stücke zu den Originalbedingungen beredinet werden würden. B., dem eine Reihe von Zeichnungen seitens seiner Kunden zugegangen war, zeichnete dann im eigenen Namen auf die Schatzanweisungen bei vier Zeichnungsstellen (deutschen Großbanken) einen höheren Betrag als die 105 500 M., welche bei ihm von seinen Kunden gezeichnet waren. Auf seine Zeichnung erhielt er von den genannten Zeichnungsstellen insgesamt 110 000 M. Schatzanweisungen zugeteilt, wovon er seinen Kunden insgesamt 105 500 M. überwies, und zwar den Klägern zusammen 22 000 M. Er verständigte seine Kunden von dieser Zuteilung und erteilte jedem von ihnen durch Schreiben vom 14. Februar 1914 Abrechnung. Auch gab er ihnen Gutscheine, gegen deren Rückgabe der betreffende Kunde „oder Überbringer" die zugeteilten Schatzanweisungen sollte in Empfang nehmen können. Sämtliche Kunden bezahlten den Zeichnungspreis entsprechend der ihnen erteilten Abrechnung. Am 8. August 1914 starb B. Sein Nachlaß ist überschuldet. Der Nachlaßverwalter traf mit sämtlichen Gläubigern des B. ein Ubereinkommen, daß von der Eröffnung eines Konkursverfahrens abgesehen und der Nachlaß nach den Grundsätzen des Konkursverfahren liquidiert werden sollte. Von den Banken, bei welchen B. die Schatzanweisungen gezeichnet hatte, wurden die Stückverzeichnisse seiner Firma Ende August 1914 erteilt. Die Kläger, die zusammen 22 000 M., also den fünften Teil der gesamten dem B. auf seine Zeichnungen zugeteilten Schatzanweisungen gezeichnet und bezahlt haben, verlangen gemeinschaftlich den fünften Teil, d. i. 5000 M., der jetzt in dem Besitz und der freien Verfügung des Nachlaßverwalters befindlichen 25 000 M. Schatzanweisungen mit der Behauptung, daß B. für sie als Kommissionär gehandelt habe und ihnen daher gemäß § 392 Abs. 2 HGB. zur Herausgabe verpflichtet sei. Der Beklagte bestreitet diesen Anspruch, da kein Kommissionsvertrag vorliege, B. auch keine Ausführungs-, sondern Deckungsgeschäfte vorgenommen habe und im Effektenhandel für die Anwendung von § 392 Abs. 2 HGB. überhaupt kein Raum sei. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Revision wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : „1. Das Berufungsgericht geht zunächst von dem in der Rechtsprechung und im Schrifttum allgemein anerkannten Grundsatz aus, daß der Kunde, der sich an seinen Bankier wegen Anschaffung eines

Handelsgesetzbuch Wertpapiers wendet, regelmäßig mit diesem nicht einen Kauf, sondern ein Kommissionsgeschäft abschließen will, und daß, wenn trotzdem das erstere angenommen werden soll, dafür besondere Umstände vorliegen müssen (RGZ. Bd. 43 S. 111; D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g HGB. 2. Aufl. Bd. 3 S. 534, § 383 Anm. 22 S t a u b HGB. 9. Aufl. § 383 Anm. 9; B r e i t , Anhang zum Komm, des BörsG. S. 337). Es führt dann weiter aus, daß solche besonderen, für ein Kaufgeschäft sprechenden Umstände hier nicht vorlägen, wohl aber besondere Umstände, welche auf ein Kommissionsgeschäft hinwiesen. Dies wird im einzelnen näher dargelegt und nach allgemeinen und besonderen Gesichtspunkten begründet, vornehmlich unter Betonung der Eigenartigkeit des vorliegenden Emissionsgeschäfts, welches von dem gewöhnlichen Effektenhandel wohl zu unterscheiden sei. Es kann dazu durchweg auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Auf Grund dieser rechtlich einwandfreien Erwägungen kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß Sinn und Zweck der Einreichung der Zeichnung der Kläger bei dem Bankier B. gewesen sei, daß dieser die gewünschten Wertpapiere für Rechnung der genannten Zeichner im eigenen Namen unmittelbar oder durch Vermittlung eines „Zentralbankiers" bei der betreffenden Emissionsstelle (Bankkonsortium) erwerben sollte, daß B. dementsprechend gehandelt habe und somit ein Kommissionsgeschäft vorliege . . . Zu Unrecht greift die Revision den restlichen Ausgangspunkt der Erwägungen des Berufungsgerichts an, daß in Fällen der vorliegenden Art kein Kauf-, sondern ein Kommissionsgeschäft vorliege. Insbesondere kann hiergegen nichts aus den von dem Revisionskläger angezogenen Ausführungen bei D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g Anm. 20 zu § 383, Bd. 3 Seite 533, und B r e i t a.a.O. S. 326, 327, hergeleitet werden, wonach bei der Effektenkommission die Ausführung der Kommission durch Selbsteintritt des Kommissionärs die fast ausnahmslose Regel bilden und demnach die Vermutung für ein Deckungsgeschäft sprechen soll. Denn abgesehen davon, daß die betreffenden Erörterungen der genannten Schriftsteller den erwähnten Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Effektenhandel und dem hier fraglichen Emissionsgeschäft unberührt lassen, beziehen sie sich gar nicht auf die hier zur Entscheidung stehende Frage, ob zwischen den Klägern und B. zunächst ein Kauf oder ein Kommissionsgeschäft zum Abschluß gekommen ist. Vielmehr gehen sie davon aus, daß ein Kommissionsgeschäft an sich vorliegt, und behandeln nur die Art der Ausführung dieser Kommission durch den Kommissionär. Für die Frage aber, ob zunächst ein Kommissions- oder ein Kaufvertrag abgeschlossen ist, schließen sich auch die beiden genannten Schriftsteller der herrschenden Meinung an (vgl. D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g HGB. § 383 Anm. 22; B r e i t S. 337). Schließlich sind auch nicht die von der Revi-

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sion angezogenen Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 19 S. 355 und Reichsgerichts Bd. 6 S. 46, Bd. 18 S. 20 nach der hier maßgeblichen Richtung hin zu verwerten. 2. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die Tatsache, daß ein vom Kommissionär geschlossenes Geschäft sich mit dem Inhalt einer vorher von ihm übernommenen Kommission in allen Punkten deckt, für sich allein nicht entscheidend ist hinsichtlich der Frage, ob der Kommissionär ein Ausführungs- oder ein Deckungsgeschäft vorgenommen hat ( D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g § 392 Anm. 2; S t a u b § 383 Anm. 11; B r e i t S. 325, 326), und daß der Kommittent, der das betreffende Geschäft des Kommissionärs für sich in Anspruch nimmt, dafür beweispflichtig ist (S t a u b § 383 Anm. 11; RGZ. Bd. 6 S. 48). Es verkennt ferner nicht, daß auf Grund ausdrücklicher und stillschweigender Vereinbarung der Parteien die in § 400 Abs. 1 und § 405 Abs. 1 HGB. vorgesehenen Beschränkungen hinsichtlich des Selbsteintritts des Kommissionärs abgeändert werden können derart, daß dieser Selbsteintritt auch bei Wertpapieren zulässig ist, bei denen ein Börsenoder Marktpreis amtlich nicht festgestellt ist ( D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g § 400 Anm. 2; S t a u b § 400 Anm. 4), und daß die in § 405 Abs. 1 HGB. vorgesehne Form der Selbsteintrittserklärung nicht innegehalten zu werden braucht (Düringer-Hachenburg § 405 Anm. 13; S t a u b § 405 Anm. 6). Das Berufungsgericht führt dann aber aus, daß hier ein Selbsteintritt des Kommissionärs weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden sei, und daß in Fällen der vorliegenden Art, wo es sich um eine Emission von Wertpapieren handle, die damals noch für längere Zeit gesperrt waren und einen amtlich festgestellten Börsenoder Marktpreis nicht hatten, ein Handelsgebrauch dahin, daß der Kommittent sich durch den Kommissionsauftrag stillschweigend mit dem Selbsteintritte des Kommissionärs einverstanden erkläre, nicht vorhanden sei. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und entziehen sich der Nachprüfung im gegenwärtigen Verfahren. Sie sind in Gemäßheit der Verhandlungen in der Berufungsinstanz in eingehender W e i s e unter Hervorhebung der besonderen Eigenart des vorliegenden Emissionsgeschäftes begründet worden, so daß von der seitens des Revisionsklägers behaupteten Verletzung von §§ 286, 551 Ziff. 7 ZPO. keine Rede sein kann. Scheidet aber der Gesichtspunkt einer die Vorschriften von § 400 Abs. 1 und § 405 Abs. 1 HGB. ändernden Vereinbarung zwischen den Klägern und B. aus, so hat das Berufungsgericht ohne erkennbaren Rechtsirrtum angenommen, daß ein Selbsteintritt und ein damit zusammenhängendes Deckungsgeschäft auf Seiten des B. nicht in Frage komme, vielmehr ein Ausführungsgeschäft vorliege. Hierbei ist in rechtlich nicht zu beanstandender W e i s e erörtert worden daß B. mit seinen an die betreffenden Kunden gerichteten Erklärungen

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vom Februar 1914 die Ausführung der Kommission angezeigt habe, ohne ausdrücklich zu bemerken, daß er selbst eintreten wolle, und daß er somit gemäß § 405 Abs. 1 HGB. erklärt habe, daß die Ausführung durch Abschluß des Geschäfts mit einem Dritten für Rechnung des betreffenden Kommittenten erfolgt sei. Hieran anknüpfend hat das Berufungsgericht zutreffend die Schlußfolgerung gezogen, daß die Forderungen des B. gegen die Banken, bei denen er gezeichnet hatte, auf Lieferung der Wertpapiere im Verhältnis zwischen den Klägern und B. oder dessen Gläubigern gemäß § 392 Abs. 2 als Forderungen der Kläger zu gelten hätten. Denn die von der Revision aufgestellte Behauptung, daß bei der Effekten-Kommission § 392 Abs. 2 HGB. überhaupt keine Anwendung finde, trifft in dieser Allgemeinheit nicht einmal bei Ankauf börsengängiger Wertpapiere (dem regulären Effekten-Kommissionsgeschäft, vgl. auch D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g § 392 Anm. 24) zu, geschweige denn bei Kommissionsgeschäften der hier fraglichen Art anläßlich der Emission gesperrter Effekten. Die übrigen Ausführungen des Berufungsgerichtes, wonach die Kläger in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Konkursordnung ein Aussonderungs- bzw. Ersatzaussonderungsrecht in dem hier beanspruchten Umfange hinsichtlich der Ansprüche des B. gegen die betreffenden Banken auf Lieferung der fraglichen Wertpapiere haben, sind von der Revision im Grundgedanken nicht bemängelt worden. Sie lassen auch nach der hier wesentlichen Richtung hin keinen Rechtsirrtum erkennen. Allerdings hat B. derzeit nur hinsichtlich der 105 500 M. Schatzscheine, auf welche der Gesamtauftrag seiner Kunden lautete, und nicht auch wegen der ihm außerdem zugeteilten 4500 M Schatzscheine als Kommissionär gehandelt und Ausführungsgeschäfte abgeschlossen. In diesen 105 500 M. stecken aber die von den Klägern bzw. ihren Rechtsvorgängern gezeichneten 22 000 M. Danach beträgt der klägerische Anteil an den beim Beklagten befindlichen 25 000 M. Wertpapieren Vs derselben mit 5000 M" ... RGZ. 101, 380 Zur Unterscheidung zwischen Kauf und Kommissionsgesdiäft. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 4. März 1921. I. Landgericht Frankfurt a. M., Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst. Die Klägerin behauptete, von dem Beklagten im Juli 1919 35 Waggonladungen Buchenbrennholz und 15 Waggonladungen geschnittenes Laubholz gekauft zu haben, und forderte die Lieferung dieser Hölzer und Ersatz des Verzugsschadens. Das Landgericht verurteilte den Beklagten durch Teilurteil zur Lieferung. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, weil zwischen den Parteien nicht ein Kaufvertrag geschlossen, sondern der Beklagte nur als Einkaufskommissionär für die Klägerin tätig geworden sei. Auf die Revision der Klägerin ist das ange-

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fochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. „ .. Grunde: Das Berufungsgericht gründet seine Annahme, daß zwischen den Parteien nicht ein Kauf-, sondern ein Kommissionsgeschäft geschlossen worden sei, im wesentlichen darauf, daß die Klägerin dem Beklagten außer dem vereinbarten Preise noch eine Provision zu zahlen hatte. Es legt damit diesem Umstände, der allerdings unter Umständen für die Annahme eines Kommissionsgeschäftes mit verwertet werden mag, eine zu große Bedeutung bei. Die Vereinbarung einer Provision schließt keineswegs die Annahme eines Kaufgeschäfts grundsätzlich aus. Ein Kaufpreis kann sehr wohl in der Weise vereinbart werden, daß zu dem Anschaffungspreis des Verkäufers ein Zuschlag als Entgelt für did jedem Handelsbetriebe innewohnende Vermittlertätigkeit bewilligt wird (vgl. ROHG. Bd. 3 S. 44, Bd. 12 S. 123; RGZ. Bd. 3 S. 109, Bd. 94 S. 66). Die Vereinbarung eines festen Preises, wie sie hier vorliegt, bildet jedenfalls ein zwar nicht schlechthin entscheidendes, aber doch sehr wesentliches Moment für die Annahme eines Kaufvertrags (vgl. RGZ. Bd. 3 S. 110, Bd. 94 S. 66, aber auch Bd. 94 S. 289). Was das Berufungsgericht sonst zur Begründung seiner Auffassung anführt, ist nicht geeignet, eine selbständige Stütze hierfür zu bilden. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage die Angaben des Beklagten selbst im Rechtsstreit nicht ausreichend gewürdigt habe. Kann auch nicht entscheiden, wie die Parteien beim Vertragsschluß und im Rechtsstreit das Rechtsverhältnis bezeichnet haben, so können doch die tatsächlichen Behauptungen der Parteien eine wesentliche Grundlage für die Feststellung der rechtlichen Natur des Vertragsverhältnisses bilden. In dieser Hinsicht kann in Betracht kommen, daß der Beklagte behauptet hatte, beim Abschluß des Vertrages erklärt zu haben, er liefere nur, wenn auch seine Lieferantin liefere. Einer solchen Erklärung hätte es nicht bedurft, wenn die Parteien ein Kommissionsgeschäft ins Auge gefaßt hätten. Völlig ausgeschlossen aber wäre die Annahme eines Kommissionsgeschäftes, wenn die Parteien, wie der Beklagte selbst behauptet hat, über die Partie Holz verhandelt hätten, die der Beklagte damals bereits gekauft hatte, und dies der Klägerin damals bekannt gewesen wäre. Das Wesen des Kommissionsgeschäftes liegt in dem Auftrage des Kommittenten an den Kommissionär, für ihn zu kaufen oder zu verkaufen, und in der Übernahme der Verpflichtung seitens des Kommissionärs, diesen Auftrag auszuführen. Von einem solchen Auftrag aber kann keine Rede sein, wenn ein Ankauf der Ware durch den, der sie liefern soll, gar nicht mehr in Frage kommt, weil er sie, wie beiden Teilen bekannt, bereits gekauft hat. Daß der Kommissionär das Recht zum Selbsteintritt hat, kann die Unterordnung eines derartigen Vertrages unter den Begriff des Kommissionsgeschäftes nicht rechtfertigen.

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RGZ. 101, 413 1. Zur Anwendung des § 384 Abs. 3 HGB. 2. Ist es ein Sadunangel der Ware, wenn sie aus dem Ausland eingesdimuggelt ist, oder wenn trotz des Erwerbs durch einen gutgläubigen Käufer noch die Möglichkeit ihrer Beschlagnahme nacb § 94 StPO. besteht? 3. Begründet der VerstoB gegen § 9 Nr. 1 BVO. über den Handel mit Tabakwaren vom 28. Juni 1917 (RGBl. S. 563) die Nichtigkeit des Kaufgeschäfts? II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 11. März 1921. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst. Nach dem Inhalte der Klageschrift hat die Klägerin im Februar 1919 102 200 Stüde Zigarren, sog. Schweizer Stumpen, welche sie von einer M a n n h e i m e r Firma g e k a u f t hatte, zum Preise von 35 401,75 M. an die Beklagte verkauft. Dieser Betrag, in dem eine Vergütung von 2°/» aus 34 237 M. „laut u n s e r e s Briefes vom 18. Februar 1919" sowie V e r p a k kungskosten mit 480 M. inbegriffen sind, war nach der Faktura sofort nach Empfang der W a r e zu bezahlen, und wurde eingeklagt. Die Beklagte verweigerte die Zahlung deshalb, weil die 102 200 Schweizer Stumpen sofort, nachdem sie aus Mannheim bei ihr eingetroffen waren, auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Waldshut beschlagn a h m t wurden. Die Beschlagnahme erfolgte im Strafverfahren w e g e n Zollhinterziehung auf Grund des Verdachts, daß die Stumpen unter Umgehung des Zolles und unter Verletzung des Einfuhrverbots o h n e Einfuhrbewilligung in das Gebiet des Deutschen Reiches eingesdimuggelt worden seien. In dem durch Zurücknahme der Berufung der mehreren Angeklagten rechtskräftig gewordenen Urteil des Schöffengerichts Waldshut vom 4. September 1919 ist denn auch festgestellt, daß die der Firma Gr. & We. gelieferten Schweizer Stumpen o h n e Verzollung und unter Verletzung des Einfuhrverbots in das Gebiet des Deutschen Reichs verbracht worden sind. Außerdem ordnet jenes Urteil die Einziehung „der in Hamburg beschlagnahmten Stumpen beziehungsweise deren Erlös" an. Des weiteren erhob die Beklagte den Einwand des Kettenhandels, auch suchte sie die Nichtigkeit des Geschäfts daraus herzuleiten, daß die Klägerin ohne die erforderliche Erlaubnis Handel mit T a b a k w a r e n getrieben habe. Diesen Einwänden gegenüber wies die Klägerin im Laufe des landgerichtlichen V e r f a h rens darauf hin, daß sie, wenn sie auch wie ein Verkäufer der Beklagten Faktura gegeben habe, doch „eigentlich lediglich Kommissionär* gewesen sei und den Einkauf der Beklagten in Mannheim vermittelt habe. Sie legte a u d i Abschrift ihres Schreibens an die Beklagte v o m 18. Februar 1919 vor, worin es heißt: sie überreiche der Beklagten ein Angebot für Schweizer Stumpen in Originalpackung, das sie soeben von ihren Freunden in Mannheim erhalten habe und sei bereit, Bestel-

205 Iungen darauf gegen eine Vergütung von 2°/o für die Vermittlung des Einkaufs entgegenzunehmen. Durch Beschluß des Amtsgerichts Hamburg vom 12. Mai 1919 wurden „auf Antrag der Staatsanwaltschaft Waldshut" die bei der Beklagten beschlagnahmten Schweizer Stumpen — 102 200 Stüde — freigegeben, nachdem die Beklagte den Betrag von 34 237 M. beim Amtsgericht H a m b u r g hinterlegt hatte. Das Landgericht hat der Klage entsprochen, das Oberlandesgericht d a g e g e n sie abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin w u r d e aufgehoben und zurückverwiesen. Gründe: Entsprechend der Darstellung in der Klageschrift, die von der Beklagten in der Klagebeantwortung zunächst als richtig bezeichnet wurde, geht das Berufungsgericht davon aus, daß zwischen den Parteien ein Kaufvertrag mit dem aus der Faktura vom 28. Februar 1919 ersichtlichen Inhalt zustande gekommen sei. Nun hatte aber die Klägerin schon in erster Instanz unter Hinweis auf ihr Schreiben an die Beklagte vom 18. Februar 1919 vorgetragen und auch im Berufungsv e r f a h r e n daran festgehalten, daß sie der Beklagten gegenüber in Wirklichkeit nur Einkaufskommissionär habe sein wollen u n d g e w e s e n sei. Das Berufungsgericht erwägt hierzu, wenn auch die Klägerin in j e n e m Schreiben sich bereit erklärt habe, Bestellungen der Beklagten auf Schweizer Stumpen gegen eine Vergütung von 2°/« für die Einkaufsvermittlung entgegenzunehmen, so sei sie doch mit der F a k t u r a vom 28. Februar 1919 nicht als Vermittler oder Kommissionär, sondern als Verkäufer aufgetreten. Außerdem verweist das Berufungsgericht, w a s die Verkäufereigenschaft der Klägerin angeht, noch auf seine Urteilsausführungen in einer anderen ähnlich liegenden Sache. Dort sind aber für die Annahme, daß es sich um ein Kaufgeschäft, nicht um Kommission handle, Briefe verwertet, die nur den Verkehr zwischen j e n e n Prozeßparteien berühren, für den jetzigen Rechtsstreit d a g e g e n nicht in Frage kommen. Ob sich die Auffassung, daß die Klägerin der Beklagten gegenüber Verkäuferin gewesen, auf die Ubersendung der Faktura vom 28. Februar 1919 und deren Inhalt stützen läßt, ist mit Rücksicht darauf, daß sie in der Faktura, bei A n f ü h r u n g ihrer Vergütung von 2 °/o, auf das Schreiben vom 18. Februar 1919 Bezug nimmt, zum mindesten zweifelhaft. Es kann dies aber dahingestellt bleiben, d e n n jedenfalls ergibt sich die Haftung der Klägerin für die Erfüllung des Geschäfts und damit auch für etwaige Gewährschaftsmängel der W a r e (§§ 459 ff. BGB.) aus der Vorschrift des § 384 Abs. 3 HGB. In dem Schreiben vom 18. Februar 1919 hat die Klägerin der Beklagten bezüglich der Schweizer Stumpen ihre Dienste als Einkaufskommissionär gegen eine Vergütung von 2°/« angeboten, ohne den Dritten, mit dem das Geschäft abgeschlossen werden sollte, namhaft zu machen; sie

206 spricht darin nur von einem von „ihren Freunden in Mannheim" erhaltenen Angebot. Auch bei Ubersendung der Faktura vom 28. Februar 1919, worin — wenn man sich auf den Standpunkt der Klägerin stellt — die Anzeige von der Ausführung der Kommission erblickt werden kann, hat eine Benennung des Dritten, des Verkäufers der Schweizer Stumpen, nicht stattgefunden. Damit ist die im § 384 Abs. 3 HGB. bestimmte Folge eingetreten, daß die Klägerin wie ein Verkäufer für die Erfüllung des Geschäfts einzustehen, also auch die Gewährschaftshaftung wegen Mängel der Ware zu übernehmen hat. Insoweit, als das Berufungsgericht der Klägerin diese Haftung an sich aufbürdet, ist daher das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Dagegen kann dem Vorderrichter nicht darin beigetreten werden, daß die Schweizer Stumpen zu der Zeit, da sie bei der Beklagten eintrafen und damit die Gefahr auf die Käferin überging, mit einem Sachmangel (§ 459 Abs. 1 Satz 1 BGB.) behaftet gewesen seien. Als Anfang März 1919 auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Waldshut die Beschlagnahme der inzwischen bei der Beklagten eingetroffenen 102 200 Schweizer Stumpen durch die Hamburger Polizeibehörde erfolgte, hatte die Beklagte, die bei dem Einschmuggeln der Zigarren nicht beteiligt gewesen und — wie angenommen werden muß — gutgläubig in ihren Besitz gelangt war, ohne Frage das Eigentum daran erworben. Die Folge dieses gutgläubigen Eigentumerwerbs war die Unzulässigkeit der Einziehung (Konfiskation) der Zigarren oder ihres Erlöses gemäß § 134 VZG., wie sie im Urteil des Schöffengerichts Waldshut vom 4. September 1919 später angeordnet wurde (vgl. RGSt. Bd. 30 S. 413). War aber die Einziehung und deren Anordnung unzulässig, so war es naturgemäß auch nur eine Sicherung der Einziehung dienende Beschlagnahme. Darauf, ob trotzdem tatsächlich eine gewisse Gefahr der Beschlagnahme der Stumpen (zur Sicherung späterer Einziehung) für die Beklagte fortbestand, kann es bei der Frage der Verkäuferhaftung der Klägerin nicht ankommen. Denn für eine rechtswidrige Handlung der Behörde, wie sie hier vorläge, wenn die Beschlagnahme vom März 1919 nur zur Sicherung der Einziehung erfolgt wäre, braucht der Verkäufer dem Käufer gegenüber nicht einzutreten (vgl. RGZ. Bd. 96 S. 80). Ob jene Beschlagnahme wirklich eine solche Sicherungsmaßregel war, ist nicht ersichtlich; die Möglichkeit, daß sie zwecks Sicherstellung eines als Beweismittel für die Strafuntersuchung erheblichen Gegenstandes (§ 94 StPO.) angeordnet und vollzogen wurde, bleibt daher bestehen. Das Berufungsgericht erklärt denn auch die Frage, ob die Ware der Einziehung unterlag, für bedeutungslos, verwertet aber den Umstand, daß sie für die Untersuchung als Beweisstück von Erheblichkeit gewesen sei und demgemäß auf längere Zeit dem Verkehr habe entzogen und entwertet werden können, für die Annahme eines Sachmangels nach § 459 BGB. Diese Auffassung ist

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jedoch nicht haltbar. Da die Ware Schmuggelgut war und für das Strafverfahren gegen die Schmuggler als Beweismittel von Bedeutung sein konnte, bestand allerdings die Möglichkeit ihrer Beschlagnahme unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 94 StPO. Allein diese bloße Möglichkeit, der an sich alle nur denkbaren im Anwendungsgebiete der StPO. befindlichen Sachen ausgesetzt sind und deren Verwirklichung im einzelnen Falle von dem pflichtmäßigen Ermessen der Strafverfolgungsbehörde abhängt, stellt keine Eigenschaft der Ware dar, d. h. kein tatsächliches oder rechtliches Verhältnis, das zufolge seiner Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach der Verkehrsanschauung ihre Wertschätzung zu beeinflussen pflegt. Der Annahme einer Eigenschaft in diesem Sinne steht insbesondere entgegen, daß die Veräußerungs- und sonstige Verwendungsfähigkeit der Ware, solange die Beschlagnahme nur als eine Möglichkeit in Aussicht steht, in keiner Weise beeinträchtigt und die Beschlagnahme (als Beweisstück) selbst als ein nur vorübergehender, den Verkehrswert der Ware regelmäßig nicht mindernder Eingriff aufzufassen ist. Bei Waren, welche durch die an die Beschlagnahme sich anschließende Verwahrung Not leiden könnten, mag unter Umständen eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein; dieser Fall liegt jedoch hier — bei Unterstellung entsprechender Verpackung und Aufbewahrung — nicht vor. Audi darin, daß es sich bei den 102 200 Schweizer Stumpen um Schmuggelware handelte, wodurch — wie das Berufungsgericht ausführt — im Hinblick auf das drohende und später auch eröffnete Strafverfahren ihr Verkehrswert gedrückt worden sei, läßt sich ein Sachmangel nach § 459 BGB. nicht erblicken. Das Vorhandensein eines solchen Mangels könnte, wenn man von dem möglichen Bevorstehen einer Beschlagnahme absieht, nur damit begründet werden, daß im regelmäßigen kaufmännischen Verkehr der Absatz von Schmuggelware, die als solche bekannt ist, auf Widerstand stoße und infolgedessen die betreffende Ware eine Entwertung erleide. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Beklagte als gutgläubige Erwerberin der Schweizer Stumpen vollgültige Eigentümerin geworden ist und daß demnach auch ihren Abnehmern daraus, daß die Ware im Wege des Schmuggels in das Gebiet des Deutschen Reichs eingeführt worden war, keinerlei Benachteiligung erwachsen konnte; insbesondere war auch bei ihnen, wie sich aus dem oben Ausgeführten ergibt, eine Einziehung aus der vom Schöffengericht Waldshut angewendeten Vorschrift des § 134 VZG. rechtlich nicht mehr möglich. Unter diesen Umständen ist nicht einzusehen, wie es mit der Rücksicht auf den Schmuggelcharakter der von der Beklagten gutgläubig zu Eigentum erworbenen Ware zu einer Herabminderung ihres Verkehrswertes hätte kommen sollen. Schwierigkeiten konnten der Beklagten beim Absatz der Schweizer Stumpen nur solchen Kaufliebhabern gegenüber entstehen, die der irrigen Rechtsansicht waren,

208 sie würden als Käufer irgendwelche vermögensrechtliche oder sonstige Beeinträchtigung zu gewärtigen haben. Die Frage, ob der Posten Zigarren zu der Zeit, da die Gefahr auf die Beklagte als Käuferin überging, mit einem Gewährschaftsmangel behaftet war, entscheidet sich aber nach der objektiven Rechtslage, nicht nach der rechtsirrigen Auffassung einzelner besonders vorsichtiger Kaufliebhaber. Von der Wandlung des Kaufvertrags kann daher wegen Nichtvorhandenseins eines Gewährschaftsmangels im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB. nicht die Rede sein. Die Wandlung wäre übrigens auch deshalb abzulehnen gewesen, weil die Beklagte nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der Akten die Rückgängigmachung des Kaufes wegen des angeblichen Sachmangels gar nicht verlangt hat. Sie hat vielmehr, wie auch im Berufungsurteil gesagt ist, nur erklärt, daß sie unter den von ihr vorgetragenen Umständen die Bezahlung der ihr sofort nach Ubersendung wieder entzogenen Schweizer Stumpen verweigere. Diese Erklärung läßt nicht, jedenfalls nicht zweifelfrei, erkennen, ob die Beklagte Rückgängigmachung des Kaufes geltend machen oder nicht vielmehr die Zahlung des Kaufpreises nur insolange ablehnen wollte, als die Ware nicht endgültig aus der Beschlagnahme freigegeben wäre. Ein Wandlungsbegehren konnte in der Erklärung der Beklagten um so weniger ohne weiteres gefunden werden, als sie den ganzen beschlagnahmten Posten Zigarren im Mai 1919 durch Hinterlegung von 34 237 M. wieder an sich gebracht und inzwischen, wie anzunehmen ist, darüber verfügt hat. Hiernach versagt die Berufung der Beklagten auf §§ 459 ff. BGB. Unbegründet ist aber auch ihr Vorbringen, der Kaufvertrag sei wegen Verstoßes der Klägerin gegen § 9 der BVO. über den Handel mit Tabakwaren vom 28. Juni 1917 (RGBl. S. 563) nichtig. Nach dieser Vorschrift ist strafbar, wer ohne die erforderliche Erlaubnis Handel mit Tabakwaren treibt und wer den Preis für Tabakwaren durch unlautere Machenschaften, insbesondere Kettenhandel, steigert. Sollte die Klägerin, sofern sie Verkäuferin war, das streitige Geschäft ohne die erforderliche Erlaubnis abgeschlossen und sich demnach strafbar gemacht haben, so würde dadurch die zivilrechtliche Wirksamkeit des Kaufvertrags nicht berührt. Denn das Verbot des § 9 Nr. 1 der Verordnung richtet sich, wie aus den vorhergehenden Vorschriften, insbesondere aus § 1 Abs. 2, § 4 und § 8 sowie aus den die Erwerberseite angehenden Bestimmungen des § 10 ersichtlich ist, gegen den Verkäufer von Tabakwaren. Verstößt aber nur dessen Tätigkeit, nicht das Rechtsgeschäft als solches wider ein gesetzliches Verbot, so ist der Kaufvertrag selbst nicht der Ungültigkeit nach § 134 BGB. verfallen (vgl. RGZ. Bd. 60 S. 277). Den Einwand des Kettenhandels (§ 9 Nr. 2 der BVO. vom 28. Juni 1917) sucht die Beklagte nur damit zu begründen, daß auf Seiten der Klägerin als Verkäuferin die Voraussetzungen des Ketten-

209 handels insofern vorlägen, als sie die Ware im Kettenhandel erworben und sodann unter Preissteigerung weiterveräußert habe. Dieses Vorbringen ist dafür, daß durch den Verkauf der Stumpen an die Beklagte ein unnützes Zwischenglied in den Verteilungsprozeß eingeschoben worden sei und daß auch die Beklagte den dem Kettenhandelsverbot zuwiderlaufenden Tatbestand bewußt verwirklicht habe, nicht schlüssig. Die bewußte Verwirklichung des gegen das Gesetz verstoßenden Tatbestandes durch beide Teile wäre aber Voraussetzung der Nichti g k e i t des zwischen den Parteien abgeschlossenen Geschäfts gemäß § 134 BGB., wie der erkennende Senat schon mehrfach (vgl. z. B. RGZ. Bd. 98 S. 1) in bezug auf den Kettenhandel ausgesprochen hat. Endlich könnte auch eine Verurteilung der Inhaber der klagenden Firma aus § 9 BVO. mit der Maßgabe, daß neben der Strafe die Einziehung der veräußerten Zigarren angeordnet würde, der Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen. Nach § 9 Abs. 2 kann allerdings neben der Strafe auf Einziehung der Tabakwaren, auf welche sich die strafbare Handlung bezieht, erkannt werden, und zwar ohne Unterschied, ob sie dem Täter gehören oder nicht. Die Anordnung der Einziehung der hier streitigen Schweizer Stumpen wäre aber, nachdem diese aus dem Gewahrsam der Klägerin heraus in Besitz und Eigentum der gutgläubigen Beklagten übergegangen sind, nicht mehr vollstreckbar, gleichgültig, ob die Beklagte die Ware bei sich behalten oder — wie anzunehmen — inzwischen weiterveräußert hat. RGZ. 102, 15 Zur Wirksamkeit der Anzeige des Kommissionärs vom Selbsteintritt. j Z i v i l s e n a t . Urt. v. 16. März 1921 I. Landgericht Hanau, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht Kassel. Der Beklagte hatte die Klägerin beauftragt, für ihn 10 000 Kr. Ungarische Kriegsanleihe zum Höchstpreise von 76'/2 zu kaufen; der Auftrag sollte bis Ende Februar 1918 gültig sein. Die Klägerin behauptet, sie habe den Auftrag als Einkaufskommissionärin durch Selbsteintritt vollzogen, dies dem Beklagten angezeigt und die gekauften Wertpapiere für den Beklagten in Verwahrung genommen. Der Beklagte bestreitet dies und macht geltend, daß ihm eine Selbsteintrittsanzeige der Klägerin in der maßgeblichen Zeit nicht zugegangen sei. Das Landgericht wies die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage ab. Das Oberlandesgericht machte die Entscheidung von der Leistung zweier dem Beklagten auferlegter Eide abhängig. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Selbsteintrittsanzeige des Kommissionärs an den Kommittenten (§§ 400, 405 HGB.) eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, die, wenn HCB. 3

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sie in Abwesenheit des Kommittenten abgegeben wird, erst in dem Zeitpunkte wirksam wird, in dem sie ihm zugeht (§ 130 BGB.), und daß dieser Zugang hier innerhalb der für den Ankauf der Papiere maßgeblichen Frist (bis Ende Februar 1918) erfolgt sein mußte. Die Vorschrift in § 400 Abs. 2 Satz 2 HGB., daß als Zeit der Ausführung der Kommission durch Selbsteintritt des Kommissionärs der Zeitpunkt gilt, in welchem der Kommissionär die Anzeige von der Ausführung zur Absendung an den Kommittenten abgegeben hat, bedeutet hier nur, daß, sobald der Selbsteintritt des Kommissionärs durch den rechtzeitigen Eingang der betreffenden Anzeige beim Kommittenten erfolgt ist, die Wirksamkeit dieses Selbsteintritts auf den Zeitpunkt der Abgabe der Anzeige zurückdadiert wird. Daraus folgt aber nicht — wie bei D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g HGB. § 400 Anm. 36 ausgeführt ist —, daß ein Verlust der Ausführungsanzeige auf Gefahr des Kommittenten geht, daß es genügt, wenn der Kommissionär, sobald er von dem Nichteintreffen der Anzeige erfährt, sie sofort wiederholt, und daß solchenfalls der Zeitpunkt der Abgabe der ersten Anzeige zur Absendung an den Kommittenten als Zeitpunkt der Kommissionsausführung zu gelten hat. Vielmehr trägt der Kommissionär die Gefahr des Eintreffens der Anzeige beim Kommittenten, und es liegt dem Kommissionär ob, wenn er auf Grund seines Selbsteintritts Ansprüche gegen den Kommittenten erheben will, den Nachweis zu erbringen, daß der Selbsteintritt durch rechtzeitigen Zugang der Anzeige beim Kommittenten wirksam geworden i s t . . . RGZ. 105, 125 1. Kann der Kommissionär, wenn ihm Kommissionsgut zugesandt wurde, das beschädigt ankam, an seiner Entsdiädigungsforderung gegen die Eisenbahn ein Vorwegbefriedigungsrecht nach § 397 oder § 399 HGB. geltend machen? 2. Braucht der Kommissionär gegenüber der Konkursmasse des Kommittenten die Erfüllung der von ihm geschuldeten Leistungen nadi § 320 BGB. nur Zug um Zug gegen Befriedigung seiner Gegenforderungen vorzunehmen? I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 21. Juni 1922 I. Landgericht Frankfurt a. M. — II. Oberlandesgericht daselbst. Der Gemeindeschuldner B. hatte durch Vertrag vom 10. Oktober 1919 der Beklagten seine Alleinvertretung für einen großen Teil Deutschlands übertragen. Er übersandte ihr am 2. März 1920 von Frankfurt mit der Bahn 17 Fässer Wein zum kommissionsweisen Verkauf. Auf Weisung der Beklagten wurde die Ware an die Speditionsfirma K. & Co. in Magdeburg adressiert. Beim Eintreffen ergab sich, daß vier Fässer völlig, zwei andere zum Teil ausgelaufen waren. Die Parteien streiten darüber, wem die Schadensersatzforderung gegen die Bahn zusteht. Die Beklagte, die eine größere Forderung gegen den

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Gemeinschuldner hat, vermeint, daß sie nach § 99 der Eisenbahnverkehrsordnung sdiadensersatzberechtigt sei und an dieser Forderung nach § 49 KO. ein Absonderungsrecht geltend machen könne. Der Kläger vertritt den entgegengesetzten Standpunkt und klagt auf Feststellung, daß der Anspruch der Konkursmasse und nicht der Beklagten zusteht, hilfsweise auf Abtretung des Anspruchs. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab dem Hilfsantrage statt. Die Revision hatte Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar stehe der Schadensersatzanspruch gegen die Eisenbahn wegen teilweisen Verlustes des Frachtguts der beklagten Firma als Empfängerin zu. Diese sei aber dem Kläger erstattungspflichtig, falls sie nicht nach § 399 oder § 397 HGB. ein Vorzugsrecht geltend machen könne. Das sei nicht der Fall. § 399 treffe nicht zu, weil der streitige Anspruch nicht aus einem „Ausführungsgeschäft" der Beklagten hervorgegangen sei. Ein Pfandrecht nach § 397 könne die Beklagte gleichfalls nicht geltend machen, denn der Ersatzansprudi sei nicht Kommissionsgut im Sinne des § 397; eventuell sei das Pfandrecht durch Rüdegabe der Fässer untergegangen. Daß nach dem Sinne des Gesetzes die Bestimmungen über das in den Händen des Kommissionärs befindliche Kommissionsgut auf Forderungen wegen Verlustes oder Beschädigung des erst an den Kommissionär rollenden Guts auszudehnen seien, könne nicht angenommen werden. Die gegen die Ausführungen erhobenen Rügen der Revision erweisen sich als teilweise begründet. Nicht in Zweifel zu ziehen ist, daß der Kommissionär alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, dem Kommittenten herauszugeben hat, und daß dazu im Regelfalle auch Entschädigungsforderungen an die Eisenbahn wegen Verlustes oder Beschädigung des ihm zugesandten Kommissionsguts gehören. Der Kommissionär kann sich deshalb der Abtretung einer derartigen Forderung nur dann widersetzen, wenn ihm entweder ein Pfandrecht an der Forderung nach § 399 HGB. oder ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung nadi § 397 zusteht. Eine unmittelbare Anwendung können beide Bestimmungen nicht finden. Denn eine Forderung, wie die streitige, ist weder Kommissionsgut im Sinne des § 397, noch ist sie im Sinne des § 399 aus dem Ausführungsgeschäfte hervorgegangen. Das Landgericht hat gemeint, die Bestimmungen seien, wenn auch nicht unmittelbar, so doch nach dem Sinne des Gesetzes entsprechend anzuwenden. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. § 397 gibt ein Pfandrecht am Kommissionsgute, sofern es im Besitze des Kommissionärs ist. Der Verlust des Guts während der Beförderung ist aber nicht entsprechend dem Fall zu behandeln, daß das Gut an den Kommissionär gelangt ist, sondern entsprechend dem H'

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Fall, daß der Kommissionär das Gut aus irgendeiner anderen Ursache nicht erhalten hat. W i e der Kommissionär in solchem Falle kein Pfandrecht erlangt, so muß das gleiche für den Fall des Verlustes gelten. Auch nach § 399 ist zu keinem anderen Ergebnis zu gelangen, wenngleich zugegeben werden muß, daß die Lage hier nicht ganz so zweifelsfrei ist. Möglicherweise hat der Gesetzgeber nicht daran gedacht, daß der Kommissionär auch auf andere Weise, als aus dem Ausführungsgeschäft, Forderungen für Rechnung des Kommittenten erwerben könnte, und möglicherweise hätte er, wenn er daran gedacht hätte, angeordnet, daß solche Forderungen in gleicher W e i s e zu behandeln seien, wie die Forderungen aus dem Ausführungsgeschäfte. Aber mehr als eine bloße Möglichkeit liegt nicht vor. Denn es ist auf der anderen Seite ebensowohl möglich, einen Fall wie den vorliegenden auch im Sinne des § 399 so anzusehen, als ob die W a r e aus einer anderen Ursache nicht angekommen wäre, u n d nicht dem Zufall, daß die Schadensforderung in der Person des Kommissionärs entstanden ist, entscheidende Bedeutung beizumessen. Eine entsprechende Anwendung des § 399 verbietet sich deshalb gleichfalls. Insoweit muß also dem Berufungsgericht zugestimmt werden. Alles vorstehende gilt aber nur für den Regelfall, für den Fall nämlich, daß die W a r e für Gefahr und Rechnung des Kommittenten gereist ist. Erfolgte die Beförderung auf Rechnung und Gefahr des Kommissionärs, dann ist die Sachlage anders; denn dann ist die Schadensersatzforderung in der Person des Kommissionärs überhaupt nicht für Rechnung des Kommittenten, sondern für eigene Rechnung des Kommissionärs entstanden. In solchem Falle könnte also Abtretung der Forderung überhaupt nicht verlangt werden, falls nicht etwa besondere, bisher nicht geltend gemachte Abmachungen vorliegen sollten, und damit w ä r e der Klage der Boden entzogen. Nun bestehen in der Tat die von der Revision angedeuteten Zweifel, für wessen Rechnung die Beförderung erfolgte. Einmal heißt es in der Kommissionsfaktura: sandte Ihnen für Ihre Rechnung und Gefahr . . . Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, ob es sich dabei etwa nur um einen versehentlich stehen gebliebenen Vordruck handelt. Zweitens schreibt der klägerische Konkursverwalter in seinem Briefe vom 25. September 1921, daß die Frachtspesen zu Lasten der Firma Lü. (der Beklagten) zu gehen hätten. Freilich sind beide Urkunden erst nach der letzten Verhandlung in der Berufungsinstanz beigebracht. Aber da eine ausdrückliche Feststellung, daß die Beförderung für Rechnung des Gemeinschuldners ging, nirgends getroffen ist, erschien es doch angezeigt, gemäß dem Antrage der Revision die Sache zur Erörterung dieses Punktes an der Hand des Kommissionsvertrags an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. W e n n endlich die Revision geltend gemacht hat, die Beklagte habe nach § 320 BGB. nur zur Abtretung Zug um Zug gegen Zahlung

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ihrer Provisionsforderung verurteilt werden können, so ist dieser Ausführung nicht zuzustimmen. Einmal ist eine Forderung, wie die hier geltend gemachte, nicht die eigentliche im Verhältnis der Gegenseitigkeit stehende Vertragsforderung, welche im § 320 BGB. gemeint ist, sondern eine zufällige Nebenforderung (vgl. S t a u d i n g e r , Vorbemerk, vor § 320, S. 255 Abs. nach b). Es ist schon zweifelhaft, ob eine Forderung dieser Art überhaupt unter den § 320 fällt. Sodann aber ist nach § 23 KO. die Kommission durch die Verhängung des Konkurses über das Vermögen des Kommittenten erloschen (J a e g e r , § 23 Anm. 7). Von Ausbruch des Konkurses an kann also von einer Vertragsforderung, die auf dem Verhältnis der Gegenseitigkeit beruht, nicht mehr die Rede sein, und deshalb fallen Forderungen, die nach Konkursausbruch erhoben werden, nicht unter den § 320 BGB. Demgemäß hat denn auch J a e g e r bei Erörterung der Forderungen der Konkursmasse auf Rückgewähr von Vorschüssen und der Forderungen des Kommissionärs auf Schadensersatz (§ 23 Anm. 6) die Frage einer Zurückbehaltung nach § 320 BGB. nirgends in Rücksicht gezogen. RGZ. 108, 191 In welcher Währung entsteht die Kaufpreisforderung des deutschen Kommittenten, wenn dieser dem deutschen Kommissionär den Auftrag erteilt, ausländische Wertpapiere an der Londoner Börse zu verkaufen, und wenn dann der Kommissionär den Auftrag durch Selbsteintritt ausführt? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 11. Juli 1923 I. Landgericht Bremen, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht Hamburg.

Laut Schlußschein vom 27. Juli 1914 beauftragte der Kläger die Beklagte mit dem Verkauf von „1000£ 6°/o Randfontein Estate Debentures" zum Kurse von 91, lieferbar Mitte August. Die Beklagte, mit der der Kläger seit Jahren in Geschäftsverbindung stand, nahm den Auftrag an und teilte ihm sofort schriftlich mit, daß sie in Ausführung des Auftrags von ihm „1000 £ 6 •/» Randfontein Est. Dbt. 91 in London per Medio Aug. usw. beziehe". Noch am selben Tage verkaufte sie die Papiere an der Londoner Börse zum Preise von 910 £; die Abrechnung sollte am 13. August erfolgen. Der Kläger fordert von der Beklagten die Zahlung des Erlöses abzüglich Spesen, mit 907,8 £ nebst Zinsen. Die Beklagte hat eingewendet, daß sie dem Kläger gegenüber nur zur Zahlung in deutscher Währung verpflichtet sei, da es sich um ein zwischen Deutschen in Deutschland geschlossenes Geschäft handle. Das Landgericht gab der Klage statt; das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

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Gründe: Zwischen den Parteien ist vor allem steitig, ob der Kläger gegen die Beklagte aus dem Verkauf der Wertpapiere eine in £ ausgedrückte Forderung erworben hat oder ob ihm von vornherein nur eine Forderung in deutscher Reichswährung entstanden ist. Das Berufungsgericht nimmt das letztere an und führt in seinem Zwischenurteil aus, daß der Kommissionscharakter des Geschäfts hier keine wesentliche Rolle spiele und das Vertragsverhältnis der Parteien nur als ein einfacher Verkauf der Papiere von einem bremischen Kaufmann an eine bremische Bank aufzufassen sei. Die hieraus entsprungene Geldschuld sei eine Markschuld. Denn wer in Deutschland durch den Verkauf an einen deutschen Käufer Sachwerte in Zahlungsmittel umsetze, wolle im Zweifel deutsches Geld einlösen, auch wenn es sich um Papiere handle, in denen Schuldverhältnisse auf englische £ verbrieft seien. Diese Ausführungen werden, wie die Revision mit Recht hervorhebt, dem Wesen des zwischen den Parteien begründeten Kommissionsverhältnisses nicht gerecht. Unstreitig besaß der Kläger, als er die Beklagte mit dem Verkauf der „1000£ Randfontein Estate Debentures" beauftragte, nicht das Eigentum an bestimmten einzelnen Stücken dieser Wertpapiere. Die Beklagte hatte vielmehr die Stücke, die sie im April 1911 für den Kläger erworben hatte, ausweislich ihres Abrechnungsschreibens vom 10. desselben Monats in ihrem Depot bei der Londoner Filiale der Dresdner Bank belassen, eine Aussonderung bestimmter Stücke für den Kläger unstreitig nicht vorgenommen und ihm auch kein Stüdceverzeichnis übersandt. Der Rechtserwerb des Klägers bestand daher in dem Ansprüche gegen die Beklagte, ihm jederzeit auf sein Verlangen aus ihrem Londoner Depot die gekaufte Menge der Wertpapiere zur Verfügung zu stellen. Von diesem Rechte machte der Kläger Gebrauch, als er am 27. Juli 1914 der Beklagten den Auftrag gab, die 1000 £ Randfontein Debentures zum Preise von 91 zu verkaufen. Aus dem Umstände, daß sich das Depot, dem die zu verkaufenden Wertpapiere zu entnehmen waren, in London befand und die Wertpapiere an der Londoner Börse gehandelt wurden, ergab sich ohne weiteres, daß der Verkaufsauftrag des Klägers an der Londoner Börse auszuführen war. Darüber ist sich auch die Beklagte nicht im Zweifel gewesen. Sie führte den Auftrag, wie sie in ihrem Schreiben vom 27. Juli 1914 unzweideutig ersichtlich machte, durch Selbsteintritt aus, indem sie sich selbst als „Bezieherin", also als Käuferin der Papiere bezeichnete; zugleich faßte sie die Kaufbedingungen dahin zusammen, daß der Kauf zum Kurswerte von 91 „in London" behufs Abrechnung Mitte August geschlossen sein sollte. Durch den Zusatz „in London" wies sie in nicht mißzuverstehender Weise auf London als den maßgeblichen Börsenort hin. Rechtlich stellt sich, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, die Annahme des Verkaufsauftrags als Kommission im Sinne des

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§ 383 HGB. dar; denn die Beklagte übernahm es in ihrem Bankbetriebe, also gewerbsmäßig, Wertpapiere für Rechnung eines anderen, des Klägers, in eigenem Namen zu verkaufen. Wenn sie den Auftrag nicht durch Verkauf an einen Dritten, sondern durch Selbsteintritt ausführte, so handelte sie im Rahmen ihrer vertragsmäßigen und gesetzlichen Befugnisse. (Wird näher ausgeführt.) Der Selbsteintritt der Beklagten hatte nun den Erfolg, daß die Beklagte mit ihrer Eintrittserklärung die Verpflichtung eines Käufers der Papiere in gleicher W e i s e auf sich nahm, wie es geschehen wäre, wenn sie die zu veräußernden Stücke tatsächlich aus ihrem Londoner Depot herausgenommen und an der Londoner Börse an einen Dritten verkauft hätte. W i e sie bei einem solchen Verkauf unbedingt verpflichtet gewesen wäre, den Weisungen des Klägers hinsichtlich des Ausführungsorts nachzukommen, also den Verkauf nur an der Londoner Börse hätte ausführen dürfen, so blieben die Verhältnisse dieses Orts auch für die Umgrenzung der Verpflichtungen maßgebend, die sich für die Beklagte aus ihrem Selbsteintritt ergaben (Düringer-Hachenburg HGB. § 400 Anm. 9, B r e i t , Das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs § 7 V 1 S. 68, § 16 II S. 136). Der Kläger durfte durch den Selbsteintritt der Beklagten nicht anders und nicht schlechter gestellt werden, als er bei dem auftragsmäßigen Verkauf der Papiere an einen Dritten dastehen würde; anderseits konnte sich die Beklagte durch einen Selbsteintritt nicht von Verpflichtungen befreien, die sonst dem Dritten als Käufer obgelegen hätten. Für den Dritten wäre aber, wenn er die Papiere an der Londoner Börse gekauft hätte die Verpflichtung entstanden, den Kaufpreis in englischen £ zu begleichen (RGZ. Bd. 101 S. 122). Deshalb muß auch im Verhältnis der Parteien zueinander der Kaufpreis als ein in englischen £ zu deckender angesehen werden. Zutreffend weist daher die Revision darauf hin, daß der auf den Verkauf englischer Wertpapiere in London gerichtete Kommissionsauftrag dem Kläger zunächst eine Forderung in englischen £ gewährt habe. Dagegen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, daß lediglich ein in Deutschland zwischen deutschen Firmen geschlossener Kaufvertrag ohne besondere Eigenart vorliege und deshalb der Kaufpreis als in deutschem Gelde vereinbart gelten müsse, für rechtsirrtümlich zu erachten. Der Kaufvertrag erhielt gerade durch das Kommissionsverhältnis sein besonderes Gepräge, und dieses äußerte seine Wirkung darin, daß für den Kaufpreis das an der Londoner Börse übliche Zahlungsmittel, also das englische £, bestimmend war. Unerheblich ist es, daß für die Zahlung des Kaufpreises gemäß § 269 BGB. Bremen als Erfüllungsort anzusehen ist. Die Frage, wo der Kaufpreis zu zahlen ist, steht in keinem inneren Zusammenhang mit der anderen, hier allein maßgebenden Frage, welcher Markt- oder Börsenort für die Art und den Umfang der aus dem Wertpapierhandel

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entstandenen Rechte und Pflichten entscheidend ist. Da der maßgebliche Börsenort im vorliegenden Falle London war, so ist mit der Revision anzunehmen, daß die Kaufpreisforderung des Klägers an die Beklagte in englischer Währung entstanden ist. . . Ohne Einfluß ist ferner auf die Forderungen des Klägers der Versailler Vertrag geblieben, der in den Art. 297 ff. bestimmt, daß Forderungen Deutscher gegen Engländer, die vor dem Kriege oder während des Krieges fällig geworden sind, nicht zwischen den Beteiligten zu erfüllen sind. Eine derartige Forderung kommt hier überhaupt nicht in Betracht, da der Kläger in vertragliche Beziehungen nur zur Beklagten, und nicht zu einer englischen Firma getreten ist. Für ihn ist es audi gleichgültig, ob die Beklagte infolge der Weiterveräußerung der Wertpapiere oder auf Grund ihres Londoner Depots an einem in England schwebenden Ausgleichsverfahren beteiligt i s t . . . RGZ. 110, 119 1. Welche Gesichtspunkte sind entscheidend für die Frage, ob ein Kommissionsvertrag oder ein Kaufvertrag anzunehmen ist? 2. Ist der Kommittent an die beim Vertragsabschluß festgesetzten Preise gebunden? 3. Welchen Einfluß hat die Geldentwertung hierauf? HGB. §§ 393 ff. BGB. §§ 433 ff., 242. I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 24. Januar 1925. I. Landgericht II Berlin, Kammer für Handelssachen. — II. Kammergericht daselbst.

Die Streitteile haben am 14. September 1920 einen schriftlichen Vertrag geschlossen, der den Verkauf eines dem Kläger gehörenden Grabsteinlagers durch den Beklagten zum Gegenstand hatte. Eine genaue Liste der Steine übersandte der Kläger dem Beklagten unter dem 7. Oktober 1920, in der für jeden Stein ein bestimmter Preis ausgerechnet ist. Im Vertrag wird gesagt, der Kläger gebe dem Beklagten die Steine „in Kommission". Es heißt dort ferner unter Nr. 2: „Die in Kommission gegebenen Denkmäler bleiben unbeschränktes Eigentum der Firma Granitwerk Eisenhammer (d. h. des Klägers) und behält diese darüber jegliches Verfügungsrecht. Jeder Verkauf eines Denkmals ist der Firma oder deren Vertreter unverzüglich zu melden und die Bezahlung hat vor Aufstellung des Denkmals zu erfolgen. Erst mit der Bezahlung geht das betreffende Denkmal in den Besitz und Verfügungsrecht des Herrn O. (Bekl.) über." Die Vertragsdauer war „zunächst" auf drei Jahre bestimmt. Der Beklagte, der die Grabsteine vom Kläger zugesandt erhalten hatte und auf seinem Stätteplatz auf Lager nahm, hat bis gegen Ende 1921 eine Anzahl Steine verkauft und dafür an den Kläger die Preise der Liste vom 7. Oktober 1920 gezahlt. Schon bald entstand Streit unter den Vertragsteilen darüber, ob die Preise der Liste von 1920 oder die

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jeweiligen Tagesmindestpreise vom Beklagten für die von ihm verkauften Stücke zu entrichten wären. Für drei Verkäufe des Beklagten vom November und Dezember 1921 verlangte und berechnete der Kläger höhere Preise, als sie ihm der Beklagte nach der Liste vom 7. Oktober 1920 gezahlt hatte. Mittels Schreibens vom 20. April 1922 erklärte der Beklagte dem Kläger, er übernehme nunmehr das gesamte noch vorhandene Steinlager zum Vertragspreise, und sandte diesen dem Kläger. Der Kläger fordert mit der Klage einmal Herausgabe der in den letzten drei Verkaufsanzeigen vom Jahre 1921 genannten Grabsteine oder Nachzahlung des verlangten Mehrbetrags, ferner Herausgabe der sämtlichen dann noch übrigbleibenden Steine des Lagers. In beiden Vorinstanzen ist er unterlegen. Seine Revision hatte teilweise Erfolg. Aus den G r ü n d e n : 1. Das Kammergericht ist dem ersten Richter darin lediglich beigetreten, daß das Vertragsverhältnis der Parteien als Kauf, nicht als Kommissionsvertrag anzusehen sei. Hierfür hatte das Landgericht folgende Begründung gegeben: Es sei ein fester oder doch feststellbarer Preis vereinbart, eine Provision dagegen nicht festgesetzt worden. Auch habe der Kläger niemals Abrechnung über die vom Beklagten erzielten Verkäufe gefordert. Ebenso spreche Nr. 2 des schriftlichen Vertrags für die Annahme eines Kaufvertrags, weil danach die Bezahlung vor Aufstellung der Grabsteine zu erfolgen gehabt habe. Diese rechtliche Würdigung wird jedoch der Besonderheit des Sreitfalls nicht gerecht. Der Umstand, daß der Vertrag keine ausdrückliche Abrede über eine Provision enthält, kann nicht ausschlaggebend sein. Eine Provision kann auch schlüssig vereinbart werden, in der Weise nämlich, daß der Kommissionär den über die ihm gesetzte Preisgrenze erzielten Mehrerlös für sich behalten darf. Eine solche Abrede liegt beispielsweise nicht selten dem gewöhnlichen Mäklervertrag zugrunde. Das Fehlen der Vereinbarung über eine Provision nach Erlösprozenten und die Tatsache, daß im Vertrag von „Provision" überhaupt nichts gesagt ist, sind also Umstände, die wegen ihrer Mehrdeutigkeit keine sicheren Unterscheidungsmerkmale geben. In solchen Fällen teilen, wirtschaftlich genommen, die Vertragsschließenden sich in das Ergebnis der Tätigkeit des Kommissionärs, der dadurch ein gewisses Unternehmerrisiko auf sich nimmt. Man kann daher auch nicht als allemal und unbedingt zutreffendes Unterscheidungsmerkmal den Satz verwenden, daß es darauf ankomme, wem der wirtschaftliche Erfolg des Weiterverkaufs zufalle. Allerdings hat der erkennende Senat in der vom Landgericht angezogenen Entscheidung (RGZ. Bd. 94 S. 66) gesagt, in der Regel sei entscheidendes Merkmal, ob ein fester Preis vereinbart sei. Allein der dort ausgesprochene Grundsatz gilt eben nur „in der Regel", nicht ausnahmslos. Es bedarf also jedesmal einer genauen

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Prüfung der Umstände des Falles, und letztere sind nach Ansicht des Senats von den Vorinstanzen nicht gebührend berücksichtigt worden. Zunächst einmal spricht der schriftliche Vertrag von „Kommission" und nirgends von einem Kaufpreis. Selbstverständlich entscheidet hier nicht allein der Wortlaut. Wählten aber die Vertragsteile gerade den Ausdrude „Kommission", so kann das doch immerhin einen gewissen Anhalt für die Vorstellung geben, von der sie sich leiten ließen, und man wird dann nach positiven Gründen suchen müssen, die den gewählten Ausdruck als sachlich nicht zutreffend darzutun vermöchten. Da fällt nun zunächst auf, daß die Parteien während der ganzen Dauer ihrer Geschäftsverbindung und auch noch im Laufe des ersten Rechtszugs darüber vollkommen einig waren, daß ein Kommissionsverhältnis bestanden habe. Erst das Landgericht hat durch seine Entscheidung die Frage nach der Natur der Parteibeziehungen aufgerollt. Aber auch im zweiten Rechtszug hat der Beklagte, mindestens anfänglich, an seiner früheren Auffassung festgehalten. (Dies wird im einzelnen dargetan und auch der Briefwechsel herangezogen.) Es kommt hinzu, daß der Gegenstand des Vertrags ganz allgemein „Denkmäler" bildeten, also Sachen, deren Auswahl doch im wesentlichen der Kläger bestimmt. Für den Abschluß eines Kaufvertrags wäre das immerhin ungewöhnlich und auffallend. Von Bedeutung ist auch, daß der Vertrag sich offenbar nicht auf die einmalig übersandten Steine beschränken sollte. Denn es wird darin gesagt, er sei „zunächst" auf die Dauer von drei Jahren abgeschlossen. Auch der Beklagte erwähnt gelegentlich die Möglichkeit von „weiteren Sendungen". Alles das spricht ebenfalls unverkennbar dafür, daß die Parteien, wenn sie im Vertrag und späterhin im Briefwechsel von „Kommission" sprachen, auch in Wirklichkeit einen Kommissionsvertrag gemeint und gewollt haben. Andernfalls ergäbe sich eine eigenartige Folge. Denn dann wäre kein eigentlicher Kaufvertrag abgeschlossen, sondern ein Rechtsverhältnis besonderer Art begründet worden, wonach der Kläger dem Beklagten die Ware auf eine sehr lange Dauer fest an die Hand gab, derart, daß es im Belieben des Beklagten stand, ob und was er davon kaufen wollte. Und hier greift ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt ein. Bedenkt man nämlich, daß das Kapital, das der Kläger in dem Steinlager hatte, für ihn bis zum Verkauf völlig unverzinst dalag, so steht auch dieser Umstand der Annahme entgegen, daß der Kläger sich so lange in der Weise, wie es die Vorinstanzen angenommen haben, festlegen wollte und konnte. Allerdings heißt es im Vertrag unter Nr. 2, die in Kommission gegebenen Denkmäler blieben unbeschränktes Eigentum des Klägers. Das wäre bei einem Kommissionsvertrag selbstverständlich. Aber Dritten gegenüber konnte die Hervorhebung des Eigentumsrechts des Klägers Bedeutung gewinnen. Offenbar glaubte der Kläger, sich nach

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jeder Richtung hin sichern zu sollen, wie das auch die Bestimmung unter Nr. 5 des Vertrags über das das Recht zum Betreten des O.sehen Lagerplatzes zur Genüge erkennen läßt. Aus dem gleichen Grunde kann daraus hergeleitet werden, daß es ebenda im Vertrage heißt, Bezahlung habe vor Aufstellung zu erfolgen. 2. Ist aber danach das Vorliegen eines Kommissionsvertrags anzunehmen, so war der Kläger in dem Falle, wie er hier lag, auch berechtigt, dem Beklagten andere Verkaufspreise vorzuschreiben. Allerdings wird bei Festsetzung von Verkaufspreisen, mag es sich nun um solche für die Kundschaft oder, wie hier, für das Innenverhältnis handeln, oft und sogar regelmäßig der Kommittent nicht einseitig dem Verkaufskommissionär andere Preise vorschreiben können (zu vgl. D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g in Anm. 4 zu § 386; W e i d m a n n , das Kommisionsgeschäft Bd. I S. 106). Denn, falls feste Verkaufspreise in Frage kommen, läßt sich der Kommissionär vielfach, zumal bei Dauerverhältnissen, auf das Geschäft nur ein, wenn er auf der Grundlage eben dieser Preise einen ihm genehmen Verdienst zu erreichen glaubt, und deshalb werden solche Preisfestsetzungen dann einen wesentlichen Bestandteil des Vertrags bilden. Anderseits freilich, da der Kommissionär Dienst höherer Art zu leisten hat, also § 627 BGB. auf den Kommissionsvertrag anwendbar ist (JW. 1905 S. 20 Nr. 17), hat es der Kommittent in der Hand, das Vertragsverhältnis zu lösen und damit eine Lage herbeizuführen, die das Recht des Kommissionärs auf Beibehaltung der Preisfestsetzung gegenstandslos macht. Aber auch hier kann im Einzelfall ein anderes gelten. Namentlich dann, wenn ein Dauerverhältnis vorliegt und etwa der Kommissionär mit Rüdtsicht hierauf geschäftliche Verfügungen für längere Dauer zu treffen, Geschäfts- und Lagerräume zu mieten hatte und dergleichen. Dann wird das Vertragsverhältnis nach Treu und Glauben regelmäßig dahin ausgelegt werden müssen, daß der Kommittent ohne wichtigen Grund auch das Vertragsverhältnis selber nicht vorzeitig lösen darf. So aber lag der Fall zunächst hier, und das ist auch im Vertrag dadurch zum Ausdruck gekommen, daß danach der Vertrag nur „bei groben Verstößen" fristlos gekündigt werden konnte. Aber es darf bei alledem nicht übersehen werden, daß seit dem Abschluß des Vertrags im September 1920 bis gegen Ende 1921 die deutsche Währung sich in ganz erheblichem Maße verschlechtert hatte. Zieht man beispielsweise den Stand der Goldmark heran, so betrug dieser zur Zeit des Vertragsabschlusses 11,83, am Ende der ersten Woche des Dezember 1921 schon gegen 50 und am 20. April 1922 sogar gegen 66. Ein ähnliches Bild geben die allgemeinen Großhandelsindexzahlen, die für September 1920 die Zahl 14,98, für Dezember 1921 dagegen die Zahl 34,87 und für April 1922 die Zahl 63,55 aufweisen. Hält man hiermit die früher schon erwähnte Tatsache zusammen, daß

220 das durch das Steinlager dargestellte Kapital dem Kläger bis zu den einzelnen Verkäufen völlig zinslos dalag, so ist der Schluß unabweisbar, daß die Währungsverschlechterung die Geschäftsgrundlage völlig umgestaltet hatte (RGZ. Bd. 103 S. 332), derart, daß nunmehr in der Tat der Kläger an die früher bestimmten Preise nicht mehr gebunden war und ebensowenig an die vorher vereinbarte Vertragsdauer . . . RGZ. 110, 268 Wie gestalten sich die Rechtsfolgen und die Beweislast, wenn beim Annahmeverzug des Käufers der Verkäufer die Kaufsadie am unrechten Ort versteigern läßt? BGB. § 383. HGB. § 373. I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 14. März 1925.

I. Landgericht Düsseldorf, Kammei für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin kaufte von der Beklagten im Februar 1920 30 000 kg Naturasphalt Trinidad-Goudron zum Preise von 295 M. j e 100 kg. Mit der Klage verlangte sie Rückzahlung des für einen Teil der W a r e gezahlten Kaufpreises nebst Fracht und Rollgeld mit zusammen 36 989,40 M., weil die gelieferte W a r e nicht vertragsgemäß gewesen sei und der Beklagten zur Verfügung stehe. Weitere Ware wurde der Klägerin nach Dresden zugesandt, aber von ihr nicht angenommen. Die Beklagte nahm diese W a r e daraufhin nach Düsseldorf zurück und ließ sie dort im W e g e des Selbsthilfeverkaufs veräußern. Sie verlangt mit der Widerklage von der Klägerin 27 766,90 M. nebst 5 '/• Zinsen seit 6. August 1920 als Unterschied zwischen dem vertraglichen Kaufpreis und dem Erlös beim Selbsthilfeverkauf. Das Landgericht wies die Klage ab und und gab der Widerklage statt. Das Oberlandesgericht wies auch die Widerklage ab. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Gründe: Das angefochtene Urteil erachtet den Widerklaganspruch, um den es sich allein noch handelt, für unbegründet, weil die Beklagte den Selbsthilfeverkauf nicht in Dresden, wo sich die von der Klägerin zur Verfügung gestellte W a r e befand, sondern in Düsseldorf vorgenommen habe. Grundsätzlich dürfe der Verkäufer die Belange des Käufers nicht aus dem Auge lassen, ihm namentlich keine unnötigen Kosten verursachen. Deshalb sei regelmäßig dort zu verkaufen, wo sich die W a r e zur Zeit der Annahmeverweigerung befinde. Der Verkäufer dürfe davon nur abweichen, wenn besondere Gründe die Wahl eines anderen Ortes als geboten erscheinen ließen. Die Beklagte habe solche Gründe für die Vornahme des Verkaufs in Düsseldorf nicht dargetan. Der einzige, den sie dafür vorbringe — daß sich in Dresden kein Markt für die W a r e befunden habe —, sei durch das Gutachten

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des Sachverständigen widerlegt. Danach sei in Dresden eine ganze Anzahl von Firmen vorhanden gewesen, die regelmäßig Geschäfte in Naturasphalt, auch in Trinidad-Goudron, machten, darunter führende Häuser des Großhandels und maßgebende Verbraucherfirmen. Auch ein Marktpreis habe in Dresden bestanden, und für einwandfreie W a r e hätten sich Preise erzielen lassen, die ihm nahe gekommen wären. Habe die Beklagte also Düsseldorf ohne triftigen Grund als Ort des Selbsthilfeverka'ufs erwählt, so sei dieser Verkauf der Klägerin gegenüber unwirksam, die auf ihn gestützte Schadensersatzforderung unbegründet. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu billigen. Allerdings hat der Verkäufer bei der Wahl des Ortes für den Selbsthilfeverkauf auch den Vorteil des Käufers mit zu bedenken. Versteigerung am unrechten Orte aber hat, sofern nur die übrigen Voraussetzungen des öffentlichen Verkaufs (§ 383 BGB., § 737 HGB.) vorliegen, nicht die weittragende Folge, daß der Gegner den Verkauf nicht als für seine Rechnung geschehen gelten zu lassen braucht. Vielmehr bewendet es bei dem Verkauf. Nur braucht der Gegner das Ergebnis nicht ohne weiteres hinzunehmen, sondern es muß ihm das höhere Ergebnis, das am richtigen Ort erzielt worden wäre, gutgebracht werden. Und der Sachschuldner muß dafür einstehen, wenn das Ergebnis der Versteigerung durch den Verkauf an anderem Ort beeinflußt ist; er ist beweispfliditig, wenn der Sachgläubiger behauptet, beim Verkauf am rechten Ort wäre mehr erlöst worden. Im gegenwärtigen Fall also liegt der Beklagten der Beweis ob, daß eine Versteigerung in Dresden dem Gesamtergebnis nach nicht weniger, oder jedenfalls nicht mehr, erbracht hätte, als die in Düsseldorf vorgenommene (RGZ. Bd. 95 S. 116, Bd. 104 S. 421). Je nach dem Erfolg des ihr obliegenden Beweises werden die einzelnen Posten und das Schlußergebnis ihrer mit 27 766,90 M. Widerklageforderung endigenden Aufstellung nachzuprüfen sein. Neben der dazu gegebenen Begründung der Beklagten wird auf die Gegenbehauptungen der Klägerin eingegangen werden müssen; sie mag diese Behauptungen ergänzen, sofern sie über das wahrscheinliche Ergebnis einer in Dresden abgehaltenen Versteigerung Näheres zu behaupten vermag. RGZ. 114, 9 1. Wann liegt ein Börsenkommissionsgeschäft, wann ein Eigengeschäft vor? 2. Zum Wesen der Verkehrssitte und ihrer Berücksichtigung. Kann insbesondere in einer jedes Börsenkommissionsgeschäft als Eigengeschäft betrachtenden Verkehrssitte ein Mißbrauch liegen, der Ihre Berücksichtigung ausschließt? BGB. § 157. HGB. §§ 383, 400, 401 Abs. 2

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I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 19. Mai 1926.

I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger, der seit Oktober 1923 regelmäßig an der Hamburger Fondsbörse verkehrte, machte dort u. a. mit dem Beklagten, der Inhaber eines Bankgeschäfts ist, Geschäfte in Effekten. Er hat am 5. November 1923 dem Beklagten den Auftrag gegeben, für ihn 5000 DM Nobel-Dynamitaktien, die der Beklagte für ihn im Depot hatte, zu verkaufen. Am 6. November 1923 ging dem Kläger vom Beklagten eine vom 5. November 1923 datierte Abrechnung zu, in der die bezeichneten Wertpapiere als zu einem Kurse von 21 Billionen Prozent verkauft angegeben waren. Dieser Kurs hielt sich innerhalb der Börsennotiz. Unstreitig sind aber die Wertpapiere noch am 5. November 1923 zu einem Kurse von 22,5 Billionen Prozent vom Beklagten weitergegeben worden. Der Kläger hat mit der Klage den Goldmarkwert des Unterschieds zwischen dem ihm aufgegebenen und dem tatsächlichen Weiterverkaufspreis gefordert, indem er den Standpunkt einnahm, daß der Beklagte vor Absendung der Ausführungsanzeige aus Anlaß der erteilten Kommission an der Börse ein Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen, aber einen ungünstigeren als den hierbei erzielten Preis berechnet, also insofern »den Kurs geschnitten" habe. Der Beklagte hat entgegnet, es habe damals an der Börse eine Gepflogenheit bestanden, der sich, wie die anderen Börsenkunden, auch der Kläger unterworfen habe, dahingehend, daß der Kommissionär seinem Auftraggeber regelmäßig nicht den tatsächlich für den Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers erzielten Preis, sondern einen auf anderer Grundlage innerhalb der Börsennotiz berechneten Durchschnittspreis aufgebe. Nach Beweiserhebung hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die vom Beklagten behauptete Börsengepflogenheit bestanden und der Kläger sich ihr stillschweigend unterworfen habe. Das Oberlandesgericht hat den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt und die Sache zur Verhandlung über die Höhe an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Revision des Beklagten blieb erfolglos. Aus den G r ü n d e n : Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß der Kläger an der Hamburger Börse am 5. November 1923 dem Beklagten, seinem ständigen Bankier, erklärt hat, er wolle fünf Nobelaktien verkaufen, daß der Beklagte sich über den Kurs unterrichtet, dann dem Kläger als Verkaufskurs 21 Billionen Prozent genannt und der Kläger sich mit diesem Kurs einverstanden erklärt hat. Das Berufungsgericht ist in Würdigung dieser Umstände zu dem Ergebnis gelangt, daß das von den Parteien abgeschlossene Geschäft

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kein Eigenkauf der Wertpapiere durch den Beklagten sei, sondern ein Verkaufskommissionsgeschäft und als solches den Vorschriften der §§ 383 ff. HGB. unterliege. Dieses Ergebnis ist nicht zu beanstanden. Es ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum durchgehend anerkannt, daß bei der im Einzelfall oft schwierigen Unterscheidung, ob ein Eigengeschäft oder ein Kommissionsgeschäft vorliegt, in der Regel die gewählte Ausdrucksform nicht maßgebend ist, sondern es auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erklärungen der Vertragsteile ankommt. Soweit es sich dabei um den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, die an der Börse gehandelt werden, und um ein Geschäft zwischen einem Bankier und seinem Kunden handelt, sind die besonderen zwischen solchen Vertragschließenden herrschenden und sich aus der Eigenart ihres Rechtsverhältnisses ergebenden Beziehungen zu berücksichtigen. Der Privatmann, der sich wegen Kaufs oder Verkaufs eines Wertpapiers an einen Bankier wendet, tut dies, um durch dessen Vermittlung sich die oft einzig an der Börse gegebene, jedenfalls aber erleichterte Einkaufs- oder Absatzmöglichkeit und die damit verbundene Gelegenheit zur Erzielung des bestmöglichen Preises zu sichern. Er sieht dabei in dem Bankier seinen Vertrauensmann, dem er die Wahrnehmung seiner Interessen bei der Abwicklung des Geschäfts übertragen hat. Erteilt daher der Kunde seinem Bankier einen Verkaufsauftrag, so wird dies in der Regel nur die Sinne geschehen, daß dieser bei der Abwicklung des Geschäfts zur bestmöglichen Wahrnehmung der Belange des Kunden beauftragt sein soll. Daraus ergibt sich, daß, selbst wenn der Kunde dem Bankier einen Preis nennt, für den er das Wertpapier weggeben will, er in der Regel nicht daran denkt, mit dem Bankier selbst als Gegenpartei einen festen Kauf zu dem genannten Preise abzuschließen, sondern daß damit nur gemeint ist, der genannte Preis bilde die untere Grenze, bis zu welcher der Bankier unter Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Erzielung des höchsten Preises einen Verkauf vornehmen dürfe. Bei Berücksichtigung dieser Besonderheit der in der Regel zwischen einem Bankier und seinem Kunden obwaltenden Beziehungen muß es, wenn diese Regel nicht vorliegen soll, vielmehr der Bankier im Falle eines solchen Auftrags nicht als Geschäftsbesorger, sondern als Eigenhändler seinem Kunden entgegentreten will, für erforderlich erachtet werden, daß sich die Richtung des Willens der Vertragschließenden auf eine solche Regelung aus besonderen Umständen ergibt, die einen Schluß auf eine von der üblichen abweichende Gestaltung der Geschäftsbeziehungen der Parteien zulassen (so auch RGZ. Bd. 43 S. 111, Bd. 94 S. 65). Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen die vorstehend dargelegten Grundsätze ist nicht zu ersehen. Es hat sich offenbar auf denselben Standpunkt gestellt und verneint, daß im vorliegenden Falle von dem hierfür beweispflichtigen Beklagten besondere Umstände geltend gemacht seien, die zu einer Beurteilung des zwischen den Parteien abge-

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schlossenen Geschäfts als eines Eigengeschäfts des Beklagten nötigten. Es hat mit Recht ausgeführt, daß sich weder aus den Erklärungen der Parteien noch aus der Art der Abrechnung in dieser Hinsicht etwas e r g i b t . . . (Wird dargelegt.) Wie hier ergänzend bemerkt sein mag, kann audi daraus, daß das Geschäft an der Börse abgeschlossen ist und daß der Kläger vor Erteilung des Verkaufsauftrags die Kursbewegung des zum Verkauf aufgegebenen Wertpapiers beobachtet hatte, kein entgegengesetzter Schluß gezogen werden. Das Verhältnis des Klägers zum Beklagten als dem von ihm mit der Abwicklung eines Verkaufs an der Börse Beauftragten wurde damit kein anderes. Es liegt auch unter den erwähnten Umständen nichts dafür vor, daß der Kläger auf die Erzielung eines möglichst günstigen Kurses hat verzichten wollen. Die Berufung des Beklagten auf die von ihm behauptete Verkehrssitte hat der Vorderriditer mit der Begründung zurückgewiesen, es liege, wenn sich eine solche Form der Abwicklung von Effektengeschäften in jener Zeit gebildet haben sollte, nichts dafür vor, daß der Kläger diese Gewohnheit gekannt und sich ihr unterworfen habe. Er hat demnach die Berücksichtigung einer behaupteten Verkehrssitte oder eines Handelsbrauches — in diesem Sinne muß die Behauptung des Beklagten verstanden werden und war sie auch schon vom Landgericht verstanden worden —- mit der Begründung abgelehnt, daß die behauptete Gepflogenheit dem Kläger unbekannt gewesen sei. Diese Begründung für die Nichtberücksichtigung der behaupteten Verkehrssitte ist, wie der Revision zuzugeben ist, nicht einwandfrei. Bei der Auslegung eines Vertrags kommt der Wille der Parteien in Betracht, wie er in der von ihnen abgegebenen Erklärung in die Erscheinung getreten ist. Widerspricht er unzweideutig einer Verkehrssitte, so ist nicht diese, sondern der Inhalt der abgegebenen Willenserklärung maßgebend. Liegt aber kein unzweideutiger Widerspruch zwischen der Erklärung und der Verkehrssitte vor und weiß der Geschäftsgegner auch nicht, daß die Erklärung im Sinne eines solchen Widerspruchs gegenüber der Verkehrssitte zu verstehen ist, so hat die Auslegung der Erklärung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erfolgen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Verkehrssitte dem Erklärenden bekannt war. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist in diesem Fall die Erklärung so aufzufassen, wie es der tatsächlichen Übung jener Geschäftskreise entspricht. Voraussetzung ist dabei selbstverständlich, daß tatsächlich eine Verkehrssitte bestand, d. h. eine Art der Geschäftsbehandlung, wie sie von sämtlichen an dem betreffenden Geschäftszweig beteiligten Kreisen, wenn auch in örtlicher Beschränkung, geübt wurde, und es sich nicht nur um die Anschauungen des Kreises handelte, dem die eine Geschäftspartei angehörte. Das Berufungsgericht hat demnach die für die Beaufsichtigung von Verkehrssitten maßgebenden Gesichtspunkte verkannt.

Kommissionsgeschäft Der vom Beklagten behaupteten Verkehrssitte kann aber vorliegendenfalls aus anderen Gründen kein Einfluß auf die Beurteilung der Erklärungen der Parteien eingeräumt werden. Eine Verkehrssitte ist nach feststehender Rechtsprechung nur da zu beachten, wo sie sich mit der Sicherheit des Verkehrs verträgt und nicht als ein Mißbrauch erweist. Ein solcher ist aber in der behaupteten Gepflogenheit bei ihrer A n w e n d u n g auf eine Geschäftsabwicklung der hier vorliegenden Art zu erblicken. Die Bestimmung des § 400 Abs. 2 HGB. ist gerichtet gegen den sogenannten „Kursschnitt", d . h . dagegen, daß der Kommissionär d e n Kurs, den er in einem aus Anlaß des Kommissionsauftrags abgeschlossenen Geschäft, dem sogenannten Deckungsgeschäft, erzielt hat, bald dem Kommittenten in Rechnung stellt, bald dies unterläßt und d a f ü r gemäß § 400 Abs. 2 HGB. unter Wahl des Selbsteintritts den Börsenkurs einsetzt, je nachdem, wie sich die Sachlage für ihn günstiger gestaltet. Die vom Beklagten behauptete Verkehrssitte, daß der mit dem Verkauf eines Wertpapiers b e a u f t r a g t e Bankier sich ständig als Eigenhändler betrachtet und nicht den tatsächlich erzielten günstigen Kurs gemäß § 401 Abs. 2 HGB., sondern nur einen Durchschnittskurs im Rahmen der Börsennotiz als angemessen seinem A u f t r a g g e b e r in Rechnung stellt, hat dasselbe Ergebnis wie die vorbeschriebene Geschäftshandhabung. Durch ein solches Geschäftsgebahren w e r d e n die zum Schutze des Kommittenten getroffenen Bestimmungen des § 401 Abs. 2 HGB. ausgeschaltet, die gemäß § 402 HGB. an und für sich beim Vorliegen eines Kommissionsgeschäfts nicht durch Parteiwillkür beseitigt werden können. Ein mit Absicht erfolgtes Handeln des Kommissionärs zuungunsten eines Kommittenten ist sogar im § 95 Börsenges. unter Strafe gestellt. Wohl ist der Versuch, durch Vertragsbestimmung jedes regelmäßig im W e g e des Kommissionsgeschäfts abzuwickelnde Effektengeschäft im Interesse des Bankiers als Einzelhandelsgeschäft erscheinen zu lassen, auch sonst bereits häufig unternommen worden durch A u f n a h m e einer allgemeinen Klausel in die Geschäftsbedingungen von Bankgeschäften, wonach der Bankier stets als Eigenhändler auftritt. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß eine solche Klausel gegenüber einem als Kommissionsauftrag auszusehenden Auftrage des Kunden nur die Bedeutung einer Erklärung, die Kommission durch Selbsteintritt ausführen zu wollen, beanspruchen könne. Die vom Beklagten behauptete Geschäftssitte, die als einheitliches Ganzes aufzufassen und in ihrer W i r k u n g als solches zu beurteilen ist, verfolgt also nur Ziele im Interesse eines der Beteiligten, deren Erstrebung von der Rechtsordnung nicht gebilligt und im Rechtsleben nicht anerkannt ist. Sie steht mit dem vom Gesetz zugunsten des Kommittenten erstrebten Zustande der Rechtssicherheit in Widerspruch u n d ist daher als Mißbrauch anzusehen, wenn nicht besondere Umstände, z. B. HGB. 3

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aus dem Zwange der Wirtschaftslage abzuleitende Gründe, eine andere Beurteilung rechtfertigen. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, das stürmische Börsengeschäft jener Zeitspanne habe die Auseinanderhaltung der einzelnen Aufträge, die zu verschiedenen, schnell wechselnden Kursen hätten erledigt werden müssen, sowie die alsbaldige Erstattung der vorgeschriebenen Anzeige an den Kommittenten ungeheuer erschwert. Es führt weiter an, daß die regelmäßige Ausführung des Geschäfts von ungeheueren Verlusten für den Bankier begleitet gewesen sei. Auch das Gutachten, das zu diesem Punkte im ersten Rechtszug erstattet worden ist, erwähnt zur Rechtfertigung dieser Geschäftshandhabung, daß in jener Zeit bei nur geringem Verzug eines Kunden dem Bankier infolge der hohen Zinssätze erhebliche Verluste erwachsen seien. Demgegenüber ist zu bemerken, daß bei einer Verkaufskommission, wie sie hier vorliegt, ein Verlust des Bankiers nur in Frage kommen kann durch Verzug seines Abnehmers, an den er die Papiere weitergab, nicht aber durch seinen Kommittenten. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, welche zulässigen Mittel dem Betroffenen zu Gebote standen, um solche Verluste zu vermeiden. Es bedarf aber keiner Erörterung, daß die Abwälzung solcher Verluste auf den an ihnen unbeteiligten Auftraggeber nicht als schutzwürdig betrachtet werden kann. Was die technische Durchführbarkeit einer ordnungsmäßigen Abwicklung der aufgegebenen Kommissionsgeschäfte angeht, so mögen sich im Falle von mehreren gleichzeitigen Aufträgen in gleichen Effekten allerdings Schwierigkeiten ergeben können bei der Feststellung, welches Deckungsgeschäft dasjenige ist, das gerade aus Anlaß eines einzelnen Auftrags vorgenommen wurde. Solche Schwierigkeiten können aber bei einem Geschäft nicht bestanden haben, welches wie das vorliegende abgewickelt ist, da der Beklagte nach der Feststellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils seiner eigenen Angabe zufolge an jenem Tage kein anderes Geschäft in Effekten der gleichen Art ausgeführt hat als das mit dem Kläger und ferner das aus diesem Anlaß eingegangene Deckungsgeschäft. Es kann daher bei einer so einfachen Art der Geschäftsabwicklung in der geschäftlichen Überlastung jener Zeit kein ausreichender Anlaß erblickt werden, ein solches Geschäft der gesetzlich (§ 401 Abs. 2 HGB.) im Interesse des Kommittenten gewährleisteten Sicherung zu entkleiden. Vielmehr muß in solchem Falle eine dahin zielende Gepflogenheit als ein Mißbrauch bezeichnet werden. Die vom Beklagten behauptete Verkehrssitte stellt sich daher in seinem Verhältnis zum Kläger als ein dessen gesetzlich gewährleistete Rechtsstellung gefährdender Mißbrauch dar und kann somit nicht zugunsten des Beklagten in Betracht kommen. Die vom Berufungsgericht unterlassene Prüfung ihres tatsächlichen Bestehens, insbesondere nach der Richtung, ob es sich nicht lediglich um eine ein-

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seitige Geschäftsübung des Bankiers gehandel hat (was als nicht ausgeschlossen erscheint, weil die Kunden aus den erteilten Abrechnungen die gemachten Deckungsgeschäfte und auch den Eigengeschäftswillen durchweg nicht zu ersehen vermögen), gereicht daher dem Beklagten nicht zur Beschwer. In seinen weiteren Erwägungen hat das Berufungsgericht bedenkenfrei ausgeführt, es lasse sich eine besondere Vereinbarung darüber, daß der Beklagte das Geschäft als Eigenhändler mache, auf Grund der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten schon um deswillen nicht annehmen, weil diese dem Kläger weder zugegangen noch überhaupt bekannt gewesen und daher nicht Grundlage des Vertrags der Parteien geworden seien, und weil ferner, bei Unterstellung ihrer Gültigkeit zwischen den Parteien, die in ihrer Nr. 3 enthaltene Eigenhändlerklausel eine weitergehende Bedeutung als die der Erklärung des Selbsteintritts nicht beanspruchen könne. Zu letzterem Punkte kann auf die bereits vorher hierzu gemachten Ausführungen verwiesen werden... RGZ. 116, 198 1. Unter welchen Voraussetzungen erwirbt der Kommittent bei einer Einkaufskommission das Eigentum an den vom Kommissionär eingekauften Wertpapieren, wenn der Kommissionär die Papiere in Verwahrung nimmt und dem Kommittenten kein NummernVerzeichnis Ubersendet? 2. Wie ist die Rechtslage, wenn an der Forderung des Kommittenten gegen den Kommissionär aus Ausantwortung der für den ersteren gemäß dem Auftrag angeschafften Wertpapiere ein Pfandrecht des Kommissionärs besteht (pignus debltl)? BGB. §§ 181, 223, 929, 930, 1228, 1280, 1287. HGB. § 384. Depotgesetz § 7, 8. II. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 22. Februar 1927. I. Landgericht Königsberg. — Oberlandesgericht daselbst. Die klagende Bank ist Inhaberin eines von Justizrat C. in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Königsberger Bank auf diese gezogenen und von ihr angenommenen, am 15. Mai 1924 fällig gewesenen Wechsels an eigene Order über den Betrag von 268 029,35 RM. Neben Justizrat C. haben die drei damaligen Direktoren der Königsberger Bank und die übrigen acht Mitglieder des Aufsichtsrats, darunter der Beklagte W., der damals zugleich Bankdirektor bei der Klägerin war, den Wechsel indossiert, der bei Verfall ordnungsmäßig protestiert wurde. Mit der gegen die drei Direktoren der Königsberger Bank und gegen W. erhobenen Klage verlangte die Klägerin Zahlung eines Teilbetrags von 25 000 RM. Im Laufe des Rechtsstreits stellte sie gegen den Beklagten W. noch den Hilfsantrag, er habe wegen der 25 000 RM. 15*

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die Zwangsvollstreckung in gewisse (näher bezeichnete) Wertpapiere zu dulden. Zur Begründung des Hilfsantrags führte sie aus, sie habe im Auftrag des W. in Königsberg und auch bei auswärtigen Banken verschiedene Wertpapiere gekauft und verwahre sie teils bei sich, teils bei den auswärtigen Banken; nach ihren Geschäftsverbindungen habe sie an den Wertpapieren ein Pfandrecht erlangt, und zwar schon zu einer Zeit, wo die Wechselklage noch nicht verjährt gewesen sei. Das Landgericht hat die Klage gegen sämtliche vier Beklagte wegen V e r j ä h r u n g des Wechselanspruchs abgewiesen. Es geht davon aus, daß die Verjährung zwar durch Anerkenntnisse vom Juni und zuletzt durch ein solches vom 16. August 1924 unterbrochen worden sei, daß aber vom letztgenannten Tage bis zur Klagerhebung mehr als drei Monate verstrichen seien. Der Hilfsantrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Wertpapiere erst mit der im März 1925 erfolgten Übersendung des Stückeverzeichnisses, nach Vollender Verjährung des Wechselanspruchs, in das Eigentum des Beklagten W. übergegangen seien. Die Klägerin hat nur gegen diesen Beklagten Berufung eingelegt und den Haupt- und den Hilfsanspruch ihm gegenüber auf 12 000 RM. beschränkt. Das Oberlandesgericht hat den Hauptanspruch abgewiesen und dem Hilfsantrag mit der Beschränkung stattgegeben, daß der Beklagte W. wegen 12 000 RM. die Zwangsvollstreckung in folgende Wertpapiere: 500 RM. Düsseldorfer Industrie-Verwaltungs-Aktien, 6 586 000 PM. Aktien der Ostdeutschen Schuhfabriken, zu dulden habe. Im übrigen hat es auch den Hilfsantrag abgewiesen. Die Revision der Klägerin, die sich nur gegen den abgewiesenen Teil des Hilfsanspruchs richtet, führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Gründe: Der Hilfsantrag der Klägerin stützt sich auf § 223 BGB. Danach hindert die Verjährung eines Anspruchs, für den ein Pfandrecht besteht, den Berechtigten nicht, seine Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstand zu suchen. Unstreitig hat die Klägerin bereits vor der Verjährung des Wechselsanspruchs im Auftrag des Beklagten W. und für diesen die im Hilfsantrag erwähnten Wertpapiere gekauft. Sie hat diesen Auftrag zum Teil an der Königsberger Börse durch ihre Effektenabteilung selbst ausgeführt und die gekauften Wertpapiere für den Beklagten in Verwahrung genommen, zum Teil hat sie den Auftrag durch auswärtige Banken ausführen lassen. Diese nahmen dann die angeschafften Papiere in ein Depot B auf, welches die Klägerin bei ihnen unterhielt, sandten aber der Klägerin vor Verjährung der Wechselforderung kein Nummernverzeichnis über die fraglichen W e r t papiere. Auch der Beklagte hat von der Klägerin vor der V e r j ä h r u n g

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der Wediselforderung kein Nummernverzeichnis über die von ihr angeschafften Wertpapiere erhalten. Die Klägerin stützt ihr Pfandrecht an den Wertpapieren auf Nr. 8 ihrer für den Geschäftsverkehr mit dem Beklagten geltenden Bedingungen. Diese Nr. 8 lautet: „Alle Wertpapiere und sonstigen Wertstücke, insbesondere auch Wechsel, Schecks, Transportpapiere, Zins- und Gewinnanteilscheine, Waren und Forderungen, welche im Laufe des Geschäftsverkehrs aus irgendeinem Anlaß in den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder die Verfügungsgewalt der Landesbank einschließlich ihrer Zweigstellen gelangt sind, dienen der Bank als Pfand zur Sicherheit für alle gegen den Kontoinhaber aus irgendeinem Anlaß begründeten Ansprüche jeder Art, auch wenn diese befristet oder bedingt sind. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind diejenigen Werte, bei denen der Kunde vor ihrem Eingang eine besondere Bestimmung getroffen hat oder gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen." Der Berufungsrichter hat geprüft, ob die hier fraglichen Wertpapiere schon vor der Verjährung der Wediselforderung im Eigentum des Beklagten gestanden haben, und hat dies und damit das Pfandrecht der Klägerin nur für 500 RM. Düsseldorfer Industrie-VerwaltungsAktien und die 6 586 000 PM. Aktien der Ostdeutschen Schuhfabriken bejaht. Bei diesen Papieren bestreitet der Beklagte sein Eigentum nicht; sie stammen auch nicht aus einer Einkaufskommission. Für alle übrigen Wertpapiere hat der Vorderrichter das Pfandrecht der Klägerin verneint. Er unterscheidet dabei zwischen den von der Klägerin selbst in Königsberg für den Beklagten angekauften und für ihn in Verwahrung genommenen und denjenigen Wertpapieren, die sie unter Zuhilfenahme auswärtiger Banken gekauft hat und die von diesen Banken dem bei ihnen für die Klägerin eingerichteten Depot B zugeführt und in Verwahrung gehalten worden sind. Für die erste Gruppe von Wertpapieren führt das angefochtene Urteil aus: Als Einkaufskommissionärin habe die Klägerin das Eigentum an den Papieren erlangt, jedoch mit der Verpflichtung, es auf den Beklagten als den Kommittenten zu übertragen. An sich habe die Eigentumsübertragung nach § 7 des Depotgesetzes durch Absendung eines Stüdceverzeichnisses geschehen können, vorausgesetzt, daß die Klägerin das Verfügungsrecht über die Papiere besessen habe. Der Beklagte habe aber bei allen diesen Kommissionsgeschäften auf Übersendung eines Stüdceverzeichnisses verzichtet, und es sei ihm auch im März 1925, nach Vollendung der Verjährung des Wechselanspruchs, ein Stückeverzeichnis übersandt worden. Die Eigentumsübertragung sei jedoch auch im Wege des § 930 BGB. möglich gewesen. Habe man nämlich, wie die Klägerin unter Beweis gestellt habe und wie zu ihren Gunsten unterstellt werde, bei jeder Auftragserteilung vereinbart, daß

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der Beklagte Eigentümer der Stücke werden, die Klägerin sie aber in Verwahrung behalten solle, so habe sich die Klägerin als Besitzerin und Eigentümerin der Wertpapiere mit dem Beklagten oder (da sie gemäß § 181 BGB. zugleich als dessen Vertreterin habe auftreten können) mit sich selbst über den Eigentumsübergang einigen können, wobei die nach § 929 BGB. erforderliche Ubergabe durch das vorher verabredete Rechtsverhältnis des Verwahrungsvertrags ersetzt worden sei. Die vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung (z. B. in RGZ. Bd. 73 S. 418, Bd. 99 S. 210) für den Vertragsabschluß mit sich selbst verlangte äußerlich in die Erscheinung tretende, den Willen zur Eigentumsübertragung kenntlich machende Ausführungshandlung besteht nach der Annahme des Berufungsrichters hier darin, daß die Wertpapiere mit Streifen, die den Namen des Beklagten trugen, umbunden und in das Nummernbuch eingetragen wurden, das über die einzelnen Sorten von Aktien oder Obligationen geführt wird und in dem jeweils die Nummern der betreffenden Wertpapiere und deren Eigentümer vermerkt sind. Gleichwohl lehnt der Berufungsrichter auch bei diesen in Verwahrung der Klägerin befindlichen Wertpapieren den Klaganspruch ab, und zwar deshalb, weil die Klägerin nicht angegeben habe, welche von diesen Papieren sie in Königsberg angekauft und von vornherein bei sich in Verwahrung genommen habe. Die Klägerin habe nämlich, wie erwiesen sei, nach der Inflationszeit in solchen Fällen, wo ihr der Verbleib der Wertpapiere bei den auswärtigen Banken nicht sicher genug erschienen sei, die Stücke nach Königsberg kommen lassen und dort in Verwahrung genommen. A n denjenigen Stücken aber, die sie auf diese W e i s e erst nach der Verjährung erworben, habe kein Pfandrecht mehr entstehen können; sie müßten daher ausscheiden. Ferner habe die Klägerin zugegebenermaßen in einigen Fällen einzelne Stücke aus dem Streifband mit dem Namen des Beklagten herausgenommen und durch andere Stücke mit demselben Nennbetrag ersetzt. Wenngleich nun der Beklagte an den neu eingelegten Stücken (ohne Rücksicht auf seine Kenntnis von dem Umtausch, RGZ. Bd. 52 S. 152) Eigentum erworben habe, so könne diesem Eigentumserwerb doch keine rückwirkende Kraft beigelegt werden. Soweit also der Eigentumserwerb erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt sei, habe ein Pfandrecht der Klägerin an den umgetauschten Stücken nicht entstehen können. Schließlich habe auch im Zusammenhang mit der Umstellung auf Reichsmark ein Umtausch von Stücken stattgefunden. Diesen Ausführungen muß insoweit zugestimmt werden, als hiernach die Möglichkeit besteht, daß der Beklagte an den von der Klägerin in Königsberg für ihn angeschafften und in ihre Verwahrung genommenen Wertpapieren Eigentum erworben und die Klägerin vor Eintritt der Verjährung ihres Wechselanspruchs ein Pfandrecht an ihnen erlangt hat. Die Bedenken, die das Oberlandesgericht im übrigen

231 gegen das von der Klägerin beanspruchte Pfandrecht äußert, sind aber nicht gerechtfertigt. W a s den Umtausch von Stücken betrifft, die im Eigentum des Beklagten standen, so war dieser als Direktor im Betriebe der Klägerin und im besonderen als Leiter ihrer Depotabteilung mit derartigen Gepflogenheiten der Klägerin vertraut. Es muß daher angenommen werden, daß er zu solchen Umtausch stillschweigend seine Zustimmung erteilt und daß eine stillschweigende Vereinbarung dahin bestanden hat, die neuen Stücke sollten in jeder Beziehung an die Stelle der früheren treten. Nach dem Willen der Parteien sollten daher die an den bisherigen Stücken bestehenden Rechte beider Parteien ohne weiteres auf die neuen Stücke übergehen; es sollte sich also das Pfandrecht, ohne das eine Neubegründung in Frage kam, einfach an den neuen Stücken fortsetzen. Unter diesen Umständen würde dem Beklagten die Einrede der Arglist entgegenstehen, wenn er sich gegenüber dem Pfandrecht der Klägerin an den neuen Stücken auf die Verjährung der Wediselforderung berufen wollte. Dazu kommt, daß der bei weitem größte Teil der im Wertpapierverzeichnis enthaltenen Papiere Aktien waren. Gegenstand des Pfandrechts der Klägerin ist insoweit das Aktionärrecht des Beklagten gegenüber der betreffenden Gesellschaft. Wenn sich dieses Redit auch äußerlich in der Aktienurkunde verkörperte, so ist doch durch die Denomination und die Umstellung der Aktien auf Reichsmark in dem Aktionärrecht und demgemäß auch in dem Pfandrecht der Klägerin keine Änderung eingetreten. Hiernach steht der Klägerin trotz der Verjährung der Wechselforderung ein Pfandrecht an den Wertpapieren zu, die sie selbst als Einkaufskommissionär des Beklagten in Königsberg eingekauft und verwahrt hat, sowie an denjenigen Stücken, die durch Umtausch oder infolge der Umstellung auf Reichsmark an die Stelle der gekauften Wertpapiere getreten sind. Voraussetzung ist hierbei, daß die Parteien, wie der Berufungsrichter unterstellt, bei jeder Auftragserteilung zum Ankauf vereinbart haben, der Beklagte solle Eigentümer der Stücke werden und die Klägerin solle sie in Verwahrung behalten. Bezüglich derjenigen Wertpapiere, welche die Klägerin durch auswärtige Banken hat anschaffen und bei diesen hat verwahren lassen, führt der Berufungsrichter aus: Diese Wertpapiere hätten unbestrittenermaßen unter Konto B der Klägerin, also auf ihren Namen, bei der auswärtigen Bank gelegen. Dieses Konto betrifft diejenigen Wertpapiere, auf welche der § 8 Abs. 1 Satz 2 des Depotgesetzes Anwendung findet, bei denen also die Klägerin bei Weitergabe dés Einkaufsauftrages an die auswärtige Bank (den sog. Zentralbankier) dieser mitgetéilt hatte, daß die Anschaffung für fremde Rechnung geschehe. An diesen Wertpapieren habe — so heißt es im angefochtenen Urteil weiter — der Zentralbankier, da er als Kommissionär im eigenen

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Namen gehandelt, zunächst selbst das Eigentum erworben, allerdings mit der aus §384HGB. sich ergebenden Verpflichtung, es auf die Klägerin zu übertragen. Die nach § 7 des Depotgesetzes mögliche Übertragung des Eigentums durch Übersendung eines Stüdceverzeichnisses habe hier nicht sattgefunden; denn die auswärtigen Banken hätten der Klägerin vor der Verjährung des Wechselanspruchs kein Nummernverzeichnis von ihren Konto B übersandt. Nun habe zwar, was zugunsten der Klägerin unterstellt werde, ein Ubergang des Eigentums an den Wertpapieren von der auswärtigen Bank auf die Klägerin auch gemäß §§ 930, 181 BGB. erfolgen können, wenn die Klägerin einen Verwahrungsvertrag mit der auswärtigen Bank geschlossen und diese sich der Klägerin oder mit sich selbst als deren Vertreterin über den Eigentumsübergang geeinigt habe; auch habe eine Kundbarmachung des Ubereignungswillens dadurch herbeigeführt werden können, daß die Wertpapiere in Streifen mit dem Namen der Klägerin gelegt oder im Nummernbuch auf den Namen der Klägerin eingetragen worden seien. Allein zur Begründung eines Pfandrechts für die Klägerin habe es außerdem noch einer Eigentumsübertragung an den Beklagten (durch die Klägerin) bedurft. Da der Klägerin jedoch das Nummernverzeichnis gefehlt habe, habe sie nicht nach §§ 930, 181 BGB. verfahren können. Denn es sei ihr unmöglich gewesen, ihren Eigentumsübertragungswillen nach außen kenntlich zu machen. Eine Eintragung in das Depotbuch des Beklagten W. habe dazu nicht genügt; denn das nach Kunden geordnete Personendepotbuch, das zugleich als Unterlage für die den Kunden mitzuteilenden Depotauszüge diene, enthalte nur die einzelnen den Kunden gehörenden Wertpapiere nach dem Nennbetrag, nicht aber auch nach Nummern. Audi das nach dem Namen der Wertpapiere geordnete Sachendepotbuch weise keine Nummern auf. Dies sei nur beim sog. Nummernbuch der Fall. In das Nummernbuch habe aber die Eintragung nicht erfolgen können, weil die auswärtigen Banken der Klägerin die einzelnen Nummern nicht mitgeteilt hätten und diese daher nicht bekannt gewesen seien. Das constitutum possessorium (BGB. § 930) und seine äußere Kundbarmachung könne nur individuell bestimmte Sachen zum Gegenstand haben; im vorliegenden Falle habe es aber auch schon deshalb an jeder Individualisierung der Wertpapiere gefehlt, weil nach dem eigenen Zugeständnis der Klägerin die auf dem Konto B ruhenden Wertpapiere einer und derselben Art nicht nur für den Beklagten, sondern auch für andere Kunden bestimmt gewesen seien. Sonach habe kein Eigentum für den Beklagten begründet werden können, vielmehr sei dieses erst mit der Ubersendung des Nummernverzeichnisses im März 1925, also nach Verjährung der Wechselforderung, entstanden. Die Klägerin habe auch nicht, wie sie meine, das Eigentum an den im Depot B liegenden Wertpapieren stets unmittelbar für ihre Kunden in der Weise er-

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worben, daß diese dadurch Miteigentümer geworden wären. Denn die auswärtige Bank habe, da ihr die Namen der Kunden der Klägerin u n b e k a n n t gewesen seien, auf diese kein Eigentum übertragen können u n d wollen. Das Gegenteil könne auch nicht daraus gefolgert werden, daß die Anschaffung nach dem A u f t r a g der Klägerin für fremde Rechn u n g habe geschehen sollen. Denn dadurch hätten nur die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 des Depotgesetzes eintreten sollen, womit ein Zwischeneigentum der Klägerin wohlvereinbar sei. Auch ein Miteigentum ihrer K u n d e n habe die Klägerin als Eigentümerin der W e r t p a p i e r e auf Depot B nicht zu begründen vermocht, weil ein solches Miteigentum nur an bestimmten W e r t p a p i e r e n h a b e in Erscheinung treten und die Klägerin beim Fehlen eines Nummernverzeichnisses den Miteigentumsanteil des einzelnen Kunden in ihren Büchern nicht habe bezeichnen können. Die Klägerin habe sich vielmehr damit begnügen müssen, im Personendepotbuch bei jedem ihrer Kunden W e r t p a p i e r e in gewissem Nennbetrag, also lediglich der Gattung nach bestimmt, einzutragen. Wollte man es aber für genügend halten, wenn in den Büchern der Klägerin zum Ausdruck gekommen sei, daß dem Beklagten Miteigentum zu einem gewissen Bruchteil an denjenigen nach dem N e n n b e t r a g zu bezeichnenden W e r t p a p i e r e n zustehe, die sich auf ihrem Konto B bei der auswärtigen Bank befänden, so fehle es auch an einer solchen Eintragung, wie die Klägerin selbst zugebe, ü b r i g e n s w ä r e eine solche Eintragung auch undurchführbar, da der Bruchteil sich bei jeder Neuanschaffung ändere. W a s die Klägerin gegen diese A u s f ü h r u n g e n des Berufungsrichters geltend macht, kann nicht für durchschlagend erachtet werden. Die Klägerin geht davon aus, daß es sich bei dem Depot B um ein Sammeldepot handle. Das trifft jedoch nicht zu. Ein Sammeldepot setzt eine Mehrheit von Hinterlegern (Deponenten) voraus, während im vorliegenden Falle, beim Depot B, die Klägerin die alleinige Hinterlegerin den auswärtigen Banken gegenüber ist. Die als sog. Zentralbankiers handelnden auswärtigen Banken treten nur zu der Klägerin als Lokalbankier, nidit aber auch zu deren Kunden in rechtliche Beziehungen. Der Lokalbankier wird auch nicht, wie die Klägerin meint, bei der W e i t e r g a b e von Aufträgen mehrerer Kunden an den Zentralbankier ohne weiteres Miteigentümer zu einem entsprechenden Bruchteil; infolgedessen kann auch nicht davon die Rede sein, daß er seinen Anteil weiter auf den Kunden übertragen würde. Die Klägerin übersieht hierbei, daß ein derartiger auf Übertragung des Miteigentumsanteils gerichteter Willensakt nicht äußerlich erkennbar gemacht werden kann, wie es im Falle der §§ 930, 181 BGB. notwendig ist. All das k a n n indessen dahingestellt bleiben, da man auf anderem W e g e dazu gelangt, im Gegensatz zu der Entscheidung des Berufungsrichters der Klägerin an den von auswärtigen Banken gekauften und im Depot B v e r w a h r t e n W e r t p a p i e r e n ein Pfandrecht zuzusprechen

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und ein solches auch an den von der Klägerin selbst angeschafften Wertpapieren für den Fall anzuerkennen, daß eine Vereinbarung der Parteien über den Verwahrungsvertrag für die gekauften Wertpapiere nicht zu erweisen ist. Die Geschäftsbedingungen räumen in Nr. 8 der Klägerin ein Pfandrecht zur Sicherung aller gegen den Beklagten aus irgendeinem Anlaß begründeten Ansprüche, also auch zur Sicherung des hier fraglichen Wechselanspruchs ein. Als verpfändet sollen unter anderem — und das übersieht der Berufungsrichter — alle Forderungen gelten, die im Laufe des Geschäftsverkehrs in die Verfügungsgewalt der Klägerin oder ihrer Zweigstellen gelangt sind. Der Beklagte hat aus seinen von der Klägerin selbst oder in ihrem Auftrag von den auswärtigen Banken ausgeführten Einkaufs-Kommissionsaufträgen gegen die Klägerin einen Anspruch auf Lieferung, genauer auf Übertragung des Eigentums und des Besitzes an den gekauften und von ihr verwahrten oder in ihrem Depot B bei den auswärtigen Banken liegenden Wertpapieren erworben. Dieser Anspruch ist in die Verfügungsgewalt der Klägerin gelangt. Die Ausdrucksweise der Nr. 8 der Geschäftsbedingungen ist zwar in dem hier fraglichen Teil nicht besonders klar, und die Klägerin müßte es sich gefallen lassen, daß eine strenge Auslegung Platz greift, da sie die Geschäftsbedingungen selbst verfaßt und es an der nötigen Klarheit hat fehlen lassen. Dieser Auslegungsgrundsatz kann aber hier deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil der Beklagte Bankdirektor im Betriebe der Klägerin war und daher von dem Bestreben der Banken, ihren Kunden gegenüber eine möglichst umfassende Sicherheit zu erlangen, unterrichtet war und über den wirklichen Sinn der Bestimmung nicht im Zweifel sein konnte. Die Nr. 8 sollte nämlich nur zum Ausdrude bringen, daß die als Sicherheit dienende Forderung des Kunden auf irgendeine Weise in den Machtbereich der Klägerin gelangt sein muß. Dieser Machtbereich braucht kein rechtlicher zu sein; er kann auch rein tatsächlicher Natur sein, und dies trifft hier insofern zu, als die Klägerin die Leistung zu bewirken hat und die Verfügungsbefugnis über die den Gegegenstand der Forderung bildenden Wertpapiere besitzt. Daß der Schuldner (der Beklagte) zur Sicherung seiner Schuld (der Ansprüche der Klägerin gegen ihn) eine ihm gegen seinen Gläubiger zustehende Gegenforderung verpfänden kann (pignus debiti), ist anerkannten Rechtens. In solchem Falle bedarf es nicht der sonst nach § 1280 BGB. zur Verpfändung erforderlichen Anzeige des Gläubigers der verpfändeten Forderung an den Schuldner. Die dem Pfandrecht der Klägerin unterworfene Forderung des Beklagten gegen die Klägerin war zunächst nur auf die Gattung nach bestimmte Wertpapiere gerichtet. Soweit die dieser Forderung entsprechende Verpflichtung zur Lieferung von Wertpapieren der fraglichen Gattung, also auf Eigentumsübertragung ging, kam die Klägerin ihrer Leistungspflicht dadurch nach, daß sie dem Beklagten

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im März 1925 das Nummernverzeichnis übersandte, wodurch das Eigentum an den darin verzeichneten Wertpapieren auf den Beklagten überging. Durch diese nach § 1228 BGB erfolgte Leistung trat auf Grund dinglicher Surrogation an die Stelle des Pfandrechts der Klägerin (an der gegen sie gerichteten Forderung auf Leistung der nur der Gattung nach bestimmten Wertpapiere) ein Pfandrecht an den dem Beklagten von der Klägerin zu Eigentum übertragenen, nach Nummern im einzelnen bestimmten Wertpapieren, BGB. § 1278. Da es sich im Falle der kraft Gesetzes eintretenden dinglichen Surrogation nicht um die Neubestellung eines Pfandrechts, sondern nur darum handelt, daß an Stelle des Pfandrechts an der Forderung ohne weiteres ein Pfandrecht an der auf Grund der Forderung geleisteten Sache tritt, das frühere Pfandrecht sich also an dieser Sache von selbst fortsetzt, ist es bedeutungslos, ob zur Zeit dieser Umwandlung die Wechselforderung bereits verjährt war oder nicht. Dasselbe muß aber auch für die von der Klägerin durch Vermittlung auswärtiger Banken gekauften Wertpapiere gelten, welche die Klägerin nach der Inflation sich kommen ließ und in Verwahrung nahm. Die der Klägerin verpfändete Forderung des Beklagten (Anspruch gegen die Klägerin selbst auf Ausantwortung von Wertpapieren) wurde in dem Augenblick, wo der Beklagte das Eigentum an dem einzelnen bestimmten Wertpapier erwarb, durch Leistung getilgt, und das Pfandrecht der Klägerin ging nunmehr kraft Gesetzes auf die betreffenden Wertpapiere über, gleichgültig, ob sich dieser Ubergang vor oder nach der Verjährung der Wechselforderung vollzog. Soweit also nicht schon vorher Eigentumsübergang auf den Beklagten eingetreten und dementsprechend ein Pfandrecht der Klägerin entstanden war, ist dies trotz Verjährung der Wechselforderung spätestens mit der Ubersendung des Nummernverzeichnisses im März 1925 rechtswirksam geschehen. Wenn sich hiernach der Hilfsantrag der Klägerin auch als begründet erweist, so kann doch noch nicht in der Sache selbst erkannt werden. Denn die vom Beklagten zu duldende Zwangsvollstreckung kann sich nur auf einzelne genau bestimmte Wertpapiere erstrecken. Da aber der Klagantrag die Nummern der in Frage kommenden Stücke nicht enthält, fehlt es zur Zeit noch an der Möglichkeit der erforderlichen genauen Bestimmung der einzelnen Wertpapiere. RGZ. 121, 177 Kann derjenige, mit dem der Kommissionär für seinen Kommittenten ein Geschäft abgeschlossen hat, gegen einen Anspruch des Kommissionärs aus diesem Geschält mit einer Forderung gegen den Kommissionär aufrechnen, die er gegen diesen anderweitig erworben hat? Wann kann der Kommittent, dem der Kommissionär die Forderung abgetreten hat, der Aufrechnungseinrede des Schuldners die Gegeneinrede der Arglist entgegensetzen? HGB. § 392 Abs. 2 BGB. § 404.

Handelsgesetzbuch

I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 23. Mai 1928 I. Landgericht Düsseldorf, Kammer für Handelssachen. — II. O b e r l a n d e s gericht daselbst.

Die Klägerin, eine in Rotterdam ansässige holländische Firma, wünschte im J a h r e 1925, in Deutschland Röhren zu kaufen. Sie w a n d t e sich deshalb an den Kaufmann K. in D. Dieser setzte sich mit dem dortigen Kaufmann D. in Verbindung. Letzterer w a n d t e sich an die Beklagte als die Verkäuferin derartiger Röhren. Die Beklagte war durch ihre Beteiligung an einem Konzern verhindert, unmittelbar solche Verkaufsgeschäfte nach Holland zu schließen. Es tauchte daher der Gedanke auf, wegen der Lieferungen eine Mittelsperson einzuschieben. Hierüber fanden zwischen den Beteiligten verschiedentlich mündliche, fernmündliche u n d schriftliche Verhandlungen statt. Die Klägerin behauptet, diese Verhandlungen hätten unmittelbar zu einem Kaufabschluß zwischen ihr und der Beklagten geführt. Tatsächlich ist der Beklagten ein Betrag von 100 000 hfl. als Vorauszahlung überwiesen worden. Die Klägerin verlangt den durch die Lieferungen nicht verbrauchten Teil dieser Zahlung zurück und stützt ihren Anspruch u. a. auch darauf, daß ihr D. seine Ansprüche gegen die Beklagte abgetreten habe. Dagegen hat die Beklagte eingewendet, sie h a b e vor dieser Abtretung mit Forderungen, die ihr anderweitig gegen D. zugestanden hätten, gegenüber dessen Forderung auf Rückzahlung des von den 100 000 hfl. verbliebenen Restes aufgerechnet. Damit sei diese Forderung ausgeglichen. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies sie ab. In der Revisionsinstanz wurde das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt. Aus den G r ü n d e n : . . . Soweit der Klaganspruch auf die Abtretung gestützt wird, stellt ihm das Berufungsgericht die Vorschrift des § 404 BGB. entgegen. Die weitere Frage, ob die von der Beklagten geltend gemachte Aufrechnung oder Zurückbehaltung aus besonderen Gründen ausgeschlossen sei, wird vom Vorderrichter verneint. Die Erwägung des Berufungsgerichts, daß die Bestimmung in § 392 Abs. 2 HGB. der von der Beklagten geltend gemachten Aufrechnung nicht entgegenstehe, entspricht der herrschenden Rechtsauffassung ( D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g Anm. 22 und 2 zu § 392 HGB.; S t a u b - K o e n i g e Anm. 11 dazu; RGZ. Bd. 32 S. 43). Auch darin ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß hier die Sachlage anders ist als bei dem in RGZ. Bd. 32 S. 43 erörterten Fall. Trotzdem muß unter entsprechender A n w e n d u n g der dort aufgestellten Rechtsgrundsätze -auch hier die von der Klägerin erhobene Einrede der Arglist als begründet erachtet werden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß D. den Kaufvertrag mit der Beklagten als Kommissionär der Klägerin abgeschlossen hat. Es ist aber dahingestellt geblieben, ob die Beklagte dabei den D. als Kom-

237 missionär oder als Eigenhändler angesehen hat. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts war D. nur formell Gläubiger des Anspruchs auf Rückzahlung des Restbetrags. Sachlich stand dieser Anspruch der Klägerin als Kommittentin des Kommissionärs D. zu. Gegen den Anspruch des D. an die Beklagte auf Rückzahlung hat diese mit Forderungen aufgeredinet, die sie anderweitig gegen D. aus ihrer Geschäftsverbindung mit ihm erlangt hatte. Diese Aufrechnung ist erfolgt, bevor D. seinen RückZahlungsanspruch an die Klägerin abgetreten hatte. W ä r e sie rechtswirksam, so könnte die Klägerin aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen aus der Abtretung des D. an sie keine Rechte gegen die Beklagte herleiten (BGB. § 404). Nun hat aber die Klägerin die 100 000 hfl., deren Rest die Beklagte an D. gemäß seinem Schreiben vom 30. März 1925 zurück vergüten sollte, mit Wissen der Beklagten unmittelbar an diese gezahlt. Dabei hat die Klägerin in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 23. Februar 1925 zum Ausdruck gebracht, daß das Geld „als Barvorauszahlung der an uns (die Klägerin) . . . verkauften Gas-, Dampf- und Siederöhren" dienen sollte. Die Beklagte wußte also, daß das Geld von der Klägerin herstammte, daß ferner die Klägerin die Zahlung nur in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse an die Beklagte geleistet hatte und daß das Geld ausschließlich zu Zwecken der Klägerin Verwendung finden sollte. Dementsprechend ist die Klägerin zu den Vergleichsverhandlungen vom 30. März 1925 hinzugezogen worden und bei Abschluß dieses Vergleichs durch ihren Prokuristen vertreten gewesen. Nach dem für den Inhalt dieses Vergleichs maßgeblichen Schreiben der Beklagten an D. vom 30. März 1925 sollte von der Ware, für welche die Klägerin die 100 000 fl. gezahlt hatte, nur ein Teil geliefert werden. Die Bezahlung des Kaufpreises für diese W a r e sollte aus den 100 000 hfl. erfolgen. Wenn es unter diesen Umständen in dem Schreiben vom 30. März 1925 weiter heißt: „Der dann noch verbleibende R e s t b e t r a g . . . wird nach Anrechnung der Lieferungen zurückvergütet, entweder unter Wertstellung vom 18. Februar oder aber mit einer Zinsvergütung von 12°/o pro anno vom 18. Februar ab bis zum Tage der Rückvergütung", so konnte die Klägerin dies nach Treu und Glauben nur dahin verstehen, daß die Rückvergütung unmittelbar an sie geleistet werden sollte. Das war auch für die Beklagte bei Abschluß des Vertrags erkennbar. Wollte die Beklagte trotzdem die damals bereits bestehenden Forderungen, die sie aus anderen Geschäften gegen D. hatte, gegenüber diesem als dem formellen Gläubiger des RückZahlungsanspruchs im W e g e der Aufrechnung geltend machen, so geboten Treu und Glauben im Verkehr, daß sie das bei den Vergleichsverhandlungen klar zum Ausdruck brachte. Dies ist aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geschehen.

238 Audi nach Abschluß des Vergleichs vom 30. März 1925 hat die Beklagte zunächst der Klägerin gegenüber nicht zu erkennen gegeben, daß sie gegen den Anspruch auf Rückzahlung des Restes der 100000 hfl. mit Forderungen gegen D. aufrechnen wolle. Im Gegenteil weisen ihre Schreiben an die Klägerin vom 11. und 12. Mai 1925 darauf hin, daß die im Vergleich vom 30. März 1925 vorgesehene Rückvergütung unmittelbar an die Klägerin erfolgen sollte, sobald „einige bestehende Differenzen" mit D. geklärt seien. Daß aber diese Klärung von Differenzen die Aufrechnung mit bereits bestehenden Forderungen der Beklagten gegen D. habe betreffen sollen, behauptet die Beklagte selbst nicht und es war aus ihrem Schreiben auch nicht zu entnehmen. So hat denn auch die Beklagte selbst zugegeben, daß die im Vergleich vom 30. März 1925 vorgesehene Rückvergütung des Restbetrags unmittelbar an die Klägerin erfolgen sollte. Nach alledem kann die Beklagte gegenüber dem aus der Abtretung der Forderung des D. gegen sie hergeleiteten Klaganspruch nicht mit Erfolg geltend machen, daß sie vor dieser Abtretung mit Ansprüchen gegen D. aufgerechnet habe. Denn diesem Einwand steht die von der Klägerin erhobene Einrede der Arglist entgegen. RGZ. 124, 115 1. Zum Begriff der Unverziiglidikeit der Irrtumsanfechtung. 2. Kommt es auch auf den Irrtum des Kommittenten an, wenn ein vom Kommissionär mit einem Dritten abgeschlossener Kaufvertrag vom Kommissionär und vom Kommittenten wegen Irrtums angefochten wird?

BGB. § 121. HGB. §396.

II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 22. Februar 1929. Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil" 3. RGZ. 126, 70 1. Hat bei Beschädigung des Kommissionsgutes, das dem Kommissionär in Verwahrung gegeben war, der Kommittent die Beweislast dafür, daß die Beschädigung in der Verwahrungszeit eingetreten ist, oder ist der Kommissionär für das Gegenteil beweispflichtig? 2. über beschränkte Anwendbarkeit der Regeln vom Beweis des ersten Anscheins. HGB § 390. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 30. Oktober 1929.

I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergericht daselbst.

Die jetzige Klägerin ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Klägers, damals Inhabers der Galerie P. in München (die klagende Partei und ihr Rechtsvorgänger werden nachstehend als der „Kläger" bezeichnet). Geklagt wird auf Schadensersatz für ein Gemälde, das der Kläger nach seiner Behauptung dem Beklagten zum

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kommissionsweisen Verkauf überlassen und in schwerbeschädigtem Zustand zurückerhalten hat. Dieses Gemälde „Familie" (Rubens oder Rubenssdiule) war mit zwei anderen aus der Galerie P. von München nach Berlin gesandt worden, wo sie der Beklagte verkaufen sollte. Abgeschlossen hat der Kläger den Vertrag mit dem Kaufmann K. in München, wobei im Rechtsstreit darüber gestritten worden ist, wer Vertragsgegner des Klägers geworden ist. Außer K., der sich gemeinsam mit einer Baronin D. um die Bilder bemühte, sind bei diesem Geschäft noch zwei Bankfirmen und eine dritte Firma tätig geworden. Das Angebot, die Bilder in Berlin verkaufen zu lassen, wurde nämlich dem Kläger von K. und der Baronin D. gemacht. Sie fragten ihn, ob sie nicht die Gemälde für den Beklagten in Kommission erhalten könnten. Der Kläger, der sich anfangs völlig ablehnend verhalten hatte, war schließlich dazu bereit, aber nur dann, wenn ihm eine Bank in Höhe des Wertes der Gemälde Sicherheit böte. Die Bank des Beklagten war die Firma Pa. in Berlin. Diese besorgte bereits seit einiger Zeit für die Gemälde-Kommissionsgeschäfte des Beklagten gemeinschaftlich mit der Münchener Bankfirma G.-H. die finanzielle Sicherstellung der Gemälde-Eigentümer. So kam es am 22. Juni 1927 zur Ausstellung folgender zwei Schriftstücke: 1. Herr K. und Baronin D. im Auftrag des Kunsthauses E ( = Bekl.) in Berlin erhalten mit heutigem gegen Sicherstellung (Depot gleichen Wertes) bei G.-H. München folgende Bilder ausgehändigt: .Familie" (Rubens), unsigniert 12 000 M (Es folgt Angabe von zwei weiteren Gemälden im Werte von 2000 und 3000 M.) (Unterschriften) K. Freifrau v. D. 2. Wir erhielten heute von Ihnen ein Bild, Ausmaß ohne Rahmen (leere Stelle), darstellend (leere Stelle). Das Bild ist nach den Ihnen vorliegenden Expertisen von (leere Stelle). Wir verpflichten uns, Ihnen bis spätestens 20. Juli entweder den für das Bild festgesetzten Gegenwert von 12 0000 M. — zwölftausend Reichsmark — hier in bar auszubezahlen oder Ihnen bis zu diesem Termin das Bild im Original zurückzuerstatten, wogegen Ihre Ansprüche gegenüber der Firma Kunstauktionshaus E. ( = Bekl.) Berlin bzw. uns gegenüber voll befriedigt sein werden. Erfüllungsort ist München. (Unterschrift) G.-H. Hierauf wurden die drei Gemälde zur Firma G.-H. geschafft. Dort wurde insbesondere das Gemälde .Familie" auf der Rückseite mit Schnüren und Siegeln versehen, um ein Herausnehmen des Bildes aus dem Rahmen ohne Verletzung der Siegel unmöglich zu machen. Verpackt wurden die Bilder bei der Firma Sch. & L. Die Sendung ging an die Bankfirma Pa. in Berlin. Gegen Mitte Juli 1927 trafen die Gemälde wieder bei H.-G. in München ein. Der Kläger ließ sie von dort durch seinen Geschäftsführer M. abholen. Nach Empfang der Bilder stellte

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der Kläger bei dem Gemälde „Familie" erhebliche Beschädigungen fest; an mehreren Stellen war die Farbe durch ätzende Mittel beseitigt worden. Er behauptet, daß dadurch das Gemälde völlig entwertet sei. Er hat Klage auf Zahlung von 12 000 RM. nebst Zinsen erhoben. Der Beklagte hat seine Passivlegitimation bestritten und in Abrede gezogen, daß er mit dem Kläger den von diesen behaupteten Kommissionsvertrag abgeschlossen habe. Lediglich mit der Firma G.-H. h a b e zunächst der Kläger ein Abkommen getroffen. Da diese Firma ebenfalls Bedenken getragen habe, die Bilder dem Beklagten auszuhändigen, seien sie an die Firma Pa. gesandt worden. Er, Beklagter, h a b e sie überhaupt niemals erhalten. Er habe die Bilder „kaum gesehen" und, da sie unverkäuflich gewesen, alsbald ihre Rüdesendung nach München veranlaßt. Ob und was mit dem Gemälde „Familie" vorgen o m m e n worden sei, wisse er nicht. Dieses Bild habe auch nur einen W e r t von höchstens 1500 RM gehabt. Die Beschädigungen daran seien mit geringen Kosten auszubessern. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Kammergericht erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Revision des Beklagten h a t t e keinen Erfolg. Gründe: Das Kammergericht nimmt an, es seien zwischen dem Kläger und dem Beklagten durch Vermittlung des K. ein Kommissionsvertrag zustande gekommen und die persönliche Haftung des Beklagten sei nicht dadurch ausgeschlossen worden, daß die Bankfirma G.-H. bei dem Geschäft eine Garantie übernommen habe. Beides ist rechtlich unbedenklich. . . . (Wird dargelegt.) Das Berufungsgericht stellt ferner fest, daß das Gemälde „Familie" bei der Ankunft in Berlin unbeschädigt war, dagegen bei der Aushändigung an den Kläger in München die Beschädigungen aufwies. Dazu wird im einzelnen ausgeführt: Die Firma Pa: habe mit dem Beklagten vereinbart, daß sie die Bilder für ihn in V e r w a h r u n g nehme. Sie sei daher als seine Erfüllungsgehilfin zu betrachten. Dagegen könne dahingestellt bleiben, ob etwa auch die Firma G.-H. Erfüllungsgehilfin des Beklagten gewesen sei. W o das Bild beschädigt worden sei, habe sich nicht hinreichend klären lassen. Feststehe, daß das Bild bei der A n k u n f t in Berlin nicht beschädigt gewesen sei. Die Beweisaufnahme h a b e ferner ergeben, daß das Bild „bei der Rüdegabe in München" beschädigt gewesen sei. Nach § 390 HGB. habe aber der Kommissionär die Beweislast dafür, wo die Schäden entstanden seien. Er müsse also beweisen, daß die Beschädigung nicht in die Zeit falle, wo er und seine Erfüllungsgehilfin Pa. das Bild im Besitz gehabt hätten. Die volle Beweislast müsse hier den Beklagten auch deshalb treffen, weil es n a d i den Bekundungen der Zeugen „kaum möglich" sei, daß der Schaden „nach der Rückgabe des Bildes in München" entstanden sei. Die ver-

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bleibende Unklarheit müsse dem Beklagten zur Last fallen. Ein Verzicht des Klägers auf seine Ansprüche dem Beklagten gegenüber könne darin nicht erblickt werden, daß der Geschäftsführer M. das Bild bei G.-H. ohne Geltendmachung der nachher festgestellten Beschädigungen entgegengenommen habe. Hiergegen wendet zunächst die Revision ohne Grund ein, das Bankhaus Pa. sei in bezug auf die Verwahrung nicht Erfüllungsgehilfin des Beklagten gewesen, weil der Wille der Parteien gerade dahin gegangen sei, daß der Beklagte das Bild nicht in seinen eigenen Gewahrsam bekommen solle. Ein Interesse daran, daß das Bild nicht in die Räume des Beklagten gelange, hatten nach den tatriditerlichen Feststellungen nur die Banken. Denn G.-H. haftete der klagenden Partei als Garant. Für die Klagepartei war es also gleichgültig, ob der Beklagte das Bild ausgehändigt erhielt oder nicht. Aber nach dem vorgetragenen Briefwechsel schenkten beide Banken ihrerseits dem Beklagten kein volles Vertrauen. Deshalb übernahm die Berliner Bankfirma für den Beklagten die Aufbewahrung des Bildes; sie war also recht eigentlich für die Aufbewahrung seine Erfüllungsgehilfin. Die Revision hat ferner geltend gemacht: Die Klagepartei habe zu beweisen, daß das Bild während seiner Verwahrung beim Kommissionär beschädigt worden sei, und demgegenüber sei es Sache des Kommissionärs gewesen, den Entlastungsbeweis zu führen. Aber bevor letzteres in Frage kommen könne, müsse doch dem Kommissionär nachgewiesen werden, daß die Beschädigung bei ihm stattgefunden habe. Diese Rüge geht zwar von einem zutreffenden Rechtsgedanken aus. Sie kann aber, wie sich zeigen wird, am Ergebnis nichts ändern. 1. Das Berufungsgericht will mit seiner Begründung, die allerdings zunächst einen gewissen Widerspruch zu enthalten scheint, folgendes sagen: Als Erfüllungsgehilfe der Beklagten kommt — wenigstens einstweilen; ob auch endgültig, wird nicht entschieden — nur die Firma Pa. in Betracht. Nicht ermittel worden ist, wo das Bild beschädigt wurde, ob bei der Firma Pa. in Berlin oder bei der Firma G.-H. in München. Jedenfalls war es aber beschädigt, als es dem Kläger wieder ausgehändigt wurde. So löst sich offensichtlich der scheinbare Widerspruch der Urteilsbegründung, wonach einmal erwiesen sei, daß das Bild bei der Rüdegabe beschädigt war, und wonach anderseits es nur „kaum möglich" sein soll, daß der Schaden „nach der Rückgabe des Bildes in München" entstanden sei. Mit letzterem ist nach dem ganzen Zusammenhang nur die Rüdegabe von Pa. an G.-H. gemeint, nicht aber die Rüdegabe von G.-H. an den Kläger. 2. Das Berufungsgericht stützt nun seine Entscheidung in erster Linie auf den Satz: Wenn streitig sei, ob die Beschädigung des Kommissionsgutes vor oder erst nach seiner Rückgabe entstanden sei, so sei es Sache des Kommissionärs, zu seiner Entlastung nachzuweisen, HGB. 3

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daß die Beschädigung erst nach der Rückgabe des Kommissionsgutes eingetreten sei. Dem kann nicht beigestimmt werden. Das Gesetz macht, wovon auch der Vorderrichter ausgeht, in § 390 HGB. den Kommissionär nur verantwortlich für die Beschädigung des in seiner Verwahrung befindlichen Gutes und faßt den ihm obliegenden Entlastungsbeweis im folgenden Satzteil zusammen mit den Einleitungsworten „es sei denn, daß . . . " . Bevor also Raum für diesen Entlastungsbeweis ist, muß nach allgemeinen Beweisregeln (vgl. R o s e n b e r g Die Beweislast S. 389) zunächst feststehen, daß die Beschädigung in der Verwahrungszeit eingetreten war. Denn nur für Beschädigungen innerhalb der Verwahrungszeit soll der Kommissionär verantwortlich sein. Diese Rechtsfrage ist in der reichsgerichtlidien Rechtsprechung sow e i t ersichtlich, bisher

nicht entschieden

w o r d e n . Im Schrifttum

wird

sie nur wenig behandelt. Auf einem dem hier vertretenen entgegengesetzten Standpunkt scheinen (ohne nähere Begründung) D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g (HGB. 2. Aufl. Bd. III Anm. 8 zu § 390) zu stehen. Von S t a u b - K o e n i g e (HGB. 12./13. Aufl. Bd. IV Anm. 3 zu § 390) wird die Frage nicht behandelt M a k o w e r (HGB. § 390 zu lila) sagt dagegen ausdrücklich, der Kommittent habe zu beweisen „Verlust oder Beschädigung während der Verwahrungszeit". Den gleichen Standpunkt vertritt auch S c h m i d t - R i m p l e r Das Kommissionsgeschäft (in Ehrenbergs Kandbuch des Handelsrechts Bd. V 1. Abt. 1. Hälfte S. 722). 3. Die bisher erörterte Begründung des Vorderrichters vermag somit seine Entscheidung nicht zu tragen. Es scheint, daß er daneben die weitere Begründung geben will: Der Kläger hat bereits einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erbracht für seine Behauptung, daß die Beschädigung in Berlin vorgekommen sei; es ist deshalb Sache des Beklagten, den Gegenbeweis zu führen. Diese Begründung wäre gleichfalls nicht unbedenklich (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30. Januar 1926 in SeuffArch. Bd. 80 Nr. 125), sie bedarf aber keiner näheren Erörterung, weil sich das angegriffene Urteil aus anderen Gründen als gerechtfertigt erweist. Denn auch das Münchener Bankhaus war ganz ebenso Erfüllungsgehilfe des Beklagten wie die Berliner Firma Pa. Das ergibt der vom Kammergericht festgestellte Sachverhalt. Dem Kläger genügte der Garantieschein des Bankhauses G.-H. Was dann weiter zu geschehen hatte, damit der Beklagte in die Lage kam, das Bild in Berlin zu verkaufen, war für den Kläger ohne Interesse. Die ganze Einschiebung der beiden Bankhäuser diente einzig und allein zur Uberwindung der Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, daß das Münchener Bankhaus die Bilder dem Beklagten nicht ohne eigene Sicherstellung überlassen wollte. Der Kläger hatte bereits seiner Pflicht genügt mit Herausgabe der Bilder aus seinem Besitz.

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Muß aber hiernach auch die Münchener Firma G.-H. als Erfüllungsgehilfe des Beklagten gelten, so ist nach den angegebenen Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß das Bild entweder bei dem Berliner oder bei dem Münchener Erfüllungsgehilfen des Beklagten beschädigt worden ist, auf alle Fälle also während der Verwahrungsfrist des Kommissionärs. Den ihm nunmehr auf Grund dieses Sachverhalts obliegenden Entlastungsbeweis hat aber der Beklagte nicht nur nicht geführt, sondern es ist nach der Annahme des Berufungsgerichts sogar „kaum möglich", daß das Bild erst nach seiner Rückkunft in München bei G.-H. beschädigt worden ist. Mit dieser Begründung ist die Entscheidung des Berufungsgerichts gerechtfertigt. . . . RGZ. 148, 190 1. MuB der Kommittent die Abtretung einer Forderung des Kommissionärs aus dem Ausfiihrungsgesdiäft gegen sidi gelten lassen, wenn sie an einen Gläubiger des Kommissionärs zu dem Zweick erfolgt, ihm eine Sicherung zu gewähren? 2. Kommt es für die Reditswirkungen des Verkaufs von Kommissionsgut durch den Kommissionär darauf an, ob der Kommissionär den Willen hat, das Geschält fUr Rechnung des Kommittenten abzuschließen? HGB. § 392. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. Mai 1935 I. Landgericht Aachen. — Oberlandesgericht Köln. Der Klägerin wurde von der Firma J . C. Sohn in A., der sie einen Kredit von etwa einer Million RM. gewährt hatte, durch einen notariellen Vertrag vom 8. Januar 1930 ein Warenlager sicherungsweise übereignete. Dabei wurde verabredet, daß die Firma J. C. Sohn berechtigt sein sollte, die Waren als Kommissionärin der Klägerin zu verkaufen und daß die Kaufpreisforderungen im Innenverhältnis zwischen der Firma J . C. Sohn und der Klägerin gemäß § 392 Abs. 2 HGB. von vornherein der Klägerin zustehen sollten. Die Klägerin sollte aber das Recht haben, jederzeit die Ausstellung einer besonderen Abtretungserklärung zu verlangen. In der Folgezeit sandte die Firma J. C. Sohn allmonatlich der Klägerin eine Aufstellung der auf dem Lager befindlichen Waren und der durch den Verkauf von Waren entstandenen Forderungen. Als es später zwischen der Klägerin und der Firma J . C. Sohn, die sich in ihren geschäftlichen Maßnahmen durch die Vereinbarungen mit der Klägerin behindert fühlte, zu Meinungsverschiedenheiten kam, holte die Firma ein Rechtsgutachten ein, das sich auf den Standpunkt stellte, daß die Sicherungsübereignung des Warenlagers als Knebelungsvertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sei. Daraufhin trat die Firma J . C. Sohn einen Teil der Forderungen aus dem Verkauf der der Klägerin sicherungsweise übereig16*

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neten Waren sicherungshalber an die Beklagte ab. Im Juni 1932 geriet die Firma J. C. Sohn in Konkurs. Die Klägerin verlangt mit der Klage die Feststellung, daß die sidierungshalber an die Beklagte abgetretenen Warenforderungen nicht dieser, sondern ihr zustehen. Die Vorinstanzen haben die Sittenwidrigkeit des Vertrags, durch den das Warenlager der Klägerin sicherungsweise übereignet ist, verneint und dem Feststellungsantrag der Klägerin entsprochen. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Aus den G r ü n d e n : (Nach Zurückweisung der gegen die Feststellung der Rechtswirksamkeit des Sicherungsübereignungsvertrags vom 8. Januar 1930 gerichteten Revisionsangriffe wird ausgeführt:) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin als Kommittentin die Abtretung der Kaufpreisforderungen, die durch den Verkauf der ihr übereigneten Waren entstanden sind, nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, gibt zu rechtlichen Anständen keinen Anlaß. Zwar steht die Forderung aus einem Geschäft, daß der Kommissionär abgeschlossen hat, im Verhältnis zu Dritten nach § 392 Abs. 1 HGB. nicht dem Kommittenten zu. Der Kommittent ist nur berechtigt, die Abtretung der Forderung an sich zu verlangen. Er kann die Forderung gegenüber dem Schuldner erst nach der Abtretung geltend machen. Etwas anderes gilt aber nach § 392 Abs. 2 HGB. im Verhältnisse zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern. Zwischen ihnen gelten die Forderungen schon vor der Abtretung als Forderungen des Kommittenten. Dies hat zur Folge, daß der Kommittent der Zwangsvollstreckung in die Forderung nach § 771 ZPO. widersprechen kann. Aus der Bestimmung ergibt sich aber weiter auch, daß der Kommittent die Abtretung der Forderung an einen Gläubiger des Kommissionärs zu dessen Deckung oder Sicherung nicht gegen sich gelten zu lassen braucht ( D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g - L e h m a n n Anm. 23 zu § 392 HGB.; S t a u b - G a d o w Anm. 12 zu § 392 HGB., unter Aufgabe der in früheren Auflagen vertretenen Ansicht). Da die Beklagte Gläubigerin der Firma J. C. Sohn war und die streitigen Forderungen ihr zur Sicherung abgetreten sind, kommt dieser Abtretung im Verhältnis der Parteien zueinander keine rechtliche Wirkung zu. Es begründet keinen Unterschied, ob die an die Beklagte abgetretenen Forderungen erst entstanden sind, nachdem sich die Firma J. C. Sohn auf den Standpunkt der Nichtigkeit des Vertrags vom 8. Januar 1930 gestellt hatte oder ob sie aus der früheren Zeit stammen. Ein inhaltlich fremdes Geschäft wird nicht dadurch ein eigenes, daß der Handelnde es im eigenen Namen abschließt (RGZ. Bd. 100 S. 145, Bd. 138 S. 49; RGRKomm. Erl. 3 zu § 687 BGB.). In gleicher Weise kann der Verkauf von Kommissionsgut durch den Kommissionär nicht deshalb allein als für Rechnung des Kommissionärs erfolgt gelten, weil der Kommis-

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sionär den Willen hat, das Geschäft für eigene Rechnung abzuschließen. Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn der Kommissionär dem Kommittenten vor dem Abschluß des Geschäftes mitteilt, daß er es für eigene Rechnung abschließen will, braucht nicht entschieden zu werden. Denn die Beklagte behauptet nicht, daß die Firma J. C. Sohn der Klägerin eine derartige Mitteilung gemacht hätte. An dieser Rechtslage wird durch die Bestimmungen des Vertrags vom 8. Januar 1930 nichts geändert. Darin hat die Klägerin mit der Firma J. C. Sohn vereinbart, daß die aus den einzelnen Verkäufen der übereigneten Waren entstehenden Kaufpreisforderungen im Innenverhältnis zwischen den Vertragschließenden von vornherein der Klägerin zustehen sollten, daß diese aber berechtigt sein sollte, jederzeit eine besondere Abtretungserklärung zu verlangen. Diese Bestimmung konnte das Berufungsgericht dahin verstehen, daß damit lediglich die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen vereinbart war. Für die Auffassung der Revision, daß dadurch die Anwendung der Vorschrift des § 392 Abs. 2 HGB. zugunsten der Gläubiger der Firma J. C. Sohn hätte beschränkt werden sollen, ist kein Anhalt gegeben. Insbesondere ergibt die Fassung des Vertrags nichts dafür, daß die Forderungen „nur" im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der Firma J. C. Sohn, nicht aber auch im Verhältnis der Klägerin zu den Gläubigern der Firma hätten der Klägerin zustehen sollen. RGZ. 155, 148 1. Nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten Ist ein zur Zeit stärkster Geldentwertung von einem Kunden der Bank erteilter „Auftrag" zur Lieferung von „Vorkriegspfandbriefen" und dessen Ausführung zu beurteilen? 2

HGB. § 384. VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 4. Juni 1937. Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse 2".

Speditionsgeschäft RGZ. 94, 97. 1. Zur Frage der Haftung des Spediteurs, der sich mit dem Versender auf einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat. 2. Zum Begriffe des Verlustes beim Fraditgesdiäfte. 3. Zum Begriffe „ Zwischenspediteur". HGB. §§ 407, 413 Abs. 1, 429 Abs. 1, 408, 431.

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I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 2. Februar

1918.

I. Landgericht Leipzig, Kammer für Handelssachen. II. O b e r l a n d e s g e r i c h t Dresden.

Im J u l i 1912 übertrug der Kläger der Beklagten, einer internationalen Speditionsfirma mit einer Zweigniederlassung in Leipzig, die Versendung eines Baggers von Prenzlau nach Crajova in Rumänien zum Einheitssatze von 7 Fr. für 1 dz und eines Motors von Offenbach a. M. ebendorthin zum Satze von 8 Fr. für 1 dz. In C r a j o v a sollten beide Maschinen an die Aktiengesellschaft Plugarul für einen gewissen T.B. abgeliefert werden. Die Beklagte verpflichtete sich gegenüber dem Kläger, die Auslieferung der Maschinen nur nach vorherigem Empfang einer Barzahlung von 3000 Fr., dreier Wechselakzepte des T. B. über j e 2500 Fr. und eines solchen über 3926 Fr. sowie einer Bürgschaftserklärung der Bank C. O. zu bewirken. Die genaue Beobachtung dieser Bedingungen schärfte die Beklagte mittels zweier „Bordereaux" vom 19. August 1912 auch der Firma S. & W. H. in Budapest ein, die von ihr mit der Aushändigung der Sendungen beauftragt wurde und die Ausführung dieses Auftrages wiederum der Firma A. St. in Crajova übertrug. Letztere gab demnächst die Maschinen gegen den Empfang der Barzahlung an die Aktiengesellschaft Plugarul heraus, ohne jedoch die Wechselakzepte und die Bürgschaftserklärung ausgehändigt zu erhalten. Der Kläger, der auch später weder diese Urkunden noch Deckung dafür empfangen hat, nahm die Beklagte auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die vertragswidrige Auslieferung der Maschinen entstanden ist, in Anspruch. Das Landgericht erkannte nach dem Klageantrage. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: „Unstreitig hat die Beklagte, die sich mit Güterversendungen gewerbsmäßig befaßt, es durch Vertrag mit dem Kläger übernommen, für dessen Rechnung einen Bagger von Prenzlau und einen Motor von Offenbach a. M. nach Crajova mit der Eisenbahn im eigenen Namen zu versenden und dort die Maschinen an die Aktiengesellschaft Plugarul abzuliefern. Diese Besorgung würde an sich nach § 407 HGB. als Speditionsgeschäft aufzufassen sein. Da aber die Parteien sich auf einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt haben, so greift die Vorschrift des § 413 Abs. 1 HGB. Platz, wonach in einem solchen Falle der Spediteur ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hat. Dazu gehört nach § 429 Abs. 1 HGB., daß der Frachtführer für den Schaden haftet, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung oder durch Ver-

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säumung der Lieferzeit entsteht, es sei denn, daß der Verlust, die Beschädigung oder die Verspätung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden können. Die Anwendung dieser Bestimmung wird jedoch im vorliegenden Falle beschränkt durch die Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Vereins deutscher Spediteure, die, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, dleim Vertragsverhältnis der Parteien zugrunde gelegt sind und unter Nr. 8 besagen: „Der Spediteur haftet, auch wenn er die Beförderimg zu einem bestimmten Satze übernommen hat, . . . nicht als Frachtführer, sondern nur als Spediteur gemäß § 408 HGB. für Verlust, Beschädigung und Verzögerung und erfüllt seine Vertragspflichten durch Abtretung der ihm an die beteiligten Transportanstalten gesetzlich oder vertragsmäßig zustehenden Ansprüche." Hieraus folgert die Beklagte, daß sie gemäß § 408 HGB. von jeder Schadensersatzpflicht dem Kläger gegenüber befreit sei, da sie, wie sie unter Beweis gestellt habe, die Versendung, insbesondere die Wahl der Zwischenspediteurin, der Firma S. & W. H. in Budapest, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausgeführt habe. Dieser Auffassung ist das Berufungsgericht entgegengetreten. Aus dem zweiten Teile der Bestimmung, in dem von den Ansprüchen an die Transportanstalten die Rede ist, hat es geschlossen, daß auch die ganze Bestimmung zur Voraussetzung habe, daß das Gut zur Zeit des nachteiligen Ereignisses sich im Gewahrsam einer dritten Transportanstalt befinde. Deshalb faßt es den Sinn der Bestimmung dahin zusammen: „Tritt Verlust, Beschädigung oder Verzögerung auf dem Transport ein, während sich das Gut in d e r Hand einer dritten Transportanstalt befindet, so haftet der Spediteur abweichend von § 413 Abs. 1, §§ 425 ff. HGB. dem Versender nicht schlechthin auf Schadensersatz, sondern hat nur den ihm etwa gegen den Transportunternehmer zustehenden Anspruch auf Schadensersatz aus dem Frachtvertrag abzutreten, vorausgesetzt, daß er seine Verpflichtung aus § 408 HGB. erfüllt hat." Einen Verlust des Gutes im Sinne dieser Bestimmung erklärt sodann das Berufungsgericht als nicht eingetreten, da die Maschinen an die richtige Empfängerin, die Plugarul, ausgeliefert und von dieser dem Käufer B. ausgehändigt worden seien. Deshalb könne die Bestimmung hier nicht Anwendung finden und die Beklagte hafte dem Kläger für den Schaden, der ihm durch die anweisungswidrige Herausgabe der Maschinen entstanden sei, nach den allgemeinen Gesetzesvorschriften über die Haftung des Frachtführers, insbesondere habe sie nach § 431 HGB. ein Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfin, der Firma S. & W. H. oder deren Beauf-

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tragten, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Mit Recht wird diese Begründung von der Revision bekämpft. Die Nr. 8 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen schließt sich in ihrem Wortlaut offensichtlich an den § 429 HGB. an, indem auch sie die drei Fälle des Verlustes, der Beschädigung des Gutes und der verspäteten Ablieferung berücksichtigt. Für diese Fälle will sie, auch bei Vereinbarung eines festen Beförderungssatzes, die strengere Haftung des Frachtführers aus §§ 413, Abs. 1, 429 HGB. ausschließen und sie durch die mildere Haftpflicht des Spediteurs ersetzen, der nach § 408 HGB. sich durch den Nachweis haftfrei machen kann, daß er die Versendung, insbesondere die Wahl der Frachtführer, Verfrachter und Zwischenspediteure mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausgeführt hat. Gegen diese aus dem Wortlaute wie aus dem offensichtlichen Zwecke der Haftpflichtminderung sich ergebende Auslegung läßt sich nicht, wie es im Berufungsurteile geschieht, der Umstand verwerten, daß im zweiten Teile der Bestimmung von der Abtretung der Ansprüche an die Transportanstalten die Rede ist. Denn weder aus dem Satzbau noch aus dem logischen Zusammenhange der beiden Teile der Bestimmung geht hervor, daß dex erste durch den zweiten Teil auf den vom Berufungsgericht angenommenen besonderen Tatbestand beschränkt werden soll. Der Nachsatz spricht vielmehr nur selbständig den Gedanken aus, daß der Spediteur, sofern er auf Grund des Vordersatzes zu einer weitergehenden Haftung nicht verpflichtet ist, gehalten sein soll, die ihm gegen die Transportanstalten zustehenden Ansprüche an den Versender abzutreten. Hiernach ist der Revision zuzugeben, daß durch die Nr. 8 der Allgemeinen Bedingungen die bei Vereinbarung eines festen Beförderungssatzes im § 413 HGB. angeordnete Verschärfung der Haftpflicht wieder herabgesetzt wird für die Tatbestände des § 429 HGB. auf das im § 408 HGB. vorgesehene Maß der Spediteurhaftung. Zu eng ist auch die Auslegung, die das Berufungsgericht dem Begriffe des Verlustes im Sinne des § 429 HGB. und der Nr. 8 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen gibt. Zum „Verlust" ist, wie bereits in ROHG. Bd. 4 S. 14 ausgeführt ist, nicht gänzliches Abhandenkommen des Gutes und vollständige Unkenntnis über seinen Verbleib erforderlich, sondern für den Frachtführer ist das Gut schon dann verloren, wenn er außerstande ist, es auszuhändigen, ohne Unterschied, worin das seinen Grund hat. Ein Verlust ist deshalb angenommen worden, wenn der Spediteur oder Frachtführer das Gut an eine andere Person als den bestimmungsmäßigen Empfänger herausgegeben hat und von ihr die Rückgabe verweigert wird (ROHG. Bd. 4 S. 14, RGZ. Bd. 58 S. 77). Nicht anders ist rechtlich

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der hier interessierende Fall zu beurteilen, daß der Spediteur oder Frachtführer das Gut unter Außerachtlassung der ihm. erteilten Weisungen oder sonst unbefugterweise an diejenige Person ausgehändigt hat, die erst nach Erfüllung gewisser Voraussetzungen Empfänger hat sein sollen (RG. im Sächs. Archiv Bd. 14 S. 704, RGZ Bd. 75 S. 109). Auch bei solcher Sachlage ist er außerstande, über das Gut in der ihm obliegenden Weise zu verfügen und es entsprechend den ihm erteilten bindenden Weisungen abzuliefern. Damit ist es für ihn in Verlust geraten. Von diesem Standpunkt aus erscheint auch die Aushändigung des Motors und des Baggers an die Plugarul als ein Verlust im frachtrechtlichen Sinne. Der Beklagten war, wie im Berufungsurteile festgestellt ist, vom Kläger mehrfach, besonders durch die Briefe vom 7. und 14. August 1912, aufs eindringlichste eingeschärft worden, daß die Maschinen nur gegen Barzahlung von 3000 Fr. sowie Herausgabe der Wechselakzepte des B. über zusammen 11426 Fr. und der Bürgschaftserklärung der Bank C. O. an die Plugarul abgeliefert werden dürften. Wenn trotzdem die Maschinen von der Firma A. St. der Plugarul ausgehändigt wurden, ohne daß die Wechselakzepte und die Bürgschaftserklärung herausgegeben wurden, so verlor die Beklagte damit einerseits die Verfügungsgewalt über das Gut, anderseits auch die Möglichkeit, die Ablieferung des Gutes in der ihr durch den Vertrag mit dem Kläger vorgeschriebenen Weise zu bewirken. Das Gut, das von der Plugarul an B. weitergegeben und von diesem in dauernden Besitz genommen wurde, war nunmehr der Beklagten endgültig entzogen, ohne daß sie durch die Aushändigung ihre Ablieferungspflicht in vertragsmäßiger Weise erfüllt hatte; es geriet damit für sie und nicht minder für dein Kläger in Verlust. Es fragt sich nun, ob die Beklagte für diesen Verlust dem Kläger einzustehen hat. Wäre die Firma S. & W. H., deren Beauftragte, die Firma A. St., die Aushändigung der Maschinen bewirkt hat, als Zwischenspediteurin anzusehen und hätte — was für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist — die Beklagte als Hauptspediteurin bei der Wahl der Zwischenspediteurin die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beobachtet, so würde sie nach den obigen Ausführungen von der Haftung für den Verlust durch die Nr. 8 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen und den § 408 HGB. befreit sein. Das Berufungsgericht hat aber angenommen, daß die Firma S. & W. H. nicht eine Zwischenspediteursteilung erlangt habe, sondern, ebenso wie die von ihr beauftragte Firma A. St., zur Beklagten nur in das Verhältnis einer Erfüllungsgehilfin getreten sei, deren Verschulden die Beklagte nach § 431 HGB. wie eigenes zu vertreten habe. Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision, ihre Rüge ist jedoch nicht berechtigt.

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Der Begriff „Zwischenspediteur* ist im Handelsgesetzbuch oder in seinen Materialien nicht erläutert. In ROHG. Bd. 12 S. 380 wird derjenige Spediteur, an den der erste Spediteur (Hauptspediteur) das Gut zum Zwecke der Weiterversendung und Ablieferung adressiert, als Zwischenspediteur angesehen, und dieser Begriffsbestimmung ist auch die Rechtslehre im wesentlichen gefolgt (StaubKönige, HGB. Anm. 4 zu § 408; Düringer-Hachenburg, Anm, 8 zu § 408; Makower, HGB. Anm. IIIz zu § 407; Lehmann-Ring, Anm. 11 zu § 407; Lehmann, Lehrbuch des Handelsrechts § 215 Ziff. 4 S. 950; Senkpiehl, das Speditionsgeschäft nach deutschem Rechte, § 98 S. 141). Ebenso trägt der erkenenende Senat kein Bedenken, sich jener Begriffsbestimmung anzuschließen. Danach tritt der Zwischenspediteur zu dem Hauptspediteur in ein Vertragsverhältnis, kraft dessen er in eigenem Namen für Rechnung des Versenders die Weiterversendung des Gutes innerhalb eines Teiles der Beförderungsstrecke oder die Ablieferung übernimmt. Wesentlich ist aber, daß er innerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs die Spediteurtätigkeit selbständig auszuüben hat und nicht lediglich zur Unterstützung des Hauptspediteurs zugezogen wird. Hierin liegt dasMerkmal.das denZwischenspediteur von einem bloßen Erfüllungsgehilfen unterscheidet. Der Zwischenspediteur tritt innerhalb seines Bereichs als selbständiger Spediteur an die Stelle des Hauptspediteurs; der Erfüllungsgehilfe übt nur eine die Versendung des Gutes fördernde Tätigkeit nach Weisung des Spediteurs aus, während dieser auch innerhalb des örtlichen und zeitlichen Bereichs, in dem der Gehilfe tätig wird, die eigentliche Besorgung selbst in der Hand behält (RGZ. Bd. 78 S. 312, 313). Diese Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht beachtet, wenn es aus dem Briefwechsel der Parteien, den beiden Bordereaux vom 19. August i912 sowie dem Schreiben der Firma S. &W. H. vom 22. desselben Monats gefolgert hat, daß die letztere von der Beklagten zur Auslieferung des Gutes und zur Empfangnahme der Barnachnahme und Urkunden lediglich als eine Hilfsperson im Sinne des § 431 HGB. zugezogen worden ist, während die Beklagte selbst alleinige Spediteurin geblieben ist. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Ist aber die Firma S. & W. H. nur als Erfüllungsgehilfin der Beklagten anzusehen, so kann die auf die Wahl eines Zwischenspediteurs sich beziehende Vergünstigung des § 408 HGB. der Beklagten nicht zustatten kommen, vielmehr ist dem Berufungsgerichte darin beizupflichten, daß die Beklagte nach § 431 HGB. das Verschulden der zur Ablieferung des Gutes zugezogenen Hilfspersonen in gleichem Umfange wie eigenes Verschulden zu vertreten hat." . . .

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RGZ. 101, 152. 1. Kann ein Spediteur Erfüllungsgehilfe seines Auftraggebers sein und unter welchen Umständen? 2. Kämmt, wenn dem Auftraggeber der Entlastungsbeweis obliegt, die Vermutung der §§ 407, 390 HGB. in Betracht? 3. Kann der Auftraggeber des Spediteurs sich von seiner vertraglichen Ersatzpflicht dadurdi befreien, dafi er dem Schadensersatz beanspruchenden Vertragsgegner die Abtretung seines Anspruchs gegen den Spediteur anbietet? VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 21. Dezember 1920.

I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergericht daselbst.

Die Beklagte ist Tuchhändlerin und hat der Klägerin Stoffe geliefert. Im Sommer 1918 übernahm sie von der Klägerin 384 Tücher zum Umfärben. Die Tücher wurden von ihr an einen auswärts wohnenden Färber gesandt, der ihre eigenen Stoffe zu färben pflegte. Die Ubersendung zum Färber besorgte ein von ihr beauftragter Spediteur. Bei diesem wurden 78 Tüdier gestohlen. Sieben Tücher wurden später an einer versteckten Stelle des Güterbodens wiedergefunden. Wegen der restlichen 71 Tücher nimmt die Klägerin die Beklagte auf Ersatz des Schadens in Anspruch. Die Beklagte hat widerklagend Feststellung beantragt, daß sie der Klägerin zum Schadensersatz für die ihr von dieser zum Färben übergebenen und verlorengegangenen Tücher nicht verpflichtet sei. Das Landgericht hat anspruch stattgegeben. anspruch dem Grunde klage abgewiesen. Die

die Klage abgewiesen und dem WiderklagDas Kammergericht hat dagegen den Klagnach für berechtigt erklärt und die WiderRevision wurde zurückgewiesen.

Gründe: Die Annahme des Berufungsrichters, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag ein Werkvertrag sei, läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. . . . (Dies wird näher dargelegt und sodann wird fortgefahren:) Zu den Vertragspflichten der Beklagten gehörte auch, wie der Berufungsrichter zutreffend festgestellt hat, die Übermittlung der ihr von der Klägerin übergebenen Tücher an die Färberei. Nun würde zwar die Beklagte als Werkuntemehmerin gemäß § 644 Abs. 1 Satz 2 BGB. für zufälligen, also unverschuldeten Verlust der Tücher auf dem Transport zur Färberei nicht verantwortlich sein. Diese Gesetzesbestimmung steht im Einklang mit der Vorschrift des § 280 BGB., wonach der Schuldner dem Gläubiger den durch die Nichterfüllung seiner Leistung entstehenden Schaden nur dann zu ersetzen hat, wenn die Leistung infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes unmöglich wird. Der Schuldner muß aber gemäß

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§ 282 BGB. beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft. Diesen Entlastungsbeweis hatte also auch die Beklagte zu führen, und zwar mußte sie dartun, daß weder sie selbst, noch auch die Person, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit bedient hatte (§ 278 BGB.), ein Verschulden an dem Verluste der Tücher trifft. Es fragt sich nur, ob der Spediteur, den die Beklagte mit der Übermittlung der Tücher zur Bahn beauftragt hat, als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB. anzusehen ist. Diese Frage ist aber nach Lage des Falles zu bejahen. Zwar hat das Reichsgericht in mehreren Entscheidungen (RGZ. Bd. 62 S. 331, Bd. 99 S. 56) ausgesprochen, daß der Spediteur nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers sei. Aber in den dort entschiedenen Fällen handelte es sich um den Ubersendungsauftrag des Verkäufers an den Spediteur gemäß § 447 BGB. Beim Versendungskauf hat der Verkäufer regelmäßig seiner Vertragspflicht der Warenübereignung Genüge geleistet, wenn er an seinem Wohn- oder Niederlassungsort, als dem Erfüllungsort, die Ware dem Spediteur zwecks Übermittlung an den Käufer übergeben hat. Die Übermittlung selbst geht für Rechnung und auf Gefahr des Käufers, sie gehört nicht mehr zu den Vertragspflichten des Verkäufers. Der Verkäufer haftet nur für Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der Auswahl des Spediteurs. Im Regelfalle des § 447 BGB. bedient sich also der Verkäufer nicht des Spediteurs zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit. Mit vollem Rechte hat daher das Reichsgericht in jenem Falle die Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Spediteurs gegenüber dem Verkäufer verneint. Anders liegt die Sache hier. Die Übermittlung der Tücher gehört zu den vertraglichen Verbindlichkeiten der Beklagten. Zur Erfüllung dieser ihrer eigenen Verbindlichkeit hat sie sich eines Spediteurs bedient. Durch den Speditionsvertrag sollten nicht etwa nur der Beklagten die Mittel und die Möglichkeit verschafft werden, das Ubermittlungsgeschäft auszuführen, wie etwa der Lieferant eines Verkäufers diesem die Waren verschafft, zu deren Lieferung letzterer sich an seinen Käufer verpflichtet hat, oder wie der Arzt jemandem ein ärztliches Zeugnis ausstellt, zu dessen Vorlage dieser einem anderen gegenüber verpflichtet ist. In den letztgenannten Fällen erfüllen der Lieferant des Verkäufers und der Arzt eine eigene Verbindlichkeit, die ihnen vertraglich dem V erkäufer oder dem Dienstberechtigten gegenüber obliegt, nicht aber eine Vertragspflicht, die dem Verkäufer oder dem Dienstberechtigten als Schuldner gegenüber ihrem Gläubiger obliegt. Hier aber hatte der Spediteur gerade das Erfüllungsgeschäft an Stelle der Beklagten auszuführen, das dieser der Klägerin gegenüber vertraglich oblag und das eigentlich die Be-

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klagte selbst vorzunehmen hatte. Bediente sie sich hierzu einer anderen Person, des Spediteurs, so war dieser ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB., für dessen Verschulden sie einzustehen hat. Daß der Spediteur nicht etwa als Substitut in Frage kommt, d. h. daß er nicht an Stelle der Beklagten in den Werkvertrag überhaupt eingetreten ist, bedarf keiner weiteren Darlegung. Bei der weiten Fassung des § 278 BGB. ist aber auch die im Schrifttum vereinzelt vertretene Ansicht abzulehnen, daß ein selbständiger Unternehmer nicht als Erfüllungsgehilfe in Betracht kommen könne, sondern nur eine solche Person, die zu dem Schuldner in einem vertraglichen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnisse stehe. Nun rügt die Revision weiter, das Berufungsgericht habe unentschieden gelassen, ob den Spediteur ein Verschulden an dem Verlust der Tücher treffe,- das Moment des Verschuldens werde aber durch die gesetzliche Haftung des Spediteurs gemäß §§ 407, 390 HGB. nicht ersetzt. Der Revision kann aber nur soviel zugegeben werden, daß die §§ 407, 390 HGB. hier nicht in Betracht kommen,- dagegen ist im Ergebnis dem Berufungsgericht beizupflichten. Wie schon vorhin bemerkt, hat die Beklagte den Entlastungsbeweis zu führen, daß weder sie selbst noch auch ihren Erfüllungsgehilfen, den Spediteur, ein Verschulden an dem Verluste der Tücher trifft. Diesen Beweis hat aber nach Feststellung des Vorderrichters die Beklagte nicht geführt, nicht einmal versucht. Sie ist also mit Recht für beweisfällig erklärt. Ebensowenig ist schließlich die Rüge der Revision begründet, daß das Kammergericht zu der Frage keine Stellung genommen habe, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihren etwaigen Anspruch gegen den Spediteur der Klägerin abzutreten, oder ob diese zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegen den Spediteur unmittelbar befugt gewesen sei. Das Berufungsgericht hat vielmehr, wenn es auch den Ersatzanspruch gegen den Spediteur nicht besonders berührt, sondern nur denjenigen gegen die Versicherung ausdrücklich erwähnt hat, doch mit genügender Begründung dargelegt, daß die Klägerin sich überhaupt nicht auf Ersatzansprüche gegen Dritte verweisen zu lassen brauche. Im Ergebnis ist auch diese Annahme rechtlich nicht zu beanstanden. Eine unmittelbare Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegen den Spediteur würde der Klägerin nur dann zustehen, wenn ihr die Rechte der Beklagten gegen den Spediteur abgetreten worden wären, da sie mit letzterem in keinem Vertragsverhältnis steht und auch aus einem außervertraglich/en Rechtsgrunde der unmittelbare Anspruch sich nicht rechtfertigen läßt. Nun wäre zwar die Beklagte auf Verlangen der Klägerin gemäß § 281 BGB. verpflichtet gewesen, dieser

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ihre Ansprüche gegen den Spediteur aus dem Speditionsvertrage abzutreten. Aber die Beklagte darf die Klägerin nicht auf ihre Abtretungsbereitschaft verweisen, um sich selbst dem Schadensersatzanspruch zu entziehen. Der Gläubiger kann nach § 281 BGB. die Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen, er kann sich aber auch nach seiner freien Wahl wegen des Schadensersatzes an seinen Vertragsgegner halten. RGZ. 105, 302. Haftet der Spediteur für Beeinträchtigung des Speditionsguts dem Eigentümer nadi dem Grundsatze des vertraglichen Verschuldens auch dann, wenn der Speditionsvertrag nicht mit dem Eigentümer, sondern mit einem Dritten abgeschlossen ist? I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 28. Oktober 1922.

I. Landgericht Düsseldorf. — II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger hatte von der Firma K. L. in P. Schuhwaren gekauft. Die Verkäuferin übergab die Ware Anfang September 1919 dem Spediteur P. K. zur Spedition. Dieser sandte sie an die Speditionsund Lagerhaus Aktiengesellschaft in Köln, die er mit der Weiterversendung beauftragte. Letztere ließ die Ware der Beklagten zugehen, die sie aber — nach ihrer Behauptung wegen Bahnsperre — nicht weiterbeförderte, sondern bei sich einlagerte. Während der Lagerung wurde die Ware bei einem Einbruchsdiebstahl teilweise gestohlen. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz. Ihm sind zunächst die Rechte der Absenderin und später, am 5. Oktober 1920, also während der Dauer des Rechtsstreits, auch die Rechte der Speditions- und Lagerhaus A.-G. abgetreten worden. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Gründe: Die Beklagte war Zwischenspediteurin. Sie hat wegen eintretender Bahnsperre das Gut nicht weiter befördern können und hat es auf Lager genommen. Während der Lagerung sind die Kisten ihres Inhalts teilweise beraubt worden. Der Beklagten wird vorgeworfen, daß sie von der Einlagerung des Frachtguts ihrem Vormann, der Empfängerin und der Absenderin keine Mitteilung gemacht habe; wäre das geschehen, so wären andere Verfügungen über die Ware getroffen worden, so daß sie einer Beraubung nicht ausgesetzt worden wäre. Das Berufungsgericht hatte angenommen, daß die Klägerin nur vertragliche Rechte gegen die Beklagte geltend gemacht habe. Vertragliche Rechte des Absenders gegen die Beklagte als Zwischen-

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spediteurin hätten nicht bestanden, es kämen also nur Rechte des Vormannes der Beklagten in Betracht; solche Rechte seien der Klägerin allerdings abgetreten worden, sie seien aber verjährt. Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme, daß die vertraglichen Rechte durch Verjährung untergegangen seien. Sie beruft sich aber darauf, daß auch aus abgetretenen außtervertraglichen Rechten des Eigentümers, das ist der Absender der Ware, geklagt sei; solche Redite beständen nach den Grundsätzen, die in dem Urteile RGZ. Bd. 102, S. 38 entwickelt seien. Der Revision ist zuzugeben, daß die Klage nicht nur auf vertragliches Verschulden der Beklagten gestützt ist. Die in der Klage enthaltenen Rechtsausfühxungen beziehen sich zwar nur auf vertragliche Rechtsverhältnisse. Aber die Tatsachen, aus denen die Revision außervertragliche Ansprüche herleitet, sind sämtlich bereits in der Klage angegeben. Auch hat der Kläger in einem Schriftsatze ausdrücklich betont, daß eine Verpflichtung zur Benachrichtigung des Empfängers von der Einlagerung auch ohne vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestehe. Endlich hat die Beklagte in einem Schriftsatze den Gedanken an eine unerlaubte Handlung als sachlich unbegründet zurückgewiesen, ohne etwa eine Klagänderung zu rügen Die Parteien haben also über das Bestehen außervertraglicher Ansprüche verhandelt, und deshalb muß deren Bestehen erörtert werden. Gleichwohl kann die Revision keinen Erfolg haben. Sie beruft sich auf die Grundsätze, die in dem genannten Urteile entwickelt sind. Zwei Gesichtspunkte über die Haftung von Spediteuren und Frachtführern treten in jener Entscheidung hervor. Einmal sollen diese Personen wegen Beschädigung und Verlust des Frachtguts dem Eigentümer auch dann haften, wenn sie mit ihm in keinerlei vertraglichen Beziehungen stehen, sondern den Vertrag über das Frachtgut mit einer dritten Person abgeschlossen haben. Zweitens sollen die Art und der Umfang der Haftung dem Eigentümer gegenüber sich nicht nach den Bedingungen des Fracht- oder Speditionsvertrags richten, sondern unter Umständen anscheinend unbeschränkt eintreten. Von diesen beiden Gesichtspunkten zielt der zweite — der für den Handelsverkehr der bei weitem wichtigere ist — im vorliegenden Falle nach dem bisherigen Parteivorbringen keine Rolle; daß die Beklagte etwa nur beschränkt zu haften habe, ist nicht eingewendet. Der erste Gesichtspunkt bietet eigentlich nichts neues. Daß Frachtführer und Spediteure, auch Zwischenspediteure, dem Eigentümer des Fracht- und Speditionsguts aus unerlaubter Handlung haften können, ist in Lehre und Rechtssprechung stets anerkannt worden (vgl. Staub HGB. § 407 Anm. 16, § 429 Anm. 2, RGZ. Bd. 63 S. 308). Es entspricht dem allgemein

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herrschenden Rechtsbewußtsein und der einfachsten Billigkeit, daß, wer fremdes Gut entgegennimmt, um mit ihm auf irgendeine Weise gegen Entgelt zu verfahren, Sorgfalt auf die Erhaltung und Bewahrung des Guts verwenden muß. Versäumt er diese Sorgfalt und kommt das Gut dadurch zu Schaden oder gerät es in Verlust, so liegt der Tatbestand des § 823 BGB. vor: der Eigentümer ist schadensersatzberechtigt. Seine Ersatzberechtigung beruht, wie erwähnt, auf der Grundlage, daß der Spediteur oder Frachtführer auf die Erhaltung des Guts nicht genügend Sorgfalt verwendet hat, und darin findet sie zugleich ihre Begrenzung. Der Eigentümer kann nicht Ersatz verlangen, wenn der Spediteur oder Frachtführer seiner Obhutpflicht genügt hat, aber andere vertragliche Pflichten gegenüber seinem Vertragsgegner verletzt hat, selbst wenn die Erfüllung dieser Vertragspflichten den Erfolg gehabt hätte, eine trotz genügender Obhut eingetretene Beeinträchtigung des Guts zu vermeiden. Dieser Schluß rechtfertigt sich dadurch, daß der Eigentümer nicht aus eigenem Rechte die Erfüllung der Vertragspflichten des Spediteurs oder Frachtführers, mit dem nicht er abgeschlossen hat, zu verlangen berechtigt ist. Es wäre auch aus Rücksichten der Verkehrssicherheit nicht erwünscht, dem Eigentümer weitergehende Rechte beizulegen, was zum Beispiel zur Folge haben würde, daß der Spediteur oder Frachtführer wegen Verletzung von Vertragspflichten weit über die im § 414 HGB. gesetzte Verjährungsfrist von einem Jahre zu haften hätte. So liegt nun aber der zur Entscheidung stehende Fall. Der Kläger rügt nicht Verletzung der Obhutpflicht, hat vielmehr in seinem erwähnten Schriftsatz erklärt, die Klage stütze sich nicht auf mangelnde Sorgfalt in der Aufbewahrung, sondern nur auf die Unterlassung der Benachrichtigung von der Einlagerung. Die Pflicht zur Benachrichtigung entspringt lediglich aus dem Vertrage. Die Fälle, in denen § 823 Platz greift, in denen also eine Eigentumsverletzung im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, sind in der Rechtsprechung eingehend erörtert. Grundsätzlich muß entweder eine Beeinträchtigung (Beschädigung oder Vernichtung) der Substanz oder eine Entziehung der Sache erfolgt sein, und zwar durch mehr oder weniger unmittelbare Einwirkung. Ein derartiger Tatbestand ist hier nicht gegeben. Der Zweck der vertraglichen Benachrichtigung ist nicht, die Sache zu sichern, sondern dem Berechtigten die Möglichkeit zu geben, über die Sache zu verfügen. Danach fällt die Unterlassung der Benachrichtigung nicht unter den § 823, sondern enthält die Verletzung einer Vertragspflicht. Diese kann, wie dargelegt, ein außerhalb jeder vertraglichen Beziehung stehender Eigentümer nicht geltend machen.

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RGZ. 106, 419. Zum Begriff „Sammelladung" in § 413 Abs. 2 HGB. und zur Haftung des Spediteurs für die Beförderung der in der Sammelladung vereinigten Güter. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 7. April 1923. I. Landgericht Bielefeld. — II. Oberlandesgericht Hamm Die Beklagte hat im November 1917 eine größere Anzahl Kisten Zigarren verschiedener Lieferanten, darunter 46 Kisten der Klägerin, in Löhne in einen Eisenbahnwagen verladen und die Versendung dieser gesamten Ladung auf Grund eines für ihre Rechnung mit der Eisenbahn geschlossenen Frachtvertrags a n das Proviantdepot in Düsseldorf bewirkt. Bei der Ausladung der W a r e in Düsseldorf stellte sich heraus, daß von der Sendung der Klägerin 13 Kisten fehlten. Die Klägerin macht dieserhalb die Beklagte verantwortlich und verlangt von ihr die Erstattung des Fakturenwerts der abhanden gekommenen Zigarren mit 9100 M. nebst Zinsen. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß zwischen den Parteien ein Speditionsviertrag abgeschlossen sei, inhalts dessen d5e Beklagte es übernommen habe, für die Klägerin die Beförderung der streitigen Güter zu besorgen. Die Revision erhebt gegen diese Feststellung keine Einwendungen, wendet sich aber gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte auf Grund jenes Speditionsvertrags in Gemäßheit des § 413 Abs. 2 HGB. die Versendung der Güter zusammen mit Gütern anderer Versender als Sammelladung bewirkt habe. Es kann aber der von der Revision erhobene Vorwurf, daß das Berufungsgericht den Begriff der Sammelspedition verkannt habe, für zutreffend nicht erachtet werden. Das Berufungsgericht führt in dieser Beziehung folgendes aus: Die Beklagte habe auf Grund eines für ihre Rechnung mit der Eisenbahn abgeschlossenen Frachtvertrags die Versendung der streitigen Güter zusammen mit den Gütern anderer Versender in einem von der Beklagten beladenen und an das Proviantdepot in Düsseldorf verfrachteten Eisenbahnwagen bewirkt. Wenn dabei die Beklagte ihrer Angabe nach auf Grund einer allgemeinen Abmachung der Klägerin ihren tatsächlichen Frachtanteil zuzüglich 40 Pfg. für 100 kg berechnet habe, so erkläre sich dieser billige Satz aus der großen Menge der damals von der Beklagten in gleicher Weise zu erledigenden Sendungen und sei als der angemessene Frachtsatz im Sinne des § 413 Abs. 2 HGB. zu erachten. Daß die Güter der verschiedenen Versender auch für verschiedene Empfänger bestimmt HGB. 3

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seien, sei für den Begriff der Sammelladung nach § 413 Abs. 2 nicht erforderlich. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Insbesondere setzt die Anwendbarkeit des § 413 Abs. 2 nicht voraus, daß der Spediteur die als Sammelladung beförderten Güter der verschiedenen Versender selbst zusammengebracht und zu einer Sendung zusammengestellt hat. Audi wenn, wie die Revision behauptet, die .Transporte der einzelnen Fabrikanten (Versender) von der Tabakzentrale planmäßig der Beklagten zugeleitet sind", bleiben es Güter verschiedener Versender, deren weitere Beförderung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nunmehr von d e r Beklagten als Sammelladung auf Grund eines für ihre Rechnung geschlossenen Frachtvertrags bewirkt worden ist. Welche Vergütung die Beklagte hierfür innerhalb des in § 413 Abs. 2 Satz 2 gesteckten Rahmens verlangte, ist für das Wesen der Sammelspedition ebenso unerheblich wie der Umstand, daß die Sammelladung nicht an mehrere sondern nur einen Empfänger gerichtet war. Danach hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß die Beklagte wie ein Frachtführer gemäß § 429 HGB. für den Verlust der streitigen Güter in der Zeit von ihrer Annahme bis zur Ablieferung haftbar ist, es sei denn, daß der Verlust auf Umständen beruht, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten. Der Nachweis, daß dies letztere der Fall ist, liegt der Beklagten ob. In eingehender Begründung hat das Berufungsgericht dargelegt, daß dieser Nachweis nicht gelungen sei. Die gegen diese, im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Ausführungen von der Revision erhobenen Einwendungen sind unzutreffend. Die Revision beruft sich vornehmlich darauf, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Verladung der Güter in den Eisenbahnwagen ordnungsmäßig vor sich gegangen sei, und daß, da der Frachtbrief unmittelbar nach der Einladung an die Bahn übergeben worden sei, bis zu diesem Zeitpunkt die späterhin fehlenden Güter nicht gestohlen sein könnten. Hieran anknüpfend meint die Revision, daß mit der Ubergabe des Frachtbriefs an die Eisenbahn die Tätigkeit der Beklagten, soweit sie eine solche überhaupt habe entwickeln können, abgeschlossen gewesen sei und nunmehr die Tätigkeit der Eisenbahn eingesetzt habe, auf welche die Beklagte ihrerseits nicht habe einwirken können und hinsichtlich welcher daher der Beklagten auch kein Verschulden zur Last falle. Dabei wird übersehen, daß die Beklagte, die ja wie ein Frachtführer für die ganze Beförderung bis zur Ablieferung der Güter an den im Frachtbrief bezeichneten Empfänger haftet, gemäß §§ 431, 432 HGB. auch für ein etwaiges Verschulden der Eisenbahn der Klägerin gegenüber einzustehen hat, wie denn auch wegen eines

259 solchen Verschuldens die Klägerin aus dem zwischen der Beklagten und der Eisenbahn geschlossenen Frachtvertrage gegen die letztere an sich keine Rechte herleiten kann, sondern sich dieserhalb grundsätzlich gemäß § 413 Abs. 2 HGB. an die Beklagte halten muß. Die Gründe des Berufungsurteils lassen nicht klar erkennen, ob sich das Berufungsgericht diese Rechtslage in jederBeziehung vor Augen gehalten hat, sie reichen aber in tatsächlicher Hinsicht aus, um das Urteil im Rahmen der eben angeführten Rechtsgrundsätze zu tragen. RGZ. 109, 288. 2. Zur Haftung des Hauptspediteurs für Versdiulden des Unterspediteurs und des Zwisdienspediteurs. §§ 408, 413 Abs. 1 HGB. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 6. Dezember 1924. Die Entscheidung ist abgedruckt unter Verfahrensrecht prozeßordnung" .

„Zivil-

RGZ. HO, 59. 1. Unter welchen Voraussetzungen darf der Spediteur von den Anweisungen seines Auftraggebers abweidien? 2. Kann der Spediteur, der von den Anweisungen seines Auftraggebers abgewidien ist, sidi auf Freizeidlinungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Spediteuren berufen? HGB. §§ 407, 408, 413. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 17. Januar 1925.

I. Landgericht Köln, Kammer für Handelssachen. II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Kunsthandlung Dr. in München beauftragte im November 1919 die in München ansässige Beklagte, zwei Ölgemälde an die Klägerin in Köln als Eilgut zu senden. Dabei übergab sie der Beklagten einen von ihr als Absenderin ausgestellten und unterzeichneten, für Eisenbahnbeförderungen vorgesehenen „Eilfrachtbrief" vom 6. November 1919. In diesem Frachtbrief war die Klägerin als Empfängerin aufgeführt und das Frachtgut als eine Kiste bezeichnet, als Inhalt waren 2 Ölgemälde und als Wert 5000 M. angegeben. Die Beklagte leitete die Kiste in einer Eilgutsammelladung an die Mannheimer Lagerhausgesellschaft in Mannheim mit dem Auftrage, sie zu Schiff an die Alltrans A.-G. in Köln weiterzusenden. Gleichzeitig beauftragte sie die Alltrans in Köln, die Kiste nach Ankunft an die Klägerin auszuliefern, veranlaßte auch, daß die Kiste für die Beförderung zu Sdiiff mit 5000 M. versichert wurde. Die Kiste wurde dann mit einem Dampfer der Niederländischen Dampfsdiiffreederei als Sammelgut von Mannheim nach Köln befördert und dort in der von der Kölner Speditions17*

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und Transportgesellschaft m. b. H. verwalteten Lagerhalle der Reederei untergebracht. Dies soll am 5. oder 7. Dezember 1919 geschehen sein. Am 8. Dezember versuchte die Alltrans A.-G. die Kiste mit den Ölgemälden zu erlangen, erhielt sie aber nicht ausgeliefert, weil sie angeblich in der Lagerhalle nicht aufzufinden war. Die Kiste war aber offenbar in der Lagerhalle vorhanden, denn sie ist dort in das am 26. Dezember 1919 und erneut Mitte Januar 1920 aufgetretene Hochwasser geraten, das die Lagerhalle überflutete. Sie ist mit den Gemälden, die stark beschädigt waren, Ende Januar 1920 an die Klägerin ausgehändigt worden. Die Firma p r . hat die ihr als Absenderin zustehenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Diese verlangte Ersatz des auf 200 000 M. bezifferten Schadens von der Beklagten und der zunächst mitbeklagten Niederländischen Dampfschiffreederei. Das Landgericht erklärte den Anspruch gegenüber der Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt, wies aber die Klage gegenüber der Reederei ab. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zedentin der Klägerin, die Firma Dr. in München, habe durch Ubergabe des von ihr ausgefüllten und unterschriebenen Eilfrachtbriefes vom 6. November 1919 der Beklagten den Auftrag erteilt, die Kiste mit den Ölgemälden an die Klägerin als Eilgut mit der Eisenbahn zu senden. Von d e r ihr so gegebenen Anweisung sei die Beklagte wissentlich abgewichen, indem sie die Kiste zwar bis Mannheim mit der Bahn als Sammelladung, dann aber, und zwar gleichfalls als Sammelladung, zu Schiff nach Köln an die Alltrans A.-G. geschickt habe. Zu einer solchen Abweichung von der ausschließlich auf Bahnbeförderung lautenden Anweisung des Absenders wäre die Beklagte ohne ausdrückliche Einholung des Einverständnisses der Absenderin nur berechtigt gewesen, wenn dafür ganz dringende Gründe vorgelegen hätten und anzunehmen gewesen wäre, daß die Absenderin mit dieser Abweichung einverstanden sein würde. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Insbesondere habe die Beklagte aus besonderen, vom Berufungsgericht näher dargelegten Gründen damit rechnen müssen, daß das Frachtgut von der Absenderin nur für die von ihr vorgesehene Bahnbeförderung, und zwar über den in dem Eilfrachtbrief angegebenen Wert von 5000 M. hinaus, versichert worden sei, wie dies auch tatsächlich der Fall gewesen sei. Diese Versicherung sei durch die von der Beklagten ohne Wissen der Absenderin veranlaßte Beförderung zu Schiff ab Mannheim hinfällig geworden. Einen ausreichenden Ersatz dafür habe die Beklagte durch die von ihr vorgenommene Nachversicherung nicht

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herbeigeführt, was sie bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte erkenen müssen. Denn diese Nachversicherung habe nur auf 5000 M. gelautet und nur die eigentliche Beförderung zu Schiff gedeckt, während — audi für die Beklagte erkennbar — der wahre Wert der Güter weit höher gewesen sei und die Reisegefahr für die Güter während ihres Aufenthalts oder Lagerns in Güterhallen usw. viel größer gewesen sei, als während der eigentlichen Beförderung und außerdem die Reedereien vertraglich die Haftung für die Güter während ihres Lagerns am Lande ablehnten. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts bewegen sich im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die dagegen von der Revision erhobenen Einwendungen sind nicht gerechtfertigt. Wenn, wie das Berufungsgericht ohne ersichtlichen Rechtsirrtum annimmt, unter den obwaltenden Umständen die Ubergabe des Eilfrachtbriefs an die Beklagte, auch für diese erkennbar, die Weisung enthielt, die Güter mit der Eisenbahn an die Klägerin nach Köln zu schicken, so bedeutete das Vorgehen der Beklagten allerdings eine wissentliche Abweichung von diesem Auftrag. Und wenn eine Abweichung von diesem Auftrag ohne gehörige und rechtzeitige Mitteilung an die Absenderin die vom Berufungsgericht dargelegten schwerwiegenden und für die Beklagte vorhersehbaren Folgen hatte, so durfte diese die Einholung einer Genehmigung der Absenderin selbst dann nicht unterlassen, wenn die Firma Dr. in ihrem früheren Geschäftsverhältnis zur Beklagten gegen Abweichungen von ihren für den Versand erteilten Anweisungen keinen Widerspruch erhoben haben sollte. Bei dieser Sachlage ist die von der Beklagten aufgestellte Behauptung, daß die Firma Dr. bei rechtzeitiger Benachrichtigung mit den Maßnahmen der Beklagten ohne weiteres einverstanden gewesen sein würde, nicht schlüssig. Denn ein solches Einverständnis konnte grundsätzlich nur dann in Frage kommen, wenn der geänderte Reiseweg, insbesondere die Beförderung zu Schiff und die anschließende Lagerung der Güter in dem Reedereischuppen, in derselben Weise durch Versicherung gedeckt worden wäre, wie dies durch die von der Absenderin für die Bahnbeförderung genommene Versicherung der Fall war. 2. Wären die Güter in der von der Absenderin laut Eilfrachtbrief vom 6. November 1919 vorgesehenen Weise ausschließlich mit der Bahn befördert worden, so wäre nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die ganze Reise durch eine den vollen Wert der Güter umfassende Versicherung gedeckt gewesen. Es würde der streitige Schaden entweder überhaupt nicht entstanden oder durch die Versicherung abgegolten sein. Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem

262 geschilderten Verhalten der Beklagten und dem eingeklagten Schaden bejaht. Die Möglichkeit, daß das Vorgehen der Beklagten einen derartigen Schaden im Gefolge hatte, und daß dies von der Beklagten bei gehöriger Sorgfalt in den Kreis ihrer Erwägungen gezogen werden mußte, ist vom Berufungsgericht eingehend und rechtlich unbedenklich dargelegt worden. 3. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß der Schaden für die Absenderin und die Klägerin nicht eingetreten wäre, wenn die Beklagte die Versendung so ausgeführt hätte, wie sie laut Eilfrachtbrief vom 6. November 1919 vorgesehen war. Es ist daher unerheblich und kann jedenfalls nicht, wie die Revision meint, der Absenderin zum Verschulden zugerechnet werden, daß sie nicht die Beklagte angewiesen hat, die Beförderung möglichst bis zur Wiederaufnahme des Personenzugverkehrs zurückzustellen, weil dann die Beförderung als beschleunigtes Eilgut möglich gewesen wäre. Denn tatsächlich hätte die Beförderung als einfaches Eilgut genügt, wenn sie nur auf der ganzen Strecke durch die Eisenbahn erfolgt wäre. Des weiteren hat das Berufungsgericht mit eingehender und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung dargelegt, daß die Absenderin unter den besonderen' obwaltenden Umständen die Beklagte nicht auf den die Summe von 5000 M. übersteigenden Wert der Güter oder darauf ausdrücklich hinzuweisen brauchte, daß eine Versicherung nur für die Bahnbeförderung genommen sei. Auch lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Genüge erkennen, daß es der Absenderin nicht zum Verschulden zugerechnet werden kann, wenn nicht rechtzeitig, d. h. bevor der Schade an den Gütern entstanden war, wegen ihres Fehlens bei der Beklagten Beschwerde geführt oder die Beklagte auf den hohen Wert d e r Güter aufmerksam gemacht worden ist. 4. Die im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Eigenschaft der Güter (Ölgemälde) als Kunstgegenstände der Beklagten genügend deutlich erkennbar gemacht sei, läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Im übrigen hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß die Beklagte, wenn sie — wovon nach obigem auszugehen ist — in unzulässiger Weise wissentlich von den ihr seitens der Absenderin hinsichtlich der Versendung gegebenen Weisungen abgewichen ist, sich nicht auf die einschlägigen Freizeichnungen in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Vereins deutscher Spediteure berufen kann. Es liegt ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten bei der Versendung der Güter vor, welches für den Schaden ursächlich gewesen ist. Diese Verletzung des mit der Absenderin geschlossenen Vertrags hat die Beklagte als eigenes Verschulden

263 ihrer Vertragsgegnerin gegenüber zu vertreten. Einem solchen, auf wissentlicher Vertragsverletzung beruhenden eigenen Verschulden der Beklagten gegenüber kommen die betreffenden Freizeichnungsklauseln nicht in Betracht. Und zwar gilt dies ohne Rücksicht darauf, ob die von dem Berufungsgericht vertretene Annahme einer Monopolstellung der Beklagten als Mitglied des Vereins deutscher Spediteure begründet ist oder nicht. Damit enfällt die Bezugnahme der Beklagten auf die Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Vereins deutscher Spediteure sowohl wegen der Beschränkung der Höchstgrenze der Haftpflicht der Beklagten als auch hinsichtlich der. Ausschließung vom § 413 Abs. 2 HGB. bei Sammelladungen. Dabei ist zu beachten, daß die Beklagte nach dem Tatbestand und der Begründung des Berufungsurteils die Güter auch auf der Strecke von Mannheim nach Köln als Sammelladung befördert hat oder hat befördern lassen. Demgemäß hatte die Beklagte auch für diese Strecke ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Sie haftet also gemäß § 429 HGB. grundsätzlich für die Beschädigung, welche die Güter bis zu ihrer Ablieferung an die Klägerin, erlitten haben. Und zwar hat sie auch für ein etwaiges Verschulden der Kölner Speditions- und Transportgesellschaft oder der Niederländischen Dampfschiffreederei oder der Alltrans gegenüber der Absenderin und somit auch gegenüber der Klägerin eizustehen. Denn j e n e Gesellschaften waren die Erfüllungsgehilfen der Beklagten bei Erledigung der von ihr gemäß § 413 HGB. überommenen Pflichten eines Frachtführers (§ 432 HGB.). Demgemäß ist die

Revision zurückgewiesen worden.

Vom Berufungsgericht ist auch über die Kosten der Berufungsinstanz entschieden worden, obgleich der Klaganspruch gegen die Beklagte noch nicht endgültig klargetellt, vielmehr bislang nur dem Grunde nach für berechtigt erklärt worden ist. Diese Kostenentscheidung war — wie mit dem Urteil des Reichsgerichts vom 21. Februar 1922 III 353/21 im Gegensatz zu der bei Gruchot Bd. 48 S. 911 Nr. 90 abgedruckten Entscheidung anzunehmen ist — formell nicht erforderlich, wohl aber rechtlich z u l ä s s i g . . . . RGZ. 113, 427 über Tragwelte und Kechtswlrksamkeit einer Bestimmung In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vereins Deutscher Spediteure, wonach der Spediteur wegen aller seiner Ansprüche an den Auftraggeber ein Pfand- und ein Zurückbehaltungsrecht an den in seiner Verfügungsgewalt befindlichen Gütern hat. BGB. §§ 138, 932. HGB. § 410.

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VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 14. Mai 1926 I. Landgericht Hagen, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericfat Hamm. Das Drahtwerk P. übergab der Filiale der Beklagten in P. am 30. August 1924 Drahtwaren zur Spedition nach Ubersee. Noch vor Ausführung des Auftrags verfiel das Werk in Konkurs. Der Kläger bezahlte die auf der Ware ruhenden Frachtkosten im Betrag von 201 RM. und verlangte Herausgabe, weil die Ware ihm durch einen am 6. August 1924 abgeschlossenen Kreditvertrag von dem Drahtwerk zur Sicherung übereignet worden sei. Die Beklagte verweigerte die Herausgabe, solange sie nicht wegen ihrer sonstigen Ansprüche aus Speditionsaufträgen des Drahtwerks im Betrag von etwa 4000 RM., für die ihr auf Grand des § 52 der den Aufträgen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vereins deutscher Spediteure ein Pfand- und ein Zurückbehaltungsrecht an dem Gute zustehe, befriedigt oder ihr der fakturenmäßige Wert des Gutes mit 2493,62 holl. Gulden zu ihrer Befriedigung ausbezahlt sei; sie bestritt auch die Rechtswirksamkeit der Übereignung und focht diese hilfsweise wegen Benachteiligung der Gläubiger an. Der Kläger bestritt die Maßgeblichkeit der bezeichneten Bedingungen für den streitigen Vertrag und die ihrem § 52 beigelegte Tragweite und machte geltend, daß diese Bestimmung wegen Mißbrauchs der Monopolstellung der dem Spediteurverein angehörenden Spediteure nichtig sei. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht wies sie ab. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. „ 3 * Grunde: Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob der Kläger auf Grund des Kreditvertrags vom 6. August 1924 Eigentümer der streitigen Waren ist, und weist die Klage deshalb ab, weil durch den unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilten Speditionsauftrag die Waren gemäß dem § 52 daselbst, dessen Rechtswirksamkeit nicht zu beanstanden sei, der Beklagten für alle ihre Ansprüche aus Speditionsaufträgen verpfändet worden seien und diese hinsichtlich des Eigentums der Verpfänderin in gutem Glauben gewesen sei. Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht gerechtfertigt. Sie beanstandet zunächst auf Grund der Erwägungen, die einer in abweichendem Sinne ergangenen Entscheidung des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Januar 1926 zugrunde liegen, die dem § 52 der Bedingungen im Berufungsurteil gegebene Auslegung, daß das Pfandrecht an dem Speditionsgut ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse für alle Forderungen des Spediteurs gegen den Versender zur Entstehung gelangen solle. Diese Auslegung entspricht aber dem Wortlaut der Bestimmung und ihrem Zusammenhang innerhalb der Bedingungen. Nach § 52 hat „der Spediteur wegen aller

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fälligen und nichtfälligen Ansprüche, die ihm aus laufender Rechnung oder aus sonstigen Gründen gegen den Auftraggeber zustehen, ein Pfandrecht und ein Zurückbehaltungsrecht an den in seiner Verfügungsgewalt befindlichen Gütern oder sonstigen Werten". Hiermit können allerdings, wie der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm ausführt, nicht Güter gemeint sein, die in gar keiner Beziehung zum Auftraggeber stehen. Es fehlt aber an jedem Grunde, die erforderliche Beziehung zu ihm in etwas anderem als eben in dem Auftragsverhältnis zu suchen. Wie in den §§ 409, 410, 412 bis 414 HGB. und zahlreichen Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen .das Gut", das den Gegenstand des Speditionsvertrags bildende Gut bedeutet, so sind auch im §52 unter „den in der Verfügungsgewalt des Spediteurs befindlichen Gütern" die den Gegenstand des Speditionsvertrags bildenden, noch in der Verfügungsgewalt des Spediteurs befindlichen Güter zu verstehen, ohne daß eine Beschränkung hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse anzunehmen ist. Angesichts des klaren Wortsinns kann die Erwägung, daß der Versender einer fremden Sache mit der Annahme einer solchen Bestimmung in die Rechte des Eigentümers eingreift, nicht zu einer anderen Auslegung führen, zumal da das Gesetz selbst (§ 410) eine gleichartige, wenn auch weniger weitgehende Wirkung jedem Versendungsauftrag beilegt, so daß es sich — mindestens wirtschaftlich — nicht um die Begründung eines besonderen vertragsmäßigen Rechts, sondern nur um die Erweiterung des ohnehin kraft Gesetzes entstehenden Rechts handelt. Der von der Revision geltend gemachte Gesichtspunkt, daß über die Rechte eines Dritten wohl durch Gesetz, nicht aber ohne Zustimmung des Berechtigten durch Vertrag verfügt werden könne, kann nicht durchdringen, weil er sich gegen den Grundsatz des § 932 BGB. richtet. Daß die Beklagte sich nacht in bösem Glauben befunden hat, wird vom Berufungsgericht in rechtlich einwandfreier Weise festgestellt. Wenn die Revision weiter um Nachprüfung bittet, ob nicht ein sittenwidriger Vertrag im Sinne der Entscheidung RGZ. Bd. 106 S. 388 vorliege, so fehlt es zunächst hier an der in jenem Falle — ebenso wie in den Fällen RGZ. Bd. 99 S. 107, Bd. 103 S. 82, auch Bd. 102 S. 396 — in der Vorinstanz getroffenen Feststellung, daß dem Versender die Erstreckung des Pfandrechts durch eine monopolartige Stellung der dem Verein Deutscher Spediteure angehörenden Spediteure aufgenötigt worden sei. Auch einen Beweis dafür hat die Klägerin nicht angetreten, daß alle leistungsfähigen und zuverlässigen Spediteure des in Betracht kommenden Bezirks dem Verein Deutscher Spediteure angehören, wie dies zur Begründung einer Monopolstellung erforderlich wäre. Sodann kann aber auch nicht zugegeben werden, daß die hier in Frage stehende Ausdehnung des Spediteurpfandrechts ebenso wie die in jenen Fällen erörterte Freizeichnung von der Spediteurhaftung „eine völlige Umkehr der gesetzlichen Rechtslage" (RGZ.

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Bd. 103 S. 82) oder eine Aufnötigung unbilliger Opfer des Verkehrs (RGZ. Bd. 99 S. 107) enthalte. Die Erstreckung des Pfandrechts auf die Ansprüche aus früheren Versendungsaufträgen wird im Gegenteil vielfach dem an Geldknappheit leidenden Versender ein willkommenes Mittel sein, für die Begleichung dieser Ansprüche Aufschub bis zu einem gelegenen Zeitpunkt zu erlangen. Auch ist nicht abzusehen, inwiefern eine Ausdehnung des Pfandrechts, wie sie dem Kommissionär in sehr ähnlicher Weise gesetzlich gewährleistet ist (s. § 397 a. E. HGB.), beim Spediteur als besondere Unbilligkeit aufgefaßt werden müßte. RGZ. 114, 109 1. Nach welchen äußeren Merkmalen läBt sich bestimmen, ob bei Weiterübertragung einer Spedition der übernehmende als Unterspediteur oder als Zwischenspediteur zu gelten hat? 2. Regelt sidi auch im Falle des § 413 Abs. 1 HGB. die Haftung des Spediteurs für seinen Zwisdienspedlteur nach § 408 Abs. 1 HGB., wenn der Spediteur in seinen Beförderungsbedingungen erklärt bat, nicht als Frachtführer, sondern nur als Spediteur gemäß § 408 HGB. zu haften? HGB. §§ 408 Abs. 1, 413 Abs. 1 I. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 16. Juni 1926 L. Landgericht Frankfurt a. M., Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ist bereits in RGZ. Bg. 109 S. 288 ff. abgedruckt. Nach der dort angeordneten Zurückverweisung der Sache in die Vorinstanz wurde die Klage vom Oberlandesgericht nunmehr im vollen Umfang abgewiesen. Das Oberlandesgericht nahm an, daß tatsächlich der Fall des § 413 Abs. 1 HGB. gegeben, daß aber weiterhin die dort angeordnete Haftung des Spediteurs nach frachtrechtlichen Grundsätzen durch die dem Vertrag zugrunde gelegten Beförderungsbedingungen der Beklagten ausgeschlossen worden sei. Demgegenüber machte die Revision geltend, daß auch bei Anwendimg des § 408 HGB. für das Vertragsverhältnis der Parteien im übrigen gemäß § 413 Abs. 1 daselbst frachtreditliche Grundsätze gälten, während sich die vertraglich vereinbarte Anwendbarkeit des § 408 nur auf die Haftung nach § 429 HGB. „für die Ankunft des Gutes usw." bezöge. Daher müsse, so meinte sie, die Beklagte auch für das hier in Frage kommende Verschulden des Zwischenspediteurs einstehen. Offenbar habe das Reichsgericht dies auch in seinem früheren Urteil andeuten wollen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: . . . Ziu entscheiden bleibt somit die Frage, ob bei vertraglicher Ausschließung der Frachtführerhaftung nach § 413 Abs. 1 HGB. und Rege-

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lung der Haftung nach § 408 daselbst die Beklagte sich mit dem Hinweis darauf, daß sie — wie unstreitig — bei der Auswahl ihres Zwischenspediteurs mit genügender Sorgfalt verfahren sei, von ihrer Haftung befreien kann. Die Beantwortung dieser Frage ist im wesentlichen schon gegeben mit dem Urteil des Senats vom 2. Februar 1918, I 245/17, abgedruckt in RGZ. Bd. 94 S. 97 (außerdem bei W a m e y e r Rechtsprechung 1918 Nr. 98 und in Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen 1919, S. 47). In Ubereinstimmung damit und mit dem Schrifttum — zu vgl. die Erläutemngsbücher von Brand, Anm. l b zu §413, Ritter, Anm. 2 und 6 zu §413, Litthauer-Mosse, 16. Aufl. Anm. 3 zu § 408 und Anm. 3 zu § 413; zu vgl. ferner Senckpiehl Speditionsgeschäft § 234 S. 315 — ist hier zu sagen: Die Vereinbarung des Spediteurs mit dem Versender über einen bestimmten Satz für die Beförderungskosten hat zur Folge, daß die Stellung des Spediteurs sich ausschließlich nach frachtrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Senckpiehl a. a. O. führt im einzelnen an, in welchen Beziehungen diese frachtrechtliche Stellung zum Ausdruck kommt. Aber gerade eine der wichtigsten Beziehungen wird regelmäßig in den Beförderungsbedingungen der Spediteurvereinigungen davon ausgenommen. Das ist die Haftung eines solchen Spediteurs. Wird sie, wie hier, der Regelung nach § 408 HGB. unterstellt, dann erschöpft sie sich auch darin. Man kann unmöglich, wie die Revision es will, die Regelung nach § 408 zugrunde legen und dennoch eine Haftung des Hauptspediteurs für das Verschulden des Zwischenspediteurs eintreten lassen. Denn in § 408 ist mit klaren Worten das Gegenteil gesagt: Haftung nur für die Wahl des Zwischenspediteurs. Der Zwischenspediteur behält aber seine selbständige Stellung bei Abwicklung des Beförderungsgeschäfts, mag auch die Stellung des Hauptspediteurs gemäß § 413 Abs. 1 HGB. nach Frachtrecht zu beurteilen sein. Dies schon deshalb, weil ihm gegenüber nicht zum Ausdruck gekommen ist, daß der Hauptspediteur sich mit dem Versender über einen bebestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat. Aber auch hiervon abgesehen, wenn der Hauptspediteur an den zweiten Spediteur eine Teilstrecke zur selbständigen Erledigung abgegeben hat, so würde dadurch, daß das Rechtsverhältnis der beiden nunmehr nach frachtrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sein sollte, der zweite Spediteur nicht zum Erfüllungsgehilfen des Hauptspediteurs werden, sondern die Stellung eines Zwischenfrachtführers einnehmen. Auch dann würde also nur die in § 408 HGB. bestimmte Haftung des Hauptspediteurs bestehen. Die Entscheidung in RGZ. Bd. 55 S. 236, auf die sich die Revision beruft, betraf eine prozessuale Frage, bei der nur beiläufig die sachliche Rechtslage erwähnt wird. Letzterer lag Art. 384 des österreichischen Handelsgesetzbuches zugrunde, entsprechend dem Art. 384 des A. D. HGB., der eine von § 408 HGB. grundsätzlich ver-

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schiedene Regelung getroffen hatte, also hier in keiner Weise maßgebend sein kann. Nicht besonders angegriffen von der Revision und rechtlich unbedenklich ist die Annahme des Oberlandesgerichts, daß die Schweizer Firma in der Tat die Stellung eines Zwischenspediteurs eingenommen hat. Die begrifflichen Merkmale des Zwischenspediteurs und des Unterspediteurs wurden bereits vorher nach den im ersten Revisionsurteil aufgestellten Rechtsgrundsätzen wiedergegeben und entsprechen der allgemeinen Rechtsauffassung. Aber es ist nicht zu verkennen, daß die Anwendung dieser Begriffsmerkmale auf den Einzelfall in der Regel erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Denn bei der Auftragerteilung des Hauptspediteurs an den zweiten Spediteur pflegt meist darüber nichts gesagt zu werden, ob eine Zwischen- oder eine Unterspedition gewollt ist, und die Tatsachen, aus denen das eine oder andere zu folgern wäre, sind gerade hier verschiedener Deutung fähig. Dahin gehört beispielsweise der im früheren Urteil des Oberlandesgerichts erörterte Umstand, daß die Klägerin sich unmittelbar mit der Genfer Filiale der Schweizer Speditionsfirma in Verbindung gesetzt hat. Man könnte dies auf ein Verhältnis der Schweizer Firma als Unterspediteur deuten, indem man sagt, der Unterspediteur habe nur die Stellung eines Erfüllungsgehilfen, sei also nur Ausführungsorgan des Vertragsgegners und es sei deshalb für die Versenderin naheliegend gewesen, sich unmittelbar auch an ihn zu wenden. Umgekehrt ließe sich ausführen, der Zwischenspediteur stehe selbständig da und aus diesem Grunde habe es der Versender nicht nötig, noch mit dem Hauptspediteur zu verhandeln, nachdem der Zwisdienspediteur einmal seine Aufgabe übernommen habe. Ähnlich verhält es sich mit den Anzeichen für die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Stellung des Dritten. Ob er in der einen oder anderen Eigenschaft handelt, wenn er diese oder jene Weisung vom Hauptspediteur einholt, wird im Einzelfall schwer festzustellen sein. Gerade darum aber beruht die Frage, ob Zwisdien- oder ob Unterspediteur, im wesentlichen und regelmäßig auf tatsächlicher Beurteilung des Einzelfalls. Gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, daß die Schweizer Firma als Zwisdienspediteur tätig geworden ist, lassen sich um so weniger rechtliche Bedenken erheben, als die von jener zu besorgende Teilstrecke im Ausland lag und gegen die Begründung des Vorderrichters, für solche Strecken werde der Hauptspediteur regelmäßig einem mit den Verhältnissen der Spedition im Ausland vertrauten ausländischen Spediteur die weitere Besorgung selbständig übertragen, nichts einzuwenden ist. Übrigens kann dem Vorderrichter darin nur beigestimmt werden, daß bei einer Spedition, die im Ausland zu Ende zu führen ist, der Hauptspediteur die Auslandsstrecke regelmäßig an einen Zwisdienspediteur abgeben wird.

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RGZ. 114, 375 1. Zur Nachriditspflicht des Spediteurs bei Abweichung von Weisungen des Versenders. 2. Welchen Einfluß auf den Pflichtenkreis der Vertragsteile hat eine die gesamte Bevölkerung treffende schwierige Geschäftslage wie die zur Zeit des Ruhrkampfes? HGB. § 407 Abs. 2, § 384 Abs. 2, § 347. BGB. §§666, 276, 254. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 9. Oktober 1926. I. Landgericht Duisburg. — II. Oberlandesgericht Düsseldorf. Gegen Ende August 1923 kamen aus der Gegend von Fallersleben an die Beklagte nach Wesel mehrere Bahnwagen mit Speisesalz für Abnehmer am Miittelrhein. Von diesen Wagenladungen waren vier zu je 15 Tonnen für den Kläger bestimmt. Dieser teilte unterm 27. August der Beklagten mit, daß er den Spediteur K. in Koblenz beauftragt habe, die Verfrachtung des Salzes dorthin für ihn zu besorgen. Die Beklagte bestätigte am 30. August 1923 den Empfang des Schreibens und fügte hinzu, daß sie von K. „sofortige telegraphische Instruktion" erwarte. Sie übertrug jedoch am 31. August 1923 die Weiterbeförderung der Salzladungen der Weseler Transportgesellschaft (WTG.). Mit Schreiben vom 6. September 1923 übermittelte sie ihr die Frachtbriefe über die vier für den Kläger bestimmten Bahnwagen samt dem dazugehörigen Briefwechsel. Am 12. September 1923 trat der Dampfer, auf den die WTG. das Salz hatte verladen lassen, die Fahrt rheinaufwärts an. Inzwischen hatte der Spediteur K. in einem Schreiben vom 8. September, das die Beklagte erst am 13. September erhalten haben will, ihr mitgeteilt, daß er eine Speditionsgesellschaft in Köln mit dem Transport beauftragt habe. Die in Koblenz ausgeladene Ware wurde dort teils bei einem Spediteur E., teils bei K. zur Verfügung des Klägers eingelagert, jedoch belastet mit einer Frachtnachnahme von 555 holl. Gulden und Lagerspesen. Der Kläger lehnte die Einlösung ab, weil die seinen Weisungen entsprechende Beförderung (für Papiermark) viel billiger gewesen wäre als die von der Beklagten veranlaßte (für holl. Gulden). Eine vom Kläger gegen K. erhobene Klage auf Befreiung des eingelagerten Salzes von der darauf haftenden Nachnahme und auf Herausgabe der bei ihm lagernden Menge wurde rechtskräftig abgewiesen. Im gegenwärtigen Rechtsstreit verlangt der Kläger von der Beklagten 6912,70 RM. (mit Zinsen) als Schadensersatz, weil sie nicht nach seinen Weisungen verfahren sei, und zwar 4800 RM. für das durch lange Lagerung verschlechterte, von ihm zur Verfügung gestellte Salz, 1512 RM. für den durch Vorenthaltung dieser Ware ihm erwachsenen Verlust und 600,70 RM. wegen der Kosten des Vorprozesses, weil dieser bei richtiger Vertragserfüllung der Beklagten unterblieben wäre.

270 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Seine Revision hatte nur zum Teil Erfolg. Aus den Gründen: (Es wird ausgeführt, daß die Beklagte unter den Verkehrsschwierigkeiten zur Zeit des Ruhrkampfes für schleunige Weiterbeförderung eintreffender Waren sorgen mußte, darum abweichend von der V/eisung des Klägers alsbald der WTG. die Beförderung des Salzes rheinaufwärts auftragen durfte und mit diesen Maßnahmen die ihr obliegende Pflicht zur Sorgfalt nicht verletzte.) 1. War also die Beklagte befugt, von der Weisung des Klägers abzugehen, so hätte sie ihm der Regel nach allerdings, bevor sie abwich, Anzeige machen und seine Entschließung abwarten müssen, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden war (§665 Satz 2 BGB.). Dies war der Fall, wie das Oberlandesgericht rechtlich bedenkenfrei ausführt. Die Möglichkeit der Beschlagnahme durch die belgische Besatzung, des Diebstahls auf dem überfüllten, unbewachten Bahnhof und der Einwirkung schädlicher Witterungseinflüsse erzeugten Gefahren für die Ware; sie wuchsen mit jedem Aufschub und bedrohten den Kläger mit Vermögensschaden. Die Beklagte konnte demnach, ohne beim Kläger anzufragen und auf seine Entschließung zu warten, das Salz zur Weiterbeförderung stromauf, wohin es bestimmt war, der WTG. überantworten. Von dieser Maßnahme hätte sie aber den Kläger, außerdem zweckmäßigerweise auch unmittelbar den verfügungsberechtigten Spediteur K. in Koblenz, umgehend benachrichtigen müssen. Sie selbst hatte unterm 30. August an den Kläger geschrieben, daß sie von K. „sofortige telegraphische Instruktion erwarte". Wenn sie (unstreitig) bereits am 31. August die Salzsendungen der WTG. zur Weiterbeförderung überwies, mußte sie damit rechnen, daß diese Maßregel sich mit einer unterdessen gegebenen Verfügung des K. kreuze. Und nachdem einige weitere Tage verflossen waren, ohne daß eine Nachricht von K. eintraf, durfte sie nicht annehmen, daß diese völlig ausbleiben werde. Die Möglichkeit sich kreuzender Anordnungen dort und hier bestand nach wie vor. Nebeneinanderher gehende, mit Verpflichtungen und Kostenaufwand verknüpfte Maßnahmen, die für den erstrebten Beförderungserfolg nur zum Teil nötig, zum Teil überflüssig waren, mußten aber tunlichst vermieden werden. Deshalb wäre wiederum sofortige Mitteilung an den Kläger und K., mindestens aber an den Kläger, nötig gewesen, als die Beklagte am 6. September 1923 der WTG. die Frachtbriefe über die für den KlägeT bestimmten Bahnwagen übermittelte. Die Beklagte bringt in anderem Zusammenhang verteidigungsweise vor, daß der Brief- und besonders der Telegrammverkehr damals ungleichmäßig und mannigfach durch Hindemisse verlangsamt gewesen sei, die in feindlicher Besetzung und im Ruhrkampf ihre Ursache hatten. Sie mußte also auch damit

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rechnen, daß sich die Verfügungserklärung des K. auf solche Weise verzögert habe. Indem sie die Weiterbeförderung an die WTG. übertrug, ohne dem Kläger etwas mitzuteilen, unterließ sie eine erforderliche Nachricht und verstieß gegen die einem ordentlichen Spediteur obliegende Sorgfaltspflicht (§ 407 Abs. 2, §408 Abs. 1, § 384 Abs. 2, § 347 HGB., §§ 666, 276 BGB.). Hätte die Beklagte schon unterm 31. August, als sie die WTG. zum Unterspediteur bestellte, oder unmittelbar danach den Kläger von ihrer Maßnahme in Kenntnis gesetzt, so wäre der Kläger nach den aus dem vorliegenden Schriftwechsel ersichtlichen Briefbeförderungsverhältnissen imstande gewesen, ihr vor dem 6. September eine Gegenäußerung zugehen zu lassen, jedenfalls aber vor dem 9. September, dem Tage, an dem die WTG. eine Gelegenheit erfuhr und durch Vereinbarung sicherte, das Salz auf dem Wasserwege weiterzusenden. Der Kläger hätte sich also nach Empfang solcher rechtzeitigen Nachricht entscheiden können, ob er es bei dem von der Beklagten erteilten Auftrag zur Weiterbeförderung belassen oder ihr (und damit ihrem Unterspediteur, der WTG.) ferneres Abwarten, sei es bis zu einer Verfügung des K., sei es bis zu sonstiger Weisung, aufgeben wollte. Zeit und Entschluß, das Abweichen der Beklagten von seiner ursprünglichen Weisung zu billigen oder zu verwerfen, standen ihm frei. Und wenn er sie gebilligt hätte, so konnte doch wenigstens die zweckwidrige Lage vermieden werden, die während der Tage nachrichtlosen Wartens durch K.s Auftrag an die Kölner Speditionsgesellschaft entstand. Die Beklagte ist demnach verpflichtet, wegen schuldhafter (fahrlässiger) Unterlassung erforderlicher Nachrichten dem Kläger Schadensersatz zu leisten (§ 407 Abs. 2, §§ 384, 385 HGB.). 2. Grundsätzlich kann der Versender, wenn der Spediteur seinen Weisungen zuwidergehandelt hat, den auftragswidrig vollzogenen Abschluß als nicht für seine Rechnung erfolgt zurückweisen (§ 407 Abs. 2, § 385 HGB.). Ist die Beförderung schon ausgeführt, so haftet der Spediteur für den Schaden, der durch sein Abweichen von Weisungen des Versenders entstanden ist; außerdem kann er als Unkosten und Aufwendungen niur ersetzt verlangen, was er bei einer den Anweisungen des Versenders entsprechenden Art der Ausführung des Auftrags hätte beanspruchen können. Besteht, wie hier, das Verschulden des Spediteurs darin, daß er eine erforderliche Nachricht unterlassen hat, so muß er dem Versender den Schaden ersetzen, der auf das Unterbleiben der Nachricht zurückzuführen ist. Von Einfluß auf Gegenstand und Umfang des Schadensersatzes ist jedoch im vorliegenden Falle, daß den Kläger erhebliches und weit überwiegendes Mitverschulden trifft. Ob es auf schuldhaftes Verhalten des Klägers (oder des K.) zurückzuführen ist, daß die Beklagte die Verfügung des K. erst am 8. September 1923 —

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und nicht ihrem Verlangen gemäß drahtlich, sondern nur schriftlich — übermittelt erhielt, muß dahingestellt bleiben; die Feststellungen des angegriffenen Urteils gewähren in dieser Hinsicht keinen Anhalt. Aber der Kläger hat durch sein ferneres Verhalten schuldhafterweise unterlassen, den infolge unterbliebener Nachricht entstehenden Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB.). Die mit dem Ruhrkampf zusammenhängenden außerordentlichen Schwierigkeiten des Verkehrs zwischen unbesetztem und besetztem Gebiet zogen das ganze Volk, namentlich aber die Geschäftswelt, in Mitleidenschaft, waren daher deren Angehörigen mehr oder minder bekannt. Sie erforderten bei allen Beteiligten Verständnis und Entgegenkommen, besonders weil es sich darum handelte, die Bevölkerung zu versorgen, Warenknappheit nach Möglichkeit zu beheben, drohenden Notstand zu verhüten, das Gemeinwohl zu fördern. Deshalb war nach dem Verkehrsgebot von Treu und Glauben nicht eigensinniges Bestehen auf vermeintlichem Recht, sondern eine gewisse Nachsicht für das (oft durch mißliche Verhältnisse bestimmte) Handeln des Vertragsgegners angebracht; nötigenfalls war, obschon unter der Voraussetzung späteren Ausgleichs, auch ein Opfer angemessen. Die für den Kläger bestimmte Ware sollte der allgemeinen Versorgung dienen. Unter solchen Umständen war ihm billigerweise zuzumuten, daß er das Salz nicht zurückweise, weil es mit Nachnahme belastet war, sondern es unter Einlösung der Nachnahme annehme, so dem Verkehr zuführe und dann die ihm erwachsene Mehrfracht gegen die Beklagte geltend mache. Wäre er so verfahren, dann hätte er die Ware samt dem ihr innewohnenden Wert erlangt; sie wäre nicht, unfruchtbar für den Verkehr, liegen geblieben und verdorben,- seinem Geschäft hätte ihr Fehlen keinen Schaden zugefügt. Hieraus ergibt sich, daß er weder den Wert des Salzes noch Ersatz für dessen Vorenthaltung beanspruchen kann. Ebensowenig aber Erstattung der Kosten des Vorprozesses ; denn er ist mit seiner Klage rechtskräftig abgewiesen worden, und es erhellt nicht, daß ihm gerade das Verhalten der Beklagten zu der unbegründeten Klage gegen K. Ursache gegeben habe. So wie die Klage den Schaden berechnet, kann er also nach den dargelegten, für ein Verschulden der Beklagten und ein Mitverschulden des Klägers wesentlichen Umständen nicht begründet werden. 3. Aber damit ergibt sich noch nicht die Notwendigkeit völliger Klagabweisung, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Der Sinn der vom Kläger im zweiten Rechtszug gemachten Anführungen geht dahin, daß er den Nachnahmebetrag von 555 holl. Gulden, der die Ware bei ihrer Ankunft in Koblenz belastete, zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs notfalls heranziehen will. Danach käme als Schaden, wenn nicht die volle Summe von 555 holl.Gulden, so doch mindestens der Unterschied zwischen diesem Betrag und der Frachtsumme in Betracht, zu welcher der Kläger mit K. (unter Vorauszah-

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Lagergeschäft RGZ. 13, 153 Gehört die Inhaberklausel zur Wesenheit des Inhaberpapiers? I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 30. März 1885 I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergeridit daselbst. Geklagt wird aus Urkunden folgenden Inhaltes: „Lagerschein Nr. 1. Es lagern für Ihre werte Rechnung bei uns 53 Barrels schweres deutsches Vulkanöl im Gewichte von brutto etwa 10 000 Kilo, eingegangen am . . . Assekuranz mit 1500 M. bei der North British and Mercantile Norwich Union Feuerversidierungsgesellschaft bewirkt. Obige Barrels werden Ihnen nur gegen Rückgabe dieses Scheines ausgeliefert. Berlin, 16. Juli 1883. ölheimer Petroleum-Industrie-Gesellschaft Adolf M. Mohr, pp. Behr. Müller." Diese Urkunde steht auf der zweiten (inneren) Seite eines sonst unbeschriebenen Oktavbriefbogens. Sie ist teils geschrieben, teils hektographiert, nur der Firmenstempel ist aufgedruckt. Für eine Adresse ist keine bestimmte Stelle angedeutet, für eine solche würde aber unter der Urkunde und auf den äußeren Seiten Platz vorhanden sein. Vier solche mit den fortlaufenden Nummern 1—4 bezeichnete Urkunden sind vom Kläger der Beklagten präsentiert worden. Diese hat sich geweigert, dieselben zu honorieren. Der Kläger fordert mit der vorliegenden Klage Auslieferung von viermal 53 Barreil ö l ä 10 000 Kilo gegen die vier Lagerscheine ohne weitere Begründung, indem er sich auf die Natur der Urkunden als Inhaberpapiere beruft. Die Beklagte bestreitet diese Natur der Urkunden und behauptet, nur mit dem ersten Nehmer derselben, der Gesellschaft Helios, in einem Vertragsverhältnisse zu stehen. Die gegen das die Abweisung der Klage bestätigende Berufungsurteil eingelegte Revision ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen: Das Gesetz vom 17. Juni 1883 kommt nicht in Frage, da dasselbe sich nur auf Inhaberpapiere auf Geld bezieht. HGB. 3

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Die Frage nach der Rechtsgültigkeit von auf Inhaber gestellten Lagerscheinen kann unerörtert bleiben, weil der Berufungsrichter ohne Reditsirrtum angenommen hat, daß die fraglichen Urkunden keine Inhaberpapiere sind. Allerdings braucht das Inhaberpapier nicht in bestimmter solenner Form ausgestellt zu sein, es braucht selbst den Ausdruck „Inhaber" nicht notwendig zu erhalten, es genügt ein gleichbedeutender anderer Ausdrude. Allein es muß aus der Urkunde hervorgehen, daß der Inhaber als solcher forderungsberechtigt ist. Die Absicht, welche der Aussteller bei der Ausstellung bzw. bei der Begebung des Papieres hatte, ist, soweit sie nicht in der Urkunde ausgesprochen ist, bedeutungslos; höchstens kann, soweit sie dem Inhaber bzw. demjenigen, der später Inhaber wird, gegenüber ausgesprochen ist, aus dieser Erklärung eine Verpflichtung entstehen. Die konkreten Urkunden enthalten nun aber nicht, bzw. nicht mit der erforderlichen Sicherheit und Deutlichkeit die Erklärung, daß aus ihnen der Inhaber als solcher berechtigt sein solle. Auch aus dem letzten Satze der Urkunde folgt dries nicht; denn in diesen wird nur bestimmt, daß der Berechtigte sein Recht nur solle geltend machen können gegen Rüdegabe der Urkunde, nicht aber ist ausgesprochen, daß die Berechtigung durch den Besitz des Papieres begründet sei. Zugegeben kann werden, daß der letzte Satz zu dem Zwecke beigefügt sein kann, dem Kontrahenten des Ausstellers die Möglichkeit zu gewähren, sich mit Bezug darauf, daß er das ö l beim Aussteller des Scheines liegen hat, Kredit oder Geld zu verschaffen. Allein dies braucht nicht in dem Sinne geschehen zu sein, daß der Dritte zur Annahme veranlaßt würde, vermöge des Scheines könne jeder Dritte über das ö l verfügen. Die Absicht kann auch dahin gegangen sein, den Dritten dadurch zu sichern, daß dem Kontrahenten das ö l nicht ausgeantwortet werde, wenn derselbe sich nicht im Besitze des Scheines befindet, der Dritte also durch das Innehaben des Scheines eine Garantie dagegen habe, daß der Kontrahent das ö l an sich nehme. RGZ.59, 374 Können Lagerscheine mit Reditswirksamkeit auf den Inhaber gestellt werden? HGB. §§ 363 Abs. 2, 424. BGB. §§ 793, 796, 797, 808 Abs. 1. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 28. Dezember 1904. I. Landgericht Hamburg. — II. Oberlandesgericht daselbst. Die Beklagte hatte eine Urkunde folgenden Wortlauts ausgestellt: „Inhaber-Lagerschein Nr. 39.8 über Z. O. Einhundertzweiundfünfzig 152 Sack Rohzucker. Wir empfingen von Herrn L. B. . . . und lagerten

Lagergeschäft

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. . . 152 Sack Rohzucker angeblich Br. 15352 kg. Wir verpflichten uns, den vorerwähnten Zucker ausschließlich an den jeweiligen Inhaber dieses Lagerscheins gegen Rückgabe desselben und der angehefteten Assekuranzpolice und/oder Assekuranzzertifikat, sowie gegen Erstattung der Lagerspesen von heute ab, wie unten bemerkt, auszuliefern. Die Versicherung . . . Hamburg, den 17. September 1903. (Unterschrift der Beklagten.)* Auf Grund dieses Lagerscheins verlangte die Klägerin von der Beklagten, die keine staatlich zur Ausstellung von Lagerscheinen ermächtigte Anstalt war, die Herausgabe des Zuckers. Die Beklagte widersprach mit der Begründung, daß nach dem seit dem 1. Januar 1900 geltenden Rechte Lagerscheine nicht gültig auf den Inhaber gestellt werden könnten. Sie wurde jedoch vom Landgericht verurteilt, gegen Rückgabe des Lagerscheins mit den angehefteten Urkunden und Ersatz der Lagerspesen den Zucker herauszugeben. Ihre Berufung hatte keinen Erfolg. Auch die Revision der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Aus den

Gründen:

„ . . . Vorfrage ist, ob der der Klage zugrunde gelegte Lagerschein in Wirklichkeit ein Inhaber-Lagerschein sei. Der Vertreter der Revisionsklägerin hat erklärt, daß diese Eigenschaft des Lagerscheins nicht in Zweifel solle gezogen werden. Diese Erklärung schließt jedoch, da es sich um die rechtliche Beurteilung handelt, die Prüfung des Gerichts nicht aus. In Ubereinstimmung mit der Auffassung der Parteien und der Ansicht der Instanzgerichte muß aber diese Vorfrage bejaht werden. Der Abs. 2 der Urkunde in Verbindung mit der Uberschrift „Inhaber-Lagerschein" schließt die Auslegung aus, daß sich die Ausstellerin, die Beklagte, nur das Recht habe vorbehalten wollen, die Leistung an jeden Inhaber zu bewirken. Vielmehr ist darin ihr Wille deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie zur Leistung auch nur dem Inhaber verpflichtet sein wolle, die Leistung nur dem Inhaber der Urkunde verspreche (§ 793 BGB.). Im Abs. 1 des Lagerscheins ist eine benannte Person, L. B., aufgeführt, aber nur als diejenige, von welcher die Ausstellerin das gelagerte Gut, zu dessen Herausgabe sie sich im Abs. 2 verpflichtet, empfangen habe, also zur näheren Bezeichnung des Gegenstandes ihrer Schulderklärung, nicht als die Gläubigerin für die in der Urkunde versprochene Leistung. Demnach liegt nicht der Fall des § 808 Abs. 1 daselbst vor. Wenn in Abs. 2 des Lagerscheins die Ausstellerin ihre Leistungspflicht nicht nur von der Rückgabe des Scheins (§ 797 daselbst), sondern auch von der Rückgabe näher bezeichneter Nebenurkunden und der Erstattung der Lagerspesen abhängig macht, so widerspricht dies dem Wesen einer Schuldverschreibung auf den Inhaber nicht (§ 796 daselbst). 18*

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Die Entscheidung im vorliegenden Falle hängt daher nur davon ab, ob nach dem neuen Rechte Lagerscheine auf den Inhaber zulässig sind oder nicht. Das Handelsgesetzbuch enthält keine ausdrückliche Bestimmung. Die Ansicht, welche derartige Lagerscheine für unzulässig erklärt, kann sich nur auf eine Schlußfolgerung aus § 363 Abs. 2 HGB. stützen. Hier werden diejenigen Urkunden aufgezählt, welche außer den in Abs. 1 bezeichneten Anweisungen und Verpflichtungsscheinen durch Indossament übertragen werden können, wenn sie an Order lauten. Darunter werden genannt „Lagerscheine der staatlich zur Ausstellung solcher Urkunden ermächtigten Anstalten". Daraus wird geschlossen, daß Lagerscheine, bei welchen diese Voraussetzung nicht zutrifft, nicht an Order gestellt werden dürfen, und daraus weiter, daß um so weniger es zulässig sei, Lagerscheine auf den Inhaber auszustellen. Der erste Schluß ist insofern unbedenklich, als jedenfalls nur die Lagerscheine der staatlich zur Austeilung ermächtigten Anstalten indossable Orderpapiere sein können. Vgl. darüber Düringer u. Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch Bd. 2 S. 437. Für den weiteren Schluß fehlt es an genügender Begründung, sei es, daß man, wie Staub, Kommentar zum Handelsgesetzbuch Anmerkung 5 zu § 424 (Bd. 2 S. 1502 der 6./7. Auflage), tut, die InhaberLagerscheine überhaupt für „verpönt" erklärt, oder mit Makower, Kommentar (12. Auflage) zu § 424 unter I a 2 (S. 1385), sie nur bei mangelnder staatlicher Ermächtigung für unzulässig hält. Darin, daß das Handelsgesetzbuch hier eine Beschränkung für die Lagerscheine an Order ausspricht, ist nicht zugleich eine gleiche Beschränkung oder gar der Ausschluß für die Lagerscheine auf den Inhaber enthalten. Die Orderpapiere und die Inhaberpapiere sind zwei verschiedene Rechtsinstatute, von denen jedes unter seinen besonderen Regeln steht. Die Vorschriften über die Orderpapiere sind im wesentlichen im Handelsgesetzbuche getroffen (§§363 ff.); das Bürgerliche Gesetzbuch behandelt diese Materie nicht. Umgekehrt bezieht sich auf die „Schuldverschreibung auf den Inhaber" der 22. Titel des 2. Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches, während das Handelsgesetzbuch durch sein Schweigen die hier gegebene Regelung voraussetzt (Art. 2 Abs. 1 Einf.Ges. zum HGB.). Um so mehr hätte es einer deutlichen Bestimmung bedurft, wenn im Widerspruche mit den Sätzen des Bürgerlichen Rechts eine Beschränkung oder ein Verbot der Inhaber-Lagerscheine hätte ausgesprochen werden sollen. Eine solche Absicht hat in der auf die Orderlagerscheine beschränkten Vorschrift nicht nur keinen Ausdruck gefunden, sondern es lassen sich noch besondere Anhaltspunkte dafür geltend machen, daß das Schweigen über die Inhaber-Lagerscheine den Sinn, den es an sich hat, auch wirklich hat haben sollen, nämlich

277 den, daß man diese Art Lagerscheine nicht mit treffen wollte. Abgesehen davon, daß in dem nahestehenden § 367 HGB. eine Sonderbestimmung über Inhaberpapiere gegeben ist, zeigt auch eine Bemerkung in der Denkschrift S. 205 (bei Mugdan-Hahn, Die gesamten Materialien S. 361), daß man sich bei der Abfassung des § 363 HGB. des Gegensatzes zwischen den Orderpapieren und den Inhaberpapieren wohl bewußt gewesen ist. Zur Rechtfertigung dafür, daß in Abs. 2 der Kreis der Orderpapiere nicht noch weiter ausgedehnt worden sei, wird u. a. bemerkt: „Schuldverschreibungen gewerblicher Unternehmungen werden, falls sie nicht auf den Inhaber lauten, mit Rücksicht auf . . . § 2 .. . regelmäßig als kaufmännische Verpflichtungsscheine an Order gestellt werden können." Danach ist sogar an den Fall gedacht worden — „regelmäßig" —, wo eine solche Schuldverschreibung zwar wohl auf den Inhaber, nicht aber an Order gestellt werden könnte. Ausdrücklich von Lagerscheinen ist freilich nicht die Rede. Indessen steht außer Zweifel, daß schon damals Lagerscheine auf den Inhaber tatsächlich vorkamen (vgl. Entsch. des ROHG.s Bd. 25 Nr. 84 S. 352). Es hätte daher die Erkenntnis, daß die Rechtssätze über Orderpapiere und die Rechtssätze über Schuldverschreibungen auf den Inhaber zu verschiedenen Ergebnissen führen, auch für die Lagerscheine auf den Inhaber eine besondere Ausnahmebestimmung aufdrängen müssen, wenn diese wirklich in der Absicht des Gesetzgebers lag. Allerdings läßt sich nicht bestreiten, daß die sachlichen Erwägungen, welche die Beschränkung der Order-Lagerscheine empfohlen haben, auch bei den Inhaber-Lagerscheinen eine ähnliche Maßregel hätte reditfertigen können, indem durch die leichte Ubertragbarkeit auch hier eine Gefährdung des Verkehrs eintreten kann. Indessen hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß die Verhältnisse beim Order- und beim Inhaber-Lagerscheine doch nicht die gleichen sind, und jedenfalls würde dieser Grund nicht ausreichen, um im Widerspruche zu dem erlassenen Gesetz eine Verbotsvorschrift aufzustellen, die der Gesetzgeber nicht ausgesprochen und nidit gewollt hat. Der § 424 HGB., der nur die Wirkung der Ubergabe des nach § 363 Abs. 2 gültig ausgestellten indossabeln Order-Lagerscheins bestimmt, hat für die Frage, ob Inhaber-Lagerscheine zulässig seien, keine Bedeutung. Bei diesem Ergebnisse kann endlich auch davon keine Rede sein, daß die Ausstellung von Inhaber-Lagerscheinen eine Umgehung des Gesetzes enthalte. Es muß vielmehr, was in dem Urteile des erkennenden Senats vom 11. Februar 1903, Rep. I. 240/02, unentschieden geblieben ist, die Frage, ob nach dem neuen Rechte Lagerscheine gültig auf den Inhaber ausgestellt werden können, in Ubereinstimmung mit der Ansicht der Instanzgerichte und der, mit Ausnahme von S t a u b und M a k o w e r , in der Literatur allgemein vertretenen Auffassung des Gesetzes bejaht werden." . . .

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RGZ. 60, 44 Tragweite der Verjährungsvorschriften der §§ 414, 423 HGB. Zum Begriff des Lagerhalters. I. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. Januar 1905 I. Landgericht Mannheim. — II. Oberlandesgericht Karlsruhe. Der Kläger beauftragte durch Schreiben vom 29. August 1898 die Beklagte, eine Partie Weizenmehl (2X775 Sack), die auf das der Firma K. & Co. in Mannheim gehörende Schiff „Allemannia" nach Mannheim verladen worden war, für ihn auf Lager zu nehmen und zu seiner Verfügung zu stellen, wenn er inzwischen nicht anders disponiere. Die Beklagte beauftragte ihrerseits die Lagerhausverwaltung der badischen Staatsbahnverwaltung, die Entlöschung und Lagerung dieser Mehlsendung vorzunehmen, und zwar nach neun Sorten gesondert. Die Entlöschung fand am 10. September 1898 statt. Die Sädce waren in zwei durch eine Schose getrennte Räume verladen. Nachdem der erste Raum, der etwa 950 Sack faßte, entladen und mit Entladung des zweiten begonnen war, bemerkten die Bediensteten der Lagerhausverwaltung, daß die Säcke aus diesem letzteren Raum nach Lorbeer rochen: das Mehl war hier auf Ballen mit Lorbeer gelagert worden. Der Expeditionsassistent Z. stellte als aufsichtführender Beamter der Lagerhausverwaltung sofort die Entlöschung ein und benachrichtigte telephonisch die Beklagte. Diese schickte alsbald einen Kommis, der Muster zog und die Weisung erteilte, mit der Entlöschung einzuhalten, bis die Beklagte sich schlüssig gemacht habe, und es traf dann, wie die Klägerin behauptet, nach einiger Zeit die telephonische Weisung der Beklagten ein, mit der Entlöschung fortzufahren. Die Entlöschung erfolgte, und zwar, entsprechend der früher erteilten Weisung, in neun Sorten gesondert. Inzwischen hatte die Beklagte der Firma K. & Co. erst telephonisch, dann brieflich mitgeteilt, das Mehl sei verdorben, sie behalte sich vor, den S