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German Pages 213 [218] Year 2011
Eva-Maria Faber Einführung in die katholische Sakramentenlehre
Eva-Maria Faber
Einführung in die katholische Sakramentenlehre 3. Auflage
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 3., durchgesehene Auflage 2011 © 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2002 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-24445-4
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72024-8 eBook (epub): 978-3-534-72025-5
Inhalt Vorwort Hinführung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Erster Teil: Allgemeine Sakramentenlehre I. Sakramente im Dienst der Begegnung von Gott und Mensch . . . 1. Die anthropologische Wende in der Sakramententheologie . 2. Sakramente als Vermittlung von Gott und Mensch . . . . .
19 19 22
II. Biblisch-theologische Grundlegung . . . . . . . 1. Der Begriff myst erion in der Heiligen Schrift ¯´ 2. Die sakramentale Struktur von Schöpfung schichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . Heilsge. . . . .
26 26
III.Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Die integrale Sicht der Alten Kirche . . . . . . . . . . . . 1.1 Das Heilsereignis und seine Mysterien: Die griechische Patristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Selbstverpflichtung und Gnadenzeichen: Die lateinische Patristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Auseinandersetzungen um den gültigen Vollzug der Sakramente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klärungen durch die scholastische Theologie . . . . . . . . 2.1 Kulturelle Umbrüche im frühen Mittelalter . . . . . . . . . 2.2 Auf dem Weg zur Sakramentsdefinition: Die scholastische Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Anfragen der Reformatoren . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Zweite Vatikanische Konzil und vorbereitende Aufbrüche
31 31
IV. Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anthropologische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 2. Die theologisch-christologische Begründung der Sakramente 3. Kirche und Sakramente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die wechselseitige Beziehung von Kirche und Sakramenten Exkurs A: Sakramente als Entfaltung des Grundsakramentes Kirche (K. Rahner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die ekklesiale Dimension der Sakramente in ihrer Bedeutung für die Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Sakramente und Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs B: Sakramente als kommunikative Handlungen (A. Ganoczy; P. Hünermann) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 48 51 51
. . . . . . und . . .
28
31 33 36 38 38 38 41 44
52 53 54 54
6
Inhalt
4. 4.1 4.2
4.3 5. 5.1 5.2 5.3 5.4
6. 6.1 6.2
Die Zeitdimensionen des Sakramentes . . . . . . . . . . . Erinnerung und Vergegenwärtigung des Christusgeschehens Heilszusage für die gegenwärtige Situation menschlichen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs C: Einfügung menschlicher Ursituationen in die Christusgeschichte (J. Ratzinger; W. Kasper) . . . . . . . Eschatologische Dimension: Hoffnungszeichen . . . . . . Sakramente als Heilsereignisse . . . . . . . . . . . . . . . Das Wirken Gottes im Sakrament . . . . . . . . . . . . . Das Heilsereignis: Ereignis in Ereignissen . . . . . . . . . Sakramente als personale Begegnung . . . . . . . . . . . Die Gestalt der Sakramente . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs D: Sakramente als Sprachhandlungen . . . . . . . . Exkurs E: Das Sakrament als realsymbolische Wirklichkeit (K. Rahner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Siebenzahl der Sakramente und ihre Ordnung . . . . . Der unauslöschliche Charakter . . . . . . . . . . . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 57 57 59 59 60 62 64 65 66 67 69 69 70 70
Zweiter Teil: Spezielle Sakramentenlehre I. Taufe und Firmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Biblische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Reinigung und Initiation im jüdischen Glauben . . . . . . 2.2 Die Taufe im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die Wurzeln der urkirchlichen Taufpraxis . . . . . . . . . 2.2.2 Die Gestalt der frühchristlichen Taufe . . . . . . . . . . . 2.2.3 Zur neutestamentlichen Deutung der christlichen Taufe . . Exkurs F: Taufe als Teilgabe am Geschick Jesu (Röm 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . 3.1 Die altkirchliche Initiationspraxis und Tauftheologie . . . . 3.2 Initiation in Praxis und Theologie des Mittelalters . . . . . 3.3 Taufe und Firmung seit der Reformation . . . . . . . . . . 3.3.1 Das reformatorische Taufverständnis und das Konzil von Trient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Neuaufbrüche im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 4. Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Taufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die Taufe – heilsnotwendig? . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Zur Bedeutung des Taufgeschehens . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Sakrament des Glaubens – oder: die Kindertaufe . . . . . . 4.2 Die Firmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 75 75 75 76 77 78 78 80 83 83 86 87 87 88 89 89 89 91 94 95 97
Inhalt
II. Eucharistie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Biblische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Jesu Mahlpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das letzte Mahl Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Das Brotbrechen in der frühen Kirche . . . . . . . . . . . 3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . 3.1 Die Alte Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Umbrüche zum Mittelalter und Zusammenfassung der weiteren Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Eucharistie als Feier des Gedächtnisses Jesu Christi . . . . . 4.2 Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche . 4.2.1 Das Verständnis der Eucharistie als Opfer in der Theologiegeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs G: Zum christologischen Verständnis des Opfers . . 4.2.2 Selbstdarbringung der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zum Verständnis der somatischen Realpräsenz . . . . . . . 4.4 Eucharistie- und Kirchengemeinschaft . . . . . . . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament) . . . . . . . . . . . 1. Hinführung: Krise und Erneuerung der Bußpraxis . . . . . 2. Biblische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Sünde, Bekenntnis und göttliche Vergebung im Alten Testament 2.2 Sündenvergebung im Neuen Testament . . . . . . . . . . 3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . 3.1 Das Ringen um die Möglichkeit einer zweiten Buße in der frühen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das kanonische Bußverfahren in der Alten Kirche . . . . . 3.3 Die Krise des kanonischen Bußinstituts . . . . . . . . . . 3.4 Die „Beichte“ als wiederholbare Gestalt des Sakramentes der Versöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Der Streit um die Sakramentalität der Buße und die Bußwerke in der Reformationszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Erneuerte Vielfalt im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . 4. Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Leben im Horizont der Vergebung, die Vielfalt christlicher Bußformen und das Sakrament der Versöhnung . . . . . . 4.2 Zum Verhältnis von ekklesialer und individueller Dimension des Sakramentes der Versöhnung . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Momente des sakramentalen Bußgeschehens . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98 98 98 98 99 102 104 104 105 107 107 108 108 108 110 112 117 120 122 122 124 124 125 126 126 127 128 128 131 132 132 132 136 137 141
IV. Krankensalbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Hinführung: Krankheit aus anthropologischer und aus theologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Biblische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
7
8
Inhalt
3. 3.1 3.2 3.3 3.4 4. 4.1 4.2 4.3
Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . Weihe des Öls und Salbungspraxis in der Alten Kirche . . . Die Entwicklung hin zum Sterbesakrament . . . . . . . . . Die Reformation und das Konzil von Trient . . . . . . . . Die Reformbemühungen des Zweiten Vatikanischen Konzils Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Frage nach dem Spender des Sakramentes . . . . . . . Kranken- oder Sterbesakrament? . . . . . . . . . . . . . . Zur Bedeutung der Krankensalbung . . . . . . . . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
144 144 144 145 146 146 146 147 148 149
V. Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hinführung: Die ekklesiologische Perspektive . . . . . . . Exkurs H: Terminologische Klärung . . . . . . . . . . . . 2. Neutestamentliche Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Jesus und sein Jüngerkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Formen des Amtes in den neutestamentlichen Gemeinden . 2.3 Theologische Begründungslinien des Amtes im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . 3.1 Alte Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Die Zeit der Institutionalisierung . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Theologische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Entwicklung im Mittelalter: Sazerdotalisierung . . . . . 3.3 Der Streit um das sakramentale Amt in der Reformationszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die Kritik Martin Luthers an der römischen Kirche und ihren Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Das Konzil von Trient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Umbrüche im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Das Zweite Vatikanische Konzil . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Ökumenische Verständigungen . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Ausblick auf neuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . 4. Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Das sakramentale Amt in seiner Bedeutung für die Kirche . 4.2 Der Sinn der Ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zeichenhafter Verweis auf Christus . . . . . . . . . . . . . 4.4 Charisma und Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150 150 151 152 152 154
VI. Ehe 1. 2. 2.1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinführung: Die Ehe aus anthropologischer Sicht . . . . . Biblische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehe in Israel zwischen menschlichem Recht, göttlicher Weisung und theologischer Deutung . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Jesu Worte zur Ehescheidung und ihre Rezeption im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Ehe und Ehelosigkeit im Neuen Testament . . . . . . . . .
155 157 157 157 158 159 160 160 161 161 161 162 163 166 166 169 170 173 175 176 176 177 177 178 179
Inhalt
3. 3.1
Theologiegeschichtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . Die Entwicklung der Ehe in der lateinischen Kirche bis ins 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Sakramentalität der Ehe: Klärungen und Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die christliche Eheauffassung in der modernen Welt . . . . 4. Systematische Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Liebe und Ehe aus der Sicht der theologischen Anthropologie 4.2 Die Ehe als Sakrament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Sakramentale Ehe als Ineinander von göttlicher und menschlicher Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Sakrament der Ehe und Glaube . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Zum Verhältnis von Liturgie, Ehekonsens und Ehe . . . . . Literaturempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epilog: „Definierte Pausen“ der Versöhnung in Christus
180 180 182 183 184 184 186 186 189 190 192
. . . . . . . 193
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachregister
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Verzeichnis der Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
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Vorwort Eine Einführung in die katholische Sakramentenlehre steht vor der Herausforderung, eine Fülle von Inhalten auf begrenztem, dem Leser oder der Leserin zumutbarem Raum vorzustellen. Kaum ein anderer Traktat der Dogmatik versammelt so viele Informationen in sich; jedes Sakrament hat seine eigene Geschichte und seine eigene Gestalt. Die Gattung der Einführungsliteratur erfordert es zudem, viele grundlegende Informationen, die andere auch schon gesammelt haben, noch einmal darzulegen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, einen Kernbereich der Glaubenspraxis theoretisch zu erörtern. Ich hoffe, in dem vorliegenden Band die notwendigen Inhalte sinnvoll so erschlossen zu haben, dass sich die Details zu einem sinnvollen Ganzen fügen. Obwohl ich einige Akzente gesetzt habe, die mir wichtig scheinen, beanspruche ich nicht, einen neuen Entwurf der Sakramentenlehre vorzulegen. Pastorale und liturgische Aspekte der Sakramententheologie kann ich als Systematikerin nur andeuten. Wohl aber habe ich versucht, in den systematischen Aussagen nicht zu vergessen, worauf diese sich beziehen: auf eine kirchliche Glaubenspraxis. Wenn es zum wissenschaftlichen Auftrag gehört, mit den eigenen Methoden und Aussagen dem jeweiligen Gegenstand gerecht zu werden, dann kann die Dogmatik, insbesondere die Sakramententheologie, nicht davon absehen, dass sie gelebten und praktizierten Glauben reflektiert. Zugleich hoffe ich, mit der systematischen Perspektive wiederum auch Impulse für die Praxis zu geben, wenngleich dies im vorliegenden Band einer wissenschaftlichen Buchreihe nicht das Hauptinteresse war. In dennoch eingetragenen Seitenblicken auf die Praxis macht sich auch bemerkbar, dass das Buch während meines ersten Wirkungsjahres an der Theologischen Hochschule Chur entstanden ist. Deren Leitbild, Theologie primär im Blick auf die Seelsorge zu treiben, habe ich mir gern zu eigen gemacht. Danken möchte ich an dieser Stelle Matthias Mühl und Antje Hetterich für viele wertvolle Anregungen. Chur, 31. Juli 2001
Eva-Maria Faber
In der zweiten, weitgehend seitenidentischen Auflage wurden Druckfehler korrigiert und wenige Veränderungen eingearbeitet. In begrenztem Umfang konnte neuere Literatur nachgetragen werden. Chur, 28. August 2008
Eva-Maria Faber
Hinführung Wer sich im Rahmen christlicher Theologie mit den Sakramenten befasst, nähert sich im Normalfall nicht einer bloßen Theorie, sondern einer bereits übernommenen Praxis, die Vor-Gabe des eigenen Christseins ist. Dies entspricht der Geschichte der Sakramentenlehre, die sich ebenfalls erst nachträglich zum liturgischen Feiern der Kirche entwickelt hat. Ihr Anliegen ist es, sich der Grundlagen des eigenen Tuns zu vergewissern und das Gefeierte besser zu verstehen. Dies gelingt ihr am besten, wenn sie eng an der sakramentalen Praxis selbst orientiert bleibt. Dann aber kann die Wahrnehmung der Fülle dessen, was sich in biblisch-theologischer Sicht als Gabe der Sakramente erschließt, auch umgekehrt Chance sein, das eigene und das kirchliche Leben mit den Sakramenten zu vertiefen. Die Reflexion darf somit zum Stachel für die sakramentale Praxis ebenso wie für katechetische Bemühungen um die Hinführung zu den Sakramenten werden. Im Schnittfeld von Reflexion und Praxis warten aber auch Problemstellungen, welche die Sakramentenlehre von der Pastoral her herausfordern. Dadurch kommt von vornherein deren Einbindung in das Ganze des Glaubens in den Blick. Denn wenn viele Menschen heute nur schwer Zugang zur sakramentalen Praxis finden, so wurzelt dies oftmals in tiefer liegenden Glaubensfragen. Offenkundig ist dies hinsichtlich des christologischen Gehaltes der Sakramente. Sakramente sind Ereignisse, die an Person und Geschick Jesu Christi teilgeben. Als solche setzen sie den Glauben an die Heilsbedeutung von Tod und Auferstehung des Mensch gewordenen Gottessohns voraus. So ist es nicht verwunderlich, wenn Menschen, die das Christusbekenntnis nicht persönlich übernommen haben, den Gehalten von Liturgie und Verkündigung der sakramentalen Feiern fremd gegenüber stehen. Viele tun sich mit dem ekklesialen Charakter der Sakramente schwer: Dass man es beispielsweise bei der Feier der Taufe eines Kindes auf intensive Weise mit der Kirche zu tun bekommt, ist eher unerwünscht. Ähnliches gilt schließlich für die eschatologische Gabe der Sakramente, die, wenn die Hoffnung auf Auferstehung fehlt, folgerichtig ausgeblendet wird. Ebensowenig selbstverständlich sind im strengen Sinn theo-logische und gnadentheologische Voraussetzungen, denen verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen ist. Denn mit ihnen steht nicht nur auf dem Spiel, ob der ganze Gehalt der Sakramente ausgelotet wird, sondern die Bedeutung der Sakramente als Geschehnisse des Heils überhaupt. Der christliche Glaube sieht im sakramentalen Handeln und Feiern der Kirche Gottes eigenes Wirken engagiert. Wo Sakramente gefeiert werden, wo also die Kirche in ihrem gottesdienstlichen Tun Menschen durch besondere Riten in den durch Jesus Christus eröffneten Lebensbereich hineinstellt, dort ist – so versteht es der Glaube – Gott selbst am Werk, dort nimmt er selbst diese Menschen in besonderer Weise in sein Leben hinein. Dies aber ist ein Anspruch, den viele Menschen heute nicht mehr nach-
Reflexion und Praxis
pastorale Fragen
Handeln Gottes?
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Hinführung
Befremdlicher Anspruch
vollziehen können. In seinem Buch „Handelt Gott, wenn ich ihn bitte?“ spricht Karl-Heinz Menke von einer „fortschreitenden Transzendierung Gottes“ (54: 11), welche das Bittgebet und das hierauf erhoffte Eingreifen Gottes fragwürdig erscheinen lässt. Diese Problematik betrifft in zugespitzter Weise auch die Sakramententheologie. Noch direkter als beim „gewöhnlichen“ Bittgebet wird in den Sakramenten das Handeln Gottes nicht nur erwartet, sondern sogar vorausgesetzt. Denn die Kirche feiert sie in der Gewissheit, dass Gott für diese gottesdienstlichen Kernvollzüge ihrem Gebet Erhörung zugesagt hat und diese getreu schenkt. Kann aber im Ernst mit einem solchen Handeln Gottes in der Geschichte gerechnet werden? In dem Maße, wie Gott zur Erklärung natürlicher und geschichtlicher Phänomene nicht mehr benötigt wird, verliert sein Wirken auch in religiösen Kontexten an Plausibilität. Zudem scheint der sakramentalen Praxis, die beansprucht, Gottes Zuwendung zu vermitteln, eine magische Vorstellung menschlicher Einflussmöglichkeit auf Gott und in der Konsequenz ein fragwürdiges Gottesbild zugrunde zu liegen. Ist es nicht vermessen anzunehmen, dass Gott sich dazu herablässt, just zu dem Zeitpunkt zu handeln, an dem bestimmte Gesten vollzogen und bestimmte Worte gesprochen werden? Zumal der Glaube, Menschen erwachse aus einem derartigen Vorgang ein Heilsvorteil, klingt für zeitgenössisches Denken, das größtmögliche Gleichberechtigung anstrebt, diskriminierend. Dies wird besonders an der Taufe deutlich. Es ist schwer einsichtig zu machen, dass zwischen Getauften und Nicht-Getauften ein Unterschied bestehen sollte, der die Strukturen dieser Welt übersteigt und die Situation des Menschen vor Gott verändert. Auch über die Taufe hinaus lässt sich eine Verunsicherung hinsichtlich des Stellenwertes von Sakramenten feststellen. Nach der Überwindung einer einseitigen Fixierung kirchlichen Lebens auf die Sakramente führt eine gewisse Nivellierung dazu, dass man umgekehrt nicht mehr zu sagen weiß, warum den Sakramenten unter den vielfältigen Formen von Liturgie noch ein besonderer Stellenwert zukommen sollte. Ist auf der einen Seite fraglich, inwiefern die Sakramente Gott engagieren, so auf der anderen Seite, inwiefern sie den Menschen engagieren. Auf Menschen, die um ein Sakrament bitten, wirkt es zuweilen befremdlich, wie nachdrücklich die Kirche eine Zeit verbindlicher Vorbereitung einfordert und Konsequenzen anmahnt. Die Problematik lässt sich an einem Phänomen erhellen, das an sich dem Verständnis der Sakramente zuträglich scheint: am neuen Interesse an Ritualen. Hatte noch vor wenigen Jahren der Begriff Ritus einen eher abwertenden Beiklang, so sind heute Rituale wieder en vogue. Die Objektivität des Ritus eröffnet einen bergenden Raum, der in der Undurchsichtigkeit des Lebens wohltuend empfunden wird. Wenngleich das neue Gespür für die Bedeutung von Riten Zugänge auch zum Sakrament eröffnen kann, bedarf es doch einer Unterscheidung der Geister. Ein rein anthropologisches Ritual, wie es in der postmodernen Gesellschaft gesucht wird, ist noch nicht der sakramentale Ritus der Gottesbegegnung, der Freiheiten miteinander ins Gespräch bringen will. Dies bedeutet nicht nur, dass die Objektivität der Sakramente nicht verstanden ist, wenn sie nicht in der Selbstzusage Gottes begründet wird. Darüber hinaus fordern die Sakramente die Glaubenden heraus, sich
Hinführung
in ihrer Freiheit existentiell darauf einzulassen und zu einer je persönlichen Antwort zu finden. Die Sakramente sind gerade nicht bequeme Weisen, sich von subjektiv gelebtem Christsein zu dispensieren, sondern zielen darauf, je persönlich im Leben eingeholt zu werden. Dies widerspricht einer ich-schwachen Konsummentalität ebenso wie manch traditioneller Sakramentspraxis. Genauer zu klären ist weiter die Art der Herausforderung, die in den Sakramenten auf Menschen zukommt. Denn sie verlangen, das eigene Leben von dem bestimmen und prägen zu lassen, was nur empfangen werden kann: Sie sind Höhepunkte des Lebens aus Gnade, d. h. aus dem von Menschen nicht herstellbaren neuen Leben in der Teilhabe an Gott. Während in Ritualen heute eher Stabilisierung und Bestätigung des Menschlichen erwartet wird, wollen die Sakramente das Menschsein gerade dadurch zur Vollendung bringen, dass sie es über sich hinausführen. Die angesprochenen pastoralen Problemfelder betreffen christliche Grundsubstanz. Die fortschreitende Transzendierung Gottes mündet in ein deistisches, d. h. Gott von der Welt fernhaltendes Gottesbild, welches mit der spezifischen Zusage des Sakramentes, dass Gott sich in personaler Weise Menschen zuwendet, unvereinbar ist. In Frage gestellt ist hier nicht nur die Freiheit Gottes, seiner Schöpfung zu begegnen, sondern auch die Würde des von ihm angesprochenen Menschen. Die Einladung, sich empfangend und zugleich höchst engagiert auf die Begegnung mit Gott und auf die darin geschenkte neue Dimension des Lebens einzulassen, ist die dem christlichen Glauben eigene Herausforderung schlechthin. Da an der sakramentalen Praxis somit Grundlinien christlichen Lebens und Glaubens erkennbar werden und sich zugleich als problematisch erweisen, ist die Herausforderung an die Sakramententheologie, sich diesen Anfragen zu stellen, umso dringlicher. Festzuhalten sind bereits hier einige Problemstellungen, die der folgende Entwurf im Auge behalten muss: 1. Wie kann die Rede von einem konkret-geschichtlichen Handeln Gottes verantwortet werden? 2. Wie verhalten sich göttliches Wirken und menschliche Antwort im Sakrament zueinander? 3. Diese Fragen sind verwandt, wenngleich nicht identisch mit der Frage nach dem Verhältnis von objektivem sakramentalem Geschehen und der subjektiven Aneignung und Entsprechung seitens der Glaubenden, die das Geschehene im Leben bewähren sollen. Wenngleich sich die Objektivität des sakramentalen Geschehens in erster Linie auf das in ihm zugesagte Gnadenwirken Gottes bezieht, gehört doch die menschliche Seite in die objektive Gestalt des Sakramentes hinein. Die menschliche Antwort selbst birgt in sich die Spannung von Objektivität und Subjektivität, insofern die subjektive Bereitschaft eine objektive Gestalt sucht, die ihrerseits subjektiv eingeholt werden will. 4. Schließlich ist die gnadentheologische Perspektive weiterzuverfolgen, in der die Sakramente als Geschenk neuen Lebens zu deuten sind.1 1 Andere sich durchziehende Anliegen und Fragestellungen werden sich in der Erörterung der Allgemeinen Sakramentenlehre ergeben (siehe vor allem S. 53 f. zum Verhältnis von ekklesialer und individueller Dimension; S. 69 zum Fragmentcharakter der Sakramente).
Leben aus Gnade?
Ausblick auf Problemfelder
15
16
Hinführung Ökumenische Perspektive
Als durchgängiges Anliegen sei ausdrücklich die ökumenische Perspektive erwähnt. Die hier vorliegende Einführung in die Sakramentenlehre legt den Akzent zwar auf die katholische Tradition und Sichtweise, versteht sich aber als ökumenisch engagiert. Da die Unterschiede zur orthodoxen Tradition im Bereich der Sakramente eher liturgischer und spiritueller Art sind, sollen im Folgenden vor allem evangelische Anliegen berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die eingehende Reflexion des Verhältnisses von anthropologischer und christologischer Perspektive (siehe unten Erster Teil, Abschnitt I.).
Erster Teil: Allgemeine Sakramentenlehre
evangelische Vorbehalte
Die katholische Sakramentenlehre stellt der Erörterung der einzelnen Sakramente die Reflexion auf einen allgemeinen Sakramentsbegriff voran. Der Stellenwert der allgemeinen Sakramentenlehre ist differenziert zu betrachten. Sie hat nur relative, nachgeordnete Bedeutung, wenn die Erfahrung sakramentaler Praxis als Maßstab genommen wird. Denn in der Feier werden die einzelnen Sakramente mehr in ihrer jeweiligen Eigenart und in ihrer Bezogenheit auf bestimmte Lebenssituationen wahrgenommen denn in dem, was ihnen gemeinsam ist. Gleichwohl stößt eine tiefere Reflexion auf Züge, welche die einzelnen Sakramente verbinden. Denn sie alle werden gefeiert in dem Glauben, dass sie Gottes gnädige Zuwendung erfahrbar machen und die Teilnahme an Geschick und Person Jesu Christi ermöglichen. Auch in der phänomenologischen Gestalt lassen sich Ähnlichkeiten feststellen. Gottes schenkende Liebe begegnet in den Sakramenten entsprechend der Verfasstheit menschlichen Daseins: Es sind sichtbare Zeichen, Gesten und gottesdienstliche Feiern, die bei der Sinnenhaftigkeit des Menschen ansetzen. Es liegt nahe, diese gemeinsamen Züge der Sakramente in einem allgemeinen Sakramentsbegriff zu bündeln in der Überzeugung, dass sich dadurch auch die einzelnen Sakramente tiefer erschließen. Die Frage nach dem Stellenwert der allgemeinen Sakramentenlehre ist eines der traditionellen Kontroversthemen im ökumenischen Gespräch. Wegen des Schriftprinzips will die lutherische Tradition „die Heilsmedien nicht einem allgemeinen Sakramentsbegriff unterordnen, sondern einzig und allein mit dem Stiftungswillen Christi begründen“ (Wenz 48: 2; siehe dazu unten S. 41). Bei dem allgemeinen Sakramentsbegriff kann es sich deshalb nur um einen Hilfsbegriff handeln, der lediglich nachträglich zusammenfasst und bündelt, was zu den Einzelsakramenten gesagt werden kann, der aber nicht über die Bedeutung der einzelnen Sakramente vorentscheiden darf. In der neueren evangelischen Theologie spielt der allgemeine Sakramentsbegriff indes durchaus eine Rolle, bis dahin, dass der evangelische Theologe Reinhard Hempelmann gerade hier dringlichen ökumenischen Gesprächsbedarf sieht (69: 16–20).
I. Sakramente im Dienst der Begegnung von Gott und Mensch 1. Die anthropologische Wende in der Sakramententheologie Warum feiern wir Sakramente? Binnenchristlich findet diese Frage Antwort, indem aus dem Glauben heraus erhellt wird, was in den Sakramenten erbeten und gefeiert wird. Dies ist Aufgabe des klassischen (biblisch-theologiegeschichtlich-systematischen) Dreischrittes in der dogmatischen Reflexion der Sakramente. Der im strengen Sinn dogmatische Zugang, der mitten im Glauben stehend aus dessen Fülle schöpft, darf auch in einer Zeit, in der es wenig selbstverständlich ist, den Glauben als Ausgangspunkt zu nehmen, nicht verloren gehen. Dies gilt umso mehr, als die Sakramente gottesdienstliche Feiern im Kernbereich der Kirche sind; entsprechend ist die Sakramententheologie „Theologie für Insider“ (Koch/37: 317). Dennoch erübrigt sich damit nicht die fundamentaltheologische Perspektive, die nicht vom Glauben ausgeht, sondern zu ihm hinführen will. Obwohl die Sakramente nicht zu den großen fundamentaltheologischen Themen gehören, hat die Krise in der Sakramentenpastoral zu einem verstärkten Bemühen um die Verantwortung und Rechtfertigung der sakramentalen Praxis geführt. Um dem Eindruck zu begegnen, die Sakramente kämen als etwas Fremdes, Unverständliches von außen auf den Menschen zu, soll gezeigt werden, inwiefern die Sakramente dem Menschen entsprechen und warum sie ihm somit etwas bedeuten können. Die neuere Theologie setzt deshalb, insbesondere im Gefolge Karl Rahners († 1984), mehr beim Menschen an. Entsprechend dem Anliegen Rahners, Menschen von heute den Glauben als ihrem Selbstverständnis gemäß nahe zu bringen, wird versucht, im menschlichen Dasein eine Offenheit für die Sakramente aufzuweisen. Wenn Sakramente den Menschen erreichen wollen, dann bedarf es auf dessen Seite eines entsprechenden Sensoriums. Gnadentheologisch formuliert: Wie die Gnade die Natur voraussetzt, so setzen die Sakramente eine natürliche Disposition im Menschen voraus. Gemeint ist nicht nur eine Empfänglichkeit für das, was Gott in den Sakramenten schenken will, sondern auch – und darauf kommt es hier an – eine Empfänglichkeit für die spezifische Weise, in der die Sakramente die Gabe vermitteln. In diesem Sinne versucht die anthropologisch ansetzende Theologie aufzuzeigen, dass Menschsein von sich her immer schon „sakramental“ angelegt ist, weil es sich in Symbolen ausdrückt und verleiblicht. Das erste Symbol ist der eigene Leib, der Ausdruck der menschlichen Person ist: „verwirklichendes Zeichen für diesen Menschen, sein Ich, sein Verhalten, sein Denken und Handeln, seinen Selbstvollzug“ (Schneider/45: 25; siehe
Sakramentale Anlage des Menschen
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Allgemeine Sakramentenlehre
Kritik
– Unterscheidung von Entdeckungsund Begründungszusammenhang
– Sakramente als Widerfahrnisse
dazu genauer Abschnitt IV.1.1). Der Leib verlängert sich in anderen Symbolisierungen, welche dem eigenen Selbstwerden und der Kommunikation mit anderen wie auch dem Ausdruck der Offenheit des Menschen auf Transzendenz dienen. Somit gibt es eine Erfahrungsbasis für die Sakramente schon vor dem Glauben. Indiz für eine entsprechende menschliche Ausrichtung ist die „sakramentale Produktivität der Postmoderne“ (Englert/65: 161): Wo die christlichen Sakramente ausfallen, entstehen „Ersatzsakramente“. Zusammenfassend charakterisiert Hempelmann die anthropologisch ansetzende Theologie folgendermaßen: „Methodisch gesehen beinhaltet dieser Weg den Versuch, das Phänomen ‚Sakrament‘ gleichsam remota fide als allgemein-menschliches Phänomen zu erweisen, welches dadurch eine religiöse Dimension besitzt, daß in ihm die Welt- und Selbsttranszendenz des Menschen in Anspruch genommen ist. Indem das Sakrament als Phänomen expliziert wird, das überall in der Menschheitsgeschichte erkannt werden kann, ist es in seiner Sinnhaftigkeit und Legitimität erwiesen. Das Sakrament in seiner geschichtlichen Ausformung hat seinen Grund in der sakramentalen Verfaßtheit des Menschen“ (69: 29 f.). Die anthropologische Wende hat die katholische Sakramentenlehre sehr geprägt mit Konsequenzen bis in die Sakramentenpastoral hinein, die in der Regel bei den natürlichen Erfahrungen mit Symbolen ansetzt. Demgegenüber melden sich aber neuerdings auch kritische Stimmen. Der soeben zitierte evangelische Theologe Hempelmann fordert in kritischer Analyse des anthropologischen Ansatzes eine präzisere Eingrenzung dessen, was eine solche fundamentaltheologische Hinführung leisten kann und was nicht. Die konfessionelle Herkunft dieser Anfrage ist sicherlich kein Zufall. Der reformatorische Einspruch wendet sich gegen eine Werkfrömmigkeit, in der Menschen sich eigenmächtig Gott zu nähern suchen (sola gratia), gegen Heilswege neben dem einen Mittler Jesus Christus (solus Christus) und gegen eine kirchliche Praxis, die ihre Basis nicht in der Schrift hat (sola scriptura). Wenn Sakramente Heil vermitteln, dann einzig deswegen, weil sie als reine Gnadenzusage von Gott her begegnen, indem sie, wie die Schrift bezeugt, auf den einen Mittler Jesus Christus zurückgehen. Sosehr es eine menschliche Offenheit auf Heilszeichen wie die Sakramente geben mag, sowenig lassen sich die christlichen Sakramente davon ableiten. Darum sind der anthropologische Entdeckungszusammenhang, der die Bedeutung der Sakramente verstehen lässt, vom christologischen Begründungszusammenhang, aus dem allein die Gegebenheit und der Inhalt der christlichen Sakramente abgeleitet werden können, zu unterscheiden. Ähnliche Bedenken werden auch innerkatholisch geäußert. Thomas Freyer übersetzt das Anliegen der Philosophie von Emmanuel Levinas, den Anderen in seiner Andersheit zur Geltung zu bringen, in den Bereich der Sakramententheologie. Auf dieser Basis wirft er dem anthropologischen Ansatz vor, die Sakramente zu sehr in der Verlängerung menschlicher Be1 Verweise ohne Teilangabe beziehen sich auf den entsprechenden Abschnitt desselben Teils.
I. Sakramente im Dienst der Begegnung von Gott und Mensch
dürfnisse und Intentionen zu sehen. Kann Gott in seiner göttlichen Andersheit begegnen, wenn zuvor vom menschlichen Bedürfnis nach Symbolen her ein Vorverständnis des Sakramentes entworfen wird, dem sich die christlichen Sakramente gleichsam einzuordnen haben? Werden die Sakramente nicht in eine falsche Perspektive gerückt, wenn sie als Symbole menschlichen Ausgreifens auf Transzendenz gedeutet werden, statt als Widerfahrnisse der göttlichen Transzendenz (vgl. 66: 29 f.)? In der Tat wird der spezifisch christliche Gehalt der Sakramente, die an Tod (!) und Auferstehung Jesu Christi teilgeben, kaum angemessen erfasst, wenn einseitig und unbesehen das menschliche Streben nach Zeichen für Sinnerfüllung und Heil die Perspektive vorgibt. Dem christlichen Bekenntnis zufolge eröffnet der Glaube eine eschatologisch neue Wirklichkeit, die unableitbar auf den Menschen zukommt und alle Erwartungen übersteigt. Diese höchst berechtigten Anfragen können indes das Anliegen der fundamentaltheologischen Perspektive, welche die Sakramente mit dem menschlichen Selbstverständnis vermitteln will, nicht beiseite schieben. Gerade katholisches Denken hat traditionell unterstrichen, dass die Erlösung der Schöpfung entspricht und somit das Heilshandeln Gottes an das Menschsein anknüpft. Es gilt aber, Leistung und Grenzen des anthropologischen Ansatzes zu klären: Er kann zeigen, inwiefern die Sakramente im Menschen auf Voraussetzungen stoßen, die ihn für sie empfänglich machen. Doch weder können die Sakramente und ihre Gabe von diesen Voraussetzungen abgeleitet werden noch antworten sie geradlinig auf die „analog-sakramentalen“ Suchbewegungen des Menschen (dies allerdings war ohnehin nicht Auffassung Rahners). Der im Folgenden gewählte Zugang versteht sich als Versuch nicht der Begründung, sondern des Nach-Denkens über den Sinn der Sakramente. Dabei wird im Unterschied zu einseitigen Formen des anthropologischen Ansatzes ein umfassenderer Horizont gewählt. Die Hinführung zu den Sakramenten durch den Aufweis, dass Menschen zu symbolhafter Kommunikation fähig und mehr noch darauf angewiesen sind, ist nur ein Teil der fundamentaltheologischen Rechenschaft über den Sinn der Sakramente. Denn mit der Offenheit des Menschen für Symbole ist noch nicht dargelegt, warum die Sakramente sich eignen, Weisen der Selbstmitteilung Gottes zu sein, in denen er Menschen mit sich verbindet. Es ist darum angezeigt, die Sakramente von vornherein unter dem Aspekt der Beziehung von Gott und Mensch zu betrachten. Diese Beziehung kann und muss, wenn von den Sakramenten die Rede ist, vorausgesetzt werden (dies gilt für fundamentaltheologische Überlegungen ebenso, wie es für katechetische Zusammenhänge gelten sollte). Zu zeigen ist, inwiefern es innerhalb der – biblisch bezeugten und in der Fundamentaltheologie andernorts reflektierten – Geschichte der Begegnung von Gott und Mensch sinnvoll ist, Zeichen wie den Sakramenten Bedeutung zuzuschreiben. Dies soll im Folgenden mit Hilfe des Begriffs der Vermittlung geschehen.
bleibender Sinn der fundamentaltheologischen Perspektive
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Allgemeine Sakramentenlehre
2. Sakramente als Vermittlung von Gott und Mensch
Begriff der Vermittlung
Der Mensch ist auf die Gemeinschaft mit Gott hin geschaffen. Letztlich dient die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen der Begegnung, die in diese Gemeinschaft hineinführt bzw. in ihr geschenkt wird. Entsprechend kreist die gesamte Theologie, nicht zuletzt die Sakramententheologie, um dieses eine Thema: Wie kommt es zur Begegnung von Gott und Mensch? Die Abgründigkeit der Frage ist nicht zu verharmlosen, denn sie lautet genauerhin: Wie können der unendliche Gott und der endliche Mensch einander begegnen? Wie wird überhaupt der Mensch des unsichtbaren Gottes gewahr? Und warum vergeht der Mensch nicht, wenn er vor dem unendlichen und unendlich heiligen Gott steht? Wie also ist die Beziehung von Gott und Mensch vermittelt? Auf einer grundsätzlichen Ebene ist zu prüfen, ob es sinnvoll ist, im Verhältnis von Gott und Mensch von Vermittlung zu sprechen. Speziell für die Sakramente ist zu zeigen, dass es sinnvoll ist, sie als solche Vermittlung zu begreifen. Der Begriff der Vermittlung (vgl. Faber/52: 12–24) bedeutet ganz allgemein, dass zwei (oder mehr) voneinander unterschiedene Größen durch eine Mitte, ein Medium, zusammengeführt werden. Ambivalent bleibt die Bewertung solcher Vermittlung. Denn angesichts des Ideals einer unmittelbaren Beziehung kann das Eintreten einer vermittelnden Instanz als verstellend angesehen werden. Die Zugänglichkeit einer Person oder Sache scheint eingeschränkt, die Einflussmöglichkeit gebrochen, die persönliche Verbundenheit versachlicht zu werden. Vermittelnde Medien oder Instanzen verstellen, so gesehen, den unmittelbaren Zugang, indem sie sich zwischen die Beziehungspole drängen. Andererseits ist die gewünschte Unmittelbarkeit ja nicht ohne weiteres gegeben. Wer ein Theaterstück nicht vermittelt über das Fernsehen, sondern im Theater „life“, also „unmittelbar“, anschauen will, wird gern nach dem Opernglas greifen, um die Bühne, die von weit hinten kaum noch zu sehen ist, ein wenig näher zu holen. Auch das Opernglas aber ist ein Medium, eine Vermittlung, die dem Zuschauer das Geschehen näher bringt. So gewinnt die zunächst möglicherweise negativ verbuchte Instanz der Vermittlung unversehens eine erschließende, positive Funktion. Vermittlung ist also ein durchaus ambivalenter Begriff. Einerseits scheint mit ihm das benannt zu sein, was den direkten, unmittelbaren Kontakt mit der Wirklichkeit verhindert. Dieser Verdacht erhebt sich auch im Bereich der Sakramentspraxis, wenn Menschen beanspruchen, an Gott zu glauben und mit ihm in Beziehung zu stehen, ohne jedoch dafür Vermittlungen wie die Sakramente zu benötigen. Andererseits kann Vermittlung das sein, was den Zugang zu bestimmten Wirklichkeitsdimensionen gerade eröffnet und erschließt, wenn die gewünschte Unmittelbarkeit nicht gegeben ist. Als solche Vermittlungen sieht der christliche Glaube – in noch zu differenzierender Weise – die Sakramente. Auf dem Prüfstand stehen also zunächst Recht und Notwendigkeit geschichtlich-konkreter Vermittlung der Begegnung von Gott und Mensch bzw. auf der anderen Seite der Anspruch einer Unmittelbarkeit zu Gott, die keiner Vermittlung bedarf.
I. Sakramente im Dienst der Begegnung von Gott und Mensch
Aufgrund der Schöpfung ist von einer Unmittelbarkeit Gottes zum Menschen auszugehen, insofern Gott selbst als Schöpfer seinem Geschöpf unvergleichlich nahe ist. Umgekehrt ist das Geschöpf durch sich selbst – durch die eigene Geschöpflichkeit – Gott unwiderruflich verbunden. Die Schöpfung begründet jedoch zugleich eine unaufhebbare Differenz von Gott und Geschöpf, eine Differenz, die nach jüdisch-christlichem Verständnis positiv zu werten und darum zu wahren ist. Die Schöpfung ist nicht Teil von Gott, sondern von ihm unterschieden, so dass das Gottsein Gottes nicht pantheistisch aufgelöst werden kann. Umgekehrt muss die Schöpfung, weil sie als von Gott geschaffene gut ist, in der Begegnung mit Gott nicht vergehen. Gerade deswegen ist in der Christologie um das rechte Verständnis der wahren Gottheit und der wahren Menschheit Jesu Christi gerungen worden. Es ist Gott selbst, der in ihm den Menschen begegnet, und es ist der ganze Mensch, der in ihm angenommen ist. Es bleibt – für die westliche Theologie – noch zu entdecken, inwiefern die Pneumatologie den Schlüssel für das Verständnis der Einheit in Verschiedenheit im GottMensch-Verhältnis abgibt.2 Sollen sich Gott und Mensch in personaler Freiheit begegnen, so ist dies in Anbetracht ihrer Unterschiedenheit nicht ohne Vermittlung denkbar. Für den unumgehbar durch seine Leiblichkeit und Geschichtlichkeit bestimmten Menschen gibt es irdisch keine unmittelbare Begegnung mit Gott. Auch wer in den viel zitierten Wald geht, um zu beten und Gott zu begegnen, sucht eine Form der Vermittlung, nämlich die Natur, sei es, dass die Naturerfahrung der eigenen Transzendenzbewegung dient, sei es, dass in der Schöpfung eine Ausdrucksgestalt der Größe des Schöpfers gefunden wird. Jeder menschliche Versuch, mit Gott zu kommunizieren, ist auf Medien – Worte, (innere) Bilder, Symbolisierungen – angewiesen. Erst recht sind im Bereich einer Offenbarungsreligion, die davon ausgeht, dass Gott von sich her dem Menschen begegnen will, Vermittlungen konstitutiv. Denn wenn in diesem Begegnungsgeschehen Freiheit und Eigenstand des Menschen gewahrt werden sollen, so dürfen die spezifisch menschlichen Bedingungen von Erfahrung nicht übersprungen werden. So gesehen kann Gott ohne geschichtlich-konkrete Vermittlung dem Menschen in seinem irdischen Dasein nicht begegnen. Zu fragen ist aber, ob die Sakramente eine geeignete Weise der Vermittlung sind. Diese Rechenschaft hat zwei Schritte. Binnentheologisch ist darzulegen, warum es im Ganzen des Glaubens und speziell der Glaubensaussagen über die Vermittlung von Gott und Mensch stimmig ist, den Sakramenten vermittelnde Bedeutung zuzuerkennen. Auf dieser Ebene ist insbesondere zu klären, ob es mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus als dem einen Mittler zwischen Gott und Mensch vereinbar ist, die Sakramente als Vermittlungen anzusehen (siehe zu diesem Aspekt vor allem die Abschnitte II.; IV.2.; IV.4.1 und IV.5.2). 2 Siehe dazu Josef Freitag: Geist-Vergessen – Geist-Erinnern. Vladimir Losskys Pneumatologie als Herausforderung westlicher Theologie. Würzburg 1995 (StSSTh 15), zur Sakramententheologie dort 255–302.
Notwendigkeit der Vermittlung
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Allgemeine Sakramentenlehre
Vermittlung von bleibend Unterschiedenem
Kriterien gelingender Vermittlung
Auf einer grundsätzlicheren Ebene ist zu prüfen, ob der christliche Anspruch, dass in den Sakramenten die Begegnung von Gott und Mensch gelingen kann, dem Nachdenken über Vermittlung standhält. Es sind Kriterien gelingender Vermittlung zu benennen, Kriterien, die nicht spezifisch theologischer Art sind, sondern prinzipiell für jegliches Vermittlungsgeschehen gelten. An solchen Kriterien müssen sich die Sakramente messen lassen. Dieser zweiten Fragestellung sei hier noch weiter nachgegangen. Ziel von Vermittlung ist es, Wirklichkeiten zueinander in Beziehung zu setzen, nicht ihre Differenz aufzuheben. In der Vermittlung von Konflikten geht das Bemühen ja gerade darauf, die Rechte und Anliegen aller Seiten zu wahren. Auch aus kommunikationstheoretischer Perspektive ist die Anknüpfung an beide Seiten gefordert. Wo eine Information oder eine Nachricht zu vermitteln ist, richtet sich das Interesse darauf, wie der Gehalt der Botschaft eines Senders bei einem Empfänger ankommen kann. Dazu muss einerseits wirklich die Botschaft des Senders übermittelt werden, nicht deren verfälschte Version; andererseits soll die Botschaft beim Empfänger auch ankommen und muss dessen Verstehenshorizont berücksichtigen. Im Hinblick auf eine Kriteriologie von Vermittlung ist darum festzuhalten: Vermittlung wirkt dann nicht verstellend, wenn sie zwei Größen zueinander bringt, indem sie zugleich deren Unterschiedenheit wahrt. Diese vom Begriff der Vermittlung her entwickelte Klärung entspricht der Weise, wie das christliche Bekenntnis die Vermittlung von Gott und Mensch versteht: als Begegnung und Gemeinschaft von Gott und Mensch bei Wahrung ihrer Unterschiedenheit, wie sie schöpfungstheologisch begründet ist und christologisch-pneumatologisch bestätigt wird. Konkretisiert auf die Beziehung von Gott und Mensch ergeben sich vier Kriterien gelingender Vermittlung: Sie muss das Gottsein Gottes (a) ebenso wie das Menschsein des Menschen wahren (c); sie erschließt das Gottsein Gottes dem Menschen (b) und bringt das Menschsein des Menschen auf Gott hin in Bewegung (d). Trägt man diese Kriterien an das christliche Verständnis der Sakramente heran, so lässt sich nicht nur verifizieren, dass sie ihnen zu entsprechen vermögen. Zugleich tritt eine komplexe Struktur hervor, von der her sich auch liturgisch-praktische Impulse formulieren lassen. (a) Die Sakramente sind gelingendes Vermittlungsgeschehen, insofern Gott darin Gott bleibt (auch als unvergleichlich Anderer!) und in dem, was er ist und was er schenken will, zum Zuge kommen kann. Deshalb gibt es im Sakrament Unverfügbares, das von menschlicher Seite weder erdacht noch hergestellt werden kann. Andernfalls würde der Mensch im Sakrament letztlich nur sich selbst begegnen. Diese Unverfügbarkeit betrifft das Gegebensein der Sakramente selbst (siehe unten Abschnitt IV.2. zur Einsetzung durch Christus) wie auch den Sinn und die Gestalt der Sakramente. Für diese Unverfügbarkeit steht das Wort im Sakrament bzw. die damit verbundene Wortverkündigung ebenso wie die ständige Vergewisserung, in Vollzug und Deutung des Sakramentes dem Auftrag Jesu treu zu bleiben. (b) Vermittlung Gottes auf den Menschen hin können die Sakramente aber deswegen sein, weil Gott sich in einer Weise erschließt, welche die
I. Sakramente im Dienst der Begegnung von Gott und Mensch
feiernden Menschen erreicht: in menschlicher und menschlich erfahrbarer Weise. Da menschliche Kommunikation auf den Leib, auf Gesten und Worte angewiesen ist, kann Gott uns wahrnehmbar nur begegnen, wenn er sich in unseren Erfahrungsbereich hinein vermittelt. Sein Geist ergreift in den Sakramenten sichtbare Zeichen und Gesten, welche die Menschen in einer ihnen angemessenen Weise ansprechen. In der buchstäblich hautnahen Berührung werden Menschen von Gott so angegangen, dass es ihnen unter die Haut gehen kann. Deswegen ist in der Liturgie ein sorgsamer und gepflegter Umgang mit der Symbolgestalt der Sakramente geboten (siehe unten Abschnitt IV.1. und IV.5.4). Die anschauliche und leibhaftige Weise, in der Gott begegnet, ist in Akzentuierung der katabatischen (absteigenden) Bewegung der Liturgie auszulegen als Weise seiner gnädigen Zuwendung. (c) Umgekehrt sind Sakramente nur dann gelingende Vermittlung des Menschen auf Gott hin, wenn die Feiernden darin in ihrem Menschsein aufgehoben sind. Dies klingt selbstverständlicher als es ist. Wo Kulte durch die Herbeiführung ekstatischer Phänomene das Aus-sich-Heraustreten der Feiernden bezwecken, ist unausgesprochen die Auffassung wirksam, dass das eigene Ich in der Erfahrung des Göttlichen zurückgelassen werden muss. Dagegen ist es Eigenart der Sakramente, eine Begegnung mit Gott zu vermitteln, in der die Einzelnen unter Wahrung ihres Menschseins und ihrer persönlichen Eigenart mit Gott kommunizieren. Sakramente mindern nicht das Personsein, sondern sind Anruf an die Person; sie sind nicht identitätsmindernd, sondern identitätsstiftend. Gerade deswegen ist der menschliche Anteil im Sakrament unverzichtbar und somit der Glaube bedeutsam für das fruchtbare Zustandekommen des Sakramentes (siehe unten Abschnitt IV.5.3). Die liturgische Feier wird sich deswegen um Lebensnähe bemühen und eine tätige Teilnahme der Feiernden ermöglichen, indem sie ihnen (durch aktiven Einbezug wie auch durch gesammeltes – sammelndes – Beten und Schweigen) den Raum eröffnet, zu sich selbst zu kommen und ganz sie selbst zu werden. (d) Zugleich müssen die Sakramente die Menschen in der Weise einbeziehen, dass sie das Menschsein und Leben auch wirklich auf Gott hin in Bewegung und mit Gott in Berührung bringen. Treibende Kraft dafür ist der Geist Gottes, der die Menschen mit Gott verbindet. Dabei lässt sich die anabatische (aufsteigende) Ausrichtung der Liturgie nicht auf das betende Antwortgeben beschränken. Die Sakramente haben teil am dynamischen Charakter der Heilsgeschichte, die den Menschen nicht auf dem Status quo belässt, sondern ihn zum neuen, göttlichen Leben führen will (siehe unten S. 50 f.). Die Liturgie tut somit gut daran, die Herausforderung zum neuen Leben zur Geltung zu bringen, nicht zuletzt indem sie die der Sakramentenliturgie innewohnende Dramatik beachtet. Mit diesen Überlegungen sollen die Sakramente nicht aus einem spekulativen Begriff von Vermittlung abgeleitet, sondern lediglich als sinnvoll, weil den Bedingungen gelingender Vermittlung genügend, aufgewiesen werden. Dem Aspekt der Vorgegebenheit der Sakramente ist in der folgenden biblisch-theologischen Grundlegung und in den jeweiligen Abschnitten des zweiten Teils nachzugehen.
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II. Biblisch-theologische Grundlegung Eine allgemeine Sakramentenlehre wird man im Neuen Testament vergeblich suchen. Sakramentstheologische Aussagen finden sich nur je speziell zu den einzelnen kirchlichen Vollzügen, die später als Sakramente bezeichnet werden (bedeutsam ist immerhin die Zusammenschau von Taufe und Eucharistie in 1 Kor 10,1–4). Bei der Rückfrage nach einer biblischen Basis für die allgemeine Sakramentenlehre ist zudem festzustellen, dass der entsprechende Begriff mysterion im Neuen Testament anders gefüllt ist. ¯´ Dennoch lässt ein genaues Hinsehen sachliche Anhaltspunkte für eine Verwendung des Begriffs in sakramentstheologischen Zusammenhängen erkennen (1.). Zudem gibt es für die Struktur, auf die der allgemeine Sakramentsbegriff hinaus will, biblische Grundlagen (2.).
´¯ 1. Der Begriff mysterion in der Heiligen Schrift heidnisch-sakrale Bedeutung
Vorkommen im AT
Vorkommen im NT
Mit dem lateinischen Begriff sacramentum wird das griechische Wort myst erion übersetzt. Im heidnischen Sprachgebrauch findet dieser Begriff ¯´ Verwendung für philosophische Lehren, die den Aufstieg zum wahren Sein anleiten, ebenso wie für religiös-kultische Praktiken, welche die Geschicke einer Gottheit durch heilige Handlungen vor einem Kreis von Geweihten vergegenwärtigen, um diesen daran Anteil zu geben (z. B. Mithras- oder Isiskult). Wegen seiner ursprünglich heidnisch-sakralen Bedeutung bestehen bereits im alttestamentlichen Sprachgebrauch Vorbehalte gegenüber dem Begriff myst erion. Er kommt in der Septuaginta nur in den Schriften der helle¯´ nistischen Zeit vor, und zwar in profanen Zusammenhängen (Tob 12,7.11) oder sogar mit kritischem Bezug auf die Mysterienkulte (Weish 14,15.23). Bei positiver Verwendung wird die kultische Bedeutung vermieden, während es Anklänge an den philosophischen Gedanken der Initiation in die Weisheit gibt. Gemeint sind dann die Mysterien Gottes, die den Guten durch die Vermittlung der Weisheit bekannt, den Bösen jedoch verborgen sind (vgl. Weish 2,22; 6,22). Im Buch Daniel wird ein neuer Akzent gesetzt. Für das apokalyptische Denken ist Geheimnis das, was am Ende der Zeit geschehen wird: die Durchsetzung der nahen Gottesherrschaft. Die Menschen können darüber von sich her nichts wissen; Gott allein ist es, der dies, etwa durch einen inspirierten Seher, enthüllt (vgl. Dan 2,28 f.47). Diese Bedeutung bleibt in der frühjüdischen Apokalyptik, also in literarischen Werken wie dem äthiopischen Henoch oder den Qumranschriften (3. Jahrhundert v. Chr. – 1. Jahrhundert n. Chr.), bestimmend. Die apokalyptische Bedeutung beeinflusst auch die Verwendung des Begriffs im Neuen Testament (Vorkommen 28mal). In den synoptischen
II. Biblisch-theologische Grundlegung
Evangelien wird mysterion nur in Bezug auf das den Jüngern anvertraute ¯´ Geheimnis des Reiches Gottes, das sonst in Gleichnissen verhüllt wird, gebraucht (vgl. Mk 4,11; Mt 13,11; Lk 8,10). In paulinischem bzw. deuteropaulinischem Sprachgebrauch (siehe besonders die größeren Zusammenhänge von 1 Kor 2; Eph 1,3–14; 3,1–13) ist mysterion der göttliche ¯´ Heilswille (vgl. 1 Kor 2,7; Eph 1,9). Vor ewigen Zeiten beschlossen, war er früheren Generationen nicht bekannt, wird nun aber offenbar, und zwar nicht mehr nur kleinen Kreisen Eingeweihter, sondern in kosmischen Dimensionen (vgl. 1 Kor 2,8 f.; Eph 1,9; 3,5.10). Noch mehr: Das mysterion ¯´ wird nicht nur kundgetan, sondern es ist mit seiner Kundgabe zugleich in Realisierung begriffen: Es wird Wirklichkeit (vgl. Eph 3,9). Für die Kundgabe wie für die Verwirklichung gilt, dass sie dem Menschen von sich her unerreichbar sind und von Gott her geschenkt werden müssen. Dabei löst das Kundwerden und Sich-Realisieren das Geheimnis nicht auf, denn es wird als Geheimnis offenbar. Mit der Realisierung konkretisiert sich die apokalyptische Erwartung: Die eschatologische Offenbarung und Realisierung des mysterion geschieht in ¯´ Jesus Christus, dem Gekreuzigten (vgl. 1 Kor 2), der selbst myst erion ist ¯´ (vgl. Eph 3,4; Kol 2,2). Die christologische Konzentration des Begriffs ist aber sogleich soteriologisch zu öffnen. Jesus Christus ist das mysterion, das ¯´ sich zur Teilhabe öffnet: „Christus unter/in euch“ (Kol 1,27), der Christus, der Juden und Heiden in seinem Leib zusammenfügt (Eph 3,6; zu beachten ist der Rückbezug von Eph 3,3 auf Kapitel 2; 5,32). Diese Einbeziehung der Menschen in das mysterion von Christus und Kirche ist ein Prozess, der ¯´ noch andauert. Deswegen ist das mysterion der Verkündigung aufgetragen, ¯´ welche somit selbst in einen konstitutiven Zusammenhang mit dem myst erion einrückt (vgl. 1 Kor 2,1.7; Eph 3,8 f.; 6,19). ¯´ Die vielschichtige Verwendung zeigt, dass der Begriff mysterion analog ¯´ zu verstehen ist. Er bezeichnet in theozentrischem Sinn den Heilsplan Gottes selbst, in christologischem Zusammenhang die Weise, wie dieser sich in Jesus Christus verwirklicht, und meint in soteriologischer Verwendung die Einbeziehung der Menschen in das Geheimnis Jesu Christi, wie sie in der Kirche geschieht. Diese ekklesiologische Bedeutung schließt die in Gegenwart und Zukunft noch aufgegebene Realisierung des myst erion ¯´ durch die Verkündigung ein. Die Fülle des mysterion – die in der Vereini¯´ gung von allem in Christus besteht (vgl. Eph 1,10) – ist noch ausstehend und wird durch Ereignisse herbeigeführt, die selbst mysterion sind. ¯´ Die – hier nur knapp an ausgewählten Stellen aufgezeigte – neutestalässt seine spätere Anwendung mentliche Bedeutung des Begriffs mysterion ¯´ auf die Sakramente folgerichtig erscheinen. Da mit myst erion nicht nur ¯´ Gottes Heilsplan benannt wird, sondern auch die Weise, wie Menschen gnadenhaft in die Realisierung des Heils in Christus hineingezogen werden, und zwar im Sinne eines noch andauernden Prozesses, liegt es nahe, ihn auf all jene Vorgänge anzuwenden, in denen diese Einbeziehung geschichtlich-konkret geschieht. Wie die Verkündigung selbst zum mysterion ¯´ gehört als Ereignis, welches das mysterion Christus zu seiner Fülle kommen ¯´ lässt, so dienen auch die später „Sakramente“ genannten gottesdienstlichen Handlungen dieser Realisierung und können somit zu Recht eben-
Bedeutungsebenen
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Allgemeine Sakramentenlehre
falls als myst eria bezeichnet werden. In ihnen setzt sich das Geschehen ¯´ fort, in welchem das zuvor bei Gott verborgene Geheimnis geschichtlich konkret wird, um Menschen in sich einzubeziehen. So wird mit der Anwendung des Begriffs mysterion auf liturgische Gebetshandlungen, in ¯´ denen das Heilsereignis in ausdrücklicher Weise zugänglich wird, weder der Begriff verfremdet noch wird in diese Handlungen etwas Fremdes eingetragen. Vielmehr wird das, was diese Vollzüge sein wollen, begrifflich zusammengefasst und gerade so auch in das größere Ganze des biblischen eingeordnet. mysterion ¯´
2. Die sakramentale Struktur von Schöpfung und Heilsgeschichte
Vorverständnis von „Sakrament“
sakramentale Struktur
– in der Schöpfung
Eine biblische Grundlegung kann sich nicht darauf beschränken, die Verwendung des Begriffs mysterion in der Schrift zu untersuchen, sondern hat ¯´ darüber hinaus zu fragen, inwiefern der Inhalt des Begriffs biblisch grundgelegt ist. Hierzu muss ein Vorverständnis dessen eingeführt werden, worauf der spätere Sakramentsbegriff zielt. Was ist das Gemeinsame der einzelnen Sakramente, das mit dem Oberbegriff „Sakrament“ zusammengefasst wird? Als Terminus technicus, wie er sich in der Theologiegeschichte allmählich herauskristallisiert, bezieht sich der Sakramentsbegriff auf das Ineinander von Zeichen und Gehalt. Demnach ist in den sakramentalen Handlungen mehr gegeben als das, was man konkret wahrnimmt, weil sich in ihnen Gnade schenkt. Der Sakramentsbegriff steht somit für das Zusammentreten zweier Wirklichkeitsbereiche im Sakrament. Es verbindet Sichtbares und Unsichtbares, Irdisches und Göttliches so, dass durch das Sichtbare das Unsichtbare zugänglich wird. Die so beschriebene Struktur findet sich nicht nur in den heute so genannten Sakramenten. Diese sind vielmehr gleichsam ein Sonderfall solcher Zeichen, die auf Gott verweisen; sie sind eingebettet in einen ganzen Kosmos von sichtbaren Zeichen und Spuren Gottes, die ebenfalls sakramental zu nennen sind, insofern sie – in zu differenzierender Weise – Ausdruck der Größe und Güte Gottes sind. So kann man im Blick auf das biblisch bezeugte Zusammenkommen von Gott und Mensch umfassend von einer sakramentalen Struktur sprechen, die sich durch die Vermittlung von Sichtbarem und Unsichtbarem, Irdischem und Göttlichem auszeichnet. Die Annahme einer solchen Struktur ist auf unterschiedlichen Ebenen zu beleuchten. Die erste Ebene ist die der Schöpfung: Nach jüdisch-christlichem Verständnis ist die Welt Werk Gottes, in dem die Macht des Schöpfers aufstrahlt und so den Menschen offenbar wird. Darum rühmen nach Ps 19,2 die Himmel die Herrlichkeit Gottes. In der Schöpfung zeigt sich die Weisheit Gottes ebenso wie seine Fürsorge für die Menschen (vgl. Ps 104,15. 24). Auch Jesus nimmt in seinen Gleichnissen Bezug auf die in der Schöpfung aufleuchtende Güte Gottes (vgl. Mt 6,26–30). Die Schöpfung wird
II. Biblisch-theologische Grundlegung
also in ihrer Transparenz für die Güte und Weisheit des Schöpfers beschrieben und kann insofern sakramental genannt werden. Die schöpfungstheologische Ebene ist nicht nur wichtig im Sinne einer Vorform von Sakramentalität, sondern auch als schöpfungstheologische Voraussetzung der Sakramente. Sie sind ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Schöpfungselement bzw. eine natürliche menschliche Gebärde integrieren und zum Bedeutungsträger machen (siehe unten S. 47 und differenzierend S. 68 f.).
Diese Ebene übersteigend, beschreibt die Heilige Schrift die Geschichte Gottes mit den Menschen als über die Schöpfung hinausgehende Selbstkundgabe Gottes. Es gehört zum Kern des christlichen Bekenntnisses, dass Gott selbst in Schöpfung und Geschichte anwest und darin wirkt (siehe unten Abschnitt IV.5.2). In den geschichtlichen Ereignissen ist dem Glauben Israels zufolge Gott am Werk. Dies gilt insbesondere für herausgehobene Ereignisse, die als Großtaten Gottes erkannt werden (z. B. das Exodusgeschehen). Hier verdichtet und verändert sich die sakramentale Struktur der Schöpfung, die über ihre Transparenz auf den Schöpfer hinaus in seinem konkreten Geschichtshandeln von ihm zum Selbsterweis in Dienst genommen wird. Der brennende Dornbusch (Ex 3,1–6) ist nicht nur Verweis auf den Schöpfer, sondern Medium der Selbstoffenbarung Gottes. Die Erinnerung an die Geschichtsereignisse, in denen für Israel Gottes Wirken erfahrbar wurde, kristallisiert sich in Gedächtnis-Zeichen (siehe unten Abschnitt IV.4.1) wie der Beschneidung oder dem Paschamahl. Gott bindet die Erfüllung seiner Verheißung an den Vollzug des Bundeszeichens (vgl. Gen 17,10–14); er sagt seine Gnade denen zu, die im Kult vor ihn treten (vgl. Ex 29,38–46). So werden Zeichen und Zeichenhandlungen zu Vermittlungen der göttlichen Zuwendung. Diese Grundzüge des Sakramentalen sind in Jesus Christus radikalisiert. In ihm ist Gott im Hier und Jetzt gegenwärtig. Eindrückliches neutestamentliches Zeugnis davon ist z. B. die Perikope von der Brotvermehrung, derzufolge in Jesu Dasein für die Menschen nach Art eines Hirten das Hirte-Sein Gottes (vgl. Ps 23) erfahrbar wird (vgl. Mk 6,34–44). Das Ineinander von göttlicher Präsenz und menschlichem Sein in Jesus Christus verändert die Verweisstruktur sakramentaler Wirklichkeit. Denn der Mensch Jesus ist nicht nur transparent auf Gott hin; vielmehr ist in ihm Gott selbst sichtbar und greifbar, so dass, wer ihn gesehen hat, den Vater gesehen hat (Joh 14,9). Das sichtbare Zeichen in irdischer Wirklichkeit, Jesus in seinem Menschsein und seinem menschlichen Geschick, weist nicht über sich hinaus oder von sich weg auf die Präsenz Gottes, sondern ist sie. Wohl ist Jesus nicht Zielpunkt der Begegnung schlechthin, denn er führt in die Gemeinschaft mit dem Vater. Doch wer diesem Verweis folgt, steht schon durch den Verweisenden im göttlichen Leben selbst und ist in die innergöttliche Beziehung hineingenommen. Die christologische Ausprägung ist mehr als nur eine dritte Ebene von sakramentaler Struktur: Sie bedeutet einen eschatologischen Neuansatz. Jesus Christus ist im höchsten Sinn Sakrament, „Ur-Sakrament“, das in unüberbietbarer Weise verwirklicht, was das Wesen des Sakramentes ausmacht: das Ineinander von Göttlichem und Menschlichem. Sakramente
– in der Geschichte
– in Jesus Christus
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Allgemeine Sakramentenlehre
– in der Kirche und ihren Vollzügen
kann es christlich nicht mehr neben Jesus Christus geben, sondern nur noch als Entfaltung dieses Ur-Sakramentes. Das Neue Testament sieht den erhöhten Herrn in seiner Kirche so am Werk, dass sie die in ihm geschenkte Heilswirklichkeit durch die Geschichte weiterträgt. So werden etwa die zuvor für Jesus als charakteristisch bezeichneten Handlungen in Mk 6,13 den Jüngern zugeschrieben. Von ihnen heißt es in Lk 10,16: „Wer euch hört, hört mich.“ Nach Mt 18,18 ist ihre Vollmacht analog der jesuanischen von eschatologischer, letztverbindlicher Qualität. Insbesondere in der Apostelgeschichte werden göttliches Wirken und menschliches, kirchliches Handeln als Ineinander beschrieben, so dass dem göttlichen Wirken das kirchliche Handeln folgt bzw. das kirchliche Handeln ein konkreter Ausdruck des göttlichen Wirkens ist (siehe Apg 2 das Ineinander von Verkündigung und Taufe durch die Gemeinde und dem „Hinzufügen“ Gottes; vgl. Apg 14,23 mit 20,28 für die Bestellung zum Dienst durch Handauflegung). Auch an der Kirche und ihren zentralen Vollzügen zeigt sich somit die sakramentale Struktur. Christlich steht allerdings nun das der Geschichte angehörige Medium des Wirkens Gottes in betontem Rückbezug auf Jesus Christus zur Vergegenwärtigung der eschatologischen Präsenz Gottes in ihm. Diese christologische Konzentration ist im Rückblick auf den biblischen Gehalt des Begriffs mysterion zu betonen. Denn während von einer sakra¯´ mentalen Struktur auch in nicht spezifisch christologischen Zusammenhängen gesprochen werden kann, bezieht sich der neutestamentliche Mysterien-Begriff wesentlich auf Jesus Christus als der eschatologischen Konkretion des göttlichen Heilsplanes. Die umfassendere Rede von einer sakramentalen Struktur hat darum den analogen Charakter des in unterschiedlichen Zusammenhängen gebrauchten Begriffs „sakramental“ zu beachten. Der Glaube an die in Jesus Christus geschehene Verdichtung dessen, was sakramentale Transparenz geschöpflicher Wirklichkeit für Gott bedeuten kann, wertet die Schöpfung nicht ab, lässt ihre „Sakramentalität“ aber als Vorentwurf für Größeres erkennen.
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen Der theologiegeschichtliche Teil der allgemeinen Sakramentenlehre gibt Aufschluss über die Ausbildung eines spezifischen Sakramentsbegriffs. Darüber hinaus soll er Einblick gewähren in Mentalitätsverschiebungen und Problemstellungen, von denen die einzelnen Sakramente gemeinsam betroffen sind. Deshalb ist er um einiges ausführlicher als die entsprechenden Abschnitte des zweiten Teils. Im Zusammenhang der einzelnen Sakramente wird immer wieder auf den hier abgesteckten Horizont zu verweisen sein. Zu beachten ist die für die Sakramentenlehre charakteristische Nähe von Entwicklungen im theologischen und im liturgischen Bereich.
1. Die integrale Sicht der Alten Kirche Die uns überkommenen Zeugnisse von Praxis und Theologie der Sakramente beeindrucken durch ihre integrale Sicht des Sakramentsgeschehens. Das Gnadenwirken Gottes wird zusammengeschaut mit der menschlichen Antwort in Glaube und Lebenspraxis (siehe vor allem unten Zweiter Teil, I.3.1 zur Taufpraxis ). Das existentielle Eintreten der Einzelnen in das Sakramentsgeschehen ist verbunden mit einer zutiefst ekklesialen Verortung der Sakramente (siehe vor allem unten Zweiter Teil, III.3.2 zur kanonischen Buße). Mehrdimensionales Denken durchschaut das Zeichen auf seinen Gehalt und das gegenwärtige Geschehen auf die anderen Zeitdimensionen: das Christusereignis einerseits, die eschatologische Vollendung andererseits.
1.1 Das Heilsereignis und seine Mysterien: Die griechische Patristik In der frühen Theologie bleiben die Vorbehalte gegenüber dem Begriff mysterion, die schon im biblischen Sprachgebrauch zu beobachten sind, beste¯´ hen. Anliegen ist es, die Vermischung und Verwechslung mit den heidnischen Kulten zu vermeiden. In positiver Verwendung wird der Begriff auf Christus sowie einzelne Geschehnisse seines Lebens bezogen. Auch die biblisch bezeugten alttestamentlichen Heilsereignisse werden als Mysterien bezeichnet, insofern sie figurativ, d. h. im Bild vorausweisend, das Christusereignis anzeigen. Es handelt sich um ty´poi, d. h. um Größen, an denen etwas anderes sichtbar wird (vgl. Ostmeyer/96: 9–52). Die typologischen Mysterien lassen das mysterion Christus aufscheinen. Eine solche typologi¯´ sche Sicht, die schon im Neuen Testament anhebt (vgl. z. B. 1 Kor 10,1–13; 1 Petr 3,20 f.), ist in der patristischen Auslegung vor allem für Taufe (siehe unten S. 85) und Eucharistie verbreitet. Die Übertragung des Begriffs auf gottesdienstliche Handlungen bereitet
Christus-Typologie
Mysterien als liturgische Feiern
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Allgemeine Sakramentenlehre
Justin († 165) vor, indem er in offensiv-kritischer Bezugnahme die Mysterienkulte als dämonische Nachahmungen der prophetisch vorausverkündeten Feiern von Taufe und Eucharistie bezeichnet (1 Apologia 61f.; 66: CorpAp 1,162–170.180–182). Demnach sind diese christlichen Zeremonien die wahren Mysterien. Als der Begriff im 3. Jahrhundert zögernd, im 4. Jahrhundert regelmäßiger auf den liturgischen Bereich angewandt wird, fließt die heilsgeschichtliche Bedeutung mit ein. Das Mysterium ist das Heilsgeschehen – Leben, Kreuz, Tod und Auferstehung Jesu Christi –, das in Mysterien der Vorzeit schon typologisch angedeutet wurde und das nun in gottesdienstlichen Handlungen der Kirche wirksam wird. Die liturgischen Mysterien sind so gesehen Sinnbilder der Heilsereignisse, welche die Teilhabe an Tod und Auferstehung Jesu Christi gewähren. Wir „lassen uns taufen in der Erwartung der Teilhabe an seinem Tode und in der Hoffnung darauf, auch daran teilzuhaben: in derselben Weise, wie auch er erstanden ist, von den Toten zu erstehen. Deshalb empfange ich, sobald ich mich taufen lasse, indem ich mein Haupt untertauche, den Tod unseres Herrn Jesus Christus und sein Begräbnis, das auf mich zu nehmen ich Verlangen trage. Und dabei bekenne ich wirklich die Auferstehung unseres Herrn. Beim Aussteigen aus dem Wasser halte ich mich sinnbildhaft für bereits auferstanden“ (Theodor von Mopsuestia, † 428, Homiliae catecheticae 14,5: FC 17/2,363 f.).
Zweidimensionalität
platonisches Bilddenken
In patristischer Sicht ist der Höhepunkt der Heilsgeschichte, das Christusereignis, das Mysterium schlechthin, das Gott wegen seiner Bedeutung durch gleichsam „sekundäre“, vermittelnde Mysterien zugänglich macht: durch vorausweisende, prophetische Mysterien im Alten Bund, durch die Feier der liturgischen Mysterien in der Zeit der Kirche. Immer wieder wird die Zweidimensionalität der Mysterien beschrieben, die einerseits mit den natürlichen Augen wahrnehmbar sind, andererseits aber eine Tiefendimension haben, die nur dem Glauben zugänglich ist. Das Mysterium ist „zeichenhafte und symbolische Kundgabe von unsichtbaren und unaussprechbaren Dingen“ (Theodor von Mopsuestia, Homiliae catecheticae 12,2: FC 17/2,320). Im Hintergrund dieser Auffassung steht das platonische Bilddenken. In (neu-)platonischer Philosophie gilt das Sichtbare als Abbild der unsichtbaren Welt, an der das Abbild teilhat, ohne mit ihr identisch zu sein. Auf ähnliche Weise wird in der christlichen Theologie das Verhältnis der abbildhaften Mysterien zu ihrem Urbild gefasst, modifiziert allerdings durch die Eintragung einer geschichtlichen Dimension. Das Urbild-Abbild-Verhältnis betrifft bei den christlichen Mysterien nicht mehr Ewiges und Vergängliches, sondern verbindet Geschehnisse unterschiedlicher Zeiten. Gedenkendes Geschehen bildet historisch vergangenes Geschehen ab und vergegenwärtigt es. Die Mysterien können so als Zeichenhandlungen begriffen werden, in denen das bezeichnete Heilsereignis zwar nicht unverhüllt geschaut und erfahren wird, in einem wirklichkeitserfüllten Symbolgeschehen aber die Gegenwart berührt und verwandelt (siehe unten Abschnitt IV.4.2).
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
1.2 Selbstverpflichtung und Gnadenzeichen: Die lateinische Patristik In der Westkirche erfolgt eine entscheidende Weichenstellung bei der Übersetzung des biblischen Begriffs myst erion. Während die Vulgata ¯´ ´ myst erion mit dem Gräzismus „mysterium“ übersetzt, wird vor allem im ¯ nordafrikanischen Raum der lateinische Begriff sacramentum gewählt. Er bezeichnet im römischen Sprachgebrauch unter anderem den Fahneneid von Soldaten bei der Einberufung. Die hier geforderte feierliche Selbstverpflichtung des Menschen hat für antik-römisches Verständnis eine religiöse Dimension. In christlicher Verwendung eignet sich der lateinische Begriff an, ohne jedoch die vielsacramentum Bedeutungsgehalte von mysterion ¯´ schichtigen Implikationen des griechischen Begriffs vollständig zu übernehmen. Geprägt wird der christliche Sprachgebrauch im Westen anfänglich vor allem durch Tertullian († 220). Er trägt die spezifische Bedeutung des lateinischen Begriffs in das Verständnis der Taufe ein: „Wir sind zum Kriegsdienst des lebendigen Gottes berufen, wenn wir die Worte des Fahneneides nachsprechen (cum in sacramenti verba respondemus)“ (Ad martyres 3,1: CChr.SL 1,5). Entsprechend hält Cyprian von Karthago († 258) den in der Glaubensverfolgung Gefallenen vor, sie hätten ihren Glauben preisgegeben und „den Christus geleisteten Treueeid in jäher Hast“ gebrochen (De lapsis 7: CSEL 3/1,241). Erfolgt hier eine schlechte Moralisierung des sakramentalen Gnadengeschehens? In Aufnahme der oben (S. 15) geforderten Verhältnisbestimmung von göttlichem Wirken und menschlicher Antwort ist der Sachverhalt differenzierter anzuschauen. Die nordafrikanischen Theologen begreifen die Selbstverpflichtung des (erwachsenen) Täuflings sehr wohl als Antwort auf die vorausgehende Selbstverpflichtung Gottes in Jesus Christus. Wenn sie gleichwohl die ethische Verpflichtung hervorheben, so korrespondiert dies einem christlichen Verständnis von Gnade als Herausforderung und Befähigung des Menschen, in der eigenen Antwort Gott zu entsprechen. Nicht von ungefähr sieht die altkirchliche Taufpraxis eine lange Zeit des Katechumenates vor, welche der Einübung in die Lebensantwort dient. Mit dem Verfall des Katechumenates tritt auch in der Theologie der Gedanke der sakramentalen Selbstverpflichtung wieder zurück. Im Sprachgebrauch des Ambrosius († 397) sind sacramenta das Christusereignis sowie einerseits dessen figurative Vorbilder und andererseits die Taufe, die zu ihr gehörige Salbung der confirmatio und die Eucharistie als Abbildhandlungen, welche das Christusereignis zugänglich machen. Wie im Osten sind also heilsgeschichtliche und liturgische Mysterien miteinander verwoben, insofern die letzteren Gedächtnishandlungen der heilsgeschichtlichen Mysterien sind. „Es handelt sich [bei der Taufe] also um einen Tod, jedoch nicht in der Wirklichkeit des körperlichen Todes, sondern im Sinnbild [in similitudine]. Wenn du nämlich untertauchst, empfängst du das Sinnbild des Todes und des Begräbnisses, empfängst du das Sakrament des Kreuzes, weil Christus am Kreuz hing und sein Leib mit Nägeln angeheftet wurde“ (Ambrosius, De mysteriis 2,23: FC 3,115).
profane Bedeutung von „sacramentum“
Teilhabe am Heilsereignis
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Allgemeine Sakramentenlehre
augustinische Zeichentheorie
Wirkungsgeschichtlich bedeutsam für die abendländische Sakramentenlehre ist die Theologie des Augustinus († 430). Er führt den vorgefundenen Sprachgebrauch weiter, indem er die Sakramentenlehre in den Horizont einer umfassenderen, neuplatonisch geprägten Zeichentheorie stellt. Augustinus unterscheidet darin res und signum: Die res ist eine Größe, die nicht zur Bezeichnung von etwas anderem dient, sondern ihre Bedeutung in sich selbst trägt. Dagegen stehen die signa für etwas, das sie nicht selbst sind. Zwar ist jedes Zeichen in irgendeiner Weise auch res, um überhaupt Zeichen sein zu können, doch ist es eine res, die außer dem, was sie für die Sinne darstellt, noch etwas anderes bezeichnet.3 Dabei gibt es verschiedene Klassen von Zeichen: natürliche Zeichen (signa naturalia) und Zeichen, die als solche intendiert und gesetzt sind (signa data). Natürliche Zeichen sind diejenigen, die, ohne etwas anderes bedeuten zu wollen, doch noch etwas anderes als sich selbst erkennen lassen, wie der Rauch, der natürlicherweise entsteht, wo ein Feuer brennt, dann aber als Zeichen von Feuer wahrgenommen werden kann. Würde der Rauch absichtlich als Signal gesetzt, wäre er nicht mehr nur ein natürliches, sondern auch ein gesetztes Zeichen. Solche signa data sind Zeichen, die lebende Wesen einander geben, um sich etwas anzuzeigen. Es sind Symbole, die sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum Bezeichneten als Zeichen eignen, oder Zeichen, die rein auf Konvention beruhen. Eine besondere Bedeutung unter den konventionellen Zeichen hat das Wort, weil es in umfassender Weise anderes zu bezeichnen vermag. Vor dem Hintergrund dieser Zeichentheorie entwirft Augustinus seine Sakramententheologie. Sakramente sind für ihn signa, die auf die res der göttlichen Wirklichkeit verweisen.4 Dies hat Konsequenzen für die Struktur der Sakramente. Wenngleich das natürliche, sinnenfällige Element eine gewisse Ähnlichkeit zum Bezeichneten haben soll5, so reicht doch beim Sakrament diese Ähnlichkeit nicht aus, die göttliche res zu bezeichnen, geschweige denn, das Bezeichnete zu bewirken. Deshalb betont Augustinus im Sakrament die Bedeutung des Wortes, das eine übernatürliche Wirkung hervorbringt und dadurch erst das Sakrament als solches konstituiert. „Warum sagt er [Jesus Christus] nicht: Ihr seid rein wegen der Taufe, mit der ihr gewaschen worden seid, sondern sagt: ‚Wegen des Wortes, das ich zu euch gesprochen habe‘, außer weil auch im Wasser das Wort reinigt? Nimm das Wort weg, und was ist das Wasser als eben Wasser? Es tritt das Wort zum Element, und es wird das Sakrament, auch dieses gleichsam ein sichtbares Wort (accedit verbum ad elementum et fit sacramentum, etiam tamquam visibile verbum)“ (In Joh 80,3: CChr.SL 36,529).
3 Siehe die Definition aus De Doctrina Christiana 2,1,1 (CChr.SL 32,32): „Signum est enim res praeter speciem, quam ingerit sensibus, aliud aliquid ex se faciens in cogitationem venire.“ 4 Signa „quae cum ad res diuinas pertinent, sacramenta appellantur“: Augustinus, Epistulae 138,1,7 (CSEL 44,131). 5 „Si enim sacramenta quandam similitudinem earum rerum, quarum sacramenta sunt, non haberent, omnino sacramenta non essent“: Augustinus, Epistulae 98,9 (CSEL 34,531).
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
Augustinus nennt dieses Wort das Wort des Glaubens. Es ist das der Schrift entnommene Wort des Herrn, das dem Sakrament die Kraft verleiht und im Empfangenden den Glauben weckt bzw. dem Glauben des Empfangenden zugesagt ist. „Woher diese so große Kraft des Wassers, dass es den Leib berührt und das Herz abwäscht, außer durch die Wirksamkeit des Wortes, nicht weil es gesprochen, sondern weil es geglaubt wird? Denn auch im Wort selbst ist etwas anderes der vorübergehende Klang und etwas anderes die bleibende Kraft. … Die Reinigung also würde keineswegs dem fließenden und verfließenden Elemente zugeschrieben werden, wenn nicht hinzugefügt würde: ‚im Wort‘. Dieses Wort des Glaubens vermag so viel in der Kirche Gottes, dass es durch den Glaubenden, Darbringenden, Segnenden, Benetzenden auch ein so kleines Kind reinigt, obwohl es noch nicht imstande ist, mit dem Herzen zu glauben zur Gerechtigkeit und mit dem Munde zu bekennen zum Heil“ (In Joh 80,3: CChr.SL 36,529).
In der westlichen Tradition ist die Sakramententheologie des Augustinus in unterschiedlichen Richtungen rezipiert worden. Grund dafür sind ihr immanente Ambivalenzen, die nicht zuletzt mit den neuplatonischen Wurzeln des augustinischen Denkens zusammenhängen. Die Zeichentheorie des Augustinus basiert auf der neuplatonischen Ontologie, derzufolge die vergängliche Welt Zeichen für die ewige ist. Dieser Ansatz reibt sich in mehrfacher Hinsicht mit christlichem Denken. Während die neuplatonische Philosophie eine Transzendenzbewegung vom Sichtbaren weg fordert, orientiert sich der christliche Glaube an der inkarnatorischen Selbstmitteilung Gottes. In der Konsequenz ist das sichtbare Zeichen auf der einen Seite nur äußerlicher Anlass einer Aufstiegsbewegung, auf der anderen Seite aber konkret-geschichtliche Begegnungsgestalt Gottes. Damit verbindet sich eine andere Einschätzung der res, auf die das Zeichen verweist. Ziel des Verweises ist für neuplatonisches Denken das ungeschichtliche ewige Sein; der christliche Glaube hingegen erkennt als res des Sakramentes die Geschichte Jesu Christi. Augustinus bezeichnet Christus zwar als mysterium schlechthin6, hält diese Auffassung in ihren geschichtlichen Implikationen aber nicht konsequent durch. Im Zuge der neuplatonischen Einflüsse tendiert er außerdem dazu, die sichtbare Seite der Sakramente dadurch abzuwerten, dass er sie einseitig auf die menschliche Sündhaftigkeit bezieht. Nach Augustinus hat die Sünde zur Folge, dass der Mensch sich in das Sinnliche verstrickt. Gerade deswegen muss auch die Erlösung über das Sinnenhafte kommen, um den sündigen Menschen zu erreichen und ihn wieder nach oben zu wenden. Dem inkarnatorischen Weg Gottes, der nicht aus der Welt erlösen, sondern diese Welt erlösen und heiligen will, wird dies jedoch nicht gerecht. Schließlich bleibt in den Aussagen des Augustinus über die Wirkkraft der Sakramente undeutlich, in welcher Weise die Kraft Gottes mit dem signum verbunden ist: Wirkt sie durch das Zeichen oder nur anlässlich des Zeichens? Die augustinischen Texte sind hier sowohl in Richtung einer signifikativ-spirituellen als auch in Richtung einer effektiv-realistischen Deutung offen. 6 „Non est enim aliud dei mysterium nisi Christus“: Augustinus, Epistulae 187,11,34 (CSEL 57,113).
Ambivalenzen
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Allgemeine Sakramentenlehre
1.3 Die Auseinandersetzungen um den gültigen Vollzug der Sakramente
Ketzertaufstreit
Kontroverspunkt: Gültigkeit der Taufe
Infolge der ersten Kirchenspaltungen entsteht Klärungsbedarf darüber, unter welchen Bedingungen die sakramentalen Feiern, insbesondere Taufe und Ordination, gültig vollzogen werden. Zwei kirchengeschichtliche Krisen stehen hier im Hintergrund: der sog. Ketzertaufstreit (3. Jahrhundert) und die donatistische Krise (4. Jahrhundert). Der Ketzertaufstreit gibt den ersten Anstoß zur Reflexion über die Gültigkeit kirchlich-sakramentalen Handelns. Als Christen aus abgespalteten Gruppen wieder in die Großkirche aufgenommen werden wollen, muss entschieden werden, ob die von Häretikern und Schismatikern gespendete Taufe gültig ist. In dieser Situation bilden sich in den verschiedenen Ortskirchen unterschiedliche Vorgehensweisen heraus: In Afrika und in vielen Kirchen des Ostens werden jene, die aus häretischen Gemeinschaften zur Kirche kommen, getauft. In Rom und Alexandrien hingegen erkennt man die Taufe der häretischen Gemeinschaften an und begnügt sich bei der Aufnahme in die Großkirche mit einer Handauflegung. Als sich 255/256 zwei afrikanische Synoden unter Vorsitz des Cyprian von Karthago für die Beibehaltung der bisherigen Praxis entscheiden, widerspricht Papst Stephan I. († 257) dieser Entscheidung. Auf beiden Seiten besteht Einigkeit darüber, dass die Taufe nicht wiederholt werden kann. Auch die Afrikaner wollen keine Wiedertaufe, doch sprechen sie den Christen aus den häretischen Gemeinschaften ab, schon gültig getauft zu sein. Kontrovers ist also, unter welchen Bedingungen das Sakrament überhaupt zustande kommt. Hauptvertreter der afrikanischen Praxis ist Cyprian von Karthago. Er bindet die Taufe an den Raum der Kirche, da sie sich nicht von dieser Kirche und von dem in ihr wirkenden Heiligen Geist trennen lasse. „Wenn es deshalb bei den Häretikern keine Kirche gibt, weil diese eine ist und nicht geteilt werden kann, und wenn deshalb dort der Heilige Geist nicht ist, weil er einer ist und bei Profanen und Auswärtigen (extrarios) nicht sein kann: dann kann auch die Taufe, die in derselben Einheit dasteht, bei den Häretikern nicht sein, denn sie lässt sich nicht von der Kirche und vom Heiligen Geist trennen“ (Epistulae 74,4: CSEL 3/2,802).
donatistische Krise
Die Authentizität des sakramentalen Geschehens hängt in dieser Sicht nicht zuletzt an der Person des Taufenden. So fragt Cyprian: „Wie kann der das Wasser reinigen und heiligen, der selbst unrein ist und bei dem der Heilige Geist nicht ist?“ (Cyprian von Karthago, Epistulae 70,1: CSEL 3/2,767 f.). Die geforderte Reinheit des Spenders betrifft dabei weniger die ethische, persönliche Heiligkeit des Spenders als seine ekklesiale Integrität. Demgegenüber betont die römische Theologie die Gültigkeit der Taufhandlung unabhängig von der ekklesialen Einbindung und der Heiligkeit und Rechtgläubigkeit des Spenders. Für die Taufwirkung kommt durch das Wirken des Spenders hindurch und unabhängig von dessen Geisterfülltheit Gottes eigenes Handeln auf (vgl. hierzu DH 110). Der durch den Tod Cyprians und Stephans abgebrochene Streit flammt
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
in der donatistischen Krise neu auf. Im Hintergrund steht das Problem der sog. Traditores, die zur Zeit der Christenverfolgung liturgische Geräte bzw. Bücher (Heilige Schrift) ausgeliefert hatten. Mit der Begründung, einer der Konsekratoren bei der Bischofsweihe sei ein Traditor gewesen, wird 312 Bischof Caecilian von Karthago für abgesetzt erklärt; statt seiner wird Majorinus, dann Donatus zum Bischof eingesetzt. Das Problem bricht nun also zunächst in Bezug auf die Ordination auf, wird dann aber wiederum auch im Blick auf die Taufe ausgetragen. Nach donatistischer Auffassung kann nur ein reiner, heiliger Priester bzw. Bischof diese Sakramente gültig spenden. Demgegenüber muss die Großkirche ihre Praxis rechtfertigen, derzufolge die Gültigkeit der Sakramente nicht von der Würdigkeit des Spenders abhängt. Die theologische Klärung erfolgt vor allem durch Optatus von Mileve († vor 400) und Augustinus. Nach Optatus kommen bei der Taufe das Wirken der Trinität, der Glaube des Empfängers und das Tun des Spenders zusammen. Letzteres kann aber nicht von gleicher Bedeutung sein wie die anderen Wirkprinzipien, weil der Spender nur Werkzeug des Sakramentes ist, so dass sein persönlicher Glaube zur Wirkung des Sakramentes nichts beiträgt. Denn „die Sakramente sind durch sich, nicht durch Menschen heilig“ (Adversus Parmenianum donatistam 5,4,5: SChr 413/2,130). Ebenso argumentiert Augustinus, demzufolge der Liturge im Vollzug der Sakramente nicht Mittler, sondern nur Werkzeug ist. Denn: „Mag Petrus taufen, er [Christus] ist es, der tauft; mag Paulus taufen, er ist es, der tauft; mag Judas taufen, er ist es, der tauft“ (In Joh 6,7: CChr.SL 36,57). Zentrale Errungenschaft dieser theologischen Klärung ist die Unterscheidung zwischen subjektiv-ethischer und objektiv-sakramentaler Ebene. Wie schon Cyprian von Karthago betonen die Donatisten die innere Einheit von Kirche, persönlicher Heiligkeit und Sakrament und fordern darum die subjektiv-ethische Integrität des Sakramentsgeschehens auch hinsichtlich der Person des Spenders. Demgegenüber schreibt Augustinus der sakramentalinstitutionellen Dimension kirchlichen Lebens eine gewisse objektive Eigenständigkeit zu. Das Sakrament bleibt aufgrund seiner institutionellen Qualität auch außerhalb der Kirche wirksam, weil dafür nicht Menschen einstehen, sondern Gott selbst. Im Westen ist die römische Praxis in ihrer augustinischen Auslegung maßgeblich geworden. Sie setzt theologisch zu Recht den Akzent auf das Wirken Gottes im Sakrament und sorgt dadurch im sakramentalen Bereich für Rechtssicherheit und darüber hinaus prinzipiell für die Befreiung der Empfänger eines Sakramentes von der Integrität und charismatischen Begabung des Sakramentenspenders. Diese Position hat jedoch auch eine Kehrseite. Da sich die Sakramententheologie im Westen tendentiell an Minimalbedingungen der Gültigkeit orientiert, kommt es zu einer Vernachlässigung des kirchlichen Rahmens: Die betonte Objektivität der Sakramente lässt ihre Einbindung in die kirchliche Gemeinschaft zurücktreten. Sakramente werden auf ein Geschehen zwischen dem Spender und einzelnen Empfängern reduziert unter Vernachlässigung ihres kirchlichen und liturgischen Kontextes. Demgegenüber bleibt für die orthodoxen Kirchen die liturgische Feier der kirchlichen Gemeinschaft der genuine Ort der Sakra-
Gültigkeit unabhängig von Würdigkeit des Spenders
Wirkungsgeschichte
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Allgemeine Sakramentenlehre
mente. Aus diesem Grund äußern die orthodoxen Kirchen größere Vorbehalte gegenüber jeglicher Eucharistiegemeinschaft ohne volle Kirchengemeinschaft (siehe unten S. 118).
2. Klärungen durch die scholastische Theologie 2.1 Kulturelle Umbrüche im frühen Mittelalter Als Hintergrund der mittelalterlichen Theologiegeschichte ist gerade in der Sakramentenlehre der Kulturbruch zwischen Antike und Mittelalter zu beachten. Das in der Antike erarbeitete theologische Denken wird in andere Kontexte weitertradiert, wo der Gehalt erst mühsam wieder angeeignet werden muss und durch andere Denkformen verändert, wenn nicht verformt wird. Archaische Vorstellungen vom Göttlichen und Heiligen prägen die Sakramentspraxis und -theorie. In vielerlei Hinsicht handelt es sich um eine missglückte Inkulturation. An einem Beispiel sei dies illustriert: Isidor von Sevilla († 636), ein Brückenbauer zwischen Antike und Mittelalter, nimmt die augustinische Bestimmung des Sakramentes als sacrum signum auf, erläutet sie aber, indem er von der geheimnisvoll wirkenden Kraft Gottes im Sakrament spricht (Etymologiae 6,19,40: Ed. Lindsay, Oxford 1911, o. S.). Die dem antiken Symboldenken selbstverständliche Ineinanderschau verschiedener Dimensionen von Wirklichkeit und Zeit und die damit gegebene Fähigkeit, beim Sakrament Offenbarungs- und Verweisaspekt zusammenzuhalten, sind verloren (zur Krise des Symboldenkens siehe ausführlicher im Zweiten Teil, II.3.2 und II.4.3). Es entwickelt sich ein Sakramentsverständnis, welches dem Zeichen geheimnisvolle Kräfte einschreibt, die in der Folgezeit mehr und mehr dinglich als „etwas Heiliges“ aufgefasst werden. Hier kommt germanisches Denken mit seinem Interesse an „konsekrierter Materie“ (Angenendt/98: 160) zum Zuge (siehe auch unten S. 87). Damit gewinnt das Interesse an der objektiven Wirksamkeit der Sakramente Oberhand: Unter Vernachlässigung der menschlich-subjektiven Seite wird das Sakrament als selbstwirksamer Ritus gesucht (Angenendt/50: 131–136).
2.2 Auf dem Weg zur Sakramentsdefinition: Die scholastische Theologie analytisches Denken
Im 12. Jahrhundert setzt eine eingehendere theologische Reflexion der Sakramente ein, in der sich im Vergleich zur patristischen Theologie die Herangehensweise jedoch ändert. Die Kirchenväter beleuchten das mysterion ¯´ so, dass sie es als Ganzes sehen, ohne das Bedürfnis, es zu analysieren und die einzelnen Teile isoliert zu betrachten. Die scholastische Theologie hingegen leuchtet nacheinander die einzelnen Teile aus. Der Hang zu Analyse und nachfolgender Systematisierung entfernt zwar von einer ganzheitlichen Sicht des Geschehens, ist jedoch nicht einfachhin als Fehlentwicklung zu bewerten. Zum Teil werden gerade so die eben angesprochenen Verzerrungen erkannt und korrigiert (siehe z. B. unten S. 87).
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
Für den weiteren Verlauf der westlichen Sakramententheologie werden die in der Scholastik vorgenommenen Klärungen hinsichtlich Zahl und Wesen der Sakramente wichtig. Bis zum Mittelalter wird die Zahl der Sakramente noch recht unterschiedlich bestimmt. Der offene Sakramentsbegriff der Patristik bringt es mit sich, dass eine Vielzahl von heilsgeschichtlichen Ereignissen und kirchlichen Handlungen Sakramente genannt werden können. Noch in der Frühscholastik ist die Zahl der Sakramente offen. Von den kirchlich-liturgischen Vollzügen werden regelmäßig Taufe und Eucharistie zu den Sakramenten gezählt, zuweilen die Firmsalbung, die Ordination (z. T. in gesonderter Zählung verschiedener Ordinationsstufen) sowie die Ehe. Hinzugerechnet werden mitunter Sakramentalien wie etwa die Kirchweihe. Ausschlaggebend ist oftmals die Zahlensymbolik, so dass bevorzugt von 2, 3, 4, 9 oder 12 Sakramenten gesprochen wird. Mitte des 12. Jahrhunderts nennt Petrus Lombardus in seinen einflussreichen Sentenzen die Siebenzahl, die sich von da an allmählich durchsetzt und im Konzil von Lyon 1274 lehramtlich aufgenommen wird (DH 860). Dies hängt mit der – gleich noch darzulegenden – deutlicheren Klärung des Sakramentsbegriffs zusammen. Dennoch führen die entwickelten Kriterien nicht notwendig auf die Siebenzahl. Diese stellt eine kontingente Festlegung durch die kirchliche Praxis und Lehre dar, die allerdings an der Qualität und Intensität der entsprechenden Vollzüge durchaus Anhaltspunkte hat. Die definitorische Abgrenzung der sieben Sakramente ist somit berechtigt, hat jedoch in ihrer Wirkungsgeschichte auch eine Kehrseite: eine gewisse Fixierung auf die nun besonders ausgezeichneten Sakramente mit der Tendenz, andere Riten und Glaubenspraktiken zu entwerten. Die scholastische Theologie fragt genauer nach dem Wesen der Sakramente. Während der überkommene Sakramentsbegriff die alttestamentlichen Zeichen einschließt, wird in Abgrenzung davon nun nach der Besonderheit der neutestamentlichen, kirchlichen Sakramente gefragt. Mehr und mehr wird diese Besonderheit an der effektiven Ursächlichkeit festgemacht. Nachdrücklich taucht der Begriff causa in der Sakramentsdefinition von Petrus Lombardus auf: „Ein Sakrament wird im eigentlichen Sinne das genannt, was in solcher Weise ein Zeichen der göttlichen Gnade und eine Gestalt der unsichtbaren Gnade ist, dass es ihr Bild trägt und ihre Ursache bildet“ (IV Sententiae dist. 1 cap. 4: SpicBon 5,233). Damit kristallisiert sich als das Spezifische der neutestamentlichen Sakramente ihre Wirksamkeit heraus. Allerdings wird sehr wohl differenziert, inwiefern die Sakramente wirksam sind, um nicht diesen zuzuschreiben, was allein Gott zukommt: die Hervorbringung von Gnade. So wirken die Sakramente nach Auffassung mancher Theologen nur, insofern sie die Seele zum Empfang der Gnade disponieren, während die rechtfertigende Gnade allein von Gott hervorgebracht wird. In der Franziskanerschule wird die Wirksamkeit der Sakramente betont an ein göttliches Dekret gebunden (Vertragstheorie). So gesehen ist das Sakrament nicht eigentlich Ursache der Gnade, sondern Anlass, weil Gott sich gebunden hat, dann, wenn das Sakrament gefeiert wird, seine Gnade zu schenken. Demgegenüber bringt Thomas von Aquin († 1274) die Sakramente stär-
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Allgemeine Sakramentenlehre
scholastische Begrifflichkeit
ker mit der Gnadenwirkung selbst in Verbindung. Er wahrt aber die Souveränität Gottes, indem er die sakramentale Wirksamkeit als instrumentelle bestimmt und sie der Prinzipalursache, nämlich Gott, zuordnet. Das Werkzeug wirkt nicht aus sich heraus, sondern in der Hand dessen, der das Werkzeug gebraucht: Gott (vgl. STh III, q 62, a 1). In diesem werkzeuglichen Verständnis der Sakramente macht sich ein Umbruch im philosophischen Denken bemerkbar. Während es die platonische Verhältnisbestimmung von Urbild und Abbild in der patristischen Tradition (siehe oben S. 32) nahelegt, die Sakramente signifikatorisch als Zeichen zu verstehen, nimmt aristotelisches Denken, wie es Thomas rezipiert, die sichtbare Welt nicht als bloßes Zeichen, sondern hat Interesse an ihrer Struktur. Gefragt wird, wie diese Welt aufgebaut ist und wie sich Veränderungen in ihr erklären lassen. Auf dieser Linie ist für Thomas die Verweisfunktion der Sakramente weniger bedeutsam als ihr reales Einwirken auf die Menschen, das – auf der Basis der Klärungen aus der donatistischen Krise (siehe oben Abschnitt III.1.3) – möglichst losgelöst von den beteiligten Personen betrachtet wird. Seitens des Spenders genügt die Absicht zu tun, was die Kirche tun will (intentio faciendi, quod facit Ecclesia), seitens des Empfängers genügt es, wenn er der Gnade keinen Riegel (obex) vorschiebt. Denn das Sakrament wird „nicht durch das Gerechtsein des Menschen, der es gibt oder empfängt, vollendet, sondern durch die Macht Gottes“ (STh III, q 68, a 8). Deswegen ist es wirksam kraft der vollzogenen Handlung (des „vollzogenen Werkes“: opus operatum bzw. ex opere operato). Der menschliche Anteil im Sakramentsgeschehen wird jedoch nicht gänzlich übersprungen: Die vollzogene Handlung steht nur für die Gültigkeit der Sakramente ein, nicht für deren Fruchtbarkeit, zu der auch das subjektive Eintreten in das Sakramentsgeschehen (das „Werk des Wirkenden“: opus operantis) vonnöten ist. Gleichwohl bleibt die personale und dialogische Dimension des Geschehens tendentiell unterbelichtet. Das vorherrschende Interesse an der aktuellen Wirksamkeit lässt zudem die zeitliche Tiefendimension des Sakramentes als Gedächtnis des Heilsereignisses zurücktreten. Die Gnade, welche das Sakrament verleiht, wird zwar weiterhin christologisch bestimmt, doch wird die Mitteilung solcher Gnade nicht als Teilhabe am Heilsereignis selbst, sondern als Mitteilung von dessen Heilsfrüchten bestimmt. Charakteristisch dafür ist die Formulierung in der Oration des Fronleichnamsfestes: „Gib uns die Gnade, die heiligen Geheimnisse deines Leibes und Blutes so zu verehren, dass uns die Frucht der Erlösung zuteil wird“ (Feier der heiligen Messe/26: 255; ca. 12. Jahrhundert – siehe dagegen die dem Charakter der liturgischen Gedächtnisfeier entsprechende Oration unten S. 56!). Mit den aristotelischen Denkformen finden auch dazugehörige Begriffe in die Sakramententheologie Eingang. Im Sinne des aristotelischen Hylemorphismus, der die Wirklichkeit als Einheit von bestimmender Wesensform und bestimmbarer Materie auffasst, wird das sichtbare Element bzw. die sinnenfällige Handlung als materia (das Bestimmungsfähige), das Wort im Sakrament als forma (das Bestimmende) bezeichnet. Die Einsichten der scholastischen, insbesondere der thomanischen Sakramentenlehre werden lehramtlich 1439 auf dem Konzil von Florenz im
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
Zuge der Einigungsbemühungen mit den Armeniern aufgegriffen. Das sogenannte Dekret für die Armenier (siehe DH 1310–1328) ist zwar keine unfehlbare Lehrentscheidung, erlangt aber wirkungsgeschichtlich große Bedeutung.
3. Die Anfragen der Reformatoren Die Reformation ist nicht zuletzt aus Konflikten im Bereich der Sakramentspraxis erwachsen. Der reformatorische Protest richtet sich gegen die spätmittelalterliche Sakramentspraxis, welche durch eine massive Verkirchlichung der Sakramente (vgl. zur Ehe unten S. 182) gekennzeichnet, durch die Verquickung mit Finanzgeschäften entstellt und durch Ritualisierung und infolge vernachlässigter Wortverkündigung kaum noch als Glaubensgeschehen erkennbar ist. Vor diesem Hintergrund wird manche harsche Kritik Martin Luthers († 1546) verständlich. Von seinem neuen Ansatz in der Gnadentheologie her setzt Luther aber auch theologisch andere Akzente. Dies führt zu Konflikten mit der altgläubigen Position, die allerdings in manchem auf gegenseitigen Missverständnissen beruhen. Für die Interpretation der lutherischen Theologie ist zu beachten, dass Luther sich zugleich mit dem linken Flügel der Reformation auseinandersetzt, der sich allem Strukturellen und Institutionellen gegenüber ablehnend verhält. Im Unterschied dazu betont Luther die Bedeutung der Sakramente. Im Verhältnis zu den reformierten Positionen Huldrych Zwinglis und Johannes Calvins setzt er insbesondere in der Eucharistielehre andere Akzente. Welche Bedeutung haben die Sakramente für Luther? In einer Situation, in der die Wortverkündigung brach liegt, sieht er, dass eine Kirche ohne Verkündigung in eine Schieflage kommt. Dies wird – für die Einheit der Kirche zu spät – auch auf katholischer Seite erkannt: das Konzil von Trient schärft in seinen Reformdekreten die Pflicht der Amtsträger zur Wortverkündigung ein. Damit nimmt es das Anliegen auf, das Luther freilich sehr viel radikaler zur Geltung bringt: „Denn die Sacrament on das Wort nicht sein können, aber wol das Wort on die Sacrament“ (Von der Winkelmesse, 1533: WA 38,231,9). Man würde Luther allerdings Unrecht tun, würde man ihm nachsagen, er habe die Sakramente nicht geschätzt. Gerade das Wort Gottes verweist ja auf die Sakramente, die darum nicht zu verachten sind. „Laß äußerlich Ding sein, als es immer kann, da stehet aber Gottes Wort und Gebot … Was aber Gott einsetzet und gebeut, muß nicht vergeblich, sondern eitel köstlich Ding sein, wenn es auch dem Ansehen nach geringer denn ein Strohhalm wäre“ (Großer Katechismus, 1529: BSLK 692,17–24). Der Stellenwert der Sakramente ist der Schrift zu entnehmen, die folgerichtig auch Kriterium für alle Praxis und Theorie der Sakramente ist. Dies führt Luther zu Vorbehalten gegenüber dem allgemeinen Sakramentsbegriff, der in der Schrift so nicht vorkommt. Konsequenz der Orientierung an der Schrift ist ferner eine restriktive Zählung der Sakramente. Nur Taufe und Abendmahl (zuweilen nennt Luther darüber hinaus die Buße) sind von Christus gestiftete Sakramente. Daraus macht die lutherische Bekenntnis-
Kritik an der Praxis
– Akzent auf der Verkündigung
Schrift als Kriterium
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Allgemeine Sakramentenlehre
Ablehnung des „opus operatum“
tradition indes keinen Zankapfel, wenn nur „Gottes Wort und Befehl nicht abgebrochen werde“ (Apologie der Confessio Augustana 13,17: BSLK 294,48 f.). Aus der Bindung an die Schrift folgt schließlich, dass in der Gestalt des Sakramentes – gut augustinisch! – das Wort betont wird. „Die Taufe ist nicht allein schlecht Wasser, sondern sie ist das Wasser, in Gottes Gebot gefasset und mit Gottes Wort verbunden“ (Kleiner Katechismus, 1529: BSLK 515,25–27). Die Handlungen sind in ihrem Sinngehalt vom Wort her und nicht die Worte von der Eigenbedeutung der natürlichen Zeichen her zu verstehen. Dabei ist das Wort im Sakrament Verheißungswort, Evangelium, das sich an die Menschen richtet. Weil es verstanden werden soll, führt Luther in den sakramentalen Feiern die Muttersprache ein. Mit der Betonung des Wortes im Sakrament wird einerseits das Subjektsein Gottes bzw. Jesu Christi im Sakramentsgeschehen, andererseits der Anredecharakter der Sakramente, die auf den Empfang durch Menschen hingeordnet sind, pointiert. Beide Aspekte wendet Luther gegen die Lehre vom opus operatum. Zwar hebt diese ursprünglich gerade auf das göttliche Wirken im Sakrament ab (siehe oben S. 40 und unten S. 64). Doch verkehrt die mittelalterliche Frömmigkeit dieses Anliegen ins Gegenteil. Denn wenn versucht wird, durch eine Multiplizierung der Vollzüge, die ex opere operato Gnade erwirken, Gnade zu vermehren, kann dies doch wiederum als menschliches Werk verbucht werden. Zudem entsteht in der Praxis der Eindruck, das opus operatum könne den Glauben ersetzen. Solche Fehlverständnisse nimmt Luther als eigentlichen Gehalt der Lehre vom opus operatum, die so aufgefasst geradewegs dazu einlädt, das Sakrament auf den äußerlichen Ritus zu reduzieren. Das aber ist für den Reformator gleichbedeutend mit dem Versuch, sich ohne Christusglauben und ohne innere Beteiligung des Herzens durch Werke das Heil zu verschaffen, das der lutherischen Rechtfertigungslehre zufolge nur im Glauben empfangen werden kann. Solcher Glaube ist selbst nicht Werk, sondern allein Empfangsorgan (fides apprehensiva), das als solches aber notwendig ist. „Vom Brauch der Sakrament wird gelehrt, daß die Sakrament eingesetzt sind nicht allein darum, daß sie Zeichen seien, dabei man äußerlich die Christen kennen muge, sondern daß es Zeichen und Zeugnus seien gottlichs Willens gegen uns, unseren Glauben dadurch zu erwecken und zu stärken, derhalben sie auch Glauben fordern und dann recht gebraucht werden, so man’s im Glauben empfähet und den Glauben dadurch stärket“ (Confessio Augustana 13: BSLK 68, 2–11).
Gegen den Vorwurf, die Wirksamkeit der Sakramente sei also vom Glauben abhängig, verwahrt sich die Apologie der Confessio Augustana: „Und durch das Wort SOLA, so wir sagen: allein der Glaub macht fromm, schließen wir nicht aus das Evangelium und die Sakrament, daß darum das Wort und Sakrament sollten vergeblich sein, so es der Glaub alles allein thut, wie die Widersacher uns alles gefährlich deuten; sondern unsern Verdienst daran schließen wir aus“ (Apologie der Confessio Augustana 4,74: BSLK 175,11–16).
Die Sakramente sind in der lutherischen Theologie mithin streng in den Rechtfertigungsglauben eingeordnet. Von daher entspricht der zahlenmäßigen Reduktion auf zwei Sakramente eine inhaltliche Konzentration auf
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
die Sündenvergebung als einzige Sakramentsgabe von Taufe und Abendmahl. Während Luther trotz der Aufwertung der Predigt an der heilsvermittelnden Bedeutung der Sakramente festhält, kommt es in der reformierten Tradition zu einschneidenderen Vorbehalten. Für Huldrych Zwingli († 1531) ist allein das Wort Heilsereignis. Ihm zufolge sind die Sakramente in ihrer massiveren, weil sichtbar-materiellen Kreatürlichkeit nicht geeignet, Gnade zu vermitteln. Er versteht sie als Bekenntniszeichen, und zwar – hierin unterscheidet er sich von der frühen Verwendung des lateinischen sacramentum durch Tertullian (siehe oben S. 33) – als Bekenntniszeichen der Kirche gegenüber.
Zwingli
„Sakramente … sind … Zeichen oder Zeremonien, mittels deren der Mensch der Kirche glaubhaft macht, dass er entweder ein Kandidat oder ein Soldat Christi ist, und sie machen die ganze Kirche deines Glaubens viel mehr gewiss als dich“ (De vera et falsa religione commentarius, 1525: CR 90,761).
So verstanden erwirken die Sakramente nicht Gnade, sondern sind Zeichen für bereits geschenkte Gnade. „Die Sakramente werden zum öffentlichen Zeugnis der Gnade gegeben, die jedem schon vorher persönlich zuteil geworden ist. … Ich glaube also …, dass das Sakrament ein Zeichen der heiligen Sache, das heißt der zuteilgewordenen Gnade, ist“ (Fidei ratio, 1530: CR 93/2,804 f.).
Von dieser zwinglianischen Position grenzt sich wie Luther so auch Johannes Calvin († 1564) deutlich ab. Zwar ist dieser noch zurückhaltender als der Wittenberger darin, den Sakramenten ein Plus gegenüber der Predigt zuzuschreiben; er begründet dies aber in einer genaueren Reflexion auf den Ort der Sakramente im Heilsgeschehen. Sie sind nicht Heilsereignis im primären Sinn, sondern vom Christusereignis abhängig; auch initiieren sie nicht das christliche Leben, das durch das Wort begründet ist. Die Sakramente versiegeln nichts anderes, als was die Predigt bereits verkündigt hat. Mehr als Luther hat Calvin aber Interesse am Wachstumsprozess des christlichen Lebens und ordnet die Sakramente hier ein. In diesem Zusammenhang ist die Vergewisserung des Glaubens durch die Sakramente von hoher Bedeutung, zumal sie, anders als es Calvin oft vorgeworfen wurde, nicht rein kognitiv zu verstehen ist. Als Humanist achtet Calvin darauf, wie etwas für Menschen wichtig wird. Er beschreibt Gott gleichsam als Rhetoriker, der mit allen Mitteln den Menschen erreichen will und dies eben auch durch die sinnenhaften Sakramente versucht, die anschaulich vor Augen führen und leibhaftig nahebringen, was Gott schenken will. Zudem beachtet Calvin die Bedeutung der menschlichen Antwort im Heilsgeschehen, ohne die keine Gemeinschaft von Gott und Mensch zustande kommt. Mit Blick auf diese Antwort integriert Calvin das Anliegen von Zwingli. Die Sakramente sind nicht, wie dieser meinte, nur Bekenntniszeichen, sie sind es aber auch, allerdings nicht nur horizontal auf der Ebene der Kirche, sondern als Teil der menschlichen Antwortbewegung zu Gott. Das Sakrament „ist ein äußeres Zeichen, mit dem der Herr unserem Gewissen die Verheißungen seines Wohlwollens gegen uns versiegelt, um die Schwachheit unse-
Calvin
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Allgemeine Sakramentenlehre res Glaubens zu stützen, und in dem wir umgekehrt unsere Frömmigkeit gegen ihn sowohl vor ihm, vor den Engeln, wie auch den Menschen bezeugen. … Sakrament heißt ein mit einem äußeren Zeichen bekräftigtes Zeugnis der göttlichen Gnade, mit dem umgekehrt eine Bezeugung unserer Frömmigkeit gegen ihn verbunden ist“ (Institutio IV,14,1, in dieser zweiseitigen Formulierung von 1543; siehe dazu Faber/52: 307–322). Konzil von Trient
Neuzeit
In Reaktion auf die Reformatoren nimmt das Konzil von Trient 1547 zu Zahl und Wirksamkeit der Sakramente Stellung, ohne eine entfaltete Sakramententheologie vorlegen zu wollen (vgl. DH 1600–1613): Die sieben Sakramente, die nicht alle gleichen Rang haben, sind von Christus eingesetzt. Sie enthalten die Gnade, die sie bezeichnen, und verleihen sie durch den Vollzug der Handlung (ex opere operato), nicht durch den Glauben, sofern der Empfänger dem nicht einen Riegel vorschiebt. Die gegenreformatorischem Geist entspringende Betonung der objektiven Wirksamkeit, die vereinseitigt dem sakramentalen Begegnungsgeschehen nicht gerecht wird, bleibt im Rahmen des neuzeitlichen Ansatzes beim Subjekt nicht unangefochten. So stellt Immanuel Kant den Anspruch der Sakramente, wirksam Heil zu vermitteln, in Frage, weil der Gebrauch bloßer Naturmittel keinen Einfluss auf die Sittlichkeit haben könne (vgl. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 301f: Weischedel 4, 870). Solches Gedankengut findet Eingang in die kirchliche Praxis, wo in der Aufklärungszeit die katechetische und erbauliche Seite von Liturgie und Sakramenten in den Vordergrund gerückt wird. Der Mysteriencharakter der Sakramente als Orte der Teilgabe am Heilsgeschehen ist damit freilich nicht wiedergewonnen.
4. Das Zweite Vatikanische Konzil und vorbereitende Aufbrüche Umbrüche in der ersten Hälfte des 20. Jh.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt es von verschiedenen Seiten zu einer Neubelebung der Sakramententheologie. Zu nennen ist die Diskussion um den Einfluss der hellenistischen Mysterienkulte auf die christlichen Sakramente: Die Religionsgeschichtliche Schule sieht darin eine Verfälschung der christlichen Botschaft; nach Auffassung der Mysterientheologie dagegen hat die Vorsehung Gottes in der hellenistischen Welt religiöse Kultformen bereitgestellt, die dem Christentum als Gefäß dienen konnten. Obwohl sich der Ausgangspunkt beider Richtungen, die Annahme eines direkten Einflusses der hellenistischen Mysterienkulte auf die Entstehung der christlichen Sakramentspraxis, nicht halten lässt, tragen die Thesen der Mysterientheologie (zu nennen ist hier insbesondere O. Casel, † 1948) wesentlich zur Erneuerung des patristischen Verständnisses der Sakramente als Anteilgabe am Geschick Jesu Christi bei (siehe unten S. 56). Andere Impulse für die Sakramententheologie entstammen der Liturgischen Bewegung (R. Guardini, † 1968). Ihr Augenmerk auf die Einbindung der Sakramente in die liturgische Feier der kirchlichen Gemeinschaft führt zu einer neuen Gewichtung der subjektiven Teilnahme der Glaubenden und der kirchlichen Dimension der Sakramente.
III. Theologiegeschichtliche Entwicklungen
Diese Impulse finden in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils Widerhall. Die Rede von den Sakramenten findet hier auf glückliche Weise einen zweifachen Ort, nämlich die Liturgie- und die Kirchenkonstitution. Das Leben der Kirche, die selbst Sakrament ist (vgl. LG 1), wird durch die Sakramente aufgebaut, die somit nicht nur individuell bedeutsam sind (vgl. LG 11). Die Liturgiekonstitution gewinnt von ihrem Ansatz her in umfassender Weise den Feiercharakter der Sakramente zurück. In ihnen vollzieht sich – kraft des Heiligen Geistes – das Werk der Erlösung und wird die Teilhabe am Pascha-Mysterium eröffnet – die Wirkkraft der Sakramente liegt also in der Gedächtnishandlung (vgl. SC 2; 6). Angeregt wird die Suche nach Formen, die ein besseres Verständnis und eine aktive Teilnahme (participatio actuosa) der Gläubigen an der Liturgie fördern (vgl. SC 14; 21). Konsequenterweise wird speziell bei den Sakramenten die subjektive Seite angemessener berücksichtigt: Die Feier der Gnade verleihenden Sakramente befähigt die Gläubigen, „diese Gnade mit Frucht zu empfangen, Gott recht zu verehren und die Liebe zu üben. Es ist darum sehr wichtig, dass die Gläubigen die sakramentalen Zeichen leicht verstehen und immer wieder zu jenen Sakramenten voll Hingabe hinzutreten, die eingesetzt sind, um das christliche Leben zu nähren“ (SC 59). Mehrfach wird die Bedeutung des Wortes hervorgehoben, besonders eindrucksvoll dadurch, dass der Tisch des Wortes dem Tisch des Herrenleibes an die Seite gestellt wird (SC 48; 51). Auf dieser Basis ist für die neuere Sakramentenlehre kennzeichnend, dass sie – die Einzelsakramente einbindet in die umfassendere sakramentale Struktur der Heilsgeschichte (siehe dazu oben Abschnitt II.2. sowie unten Abschnitt IV.2.); – die Sakramente aus einer einseitig individuellen in eine ekklesiologische Perspektive überführt (siehe unten Abschnitt IV.3. mit Exkurs A) – und sie stärker von ihrer liturgischen Feier her betrachtet (siehe unten die Abschnitte IV.3.3 und IV.5.4 mit den Exkursen B und D); – einen Zugang vom Symbolverständnis her sucht (siehe unten Abschnitt IV.5.4. mit Exkurs E); – sich um ein personales Verständnis des Sakramentsgeschehens bemüht (siehe unten Abschnitt IV.5.). Einige der neueren Ansätze in der Sakramententheologie werden im folgenden Abschnitt in Form von Exkursen eigens vorgestellt.
Zweites Vatikanisches Konzil
neuere Sakramententheologie
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IV. Systematische Entfaltung Theologiegeschichtlich haben sich folgende wesentliche Merkmale eines Sakramentes herauskristallisiert: – die Begründung in der Geschichte Jesu Christi (siehe unten Abschnitt IV.2. und IV.4.1) – die Besonderheit gegenüber anderen Zeichen, insofern es wirksam die Gnade Gottes vermittelt (siehe oben Abschnitt III.2.2 und unten Abschnitt IV.5.) – die Zusammensetzung aus sichtbarem Zeichen und deutendem Wort (siehe oben Abschnitt III.1.2; III.3. und unten Abschnitt IV.5.4). Der traditionelle Sakramentsbegriff, wie er auch in Katechismen vermittelt wurde, verbindet diese drei Momente formelhaft so: Ein Sakrament ist ein sichtbares Zeichen unsichtbarer bzw. wirksamer Gnade, eingesetzt durch Christus zu unserer Rechtfertigung. In der neueren Sakramententheologie wird diese Sicht in einen größeren Kontext eingeordnet. Die Sakramente sind demnach Teil der christlichen Heilsordnung, deren Eigenart darin besteht, dass Gottes Zuwendung zum Menschen sich welthaft erfahrbar macht (siehe oben Abschnitt II.2. und unten Abschnitt IV.1.). Höhepunkt dieser inkarnatorischen Bewegung ist Jesus Christus, in dem Gott als Mensch auf die Menschen zukommt. Die Sakramente sind mit der Kirche zusammen und in ihr (siehe unten Abschnitt IV.3.) Vergegenwärtigungen und Ausfaltungen dieses Heilsereignisses. Für die folgende systematische Erörterung ergeben sich daraus folgende Gesichtspunkte: Wie in Abschnitt I. dargelegt, setzen die Sakramente beim Menschen eine entsprechende Empfänglichkeit voraus. Wenngleich die Sakramente aus dieser Disposition nicht abgeleitet werden können, soll dieser Aspekt zuerst behandelt werden (1.), bevor in den darauf folgenden Abschnitten ausgehend von der theologisch-christologischen Begründung (2.) die dem Glauben vorgegebene Gestalt der Sakramente zu reflektieren ist: ihre ekklesiale Verortung (3.), ihre Zeitdimensionen (4.) und die charakteristische Struktur der Sakramente als wirksamer, Wort und Zeichen verbindender Handlungen (5.) sowie einige Einzelfragen (6.).
1. Anthropologische Voraussetzungen Da die Sakramente Weisen sind, wie die Nähe Gottes in Jesus Christus Menschen durch die Geschichte hindurch erreichen will, ist die Frage berechtigt, inwiefern ihre Gestalt dem Menschen entspricht (siehe dazu bereits oben Abschnitt I.1.). Pointiert zugespitzt: Warum soll ein so äußerliches Geschehen wie das Vergießen von Wasser über den Kopf eines Menschen, wie der Empfang eines Stückchen Brotes, wie die Salbung mit Öl existentiell bedeutsam sein?
IV. Systematische Entfaltung
Auf einer ersten Ebene ist damit die Äußerlichkeit des Sakramentes problematisiert: Hat das, was von außen kommt, überhaupt existentielle Bedeutung? Ist nicht religiös Bedeutsames eher in der Innerlichkeit anzusiedeln? Nach christlichem Glauben wählt Gott für die Begegnung mit dem Menschen den Weg geschichtlich-konkreter Vermittlung (siehe Abschnitt II.2.). Anthropologisch gesehen wird der Mensch dadurch aber nicht an etwas für ihn Sekundäres gebunden. Menschsein ist zutiefst auf Wider-fahrnisse, Erfahrungen von außen, Be-geg-nungen angewiesen, wie vor allem die Entwicklung von Kindern eindrücklich zeigt. Ohne Anrede von außen, ohne die Beziehung zu Anderem bzw. Anderen verkümmert der Mensch. Zugleich setzt Menschwerdung den heilsamen Prozess der Unterscheidung voraus (es sei hier nur verwiesen auf die Thesen des Philosophen Cl. LéviStrauss zu den Ursprüngen der Menschheit und die Arbeiten J. Lacans zur Entwicklung von Kindern). Die notwendige „Unterscheidungsarbeit“ geschieht durch Vermittlungen, die zugleich Distanz und Beziehung ermöglichen. Vor diesem Hintergrund sind die Sakramente heilsame Heraus-forderung, nicht die eigene Innerlichkeit mit Gott zu verwechseln. Sprache und Symbol erlauben es dem Menschen, die Unmittelbarkeit zu durchbrechen und heilsame Distanz zu gewinnen, um gerade so Beziehung eingehen zu können (vgl. Chauvet/64: 25–31; Scouarnec/89: 68–70). Begegnung, so eine zweite Überlegung, kann im menschlichen Bereich nicht anders denn leibhaftig geschehen. Wir können uns gegenseitig nur wahrnehmen und zueinander in Kontakt treten, weil wir einen Leib haben, genauer: weil wir Leib sind. Der Leib ist nicht Teil des Menschen, sondern konstitutive Daseinsform. Weil der Selbstvollzug der Person leibhaftig vermittelt ist, berührt das, was über die Leiblichkeit vermittelt begegnet, nicht nur äußerlich. Der Einwand, Sakramente hätten – wie aller Kult – „etwas Peinliches an sich, weil sie materiell vollziehen, was spirituell wirken soll“ (Janowski; Welker/133: 7), trifft schon aus diesem Grund nicht zu. Die Sakramente sind Einladungen, leibhaftig und über die Sinne vermittelt und gerade deswegen zutiefst personal die Heilszusage Gottes in Jesus Christus auf- und anzunehmen. Auf einer dritten Ebene betrifft die anthropologische Angemessenheit der Sakramente speziell die Art der verwendeten Zeichen bzw. Gesten. Das natürliche, besser: geschöpfliche Zeichen birgt eine Symbolik, die das Gnadengeschehen zu verdeutlichen vermag. An diese natürliche Symbolik knüpft bereits die Schrift an. Darüber hinaus sind die aus der Schöpfung genommenen Zeichen heilsgeschichtlich geprägt und vereindeutigt (siehe dazu Neumann/77: 335–341). Beide Dimensionen des Symbols müssen heute vielfach erst erschlossen werden. So sehr ein Symbol nicht zerredet werden darf, so sehr bedarf es einer Hinführung, einerseits zur intensiven sinnenhaften Wahrnehmung der elementaren Symbole, mit denen im Alltag oft eher nachlässig umgegangen wird, andererseits zu ihrem heilsgeschichtlichen Gehalt, der aus dem Symbol selbst nicht abgelesen werden kann (siehe zum Verständnis der integralen Gestalt des Sakraments als Symbol auch unten S. 68 f.). Am Beispiel der Handauflegung kann dies konkretisiert werden. Die
Selbstwerdung in Beziehung
Leibhaftigkeit
Symbolik der natürlichen Zeichen
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Allgemeine Sakramentenlehre
Handauflegung ist ein vieldeutiger Ritus: Er kann Gestus der Heilung und des Segens sein oder auch ein Gestus der Bevollmächtigung. In den christlichen Sakramenten wird er in unterschiedlicher Sinnrichtung verwendet: als Gestus der Segnung während des exorzistischen Gebetes bei der Taufe, als Heilungsgeste bei der Krankensalbung, als Gestus der Stärkung und Bevollmächtigung bei der Firmung und der Ordination. Grundsätzlicher betrachtet ist im christlichen Bereich die Handauflegung bzw. das Ausstrecken der Hände (etwa bei der Eucharistie) eine epikletische Geste, welche die Herabrufung des Geistes begleitet. Die Geste als solche bringt zur Sprache, dass eine Zeremonie den Sinn hat, Segen, Stärkung, Trost und Kraft zuzusprechen, und von der Situation her wird sich meist ergeben, was die Geste konkret bedeuten will. Doch woher die Segenskraft kommt, welche die Handauflegung vermittelt, das müssen in jedem Fall Liturgie und Verkündigung zur Sprache bringen und vereindeutigen.
2. Die theologisch-christologische Begründung der Sakramente
historische Stiftung?
umfassende Begründung in Jesus Christus
Jesus Christus ist selbst im ursprünglichen (biblischen) Sinn das Sakrament, das mysterion, das zur Verwirklichung des göttlichen Heilsplans gegeben ¯´ ist. Die Sakramente sind Mysterien im abgeleiteten Sinn: Riten, die das mysterion Jesus Christus zugänglich machen (siehe oben S. 27 f.). ¯´ Die historische Fragestellung, ob dieses Begründungsverhältnis auch im Sinne einer Setzung durch Jesus zu denken ist, erwächst aus einer spezifisch neuzeitlichen Perspektive. Beginnend mit der kontroverstheologischen Auseinandersetzung wurde die Einsetzung der Sakramente durch Jesus Christus mehr und mehr als historisch fassbarer Entscheid des irdischen Jesus gedeutet (vgl. das Dekret Lamentabili von 1907: DH 3439– 3451). Warf dies anfangs nur bei den Sakramenten, für die ein direktes Einsetzungswort fehlt, Probleme auf, so stellte die historisch-kritische Exegese selbst die Historizität etwa des Taufbefehls in Frage. Dies legt ein weiteres und zugleich ursprünglicheres Verständnis der Begründung der Sakramente in Jesus Christus nahe. Denn theologiegeschichtlich wurden die sakramentalen Vollzüge zwar von Anfang an auf Jesus Christus zurückgeführt, doch in einer viel offeneren Weise. In der patristischen Theologie etwa bezieht man sich auf das Gebot Jesu ebenso wie auf die Überlieferung der Apostel.7 In theologisch-symbolischer Sicht wird als Ursprung der Sakramente die geöffnete Seite des Gekreuzigten bezeichnet.8 Die scholastische Theologie kennt verschiedene Phasen und Weisen der Einsetzung: Manche Sakramente sind unmittelbar von Christus gestiftet, manche hingegen, die vorher schon in Vorformen praktiziert wurden, durch ihn nur bestätigt und mit neuer Wirksamkeit versehen worden, ande7 Vgl. Irenäus von Lyon: Adversus haereses 4,17,5: FC 8/4,135; Cyprian von Karthago: Epistulae 63,14 (CSEL 3/2,712). 8 Vgl. Johannes Chrysostomus: Homiliae 85,3 in Joh (PG 59,463); Augustinus: Enarrationes in Ps 40,10 (CChr.SL 38,456).
IV. Systematische Entfaltung
re schließlich hat Christus nur initiiert, während sie durch die Apostel, also die nachösterliche Kirche, ausgestaltet wurden (vgl. Bonaventura, Breviloquium 6,4,1). In ähnlicher Weise wird die historische Frage in neuerer Zeit wieder mehr mit der sachlichen Begründung in der Geschichte Jesu Christi zusammengeschaut. Die Herausbildung der Sakramente ist ein Prozess, der für manche von ihnen sogar weit über die apostolische Zeit hinausreicht (siehe vor allem zur Ehe im Zweiten Teil, VI.3.2), an dem somit die Kirche einen nicht zu vernachlässigenden Anteil hat. Der kritische Punkt liegt in der Frage, inwieweit die ekklesiologische Begründung letztlich die Einsetzung durch Christus ablöst. Rahners These, die Einsetzung eines Sakramentes könne „auch einfach dadurch erfolgen, daß Christus die Kirche gestiftet hat mit ihrem Charakter als Ursakrament“ (80: 38), ist oftmals missverstanden (und kritisiert) worden, als sei dies ein Freibrief für die Kirche, Sakramente zu setzen. Rahner selbst führt die Kirche indes nicht als Mittelinstanz ein: „Wenn wir sagen: Dadurch, daß Christus die Kirche … stiftet, sind die Sakramente schon gestiftet, ist eine Mittelinstanz … eo ipso schon ausgeschlossen. Die Stiftung der Sakramente durch Christus ist also eine unmittelbare“ (80: 56 Anm. 4; vgl. Kleinschwärzer-Meister/72: 586–608). Auf die Rückbindung der Sakramente an das Leben Jesu, wenn auch nicht notwendig an einen ausdrücklichen Stiftungsakt, kann nicht verzichtet werden. Andererseits kann die Herkunft der Sakramente von Jesus Christus schon deswegen nicht einfach auf die Einsetzung durch den irdischen Jesus zurückgeführt werden, weil sie das Heilswerk Jesu vergegenwärtigen und entfalten, das seinen Höhepunkt in Tod und Auferstehung hat. Sie haben zwar Anhaltspunkte im Leben Jesu, etwa in prophetischen Zeichenhandlungen, kristallisieren sich als Sakramente, d. h. als zeichenhafte Vergegenwärtigung seines Heilswerkes, jedoch erst nachösterlich in einem ekklesialen Erkenntnisprozess heraus. Die Sakramente gehen somit aus einem „gestuften Ineinander von göttlichem und menschlichem Handeln“ (Neumann/ 77; 345) hervor, das einen „Stiftungszusammenhang“ (Kühn/39: 310) bildet. Systematisch gesehen geht es bei der Rückführung der Sakramente auf Jesus Christus um ihren kontingenten heilsgeschichtlichen Charakter (erhellend dazu Neumann/77: 321–323.343–346). Ihre Bedeutsamkeit gründet nicht in ihrer natürlichen Hinweiskraft auf den Schöpfer, sondern darin, dass sie als Gedächtniszeichen Person und Geschichte Jesu vergegenwärtigen. Worum es in den Sakramenten geht, kann mit Leo dem Großen so gesagt werden: „Was an unserem Erlöser sichtbar war, ist in seine Mysterien übergegangen“ (Leo d.Gr., † 461, Sermones 74,2: PL 54,398). Die Konkretheit, in der Gott in Jesus Christus begegnet, ist nach Tod und Auferstehung nicht zurückgenommen, sondern wirkt in der Kirche und den Sakramenten fort. Die Mysterien im ekklesialen und sakramentalen Sinn verweisen nicht auf eine nur unbestimmte Nähe Gottes, vielmehr stehen sie für seine geschichtliche, unableitbare Selbstzusage in Jesus Christus ein. Damit ergibt sich eine spezifische Verortung der Sakramente in gnadentheologischer Perspektive.
Stiftungszusammenhang
kontingente Gründung in Jesus Christus
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Allgemeine Sakramentenlehre Gnadentheologie
An dieser Stelle dürfte es hilfreich sein, einen kurzen Einblick in Entwicklungen der Gnadentheologie des vergangenen Jahrhunderts zu geben. Aufgrund bestimmter, hier nicht zu erörternder Konstellationen hatte sich im Laufe der Neuzeit eine Verhältnisbestimmung von Natur und Gnade herausgebildet, welche die Gnade von der Natur scharf abhob. Um der Ungeschuldetheit der Gnade willen wurde die Natur als in sich abgeschlossen gedacht; die Gnade ihrerseits wirkte wie ein auf die Natur aufgesetztes zweites Stockwerk („Übernatur“). Fraglich ist dann aber, warum die Natur überhaupt nach der Gnade verlangen soll und was die Gnade für die Natur bedeuten kann. Durch diese Problematik veranlasst, betonte die Gnadenlehre im Gefolge der Nouvelle Théologie (Henri de Lubac, † 1991) die Hinordnung der Natur auf die Gnade. Die Gnade bleibt der Natur nicht äußerlich, weil sie den Suchbewegungen, den Bedürfnissen und Fragen des „natürlichen“ Menschen, wie er geschaffen ist, entspricht. Zudem – dies zu zeigen war das große Anliegen der Rahner‘schen Theologie – begegnet ja der Mensch in seinen Suchbewegungen immer schon der Gnade Gottes, welche die gesamte Geschichte umfängt. Ohne die Verdienste dieses gnadentheologischen Neuaufbruchs schmälern zu wollen, gilt es doch, in einer veränderten Zeitsituation wiederum die neuen Herausforderungen zu erkennen und andere Aspekte hervorzuheben, die insbesondere in einer eher popularisierenden Rezeption vor allem des Rahner‘schen Ansatzes zu kurz gekommen sind.
Nach einer Zeit, in der gezeigt werden musste, dass die Gnade der Natur nicht fremd ist, weil die Natur auf die Gnade hingeordnet ist und sogar immer schon Erfahrungen der Gnade kennt, bedarf umgekehrt die Frage, was denn die Gnade über die Natur hinaus schenkt, größerer Aufmerksamkeit. Christen müssen Auskunft darüber geben können, was es denn mit dem neuen Leben auf sich hat, aus dem zu leben sie beanspruchen; sie müssen Rechenschaft darüber ablegen können, wie sich durch die Einwurzelung in das Geschick Jesu ihr Leben verändert. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der Religion boomt, weil Menschen nach Lebenshilfe und Sinnstiftung Ausschau halten. In auffallender Weise steht die Suche nach religiösen Sinnangeboten in der Spannung zwischen dem Wunsch nach bloßer Absicherung des Bestehenden und der Sehnsucht nach dem Anderen, Mysteriösen. Von hier aus ist die – bleibend gültige – Einsicht, dass die Natur auf die Gnade hingeordnet ist, vertieft aufzugreifen. Die Gnade schenkt der Natur durchaus Bestand, mehr Bestand, als sie sich selbst zu geben vermag; auch antwortet sie auf die Sehnsüchte der Natur. Diese aber verlangt nicht nur nach Stabilisierung des Bestehenden, sondern sehnt sich nach dem Anderen, das der Mensch sich selbst nicht zu geben vermag. Bezeichnenderweise spielt das (bzw. der oder die) Andere im zeitgenössischen Denken eine bedeutende Rolle. Prägnant sagt es Peter Strasser: „Uns mangelt es an Fremdheit.“9 Die Botschaft des christlichen Glaubens kündet von der neuen Schöpfung, die sich für den Menschen in Jesus Christus aufgetan hat. Gott ruft die Menschen, aus der Fülle seines Lebens und aus den größeren Möglichkeiten seiner Liebe zu leben, ein Leben in engster Beziehung zu ihm, wie es in der Gemeinschaft mit seinem Sohn geschenkt ist und durch die vergöttlichende Kraft des Geistes verwirklicht wird. 9
Peter Strasser: Journal der letzten Dinge. Frankfurt a. M. 1998, 79.
IV. Systematische Entfaltung
Dies nun hat Konsequenzen für das Verständnis der Sakramente. Sie sind nicht bloß religiöse Rituale, die allein der Erhaltung des Bestehenden dienen. Vielmehr nehmen sie ihren Ursprung im Christusereignis, um von dort her Neues in die Wirklichkeit dieser Welt einzustiften. „Rituale der Selbstbestätigung finden wir überall unzählige. Erlösung aber findet statt, wo Menschen in eine sie qualitativ verwandelnde Beziehung zu Gott treten“ (Miggelbrink/235: 195). Die Sakramente sind Vehikel der neuen Schöpfung. Durch sie schafft der vergöttlichende Geist das Menschsein von Jesus Christus her neu und bewirkt durch die Verähnlichung mit ihm eine erlösende Verwandlung menschlicher Existenz.
3. Kirche und Sakramente Die Sakramente sind nicht eine beliebige Gestaltform der Kirche, sondern ihr vorgegeben. Die Unverfügbarkeit der Sakramente für die Kirche stellt jedoch nicht ihren – noch zu präzisierenden – Zusammenhang in Frage. Die ekklesiale Dimension der Sakramente, in der westlichen Tradition nicht zuletzt infolge der donatistischen Krise (siehe oben Abschnitt III.1.3) eher lose gedacht, wird in der neueren Theologie stärker zur Geltung gebracht. Nach Anstößen der Liturgischen Bewegung waren es vor allem Otto Semmelroth († 1979), Karl Rahner und Edward Schillebeeckx, die die vielschichtige Beziehung von Kirche und Sakramenten neu erschlossen. Phänomenologisch ist die Verwobenheit der Sakramente mit der Kirche unübersehbar: ohne Kirche könnten keine Sakramente gefeiert werden. Dieser Zusammenhang ist theologisch zu reflektieren: Sind also die Sakramente (Selbst-)Vollzüge der Kirche? Welche Bedeutung haben die Sakramente umgekehrt für das Leben der Kirche? (3.1) Was bedeutet es für die einzelnen Menschen, in den Sakramenten zugleich mit der Kirche zu tun zu bekommen (3.2.)? Schließlich kommt mit der ekklesialen Dimension auch die Feiergestalt der Sakramente in den Blick (3.3).
3.1 Die wechselseitige Beziehung von Kirche und Sakramenten Die Sakramente sind gottesdienstliche Handlungen, in denen der Glaube Gott selbst als erstes Subjekt erkennt. Sein heilvolles Wirken im Sakrament vermittelt sich jedoch durch geschöpfliche Wirklichkeit, und zwar auch durch menschliche Freiheit: Es wird im Tun der Kirche konkret. Die Feier der kirchlichen Gemeinschaft – das Gebetsgeschehen und die Symbolhandlungen, darin der liturgische Dienst von Menschen und das gläubige Einstimmen der Feiernden – bildet die Gestalt, deren sich Gott bedient, um seine Gnade zu schenken. So kommt es im Sakrament zu einem gestuften Ineinander von göttlichem und menschlich-kirchlichem Handeln (vgl. Neumann/77: 329–335). Zwischen römisch-katholischer und evangelischer Theologie ist umstritten, welches Gewicht dieser menschlich-kirchlichen Seite des Sakramentsgeschehens zukommt. Während die evangelische Position dazu neigt, sie
Ineinander von göttlichem und menschlichem Handeln
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möglichst gering zu gewichten, um das göttliche Wirken zu betonen, geht die katholische Seite davon aus, dass der Primat des göttlichen Handelns sich nicht am menschlichen Handlungsvollzug vorbei zur Geltung bringt, sondern in ihm. Es ist Konsequenz der Struktur des Sakramentalen (siehe oben S. 28), „daß göttliches und menschliches Handeln in der Kirche zwar theologisch unterschieden werden müssen, aber nicht getrennt werden können“ (Neumann/77: 333). Wie später zu zeigen ist, dient im katholischen Verständnis gerade die scheinbare Akzentuierung menschlichen Handelns durch die geforderte Bindung der meisten Sakramente an ordinierte Amtsträger der Unterscheidung, insofern die kirchliche Feier dadurch als eine solche gekennzeichnet wird, die ganz und gar im Dienst des göttlichen Wirkens steht (siehe Zweiter Teil, V. sowie unten S. 64 f.). In der Abhängigkeit von Jesus Christus als dem primären Subjekt der Liturgie ist die Kirche gleichwohl wahrhaft selbst Subjekt des liturgischen Geschehens und trägt Verantwortung für ihr sakramentales Leben. Die Feier der Sakramente gehört zu ihrer Sendung: Taufbefehl und Gedächtnisauftrag beim Abendmahl sind Anrede an die Jünger. Der Auftrag, Sakramente zu begehen, ist der Kirche zudem nicht äußerlich: Sie kommt dadurch auf das zurück, was ihr eigenes Leben ausmacht, und teilt es mit. Die Kirche selbst ist Sakrament und darum in ihrem Wesen nichts anderes, als was auch die Sakramente feiern: Ereignis der Nähe Gottes in Jesus Christus. Wegweisend für diese Sicht waren vor allem Impulse Rahners. Exkurs A: Sakramente als Entfaltung des Grundsakramentes Kirche (K. Rahner) Sakramente als Selbstvollzug der Kirche
Um den Zusammenhang von Kirche und Sakramenten zu unterstreichen, beschreibt Rahner die Sakramente als Selbstvollzug der Kirche. Was die Kirche ist, bleibende Präsenz der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus, das liegt auch ihrem Tun zugrunde, das charakterisiert somit auch ihr sakramentales Handeln. So gesehen sind die Sakramente Formen, wie die Kirche ihr eigenes Wesen zur Erscheinung bringt: „Wo in einem absoluten Engagement die Kirche einen ihrer Grundakte vollzieht, in dem sie ihr Wesen als Ursakrament der Gnade auf einen einzelnen hin in dessen entscheidenden Heilssituationen voll aktualisiert, dort haben wir ein Sakrament“ (80: 85). Diese Position Rahners stößt auf Widerspruch nicht nur von evangelischer Seite (vgl. Hempelmann/69: 197.211–214). Denn die Sakramente sind nicht nur Entfaltung des Grundsakramentes Kirche, sondern ihr eigener Lebensgrund. Allerdings setzt Rahner selbst durchaus ein wechselseitiges Verhältnis von Kirche und Sakramenten an, demzufolge die Kirche durch die Sakramente, vor allem die Eucharistie, auch konstituiert ist.
sakramentale Verfasstheit der Kirche
Obgleich die Kirche in den Sakramenten als feierndes Subjekt auftritt und sich selbst in den Sakramenten engagiert, wenn sie einzelne Menschen in den Heilsraum der Sakramente hineinstellt, so ist sie doch nicht als Verwalterin von Gnaden zu verstehen, die sie ihrerseits bereits selbstverständlich besitzt. Vielmehr sind die Sakramente auch „Weisen, wie sie [die Kirche] von Gott her und auf die Menschen hin erst wird“ (Kasper/71: 294). Nur so kann festgehalten werden, dass die Sakramente kritische Herausforderung, „Wandlungsimpuls“ für die Kirche sind (Freyer/67: 41). Die Kirche ist selbst Sakrament (vgl. LG 1; 8), insofern sie in Christus gegründet
IV. Systematische Entfaltung
ist und sich in den Sakramenten je neu auf diesen ihren Lebensgrund zurückführen lässt. Deshalb ist die Bindung ekklesialer Lebensgestalten an die Sakramente (vor allem Taufe, Eucharistie und ordiniertes Amt) für die Kirche konstitutiv: Sie ist sakramental verfasst, weil sie das, was sie ist, nicht aus sich selbst ist, sondern sich „ab extra“ der göttlichen Selbstzusage verdankt. Gewiss sind die Sakramente nicht die einzige Weise, wie die Kirche an Jesus Christus zurückgebunden ist. Was aber die Sakramente – zusammen mit dem Wortgeschehen – auszeichnet, ist die besondere Ausdrücklichkeit, mit der sein Wirken zugesagt ist und in der das kirchliche – wie das je persönliche – Leben seiner Gnade überlassen wird (siehe auch unten S. 62).
3.2 Die ekklesiale Dimension der Sakramente in ihrer Bedeutung für die Einzelnen Durch die Reflexion auf die Bedeutung der Sakramente für die Kirche fällt neues Licht auf ihre Bedeutung für die Einzelnen. Nach Auffassung der traditionellen Theologie und Praxis stehen die Sakramente in erster Linie im Dienst der „geistlichen Vollkommenheit jedes Menschen in sich selbst“ (DH 1311); nur bei Ehe und Ordo wurde der Bezug zur Kirche beachtet. Diese Verkürzung auf das Individuum ist in zweifacher Hinsicht aufzubrechen. Zum einen ist in der Heilszusage, die in den Sakramenten einzelnen Menschen zugesprochen wird, die Kirche engagiert. So ist der Christusbezug der Taufe unlöslich verbunden mit der Eingliederung in den ekklesialen Leib. Die Lossprechung im Bußsakrament erfolgt nicht nur in persona Christi, sondern auch in Repräsentation der Kirche. Damit ist zugleich die Kirche herausgefordert, die sakramentale Heilszusage auch auf anderen Ebenen ihres eigenen Lebens zu ratifizieren: Der sakramentalen Versöhnung mit Gott und der Kirche muss die reale Wiederaufnahme in die kirchliche Gemeinschaft entsprechen, und eine nicht von diakonischer Sorge für Kranke begleitete Krankensalbung wäre ein halbierter Heilsvollzug. Auf der anderen Seite sind die Sakramente auch deswegen ekklesiale Wirklichkeiten, weil sie die einzelnen nicht in ihrem privaten Gottesverhältnis belassen, sondern sehr radikal in die Kirche und ihre Sendung hineinstellen. Die Sakramente bauen die Kirche auf, indem sie einzelne für den Heilsdienst der Kirche in Anspruch nehmen. In diesem Sinn empfängt niemand die Sakramente nur für sich selbst: „Wir empfangen die Sakramente primär, um das Sakrament ‚Kirche‘ sein zu können“ (Menke/54: 79). Die ekklesiale Dimension der Sakramente steht nicht in Konkurrenz zu deren Ausrichtung auf das Individuum, vielmehr handelt es sich um zwei Pole, die in wechselseitiger Bedingtheit zueinander stehen. Je intensiver die kirchliche Gemeinschaft an der Feier der Sakramente beteiligt ist und einzelne z. B. auf ihrem Weg zur Taufe oder zur und in der Ehe begleitet, desto fruchtbarer kann das sakramentale Leben der Einzelnen sein. Und je mehr Sakramente als Ruf in die Kirche und ihre Sendung begriffen werden,
Heilsindividualismus?
ekklesiale und individuelle Dimension
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desto tiefer führen sie in die Gemeinschaft mit Christus und in seine Sendung hinein. Umgekehrt formuliert: Es sind die Einzelnen, an denen sich durch das Sakrament im Raum der kirchlichen Gemeinschaft die Heilszuwendung Gottes konkretisiert; es sind die einzelnen, die ihre unvertretbare Antwort im Glauben geben und die sich in je persönlicher Nachfolge für den Heilsdienst zur Verfügung stellen. Gerade so aber finden sie ihren Ort in der Kirche und übernehmen ihre ekklesiale Sendung. Je mehr sich die Einzelnen dem Zuspruch und Anspruch der Sakramente öffnen, desto mehr wird die kirchliche Gemeinschaft aufgebaut. Beides ist darum zu beachten. Eine Fixierung auf den individuellen Heilsempfang, wie er lange Zeit wirksam war, ist ebenso einseitig wie die im Gegenzug nahe liegende Versuchung, den Anspruch an die Einzelnen zu vernachlässigen.
3.3 Sakramente und Liturgie Werden die Sakramente als ekklesiale Ereignisse betrachtet, so rückt ihr Feiercharakter stärker in den Vordergrund. Damit wird eine theologiegeschichtliche Entwicklung korrigiert, in der die Theologie der Sakramente deren liturgische Gestalt weithin ausblendete, weil man auf die Minimalbedingungen fixiert war, unter denen ein Sakrament gültig gespendet wird. Demgegenüber ist im 20. Jahrhundert vor allem durch die Liturgische Bewegung neu betont worden, dass Sakramente liturgisch gefeiert werden, ihren Ort also im Rahmen der kirchlichen Gemeinschaft und in Form betenden Handelns haben. Weil die Reduktion des Sakramentsvollzugs auf das Gegenüber eines Spenders zu einem einzelnen Empfänger als Grenzfall zu gelten hat, wird heute die traditionelle Rede von Spendern und Empfängern der Sakramente vermieden. Sakramente sind normalerweise in das Gebet einer feiernden Gemeinde eingebunden, so dass weder Spender noch Empfänger zu isolieren sind. Das Wort Spender, eine unglückliche Übersetzung des lateinischen „minister sacramenti“, erweckt den Eindruck, als sei der ohne Bezug zur Gemeinde betrachtete Amtsträger selbst Quelle des Geschehens. Auch der Empfänger eines Sakramentes ist nicht zu isolieren, ist doch jedes Sakrament Gnadengeschehen für die gesamte Kirche. Gleichwohl bleibt ein Unterschied zwischen der Feier der Sakramente, die von allen Teilnehmenden getragen wird, und dem Empfang des Sakramentes eventuell nur durch Einzelne (bei einer Tauffeier feiern alle Anwesenden die Liturgie des Sakramentes, doch nur die Täuflinge lassen das Sakrament an sich vollziehen).
Dem Zusammenhang zwischen Sakramenten und Liturgie entspricht das Axiom „lex orandi lex credendi“. Die Theologie der Sakramente hat sich nicht zuletzt an deren Sinn- und Feiergestalt zu orientieren, wie umgekehrt die Liturgie sich durch die Theologie prägen und eventuell auch korrigieren lassen muss. Exkurs B: Sakramente als kommunikative Handlungen (A. Ganoczy; P. Hünermann) Der Blick auf die Liturgie unterstreicht den Handlungscharakter der Sakramente, für dessen Reflexion sich die Sprache moderner Kommunikationstheorie nahe legt. In
IV. Systematische Entfaltung kommunikationstheoretischem Verständnis sind die Sakramente innerkirchliche Kommunikationshandlungen, die für das Kommunikationsgeschehen zwischen Gott und den Menschen in Dienst genommen sind und die Hineinnahme in die innergöttliche Kommunikation zum Ziel haben. Drei Kommunikationsebenen sind also miteinander verknüpft: die Kommunikation zwischen Gott und den Menschen will hinführen zur innergöttlichen Kommunikation. Dazu wird die zwischenmenschliche Kommunikationsebene in Dienst genommen und ihrerseits selbst neu qualifiziert. In diesem Sinne versteht Alexandre Ganoczy die Sakramente als kirchliches, zwischenmenschliches Kommunikationsgeschehen, in dem sich der göttliche Kommunikationswille vermittelt. So gesehen sind Sakramente „Systeme verbaler und nonverbaler Kommunikation, durch welche zum Christusglauben berufene Menschen in die Austauschbewegung der je konkreten Gemeinde eintreten, daran teilnehmen und auf diese Weise, getragen von der Selbstmitteilung Gottes in Christus und seinem Geiste, auf dem Weg zu ihrer Selbstwerdung vorankommen“ (Ganoczy/34: 116; vgl. ebd. 106–135). Dieser Zugang kann insbesondere im Blick auf Kriterien der Sakramentspraxis und die Bearbeitung von Kommunikationsstörungen fruchtbar gemacht werden, hat allerdings den Nachteil einer eher technischen Sprache (vgl. Vorgrimler/47: 81). Peter Hünermann geht es bei der Beschreibung der Sakramente als kommunikativer Handlungen vor allem um die Frage, wie das, was in den Sakramenten gefeiert wird, in der kirchlichen Gemeinschaft wie auch in der Geschichte Wirksamkeit gewinnt. Die Sakramente sind kommunikative Handlungen, in denen sich der Lebensgrund der Kirche (das Jesusgeschehen, das Gotteswirken in der Kraft des Geistes) so vermitteln kann, dass er in der Geschichte wirkmächtig wird. In diesem Sinne sind die Sakramente „Figuren des Lebens“, die neue Konstellationen, „eine neue Konfiguration im Raum der Öffentlichkeit“ erwirken (vgl. Hünermann, Sakrament – Figur des Lebens. In: 70: 51–87; siehe auch 87).
4. Die Zeitdimensionen des Sakramentes Das Sakrament bricht die bloße Verlaufszeit auf und versammelt die drei Zeitdimensionen in sich: Es ist gedenkende Vergegenwärtigung des Christusereignisses, dadurch Heilszusage für die Gegenwart und Ausblick, mehr noch: Vorgeschmack der Vollendung. Thomas von Aquin nennt das Sakrament deswegen signum rememorativum, demonstrativum und prognosticum (STh III, q 60, a 3).
4.1 Erinnerung und Vergegenwärtigung des Christusgeschehens Nach jüdisch-christlicher Überzeugung entsteht Gemeinschaft von Gott und Mensch nicht in einer ungeschichtlichen vertikalen Beziehung, sondern schenkt sich in geschichtlichen Ereignissen, die in Raum und Zeit geschehen und doch über ihren konkreten zeitlichen und geographischen Ort hinaus bedeutsam sind, weil sie „ein für allemal“ den Raum des Bundes eröffnen. Die überzeitliche Geltung und Bedeutung von Ereignissen wird zugänglich durch das Gedenken. In der Feier des Gedächtnisses haben die Feiernden, die des Heilshandelns Gottes gedenken, selbst daran teil. Die für jüdisch-christliches Denken charakteristische Idee des Gedächtnisses hat ihre Wurzeln in der (vermutlich durch die nomadische Kultur be-
zikkaro¯n und anámnesis ¯
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dingten) Eigenart der religiösen Erfahrung Israels, die sich nicht an der Natur oder an einer mythischen Urzeit festmacht, sondern an Ereignissen, die dadurch präsent bleiben, dass sie erinnert werden. Infolgedessen begehen die religiösen Feiern nicht „heilige Ursprünge“, sondern erinnern Geschichte. Der jüdische Gedanke des zikkaro¯n (Gedächtnis) liegt insbesondere der Feier des Paschafestes zugrunde (vgl. Ex 12,14). Das Gedächtnis des Paschaereignisses lässt die Feiernden selbst am Exodusgeschehen teilhaben: „In allen Zeitaltern ist jeder verpflichtet, sich zu betrachten, als ob er gleichsam selbst aus Ägypten gegangen wäre. … Darum sind wir verpflichtet, zu danken, zu loben, zu preisen … ihm, der unseren Vätern und uns allen [!] diese Wunder getan. Er hat uns aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus dem Kummer zur Freude, aus der Trauer zu Festtagen, aus der Finsternis zu hellem Licht und aus der Dienstbarkeit zur Unabhängigkeit geführt“ (Pes 10,5bc10).
Der Gedächtnischarakter des Pascha ist der Wurzelboden für Jesu letztes Abendmahl mit seinen Jüngern und dessen Aufnahme in der Gedächtnishandlung der Eucharistie (unabhängig davon, ob das letzte Mahl Jesu ein Paschamahl war – siehe dazu unten S. 100). Das Gedächtniswort „tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19; vgl. 1 Kor 11,24 f.) übersetzt mit dem griechischen Wort anámne¯sis das jüdische zikkaro¯n. Die patristische Theologie ließ ihr platonisches Bilddenken durch eine geschichtsbezogene Gedächtnisstruktur tiefgreifend umprägen (siehe oben S. 32 und 33). Die abbildhaften liturgische Handlungen sind Abbilder nicht ewiger Urbilder, sondern anamnetische Repräsentation des Christusereignisses. Diese Gedächtnisstruktur der Mysterien ging in späterer Zeit verloren (siehe oben S. 40), bis sie im 20. Jahrhundert von der Mysterientheologie wiederentdeckt wurde. Bahnbrechend dafür war die Einsicht Odo Casels (siehe oben S. 44) von der Gegenwart der Heilstat Jesu Christi im Mysterium: „Er [Christus] ist nicht vergangen oder zukünftig, sondern unsere Gegenwart, die immer mit uns ist. Nicht nur seine Person aber wird uns dann gleichzeitig, sondern seine Heilstat … Vor allem sind es der Tod und die Auferstehung des Herrn, an denen wir unmittelbar teilhaben“ (Casel/8: 185). Gedächtnishandlung
Das Verständnis der Sakramente als Gedächtnishandlungen vertieft die christologische Begründung der Sakramente, die sich nicht in ihrer Einsetzung durch Jesus Christus erschöpft (siehe oben Abschnitt IV.2.), sondern auf einen tieferen Zusammenhang zwischen dem Christusereignis und den Sakramenten hinaus will. Es ist das Heilsgeschehen in Jesus Christus, das in den Sakramenten für die Glaubenden gegenwärtig und wirksam wird, wie es das Gabengebet am Gründonnerstag ausdrückt: „Herr, gib, dass wir das Geheimnis des Altares ehrfürchtig feiern; denn sooft wir die Gedächtnisfeier dieses Opfers begehen, vollzieht sich an uns das Werk der Erlösung“ (Feier der heiligen Messe/27: 29; die Oration findet sich im Altgelasianum um 750). 10
100.
Zitiert nach: Georg Fohrer: Glaube und Leben im Judentum. Heidelberg 31991,
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Im gewöhnlichen linearen Zeitverständnis, dem Zeit das bloße Nacheinander von messbaren Zeiteinheiten bedeutet, ist das Vergangene unwiderruflich von der Gegenwart geschieden. Diese Verlaufszeit aber wird durch das göttliche Ereignis, das die Fülle der Zeiten heraufführt, gesprengt. ‚Göttlich‘ ist „dasjenige Ereignis, dem unabsehbare Möglichkeiten ereignishafter Parusie offenstehen“ (Schaeffler, Kultisches Handeln. In: 87: 9–50, hier 17). Das Sakrament vermittelt solche Parusie, indem es im Gedenken das göttliche Wirken, wie es sich in Jesus Christus ereignet hat, in die Gegenwart einlässt. Somit ist Gedächtnis im gefüllten sakramentalen Sinn mehr als eine nur subjektive, bewusstseinsmäßige Erinnerung. Gemeint ist eine Gedächtnishandlung, in der das vergangene, aber in seinem Ergangensein überzeitlich bedeutsame Heilsgeschehen von sich her die Gegenwart qualifiziert. Denn die liturgische Anamnese, die wie das Sakrament als ganze durch ein Ineinander von göttlichem und menschlichem Handeln geprägt ist, bringt kirchliches und göttliches Gedenken zusammen. In der Gedächtnishandlung des Sakramentes, in der die Kirche des Heilstuns Gottes gedenkt, wird Gott angerufen, der selbst Subjekt des Gedenkens ist. So bittet die Oration am Karfreitag: „Gedenke, Herr, der großen Taten, die dein Erbarmen gewirkt hat“ (Feier der heiligen Messe/27: 65), und ruft damit den Gott an, der sich selbst treu bleibt und sich in derselben Weise, wie er einst gerettet hat, auch im Jetzt der Gegenwart als derselbe rettende Gott erweist. Indem er seiner Heilstaten gedenkt, nimmt er die versammelte Gemeinde in das, was er zum Heil gewirkt hat, hinein. Sein Heilswirken, wie es in einem Ereignis bleibend gültig konkret geworden ist, wird in seinem Gedenken denjenigen präsent, die ihrerseits dieser Heilstaten unter Danksagung gedenken. In der Gedächtnisfeier sind auf diese Weise „die Zeiten überbrückt … [, so dass] wir heute nicht die bloß Nachgeborenen, immer schon zu spät Gekommenen angesichts der schon gewesenen Heilstaten Gottes sind“ (Häußling/68: 118).
4.2 Heilszusage für die gegenwärtige Situation menschlichen Lebens Das in Jesus Christus geschenkte Heil wird im Gedächtnis vergegenwärtigt, um die gegenwärtige Lebenssituation von Menschen neu zu qualifizieren. Exkurs C: Einfügung menschlicher Ursituationen in die Christusgeschichte (J. Ratzinger; W. Kasper) „Von jeher stellt sich dem Menschen an den wichtigen Stationen seines Lebens mit besonderer Eindringlichkeit die Frage nach dem Sinn dieses Lebens. Lebensvorgänge von besonderer Bedeutung, wie Geburt, Eintritt in die bewußte und entschiedene Auseinandersetzung mit Umwelt und Gesellschaft, Eheschließung, Schuld, schwere Krankheit und Tod, lassen ihn danach fragen, was hinter diesem Geschehen steht, woher sein Leben kommt und wohin es führt. Eine eigene Deutung und Bestimmung solcher Situationen gibt der christliche Glaube in den Sakramenten. Hier werden die zentralen Lebensfragen des Menschen aufgegriffen und finden Antwort und Hilfe zu ihrer Bewältigung in der Begegnung mit Christus, die Heil be-
Ineinander von göttlichem und menschlichem Gedenken
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Allgemeine Sakramentenlehre wirkt.“ Mit diesen Formulierungen nimmt die Würzburger Synode von 1976 (Beschluss Sakramentenpastoral, A./9: 240) Gedanken auf, die von Joseph Ratzinger und Walter Kasper entwickelt wurden. In vielen Kulturen werden Schlüsselsituationen menschlichen Lebens – wie Geburt und Tod, Mahl, Schuld, Ehe und die Übernahme besonderer Funktionen für die Gemeinschaft – von Riten begleitet, welche den Segen des Göttlichen herabflehen. Es sind Knotenpunkte menschlicher Existenz, an denen nach dem Woher und dem Wohin menschlichen Lebens gefragt wird. Auch die Sakramente nehmen solche „Ursituationen“ auf. Das unterscheidend Christliche der Sakramente liegt darin, dass die menschlichen Knotenpunkte nicht mehr nur auf das Ewige aufgebrochen werden, sondern auf die Geschichte Jesu Christi: „Die sichtbaren Realitäten, die schon von ihrer Schöpfungsbestimmtheit her gleichsam eine gewisse Durchlässigkeit für den Schöpfergott zeigen, haben dadurch eine neue, existenzentscheidende Bedeutung gewonnen, daß sie eingefügt sind in den Zusammenhang der Christusgeschichte und Medien der Vermittlung dieses neuen geschichtlichen Zusammenhangs geworden sind“ (Ratzinger/84: 21f.; vgl. Kasper/71: 299–303). Sakramente als Lebenswenden
In den vergangenen Jahren ist im Interesse des anthropologischen Ansatzes (siehe oben S. 19 f.) die Bezogenheit der Sakramente auf Situationen der Lebenswende stark betont worden (siehe auch die Beiträge aus der Sicht von Frauen in: 61). Schon aus pastoralen Gründen ist es naheliegend, die Sakramente auf die Bruchstellen menschlichen Lebens, an denen sich die Sinnfrage fast unvermeidlich und eindringlicher stellt, zu beziehen. Vor allem den situationsspezifischen Sakramenten (wie z. B. Buße, Krankensalbung, Ehe) ist dieser Bezug ja auch selbst eingeschrieben. Menschliche Existenz ist auf Gott hingeordnet, eine Hinordnung, die sich in bestimmten Situationen stärker zur Erfahrung bringt. Die Sakramente vereindeutigen die Bruchstellen menschlicher Existenz in ihrer positiven Bedeutung als Einbruchsstellen des Geistes Gottes (so dass selbst Schuld zur felix culpa werden kann). Der Ansatz bei den Lebenswenden und Knotenpunkten menschlichen Lebens hat jedoch Grenzen, wie sich an der Taufe zeigt. Deren naheliegende Zuordnung zur Situation der biologischen Geburt stimmt mit der genuin christlichen Sicht der Taufe nicht überein. Zwar wird eine Geburt gefeiert, doch nicht die eines Säuglings, sondern die Neuschöpfung eines Menschen in der Gemeinschaft mit Christus. Es geht um eine Neuqualifizierung des menschlichen Lebens, die vom Sakrament selbst her erfolgt. Deswegen gilt: „Sakramente sind nicht mit den Lebenswenden verbunden und werden nicht an den Lebenswenden gespendet, sondern Sakramente sind Lebenswenden“ (Armbruster/51: 197). Sie wollen neues Leben stiften und wenden von sich her das Leben. Somit ist durch die Sakramente eine einschneidende Neuorientierung menschlicher Existenz sowohl ermöglicht als auch verlangt. Von hier aus leuchtet ein, warum sakramentales Geschehen Prozesse voraussetzt und nach sich zieht. Wie sich menschliche Lebenswenden nicht punktuell ereignen, sondern sich anbahnen und sich auszeitigen, so bedürfen auch die christlichen Sakramente vorbereitender Wege, die gewährleisten, dass das ganze Leben in die Lebenswende eingebracht wird, und einer nachfolgenden Sorge um eine Kultur des Lebens aus den Sakramenten.
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4.3 Eschatologische Dimension: Hoffnungszeichen Kraft des Christusereignisses, welches das eschatologische Ereignis unüberholbaren und endgültigen Heils ist, sind die Sakramente eschatologische Größen. Sie verleiblichen das endgültige Ja Gottes zum Menschen, das ewiges, unzerstörbares Leben schon mitten in der vergänglichen Zeit schenkt. Indem sie Tod und Auferweckung Jesu Christi vergegenwärtigen, lassen sie die vollendende Zukunft aufleuchten, wie sie uns erst noch erwartet. In spannungsreicher Formulierung bringt die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils die eschatologische Dimension der Liturgie mit dem Pilgerstand der Kirche in Verbindung: „In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd unterwegs sind“ (SC 8). Die sakramentale Antizipation der Vollendung ist nicht unzulässiger Vorgriff, sondern gerade Stachel, die faktische Gegenwart nicht absolut zu setzen, weil es eine größere Hoffnung gibt: In der Liturgie „erwarten wir den Erlöser, unseren Herrn Jesus Christus, bis er erscheint als unser Leben und wir mit ihm erscheinen in Herrlichkeit“ (SC 8). Die Sakramente sind Hoffnungszeichen, die in die Spannung von Schon und Noch-nicht einweisen. Indem sie die Hoffnung wach halten, erlauben sie das Feststehen in dem Erhofften, das sie im Zeichen repräsentieren. Dies befähigt dazu, ohne Beschönigung und Verdrängung in der Realität des Noch-nicht zu leben. So gesehen sind die Sakramente nicht Versuche, sich aus einer noch unerlösten Welt schon in einen separaten Heilsbereich zurückzuziehen, sondern Stärkung, sich aus einer lebendigen christlichen Hoffnung heraus in dieser für das Heil bestimmten Welt zu engagieren. Wer (unter anderem) in den Sakramenten je neu auf das Leben ausblickt, das es zu gewinnen gibt, wächst immer mehr in die Bereitschaft hinein, das eigene Leben loszulassen und zu verlieren.
5. Sakramente als Heilsereignisse Zur traditionellen Wesensbestimmung der Sakramente gehört die Aussage, dass es sich um wirksame Zeichen handelt. Diese Festlegung ist in zweifacher Hinsicht klärungsbedürftig. In der Geschichte ist die Wirksamkeit des Sakramentes zuweilen mechanistisch betrachtet worden, als sei es selbst die Ursache für die Mitteilung von Gnade. Die thomanische Theologie, die theologiegeschichtlich zum Interesse an der objektiven Wirksamkeit der Sakramente wesentlich beigetragen hat, wahrte allerdings in differenzierter Betrachtungsweise das Subjektsein Gottes im sakramentalen Geschehen (siehe oben S. 39 f.): Die Wirksamkeit des Sakramentes ist als Wirken Gottes im Sakrament auszulegen. Wie aber ist ein solch konkretes persönliches Engagement Gottes zu verstehen (5.1)? In Anbetracht der umfassenderen Heilsgeschichte scheint zudem die Vorstellung eines punktuellen Wirkens Gottes im Sakrament problema-
erneuerte Sicht der Wirksamkeit
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tisch. Wie verhalten sich Heilsgegenwart aufgrund von Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi und Heilsverwirklichung durch die Sakramente zueinander? Die Einsichten von Abschnitt IV.4.1 sind hier weiterzuführen in der Frage, welche Heilsbedeutung den Gedächtnishandlungen zukommen kann: Inwiefern sind sie kraft des einen Heilsereignisses selbst Heilsereignisse (5.2)? Beide Klärungen führen zu einem Verständnis der Sakramente als Begegnungsgeschehen, so dass die traditionelle Rede von ihrer Wirksamkeit in eine personale Begrifflichkeit zu heben ist (5.3). Sodann ist zu beleuchten, wie die Gestalt der Sakramente ihrem Anspruch, wirksames Geschehen zu sein, korrespondiert (5.4).
5.1 Das Wirken Gottes im Sakrament Die Kirche wendet sich in der Liturgie der Sakramente an Gott mit der Bitte, ihr betendes Handeln mit seiner Gnade zu erfüllen. In puncto Konkretheit lässt solches Bitten nicht zu wünschen übrig: Die Kraft des Geistes soll in das Taufwasser herabsteigen und die auf dem Altar liegenden Gaben von Brot und Wein heiligen, Gott soll konkreten Menschen seine Vergebung und seine heilende Nähe schenken. Handelt Gott so konkret (siehe oben S. 14)? Im Rahmen neuzeitlichen Denkens fällt diese Vorstellung schwer. Gott scheint eher als transzendentale Bedingung menschlicher Subjektivität, Horizont der Welt denn als begegnendes Antlitz denkbar. Der christliche Glaube bekennt Gott als denjenigen, der von sich aus Beziehung zum Menschen sucht. Er ist nicht ein transzendenter, weltjenseitiger Gott, sondern will den Menschen an sich teilgeben – und tut dies in konkret-geschichtlicher Vermittlung (siehe oben die Abschnitte I.2. und II.2.). Die Frage nach dem Wirken Gottes in der Geschichte kann vom biblischen Zeugnis her nur auf das Wie, nicht auf das Ob zielen. Zur weiteren Erhellung der Thematik kann hier eine Kontroverse, die im Rahmen der Vorsehungslehre geführt wurde, sakramentstheologisch fruchtbar gemacht werden (vgl. zum Ganzen Bernhardt/51a; Kessler/53; Schulte/55). In Reaktion auf die neuzeitliche Verlegenheit, dass Gott in einer auf weltliche Zusammenhänge beschränkten Betrachtung (etwa des Historikers) nicht als Handlungssubjekt in der Geschichte identifizierbar ist, hat Béla Weissmahr die These entwickelt, dass Gott in der Geschichte nur vermittelt durch Zweitursachen wirkt. Demnach muss alles, was sich in der Welt ereignet, auf innerweltliche, geschöpfliche Kräfte zurückgeführt werden, während das Wirken Gottes ausschließlich erstursächlich zu verstehen ist.11 Das Problem des Nicht-Vorkommens Gottes wäre so elegant gelöst, weil Gott nach diesem Verständnis prinzipiell nicht als Handlungsfaktor in Welt und Geschichte vorkommen kann, würde er doch dann als eine Zweitursache unter anderen fungieren. Ein unmittel11 Vgl. Béla Weissmahr: Gottes Wirken in der Welt. Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der Evolution und des Wunders. Frankfurt a. M. 1973.
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bares Subjektsein Gottes in den Sakramenten wäre nach dieser Theorie nicht haltbar: In ihrem Rahmen wäre das Sakramentsgeschehen auf ein eigenständig in der Welt agierendes Subjekt (z.B. die Kirche) zurückzuführen. Die Verkürzung allen Wirkens Gottes auf seine Erstursächlichkeit haben verschiedene Autoren mit guten Gründen bestritten, um dem biblischen Zeugnis entsprechend an einem persönlichen Wirken Gottes in der Geschichte festzuhalten. Allerdings bedarf es einer Präzisierung, was mit diesem Wirken gemeint ist. Eine erste Präzisierung betrifft den Vorstellungsrahmen. Anders als es die Rede vom „Eingreifen Gottes in die Welt“ suggeriert, wirkt Gott nicht von außerhalb in die Welt hinein. Vielmehr ist von seiner personalen Präsenz, seinem Da- und Mitsein in Schöpfung und Geschichte auszugehen. Von daher sind die Sakramente nicht Medien eines außerordentlichen Hineinwirkens Gottes in die sonst ohne ihn funktionierende Geschichte, sondern Verdichtungen der auch sonst gegebenen Präsenz Gottes. Daraufhin wird aber eine weitere Klärung notwendig: Kann man sagen, dass Gott in diesen sakramentalen Geschehenzusammenhängen „mehr“ am Werk ist als anderswo? Gibt es ein über die grundsätzlich gegebene Nähe Gottes hinausgehendes, hier und jetzt geschehendes Wirken Gottes? Offenkundig macht „der Gedanke der Allgegenwart und Allwirksamkeit Gottes … geringere Schwierigkeiten als der seiner besonderen Gegenwart und Wirksamkeit in bestimmten Ereignissen und Personen“ (Kessler/53: 121) Ein besonderes Handeln ließe sich jedoch nur leugnen, wenn zugleich bestritten würde, dass Gott sich auf personale Beziehungen mit dem Menschen einlässt. Er ist der Gott, der auf Menschen schaut, ihrer gedenkt, sich ihnen zuwendet – in je konkreter, besonderer Weise. Der Gedanke eines partikulären Handelns Gottes ist nicht als anthropomorph abzuweisen; es gilt vielmehr zu klären, welche menschlichen Erfahrungen sich eignen, um von solchem Handeln Gottes zu sprechen. Angemessen erfasst wird das Wirken Gottes in der Geschichte nur als personales Kommunikationsgeschehen. Gott wirkt in der Welt nicht wie eine mechanische Ursache; vielmehr ist sein Wirken als personaler Selbstvollzug auf den Menschen hin zu verstehen (womit nochmals unterstrichen ist, dass es sich um sein persönliches, ureigenes Wirken handelt). Im Fokus steht damit nicht die konkrete Aktion, sondern das Selbstengagement Gottes, das aus seiner Freiheit hervorgeht und die Freiheit des Menschen angeht. Raphael Schulte beschreibt das Gemeinte am Beispiel zwischenmenschlicher Interaktion: „Das willentliche, persönlich-engagierte Da-Sein bei und Mit-Sein mit dem anderen ist gewollter und bewußter Selbstvollzug der Person auf die andere Person hin, der nicht schon im puren Miteinander-Existieren … besteht, vielmehr in Freiheit getan sein will und als Sichselbst-Aktuieren wirkliches und wirksames Wirken zuerst auf die andere Person und deren Freiheit hin darstellt, um gegebenenfalls sich auch in weitere Handlungen hinein auszuwirken“ (55: 148). Dieser personalen Sicht widerspricht nicht, dass sich das Engagement Gottes für Menschen, wo es sich in konkreten Handlungen auswirken will, geschichtlich-konkreter Medien bedient. Solche sind nicht als Zweit-
Wirken als Kommunikationsgeschehen
vermittelt durch geschöpfliche Medien
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Allgemeine Sakramentenlehre
Sakramente als Wirkweisen Gottes
ursachen12, sondern als Instrumentalursachen zu bezeichnen, weil sie gerade nicht eigenwirksam agieren, sondern zur Vermittlung des göttlichen Wirkens dienen. Geschöpfliches, an sich schon transparent für den Schöpfer, wird dienstbar gemacht, um Ausdruck des sich in personaler Freiheit erschließenden Gottes zu werden. Das so vermittelte Wirken Gottes ist also ein „Kommunikationsgeschehen, in dem der Kommunizierende – als causa – durch ein von ihm Bewirktes – ein Medium –, das ihm ganz nah ist, und dieser Gott-Nähe, ja Göttlichkeit entsprechend kommuniziert, mehr über sich mitzuteilen vermag, als an anderen Orten der Schöpfung in Erfahrung gebracht werden kann“ (Werbick/56: 233). Sakramente sind Weisen des beschriebenen Selbstengagements Gottes, das sich in Freiheit Menschen zuwendet. Dabei geht es auch hier um ein Kommunikationsgeschehen, das durch die Beziehung zwischen Personen zu charakterisieren ist. Gott manipuliert in den Sakramenten nicht Materie, um sie an Menschen wirken zu lassen, sondern er begegnet in den Sakramenten der menschlichen Freiheit. Der personale Selbstvollzug Gottes auf Menschen hin vermittelt sich dabei aber konkret-geschichtlich durch geschöpfliche Zeichen und Gesten, die, weil sie für die Selbstmitteilung Gottes in Dienst genommen sind, eine besondere Qualität gewinnen. Sakramente sind Orte der Begegnung mit Gott, die sich durch ihre Konkretheit und Ausdrücklichkeit auszeichnen und insofern ein qualitatives „Mehr“ aufzuweisen haben. Gott teilt sich hier in größerer Evidenz, unverhüllter und greifbarer mit als sonst in der Geschichte. Diese Sichtweise, welche die Sakramente als besondere „Wirkweisen“ Gottes heraushebt, stellt nicht in Frage, dass es andere, nicht-sakramentale Erfahrungsweisen des Selbstengagements Gottes für Menschen gibt; die Sakramente bieten aber verlässliche Orte solcher Begegnung. Sie sind eine Weise, wie Gott seine heilvolle Nähe in personaler Freiheit zur Begegnung verdichtet. Ihn selbst als Subjekt des Sakramentsgeschehens zu erkennen ist für das Verständnis der Sakramente konstitutiv: Die Feier der Sakramente ist durch die Zuversicht bestimmt, dass das Geschehen der Sakramente mehr ist als das kommunikative Zusammenspiel der versammelten Menschen; sie lebt aus dem Vertrauen auf die zwar verheißene, aber dennoch unverfügbar begegnende Zuwendung Gottes von sich her. Das liturgische Geschehen muss durch das Ausschauhalten nach seinem Wirken bestimmt sein, gleichsam als das Öffnen der Hände in der Sehnsucht und zugleich der Gewissheit, sie von ihm her gefüllt zu bekommen.
5.2 Das Heilsereignis: Ereignis in Ereignissen Gott wirkt in den Sakramenten – in der Tradition ist damit nicht nur gesagt, dass seine Gnade sich durch die Sakramente mitteilt, sondern zugespitzt auch, dass sich dadurch die Situation des Menschen vor Gott tiefgreifend 12 Der Begriff der Zweitursächlichkeit dient ursprünglich dazu, das Wirken endlicher Seiender als deren eigenes Wirken unter der Erstursache Gott zu erfassen, nicht aber sollte damit gesagt sein, dass Gott ausschließlich als Erstursache wirksam wird.
IV. Systematische Entfaltung
verändert. Die Taufe lässt die Täuflinge „mit Christus in seinen Tod hineinbegraben“ (Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser: Feier der Eingliederung Nr. 215/24: 137) sein. Warum aber bedarf es der Sakramente, solches Heil zu realisieren? Ist nicht mit der Menschwerdung, mit Tod und Auferweckung schon alles geschehen? In diesem Sinne wird in der neueren Theologie oftmals das Wort Rahners zitiert, die Sakramente seien nicht „als punktförmige Einbrüche Gottes in eine profane Welt, sondern als Ausbrüche … der innersten, immer gegebenen Begnadetheit der Welt mit Gott selbst in die Geschichte hinein zu verstehen“ (83: 230). Wird nicht das gegebene Heil unterschätzt, wenn man die Sakramente als Heilsereignisse beschreibt? Zwei Aspekte sind hier zusammenzuhalten. Auf der einen Seite ist die Heilsgeschichte kein Sonderbereich der Weltgeschichte. Das Heilsereignis bestimmt Welt und Geschichte nicht nur potentiell, sondern wirksam ein für allemal und universal neu. Auf der anderen Seite sind Heils- und Weltgeschichte gleichwohl nicht identisch, weil das Heilsangebot zwar immer und überall präsent ist, dies aber im Modus des Angebotes. Die Heilsqualität der Geschichte und der Welt ist eine andere, wenn dieses Angebot auf Annahme stößt und die Gabe freigesetzt werden kann. Was in der Menschwerdung begonnen hat, muss sich darum noch fortschreitend auswirken. Die Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus kann sich nicht anders als in einem dialogischen Geschehen verwirklichen, das auf den Glauben und die freie Annahme seitens des Menschen angewiesen ist. Aus diesem Grund gibt es Konkretionen des Wirkens Gottes, in denen sich das ein für allemal geschehene Heilsereignis innergeschichtlich vermittelt. Zum Wesen des Heilsgeschehens gehört es, dass das eine grundlegende Heilsereignis, in dem Gott für alle Menschen Heil erwirkt und geschenkt hat, aufs Neue Ereignis wird, „als Ereignis in Ereignissen“ (Schulte/116: 172), genauerhin könnte man – in Anschluss an Abschnitt IV.4.1 – sagen: Ereignis in anamnetischen Ereignissen. Das eine Heilsereignis erschließt sich den einzelnen Menschen durch geschichtliche Vermittlungen, im Normalfall Wort und Sakrament, damit in dieser Konkretion Gottes Heilszusage und gläubige Annahme des Menschen sich begegnen. An dieser Stelle wird verständlich, warum die kirchliche Lehre von der (Heils-)Notwendigkeit der Taufe spricht. Wenn der geschichtliche Charakter der göttlichen Heilsmitteilung ernst genommen wird, gehört dazu auch der geschichtliche Weg, in dem das in Jesus Christus geschenkte Heil sich vermittelt. Wohl ist die Gnade Gottes nicht an die Sakramente gebunden und besteht eine Heilsmöglichkeit auch außerhalb der Kirche (vgl. LG 16). Dennoch weist das biblische Zeugnis vom Heilshandeln Gottes auf die Treue Gottes zu den Bedingtheiten seiner Schöpfung: Er geht auf die Menschen in einer den Menschen gemäßen Weise zu, gibt seiner Zuwendung geschichtlich-konkrete Gestalt und ist auf die Zustimmung des Menschen bedacht. Die Sakramente sind der gewöhnliche Weg, in dem das in Jesus Christus eröffnete Heil in der Geschichte fortwirkt und die Lebensgeschichte einzelner Menschen ergreift und neu prägt. Denjenigen, die die Heilsbedeutung Jesu Christi erkannt haben, steht es deswegen nicht frei, sich durch die Sakramente an ihm teilgeben zu lassen.
Heilsgegenwart und dialogische Heilsverwirklichung
„Heilsnotwendigkeit“
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Allgemeine Sakramentenlehre
Damit ist nicht gesagt, dass sich Gnade und Heil ausschließlich in den Sakramenten ereignen. Zu Recht wird in der neueren Theologie eine gewisse Fixierung der christlichen Frömmigkeit auf die Sakramente aufgebrochen, um das Handeln Gottes im Sakrament nicht von anderen Wirkweisen seiner Präsenz zu trennen. Dies gilt außerhalb der Kirche, erst recht aber für das Leben der Getauften, deren Leben durch Taufe (und Firmung) bereits sakramental grundgelegt ist. Umgekehrt stellt aber die Universalität des Heilswillens Gottes, aufgrund dessen Welt und Geschichte wie auch das Leben der einzelnen Menschen sich immer schon im Horizont der Gnade bewegen, nicht in Frage, dass Gott sich in den Sakramenten in intensivierter Ausdrücklichkeit und Konkretheit begegnen lässt – damit sein Heil im Gespräch der Freiheit von Gott und Mensch Gestalt gewinnt.
5.3 Sakramente als personale Begegnung
Zuvorkommen Gottes
Insofern die Sakramente der dialogischen Heilsverwirklichung dienen, erweist sich die scholastische Rede von instrumentaler Wirksamkeit als nur begrenzt aussagekräftig. In den Sakramenten geht es um personale Begegnung, die Lothar Lies als gegenseitige Raumgabe (Perichorese) von Gott und Mensch beschreibt. „In den Sakramenten gibt Gott in seiner unzerstörbaren Identität und Personalität dem Menschen Raum. Und in den Sakramenten erklärt sich der Mensch bereit, Gott Raum zu geben“ (Lies/40: 49 f.). Christologisch formuliert: Die Sakramente sind die Weise, wie Menschen ihren Ort „in Christus“ (Röm 8,1 u. ö.) finden und wie sie umgekehrt zulassen, dass nicht mehr sie selbst leben, sondern Christus in ihnen (Gal 2,20). Wenn das Sakrament ein Geschehen personaler Begegnung ist, dann ist zu fragen, wie die beteiligten Personen darin repräsentiert sind. Dabei ist zu beachten, dass die sakramentale Begegnung von Gott und Mensch aus der Vorgabe Gottes lebt, deswegen aber nicht weniger nach der gläubigen Antwort des Menschen verlangt. Die Sakramente feiern das vorbehaltlose Entgegenkommen Gottes, in dem er das menschliche Geschick angenommen und seine Liebe selbst dann noch durchgehalten hat, als dies den Kreuzestod kostete. Dieses letztgültige Ja Gottes zum Menschen verleiblicht sich in den Sakramenten, um sich allen Menschen konkret zuzusagen. Die Unbedingtheit des Zuvorkommens Gottes wird sakramentstheologisch auf zweifache Weise konkretisiert. Die kirchliche Tradition begründet die Gabe des Sakramentes nicht im menschlichen Glauben, sondern im Handeln Gottes (siehe oben Abschnitt IV.5.2). Insofern schenkt es aller subjektiven menschlichen Zustimmung zuvor aufgrund der Vor-Gabe Gottes und der Verlässlichkeit seiner Zuwendung „objektiv“ Heil. In traditioneller Terminologie gesprochen ist das Sakrament somit wirksam ex opere operato, kraft der vollzogenen sakramentalen Handlung (siehe oben S. 40). Die Initiative Gottes im Sakramentsgeschehen wird zudem dadurch symbolisiert, dass es in der Regel an ordinierte Amtsträger gebunden ist: In der
IV. Systematische Entfaltung
sakramentalen Feier schenkt sich, was die Kirche nicht aus sich selbst heraussetzen kann. Der Vorsteher der Feier ist ordiniert, um im kirchlichen Leben die Stelle zu kennzeichnen, die allein Jesus Christus selbst ausfüllen kann (siehe im Zweiten Teil, Abschnitt V.) So sehr das Sakrament unbedingte Selbstzusage Gottes ist, so sehr ist es – als dialogische Gestalt der Heilsverwirklichung – andererseits auf den Glauben des Menschen angewiesen: Die göttliche Gabe wird im Gefäß der menschlichen Antwort angenommen und ist darauf so sehr angewiesen, dass das Sakrament ohne einen wenigstens rudimentären menschlichen Anteil nicht auskommt. Die gläubige Antwort gehört zur objektiven Gestalt des Sakramentes mit hinzu, wie insbesondere einer nicht reduktionistischen (sich auf die Minimalbedingungen des Zustandekommens beschränkenden) Betrachtungsweise deutlich zutage tritt. Die Sakramente sind auf die Bereitstellung der jeweiligen „materia“ angewiesen: Brot und Wein bei der Eucharistie, die menschlichen Bußakte beim Bußsakrament. Ohne die Bereitschaftserklärung bei der Ordination oder das Glaubensbekenntnis bei Taufe und Firmung, ohne die von der Eucharistiegemeinde erklärte Bereitschaft zur Danksagung („das ist würdig und recht“) fehlen die Voraussetzungen für die Feier des Sakramentes. Die liturgische Feiergestalt kennt darüber hinaus vielfältige Formen der anabatischen (aufsteigenden) Bewegung, angefangen vom gehaltvollen Amen über Orationen bis hin zu Gesten wie den zum Kommunionempfang ausgestreckten Händen. Die objektive, rituelle Seite menschlichen Glaubens weist über sich hinaus auf die umfassendere subjektive Bereitschaft, sich auf die sakramentale Begegnung einzulassen, der Gabe die nötige Offenheit entgegenzubringen und sie in das eigene Leben zu integrieren. Ein Sakrament, das nicht im Leben durchbuchstabiert wird, wird zum leeren Zeichen. Das Sakrament will in seiner menschlichen Seite Kristallisation sein, in die sich die subjektive Suche nach dem neuen Leben in Christus hineingibt, um dadurch tiefer zu sich selbst zu kommen. Dazu ist der subjektive Glaube in einem zweifachen (fides quae und fides qua entsprechenden) Sinn vorausgesetzt. Ohne die Zustimmung zum christlichen Bekenntnis fehlt die Basis für die Feier des Sakramentes. Zugleich verlangt das Sakrament die Bereitschaft, sich der sakramentalen Selbstmitteilung Gottes in vertrauendem Glauben zu überlassen. Umgekehrt wird der in das Sakrament eingebrachte Glaube durch das Sakrament, nicht zuletzt durch die leibhaftigen Gesten, auch gestärkt (vgl. SC 59).
5.4 Die Gestalt der Sakramente Begegnung von Gott und Mensch findet nicht ausschließlich in den Sakramenten statt, findet durch deren Konkretheit aber zu einer heilsamen Ausdrücklichkeit. Dazu trägt einerseits das Wort im Sakrament, andererseits das Sakramentszeichen bei. Wenn von Wort und Sakrament gesprochen wird, so ist das Wort außerhalb des Sakramentes, das wie dieses Heilsereignis ist, vom Wort innerhalb des Sakramentes zu
Sakrament und Glaube
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Allgemeine Sakramentenlehre unterscheiden (siehe zum Verhältnis beider die Studie von Moos/75). Dabei differenziert sich letzteres noch einmal in die Wortverkündigung innerhalb der Liturgie des Sakramentes und in das „Spende“wort im unmittelbaren Sakramentsvollzug aus. Schließlich sind bei diesem letzteren Deutewort verschiedene Verständnisweisen zu unterscheiden. Die katholische Theologie tendiert traditionell vor allem bei der Eucharistie dazu, das Wort im Sakrament als Konsekrationswort über die Materie zu verstehen. Bei genauerem Hinsehen ist zu beachten, dass die sog. Konsekrationsworte bei der Eucharistie konstitutiv in das eucharistische Hochgebet eingebunden, also Gebetsworte sind. In ähnlicher Weise gehört ein Hochgebet auch bei den anderen Sakramente zur Gestalt des Sakramentes. Wie etwa in der Taufformel oder im Begleitwort zur Krankensalbung deutlich wird, hat das Wort im Sakrament schließlich auch Anrede- und Verkündigungscharakter, wie dies die evangelische Praxis und Theologie hervorhebt. wirksames Wort
Das Verständnis des Wortes im Sakrament setzt eine Theologie des Wortes Gottes als Heilsereignis voraus. Es ist im biblischen Verständnis schöpferische, wirksame Kraft (vgl. Gen 1; Jes 55,10 f.; Hebr 4,12 f.). Auch im Sakrament ist es Weise des Sich-Mitteilens Gottes. Das Wort im Sakrament nimmt das Zeichen aus dem nur natürlichen Bereich heraus und hebt es in die Dimension geistiger Personalität. Als Anrede macht es aus dem Zeichenvollzug ein Begegnungsgeschehen. Damit ist nicht jeglicher kognitive Gehalt als bloße Belehrung abzulehnen. Es geht beim Wort auch um eine heilsame Vereindeutigung des Sakramentsgeschehens. Zwar ist auch das Zeichen z. B. der Krankensalbung sprechend, doch erst am Wort wird ablesbar, in wessen Namen und Vollmacht die heilende Zuwendung zum Kranken hier geschieht. Durch das gesprochene Wort wird das zeichenhafte Geschehen souverän in Dienst genommen für die Selbstzusage Jesu Christi. Darin aber wiederum zeigt sich, dass das Wort nicht nachträglich als bloße Erklärung zum Zeichen hinzukommt, vielmehr kann umgekehrt das Zeichen als Kristallisation des Wortes gedeutet werden. In diesem Sinne ist nach Rahner das Sakrament „die höchste Wesensverwirklichung des wirksamen Wortes Gottes als Gegenwärtigung der Heilstat Gottes im radikalen Engagement der Kirche … bei entscheidenden Heilssituationen des einzelnen“ (140: 329). Exkurs D: Sakramente als Sprachhandlungen Der Handlungscharakter des Wortes ist in der neueren Theologie mit Hilfe der Sprachphilosophie neu erschlossen worden. Anders als die nur informierende, eine unabhängig von der Sprache bestehende Wirklichkeit beschreibende Rede setzt die performative Rede Wirklichkeit, die ohne solche Rede nicht bestehen würde. Aufgrund juridischer Übereinkunft hat eine Formel wie „die Sitzung ist hiermit eröffnet“ Handlungscharakter. Auch ohne solche Übereinkunft schafft ein Wort im personalen Bereich Wirklichkeit etwa als Zuspruch von Vergebung oder bei einer Liebeserklärung. Das Wort im Sakrament ist als ein solcherart Wirklichkeit schaffendes Wort zu verstehen. Allerdings darf dabei der einzelne Sprechakt („ich taufe dich …“) nicht vom liturgischen Zusammenhang isoliert werden. Liturgie ist ein Gesamtgefüge von Sprachhandlungen verschiedener Art (vgl. Sattler/85: bes. 137 f.).
Zeichen als Verdichtung des Wortes
Wenn Rahner das Sakrament als Höchstform des Wortes versteht, so nimmt er eine Verdichtung des Wortes an, die auf das Zeichen im Sakrament zurückzuführen ist. Im Vergleich von Wort und Zeichen ist es die
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spezifische Leistung des Wortes, sogar das bezeichnen zu können, was durch Zeichen kaum einholbar ist, weil es in der Welt nicht sichtbar-konkret vorkommt. Jedes Zeichen ist auch durch Worte umschreibbar, während es nicht möglich ist, alles, was in Worten ausgesagt wird, auch in Zeichen umzusetzen. Dennoch sprechen Zeichen insbesondere im Bereich personaler Begegnung oft intensiver als Worte: eine Umarmung wird zum herzlichen Ausdruck der Liebe, ein Händedruck spendet mehr Trost oder mehr Ermutigung als nur ein Wort. Wenn im Sakrament Wort und Element bzw. Geste zusammenkommen, so spricht es somit umfassender, leibhaftkonkreter an als das Wort allein. Zu betonen ist, dass das sichtbare Zeichen im Sakrament nicht notwendig eine Sache (Wasser, Öl) ist, sondern auch oder zugleich die Handlung sein kann. Bei der Taufe ist das Zeichen also nicht nur das Wasser, sondern näherhin das Untertauchen in Wasser. Auf dieser Linie wird in der neueren Theologie auch der Gedanke des heiligen Spieles wieder verstärkt aufgegriffen: Die Sakramente sind ein Spiel in Worten und Gesten, in denen die Kirche die Geschichte feiert, der sie sich verdankt, und die Hoffnung, welche sie bewegt. Die Ausdruckskraft des Zeichens im Sakrament kann mit Hilfe des Symbolbegriffs vertieft werden. In Überwindung einer eindimensionalen Weltauffassung ist auch außerhalb der Theologie eine Vielzahl von Symboltheorien entstanden, die in Sorge um die Symbolfähigkeit des Menschen neue Zugänge zu erschließen suchen. Dabei ist das hier mit Symbol Gemeinte abzugrenzen von Vertretungszeichen, die auf etwas verweisen, das sie nicht selbst sind, so dass sie selbst als bloße Signale, Piktogramme oder Icons eindimensional nichts anderes als sie selbst sind. Demgegenüber geht es beim gefüllten Symbol um eine mehrdimensionale Wirklichkeit. Der Grundbedeutung nach kommen im Symbol (von symballein: zusammenwerfen) zwei Wirklichkeitsdimensionen zusammen: Eine geistige Größe verschafft sich einen äußeren, leiblichen Ausdruck, in dem sichtbar wird, was an sich unsichtbar und ungreifbar ist. Dieses Zusammenkommen von zwei Wirklichkeitsdimensionen ist dynamisch als zweifache Bewegung zu deuten. In einer zum Symbol führenden Bewegung drückt sich eine geistige Wirklichkeit leibhaftig aus. Umgekehrt führt eine Bewegung vom Symbol zum Symbolisierten, insofern das Symbol auf das Symbolisierte zurückwirkt und es zu sich selbst kommen lässt. Das Symbol ist somit der Wirklichkeit, die das Symbol setzt und darin symbolisiert ist, nicht äußerlich. Der Leib etwa ist in diesem Sinn Symbol der Person, in dem sie sich ausdrückt, um durch solchen Selbstausdruck zu sich selbst zu kommen. Im theologischen Bereich wurde der konstitutive Zusammenhang zwischen Symbolisiertem und Symbol durch Rahner in den Begriff des Realsymbols gefasst. Exkurs E: Das Sakrament als realsymbolische Wirklichkeit (K. Rahner) Karl Rahner benennt mit Realsymbol dasjenige Symbol, das nicht aufgrund einer nachträglichen Bestimmung Symbol ist, sondern das ein Seiendes als Selbstvollzug setzt, um durch das Symbol zu sich selbst zu kommen. „Der erste Satz, den wir als Grundprinzip einer Ontologie des Symbols aufstellen, lautet: das Seiende ist von sich selbst her notwendig symbolisch, weil es sich notwendig ausdrückt, um sein
Symbol
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Allgemeine Sakramentenlehre eigenes Wesen zu finden“ (81: 278). Das Setzen von Symbolen ist nichts Sekundäres, sondern gehört zum Wesen des Seienden. Dies hat umgekehrt Konsequenzen für die Qualität des Symbols: „Das Symbol ist also nicht nur nicht ursprünglich anzusetzen als ein nachträgliches Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Seienden, zwischen denen eine Verweisfunktion durch ein drittes oder durch einen eine gewisse Übereinkunft feststellenden Beobachter gestiftet wird … Das Seiende ist vielmehr in sich selbst auch darum ‚symbolisch‘, als der übereinkommende Ausdruck, den es behaltend als das andere setzt, die Weise ist, in der es sich selbst zu sich in Erkenntnis und Liebe vermittelt ist. … Durch ‚Ausdruck‘ kommt das Seiende zu sich selbst. … Das eigentliche Symbol (Realsymbol) ist der zur Wesenskonstitution gehörende Selbstvollzug eines Seienden im anderen. Wo ein solcher Selbstvollzug im anderen (als notwendige Weise der eigenen Wesensverwirklichung) gegeben ist, haben wir ein Symbol des betreffenden Seienden“ (81: 285.290). Höchstform eines solchen Realsymbols ist für Rahner Jesus Christus: Er ist Realsymbol des Heilswillens Gottes, nämlich die Weise, wie der Heilswille Gottes sich realisiert, nicht nur ein äußerliches Zeichen für ihn. Auf diese Weise lassen sich aber auch die Sakramente erschließen als nicht nur äußerliche Zeichen für die Gnade Gottes, sondern deren konkrete Gestalt: „Die Gnade setzt sich in den Sakramenten wirksam gegenwärtig, indem sie ihren Ausdruck, ihre raumzeitlich geschichtliche Greifbarkeit, eben ihr Symbol schafft“ (81: 300).
Rahners Theorie des Realsymbols – breit rezipiert – ist für verschiedene Aspekte der Sakramententheologie fruchtbar geworden. Sie eignet sich dazu, Zeichencharakter und Wirksamkeit der Sakramente miteinander zu vermitteln: Ein Symbol bringt etwas im Zeichen zur Wirklichkeit und macht es gerade so wirksam. „Es gilt eben nicht nur: die Sakramente sind Zeichen der Gnade, weil sie deren Ursache sind, – sondern auch ebenso wesentlich umgekehrt: sie sind Ursachen, weil sie Zeichen sind“ (Rahner/ 79: 131). Damit wird zugleich ein Verständnis der Sakramente als nur äußerlicher Werkzeuge der Gnade Gottes überwunden. Die sakramentalen Zeichen sind nicht nur „per Dekret Gottes“ wirksam, sie sind nicht (mechanische) Werkzeuge, sondern personaler Ausdruck der Selbstmitteilung Gottes. Dennoch kann der Sakraments- nicht einlinig durch den Symbolbegriff ausgelegt werden. „Das Wort ‚sakramental‘ ist in unserem Zusammenhang genauer als das Wort ‚symbolisch‘, denn alles Sakramentale ist symbolisch (im Sinne des Realsymbols), aber nicht alles Symbolische ist sakramental, da ja nicht jedes (Real-)Symbol Gottes Gegenwart vermittelt“ (Vorgrimler/ 47: 41). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Theorie des Realsymbols nicht eine phänomenologische Beschreibung des Sakramentssymbols oder der Symbolhandlung sein will, sondern eine spekulative Durchdringung dessen, was ein Sakrament in seiner Gesamtgestalt ist. Dies ist in der Rezeption der Rahner‘schen Theologie gelegentlich übersehen worden. Der Glaube deutet das Sakrament als realsymbolischen Ausdruck der Gnade Gottes, weil er sich durch sie nicht nur auf die Gnade Gottes verwiesen sieht, sondern der Gnade im Sakrament begegnet. Doch bleibt die Begegnung verhüllt. Gewiss sind es schöne, gerade in ihrer Schlichtheit ansprechende Symbole und Symbolhandlungen, die in den Sakramenten verwendet werden. Sie geben aber von sich her, aufgrund ihrer natürlichen Aussagekraft, noch nicht Zeugnis von der Teilhabe am göttlichen Leben, die sie
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vermitteln wollen. Und so sehr die Sakramente personaler Ausdruck der Selbstmitteilung Gottes sind, so lassen doch die Symbole von sich her die Personalität des Geschehens nur gebrochen erfahren. Die personale Gegenwart Jesu Christi im Sakrament ist verborgen; die gewährte Begegnung ist eine Begegnung im Glauben. Die natürlichen Augen sehen zwar ein Symbol, müssen aber dennoch fragen: „Ist das alles?“. So formulierte Ambrosius in Anspielung auf die Befremdung, die der Syrer Naaman empfand, als er sich zur Heilung seines Aussatzes im Jordan waschen sollte: „Ich sehe Wasser, wie ich es täglich gesehen habe: Das soll die Kraft haben, mich zu reinigen, wo ich doch schon so oft hineingestiegen bin und niemals gereinigt worden bin?“ (Ambrosius, De mysteriis 19: FC 3,218). Damit wird die Sakramententheologie auf den Fragmentcharakter der Sakramente gestoßen. Das symbolhafte Sakramentsgeschehen ist in seiner wahrnehmbaren Seite noch nichts Ganzes, Rundes. Der Wurzel des Begriffes nach ist das Symbol per definitionem Fragment: Bruchstück, Scherbe, Teil eines Ganzen, um als Wiedererkennungszeichen zu dienen. So ist das Sakrament in gewisser Weise ein Hohlraum, der darauf angewiesen ist, gefüllt zu werden. Das Sakramentssymbol ist wie ein ärmliches Fragment, das auf Abrundung und Erfüllung durch Gott angewiesen ist, auf diese Erfüllung allerdings auch vertrauen darf. Andererseits ist das Sakrament ein Fragment, das danach verlangt, von Seiten des Menschen personal aufgenommen zu werden. Dies darf nicht verschwiegen werden, wenn es um die gewünschte und wünschenswerte Lebensnähe der Sakramente geht. Solche Lebensnähe, so gewiss sie auch eine Sache der Verkündigung, der katechetischen Vermittlung und der Liturgiegestaltung ist, ergibt sich erst als Frucht der unvertretbaren „Eigenarbeit“ jeder einzelnen Person, die ihr Leben mit dem Sakrament verbinden und auf Gott hin in Bewegung bringen muss.
6. Einzelfragen 6.1 Die Siebenzahl der Sakramente und ihre Ordnung Wie im theologiegeschichtlichen Teil gesehen (siehe oben S. 39), hat sich die Siebenzahl der Sakramente erst im 12. Jahrhundert herausgebildet. Diese Entwicklung ist weder eine nur willkürliche Zusammenschau verschiedener Zeremonien unter einem gemeinsamen Oberbegriff noch eine notwendige Festlegung. Überdies bedeutet die Siebenzahl nicht eine Gleichrangigkeit aller Sakramente (vgl. DH 1603). Taufe und Eucharistie, die so genannten sacramenta maiora, sind die grundlegenden Sakramente, die in den anderen Sakramenten, den so genannten sacramenta minora, ausgefaltet werden: Die Firmung vollendet die Taufe, Buße und Krankensalbung als Sakramente der Sündenvergebung führen in die durch die Taufe begründete Wirklichkeit zurück, Weihesakrament und Ehe dienen der Auferbauung des Volkes Gottes, das in der Eucharistie seinen Mittelpunkt hat. Die Beachtung dieser Ordnung ist wichtig im Blick auf das ökumenische Gespräch hinsichtlich der Zahl der Sakramente, gibt
Fragmentcharakter des Sakramentes
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Allgemeine Sakramentenlehre
aber auch eine Richtung für das Verständnis und auch die Gestalt dieser Sakramente vor.
6.2 Der unauslöschliche Charakter Das Armenierdekret (DH 1313) rezipiert 1439 die scholastische Theorie vom character indelebilis, der durch Taufe, Firmung und Weihe verliehen wird. Die Lehre von einem unauslöschlichen Mal sucht die bleibende und unzerstörbare Wirkung zu beschreiben, die der Grund dafür ist, dass diese Sakramente nicht wiederholt werden. Diese Wirkung gilt als ein Drittes, Mittleres (sacramentum et res) zwischen dem Sakrament selbst (sacramentum tantum) und der eigentlichen Sache (res), die das Sakrament schenken will: die Gnade. Der character indelebilis ist die Wirkung, die noch nicht fruchtbare Wirkung ist, sondern nur ein objektiver Ansatz dafür. Unabhängig von der menschlichen Disposition wird der character in jedem Fall und bleibend geschenkt. So steht die Charakter-Lehre für die Unbedingtheit und Reuelosigkeit der göttlichen Zuwendung. Zugleich kommt damit die ein ganzes Leben prägende Kraft des Sakramentes in den Blick. Taufe, Firmung und Ordo (hinsichtlich der Ehe siehe unten S. 191 f.) sind, obgleich geschichtlich-konkrete, zu einem bestimmten Zeitpunkt gefeierte Heilszeichen, doch nicht punktuelle Gnadenmitteilungen, sondern Sakramente, die ein für allemal Quelle neuen Lebens („Lebenssakramente“) sind.
Literaturempfehlungen Aus der Fülle der sakramentstheologischen Literatur können hier nur wenige Titel herausgegriffen werden, ohne dass damit über die Qualität nichterwähnter Werke bereits entschieden wäre. Unter den Gesamtentwürfen der Sakramententheologie (33–48) seien zwei Titel empfohlen: zum einen die Sakramententheologie von Franz Courth (33), die in gut lesbarer Weise solide und informativ in die Sakramententheologie einführt, zum anderen der von Günter Koch verfasste sakramentstheologische Traktat in den von Wolfgang Beinert herausgegebenen Glaubenszugängen (37). Abgeraten sei hingegen von dem in der Reihe Amateca erschienenen Lehrbuch von Benedetto Testa (46) wegen einer in vielem verzerrenden Darstellung. Eine Einführung auf sehr einfachem und praxisnahem Niveau bietet Günter Koch in einer als Taschenbuch erschienenen Einführung in die Sakramente als Hilfen zum Leben (38). Zur Schärfung des hier im Abschnitt II aufgezeigten Problemhorizontes ist die Studie von Reinhard Hempelmann (69) zu empfehlen, der zugleich – aus kritischer Perspektive – einen guten Überblick über die neuere Sakramententheologie gibt. Zum vertieften Studium der Theologiegeschichte sei grundsätzlich eine umfassende Quellenlektüre empfohlen. Zur Orientierung hilfreich sind die von Koch herausgegebenen Bände mit Texten zur Theologiegeschichte (1), die wichtige Quellentexte in Auswahl zusammenstellen. Wichtige Texte der altkirchlichen, mystagogisch geprägten Sakramententheologie, deren Reichtum keine noch so gute Zusammenfassung in der Sekundärliteratur wiederzugeben vermag, sind in zweisprachigen und mit hilfreichen Einführungen versehenen Ausgaben in der Reihe Fontes Christiani (2–6) zugänglich. Interessante Einblicke in die mittelalterlichen Mentalitätsverschiebungen geben die Beiträge von Arnold Angenendt (49 f.; 98 f.).
IV. Systematische Entfaltung Aufschluss über die neuere Sakramententheologie verschaffen neben den entsprechenden Abschnitten in den Grundlagenwerken (siehe auch die Rezension neuerer Werke von Lothar Lies/59) die ökumenischen Konsenstexte, vor allem das Lima-Dokument (16) und die Studie Lehrverurteilungen – kirchentrennend? (17). Zu sakramentstheologischen Grundlagenfragen im ökumenischen Dialog sei die ausgezeichnete Studie von Burkhard Neumann (77) empfohlen. Impulse zur ekklesialen Bedeutung der Sakramente und ihrer Feier gibt der Baseler Bischof Kurt Koch (73).
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Zweiter Teil: Spezielle Sakramentenlehre
„Bei der Sakramentenlehre handelt es sich letztlich nicht um einen Traktat, sondern um acht Traktate mit einer eigenen, oft sehr bewegten, facettenreichen Geschichte“ (Koch/1 : 1,13). Um die jeweilige Eigenart der einzelnen Sakramente hervortreten zu lassen, ist für jeden der folgenden Abschnitte der Dreischritt von biblischer Grundlegung, theologiegeschichtlichem Durchblick und systematischer Erörterung notwendig. Dabei soll aus theologiegeschichtlichen Gründen die Theologie von Taufe und Firmung gemeinsam dargestellt werden.
I. Taufe und Firmung 1. Hinführung Die Taufe ist das Tor zu den anderen Sakramenten. Sie initiiert in neues Leben und macht aus Menschen Christen. Doch wie ist das zu verstehen? Wie soll eine derart schlichte rituelle Handlung wie die Taufe lebenswendende Bedeutung haben? Der Anspruch, in den Sakramenten vermittle sich die Zuwendung Gottes zum Menschen, wurde bereits in der Hinführung (siehe oben S. 13 f.) als für viele Menschen befremdlich charakterisiert. Die damit angesprochene Problematik betrifft in zugespitzter Form die Taufe. An ihr wird im Folgenden zu konkretisieren sein, was im Ersten Teil (Abschnitt IV.5) zum Sakrament als Heilsereignis ausgeführt wurde. Der dialogische Charakter der Sakramente lenkt auch bei der Taufe den Blick auf die Bedeutung des menschlichen Glaubens. Aus diesem Grund ist eigens zu klären, welche Form von Taufe als Paradigma für die theologische Erörterung dienen soll. Trotz der Berechtigung von Säuglings- und Kindertaufe kann sie nicht als Modell dessen gelten, was in der Taufe gefeiert wird (siehe unten Abschnitt 4.1.3, besonders S. 95). Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu begrüßen, dass die Taufe von Erwachsenen (bzw. Jugendlichen oder älteren Kindern) im kirchlichen Erfahrungsbereich wieder größeres Gewicht gewinnt. Die Taufe ist Feier eines Knotenpunktes im menschlichen Leben, einer Lebenswende, dies aber nicht durch ihren Zusammenhang mit der Geburt, sondern im Sinne der Neugründung menschlichen Daseins in den Lebenszusammenhang des Leibes Christi. In der biblisch geprägten Sprache der Liturgie formuliert werden Menschen – ob Erwachsene oder Kinder – in der Taufe „neu geschaffen“ (vgl. Oration zur Überreichung des Weißen Kleides, Eingliederung Nr. 225/24: 144).
lebenswendende Bedeutung?
Paradigma Erwachsenentaufe
2. Biblische Grundlegung 2.1 Reinigung und Initiation im jüdischen Glauben Der jüdisch-christliche Glaube fängt nicht voraussetzungslos an. Wie oben (Erster Teil, Abschnitt I.2.) gesehen stehen die Sakramente im Rahmen einer sakramental strukturierten Schöpfung und Heilsgeschichte; sie greifen menschheitliche religiöse Sehnsüchte wie auch Formen und Riten auf (siehe zur heutigen Aufgabe der Inkulturation SC 65). Gewisse Konstanten menschlicher Religiosität stellen gleichsam einen Wurzelboden der Sakramente dar, selbst wenn kein konkretes Abhängigkeitsverhältnis vorliegt (siehe Erster Teil, Exkurs C). Zur Anknüpfung gehört allerdings die Weiterführung in neuer Deutung und unter Umständen auch ein Moment des Widerspruchs (siehe z. B. unten im Blick auf den Taufexorzismus S. 83 f.).
religionswissenschaftliche Vorüberlegungen
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Spezielle Sakramentenlehre
Symbol des Wassers im AT
rituelle Waschungen
Proselytentauchbad
Zum Verständnis der Taufe sind drei solcher anthropologischer Konstanten zu beachten: die ambivalente Symbolik des Wassers, das tod- wie lebenbringend sein kann und darum ein Symbol der Grenze zwischen Leben und Tod ist (vgl. Vorstellungen eines Totenflusses, der das Reich der Toten von den Lebenden abgrenzt), Waschungen ritueller Art zum Schutz gegen das Böse und zur Herstellung kultischer Reinheit sowie Initiationsriten, die in verantwortete Mitgliedschaft innerhalb einer Gemeinschaft oder in ein religiöses Mysterium einweisen. Im Alten Testament ist das Wasser zugleich Symbol des Bedrohlichen (Wasser der Sintflut: vgl. Gen 6–9; Ps 18,5; 104,9) und Symbol des Lebens (vgl. Ps 104,10 f.; Ez 47,9). Der Durst nach Wasser ist Metapher ist für den Durst nach Gott (vgl. Ps 42,2 f.). Bedeutsam ist das Wasser aber nicht nur aufgrund einer naturhaften Symbolik, sondern vor allem von der Exodustradition her (vgl. Ex 14,15–15,21). Für die tauftheologische Bezugnahme auf den Durchzug durchs Rote Meer ist es wichtig, die darin liegende Wassersymbolik richtig einzuschätzen: „Nicht das Wasser rettet, sondern Gott rettet, indem er das Wasser verdrängt“ (Ostmeyer/96: 73). So gesehen ist das Wasser Gerichtsmotiv, das die Bedrohung durch den Untergang anzeigt. Rituelle Waschungen schreibt das mosaische Gesetz zur (Wieder-)Herstellung kultischer Reinheit vor (vgl. Lev 15; 17,15 f.). Der eigentliche Initiationsritus, das Bundeszeichen, ist für Israel die Beschneidung (vgl. Gen 17; Lev 12,3). Hinsichtlich der Waschungen wie der Beschneidung gibt es Tendenzen zur Spiritualisierung: Die eigentliche Waschung bzw. Beschneidung muss im Herzen geschehen (vgl. Jes 1,16 f.; Jer 4,4; Röm 2,25–29). Gegenläufig dazu gewinnen im Judentum zur Zeit Jesu rituelle Reinigungen an Bedeutung (vgl. Mk 7,2–4). Für die Gemeinschaft von Qumran, eine von zahlreichen „Tauf“sekten, haben Waschungen eine zentrale, identitätsstiftende Bedeutung. Darüber hinaus wird in Qumran eine eschatologische Reinigungstaufe von Gott her erwartet. Eigens zu erwähnen ist das Proselytentauchbad, das an zum Judentum übertretenden Heiden nach der Beschneidung vollzogen wird, um sie von aller heidnischen Unreinheit zu reinigen und in die Gemeinschaft Israels aufzunehmen. Anders als bei gewöhnlichen Tauchbädern sind hier Gelehrtenschüler als Zeugen dabei, welche Gebote rezitieren. Ungeklärt ist, wann sich das Proselytentauchbad in Palästina durchsetzt und vor allem, ab wann es nicht nur als erstes Tauchbad zur Herstellung der kultischen Reinheit verstanden wird, sondern als entscheidender Bekehrungsakt.
2.2 Die Taufe im Neuen Testament Terminologie
Terminus technicus für die Taufe ist die Intensivform von bápto¯, nämlich baptízo¯. Das Wort wird im Neuen Testament nur für die christliche Taufe verwendet, während der Begriff umgangssprachlich nie in sakraler Bedeutung gebraucht wird. Das Substantiv báptisma kommt überhaupt erst im neutestamentlichen Sprachgebrauch vor. Es bezeichnet hier die Johannestaufe und die christliche Taufe, während Waschungen im profanen Sprachgebrauch mit baptismós bezeichnet werden.
I. Taufe und Firmung
2.2.1 Die Wurzeln der urkirchlichen Taufpraxis Die christliche Taufpraxis hebt zwar Apg 2,38.41 zufolge wie selbstverständlich an, ist dies aber keineswegs. Denn nach Mk 6,6b-13 parr hat der irdische Jesus seine Jünger nicht zum Taufen ausgesandt. Der Taufbefehl ist nach Auffassung der meisten Exegeten nicht historisch: Mt 28,19 ist traditionsgeschichtlich spät anzusetzen (man hört hier bereits die liturgische Formel heraus); Mk 16,15f ist ein nachträglicher Zusatz zum Evangelium aus dem 2. Jahrhundert. Bezeichnenderweise berichtet Lukas, der in der Apostelgeschichte großes Gewicht auf die Taufpraxis legt, in seinem Evangelium von keinem Taufbefehl des Auferstandenen. Wie aber ist dann die so selbstverständlich anmutende Taufpraxis der Urkirche zu erklären? Unmaßgeblich ist die Taufpraxis Jesu, die historisch höchst unsicher ist (vgl. nur Joh 3,22.26; 4,1, korrigiert durch 4,2) und jedenfalls im Neuen Testament keine Bedeutung gewinnt. Größeres Gewicht hat die Taufe Jesu, die womöglich auch als Ätiologie der christlichen Taufpraxis tradiert wurde: „Die Taufe Jesu [konnte] auch als nachzuahmendes Beispiel gelten“ (Hartman/94: 30). Bedeutsamste Wurzel der christlichen Taufpraxis scheint die Taufe Johannes des Täufers zu sein (vgl. Mk 1,1–11parr). Denn diese hebt sich in auffallender Weise gemeinsam mit der christlichen Taufe von jüdischen Gebräuchen ab. Anders als die jüdischen Tauchbäder, bei denen es sich um wiederholbare Riten handelt, sind die Johannestaufe und die christliche Taufe einmalige Vollzüge. Dies gilt zwar auch für das Proselytentauchbad, welches aber mit den übrigen jüdischen Gepflogenheiten gemeinsam hat, dass die betreffenden Personen das Tauchbad an sich selbst vollziehen, wiederum im Unterschied zur Taufe des Johannes und zur Taufe der Christen. Darüber hinaus zielen die jüdischen Waschungen auf kultische Reinheit, während für die Johannestaufe und die christliche Taufe der Aspekt der Sündenvergebung zentral ist. Gemeinsam ist beiden schließlich der eschatologische Horizont, in dem die Taufe als einmaliges Heilsangebot Gottes im Anbrechen des Reiches Gottes zu verstehen ist. Die weitreichende Übereinstimmung von Johannestaufe und christlicher Taufe sowie ihre gemeinsame Unterschiedenheit von jüdischen Reinigungsbräuchen lässt vermuten, dass die christliche Gemeinde in ihrer Taufpraxis auf die Johannestaufe zurückgreift. Im Hintergrund dürfte eine spezifische Bezugnahme auf die Verkündigung des Vorläufers stehen. An sie knüpft die christliche Gemeinde an, weil sie sich selbst in der Zeit der Erfüllung seiner prophetischen Botschaft ansiedelt: „Die Ereignisse, denen der Täufer entgegengesehen hatte, begannen sich zu verwirklichen“ (Hartman/94: 37; siehe auch Lohfink/95). Eben deswegen wird die Johannestaufe nicht unverändert weitergeführt (vgl. Apg 19,1–7!). Die eschatologische Situation ist nach christlichem Glauben innerlich bestimmt durch das Christusereignis, das auch Grund für die Vergebung der Sünden ist; darum wird nun getauft „auf den Namen Jesu“. Abhebend von der Johannestaufe wird außerdem die Gabe des Geistes hervorgehoben (vgl. Apg 1,5; 11,16). Ein weiterer Unterschied liegt in
Taufbefehl
Johannestaufe
Spezifika der christlichen Taufe
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Spezielle Sakramentenlehre
der Art der mit der Taufe intendierten Sammlungsbewegung. Während Johannes auftritt, um Israel für das Ende zu erneuern, ohne eine neue Gemeinde um sich zu scharen, fügt die christliche Taufe Menschen in die sich neu bildende Heilsgemeinde ein. Die Urgemeinde führt darum das johanneische Heilszeichen der Taufe somit unter neuem Vorzeichen weiter, und zwar in dem Bewusstsein, mit dieser Taufpraxis nicht dem Johannes, sondern Jesus Christus verpflichtet zu sein.
2.2.2 Die Gestalt der frühchristlichen Taufe
Kindertaufe
Keine neutestamentliche Schrift schildert detailliert einen Taufvorgang, doch lassen sich einige Aspekte der in der neutestamentlichen Zeit geübten Form der Taufe indirekt erschließen. Der im Begriff der Taufe implizierte Gebrauch von Wasser wird nicht hervorgehoben, wohl aber selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. Apg 8,38; 10,47; Tit 3,5; Eph 5,26; Hebr 10,22). Die Taufe ist keine Selbsttaufe, vielmehr hat der Täufer eine aktive Funktion (vgl. Apg 8,38). Getauft wird auf den Namen Jesu (vgl. Apg 2,38), der evtl. über den Täuflingen ausgerufen wird (vgl. Jak 2,7). Die triadische Taufformel aus Mt 28,19 ist wahrscheinlich für die Gemeinden des Matthäus repräsentativ. Die spätere Einfügung eines ausdrücklichen Bekenntnisses in die Erzählung von Philippus und dem Kämmerer (vgl. Apg 8,37) lässt auf eine Entsprechung im Ritus möglicherweise schon vor Einfügung dieser aus dem 2. Jahrhundert stammenden Textvariante schließen (vgl. Apg 22,16; 1 Tim 6,12; Hebr 4,14). Lukas setzt in Apg 19,5 eine liturgische Tradition voraus, nach der zum Ritus eine Handauflegung nach dem Taufbad gehört, die als Geistverleihung gedeutet wird (vgl. Hebr 6,1f.). Wenn das Neue Testament von einer Salbung spricht (vgl. 2 Kor 1,21; Lk 4,18.21; 1 Joh 2,20.27), so liegt metaphorische Sprache vor, die noch nicht in einen Handlungsvollzug umgesetzt wird. Für die Frage, ob schon in neutestamentlicher Zeit Kinder getauft wurden, sind die sogenannten Oikosformeln Schlüsselstellen (vgl. 1 Kor 1,16: „ich habe das Haus des Stephanus getauft“). Die Vermutung, mit der Nennung des Hauses seien die Kinder inbegriffen, wird indes durch die Oikosformel in 1 Kor 16,15 relativiert, insofern dort nur die Erwachsenen des Hauses gemeint sein dürften. Immerhin wird in der Familienethik vor allem späterer Schriften die Familie als ganze der Kirche zugehörig angesehen (vgl. 1 Tim 3; 2 Tim 1,5; 3,6.15; Tit 1,11). Angesichts dieses Befundes lässt sich die exegetische Frage nach der Praxis der Kindertaufe in neutestamentlicher Zeit nicht definitiv beantworten.
2.2.3 Zur neutestamentlichen Deutung der christlichen Taufe Das Neue Testament legt keine geschlossene „Theologie der Taufe“ vor. Wenn von Taufen gesprochen wird, dann aus Interesse am Wachsen der jungen Kirche (Apg) oder in paränetischen Kontexten. Neben direkten Bezugnahmen auf die Taufe klingt gelegentlich auch ohne ausdrücklichen
I. Taufe und Firmung
Bezug typische Taufterminologie an (z. B. Gal 2,19). Es ist Ermessenssache, ob solche Stellen für die Tauftheologie hinzugezogen werden. Jedenfalls darf berechtigte Vorsicht nicht zu einer Isolierung der Tauftheologie von christologischen und soteriologischen Zusammenhängen führen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Motive neutestamentlicher Tauftheologie dargestellt werden; wegen ihrer Bedeutung wird ein Exkurs die paulinische Tauftheologie in Röm 6 ausführlicher beleuchten. In der Pfingstpredigt des Petrus heißt es: „Jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung der Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Geistes empfangen“ (Apg 2,38). In dieser Stelle sind schon drei wesentliche Aspekte angesprochen. Die Täuflinge werden „im Namen Jesu“ (Apg 10,48), „auf den Namen Jesu [Christi]“ vgl. Apg 2,38; 19,5; oder auch „auf [Jesus] Christus“ getauft (vgl. Röm 6,31; 1 Kor 1,13.15; 10,2; Gal 3,27). Die Wendung „im Namen Jesu“ betont, dass Jesus die die Taufe begründende Autorität ist. Das im Namen Jesu Vollzogene beansprucht ihn selbst als Handelnden. Häufiger noch ist die Formel „auf den Namen Jesu“. Sie drückt eine Bewegung auf Jesus Christus hin aus, die Zugehörigkeit schafft. Beiden Formulierungen liegt die Bedeutung des Namens im jüdischen Verständnis zugrunde. Der Name ist nicht äußeres Erkennungszeichen, sondern Wesensmerkmal, weil eine feste, unlösliche Verbindung zwischen dem Namen und dem damit Bezeichneten besteht. Wie über Israel der Gottesname ausgerufen wird, um es als Eigentumsvolk auszuweisen (vgl. Dtn 28,10; Jes 43,7), so sind die Getauften durch die Nennung des Namens Jesu der gegenwärtigen Herrschaft des Erhöhten eingegliedert. Die Taufe auf den Namen Jesu schafft eine unaufhebbare Verbindung der Getauften zu Jesus Christus. Im Umfeld dieses Taufverständnisses stehen zahlreiche Aussagen über die Zugehörigkeit der Christen zu Jesus Christus (vgl. Gal 3,27.29; 5,24; 1 Kor 15,23). Der Name Jesu weist jedoch nicht nur auf seine Person, vielmehr fasst das Neue Testament in ihm das in Jesus Christus geschehene Heilswirken Gottes zusammen. Die Fülle des Ereignisses Jesu Christi ist in seinem Namen enthalten. Die im Namen Jesu vollzogene Taufe beansprucht also nicht nur seine Person, sondern seine Geschichte (siehe dazu Exkurs F). Die christliche Taufe geschieht „zur Vergebung der Sünden“ (Apg 2,38; vgl. 1 Kor 6,11; Eph 5,25 f.; Kol 2,11). Gemeint ist nicht nur die Vergebung einzelner Sünden. Der Kreuzestod Jesu Christi, auf den hin die Taufe vollzogen wird, überwindet Sünde und Tod und befreit die Sünder aus deren Macht. In der Taufe geschieht der Umbruch vom Einst zum Jetzt, von der Versklavung unter den Mächten zur Befreiung, von der Anklage durch den Schuldschein zur Loslösung und Vergebung (vgl. Kol 2,8–23). Die von der Sünde Befreiten erwirbt sich Gott als Eigentum (vgl. Tit 2,14; 1 Petr 2,9). Zur Bezeichnung dieses Eigentumsverhältnisses verwendet das Neue Testament das Motiv des Siegels, das auf die Taufe anspielt und eng mit dem Geist verbunden ist (vgl. 2 Kor 1,22; Eph 1,13). In der paulinischen Theologie ist der in der Taufe geschenkte Geist grundlegend für die Gottesbeziehung der Getauften (vgl. Röm 8,12–17). Demgegenüber ist Lukas mehr an den außergewöhnlichen Erfahrungen
Taufe auf den Namen Jesu
Vergebung der Sünden
Gabe des Geistes
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Spezielle Sakramentenlehre
eschatologischer Horizont
ekklesiale Dimension
und Erscheinungsformen des Geistes in der Geburtsstunde der Kirche interessiert. Deshalb stellt die Apostelgeschichte das Verhältnis von Taufe und Geist auf unterschiedliche Weise dar.1 Prinzipiell ist auch hier die christliche Taufe mit dem Empfang des Geistes verbunden, wie es als Regel Apg 2,38 formuliert, doch wird gelegentlich die Taufe vom Geistempfang unterschieden. So manifestiert in Apg 10,44–48 der Geistempfang vor der Taufe während der Predigt des Petrus in Cäsarea, dass auch die Heiden zur Christus-Gemeinde berufen sind – bezeichnenderweise wird aber die Taufe nicht überflüssig. Apg 8,14–17 (eine Stelle, an der sich später die Firmtheologie festmacht) berichtet von den Taufen des Philippus in Samaria, mit denen kein Geistempfang verknüpft ist. Erst als die Apostel von Jerusalem kommen, spenden sie den Geist durch Gebet und Handauflegung. Dahinter steht das lukanische Anliegen, die Geistesgaben an die apostolische Kirche zu binden. In der Sendung des Geistes erfüllt sich der Pfingstpredigt des Petrus zufolge die Verheißung der endzeitlichen Geistbegabung: Der Geist ist eschatologische Gabe (vgl. Apg 2,16–18 und in der paulinischen Theologie 2 Kor 1,22; 5,5; Röm 8,1–30). Mit dem eschatologischen Verständnis der Geistesgabe geht das Verständnis der Taufe als Wiedergeburt einher. Die Erwartung der Propheten etwa bei Ez 11,19; 36,25–27 richtet sich auf den Geist Gottes als die Kraft, die den Menschen von innen her umzuwandeln vermag. Die neutestamentlichen Schriften sehen diesen umwandelnden und erneuernden Geist in der Taufe wirksam, so dass die Getauften eine Wiedergeburt erfahren, in der sie neue Schöpfung werden (vgl. Joh 3,3–8; Tit 3,5; ohne ausdrücklichen Bezug zur Taufe 2 Kor 5,17; Gal 6,15; 1 Petr 1,3; Jak 1,18). Diesen Übergang in neues Leben verkündet sehr eindrücklich ein in Eph 5,14 überlieferter Erweckungsruf, der eventuell in der Taufliturgie seinen Ort hatte. Die in der Taufe eröffnete Heilssituation betrifft nicht nur je einzelne, sondern hat ekklesiale Dimension. Die Getauften sind in einen Leib hineingetauft (vgl. 1 Kor 12,13; Eph 4,4–6). In ihm sind mit dem alten Menschen auch die Strukturen der alten Welt aufgehoben. Die in ihr geltenden Ungleichheiten werden relativiert, weil sie sich nicht mehr trennend auswirken (vgl. Gal 3,28; Kol 3,11). Auch die in der Taufe geschenkte Gabe des Geistes beschreibt Paulus in ekklesialer Ausrichtung. Sie entfaltet sich in konkreten Gaben und Charismen, die geschenkt werden, je nach dem, was die Gemeinschaft der Kirche nötig hat (vgl. 1 Kor 12). Exkurs F: Taufe als Teilgabe am Geschick Jesu (Röm 6) In der Taufe auf den Namen Jesu werden Person und Geschick Jesu beansprucht (siehe oben S. 79). Insbesondere Paulus konkretisiert, was dies bedeutet. Wenn 1 Kor 1,13 parallel zu der polemischen Frage: „Seid ihr auf den Namen des Paulus getauft?“ steht: „Ist denn Paulus für euch gekreuzigt?“, dann heißt dies positiv gewendet: Ihr seid auf den Namen Jesu getauft und gehört jetzt ausschließlich zu ihm, weil er für euch gekreuzigt wurde. Quellgrund für die Taufe ist das Todesgeschick
1 Vgl. dazu Rudolf Pesch: Die Apostelgeschichte. 1. Teilband: Apg 1–12. Solothurn; Neukirchen-Vluyn 21995 (EKK 5/1), 281–285.
I. Taufe und Firmung Jesu Christi, an dem die Taufe Anteil gibt. Dies vertieft die zentrale Stelle der paulinischen Tauftheologie Röm 6. Im Kontext von Röm 6 wird nach dem Paukenschlag 1,18 bis 3,20 die universale Unheilsgeschichte beschrieben. 3,21 kündigt den Umbruch an: „Jetzt aber“. Der Abschnitt 3,21–5,21 proklamiert das Heilsgeschehen, durch das die Sündengeschichte für die Glaubenden zur Vergangenheit gemacht worden ist. Jesus Christus ist für alle Sünder gestorben, statt an ihnen ist die Unheilswirkung ihrer Sünde an ihm zum Austrag gekommen. Kap. 5 begründet dies mit dem Solidaritäts- und Stellvertretungsgedanken: Christus, der eine, ist an die Stelle des einen sündigen Adam getreten, um das Schicksal der Menschheit insgesamt zu wenden (v. a. VV 17–19). Der Abschnitt mündet in das fast emphatische Bekenntnis des Paulus: „Wo … die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden“ (5,20). Genau dies aber provoziert die Frage, welche die Problemstellung für das Folgende vorgibt: „Sollen wir also an der Sünde festhalten, damit die Gnade mächtiger werde?“ (6,1; vgl. 3,8). Paulus muss sich also in Röm 6 mit der Frage auseinandersetzen, wie die im Rechtfertigungsgeschehen geschenkte Gerechtigkeit das Leben des gerechtfertigten Sünders ergreift. Die Antwort des Paulus bewegt sich auf zwei Ebenen. Gesamtgeschichtlich ist das Herrschaftsverhältnis zwischen der Sünde und den Sündern aufgrund der in Röm 5 beschriebenen Erlösung definitiv beendet. Das Heilsgeschehen hat universale Bedeutung. Gleichwohl zeichnet Paulus auch in die Existenz der einzelnen Menschen einen eschatologischen Umbruch vom „einst“ zum „jetzt“ ein, einen Umbruch, der mehr ist als die bewusste Anerkennung des schon Geschehenen (vgl. Röm 6,17–23). Darum spricht Paulus von der Taufe als der entscheidenden Vermittlung des Heilsgeschehens an die Glaubenden. Denn in ihr öffnet sich der Tod Jesu für das Mitsterben der Täuflinge, die „mit ihm begraben werden durch die Taufe auf den Tod“ (Röm 6,4a) und dadurch „ihm gleich geworden sind in seinem Tod“ (Röm 6,5a). Die Taufe ist also kraft des Heilsereignisses Heilsmitteilung und Heilsgeschehen am Einzelnen: der Vollzug, in der das Heilsereignis zum „Ereignis in Ereignissen“ wird (siehe oben Erster Teil, Abschnitt IV.5.1). Das Heilsgeschehen in Jesus Christus hat zwar einen bestimmten geschichtlichen Ort, verliert sich aber nicht auf einem linearen Zeitpfeil in der Vergangenheit, sondern ist wie ein Kern, der sich immer mehr Menschen und immer mehr Lebenswirklichkeit anverwandelt. Die Taufe ermöglicht es, mit diesem Kern, Jesus Christus in seiner Person und mit seiner Geschichte, zusammenzuwachsen (vgl. Röm 6,5) und an seinem Leben Anteil zu gewinnen. Einem authentischen Verständnis der in Röm 5 beschriebenen Stellvertretung zufolge drängt das „für uns“ des Lebens, Sterbens und Auferstehens Jesu danach, zu unserem Sein „mit Christus“ und „in Christus“ zu werden. Die Taufe ist der Ort, an dem das „für uns“ zum „mit ihm“ und „in ihm“ wird. In diesem Sinn kann in der Taufe Heil geschehen, weil sich in ihr Menschen gläubig für das in Christus gegebene Heil öffnen. Der in der Taufe geschenkten Anteilgabe am Heilsgeschehen muss im Leben entsprochen werden. Die Taufe ist realer Standortwechsel mit ethischen Konsequenzen. Darauf gehen in Röm 6 die Verse 4b, 5b, 6 und ausführlich 12–23 ein. V 4b sieht die Auferweckung Jesu und die neue Situation der Getauften in einem Verhältnis wirksamer Entsprechung (wie – so). Allerdings läuft der Gedanke nicht sogleich auf die Auferweckung der Gläubigen zu, sondern – der Ausgangsfrage in V 1 antwortend – auf die „Neuheit des Lebens“. Dies ist einerseits eine objektive Vorgabe: der Begriff kainós, in der substantivischen Form noch betont, meint anders als néos eine qualitative Neuheit, die nicht durch ethisches Bemühen erlangt wird. Die neue Lebenswirklichkeit ist eschatologische Gabe, von der aus die Auferstehung mit Gewissheit erwartet werden kann (siehe das eschatologische Futurum in V 5b). Andererseits muss aber das neue Leben von den Getauften entsprechend aus-
Taufe als Heilsereignis
ethische Konsequenzen
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Spezielle Sakramentenlehre gefüllt werden, und insofern wendet sich die Partizipation am Leben des Auferstandenen ins Ethische. Der Indikativ führt zum Imperativ, den VV 12–23 eindringlich entfalten. Während nach V 2 die Getauften definitiv für die Sünde gestorben sind, mahnt Paulus in V 12: „Daher soll die Sünde euren sterblichen Leib nicht mehr beherrschen.“ Damit ist die hinter der Frage in V 1 stehende Parole widerlegt, weil die Konsequenz der Teilhabe am Geschick Jesu gerade das neue Leben ist, in dem die Sünde nicht mehr herrscht.
Teilhabe an der Auferstehung
Auch an anderen Stellen der paulinischen Theologie besteht ein spannungsvolles Verhältnis zwischen Indikativ und Imperativ. In Gal 3,27 wird auf das Geschehen der Taufe rückblickend gesagt: Ihr habt Christus angezogen. In Röm 13,14 fordert Paulus die Römer, die doch schon getauft sind, auf: Zieht den Herrn Jesus Christus an. In dieser Spannung sind Indikativ und Imperativ gleichermaßen ernst zu nehmen. Der Indikativ spricht vom Faktum, von einer Wirklichkeit, hinter welche die Getauften nicht mehr zurück können; ihre Existenz ist von Grund auf dadurch geprägt. Die eschatologische Wende, die den Indikativ begründet, ist aber nach vorn offen. Im Mitsterben mit Christus geschieht die Freigabe des Lebens, in dem sich das Gegebene auswirken kann und soll. Die Teilhabe an Christus darf für den Lebensvollzug nicht folgenlos bleiben, sondern ist im ethischen Verhalten, in der Nachfolge, im Gleichgestaltetwerden mit Christus bis hin zum Tod zu ratifizieren (vgl. Gal 2,19; 6,14; Phil 3,10; siehe auch Mk 10,38 f.). Dem Römerbrief zufolge ist die Teilhabe an der Auferstehung der Zukunft vorbehalten und wird allein im neuen Wandel der Getauften antizipiert. Demgegenüber sehen Kolosser- und Epheserbrief auch die Auferstehung als schon verwirklicht an (vgl. Kol 2,12 f.; 3,1; Eph 2,5 f.). Zwar wird erst in der Zukunft die in Gottes himmlischer Verborgenheit liegende Realität offenbar, und es wird auch ein dem Römerbrief verwandter ethischer Vorbehalt formuliert: Die Kolosser sind mit Christus gestorben und müssen doch noch ermahnt werden zu töten, was an ihnen irdisch ist (Kol 3,3.5). Trotzdem liegt der Akzent deutlich mehr auf dem Präsentischen und Indikativischen als im Römerbrief. Grund dafür ist das spezifische Anliegen des Kolosserbriefes. Er richtet sich an eine Gemeinde, die sich von anderen Erlösungslehren verwirren lässt. Man orientiert sich an menschlichen Überlieferungen, an den Elementen oder Elementarmächten der Welt (Kol 2,8), nicht an Christus. Solches Denken aber ist nicht christusgemäß, weil die Fülle der Gottheit in Christus wohnt. Diese christologische Argumentation geht in eine soteriologische Argumentation über. Kol 2,10 spricht der Gemeinde zu, dass sie dieser Fülle schon teilhaftig geworden ist. Die verunsicherte Gemeinde, die trotz ihres christlichen Bekenntnisses ihr Heil noch woanders sucht, soll gewiss werden, in Christus das Heil gefunden und durch die Taufe erlangt zu haben. Die kolossische Philosophie wird sozusagen überholt: „Wer getauft ist, hat schon, was diese allererst in Aussicht stellt.“2 Um eine Heilsangst, die unfrei machenden Praktiken verfällt, zu brechen, proklamiert der Kolosserbrief die Taufe als definitive Heilsgabe. 2 Michael Wolter: Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon. Gütersloh; Würzburg 1993 (ÖTBK 12), 131.
I. Taufe und Firmung
3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen 3.1 Die altkirchliche Initiationspraxis und Tauftheologie Über die Initiationspraxis in der frühen Kirche geben vor allem die Traditio Apostolica (Grundbestand ca. 210), Schriften von Justin († 165) und Tertullian († 220) sowie für den östlichen Bereich die Didache (1. Hälfte 2. Jh., Syrien/Palästina) und die Didascalia (Anfang 3. Jh. Syrien) Auskunft.
Die Traditio Apostolica setzt schon selbstverständlich ein Katechumenat zur Vorbereitung auf die Taufe voraus. An dessen Beginn werden die Bewerber nach ihrer Motivation befragt; zusätzlich wird das Zeugnis derer, die sie herangeführt haben (Bürgen, die späteren Paten), eingeholt. Die Prüfung bezieht sich auf die Lebensumstände der Bewerber. Bestimmte Berufe, die mit dem Christsein unvereinbar sind (weil sie z. B. mit der Verehrung der Götter verbunden sind), müssen aufgegeben werden, und zwar schon zu Beginn des Katechumenates. Nach Tertullian müssen Katechumenen schon in jeder Hinsicht so leben wie Christen:
Katechumenat
„Niemand rede sich ein, weil er innerhalb der Probezeit der Hörer beurteilt wird, könne er sich jetzt noch etwas zuschulden kommen lassen. Sobald du den Herrn erkannt hast, sollst du ihn fürchten … Was scheidet dich noch von einem vollkommenen Knechte Gottes?“ (De paenitentia 6,14 f.: CChr.SL 1,331).
Einen besonderen Aufnahmeritus in das Katechumenat kennt die Traditio Apostolica nicht. Das Katechumenat ist eine Zeit der Einübung in das neue Leben in Christus und des Hineinwachsens in den Glauben. Seine Dauer wird je nach Lebensführung flexibel gehandhabt, die Quellen geben Zeiten von 2 bis 6 Jahren an. Der Unterricht findet im Gemeindegottesdienst statt. Die Katechumenen beten aber noch getrennt von den Gläubigen und sind noch nicht Vollglieder der Gemeinde. In Verfolgungssituationen wird ihr Zeugnis allerdings als vollgültig angesehen. Aufgrund ihres Lebenswandels werden die Katechumenen zu Täuflingen ausgewählt; sie werden von den verbleibenden Katechumenen getrennt und dürfen das Evangelium hören. Die Traditio Apostolica ist der erste sichere Beleg für der Taufe vorangehende Exorzismen, wie sie erst für das 4. Jahrhundert breiter bezeugt sind. Da exorzistische Handlungen in gnostischen Strömungen verbreitet und dort mit einem ethischen Determinismus verknüpft sind, ist ihre Aufnahme in den christlichen Taufritus keineswegs selbstverständlich. Möglich ist diese Rezeption nur in Verbindung mit einer die menschliche Freiheit betonenden Ethisierung. Weil die Sakramente dialogisches Geschehen sind, in dem sich göttliches Wirken und menschliche Antwort begegnen, muss sich die exorzistische Befreiung vom Bösen mit einer aktiven Abwendung vom Bösen verbinden, wie sie in Skrutinien genannten Befragungen geprüft und in der Absage an das Böse im Taufritus besiegelt wird. Umgekehrt ist das je persönliche Bemühen um die Überwindung des Bösen umfangen von Gottes Beistand, wie er sich in den Gebetshandlungen der Exorzismen ausdrückt. Exorzismus und Absage an das Böse gehören zusammen: „sie zeigen die beiden Seiten der Rettung des Menschen von der
Exorzismen
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Spezielle Sakramentenlehre
Taufritus
Wandel im 4. Jh.
Macht des Bösen durch Christus in der Taufe auf, die (passive) Befreiung und die (aktive) Entscheidung“ (Kretschmar/102: 81). Hier spiegelt sich liturgisch die Zusammengehörigkeit von Indikativ und Imperativ wider. Der in der Traditio Apostolica beschriebene Ritus der Tauffeier beginnt (im Baptisterium) mit einem Gebet über das Wasser und Gebeten über die Öle. Die in der Taufe gefeierte Lebenswende hebt mit der Absage an den Satan und einer exorzistischen Salbung an, um zu einer dreigliedrigen Taufbefragung überzugehen. Auf sein gläubiges Bekenntnis hin wird der Täufling getauft. Es folgen zwei postbaptismale Salbungen, von denen die zweite dem Bischof zugeordnet wird und vermutlich erfolgt, wenn alle Täuflinge in der Kirche versammelt sind. Die bischöfliche Handauflegung und Salbung ist die Wurzel für die spätere Ausbildung der Firmung. Eine Bezeichnung mit dem Kreuz (Konsignation), Umarmung und Kuss besiegeln die Aufnahme in die Gemeinschaft der Glaubenden. Die Taufe mündet in die Eucharistiefeier: sie gehört zur Initiation hinzu. Andere Quellen bezeugen ähnliche Taufriten. In östlichen Taufordnungen gibt es allerdings nur eine präbaptismale Salbung, die nicht exorzistisch, sondern pneumatologisch gedeutet wird. Eine zweite Eigenart der östlichen Taufordnung ist die Taufformel. Während im Westen der Täufling nach seinem Glauben befragt wird, spricht im Osten der Täufer eine eingliedrige oder trinitarische Taufformel. Auffälliges Kennzeichen der frühen Taufpraxis ist die Zusammengehörigkeit von lebenspraktischer und liturgischer Initiation. Das Katechumenat ist Weg eines intensiven Hineinwachsens in den christlichen Glauben und vor allem in christliche Lebenshaltung. Das bereits neu gestaltete Leben wird in der Taufe sakramental geprägt: die Liturgie der Initiation „setzt … einerseits das Christwerden voraus und proklamiert es feierlich, andererseits stellt sie zugleich dessen Verdichtung und Höhepunkt dar“ (Jilek/112: 34). In der westlichen Initiationsfeier arbeitet August Jilek (anhand der Traditio Apostolica, gestützt durch Schriften Tertullians und Cyprians von Karthago, † 258) drei Etappen heraus: die Abkehr vom Bösen, die durch die exorzistische, präbaptismale Salbung markiert wird, die Hinkehr zu Christus im Wasserritus, der die Ganzkörper-Salbung mit dem Öl der Danksagung entspricht, und schließlich die Erfüllung mit Gottes Geist in der Handauflegung, der die Haupt-Salbung mit dem Öl der Danksagung entspricht (vgl. Jilek/112: 37–44). Die in der Initiation liegende Dynamik findet Ausdruck in einer liturgischen Dramatik, ohne dass damit eine analytische Zuweisung verschiedener Wirkungen an einzelne Riten möglich würde. Im 4. Jahrhundert verändert sich mit der neuen Stellung des Christentums auch die Initiationspraxis. Viele Menschen wenden sich der Kirche zu, bleiben aber an der Schwelle der Kirche, im Katechumenat, stehen. Aus der Zeit der Prüfung und Bewährung im Vorfeld der Taufe wird eine dauerhafte, weniger verbindliche Form des Christseins: eine „Möglichkeit des Christseins zu ermäßigten Bedingungen“3. Die Entscheidung zur Taufe 3 Georg Kretschmar: Art. Katechumenat/Katechumenen. I. Alte Kirche. In: TRE 18 (1989) 1–5, 3.
I. Taufe und Firmung
fällt oftmals erst in lebensbedrohlicher Krankheit kurz vor dem Tod. Liturgisch führt dies zur Ausgestaltung der Katechumenatsriten. Die Taufliturgie selbst reichert sich durch Ritentausch zwischen den verschiedenen Ortskirchen sowie durch die Umsetzung von Metaphern in konkrete Riten (z. B. Anlegen des weißen Gewandes) allmählich an. Ein Kennzeichen der patristischen Tauftheologie ist die typologische Erschließung der Taufe von alttestamentlichen Vorbildern her, wie sie durch 1 Kor 10,2 und 1 Petr 3,20 f. vorbereitet ist. Als Hinweise auf die Taufe werden vor allem die Errettung des Noah aus der Sintflut und der Durchzug durchs Rote Meer gelesen: „Das Volk stieg unversehrt aus dem Meer, auch wir steigen aus dem Wasser wie Lebende aus den Toten, durch die Gnade dessen, der uns rief, gerettet (vgl. Eph 2,5). Die Wolke aber war ein Schatten der vom Geist her kommenden Gabe“ (Basilius von Cäsarea, De Spiritu Sancto 14,31: FC 12,164). Die Bedeutung der Taufe wird den Neugetauften mystagogisch durch die Auslegung der Taufliturgie erschlossen, indem die Symbolik der Taufe in vielfältiger Weise auf die Dramatik des Geschehens hin transparent gemacht wird: die Wende von West nach Ost symbolisiert die Abkehr vom Bösen und die Hinkehr zum verlorenen Paradies; die Nacktheit ahmt den nackten Jesus am Kreuz nach, lässt aber zugleich auch die wiedergewonnene Reinheit zutage treten. Das Wasser wird als Symbol des Todes ausgelegt, so dass die Taufe mit Leiden, Kreuz und Tod Jesu verbindet; sie wird sogar selbst als Kreuz bezeichnet. Das dreimalige Untertauchen bildet die drei Tage Jesu im Grab ab. Solchen Auslegungen entspricht die verbreitete Form der Taufbecken in Kreuzesform. Die Taufe ist liturgisches Abbild von Tod und Auferstehung Jesu und ermöglicht durch diese abbildhafte Nachahmung (mím esis) ¯ die Teilhabe an der Heilswirklichkeit. „Wir starben nicht wirklich, wir wurden nicht wirklich begraben, wir sind auch nicht wirklich als Gekreuzigte auferstanden, sondern die Nachahmung geschah im Bild, das Heil aber in Wirklichkeit. Christus wurde tatsächlich gekreuzigt, tatsächlich begraben und ist wirklich auferstanden – und all das hat er uns gnädig geschenkt, damit wir, die wir durch die Nachahmung Anteil an seinen Leiden erhalten haben, in Wirklichkeit das Heil gewinnen. Überfließende Menschenliebe! Christus empfing an seinen reinen Händen Nägel und litt. Und mir schenkt er ohne Leiden und ohne Mühe, nur durch meine Anteilnahme gnädig das Heil“ (Cyrill von Jerusalem, † 387, Mystagogicae catecheses 2,5: FC 7,116/118).
Daraus folgt eine radikale Wende im menschlichen Leben, wie sie im Taufakt durch die Wendung vom Westen zum Osten dargestellt ist: Die Taufe führt aus dem Dunkel zum Licht, aus der Gefangenschaft in die Freiheit, vom Tod zum Leben. Wer aus der Taufe aufsteigt, empfängt wie Jesus bei der Johannestaufe den Geist. „Christus ist wirklich gekreuzigt und begraben worden und auferstanden; euch wird bei der Taufe die Würde zuteil, im Gleichbild mitgekreuzigt und mitbegraben zu werden und mit aufzuerstehen. So ist es jetzt auch bei der Salbung: Jener wurde mit geistigem Öl der Freude gesalbt, das heißt mit Heiligem Geist … Ihr aber wurdet mit Myron gesalbt und wurdet so Teilhaber und Gefährten Christi“ (Cyrill von Jerusalem, Mystagogicae catecheses 3,2: FC 7,126).
patristische Tauftheologie
85
86
Spezielle Sakramentenlehre Kindertaufe
Bereits die Traditio Apostolica bezeugt die Kindertaufe, über deren Einführung in der frühen Kirche nirgends eine Kontroverse erkennbar ist. Wohl allerdings stößt die bestehende Institution auf Kritik. Tertullian bemängelt, dass Kinder die mit der Taufe gegebene ethische Verpflichtung (den Fahneneid! – siehe oben S. 33) noch nicht übernehmen können. Dagegen rechtfertigt Origenes die Kindertaufe durch die auch für Kinder notwendige Vergebung der Sünden. Der Bezug auf die Sünde prägt die Auffassung von der Kindertaufe insbesondere im Westen. Dies gilt vornehmlich im Gefolge des Augustinus († 430), der die Praxis der Kindertaufe als Argument für seine Erbsündentheologie nimmt. Im Osten hingegen wird die Kindertaufe eher mit dem Heilsaspekt der Taufe begründet. Die östliche Position spiegelt sich in der folgenden Äußerung des Johannes Chrysostomus († 407) wider: „Deswegen taufen wir ja auch kleine Kinder, obgleich sie keine Sünde haben, damit sie geheiligt und gerecht gemacht werden, damit sie die Sohnschaft und das Erbe erhalten, damit sie Brüder und Glieder Christi werden, und der Heilige Geist in ihnen Wohnung nimmt“ (Catecheses baptismales 2/4,6: FC 6/1,259.261). Auf dieser Linie liegt auch die von Augustinus referierte Auffassung der Pelagianer: „Die eben erst aus dem Schoß der Mütter zum Leben geborenen Kinder empfingen die Taufe nicht wegen einer zu erlassenden Sünde, sondern um zu geistiger Geburt in Christus geboren und seines Himmelreiches teilhaftig zu werden“ (De peccatorum meritis et remissione et de baptismo parvulorum 1,18,23: CSEL 60,22). Dagegen legt Augustinus den Akzent auf die Vergebung der Sünden: „Wenn nun der Beweis dafür, dass wir der Sünde gestorben sind, darin liegt, dass wir im Tode Christi getauft worden sind, dann sterben auch die Kinder, die in Christus getauft werden, der Sünde, weil sie ja in seinem Tod getauft werden“ (Enchiridion 14,52: CChr.SL 46,77; vgl. DH 223).
3.2 Initiation in Praxis und Theologie des Mittelalters Wandel der Taufpraxis im Westen
Während im Osten die Gestalt der alten Taufordnungen bewahrt wird und die Tauftheologie der griechischen Patristik maßgeblich bleibt, wandeln sich Taufpraxis und -theologie im Westen stärker. Die zum Normalfall werdende Kindertaufe lässt Katechumenatsriten und Tauffeier zusammenwachsen. Mit Rücksicht auf die Situation Unmündiger wird – neben manchen Vereinfachungen – die Taufbefragung durch die indikativische Taufformel ersetzt. Im germanischen Raum gewinnen die Exorzismen unter Vernachlässigung der freiheitlich-ethischen Verpflichtung der Taufe an Bedeutung (vgl. Angenendt/99). Die dem Bischof vorbehaltene zweite präbaptismale Salbung verselbständigt sich, als die Tauffeiern nicht mehr grundsätzlich vom Bischof geleitet werden (zuerst bei der Sondersituation der Nottaufe – vgl. DH 210 –, dann auch regulär in ländlichen, von Presbytern geleiteten Gemeinden). In einem Brief von 416 betont Innozenz I. das Vorrecht der Bischöfe zur Firmspendung (DH 215); die Praxis dürfte aber regional unterschiedlich gewesen sein. Die römische Regelung breitet sich im Zuge der karolingischen Liturgiereformen aus. Während anfangs die Firmung baldmöglichst nachgeholt wird (die Getauften werden zum Bischof gebracht, unter Gregor I. [† 604] sind Firmreisen des Bischofs bezeugt), beginnt man im 13. Jahrhun-
I. Taufe und Firmung
dert nach einem Mindestalter für die Firmung zu fragen. Aufgrund der nachträglichen Ausgliederung des Firmritus ist dieser zuerst sehr karg. Im Mittelalter ist ungeklärt, welches der Kernritus ist: die Handauflegung oder die Salbung (vgl. die Kompromissformulierung in DH 785 sowie die Auffassung, dass die Firmung anstelle der Handauflegung vollzogen wird, in DH 1318). Die scholastische Theologie leitet vom allgemeinen Sakramentsbegriff präzisierende Definitionsfragen ab. Positiv gesehen wird es so möglich, den Kern der Taufe von sekundären Riten, vor allem den Überhand nehmenden Exorzismen, zu unterscheiden und Einseitigkeiten zu überwinden. So wird die im Rahmen der mittelalterlichen Frömmigkeit (siehe oben S. 38) gegebene Fixierung auf die Materie, welche die Taufwasserweihe analog zur Eucharistie als Konsekration des Wassers erscheinen lässt, durch ein akthaftes Verständnis der Taufe als Anwendung von Wasser korrigiert (vgl. STh III, q 66, a 1). Kehrseite des definitorischen Bemühens ist die Tendenz, die Theologie allein am Kernritus des Sakramentes zu orientieren und den größeren Reichtum der Liturgie zu vernachlässigen. Nach der liturgischen Trennung von Taufe und Firmung stellt sich die Frage, welches der Inhalt und das Besondere der Firmung sei. Zumeist wird die Stärkung für das irdische Leben und zum Zeugnis genannt (vgl. DH 1319). Thomas von Aquin († 1274) bezieht die Firmung auf das Wachstum des Menschen im geistigen Leben analog zum Vollalter des natürlichen Lebens (STh III, q 72, a 1).
3.3
scholastische Theologie
Taufe und Firmung seit der Reformation
3.3.1 Das reformatorische Taufverständnis und das Konzil von Trient Den zwei Polen der Rechtfertigungslehre entsprechend akzentuiert Martin Luther († 1546) bei der Taufe das Zueinander von rechtfertigendem Handeln Gottes, zu dem der Mensch nichts beitragen kann, und Glauben als Organ zum Empfang der Gnade. Während der frühe Luther die Notwendigkeit des Glaubens hervorhebt, rückt in der Auseinandersetzung mit den Täufern, die wegen der Bedeutung des Glaubens die Kindertaufe ablehnen, das objektive Werk Gottes am Menschen in den Vordergrund. Luthers ausgeprägter Taufspiritualität zufolge bestimmt die Taufe das ganze Leben: „Ein christlich Leben nichts anders ist denn eine täglich Taufe, einmal angefangen, immer darin gegangen“ (Großer Katechismus: BSLK 701). Darum bleibt kein Raum für ein als „zweite Planke“ der Taufe gleichgeordnetes Bußsakrament. „Bistu aus dem schiff gefallen, tridt wider hyn eyn. Es ist eyn ewig geschengk, character indelebilis. Gottes worth fellet darumb nicht, ob ich falle und nicht glewbe“ (Predigt 15.1.1531: WA 34/1 97,25–27). So gesehen ist das Bleibende an der Taufe aber nicht eine seinsmäßige Prägung des Menschen (siehe unten S. 91 sowie oben im ersten Teil, Abschnitt IV.6.2), sondern Gottes bleibende Zusage als ein „ewiges Geschenk“. Wenngleich sich auch bei Huldrych Zwingli († 1531) und Johannes Cal-
Luther
reformierte Theologie
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Spezielle Sakramentenlehre
Konzil von Trient
vin († 1564) Äußerungen finden, welche die Taufe als wirksames Geschehen beschreiben, liegt im reformierten Zweig der Reformation der Akzent auf dem vergewissernden Zeichencharakter der Taufe und ihrer kirchenbildenden Funktion. Konsequenterweise wird in reformierten Taufordnungen die gemeindlich-kirchliche Dimension wiederentdeckt. Erstmals geht die Liturgie bei der Kindertaufe auf die Situation von Unmündigen ein. Gemeinsam ist den Reformatoren die Ablehnung der sakramental verstandenen Firmung. Sie monieren die fehlende Schriftbasis und kritisieren die Tendenz, die Firmung auf Kosten der Taufe mit Inhalt zu füllen. Luther lässt gleichwohl die Praxis der Firmung zu, sofern sie nicht als Sakrament gezählt wird. Im reformierten Bereich wird im Anschluss an erasmianische Impulse eine auf katechetische Unterweisung folgende Lehrbefragung und eine öffentliche Erneuerung des Taufgelöbnisses eingeführt, die sich bei Martin Bucer († 1551) sogar mit einer Handauflegung verbindet. Die tauftheologischen Aussagen des Konzils von Trient (DH 1614–1627) stehen in engem Zusammenhang mit der Rechtfertigungslehre und betreffen das Verständnis des Lebens nach der Taufe, vor allem das Verhältnis zwischen Glauben und ethischem Anspruch und die Bedeutung von Gelübden (siehe auch zum Bußsakrament unten S. 131). Gegen die Radikalreformer wird die Kindertaufe verteidigt. Zur Firmung hält Trient fest, dass sie ein „wahres und eigentliches Sakrament“ sei, weder eine müßige Zeremonie noch nur eine Art Katechese. Als ordentlicher Spender wird der Bischof bezeichnet (DH 1628–1630).
3.3.2 Neuaufbrüche im 20. Jahrhundert
Liturgie
ekklesiale Sicht
Es war die Tauftheologie, an der Odo Casel († 1948) die Erneuerung des Sakramentsverständnisses (siehe oben S. 44) vorantrieb. Wenn SC 6 formuliert, dass „die Menschen durch die Taufe in das Pascha-Mysterium Christi eingefügt“ werden, so geht dies auf Casels Impulse zurück. Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils ist auf liturgischer Ebene die Wiederentdeckung des Initiationszusammenhangs von Taufe, Firmung und Eucharistie (vgl. SC 71). Der Taufritus unterscheidet fortan die Taufe von Kindern („der tatsächlichen Situation der Kinder angepasst“: SC 67; Ordo baptismi parvulorum 1969/dt. 1971; 22007) und die Eingliederung Erwachsener („ein mehrstufiger Katechumenat für Erwachsene soll wiederhergestellt werden“: SC 64; Ordo initiationis christianae adultorum 1972/dt. 1975, 21991). Die Tauffeier ist tiefgreifend verändert und neu strukturiert worden; erwähnt sei nur die Wiedereinführung des Lobpreises und der Anrufung Gottes über dem Wasser und somit eines Hochgebetes in jeder Tauffeier. Die erneuerte ekklesiale Sicht der Sakramente wirkt sich insbesondere in der Tauftheologie aus mit Konsequenzen bis in die Ekklesiologie hinein. Während lange Zeit die Heilsnotwendigkeit der Taufe im Blick auf das ewige Geschick des einzelnen Menschen im Vordergrund stand, hebt das Zweite Vatikanische Konzil stärker ihre Bedeutung als Basis für christliches Leben und ihre kirchenbildende Kraft hervor. Die Taufe ist Grund der ge-
I. Taufe und Firmung
meinsamen Teilhabe an Christus, die alle Glieder der Kirche verbindet, ihnen priesterliche Würde verleiht und in die kirchliche Sendung hineinstellt (vgl. vor allem LG 10 f.). Die Besinnung auf die Taufe als verbindende Würde aller Christen hat ökumenische Relevanz, insofern die Taufe sakramentales Band der Einheit (vgl. UR 2 f.; 22) zwischen den Kirchen ist. Die Taufe gliedert in Christus und in seine Kirche ein, die nur eine ist, so dass die Taufe in allen Kirchen in dieselbe eine Kirche eingliedert und in allen Kirchen das eine kirchliche Leben begründet. Da diese eine Kirche aber konkrete Gestalt gewinnt, ist die Praxis der Taufe jeweils (konfessions-)kirchlich gebunden (vgl. ÖD Nr. 97/19: 58). Gerade in der ekklesialen Ausrichtung der Taufe zeigen sich jedoch auch noch Differenzen, insofern die evangelische Seite traditionell betont, dass die Taufe Inbegriff des ganzen Rechtfertigungsgeschehens ist, während die Taufe in katholischer Sicht eher als Initiation in das umfassendere sakramentale Leben der Kirche verstanden wird: Die Taufe ist „nur ein Anfang und Ausgangspunkt, da sie ihrem ganzen Wesen nach hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus. Daher ist die Taufe hingeordnet auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung, wie Christus sie gewollt hat, schließlich auf die vollständige Einfügung in die eucharistische Gemeinschaft“ (UR 22). Um das Gespräch über diese Frage aufzunehmen, wird in einer Konsultation der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung von 1997 (21) auf den Ordo reflektiert, der zur Taufe gehört und mit christlicher Erziehung und dem Leben in der kirchlichen Gemeinschaft mehr umschließt als nur die Taufe selbst. Bezüglich der Firmung wird durch die Liturgiekonstitution eine bessere Rückbindung an die gesamte christliche Initiation gefordert (vgl. SC 71). Die in der neueren Pastoral immer wieder aufkommende Diskussion um das Firmalter weist auf die firmtheologische Frage nach dem Spezifikum des Sakramentes zurück (siehe unten Abschnitt 4.2.)
4.
Systematische Entfaltung
4.1
Die Taufe
4.1.1 Die Taufe – heilsnotwendig? In neutestamentlicher Sicht ebenso wie in der Theologiegeschichte wird die Taufe als für das Christsein konstitutives Heilsgeschehen gedeutet. Welche Konsequenzen hat dies für die Frage nach der Heilsnotwendigkeit der Taufe? In der biblischen und kirchlichen Tradition liegt diesbezüglich eine Spannung. Während auf der einen Seite die Taufe als heilsnotwendig gilt (vgl. Joh 3,5; Tit 3,5; Mk 16,16; DH 1618; LG 14), lässt der Blick auf den universalen Heilswillen Gottes (vgl. 1 Tim 2,1–3) andererseits eine Heilsmöglichkeit für Nichtgetaufte einräumen.
ökumenische Bedeutung
Firmung
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Spezielle Sakramentenlehre Bereits Ambrosius († 397) öffnet die Auffassung, dass im Martyrertod des Katechumenen die Taufe in seinem Blut geschieht, für die Zuversicht, dass das Verlangen des Katechumenen zum Ziel kommt, auch wenn er vor der Taufe eines natürlichen Todes stirbt. Die Lehre vom votum baptismi setzt zunächst ein explizites Verlangen voraus, wird aber ausgeweitet auf ein implizites Votum (DH 1524; DH 3870). Schließlich kennt schon Thomas von Aquin eine Geist- oder Bußtaufe, in der durch Akte des Glaubens und der Liebe die Wirkung der Taufe auch ohne Taufe erlangt werden kann (STh III, q 66, a 11). Auf dieser Linie besteht nach LG 16 eine Heilsmöglichkeit für Nichtgetaufte aufgrund der ehrlichen Suche nach Gott auch ohne Bezug auf die Taufe (LG 16).
Damit sind die Eckpunkte benannt: Weder ist jede Heilsmöglichkeit außerhalb der Taufe auszuschließen, noch ist die Heilsbedeutung der Taufe zu relativieren. Ist die Taufe aber noch heilsbedeutsam, wenn das Heil nicht unabdingbar an sie geknüpft ist? Die Frage ist vor dem Hintergrund dessen zu beantworten, was im ersten Teil unter Abschnitt IV.5.2 gesagt wurde. Das Heilsereignis in Jesus Christus macht Heil nicht nur potentiell zugänglich, sondern stiftet es der Welt schon als reale Wirklichkeit ein. Infolgedessen steht die gesamte Geschichte bereits unter dem Vorzeichen des Heils. Gleichwohl hat es sich noch nicht im Leben aller Menschen als angenommene Wirklichkeit durchgesetzt und entfaltet sich deswegen als Ereignis in Ereignissen. Die Taufe ist das Heilsereignis, in dem der eschatologische Einschnitt des Christusereignisses im Leben des Einzelnen und der Einzelnen neu Ereignis wird und ihre Situation in eschatologischer Weise umprägt. Dabei ist das eschatologisch neue Leben nicht etwa deswegen an die Taufe gebunden, weil Gott nicht allen Menschen das Heil schon im Hier und Jetzt schenken wollte oder es in willkürlicher Weise an einen konkreten Vollzug bände. Vielmehr eröffnet er den Menschen ohne Vorbehalt Heil in der Gemeinschaft mit sich selbst. Gemeinschaft aber lebt von Beziehungen, die aus dialogischer Begegnung erwachsen. Die Taufe ist Heilsereignis, weil sich in ihr glaubende Menschen für das Wirken Gottes öffnen. Umgekehrt bleibt Gott aber angesichts dieser Bereitschaft zur Glaubensantwort nicht passiv, sondern kann auf sie hin schenken, was er immer schon schenken wollte. So eröffnet sich für die Getauften der Weg, schon im Hier und Jetzt Gemeinschaft mit dem zu haben, in dem Leben in Fülle geschenkt ist: Jesus Christus. Zwar ist kein menschliches Leben gott-los, und dem Leben jedes Menschen gilt das „Für-uns“ der Selbsthingabe Jesu Christi. Deren Ziel aber ist das „In-Christus-Sein“ und das „Mit-ChristusSein“, also die Realisierung von Gemeinschaft. Konkret-leibhaftiges Ereignis dieser vollzogenen Gemeinschaft ist die Taufe. Die Taufe führt somit in eine Heilsteilhabe hinein, in die zwar alle Menschen eingeladen sind, die sich aber noch nicht für alle Menschen realisiert hat. Den Getauften ihrerseits muss dieser ihnen geschenkte „Heilsvorsprung“ Aufgabe und Sendung sein. In der eigenen Existenz durch die Taufe in Christus neu gegründet zu sein bedeutet sein Eigentum zu werden und in seine Heilssendung hineingenommen zu sein. Durch die Taufe ist die Lebensgeschichte der Getauften ausdrücklich hinter das Vorzeichen Jesu Christi gestellt; daraufhin sind sie ihrerseits befähigt und in Pflicht ge-
I. Taufe und Firmung
nommen, die ganze Wirklichkeit ihres Lebens und der ihnen begegnenden Welt mit Christus in Berührung zu bringen. So gesehen ist die Taufe heilsnotwendig auch in einem ekklesialen Sinn: Es braucht Getaufte, die sich als Glieder der Kirche mit ihrem ganzen Leben für Gottes Heilswillen in Dienst genommen wissen. Gerade diese Indienstnahme wiederum gehört als beglückende Gemeinschaft mit dem Herrn in der Sendung zum Geschenk des neuen Lebens hinzu.
4.1.2 Zur Bedeutung des Taufgeschehens Die Bedeutung der Taufe zur Realisierung des Heils wird in der katholischen Tradition dadurch zum Ausdruck gebracht, dass ihr eine ontologische Wirkung zugeschrieben wird. Sie verdeutlicht nicht nur etwas und prägt nicht nur das Bewusstsein des Menschen, sondern verändert seine Seinswirklichkeit. Sozusagen eine Keimzelle dieser Veränderung ist der character indelebilis (siehe Erster Teil, Abschnitt IV.6.2), der aber auf die umfassendere Verwandlung des Menschen zielt. Die evangelische Theologie fürchtet, mit einer solchen ontologischen Redeweise könnte der Ablösung der Heilsgabe von ihrem Geber Vorschub geleistet werden. Sie bevorzugt deswegen personale, relationale Kategorien und spricht von einer Neubestimmung der Beziehung von Gott und Mensch. Da ontologische und personale Kategorien einander nicht widersprechen, kann gemeinsam gesagt werden, dass das menschliche Personsein aufgrund der Taufe durch die Teilhabe an Jesus Christus und seiner Sohnesbeziehung zum Vater neu konstituiert wird. Es geht um eine Sicht der Taufe, derzufolge sie die Wurzeln der Existenz eines Menschen ergreift und bleibend prägt. Auf dieser Basis kann eine Taufspiritualität wachsen, welche durch das Ganze menschlichen Lebens hindurch auf das Lebenssakrament Taufe zurückkommt und sich davon durchwirkt und beschenkt weiß. Die im Folgenden zu beschreibenden Aspekte des Taufgeschehens (Sündenvergebung, Mitsterben mit Christus und Teilhabe an seinem Geschick, Gabe des Geistes und des eschatologisch neuen Lebens sowie Eingliederung in die Kirche) sind Geschenk der Taufe, lassen sich aber nicht auf das Taufgeschehen beschränken. Wie die Tradition mit der Lehre vom character indelebilis ausdrückte, ist mit der Taufe etwas Bleibendes in das Leben eines Menschen hineingestiftet. Die Taufe schafft die Lebensgrundlage, auf die Christen ihr Leben lang zurückkommen können. Dynamischer formuliert: Die Taufe umkleidet die Getauften mit einem neuen Gewand; sie haben in der Taufe Christus angezogen, doch ist dies ein Gewand, das zu groß ist. In das Taufgewand hineinzuwachsen fordert einen ganzen Lebensprozess der Verähnlichung mit Christus. Die Sündenvergebung ist nur scheinbar selbstverständlich die zuerst zu nennende Gabe der Taufe. Vergebung und Mitteilung neuen Lebens in der Gemeinschaft mit Gott sind nicht zwei streng aufeinander folgende Phasen, als müsse erst der Mensch liebenswert gemacht werden, bevor Gott ihn lieben kann. Vielmehr ist die Sündenvergebung ein Aspekt der liebenden Selbsterschließung Gottes, der seine Liebe zu uns darin er-
ontologische Wirkung
Taufe als Lebenssakrament
Sündenvergebung
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Spezielle Sakramentenlehre
Teilhabe am Geschick Jesu Christi
wiesen hat, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren (Röm 5,8). Die Sündenvergebung in der Taufe beschränkt sich nicht auf einzelne Verfehlungen aus der Vorgeschichte der Getauften, sondern befreit in grundsätzlicher Weise aus der Macht des Bösen. Die Taufe bewirkt einen Umbruch, in dem durch das Mitsterben mit Christus der alte Mensch zurückgelassen wird (vgl. Röm 6,6; Kol 3,9). Symbol dafür ist das Taufwasser, das im christlichen Verständnis nicht einfach Symbol des Lebens, sondern primär Symbol des Sterbens und des Gerichtes ist (so aus exegetischer Perspektive sehr radikal Ostmeyer/96). Das Sterben des alten Menschen zielt auf die neue Lebensorientierung der Getauften. Sie entkommen dem Sog der Unheilsgeschichte, weil sie, statt der Vergangenheit verhaftet zu sein, in der Beziehung zum Auferstandenen bereits jetzt aus der in ihm angebrochenen heilvollen Zukunft als neue Menschen leben. Das neue Menschsein aber lässt sich nicht aus der Herkunft und von den Gegebenheiten dieser Welt ableiten, sondern kommt ihnen aus der Zukunft entgegen (vgl. 1 Kor 15,44–49). Freilich ist die in der Taufe gestiftete Lebenswende nur in einer neuen Ausrichtung des Lebens einzuholen. Wenn sich die Täuflinge im altkirchlichen Taufritus von Westen nach Osten (oriens!) wandten, so fand damit die Orientierung an der in Jesus Christus eröffneten neuen Lebenswirklichkeit symbolischen Ausdruck. Für die Katechumenen der Alten Kirche war diese Orientierung auf einem längeren Weg bereits lebensprägend geworden. Ohne solche Prozesse bleibt die Initiation unvollendet. Für die Frage, wie die Überwindung des alten Menschen konkret wird, ist zudem die ekklesiale Dimension der Taufe von Bedeutung: Die Getauften werden in die Kirche eingegliedert, in der ihnen ein neuer Lebenszusammenhang geschenkt ist, in dem Menschen füreinander zu Zeugen und Repräsentanten der Gnade werden (vgl. Weger/117: 161–175). Insbesondere für die Wiederbelebung des Erwachsenenkatechumenates sind beide Aspekte von hoher Bedeutung. Die Taufe überantwortet den Täufling nicht an einen transzendenten Gott jenseits der Geschichte, sondern an den dreieinen Gott, der sich in Jesus Christus und im Geist für die Menschen aufgetan hat. Der Weg in die Gemeinschaft mit Gott, den die Taufe eröffnet, ist bleibend an die Person Jesu Christi wie an sein Geschick gebunden. Er ist der neue Mensch, in dem sich zeigt, wie Gott das Menschsein gedacht hat, und in dem das Menschsein erneuert und vollendet wird. Sein Leben bahnt den Weg, auf dem Sünde und Tod überwunden werden, indem sie durchlitten werden im Geist der Vergebung und der Liebe statt des Hasses. Christwerden bedeutet, die so eröffnete neue Lebensmöglichkeit zu ergreifen und die menschliche Existenz in der personalen Verbundenheit mit Christus neu zu gründen. Die Liturgie bringt die christologische Ausrichtung der Taufe in vielfältiger Symbolik zum Ausdruck. Die Taufe lässt mit Christus in seinen Tod hineinbegraben sein (vgl. Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser: Feier der Eingliederung Nr. 215/24: 137); die Salbung mit Chrisam ist Ausdruck dafür, dass die Getauften für immer Christus angehören (vgl. Feier
I. Taufe und Firmung
der Kindertaufe Nr. 65/23: 63), im weißen Kleid wird symbolisiert, dass sie ihn als Gewand angezogen haben (vgl. Feier der Eingliederung Nr. 225/24: 144). Erleuchtet durch Christus, das Licht der Welt, sollen die Getauften dem Herrn entgegengehen (vgl. Feier der Eingliederung Nr. 226/24: 144). In all dem vollzieht sich, was LG 7 so zusammenfasst: „Durch die Taufe werden wir ja Christus gleichgestaltet.“ Die Verähnlichung mit Christus ist den Getauften möglich, weil ihnen das Lebensprinzip mitgeteilt wird, aus dem er gelebt hat: der Geist, der ihn mit dem Vater verbindet, der nach Lk 1,35 sein menschliches Dasein konstituiert und der bei der Taufe auf ihn herabkommt, um ihn zu führen. Derselbe Geist ermöglicht den in die Nachfolge Jesu gerufenen Getauften, sein Leben nicht bloß zu „kopieren“, sondern in andere Kontexte hinein zu übersetzen und dort originell zu leben. So erschließt der Geist die individuelle Gestalt Jesu Christi für die vielen, gibt teil an seiner Beziehung zum Vater und entfaltet den einen Weg Jesu in die Vielfalt menschlicher Nachfolgewege. Den neutestamentlichen Zeugnissen zufolge ist der Geist die eschatologische Gabe an die Getauften, Unterpfand ihrer unverbrüchlichen Gemeinschaft mit Gott, zugleich aber Gabe, welche den Getauften zum Wohl der Gemeinschaft der Kirche geschenkt wird. Theologiegeschichtlich ist die ekklesiale Dimension der Taufe über der starken Betonung ihrer Heilsnotwendigkeit für die einzelnen vernachlässigt worden. Demgegenüber wird heute sowohl liturgisch als auch theologisch die Eingliederung in die Kirche zu Recht als wesentlicher Aspekt des Taufgeschehens hervorgehoben. Der Christus, mit dem die Taufe verbindet, ist nicht ohne seine Kirche. Gelegentlich wird die Eingliederung in die Kirche das „Mittlere“ (res et sacramentum) zwischen dem Vollzug des Sakramentes und seiner letztlich angezielten Wirkung genannt (siehe oben S. 70). Analog zum character indelebilis in der scholastischen Theologie wäre die Eingliederung in die Kirche damit die erste, unmittelbarste und immer gegebene Wirkung, durch die sich die anderen Taufgaben vermitteln. „Diese Eingliederung … ist nicht nur irgendeine, ‚auch‘ bestehende Wirkung der Taufe, sondern selber Sakrament, Zeichen für die übrigen Wirkungen der Taufe“ (Rahner/80: 78). Insofern allerdings Eingliederung in die Kirche durch die Taufe nicht einfach Rezeption des Getauften in die äußere Kirchengemeinschaft, sondern Hineinnahme des Getauften in den Leib Christi ist, lassen sich Eingliederung in die Kirche und Eingliederung in Christus nicht im Sinne verschiedener Phasen unterscheiden. Zudem ist die christologische Wirkung der Taufe nicht eindeutig der ekklesialen Wirkung nachgeordnet. Wie Tod und Auferstehung Jesu Grund der Kirche als Leib Christi sind, so ist das Mitsterben mit Christus Grund für die Einfügung in diesen ekklesialen Leib. Bedeutsam ist die ekklesiale Dimension der Taufe nicht nur für die einzelnen Getauften, sondern auch umgekehrt für die Kirche. Die Taufe ist das Sakrament, das dem kirchlichen Leben grundlegend eine sakramentale Basis gibt.
Gabe des Geistes
Eingliederung in den Leib Christi/ die Kirche
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Spezielle Sakramentenlehre
4.1.3 Sakrament des Glaubens – oder: die Kindertaufe
stellvertretender Glaube
wertfreie Erziehung?
Im Geschehen der Taufe ist der Glaube ein unabdingbares Moment. Wie die dialogische Taufbefragung zu erkennen gibt, wird die Taufe auf den Glauben hin vollzogen (siehe oben S. 84). Dies lässt fraglich erscheinen, ob das „Sakrament des Glaubens“ sinnvoll als Kindertaufe, genauerhin: als Säuglingstaufe gefeiert werden kann. Die Diskussion um die Kindertaufe bewegt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Exegetisch bleibt unentscheidbar, wie das Neue Testament zur Kindertaufe steht (siehe oben S. 78). Ethisch werden Bedenken geäußert, ob mit der Taufe von Unmündigen unzulässig an deren Freiheit vorbei über ihren Weg entschieden wird. Pastorale Einwände gegen die Kindertaufe favorisieren eine Freiwilligkeitskirche, die auf der Basis einer positiven Glaubensentscheidung ihrer Glieder glaubwürdig zu sein vermag. Der kritische Punkt der Diskussion auf dogmatischer Ebene betrifft die Bedeutung des Glaubens im Taufvollzug. Dabei geht es bei genauem Hinsehen nicht um die Frage, ob der Glaube verzichtbar ist oder nicht – er ist es nicht! Zu diskutieren ist dagegen die Einschätzung, inwiefern solcher Glaube bei der Kindertaufe hinreichend gegeben ist. Diese Auseinandersetzung betrifft in erster Linie das Menschenbild und die Konsequenzen für das Verständnis der Gemeinschaft der Kirche. Während früher das Kindsein als bloße Vorform des Erwachsenseins verstanden wurde, beschreibt man es heute in den anthropologischen Disziplinen als einen eigenen Modus des Menschseins. Kindsein wird nicht einseitig am Maßstab des Erwachsenseins gemessen (und als defizient gewertet), sondern in seiner eigenwertigen Gestalt betrachtet. Dabei zeigt sich, wie sehr ein Kind zutiefst Beziehungswesen ist: Kindsein bedeutet, in der Teilhabe an anderen Menschen zu leben und aufgrund solcher Partizipation zu sich selbst zu finden. Wie ein Kind von seiner Geburt an Formen äußeren Verhaltens und innerer Haltung von Eltern und Umwelt übernimmt, so partizipiert es in der ihm eigenen (durchaus aktiven) Art auch am Glauben, wie er von den Eltern gelebt und in der Feier der Taufe zum Ausdruck gebracht wird. In diesem Sinne ist das Kind in einer seinem Kindsein gemäßen Weise gläubig. Allerdings ist diese Form des Glaubens eine noch nicht voll ausgeprägte. Insofern ist der Glaube des Kindes durch Formen stellvertretenden Glaubens zu ergänzen. Das Kind partizipiert am Glauben der Eltern und der Kirche, der seinerseits ergänzt und vertritt, was im Glauben des Kindes noch fehlt. Dies nun widerspricht keineswegs dem Wesen des Glaubens, der immer communialer Glaube ist. Im Ritus ist das Tragen des Kindes durch die Eltern ein tiefes Symbol für diese Verbundenheit. Gewiss ist der stellvertretende Glaube recht verstanden darauf angelegt, dass das Kind selbst immer bewusster in diesen Glauben hineinwächst. Doch kann das stellvertretende Bekenntnis der Eltern als Antizipation des Glaubens gelten, den das Kind einmal verantwortlich als seinen eigenen übernehmen soll. Die Sorge dafür, dass diese Antizipation bewahrheitet wird, ist den Eltern und Paten aufgetragen. Ist damit die Frage nach dem für die Tauffeier vorauszusetzenden Glau-
I. Taufe und Firmung
ben positiv beantwortet, so bleibt zu klären, wie sich solch stellvertretendes Tun im Blick auf die Freiheit eines Menschen verantworten lässt. Dabei sind zwei Aspekte, die Legitimität der Taufe selbst und die Legitimität einer christlichen Erziehung, sachlich zu unterscheiden. Im Blick auf letzteren Aspekt ist schon aus entwicklungspsychologischen Gründen das Ideal einer wertfreien Erziehung abzulehnen. Einen neutralen Raum gibt es nicht; wer auf die Vermittlung von Werten verzichtet, überlässt Kinder dem Spiel von Unwertem. Kinder in den Glauben einzuführen tut darum deren Freiheit keinen Abbruch, sondern ist gerade eine Weise, wie gläubige Eltern den von ihnen als kostbar und befreiend erfahrenen Lebensraum des Glaubens ihrem Kind eröffnen. Wollte man nun ein Kind zwar christlich erziehen, doch unter Verzicht auf die Taufe, so entspräche dies nicht dem Wesen des Christlichen, das gnadenhafte Vorgabe, nicht eine rein kulturelle Größe ist. Kinder sind Christen nicht von Gnaden ihrer Eltern, sondern aufgrund der Berufung durch Gott, der diese Lebensmöglichkeit schenkt. In der Taufe erbitten Eltern für ihr Kind mehr, als sie ihm selbst geben können, mehr, als bloße christliche Erziehung leisten kann. Trotz dieses Plädoyers für die Legitimität und den Wert der Kindertaufe sei betont, dass die Taufe von Unmündigen keineswegs das „klassische Modell“ des Sakramentes überhaupt ist. Gnadentheologisch wäre es überaus problematisch, die Wirksamkeit des Sakramentes und somit eine Hochform der Gnade dort ausmachen zu wollen, wo menschliches Bewusstsein noch nicht zur Reife gekommen ist. So wie die Gnade nicht in Konkurrenz zur Freiheit steht, sondern zur Freiheit befreit, so sind die Sakramente gerade auf die freie menschliche Einstimmung und Antwort aus, um lebendige Gemeinschaft stiften und vertiefen zu können. Auch bei Erwachsenen ist es Gott selbst in seiner Gnade, der Männer und Frauen zur Kirche führt: „Auf vielfältige Weise hast du sie angeregt und bist ihnen zuvorgekommen, so dass das Verlangen nach dir in ihnen immer stärker wird“ (Oration in der Feier der Annahme: Feier der Eingliederung Nr. 82/24: 61).
Kindertaufe – kein Modell!
4.2 Die Firmung Wegen der späteren Ausdifferenzierung der Firmung aus dem ursprünglich einheitlichen Initiationsritus ist der Firmtheologie eine Gratwanderung aufgetragen. Sie hat einerseits zu beachten, wie sehr die Firmung mit der Taufe verbunden und auf sie bezogen ist. Selbst wenn ihr deswegen der Charakter eines eigenständigen Sakramentes nicht abzusprechen ist, muss die Unterscheidung der sacramenta minora von den sacramenta maiora (siehe oben Erster Teil, Abschnitt IV.6.1) beherzigt werden. Sie leitet dazu an, den Inhalt der Firmung nicht auf Kosten der Taufe, sondern in Bezogenheit auf sie zu bestimmen. Andererseits ist die Verselbstständigung der Firmung nicht nur praktisch-pragmatisch begründet, sondern geht auf die theologische Option zurück, die Salbung nach der Taufe durch den Bischof zu vollziehen. So ist es Aufgabe der Firmtheologie, aufzuzeigen, inwiefern die Firmung in Anknüpfung an die Taufe doch Sakrament in relativer Eigenständigkeit ist.
Verhältnis von Taufe und Firmung
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Spezielle Sakramentenlehre
Pneumatologisches Geschehen
Ekklesiologische Sinnbestimmung
Rezeption ostkirchlicher Praxis
Eine solche Sinnbestimmung der Firmung lässt sich auf zwei Weisen vornehmen. Eine komplementäre Sicht versteht die Firmung als die Taufe ergänzendes Geschehen. Dabei ist sorgfältig zu prüfen, ob der ergänzende Aspekt zu Recht nicht der Taufe zugeordnet wird. Einer komparativen Beschreibung zufolge wird in der Firmung ein Aspekt, der in der Taufe grundgelegt ist, verdeutlicht und entfaltet. Kritischer Punkt ist hier die Frage, inwiefern eine solche Funktion es rechtfertigt, von einem eigenen Sakrament zu sprechen. In der gegenwärtigen Theologie finden sich verschiedene Vorschläge inhaltlicher Sinnbestimmung. Eine komplementäre Sicht ergibt sich aus der Zuordnung von Taufe und Firmung zur mehr österlich oder mehr pfingstlich geprägten Teilgabe am Heilsmysterium. Da jedes Sakrament zugleich christologisch und pneumatologisch zu verstehen ist, wäre es indes zu einfach, die Taufe als christologisches, die Firmung als pneumatologisches Geschehen aufzufassen. Bereits die Taufe beinhaltet die Zusage der Geistgabe, für die in einer pneumatologischen Deutung der Firmung somit eine speziellere Perspektive benannt werden muss. Aussagen des II. Vatikanischen Konzils legen eine ekklesiologisch akzentuierte Firmtheologie nahe. Nach LG 11 werden die Getauften durch die Firmung „vollkommener der Kirche verbunden und mit einer besonderen Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet. So sind sie in strengerer Weise verpflichtet, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu verteidigen“. Diese komparativen Aussagen sind darauf zu befragen, inwiefern die Firmung in ekklesiologischer Hinsicht ein Mehr gegenüber der Taufe bedeutet, wenn doch schon die Taufe in den Leib Christi eingliedert. Dazu muss nun die historische Wurzel für die Loslösung der Firmung von der Taufe beachtet werden: die Bindung an den Bischof. Die Firmung entfaltet die Bedeutung der ekklesialen Dimension allen Christseins, insofern die durch den Bischof repräsentierte apostolische Kirche verstärkt den Aspekt der Sendung in den Blick kommen lässt. Die Firmung ist jenes Sakrament, welches in die geschichtlich-konkrete Sendung der Kirche hineinnimmt und durch die Herabrufung der Gaben des Geistes zu einer verantwortlichen und kreativen Teilnahme an dieser Sendung auch befähigt (vgl. Breuning/107). Damit wird auch erklärlich, warum die Firmung bei Erwachsenen zusammen mit der Taufe gefeiert wird, bei der Säuglingstaufe aber auf einen späteren Zeitpunkt, an dem ein Zustimmen zur Übernahme kirchlicher Sendung möglich ist, verschoben wird. Dies ist allerdings durchaus umstritten. Nicht zuletzt angesichts der anhaltenden Diskussion um das Firmalter blicken manche Theologen heute auf die ostkirchliche Praxis, welche die Taufe und Myronsalbung in einer einzigen liturgischen Feier verbindet. In Anknüpfung daran verbietet sich nach Auffassung Michael Kunzlers (vgl. 115) die Trennung der Firmung von der Taufe, weil erst die Firmsalbung die vergöttlichende Teilnahme am Pneuma schenke. Hier scheint sich allerdings der westliche Hang zur Analyse (mit genauer Zuschreibung bestimmter Wirkungen an bestimmte Vollzüge) der östlichen, eher integralen Sicht zu bemächtigen mit der fragwürdigen Folge, dass die Taufe als bloße Vorbereitung dessen erscheint, was erst die Firmung real schenkt.
I. Taufe und Firmung
Die Praxis der lateinischen Kirche mit ihrer Loslösung der Firmung von der Kindertaufe reflektiert Hans Küng in einer theologisch-anthropologischen und am christlichen Glaubensweg orientierten Sinnbestimmung (vgl. 114). Weil die Kindertaufe (genauer: Säuglingstaufe) ein unvollendeter Modus von Taufe sei, rufe sie nach einer Vollendung im Glauben und Bekennen der Getauften selbst. Diese Diagnose führt Küng zu einer phänomenologischen Verortung der Firmung als Akt, in dem ein Kind sich bewusst und öffentlich zu dem, was in der eigenen Taufe als Säugling geschehen ist, bekennt: Die Firmung sei confirmatio als subjektive Bestätigung des Glaubens durch die Getauften und als objektive Stärkung der sich nun öffentlich zum Glauben bekennenden Getauften durch den Geist. Obwohl Küng dabei auf die „frei bejahende, selbstverantwortliche, öffentlich bekannte Entscheidung des jungen Menschen“ (114: 40) abhebt, hält er an der historischen Reihenfolge der Initiationssakramente fest. Er will Firmung und Erstkommunion aneinander binden und favorisiert somit einen Zeitpunkt der Firmung in den ersten Schuljahren. Der bei Küng gewählte „pragmatische“ Ausgangspunkt und die Suche nach einem existentiellen Sinn der Firmung sind in konsequenterer Weise in zeitgenössischen Überlegungen zur Firmtheologie und -pastoral leitend. In pastoralem Kontext stellt sich die Frage, welche Firmpraxis dem mit der Säuglingstaufe begonnenen, aber existentiell nicht vollendeten Initiationsgeschehen am besten dient. Die Berechtigung eines solchen Ansatzes ist gegen eine bloß historisch argumentierende Firmtheologie festzuhalten. Es entspricht durchaus sonstigen geschichtlichen Erfahrungen der Kirche, dass der Sitz im Leben der Sakramente auf das Verständnis der Sakramente zurückwirkt und dass Veränderungen in der Praxis theologische Akzentverschiebungen nach sich ziehen. Auch ist die Frage legitim, welche Gestalt der Sakramentspraxis dem Sinn der Sakramente, Vermittlung der Gemeinschaft von Gott und Mensch zu sein, am besten gerecht wird (siehe oben S. 13.22 – 25) In veränderter gesellschaftlicher Situation tritt neu hervor, wie bedeutsam auf dem christlichen Glaubensweg als Antwort auf den Ruf Gottes das Ergreifen der christlichen Berufung ist. Die der Firmung traditionell zugeschriebene Stärkung dezidiert für diesen Schritt zu erbitten, ist eine Fokussierung, die theologisch gerechtfertigt ist und heute mit gutem Grund Optionen für ein höheres Firmalter stützt.
Literaturempfehlungen Eine übersichtliche Einführung in die biblisch bezeugte Taufpraxis und -theologie geben Gerhard Barth (93) und Lars Hartman (94). Der Reichtum der patristischen Tauftheologie wird in Quellenbänden der Reihe Fontes Christiani (2–6) greifbar, findet aber auch in dem schönen Band von Lothar Heiser (101: griechische Patristik) eine eindrückliche Darstellung. Die neuere Tauftheologie hat (noch) nichts Gleichwertiges zu bieten, so dass die entscheidenden Impulse für ein systematisches Taufverständnis in den Quellen zu suchen sind. Gerade in ihrer Nähe zur patristischen Tradition liegt die Stärke der – zahlreicheren – französischen Werke zur Tauftheologie (106; 108). August Jilek (112) verschafft in klarer und prägnanter Weise Zugänge von der Liturgie her.
Anthropologische Sinnbestimmung
Pastoraler Ansatz
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II. Eucharistie 1. Hinführung Von allen Sakramenten hat in der Theologiegeschichte die Eucharistie am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das Sakrament der Einheit ist darüber zugleich das Sakrament geworden, an dem sich zahlreiche Auseinandersetzungen entzündet haben. Nicht immer ist dabei der Blick auf das Ganze gewahrt worden. Auch war – entgegen der für die Sakramententheologie notwendigen Ausrichtung an der Praxis (siehe oben S. 13) – nicht immer die schlichte Tiefe des Vollzugs Ausgangspunkt und Ziel der Reflexion. Die folgende Darlegung beabsichtigt, ausgehend von einer ausführlichen biblischen Grundlegung zu einer die verschiedenen Aspekte möglichst zu einem Ganzen integrierenden systematischen Sicht zu gelangen.
2. Biblische Grundlegung Terminologie
Zum Namen: Nach Apg 2,42 gehört es zu den Kennzeichen der Christen, sich zum Brotbrechen zu versammeln. Paulus spricht vom Herrenmahl (vgl. 1 Kor 11,20). Dagegen klingt die Bezeichnung Eucharistie nur in einem unspezifischen Gebrauch des Verbs danksagen (eucharistein) an (vgl. Lk 22,19; Kol 3,17). Dieses wird erst in der Alten Kirche zur spezifischen Benennung des Vollzugs, nach dem dann auch die Gaben benannt werden.
2.1 Jesu Mahlpraxis Nahrung als Zeichen für Leben
gemeinschaftsstiftendes Mahl
Das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern steht vor dem Hintergrund einer Verkündigung, die in Wort und Zeichen menschliche Erfahrungen der Angewiesenheit auf Nahrung und der Freude an Speise und Mahl aufgreift, um diese über sich selbst hinauszuführen. Jesus erwartet – ganz im Sinne jüdischen Glaubens (vgl. Ps 104,14 f.; 145,15 f.; Dtn 8,8 f.) – die lebenserhaltende Nahrung von der Sorge des Vaters für die Menschen (vgl. Mt 6,25). Die göttliche Sorge inkarniert sich im Erbarmen Jesu, welches die Bedürftigkeit der hungernden Menge mit Fülle beschenkt (vgl. Mk 6,32–44; 8,1–10; vgl. als Hintergrund Ps 23). Als Zeichen für Leben dient die Aufnahme von Nahrung im Zusammenhang der Auferweckung der Tochter des Jairus (vgl. Lk 8,55), so wie auch Jesus selbst sich nach der Auferstehung durch Essen als lebend ausweisen wird (vgl. Lk 24,41). Jesus pflegt den gemeinschaftsstiftenden Vollzug des Mahles, das in seinen Gleichnissen Inbegriff der anbrechenden Gottesherrschaft ist (so in Lk 14,15–24; vgl. dazu Ex 24,1; Jes 25,6). Er sucht Tischgemeinschaft mit
II. Eucharistie
Menschen ohne Rücksicht auf den Anstoß, den er erregt, wenn er „sich mit Sündern abgibt und sogar mit ihnen isst“ (Lk 15,2; vgl. Mt 9,10–13). Ihn leitet der Anspruch, in der von ihm gewährten Mahlgemeinschaft komme die rettende und heilschaffende Zuwendung Gottes selbst zum Ausdruck (vgl. Mt 9,12 f.; Lk 15). So gibt sich hier ein Vorgeschmack des eschatologischen Mahles.
2.2 Das letzte Mahl Jesu Berichte vom letzten Mahl Jesu liegen uns in vier Versionen vor: Mk 14,12–26a; Mt 26,21–30; Lk 22,7–28 und 1 Kor 11,17–26. Diese Berichte gehen auf zwei Überlieferungsstränge zurück: Mt ist abhängig von Mk (markinische Tradition), Lk steht in großer Nähe zu Paulus (antiochenische Tradition). Umstritten ist, welche Tradition ursprünglicher ist. Im Vergleich der verschiedenen Fassungen fallen einige Unterschiede auf. (a) Nur Lk spricht im Abendmahlsbericht selbst eigens vom Pascha; (b) der eschatologische Ausblick steht bei Mk/Mt am Schluss, bei Lk am Anfang; in 1 Kor kommt er verkürzt als Kommentar des Paulus vor; (c) Lk spricht von einem ersten Kelch vor der Brothandlung; (d) anders als in 1 Kor berichten Mk/Mt, Jesus habe das Brot den Jüngern gegeben, verbunden mit einer ausdrücklichen Aufforderung: „nehmt/ nehmt, esst“; (e) es findet sich eine auffällige Asymmetrie der Worte über Brot und Becher bei Mk/Mt, die anders als Lk/1 Kor das Brotwort ohne Deutung überliefern; (f) dem „für die Vielen“ im Becherwort bei Mk/Mt entspricht das „für euch“, das in 1 Kor im Brotwort, bei Lk im Brot- und Becherwort steht; (g) nur 1 Kor/Lk kennen den Gedächtnisauftrag; (h) 1 Kor/Lk erwähnen ein Mahl zwischen Brot- und Kelchhandlung; (i) Mk bemerkt (der Sache nach zu früh) „sie tranken alle daraus“; Mt überliefert die Aufforderung „trinket alle daraus“; dies zusammengeschaut mit (d) zeigt sich bei Mk/Mt eine stärker betonte Beteiligung der Empfangenden an dem Geschehen; (j) das Deutewort über dem Becher wird unterschiedlich eingeleitet: „dieser Kelch ist“ (1 Kor/Lk) – „das ist“ (Mk/Mt); (k) das Bundeswort ist unterschiedlich formuliert: mein Blut des Bundes (Mk/Mt) – „der neue Bund in meinem Blut“; (l) nur Mt hat die Deutung: „zur Vergebung der Sünden“. Hinter diesen Unterschieden stehen verschiedene Anliegen: Die Berichte bei Mk/Mt sind Vertreter einer eher (aber nicht ausschließlich) historischen Tradition; Lk hat durch die Einbindung des Berichtes in eine Abschiedsrede eher testamentarischen Charakter: Das Abendmahl gehört zum Vermächtnis Jesu; 1 Kor führt die Praxis der Gemeinde auf das letzte Abendmahl zurück (Kultätiologie), Adressat ist ausdrücklich die Eucharistie feiernde Gemeinde. Während die historische Tradition mehr das Einmalige der Situation erkennen lässt, treten in der Kulttradition die historischen Gegebenheiten zurück. Der erzählerische Rahmen schrumpft auf ein Minimum zusammen.
Wie die Differenzen zwischen den neutestamentlichen Abendmahlsberichten erkennen lassen, fließen darin historische Überlieferung, theologische Deutung (als verstehende Aneignung des Geschehens durch die frühe Kirche) und Zeugnis der urkirchlichen Praxis des Herrenmahles zusammen. Eine Rekonstruktion des historischen Geschehens beim letzten Mahl Jesu ist darum nur eingeschränkt möglich. Die Mahlgestalt lehnt sich an die Form jüdischer Festmähler an. Demzu-
Abendmahlsberichte
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Spezielle Sakramentenlehre
Paschamahl?
die Mahlhandlung
Intention Jesu
folge geht im Zusammenhang der Vorspeise ein erster Kiddusch-Becher, beim Paschamahl zudem der Haggada-Becher voraus (vgl. Lk 22,17). Die sättigende Hauptmahlzeit ist eingerahmt durch ein begleitet von Dankgebet gereichtes Brot und einen dem Mahl folgenden, mit Dankgebet gereichten Becher der Preisung. Mit diesem Brot und diesem Kelch verbinden sich die Abendmahlsworte Jesu. Obwohl die Synoptiker das Abendmahl Jesu als Paschamahl ankündigen (vgl. insbesondere Lk 22,15), haben die Paschariten selbst keine Bedeutung. So hat die Vermutung, es handle sich mehr um eine theologische Deutung denn um eine historische Datierung, einige Wahrscheinlichkeit für sich (zumal auch andere Gründe für die Chronologie des Johannesevangeliums, welches den Tod Jesu auf den Rüsttag für das Paschafest datiert, sprechen). Das Abendmahl ist Paschamahl nicht im Sinne des jüdischen Ritus, sondern im Blick auf das Pascha, „das Jesus selbst leben wird“ (Léon-Dufour/119: 251). In Aufnahme jüdischer Mahlbräuche nimmt Jesus unter Danksagung Brot und Wein, von denen er gegen die jüdische Gepflogenheiten nicht selbst kostet, und gibt ihnen durch die begleitenden Worte neuen und unerwarteten Bezug zu seiner Person und seinem Geschick. Der Wortlaut der Deuteworte lässt vermuten, dass die Ansätze zur Parallelisierung von Brot- und Kelchwort (vgl. Mt mit Mk) auf die liturgische Praxis der frühen Kirche zurückgehen. Wegen der semitisierenden Färbung wird dem markinischen „für die Vielen“ zuweilen größere Ursprünglichkeit zugeschrieben; es kann sich aber auch um eine nachträgliche Ausweitung des situativen „für euch“ handeln. Ebensowenig lässt sich definitiv klären, ob das Brotwort in der Fassung des Mk/Mt gekürzt worden ist, als in der liturgischen Praxis der Urkirche kein Sättigungsmahl mehr zwischen Brotund Kelchritus stand und somit das Kelchwort dem gesamten Geschehen die Deutung geben konnte. Umstritten ist die Historizität des Gedächtnisauftrags. Die Frage, was der historische Jesus mit seinem Tun beabsichtigt hat, hängt eng mit der christologischen Frage nach seinem Selbstverständnis und seiner eigenen Deutung des bevorstehenden Todes zusammen. Dem Grundtenor der Evangelien zufolge hat Jesus wahrgenommen, wie sich die Lage gegen ihn zuspitzte. Die Situation des letzten Abendmahles ist von der drohenden Verurteilung durch die religiösen Autoritäten und die zu erwartende Hinrichtung bestimmt. Damit ist zugleich der Anspruch Jesu radikal in Frage gestellt. Vieles deutet aber darauf hin, dass Jesus seinen bevorstehenden gewaltsamen Tod in seine Hingabe und seinen Anspruch zu integrieren wusste. Dafür spricht nicht zuletzt das eschatologische Wort in den Einsetzungsberichten: „Indem nun Jesus seine Gewißheit ausspricht, den Becher ‚neu zu trinken‘ in der hereinbrechenden Gottesherrschaft, impliziert er damit, daß die von ihm bislang ermöglichte, die Gottesherrschaft vorwegnehmende Mahlgemeinschaft durch seinen Tod nicht aufgehoben wird, sondern eine Zukunft haben soll“ (Roloff/184: 53). Von hier aus fällt Licht auf das Abendmahlsgeschehen. Statt Brot und Wein nur in der Empfangs- und Dankgebärde des Segens zum Mahl zu bereiten, spricht Jesus ihnen im Vorgriff auf seinen eigenen Tod in großer Souveränität eine neue
II. Eucharistie
Bedeutung zu. In den Zeichen von Brot und Wein soll seine Gegenwart über seinen Tod hinaus fortdauern, damit so zugleich seine leibhaftige, bis ins Äußerste durchgetragene Hingabe zur bleibenden Grundlage eines erneuerten Bundesverhältnisses werden kann: Jesus bietet seine Existenz im Zeichen dar, damit die Teilhabe daran die Teilnahme an seinem Geschick ermögliche. Diese Wendung des Mahlgeschehens tritt noch deutlicher hervor, wenn die Atmosphäre berücksichtigt wird, die in allen Traditionen durchschimmert: Berichtet wird von dem letzten Mahl Jesu, welches unter den Zeichen von Abschied, Verrat und Tod steht. Das Mahl, an sich Zeichen der Gemeinschaft und der Freude, wird in eigentümlicher Weise überformt durch das, was der Erfüllung dieses Zeichens an sich entgegensteht. Dennoch wird es zum Ausdruck einer unvergleichlich tieferen Gemeinschaft, da Jesus Brot und Kelch zur Teilgabe an sich selbst und seiner Hingabe werden lässt. Diese Gesamtdeutung ist weiterzuführen anhand einer genaueren Auslegung der Deuteworte über Brot und Wein, in denen sich historisches Geschehen und verstehende Aneignung durch die frühe Kirche bereits unlöslich verbinden. Die in der Theologiegeschichte wieder und wieder (und manchmal zu isoliert) bedachten Worte sind mit dem Mahlgeschehen zusammenzuschauen: Es sind Worte über Brot und Kelch, sie richten sich jedoch an die Mahlteilnehmer, die davon essen bzw. trinken sollen. Das Demonstrativpronomen toúto bezieht sich auf das Brot, das durch den Segen bereits neue Qualität gewonnen hat, als zerbrochenes schon auf das gemeinsame Mahl hin geprägt und als gereichtes Brot Gabe an die Jünger ist. Dasselbe gilt analog für den Kelch. Von dem so bereiteten Brot sagt Jesus, es sei sein Leib. Im biblischen Denken ist Leib nicht im Sinne von Körper als Gegenbegriff zu Seele zu verstehen und ist darum auch nicht Komplementärbegriff zu Blut, um etwa die ganze körperliche Dimension zusammenzufassen. Vielmehr ist das Selbst, die Person gemeint, und zwar – keineswegs spiritualisierend – „die Person, insofern sie sich auszudrücken vermag“1. Nicht zuletzt vom Kelchwort her, welches ausdrücklich das „vergossene Blut“ benennt und damit auf das Getötetwerden Jesu verweist, ist auch die geschichtliche Dimension zu berücksichtigen: Leib und Blut bedeuten die in den Tod gegebene Existenz. Die Identifizierung von Brot und Leib durch das „ist“ darf zumal im Blick auf das Kelchwort nicht als materiale Gleichsetzung gedeutet werden. Andererseits sind Brot und Wein mehr als bloße Gleichnisse. Der repräsentierte Herr ist „nicht nur bildlich-symbolisch, sondern in seiner Gabe real gegenwärtig …, und zwar gegenwärtig als der sich Dahingebende“2. Dies gilt umso mehr, als das „ist“ durch das „nehmt und esst“ gedeutet wird. Brot und Wein sind derart wahrhaft Träger der verheißenen Selbstgabe, Xavier Léon-Dufour: Art. Abendmahl. I. Im Neuen Testament. In: LThK3 1 (1993) 30–34, 31. 2 Wolfgang Schrage: Der erste Brief an die Korinther. 3. Teilband: 1Kor 11,17– 14,40. Zürich; Neukirchen-Vluyn 1999 (EKK 7/1), 36. 1
die Deuteworte
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Spezielle Sakramentenlehre
dass das konkret-leibhaftige Essen und Trinken Weg der Teilnahme an ihr sind. Der Kelch wird bezeichnet als „der neue Bund in meinem Blut“ bzw. „mein Blut des Bundes, vergossen für die Vielen“. Die Formulierung „mein Blut des Bundes“ spielt auf Ex 24,8 an, wo das Blut des Opfers als Bekräftigung und Besiegelung des Vertragsdialoges dient. Im markinischen Verständnis ist der im Abendmahl repräsentierte Tod Jesu also Opfer, durch das der Bund neue Kraft erhält. Damit wird das rituelle Ersatzopfer über sich selbst hinausgeführt zum personalen Opfer. Zeichen und Gewähr für den Bund ist nicht mehr das Blut eines Opfertieres, sondern „mein“ Blut. Die Fassung aus 1 Kor/Lk „neuer Bund in meinem Blut“ sieht – in Anknüpfung an die prophetische Rede vom neuen Bund – den Bund durch das Blut neu begründet. Die Hingabe Jesu geschieht „für die Vielen“/„für euch“; die matthäische Formel „zur Vergebung der Sünden“ interpretiert das Abendmahlsgeschehen als Frucht des sühnenden Sterbens Jesu (vgl. den Bezug zu Jes 53). Das „für euch“ lässt sich im Sinne von „euch zugute“, „zugunsten von“ übersetzen, kann aber auch „anstelle von“ meinen und den Gedanken der Stellvertretung einbringen. Die verschiedenen Aspekte schließen einander keineswegs aus. Die Proexistenz Jesu wird nach christlichem Verständnis nur dann radikal genug gedacht, wenn in dem „für“ mitklingt, dass ohne sie menschliches Leben infolge der Sünde keine Zukunft hat. Da die Wurzel für diese Perspektivlosigkeit, aus der sich der Sünder nicht selbst befreien kann, in ihm selbst – und nicht etwa in Gott(es) Zorn – liegt, bedarf es einer Befreiung von innen her: durch den, der an der Stelle, an der die Sünder sich befinden, erneut einen Weg zu Gott eröffnet. Die Einsicht in den Unheilscharakter der Sünde ist Voraussetzung des Sühnegedankens. Sünde schneidet Lebensmöglichkeiten ab und führt in den Tod, Sühne ist demgegenüber der von Gott geschenkte Ort, der die Wende des Todesgeschicks zu neuem Leben ermöglicht. Als diesen „Ort“ sehen weite Teile der neutestamentlichen Tradition Jesus Christus, insofern er an die Stelle der Sünder getreten ist, um deren Todesschicksal in sich selbst durchzutragen. Der Sühnegedanke ist jedoch nicht auf die Bereinigung der Sündengeschichte zu verkürzen: Ziel ist es, den Sündern neues Leben in der Beziehung zu Gott zu ermöglichen. Jesu Selbsthingabe für die Vielen eröffnet Gemeinschaft mit ihm. So gehört die Sinnrichtung „euch zugute“ wesentlich in das „für euch“ hinein. Die Abendmahlsworte erschließen Jesu Proexistenz ausdrücklich und nachdrücklich als Gabe: Der hingegebene Leib ist Speise zum Leben in Fülle, weil er die Teilhabe an Jesus Christus eröffnet. [Zum Gedächtniswort siehe oben Erster Teil, Abschnitt IV.4.1]
2.3 Das Brotbrechen in der frühen Kirche Rückbindung an das Mahl Jesu
Um das Jahr 40 findet Paulus die Praxis einer regelmäßigen Eucharistiefeier vor, wie sie auch Apg 2,42.46; 20,7.11 bezeugt. Sie dürfte sich nur von den letzten Tagen Jesu her erklären lassen. Ob mit oder ohne Wieder-
II. Eucharistie
holungsbefehl, die Einsetzungsberichte lassen sämtlich erkennen, dass die frühen Christen sich vom letzten Mahl Jesu beauftragt wussten, dieses Mahl zum Gedächtnis Jesu zu begehen. Die eindrückliche Zeichenhandlung in einem wiederkehrenden Mahlritus legt auch ohne ausdrücklichen Auftrag eine Wiederholung nahe. Ernst zu nehmen sind die Zeugnisse, denen zufolge es nach der Auferstehung erneut zum Mahlgeschehen nach Art des Abendmahles kommt (vgl. Lk 24,13–35). In solchen Begegnungen mit dem Auferstandenen dürfte den Jüngern aufgegangen sein, dass dieses Mahl die bleibende Form seiner Selbstvergegenwärtigung sein soll. In jedem Fall wird schon um das Jahr 40 in 1 Kor 11 die Praxis des Herrenmahles an das letzte Mahl Jesu zurückgebunden. Von der Gestalt des Herrenmahles in den frühkirchlichen Gemeinden wird nur wenig erkennbar. Bei den Korinthern ist es noch mit einem Sättigungsmahl verbunden, zu dem die ganze Gemeinde ungeachtet sozialer Unterschiede zusammenkommt. Vermutlich sind die eucharistischen Mahlgesten, ursprünglich Rahmenhandlungen des Sättigungsmahles, hier bereits zu einer Einheit am Ende der Mahlzeit zusammengefügt worden. Apg 20,7–12 zufolge ist das Brotbrechen mit Wortverkündigung verbunden. Die Texte geben keine Auskunft darüber, wer den Versammlungen zum Herrenmahl vorsteht. Ohne eine Ableitung aus heidnischen Mysterienkulten zu beabsichtigen, arbeitet Hans-Josef Klauck (118 sowie 183: 313–347) vor allem am 1. Korintherbrief Verwandtschaft und Unterschiedenheit des christlichen Herrenmahles zu antiken heiligen Mählern heraus, um gerade so den spezifischen Sinngehalt der Eucharistie zu profilieren. Das Mahl ist Mahl des Herrn (1 Kor 11,20): „Die Gemeinde weiß den Herrn im Geist bei ihrer Feier gegenwärtig“ (183: 325). Dabei unterstreicht Paulus – gegen gewisse Tendenzen der Korinther – den Bezug auf das Todesgeschick Jesu. Diese geschichtliche Rückbindung unterscheidet das Herrenmahl wesentlich von mythisch gefüllten Mysterienkulten. Auf der anderen Seite verbindet sich mit dem Herrenmahl der Ausblick auf den kommenden Herrn (vgl. 1 Kor 11,26). Konkretisierungen dieser Gegenwartsweisen sind Brot und Wein, welche nach 1 Kor 10,16 die Teilhabe an Jesus Christus vermitteln. Klauck verweist auch auf die „eigentümlich realistisch wirkende Argumentation des Paulus in 1 Kor 11,27–30“ (183: 328). Bemerkenswert ist in den frühesten Zeugnissen das Interesse an der authentischen Praxis der Eucharistie. 1 Kor 10,14–22 unterstreicht die in der Teilnahme an der Eucharistie eingegangene exklusive Bindung an Jesus Christus. Die Eucharistie schenkt Teilhabe an Leib und Blut des Herrn und ist darum unvereinbar mit dem – an sich indifferenten (vgl. 1 Kor 8,4.8) – Götzenopferfleisch, wenn damit die Gemeinschaft mit den Götzen gesucht wird. Gemeinschaft mit dem Leib Christi aber ist zugleich Gemeinschaft mit dem ekklesialen Leib. Infolgedessen ist die Verweigerung gelebter Gemeinschaft mit den Mitchristen ein Affront gegen die Gemeinschaft des Herrenmahles (vgl. 1 Kor 11,17–34). Dem entspricht die johanneische „Auslegung“ des Abendmahles durch die Perikope von der Fußwaschung (Joh 13). Sie veranschaulicht die Hingabe Jesu, die dem in den anderen Evangelien berichteten Abendmahls-
frühe Gestalt des Herrenmahles
Orthopraxis und Theologie
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Spezielle Sakramentenlehre
geschehen zugrunde liegt, und hebt ihren die Jünger Jesu verpflichtenden Anspruch hervor. Für die Eucharistietheologie bedeutsam ist weiter die johanneische Brotrede (Joh 6). Ihr erster Teil ist durch eine personale Sichtweise, derzufolge Jesus von sich selbst als Brot spricht, geprägt (vgl. VV 35.48: „Ich bin das Brot des Lebens“). Wer gläubig zu ihm kommt, findet in ihm Leben. Diese personale Sicht korrigiert die Suche nach einer „dinghaften wundersamen Speise“ (vgl. V 34). Erst im zweiten Teil der Brotrede geht es um das eucharistische Brot als Heilsgabe, in der Jesus sich gibt (VV 51–58: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch“). Johannes hält also ein realistisch„sakramentales“ Verständnis der Eucharistie mit einer personalen Sicht zusammen.
3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen 3.1 Die Alte Kirche Danksagung
ekklesiale Dimension Einheit von Schöpfung und Erlösung
In der Liturgie der frühen Kirche steht die Feier des Herrenmahles ganz im Zeichen dessen, was sie gemäß dem Namen, der sich nun durchsetzt, ist: Eucharistie, Danksagung. „Das (Dar-)Bringen von Brot und Kelch geschieht unter Danksagung, und das danksagende (Dar-)Bringen wiederum lebt zur Gänze aus dem Gedenken des Heilsgeschehens, welches in der Vergangenheit grundgelegt worden ist“ (Jilek/134: 32). Bestimmend ist die ekklesiale Perspektive, derzufolge das eine Brot der Eucharistie wirksames Zeichen der Einheit der Kirche ist (so in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts die Didache und Ignatius von Antiochien). In Auseinandersetzung mit der Gnosis ist die Eucharistie für Irenäus von Lyon († um 200) konkrete Verwirklichung der Einheit von Schöpfung und Erlösung. Wie die aus der Schöpfung genommenen eucharistischen Gaben geheiligt werden, so wird die Schöpfung in die Erlösung hineingenommen und dadurch zur Vollendung geführt. „Wenn nun sowohl der Mischbecher als auch das zubereitete Brot das Wort Gottes aufnehmen und zur Eucharistie, zum Blut und Leib Christi werden und wenn daraus die Substanz unseres Fleisches gestärkt wird und besteht, wie können sie [die Gnostiker] dann bestreiten, dass das Fleisch aufnahmefähig ist für Gottes Geschenk, das das ewige Leben ist (Adversus haereses 5,2,3: FC 8/5,34).
Die Teilhabe an der Eucharistie ist Unterpfand der leibhaftigen Auferstehung, weil auch in der Eucharistie das irdische Brot mit einem himmlischen Element verbunden ist. „Denn wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen, besteht, so gehören auch unsere Körper, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verweslichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung“ (Adversus haereses 4,18,5: FC 8/4,146). griechische Patristik
Bei den griechischen Vätern steht die christologisch geprägte Eucharistielehre vor dem Hintergrund des platonischen Bilddenkens. Die Eucharistie
II. Eucharistie
ist abbildliches Symbolgeschehen, in dem sich die Gegenwart Jesu Christi schenkt. Dabei lassen sich drei Aspekte solcher Vergegenwärtigung unterscheiden (vgl. dazu Betz/122 f.): Gegenwärtig ist Jesus Christus selbst als Mahlherr („Personalpräsenz“). Weiterer Bezugspunkt sind die Heilsereignisse: Leiden, Tod und Auferstehung, umfassender das Geschick des Menschgewordenen ingesamt („anamnetische Aktualpräsenz“). Zugleich richtet sich der Blick nach vorn: Als Gedächtnis der Auferstehung antizipiert die Eucharistie, was der christliche Glaube in der Vollendung erhofft. Die Gegenwart Jesu Christi in den Heilsgaben („somatische Realpräsenz“) ist schließlich Kristallisation seiner Personalpräsenz und der Präsenz des Geschehens. Noch finden sich kaum Reflexionen, wie die Gegenwart Jesu Christi in den eucharistischen Gaben zu verstehen ist. Offenkundig hat aber dafür das Pneuma wesentliche Bedeutung. Der Geist kommt herab und ergreift die Gaben von Brot und Wein, damit sie Leib und Blut des Herrn seien. Von dieser somatischen Realpräsenz wird in der Terminologie platonischen Bilddenkens gesprochen. Begriffe wie s´ymbolon, eikon, ¯ homoío¯ma, t´ypos, antítypos bezeichnen in einer gestuften Wirklichkeitsauffassung Größen, die nicht identisch mit dem Bezeichneten sind, die aber an der Wahrheit des Bezeichneten teilhaben. Die lateinische Patristik ist vor allem an der praktischen und seelsorgerlichen Seite der Eucharistie interessiert. So wird bei Cyprian von Karthago († 258) die Eucharistie als Stärkung für das ethisch konsequente Leben verstanden, insbesondere als Stärkung für das Martyrium. Bei Augustinus († 430) ist die ekklesiale Sicht der Eucharistie als Sakrament der Einheit der Kirche bestimmend. Die Eucharistie ist Zeichen nicht nur der Gegenwart Jesu Christi, sondern ebenso Zeichen der Gegenwart seines ekklesialen Leibes.
lateinische Patristik
„Wenn du ‚Leib Christi‘ verstehen willst, dann höre, was der Apostel den Gläubigen sagt: ‚Ihr seid der Leib Christi …‘. Wenn also ihr der Leib Christi seid …, dann ist euer Mysterium [das Mysterium, das ihr seid] auf den Tisch des Herrn niedergelegt. Ihr empfangt euer Mysterium. Auf das, was ihr seid, antwortet ihr: ‚Amen‘ … Du hörst: ‚Leib Christi‘, und du antwortest: ‚Amen‘. Sei ein Glied am Leibe Christi, damit dein ‚Amen‘ wahr sei!“ (Augustinus, Sermones 272: PL 38,1247).
Bezüglich der Seinsqualität der Gaben ist wirkungsgeschichtlich die Position des Ambrosius († 397) bedeutsam, der eingehender über die Wandlung der Gaben nachdenkt (Metabolismus) und sie auf die Konsekrationsworte zurückführt (vgl. De Sacramentis 4,23: FC 3,151).
3.2 Umbrüche zum Mittelalter und Zusammenfassung der weiteren Entwicklung Der Kulturbruch zwischen Antike und Mittelalter (siehe oben S. 38 und zur Eucharistie ausführlicher unten S. 112) wirkt sich in der Eucharistietheologie besonders nachhaltig aus. Das antike Symboldenken, welches im Symbol verschiedene Wirklichkeitsdimensionen zusammenschaut, wird nicht mehr verstanden; Zeichen und Wahrheit bzw. Wirklichkeit er-
Abendmahlsstreit
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Spezielle Sakramentenlehre
ökumenische Gespräche im 20. Jh.
Zweites Vatikanisches Konzil
scheinen nun als gegensätzliche Größen. Augustinische Texte, welche die Eucharistie als im gefüllten, realen Sinn zu verstehendes Symbol der Gegenwart Jesu Christi beschreiben, provozieren im Mittelalter Kontroversen um eine objektiv-realistische oder nur symbolisch-spiritualistische Gegenwartsweise des Leibes Christi. Diese Auseinandersetzungen werden in zwei Abendmahlsstreiten im 9. und 11. Jahrhundert ausgetragen und finden eine authentische Beantwortung erst durch die – in sehr verschiedenen Varianten konzipierte – Transsubstantiationslehre. Unübersehbar ist die Aufmerksamkeit nunmehr einseitig auf die somatische Realpräsenz gelenkt. Die vornehmlich gegenständliche Aussageweise erreicht als solche weder die personale Gegenwart Jesu Christi (Thomas von Aquin, † 1274, muss eigens klären, dass der ganze Christus in der Eucharistie gegenwärtig ist: vgl. STh III, q 76, a 1) noch die Geschehensebene (Aktualpräsenz). So fällt auch der Opfergedanke aus der Reflexion des Sakramentes heraus und verselbständigt sich in problematischer Weise (siehe unten Abschnitt 4.1.): Die Gegenwart des Herrn in den eucharistischen Gestalten und die Feier der Eucharistie als Opfer werden fortan als zwei verschiedene Themen behandelt. Unter beiderlei Hinsicht kommt es in der Reformationszeit zu Kontroversen. Fruchtbare Impulse zu deren Aufarbeitung und zur Vertiefung der Eucharistietheologie geben seit dem 20. Jahrhundert ökumenische Gespräche und Konsenstexte, angefangen von innerevangelischen Dialogen, die 1973 zur Leuenberger Konkordie führten, über Gespräche zwischen römisch-katholischer und evangelischen Kirchen – zu nennen sind vor allem ein in den USA entstandenes Dokument über „Die Eucharistie“ (Schlussbericht der katholisch-lutherischen Gespräche in den USA 1967, in: Gaßmann/10: 57–70), eine Erklärung „Auf dem Weg zu ein und demselben eucharistischen Glauben“ (1971) der Gruppe von Dombes (in: Gassmann/ 10: 104–112) und der Bericht der Gemeinsamen Römisch-katholisch/ Evangelisch-Lutherischen Kommission „Das Herrenmahl“ (1978, 13) – bis hin zu dem multilateralen Lima-Dokument von 1982 (16: 557–567). Eigens genannt sei das zum Thema des eucharistischen Opfers weiterführende Studiendokument „Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche“ des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen von 1983 (137). Das Zweite Vatikanische Konzil hat eine weitreichende Reform der liturgischen Gestalt der Eucharistie angestoßen, die hier in wenige Zeilen zusammenfassen zu wollen vermessen wäre. Das Missale Romanum Pauls VI. ([1969] 1970) wurde als Basis für die Liturgien in den jeweiligen Muttersprachen genommen; die endgültige Ausgabe des deutschen Messbuches erschien nach einigen Vorentwürfen 1975 (siehe für nähere Informationen Meyer/42 und Jilek/134). 2002 approbierte Papst Johannes Paul II. die dritte authentische Ausgabe des Missale Romanum, deren Übersetzung noch aussteht (2011). Ausführlicher werden Fragen, die sich durch die Auseinandersetzung um die Eucharistie seit dem Mittelalter stellen, sowie neuere Denkversuche in die folgende systematische Perspektive integriert.
II. Eucharistie
4. Systematische Entfaltung In der ursprünglichen Praxis und Theologie erscheint die Eucharistie als ein vielschichtiger Vollzug, bei dem die einzelnen Aspekte zusammengehören und ein Ganzes bilden. Die Kontroversfragen, die in der Geschichte aufkommen, rühren nicht zuletzt daher, dass einzelne Themen isoliert werden. Gegenläufig dazu ist es geboten, die verschiedenen Gesichtspunkte in einer integralen Sicht zusammenzuhalten. Zudem gilt es, in der Reflexion nicht die Sinnrichtung der Eucharistie zurückzulassen, welche das LimaDokument seinen Ausführungen zur Eucharistie in schlichten Worten voranstellt: „Die Kirche empfängt die Eucharistie als eine Gabe vom Herrn“ (Lima-Dokument, Eucharistie Nr. 1/16: 557). Mit der Reflexion über die Eucharistie findet eine Verschiebung der Perspektive statt, weil das Denken aus dem unmittelbaren Geschehen des Danksagens und Empfangens heraustritt. Entscheidend für das Gelingen der theologischen Erörterung ist es, beim Nach-Denken der Gabe zu bleiben und nicht von einem Standpunkt abseits und oberhalb zu disputieren. Eucharistietheologisch wäre dadurch besser gewährleistet, dass auch bei der Eucharistie nach der Wirkung nicht nur auf die Gaben, sondern auf die Eucharistiegemeinde zu fragen ist.
4.1 Eucharistie als Feier des Gedächtnisses Jesu Christi Ihrem Namen nach ist die Eucharistie Danksagung: „die große Danksagung an den Vater für alles, was er in der Schöpfung, Erlösung und Heiligung vollbracht hat, für alles, was er heute in der Kirche und in der Welt trotz der Sünden der Menschen vollbringt, für alles, was er vollbringen wird, wenn er sein Reich zur Vollendung bringt“ (Lima-Dokument, Eucharistie Nr. 3/16: 559). Im lobpreisenden Danken vollzieht sich das Gedenken, in dem die Kirche sich dem gegenwärtigen Heilswirken Gottes überlässt. Die Eucharistie ist für sie die höchste Weise, das Gedächtnis zu begehen (siehe oben Erster Teil, Abschnitt III.1.), deutet die Mahl haltende Gemeinde ihr Tun doch als Antwort auf das Tun und den Gedächtnisauftrag Jesu Christi beim letzten Abendmahl. Ihm folgend begeht die Eucharistie danksagend das Zeichen, in dem Jesus seine ganze Existenz gesammelt hat, um sie mitzuteilen. Der Gedächtnisauftrag bezieht sich nach Lk 22,19 nicht nur auf den Tod, nicht auf ein einzelnes Ereignis, sondern – in Personalisierung des Gedächtnisses – auf die Person Jesu. Er lädt die Glaubenden an seinen Tisch. Diese Personalpräsenz bringt aber sogleich die Präsenz des Heilsgeschehens mit sich. Gedächtnis Jesu Christi ist Gedächtnis der Person des menschgewordenen Logos und seines Geschickes, auf dass seine konkret-gelebte Hingabe die Feiernden ergreife. „Die Eucharistie ist das Gedächtnis (Memorial) des gekreuzigten und auferstandenen Christus, d. h. das lebendige und wirksame Zeichen seines Opfers, das ein für allemal am Kreuz vollbracht wurde und das weiterhin für alle Menschheit wirksam ist. … Christus selbst ist mit allem, was er für uns und für die gesamte Schöpfung vollbracht hat (in seiner Menschwerdung, seiner Erniedrigung, seinem Dienst, seiner Unterweisung, seinem Leiden, seinem Opfer,
Gedächtnis der Person und des Geschicks Jesu
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Spezielle Sakramentenlehre
Selbstgabe in Brot und Wein
seiner Auferstehung und Himmelfahrt und indem er den Geist sandte), in dieser ‚Anamnese‘ gegenwärtig und schenkt uns Gemeinschaft mit sich. Die Eucharistie ist auch der Vorgeschmack seiner Parusie und des vollendeten Gottesreiches“ (Lima-Dokument, Eucharistie Nr. 5 f./16: 559). Das Gedächtnis der Eucharistie geschieht im Tun. Der Gedächtnisauftrag lautet: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ und bezieht sich zurück auf das: „Nehmt und esst“. Von hier aus kommt der dritte Aspekt des eucharistischen Gedenkens in den Blick: die Vergegenwärtigung der Selbstgabe Jesu in den Gaben von Brot und Wein, die sich dem Essen und Trinken darbieten. Alle drei Dimensionen der Gegenwart Jesu Christi (Gegenwart Jesu Christi als des Gastgebers, Gegenwart des Heilsereignisses, Gegenwart Jesu Christi in Brot und Wein) sind zusammenzuhalten. Ihre Zusammengehörigkeit ist keineswegs nur in der vergangenen Theologiegeschichte vernachlässigt worden. Die gegenwärtig verbreitete Praxis von Wort-Gottes-Feiern mit Kommunionspendung isoliert hinsichtlich der Eucharistie wiederum die somatische Realpräsenz von dem umfassenden Geschehen. Eine Erneuerung einer eucharistischen Spiritualität, die alle Aspekte der Gegenwart Jesu Christi umgreift und die konstitutive Bedeutung der Feier der Eucharistie für das Leben der Kirche wahrnimmt, tut not.
4.2
Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche
4.2.1 Das Verständnis der Eucharistie als Opfer in der Theologiegeschichte Exkurs G: Zum christologischen Verständnis des Opfers Die Feier des Gedächtnisses bezieht sich umfassend auf Person und Geschick Jesu Christi. Aufgrund der Situation des Letzten Abendmahles hat jedoch der Bezug auf Tod und Auferstehung Jesu von Anfang an eine besondere Bedeutung gehabt. In dem Maße, wie der Tod Jesu als Opfer gedeutet wurde, konnte auch die Eucharistie als Opfer verstanden werden. Nach einer Zeit, in der das aufgeklärte Denken Opfer als überholt und sinnlos deklarierte, erwacht heute ein neues Interesse an dem Phänomen des Opfers auch in seiner religiösen Dimension (vgl. Janowski; Welker/133). Gerade deswegen ist aber zu klären, was christlich unter Opfer verstanden werden kann. Was bedeutet es, von Jesu Tod als Opfer zu sprechen? Zwei Aspekte sind hier wichtig: 1. Es radikalisiert sich, was schon für die alttestamentlichen Opfer gilt: Sie sind Bewegungen nicht primär „von unten nach oben“, sondern von Gott gewährte Weisen, Bundesgemeinschaft mit ihm zu finden oder wiederherzustellen. In diesem ersten Sinn ist Jesus Christus das Opfer schlechthin: die Gabe Gottes an uns. 2. Bezüglich der Bewegung „von unten nach oben“ kommt in Jesus Christus zur Erfüllung, dass jede Opfergabe dazu dient, die eigene Person zu repräsentieren bis dahin, dass die Person selbst das eigentliche Opfer ist (vgl. Jes 53). In diesem zweiten Sinn ist Jesus Christus das Opfer schlechthin, weil er sein ganzes Leben als Gabe gelebt hat und durch seine Beziehung zum Vater noch das Kreuz in ein Zeichen des Gebens verwandelt. Damit ist der Opfergedanke radikal personalisiert: Opfer ist nicht mehr Sachgabe, sondern Selbstgabe (vgl. Hebr 10,1–18).
An keiner Stelle werden im Neuen Testament Opferbegriffe direkt auf die Eucharistie angewandt. Wenn aber die Eucharistie schriftgemäß als Ge-
II. Eucharistie
dächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu Christi verstanden wird, dann ist sie auch Gedächtnis seines Opfers. Durch die Feier der Eucharistie findet das Opfer Jesu Christi seine Gegenwart in der Kirche. In der frühen Zeit ziehen die Christen den Vorwurf auf sich, sie würden nicht opfern (seien also nicht religiös). Demgegenüber erheben sie mit Bezug auf Mal 1,11 den Anspruch, die wahren Opfer darzubringen, nämlich das Opfer des Lobes (vgl. Hebr 13,15) sowie die Gaben von Brot und Wein. Darüber hinaus sagt Irenäus von der Kirche, sie bringe das von Christus eingesetzte Opfer des Neuen Bundes dar (vgl. Adversus haereses 4,17,5: FC 8/4,134). In der Reflexion der Alten Kirche wird diese Darbringung als Gedächtnishandlung bestimmt. Die klassische Formulierung hierfür prägt die Traditio Apostolica: „Memores offerimus“: Indem wir gedenken, opfern wir (Nr. 4: FC 1,226). Die solchem liturgischen Beten zugrunde liegende Einsicht wird im 4. Jahrhundert theologisch reflektiert, indem die Eucharistie als anamnetische Repräsentation des Heilsgeschehens verstanden wird.
Alte Kirche: Gedächtnis des Opfers
„Freilich opfern wir; aber indem wir das Gedächtnis seines Todes begehen … Unser Hoherpriester ist jener, der das Opfer dargebracht hat, welches uns jetzt reinigt. Eben jenes bringen wir auch jetzt dar, das damals dargebrachte, das unerschöpflich ist. Dies geschieht zum Gedächtnis (anámnesis) ¯ des damals Geschehenen. Denn es heißt: Tut dies zu meinem Gedächtnis! Nicht ein anderes Opfer vollziehen wir als damals der Hohepriester, sondern immer das gleiche, oder vielmehr: wir wirken ein Gedächtnis des Opfers“ (Johannes Chrysostomus, † 407, Homiliae in Hebr 17,3,169: PG 63,131).
Es gibt nur ein einziges Opfer, welches von Christus dargebracht worden ist und in der Eucharistie der Kirche anamnetisch vergegenwärtigt wird. Die sakramentale Krise im Mittelalter (siehe oben S. 105 f.) hat zur Folge, dass auch auf der Geschehensebene zwischen Wirklichkeit und Zeichen kein Teilhabeverhältnis mehr gedacht wird. Die Wirklichkeit, also das Opfer Jesu Christi in seiner historischen Tatsächlichkeit, wird im Mysterium nicht eingeholt; die zeichenhafte Gedächtnishandlung ist somit als solche kein Opfer. Die überkommenen altkirchlichen Aussagen über das eucharistische Opfer müssen dann aber neu gefüllt werden. Ungeachtet der Sinnverschiebung wird nunmehr von einem der Kirche eigenen Opfer gesprochen. Zumeist wird dieses Opfer darin gesehen, dass die Kirche den aufgrund der Wandlung im Sakrament gegenwärtigen Christus darbringt. Die Opferthematik wird jedoch nicht tiefer reflektiert, da die Anstrengung des theologischen Denkens sich auf die Frage der somatischen Realpräsenz richtet. Diese Theorieschwäche geht indes mit einer Praxis einher, die sehr unbefangen fragwürdige Auffassungen über das Messopfer propagiert. Das fragwürdige Opferverständnis und die theoretisch unaufgearbeitete Praxis fordern die Kritik der Reformatoren heraus, die sich vor allem auf den Hebräerbrief (Hebr 9,11–10,18) stützen. Zu Recht wird moniert, gewisse Ausprägungen der Messopferlehre und -praxis widersprächen der Einzigkeit und Vollgenügsamkeit des Kreuzesopfers Christi. Doch finden auch die Reformatoren nur ansatzweise zum sakramentalen Denken zurück. Für Martin Luther († 1546) bleibt das Gedächtnis „nuda commemoratio“ des Opfers. Hingegen spricht Johannes Calvin († 1564), der ebenso
Mittelalter: Verlust sakramentalen Denkens
reformatorische Kritik
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Spezielle Sakramentenlehre
Konzil von Trient
20. Jh.: Wiedergewinnung sakramentalen Denkens
vehement wie Luther die Messopfertheologie der katholischen Seite ablehnt, positiv vom „memoire de ce sacrifice unique“ (Petit traicté de la Saincte Cene, 1541: CO 5,449; vgl. Institutio IV,18,10 f.). Im Vergleich zur vorausgehenden Theologie gelangt das Konzil von Trient zu differenzierteren Aussagen, ohne jedoch zu einer bereits befriedigenden sakramentalen Sicht des Opfers zurückzufinden, wie schon allein in der getrennten Behandlung der verschiedenen Themen auf dem Konzil deutlich wird: Das Dekret über das Sakrament der Eucharistie (DH 1635– 1661) wird 1551, die Lehre und Kanones über das Messopfer (DH 1738– 1760) werden 1562 verabschiedet. Eine Formulierung wie „Die Opfergabe ist ein und dieselbe; derselbe, der sich selbst damals am Kreuze opferte, opfert jetzt durch den Dienst der Priester; allein die Weise des Opferns ist verschieden“ (DH 1743) lässt das Bemühen erkennen, das Opfer Jesu Christi und das Opfer der Kirche zusammenzuschauen. Anders als ein Entwurfstext spricht man nicht von zwei Opfern und betont die Identität der Opfergabe und die Identität des Opfernden. In der Unterscheidung der Weise des Opferns zeigt sich indes, dass die volle Wiedergewinnung der kommemorativen Aktualpräsenz nicht gelingt. Das Problem des Trienter Konzils und noch mehr der nachtridentinischen Messopfertheorien liegt in der Verwendung eines religionsgeschichtlichen Opferbegriffes. Der Grund für den Opfercharakter der Eucharistie wird nicht im Gedächtnis gesucht, sondern in einem sichtbaren Ritus der Feier: Nur insofern ein Opferritus vorliegt, kann nach diesem Verständnis die Messe das Kreuzesopfer vergegenwärtigen. Demgegenüber bedeutet das 20. Jahrhundert einen Einschnitt. Vorbereitet durch liturgiewissenschaftliche Studien insbesondere Odo Casels († 1948) wird das Mysterium wieder als Gedächtnishandlung erschlossen (siehe oben S. 56). Das Zweite Vatikanische Konzil verwendet die Opferterminologie z. T. noch in problematischer Weise (vgl. LG 11; SC 47 spricht vom Fortdauern des Opfers), doch liegt die Mitte der entsprechenden Aussagen darin, dass es ein einziges Opfer (vgl. LG 3; 28) ist, welches in der Gedächtnisfeier (vgl. SC 47) von Tod und Auferstehung Jesu vergegenwärtigt wird. Auf dieser Basis sind auch konfessionelle Differenzen weitgehend bereinigt worden: „Von ev. und röm-kath. Seite kann … übereinstimmend betont werden, daß Christi Kreuzesopfer ‚weder fortgesetzt noch wiederholt, noch ersetzt, noch ergänzt werden‘ kann“ (Lehrverurteilungen – kirchentrennend/17: 90). Offen bleibt aber noch die Frage, in welcher Weise die Kirche an diesem Opfer beteiligt ist.
4.2.2 Selbstdarbringung der Kirche Opfer der Kirche?
So wenig die Kirche in der Eucharistie Jesus Christus opfert bzw. sein Opfer darbringt, so sehr ist sie doch – nach katholischem Verständnis – selbst in dieses Opfer einbezogen. Die evangelische Seite bringt in dem gemeinsamen Bemühen um ein authentisches Verständnis dieser Hingabebewegung der Kirche als Kriterium die Rechtfertigungsbotschaft ins Spiel: Das Eintreten der Kirche in das Opfer Jesu Christi kann nicht mehr der Erlösung
II. Eucharistie
dienen, sondern ist Tun der Erlösten. Diesem Anliegen ist indes gerade nicht gedient, wenn das Opfer Jesu Christi und das Opfer der Kirche möglichst weit auseinandergehalten werden. Vielmehr gilt es, die Selbsthingabe der Christen als Teilhabe am Opfer Jesu Christi zu begreifen: „Christliche Existenz aus sakramentalem Vollzug ist nie ‚paralleles Geschehen im Sinne eigenständiger Ergänzung, sondern Teilhabe an dem Opfer Jesu Christi, das rettende Kraft besitzt für alle Völker und Zeiten. … Nur wenn das Handeln Gottes und die Antwort des Menschen nicht in ausschließender Konkurrenz zueinander gedacht werden, wenn Gottes einzigartiges Heilswirken in Jesus Christus so beschrieben wird, daß es die Antwort der Menschen nicht nur fordert und zur Folge hat, sondern zuvor überhaupt ermöglicht und trägt, läßt sich so etwas wie Teilhabe am Opfer Jesu Christi angemessen zur Sprache bringen. Diese Antwort erfolgt vor allem als dankendes Empfangen, Zustimmen und Nachfolgen der Kirche“ (Studiendokument des Ökumenischen Arbeitskreises/137: 232, zit. auch in 17: 92).
Die evangelische Seite lässt sich mit solchen Aussagen darauf ein, das Christusereignis neu zu verstehen als ein solches, das den Sinn hat, „uns gerade in diese seine Bewegung der Hingabe mit hineinzunehmen … Vielleicht müssen wir lernen, von der Exklusivität Jesu anders und neu … zu reden, so daß sich dadurch die Möglichkeit eröffnet, den Gedanken eines Hineingenommenwerdens in Christi Weg ohne ständige Furcht vor einer Mitwirkung im falschen Sinne mitzuvollziehen“3. Auf katholischer Seite steht eine Überprüfung der eigenen (theologischen und liturgischen) Sprache an. „Die kausale Abhängigkeit dessen, was in den jetzigen Übersetzungen, aber auch in der Fachliteratur mit dem Terminus ‚Darbringung‘ ausgedrückt wird, von der Feier des Gedächtnisses, der Memoria, der Anamnese muß deutlich werden, etwa: ‚Indem wir das Gedächtnis des Leidens und Sterbens Jesu feiern, vereinen wir uns mit seiner Hingabe.‘“ (Stuflesser/145: 298). Die erfolgten Klärungen lassen sich an der zuweilen diskutierten Frage veranschaulichen, ob die Eucharistie Mahl oder Opfer sei. Beides steht nicht zueinander in Widerspruch. Denn nicht weil die Eucharistie Opfergestalt hat, ist sie Vergegenwärtigung des Opfers Jesu Christi, sondern sie ist Opfer als Vergegenwärtigung seines Opfers, das durch Jesus selbst kein anderes sakramentales Zeichen als das Mahl erhalten hat. „Es geht um Gemeinschaftsstiftung als Teilgabe am eigenen Leben und Schicksal. … Das sichtbare Zeichen für die Opferhingabe Jesu Christi in der Eucharistiefeier und unser Einbezogenwerden in diese Selbsthingabe ist nicht irgendein erdachter oder konstruierter Darbringungsritus, sondern das Mahl, also einerseits das Anbieten und Austeilen seiner selbst als Speise und anderseits unser dankbares Annehmen und Aufnehmen dieser seiner Hingabe an uns und für uns“ (Studiendokument des Ökumenischen Arbeitskreises/137: 233).
Das Mahl lässt leibhaftig erfahren, wie unmittelbar das Opfer Jesu den an der Eucharistie Teilnehmenden zugute kommt als ihre Speise zum Leben. Die Eucharistie begründet je neu die Existenz der Glaubenden als ein Leben aus Hingabe. Daraufhin bedeutet die Gemeinschaft, die im 3 Ulrich Kühn: Art. Abendmahl IV. Das Abendmahlsgespräch in der ökumenischen Theologie der Gegenwart. In: TRE 1 (1977) 145–212, 171.
Teilhabe am Opfer Jesu Christi
Opfer und Mahl
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Spezielle Sakramentenlehre
Mahl entsteht, für die Feiernden nicht „trautes Beisammensein“, sondern verlangt die Bereitschaft zur eigenen Hingabe für das Leben des Leibes Christi – Bereitschaft zur opferbereiten Hingabe in der Nachfolge Jesu also.
4.3 Zum Verständnis der somatischen Realpräsenz
Symboldenken der Alten Kirche
Mittelalter: Realismus vs. Symbolismus
Jesus Christus ist in der liturgischen Feier der Eucharistie auf verschiedene Weise gegenwärtig: als derjenige, der an seinen Tisch einlädt, als derjenige, der Anteil gibt an seinem Geschick, schließlich als derjenige, der zur Mitteilung seiner selbst eine konkrete, leibhaftige Form wählt: Er reicht Brot und Wein, denen er eine neue Bedeutung zugesprochen hat, nämlich die, Zeichen seiner selbst zu sein, so dass diejenigen, die die eucharistischen Gaben empfangen, ihn selbst empfangen. Die Frage, wie Jesus Christus in diesen Gaben gegenwärtig ist, hat in der Theologiegeschichte mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ausgangspunkt sind die Worte Jesu beim Abendmahl: „Das ist mein Leib“, Worte, die im Neuen Testament keine direkte Auslegung finden. Die Christen in der Alten Kirche sind überzeugt, in Brot und Wein Leib und Blut Christi zu empfangen. Diese Überzeugung schließt ein, dass Brot und Wein selbst als eucharistische Gaben eine andere Qualität erhalten: Sie sind nicht mehr gewöhnliches Brot (Irenäus von Lyon, siehe oben S. 104), sie sind „eucharistie-siertes Brot“ (Justin, 1 Apologia 67,5: CorpAp 1,186). Die neu qualifizierten Elemente werden mit Symbolbegriffen beschrieben: Sie sind Abbild der leibhaftigen Präsenz Jesu Christi. Solche Symbolbegriffe schließen im antiken Denken einen realen Bezug zu der gemeinten Wirklichkeit nicht aus, sondern ein. Während in der alten Kirche die Eucharistie als ein Gesamtgeschehen betrachtet wird, isoliert sich zum Mittelalter hin das Interesse an der somatischen Realpräsenz von den anderen Aspekten (Personalpräsenz, Aktualpräsenz). Das Symboldenken zerbricht, insofern Zeichen und Wirklichkeit nicht mehr zusammengeschaut werden. Das Symbol verliert damit an Bedeutungstiefe; es ist nicht mehr eine Größe, die an der Wahrheit des Bedeuteten teilhat. Die mittelalterliche Eucharistietheologie sieht sich darum vor die (falsche) Alternativfrage gestellt, ob das, was die Gläubigen in der Eucharistie empfangen, in mysterio oder in veritate der Leib Christi sei. Wird aber das Mysterium nicht als Wahrheit im Zeichen verstanden, kommt es zur Aporie: Entweder man sieht die Eucharistie nur noch als bloßes Zeichen ohne Wirklichkeitsgehalt an, oder man versteht sie als sinnenhaftes Gegebensein des historischen Leibes Jesu Christi. Die Auseinandersetzung um die falsche Alternative zwischen schlechthinniger Identität und bloßer Zeichenhaftigkeit wird in den zwei Abendmahlsstreiten im 9. und 11. Jahrhundert ausgefochten. Gegen die Auffassung, derzufolge Brot und Wein „nur“ Symbole von Leib und Blut Christi ohne Wirklichkeitsgehalt sind (Berengar, † 1088), wird das folgende krasse Bekenntnis formuliert: „Brot und Wein, die auf dem Altar sind, sind nach der Konsekration nicht nur das Sakrament, sondern auch der wahre Leib und das wahre Blut unseres Herrn Jesus
II. Eucharistie Christus, und sie werden sinnenhaft, nicht nur im Sakrament, sondern in Wahrheit, von den Händen der Priester angefasst und gebrochen und von den Zähnen der Gläubigen zerkaut“ (Professio fidei 1059: DH 690; vgl. DH 700).
Die Formulierung „nicht nur im Sakrament, sondern in Wahrheit“ lässt erkennen, wie weit – auf beiden Seiten – der Weg zu sakramentalem Denken ist, das ja auf die Wahrheit im Zeichen hinaus will. Erst die Unterscheidung von Substanz (gemeint ist das intelligible Wesen, das der empirischen Erscheinung zugrunde liegt) und Akzidenzien (die Eigenschaften, welche die wahrnehmbare Gestalt – species visibilis – ausmachen) in der Transsubstantiationslehre erreicht wieder ein solches mehrdimensionales Wirklichkeitsdenken. Die reale Gegenwart Jesu Christi in den eucharistischen Gestalten wird als Verwandlung der Substanz von Brot und Wein in die Substanz von Leib und Blut Christi beschrieben, während die wahrnehmbaren Eigenschaften von Brot und Wein unverändert bleiben. Damit sind Zeichen und Wahrheit wieder zusammengeschaut: Das Wesen des Leibes Christi tritt an die Stelle des Wesens von Brot und Wein (Wahrheit), ohne in seinen Eigenschaften deren äußere Gestalt zu ersetzen, ohne also die sinnenhafte Realität des Zeichens aufzuheben. Die somatische Realpräsenz ist wieder als Gegenwart im Zeichen gedacht. Diese Auffassung – die sich aus sehr verschiedenartigen Fassungen der Transsubstantiationslehre in dieser Form seit Alexander von Hales († 1245) durchsetzt – wird lehramtlich auf dem Vierten Laterankonzil von 1215 (DH 802) rezipiert, sie erfährt in der Hochscholastik eine theologische Vertiefung, gerät aber bereits in der Spätscholastik in die Krise, weil der Substanzbegriff allmählich durch empiristisches und naturalistisches Denken umgeprägt wird. Wo aber die substantielle Gegenwart von Leib und Blut Jesu Christi sinnlich und räumlich gedacht wird, ist die eigentliche Pointe der Transsubstantiationslehre nicht mehr verstanden. Martin Luther hält an der somatischen Realpräsenz Jesu Christi in der Eucharistie fest, lehnt aber den philosophischen Begriff der Transsubstantiation ab bzw. will ihn durch den Gedanken der Konsubstantiation ablösen. Gemeint ist ein Zusammenbestehen von Brot und Leib Christi bzw. Wein und Blut Christi in der unio sacramentalis nach dem Vorbild der hypostatischen Union. Der Leib Christi ist somit in, mit und unter Brot und Wein gegenwärtig. Eigentliche Begründung der Realpräsenz sind für Luther die Einsetzungsworte, die er – in Auseinandersetzung vor allem mit Huldrych Zwingli († 1531) – wörtlich verstanden wissen will. Prüfstein im innerreformatorischen Streit um das Abendmahl ist die manducatio impiorum bzw. indignosum, also die Frage, was Ungläubige und Unwürdige empfangen. Luther zufolge wird die sakramentale Gabe unabhängig von subjektiven Voraussetzungen dargereicht: Nicht der Glaube der Empfänger qualifiziert das Mahl, sondern die Verheißung des Wortes Gottes. In Anschluss an die Einsetzungsworte bezieht sich Luthers Bekenntnis zur Realpräsenz auf das Mahlgeschehen (Präsenz „in usu“). Gegen die dinglich eingestellte Sicht des Spätmittelalters und ihre in der Anbetung der Hostie zentrierte Eucharistiefrömmigkeit betont Luther, dass der Auftrag Jesu Christi auf ein Tun zielt. Die Aufbewahrung und Verehrung der eucharistischen Gaben lehnt er deswegen ab.
Transsubstantiationslehre
Luther
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Spezielle Sakramentenlehre reformierte Abendmahlstheologie
Konzil von Trient
neue Begrifflichkeit im 20. Jh.: Transsignifikation, Transfinalisation, Transinstitution
Die reformierten Theologen distanzieren sich von der bei Luther wie in der römischen Auffassung festgehaltenen Lehre einer substanzhaft-somatischen Realpräsenz und lenken (wie in Luthers Umfeld Philipp Melanchthon, † 1560) den Blick auf die Personalpräsenz. Nicht übernatürliche Substanzen werden im Herrenmahl empfangen, vielmehr ist es die Person des für uns hingegebenen Herrn, die sich erschließt. Dabei führen christologische Gründe Johannes Calvin zu der Auffassung, Jesus Christus könne in seiner menschlichen Natur, die zur Rechten des Vaters ist, nicht wiederum in Zeit und Raum gegenwärtig sein. Die Begegnung mit ihm sei vielmehr vermittelt durch den Geist, der die Gläubigen mit dem himmlischen Christus verbindet. Die eucharistischen Gestalten sind für ihn aber, anders als es bei Zwingli gelegentlich scheint, mehr als äußerliche Symbole. Mit Brot und Wein schenkt sich die Gegenwart Jesu Christi, wobei das „mit“ nicht nur temporal, sondern auch modal und kausal zu verstehen ist. Wenn Calvin die manducatio impiorum ablehnt, so deswegen, weil zum Empfang der – real angebotenen – Gabe die Offenheit seitens der Glaubenden gehört. Wie der Felsen den Regen nicht aufnimmt, so stoßen die Gottlosen die Gnade Gottes mit solcher Hartnäckigkeit von sich, dass sie nicht zu ihnen dringt (vgl. Institutio IV,17). Gegen diese Vorstellungsformen hält das Konzil von Trient an der scholastischen Eucharistielehre fest. Obwohl die Gegenwartsweise Jesu Christi als eine solche bezeichnet wird, „die wir … kaum mit Worten ausdrücken können“ (DH 1636), wird sie begrifflich durch die Transsubstantiationslehre zu erfassen gesucht: „Durch die Konsekration des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung (transsubstantiatio) genannt“ (DH 1642). Folglich wird der in der Eucharistie dargereichte Christus nicht nur geistlich, sondern sakramental und wirklich empfangen (DH 1658). Die Theologie des 20. Jahrhunderts sieht sich vor die Herausforderung gestellt, die traditionelle Eucharistielehre neu zu formulieren. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass unter gewandelten Denkvoraussetzungen der Sinn der Transsubstantiationslehre kaum noch in deren Begrifflichkeit transportierbar ist. Denn der in ihr verwendete Substanzbegriff, der nicht auf eine physische, sondern auf eine metaphysische Realität hinaus will, wird vielfach mit einem naturwissenschaftlichen Substanzbegriff verwechselt, für den Brot ein chemisches Gefüge darstellt. Infolge dessen überwiegen bei der Erörterung der Transsubstantiationslehre negative Aussagen, die erklären, was damit nicht gemeint ist: Die wirkliche und wesenhafte Gegenwart Jesu Christi verändert nicht das erfahrungsmäßige Erscheinungsbild; es ist keine raumhafte Gegenwart usw. Deswegen versuchen neuere Entwürfe, Deutemodelle zu finden, die weniger missverständlich sind und zugleich dem personalen Charakter des eucharistischen Geheimnisses besser gerecht werden. Auf dieser Linie wird die Transsubstantiationslehre übersetzt als Transsignifikations- bzw. Transfinalisationslehre (so F.-J. Leenhardt; E. Schillebeeckx u. a.). Die hinter der empirischen Er-
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scheinung liegende tiefere Ebene, die mit dem scholastischen Substanzbegriff anvisiert wurde, soll über Kategorien von Bedeutung und Sinn eingeholt werden. Zugleich wird der Bedeutungswandel nicht auf das Zeichen reduziert, sondern auf die Feier als ganze bezogen. Die Enzyklika Mysterium fidei Pauls VI. von 1965 mahnt demgegenüber an, die Bedeutungsebene müsse an eine ontologische Neubestimmung der Elemente zurückgebunden bleiben (DH 4413). In der Tat greift eine Auffassung der Eucharistie, derzufolge den Elementen nur subjektiv eine neue Bedeutung zugeschrieben würde, zu kurz. Ein vertieftes Verständnis von „Bedeutung“ dürfte jedoch gewährleisten, dass Aussagen über deren Neubestimmung die Seinsebene betreffen. „Wenn man die Ebene der Beziehung und damit die Ebene des Zeichens als die entscheidende Ebene im Seienden selbst ansieht, darf man bei der Eucharistie also von einer Transsignifikation sprechen, und diese meint dann eine wirkliche seinshafte Verwandlung sowohl eines Mahlgeschehens … wie auch der in diesem Mahlgeschehen gereichten Speise“ (Gerken/128: 179).
Zudem ist nicht ein von Menschen gesetzter Bedeutungswandel gemeint, sondern eine „Transinstitution“ (B.J. Hilberath/130), eine Umstiftung, in der Gott selbst den Wirklichkeiten von Brot und Wein schöpferisch eine neue Seinsbestimmung gibt. Hilfreich für eine tiefere Aneignung des Glaubens an die Gegenwart Jesu Christi in Brot und Wein ist die Reintegration in die größeren Zusammenhänge (siehe oben Abschnitt 4.1.). Die Rückbindung der somatischen Realpräsenz an die Personalpräsenz Jesu Christi ergibt einen Perspektivenwechsel, der den Glauben an eine sakramentale Gegenwartsweise gerade nicht ausschließt, wohl aber deren Sinnrichtung unterstreicht: Eucharistie ist Begegnungsgeschehen, dessen Subjekt Jesus Christus ist. Er will Begegnung geschehen lassen und sich mitteilen – und zwar, wie das Abendmahlsgeschehen erkennen lässt, leibhaftig, also in einer konkreten Ausdrucksgestalt der Person. In diesem Dienst steht das Brot und Wein ergreifende und umwandelnde Geschehen: Zwischen der Zeit der Begegnung als Mensch mit einem irdischen Leib und der Zeit der Begegnung im Eschaton im verklärten Leib ist die der Zwischenzeit entsprechende Begegnungsform die sakramentale Gestalt: der eucharistische Leib (vgl. dazu Remy/142). „Bis er kommt“ (1 Kor 11,26), schenkt sich in der Eucharistie ein Vorgeschmack der noch erwarteten offenbaren Gemeinschaft mit Christus. So gesehen ist die Feier der Eucharistie von der erwartenden Ausschau nach dem kommenden Herrn bestimmt (vgl. Keller/124). Wenn der eucharistische Leib auf Begegnung zielt, dann steht die primäre, leibhaftige Weise der Begegnung, der Empfang, im Vordergrund. Die Theologie der Eucharistie hat in der Geschichte wenig darüber nachgedacht, was eigentlich das Essen und Trinken bedeutet, obgleich diese doch die entscheidende Empfangshandlung sind (vgl. Bachl/125). In ihr steht nicht die Frage im Vordergrund, auf welche Weise die Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie möglich ist. Vielmehr wird in der glaubenden Beziehung zum Herrn erfahren, wie er ohne Vorbehalt Gemeinschaft sucht und sich verschenken will. In diesem Sinne ist die Gegenwart Jesu Christi
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Verehrung außerhalb der Eucharistiefeier
in Gestalt von Speise und Trank nicht ein abstraktes Denkproblem, sondern ausdrucksstarke Weise seiner Selbstgabe. Dass diese Selbstgabe aber in schöpferisch-verwandelnder Kraft die Tiefe des Seienden erfasst und ihm bleibend eine neue Bedeutung gibt, kann dem Schöpfer und Erlöser, der dieser Welt die Neuschöpfung verheißt, nicht abgesprochen werden. Gott wirkt in der Geschichte und nimmt sich dazu geschöpfliche Wirklichkeit in Dienst (vgl. Erster Teil, Abschnitt IV.5.1). In seinem Wirken will er nicht nur etwas, sondern sich selbst mitteilen, sich selbst aber leibhaftig. Die inkarnatorische Bewegung in die Geschichte hinein, durch die die Nähe Gottes konkret-leibhaftige Gestalt annimmt, ist nicht ein partikuläres Phänomen, sondern bleibt im Leben der Kirche durch die Selbstdarreichung Jesu in Brot und Wein innerste Mitte christlichen Lebens. Wie im Menschen Jesus verdichtet sich in der Eucharistie die Transparenz geschöpflicher Wirklichkeit für Gott zu seiner Gegenwart im Geschöpflichen. Deren Ziel ist allerdings nicht die neue Qualität von Brot und Wein, sondern die Verwandlung der sie empfangenden Menschen. Nicht zufällig ist in der Alten Kirche der Eucharistieglaube mit der Auferstehungshoffnung verbunden worden (siehe oben S. 104). Die durch das Sakrament vermittelte leibhaftige Begegnung zwischen Christus und den Glaubenden zielt auf deren Verähnlichung mit Christus und schließlich die ganzheitliche Vollendung ihres Menschseins. Nach katholischem Verständnis werden die eucharistischen Gaben in der Tiefe ihres Seins, in diesem Sinn substantiell und bleibend verwandelt. Die Gegenwart Jesu Christi ist daher nicht auf den Vollzug und den Empfang der Eucharistie zu beschränken. Dieser Eucharistieglaube hat im Laufe des Mittelalters verschiedene Formen der eucharistischen Verehrung außerhalb der Feier (eucharistische Anbetung, Sakramentsprozessionen) ausgeprägt. Nicht nur aus ökumenischer Rücksicht hat sich solche Verehrung aber an der stiftungsgemäßen Zielsetzung „nehmt und esst“ auszurichten. Bereits das Konzil von Trient bestimmt den Empfang als primären Sinn der Eucharistie (DH 1643). Die Eucharistieverehrung dient der Vorbereitung und Auswirkung der eucharistischen Feier. Die Anbetung gilt dem gegenwärtigen Herrn, der die Zeichen von Brot und Wein ergreift und bleibend erfüllt, um sich darin mitzuteilen. Die Eucharistieverehrung will die Bereitschaft für die Aufnahme seiner Selbstmitteilung fördern und intensivieren. „Die sakramentale Aktion verweist über sich hinaus, ja, sie enthält, weil sie primär ein Empfang der Liebe Gottes ist, ein wesenhaft kontemplatives Moment, das sich über den Akt hinaus zu entfalten drängt. Ich muß und ich will weiter und tiefer bedenken, ‚was Großes an mir der Herr getan hat‘. Ich muß und will dem materiellen Essen und Trinken die Dimension meines Geistes und meiner Existenz öffnen; denn diese sind ja vom Herrn angesprochen, der sich mir schenkt. Der Akt des Empfangs muß die Weite meines Daseins gewinnen, das als Ganzes eingehüllt wird vom Ereignis-Zustand des eucharistischen Herrn, der das ‚Allerheiligste‘ ist.“4
Es geht darum, selbst je mehr präsent zu werden, um sich von der Präsenz des Herrn je mehr erfassen zu lassen. 4 Hans Urs von Balthasar: Klarstellungen. Zur Prüfung der Geister. Freiburg i. Br. 1971 (Herderbücherei 393), 114.
II. Eucharistie
Im ökumenischen Gespräch besteht Einigkeit über die Realpräsenz Jesu Christi im Geschehen der Eucharistie; unterschiedliche Auffassungen gibt es hinsichtlich des Wie dieser Realpräsenz, insbesondere bezüglich der Frage, welche Bedeutung Brot und Wein zukommt. Auf einer ersten Ebene gilt es, in gegenseitigem Respekt die Praxis der Eucharistie zu gestalten. Hier ist die evangelische Seite nach ihrer Ehrfurcht vor den eucharistischen Gestalten, die katholische Seite nach ihrer Ehrfurcht vor dem Stiftungsbefehl (Austeilung der Kommunion unter beiderlei Gestalten, und zwar von den in der Feier dargebrachten Gaben) gefragt. Auf beiden Seiten bleibt diesbezüglich die Praxis in den Gemeinden hinter den Vorgaben der Kirchenleitungen weithin zurück (vgl. auf evangelischer Seite: 14; katholischerseits SC 55; Allgemeine Einführung ins Messbuch Nr. 56). Allerdings wäre es zu wenig, diese Annäherung in der Praxis allein aus ökumenischen Rücksichten zu suchen. Ziel muss beiderseits eine Erneuerung durch theologische Vertiefung sein im gemeinsamen Bestreben, den Auftrag des Herrn getreu zu erfüllen.
Ökumene
4.4 Eucharistie- und Kirchengemeinschaft Die neuere Ekklesiologie hat – nicht zuletzt unter dem Einfluss der orthodoxen Theologie und ihrer eucharistischen Ekklesiologie – die Bedeutung der Eucharistie für das Leben der Kirche tiefer erkannt. Zwischen dem eucharistischen und dem ekklesialen Leib besteht ein bleibendes Wechselverhältnis, da „die Einheit des Volkes Gottes“ durch die Eucharistie „sinnvoll bezeichnet und wunderbar bewirkt wird“ (LG 11). Kirche entsteht und erneuert sich in der Feier Eucharistie: „Beim Brechen des eucharistischen Brotes erhalten wir wirklich Anteil am Leib des Herrn und werden zur Gemeinschaft mit ihm und untereinander erhoben. … So werden wir alle zu Gliedern jenes Leibes“ (LG 7). Umgekehrt ist die Eucharistie Feier des ekklesialen Leibes, verdichteter Vollzug dessen, was die Kirche ist (siehe oben zu 1 Kor 10,16f und 1 Kor 11,17–34). Diese innere Verbindung wird in der zwiefältigen Epiklese des Hochgebetes auf ihre Wurzel zurückgeführt: Der Geist wird wie über Brot und Wein, so auch über die versammelte Gemeinde herabgerufen, damit sie durch die Teilnahme am eucharistischen Leib der eine ekklesiale Leib werde: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus“ (Drittes Hochgebet: Feier der heiligen Messe/26: 496). Dem entspricht der im 4. Jahrhundert bezeugte (vgl. DH 19) Ausdruck „Gemeinschaft der Heiligen“ aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, der zwischen der Bedeutung „Gemeinschaft am Heiligen“ und „Gemeinschaft der Heiligen“ schillert: „Er bezieht sich zunächst auf die heiligen Gaben, die Gott seiner Kirche schenkt – insbesondere in der Eucharistie. Erst von diesem alles begründenden Geschenk her werden dann auch die Menschen, die es empfangen, zu Heiligen: Die Teilhabe (koinonia, communio) an den heiligen Gaben (sancta) begründet die Gemeinschaft (koinonia, communio) der geheiligten Christen (sancti) mit Christus und untereinander“ (Communio Sanctorum Nr. 4/22: 15).
ekklesiale Bedeutung der Eucharistie
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Spezielle Sakramentenlehre
Eucharistiegemeinschaft im ökumenischen Gespräch
Jede Feier der Eucharistie hat ekklesiale Ausrichtung. Aus diesem Grund verbindet sich mit der Eucharistie der Anspruch, mit dem eucharistischen Leib des Herrn auch seinen ekklesialen Leib zu empfangen, sich in ihn hineinzustellen und sich für ihn in Dienst nehmen zu lassen. „Wer die unmittelbare Ausrichtung der sakramentalen Speise auf die Gemeinschaft unterschlägt, wer den sakramentalen Leib des Herrn will, ohne den realen Leib des Herrn, die konkrete Gemeinde, die Kirche aus Menschen, der löst die Gegenwart des Herrn aus dem Kontext der Koinonia, der endet bei einem egoistischen Sakramentalismus“ (Schneider/45: 170). Wie die römisch-katholische Ekklesiologie betont, lässt sich der ekklesiale Leib nicht auf die einzelne Eucharistiegemeinschaft reduzieren. Sie kann sich nicht in sich selbst abschließen, sondern weist über sich hinaus auf alle anderen Eucharistiegemeinschaften, mit denen sie in Gemeinschaft steht, eine Gemeinschaft, die auch strukturelle Implikationen hat. Der enge Zusammenhang zwischen Eucharistie und Kirche ist der Hintergrund, vor dem die ökumenische Frage nach der Eucharistiegemeinschaft zwischen den Kirchen zu erörtern ist. Hier sind graduell verschiedene Modelle von Eucharistiegemeinschaft zu unterscheiden, wobei die Begriffe nicht immer einheitlich verwendet werden. Ziel ist die volle Eucharistiegemeinschaft. Eucharistische Gastfreundschaft sieht bei noch fehlender Eucharistiegemeinschaft vom ekklesialen Aspekt der Eucharistie ab und lässt Angehörige anderer Konfessionen zum Abendmahl zu, entweder aus pastoralen Gründen im Einzelfall (begrenzte Zulassung) oder generell. Die gegenseitige Zulassung unter Absprache verschiedener Kirchen untereinander wird zumeist Interkommunion genannt. Das Prinzip der offenen Kommunion verwehrt grundsätzlich niemandem den Zutritt. Interzelebration meint die Möglichkeit, dass Amtsträger in jeweils anderen Kirchen dem Abendmahl vorstehen dürfen, Konzelebration die gemeinsame Zelebration.
Zahlreiche evangelische Kirchen haben untereinander in der Leuenberger Konkordie von 1973 Interkommunion vereinbart, die auch Interzelebretion ermöglicht; darüber hinaus gewähren sie sehr weitgehend eucharistische Gastfreundschaft oder praktizieren sogar offene Kommunion. Hingegen ist die Eucharistie nach orthodoxem und römisch-katholischem Verständnis Krönung und Abschluss einer Wiedervereinigung im Glauben, nicht Mittel zur Einigung der Kirchen. Grundlage für die gegenwärtige katholische Position ist UR 8: „Man darf jedoch die Gemeinschaft beim Gottesdienst (communicatio in sacris) nicht als ein allgemein und ohne Unterscheidung gültiges Mittel zur Wiederherstellung der Einheit der Christen ansehen. Hier sind hauptsächlich zwei Prinzipien maßgebend: die Bezeugung der Einheit der Kirche und die Teilnahme an den Mitteln der Gnade. Die Bezeugung der Einheit der Kirche verbietet in den meisten Fällen die Gottesdienstgemeinschaft, die Sorge um die Gnade empfiehlt sie indessen in manchen Fällen. Wie man sich hier konkret zu verhalten hat, soll unter Berücksichtigung aller Umstände der Zeit, des Ortes und der Personen die örtliche bischöfliche Autorität in klugem Ermessen entscheiden, soweit nicht etwas anderes von der Bischofskonferenz nach Maßgabe ihrer eigenen Statuten oder vom Heiligen Stuhl bestimmt ist.“
Diese Vorgabe wird im Ökumenischen Direktorium konkretisiert. Nach römisch-katholischer Auffassung ist im Verhältnis zu den orientalischen
II. Eucharistie
Kirchen das ekklesiale und sakramentale Fundament auch für eine Gemeinschaft in der Eucharistie gegeben, jedoch werden die strengeren Ordnungen der orientalischen Kirchen respektiert (Nr. 122/19: 67 f.). Eine Zulassung von Christen anderer Konfessionen zur Eucharistiefeier ist hingegen nur in eingeschränkten Ausnahmesituationen möglich (Nrn. 129–131/19: 69 f.). Diese Zurückhaltung ist heute nicht in erster Linie in eucharistietheologischen Differenzen begründet. Wie der systematische Durchblick gezeigt hat, sind hinsichtlich des Verständnisses der Eucharistie als Opfer und der Realpräsenz weitreichende Annäherungen erfolgt, wenngleich auch in diesen Zusammenhängen noch unterschiedliche Auffassungen und vor allem Praktiken erkennbar sind. Gewichtigere Differenzen finden sich aber im ekklesialen Verständnis der Eucharistie. Wegen des engen Zusammenhangs von Eucharistie und Kirche ist nach katholischem (und orthodoxem) Verständnis Eucharistiegemeinschaft nur auf der Basis von Kirchengemeinschaft möglich. Die Einsicht, dass die Kirche in der Eucharistie gründet, wird unterschieden von einem Verständnis der Eucharistie als „Mittel der Einheit“. Denn zwar bewirkt die Eucharistie die Einheit der Kirche (LG 11), die aber durch sie auch bezeichnet wird und insofern zuvor gegeben sein muss. Das eucharistische Geschehen setzt voraus, dass die Communio, welche die Eucharistie wirken will, gewirkt werden kann, weil dafür die glaubensmäßigen und strukturellen Voraussetzungen gegeben sind. Die Einsicht, dass der gemeinsamen Feier des Herrenmahles eine gewisse Kirchengemeinschaft korrespondieren muss, wird von den verschiedenen Kirchen geteilt. Unterschiedliche Auffassungen bestehen aber darüber, welcher Grad von Kirchengemeinschaft erreicht sein muss. Im Neuen Testament setzt der erste Korintherbrief die Integrität des Eucharistieglaubens im Sinne eines eucharistiegemäßen Verhaltens voraus. Wo die kirchliche Gemeinschaft im Leben widerruft, was sie im Sakrament feiert, ist ihre Feier „keine Feier des Herrenmahles mehr“ (1 Kor 11,20). Naturgemäß werden erst in einer Zeit, in der es zu kirchenspaltenden Glaubensdifferenzen kommt, glaubensinhaltliche Aspekte für die Kirchengemeinschaft bedeutsam. Dieser Prozess wird in der Alten Kirche erkennbar. Mit der Reformation entwickeln sich verschiedene Auffassungen über die Verfasstheit der Kirche, so dass der Kirchengemeinschaft Differenzen in der Ämterfrage entgegenstehen. Welche Kriterien sind nun heute anzulegen, wenn gefragt wird, auf welcher Basis die gemeinsame Feier der Eucharistie zu verantworten ist? Im gegenwärtigen Gespräch zwischen den Kirchen machen sich in dieser Frage Differenzen in der grundlegenden Einschätzung des Stellenwertes ekklesiologischer Fragen bemerkbar. In der von der Rechtfertigungstheologie geprägten evangelischen Auffassung des Abendmahls spielt der ekklesiale Aspekt traditionell nur eine nachgeordnete Rolle. Die Heilsvollzüge Predigt und Sakramente werden der Kirche vorgeordnet. Das primär als Zueignung der Rechtfertigungsgnade verstandene Abendmahl ist ebenso voraussetzungslos wie diese, so dass es evangelischem Empfinden widerspricht, Zulassungsbedingungen aufzustellen. Gerade das ökumenische Gespräch hat aber auch für die
vorausgesetzte Kirchengemeinschaft
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evangelische Theologie wieder mehr ins Bewusstsein gerückt, dass das Herrenmahl auf die Konstitution des ekklesialen Leibes zielt (siehe die ökumenische Studie Communio sanctorum/22). Im katholischen Verständnis ist die Eucharistie nicht von ihrem ekklesialen Rahmen abzulösen. Die vorausliegende Kirchengemeinschaft ist Gewähr dafür, dass die Eucharistie das wirken kann, worauf sie zielt: die eine eucharistische Gemeinschaft des Leibes Christi. Dazu gehört nach katholischer Auffassung die Gemeinschaft in dem einen Bekenntnis ebenso wie die auch strukturelle Einheit der Kirche. Aus diesem Grund ist die Eucharistie unabdingbar an das ordinierte Amt gebunden, eine Bestimmung, die auf evangelischer Seite zuweilen eher pragmatisch gehandhabt wird. Nach UR 22 ist in den evangelischen Kirchen die „ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit (substantia) des eucharistischen Mysteriums“ vor allem wegen der nicht gewahrten Integrität des Ordo (propter sacramenti Ordinis defectum) nicht erhalten (siehe dazu unten Abschnitt V.3.4.2). Atmosphärisch dürfte es im Gespräch zwischen den Kirchen zudem eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, dass der Feier des Abendmahles in den evangelischen Kirchen nicht dieselbe Bedeutung für das kirchliche Leben zugemessen wird. Vorbehalte gegenüber einer als Zwischenlösung praktizierten Eucharistiegemeinschaft ohne Kirchengemeinschaft erwachsen schließlich aus dem Empfinden, dass eine von einer umfassend gelebten Gemeinschaft abgekoppelte Eucharistie zu Unrecht und in unguter Weise deren ekklesiale Zielrichtung ausblenden würde. Während die römisch-katholische Seite von den evangelischen Kirchen eine Vertiefung der ekklesialen Dimension des Abendmahles bzw. der eucharistischen Grundlegung der Kirche erwarten darf, ist ihr selbst aufgetragen, genauer zu differenzieren, wie sich Kirchengemeinschaft als Voraussetzung und Kirchengemeinschaft als Frucht der Eucharistie zueinander verhalten. Denn so sehr die Eucharistie nicht schlechthin Mittel der Einheit ist, so ist doch zu fragen, ob die Eucharistie nicht auch Quelle der Einheit ist: „Abendmahlsgemeinschaft kann Kirchengemeinschaft nicht ersetzen, andererseits macht eine entstehende Kirchengemeinschaft Abendmahlsgemeinschaft unabdingbar, weil Kirche ohne Herrenmahl nicht sein kann.“5 Die Einheit der Kirche ist nicht menschliches Werk – könnte die unvollkommen gemeinsam gefeierte Eucharistie nicht auch inständige Bitte um die Herabkunft des Geistes zur Einigung der Kirchen sein? Zulässig ist es im Rahmen der bisherigen ökumenischen Richtlinien lediglich, im Einzelfall eucharistische Gastfreundschaft zu gewähren, um den besonderen Situationen einzelner Personen gerecht zu werden. Nach den geltenden Richtlinien, wie sie im Ökumenischen Direktorium von 1993 (Nr. 130/19: 70) formuliert sind, ist dieser Fall gegeben, wenn Todesgefahr besteht sowie in Situationen von ernster und dringender Notwendigkeit, die vom Diözesanbischof bzw. den Bischofskonferenzen näher zu umschreiben sind. Hier sind verschiedene Bischofskonferenzen unter5 Deutscher Ökumenischer Studienausschuss (DÖSTA): Kirchen in Gemeinschaft – Gemeinschaft der Kirche. Hrsg. v. Peter Neuner. Frankfurt a. M. 1993 (Beiheft zur Ökumenischen Rundschau 66), 17.
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schiedlich weit gegangen. Die Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ von Papst Johannes Paul II. nennt in Nr. 45 darüber hinaus das „geistliche Bedürfnis“ (spiritualis necessitas) als Kriterium für die mögliche Zulassung zur Eucharistie6. Dieser lehramtlich eine Zeitlang vermiedene Begriff lässt eine Offenheit für die Einsicht erkennen, dass die Situationen „ernster Notwendigkeit“ kaum objektiv zu fassen sind. Zahlreiche katholische Theologen plädieren für eine weitherzige Praxis und entsprechende Richtlinien. Dies gilt insbesondere für Eheleute, die in konfessionsverbindenden Ehen leben und die eingeladen werden sollten, auf ihrem gemeinsamen Glaubensweg auch in der katholischen Eucharistiefeier am Tisch des Herrn die Stärkung zu empfangen, die sie für ihren Weg brauchen.
Literaturempfehlungen Verstehenszugänge zur Eucharistie von den biblischen Zeugnissen her schafft die Studie von Xavier Léon-Dufour (119). Insbesondere in theologiegeschichtlicher Hinsicht ist die Monographie von Alexander Gerken (128) immer noch empfehlenswert. Die Opferproblematik ist in neuerer Zeit verstärkt reflektiert worden. Das Studiendokument des Ökumenischen Arbeitskreises sowie die in dem betreffenden Band versammelten Beiträge (137) sind ebenso aufschlussreich wie die von Albert Gerhards herausgegebene Quaestio (127). Eine ausgezeichnete Verbindung von systematischer und liturgischer Fragestellung gelingt Martin Stuflesser (145). Zum Verständnis der somatischen Realpräsenz lohnt es sich, die Aufsätze von Bernd Jochen Hilberath (130), Georg Hintzen (131) und Dorothea Sattler (143) zu konsultieren. Der ekklesiale Aspekt schließlich ist in der Studie von Anton Thaler (146) aufgearbeitet. Die ökumenischen Aspekte sind von Peter Dettwiler und der Verfasserin dieses Buches an anderem Ort ausführlicher dargestellt worden (125b und d). Eine gelungene katechetische Hinführung bietet Dieter Emeis (125c).
6 Papst Johannes Paul II.: Enzyklika Ecclesia de Eucharistia. 17. April 2003. Bonn [2003] (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 1592), Nr. 45: 39.
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III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament) 1. Hinführung: Krise und Erneuerung der Bußpraxis
Krise des Sündenverständnisses
Während es nach wie vor Anlass gibt, von einer Krise des Sakramentes der Versöhnung zu sprechen, bricht hier und dort ein neues Gespür für die Bedeutung eines solchen Ortes der Sündenvergebung auf. Dabei sind die Faktoren der Krise zugleich jene Faktoren, die für eine Erneuerung der Bußpraxis zu beachten sind. Die Bußpraxis ist nicht der einzige Bereich des Glaubens, in dem sich eine tieferliegende Krise bemerkbar macht: die Krise des Sündenverständnisses. Sie ist Wurzel von ähnlichen Verstehensproblemen in der Christologie und Soteriologie. Die Schwierigkeit heutiger Menschen, von Sünde zu sprechen und sich als sündig zu verstehen, hängt mit veränderten Auffassungen vom menschlichen Handeln zusammen. Die gewachsene Einsicht in die Bedingtheit menschlichen Verhaltens lässt uns die Verantwortlichkeit für das eigene Tun vorsichtiger bewerten. Unabweisbar sind Menschen durch Erfahrungen besonders aus der Kindheit geprägt. So liegt es nahe, Fehlverhalten durch tragische oder krankhafte Ursachen zu erklären. Neben psychologischen Entschuldigungsmechanismen steht dem Eingeständnis von persönlicher Verantwortung auch eine grundsätzliche Erfahrung des Angefochtenseins entgegen. Die Erfahrung, hinter dem Richtigen und hinter den eigenen Möglichkeiten zurückgeblieben zu sein, ist Anlass, die eigene Begrenztheit und Gefühle von Unsicherheit und Überforderung zu beklagen, nicht aber, Schuld einzugestehen. In einer schon etwas älteren – aber immer noch aktuellen – Studie (1979: Nüchtern/165) ist in der Analyse liturgischer Bußtexte der evangelischen Liturgie beobachtet worden, dass darin statt der Sünde eher Befindlichkeiten wie Orientierungslosigkeit, Ratlosigkeit, Angst thematisiert werden. Die Bedingtheit und Angefochtenheit menschlichen Lebens ist ernst zu nehmen, um dabei auch falsche von echten Schuldgefühlen zu unterscheiden, doch darf dies nicht dazu verführen, Sünde auszublenden, sich aus der eigenen Verantwortung zu verabschieden und Schuldgefühle nur noch therapeutisch zu bearbeiten. Die Kritik des zeitgenössischen „Unschuldswahns“ (J. B. Metz/164; Würzburger Synode, Beschluss Unsere Hoffnung/9: 93) sollte indes nicht übersehen lassen, wie sehr solche Verschleierung zum Wesen von Sünde hinzugehört. Schon Adam und Eva versteckten sich! Wie die Verwischung der Grenzen zwischen Sündenbekenntnis und Klage über die eigene Fragilität zeigt, ist es nicht ein zu hohes Selbstwertgefühl, welches dem Eingeständnis von Sünde widerstreitet, sondern gerade im Gegenteil ein tiefes Gefühl der Verunsicherung. Sensibilisierung für Sünde gelingt somit nicht durch die Knechtung von Menschen durch ein „pessimistisches“ Menschenbild, sondern wird eher umgekehrt gelingen, wenn menschliche Würde und Verantwortlichkeit hochgehalten werden.
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
Einsicht in Sündhaftigkeit und Bereitschaft zum Eingeständnis von Sünde wachsen auf einem positiven Selbstwertgefühl. Eine zweite Voraussetzung muss eigens benannt werden: das gläubige Selbstverständnis. Die Krise im Sündenverständnis manifestiert auch eine Krise im Gottesglauben. Angesichts der Klage über die geschwundene Sensibilität für Sünde ist die Anfrage von Seiten evangelischer Theologen bedenkenswert, ob Sünde sich überhaupt erfahren lasse (vgl. Gestrich/154: 83–86; Haas/157: 42–60). Selbst wenn man um der Verantwortlichkeit des Menschen willen und mit Blick auf die Situation des begnadeten Menschen Erfahrung von Schuld und Sünde für möglich hält, bleibt doch zu berücksichtigen, dass eine authentische Auffassung von Sünde ein gläubiges Selbstverständnis und somit eine Gnadenerfahrung voraussetzt. Erst dort, wo einem Menschen aufgeht, wer Gott ist und welches der Maßstab der Liebe ist, kann ihm auch aufgehen, wie sehr er hinter dieser Liebe zurückbleibt und sich dabei von Gott abwendet. Zudem eröffnet erst die Perspektive der Vergebung eine heilsame Möglichkeit, sich der Schuld zu stellen, die sonst in Verzweiflung münden müsste. Bezeichnenderweise wird in der modernen Literatur das Thema Schuld keineswegs verdrängt. Was hier aber weitgehend ausfällt, ist das, was für christliche Rede von Sünde kennzeichnend und unverzichtbar ist: der Horizont der Vergebung, in dem die Sünde steht und vor dem sie in Bewegung kommen und überwunden werden kann (vgl. Kuschel/162: 105–123). Für die christliche Botschaft ist „das Interessante an der Sünde … die Möglichkeit ihrer Entmachtung“ (Gestrich/154: 26), so dass sie Auswege aus den falschen Alternativen von Verzweiflung, Resignation bzw. Kapitulation oder Verdrängung zu eröffnen vermag. Vor dem beschriebenen Hintergrund ist die Bußpastoral gehalten, von Sünde und Buße im Horizont der Botschaft vom vergebenden Gott zu sprechen (Fuchs/153). Die Klage über den Verlust des Sündenbewusstseins relativiert sich, wenn den veränderten ethischen Sensibilitäten Rechnung getragen wird. Die traditionellen Themen kirchlicher Rede von Sünde entsprechen nicht mehr ohne weiteres den Bereichen, in denen Menschen heute für Schuld sensibel sind. Ohne der Ausblendung von bestimmten Dimensionen der Sünde nachzugeben, muss auf die neue Wachheit in anderen Bereichen eingegangen werden. Nur so kann die Bußpraxis als Herausforderung und als wirkliche Hilfe zu christlichem Leben erfahren werden. Damit kommt ein Anliegen in den Blick, das für eine erneuerte Bußpastoral zentral sein sollte: der Zusammenhang von Bußsakrament und Lebenspraxis. Das Bußsakrament lässt sich als Sakrament des Alltags bezeichnen: Es lebt von seinem Ausgang aus den konkreten Begebenheiten des Alltags. Die Krise zumal der Einzelbeichte aber resultiert nicht zuletzt aus diesbezüglichen Defiziten. Die Ausgangssituation, an welcher der Einbruch der Bußpraxis gemessen wird, ist gekennzeichnet durch eine vergleichsweise hohe Beichthäufigkeit, wie sie sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den geforderten Zusammenhang von Beichte und Eucharistie bei erhöhter Kommunionhäufigkeit eingestellt hat. Die hohe Beichtfrequenz stellte Menschen zuweilen in unehrliche Situationen hinein, insofern sie sich wohl
Krise im Gottesglauben
veränderte ethische Sensibilitäten
Bußsakrament und Lebenspraxis
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Spezielle Sakramentenlehre
nur selten wirklich als Erfordernis oder Bedürfnis aus der Lebenspraxis ergab und deswegen nur mit Mühe redlich vollzogen werden konnte. Die Entwicklung zu einem nahezu völligen Abbruch der Beichtgewohnheiten hingegen stellt das andere Extrem dar. Zu suchen bleibt nach einer Beichtpraxis, die zu einer heilsamen Reflexion des eigenen Lebens samt seiner sündhaften Schattenseiten im Licht des Erbarmens Gottes einlädt und die so auch eine echte Reorientierung des Lebensweges ermöglicht. Dazu dürfte ein weiterer Themenkomplex zu beachten sein. Die christliche Rede von Sünde und Sündenvergebung und speziell die Praxis des Bußsakramentes bringt Sünde und Vergebung, das menschliche Umkehrgeschehen und göttliche Vergebung zusammen. Bei der sakramentalen Bußform ist im traditionellen Bewusstsein und in der Praxis (weniger in der Lehre!) einseitig die Wirksamkeit der Gnade und darum die Lossprechung betont worden. Wenn aber der Akzent auf der gnadenhaft zugesprochenen Vergebung liegt, erübrigt sich damit die Mühsal menschlichen Umkehrens? Der Verdacht, die sakramental verbürgte Lossprechung dispensiere von Änderungsprozessen, ist ernst zu nehmen durch eine tiefere (das grundsätzliche Verständnis der Sakramente als Vermittlung von Gott und Mensch – siehe oben S. 22–25 – aufnehmende) Reflexion des Verhältnisses von göttlicher Vergebung und menschlicher Buße auch im Sakrament. Auf diese Weise kann zugleich nochmals dem Vorwurf begegnet werden, die Sündenpredigt sei destruktiv, weil sie den Menschen verängstigt niederhalte. Die christliche Herausforderung, Schuld und Sünde nicht zu verdrängen, und die Einladung, im Licht der vergebenden Gnade Gottes umzukehren, wahren die Würde des Menschen, zu seiner in Freiheit zu übernehmenden Verantwortlichkeit für das eigene Leben zu stehen. Eine von Lebensbezug bestimmte Bußpraxis, die geistliche Wege der Erneuerung aufzuzeigen vermag, hat heute durchaus eine Chance! Die Gegenwart ist gezeichnet von Sehnsucht nach Echtheit, nach unverkrümmtem und wahrhaftigem Menschsein, doch fehlen ernst zu nehmende Wegweisungen. Kinoerlebnisse etwa, in denen Filme – in beeindruckender Weise – Vorbilder solchen Echtwerdens vor Augen stellen, lassen die Einzelnen letztlich doch allein. Es wäre an der Zeit, die Verschämtheit ob mancher Fehlformen vergangener Bußpraxis zu überwinden und den Schatz, der im Umkehrruf des Evangeliums und in den kirchlichen Erfahrungen mit Umkehr und Buße liegt, zu erschließen.
2. Biblische Grundlegung 2.1 Sünde, Bekenntnis und göttliche Vergebung im Alten Testament Die Bibel beschreibt den Menschen schonungslos und prinzipiell als Sünder (vgl. Ps 130,3), der im zwischenmenschlichen und religiösen Verhalten Unrecht tut. Im Bußpsalm Ps 51,6 wird das Versagen des Menschen theologisch als Sünde vor Gott qualifiziert: „An dir, an dir allein habe ich gesündigt, und das in deinen Augen Böse habe ich getan“.
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
Sünde wird im Licht Gottes erkannt, sie wird aber auch auf ihn hin in Bewegung gebracht. Der erste Schritt dazu ist das Bekenntnis, das aus dem Sünder ausbricht, und zwar im Vertrauen auf den vergebenden Gott (vgl. Ps 32,3–5). Das Eingeständnis der Sünde steht in der Heiligen Schrift bereits im Horizont des Glaubens an den Gott, bei dem Vergebung ist (vgl. Ps 130,4), ja, der ein „Gott der Vergebungen“ ist (vgl. Neh 9,17). Er ist zugleich jener, der bereits den Weg der Buße eröffnet und dazu einlädt. Die Vergebung selbst ist geradezu göttliches Privileg: das reine Herz, um das Ps 51,12 bittet, muss schöpferisch hervorgebracht werden. Gottes vergebende Annahme des Menschen bleibt im Glauben Israels nicht eine rein verbale Zusage, die im Glauben zu ergreifen ist, sondern nimmt geschichtliche Gestalt an. Das Entgegenkommen Gottes manifestiert sich z. B. in den von Gott gestifteten Sühneriten: Schuld- und Sündopfer, in denen die Buße rituell begangen wird (vgl. Lev 9,15–24; Ez 45,17). Gerade so wird es dem Menschen ermöglicht, in das Umkehrgeschehen einzutreten.
2.2 Sündenvergebung im Neuen Testament Die Konkretisierung der gnädigen Vergebung Gottes in geschichtlichen Vermittlungsgestalten wird im neutestamentlichen Zeugnis bedeutsam, wo die entscheidende Vermittlung zur göttlichen Sündenvergebung jedoch nicht mehr in einem Ritus zu finden ist, sondern in einer Person: in Jesus Christus. Sein Anspruch, vollmächtig Sünden zu vergeben, berührt das göttliche Hoheitsrecht der Vergebung und trifft darum auf Widerspruch, so in der Perikope von der Heilung des Gelähmten in Mk 2,1–12 bzw. Mt 9,1–8. Bedeutsam in der matthäischen Fassung ist der von Mk abweichende abschließende Vers Mt 9,8, demzufolge die Leute Gott preisen, „der den Menschen solche Vollmacht gegeben hat“. Hier denkt Matthäus bereits an die Gemeinde, der er diese Vollmacht anvertraut sieht (siehe weiter unten). Für die frühen Christen ist der entscheidende Vorgang zur Vergebung der Sünden die Taufe. Die Kirche stand bald vor der Frage, wie mit denjenigen Getauften zu verfahren sei, die sich in schwer wiegender Weise wieder der Sünde überlassen hatten. Bei schweren Sünden (rigoristischen Positionen zufolge gibt es sogar unvergebbare Sünden: vgl. Hebr 6,4–6; 1 Joh 5,16 f.) war schon allein um der Heiligkeit der Gemeinde willen ein entschiedenes Vorgehen angezeigt (vgl. 1 Kor 5; 2 Kor 2,5–11). Von der Praxis der Sündenvergebung in der Gemeinde zeugt die Disziplinarregel Mt 18,15–17. Sie sieht für den Fall der Verfehlung eines Gemeindegliedes gegen grundlegende, in der Gemeinde geltende Normen ein dreistufiges Verfahren vor: zunächst ein Gespräch mit einem anderen Gemeindeglied unter vier Augen; dann, im Fall der Uneinsichtigkeit, ein weiteres Gespräch unter Zuziehung von einem oder zwei Zeugen. Bleibt auch diese Bemühung um den Sünder erfolglos, so ist die gesamte Gemeinde mit dem Fall zu befassen. Sollte die Zurechtweisung auch vor diesem Forum abgelehnt werden, kommt es zur Exkommunikation. Diese Verfahrensregel wird durch das Logion vom Binden und Lösen
Sündenvergebung durch Jesus Christus
das Problem der Sünde nach der Taufe
Sündenvergebung in der Gemeinde
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Spezielle Sakramentenlehre
(vgl. Mt 18,18) interpretiert. Es hat seinen Ort ursprünglich in einem Erscheinungsbericht, demzufolge der Auferstandene dem gesamten Jüngerkreis Vollmacht zur Sündenvergebung erteilt (vgl. Joh 20,23). Binden bedeutet das Behalten von Sünden und den Ausschluss aus der Gemeinschaft; Lösen den Freispruch von Sünden und die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft. Beides sind vollmächtige Entscheidungen von letztgültiger Wirkung (vgl. auch Mt 18,19). Auffälligerweise finden sich im Kontext der Verfahrensregel bei Matthäus das Gleichnis vom verlorenen Schaf (vgl. Mt 18,12–14) sowie die Mahnung zur Vergebungsbereitschaft (vgl. Mt 18,21–35). Betrachtet man die Verfahrensregel für sich, so wird das Interesse mehr auf die Gemeinde gerichtet, die, um ihre Heiligkeit besorgt, den Umgang mit Sündern regelt. Im Kontext dagegen ist mehr der Sünder im Blick, den es zu bewahren gilt. Neben diesem formell geregelten Verfahren kennt das Neue Testament einen alltäglicheren Umgang mit der Sünde in gegenseitiger Mahnung (vgl. Gal 6,1; Jak 5,19 f.) und dem Bekenntnis voreinander (vgl. Jak 5,16).
3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen Die Gestalt des Sakramentes der Versöhnung hat sich in der Geschichte mehr als andere Sakramente stark gewandelt. Liturgische Veränderungen gehen dabei einher mit Akzentverschiebungen in der Bedeutung der einzelnen Teile der Buße. Es lohnt sich, diese Entwicklungen genauer anzuschauen, um dadurch der Komplexität des sakramentalen Bußgeschehens besser gewahr zu werden.
3.1 Das Ringen um die Möglichkeit einer zweiten Buße in der frühen Zeit Die grundlegende Buße ist für die frühe Kirche die Taufe, die auch selbst als Buße bezeichnet wird. Die in gegenseitigem Bekenntnis und Zurechtweisung, in der klassischen Trias von Almosen, Fasten und Gebet geübte tägliche Buße gehört zum Leben der Gemeinden und der einzelnen Christen wie selbstverständlich hinzu. Im Blick auf schwere Sünden, die gleichsam einen Widerruf des Taufbekenntnisses darstellen (vor allem Absage an den Glauben, Mord und Unzucht), ist in der frühen Kirche mit einem Nebeneinander von rigoristischen Positionen und dem Zugeständnis der Möglichkeit einer Wiederaufnahme in die Kirche zu rechnen. Rigoristische Positionen haben disziplinär-praktischen Charakter – die akute Naherwartung fordert ein strenges Ethos – oder begründen die Unvergebbarkeit bestimmter Sünden psychologisch mit der ihr zugrunde liegenden Verstocktheit und Unbußfertigkeit. Zudem verlangt die Frage, ob nicht die Vergebung eine Art zweiter Taufe wäre, Klärung. Einflussreicher als rigoristische Positionen ist der um 140 in Rom entstandene sog. Hirt des Hermas. In diesem Buch wird eine Bußmöglichkeit
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
einmalig als letzte Chance für jegliche Sünde eingeräumt. Das Prinzip der Einmaligkeit postbaptismaler Vergebung für schwere Sünden ist in dieser Schrift durch die Naherwartung motiviert, wird aber auch nach deren Zurücktreten weitertradiert und bleibt in der westlichen Kirche einige Jahrhunderte hindurch bestimmend. Im Ringen um die Möglichkeit, eine postbaptismale Buße zu gewähren, spielen schließlich die Bekenner, die in Verfolgungen standhaft geblieben sind, eine eigene Rolle. Ihnen wird die Vollmacht zuerkannt, denjenigen, die ihren Glauben verleugnet haben, göttliche Verzeihung zuzusprechen und sie wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen. Die den Märtyrern zugeschriebene pneumatisch-charismatische Vollmacht der Vergebung geht später auf die Mönche über (siehe unten S. 128 f.).
3.2 Das kanonische Bußverfahren in der Alten Kirche Auf der Basis der Auffassung, dass die Kirche schwere Sünden vergeben kann, bildet sich in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts eine institutionelle Form dafür heraus, wie eine solche Vergebung erlangt werden kann: das kanonische Bußverfahren. Dieses Bußverfahren eröffnet eine einmalige Bußmöglichkeit für schwere Sünden. Da solche zumeist öffentlich bekannt sind, hat das Bekenntnis (vor dem Bischof) am Beginn dieses Bußverfahrens in der Regel nicht den Sinn, die Sünden offen zu legen. Vielmehr bringt der Sünder darin seine Bußbereitschaft zum Ausdruck, auf die hin er in den Büßerstand aufgenommen wird. Dieser amtliche Akt ist nicht als exkommunizierende Handlung durch die Kirche zu verstehen, sondern zielt bereits auf die Aufhebung der faktisch durch die Sünde erfolgten Exkommunikation. Den Büßern sind Bußwerke wie Fasten und sonstige Verzichte aufgetragen; ihre Situation ist dadurch bestimmt, dass sie nicht in vollem Ausmaß am Leben der Kirche teilnehmen können. Das gesamte Geschehen von Buße und Versöhnung ist jedoch ein ekklesialer Lebensvorgang. Wenngleich die Buße je persönlich übernommen und vollzogen wird, hat sie ihren Ort innerhalb des kirchlichen Lebens und wird von der – um ihre eigene Sündhaftigkeit wissenden – Gemeinschaft der Kirche solidarisch mitgetragen. Dies kommt in seelsorgerlichen Bemühungen um den Büßer und in fürbittendem Gebet sowie Büßersegnungen zum Ausdruck. Ziel des Bußgeschehens ist die (nach Quellen aus dem 5. Jahrhundert am Gründonnerstag vollzogene) Rekonziliation, deren Zeichen die Handauflegung ist. Woraufhin erfolgt die Rekonziliation? Was genau ist der Grund der Sündenvergebung? Und wie verhalten sich beide zueinander? Die Möglichkeit der Buße ist von Gott eröffnet, der so den Weg zur Versöhnung bahnen will. Insofern sind die Sündenvergebung und die volle Wiedereingliederung in die Kirche grundsätzlich Geschenk der Gnade. Dennoch erübrigt sich nicht die Frage, wie sich die göttliche Vergebung vermittelt und inwiefern sie auch das Tun des Menschen voraussetzt. In der Alten Kirche liegt ein starker Akzent auf der Buße des Sünders als einer von Gott eröffneten Möglichkeit, der Reue und der Bußgesinnung konkreten Ausdruck zu
Grund der Sündenvergebung
– Bußwerke
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Spezielle Sakramentenlehre
– Rekonziliation
geben. Dabei werden die konkreten Bußwerke als Voraussetzung für die Rekonziliation durch die Kirche angesehen. Die Wiederaufnahme in die kirchliche Gemeinschaft ihrerseits wird auch als Aussage über das wieder geheilte Verhältnis des Büßers zu Gott verstanden: Der kirchliche Akt der Wiederaufnahme in die Kirche ist transparent für das Wirken Gottes. Damit sind menschliche Buße, Wiederaufnahme in die Kirche und göttliche Sündenvergebung ineinander verwobene Vollzüge. Im Licht der göttlichen Gnade eröffnet sich der Weg der menschlichen Buße, die auf die Wiederaufnahme durch die Kirche zuläuft. In ihr wiederum vermittelt sich die Versöhnung mit Gott.
3.3 Die Krise des kanonischen Bußinstituts
Sterbebuße
Der Verfall der öffentlichen Buße hat dieselben Gründe wie der Verfall des Katechumenates (siehe oben S. 84 f.). Mit dem Christwerden ist nicht mehr selbstverständlich die entschiedene Selbstverpflichtung zur Heiligkeit verbunden. Entsprechend schwindet die Bereitschaft, sich der kanonischen Buße zu unterziehen. Insbesondere ihre Einmaligkeit sowie die Bußauflagen, die auch nach der Rekonziliation andauern, erscheinen als Überforderung: ehemalige Büßer dürfen nach der Rekonziliation nicht mehr heiraten und sind in der Ehe zu sexueller Enthaltsamkeit verpflichtet, kirchliche Ämter bleiben ihnen versagt. Seit dem 5. Jahrhundert wird die kanonische Buße immer seltener als Bußweg zu Lebenszeit praktiziert, ihr vornehmlicher Ort wird – mit ausdrücklicher kirchlicher Billigung – das Sterbebett. Die Sterbebuße aber wird seit dem 6. Jahrhundert allen Christen nahe gelegt. Sie gilt mehr und mehr als Akt der Frömmigkeit zur Vorbereitung auf einen guten Tod. War die kanonische Buße ursprünglich ein außergewöhnliches Zugeständnis, um einem Sünder, der unter das Niveau der schon geschenkten Heilssituation gefallen war, eine neue Chance zu geben, so ist die Sterbebuße regulärer Heilsweg für die Situation des Sterbens. Rückschlüsse auf eine anders geartete Einschätzung der durch die Taufe gestifteten Heilssituation liegen nahe. Immerhin ist die Praxis der öffentlichen Buße noch im Mittelalter und vereinzelt noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts bezeugt. Im Westen bilden sich sogar noch neue Riten aus, u. a. eine die Absolution der Sünder am Gründonnerstag ergänzende zweite Absolution über das ganze Volk, welche die Wurzel für die mittelalterliche Praxis der Generalabsolution ist (vgl. Meßner/41: 81 f.120 – 134).
3.4 Die „Beichte“ als wiederholbare Gestalt des Sakramentes der Versöhnung Mönchsbeichte
Parallel zum kanonischen Bußinstitut entwickelt sich – aus jüdischen Wurzeln (vgl. Lev 5,5) und neutestamentlichen Anhaltspunkten (vgl. Jak 5,16) – schon früh die Praxis eines Bußvollzugs, in dem das Einzelbekenntnis im Vordergrund steht, weil das Offenlegen der eigenen Sünde an sich schon
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
als heilsam erachtet wird. Vorzugsweise wird das Bekenntnis charismatisch begabten Personen (Bekennern oder Mönchen – siehe oben S. 127) abgelegt, die als mit Vollmacht zur Vergebung begabte Geistträger angesehen werden. Bekenntnis und Vergebungszuspruch gehen in diesem Bußgeschehen mit geistlicher Begleitung auf dem Weg alltäglicher Buße einher. Solche „begleitete Buße“ hat insbesondere im monastischen Bereich Bedeutung, verbreitet sich in der byzantinischen Kirche aber auch außerhalb der Klöster und tritt mehr und mehr an die Stelle der kanonischen Buße. Im Westen verbreitet sich eine modifizierte Form der monastischen Praxis durch das irische Mönchtum. Wie in der Mönchsbeichte ist ein detailliertes, nicht nur schwere Sünden umfassendes Bekenntnis des Sünders erforderlich, das dieser vor einem Priester ablegt. Notwendig ist es nun aber nicht mehr so sehr wegen der Seelenführung, sondern um die Buße auferlegen zu können, die dem Poenitenten seinen Sünden entsprechend bemessen wird. Welcher Art die Buße sein muss, entnimmt der Amtsträger Bußbüchern, in denen für jede Sünde ein genau fixiertes Bußwerk angegeben ist. In dieser „Tarifbuße“ wird die Schuld an der objektiv geschehenen Tat abgelesen; ebenso objektiv muss die Wiedergutmachung durch eine gleichsam normierte kompensatorische Leistung (Genugtuung, satisfactio) erfolgen. Der Intention der Bußbücher nach handelt es sich durchaus um medizinal verstandene Bußauflagen, die als Heilmittel gegen die Sünde angesehen werden. Fragwürdig wird das Tarifsystem indes durch die Praxis von Kommutationen und Redemptionen, die es ermöglicht, eine lange Buße durch eine andere, kürzere, dafür härtere einzulösen bzw. die Buße durch Stellvertreter verrichten zu lassen. Anfangs fehlt in diesem Bußvorgang eine Rekonziliation; nach Ablegung der Beichte und Erfüllung der Bußauflage darf sich der Poenitent wieder an der Eucharistiefeier beteiligen und die Kommunion empfangen. Die Tarifbuße unterscheidet sich von der kanonischen Buße in der alten Kirche durch ihre Wiederholbarkeit und ihren aliturgischen, nicht-öffentlichen Charakter. Die Bußauflagen werden individualisiert, allerdings – im Unterschied zur charismatischen Tradition der Mönchsbeichte – im Rahmen der in Büchern fixierten „Tarife“. Auffällig ist anfänglich das Fehlen der Rekonziliation. Die irische Bußpraxis verbreitet sich aufgrund der Missionstätigkeit der irischen Mönche auf dem Kontinent, wo sie sich weiterentwickelt und mit Elementen der kanonischen Buße verbindet. Aus dem öffentlichen Bußverfahren werden Orationen, die auf die früheren Büßersegnungen zurückgehen, sowie der Rekonziliationsakt übernommen. Nach dem Bekenntnis wird nun die Buße erteilt, welcher der Büßer nachkommt, bevor er (am Gründonnerstag) die Rekonziliation empfängt. Liturgisch bedeutet dies, dass die Rekonziliation wieder ein öffentlicher und ekklesialer Vollzug sein kann. Daneben findet sich aber bereits die – sich nach der ersten Jahrtausendwende durchsetzende – Praxis, derzufolge der Presbyter die Rekonziliation sofort nach der Beichte (bedingungsweise) erteilt. In der Reihenfolge der Bußelemente rückt also die Erfüllung der Bußauflage hinter Bekenntnis, Bußerteilung und Rekonziliation. Das eigentliche Bußwerk ist nun weniger
Tarifbuße
Veränderungen der irischen Bußpraxis
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Grund der Sündenvergebung
– Bußwerk
– Beichte
– Reue
– Absolution
die äußere Satisfaktionsleistung als vielmehr das Bekenntnis bzw. die zugrunde liegende Haltung der Reue. Auch die Rekonziliationsformeln treten dadurch in einen Wandel ein: Während der Priester anfangs für den Poenitenten ein Fürbittgebet verrichtet (deprekative oder supplikative Absolution), entwickeln sich später Absolutionsformeln, die zunächst als Wunsch gehalten sind (optative Absolution). Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts setzt sich die indikativische Absolutionsformel gestützt durch eine inzwischen fortgeschrittene theologische Reflexion durch. Der scholastischen Bußtheologie ist nicht zuletzt aufgrund der liturgischen Veränderungen die Frage aufgegeben, was eigentlich der Sündenvergebung im Sakrament zugrunde liegt. Entsprechend der Praxis der frühen irischen Bußform ohne Rekonziliationsakt bezieht die Theologie die Rekonziliation zunächst nicht in ihre Betrachtung ein. Die Sündenvergebung wird vielmehr auf Buße, Bekenntnis oder Reue zurückgeführt. Wenn der Büßer, der seine Bußauflagen erfüllt hat, ohne weiteres wieder als versöhnt gilt, scheint es recht eindeutig sein Bußwerk zu sein, welches der Sündenvergebung zugrundeliegt. Als liturgische Veränderungen die priesterliche Absolution vor die satisfactio rücken, wird aber fraglich, ob diese zur Vergebung der Sünden beiträgt. Dafür wird jetzt die Beichte selbst als sündentilgendes Bußwerk angesehen, insofern der Akt des Beichtens, das Bekenntnis, beschämend und deshalb verdienstlich ist. Verbreitet ist schließlich die Lehrmeinung, dass die Reue die göttliche Vergebung der Sündenschuld erlangt. Damit aber wird die Bedeutung der kirchlichen Mitwirkung beim Bußgeschehen stark gemindert: Buße ist mehr ein innerliches Geschehen, das ohne öffentliches Forum oder formelle Rekonziliation auskommt. Welche Bedeutung hat dann die priesterliche Absolution? Dies wird durch verschiedene Absolutionstheorien zu klären gesucht. Der Auffassung von der sündentilgenden Wirkung der menschlichen Reue entspricht die deklaratorische Absolutionstheorie. Ihr zufolge bekundet die Absolution lediglich die auf die menschliche Reue hin von Gott zuvor schon geschenkte Vergebung (Petrus Abaelardus, † 1142). Dem Priester ist allein aufgetragen, eine entsprechende Buße festzusetzen und für den Sünder zu beten. Dies entspricht der deprekativen Form der Absolution. Demgegenüber entwickelt sich ein kausales Absolutionsverständnis, das sich anfangs allerdings nicht auf die Sündenvergebung, sondern auf den Nachlass der Strafe bezieht. Um diese Theorie mit der Lehre von der rechtfertigenden Kraft der Reue zu verbinden, wird die Auffassung vertreten, die Absolution mache aus der unvollkommenen (attritio) eine vollkommene Reue (contritio). Thomas von Aquin († 1274) schließt sich zwar der Lehrmeinung von der sündentilgenden Wirkung der contritio an, bezieht die Reue aber so auf die Absolution, dass diese konstitutiv in das Rechtfertigungsgeschehen einrückt. Denn seiner Auffassung nach beinhaltet die contritio den Vorsatz zum Bekenntnis und zur Erfüllung der satisfactio und damit die Absicht des Poenitenten, sich der kirchlichen Schlüsselgewalt zu überantworten. Umgekehrt wirkt diese bereits im voraus. Hilfreich für die Verhältnisbestimmung der verschiedenen Teile der Buße ist die Anwendung der Unterschei-
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
dung von forma und materia (siehe oben S. 40). Materia der Buße sind nach Thomas die menschlichen Bußakte (Reue, Bekenntnis, Bußwerk), die durch die als forma fungierende Absolution bestimmt werden. Die Absolution, die nun als Ursache der Vergebung bezeichnet wird, macht die menschlichen Bußakte also gerade nicht überflüssig, sondern stellt sie als wesentliche Bestandteile der Buße hinter das Vorzeichen der Gnade. Der neuen Bedeutung der Absolution entspricht die indikativische Absolutionsformel, die sich im 13. Jahrhundert durchsetzt. Lehramtlich rezipiert wird die thomanische Bußtheologie 1439 im Dekret für die Armenier (DH 1323).
3.5 Der Streit um die Sakramentalität der Buße und die Bußwerke in der Reformationszeit Von der Rechtfertigungslehre her kristallisiert sich in der Bußtheologie Martin Luthers († 1546) eine betonte Gegenüberstellung von Bekenntnis und Absolution unter Absehung von den Bußakten heraus. Luther sieht den Gnadencharakter der Lossprechung verdunkelt, wenn die menschliche Buße den Charakter einer Leistung bekommt, indem etwa ein lückenloses Bekenntnis verlangt wird – der ehemalige Augustinermönch hält dies aus eigener Erfahrung für eine Marter der Gewissen. Entsprechend seiner Frage: Wie finde ich einen gnädigen Gott? will er das Bekenntnis vielmehr als Ausschauhalten des Sünders nach der Gnade verstehen. Die Absolution ist statt eines richterlichen Urteils schlechthin freisprechendes Wort, das im Glauben anzunehmen ist. So verstanden ist die Beichte für Luther letztlich individuelle Zuspitzung der Rechtfertigungspredigt und wird als solche von ihm überaus geschätzt. Er zählt sie gelegentlich sogar zu den Sakramenten, vermisst aber das sichtbare Zeichen. Zudem fürchtet er, die Taufe könnte durch ein zweites Sakrament der Sündenvergebung abgewertet werden (siehe oben S. 87). Die Praxis der Einzelbeichte bleibt im Luthertum lange erhalten, erlischt jedoch im Verlauf des 18./19. Jahrhunderts fast völlig. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts wird vereinzelt – mit wenig Erfolg – eine Wiederbelebung versucht. Johannes Calvin († 1564) weist ein Verständnis der Buße als Sakrament zurück, zeigt aber Interesse insbesondere an der Praxis der öffentlichen Buße in der Alten Kirche, von der er durchaus wünscht, „dass sie heute wiederhergestellt würde“ (Institutio IV,19,14). Die Kontroverse zwischen reformatorischer und römischer Bußtheologie beginnt bereits mit der Bulle Leos X. 1520 (vgl. DH 1455–1464) und wird im Konzil von Trient fortgeführt (vgl. DH 1667–1693; 1701–1715). Inhaltlich konzentriert sich die Auseinandersetzung auf drei Punkte: die Sakramentalität der Buße, die Teile der Buße sowie der Charakter der Lossprechung. Aufgrund der in Joh 20,22 bezeugten Einsetzung durch Christus ist die Buße ein eigenständiges, von der Taufe unterschiedenes Sakrament. Nachdruck legt das Tridentinum auf die drei Akte bzw. Teile des Bußgeschehens (Reue, Bekenntnis und Genugtuung) und bemüht sich um eine differenzierte Darlegung von deren Recht und Bedeutung. Wichtig ist dies
Luther
Calvin
römisch-katholische Position
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Spezielle Sakramentenlehre
insbesondere hinsichtlich der Genugtuung, die nach lutherischer Ansicht der Rechtfertigung widerstreitet, nach katholischer Auffassung aber unabdingbar zum Bußgeschehen hinzugehört. In den Lehraussagen des Tridentinum wird dies auch anthropologisch mit der präventiven und heilenden Funktion der Bußwerke begründet. Bezugspunkt der Genugtuung ist aber eindeutig nicht die Vergebung, als würde diese durch die Genugtuung erwirkt, sondern die Strafe. Zudem lässt der Einschub „per Christi merita“ das Bemühen der Konzilsväter erkennen, die menschliche satisfactio an die satisfactio Jesu Christi zurückzubinden (vgl. DH 1690 f.; 1713 f.). Menschliche satisfactio im Bußgeschehen ist abhängig von der Gnade Christi und hat ihren Ort letztlich im Horizont der Verähnlichung mit Christus. Bei genauem Hinsehen sind die katholischen und reformatorischen Positionen – wenn auch in unterschiedlicher Sprache – durchaus in manchem einander sehr nahe. Dies zeigen auch die Einigungsbemühungen 1530 in Augsburg, die eine weitreichende Verständigung erreichen und als Kontroverspunkt lediglich die Bezogenheit der satisfactio auf die Tilgung der Sündenstrafe festhalten (vgl. zum ganzen Sattler/166: 10–48).
3.6 Erneuerte Vielfalt im 20. Jahrhundert ekklesialer Charakter
Vielfalt der Bußformen
Im 20. Jahrhundert führt die Erforschung der kirchlichen Bußgeschichte (B. Poschmann, K. Rahner) zu einem erneuerten Bußverständnis insbesondere im Blick auf den ekklesialen Charakter der Buße. Entsprechend fordert das Zweite Vatikanische Konzil eine Revision von Ritus und Formeln des Bußsakramentes (vgl. SC 72), damit das Bußgeschehen stärker als von der Kirche getragen und in die Versöhnung mit der Kirche mündend erkannt werden könne (vgl. LG 11). Frucht dieses Reformimpulses ist im Ordo Paenitentiae (1973/dt. 1974) die erneuerte Absolutionsformel, die sich durch ihren anamnetischen Charakter sowie den ekklesialen Bezug auszeichnet sowie die Wiederherstellung der Handausstreckung zur Lossprechung. Zum anderen wird neu bewusst, dass es neben der Einzelbeichte andere Formen des Bußsakramentes und der nichtsakramentalen Buße gibt: gemeinschaftliche Feiern der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der einzelnen oder mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution, sowie Bußfeiern nichtsakramentaler Art und andere Bußvollzüge (siehe dazu näher Abschnitt 4.1).
4. Systematische Entfaltung 4.1 Leben im Horizont der Vergebung, die Vielfalt christlicher Bußformen und das Sakrament der Versöhnung Glaube im Horizont der Vergebung
Kann man sich der Schuld stellen ohne Ausblick auf Vergebung (siehe oben S.123)? Vom Standpunkt des Glaubens aus kommt diese Frage immer schon zu spät, ist doch die christliche Existenz per se im Horizont der Vergebung angesiedelt: Der christliche Glaube bekennt Gott als den verge-
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
bungswilligen Gott, und die durch und in Christus geschehene Versöhnung ist Inhalt jedes Zuspruchs der Sündenvergebung. Dennoch ist Versöhnung nicht ein Geschehen der Vergangenheit, auf das nur zurückzuschauen wäre; vielmehr ragt sie als „Ereignis in Ereignissen“ (siehe oben S. 63) in die Gegenwart hinein, um alle Menschen in ihrer Geschichte zu erreichen und einzubeziehen. Das Versöhnungswort Gottes zielt auf Bekehrung und Buße als die von der Gnade Gottes ermöglichte und getragene Antwort des Menschen. Für das dialogische Geschehen, in dem sich Menschen existentiell auf die gnädige Zuwendung Gottes einlassen, bedarf es im christlich-kirchlichen Leben Orte der Anamnese der in Christus geschenkten Versöhnung, also Orte der Vergebung, in denen Vergebung hier und jetzt geschenkt werden kann. Von solchen Orten ist im Plural zu sprechen. Grundlegend ist die Taufe zu nennen, weiterhin die Eucharistiefeier als Ort der Vergebung der täglichen Sünden. Auch darüber hinaus gilt, wie es die Pastorale Einführung zum Ordo Paenitentiae formuliert: „Auf vielerlei Weise verwirklicht das Volk Gottes diese fortwährende Buße“ (Nr. 4/28: 11); genannt werden geduldiges Leiden, Werke der Barmherzigkeit und der Liebe, Bekehrung zum Evangelium, Bußgottesdienste, Verkündigung des Wortes, Gebet. Die verschiedenen Formen sind nicht gegeneinander auszuspielen, sondern komplementär zu betrachten. Dies ist speziell im Hinblick auf sakramentale und nicht-sakramentale Bußformen zu betonen. Weil Sündenvergebung auch außerhalb des Bußsakramentes geschenkt wird, ist eine Fixierung auf Einzelbeichte und Bußfeiern mit sakramentaler Absolution nicht angemessen. Insofern bedeutet die Wiederentdeckung der Vielfalt von nicht-sakramentalen Bußformen einen heilsamen Aufbruch aus einer gewissen Fixierung auf die Einzelbeichte. Andererseits wäre es euphemistisch zu meinen, dass der mancherorts fast völlige Zusammenbruch der Beichtpraxis lediglich Anzeichen einer Verschiebung sei. „Durch einen Beichtverzicht entwickelt sich nicht einfach eine neue Kultur von Umkehr, Buße und Vergebung.“1 Im Vergleich der möglichen Formen öffentlicher Bußpraxis sind verschiedene Gesichtspunkte einzubringen. Ein Aspekt ist die Möglichkeit, die Buße liturgisch zu feiern. Diese Möglichkeit ist bei den gemeinschaftlichen Bußfeiern eher gegeben als bei der Einzelbeichte. Ein weiteres Kriterium ist der ekklesiale Charakter, dem die gemeinschaftlichen Feiern besser entsprechen, ohne dass beides schlechthin identifiziert werden dürfte: Auch die Einzelbeichte hat ekklesialen Charakter. Die Bußfeier kann aber nachdrücklicher zum Ausdruck bringen, dass einerseits jede Sünde ein Schuldigwerden an der kirchlichen Gemeinschaft einschließt und dass andererseits auch die kirchliche Gemeinschaft als solche hinter ihrer Berufung zurückbleibt. Schließlich ist – als Gegenpol zur ekklesialen Dimension – der individuelle Aspekt von Sünde und Buße zu nennen. So sehr jede Sünde ekklesialen Charakter hat, so sehr bleibt sie persönliche Sünde, denn immer sind 1 Gerhard Nachtwei: Beichte – ein not-wendiges Sakrament. Einleitung aus der Sicht eines praktischen Seelsorgers. In: 152: 153–157, hier 153.
Orte der Vergebung
sakramentale und nichtsakramentale Bußformen
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Spezielle Sakramentenlehre
das Spezifische der sakramentalen Versöhnung
Andachtsbeichte
es Einzelne, die hinter ihrer christlichen und ekklesialen Berufung zurückbleiben. Weil Schuld unvertretbar eigene Schuld ist, gehört die individuelle Herausforderung unabdingbar zur Buße. Dies ist Grund für die Wertschätzung der Einzelbeichte, die ein persönlich formuliertes Bekenntnis verlangt. Sie ist allerdings nicht die einzige Weise, den individuellen Bußweg zu gewährleisten, der mithilfe entsprechender Impulse, durch Umkehrprozesse, Gespräche usw. auch in und im Umfeld von Bußfeiern gegangen werden kann. Für alle Bußformen gilt, dass ein Bußweg so fruchtbar ist, wie Einzelne sich darauf einlassen, sich ehrlich ihrem Versagen stellen und sich aufrichtig von Gott einen neuen Anfang schenken lassen. Angesichts der Vielfalt von Bußformen ist zu fragen, was genau die sakramentale Feier der Versöhnung von anderen Formen der Buße und Vergebung unterscheidet. Dabei ist zuerst die Feier der Versöhnung für einzelne, die Einzelbeichte, in den Blick zu nehmen. Hier geschieht eine Zuspitzung der menschlichen und der göttlichen Seite von Buße und Vergebung. Auf der einen Seite nötigt die Einzelbeichte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, insofern der Poenitent oder die Poenitentin sich als Subjekt der Schuld bekennen muss. Nicht nur das Sündigen im Allgemeinen wird in das Licht der Vergebung gehalten, sondern die individuelle Situation des einzelnen Menschen in seiner Schuld, die er oder sie unvertretbar selbst auf sich geladen hat. Dieser Fokussierung auf die je persönliche Verantwortung entspricht auf der anderen Seite, dass auch die Vergebung im Bußsakrament nicht allgemein ausgesprochen, sondern auf die konkrete und benannte Situation der Sünde bezogen ist. Dabei begegnet das Vergebungswort nicht allein als Bezeugung des vergebungswilligen Gottes, sondern als vollmächtiger Zuspruch durch den ordinierten Amtsträger. Die Lossprechung durch einen Menschen, der hier per definitionem nicht für sich selbst steht, sondern für das, was Gott selbst wirken will, bringt das Gnadenhafte der Vergebung, das „extra nos“ zu verdichteter Darstellung. Zugleich ist der Amtsträger der seitens der kirchlichen Gemeinschaft zuständige und berufene Vertreter, der im Namen der Kirche Vergebung zuspricht und einen Sünder im Falle schwerer Sünde wieder in die Kirche aufnehmen kann. Damit ist nicht gesagt, dass eine solche von zwei Seiten intensivierte Realisierung von Buße und Vergebung ausschließlich in der Einzelbeichte geschieht. Sie bietet aber einen gnadenhaften Ort, an dem diese Zuspitzung der täglichen Buße gelingen kann. Die Kirche, die um ihre eigene Heiligkeit ebenso wie um die je persönliche Heiligkeit ihrer Glieder besorgt sein muss, bindet im Falle von schwerer Sünde an die sakramentale Einzelbeichte. Zugleich gilt es ihr als „heilsamer Brauch“ (DH 1683), dass die Gläubigen einmal im Jahr beichten. Wenn die sog. Beichtpflicht die schweren Sünden betrifft, so muss eigens nach dem Sinn der Andachtsbeichte, die regelmäßig auch ohne das Vorliegen schwerer Schuld praktiziert wird, gefragt werden. Anzusetzen ist hier bei der Schwierigkeit, schwere Sünde zu definieren. Bei der regelmäßigen Beichte geht es gerade darum, sich in sensibler Bußgesinnung auf die Suche nach den scheinbar geringfügigen Ansätzen von Sünde zu machen. Dabei entpuppen sich die kleinen Fehltritte womöglich
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
doch als Formen, wie der eigene Lebensweg und die Pflichten gegenüber Mitmenschen in größerem Ausmaß verfehlt werden. Bedeutung dürfte hier vor allem das Bekenntnis haben. Wenn für viele Bereiche der menschlichen Person gilt, dass erst die Verleiblichung realisiert, was „im Geist“ angelegt war, so gilt dies auch hinsichtlich der Selbsterkenntnis. Was in einem Menschen vorgeht, ob im Positiven oder im Negativen, entbirgt sich in authentischer und ehrlicher Weise oft erst in dem Versuch, dies vor einer anderen Person zur Sprache zu bringen. In diesem Sinne erfolgt im Bekenntnis eine Verobjektivierung, welche die Schuld gewissermaßen unbeschönigt verleiblicht und dadurch jene Distanzierung ermöglicht, die zum Bußgeschehen hinzugehört. Dabei eröffnet das Wagnis des Bekenntnisses den Weg, die eigene Schuld nicht nur in der Gewissensprüfung hin und her zu wenden, sondern wirklich der Barmherzigkeit Gottes zu überlassen. Zugleich befreit die verdichtet erfahrene und ausdrücklich zugesprochene Gnade der Vergebung zu einem neuen Anfang. So formuliert die Pastorale Einführung zum Ordo Paenitentiae: „Wer aber in leichte Sünde fällt und täglich seine Schwachheit erfährt, der gewinnt aus der wiederholten Feier der Buße Kraft, um zur vollen Freiheit der Kinder Gottes zu gelangen“ (Nr. 7/28: 14). Die Praxis der Beichte ist Ausdruck des ständigen Bemühens, die Taufgnade zu vervollkommnen, „damit in uns, die wir das Todesleiden Jesu Christi an unserem Leib tragen, mehr und mehr das Leben Jesu sichtbar werde. Bei diesen ‚Andachtsbeichten‘ sollen die Gläubigen … vor allem danach trachten, Christus gleichförmiger zu werden und sorgfältiger dem Anruf des Geistes zu folgen“ (Nr. 7b/28: 15). Viel diskutiert ist die Frage, wie die Praxis von gemeinschaftlichen Feiern der Versöhnung mit Generalabsolution zu bewerten ist. Kirchenrechtlich gesehen ist es Sache des Ortsordinarius, in Absprache mit der jeweiligen Bischofskonferenz zu entscheiden, ob eine schwerwiegende Notwendigkeit zur Erteilung von Generalabsolutionen besteht. Im deutschsprachigen Bereich hat sich die Praxis unterschiedlich entwickelt. Da ohnehin bei schwerer Sünde die Verpflichtung zur Einzelbeichte bestehen bleibt, andere Sünden ihrerseits nicht der strikten Beichtpflicht unterliegen, sollte die Diskussion weniger an Reglementierungen denn an dem Anliegen einer authentischen Bußpraxis orientiert sein. Wie der Vergleich zwischen der deutschen bzw. österreichischen Praxis mit der Schweiz, wo Bußfeiern mit Generalabsolution verbreitet sind, zeigt, hängt der Einbruch in der Praxis der Einzelbeichte zudem kaum davon ab, ob Bußfeiern mit oder ohne Generalabsolution gefeiert werden. Die eigentliche Frage ist somit die, wie sich gemeinsame Bußfeiern zur Praxis der Einzelbeichte verhalten. Grund für die Wertschätzung der Einzelbeichte als Hochform der Buße und als regulärer Form des Bußsakramentes ist der darin geforderte ausgeprägte individuelle Bußweg. Demgegenüber wird die Sorge geäußert, die verbreitete Ablösung der Einzelbeichte durch gemeinschaftliche Bußfeiern könnte die Einzelnen zu sehr von der Auseinandersetzung mit ihrer persönlichen Schuld entbinden. Bei genauem Hinsehen sind allerdings mit der Praxis von Bußfeiern mit oder ohne Generalabsolution positive Erfahrungen gesammelt worden, die durchaus nicht dem gängigen Vorwurf, hier werde „billige Buße“ angeboten, Recht geben. Eine Kontrolle bezüglich
Bußfeiern mit Generalabsolution
gemeinschaftliche Bußpraxis und persönliche Bußwege
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Spezielle Sakramentenlehre
gegenseitige Zurechtweisung
Laienbeichte
dessen, wie intensiv sich die Einzelnen auf das Bußgeschehen einlassen, ist auch bei der Einzelbeichte nicht möglich und ohnedies nicht wünschenswert. Entscheidend dürfte sein, in der gemeinschaftlichen Bußpraxis der persönlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld Raum zu geben, sie zu läutern und zu intensivieren. Manko der (rein) gemeinschaftlichen Bußformen ist das Fehlen konkreter Vollzüge, in denen der oder die Einzelne sich in einem persönlichen Bekenntnis exponiert und umgekehrt ebenfalls persönlich und individuell die Vergebungszusage erfährt. Grundsätzlich wäre es wünschenswert, aus der Vielfalt der Bußformen in der Geschichte noch weitergehend zu lernen, vor allem, was die prozesshaften Bußwege angeht. So könnte die kurz vor Ostern stattfindende Bußfeier frühzeitig am Beginn der Bußzeit angekündigt bzw. durch einen Bußgottesdienst am Beginn der Bußzeit – am Aschermittwoch – vorbereitet werden. Damit verbunden könnte die Einladung zu einem je persönlichen Bußweg, durchaus mit Einzelbekenntnis und Bußauflage, ergehen, so dass die gemeinschaftliche Bußfeier am Ende der Bußzeit mit gutem Grund eine Generalabsolution oder besser noch eine je individuelle Handauflegung und Vergebungszusage vorsehen könnte (siehe dazu Jilek/159: 153 f.). Grundsätzlich stehen die Sakramente nicht in Konkurrenz zu nichtsakramentalen christlichen Lebensvollzügen, sondern verlangen solche als komplementäre Ergänzung. So müssten im Vorfeld und Umfeld des Bußsakramentes angemessenerweise andere Formen des Umgangs mit Sünde stehen. Neben verschiedenen Weisen der je persönlich praktizierten Besinnung und Buße ist hier etwa die – in großer Behutsamkeit zu praktizierende – gegenseitige Zurechtweisung zu nennen. Christen sind füreinander verantwortlich, und zwar auch darin, wie sie als Christen leben. Laienbeichte ist im heutigen Verständnis ein ausdrückliches Bekenntnis von Sünden im Gespräch mit einer nichtordinierten Person (bzw. mit einem Diakon). An der Stelle der Lossprechung, welche die Ordination voraussetzt, steht hier ein fürbittendes Gebet. Dabei setzt diese Praxis – auf beiden Seiten – ein waches Gespür und Wissen um die Grenzen der – christologischen und ekklesialen – Zuständigkeit der betreffenden nichtordinierten Person voraus.
4.2 Zum Verhältnis von ekklesialer und individueller Dimension des Sakramentes der Versöhnung Wenngleich die kirchliche Dimension von Sünde, Buße und Versöhnung nicht mit dem öffentlichen und gemeinschaftlichen Vollzug der Buße identisch ist, hat doch nicht zuletzt die Privatisierung des Beichtvollzugs dazu beigetragen, dass der ekklesiale Charakter des Bußsakraments jahrhundertelang aus dem Blick geraten bzw. auf die amtliche Vollmacht des Spenders verengt worden ist. Inwiefern ist Buße ein ekklesiales Geschehen? Nach biblischer und altkirchlicher Vorstellung schädigen die Sünden einzelner Getaufter die Heiligkeit der Kirche, mindern ihr Ansehen und erschweren die Erfüllung ihrer Heilssendung. Durch Sünde wird der Christ auch an der Kirche schuldig, verstößt gegen ihre Sendung und trägt zu
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
einer Niveausenkung in der Kirche bei. Die Sünde des getauften Menschen berührt darum nicht nur das Selbst-, Welt- und Gottesverhältnis, sondern wirkt sich auch auf die Kirche negativ aus und bringt insofern eine Distanzierung von der Kirche mit sich. Der Rückgang der Beichtpraxis hat einen Grund wohl auch darin, dass vielen Christen dies heute kaum bewusst ist. Zu Recht diagnostiziert Paul Weß, der auf eine Erneuerung des Bewusstseins für die Kirchenzugehörigkeit dringt: „Eine Folge des Mangels an Taufund Kirchenbewusstsein dürfte auch sein, dass das Sakrament der Wiederversöhnung immer seltener empfangen wird. Dessen Sinn ist eben die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft des Getauften mit der Kirche als Zeichen der Versöhnung mit Gott. Wer sich nie persönlich für diese Gemeinschaft entschieden hat, wird auch nicht verstehen, warum er sich bei ihr entschuldigen soll, wenn er gegen sie verstößt.“2 Da die christliche Berufung eine ekklesiale Berufung ist, stellt Sünde immer auch einen Verstoß gegen die Kirche dar, so dass die Sündenvergebung ebenfalls nicht eine Sache ist, die Einzelne mit ihrem Gott ausmachen können. Deswegen verweist der Ruf zur Umkehr in gravierenden Fällen ausdrücklich auf die kirchliche Bußpraxis und die Zuständigkeit des ordinierten Amtsträgers: Die Versöhnung mit Gott vermittelt sich durch die Rekonziliation mit der Kirche und findet darin ihren Ausdruck. Damit hängt die Erfahrbarkeit der Vergebung Gottes auch davon ab, ob und wie Sünder die Annahme durch die kirchliche Gemeinschaft erfahren. Dies war in der frühen Bußordnung besser gewährleistet als in der Beichtpraxis, in der die Kirche im Bußvollzug nur noch durch einen Amtsträger vertreten ist. Die Absolutionsformel des neuen Ordo Paenitentiae bringt zwar zum Ausdruck, dass die Versöhnung „durch den Dienst der Kirche“ (Feier der Buße Nr. 46/28: 32) erfolgt, doch fehlt die Konkretisierung durch die reale Re-Integration in die Gemeinde. Bei aller Berechtigung von Klagen über diesbezügliche Defizite ist allerdings nicht einfach zu sagen, wie die Versöhnung mit der Kirche deutlicher zum Ausdruck kommen soll. Denn einer öffentlichen Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft hätte ja eine öffentliche Bußpraxis zu entsprechen. Als Voraussetzung dafür müsste erst eine ganze Kultur von Sündenbewusstsein, Bekenntnis und Buße wieder entwickelt werden (vgl. Überlegungen dazu bei Jilek/159 und Meßner/163). Wenn schließlich die Kirche aus Männern und Frauen besteht, die immer auch Sünder sind, dann lebt die Kirche selbst aus der Buße: aus dem Geschehen der Umkehr, der Vergebung und der Erneuerung.
4.3 Die Momente des sakramentalen Bußgeschehens Das sakramentale Bußgeschehen ist umfangen von der Gnade Gottes. Buße ist nicht der menschliche Weg auf Gott hin, sondern Antwort auf seine Einladung auf einem von ihm eröffneten Weg. Das Umfangensein 2 Paul Weß: Firmung in zwei Stufen? Ein Vorschlag. In: Heiliger Dienst 51 (1997) 130–144, 133.
Entgegenkommen Gottes
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Spezielle Sakramentenlehre
menschliche Bußakte
Reue
des gesamten Bußgeschehens kommt bei der Einzelbeichte durch den fehlenden liturgischen Rahmen kaum zu Bewusstsein. Der Ordo Paenitentiae von 1973/74 sieht fakultativ eine Schriftlesung vor, die dazu beitragen könnte, das Entgegenkommen Gottes im Bußgeschehen nicht auf die Lossprechung zu verkürzen. In der Praxis wäre es einer Überlegung wert, ob das Wort Gottes (statt an der vor dem Bekenntnis psychologisch gesehen ungünstigen Stelle) im Zuspruch integriert werden kann, wenn nicht – bei regelmäßiger Beichtgewohnheit – die Poenitenten selbst ihr Bekenntnis in das Licht eines Schrifttextes stellen. Mit Blick auf die Bewertung der menschlichen Bußakte als Materie des Sakramentes durch Thomas von Aquin bemerkt Walter Kasper: „Es gibt kein menschlicheres Sakrament als das der Buße“ (Kasper/159: 97). Gerade durch die Differenziertheit der menschlichen Akte im Bußgeschehen wird unterstrichen, dass menschliche Lebensprozesse unabdingbar zum Sakramentsgeschehen gehören. Reue, Bekenntnis und Buße sind dabei nicht Bedingung oder Ursache für Gottes Gnade, sondern Wege, auf denen sich Gottes Gnadenwirken ereignet. „Bekehrung und Buße geschehen also in einem spannungsvollen Ineinander und Miteinander von göttlichem und menschlichem Tun“ (Kasper/159: 96). Die Möglichkeit der Umkehr ist im Wesen des Menschen begründet. Als geschichtlich verfasste kann die menschliche Freiheit, so sehr sie auf Endgültigkeit zielt, nie in einem einzigen Akt über sich verfügen und sich gänzlich festlegen. Es gehört vielmehr zum Menschen, auf seine früheren Entscheidungen zurückkommen und so immer wieder neu anfangen zu können und zu müssen. Eben darum aber kann er auch umkehren. Zwar kann niemand seine Geschichte ungeschehen machen, weder im Guten noch im Bösen. Es ist jedoch möglich, auf die eigene Geschichte zurückzukommen und sie dadurch neu zu qualifizieren, dass sie in eine neue Daseinsperspektive, in eine neue Grundoption integriert wird. Reue ist ein solches Zurückkommen auf die eigene Geschichte, ein Zurückkommen unter einer veränderten Perspektive, die das Geschehene neu bewerten lässt, weil die negative Seite des Geschehenen erkannt wird. Dabei dürften Unterscheidungen verschiedener Formen der Reue, wie die scholastische Unterscheidung zwischen vollkommener und unvollkommener Reue, durchaus Berechtigung haben. Nachträgliche Reue kann darin begründet sein, dass jemand um den eigenen Ruf fürchtet. Sie kann den Grund haben, dass jemand spürt, wie er in einer Entscheidung oder Handlung sich selbst untreu geworden ist – und auch dies kann noch geheimer Egoismus sein. Schließlich führt Reue dahin, etwas Geschehenes nicht mehr nur aus der eigenen Perspektive zu sehen, sondern sich einzufühlen in die Folgen, die das Geschehene für andere hat. So ist es – nach Jürgen Werbick – Ziel christlicher Bußerziehung, „Reue nicht als depressives Gefühl, sondern als produktive Leidenschaft – als Leidenschaft für den Anderen zu kultivieren. Hinführung zur Reue wäre dann gleichbedeutend mit Sensibilisierung: Bereuend bedaure ich, was ich dem Anderen … angetan habe, lerne ich, nicht nur von mir selbst – von meinen Bedürfnissen und Absichten – sondern vom Andern her mich zu erfahren“ (Werbick/168: 50). Reue macht so vertraut mit der Perspektive des anderen Menschen, an
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
dem ich schuldig geworden bin, aber auch mit der Perspektive Gottes, hinter dessen Ruf ich zurückgeblieben bin. Eng mit der (reuigen) Wahrnehmung ist der Vorgang der Benennung verknüpft: das Bekenntnis macht Schuld als Schuld namhaft. Seine Identität in der Gegenwart findet der Mensch nur, wenn er zu seiner Vergangenheit steht, sich ggf. zu ihr als schuldiger Vergangenheit bekennt und bereit ist, die Konsequenzen des eigenen Tuns auf sich zu nehmen. Im Bekenntnis qualifiziert der Sünder seine Vergangenheit neu und re-interpretiert sie. Durch das Eingeständnis, dass es möglich gewesen wäre, anders zu handeln, wird die alternative, bessere Handlungsmöglichkeit in einen neuen Daseinsentwurf integriert. Statt nur verpasst zu sein, ist sie Möglichkeit für die Zukunft. Mit dem Bekenntnis wird die Schuld in den Raum der Öffentlichkeit hineingestellt. In diesem Sinne hat das Bekenntnis bereits eine heilende Wirkung. Der Mensch, der sein Dasein egoistisch selbstbezogen und in sich verkrümmt und verliebt verwirklichen wollte, öffnet sich darin wieder der Gemeinschaft. Er unterstellt die Schuld „dem Gericht und der Beurteilung aller, damit sie damit machen können, was sie wollen – mich verurteilen und ausstoßen oder mich in Verzeihung aufnehmen. Mit dem Aussprechen meiner Schuld gebe ich mich selbst in die Hände – und ins Herz – der Gemeinschaft“ (Henrici/158: 398). In Trient wurde die Lossprechung „nach Art eines richterlichen Aktes“ (DH 1685) beschrieben. Dieser Vergleich ist „in analoger Weise“3 zu verstehen, nicht so, als entscheide hier „eine menschliche Instanz, ein Amtsträger der Kirche, ob einem Menschen die Gnade Gottes zugesprochen und zuteil wird“ (Lehrverurteilungen – kirchentrennend/17: 1,69). Wohl aber dient das Gerichtsmotiv dazu, den Ernst des Bußgeschehens im Bewusstsein zu halten. Die Sündenvergebung ist nicht die selbstverständlich erwartbare Antwort Gottes auf die Sünde. Wenn Sünde wahrgenommen wird, wie sie ist, zerstörerisch und böse, dann fällt diese Sünde samt dem Träger dieser Sünde notwendig unter das Gericht. Auch in der Lossprechung wird nicht die Sünde gutgeheißen; vielmehr ist ihr Ziel die heilsame Distanzierung des Sünders von seiner Sünde. Ein Seitenblick auf die eschatologische Auslegung des Gerichtsmotivs kann hier zu einem vertieften Verständnis helfen. Die eschatologische Hoffnung auf das Gericht ist verbunden mit der Erwartung des endgültigen Kommens Jesu Christi. Das Gericht ist also personal zu verstehen als Begegnung mit dem Herrn, die wegen der Sünde schmerzlichen Charakter hat. Diese Begegnung aber zielt letztlich auf das „Gerichtet-Werden“ und „Richtig-Werden“ des sündigen Menschen für die Vollendung. Ziel des Gerichtes ist nicht die Verurteilung, sondern die Verwandlung. Dieses Gerichtsverfahren ist „mit menschlichen Gerichten nur in analoger Weise vergleichbar“: Johannes Paul II.: Apostolisches Schreiben im Anschluß an die Bischofssynode Reconciliatio et paenitentia von Johannes Paul II. an die Bischöfe, die Priester und Diakone und an alle Gläubigen über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche von heute (1984). Hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1984 [Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 60], Nr. 31, 63). 3
Bekenntnis
das Gerichtsmotiv
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Spezielle Sakramentenlehre seelsorgliches Gespräch
Lossprechung
Bußwerke
Ähnliches gilt für das Bußgeschehen. Auch hier gilt es Sorge zu tragen, dass es als Begegnungsgeschehen einen läuternden Verwandlungsprozess initiiert. Dazu dient die Ermahnung, welche die Reue und das Bekenntnis in das Licht des liebenden Herrn rückt. Damit ist nicht bloße Beschwichtigung angezielt, vielmehr wird in diesem Licht das Dunkle des eigenen Verfehlens nur offenkundiger als Abkehr von der Liebe. Zugleich muss der seelsorgliche Zuspruch die Zukunftsperspektive verdeutlichen, die sich in der Begegnung mit dem erbarmenden Gott auftut. In der Geschichte des Bußsakramentes führt der Weg über Gebetsformen, die in deprekativer Weise die Vergebung Gottes auf den Büßer herabflehen, bis zur indikativischen Lossprechungsformel. Theologische Gründe für die stärkere Gewichtung der Absolution sind Entwicklungen in anderen theologischen Bereichen, vor allem der Ekklesiologie und der Gnadentheologie. Gott schenkt seine Gnade schöpferisch und souverän, und es muss Orte geben, wo dies auch unübersehbar zum Ausdruck kommt. Ein solcher Ort ist nicht zuletzt das Bußsakrament, das mit dem direkten Zuspruch von Sündenvergebung befreienden Charakter hat. Die mit der Sünde gegebene Distanzierung von der Kirche wird – selbst dort, wo keine Exkommunikation vorliegt – von beiden Seiten her bereinigt. Dennoch bleibt die Absolution in mehrfacher Hinsicht Fragment (siehe dazu grundsätzlich oben S. 69). Die Versöhnung mit der Kirche ist beim gegenwärtigen Bußritus im Priester lediglich repräsentiert – sie sollte aber auch im Leben der Kirche zum Ausdruck kommen (siehe oben S. 137). Zudem wird die vergebende Liebe Gottes, deren vermittelnder Ausdruck die Absolution ist, nicht notwendig auch als befreiend und vergebend erfahren. Schließlich weist die Absolution über sich hinaus auf einen fortdauernden Bußprozess. Der Ernst der in der Taufe vollzogenen radikalen Lebenswende machte die Möglichkeit einer zweiten Buße in der Anfangszeit der Kirche überhaupt fraglich. Eine solche Möglichkeit wurde schließlich aus pastoralen Gründen eingeräumt, allerdings unter der Voraussetzung harter Bußauflagen. Im Laufe der Geschichte wurden die geforderten Bußwerke mehr und mehr spiritualisiert und rückten so sehr in den Hintergrund, dass man etwas boshaft – mit Paul M. Zulehner4 – von einem Bußumgehungssakrament sprechen kann. Dies entspricht dem Sakrament, das weder nur Feier der Buße noch Feier der Lossprechung, sondern Feier der Versöhnung ist, keineswegs. Es ist darum dringlich, den Sinn der Bußwerke in Theologie und Praxis neu zu erhellen. Eine derartige Hilfe zur Aufarbeitung der Schuld dürfte sogar einem Bedürfnis entsprechen, denn – so der evangelische Theologe Christof Gestrich –: „Es ist sogar nicht auszuschließen, daß Sehnsucht nach (von einem Beichtiger aufzuerlegenden) ‚Genugtuungsleistungen‘ verbreiteter ist, als wir es uns vorstellen“ (Gestrich/155: 188). Die Buße hat dabei zwei Aspekte. Der erste betrifft die traditionell Wiedergutmachung genannte Bereinigung dessen, was die Sünde an Negativem in die Welt gesetzt hat. Gefordert ist dabei auch eine ganz konkrete 4 Paul M. Zulehner: Prinzip und Verwirklichung. Am Beispiel Beichte. Frankfurt a. M. 1979, 102.
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament)
Wiedergutmachung an den Menschen, welchen die Sünde Schaden zugefügt hat, bzw. das Bemühen um Versöhnung mit Menschen. Der zweite Aspekt der Buße betrifft den Sünder selbst: nämlich die Aufarbeitung der negativen Haltung, welche durch das Sündigen in ihm ausgeprägt worden ist. Die aus dem Bußgeschehen erwachsende neue Gesinnung ist durch die Bußauflage lebendig zu halten. In diesem Sinne schreibt die Pastorale Einführung zum Ordo, die Genugtuung solle „nicht nur eine Sühne für vergangene Schuld sein, sondern auch eine Hilfe zu einem neuen Leben und ein Heilmittel gegen seine Schwachheit. Deshalb soll das Bußwerk, soweit dies möglich ist, der Schwere und Eigenart der Sünden entsprechen. Es kann im Gebet, in Selbstverleugnung, vor allem aber im Dienst am Nächsten und dem Werken der Barmherzigkeit bestehen, damit der soziale Aspekt von Sünde und Vergebung sichtbar werde“ (Nr. 18/28: 19). Bei beiden Aspekten ist damit zu rechnen, dass diese Aufarbeitung so einfach gar nicht ist. Insofern gehört zur Buße auch die Bereitschaft zum Ausleiden der eigenen Vergangenheit. Dies hat auch mit der christologischen Deutung des Beichtgeschehens zu tun. Es geht um die Bereitschaft, die Konsequenzen der Sünde auf sich zu nehmen, als Nachfolge des Gekreuzigten. Gerade die Erfahrung, dass die Buße Fragment bleibt und nicht in allumfassendes Versöhntsein mündet, lässt Ausschau halten nach der Vollendung – die Buße hält so die Sehnsucht lebendig. „‚Erlösung‘ wäre tatsächlich der einzig denkbare Ausweg aus der Verstrickung in strukturelle Schuld; Erlösung: das heißt ein heilendes und rettendes Eingreifen Gottes, der in seiner Allmacht als Weltlenker dem gesellschaftlichen Zusammenleben völlig neue Strukturen und Gesetzmäßigkeiten gäbe. … Indem ich für mich selbst um Vergebung bitte …, weiß ich zugleich, daß mit dieser Vergebung noch nicht alle Schuld getilgt ist, so daß diese Vergebung gleichsam als ein Hinweis und als eine Vorwegnahme einer viel umfassenderen, endgültigen Schuldtilgung in der Welterlösung erscheint. Auf diese endgültige und umfassende Erlösung richtet sich meine Vergebungsbitte in ihrem letzten Sinn … So wird das Bußsakrament zum sakramentalen Zeichen nicht nur für die Vergebung persönlicher Schuld, sondern für die Welterlösung überhaupt“ (Henrici/158: 405).
Literaturempfehlungen Nahe an den Quellen stellt August Jilek (149) die altkirchliche Bußdisziplin dar verbunden mit anregenden Überlegungen für eine Erneuerung der Bußpraxis heute. Ein umfassenderer Überblick über die Bußgeschichte findet sich bei Reinhard Meßner (163). Theologiegeschichtlich (insbesondere Mittelalter, Reformation und Trient) aufschlussreich ist die Studie von Dorothea Sattler (166), die am Thema satisfactio zugleich umfassende systematische Zugänge schafft. Für die anthropologische Dimension des Sakramentes sei der Aufsatz von Walter Kasper (160) empfohlen. Joachim Zehnder (170) schlägt interessante Brücken zum Thema Vergebung in anderen Disziplinen. Praktische und spirituelle Anregungen zum Sakrament der Versöhnung sowie zur geistlichen Begleitung bieten Klaus Demmer (152a) sowie ein von Bernhard Körner herausgegebener Band (161).
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IV. Krankensalbung 1. Hinführung: Krankheit aus anthropologischer und aus theologischer Sicht
Glaube und Heilung
„Hauptsache gesund“, so lautet ein gängiges Motto unserer Zeit. Schreibt sich das Sakrament der Krankensalbung in diese Grundsehnsucht des Menschen ein? Krankheit und Tod gehören zu jenen menschlichen Situationen, die in vielen Kulturen von religiösen Riten begleitet werden (siehe oben S. 57 f.). Wo Leben angefochten und bedroht ist, werden Kräfte der Heilung gesucht und erfleht, wird Ausschau gehalten nach lebensstiftendem und -bewahrendem Heil. Was bedeutet es für Krankheit und Sterben, verchristlicht zu werden? Das christliche Bekenntnis bezeugt den Gott, dessen Macht nicht an den Grenzen menschlicher Möglichkeiten aufhört. Dennoch gehört es zur christlichen Glaubenshaltung, auf Gottes Wirken nicht ohne Einbezug der eigenen Freiheit zu setzen. Der Glaube, der alles von Gott erwartet, fordert zugleich (je neu) zu einer Gestaltung des eigenen Lebens im Sinne des Glaubens heraus. Dies ist zu beachten, wenn heute in verschiedenen Variationen von der Heilkraft des Glaubens gesprochen wird. Denn seine heilende Kraft wird in der Regel durch die menschliche Freiheit hindurch wirksam, weil und wenn der Glaube Einstellungen verändert, indem er z. B. vertrauensvolle Gelassenheit schenkt oder neue Prioritäten setzen lässt. Eine Krise wie die Krankheit kann schon rein anthropologisch gesehen ein Appell sein, das eigene Leben einer Revision zu unterziehen und nach Gründen der Erkrankung zu fragen, die vielleicht auch (!) in der eigenen Lebenshaltung zu finden sind. Der Glaube wird bei dieser Prüfung sogar noch tiefer ansetzen: Drückt sich in einer Krankheit vielleicht aus, dass ich vor etwas davonlaufe? Dass ich einen Weg gehe, der nicht der meine ist, so dass ich ständig wider meine Berufung oder eine getroffene Entscheidung lebe?1 Fern davon, eine einlinige Erklärung der Krankheit oder gar eine Schuldzuweisung zu beabsichtigen, bringen solche Fragen doch berechtigterweise eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen und seines Ergehens zur Geltung. Ganz abgesehen von derartigen Überlegungen, die eher auf der Ebene der Warum-Frage liegen, fordert eine Krankheit zu einer zukunftsgerichteten Neuorientierung heraus: Wohin weist die Krankheit? Welche Haltung ist angemessen, um mit ihr umgehen zu lernen? Wie findet der Glaube trotz der Krankheit und in ihr zu heilsamem Vertrauen? 1 Vgl. Matthias Beck: Seele und Krankheit. Psychosomatische Medizin und theologische Anthropologie. Paderborn 2000.
IV. Krankensalbung
Krankheit ist ganzheitlich zu betrachten. Vor diesem Hintergrund ist die Krankensalbung nicht als automatisch wirkendes Mittel zur körperlichen Gesundung zu betrachten, sondern als Bitte um ganzheitliche Heilung zu vollziehen. Eine zweite Überlegung bringt darüber hinaus eine spezifisch christliche Perspektive zur Geltung. Der Horizont des Glaubens, in den sich Kranke durch das christliche Sakrament stellen lassen, ist durch das Kreuz als Zeichen des im Tod Jesu geschenkten neuen Lebens geprägt. Damit ist zum einen die größere Hoffnung benannt, zu der Christen berufen sind. Leben erschöpft sich nicht innerhalb der Grenzen menschlicher Möglichkeiten: Wenn Lebenskraft zu verdorren und Leben zu versiegen droht, sind doch die Möglichkeiten des Gottes, der die Ausgänge des Todes in der Hand hält (vgl. Ps 68,21), nicht erschöpft. Zum anderen können den Glaubenden Leiden, Krankheit, Tod – Situationen, die an sich in die Beziehungslosigkeit führen – Situationen der Gemeinschaft mit Christus werden. Ohne stoische Apathie gutzuheißen, die darauf verzichtet, gegen Krankheit zu kämpfen, lädt die Krankensalbung dazu ein, Leiden und Tod als Wege der Gleichgestaltung mit Christus anzunehmen.
Krankheit, Tod und die Gemeinschaft mit Christus
2. Biblische Grundlegung In der Bibel wird auf vielfache Weise gefragt, in welchem Verhältnis die Krankheit zu Gott steht, ob sie von Gott auferlegte Folge der Sünde ist und inwiefern von Gott Heilung zu erhoffen ist. Eine undifferenzierte Deutung der Krankheit als Strafe für Verfehlungen wird mehr und mehr abgelehnt. Viele Psalmen bringen die Situation der Krankheit ins Gebet und so in die Beziehung zu Gott (z. B. Ps 88). In Jesu Wirken wird erkennbar, dass Gott das Heil, und zwar das ganzheitliche Heil der Menschen will. Die Krankenheilungen und die damit verbundene Reintegration in die Gemeinschaft sind Zeichen der anbrechenden Gottesherrschaft. Nach Mk 6,13 gehört es zur Tätigkeit der Jünger Jesu, Salbungen an Kranken vorzunehmen und sie zu heilen (vgl. Mt 10,8). Es ist zu vermuten, dass dem Bericht in Mk 6,13 eine diesbezügliche Gemeindepraxis entspricht. Öl gilt im Judentum wie im hellenistischen Bereich als Heil- und Wundmittel. In religiöser Deutung wird dem Lebensöl eine ähnliche Wirkung für das eschatologische Heil zugeschrieben wie dem Lebenswasser und der Frucht vom Lebensbaum: Bewahrung vor dem Tod und Erhaltung des Lebens. Besondere Bedeutung für den Umgang mit Krankheit im Christentum hat Jak 5,14 f. erlangt. Der Brief fordert auf, in der Krankheit die Ältesten, also die Vorsteher, der Gemeinde zu rufen und ihr Gebet und eine Salbung im Namen des Herrn zu erbitten. Die Frucht dieser Gebetshandlung wird durch drei aneinandergereihte Verheißungen beschrieben, deren je spezifischer Sinn nur vermutungsweise bestimmt werden kann. Das Retten und Aufrichten kann prinzipiell sowohl die Bewahrung vor dem physischen Tod wie auch im eschatologischen Sinn die Errettung zum endgültigen Heil be-
Krankheit vor Gott
Krankenheilungen als Zeichen der Gottesherrschaft
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Spezielle Sakramentenlehre
deuten. Das Aufrichten lässt sich aber auch auf den seelischen Zustand des Kranken beziehen. Der Zuspruch der Sündenvergebung ist nur bedingungsweise („wenn er Sünden begangen hat“) mit der Salbung verbunden: die Krankheit als solche ist kein Indiz für Sünde. Zusammengenommen wird eine ganzheitliche, Leib und Seele ebenso wie die Situation vor Gott betreffende Wirkung erhofft. Jak 5,14 f. kann nicht ohne weiteres als neutestamentlicher Beleg für die spätere sakramentale Krankensalbung gelesen werden. Sie ist ein Zeugnis dafür, dass es bei den frühen Christen üblich war, Kranke zu salben. Diese Salbungspraxis steht durchaus in Kontinuität zu nicht-christlichen Gepflogenheiten, wird aber in einen ekklesialen Kontext gestellt und von einem christlich geprägten Gebet begleitet.2
3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen 3.1 Weihe des Öls und Salbungspraxis in der Alten Kirche In der frühen Zeit der Kirche wird man sich die Praxis so vorstellen dürfen, dass die Gläubigen zur Eucharistiefeier neben anderen Naturalien Öl mitbringen, das der Bischof nach Abschluss des Hochgebetes segnet. Das Öl ist dadurch geheiligt und kann somit als Segensträger dienen. Die überlieferten Segensgebete (Gebete zur Salbung selbst sind aus der frühen Zeit nicht überliefert) lassen vielfältige Verwendungsbereiche des Öls erkennen. Ein Brief von Papst Innozenz I. (416) unterscheidet zwischen einem allgemeinen Gebrauch des Öls, mit dem alle Christen sich oder die Ihrigen salben können, wenn es notwendig ist, und der durch Presbyter durchgeführten Salbung. Im Blick auf die Adressaten der Salbung ist dem Schreiben zu entnehmen, dass kranke Gläubige gemeint sind, genauerhin diejenigen, die in voller Gemeinschaft mit der Kirche stehen: Die Büßenden dürfen nicht mit dem Öl gesalbt werden, „weil es zu den Sakramenten gehört. Denn welchen die übrigen Sakramente verweigert werden, wie sollte denen diese eine Art zugestanden werden können“ (DH 216). Wenngleich der Sakramentsbegriff zu dieser Zeit noch offen ist, zeugt die bemerkenswerte Einschränkung von einem bereits präzisierten Verständnis der Salbung, welche, wie andere Sakramente, die volle Gemeinschaft mit der Kirche voraussetzt.
3.2 Die Entwicklung hin zum Sterbesakrament Wandel in der Praxis
Vom ausgehenden 8. Jahrhundert an scheint es Anlass zu geben, die Priester zur Erteilung der Krankensalbung anzuhalten. Derartige Weisungen verbinden sich mit Anordnungen zur Krankenbuße auf dem Sterbebett und 2 In der heutigen Salbungsformel wird Jak 5,14 f. bei der Salbung der Hände wie folgt aufgenommen: „Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.“
IV. Krankensalbung
zum Sterbesakrament. Vermutlich ist eine Verschiebung hin zur Sterbesituation auch dadurch bedingt, dass die Krankensalbung mit Stolgebühren verbunden ist und zudem analog zur Buße lebenslange asketische Verpflichtungen nach sich zieht. Jedenfalls wandelt sich schließlich die Mahnung, das Sakrament wenigstens Sterbenden zu spenden, zur Bestimmung, es nur noch jenen zu spenden, die bereits todkrank sind. So verquickt sich die Praxis der Krankensalbung mit der Sterbebuße (siehe oben S. 128) und löst diese schließlich ab. Folgerichtig wird in den Orationen zur Salbung nun neben der Bitte um Heilung auch der Aspekt der Buße und der Sündenvergebung betont. Die Salbung wird an verschiedenen Körperstellen vorgenommen, unter anderem an den fünf Sinnen (dies vor allem im Blick auf Sündenvergebung) sowie an jener Stelle, an welcher der Kranke den größten Schmerz verspürt. Die Praxis ist also ambivalent: In der Situation des Sterbens stehen Buße und Sündenvergebung im Zentrum, der Bezug auf Krankheit und eine leibliche Wirkung der Salbung ist in deren Vollzug wie auch durch die Orationen aber noch im Blick. Wie beim Bußsakrament, so erfolgt auch bei der Krankensalbung die theologische Reflexion im Wechselspiel mit der sich wandelnden Praxis. Bereits in der Frühscholastik wird das Sakrament wesentlich von seinen seelischen Wirkungen her gesehen, während der Bezug auf den Leib und die körperliche Heilung in den Hintergrund gerät. Die – in der Praxis nunmehr einzig relevante – Sterbesituation legt es nahe, das Sakrament eschatologisch zu deuten: Es gilt als Vorbereitung auf die Gottesschau und das ewige Leben. Folgerichtig wird das Sakrament nun Letzte Ölung (extrema unctio) genannt; es „darf nur einem Kranken gespendet werden, dessen Tod befürchtet wird“ (so das Armenierdekret: DH 1324).
scholastische Theologie
3.3 Die Reformation und das Konzil von Trient Martin Luther († 1546) lehnt das Verständnis der Salbung von Kranken als Sakrament ab, weil nicht jede Anweisung im Neuen Testament gleich ein Sakrament begründe. Die in Mk 6,13 bezeugte Salbung sei ein Brauch, der ebenso aus der Übung gekommen sei wie die in Mk 16,17 bezeugte Vollmacht, Schlangen zu vertreiben. Eine weiterführende Kritik Luthers bringt die spezifisch christliche Einschätzung der Krankheit ins Spiel. Denn der Rat des Jakobus sei nicht allen Kranken gegeben, „da ja die Krankheit in der Kirche als Ehre gilt und der Tod als Gewinn“ (De captivitate babylonica, 1520: WA 6,570,8). Gemeint seien darum nur jene, die ihre Krankheit ungeduldig und schwach im Glauben tragen. Im Übrigen sieht Luther, dass die in der Schrift gemeinte Salbung nicht eine Letzte Ölung ist, und ficht deswegen gegen die Umdeutung der Krankensalbung in einen Sterberitus an. Ganz ähnlich fällt die Kritik Johannes Calvins († 1564) aus (vgl. Institutio IV,19,18–21). Demgegenüber verteidigt das Konzil von Trient (vgl. DH 1694–1700; 1716–1719) unter Berufung auf Mk 6,13 und Jak 5,14 die Krankensalbung als Sakrament, welches von Jesus Christus eingesetzt (nämlich bei Markus angedeutet – insinuatum – und von Jakobus empfohlen und verkündet: DH
Luther
Konzil von Trient
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Spezielle Sakramentenlehre
1695) worden sei. Es sei bei Kranken anzuwenden, „vor allem (praesertim) bei denen, die so gefährlich darniederliegen, dass sie sich schon am Ende des Lebens zu befinden scheinen“ (DH 1698). In dieser Formulierung ist eine frühere restriktive Position (dumtaxat: nur bei jenen) aufgegeben, um nicht in Widerspruch zu Jak 5,14 zu geraten. Als Wirkungen des Sakramentes werden recht offen Sündenvergebung, Aufrichtung, Stärkung und „bisweilen, wenn es dem Heil der Seele nützt“, die Heilung des Leibes genannt (DH 1696).
3.4 Die Reformbemühungen des Zweiten Vatikanischen Konzils In der Vorbereitung auf das Zweite Vatikanische Konzil taucht der Wunsch auf, die Krankensalbung aus der Verquickung mit der unmittelbaren Todesgefahr zu lösen. Vorsichtiger als ein vorausgehendes Schema formuliert der endgültige Text der Liturgiekonstitution: „Die ‚Letzte Ölung‘, die auch – und zwar besser – ‚Krankensalbung‘ genannt werden kann, ist nicht nur das Sakrament derer, die sich in äußerster Lebensgefahr befinden“ (SC 73). In der nachkonziliaren Reform ist der Ritus vereinfacht (Reduktion der Zahl der Salbungen) und erneuert (Spendeformel) worden (vgl. die Apostolische Konstitution Pauls VI. Sacram Unctionem infirmorum von 1972 und den Ordo unctionis infirmorum von 1972/dt. 1975, 21994). Ausdrücklich halten die Überlegungen zur Krankensalbung in der Pastoralen Einführung eine zweifache Ausrichtung offen, einerseits das Ertragen der Krankheit, andererseits deren Überwindung, und zwar auch in aktivem Widerstand (vgl. Nr. 6/29: 15). In einem Einführungswort der Bischöfe des deutschen Sprachgebietes wird die Erwartung ausgesprochen, dass durch den neuen Ritus aus der bisherigen, oft gefürchteten Letzten Ölung künftig die tröstende Feier der Krankensalbung wird, die zum normalen Alltag einer christlichen Gemeinde gehört. In den evangelischen Kirchen ist in den letzten Jahren bzw. schon Jahrzehnten die Krankensegnung neu entdeckt worden.
4. Systematische Entfaltung In der Theologie der Krankensalbung werden heute vornehmlich zwei praxisnahe Aspekte diskutiert: die Frage nach dem Spender und die Frage nach der Ausrichtung des Sakramentes: Ist es ein Sterbesakrament oder ein Sakrament für Kranke?
4.1 Zur Frage nach dem Spender des Sakramentes Dem Konzil von Trient zufolge ist der eigentliche Spender des Sakramentes der Priester oder der Bischof (DH 1697). Bereits im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde die Bitte laut, der Diakon solle als außerordentlicher Spender der Krankensalbung fungieren dürfen. Heute wird darüber hinaus erörtert, ob nicht auch Laien, die in der Krankenseelsorge tätig sind
IV. Krankensalbung
und als beauftragte Seelsorgerinnen und Seelsorger die Kirche repräsentieren, die Krankensalbung spenden können. Anlass dieser Diskussion ist das von Kranken und Seelsorgern als unbefriedigend erfahrene Auseinanderfallen von seelsorgerlicher Begleitung der Kranken und Feier des Sakramentes. Hier ist eine präzise Reflexion des Verhältnisses von Seelsorge und Sakrament angezeigt. Sinn der Sakramente ist ein Engagement der Kirche, in dem mehr geschieht als zwischenmenschliche Zuwendung und mehr als Gebet füreinander. Die Feier der Sakramente lebt aus der Zuversicht, dass der erhöhte Herr selbst das sakramentale Zeichen seiner Gegenwart mit Wahrheit erfüllt. Diesem Mehr dient die Bindung der Feier der Sakramente an den ordinierten Spender oder Diener des Sakramentes (siehe oben S. 64 f.).3 In diesem Sinne ist auch die Krankensalbung nicht nur eine intensivere bzw. symbolträchtige Form der Begleitung während einer Krankheit. Vielmehr ist sie Zeichen der Nähe des Herrn, der auch in jenes leibliche und seelische Dunkel begleitet, in das Menschen nicht mehr mitgehen können. Das Sakrament macht in heilsamer Weise ausdrücklich, dass die verheißene Zuwendung Gottes die Grenzen menschlicher Hilfe sprengt und die Situation der Krankheit in eine andere Dimension hineinnimmt. Um der zeichenhaften Gestalt der unmittelbaren Gegenwart des Herrn willen bleibt die Bindung der sakramentalen Feier an das ordinierte Amt notwendig und sinnvoll und ist von der Seelsorge, die auf ihre Weise die Zuwendung Jesu Christi erfahrbar macht, zu unterscheiden. Die Wahrnehmung der seelsorglichen Begleitung von Kranken durch Laienseelsorger und -seelsorgerinnen kann allerdings dazu beitragen, das Sakrament der Krankensalbung aus seiner Reduktion auf das Gegenüber von Priester und krankem Menschen zu befreien und etwa die ekklesiale Einbindung im Getragensein der Kranken durch die Gemeinde besser erfahrbar zu machen.
4.2 Kranken- oder Sterbesakrament? In der neueren Diskussion wird – in Weiterführung einer Entwicklung, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen hat – nachdrücklich dafür plädiert, die Krankensalbung von dem Geruch des Sterbesakramentes zu befreien. Dafür sprechen biblische wie auch theologiegeschichtliche Gründe. Allerdings sollte der eschatologische Gehalt des Sakramentes nicht beiseite geschoben werden (vgl. Greshake/173 und 174). Die Neuorientierung darf nicht zu einem leichtfertigen Umgang mit der Krankensalbung führen, etwa in einer Praxis, die den Empfang generell für Personen ab einem bestimmen Alter vorsieht, während umgekehrt das Sakrament für die Situation des Sterbens kaum mehr in Betracht gezogen wird. Insbesondere ist dafür Sorge zu tragen, dass nicht der gesellschaftlichen Ta3 Diese Bindung an das sakramentale Amt wird im Westen nicht ohne Grund für die Salbung selbst und nicht nur für das Öl verlangt. Wider alle Tendenz zur Fixierung auf die „heilige Materie“ (siehe S. 38) steht bei den Sakramenten deren Anwendung, also der Vollzug im Vordergrund.
eschatologische Dimension
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Spezielle Sakramentenlehre
Kriterien
buisierung des Todes – der sich doch in jeder schwereren Krankheit anmeldet – nachgegeben wird: „Tatsächlich genügt ein bißchen Böswilligkeit, um zu bemerken, daß das Wort Tod in der Gottesdienstordnung für die Krankensalbung nicht vorkommt – außer in Bezug auf Christus. Nach dieser Kritik gelingt es einer Salbung außer Lebensgefahr – die sich bisweilen zu einer ‚Feier des vierten Lebensalters‘ entwickelt –, eine persönliche Konfrontation mit der Sterblichkeit zu umschiffen“ (Depoortere/172: 561). Die Krankensalbung spricht Heilung in die Krise der Krankheit hinein: Auf einem Krankenbett melden sich verdrängte Schuld ebenso wie die Angst vor dem Tod. Beides ist ernst zu nehmen, indem Verkündigung und Liturgie die Hoffnung auf Sündenvergebung und auf Rettung aus dem Tod zur Sprache bringen. Eine „sakramentale Praxis, die den Menschen ‚vor seinen Tod‘ stellt“ (Greshake/173: 117) ist eine heilsame Konfrontation mit der Realität von Sterben und Tod. Zudem darf nicht übersehen werden, dass in der Situation des Sterbens – da erfahrungsgemäß der Empfang der Eucharistie (als „Wegzehrung“, viaticum) oftmals nicht mehr möglich ist – die Krankensalbung als Sterberitus bedeutsam ist: „Wir plädieren nicht für die Wiedereinführung der ‚Letzten Ölung‘, wohl aber für eine Krankensalbung, die wirklich als Übergangsritus fungieren kann“ (Depoortere/172: 561). Für eine verantwortete Praxis der Krankensalbung ist eine Bemerkung in der Pastoralen Einführung zum Rituale hilfreich: „Der gefährlich erkrankte Mensch bedarf der besonderen Gnade Gottes, damit er nicht unter dem Druck der Angst von Mutlosigkeit befallen wird und, den Versuchungen ausgeliefert, möglicherweise im Glauben selbst versagt“ (Nr. 5/29: 15). Kriterium für die Frage, wann eine „gefährliche“ Krankheit vorliegt, ist demnach nicht ausschließlich ihre medizinische Beurteilung, sondern der Blick auf ihre Unheilswirkungen. „Die innere Krise, in welcher der Kranke möglicherweise als Christ versagt, wird zum eigentlichen Gradmesser der Sakramentsfähigkeit einer Erkrankung“ (Knauber/179: 234). Eine solche differenziertere Sicht ist insbesondere angesichts von Krankheiten gefordert, die zwar nicht lebensbedrohlich sind, aber doch eine einschneidende Krise und Anfechtung des Lebens bedeuten, wie etwa schwere Behinderungen oder auch psychische Krankheiten.
4.3 Zur Bedeutung der Krankensalbung Präsenz des heilenden Gottes
In der Situation der durch schwere Krankheit ausgelösten Krise will das Sakrament der Krankensalbung Heil zusagen und Heilung in dem anfangs thematisierten umfassenden Verständnis ermöglichen. Die Krankheit, die ein Übel ist und bleibt, wird in kommemorativem Bezug auf das Christusereignis in das Licht des Heilandes gestellt, der den heilenden und heilschaffenden Gott vergegenwärtigt. Wider jeden Zweifel, ob Gott es vielleicht doch nicht gut meint, leuchtet das eindeutige Ja Gottes zum Leben und Wohlergehen der Menschen auf. Dieses unbedingte Ja Gottes wird den Kranken zugleich im Gedächtnis des Gekreuzigten zugesprochen, in dem jeder Abgrund von Krankheit und Tod umfangen ist.
IV. Krankensalbung
Wer diese Zusage ergreift, dem ist die eigene Situation der Krankheit zur Situation der Gottesbegegnung gewandelt. Damit verbindet sich die Einladung, die Krankheit in beherzter Bewährung des eigenen Getauftseins nicht nur in das Licht des Heils, sondern darüber hinaus in den Dienst des Heils zu stellen. Könnte in diesem Sinne die Handauflegung bei der Krankensalbung, in erster Linie Gestus heilender und tröstender Zuwendung, auch als Stärkung und Beauftragung verstanden werden? Wer getauft ist, dem ist zugesagt, den Tod letztlich schon überwunden zu haben und von der Auferstehung her leben zu können. Die Bereitschaft, darauf zu vertrauen und eigene, irdische Lebensmöglichkeiten loszulassen, wird im Angesicht der Gefährdung und des Todes neu herausgefordert. Schwere Krankheit nötigt dazu, massive Einschnitte und Beschränkungen hinzunehmen – sie grenzt an das Sterben. Dieses Sterben soll in Einlösung des Taufversprechens erneut zum Mitsterben mit Christus gemacht werden. Solchem Mitsterben gilt die Verheißung, dass die zu ertragenden Leiden für den Leib Christi ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1,24). In diesem Sinne erfolgt durch die Krankensalbung eine radikale Lebenswende: Die Spannung von Schon und Noch-nicht wird zu paradoxer Gleichzeitigkeit verdichtet, insofern sich die Erfahrung der Differenz zum Heil (Noch-nicht) zur Weise der Erfahrung der Heilsgegenwart (Schon) wandelt und eine sinnlos erscheinende Situation durch den Ruf in die Nachfolge mit Sinn erfüllt wird.
Literaturempfehlungen Die in der Bibliographie aufgeführten Artikel geben je aus ihrer Perspektive Einblicke in die neueren Diskussionen um die für die Krankensalbung vorauszusetzende Situation der Krankheit (vgl. besonders Gisbert Greshake/173) und um die Spenderfrage. Anregend ist der Beitrag von Kristiaan Depoortere (172). Eine einfühlsame Hinführung zur Praxis findet sich in dem Aufsatz von Jutta Johannwerder (178).
Mitsterben mit Christus
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V. Ordination 1. Hinführung: Die ekklesiologische Perspektive
Kirche als Sakrament
sakramentale Verankerung in Christus
Die Reflexion auf die Ordination und das auf ihr beruhende Amt steht im Schnittfeld von Sakramententheologie und Ekklesiologie. Denn die Ordination zielt nicht auf die Weihe zu einem der persönlichen Heiligkeit dienenden Lebensstand; sie entspricht vielmehr der sakramentalen Verfasstheit der Kirche, die aus Wort und Sakrament lebt und dafür einen Dienst kennt, der eine sakramentale Bevollmächtigung voraussetzt. Warum bedarf es in der Kirche dieses Dienstes, und warum bedarf dieser Dienst einer solchen Bevollmächtigung? Diese Frage steht heute vor dem Hintergrund eines Kirchenverständnisses, das auf der gleichen Würde aller Christen aufbaut (und dabei auch verschiedene pastorale Dienste kennt, die nicht auf Ordination zurückgehen). Sie kann nur im Rahmen dieses Kirchenbildes und im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung aller Christen für das Leben der Kirche beantwortet werden. Dazu ist kurz auf das Verständnis der Kirche selbst zurückzugehen. Um den Menschen an seiner Lebensfülle teilzugeben, eröffnet Gott ihnen eine neue Existenzgrundlage in seinem Sohn Jesus Christus, in dem das Menschsein in der Beziehung zu Gott neu geschaffen ist (siehe oben Erster Teil, Abschnitt IV.2.). Diese neue Schöpfung in der Gemeinschaft mit Gott hat ihren Ort in der Kirche. Was Menschen sich nicht selbst verschaffen können, erschließt sich in ihr, weil sie selbst Beziehungsgefüge ist, in der die menschliche und die göttlich-menschliche Gemeinschaft miteinander verwoben sind: Sie ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, in Christus Sakrament der Vereinigung mit Gott und der Menschen untereinander (LG 1). Wie die Ortsbestimmung „in Christus“ erkennen lässt, ist die Kirche nur in Abhängigkeit von ihm heilvolle Wirklichkeit, in der die Gemeinschaft mit Gott sich vermittelt. Der Sakramentsbegriff verweist auf eine konstitutive Differenz, d. h. auf eine bleibende Spannung, ja, einen Bruch in der Kirche, der ihr Wesen ausmacht: Kirche ist das, was sie ist, nicht aus sich selbst. Sie schöpft aus einem unerschöpflichen Lebensgrund, den sie nicht von sich her in sich vorfindet. Die Verwurzelung kirchlichen Lebens in Jesus Christus spiegelt sich darin, dass sie im Hören des Wortes und in der Feier der Sakramente je neu auf ihren Lebensgrund zurückgeführt wird, um sich von dort her zu erneuern. Dies geschieht zum einen durch die Gründung allen kirchlichen Lebens in Taufe und Firmung und durch die ständige Erneuerung in der Eucharistie (siehe oben S. 52 f.). Auf der Basis der Initiationssakramente erwächst nicht nur das je individuelle christliche Leben, sondern auch das Leben des priesterlichen Gottesvolkes.
V. Ordination
Die Verankerung der Kirche Jesu Christi in ihm spiegelt sich nach katholischer Auffassung aber auch darin, dass die Personen, denen der Dienst an Wort und Sakrament und der Leitungsdienst übertragen sind, ordiniert, d. h. in sakramentaler Weise bevollmächtigt werden. Das Vorzeichen der Ordination kennzeichnet das Tun der Menschen, die für diese kirchliches Leben begründenden Vollzüge verantwortlich sind, als werkzeuglichen Dienst für das Wirken Jesu Christi. Etwas pointiert könnte die sakramentale Struktur der Kirche und der damit gegebene Stellenwert des durch Ordination übertragenen Amtes in der römisch-katholischen Ekklesiologie als ekklesiale Konsequenz der Rechtfertigungslehre beschrieben werden. Einfach gesagt geht es bei der Rechtfertigungslehre darum, dass Menschen das Entscheidende in ihrer Beziehung zu Gott und darum auch das Entscheidende für ihr gelingendes Leben nicht selbst machen können, sondern dass es ihnen von außen (ab extra) geschenkt wird. Das Wissen um den Gnadencharakter christlicher Existenz ist der evangelischen und katholischen Position gemeinsam. Der heikle Punkt in der Auseinandersetzung liegt in der Frage, ob und wie sich dieses „Leben aus Gnade“ verleiblicht, und vor allem, wie es sich ekklesial verleiblicht. Der katholischen wie der lutherischen Tradition gelten die Sakramente als Vollzüge, in denen die göttliche Gnade ereignishaft zugesprochen wird. Katholisches Denken sieht darüber hinaus die Kirche selbst von Strukturen bestimmt, die (im gefüllten Sinn des Wortes) symbolisieren, wie das in ihr eröffnete neue Leben unableitbar geschenkt wird. Das sakramentale Amt ist Thema ökumenischer Diskussion nicht, weil es dem evangelischen Anliegen der Rechtfertigungslehre widerspricht, sondern weil es dafür auf der Ebene der Kirchenstrukturen, die nach evangelischem (lutherischem) Empfinden durch die Rechtfertigungslehre relativiert werden, einsteht. Dieser Relativierung stimmt katholisches Denken nicht zu, weil es Gottes Wirken durch Menschen stärker gewichtet. Die kirchekonstituierenden Momente sind nicht nur „sachhafter“ Art (Wort und Sakrament), sondern liegen auch auf personaler Ebene: Für Wort und Sakrament sind Menschen verantwortlich, deren Dienst selbst auch eine theologisch relevante Wirklichkeit ist. Um den menschlichen Beitrag aber andererseits theo-logisch zu qualifizieren und die Kirche nicht als selbstmächtige Größe erscheinen zu lassen, werden der Leitungsdienst und der Dienst an Wort und Sakrament dem Amt übertragen, bei dem durch die Ordination zum Ausdruck kommt, dass diejenigen, die es übernehmen, nicht für sich selbst stehen. Im ökumenischen Dialog wird die Bedeutung dieser personalen Ebene mittlerweile explizit benannt, theologisch reflektiert und so auch von der evangelischen Seite mitgetragen: „Zuspruch des Evangeliums in Wort und Sakrament impliziert den Dienst der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung. Das entspricht dem biblischen Zeugnis, nach dem zum Wort von der Versöhnung der ‚Dienst der Versöhnung‘ hinzugehört (2 Kor 5,18 f.)“ (Kirche und Rechtfertigung Nr. 40/20: 31). Exkurs H: Terminologische Klärung Wegen der entschiedenen Ausrichtung auf den Dienst an der Kirche wird in der neueren deutschen Theologie terminologisch für die Übersetzung des lateinischen
ekklesiale Verleiblichung des „ab extra“
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Spezielle Sakramentenlehre ministerium bisweilen der Begriff des Dienstes dem des Amtes vorgezogen. Während die Rede vom Amt dessen institutionalisierten Rahmen Rechnung trägt, betont der Begriff des Dienstes die Ausrichtung an der Kirche, die allerdings auch und hinsichtlich des Verpflichtungscharakters sogar nachdrücklicher im Begriff des Amtes enthalten ist. Denn ein Amt ist per definitionem eine Aufgabe, zu deren Ausübung jemand zum Wohl des Ganzen verpflichtet ist. Beide Begriffe können sich somit gegenseitig interpretieren. Wenig sinnvoll hingegen ist die terminologische Unterscheidung von Amt bei ordinierten und Dienst bei nicht-ordinierten Personen. Zwar meint der traditionelle dogmatische Amtsbegriff ausschließlich das durch Ordination übertragene Amt; er reibt sich aber mit dem kirchenrechtlichen Amtsbegriff, der mit Amt (officium ecclesiasticum) jeden Dienst meint, „der durch göttliche oder kirchliche Anordnung auf Dauer eingerichtet ist und der Wahrnehmung eines geistlichen Zweckes dient“ (CIC can. 145 § 1), bezeichnet. Zu Recht fordert Adrian Loretan: „Das sogenannte ‚dogmatische‘ und ‚kirchenrechtliche‘ Amtsverständnis müssen miteinander in Beziehung gebracht werden.“1 Der spezifische Unterschied zwischen Ordinierten und Nicht-ordinierten besteht nicht darin, dass die Ordinierten ein Amt, die Laien einen Dienst ausüben. Beiden Berufsgruppen ist ein Dienst aufgetragen, und der Dienst beider ist amtlicher Dienst. Die verschiedenen pastoralen Ämter unterscheiden sich in dogmatisch relevanter Weise vielmehr in der Weise der Beauftragung. Der Dienst von Bischöfen, Priestern und Diakonen hat sein Spezifikum in der Ordination (siehe unten Abschnitt 4.2) und sollte auch begrifflich mit Bezug darauf charakterisiert werden als auf Ordination beruhender Dienst.
2. Neutestamentliche Grundlegung Da die christliche Amts-Geschichte nur bedingt an Ämter in Israel (vor allem das selbst wiederum nur undeutlich erkennbare Ältestenamt) anknüpft, sei die biblische Grundlegung auf das Neue Testament beschränkt. Zu fragen ist, inwiefern die Existenz besonderer kirchlicher Ämter auf Jesus zurückgeführt werden kann und wie sich die Formen des Amtes in den neutestamentlichen Gemeinden gestalten.
2.1 Jesus und sein Jüngerkreis Sammlungsbewegung
Jesu Verkündigung ist darauf angelegt, Menschen um sich zu scharen, die seine Botschaft aufgreifen wollen. Seine Verkündigung und sein Nachfolgeruf gelten allen Menschen. Im Rahmen dieser Sammlungsbewegung werden einzelne Menschen in ein besonderes Jesus-Verhältnis und eine damit verbundene Aufgabe hineingerufen. Als Mitarbeiter bei seinem Wirken für die Gottesherrschaft sollen sie mit ihm Israel zur Umkehr rufen und in Wort und Tat das Heil anbieten. Eine solche „Multiplikatorenfunktion“ übernehmen die Jünger jedoch nicht eigenständig und Jesus gleichgeordnet, sondern in Abhängigkeit von ihm und in seiner Sendung. Für die Teilnahme am Wirken Jesu ist der Eintritt in eine von der Gottesherrschaft geprägte Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit ihm vorausgesetzt: Von 1 Adrian Loretan: Laien im pastoralen Dienst. Ein Amt in der kirchlichen Gesetzgebung: Pastoralassistent/-assistentin, Pastoralreferent/-referentin. Freiburg/Schw. 21997 (Praktische Theologie im Dialog 9), 269.
V. Ordination
seinen Jüngern wird die Aufgabe des bisherigen Berufes (vgl. Mk 1,18), die Lösung von der Familie (vgl. Mt 8,21f.; 10,37) und Besitz sowie die Teilnahme am unsteten Wanderleben Jesu (vgl. Mt 8,20) verlangt. Als einzige Gruppe in der Jesus-Bewegung ist der Zwölfer-Kreis zahlenmäßig abgegrenzt (vgl. Mk 3,13–19; Lk 6,12–16). Die Auswahl der Zwölf ist als prophetische Zeichenhandlung zu verstehen, insofern in ihnen zeichenhaft die zwölf Stämme Israels um Jesus versammelt sind: Sie repräsentieren den Anspruch Jesu auf ganz Israel. Gerade deswegen können sie nicht direkt als Vorausbilder späterer Amtsträger gelten. Während die Zwölf historisch also vermutlich symbolische Bedeutung haben, werden ihnen in der Perspektive der Evangelisten verstärkt besondere Aufgaben zugeschrieben. Hier macht sich das theologische Interesse an einer Brücke zwischen Jesus und der Kirche geltend. Wie Mk 3,13–19; 6,7–13 zeigt, ist Markus bemüht, eine Kontinuität zwischen dem Wirken Jesu und jenem der Zwölf aufzuweisen. Zugleich projiziert er die urchristliche Missionspraxis in die Sendung der Zwölf hinein. „Die Tätigkeit Jesu prolongieren sie, die Mission der Kirche bilden sie im voraus ab“2 und sind so Bindeglied zwischen Jesus und der Kirche. Bei Lukas scheint dieses Interesse an der Kontinuität zwischen Jesus und Kirche verstärkt ausgeprägt, so dass frühere Amtstheologien bei ihm eine juridisch begründete Linie der Amtsnachfolge von den zwölf Aposteln über Paulus bis hin zu den späteren Amtsträgern in den Gemeinden konstruiert sahen. Dies allerdings entspricht kaum der Theologie des Lukas. Wohl hat er ein ausgeprägtes Interesse an den Ämtern ebenso wie an einer gewissen diesbezüglichen Kontinuität von Anfang an. Doch ist für ihn das Amt der Zwölf, die er mit den Aposteln identifiziert (vgl. Lk 6,13), an die Augenzeugenschaft gebunden (vgl. Apg 1,21f.) und darum nicht fortsetzbar. Die Apostel sind in der Art ihrer Amtsausübung Prototypen späterer Amtsträger, während ihr Amt selbst nicht weitergeht. Zusammenfassend müssen zwei Ebenen unterschieden werden. Hinsichtlich des Wirkens Jesu ist festzuhalten, dass er einen engeren Jüngerkreis um sich sammelt, der aber nicht nach Art einer Elite selbst Ziel seines Wirkens ist, sondern werkzeugliche Bedeutung für seine Botschaft hat. Jesuanisch ist also die Sendung von Mitarbeitern, während die Gründung einer Kirche mit eigenen Strukturen und neuen Ämtern im Rahmen seiner eschatologischen Verkündigung keinen Raum hat. Die Zwölf haben symbolische Bedeutung und vermutlich keine über die anderen Jünger hinausgehende Funktion. Auf der Ebene der neutestamentlichen Theologie gewinnen die Zwölf, bei Lukas die zwölf Apostel, rückblickend von der frühen Kirche aus Bedeutung für die Kontinuität zwischen Jesus und der Kirche, ohne dass der Versuch gemacht wird, ihr spezifisches Amt in die Gegenwart hinein zu verlängern.
2 Joachim Gnilka: Das Evangelium nach Markus. 1. Teilband: Mk 1–8,26. Einsiedeln; Neukirchen-Vluyn 31989 (EKK 2/1), 239.
Zwölferkreis
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Spezielle Sakramentenlehre
2.2 Formen des Amtes in den neutestamentlichen Gemeinden
Jerusalemer Gemeinde
synoptische Evangelien
paulinische Gemeinden
In neutestamentlicher Zeit ist an unterschiedlichen Orten mit einer Vielfalt von Gemeindestrukturen zu rechnen. Die Leitung der Jerusalemer Gemeinde hat in der Frühzeit vermutlich bei dem Zwölferkreis unter Führung des Petrus gelegen. Einige Indizien lassen aber Entwicklungen erkennen. Gal 2,1–10 erwähnt ein Dreiergremium, bei dem Petrus nicht an erster Stelle genannt wird, Anzeichen dafür, dass sich die Leitungsautorität auf Jakobus verschiebt. Auch die Bedeutung der Zwölfersymbolik scheint zugunsten einer Aufwertung des Aposteltitels zurückzutreten, so dass nach dem Martyrium des Jakobus (vgl. Apg 12,2; anders als Apg 1,15–26) keine Nachwahl stattfindet. In dieser Akzentverschiebung macht sich das Abklingen der eschatologischen Naherwartung bemerkbar. Die Zwölf waren Hoffnungssymbol für die unmittelbar bevorstehende Wiederherstellung Israels, also symbolische Vergegenwärtigung eines Bezugspunktes in der Zukunft, während die Apostel als Zeugen der Auferstehung Repräsentanten des Geschehenen, nämlich des Christusereignisses sind. Sie stehen für die Rückbindung der Gemeinde an den Ursprung in Jesus Christus ein. Damit verbindet sich ein ekklesiologischer Umbruch von der eschatologischen Heilsgemeinde Israels zur Gemeinschaft derer, die von Christus her gesammelt sind (vgl. Roloff/184: 79). In dem Maße, wie diese Neuorientierung zur Heidenmission führt und die Apostel sich außerhalb Jerusalems der Missionstätigkeit widmen, verringert sich verständlicherweise ihre Bedeutung für die Gemeinde in Jerusalem, so dass dort neue Strukturen entstehen. Während es nach Apg 15 stereotyp „die Apostel und die Ältesten“ sind, welche das Apostelkonzil prägen, sind beim Rückblick auf das Dekret des Apostelkonzils in Apg 21,18–26 nur die Ältesten erwähnt. Ihre Bedeutung scheint im Laufe der Zeit gewachsen zu sein. In den von Lukas in der Apg vorgestellten Gemeinden ist denn auch eine Struktur favorisiert, welche die Gemeindeleitung nach dem Vorbild der Jerusalemer Gemeinde Ältesten übertragen sieht (vgl. Apg 11,30; 14,23). Von den presby´ teroi wird im Plural gesprochen, es ist also an ein Leitungsgremium zu denken. Markus und Matthäus geben nur wenig Aufschluss über Gemeindestrukturen. Die Gemeinden im Bereich der paulinischen Missionstätigkeit haben keine einheitliche Struktur. Paulus selbst nimmt ihnen gegenüber eine Autorität in Anspruch, die er christologisch begründet (vgl. Gal 1,1; Röm 1,1.5; 2 Kor 5,20). Wenn er nicht persönlich anwesend ist, übt er sie durch Briefe aus oder entsendet Mitarbeiter, die in seinem Auftrag in der Gemeinde nach dem Rechten sehen. Stützpunkte der Mission sind zuerst einzelne Häuser als Versammlungsort der kleinen christlichen Gemeinschaft. Darin scheinen Verantwortliche Leitungsfunktion zu übernehmen, die unterschiedlich bezeichnet werden (Vorstehende: Röm 12,8; 1 Thess 5,12; „Kyberneten“, deren genaue Aufgabe allerdings unklar ist: 1 Kor 12,28).
V. Ordination
Die Gemeinde in Korinth, an sich charismatisch geprägt, kennt gleichwohl feste Ämter, wie aus der Charismenliste in 1 Kor 12 deutlich wird. Sie nennt zuerst Apostel, Propheten und Lehrer und spricht von ihnen personal, während weitere Aufgaben davon abgesetzt (nicht mehr aufzählend) genannt werden, ohne bestimmten Personen zugeschrieben zu werden. Demgegenüber ist die Aufzählung in Röm 12,3–8 ganz ohne Rangordnung gehalten. Paulus will an dieser Stelle die Verschiedenheit der Charismen zur Geltung bringen, deren Zusammenspiel dann gelingt, wenn jedes das zum Ganzen beiträgt, was es beizutragen vermag. Der Philipperbrief richtet sich „an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit ihren Bischöfen (epískopoi) und Diakonen“ (Phil 1,1). Epískopos ist ein Begriff profaner Herkunft aus dem Bereich der Verwaltung. Im christlichen Bereich dürfte es Aufgabe des Episkopen sein, für das Bleiben der Gemeinde im Rahmen christlichen Glaubens und Verhaltens Sorge zu tragen. Diákonos ist eine christliche, auf das jesuanische Dienen Bezug nehmende Wortprägung. Von Episkopen ist auch im Bereich der Deuteropaulinen die Rede. Während hier die Apostel nur noch ein Phänomen der Vergangenheit sind – sie haben das Fundament gelegt, auf das die Kirche gebaut ist (vgl. Eph 2,20) –, kennt die gegenwärtige Gemeinde eine Trias von Diensten: Evangelisten, Hirten (Episkopen) und Lehrer. Vereinfacht zusammengefasst, zeigen sich im palästinensischen Bereich von Ältesten geleitete Gemeinden, im paulinischen Bereich kommt den Gemeinden mit Episkopen größeres Gewicht zu. In der späteren Zeit lässt sich nun wahrnehmen, wie beide Strukturformen einander begegnen und miteinander verschmelzen. Auffällig ist z. B. die Anrede der Ältesten von Ephesus als Episkopen durch Paulus in Apg 20,17.28 (ein vorlukanisches Redestück?). Unübersehbar wollen die Pastoralbriefe die Episkopenverfassung in Gemeinden durchsetzen, die zuvor die Ältestenverfassung kannten. Dabei sollen aber die Presbyter nicht in der episkopalen Ordnung aufgehen, sondern werden ihr zugeordnet. So ergibt sich eine Gemeindestruktur, in der der Episkopos als verantwortlicher Leiter der Gemeinde und zugleich als über andere Funktionsträger – Presbyter, Diakone, vermutlich auch Diakoninnen (vgl. 1 Tim 3,11) – gestellte Instanz gilt und anerkannt wird. Verschiedenartige Ämter stehen also nicht mehr nur nebeneinander, sondern werden durch eine strukturierte Ämterordnung in ein Verhältnis zueinander gebracht. Zugleich ist eine auf den Monepiskopat hinauslaufende Entwicklung angestoßen.
weitere Entwicklung
2.3 Theologische Begründungslinien des Amtes im NT Die Ordnung der neutestamentlichen Gemeinden ist nicht als einheitliche Struktur vorgegeben, sondern bildet sich ausgehend von den Erfordernissen für das authentische Leben der Kirche hinsichtlich von Verkündigung, Lehre und Leitung in verschiedenartigen Formen heraus. Einzelne der benötigten Dienste werden im Rahmen von festeren Strukturen wahrgenommen, ohne ihre Ausrichtung an der und für die Gemeinde zu verlieren.
Vielfalt orientiert an den Gemeinden
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156
Spezielle Sakramentenlehre
christologische Begründung
Bindung an das Evangelium
Amtseinsetzung
Amtsträger, wie auch immer sie genannt werden, stehen im Dienst an der Kirche bzw. der einzelnen Gemeinde. Diese Einbindung in die Gemeinde und die Verpflichtung zum Dienst an der Gemeinde ist nicht gleichbedeutend mit der Ableitung der Ämter aus der Gemeinde. So zeichnet Paulus seinen Dienst in eine von Gott ausgehende Bewegung ein, im Rahmen derer er seinen Dienst betont als Sendung im Namen und in der Vollmacht Jesu Christi bzw. in der Vollmacht Gottes wahrnimmt. Dies bedeutet für Paulus durchaus auch, dass er in die Gemeinde eingreift, wenn sie in Lehre und Verhalten vom Evangelium abweicht. Auch über die Zeit der Apostel hinaus werden (vielfältige) Ämter in der Gemeinde christologisch begründet. So führt Eph 4,11 die Aufgaben in der Gemeinde auf den erhöhten Christus zurück („er gab den einen das Apostelamt …“). Im 1. Petrusbrief werden die Hirten in der Kirche in Bezug zu dem ersten Hirten und Bischof gesehen (1 Petr 2,25; 5,1–4). Die christologisch begründete Vollmacht ist für Paulus jedoch kein Freibrief für uneingeschränkte Einflussnahme auf die Gemeinden, sondern hat ihren Maßstab am Evangelium. Bezeichnend ist der Briefanfang Röm 1,1, wo Paulus sich als Apostel „ausgesondert für das Evangelium“ deklariert. Auch inhaltlich gilt: „Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen“ (2 Kor 4,5). In diesem Sinne unterstreicht Paulus nachdrücklich den Dienstcharakter des Amtes (vgl. Röm 11,13; 2 Kor 3,7–9 usw.). Die Amtseinsetzung wird in der Apostelgeschichte und in den Pastoralbriefen zum Thema. Die Aussendung von Menschen im Dienst der Kirche wird durch Gebet (vgl. Apg 1,24–28; 6,6; 9,11; 13,3;14,23; 22,17) und Fasten (vgl. Apg 9,9.19; 13,2 f.; 14,23) begleitet. Eine Amtseinsetzung durch Handauflegung ist in Apg 6,1–6 und 13,1–3, vermutlich auch 14,23 bezeugt. Als Vorbild für diese Praxis sind Num 27,15–23 und Dtn 34,9 zu nennen, Berichte, an die auch die sich gleichzeitig entwickelnde jüdische Gelehrtenordination anknüpft. Unterschiedliche Informationen finden sich in den Pastoralbriefen dazu, wer die Hände auflegt: Paulus oder die Ältesten (vgl. 1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6). Das Geschehen in der Handauflegung wird auf Gott zurückgeführt, insofern er den Anstoß gibt (Apg 9,11–16 in der Vision des Hananias; Apg 1,24 f.; 13,2 im Sprechen des Pneuma zur Gemeinde; Apg 20,28 wird die Bestellung der Ältesten direkt auf das Pneuma zurückgeführt). Parallel dazu ist von der Bestellung durch die Zwölf (6,6) bzw. durch Paulus (14,23) die Rede. Göttliches Wirken und menschlich-kirchliches Handeln sind ineinander verwoben, so dass dem göttlichen Wirken das kirchliche Handeln folgt bzw. der kirchliche Vollzug ein konkreter Ausdruck der göttlichen Berufung ist. Vor diesem Hintergrund kann der Handauflegung die Verleihung von Gnade zugeschrieben werden (2 Tim 1,6). „Durch die Ordination, wie sie von der nachpaulinischen Tradition verbindlich vorausgesetzt ist, wird die Kirche vergewissert, dass der erhöhte Herr ihr jene Dienste beständig einstiftet, die zu ihrer Erhaltung erforderlich sind. Zugleich werden die Amtsträger durch die Ordination ihres bleibenden Auftrags an der Kirche und des Beistandes des Heiligen Geistes gewiss gemacht“ (Roloff/120: 87).
V. Ordination
In der frühen christlichen Theologie werden priesterliche Kategorien durch den Hebräerbrief aufgenommen, um christologisch die Mittlerschaft Jesu Christi als Ende des israelitischen Hohepriestertums zu beschreiben. Infolgedessen werden priesterliche Kategorien nicht für kirchliche Ämter, sondern für das priesterliche Gottesvolk verwendet (vgl. 1 Petr 2,5.9). Die neutestamentliche Zeit kennt weder eine ausgeprägte Amtstheologie noch einheitliche Amtsstrukturen. Die neutestamentlichen Gemeinden sind nicht rein charismatisch und strukturlos aufgebaut, die Strukturen sind aber nicht einheitlich. Größere Festlegungen erfolgen erst um die Wende zum 2. Jahrhundert. Das Zurücktreten der Naherwartung und – mehr noch – die Loslösung von der jüdischen Gemeinde machen verstärkt eigene Strukturen notwendig. Hinzu kommt mit fortschreitender Zeit die Frage nach der Lehrkontinuität. Wie kann die Identität des Evangeliums durch die Zeit gewahrt bleiben?
3.
Theologiegeschichtliche Entwicklungen
3.1
Alte Kirche
nichtpriesterliche Kategorien
3.1.1 Die Zeit der Institutionalisierung Die sich in den Pastoralbriefen ankündigende Entwicklung des Monepiskopates bei Integration der Ältestenordnung setzt sich in den Briefen des Ignatius von Antiochien fort. Er betont die Einheit der einen Gemeinde im Bischof, dem das Presbyterium (als Gremium, das zusammen mit dem Bischof die Gemeinde leitet und den Eucharistievorsitz einnimmt) und die Diakone (denen Lehre und Verkündigung obliegt) zugeordnet sind. Die dreistufige Ausdifferenzierung der Ämter ist auch in anderen Quellen des 2. und 3. Jahrhunderts erkennbar. Allerdings wird nicht immer klar zwischen den Funktionen des Bischofs und denen des Presbyters unterschieden. Im Vorfeld des Diakonates bilden sich weitere Dienstämter (Subdiakon, Akolyth, Exorzist, Lektor) heraus. Die durch Handauflegung Ordinierten bilden den Klerus, der schon zu dieser Zeit nach Art eines eigenen Standes von den Laien unterschieden wird. Zugleich kommt es zu einer Professionalisierung in dem Sinne, dass die Amtsträger von der Gemeinde unterhalten werden. Seit Ende des 4. Jahrhunderts entwickelt sich die kirchliche Hierarchie immer mehr in Entsprechung zu weltlichen Strukturen und Ämtern. Das erste Zeugnis einer Ordinationsliturgie findet sich in der Traditio Apostolica (ca. 210). Sie bringt den Bischof in eine Traditionslinie zum apostolischen Amt (Nr. 3: FC 1,216–220), die Presbyter werden von den durch Mose erwählten Ältesten her gesehen (Nr. 7: FC 1,230/232), der Diakon schließlich wird direkt dem Bischof zugeordnet (Nr. 8: FC 1,232/234). Terminologisch ist in der frühen Kirche der wichtigste Begriff zur Benennung der Ordinationshandlung das cheirotoneín: die Amtseinsetzung durch Handauflegung. Im lateinischen wird ordinare (daneben auch consecrare, benedicere, sanctificare) verwendet. Bei der Ordination des Bischofs sieht die Traditio Apostolica vor, dass Bi-
Monepiskopat und dreistufige Ämterordnung
Ordination
Bischofsamt
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Spezielle Sakramentenlehre
schöfe zusammenkommen, um dem Kandidaten die Hände aufzulegen. Diese Ausübung einer überörtlichen Verantwortung der Bischöfe ist Ausdruck einer bestimmten Kirchenstruktur, in der der einzelne Bischof in das Bischofskollegium eingebunden ist (so vor allem Cyprian von Karthago, † 258). Entsprechend bestimmt das Konzil von Nizäa 325, dass mindestens drei Bischöfe bei der Ordination mitwirken sollen.
3.1.2 Theologische Entwicklungen Apostolizität
Ordnungsgedanke
In der Mitte des 2. Jahrhunderts stellt sich mehr und mehr die Frage, wie die Gegenwart der Kirche mit ihrem Ursprung zusammenhängt: Die zeitliche Differenz lässt nach Weisen der Rückbindung zum Anfang suchen. Das Problem bricht in der Auseinandersetzung mit den gnostischen Strömungen auf, für die das Ursprungsgeschehen an Bedeutung verliert, weil sie einen direkteren Zugang zur Erlösung durch die erlösende Gnosis beanspruchen. Infolgedessen sind für sie die Tradition einer geschichtlichen Offenbarung und die Berufung auf Zeugen irrelevant. Da hier die Mitte des christlichen Glaubens, die unüberholbare Bedeutung des Christusereignisses, auf dem Spiel steht, ist die großkirchliche Theologie genötigt, die bleibende Bindung an den Ursprung zu betonen, ohne dadurch rückwärtsgewandt zu sein, als hätte man alles nur aus zweiter Hand. Dieses in einer bestimmten Auseinandersetzung entdeckte Thema ist bedeutsam auch über die ursprüngliche Fragekonstellation hinaus: „Die Zeit der Apostel ist vorbei. Aber sie kann und darf nicht Vergangenheit werden.“3 Die Apostel sind insofern nicht nur ein historisches Phänomen, sondern eine theologische Größe: Die Apostel sind die Kirche, die gleichzeitig zu Jesus Christus ist. Historisch gesehen ist solche Gleichzeitigkeit vergangen; theologisch gesehen darf sie aber nicht Vergangenheit werden. Um dieses Problem zu bewältigen, entsteht im 2. Jahrhundert der Gedanke der Apostolizität der Kirche. Sie wird dadurch zu begründen gesucht, dass man wichtige Elemente kirchlichen Lebens (wie neutestamentliche Schriften oder das Glaubensbekenntnis) auf die Apostel zurückführt. In dieser Weise wird auch die Gründung von Gemeinden einem Apostel zugeschrieben, der selbst Nachfolger eingesetzt hat. Dieser Sukzessionsgedanke, wie er sich bereits bei Irenäus von Lyon († um 200) findet, bindet die Tradition an ein personales Element: Das Traditionsgut der apostolischen Lehre ist auch personal repräsentiert, weil die lebendige Tradition mehr ist als die Weitergabe einer unveränderlichen Formel. Die Authentizität der Tradition hängt am Charisma der Wahrheit, das einen personalen Träger braucht, den Irenäus im Bischof und Presbyter gegeben sieht (vgl. Adversus haereses 4,26,2: FC 8/4,206). In der Theologie der Kirchenväter werden die Aufgaben und Pflichten der Amtsträger beschrieben. Um deren Autorität abzusichern, gewinnt gelegentlich der Gedanke einer gefügten Ordnung Raum. Damit wird das 3 Friedrich Mildenberger: Art. Apostel/Apostolat/Apostolizität. III. Systematischtheologisch. In: TRE 3 (1978) 466–477, 468.
V. Ordination
kirchliche Amt zugleich in ein neuplatonisches Denkgefüge eingebunden, insofern die kirchlichen, hierarchisch gestuften Ämter als Abbild der himmlischen Ordnung gedeutet werden (Klemens von Alexandrien, † 215?). Während sich der Monepiskopat ursprünglich um der praktischen Zuweisung von Verantwortlichkeit willen entwickelt und bei Ignatius von Antiochien noch nicht eindeutig hierarchisch gestaltet ist, verselbständigt sich in der späteren Zeit das hierarchische Gefälle, das im neuplatonischen Denken angelegt ist. Hier erfolgt eine problematische Form von Inkulturation, die den Sinn der kirchlichen Ämter verstellt. Im Vordergrund steht nun die innere Struktur der Ämterordnung, weniger die Bezogenheit der Ämter auf die Kirche. Gegen eine solche Verselbständigung der Ämter werden schon in der Alten Kirche Korrektive eingebracht. Nicht nur melden sich einzelne Stimmen, die den Dienstcharakter betonen; kirchenrechtliche Bestimmungen untersagen jede Weihe, die nicht mit der Betrauung einer Seelsorgsaufgabe verbunden ist (absolute Weihen). Während in den neutestamentlichen Texten der Gedanke des Priestertums für die christlichen Amtsträger gänzlich ausgeblendet bleibt, finden sich in der Alten Kirche, zunächst sporadisch, dann verbreiteter, priesterliche Kategorien (so etwa in der Traditio Apostolica und bei Cyprian von Karthago in Bezug auf den Bischof). Das priesterliche Denken setzt sich jedoch nicht ohne Widerstände durch: Das Ordinationsgebet in den Canones Hippolyti (4. Jahrhundert), die sich sonst an die Traditio Apostolica anlehnen, tilgt die dort verwendeten hohepriesterlichen Termini, und noch Augustinus († 430) vermeidet den Begriff sacerdos. Mit der beginnenden Sazerdotalisierung des Amtes kommt es zur Übertragung kultischer Reinheitsvorstellungen auf die Amtsträger. Neutestamentliche Wurzeln für eine apostolische Enthaltsamkeit gehen mehr und mehr in Bestimmungen über, die wegen der von Priestern geforderten Reinheit den Verzicht auf geschlechtlichen Verkehr bzw. auf Ehe fordern.
3.2 Die Entwicklung im Mittelalter: Sazerdotalisierung Das in der Alten Kirche anfanghaft vertretene priesterliche Denken gewinnt beim Übergang in den germanischen Bereich an Gewicht. Im Vordergrund des Dienstes der Priester steht nun die als spezifisch priesterlich angesehene Feier der Eucharistie. Die Ordination gilt einseitig als Befähigung zu ihrer Zelebration, zwar noch zum Wohl der Kirche, doch nicht mehr notwendig in der Kirche und als Dienst der Leitung einer Gemeinde. In dem Maße, in dem der unmittelbare Bezug auf die Kirche zurücktritt, wird das Priestertum zu einem Weg der persönlichen Heiligkeit und Vollkommenheit. Dies lässt sich insbesondere an Entwicklungen im monastischen Bereich illustrieren. Während zu Anfang des 6. Jahrhunderts die Regula Magistri vorsieht, dass die Mönche Laien bleiben und mit dem gewöhnlichen Kirchenvolk zusammen Eucharistie feiern, erlaubt nur wenig später die Regula Benedicti die Ordination von Mönchen, kennt also Priester im Kloster. Bis zum 9. Jahrhundert steigt die Zahl der Priestermönche
Dienstcharakter
priesterliche Kategorien
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Spezielle Sakramentenlehre
rapide an; in der Pariser Abtei St. Germain-des-Près ist zur Mitte des 8. Jahrhunderts die Hälfte der Mönche ordiniert, 100 Jahre später drei Viertel (vgl. Angenendt/49: 442 f.). Das Priestertum wird nun zur Sinnmitte des gegliederten Ordo. Das Bischofsamt ist dieser Auffassung nach in sakramentaler Hinsicht keine höhere Weihestufe als die Priesterweihe. Die meisten der niederen Ämter (inkl. Diakonat) sind faktisch weggefallen, so dass nur noch die dazu gehörigen Weihen bleiben, die als Durchgangsstufe zum Presbyerat durchlaufen werden. Vor dem Hintergrund theologischer Akzentverschiebungen ändert sich die Liturgie der Ordination. Es kommt zur Ergänzung durch verschiedene ausdeutende Riten wie Ordinationssalbungen und die Überreichung der Amtsinsignien: Ring und Stab bei der Bischofsweihe, Patene und Kelch bei der Priesterweihe. So wird der ursprüngliche Kern der Ordinationshandlung, Handauflegung und Weihegebet, umlagert von anderen Riten, bis dahin, dass man schließlich nicht mehr weiß, welches eigentlich der wesentliche Ordinationsritus ist. Statt der Handauflegung rückt die Übergabe der Amtsinsignien in den Vordergrund (vgl. Dekret für die Armenier 1439, DH 1326). Die Bestimmung dessen, was eigentlich die sakramentale Handlung ausmacht, ist noch auf dem Konzil von Trient so umstritten, dass man dort auf die Benennung verzichtet (vgl. DH 1766).
3.3
Der Streit um das sakramentale Amt in der Reformationszeit
3.3.1 Die Kritik Martin Luthers an der römischen Kirche und ihren Ämtern
Luthers Auffassung von kirchlichen Diensten
Martin Luther († 1546) nimmt wahr, dass viele Bischöfe und Priester alles andere tun, nur nicht das, was ihnen aufgetragen ist. Nicht zuletzt diese praktischen Missstände veranlassen eine kritische Überprüfung der kirchlichen Strukturen. Wegen einer fehlenden Schriftgrundlage für die konkret vorfindlichen Ämter stellt Luther deren Sakramentalität in Frage. Folgenreich ist die Akzentverschiebung, die er hinsichtlich der Bedeutung der Heilsvollzüge vornimmt. Vorrangig ist für ihn das Wort bzw. die Predigt. Infolge der Ablehnung des Messopfers ist eine priesterliche Deutung des Amtes ausgeschlossen. Überdies führt die Rechtfertigungslehre zu einer neuen Sicht der Unmittelbarkeit des einzelnen Menschen zu Gott. Unter Berufung auf das Priestertum aller Gläubigen werden kirchliche Vermittlungen abgelehnt. Die zeitgenössische Struktur der römischen Kirche mit ihrem ausgeprägten Gegenüber von Amtsträgern und Laien muss deswegen als unangemessen erscheinen und wird zum Ziel radikaler und polemischer Angriffe von Seiten Luthers. Dessen Kritik bedeutet jedoch nicht, dass er nicht besondere Dienste kennen würde. Schillernd sind seine Aussagen darüber, ob solche Dienste auf einer Delegation durch die Gemeinde beruhen (so dass das Weihesakrament „nichts anderes als ein gewisser Ritus [ist], mit dem jemand in das kirchliche Dienstamt berufen wird“: De captivitate babylonica, 1520: WA 6,566,31f.) oder ob die Ordination Ausdruck dafür ist, dass die Amts-
V. Ordination
einsetzung auf die Berufung durch Gott und die Vollmacht Christi zurückgeht. Die gegenwärtige Luther-Forschung geht davon aus, dass die Begründung des Amtes von Christus her und die Berufung durch die Gemeinde durch Luther miteinander vermittelt gedacht werden. Durch ihr Interesse an dem Aufbau einer nach Gottes Wort reformierten Kirche wendet die Schweizer Reformation den Ämtern eine höhere Aufmerksamkeit zu. Für Johannes Calvin († 1564) sind die kirchlichen Dienstämter die gottgewollte Weise, wie sich das Wirken Jesu Christi in seiner Kirche vermittelt. Darum ist die Ordination für die Übernahme eines Amtes konstitutiv und kann sogar als Sakrament angesehen werden (Institutio IV,19,25–31; vgl. Faber/52: 335–340). Angefochten wird von Calvin hingegen die römische Sicht der Ordostufen, der er eine Ämterordnung mit vier Ämtern (Pastoren/Hirten, Lehrer, Älteste, Diakone) entgegenstellt.4
Calvins Ämterordnung
3.3.2 Das Konzil von Trient In der durch die Reformation herausgeforderten Diskussion um die Sakramentalität des Amtes und seine Bedeutung wird das Konzil von Trient vor Fragen gestellt, die sich auch in der Konzilsaula als grundlegend umstritten erweisen. Während der Beratungen stellt sich heraus, dass zur Klärung des Verhältnisses der verschiedenen Amtsstufen zueinander das Bischofsamt thematisiert werden muss. Dessen Reflexion jedoch ist durch politische und kirchenpolitische Fragen (Konziliarismus!) belastet. Zur Vermeidung aller jurisdiktionellen Aussagen spricht das Dekret von Ämtern schließlich so, als seien absolute Ordinationen der Regelfall, obwohl dies nicht intendiert war. Die ekklesiale Einbindung der Ämter wird so vernachlässigt. Bei der Suche nach einer Begründung des sakramentalen Ordo relativiert die Diskussion die anfängliche einseitige Ableitung vom Opfer, so dass auch die Ausrichtung auf die Verkündigung und beim Bischof der Hirtendienst mehr in den Blick kommen. Dies wirkt sich in den Reformdekreten wegweisend aus (Freitag/186: 290 f.352–359.370 f.).
3.4
Sakramentalität des Amtes
Umbrüche im 20. Jahrhundert
3.4.1 Das Zweite Vatikanische Konzil Hatte noch das Erste Vatikanische Konzil in einem nicht verabschiedeten Entwurfstext von der Kirche als einer Gesellschaft von Ungleichen gesprochen, so setzt das Zweite Vatikanische Konzil bei der Gleichheit aller Gläubigen an. Basis kirchlichen Lebens ist das in Taufe und Firmung begründete gemeinsame Priestertum aller Glaubenden, die gemeinsam für die Auferbauung der Kirche wie auch für ihre Sendung Verantwortung tra4 Siehe dazu die Kirchenordnung (Ordonnances ecclésiastiques) von 1561: CO 10/1, 93–103.
Ansatz beim priesterlichen Gottesvolk
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Spezielle Sakramentenlehre
Bischofsamt
Dienst der Presbyter
Liturgie
gen (vgl. LG 7; 9–17). Das „Dienst-Priestertum“ steht im Dienst des priesterlichen Gottesvolkes und seiner Sendung (vgl. LG 10; 18 u.ö.). Ausgangspunkt der Reflexion des sakramental ordinierten Amtes ist das Bischofsamt: „Die Heilige Synode lehrt …, dass durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen wird“ (LG 21). Der ekklesialen Bedeutung der Bischöfe entspricht eine neue Gewichtung der Ortskirche, wie insbesondere im Dekret Christus Dominus zum Ausdruck kommt. Die Aufgaben der Bischöfe wie daran anschließend der Presbyter werden regelmäßig in der dreifachen Ausrichtung auf Verkündigung, Heiligung und Leitung beschrieben (vgl. LG 21; 25–27; CD 11). Der Dienst der Presbyter (die Konzilstexte vermeiden das lat. sacerdos), in der Kirchenkonstitution selbst eher nachgeordnet, wird in einem eigenen Dekret behandelt. Bemerkenswert ist darin, wie die traditionelle priesterliche Standesfrömmigkeit durch die Ausrichtung auf den Dienst umgeprägt wird (vgl. z. B. PO 12 f.). Schließlich gibt das Konzil den Anstoß zu einer neuen Ausgestaltung eines eigenen und beständigen Diakonates (vgl. LG 29). LG 21 bestimmt als Mitte der Ordinationshandlung die Handauflegung mit dem Weihegebet (so bereits die Apostolische Konstitution Pius XII. Sacramentum Ordinis 1947: DH 3858–3860). Das Pontificale Romanum (1968/21989; dt. 1994) nimmt in den Texten weitgehend die Ausrichtung aller Amtsstufen auf den differenziert beschriebenen Dienst auf.
3.4.2 Ökumenische Verständigungen
Ordination
Aufgaben
Durch die Umbrüche im römisch-katholischen Kirchenverständnis und eine neue Wertschätzung ordinierter Dienste im Bereich der evangelischen Kirchen ist eine gegenseitige Annäherung in der Ämterfrage erfolgt, ohne dass eine Einigung in allen Punkten möglich wäre. Eine gemeinsame Basis für das Gespräch ist insofern gegeben, als beide Seiten ekklesiologisch beim gemeinsamen Priestertum aller Glaubenden ansetzen, in diesem Rahmen aber ein besonderes Amt im Dienst der Kirche kennen. In den meisten Kirchen werden die betreffenden Personen für dieses Amt ordiniert. Im ökumenischen Gespräch wird versucht, auch in der Bewertung der Ordination zu einem Konsens zu kommen. „‚Überall, wo das Amt der Kirche ausgeübt werden soll, ist Ordination erforderlich‘. In dieser Feststellung liegt nicht lediglich eine disziplinäre Überlegung, sie hat vielmehr wesentliche Bedeutung für die öffentlich sich darstellende Einheit der Kirche“ (Das geistliche Amt in der Kirche Nr. 30/15: 340). Darum ist die Ordination nicht nur als Art und Weise einer kirchlichen Anstellung und Amtseinweisung zu verstehen (Das geistliche Amt in der Kirche Nr. 33/15: 341). Differenzen gibt es allerdings in der katholischerseits als wichtig erachteten Frage, wer ordiniert. Gemeinsam wird festgehalten, dass es Aufgabe des besonderen Amtes in der Kirche ist, den Predigtdienst (Dienst am Wort) und den Dienst an den Sakramenten zu übernehmen. Wenngleich evangelischerseits die Bindung von Wort und Sakrament an das ordinierte Amt zuweilen eher pragmatisch gedacht wird, gibt es doch Stimmen, die in prin-
V. Ordination
zipieller Weise anmahnen, „die selbständige öffentliche Wortverkündigung und die Sakramentsverwaltung an die Bedingung einer vorher vollzogenen Ordination zu binden“5. Die traditionelle Kontroverse über die priesterliche Deutung des ordinierten Amtes ist durch die neue Gewichtung des Leitungs- und Verkündigungsdienstes in der katholischen Kirche und die weitgehende Verständigung über den Opfercharakter der Eucharistie (siehe oben II. Abschnitt 4.2) prinzipiell überwunden, wenngleich durch fortbestehende sazerdotale Vorstellungen in der römisch-katholischen Praxis (Liturgie und Spiritualität) nicht alle Differenzen ausgeräumt sind. Die meisten Probleme bereitet in der ökumenischen Verständigung die konkrete Ausgestaltung des gegliederten Amtes, insbesondere die Bedeutung des bischöflichen Amtes und die Wahrung der apostolischen Sukzession. Dabei hängt die Amtsfrage eng mit dem Kirchenverständnis zusammen: Welchen Stellenwert hat die Kirche und wie soll ihre Einheit konkretgeschichtlich Gestalt gewinnen? Faktisch liegen hier größere Differenzen, die allerdings eher im Bereich der Ekklesiologie zu verhandeln sind.
Ordostufen und Sukzession
3.4.3 Ausblick auf neuere Entwicklungen Die neueren Entwicklungen in der Theologie des sakramental ordinierten Amtes sind weitgehend durch die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßenen ekklesiologischen Umbrüche geprägt. Insbesondere auf der Ebene des presbyteralen Amtes kommt es zu Verunsicherungen. Die Vernachlässigung der Aufgabe der Presbyter auf dem Konzil weckt die Frage nach ihrem ekklesiologischen Ort. Dies gilt umso mehr, als durch die Entwicklung von hauptamtlichen pastoralen Diensten von Laien eine differenziertere Sicht der seelsorglichen Aufgaben notwendig ist. Dabei gehen die neueren Entwicklungen in unterschiedliche Richtungen. Hatte das Konzil die traditionell als spezifisch priesterlich angesehenen sakramentalen Aufgaben (insbesondere die Feier der Eucharistie) durch die Neubewertung des Verkündigungs- und des seelsorglich verstandenen Leitungsdienstes relativiert, so rückt der Priestermangel den sakramentalen Dienst wieder verstärkt in den Mittelpunkt. Die Verunsicherung der Presbyter wird schließlich durch die Diskussion um den Zölibat genährt, die – oft am Misslingen entfacht – wenig dazu beiträgt, ihn als geistliche Lebensform (wieder-)entdecken zu lassen. Insbesondere zwei theologische Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der Amtstheologie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: die Frage nach der Begründung des sakramental ordinierten Amtes und die Frage nach seiner Sinnmitte. In Überwindung einer jahrhundertelangen ekklesiologischen Schieflage durch die Unterscheidung eines „über der Kirche“ stehenden eigenen Klerikerstandes von den ihnen nachgeordneten Laien bindet das Zweite Vatikanische Konzil die ordinierten Amtsträger wieder in die Kirche ein. Das ordinierte Amt ist nicht ein höherer Stand in der Kirche, sondern Dienst an 5
Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie. Bd. 3. Göttingen 1993, 440.
Begründung des ordinierten Amtes
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Spezielle Sakramentenlehre
Aufgaben des presbyteralen Amtes
– Leitungsdienst
der Kirche. In der nachkonziliaren Theologie wird daraufhin diskutiert, was dies für die Begründung des Amtes bedeutet. Abgesehen von einzelnen Stimmen, die sich der Rezeption der konziliaren Vorgabe verweigern, lassen sich zwei Richtungen ausmachen. Die konsequente Ausrichtung auf den Dienst an der Kirche legt es nach Auffassung von Theologen wie Edward Schillebeeckx (vgl. 215) und Herbert Haag6 nahe, das Amt aufgrund des Vorrangs der Gemeinde aus deren Notwendigkeiten zu begründen und es als ein Charisma unter anderen anzusehen. Der traditionellen Begründung des Amtes „von oben“, d. h. durch die Verleihung der Vollmacht Jesu Christi, wird einseitig eine Begründung „von unten“, d. h. durch die Gemeinde, entgegengestellt. Das ordinierte Amt ist eine Funktion des Lebens der Gemeinde und liegt als solche in Begründung und Ausgestaltung ganz in deren Verantwortung. Es bleibt dann aber die Frage, warum eigentlich für dieses Amt ordiniert wird, warum es also anders als andere Berufungen in der Kirche als eigenes Sakrament verstanden wird. Darum setzt eine andere Richtung zwar auch beim Leben der Kirche und der gemeinsamen Würde aller Getauften an. Dem ordinierten Amt wird aber ein besonderer ekklesialer Stellenwert zugeschrieben, der mit Stichworten wie Christusrepräsentation oder Stiftungsdienst näher umschreibbar ist. Weil der ordinierte Amtsträger in der Kirche für das einstehen soll, was die Kirche nicht aus sich hat, wird ihm ein gewisses Gegenüber zur Gemeinde zugeschrieben. Es gilt aber genau hinzusehen: Beabsichtigt ist nicht eine einseitige Begründung der Kirche aus diesem Amt. Denn die christologisch-pneumatologische Qualifizierung der Kirche erfolgt nicht ausschließlich über das Amt (so vor allem Pottmeyer/209 f.), das Amt steht darum auch nicht nur im Gegenüber zur Kirche, sondern ist auch deren Organ (ist auch repraesentatio Ecclesiae): „Amt ist nicht nur sakramentale Christus-Repräsentation, sondern auch sakramentale Repräsentation der Kirche“ (Greshake/196: 122). Ein weiteres, der nachkonziliaren Theologie aufgegebenes Thema ist die Bestimmung der spezifischen Aufgabe(n) des ordinierten, vor allem des presbyteralen Amtes (vgl. Greshake/196: 192–201). Während dem früheren, in erster Linie sazerdotalen Selbstverständnis zufolge der priesterliche Dienst in erster Linie auf die Darbringung des eucharistischen Opfers konzentriert ist, nennt das Konzil dem dreifachen Amt Christi als Priester, Prophet und König entsprechend die drei Aufgabenbereiche Verkündigung (Dienst am Wort), Heiligung (Feier der Sakramente) und Leitung. Um einer bloßen Addition dieser Aufgaben zu entgehen, fragt die nachkonziliare Amtstheologie nach der Mitte des priesterlichen Dienstes, indem jeweils eine Funktion als primärer und die anderen Aspekte integrierender Vollzug beschrieben wird. Die Vorentscheidung für die Frage, welcher Vollzug als zentral angesehen wird, fällt dabei schon im Kirchenverständnis. Walter Kasper setzt bei der Bestimmung der Kirche als Sendungsgemeinschaft an. In ihr dient die Vielfalt der Charismen dem gemeinsamen Ziel, das Versöhnungswerk Jesu Christi weiterzuführen. In dieser Sendungsgemeinschaft, die vom gemeinsamen Priestertum aller Glaubenden getra6
Herbert Haag: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Freiburg i. Br. 2000.
V. Ordination
gen ist, bedarf es eines Amtes, das sich um die Einheit in der Vielfalt der Gaben und Berufungen sorgt: Es ist Dienst an der kirchlichen Integration der Charismen. Im Dienst an der Erfüllung der kirchlichen Sendung hat das sakramental ordinierte Amt seine Mitte in der Gemeindeleitung (also im Dienst des Hirten), die sich in Wortverkündigung und in der Feier der Sakramente vollzieht. Karl Rahner († 1984) zufolge ist die Kirche Sakrament des Heils und somit die Präsenz und Wirkkraft des geschichtlich ergehenden, eschatologisch siegreichen Verheißungswortes Gottes. Dieses Wort muss in jede geschichtliche Situation ausgerichtet werden. Dabei ist es weit mehr als bloße Nachricht (Information), vielmehr teilt es selbst schöpferisch mit, was es sagt. Von diesem ekklesiologischen Ansatz her versteht Rahner den priesterlichen Dienst von der Verkündigung her: Der Priester ist derjenige, der zum Dienst am Wort bevollmächtigt ist. Durch die Verkündigung des Wortes, dessen leibhaftige Konkretion das Sakrament ist (siehe oben S. 66), geschieht Gemeindeleitung. In Absetzung vom traditionellen Priesterbild wird in der neueren Theologie die Feier der Eucharistie nur noch zurückhaltend als Zentrum priesterlichen Dienstes beschrieben. Eine Ausnahme stellt die Amtstheologie von Heinrich Schlier dar. Im Unterschied zur traditionellen sazerdotalen Auffassung des presbyteralen Heiligungsdienstes ist sein Ansatzpunkt jedoch ein dezidiert christologischer. Schlier beschreibt die Hingabe Jesu an den Vater als Mitte der Sendung Jesu. Das sakramental ordinierte Amt steht im Dienst dieser priesterlichen Sendung Jesu, indem dessen radikale Hingabe vor allem in der Eucharistie vergegenwärtigt wird. Hier liegt das Ziel der Verkündigung wie des Leitungsdienstes. In dem Maße, wie die Ekklesiologie selbst eucharistisch grundgelegt wird, wäre eine geläuterte Rückkehr zu einer größeren Gewichtung der Eucharistie im Rahmen des priesterlichen Dienstes durchaus angemessen. Wegen der in der westeuropäischen Kirche zurückgehenden Zahlen von Priesterberufen wird vor allem aus ekklesiologischen Gründen die Frage nach den Zulassungsbedingungen für das ordinierte Amt neu aufgeworfen. Die Beobachtung, dass in vielen Bereichen nicht-ordinierte Personen Dienste übernehmen, die eigentlich die Ordination voraussetzen, dass sie vor allem mehr und mehr den Leitungsdienst für Gemeinden übernehmen, ihn aber nicht durch die Feier der Eucharistie wahrnehmen können, weckt die Sorge, dass die sakramentale Verfasstheit der Kirche ausgedünnt wird. Die Frage liegt nahe, ob die Kirche nicht auf Kosten der sakramentalen Verfasstheit der Kirche an den – weniger bedeutsamen – Zulassungsbedingungen festhält (vgl. Koch/73: 229–253). Innerhalb der Diskussion der Zulassungsbedingungen zum ordinierten Amt stehen zwei Themen zur Debatte: die Zölibatsverpflichtung (siehe dazu unten S. 174 f.) und die Frauenordination. In einer Zeit weitgehender Gleichberechtigung, aber auch mit Blick auf Gal 3,28 stößt der Ausschluss der Frau vom Ordo vielfach auf Unverständnis. Theologiegeschichtlich wurde die kirchliche Praxis, nur Männer zu ordinieren, mit Geschlechtertheorien und soziologischen Einschätzungen gestützt, die heute nicht mehr haltbar sind. Demgegenüber begründet das Apostolische Lehrschreiben
– Wortverkündigung
– Heiligungsdienst
Zulassungsbedingungen
Frauenordination
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Spezielle Sakramentenlehre
neue pastorale Berufe
Inter insigniores von 1976 die Nichtzulassung von Frauen zur Ordination mit der Praxis Jesu, die nicht allein aus soziokulturellen Bedingtheiten zu erklären sei. Diese Lehraussage schärft das Apostolische Schreiben Ordinatio sacerdotalis 1994 erneut ein. Die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und alle Gläubigen hätten sich endgültig an diese Entscheidung zu halten. Über das Schreiben ist eine erneute Diskussion entstanden, die vor allem seine Verbindlichkeit betrifft. Eng mit der Ordo-Frage verbunden ist die theologische Ortsbestimmung der neueren pastoralen Dienste von Laien. Da Laien Aufgaben übernehmen, die früher zu den presbyteralen Diensten gezählt wurden, diagnostizieren manche Stimmen ein Ordinationsdefizit und plädieren dafür, es zu beheben. Demzufolge sollten die Pastoralreferenten und -referentinnen entweder zu Presbytern ordiniert oder in einer neuen Form ordinierten Dienstes in den Ordo integriert werden (vgl. Rahner/212; Hünermann/200; Bausenhart/189: 323). Dies ist im Blick auf manche Einsatzformen von Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen richtig. Bezüglich der Einrichtung einer neuen Ordo-Stufe ist allerdings nach dem spezifischen Profil zu fragen, das diese Stufe vom presbyteralen Dienst unterscheiden würde. Richtig ist, dass die Kirche, so wie sie zulassen konnte, dass manche Formen amtlicher Dienste im Laufe der Geschichte nicht fortgeführt wurden, auch neue Stufen des Ordo einrichten kann und dies, wenn es vom kirchlichen Leben her geboten ist, auch tun sollte. Dennoch sollte die Suche nach einem Berufsprofil für die bereits neu entstandenen pastoralen Dienste von Laien nicht abgebrochen werden. Hilfreich dazu könnte ein gnadentheologischer Ansatz der Ekklesiologie sein. Darin wird auf der einen Seite das Geschenkhafte des neuen Lebens zu betonen sein, für das der ordinierte Dienst einsteht. Die neue, göttliche Dimension von Leben wird der Kirche auf der anderen Seite geschenkt als Lebensinhalt und Lebenswirklichkeit. Der Kirche ist kraft des Geistes die Übernahme und Verwirklichung des Geschenkten aufgetragen. Dazu sind alle Glieder der Kirche berufen. Um die Erfüllung dieses Auftrags zu fördern, dazu zu helfen und zu befähigen, können einzelne Menschen in besonderer Weise beauftragt werden, ohne dass sie dafür einer sakramentalen Ordination bedürften (vgl. Faber/193).
4. Systematische Entfaltung 4.1 Das sakramentale Amt in seiner Bedeutung für die Kirche (LG 10) Ansatz beim priesterlichen Gottesvolk
Die gegenwärtige Diskussion um das sakramentale Amt trägt an der Last der Geschichte, in der die Verortung dieses Amtes in der Kirche und als Dienst an der Kirche durch eine einseitige Gewichtung auf Kosten der gemeinsamen Würde und Sendung aller Christen verunklart wurde. Demgegenüber gilt es, nach einer theologisch-ekklesiologischen Verortung des sakramentalen Amtes zu suchen. Dies soll hier in Konkretisierung des oben in Abschnitt 1. Gesagten anhand von LG 10 geschehen (vgl. Hintzen/199).
V. Ordination
Der Konzilstext befasst sich mit dem priesterlichen Gottesvolk und erörtert in diesem Zusammenhang, wie sich das gemeinsame Priestertum aller Glaubenden zum Dienst- oder Amtspriestertum verhält. Der Gedankengang hebt mit dem Blick auf die Wurzel allen christlichen Priestertums, dem Hohepriester Jesus Christus, an und führt unmittelbar zum gemeinsamen Priestertum: „Christus der Herr, als Hoherpriester aus den Menschen genommen …, hat das neue Volk ‚zum Königreich und zu Priestern für Gott und seinen Vater gemacht‘.“ Mit dem Priestertum Jesu Christi hat alles religiöse Priestertum einen neuen Inhalt und vor allem eine neue Basis gefunden. Denn die priesterliche Würde von Christen gründet im Priestertum Jesu Christi, dessen Hingabe zugleich neu bestimmt, was mit dem charakteristisch priesterlichen Vollzug des Opfers gemeint ist: die Selbstgabe der eigenen Existenz, von der in LG 10 am Ende des ersten Absatzes sowie am Schluss gesprochen wird. Als ausdrückliche Weise, wie die Rückbindung des gemeinsamen Priestertums an Priestertum und Selbsthingabe Jesu Christi konkret wird, führt LG 10 die liturgische, sakramentale Dimension ein: „Die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priesteramt aus im Empfang der Sakramente.“ Das priesterliche Opfer Jesu Christi nimmt eine sakramentale Form an, indem er das, was der Kern seines Opfers ist, nämlich seine liebende Selbstgabe, symbolisiert: Er gibt Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut. Die sakramentale Aufnahme dieser symbolhaften Form der Selbstgabe ist der Weg, wie die Lebenshingabe der Christen Rückbindung an die Selbsthingabe Jesu Christi sucht, weil und damit sie nicht zu leistendes Werk, sondern ein gnadenhaftes Mitgenommensein ist. Eingebunden in diese Reflexionen finden sich die Ausführungen über das Dienst-Priestertum des ordinierten Amtsträgers (sacerdos ministerialis). Ihm wird hier wie an vielen anderen Stellen ein dreifacher Dienst zugeschrieben: Verkündigung, Leitung, Heiligung, wobei die Eucharistie ausdrücklich genannt ist: „Der Amtsträger nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt (sacra potestas), die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gottes dar.“ Damit ist eine sehr präzise Ortszuweisung erfolgt. Daseinssinn der ordinierten Amtsträger ist das gemeinsame Priestertum. Sie stehen im Dienst jener Vollzüge, durch die die priesterliche Selbstgabe des Gottesvolkes in der Hingabe Jesu Christi verwurzelt bleibt. Diese Sichtweise des ministerialen Priestertums ist der Grund, warum beide Weisen des Priestertums nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern positiv aufeinander bezogen sind. In diesem Sinne ist ein missverständlicher und oft missverstandener Passus aus LG 10 zu verstehen: „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil.“ Die Formulierung „zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ ist nicht eindeutig und von ihrer Herkunft her belastet, weil sie traditionell dazu dient, das
sakramentale Dimension christlichen Lebens
Dienst des ordinierten Amtsträgers
dem Wesen, nicht bloß dem Grade nach
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Spezielle Sakramentenlehre
gemeinsames Priestertum
eigentliche Priestertum von einem nur uneigentlichen zu unterscheiden (vgl. Müller/207: 154–157). Im Kontext von LG 10 erfährt die frühere Formulierung jedoch eine Umdeutung, die durch die Rezeptionsgeschichte bestätigt wird. In einem offiziellen ökumenischen Dialog wird die maßgebliche Interpretation wie folgt wiedergegeben: „Das kirchliche Amt ist nicht aus der Gemeinde ableitbar; aber es ist auch nicht eine Steigerung des gemeinsamen Priestertums, der Amtsträger ist als solcher nicht in einem höheren Grad Christ. Das Amt liegt vielmehr auf einer anderen Ebene; es hat das Priestertum des Dienstes, das dem gemeinsamen Priestertum dienend zugeordnet ist“ (Das geistliche Amt in der Kirche Nr. 20/15: 336). Ein wesenhafter Unterschied schließt eine Hierarchisierung zwischen gemeinsamem und Dienst-Priestertum aus, während ein gradueller Unterschied im Blick auf einen gemeinsamen Maßstab verschiedene Stufen feststellen würde. Das Spezifische des durch Ordination begründeten Priestertums ist aber nicht eine Steigerung des Getauftseins und der christlichen Berufung, sondern eine wesenhaft andere Aufgabe im kirchlichen Leben. Aus diesem Grund ist das gemeinsame Priestertum aller Glaubenden erstens nicht ein mit dem Beiklang von „uneigentlich“ versehenes allgemeines Priestertum, und zweitens ist es dezidiert als gemeinsames zu verstehen, dessen Würde und Verpflichtung auch dem sakramental ordinierten Amtsträger eigen ist. Damit ist prinzipiell geklärt, dass es sich beim sakramentalen Amt um eine Struktur der Kirche handelt, nicht um einen Stand. Denn was diese Struktur grundlegend gewährleistet, ist die Verankerung im Leben Gottes, auf die alle Glieder der Kirche, ob ordiniert oder nicht, angewiesen sind. Dies müsste Konsequenzen für die Einschätzung der Konzelebrationspraxis haben, welche die gemeinte Struktur eher verstellt (vgl. dazu Greshake/195). Ausdrücklich sei angefügt, dass sich das Wirken Jesu Christi in seiner Kirche nicht allein durch ordinierte Amtsträger vermittelt (ebenso wie die Kirche nicht allein durch Wort und Sakrament in Christus verankert ist: siehe oben S. 52 f.). Im kirchlichen Leben nehmen die Gnade Jesu Christi und das Wirken seines Geistes auf vielfältige Weise Gestalt an. Komplementär dazu gibt es aber in der Kirche und im Gefüge ihrer Dienste jenen sakramental begründeten Dienst, in dem das Wirken Jesu Christi in seiner Kirche einen objektiven Ausdruck erhält. Nicht nur dort, wo die Charismen Kirche beleben und das Wirken des Geistes greifbar wird, ist Gottes Gegenwart zugesagt, sondern grundsätzlicher, wenn auch gleichzeitig vielleicht alltäglicher und armseliger, in der Struktur der Kirche. Dort, wo öffentlich diejenigen Vollzüge gesetzt werden, die Kirche konstituieren, ist es nicht allein vom Charisma einzelner Menschen abhängig, wie Gottes Wirken zum Zuge kommt. Hier gewährleistet die sakramentale Verfasstheit der Kirche, zu der das sakramentale Amt gehört, eine grundlegende, nicht von Menschen abhängige Verwurzelung der Kirche in Gottes Heilshandeln.
V. Ordination
4.2 Der Sinn der Ordination Die Communio-Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils setzt bei der christlichen Würde, Berufung und Sendung aller Glieder der Kirche an. Erst sekundär sind spezifische Dienste und Berufungen sowie die entsprechenden Charismen zu unterscheiden. Dies gilt auch für den durch Ordination übertragenen Dienst, der gleichwohl im Gefüge der verschiedenen Dienste eine im Vergleich zu diesen andersgeartete Bedeutung hat. Ohne den Wert anderer Berufungen in der Kirche zu schmälern, kommt dem sakramentalen Amt ein spezifischer, ekklesialer Stellenwert zu, der sich schon darin manifestiert, dass dieser Dienst eine sakramentale Bevollmächtigung voraussetzt, während für andere Ämter und Aufgaben nicht ordiniert wird. Welchen Sinn hat die Ordination? Warum werden Menschen zu dieser Aufgabe ordiniert und nicht einfach nur beauftragt? Warum ist die Ordination ein Sakrament? Die Kirche lebt aus dem Wirken Jesu Christi. Dieses Verdanktsein spiegelt sich strukturell in dem durch Ordination übertragenen Amt, welches ein Dienst ist, der dem Wesen der Kirche entspricht, ohne deswegen aus der Kirche abgeleitet werden zu können. Dieses Amt ist vom Wesen der Kirche her erfordert, weil sie nur im Aufgebrochensein auf Gott hin das sein kann, was sie ist. Dennoch kann dieses Amt nicht aus der Kirche allein begründet werden, weil in diesem Dienst nicht nur aktualisiert wird, was Kirche immer schon ist. Im Blick auf die Gemeinde formuliert Peter Hünermann7: Die Gemeinde erkennt, „daß der Dienst, dessen sie bedarf, ein Dienst sein muß, der in der Vollmacht des Herrn, nicht einfach im Namen der Gemeinde ausgeübt wird“. Mit anderen Worten: Die Kirche bedarf dieses Amtes, doch ist dies ein solches Bedürfen, das die Kirche sich nicht selbst beantworten kann. Darum geschieht die Übertragung dieses Amtes nicht durch Beauftragung, sondern durch die Ordination, die als sakramentaler Vollzug eine Bevollmächtigung ist, die ausdrücklich auf Gott rekurriert. Die Kirche delegiert hier nicht das, was ihr eigen ist, an Einzelne, sondern sie ordiniert, damit es in der Kirche den Dienst gibt, den sie nicht selbst begründen kann. Die sakramentale Bevollmächtigung „stellt sinnenfällig und zeichenhaft heraus, dass die Gabe selbst Geschenk ist und nicht sozusagen von der Gnade und Macht der Kirche abhängen. Weder die Kirche in ihrer Gesamtheit noch in ihren kompetenten Amtsträgern besitzt Verfügungsrecht über die Botschaft Jesu Christi“ (Karrer/201: 263). Die Vollmacht der Ordinierten wird so als „fremde“ Vollmacht gekennzeichnet, die nicht in eigenem Namen, sondern im Namen Jesu Christi ausgeübt wird und bleibend an ihn zurückgebunden ist. Dies ist auch der Grund, warum die pastoralen Dienste von Laien nicht auf der Delegation der Vollzüge, die eigentlich die Ordination voraussetzen, beruhen sollten. Die Ordinierten haben nicht eine Vollmacht, die sie dann weitergeben könnten, sondern handeln aus bleibend verliehener Vollmacht. 7
Peter Hünermann: Ekklesiologie im Präsens. Perspektiven. Münster 1995, 243.
spezifischer ekklesialer Stellenwert
Rekurs auf Gottes Wirken
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Spezielle Sakramentenlehre sakramentale Struktur des ordinierten Dienstes
character indelebilis
Der Sinn der Ordination ist in besonderer Weise an den Vollzügen auszumachen, um deretwillen ordiniert wird: Wort und Sakrament und die darin geschehende Leitung der Kirche. Es sind jene Vollzüge, die im kirchlichen Leben einen besonderen Rang haben, weil sie Kristallisationen der Vor-Gabe sind, aus der die Kirche und die Einzelnen leben. Die sakramentale Indienstnahme kennzeichnet den Dienst der Ordinierten als einen solchen, in dem nicht die menschliche Vermittlung das Entscheidende ist, sondern die durch sie konkretisierte heilvolle Nähe Gottes. In eigentümlicher Weise spiegelt sich so am sakramentalen Amt die Spannung, die das Kirchesein ausmacht: Die sakramentale Bevollmächtigung begründet ein Dienstamt, das durch einen prinzipiellen und radikalen Bruch gezeichnet ist, weil durch menschlichen Dienst vollzogen werden soll, was Gott in der Kirche und an Menschen wirken will. Die sakramentale Bevollmächtigung gibt dem Dienst des Ordinierten somit wiederum die Grundstruktur des Sakramentalen: Im sichtbaren Zeichen, nämlich im Dienst eines Menschen, geschieht mehr als nur menschliches Tun, weil dieses in Dienst genommen ist für das Wirken Jesu Christi in seiner Kirche. Um zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei dieser Indienstnahme um eine objektive Beanspruchung eines Menschen handelt, spricht die katholische Tradition von dem mit der Ordination verliehenen character indelebilis, dem unauslöschlichen Merkmal (siehe im Ersten Teil, Abschnitt IV.6.2). „Unauslöschlich ist es deshalb, weil es in der unverbrüchlichen Verheißung und im reuelosen Willen Christi gründet, durch den Dienst des Geweihten sein Heilswerk weiterzuvermitteln. Weil die Befähigung zum amtlichen Dienst von Gott selbst stammt …, können Sünde und Versagen des Menschen sie auch nicht auslöschen und zunichte machen“ (Greshake/196: 282 f.). In ontologischen Kategorien soll also „der Vorrang der göttlichen Wirkung am Menschen vor allem menschlichen Tun“ zum Ausdruck gebracht werden (Lehrverurteilungen – kirchentrennend/17: 162). Zum anderen steht hinter dieser Ausdrucksweise die Überzeugung, dass die ordinierte Person unwiderruflich für ihren Dienst in Beschlag genommen ist.
4.3 Zeichenhafter Verweis auf Christus Repräsentation Jesu Christi als des ersten Subjektes
Jesus Christus selbst ist Lebensgrund seiner Kirche, Hirte seines Volkes, er spricht zu ihr das rettende und heilende Wort und ruft in seine Sendung hinein. Dieses sein Wirken gibt er nicht an Menschen ab, wohl aber wird es durch Menschen repräsentiert. Den Auftrag des ordinierten Amtsträgers, zeichenhaft auf das Voraus Jesu Christi zu verweisen, verdeutlicht Bischof Kurt Koch an der Symbolgestalt der Sakramentenliturgie. Deren primäres Subjekt ist der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils zufolge Jesus Christus (vgl. SC 7). Er ist allerdings nicht das exklusive Subjekt der Liturgie, weil die Kirche eintritt in sein gottesdienstliches Handeln: das sekundäre Subjekt. Die ordinierten Amtsträger nennt Koch das tertiäre Subjekt: „Denn damit der ganzen Kirche als dem sekundären Subjekt der Liturgie deutlich vor Augen tritt, daß der Gottesdienst nicht ein-
V. Ordination
fach eine kirchliche Veranstaltung ist und daß folglich nicht sie, sondern der auferweckte und erhöhte Christus das primäre Subjekt der liturgischen Feier ist, ist sie auf den Priester als das tertiäre Subjekt der Liturgie angewiesen. Denn dieser ist nicht nur Repräsentant der Gemeinde, der er im Namen Christi und im Auftrag der Gemeinde vorsteht, sondern er ist auch Repräsentant Christi, der als solcher der Gemeinde auch gegenübersteht.“8 Anders gesagt: In der Symbolgestalt der ordinierten Person soll greifbar werden, dass der einzelne Mensch und die Kirche nicht nur sich selbst begegnet, sondern dass die Einzelnen wie die Kirche aus dem Entgegenkommen Jesu Christi leben. Näher zu präzisieren ist aber, was „Christusrepräsentation“, zeichenhafter Verweis auf Jesus Christus, bedeutet (und was nicht). Die Unterscheidung von drei Subjekten in der Liturgie bzw. im kirchlichen Leben überhaupt ist weiterführend, weil sie verdeutlicht, dass der ordinierte Amtsträger nicht an die Stelle Jesu Christi tritt, als ob er ihn gleichsam ersetzte. Er bleibt tertiäres Subjekt und verschmilzt nicht mit dem ersten Subjekt. Es geht also um eine Form von Repräsentation, die dem ersten Subjekt kirchlichen Lebens die ihr gebührende Stelle offenhält. „Das Vorsteheramt leistet so die zeichenhafte Repräsentation Christi gerade nicht als Identifikation, sondern als Differenzierung. Es hält die Differenz zwischen Christus und Gottesvolk offen und dient damit der wachsenden Wirklichkeit Christi in der Kirche“ (Pottmeyer/209: 46). Darum ist diese Repräsentation Christi auch nicht die Vertretung eines Abwesenden, der nur durch Stellvertreter handeln könnte. Die Amtsträger sind Fingerzeig auf den gegenwärtigen und unmittelbar wirkenden Herrn; sie sind somit, wie Rahner am Sakramentsvollzug verdeutlicht, der Zeichenebene des Sakramentes zuzuordnen. „Die Tat des menschlichen, bevollmächtigten Sakramentenspenders gehört zwar in die Konstitution des Zeichens der Gegenwart Christi hinein, der Sakramentenspender vertritt zwar in der Dimension des Zeichens, des wirksamen ‚signum‘ die Stelle Christi. Da er aber nicht die sakramentale Gnade, die ‚res sacramenti‘ selbst wirkursächlich im eigentlichen Sinne bewirkt, ersetzt er nicht die Gegenwart Christi selbst. Mit anderen Worten: Der menschliche Spender des Sakramentes vertritt nicht den abwesenden Christus, sondern repräsentiert in der Dimension des (wirksamen) Zeichens den gegenwärtigen Christus, der durch sich selbst in seinem Pneuma die Gnade wirkt“ (Rahner/211: 403).
Der zeichenhafte Verweis auf Jesus Christus geschieht in unterschiedlicher Dichte. In einem weitgefassten Sinn ist die Sache als solche auch nicht ordinierten Amtsträgern vorbehalten. Alle Christen und Christinnen sind aufgrund der Taufe „Christusse“, denen aufgetragen ist, füreinander Christus zu repräsentieren. Jene Christusrepräsentation, für die es der Ordination bedarf, ist bezogen auf den öffentlichen Bereich der Kirche, oder genauer: auf den Bereich der öffentlichen kirchekonstituierenden Vollzüge. 8 Kurt Koch: Die Gemeinde und ihre gottesdienstliche Feier. Ekklesiologische Anmerkungen zum Subjekt der Liturgie. In: StZ 121 (1996) 75–89, 78.
Repräsentation, nicht Stellvertretung
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Spezielle Sakramentenlehre
Da, wo jemand ständig und öffentlich verantwortlich dafür ist, der Kirche ihre Verwiesenheit auf Christus vor Augen zu stellen, bedarf es um der authentischen Symbolgestalt der Kirche willen der Ordination. „Um ihre Sendung zu erfüllen, braucht die Kirche Personen, die öffentlich und ständig dafür verantwortlich sind, auf ihre fundamentale Abhängigkeit von Jesus Christus hinzuweisen, und die dadurch innerhalb der vielfältigen Gaben einen Bezugspunkt ihrer Einheit darstellen. Das Amt solcher Personen, die seit sehr früher Zeit ordiniert wurden, ist konstitutiv für das Leben und Zeugnis der Kirche“ (Lima-Dokument, Amt Nr. 8/16: 569).
Der so benannte spezifische, nämlich kirchlich-öffentliche Kontext, für den die Ordination zum zeichenhaften Verweis auf Christus bevollmächtigt, ist selbst noch einmal differenziert zu betrachten. Um eine „ontologische Repräsentationsmystik“ zu überwinden, unterstreicht das Zweite Vatikanische Konzil den handlungsbezogenen Charakter der Repräsentation. Das dem ordinierten Amtsträger aufgetragene Einstehen für das Voraus Christi ist unterschiedlich zu charakterisieren, je nach dem, ob es um die Feier der Sakramente, die Wortverkündigung, verschiedene andere Leitungsvollzüge oder das Lebenszeugnis geht. Grundsätzlich ist das Ordiniertsein derjenigen Amtsträger, die in der Kirche den Leitungsdienst übernehmen, bedeutsam für die Symbolgestalt des Sakramentes Kirche. Die objektive Dimension des Amtes, gemäß derer der Ordinierte „in persona Christi“ handelt, kommt aber vor allem im Vollzug der Sakramente zum Tragen. Nicht von ungefähr erwachsen entscheidende Impulse für die Amtstheologie in der die Sakramentspraxis betreffenden donatistischen Krise (siehe oben S. 36–38). Verallgemeinert lautet die Frage, ob Gnadenvermittlung sich charismatisch vollzieht oder ob es eine institutionelle Gnadenvermittlung gibt, die gültig und wirksam auch außerhalb der Großkirche in schismatischen Gemeinschaften, gültig und wirksam auch bei Unwürdigkeit des Sakramentenspenders (dies wurde in späteren Zeiten immer wieder betont: vgl. DH 580; 793f. usw.) ist. Zur Feier der Sakramente bedarf es zwar eines ordinierten Amtsträgers, es bedarf seiner aber nicht aufgrund seiner persönlichen Heiligkeit. Er steht für etwas, das nicht mit ihm identisch ist; in ihm vermittelt sich das doch von ihm unabhängige Gnadengeschehen. In diesen sakramentstheologischen Kontexten erwächst der Gedanke der objektiv gewährleisteten Christusrepräsentation. Weil Jesus Christus in diesen Zusammenhängen der getreu Handelnde ist, erfüllt sich die Wahrheit des Zeichens, auch wenn die Zeichengestalt auf der „Spenderseite“ defizient ist. Positiv gesehen bedeutet dies eine Befreiung. Wer ein Sakrament empfängt, ist nicht verwiesen auf das Charisma des Amtsträgers, sondern ist verwiesen auf das Wirken Gottes. Bezeichnenderweise wendet sich Augustinus gegen das donatistische Verständnis des Amtsträgers als Mittler: Zu Unrecht stelle der Donatist Parmenian „den Bischof als Mittler zwischen Gott und das Volk“ (Contra epistulam Parmeniani 2,8,15: CSEL 51,61). Der Amtsträger hebt nicht als Mittler die Unmittelbarkeit von Gott und Volk auf, sondern führt in sie hinein.
V. Ordination
4.4 Charisma und Amt Von diesem Punkt aus wird nun aber eine gegenläufige Klärung notwendig. Wenn in bestimmten Zusammenhängen die sakramental verliehene Vollmacht unabhängig vom persönlichen Charisma betont wird, dann um sicherzustellen, dass die ekklesial bedeutsamen Vollzüge, die an den sakramental ordinierten Amtsträger gebunden sind, nicht von dessen Begnadetheit abhängen. Wer ein Sakrament empfängt oder das Wort hört, soll nicht an Menschen und deren persönliche Heiligkeit gebunden werden, sondern allein an Gott selbst. Andernfalls wären die sakramental ordinierten Amtsträger doch Mittler neben dem einen Mittler Jesus Christus. Unbeschadet dessen ist die subjektive und charismatische Dimension des Amtes, d. h. die Art und Weise, wie ein Amtsträger seinen Dienst ausfüllt und seinem Auftrag durch ein persönliches Leben in der Nachfolge Jesu entspricht, nicht gleichgültig. Die Indienstnahme eines Menschen für das Wirken Jesu Christi wird in der Kirche für so tiefgreifend gehalten, dass sie als lebenslange und ganzheitliche Beanspruchung verstanden wird. Zwei theologiegeschichtliche Beobachtungen sollen die Bedeutung der subjektiven Entsprechung zu dem objektiv aufgetragenen Dienst veranschaulichen. Trotz der mit der donatistischen Krise gegebenen Klärung finden sich im Mittelalter Tendenzen, für die Sakramente einen begnadeten Spender zu suchen, von dessen Heiligkeit in den Sakramenten also ein Mehr an Gnade zu erwarten ist. In der Vita des heiligen Bischofs Faro von Meaux wird die erfolgreiche Politik eines Merowingerkönigs darauf zurückgeführt, dass er von eben diesem heiligen Bischof getauft worden sei (vgl. Angenendt/49: 451). Gibt es Taufen, die mehr wert sind, je nach dem, wer sie vollzogen hat? Der Rekurs auf den in der Taufe eigentlich handelnden Christus und somit die Verobjektivierung des dem Amtsträger aufgegebenen Beitrags befreit von solchen Wertungen. Ähnliches könnte von der mit verliehener Vollmacht gegebenen Lossprechung in der Beichte gesagt werden. In diesem Zusammenhang ist aber zugleich an das Phänomen der Mönchsbeichte zu erinnern. In der Ostkirche suchen Poenitenten Mönche auf, denen sie das Charisma der Vergebung zuschreiben. Dabei entwickelt sich durchaus eine Konkurrenz zur amtlichen Bußpraxis. Wiederum stellt sich die Frage ein, was mehr wert ist: die Vergebungszusage des charismatischen Mönches oder jene des bevollmächtigten Amtsträgers. Wie in diesem Zusammenhang zutage tritt, ist das Plädoyer für den Rekurs auf die objektive Gnadenzusage auszubalancieren mit einem anderen Aspekt des Sakramentsgeschehens. Der Wert der Lossprechung hängt nicht vom Charisma des Amtsträgers ab, wohl aber die Weise, wie fruchtbar das Bußgeschehen für den Poenitenten wird, weil es bei dieser Praxis von Buße zugleich auch um die geistliche Begleitung des umfassenderen Bußgeschehens geht. Und diesbezüglich ist es nicht gleichgültig, wie es um Charisma und Heiligkeit des Amtsträgers bestellt ist. Die Reduktion auf die sakramental verliehene Vollmacht ist eine Grenzbestimmung, die erstens nur für die sakramentalen Kernvollzüge Geltung hat und die zweitens nicht den Idealfall schildert.
Amt und subjektive Beanspruchung
relative Bedeutung des Charismas
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Zölibat
Evangelische Räte
Ihren Wert hat die Unterscheidung von Amt und Charisma im Blick auf die Kirche und die Gläubigen, um deren Freiheit und Unabhängigkeit vom Charisma des Amtsträgers zu gewährleisten; im Blick auf den Amtsträger aber ist die Zusammengehörigkeit von Amt und Charisma zu beachten. Ein Weg, dies zu gewährleisten, ist die in der lateinischen Kirche geltende Zölibatsverpflichtung für die ordinierten Amtsträger. Mag eine Wurzel für die Entstehung des Zölibates ein bestimmtes Verständnis kultischer Reinheit sein, so lässt sich seine Bedeutung nicht darauf reduzieren. Faktisch bedeutet der Zölibat heute, dass im Charisma der Ehelosigkeit die Gewähr für die Rückbindung der amtlichen Vollmacht an das Charisma gesucht wird. Dabei ist die Zölibatsverpflichtung eine nicht unumstößliche kirchenrechtliche Regelung. Denn das Charisma des Presbyters ist nicht identisch mit dem Charisma der Ehelosigkeit, ebensowenig wie das Charisma der Ehelosigkeit mit dem Charisma des Presbyters identisch ist. Eine solche Relativierung dispensiert jedoch nicht davon, nach dem Sinn dieser geistlichen Lebensform zu fragen. Mit dem Zölibat wird einer der an sich zusammengehörigen Evangelischen Räte aufgenommen. So steht die Ehelosigkeit auch beim Priesteramt nicht allein, sondern verbindet sich mit dem Gehorsamsversprechen. Obwohl von der Armut nicht ausdrücklich die Rede ist, gehört sie ebenfalls dazu. Dies gilt umso mehr, als in einer Gesellschaft von Singles Ehe und Ehelosigkeit eine völlig veränderte Einschätzung erfahren. Die Ehelosigkeit kann heute nur in Verbindung mit einer glaubwürdigen persönlichen Lebensgestaltung zeichenhafte Bedeutung beanspruchen. Die Evangelischen Räte motivieren zum Verzicht auf Selbstbehauptung durch Besitz, auf Selbstbestimmung und auf Erfüllung einer intimen Dimension des eigenen Liebesbedürfnisses; sie zielen so gemeinsam auf eine Haltung, die alles von Gott erwartet. Warum ist es sinnvoll, einen solchen Lebensentwurf für diejenigen vorzusehen, die den Dienst von sakramental ordinierten Amtsträgern übernehmen? Wenn es das Eigentümliche dieses Amtes ist, dass es dazu dient, das Wirken Jesu Christi selbst zu repräsentieren – deswegen ist es ja an die sakramentale Ordination gebunden –, dann ist von der Person, die dieses Amt innehat, die Bereitschaft verlangt, sich persönlich zurückzunehmen. Der Vorsteher, der die Leitung einer Gemeinde übernimmt, darf diese Funktion nicht dazu nutzen, seine eigene Ideen durchzusetzen, darf nicht Menschen auf sich ausrichten, sondern soll sie an Gott binden und zur je persönlichen Nachfolge befähigen; wer das Wort verkündet, soll eben dieses zur Sprache bringen, nicht die eigenen witzigen und spritzigen Einfälle; der Vorsteher der Eucharistiefeier – anlog bei den anderen Sakramenten – hat nicht seine eigene Frömmigkeit zur Schau zu stellen. Ob dies gelingt, hängt zumindest auch daran, ob jemand selbst alles auf Gott setzt. An liturgischen Vollzügen wird sich widerspiegeln, ob sie von dem Vertrauen getragen sind, dass Gott selbst etwas zu sagen hat und selbst wirken will. Zerredet wird oft nicht nur die Wirkung, die ein Symbol hat – damit würden nur Gesetze der Inszenierung missachtet; zerredet werden kann auch die Begegnung mit Gott, der selbst etwas zu sagen hat, was prinzipiell nicht inszenierbar ist.
V. Ordination
Wer ehelos, arm und gehorsam lebt, muss – wenn dieser Verzicht in gesunder Weise gelebt werden soll – existentiell glauben und bejahen, dass Gott eine so lebendige Wirklichkeit ist, dass um seinetwillen auf das verzichtet werden kann, was an sich gut und schön ist. Wer darauf setzt, kann auch den eigenen Dienst als einen reinen Verweisdienst betrachten in der Überzeugung, selbst bei weitem nicht so viel geben zu können, wie Gott zu geben bereit ist. So gesehen wäre es zu kurz gegriffen, den Zölibat allein um der Verfügbarkeit willen zu befürworten. Im Gegenteil, wird er nur in diesem Sinne gelebt, so kann gerade pervertiert werden, worum es eigentlich geht. Denn wer allein für andere Menschen verfügbar sein will, läuft in Gefahr, nur über die eigenen Kapazitäten verfügen und sie anderen überlassen zu wollen, als wäre das die alles entscheidende Gabe. Das Charisma der Ehelosigkeit hat zuerst mit der eigenen Gottesbeziehung zu tun. Gewiss ist ein solches Geworfensein auf Gott nicht einem ehelosen Leben vorbehalten (siehe Abschnitt VI. zur Theologie der Ehe!). Wohl aber kann gelten, dass die Bindung des sakramentalen Amtes an den Zölibat ein sinnvoller Versuch ist, die charismatische Dimension des Amtes zu gewährleisten. In dem Moment, wo die Zölibatsverpflichtung aufgehoben würde, wäre neu zu reflektieren, in welcher Weise im Blick auf eine Amtsübertragung das vorauszusetzende Charisma geprüft werden kann – wie dies im Übrigen heute schon bei den Kandidaten und Kandidatinnen für den Ständigen Diakonat und für den Dienst des Pastoralreferenten notwendig ist, bei denen ebenfalls Amt und Charisma zusammenzuhalten sind.
Literaturempfehlungen Eine ausgewogene biblische Darstellung bietet Walter Kirchschläger (182); aufschlussreich sind auch die entsprechenden Passagen bei Jürgen Roloff (184). Eine engagierte Darstellung bietet die Monographie von Gisbert Greshake (194 bzw. 196). Eine lohnende Lektüre nicht nur im Blick auf die Theologie des II. Vatikannischen Konzils, sondern auch für ein authentisches gegenwärtiges Amtsverständnis bieten die Kommentierungen vom Ottmar Fuchs und Peter Hünermann zu den entsprechenden Konzilsdekreten (186a und b). Spirituelle und lebenspraktische Anregungen geben Klaus Demmer (192) und Hubertus Brantzen (190).
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VI. Ehe 1. Hinführung: Die Ehe aus anthropologischer Sicht
Sozialgestalt
personale Lebensgemeinschaft
religiöse Dimension
Im Ehesakrament wird die menschliche Wirklichkeit der Ehe geheiligt. Aus diesem Grund muss eine Theologie der Ehe ihrer anthropologischen Wirklichkeit und ihrer kulturellen Bedingtheit Rechnung tragen. Auf einer ersten Ebene dient die Ehe der Regulierung menschlicher Sexualität, nicht zuletzt deswegen, weil der Mensch als Frühgeburt zur Welt kommt und im Vergleich zu anderen Lebewesen über längere Zeit hinweg einen Schutzraum braucht, um heranzuwachsen. Zudem stellt die menschliche Sexualität nicht ein natürlich-biologisches, instinktgesteuertes Phänomen dar, sondern ist in die ethische Verantwortung des Menschen gegeben. In soziologischer Perspektive bildet die Ehe die kleinste Einheit der Gesellschaft. Gerade in diesem Bereich sind durch die Geschichte hindurch einschneidende Veränderungen feststellbar. Frühere Sozialgestalten von Ehe waren nicht zuletzt durch Aspekte wirtschaftlicher Art bestimmt und zusammengehalten, insofern die Familie eine Produktionsgemeinschaft, nach der Industrialisierung immerhin noch eine Versorgungsgemeinschaft bildete. Demgegenüber haben durch strukturelle Veränderungen in der Arbeitswelt wie vor allem durch die veränderte gesellschaftliche Stellung der Frau ökonomische Faktoren heute an Bedeutung verloren. Märchen und Mythen zeugen von der menschlichen Sehnsucht nach dem Gelingen der Ehe als erfüllter personaler Lebens- und Liebesgemeinschaft. Konnte eine Ehe in früheren Zeiten dazu werden, so ist die partnerschaftliche Liebe heute angestrebtes Ziel. Es dürfte nicht übertrieben sein, die hohen Erwartungen, die damit an die Ehe gestellt werden, als religiös zu qualifizieren (vgl. U. Beck, Die irdische Religion der Liebe. In: 221: 231). Gleichzeitig ist das Gelingen dieser Lebensgemeinschaft angefochten. Da sie kaum noch durch andere Faktoren (wirtschaftliche Abhängigkeiten, familiäre Einbindungen) stabilisiert wird, ist der Zusammenhalt durch die Partner selbst zu leisten. Dies ist ein umso höherer Anspruch, als ihnen auch die konkrete Ausgestaltung des ehelichen und familiären Lebens (Rollenverteilung usw.) überlassen bzw. zugemutet ist, und dies infolge einer durchschnittlich stark gestiegenen Ehedauer in sehr unterschiedlichen Familienphasen und Lebensaltern. In den meisten Kulturen wird die Hochzeit rituell gefeiert, um den Übergang zwischen verschiedenen Lebensphasen und verschiedenen Sippen zu begehen. Weil sie Fremdes versöhnt und Gegensätze vereinigt, wird in ihr eine Gestalt des Vollkommenen gegründet: Sie ist Widerschein der heiligen Hochzeit in der Götterwelt bzw. zwischen Göttern und Menschen. Wenn auch unter mehr säkularen Vorzeichen religiöse Riten zur Eheschließung gesucht werden, so dürfte dies – gerade in einer Zeit hoher Scheidungs-
VI. Ehe
quoten – auf das Gespür zurückzuführen sein, dass das Gelingen der personalen Beziehung in der Ehe angefochten ist. Was bringt eine Theologie der sakramentalen Ehe in diese Zusammenhänge ein? Welche Impulse gibt sie für eine als Lebens- und Glaubensgemeinschaft gelebte christliche Ehe?
2. Biblische Grundlegung 2.1 Ehe in Israel zwischen menschlichem Recht, göttlicher Weisung und theologischer Deutung In Israel wird die Eheschließung primär als Rechtsakt verstanden. In aller Regel liegt die Initiative für das Zustandekommen einer Ehe beim Mann bzw. bei dessen Familie. Der Vater der Braut erhält ein Heiratsgeld, nach dessen Erstattung der Bräutigam einen Rechtanspruch auf seine künftige Frau hat. Mit der Heirat siedelt die Frau in die Familie des Mannes über und tritt in deren Dienst. Die patriarchalische Struktur der Ehe im Alten Testament zeigt sich auch an der Scheidungspraxis wie an der Definition des Ehebruchs. Allerdings ist die Frau nicht völlig rechtlos. Innerhalb dieses rechtlichen Rahmens wird die Beziehung von Mann und Frau durchaus personal als Entsprechungsverhältnis beschrieben. Der Schöpfungsgeschichte in Gen 2 zufolge findet Adam erst in der Frau eine ihm entsprechende Lebensgefährtin: „Das endlich ist Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Auffälligerweise geht Gen 2,24 gegen die zeitübliche Praxis davon aus, dass der Mann wegen seiner Frau seine Familie verlässt, um mit ihr ein Fleisch zu sein. Eine hohe Wertschätzung der personalen Beziehung und des Liebesverhältnisses von Mann und Frau spiegelt sich nicht zuletzt im Hohenlied. Eine religiöse Sinngebung scheint mit der Eheschließung in Israel nicht verbunden zu sein. Sie ist eine privatrechtliche Angelegenheit und erfolgt ohne Mitwirkung staatlicher oder religiöser Instanzen. Allerdings werden die eherechtlichen Bestimmungen als Anweisungen und Gebote des Bundesgottes vorgestellt. Die Ehe ist Bestandteil der von Gott gegebenen Lebensordnung. Dennoch wird die Eheschließung nicht als religiöses Ereignis gedeutet und gefeiert: Angesichts der Fruchtbarkeitskulte im syrischkanaanäischen Raum wird die Sexualität in der Frühzeit Israels betont aus dem sakralen Raum herausgehalten. Diese Zurückhaltung ändert sich in der prophetischen Verkündigung, die den Bund Gottes mit seinem Volk im Bild der Ehe und der ehelichen Liebesbeziehung darstellt. Entsprechend brandmarkt Hos 2,21 die Treulosigkeit Israels als Ehebruch. Möglicherweise geht die Bundesformel: „Ich werde euch/für euch Gott sein – Ihr werdet für mich Volk sein“ (Ex 6,7; Lev 26,12; Hos 1,9), auf die Formulierung des Ehevertrags zurück: „Ich werde dir/für dich Mann sein – Du wirst für mich Frau sein.“ Der Vergleich des Bundes mit der Ehe wirkt wiederum auf das Verständnis der Ehe selbst zurück, die sich an der göttlichen Treue und Liebe messen lassen muss (vgl. Mal 2,14–16).
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2.2 Jesu Worte zur Ehescheidung und ihre Rezeption im Neuen Testament Jesu Weisungen
Botschaft von der Gottesherrschaft
Rezeption in den Gemeinden
Jesus betrachtet die Lebensgemeinschaft der Ehe im Licht der ursprünglichen Intention des Schöpfers und verschärft von hier aus die alttestamentliche Scheidungspraxis (vgl. Mk 10,2–12; Mt 5,27–32; 19,3–9; Lk 16,18). Der Mann bricht die Ehe mit seiner Frau, wenn er etwas nach jüdischem Recht Erlaubtes tut und seine Frau entlässt. Ebenso ist es Ehebruch, eine vom Mann entlassene Frau zu heiraten. Die Folgen dieses Verbotes dürfte die Situation der betroffenen Frauen massiv verschlechtert haben: Für sie war eine Wiederheirat die einzige Möglichkeit, eine neue sichere Lebensbasis zu finden. Die Radikalität der jesuanischen Forderungen ist im Rahmen der Verkündigung Jesu zu betrachten. Sein Wirken ist von der Überzeugung durchdrungen, dass Gott begonnen hat, seine Herrschaft in Israel endgültig und unwiderruflich durchzusetzen. Wenn aber der Wille des Schöpfers wieder uneingeschränkt zur Geltung kommt, wird die Schöpfung geheilt und wieder als gute Schöpfung Gottes sichtbar und erfahrbar. Jesu Wort von der Ehescheidung entspricht dieser seiner Erwartung der eschatologischen Herrschaft Gottes. Im Kairos des anbrechenden Reiches Gottes haben Spaltung und Unfrieden keinen Raum; angesagt ist die Versöhnung miteinander. Die Botschaft davon ist Einladung und Herausforderung, sich in allen Dimensionen des Menschseins, auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen, heilen zu lassen. In diesem Horizont findet auch die Ehelosigkeit hohe Wertschätzung (vgl. Lk 14,26), jedoch nach Mt 9,10–12 nicht als gewöhnlicher Weg. Während Paulus in 1 Kor 7,10 f. Jesu strenge Linie aufrechthält – Priorität haben das Zusammenbleiben und die Versöhnung –, steht das Wort Jesu zur Ehescheidung mit dem Verblassen der Naherwartung im Rahmen veränderter Voraussetzungen, wie sich vor allem im Matthäusevangelium zeigt. Man muss Regelungen finden, die in der faktischen Realität in den Gemeinden durchzuhalten sind (siehe die Unzuchtsklausel Mt 5,31; 19,9). Wie ist mit der Spannung zwischen Radikalität und abgemilderter Praxis schon im Neuen Testament umzugehen? Versteht man Jesu Position im Rahmen seiner Verkündigung, so wird deutlich, dass er neue Möglichkeiten aufscheinen lässt und nicht Rechtssätze formuliert. Jesu strenge Haltung mit seiner Erwartung der kommenden Gottesherrschaft in Verbindung zu bringen bedeutet jedoch andererseits nicht schon, sie zu relativieren, als sei er ein religiöser Fanatiker gewesen, der aufgrund einer trügerischen Erwartung radikale Positionen einnimmt, die für nüchterne Menschen nicht nachvollziehbar sind. Wenn Christen sich auf Jesus berufen, bekennen sie sich dazu, dass mit ihm und durch ihn auch in der Gegenwart eine neue Nähe Gottes gegeben ist. Daraus ergeben sich Konsequenzen für das christliche Eheverständnis. „Mit der Verkündigung der mit seiner Person anbrechenden Gottesherrschaft setzt Jesus den Menschen in die Spannung der hier begonnenen Daseinsverwirklichung und der Hoffnung auf die Vollendung in der Endzeit. … Es wäre vorschnell und verhängnisvoll – weil die Botschaft Jesu entscheidend mißverstehend und verkürzend! –,
VI. Ehe
daraus eine Relativierung des Anspruchs Jesu für diese Weltzeit und für unser Leben in dieser Welt ableiten zu wollen. Eher ist zu beachten, daß Ehe unter dem Anspruch der Verwirklichung der Gottesherrschaft offensichtlich andere Anforderungen stellt als losgelöst von dieser im Jesusereignis angebrochenen Wirklichkeit“ (Kirchschläger/217: 46).
2.3 Ehe und Ehelosigkeit im Neuen Testament Die Frage nach dem Wert der Ehe entspinnt sich im Neuen Testament vor dem Hintergrund der Alternative einer frei gewählten Ehelosigkeit (vgl. Mt 19,10–12; 1 Kor 7). Gegen die gnostisierende Abwertung alles Leiblichen („Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren“: 1 Kor 7,1) hält Paulus den Wert der Ehe fest. Zwar empfiehlt er die Ehelosigkeit, die sich für ihn selbst in seinem apostolischen Dienst bewährt hat. Weil es dafür aber kein Gebot des Herrn gibt, ist die Rückbindung an die Berufung entscheidend: Jeder soll so leben, wie Gottes Ruf ihn getroffen hat (vgl. 1 Kor 7,17). Die Wertschätzung der Ehe bei Paulus bleibt verhalten. Dennoch ist auch sie nach 1 Kor 7,7 eine Gnadengabe. Und wenn Paulus annimmt, in einer Ehe zwischen einem christlichen und einem nichtchristlichen Partner werde letzterer durch seinen christlichen Partner geheiligt (vgl. 1 Kor 7,14), so öffnet sich eine Perspektive, die Ehe als Lebensform gegenseitiger Vertiefung der Taufgnade und gegenseitiger Heiligung zu verstehen (siehe unten S. 187). Eine bedeutsame Stelle für die neutestamentliche Theologie der Ehe findet sich schließlich im Epheserbrief, wenngleich darin nicht, wie lange gemeint, eine Begründung für die Sakramentalität der Ehe zu finden ist. Im Epheserbrief spiegelt sich die neue Situation des Christentums nach dem Verlust der Naherwartung. Die Christen sehen sich vor der Herausforderung, Christsein im Alltag zu leben. Zur Alltagswirklichkeit gehört dabei selbstverständlich die Ehe. Um ein christliches Ethos der Ehe vor Augen zu stellen, entwirft Eph 5,21–6,9 eine so genannte Haustafel, welche Mahnungen für die Mitglieder einer Hausgemeinschaft enthält. Antike Vorbilder dieser Art werden christianisiert, indem die Beziehungen zwischen Mann und Frau in das Licht des Glaubens gestellt werden. Mann und Frau sollen in gegenseitiger Unterordnung (Eph 5,21) leben, wobei gleichwohl ein Gefälle vom Mann zur Frau bestehen bleibt (vgl. Eph 5,22–24 mit Eph 5,25–27). Der Verfasser versucht so im Rahmen der zeitüblichen Vorstellungen, ein christliches Bild des Verhältnisses von Mann und Frau zu entwerfen. Ohne die Auffassung, dass sich die Frau dem Mann unterzuordnen hat, gänzlich zu durchbrechen, wird der Mann so in die Pflicht genommen, dass diese Unterordnung in ein gegenseitiges Hingabeverhältnis eingebunden ist.
Die ethischen Weisungen zur Ehe gehen im Epheserbrief mit einer theologischen Verhältnisbestimmung zwischen der Ehe und dem Verhältnis von Christus und Kirche einher. Die Ehe ist hineingestellt in das christliche Heilsmysterium und die dadurch eröffnete Heilsperspektive. Die Sorge Christi für seine Kirche umschließt auch die christliche Ehe (vgl. Eph 5,30).
Wert der Ehe
Ehe im Mysterium Christi und seiner Kirche
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Spezielle Sakramentenlehre
Der sozio-kulturelle Hintergrund von Eph 5 ist von der zeitgenössischen Stellung der Frau in der Gesellschaft geprägt. Der Vergleich der Ehe mit dem Verhältnis Christi zur Kirche setzt ein Gefälle im Verhältnis von Mann und Frau voraus. Dabei thematisiert der Argumentationsgang nicht erst die Beziehung von Christus und Kirche, um daraus die Art der Beziehung zwischen Mann und Frau zu folgern. Vielmehr bietet sich umgekehrt die kulturell vorgegebene Struktur der Beziehung von Mann und Frau dem Vergleich mit dem Verhältnis von Christus und Kirche dar, nicht ohne daraus selbst neue Impulse zu erhalten. Von einer anderen, partnerschaftlichen Gestalt des Verhältnisses von Mann und Frau her hätte der Verfasser des Epheserbriefes den Vergleich nicht in dieser Weise durchführen können. in Eph 5,32 war traditionell Bezugspunkt für die Der Begriff myst erion ¯´ Lehre von der Sakramentalität der Ehe. Allerdings meint der Begriff an dieser Stelle das Verhältnis von Christus und Kirche, nicht die Ehe (siehe oben S. 27). Die Weise, wie der Epheserbrief die Ehe in das Licht des Christusereignisses stellt, ist aber durchaus geeignet, eine Begründung des Ehesakramentes in Jesus Christus zu leisten, wenn man nicht auf eine historische Einsetzung fixiert bleibt. „Einsetzung kann in Bezug auf die Ehe nicht verstanden werden als äußerlich-geschichtliche Gründung, sondern als innere Inspiriertheit und Geprägtheit der Ehe durch das Christusereignis als von den Christen erkannte und im Glauben bekannte Wirklichkeit“ (Miggelbrink/235: 195). Davon ist Eph 5 Zeugnis.
3. Theologiegeschichtliche Entwicklungen 3.1 Die Entwicklung der Ehe in der lateinischen Kirche bis ins 12. Jahrhundert Ehe und Ehelosigkeit
Art der Eheschließung und rechtliche Fragen
In der frühen Zeit der Kirche ist die Wertschätzung der Ehe nicht selbstverständlich. Die Naherwartung lässt kaum Interesse an einer auf Zukunft angelegten Institution aufkommen. Einflüsse aus der antiken Umwelt, die als Folge einer dualisierenden Weltsicht das irdisch-materielle, leibliche Dasein als minderwertig ansehen, tun das Übrige. Gleichwohl hat die Kirche bei aller Hochschätzung der Ehelosigkeit den Wert der Ehe gegen extrem asketische Richtungen festgehalten. Gerade dem oft als leibfeindlich geltenden Augustinus († 430) sind hierzu positive Klärungen zu verdanken. In seiner Schrift De bono coniugali (401) verteidigt er das Gut der Ehe gegen deren Verachtung durch die Manichäer und schreibt ihr einen spezifisch christlichen Wert zu: „Das Gut der Ehe besteht bei allen Völkern und Menschen in der Zeugung und in der keuschen Treue; für das Volk Gottes aber besteht es noch dazu in der Heiligkeit eines Sakramentes“ (De bono coniugali 24,32: CSEL 41,226). Als die drei Güter der Ehe nennt er proles, fides und sacramentum: Nachkommenschaft, Treue und das Sakrament. Eine spezifisch christliche Weise der Eheschließung ist zu Anfang nicht nachweisbar. Die Christen knüpfen an die Gebräuche des Umfeldes an, freilich ohne heidnisch-religiöse Gepflogenheiten zu übernehmen. Eine nach weltlichem Recht geschlossene Ehe gilt als von Gott gewollt und be-
VI. Ehe
stätigt, ohne dass eigene kirchliche Vollzüge hinzukommen müssten. Vermutlich sind aber die Vertreter der örtlichen Kirchenleitung bei Hochzeiten in christlichen Familien willkommene Gäste. Wenn sie anwesend sind, wird ihnen angetragen, die Brautleute mit einem Segensgebet zu segnen. Im Osten entwickelt sich daraus eine liturgische Einsegnung, die bald als unabdingbar gilt. Obwohl die Kirche am Scheidungsverbot prinzipiell festhält, werden Ausnahmeregelungen, etwa in Fällen von Mischehe oder Ehebruch, zugelassen. Man ist sich dessen bewusst, hinter der strengeren Vorgabe Jesu, die als solche aufrechterhalten wird, zurückzubleiben, nimmt aber aus pastoralen Gründen ein Abweichen in Kauf. Im Mittelalter wird die Eheschließung nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit mehr und mehr aus dem Kreis der Familie in die kirchliche Öffentlichkeit überführt (vgl. DH 817). Dadurch kommt es zu einer weiteren liturgischen Ausgestaltung. Der kirchlichen Mitwirkung wird mehr und mehr Bedeutung zuerkannt bis dahin, dass bei der Anvertrauung aus einem Wunsch („Deus vos coniungat“) die amtliche Erklärung: „ego vos coniungo“ wird (vgl. Kleinheyer/36: 105). Von der öffentlichen Eheschließung hängt zu dieser Zeit aber noch nicht die Gültigkeit der Ehe ab. Die Frage, wodurch die Ehe zustande kommt, wird unterschiedlich beantwortet. Vom römischen Recht beeinflusst, sieht die in der Alten Kirche vorrangig vertretene Konsenstheorie das Zustandekommen der Ehe durch den Austausch des Ehekonsenses gegeben. Nach der sog. Kopulatheorie, die auf germanische Traditionen zurückgeht, kommt die Ehe hingegen aufgrund der Übereinkunft von Familien zustande. Nicht der Konsens, sondern der Vollzug des ersten Geschlechtsverkehrs konstituiert die Ehe. Da die unterschiedlichen Rechtstheorien zu einer je unterschiedlichen Praxis führen, bemüht sich Papst Alexander III. († 1181) darum, eine einheitliche Theorie zu entwerfen, die eine Synthese beider Schulen darstellt. Demnach kommt die Ehe durch den Konsens zwischen Braut und Bräutigam (matrimonium ratum) zustande. Als solche ist sie im Prinzip unauflöslich, wird aber erst durch den Vollzug der sexuellen Gemeinschaft endgültig unauflöslich. Angesichts der verbreiteten Ehevormundschaft, der insbesondere die Frau unterworfen war, sind die rechtlichen Klärungen zugunsten der Konsensehe als Errungenschaften für die Selbstbestimmung und freie Partnerschaft zu begrüßen. Zugleich wird so das christliche Ehe-Ethos gegen die im Frühmittelalter noch fortdauernde Praxis der Friedelehe (Verhältnisse neben der eigentlichen Ehe) zur Geltung gebracht (siehe dazu Angenendt/49: 269–290). Dabei wird jedoch das Interesse sehr stark auf die Rechtsgültigkeit der Ehe fixiert, während der Mysterien- und damit der Gnadenaspekt der Ehe keine hinreichende Aufmerksamkeit findet. Selbst die theologische Bestimmung der Ehe als Sakrament bildet dazu kein ausreichendes Gegengewicht.
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3.2 Die Sakramentalität der Ehe: Klärungen und Auseinandersetzung scholastische Lehre
Luther: Ehe als Teil der Schöpfungsordnung
Eine Herausforderung für die theologische Reflexion ist im 11. Jahrhundert die Bewegung der Katharer und Albigenser, die aufgrund leibfeindlicher Auffassungen die Ehe ablehnen. Demgegenüber muss theologisch geklärt werden, warum die Ehe positiv zu werten ist. Vor diesem Hintergrund wird 1184 die Ehe in einem offiziellen kirchlichen Dokument als Sakrament bezeichnet (DH 761). 1274 zählt das Konzil von Lyon die Ehe ganz selbstverständlich zu den sieben Sakramenten hinzu (DH 860). Gleichwohl wird auf eine größere Gewichtung der Liturgie für das Zustandekommen der Ehe verzichtet. Ungeklärt bleibt, welche Gnadenwirkungen das Sakrament der Ehe hat. Auffälligerweise nennt das Armenierdekret 1439 (nur) bei der Ehe keine Wirkung (vgl. DH 1327)! So bejaht die scholastische Theologie die Sakramentalität der Ehe, ohne jedoch die Bedeutung dieser Aussage befriedigend zu klären. In der Praxis hat die Qualifizierung der Ehe als Sakrament indes zur Folge, dass die Kirche ihre Zuständigkeit auf vielfache Weise zur Geltung bringt. Gegen diese Verkirchlichung der Ehe wendet sich Martin Luther († 1546), wenn er die Sakramentalität der Ehe als nicht schriftgemäß ablehnt. Die Ehe ist eine Größe im weltlichen Bereich, in den die Kirche sich nicht einzumischen hat. Für Luther ist die Ehe deswegen nicht eine rein weltliche Angelegenheit, die nichts mit Gott zu tun hat. Die Ehe gehört ihm zufolge jedoch nicht in den zweiten Glaubensartikel (Erlösungsordnung), sondern in den ersten Glaubensartikel, also zum Schöpfungsglauben. Damit steht die Ehe unter dem Gebot Gottes und ist sogar selbst Gebot des Schöpfers. Glaubende sollen sie in das Licht der christlichen Gnade stellen, wie es der in Luthers Traubüchlein vorgeschlagene Ehesegen tut: „Herre Gott, der Du Mann und Weib geschaffen und zum Ehestand verordenet hast, dazu mit Fruchte des Leibes gesegenet und das Sakrament Deines lieben Sohns Jesu Christi und der Kirchen, seiner Braut, darin bezeichent, wir bitten Deine grundlose Guete, Du wollest solch Dein Geschepf, Ordenung und Segen nicht lassen verrucken noch verderben, sondern genädiglich in uns bewahren durch Jesum Christum, unsern Herrn, Amen“ (BSLK 534,6–16)
Konzil von Trient: Ehe als Gnadenwirklichkeit
Gegen die Infragestellung der Sakramentalität der Ehe reagiert das Konzil von Trient mit einer Affirmation der Lehre von der Ehe als Sakrament. Im Ehedekret (DH 1797–1816) wird unter Berufung auf die Schöpfungsordnung und unter Berufung auf die Gnade Jesu Christi die Unauflöslichkeit der Ehe bekräftigt. Die im Konzil von Florenz offen gelassene Frage, welches die Wirkung des Sakramentes sei, wird beantwortet mit Hinweis auf die durch Christus verdiente Gnade, „die jene natürliche Liebe vervollkommnen, die unauflösliche Einheit festigen und die Gatten heiligen sollte“ (DH 1799). Zusammen mit dem Ehedekret wird 1563 das Dekret Tametsi verabschiedet, das die kirchliche Eheschließung als für die Gültigkeit der Ehe konstitutiv vorschreibt.
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3.3 Die christliche Eheauffassung in der modernen Welt Angesichts eines gewandelten Eheverständnisses in der modernen Welt steht die Ehetheologie im 20. Jahrhundert vor neuen Herausforderungen. Die neue Bewertung der personalen Beziehung zwischen den Ehepartnern spiegelt sich in der Enzyklika Casti connubii (1930) von Pius XI. Sie bezeichnet die Ehe als eine „Vereinung, Vertrautheit und Gesellung des ganzen Lebens“ (DH 3707) und versteht sie als geistliche Lebensgemeinschaft in der Nachfolge Christi, in der sich die Gatten gegenseitig helfen und vervollkommnen. Das Zweite Vatikanische Konzil nimmt das Verständnis der Ehe als gegenseitige personale Übereignung auf (vgl. GS 48). Infolgedessen ist Ziel der Ehe nicht mehr allein die Nachkommenschaft, sondern umfassender das Wohl der Gatten und der Nachkommenschaft ebenso wie das Wohl der Gesellschaft. Die Gnade des Sakramentes wird in vielfältigen Formulierungen als Hineinnahme der ehelichen Liebe in die göttliche Liebe beschrieben (siehe unten S. 187). In ekklesialer Sicht wird die Ehe als eigene „Gabe im Volk Gottes“ (LG 11) gewürdigt. Diese Sicht der Ehe, die, aus dem Geist Christi gelebt, ekklesiale Bedeutung hat und im strengen Sinn Berufung ist, ist auch in nachkonziliaren Dokumenten (siehe das Apostolische Schreiben Johannes Pauls II. Familiaris consortio, 1981) fortgeführt worden. Die neuere Theologie der Ehe verfolgt die personale Sicht der Ehe weiter und sucht in einer geschichtlichen Sicht vermehrt die kulturellen Gegebenheiten zu beachten (siehe zu zwei wichtigen neueren Fragestellungen unten S. 190 ff.). Nur am Rande sei hier das Desiderat vermerkt, angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation eine Theologie der Naturehe zu vertiefen. Wie sich bereits im Rituale spiegelt, ist die Ehe von Katholiken mit nichtgetauften Gottglaubenden oder Nichtglaubenden keine Seltenheit mehr. Anlass für ökumenische Gespräche sind auf einer ersten Ebene eher praktische Gesichtspunkte: die Stellungnahme zur Gefährdung der Ehe (Erklärung der Gemeinsamen Ökumenischen Kommission „Ja zur Ehe“, 1981) sowie der Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehen. Darüber hinaus werden theologische Differenzen bearbeitet, wie sie in der Ehetheologie vor allem in der Zuordnung von Schöpfungswirklichkeit und Erlösungsordnung liegen. Für die lutherische Seite hat die Ehe als Institution der Schöpfungsordnung keine heilsvermittelnde Bedeutung; sie ist nicht Medium, durch das Gnade zuteil wird, sondern Lebensform, in der sich die Ehepartner der Gnade öffnen können. Katholischerseits wird traditionell eine größere Kontinuität zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung gesehen. Der Bereich des Geschöpflichen ist einbezogen in die Erlösungsordnung und kann in Dienst genommen werden für die Mitteilung der Gnade. Eine Verständigung in dieser Frage wird in dem im lutherisch-reformiert-römisch-katholischen Dialog erarbeiteten Dokument „Die Theologie der Ehe und das Problem der Mischehe“ (1976) im Rahmen der Bundestheologie über den Begriff der Verheißung versucht, der für die evangelische Theologie sehr wichtig ist. „Es ist eine Tatsache, daß wir
Casti connubii
Zweites Vatikanisches Konzil: Ehe als personale Liebesgemeinschaft
ökumenische Verständigungen
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alle davon überzeugt sind, daß die Ehe in enger Beziehung zur Verheißung Gottes steht. Diese Verheißung ist doch nichts anderes als Christus selbst in seiner Hinwendung zu den Ehegatten, auf daß auch ihre Liebe eine wirkliche und dauerhafte Gemeinschaft würde. Diese Verheißung ist keine bloße Idee. Sie ist die Wirklichkeit Jesu Christi selbst“ (Nr. 19/11: 367). Der Begriff der Verheißung dient der Übereinkunft insofern, als er das Anliegen der evangelischen Position aufnimmt, diese Gnade nicht als an der Ehe gleichsam haftend zu verstehen, andererseits aber auf die Ehe selbst bezogen auf deren Gnadencharakter verweist – das Anliegen der katholischen Seite. Zudem wird die in der Ehe empfangene Gnade nicht allein auf die in ihr lebenden Personen, sondern auf die Ehewirklichkeit selbst bezogen: „Im Bund … offenbart sich, dass Gott selbst in Jesus Christus die Zusicherung gibt, alle Liebe zu ihrer vollkommenen Wahrheit zu führen“ (Nr. 16/11: 366).
4. Systematische Entfaltung 4.1 Liebe und Ehe aus der Sicht der theologischen Anthropologie Dimensionen von Liebe
bedingungslose Annahme
Das „Phänomen Liebe“ hat verschiedene Facetten, wie andere Sprachen sie schon durch unterschiedliche Begriffe kennzeichnen, z. B. in der Unterscheidung von éros und agápe¯ (siehe dazu Knapp/230: 120–125). Dabei hängt ein authentischer Vollzug der Liebe von der gelungenen Integration ihrer verschiedenen Dimensionen ab. So ist die Selbstliebe nicht als Egoismus der authentischen Liebe entgegenzusetzen; vielmehr setzt zwischenmenschliche Liebe Selbstliebe voraus, ohne die ein Mensch Liebe weder schenken noch annehmen kann. Auch steht die menschliche Liebe in der – positiv zu verstehenden – Spannung von Sehnsucht nach Angenommensein, nach Bereicherung durch den Anderen und selbstloser Hingabe. Eros als eher gefühlsmäßige und begehrende Neigung gehört wesentlich zur menschlichen Liebe, die keine nur schenkende Liebe ist, sondern das Beschenktwerden einschließt. Negativ wird der éros erst, wenn er den anderen zum Objekt macht; positiv gesehen liegt der erotischen Liebe die beglückende Erfahrung zugrunde, von einem anderen Menschen fasziniert zu werden und selbst begehrenswert zu sein. Das in der Liebe gesuchte Angenommensein kann jedoch durch eine nur erotische Liebe gerade nicht erreicht werden. Denn sie lässt die letzte Frage des Angenommenseins offen. Erst die zur Hingabe bereite Liebe macht die Annahme des anderen nicht von dessen Anziehungskraft abhängig, sondern findet zu einem bedingungslosen Ja, das die andere Person grundlegend annimmt. Der hier formulierte Anspruch wird in der Konkretisierung offenbar: Grundlegende Annahme meint den anderen Menschen um seiner selbst willen, nicht wegen des Geldes, nicht wegen des Aussehens, nicht wegen des Humors … In der fortschreitenden Annäherung an Züge der Persönlichkeit wird spürbar, wie der Anspruch wächst: Wie steht man zu einem Menschen, der im Laufe seines Lebens bitter wird? Wir
VI. Ehe
sehen die Person eines Menschen immer nur durch ihre Eigenschaften hindurch, und doch ist sie mehr als nur die Summe solcher Eigenschaften; trotz umfassenden Wandels bleibt ein Mensch er oder sie selbst. Unbedingte Annahme bedeutet: zu einem Menschen stehen, unabhängig von seinen Verwandlungen (M. Frisch). Die bedingungslose Anerkennung in gegenseitiger Liebe ist der Grund, warum die Ehe die Dimension personaler Hingabe in einen institutionellen Rahmen kleidet. Die Institution ist die geronnene Gestalt der personalen Bindung; sie ist Ausdruck der Verlässlichkeit, welche die gegenseitige personale Annahme sich selbst gibt. Anders formuliert: Das Eheversprechen ist ein solches, das sich selbst als bedingungslos begreift und sich darum eine institutionelle Gestalt sucht: nicht um dadurch von der personalen Einlösung des Versprechens dispensiert zu sein, wohl aber so, dass auf die Möglichkeit einer Rücknahme dieses Versprechens verzichtet wird. Der institutionelle Rahmen wird als nicht abhängig von Schwankungen des persönlichen Gefühls gesucht und gewollt. Umgekehrt kann er zu einer Hilfe werden, die Bindung durchzuhalten und zur Liebe zurückzufinden, wenn sie als Gefühl zurückzutreten droht. Die theologische Perspektive setzt dieser anthropologischen Sicht der Ehe nicht ein zweites Stockwerk auf. Vielmehr kann sie daran anknüpfen, dass die menschliche Liebe selbst schon über sich hinausweist. Ein erstes Aufbrechen der menschlichen Liebesbeziehung über sich hinaus geschieht im Staunen. Die Intensität, in der Liebe als Geschenk erfahren wird, legt es nahe, es als Gnadenerfahrung zu deuten. Das Geschenk des anderen Menschen ist etwas Unerwartbares; es lässt Ausschau halten nach dem Schenkenden, der nicht mit dem geliebten Menschen identisch ist. Liebende staunen nicht nur darüber, dass der jeweils andere Mensch sich und seine Liebe schenkt. In diesem Staunen bricht die Frage auf: Wer hat mir diesen Menschen, seine Liebe geschenkt? Wer hat uns einander geschenkt? Die menschliche Liebe weist aber auch dadurch über sich hinaus, dass sie von Voraussetzungen her lebt, die sie sich nicht selbst gewährleisten kann. In der Sehnsucht nach dem geliebten Du und nach unbedingter Annahme manifestiert sich die im Menschen liegende Suche nach dem Absoluten. Solange ein Mensch dieses Absolute in der Liebe eines anderen Menschen sucht, ist diese Liebe gefährdet, an Überforderung zu scheitern. Liebe wird dem anderen Menschen nur gerecht, wenn sie von ihm nicht mehr verlangt, als er geben kann: menschliche Liebe und die begrenzten Möglichkeiten menschlichen Lebens. Im Menschen lebt die Sehnsucht nach dem, der ihn durch und durch kennt – eine Sehnsucht, die aber einen menschlichen Partner überfordert. Nicht um sonst leiten Ehetherapien dazu an, Wünsche auszusprechen und es dem Partner nicht zum Vorwurf zu machen, dass er diese Wünsche nicht alle schon errät (vgl. Liss/234: 100–104). Die Kritik an der Verabsolutierung menschlicher Liebe bedeutet nicht, dass Religion und Glaube in pessimistischer Weise die Endlichkeit des Menschen einschärfen. Gerade der Schöpfungsglaube rechtfertigt es, vom
Institution
Öffnung auf die theologische Dimension hin – Staunen
– Sehnsucht nach dem Absoluten
– Gutheißung des Endlichen
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– Treue
Menschsein so hoch zu denken, dass Selbstannahme ebenso möglich wird wie die Annahme eines anderen Menschen. Weil das Endliche in seiner Endlichkeit letztgültig von Gott gutgeheißen ist, kann daraufhin auch der Mensch einen endlichen Partner mit letzter Verbindlichkeit annehmen. Die Tragweite solchen Engagements aber verweist wiederum auf einen größeren Horizont. Das Jawort, das in der Ehe gesprochen wird, ist ein angefochtenes Jawort. Menschen kommen damit an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Dies gilt nicht erst im Fall des Konfliktes und des Scheiterns. Liebe will ein Ja zum anderen Menschen sagen, das mehr enthält, als sie zur Verfügung hat. Liebend will ein Mensch sich einem anderen vorbehaltlos schenken. Solches Schenken kann in einem Ja, das ein für allemal gesprochen sein will, zwar vorausgenommen werden, doch ist es in der kleinen Münze des Alltags einzulösen. Damit impliziert das Jawort eine Treue, die ein Mensch doch nie ganz in der Hand hat. Wie unbedingt kann Treue sein? In der Herausforderung zur Treue begegnet die menschliche Liebe nach christlichem Verständnis der Einladung, die göttliche Liebe nachzuahmen, die in 1 Joh als sich verschenkende Agape beschrieben wird. Als Bild Gottes ist der Mensch unter das Zeichen und die Herausforderung dieser Agape gestellt. Damit sind bereits Ansatzpunkte für das Verständnis der Ehe als Sakrament gegeben, die aber weiter entfaltet werden müssen.
4.2
Die Ehe als Sakrament
4.2.1 Sakramentale Ehe als Ineinander von göttlicher und menschlicher Liebe Neubestimmung durch die göttliche Liebe
Die Agape Gottes ist Horizont jeder Ehe, auch der Naturehe. Auch sie ist gerufen zur Treue durch alle Tage des Lebens hindurch. Dennoch ist nicht jede Ehe sakramental. Das Spezifikum der sakramentalen Ehe liegt darin, dass Mann und Frau sich der Zuwendung Gottes ausdrücklich vergewissern und im Vertrauen darauf ihre Ehe eingehen (siehe dazu auch unten S. 189 f.). Weil Gottes Gnade auf Angenommenwerden hin geschenkt wird und die menschliche Freiheit einbeziehen will, verändert die Annahme dieser Gnade zugleich auch die Wirklichkeit selbst. Eine solche Neubestimmung der Ehe macht die anthropologische und allgemein-religiöse Ebene nicht hinfällig. Jesu Worte rekurrieren ja selbst auf die Schöpfung: „am Anfang war es nicht so“. Er setzt die Schöpfungsordnung wieder in Kraft, indem er sie in den Horizont des kommenden Gottesreiches stellt. Aufgrund der in ihm geschenkten Nähe Gottes wird es wieder möglich, eheliche Liebe so zu leben, wie sie ursprünglich gedacht war: als bedingungslose Bindung von Mann und Frau. Denn die Nähe Gottes in Jesus Christus erweist sich selbst als vorbehaltlose Liebe, die so bedingungslos ist, dass sie das eigene Sterben in Kauf nimmt. Im Horizont dieser göttlichen Bundestreue kann die Hingabe von Mann und Frau neu gelebt werden, weil sie neu erfahren haben, was Hingabe bedeutet. Die Radikalisierung der Agape in Jesus Christus bestimmt die christliche Ehe.
VI. Ehe
Welcher Art ist diese Bestimmung? Begrifflich benennt Sakrament eine Wirklichkeit, die Gnade vermittelt. Die präzise Frage katholischer Ehetheologie lautet darum nicht nur: Wie wird in der Ehe Gnade empfangen, wie wird in der Ehe Gnade vermittelt, sondern: Welche Gnade wird durch die Ehe vermittelt? Die Ehe selbst ist, insofern sie Sakrament ist, eine Zusage der Christusbegegnung: Gnade. Im Epheserbrief wird die Hingabe Jesu für seine Kirche im Bild der Ehe beschrieben mit der Folge, dass Ehe dadurch nicht nur anders gelebt werden soll, sondern anders gelebt werden kann. Die Ehe ist nicht nur bildhafter Vergleich zur Beschreibung der Hingabe Jesu Christi, vielmehr wird sie selbst von seiner Hingabe her, von der neuen Wirklichkeit des Bundes her neu qualifiziert. Denn die Ehe selbst gehört zu der Kirche, von der Eph 5,27.29f sagt, dass Christus sie als seinen Leib pflegt und heiligt. Somit hat sie teil an der Wirklichkeit, deren Zeichen sie ist. „Der Begründungszusammenhang der Verhältnisse Christus/Kirche – Ehe (Mann/Frau) überschreitet das moralische Vorbild-Nachbild-Verhältnis und ist als gnadenhaft-seinsmäßiges Urbild-Abbild-Verhältnis zu bezeichnen. Diese Charakterisierung will der Indikativ-Imperativ-Struktur christlicher Existenz in den paulinischen Briefen entsprechen“ (Lehrverurteilungen – kirchentrennend/17: 150). Um den Indikativ inhaltlich zu füllen, beschreibt GS 49 die im Sakrament der Ehe gelebte Liebe als eine solche, „die Menschliches und Göttliches in sich eint“. Durch die Aufnahme der menschlichen in die göttliche Liebe wird „der Mensch als kreatürlicher Mensch zu neuen Möglichkeiten seines Menschseins befreit … Es sind dies gewiß Möglichkeiten, die er nicht allein aus eigener Kraft zu verwirklichen vermag. Aber durch das Möglichkeitsspektrum des auf sich allein gestellten Menschen werden eben nicht auch per se die Möglichkeiten begrenzt, die Gott mit dem Menschen hat. Zugespitzt formuliert: Es sind nicht die Möglichkeiten Gottes vom Menschen her zu definieren, sondern die Möglichkeiten des Menschen von Gott her. … Es geht … darum, daß dem Menschen ein neuer Möglichkeitshorizont eröffnet ist, den er im Vertrauen auf Gottes Dabeisein ausfüllen darf und soll, soweit es geht“ (Knapp/230: 140 f.). Aufgrund der Verbindung von menschlicher und göttlicher Liebe sind die Partner füreinander Heilszeichen: Sie vermitteln sich gegenseitig die Liebe Gottes. Für die Ehe eines Christen mit einem Nichtchristen formuliert Paulus: „Der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt, und die ungläubige Frau ist durch ihren gläubigen Mann geheiligt“ (1 Kor 7,14; siehe oben S. 179). Führt man diese Aussage auf eine Ehe weiter, in der beide Partner getauft sind, so zeichnet sich eine Dynamik gegenseitiger Heiligung ab. Der Versuch einer näheren Bestimmung, wie nicht nur in der Ehe Gnade geschenkt wird, sondern durch die Ehe, könnte sich somit an 1 Kor 7,14 anschließen: Die Ehepartner selbst werden sich gegenseitig zur Vermittlung der Gnade, insofern sie für den anderen transparent werden auf Gottes Liebe und Treue zu den Menschen hin. „Die bedingungslose Zusage der Partner ist, so gesehen, Abbild der liebenden und fürsorgenden Selbstzusage Gottes an den Menschen, eheliche Treue erscheint in Gottes unverbrüchlicher Bundestreue aufgehoben. Ehepartner sind füreinander
der neue Indikativ
Einheit von göttlicher und menschlicher Liebe
Heilszeichen
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Sakrament der Treue
Möglichkeit des Scheiterns
Heilszeichen, gelebte und in die Augen springende Erinnerung an Gottes erlösende Gegenwart in ihrer gemeinsamen Lebensgeschichte, die im Gefolge ihrer theophanen Struktur eine einzigartige Qualität empfängt“ (Demmer/225: 52). In diesem Sinne heißt es im Trauungssegen (Form II): „Verleihe ihnen, o Herr, daß sie in der Gemeinschaft der Ehe ein Herz und eine Seele sind und füreinander Zeichen deiner Gegenwart“ (Die Feier der Trauung Anhang Nr. 4/31: 121). Heilszeichen werden die Eheleute aber nicht nur einander, sondern in ihrer Ehe auch für die Kirche. Die Eheleute verpflichten sich, in ihrer ehelichen Gemeinschaft die unwiderrufliche Liebe und Treue Christi gegenüber den Menschen in höchstmöglicher Weise zu verwirklichen und so für sich und auch für die anderen zu bezeugen. Damit wird der Kirche in den Eheleuten vor Augen gestellt, was sie selbst ist: „Die Eheleute verwirklichen in ihrer Lebensgemeinschaft gerade das, was auch das Wesen der Kirche im Ganzen ausmacht“ (Lehmann/233: 389). Die Verbindung von menschlicher und göttlicher Liebe hat Konsequenzen für die gelebte treue Agape, zu der christliche Eheleute herausgefordert und befähigt sind: Die Kirche sieht die sakramentale Ehe als absolut unauflöslich an. Recht verstanden ist die strikte Unauflöslichkeit nicht eine in sich zu betrachtende Forderung, sondern Konsequenz aus dem durch das Sakrament geschenkten und in Anspruch genommenen neuen Möglichkeitshorizont. Die sakramentale Ehe wird eingegangen im Vertrauen auf die größeren Möglichkeiten Gottes und im Glauben an das unbedingte Engagement Gottes für uns Menschen durch das Kreuz hindurch. Dieser Glaube stimuliert dazu, die Herausforderung zur Treue anzunehmen in dem glaubenden Vertrauen, dass Gott Kreuzwege mitgeht und aus dem Tod ins Leben führen kann, und in der Zuversicht, dass die Treue, welche Verzicht und Selbstüberwindung kostet, letztlich größere Erfüllung verspricht als der Versuch, das eigene Glück auf einem anderen Weg zu suchen. Diese Herausforderung ist eine Überforderung, doch ist Christsein prinzipiell eine Überforderung. Fällt ein solcher Anspruch an die christliche Ehe vielleicht nur deswegen so ganz und gar aus dem Rahmen, weil wir Christen der Überforderung sonst zu gerne aus dem Weg gehen? Dennoch ist das mögliche Scheitern an der Überforderung nicht zu verschweigen. Die neuere Ehetheologie findet mehr als die Tradition zu einem tiefen Verständnis der Ehe als christlich bestimmter Lebensform und Berufung. Dies verführt dazu, über dem faszinierenden Ideal die Möglichkeit des Versagens auszublenden. Doch wenn die Heilsgabe von Gott her auf die subjektive Annahme durch den Menschen unter den Bedingungen der Geschichte angewiesen ist, dann ist auch in der sakramentalen Ehe ein Scheitern nicht ausgeschlossen. Es kann Situationen geben, in denen es einem Menschen unmöglich ist, das einmal gegebene Versprechen, den anderen Menschen unbedingt und unwiderruflich anzunehmen, durchzuhalten. Dies kann auch in der sakramentalen Ehe geschehen. Die Schwelle, eine Ehe als gescheitert anzusehen und aufzulösen, müsste hier zwar sehr viel höher sein. Dennoch kann es zu Situationen kommen, in denen es keinen anderen lebbaren Ausweg gibt. Dies gilt umso mehr, als zu dem Willen, es in einer Ehe doch noch weiter zu versuchen, letztlich
VI. Ehe
zwei gehören. Zudem ist die Treue in der Ehe nicht nur eine Sache von zwei Eheleuten, sondern auch eine Sache des Umfeldes. Was angesichts solcher Situationen in der pastoralen Praxis ansteht, ist nicht eine Verharmlosung von Bindungen, die ein für allemal eingegangen werden. Auch ist nicht zu beschönigen, dass das Scheitern einer Ehe auch mit Schuld zu tun hat. Zu suchen ist aber nach einer angemessenen Weise pastoralen Umgangs mit dem Unvermögen, die Verbindlichkeit durchzuhalten. In der Diskussion ist vor allem die Situation jener Geschiedenen, die eine neue Zivilehe eingegangen sind. Da diese von der Kirche nicht anerkannt wird, sind die „wiederverheirateten Geschiedenen“ offiziell vom Kommunionempfang ausgeschlossen. Kritiker an diesem prinzipiell harten Vorgehen bringen die ostkirchliche Sicht ins Spiel, derzufolge eine zweite Ehe zwar nicht sakramental zu verstehen ist, aber im Sinne der oikonomía, der barmherzigen Sorge der Kirche, zugestanden wird. Wenn ein Mensch nicht zur Ehelosigkeit berufen ist, wenn die Erziehung von Kindern nach einem zweiten Elternteil verlangt: Kann man im Eingehen einer neuen Ehe nur den Widerspruch zu einer vorher eingegangenen Verpflichtung sehen, und nicht auch den Ort gelebter Liebe und Treue? Wer nur auf Bereinigung der Situation beharrt, übersieht, dass es in dieser Welt Unversöhntheit gibt, die wohl erst eschatologisch zu überwinden ist (siehe oben S. 141). Es gibt Wege, die nicht umgekehrt, nicht rückgängig gemacht werden können. Die Kirche ist eine Instanz, die noch Sünde thematisiert, sich dem Unschuldswahn widersetzt und Wege der Buße eröffnet; dann aber ist ihr auch aufgetragen, Ort zu sein für Menschen mit gebrochenen Biographien.
wiederverheiratete Geschiedene
4.2.2 Sakrament der Ehe und Glaube Um die eigene Ehe auf den Lebensgrund der Bundestreue aufzubauen, bedarf es des Glaubens (siehe oben S. 186), der heute bei Getauften nicht einfach vorauszusetzen ist. Dies ist fatal insbesondere, was die Verpflichtungen angeht, die mit einer sakramentalen Ehe – im Horizont der neuen Nähe Gottes in Jesus Christus – eingegangen werden. „Nur der Jünger, der in Glaube und Nachfolge Jesus Christus zugehört und sich zu ihm bekennt, kann ausreichend von der ‚Herzenshärte‘ befreit werden und läßt sich zum authentischen Ursprung zurückrufen“ (Lehmann/232: 72). In kirchenrechtlicher Sicht wird bei Getauften, die um die kirchliche Trauung bitten, bis heute die Gegebenheit des Glaubens fraglos vorausgesetzt. Da dies der Realität nicht entspricht, ist ein Gespräch zwischen Kirchenrecht und Dogmatik geboten, um das traditionelle Verständnis der Identität von Ehevertrag und Ehesakrament aufzubrechen und den Glauben als Voraussetzung des Sakraments besser zu gewährleisten. Auf dieser Linie wird nach Formen gesucht, wie der Glaube als konstitutive Voraussetzung der christlichen Ehe positiv gewährleistet werden kann. „Es scheint ohne weiteres denkbar, daß das Brautpaar im Rahmen der kirchlichen Trauungsliturgie seinen Glauben bekundet, und zwar nicht nur allgemein, sondern
Fraglichkeit des Glaubens
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Spezielle Sakramentenlehre
Trauaufschub?
durchaus auch speziell den Glauben an die wirksame und absolut verläßliche Zuwendung Gottes in der Ehe“ (Knapp/230: 175). Welche Konsequenzen werden gezogen, wenn dieses Bekenntnis nicht geteilt wird? Zuweilen wird parallel zum Taufaufschub ein Trauaufschub in Erwägung gezogen. Problematisch ist dies – bei gegenwärtiger Sachlage – deswegen, weil eine nichtsakramentale Ehe von Getauften kirchlicherseits als illegitim gewertet und nicht anerkannt wird. Die Favorisierung des Trauaufschubs würde somit bedeuten, eine aus katholischer Sicht gültige Eheschließung überhaupt zu verweigern. Dass andererseits die nichtsakramentale Ehe von Getauften nicht als legitime Ehe anerkannt wird, hat mit dem Verständnis und der Hochschätzung der Taufe zu tun, aus der prinzipiell der Anspruch umfassenden Christseins erwächst. Wer durch die Taufe zu Christus gehört, kann nicht seine Ehe von dieser Bezogenheit auf Christus fernhalten wollen. Dennoch ist unübersehbar, dass es nicht Einzel- und Ausnahmefall ist, wenn ein Getaufter seinen Glauben nicht personal übernimmt, und dies muss auch im Zusammenhang der christlichen Eheschließung Berücksichtigung finden. Das Entweder-Oder von Nichtehe oder sakramentaler Ehe ist zu überwinden, indem eine Alternative für getaufte nicht-christlich Glaubende entwickelt wird. In diesem Sinne schlägt die Kirchenrechtlerin Sabine Demel vor, von einer gestuften Sakramentalität zu sprechen. Demnach birgt eine nur zivil geschlossene Ehe zwischen Getauften einen Keim von Sakramentalität – damit wird die Taufe ernst genommen –, ohne aber im Vollsinn Sakrament zu sein, weil der Glaube fehlt (Demel/224).
4.2.3 Zum Verhältnis von Liturgie, Ehekonsens und Ehe
das Große Segensgebet
In der neueren Ehetheologie werden zwei Themenbereiche diskutiert, die mit der Verhältnisbestimmung von Trauungsliturgie, Ehekonsens und Ehe zu tun haben. Die sakramentale Ehe kommt nach bisherigem Recht und bisheriger Theologie durch den Konsens zwischen den Brautleuten zustande. Demgegenüber vertritt August Jilek die These, dass der Konsens zwar unabdingbare Voraussetzung der Eheschließung ist, ohne jedoch das Sakrament selbst zu konstituieren. „Ein Sakrament zu ‚spenden‘ heißt: Eine konkrete Lebenssituation wird im Lichte des Glaubens gedeutet und als Heilshandeln Gottes preisend-bittend, also anamnetisch-epikletisch betend, proklamiert. Dies geschieht im Großen doxologischen Gebet der Sakramentenfeier, welches worthaft (Weihegebet) und leiblich-zeichenhaft … artikuliert wird“ (Jilek/228: 23). Jilek vergleicht die Eheschließung mit der Bischofsweihe. Auch dort wird durch die Wahl bzw. die Ernennung eines Bischofs die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Kandidat geweiht werden kann. Dennoch ist er noch nicht Bischof durch Wahl und Ernennung, sondern erst aufgrund der Ordination. Entsprechend liegt es nahe, die Ehe durch das Große Segensgebet konstituiert zu sehen, nicht schon durch den Ehekonsens.
VI. Ehe
Im Rahmen der vorkonziliaren Liturgie konnte das Segensgebet nicht als konstitutives Moment der Eheschließung gelten, war doch die benedictio nuptiarum ein Gebet nur über die Braut, das zudem nicht notwendig in der Liturgie vorkam. Auch heute noch kommt das Sakrament bei Dispens von der Formpflicht ohne Liturgie zustande. Gleichwohl ist im neuen Ritus das Segensgebet aufgewertet: Es wird immer gesprochen, es gilt Braut und Bräutigam, im deutschen Rituale steht es in engstem Zusammenhang mit dem Kern des Trauritus. So scheint es manchen Liturgikern und Dogmatikern an der Zeit, aus den Einsichten liturgischen Betens auch rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Diese Sicht hätte Konsequenzen für die Frage nach dem Spender des Ehesakramentes. Nach traditioneller Auffassung folgt aus der konstitutiven Bedeutung des Konsenses für die Eheschließung, dass sich die Brautleute das Sakrament gegenseitig spenden. Kommt das Sakrament hingegen durch das Segensgebet zustande, so spenden sich nicht die Brautleute das Sakrament, das vielmehr durch das doxologische Gebet der Kirche begründet wird. Dahinter steht die Überzeugung, dass es letztlich nicht Menschen sind, die das Sakrament spenden, sondern dass sich durch die Feier des Sakramentes, durch das Gebet der Kirche und durch das Tun des Amtsträgers das Tun Gottes selbst vermittelt. Eine Lebenssituation unter das Sakrament stellen und durch ein Sakrament deuten heißt Gottes Zuwendung selbst dafür in Anspruch nehmen. So ist es auch in der Ehe letztlich Gott selbst, der die Brautleute zusammenfügt (vgl. in der Gebetseinladung zum Segensgebet in der Form III: „Er [Gott] möge mit seiner Hilfe immer bei ihnen sein, die er heute vereint im heiligen Ehebund“ (Feier der Trauung Anhang Nr. 4/31: 125; Hervorhebung von mir). Derartige Anfragen an die traditionelle westliche Eheauffassung entsprechen der östlichen Praxis. Nach orthodoxer Anschauung begründet der Konsens der Brautleute die Naturehe, die aber erst durch den anamnetischepikletischen Segen, der vom Priester gesprochen wird, zum Sakrament wird.
Spenderfrage
Von anderer Seite wird allerdings dagegengehalten, dass das Subjektsein Gottes im Sakrament auch in der traditionellen Sicht der Brautleute als Spender gewahrt ist. „Was spricht eigentlich dagegen, daß Mann und Frau füreinander Christus und die Kirche repräsentieren können, daß sie sich also in ekklesialer Vollmacht Gottes Heilsgeschenk, den die Ehe ‚stiftenden‘ Heiligen Geist, wirksam zusprechen bzw. herabrufen dürfen?“ (Koch/37: 513). Allerdings wäre auch im Rahmen dieser Auffassung eine liturgische Neugestaltung des gegenseitigen Konsenses geboten.
Für eine Weitung des Blicks über die Eheschließung hinaus plädieren ehetheologische Entwürfe, die als Sakrament nicht nur die Eheschließung, sondern umfassender den gemeinsamen Weg der Eheleute bezeichnen wollen. So gesehen hat die Ehe sakramentalen Charakter „als ein prozeßhaft-dynamisches Geschehen, in das das ganze Eheleben mit einbezogen ist“ (Knapp/230: 142). Die Diskussionsanregung, die Ehe als „Lebenssakrament“ zu verstehen ist kirchenoffiziell in der 1. Auflage der Pastoralen Einführung zum deutschen Traurituale aufgenommen worden. „Die christliche Ehe ist ein bleibendes Sakrament. Es nimmt seinen Anfang im Versprechen bleibender Liebe und Treue durch Braut und Bräutigam. In der Feier der
Lebenssakrament?
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kirchlichen Trauung wird es vor Gott und vor der Gemeinschaft der Kirche bekundet und rechtswirksam gemacht. Durch die eheliche Lebensgemeinschaft wird es volle Wirklichkeit.“1 Andere Stimmen lehnen eine solche Sicht ab und plädieren dafür, die kirchliche Eheschließung als in sich abgeschlossene sakramentale Handlung zu verstehen. Wie bei der Taufe steht zwar das ganze Leben im Lichte dieses Sakramentes, ohne dass dadurch das ganze Leben Sakrament würde (Baumann/220: 330). In der Tat wird zu differenzieren sein. Wenn es nach katholischem Verständnis die Lebenswirklichkeit der Ehe ist, welche Gnade vermittelt, dann lässt sich dies kaum auf die Eheschließung reduzieren. Gleichwohl ist das Charakteristische der Sakramente die Ausdrücklichkeit, mit der sie Gottes Wirken vermitteln und so neue Wirklichkeit schaffen. So ist es weiterführend, mit der Enzyklika Familiaris consortio Sakrament und Gabe genauer zu unterscheiden. „Die Gabe Jesu Christi besteht keineswegs ganz in der Feier des Ehesakramentes, sondern stärkt die Ehegatten in ihrem gesamten Leben“ (DH 4713).
Literaturempfehlungen Zur Theologie der Ehe unter biblischer, theologiegeschichtliche und systematischer Perspektive liegt eine hervorragende Monographie von Markus Knapp (230) vor. Speziell zur biblischen Sicht ist sie durch die Studie Walter Kirchschlägers (217) zu ergänzen. Anregend sind die Beiträge von Klaus Demmer (225) und Ralf Miggelbrink (235) ebenso wie der eine spirituell gelebte Ehewirklichkeit anleitende Band von Hubertus Brantzen (221a).
1 Die Feier der Trauung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Hrsg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie der Bischöfe von Luxemburg, Bozen–Brixen und Lüttich. Freiburg i. Br. u. a. 1975, Nr. 4, 10. In der Nr. 12 der 2. Auflage fehlt der Begriff „bleibendes Sakrament“; die Dynamik hin auf die „volle Wirklichkeit“ wird nicht auf das Sakrament, sondern differenzierter auf den sakramentalen Bund bezogen: „In der Feier der Trauung nehmen Braut und Bräutigam durch ihre unwiderrufliche Zustimmung einander als Mann und Frau an. Durch die eheliche Lebensgemeinschaft wird der Bund volle Wirklichkeit“ (Die Feier der Trauung/31: 24).
Epilog: „Definierte Pausen“ der Versöhnung in Christus In Johann Sebastian Bachs Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ (BWV 106) findet sich ein bei genauem Hinhören merkwürdiger Dialog, der aus den zwei Schriftzitaten Ps 31,6 und Lk 23,43 besteht. Thema der Kantate ist der Tod, der unumgänglich bevorsteht. Er ist im biblischen Verständnis Inbegriff der Sündenfolge überhaupt: Der Tod schneidet alle den Menschen bis dahin tragenden Beziehungen ab, macht so den zerstörerischen Kern unversöhnten Daseins offenkundig und bringt ihn zur letzten Konsequenz. In Anspielung auf Sir 14,17 („Es ist ein ewiges Gesetz: Alles muss sterben“) bringt die Kantate das zu erwartende Geschick in direkter Anrede zur Sprache: „Mensch, du musst sterben“. Diese Bedrohung durch den Tod wird erst durch das ersehnte und flehentlich herbeigerufene Kommen Jesu aufgehoben: „Ja, komm, Herr Jesu!“ (Offb 22,20). Darum kann der Glaubende vertrauensvoll mit einem Psalmwort (Ps 31,6) beten: „In deine Hände befehl ich meinen Geist; du hast mich erlöset, Herr, du getreuer Gott.“ Bald darauf erklingt ihm die verheißungsvolle Antwort: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Dieser Zuspruch ist nach Lk 23,43 eines der letzten Worte Jesu am Kreuz. Liest man nun bei dieser Lukasstelle weiter, so findet man dort – und dies gibt dem Dialog der Kantate eine ungeahnte Tiefe – ebenfalls Ps 31,6 angeführt: „Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei, und Jesus rief laut: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Nach diesen Worten hauchte er den Geist aus“ (Lk 23,46). Es ist auffällig, dass die Kantate gerade diese beiden Schriftworte, die im Zusammenhang des Lukasevangeliums nahe beieinander als Worte Jesu stehen, für einen Dialog zwischen Jesus und dem Gläubigen verwendet. Wie das Stundengebet allabendlich in der Komplet (Responsorium), so legt auch die Kantate von Bach die Worte aus Ps 31, die Jesus am Kreuz gebetet hat, dem glaubenden Menschen in den Mund. Betrachtet man nur den Textverlauf der Kantate, so mag man allerdings stutzen. Denn da folgt auf die Bitte: „Ja, komm, Herr Jesu“, das Gebet des Vertrauens: „In deine Hände befehl ich meinen Geist“. Erst dann ergeht die Verheißung: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“. Ist hier nicht vernachlässigt, dass die Initiative der Versöhnung von Gott ausgeht? Muss also der Mensch sich vertrauensvoll Gott überlassen, um daraufhin gerettet zu werden? Doch hier ist die Sprache der Musik zu beachten. Nach den verklingenden Worten: „Ja, komm, Herr Jesu“ folgt eine eindrückliche Stille. Hans Heinrich Eggebrecht nennt dies eine „definierte Pause“, in der sich das vollzieht, was für das Folgende vorausgesetzt ist: das Ereignis der Erlösung. „Die mit einer Fermate versehene Generalpause am Schluß des Mittelsatzes und vor der Erlösungstatsache ist die Stille, in welcher der Gnaden-
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Epilog
akt geschieht.“1 Das Gebet des Vertrauens: „In deine Hände …“ ist Antwort auf diesen Gnadenakt und schaut darauf zurück: „du hast mich erlöst“. Das Erlöstsein verdankt sich ganz und gar dem Erlösungsereignis, das dem direkten Zugriff allerdings entzogen ist. Es vermittelt sich in der „Pause als Symbol des religiösen Geschehens, das sich der Sprache entzieht“2. In der Kantate Bachs zeigt sich eine Grundstruktur christlichen Lebens. Die Vorgabe der Erlösung, über dem menschlichen und kirchlichen Tun und Gestalten so leicht übersehen und verdeckt, scheint an Orten auf, die solchen „definierten Pausen“ gleichen. Die Verwandlung unerlösten Daseins in versöhntes Leben bedarf der Unterbrechung des alltäglichen Zeitlaufs, weil dieser Übergang nicht aus menschlichem Vermögen heraus geschieht, sondern von Gott eröffnet wird. Die geschenkte Versöhnung will Menschen ergreifen und ist deshalb darauf angewiesen, dass sie das Eigene aus der Hand legen und sich für das öffnen, was sie selbst nicht vermögen und was die Welt nicht geben kann. Es geht um ein dichtes, für die Bindung des Lebensvollzugs an Gott unverzichtbares Innehalten, in dem Glaubende sich frei wissen vom Druck des Leisten-Müssens und sich zusprechen lassen, dass Gott die Menschen mit sich versöhnt hat in Jesus Christus. In der Kirche gibt es feste Zeiten und Orte solcher Unterbrechung, in denen Gott selbst einbrechen und Neues stiften will: die Sakramente. Sie sind im christlichen und kirchlichen Leben „definierte Pausen der Erlösung“, in denen die Glaubenden Ausschau halten nach dem erlösenden Gott, dessen Kommen sich unverfügbar schenkt, der aber selbst diese Pausen „definiert“ hat, um darin seine Ankunft zu ermöglichen. Den Glaubenden ist aufgetragen, diese Orte höchst aktiv in der Weise des Empfangens aufzusuchen: Empfangend, weil hier zuerst Gott der Handelnde ist, höchst aktiv, weil sein Wirken ganze Bereitschaft fordert und einlädt, das empfangene Leben weiterzutragen und wirken zu lassen.
1 Hans Heinrich Eggebrecht: Bach – wer ist das? Zum Verständnis der Musik Johann Sebastian Bachs. München 1992, 19 f. 2 Meinrad Walter: Musik-Sprache des Glaubens. Studien zum geistlichen Vokalwerk Johann Sebastian Bachs. Frankfurt a. M. 1994, 93.
Literatur 1. Quellen (An dieser Stelle werden nur sakramentstheologisch relevante und zum Weiterstudium besonders empfehlenswerte Quellen aufgeführt. Andere Quellen werden nach den jeweils maßgeblichen Ausgaben zitiert.)
a) Quellen aus der Theologiegeschichte 1. Koch, Günter (Hrsg.): Sakramentenlehre. 2 Bde. Graz 1991 (TzT Dogmatik 9,1/2). 2. Didache/Zwölfapostellehre. Übers. und eingel. von Georg Schöllgen. Traditio Apostolica/Apostolische Überlieferung. Übers. und eingel. von Wilhelm Geerlings. Freiburg i. Br. 1991 (FC 1). 3. Ambrosius: De sacramentis. De mysteriis/Über die Sakramente. Über die Mysterien. Übers. und eingel. von Josef Schmitz. Freiburg i.Br. 1990 (FC 3). 4. Johannes Chrysostomus: Catecheses baptismales. Taufkatechesen. 2 Bde. Übers. und eingel. von Reiner Kaczynski. Freiburg i. Br. 1992 (FC 6). 5. Cyrill von Jerusalem: Mystagogicae catecheses. Mystagogische Katechesen. Übers. und eingel. von Georg Röwekamp. Freiburg i. Br. 1992 (FC 7). 6. Theodor von Mopsuestia: Katechetische Homilien. Übers. und eingel. von Peter Bruns. 2 Bde. Freiburg i. Br. 1994f (FC 17). 7. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Göttingen 101986. 8. Casel, Odo: Das christliche Kultmysterium. Regensburg 1932. 9. Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe. Bd.1. Freiburg i. Br. 1976.
b) Quellen aus der Ökumene (chronologisch geordnet) 10. Gaßmann, Günther (Hrsg.): Um Amt und Herrenmahl. Dokumente zum evangelisch/römisch-katholischen Gespräch. Frankfurt a.M. 1974 (Ökumenische Dokumentation 1). 11. Die Theologie der Ehe und das Problem der Mischehe. Schlußbericht der Römisch-katholischen/Lutherischen/Reformierten Studienkommission, 1976. In: DwÜ 1,359–387. 12. Die Gegenwart Christi in Kirche und Welt. Schlussbericht des Dialogs zwischen Reformiertem Weltbund und dem Sekretariat für die Einheit der Christen, 1977. In: DwÜ 1,487–518. 13. Das Herrenmahl. Bericht der Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelisch-lutherischen Kommission, 1978. In: DwÜ 1,271–295. 14. Das Herrenmahl. Arbeitshilfe zum gemeinsamen lutherisch/römisch-katholischen Studiendokument. Hannover 1979 (Texte aus der VELKD 10). 15. Das geistliche Amt in der Kirche. Bericht der Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelisch-lutherischen Kommission, 1981. In: DwÜ 1,329–357. 16. Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen („Lima-Dokument“), 1982. In: DwÜ 1, 545–585.
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Literatur 17. Lehmann, Karl (Hrsg.); Pannenberg, Wolfhart (Hrsg.): Lehrverurteilungen – kirchentrennend? Bd. 1: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute. Freiburg i. Br.; Göttingen 1986 (Dialog der Kirchen 4). 18. Pannenberg, Wolfhart (Hrsg.): Lehrverurteilungen – kirchentrennend? Bd. 3: Materialien zur Lehre von den Sakramenten und vom kirchlichen Amt. Freiburg i. Br.; Göttingen 1990 (Dialog der Kirchen 6). 19. Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen: Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus. 25. März 1993. Hrsg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1993 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 110). 20. Gemeinsame römisch-katholische evangelisch-lutherische Kommission (Hrsg.): Kirche und Rechtfertigung. Das Verständnis der Kirche im Licht der Rechtfertigungslehre. Paderborn; Frankfurt a. M. 1994. 21. Christ werden: Die ökumenischen Implikationen unserer gemeinsamen Taufe. Konsultation der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Faverges, Frankreich, 17–24. Januar 1997. In: US 53 (1998) 73–96. 22. Bilaterale Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands: Communio Sanctorum. Die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen. Paderborn; Frankfurt a. M. 2000.
c) Ritualien 23. Die Feier der Kindertaufe in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite authentische Ausgabe auf der Grundlage der Editio typica altera 1973. Freiburg i. Br. u. a. 2007 (Rituale Romanum). 24. Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche nach dem neuen Rituale Romanum. Studienausgabe. Zweite, durchgesehene und nach CIC 1983 korr. Auflage. Hrsg. von den Liturgischen Instituten Salzburg – Trier – Zürich. Freiburg i. Br. 1994. 25. Die Feier der Firmung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Hrsg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der Bischöfe von Bozen-Brixen und von Luxemburg. Einsiedeln u. a. 1973 26. Die Feier der heiligen Messe. Messbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Einsiedeln u. a. 1975. 27. Die Feier der heiligen Messe. Messbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Karwoche und Osteroktav. Solothurn u. a. 1996. 28. Die Feier der Buße nach dem neuen Rituale Romanum. Studienausgabe. Hrsg. von den Liturgischen Instituten Salzburg – Trier – Zürich. Einsiedeln u. a. 1974. 29. Die Feier der Krankensakramente. Die Krankensalbung und die Ordnung der Krankenpastoral in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Hrsg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie der (Erz-)Bischöfe von Bozen-Brixen, Lüttich, Luxemburg und Straßburg. Zürich u. a. 21992. 30. Die Weihe des Bischofs, der Priester und der Diakone. Pontifikale 1. Handausgabe mit pastoralliturgischen Hinweisen. Hrsg. von den Liturgischen Instituten Salzburg – Trier – Zürich. Freiburg i. Br. 1994 (Pastoralliturgische Reihe in Verbindung mit der Zeitschrift „Gottesdienst“). 31. Die Feier der Trauung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zürich u. a. 21992.
Literatur 32. Deutsche Bischofskonferenz; Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung. Ordnung der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene Paare unter Beteiligung der zur Trauung Berechtigten beider Kirchen. Leipzig; Freiburg i. Br. 1995.
2. Standardliteratur zur Sakramentenlehre 33. Courth, Franz: Die Sakramente. Ein Lehrbuch für Studium und Praxis der Theologie. Freiburg i. Br. 1995. 34. Ganoczy, Alexandre: Einführung in die katholische Sakramentenlehre. Darmstadt 1979 (31991). 34a. Hoping, Helmut; Kranemann, Benedikt; Wahle, Stephan; Weidinger, Norbert: Heil erfahren in den Sakramenten. Freiburg. i. Br. 2009 (Theologische Module 9). 35. Kleinheyer, Bruno: Sakramentliche Feiern 1[/1]. Die Feiern der Eingliederung in die Kirche. Regensburg 1989 (GDK 7/1). 36. Kleinheyer, Bruno; Severus, Emmanuel von; Kaczynski, Reiner: Sakramentliche Feiern 2 [Ordinationen und Beauftragungen; Riten um Ehe und Familie …]. Regensburg 1984 (GDK 8). 37. Koch, Günter: Sakramentenlehre – Das Heil aus den Sakramenten. In: Beinert, Wolfgang (Hrsg.): Glaubenszugänge. Lehrbuch der katholischen Dogmatik. Bd. 3. Paderborn 1995, 307–523. 38. Ders.: Sakramente – Hilfen zum Leben. Regensburg 2001 (Topos plus Taschenbücher 380). 39. Kühn, Ulrich: Sakramente. Gütersloh 1985 (21990) (HST 11). 40. Lies, Lothar: Sakramententheologie. Eine personale Sicht. Graz 1990. 41. Meßner, Reinhard; Kaczynski, Reiner: Sakramentliche Feiern 1/2 [Feiern der Umkehr und Versöhnung; Feier der Krankensalbung]. Regensburg 1992 (GDK 7/2). 42. Meyer, Hans Bernhard: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Regensburg 1989 (GDK 4). 43. Nocke, Franz-Josef: Sakramentenlehre. In: Schneider, Theodor (Hrsg.): Handbuch der Dogmatik. Bd. 2. Düsseldorf 1992, 188–376. 44. Ders.: Sakramententheologie. Ein Handbuch. Düsseldorf 1997. 44a. Sattler, Dorothea (Hrsg.); Wenz, Gunther (Hrsg.); Schneider, Theodor (FS): Sakramente ökumenisch feiern. Vorüberlegungen für die Erfüllung einer Hoffnung. Mainz 2005. 45. Schneider, Theodor: Zeichen der Nähe Gottes. Grundriß der Sakramententheologie. Mainz 1979. – 7. Auflage, überarbeitet und ergänzt zus. mit Dorothea Sattler. Mainz 1998. 46. Testa, Benedetto: Die Sakramente der Kirche. Paderborn 1998 (Amateca 9). 47. Vorgrimler, Herbert: Sakramententheologie. Düsseldorf 31992 (Leitfaden Theologie 17). 48. Wenz, Gunther: Einführung in die evangelische Sakramentenlehre. Darmstadt 1988.
3. Aufschlussreiche Literatur im Kontext der Sakramententheologie 49. Angenendt, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter. Darmstadt 1997. 50. Ders.: Liturgik und Historik. Gab es eine organische Liturgie-Entwicklung? Freiburg i. Br. 2001 (QD 189). 51. Armbruster, Clemens: Von der Krise zur Chance. Wege einer erfolgreichen Gemeindepastoral. Freiburg i. Br. 1999.
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Literatur 51a. Bernhardt, Reinhold: Was heißt „Handeln Gottes“? Eine Rekonstruktion der Lehre von der Vorsehung. Gütersloh 1999. 52. Faber, Eva-Maria: Symphonie von Gott und Mensch. Die responsorische Struktur von Vermittlung in der Theologie Johannes Calvins. Neukirchen-Vluyn 1999. 53. Kessler, Hans: Der Begriff des Handelns Gottes. Überlegungen zu einer unverzichtbaren theologischen Kategorie. In: Brachel, Hans-Ulrich (Hrsg.); Mette, Norbert (Hrsg.): Kommunikation und Solidarität. Beiträge zur Diskussion des handlungstheoretischen Ansatzes von Helmut Peukert in Theologie und Sozialwissenschaften. Freiburg/Schw. 1985, 117–130. 54. Menke, Karl-Heinz: Handelt Gott, wenn ich ihn bitte? Regensburg 2000 (Topos plus Taschenbücher 331). 55. Schulte, Raphael: Wie ist Gottes Wirken in Welt und Geschichte theologisch zu verstehen? In: Schneider, Theodor (Hrsg.); Ullrich, Lothar (Hrsg.): Vorsehung und Handeln Gottes. Freiburg i. Br. 1988 (QD 115), 116–167. 56. Werbick, Jürgen: Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie. Freiburg i. Br. 2000.
Literatur zum Ersten Teil: Allgemeine Sakramentenlehre 1. Theologiegeschichte 57. Finkenzeller, Josef: Die Lehre von den Sakramenten im allgemeinen: Von der Schrift bis zur Scholastik. Freiburg i. Br. 1980 (HDG IV/1a). 58. Finkenzeller, Josef: Die Lehre von den Sakramenten im allgemeinen: Von der Reformation bis zur Gegenwart. Freiburg i. Br. 1981 (HDG IV/1b). 59. Lies, Lothar: Neue Elemente in der deutschsprachigen Sakramententheologie. In: ZKTh 119 (1997) 296–322.415–433. 60. Schilson, Arno: Theologie als Sakramententheologie. Die Mysterientheologie Odo Casels. Mainz 1982 (TTS 18).
2. Neuere Beiträge 61. Ammicht-Quinn, Regina (Hrsg.); Spendel, Stefanie (Hrsg.): Kraftfelder. Sakramente in der Lebenswirklichkeit von Frauen. Regensburg 1998. 62. Boff, Leonardo: Kleine Sakramentenlehre. Düsseldorf 1976. 63. Chauvet, Louis-Marie: Symbole et sacrement. Une relecture sacramentelle de l’existence chrétienne. Paris 1988. 64. Ders.: Les sacrements. Parole de Dieu au risque du corps. Paris 1997. 65. Englert, Rudolf: Sakramente und Postmoderne – ein chancenreiches Verhältnis. In: Katechetische Blätter 121 (1996) 155–163. 66. Freyer, Thomas: Sakrament – Transitus – Zeit – Transzendenz. Überlegungen im Vorfeld einer liturgisch-ästhetischen Erschließung und Grundlegung der Sakramente. Würzburg 1995 (Bonner dogmatische Studien 20). 67. Ders.: „Sakrament“ – was ist das? In: ThQ 178 (1998) 39–51. 68. Häußling, Angelus A.: Liturgie: Gedächtnis eines Vergangenen und doch Befreiung in der Gegenwart. In: ders. (Hrsg.): Vom Sinn der Liturgie. Gedächtnis unserer Erlösung und Lobpreis Gottes. Düsseldorf 1991 (Schriften der Kath. Akademie in Bayern 140), 118–130. 69. Hempelmann, Reinhard: Sakrament als Ort der Vermittlung des Heils. Sakramententheologie im evangelisch-katholischen Dialog. Göttingen 1992 (Kirche und Konfession 32).
Literatur 70. Hünermann, Peter (Hrsg.); Schaeffler, Richard (Hrsg.): Theorie der Sprachhandlungen und heutige Ekklesiologie. Ein philosophisch-theologisches Gespräch. Freiburg i. Br. 1987 (QD 109). 71. Kasper, Walter: Wort und Sakrament. In: ders.: Glaube und Geschichte. Mainz 1970, 285–310. 72. Kleinschwärzer-Meister, Birgitta: Gnade im Zeichen. Katholische Perspektiven zur allgemeinen Sakramentenlehre in ökumenischer Verständigung auf der Grundlage der Theologie Karl Rahners. Münster 2000 (Studien zur systematischen Theologie und Ethik 26). 73. Koch, Kurt: Leben erspüren – Glauben feiern. Sakramente und Liturgie in unserer Zeit. Freiburg i. Br. 1999. 74. Meuffels, Otmar: Kommunikative Sakramententheologie. Freiburg i. Br. 1995. 75. Moos, Alois: Das Verhältnis von Wort und Sakrament in der deutschsprachigen Theologie des 20. Jahrhunderts. Paderborn 1993. 76. Ders.: Sakrament und/oder Magie? Anfrage an die postmoderne Sakramententheologie. In: ThdG 41 (1998) 185–195. 77. Neumann, Burkhard: Sakrament und Ökumene. Studien zur deutschsprachigen evangelischen Sakramententheologie der Gegenwart. Paderborn 1997 (Konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien 64). 78. Nocke, Franz-Josef: Wort und Geste. Zum Verständnis der Sakramente. München 1985. 79. Rahner, Karl: Personale und sakramentale Frömmigkeit. In: ders.: Schriften zur Theologie. Bd. 2. Einsiedeln 1955, 115–141 [SW 18, 403–422]. 80. Ders.: Kirche und Sakramente. Freiburg i. Br. 1960 (QD 10)[SW 18, 3–72]. 81. ders.: Zur Theologie des Symbols. In: ders.: Schriften zur Theologie. Bd. 4: Neuere Schriften. Einsiedeln 1960, 275–311 [SW 18, 423–457]. 82. Ders., Was ist ein Sakrament? In: ders., Schriften zur Theologie. Bd. 10. Einsiedeln 1972, 377–391[SW 18, 477 – 488]. 83. Ders.: Theologie des Gottesdienstes. In: ders.: Schriften zur Theologie. Bd. 14: In Sorge um die Kirche. Einsiedeln 1980, 227–237. 84. Ratzinger, Joseph: Die sakramentale Begründung christlicher Existenz. Freising 31970. 85. Sattler, Dorothea: Wandeln Worte Wirklichkeit? Nachdenkliches über die Rezeption der Sprechakttheorie in der (Sakramenten-)Theologie. In: Catholica 51 (1991) 125–138. 86. Schaeffler, Richard: „Darum sind wir eingedenk“. Die Verknüpfung von Erinnerung und Erwartung in der Gegenwart der gottesdienstlichen Feier. Religionsphilosophische Überlegungen zur religiös verstandenen Zeit. In: Häußling, Angelus A. (Hrsg.): Vom Sinn der Liturgie. Gedächtnis unserer Erlösung und Lobpreis Gottes. Düsseldorf 1991 (Schriften der Katholischen Akademie in Bayern 140) 16–44. 87. Ders.; Hünermann, Peter: Ankunft Gottes und Handeln des Menschen: Thesen über Kult und Sakrament. Freiburg i. Br. 1977 (QD 77). 88. Schilson, Arno: Symbolwirklichkeit und Sakrament. In: LJ 40 (1990) 26–52. 89. Scouarnec, Michel: Pour comprendre les sacrements. Sacrement, événements de communication. Paris 1991. 90. Taborda, Francisco: Sakramente: Praxis und Fest. Düsseldorf 1988 (Bibliothek Theologie der Befreiung. Die Kirche, Sakrament der Befreiung). 91. Verweyen, Hansjürgen: Warum Sakramente? Regensburg 2001. [Zur Zeit der Drucklegung des Manuskriptes noch nicht erschienen]. 92. Zulehner, Paul M. (Hrsg.); Auf der Maur, Hansjörg (Hrsg.); Weismayer, Josef (Hrsg.): Zeichen des Lebens. Sakramente im Leben der Kirchen – Rituale im Leben der Menschen. Ostfildern 2000.
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Literatur
Literatur zum zweiten Teil: Spezielle Sakramentenlehre I. Taufe und Firmung 1. Biblisch 93. Barth, Gerhard: Die Taufe in frühchristlicher Zeit. Neukirchen-Vluyn 1981 (Biblisch-theologische Studien 4). 94. Hartman, Lars: Auf den Namen des Herrn Jesus. Die Taufe in den neutestamentlichen Schriften. Stuttgart 1992 (Stuttgarter Bibelstudien 148). 95. Lohfink, Gerhard: Der Ursprung der christlichen Taufe. In: ThQ 156 (1976) 35–54. 96. Ostmeyer, Karl-Heinrich: Taufe und Typos. Elemente und Theologie der Tauftypologien in 1. Korinther 10 und 1. Petrus 3. Tübingen 2000 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2,118). 97. Schnelle, Udo: Gerechtigkeit und Christusgegenwart. Vorpaulinische und paulinische Tauftheologie. Göttingen 21986.
2. Theologiegeschichtlich 98. Angenendt, Arnold: Bonifatius und das Sacramentum initiationis. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Firmung. In: RQ 72 (1977) 133–183. 99. Angenendt, Arnold: Der Taufexorzismus und seine Kritik in der Theologie des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Zimmermann, Albert (Hrsg.): Die Mächte des Guten und Bösen. Vorstellungen im XII. und XIII. Jahrhundert über ihr Wirken in der Heilsgeschichte. Berlin 1977 (Miscellanea Mediaevalea 11), 388–409. 100. Heinz, Andreas: Die Feier der Firmung nach der römischen Tradition. Etappen in der Geschichte eines abendländischen Sonderwegs. In: LJ 39 (1989) 67–88. 101. Heiser, Lothar: Die Taufe in der orthodoxen Kirche. Geschichte, Spendung und Symbolik nach der Lehre der Väter. Trier 1987 (Sophia 25). 102. Kretschmar, Georg: Die Geschichte des Taufgottesdienstes der Alten Kirche. In: Müller, Karl Ferdinand (Hrsg.); Blankenburg, Walter (Hrsg.): Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes 5. Kassel 1970, 1–348. 103. Neunheuser, Burkhard: Taufe und Firmung. Freiburg i.Br. 21983 (HDG 4/2). – Neubearb. Aufl. 104. Zerndl, Josef: Die Theologie der Firmung in der Vorbereitung und in den Akten des Zweiten Vatikanischen Konzils. Paderborn 1986.
3. Neuere Beiträge 105. Amougou-Atangana, Jean: Ein Sakrament des Geistempfangs? Zum Verhältnis von Taufe und Firmung. Freiburg i. Br. 1974 (Ökumenische Forschungen. Sakr. Abt. 3/1). 106. Bourgeois, Henri: Le baptême et la vie baptismale. Paris 1990. 107. Breuning, Wilhelm: Apostolizität als sakramentale Struktur der Kirche. Heilsökonomische Überlegungen über das Sakrament der Firmung. In: Bäumer, Remigius (Hrsg.); Höfer, Josef (FS): Volk Gottes. Zum Kirchenverständnis der katholischen, evangelischen und anglikanischen Theologie. Freiburg 1967, 132–163. 108. Camelot, Pierre Thomas: Spiritualité du baptême. Baptisé dans l’eau et l’Esprit. Paris 21993. 109. Courth, Franz: Die Firmung als Sakrament der kirchlichen Sendung. In: ders. (Hrsg.); Weiser, Alfons (Hrsg.): Mitverantwortung aller in der Kirche. Limburg 1985, 134–149.
Literatur 110. Gäde, Gerhard: Warum ein zweites Initiationssakrament? Dogmatische Überlegungen zum Verhältnis von Taufe und Firmung aus pastoraltheologischem Anlaß. In: TrThZ 109 (2000) 219–248. 111. Hauke, Manfred: Die Firmung. Geschichtliche Entfaltung und theologischer Sinn. Paderborn 1999. 112. Jilek, August: Eintauchen – Handauflegen – Brotbrechen. Eine Einführung in die Feiern von Taufe, Firmung und Erstkommunion. Regensburg 1996 (Kleine Liturgische Bibliothek 3). 113. Kasper, Walter (Hrsg.): Christsein ohne Entscheidung oder soll die Kirche Kinder taufen. Mainz 1970. 114. Küng, Hans: Was ist Firmung? Einsiedeln 1976 (Theologische Meditationen 40). 115. Kunzler, Michael: Ist die Praxis der Spätfirmung ein Irrweg? Anmerkungen zum Firmsakrament aus ostkirchlicher Sicht. In: LJ 40 (1990) 90–108. 116. Schulte, Raphael: Die Umkehr (Metanoia) als Anfang und Form christlichen Lebens. In: Zwischenzeit und Vollendung der Heilsgeschichte. Zürich 1976 (MySal 5), 117–221. 117. Weger, Karl-Heinz: Theologie der Erbsünde. Freiburg i. Br. 1970 (QD 44).
II. Eucharistie 1. Biblisch 118. Klauck, Hans-Josef: Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine religions geschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief. Münster 1982 (Neutestamentliche Abhandlungen NF 15). 119. Léon-Dufour, Xavier: Abendmahl und Abschiedsrede im Neuen Testament. Stuttgart 1983. 120. Roloff, Jürgen: Herrenmahl und Amt im Neuen Testament. In: KuD 47 (2001) 68–89. 120a. Schröter, Jens: Das Abendmahl. Frühchristliche Deutungen und Impulse für die Gegenwart. Stuttgart 2006 (SBS 210). 121. Stuhlmacher, Peter: Das neutestamentliche Zeugnis vom Herrenmahl. In: ZThK 84 (1987) 1–35.
2. Theologiegeschichtlich 122. Betz, Johannes: Eucharistie als zentrales Mysterium. In: MySal IV/2, 186–313. 123. Ders.: Eucharistie: In der Schrift und Patristik. Freiburg 1979 (HDG IV/4a). 123a. Browe, Peter: Die Eucharistie im Mittelalter. Liturgiehistorische Forschungen in kulturwissenschaftlicher Absicht. Münster 2003 (Vergessene Theologen 1). 124. Keller, Erwin: Eucharistie und Parusie. Liturgie- und theologiegeschichtliche Untersuchungen zur eschatologischen Dimension der Eucharistie anhand ausgewählter Zeugnisse aus frühchristlicher und patristischer Zeit. Freiburg/Schw. 1989 (Studia Friburgensia NF 70). 124a. Tück, Jan Heiner: Gabe der Gegenwart. Theologie und Dichtung der Eucharistie bei Thomas von Aquin. Freiburg i. Br. 2009.
3. Neuere Beiträge 125. Bachl, Gottfried: Eucharistie – Essen als Symbol? Zürich 1983 (Theologische Meditationen 62).
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Literatur 125a. Bachl, Gottfried: Eucharistie. Macht und Lust des Verzehrens. St. Ottilien 2008 (Spuren. Essays zu Kultur und Glaube). 125b. Dettwiler, Peter; Faber, Eva-Maria: Eucharistie und Abendmahl. Paderborn; Frankfurt/M. 2008. 125c. Emeis, Dieter: Geheimnis unseres Glaubens. Katechetische Predigten über die Eucharistiefeier. Freiburg i. Br. 2006. 125d. Faber, Eva-Maria: Gemeinschaft im Herrenmahl. In: SKZ 173 (2005) 416–422. 126. Garijo-Guembe, Miguel Ma; Rohls, Jan; Wenz, Gunther: Mahl des Herrn. Ökumenische Studien. Frankfurt a. M.; Paderborn 1988. 127. Gerhards, Albert (Hrsg.); Richter, Klemens (Hrsg.): Das Opfer – Biblischer Anspruch und liturgische Gestalt. Freiburg i. Br. 2000 (QD 186). 128. Gerken, Alexander: Theologie der Eucharistie. München 1973. 129. Haunerland, Winfried: Die Eucharistie und ihre Wirkungen im Spiegel der Euchologie des Missale Romanum. Münster 1989 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 71). 129a. Haunerland, Winfried (Hrsg.): Mehr als Brot und Wein. Theologische Kontexte der Eucharistie. Würzburg 2005. 130. Hilberath, B. J.: „Substanzverwandlung“ – „Bedeutungswandel“ – „Umstiftung“: Zur Diskussion um die eucharistische „Wandlung“. In: Cath 39 (1985) 133–150. 131. Hintzen, Georg: Gedanken zu einem personalen Verständnis der eucharistischen Realpräsenz. In: Cath 39 (1985) 279–310. 132. Ders.: Personale und sakramentale Gegenwart des Herrn in der Eucharistie. In: Cath 47 (1993) 210–237. 133. Janowski, Bernd (Hrsg.); Welker, Michael (Hrsg.): Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte. Frankfurt a. M. 2000 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1454). 134. Jilek, August: Das Brotbrechen. Eine Einführung in die Eucharistiefeier. Regensburg 1994 (Kleine Liturgische Bibliothek 2). 135. Kertelge, Karl: Abendmahlsgemeinschaft und Kirchengemeinschaft im Neuen Testament und in der Alten Kirche. In: Hahn, Ferdinand (Hrsg.); Schnackenburg, Rudolf (Hrsg.): Einheit der Kirche. Grundlegung im Neuen Testament. Freiburg i. Br. 1979 (QD 84). 135a. Klöckener, Martin (Hrsg.); Spichtig, Peter (Hrsg.): Leib Christi sein – feiern – werden. Ort und Gestalt der Eucharistiefeier in der Pfarrei. Freiburg/Schw. 2006. 136. Koch, Kurt: Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens. Theologische Besinnung auf die vielfältige Gegenwart Jesu Christi im eucharistischen Mysterium. In: AnzS 106 (1997) 239–248.287–292. 137. Lehmann, Karl (Hrsg.); Schlink, Edmund (Hrsg.): Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche: Klärungen zum Opfercharakter des Herrenmahles. Freiburg i. Br.; Göttingen 1983 (Dialog der Kirchen 3). 138. Lessing, Eckhard: Abendmahl. Göttingen 1993 (Bensheimer Hefte: Ökumenische Studienhefte 1). 139. Lies, Lothar: Eucharistie in ökumenischer Verantwortung. Graz 1996. 140. Rahner, Karl: Wort und Eucharistie. In: ders.: Schriften zur Theologie. Bd. 4: Neuere Schriften. Einsiedeln 1960, 313–355[SW 18, 596 – 626]. 141. Ratzinger, Joseph: Das Problem der Transsubstantiation und die Frage nach dem Sinn der Eucharistie. In: ThQ 147 (1967) 129–158. 142. Remy, Gérard: Christi Gegenwart in der Eucharistie im Blickwinkel der französischen Theologie. In: TrThZ 106 (1997) 99–116. 143. Sattler, Dorothea: Wesensverwandlung. Zur bleibenden Bedeutung der Rede von „Transsubstantiation“ in einer ökumenischen Eucharistielehre. In: ThG 42 (1999) 131–142. 143a. Sattler, Dorothea; Nüssel, Friederike: Menschenstimmen zu Abendmahl und Eucharistie. Erinnerungen – Anfragen – Erwartungen. Frankfurt/M.; Paderborn 2004.
Literatur 144. Slenczka, Notker: Realpräsenz und Ontologie. Untersuchung der ontologischen Grundlagen der Transsubstantiationslehre. Göttingen 1993. 145. Stuflesser, Martin: Memoria Passionis. Das Verhältnis von lex orandi und lex credendi am Beispiel des Opferbegriffs in den Eucharistischen Hochgebeten nach dem II. Vatikanischen Konzil. Altenberge 2000 (Münsteraner Theologische Abhandlungen 51). 146. Thaler, Anton: Gemeinde und Eucharistie. Grundlegung einer eucharistischen Ekklesiologie. Freiburg/Schw. 1988 (Praktische Theologie im Dialog 2).
III. Sakrament der Versöhnung (Bußsakrament) 1. Biblisch 147. Hofius, Otfried: Jesu Zuspruch der Sündenvergebung. Exegetische Erwägungen zu Mk 2,5b. In: Jahrbuch für biblische Theologie 9 (1994) 125–143. 148. Sung, Ch.-H.: Vergebung der Sünden. Jesu Praxis der Sündenvergebung nach den Synoptikern und ihre Voraussetzungen im Alten Testament und im frühen Judentum. Tübingen 1993 (WUNT 2,57).
2. Theologiegeschichtlich 149. Jilek, August: Zur Liturgie von Buße und Versöhnung. Beobachtungen zur Geschichte – Perspektiven für die Gegenwart. In: LJ 37 (1987) 131–155. 150. Rahner, Karl: Schriften zur Theologie. Bd. 11: Frühe Bußgeschichte in Einzeluntersuchungen. Zürich 1973 [SW 11]. 151. Vorgrimler, Herbert: Buße und Krankensalbung. Freiburg i. Br. 21978 (HDG IV/3).
3. Neuere Beiträge 152. Diakonia 32 (2001) Heft 3, Themenheft Buße mit Beiträgen von Gerhard Nachtwei, Marlies Mügge, Bruno Bürki, Josef Bommer, Ursula Silber u. a. 152a. Demmer, Klaus: Das vergessene Sakrament. Umkehr und Buße in der Kirche. Paderborn 2005. 153. Fuchs, Ottmar: „Man muß den Sinn für die Sünde wiederentdecken“. Gedanken zum theologischen Charakter der Sünde. In: StZ 202 (1984) 167–180. 154. Gestrich, Christof: Die Wiederkehr des Glanzes in der Welt. Die christliche Lehre von der Sünde und ihrer Vergebung in gegenwärtiger Verantwortung. Tübingen 21995. 155. Ders.: Ist die Beichte erneuerungsfähig? In: BThZ 10 (1993) 187–196. 156. Grom, Bernhard; Kirchschläger, Walter; Koch, Kurt: Das ungeliebte Sakrament. Grundriß einer neuen Bußpraxis. Freiburg/Schw. 1995. 157. Haas, Hanns-Stephan: „Bekannte Sünde“. Eine systematische Untersuchung zum theologischen Reden von der Sünde in der Gegenwart. NeukirchenVluyn 1992 (Neukirchener Beiträge zur systematischen Theologie 10). 158. Henrici, Peter: „… wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“. Philosophische Überlegungen zum Bußsakrament. In: IKaZ 13 (1984) 389–405. 159. Kasper, Walter: Anthropologische Aspekte der Buße. In: ThQ 163 (1983) 96–109. 160. Ders.: Die Kirche als Ort der Sündenvergebung. In: IKaZ 18 (1989) 1–9. 161. Körner, Bernhard (Hrsg.): Geistliche Begleitung und Bußsakrament. Impulse für die Praxis. Würzburg 2007.
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Literatur 162. Kuschel, Karl-Josef: Im Spiegel der Dichter. Mensch, Gott und Jesus in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Düsseldorf 1997. 163. Meßner, Reinhard: Zur heutigen Problematik von Buße und Beichte vor dem Hintergrund der Bußgeschichte. München1992 (Benediktbeurer Hochschulschriften 3). 164. Metz, Johann Baptist: Vergebung der Sünden. Theologische Überlegungen zu einem Abschnitt aus dem Synodendokument „Unsere Hoffnung“. In: StZ 195 (1977) 119–128. 165. Nüchtern, Michael: Sündenerfahrung und Sündenvergebung. Dogmatische Fragen zu Bußgebet und Sündenlehre. In: KuD 25 (1979) 133–153. 165a. Ragaisis, Mindaugas: Umkehr ins Gespräch bringen. Der Beitrag von „kommunikativen Glaubensmilieus“ zur Erneuerung der Bußpraxis. Würzburg 2006 (Erfurter Theologische Studien 91). 166. Sattler, Dorothea: Gelebte Buße. Das menschliche Bußwerk (satisfactio) im ökumenischen Gespräch. Mainz 1992. 167. Schneider, Michael: Umkehr zum neuen Leben. Wege der Versöhnung und Buße heute. Freiburg i. Br. 1991. 168. Werbick, Jürgen: Die Hoffnung der Christen angesichts von Schuld und Versagen. In: KatBl 103 (1978) 46–52. 169. ders.: Schulderfahrung und Bußsakrament. Mainz 1985. 170. Zehnder, Joachim: Das Forum der Vergebung in der Kirche. Studien zum Verhältnis von Sündenvergebung und Recht. Gütersloh 1998 (Öffentliche Theologie 10).
IV. Krankensalbung 171. Böttigheimer, Christoph: Krankensalbung und Spendungsvollmacht. In: StZ 216 (1998) 607–618. 172. Depoortere, Kristiaan: Neue Entwicklungen rund um die Krankensalbung. In: Conc 34 (1998) 553–564. 173. Greshake, Gisbert: Letzte Ölung – Krankensalbung – Tauferneuerung angesichts des Todes? (Un-)Zeitgemäße Bemerkungen zur umstrittenen Sinngebung und Praxis eines Sakraments. In: Schulte, Raphael (Hrsg.); König, Kard. Franz (FS): Liturgie, Koinonia, Diakonia. Wien 1980, 97–126. 174. Ders.: Letzte Ölung oder Krankensalbung? Plädoyer für eine differenziertere sakramentale Theorie und Praxis. In: GuL 56 (1987) 119–136. 175. Heinz, Andreas: Aspekte liturgischer Begleitung in Krankheit, Sterben und Tod. In: TrThZ 105 (1996) 250–258. 176. Heinz, Andreas: Die Krankensalbung im spätantiken Gallien. Das Zeugnis der Martinsschrift des Sulpicius Severus (um 400). In: TrThZ 106 (1997) 271–287. 177. Hünermann, Peter: Das Apostolat für die Kranken und das Sakrament der Krankensalbung. Dogmatische Überlegungen anläßlich der römischen Instruktion vom 13. 11. 1997. In: ThQ 178 (1998) 29–38. 178. Johannwerder, Jutta: Skizzen zur sakramentalen Sprache am Beispiel der Krankensalbung. In: Klöckener, Martin (Hrsg.); Glade, Winfried (Hrsg.); Rennings, Heinrich (FS): Die Feier der Sakramente in der Gemeinde. Kevelaer 1986, 272–289. 179. Knauber, Adolf: Sakrament der Kranken. Terminologische Beobachtungen zum Ordo unctionis infirmorum. In: LJ 23 (1973) 217–237. 180. Moos, Alois: „Krankensalbung“ oder „Letzte Ölung“. Stellungnahme in einer Kontroverse. In: Becker, Hansjakob (Hrsg.); Einig, Bernhard (Hrsg.); Ullrich, Peter-Otto (Hrsg.): Im Angesicht des Todes. Ein interdisziplinäres Kompendium. Bd. 2. St. Ottilien 1987 (Pietas Liturgica), 791–811. 181. Schulz, Michael: Sakramentale Theodizee: die Krankensalbung. Anthropologie, Theologie und Spiritualität eines Sakramentes. In: ThGl 91 (2001) 69–81.
Literatur
V. Theologie des sakramental ordinierten Amtes 1. Biblisch 182. Kirchschläger, Walter: Die Entwicklung von Kirche und Kirchenstruktur zur neutestamentlichen Zeit. In: Haase, Wolfgang (Hrsg.); Temporini, Hildegard (Hrsg.); (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Bd. 2 (26/2). Berlin 1995, 1277–1356. 183. Klauck, Hans-Josef: Gemeinde. Amt. Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven. Würzburg 1989. 184. Roloff, Jürgen: Die Kirche im Neuen Testament. Göttingen 1993 (Grundrisse zum NT 10).
2. Theologiegeschichtlich 185. Dassmann, Ernst: Ämter und Dienste in den frühchristlichen Gemeinden. Bonn 1994 (Hereditas 8). 185a. Fallert, Matthias: Mitarbeiter der Bischöfe. Das Zueinander des bischöflichen und priesterlichen Amtes auf und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Würzburg 2007 (StSSTh 44). 186. Freitag, Josef: Sacramentum ordinis auf dem Konzil von Trient. Ausgeblendeter Dissens und erreichter Konsens. Innsbruck 1991 (ITS 32). 186a. Fuchs, Ottmar: Theologischer Kommentar zum Dekret über den Dienst und das Leben der Presbyter Presbyterorum Ordinis. In: HThK Vat II 4,337–580. 186b. Fuchs, Ottmar; Hünermann, Peter: Theologischer Kommentar zum Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam Totius. In: HThK Vat II 3,315–489. 187. Heid, Stefan: Zölibat in der frühen Kirche. Die Anfänge einer Enthaltsamkeitspflicht für Kleriker in Ost und West. Paderborn 1997. 187a. Predel, Gregor: Vom Presbyter zum Sacerdos. Historische und theologische Aspekte der Entwicklung der Leitungsverantwortung und Sacerdotalisierung des Presbyterates im spätantiken Gallien. Münster 2005 (Dogma und Geschichte 4). 188. Zollitsch, Robert: Amt und Funktion des Priesters. Eine Untersuchung zum Ursprung und zur Gestalt des Presbyterats in den ersten zwei Jahrhunderten. Freiburg i. Br. 1974 (Freiburger theologische Studien 97).
3. Neuere Beiträge 189. Bausenhart, Guido: Das Amt in der Kirche. Eine not-wendende Bestimmung. Freiburg i. Br. 1999. 190. Brantzen, Hubertus: Lebenskultur des Priesters. Ideale – Enttäuschungen – Neuanfänge. Freiburg i. Br. 1998. 191. Cordes, Paul-Josef: Sendung zum Dienst. Exegetisch-historische und systematische Studien zum Konzilsdekret „Vom Dienst und Leben der Priester“. Frankfurt a. M. 1972 (Frankfurter Theologische Studien 9). 191a. Demel, Sabine: Frauen und kirchliches Amt. Vom Ende eines Tabus in der katholischen Kirche. Freiburg i. Br. 2004. 192. Demmer, Klaus: Zumutung aus dem Ewigen. Gedanken zum priesterlichen Zölibat. Freiburg i. Br. 1991. 193. Faber, Eva-Maria: Zur Frage nach dem Berufsprofil der Pastoralreferent(inn)en. In: Pastoralblatt [für die Diözesen Aachen u. a.] 51 (1999) 110–119. 194. Greshake, Gisbert: Priestersein. Freiburg i. Br. 1981.
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Literatur 195. Ders.: Konzelebration der Priester. Kritische Analyse und Vorschläge zu einer problematischen Erneuerung des II. Vatikanischen Konzils. In: Klinger, Elmar (Hrsg.); Rahner, Karl (FS): Glaube und Prozeß. Christsein nach dem II. Vatikanum. Freiburg i. Br. 1984, 259–288. 196. Ders.: Priester sein in dieser Zeit. Theologie – Pastorale Praxis – Spiritualität. Freiburg i. Br. 2000. 197. Hernoga, Josef: Das Priestertum. Zur nachkonziliaren Amtstheologie im deutschen Sprachraum. Frankfurt a. M. 1997 (Europäische Hochschulschriften 23,603). 198. Hilberath, Bernd Jochen: Das Verhältnis von gemeinsamem und amtlichem Priestertum in der Perspektive von Lumen Gentium 10. In: TThZ 94 (1985) 311–325. 198a. Hilberath, Bernd Jochen: Thesen zum Verhältnis von Gemeinsamem Priestertum und dem durch Ordination übertragenen priesterlichen Dienst. In: Böttigheimer, Christoph (Hrsg.); Neuner, Peter (FS): Kircheneinheit und Weltverantwortung. Regensburg 2006, 181–194. 199. Hintzen, Georg: Das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen und das besondere Priestertum des Dienstes in der ökumenischen Diskussion. In: Cath 45 (1991) 44–77. 200. Hünermann, Peter: Laien nur Helfer? Anmerkungen zur jüngsten römischen Instruktion. In: HerKorr 52 (1998) 28–31. 201. Karrer, Leo: Die Stunde der Laien. Von der Würde eines namenlosen Standes. Freiburg i.Br 1999. 202. Kasper, Walter: Funktion des Priesters in der Kirche. In: GuL 42 (1969) 102– 116. 202a. Kasper, Walter Kardinal: Diener der Freude. Priesterliche Existenz – priesterlicher Dienst. Freiburg i. Br. 2007. 203. Klöckener, Martin (Hrsg.); Richter, Klemens (Hrsg.): Wie weit trägt das gemeinsame Priestertum? Liturgischer Leitungsdienst zwischen Ordination und Beauftragung. Freiburg i. Br. 1998 (QD 171). 204. Koch, Kurt: Das Bischofsamt. Zur Rettung eines kirchlichen Dienstes. Freiburg/Schw. 1992. 205. Koch, Kurt: Die Gemeinde und ihre gottesdienstliche Feier. Ekklesiologische Anmerkungen zum Subjekt der Liturgie. In: StZ 121 (1996) 75–89. 206. Müller, Gerhard Ludwig: Der Empfänger des Weihesakraments. Quellen zur Lehre und Praxis der Kirche, nur Männern das Weihesakrament zu spenden. Würzburg 1999. 207. Müller, Judith: In der Kirche Priester sein. Das Priesterbild in der deutschsprachigen katholischen Dogmatik des 20. Jahrhunderts. Würzburg 2001. 208. Plöger, Josef G. (Hrsg.); Weber, Hermann J. (Hrsg.): Der Diakon. Wiederentdeckung und Erneuerung seines Dienstes. Freiburg i. Br. 1980. 209. Pottmeyer, Hermann J.: Das Bleibende an Amt und Sendung des Presbyters. Die ekklesiologische Einordnung des Priesteramtes als Anliegen gegenwärtiger Theologie. In: LS 21 (1970) 39–48. 210. Ders.: Amt als Dienst – Dienst als Amt. In: LS 33 (1982) 153–157. 211. Rahner, Karl: Die Gegenwart des Herrn in der christlichen Kultgemeinde. In: ders.: Schriften zur Theologie. Bd. 8. Einsiedeln 1967, 395 – 408 [SW 18, 392–401]. 212. Ders.: Pastorale Dienste und Gemeindeleitung. In: StZ 195 (1977) 733–743. 213. Reininger, Dorothea: Diakonat der Frau in der einen Kirche. Diskussionen, Entscheidungen und pastoralpraktische Erfahrungen in der Ökumene und ihr Beitrag zur römisch-katholischen Diskussion. Ostfildern 1999. 214. Sattler, Dorothea: Zum römisch-katholischen Amtsverständnis. In: US 54 (1999) 213–228.
Literatur 215. Schillebeeckx, Edward: Christliche Identität und kirchliches Amt. Plädoyer für den Menschen in der Kirche. Düsseldorf 1985. 216. Sipe, A. W. Richard: Sexualität und Zölibat. Paderborn 1992. 216a. Wessely, Christian: Gekommen, um zu dienen. Der Diakonat aus fundamentaltheologisch-ekklesiologischer Sicht. Regensburg 2004.
VI. Theologie der Ehe 1. Biblisch 217. Kirchschläger, Walter: Ehe und Ehescheidung im Neuen Testament. Überlegungen und Anfragen zur Praxis der Kirche. Wien 1987.
2. Theologiegeschichtlich 218. Ritzer, Korbinian: Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung in den christlichen Kirchen des ersten Jahrtausends. Münster 21981 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 38). 219. Stockmeier, Peter: Scheidung und Wiederverheiratung in der alten Kirche. In: ThQ 151 (1971) 39–51.
3. Neuere Beiträge 220. Baumann, Urs: Die Ehe – ein Sakrament? Zürich 1988. 221. Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth: Das ganz normale Chaos der Ehe. Frankfurt a. M. 1990. 221a. Brantzen, Hubertus: Mehr als Worte und Gefühle. Liebe leben in Partnerschaft, Ehe, Familie. Freiburg i. Br. 2002. 222. Christen, Eduard: Ehe als Sakrament – neue Gesichtspunkte aus Exegese und Dogmatik. In: Theologische Berichte 1. Zürich 1972, 11–68. 223. Demel, Sabine: Kirchliche Trauung – unerläßliche Pflicht für die Ehe des katholischen Christen? Stuttgart 1993. 224. Demel, Sabine: Standesamt – Ehe – Kirche. Die Neubewertung der Zivilehe als Versuch einer ökumenischen Annäherung. In: StZ 211 (1993) 131–140. 225. Demmer, Klaus: Die Ehe als Berufung leben. In: IntamsR 2 (1996) 39 – 62. 120–141. 226. Hell, Silvia: Die konfessionsverschiedene Ehe. Vom Problemfall zum verbindenden Modell. Freiburg i. Br. 1998. 227. Herzberg, Kurt: Taufe, Glaube und Ehesakrament. Die nachkonziliare Suche nach einer angemessenen Verhältnisbestimmung. Frankfurt a. M. 1999 (Bamberger Theologische Studien 11). 228. Jilek, August: Das Große Segensgebet über Braut und Bräutigam als Konstitutivum der Trauungsliturgie. Ein Plädoyer für die Rezeption der Liturgiereform in Theologie und Verkündigung. In: 237: 18–41. 229. Kasper, Walter: Zur Theologie der christlichen Ehe. Mainz 1977 (Grünewald Reihe). 230. Knapp, Markus: Glaube – Liebe – Ehe. Ein theologischer Versuch in schwieriger Zeit. Würzburg 1999. 231. Lachner, Gabriele: Die Kirchen und die Wiederheirat Geschiedener. Paderborn 1991 (Beiträge zur ökumenischen Theologie 21). 232. Lehmann, Karl: Glaube – Taufe – Ehesakrament. Dogmatische Überlegungen zur Sakramentalität der christlichen Ehe. In: Studia Moralia 16 (1978) 71–97.
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Literatur 233. Ders.: Die christliche Ehe als Sakrament. In: IKaZ 8 (1979) 385–392. 234. Liss, Bernhard: Zwischen uns bleibt Raum für die Liebe. Wie Partnerschaft gelingt. Würzburg 1993. 235. Miggelbrink, Ralf: Ist die Ehe ein Sakrament? Die Sakramentalität der Ehe im Kontext einer zeitgenössischen Sakramententheologie. In: GuL 74 (2001) 193–209. 236. Ratzinger, Joseph: Zur Theologie der Ehe. In: ThQ 149 (1969) 53–74. 237. Richter, Klemens (Hrsg.): Eheschließung – mehr als ein rechtlich Ding. Freiburg i. Br. 1989 (QD 120). 238. Splett, Jörg: Ehe aus der Sicht christlicher Anthropologie. In: IntamsR 1 (1995) 42–49. 239. Vorgrimler, Herbert: Zur dogmatischen Einschätzung und Neueinschätzung der kirchlichen Trauung. In: 237: 42–61.
Abkürzungen Abkürzungen nach: Schwertner, Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Berlin 21992. Werke: CO STh
Calvin, Johannes: Opera quae supersunt omnia. Ed. Wilhelm Baum, Eduard Cunitz, Eduard Reuss. Braunschweig 1863–1900. Thomas von Aquin, Summa Theologiae
Quellenangaben: FC Fontes Christiani, Freiburg i. Br.: Herder, 1990ff: DwÜ Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. 2 Bde. (Bd. 1: 1931–1982; Bd. 2: 1982–1990). Paderborn; Frankfurt a. M. 1983; 1992. IntamsR Intams Review: Review of International Academy of Marital Spirituality. Sint-Genesius-Rode. SChr Sources Chrétiennes. Paris 1941ff. Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils: CD Christus Dominus GS Gaudium et spes LG Lumen gentium PO Presbyterorum ordinis SC Sacrosanctum Concilium UR Unitatis redintegratio
Personenregister Abaelardus, Petrus 130 Alexander III. 181 Alexander von Hales 113 Ambrosius 33. 69. 90. 105 Angenendt, Arnold 38. 70. 86. 160. 173. 181 Armbruster, Klemens 58 Augustinus 34 f. 37. 48. 86. 105. 159. 172. 180 Bach, Johann Sebastian 193 f. Bachl, Gottfried 115 Balthasar, Hans Urs von 116 Barth, Gerhard 97 Basilius d. Gr. 85 Baumann, Urs 192 Bausenhart, Guido 166 Beck, Matthias 142 Beck, Ulrich 176 Berengar 112 Betz, Johannes 105 Bonaventura 49 Brantzen, Hubertus 175.192 Breuning, Wilhelm 97 Bucer, Martin 88 Calvin, Johannes 41. 43 f. 87 f. 109 f. 114. 131. 145. 161 Casel, Odo 44. 56. 88. 110 Chauvet, Louis-Marie 47 Courth, Franz 70 Cyprian von Karthago 33. 36 f. 48. 84. 105. 158. 159 Cyrill von Jerusalem 85 Demel, Sabine 190 Demmer, Klaus 141. 175. 188. 192 Depoortere, Kristiaan 148 f. Dettwiler, Peter 121 Eggebrecht, Hans Heinrich 193 f. Englert, Rudolf 20 Faber, Eva-Maria 22. 44. 166 Freitag, Josef 23. 161 Freyer, Thomas 20. 52 Fuchs, Ottmar 123. 175
Ganoczy, Alexandre 54 f. Gassmann, Günther 106 Gerhards, Albert 121 Gerken, Alexander 115. 120 Gestrich, Christof 123. 140 Gnilka, Joachim 153 Gregor I. 86 Greshake, Gisbert 147–149. 164. 168. 170. 175 Guardini, Romano 44 Haag, Herbert 164 Häußling, Angelus A. 57 Hartman, Lars 70. 97 Heiser, Lothar 97 Hempelmann, Reinhard 18. 20. 52. 69 Henrici, Peter 139 Hilberath, Bernd Jochen 115. 121 Hintzen, Georg 121. 166 Hünermann, Peter 54 f. 166. 169. 175 Ignatius von Antiochien 104. 157 Innozenz I. 86. 144 Irenäus von Lyon 48. 104. 109. 158 Isidor von Sevilla 38 Janowski, Bernd 47 Jilek, August 84. 97. 104. 136 f. 141. 190 Johannes Chrysostomus 48. 86. 109 Johannes Paul II. 139. 183 Johannwerder, Jutta 149 Justin 32. 83. 112 Kant, Immanuel 44 Karrer, Leo 169 Kasper, Walter 52. 57 f. 138. 141. 164 f. Kessler, Hans 60 f. Kirchschläger, Walter 175. 179. 192 Klauck, Hans-Josef 103 Kleinheyer, Bruno 181 Klemens von Alexandrien 159 Knapp, Markus 184. 187. 189 f. 191 f. Knauber, Adolf 148
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Personenregister
Koch, Günter 19. 70. 74. 191 Koch, Kurt 71. 165. 170 f. Körner, Bernhard 141 Kretschmar, Georg 84 Kühn, Ulrich 49. 111 Küng, Hans 96 Kunzler, Michael 96 Kuschel, Karl-Josef 123 Lacan, Jacques 47 Leenhardt, Franz J. 114 Lehmann, Karl 188 Leo d. Gr. 49 Leo X. 131 Léon-Dufour, Xavier 100 f. 120 Levinas, Emmanuel 20 Lévi-Strauss, Claude 47 Lies, Lothar 64. 71 Liss, Bernhard 185 Lohfink, Gerhard 77 Loretan, Adrian 152 Lubac, Henri de 50 Luther, Martin 41–43. 87. 109. 113. 131. 145. 182 Melanchthon, Philipp 114 Menke, Karl-Heinz 14. 53 Messner, Reinhard 137. 141 Metz, Johann Baptist 122 Miggelbrink, Ralf 51. 180. 192 Mildenberger, Friedrich 158 Moos, Alois 66 Müller, Judith 168
Pottmeyer, Hermann J. 164. 171 Rahner, Karl 19. 21. 49. 50. 51. 52. 63. 66–68. 93. 132. 165. 166. 171 Ratzinger, Joseph 57 f. Remy, Gérard 115 Roloff, Jürgen 100. 154. 156. 175 Sattler, Dorothea 66. 121. 132. 141 Schaeffler, Richard 57 Schillebeeckx, Edward 51. 114. 164 Schlier, Heinrich 165 Schneider, Theodor 19. 118 Schrage, Wolfgang 101 Schulte, Raphael 60 f. 63 Scouarnec, Michel 47 Semmelroth, Otto 51 Stephan I. 36 Strasser, Peter 50 Stuflesser, Martin 111. 121 Tertullian 33. 43. 83. 86 Testa, Benedetto 70 Thaler, Anton 121 Theodor von Mopsuestia 32 Thomas von Aquin 39 f. 55. 87. 90. 106. 130 f. Vorgrimler, Herbert 55. 68
Nachtwei, Gerhard 133 Neumann, Burkhard 47. 49. 51 f. 71 Nüchtern, Michael 122
Walter, Meinrad 194 Weger, Karl-Heinz 92 Weissmahr, Béla 60 Welker, Michael 47 Wenz, Gunther 18 Werbick, Jürgen 62. 138 Weß, Paul 137 Wolter, Michael 82
Optatus von Mileve 37 Origenes 86 Ostmeyer, Karl-Heinrich 31. 76. 92
Zehnder, Joachim 141 Zulehner, Paul M. 140 Zwingli, Huldrych 41. 43. 87 f. 113
Pannenberg, Wolfhart 163 Paul VI. 115. 146 Pesch, Rudolf 80 Petrus Lombardus 39 Pius XI. 183 Pius XII. 162 Poschmann, Bernhard 132
Frühchristliche Schriften Canones Hippolyti 159 Didache 83. 104 Didascalia 83 Hirt des Hermas 126 f. Traditio apostolica 83 f. 109. 157
Sachregister Anthropologische Aspekte 19–21. 23. 25. 63. 96. 98. 142. 176. 184–186 Aristotelisches Denken 40 Buße 53. 58. 65. 69. 87. 144 f. Character indelebilis 70. 87. 91. 93. 170 Ehe 53. 58. 69 f. Eschatologische Dimension 59. 80. 82. 92. 103. 105. 115. 140. 145. 147 f. 178. 189 Eucharistie 26. 65 f. 69. 84. 89. 123. 133. 150. 159. 163. 165. 167 Firmung 69. 70. 80. 84. 86–88. 95– 97. 150. 161 Gedächtnis, Anamnese 32. 33. 55– 57. 85. 105. 107–110. 133 Glauben, Antwort des Menschen, subjektive Dimension 15. 33. 35. 38. 40. 42. 43. 45. 63. 65. 75. 81 f. 83 f. 87. 90. 94 f. 96. 124. 134. 135 f. 138 f. 149. 173–175. 188. 189 f. 194 Gnadentheologische Aspekte 15. 25. 50. 183 f. Heiliger Geist 23. 79 f. 84 f. 93. 96 f. 105. 117 Katechumenat 33. 83 f. 88. 92. 128 Kirche, ekklesiale Dimension 13. 30. 37. 44 f. 46. 51–54. 78. 80. 88 f. 91–93. 96 f. 105. 107. 117–120. 127. 132. 133. 136 f. 147. 150 f. 158. 169. 183. 188 Konzilien Konzil von Florenz 40 f. 70. 87. 131. 145. 160. 182 Konzil von Lyon 39. 182 Konzil von Trient 41. 44. 88. 110. 131 f. 145 f. Viertes Laterankonzil 113
Erstes Vatikanisches Konzil 161 Zweites Vatikanisches Konzil 45. 59. 88 f. 96. 106. 110. 114. 117. 132. 146. 161 f. 183 Krankensalbung 53. 58. 66. 69 Liturgie 24 f. 37. 44 f. 54 f. 65 f. 84 f. 87 f. 92. 106. 117. 133. 136–138. 145. 146. 160. 162. 167. 180 f. 188. 190 f. Ökumenische Fragen 16. 18. 51 f. 66. 69 f. 89. 91. 106. 110 f. 116 f. 118–120. 131. 146. 151. 162 f. 183 f. Opus operatum (ex opere operato) 40. 42. 44. 64 Ordo, sakramentales Amt, Sakramenten„spender“ 36 f. 40. 54. 64 f. 69. 70. 88. 134. 136. 146 f. 191 Platonisches (neuplatonisches) Denken 32. 34. 40 Rechtfertigung 42. 87 f. 89. 110. 131. 151. 160 Sakramenten„spender“ siehe Ordo Sünde 35. 43. 86. 102. 122 f. 136 f. Symbol, Zeichen 28. 34. 45. 66–69. 105 f. 112 Taufe 33. 36. 53. 58. 63. 65 f. 67. 69. 70. 126. 128. 131. 133. 149. 150. 161. 190 Typologisches Denken 31 f. 85 Vergebung (siehe auch Buße) 86. 91 f. 102. 144. 145 f. Wirken Gottes 13 f. 37. 39. 59–62. 64. 147. 168. 169 f. 194 Wirksamkeit 39. 46. 59–62 Wort 24. 34 f. 40. 41 f. 45. 65 f. 138. 150 f. 165 Würzburger Synode 57 f. 122
Verzeichnis der Bibelstellen Gen 1 66 Gen 2,23 f. 177 Gen 6–9 76 Gen 17 76 Gen 17,10–14 29
Weish 2,22 26 Weish 6,22 26 Weish 14,15.23 26
Ex 3,1–6 29 Ex 6,7 177 Ex 12,14 56 Ex 14,15–15,21 76 Ex 24,1 98 Ex 24,8 102 Ex 29,38–46 29
Jes 1,16 f. 76 Jes 25,6 98 Jes 43,7 79 Jes 53 102 108 Jes 55,10 f. 66
Lev 5,5 128 Lev 9,15–24 125 Lev 12,3 76 Lev 15 76 Lev 17,15 f. 76 Lev 26,12 177
Ez 11,19 80 Ez 36,25–27 80
Num 27,15–23 156 Dtn 8,8 f. 98 Dtn 28,10 79 Dtn 34,9 156 Neh 9,17 125 Tob 12,7.11 26 Ps 18,5 76 Ps 19,2 28 Ps 23 29. 98 Ps 31,6 193 Ps 32,3–5 125 Ps 42,2 f. 76 Ps 51,6.12 124 f. Ps 68,21 143 Ps 88 143 Ps 104,9 76 Ps 104,14 f. 98 Ps 104,15.24 28 Ps 130,3 f. 124 f. Ps 145,15 f. 98
Sir 14,17 193
Jer 4,4 76
Dan 2,28 f.47 26 Hos 1,9 177 Hos 2,21 177 Mal 1,11 109 Mal 2,14–16 177 Mt 4,11 27 Mt 5,27–32 178 Mt 6,25 98 Mt 6,26–30 28 Mt 8,20–22 153 Mt 9,1–8 125 Mt 9,10–13 99. 178 Mt 10,8 143 Mt 10,37 153 Mt 18,12–14 126 Mt 18,15–17 125 Mt 18,18 30. 125 f. Mt 18,19 126 Mt 18,21–35 126 Mt 19,3–9 178 Mt 19,10–12 179 Mt 26,21–30 99–102 Mt 28,19 77. 78 Mk 1,18 153 Mk 2,1–12 125 Mk 3,13–19 153
Mk 4,11 27 Mk 6,6b-13 30. 77. 143. 145. 153 Mk 6,32–44 29. 98 Mk 7,2–4 77 Mk 8,1–10 98 Mk 10,2–12 178 Mk 10,38 f. 82 Mk 14,12–26a 99–102 Mk 16,15 f. 77. 89 Mk 16,17 145 Lk 1,35 93 Lk 4,18.21 78 Lk 6,12–16 153 Lk 8,10 27 Lk 8,55 98 Lk 10,16 30 Lk 14,15–24 98 Lk 15 99 Lk 16,18 178 Lk 22,7–28 99–102 Lk 22,19 56. 98. 107 Lk 23,43.46 193 Lk 24,13–35 103 Lk 24,41 98 Joh 3,3–8 80 Joh 3,5 89 Joh 3,22.26 77 Joh 4,1 f. 77 Joh 6 104 Joh 13 103 Joh 14,9 29 Joh 20,22 131 Joh 22,23 126 Apg 1,5 77 Apg 1,15–26 154 Apg 1,21 f. 153 Apg 1,24–28 156 Apg 2 30 Apg 2,16–18 80 Apg 2,38–41 77–80 Apg 2,42 98. 102 Apg 2,46 102
Verzeichnis der Bibelstellen
Apg 6,1–6 156 Apg 8,14–17 80 Apg 8,37 78 Apg 8,38 78 Apg 9,9.19 156 Apg 9,11–16 156 Apg 10,44–48 80 Apg 10,47 78 Apg 10,48 79 Apg 11,16 77 Apg 11,30 154 Apg 12,2 154 Apg 13,1–3 156 Apg 14,23 30. 154. 156 Apg 15 154 Apg 19,1–7 77 Apg 19,3 156 Apg 19,5 78. 79 Apg 20,7–12 102 f. Apg 20,17 155 Apg 20,28 30. 155. 156 Apg 21,18–26 154 Apg 22,16 78 Apg 22,17 156 Röm 1,1 154. 156 Röm 1,5 154 Röm 2,25–29 76 Röm 5,8 92 Röm 6 79. 80–82. 92 Röm 8,1 64 Röm 8,1–30 80 Röm 8,12–17 79 Röm 11,13 156 Röm 12,3–8 154. 155 Röm 13,14 82 1 Kor 1,13.15 79. 80 1 Kor 1,16 78 1 Kor 2 27 1 Kor 5 125 1 Kor 6,11 79 1 Kor 7 179 1 Kor 7,10 f. 178 1 Kor 7,14 187 1 Kor 8,4.8 103 1 Kor 10,1–4 26. 79 1 Kor 10,2 85 1 Kor 10,1–13 31 1 Kor 10,14–22 103
1 Kor 10,16 f. 103. 117 1 Kor 11 103 1 Kor 11,17–26 (–34) 99–103. 117 1 Kor 11,20 98. 103. 119 1 Kor 11,24 f. 56 1 Kor 11,26 103. 115 1 Kor 12 80. 155 1 Kor 12,13 80 1 Kor 12,28 154 1 Kor 15,23 79 1 Kor 15,44–49 92 1 Kor 16,15 78 2 Kor 1,21 78 2 Kor 1,22 79. 80 2 Kor 2,5–11 125 2 Kor 3,7–9 156 2 Kor 4,5 156 2 Kor 5,5 80 2 Kor 5,17 80 2 Kor 5,18 f. 151 2 Kor 5,20 154 Gal 1,1 154 Gal 2,1–10 154 Gal 2,19 79. 82 Gal 2,20 64 Gal 3,27.29 79. 82 Gal 3,28 80. 165 Gal 5,24 79 Gal 6,1 126 Gal 6,14 82 Gal 6,15 80 Eph 1,3–11 27 Eph 1,13 79 Eph 2,5 f. 82. 85 Eph 2,20 155 Eph 3,1–13 27 Eph 4,4–6 80 Eph 4,11 156 Eph 5,14 80 Eph 5,21–6,9 179 f. 187 Eph 5,25 f. 78 f. Eph 5,32 27 Eph 6,19 27 Phil 1,1 155 Phil 3,10 82
Kol 1,24 149 Kol 1,27 27 Kol 2,2 27 Kol 2,8–23 79. 82 Kol 2,11 79 Kol 2,12 f. 82 Kol 3,1 82 Kol 3,3.5 82 Kol 3,9 92 Kol 3,11 80 Kol 3,17 98 1 Thess 5,12 154 1 Tim 2,1–3 89 1 Tim 3 78 1 Tim 3,11 155 1 Tim 4,14 156 1 Tim 6,12 78 2 Tim 1,5 78 2 Tim 1,6 156 2 Tim 3,6.15 78 Tit 1,11 78 Tit 2,14 79 Tit 3,5 78. 80. 89 Hebr 4,12 f. 66 Hebr 4,14 78 Hebr 6,1 f. 78 Hebr 6,4–6 125 Hebr 9,11–10,18 108 f. Hebr 10,22 78 Jak 1,18 80 Jak 2,7 78 Jak 5,14 f. 143 f. 145 f. Jak 5,16 126. 128 Jak 5,19 f. 126 1 Petr 1,3 80 1 Petr 2,5 157 1 Petr 2,9 79. 157 1 Petr 2,25 156 1 Petr 3,20 f. 31. 85 1 Petr 5,1–4 156 1 Joh 186 1 Joh 2,20.27 78 1 Joh 5,16 f. 125 Offb 22,20 193
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