Einführung in das Technologie-Marketing [Reprint 2014 ed.] 9783486812343, 9783486272475

Das Lehrbuch "Technologie-Marketing" wurde mit der Zielsetzung einer Einführung in das Marketing technologiein

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German Pages 457 [460] Year 2002

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing
1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing
1.1 Veränderungen der Rahmenbedingungen
1.1.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
1.1.2 Technologische Rahmenbedingungen
1.1.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
1.2 Für das Technologie-Marketing relevante Unternehmensbedingungen
1.2.1 Die Unternehmenskultur als Einflußfaktor
1.2.2 Ressourcenpotential
1.2.3 Innovationsstrategische Konzepte
1.2.4 Überwindung konventioneller Strukturen
1.2.5 Unternehmensbedingungen und Erfolgsfaktoren
2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing
2.1. Grundlagen des Marketingdenkens und von Marketingkonzepten
2.1.1 Der Wandel des Marketingdenkens
2.1.2 Das strategische Dreieck
2.1.3 Strategische und operative Marketingpolitik
2.2 Abgrenzung und Besonderheiten des Technologie-Marketing
2.2.1 Technologie-Marketing als Teilgebiet des Marketing
2.2.2 Begriffsabgrenzung
2.2.3 Im Spannungsfeld zwischen Technik und Marketing
2.2.4 Aufgaben und Ansatzpunkte eines Technologiemarketing
2.2.5 Risiken im Technologie-Marketing
3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb
3.1 Die Bedeutung der Technologie im gesellschaftlichen Umfeld
3.2 Der Technologielebenszyklus als Einflußfaktor auf den Wettbewerb
3.3 Klassifizierung von Technologien auf dem Hintergrund des Technologielebenszyklus
3.4 Technologien und Typen von Innovationsprozessen
3.5 Technologien als Gegenstand industrieller Vermarktungsprozesse
3.6 Zur Koordination von Technologie- und Bedarfspotentialen
Literaturverzeichnis
Kapitel II: Analyse der Ausgangslage von Unternehmung und Umwelt
1. Gründe für strategische Analysen
2. Die Unternehmensanalyse
2.1 Bereiche der Unternehmensanalyse
2.2 Die Instrumente der Unternehmensanalyse: die Wertkette als Beispiel
2.3 Ziele und Aufgaben der Unternehmensanalyse
3. Die Umweltanalyse
3.1 Bereiche der Umweltanalyse
3.1.1 Analyse der Rahmenbedingungen
3.1.2 Beschaffungsmärkte
3.1.3 Analyse der Absatzmärkte
3.2 Instrumente der Umweltanalyse
3.3 Ziele und Aufgaben der Umweltanalyse
4. Die SWOT-Analyse als Zusammenführung von Unternehmens und Umweltanalyse
Literaturverzeichnis
Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder
1. Strategische Stoßrichtungen
1.1 Strategie der Differenzierung
1.2 Strategie der Kostenführerschaft
1.3 Hybride Wettbewerbsstrategien
2. Bedeutung von Wettbewerbsvorteilen
3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder
3.1 Produkt-Markt-Matrix als Strukturierungshilfe bei der Geschäftsfeldwahl
3.2 Das Problemkonzept als integrative Kraft
3.3 Mehrdimensionale Abgrenzung von Geschäftsfeldern nach Abell
3.4 Internationale Erweiterung der Geschäftsfeldwahl
3.5 Zur Bildung Strategischer Geschäftseinheiten
3.6 Die Portfolio-Analyse als Planungsinstrument für die Steuerung strategischer Geschäftseinheiten
3.6.1 Das Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Boston Consulting Group BCG)
3.6.2 Das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio (Me Kinsey)
3.6.3 Technologie-Portfolio (Pfeiffer u.a.)
3.6.4 Kombinierte Markt-Technologie-Portfolios
3.7 Zu den Dimensionen strategischer Geschäftsfelder
3.7.1 Analyse und Auswahl von Funktionen potentieller Kunden
3.7.2 Zur Auswahl von Kundengruppen
3.7.3 Auswahl von Technologiebereichen
3.7.4 Auswahl von Ländermärkten
4. Timing-Aspekte (oder Timingstrategien)
Literaturverzeichnis
Kapitel IV: Organisationales Kaufverhalten
1. Besonderheiten des Kaufverhaltens im Technologie-Marketing
2. Intrapersonale Determinanten des organisationalen Kaufverhaltens
2.1 Aktivierende Prozesse
2.2 Kognitive Prozesse
3. Interpersonale Determinanten des organisationalen Kaufverhaltens
4. Monoorganisationale Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten
4.1 Partialmodelle
4.1.1 Buying Center Konzepte
4.1.2 Determinanten der spezifischen Beschaffungssituation
4.2 Totalmodelle
4.2.1 Das Webster/Wind-Modell
4.2.2 Das Modell von Choffray/Lilien
4.3 Kritische Würdigung der monoorganisationalen Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten
5. Interaktionsansätze zur Erklärung des organisational Kaufverhaltens
5.1 Personale Interaktionsansätze
5.2 Organisational Interaktionsansätze
5.2.1 Dyadisch organisationale Interaktionsansätze
5.2.2 Multiorganisationale Interaktionsansätze
5.3 Kritische Würdigung der Interaktionsansätze
Literaturverzeichnis
Kapitel V: Hinweise zum Instrumentaleinsatz
1. Leistungstypologien als Ansatzpunkt zur Entwicklung von Marketingkonzepten
1.1 Leistungstypologie nach Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer
1.2 Informationsökonomisch begründete Transaktionstypologie nach Weiber/Adler
1.3 Geschäftstypologie nach Kleinaltenkamp
1.4 Schwierigkeiten bei der Zuordnung realer Produkte
2. Hinweise zur Leistungspolitik
2.1 Entscheidungsfelder der Leistungspolitik
2.1.1 Kombination von physischen Produkten (Hardware) und Dienstleistungen (Software)
2.1.2 Standardisierung und Individualisierung
2.1.3 Qualitätspolitik
2.1.4 Markenpolitik
2.2.2 Entscheidungsbereiche der Programmpolitik
3. Hinweise zur Distributionspolitik
3.1 Grundlagen
3.1.1 Zu den Begriffen Distributionspolitik und Vertriebsweg
3.1.2 Distributionspolitik als integraler Bestandteil von Unternehmungs- und Marketingpolitik
3.2 Gestaltungsprinzipien internationaler Distributionssysteme
3.2.1 Direkter und indirekter Export
3.2.2 Direkter und indirekter Vertrieb
3.2.3 Einstufiger und mehrstufiger Vertrieb
3.2.4 Eingleisiger und mehrgleisiger Vertrieb
3.2.5 Betriebseigene und betriebsfremde Distributionsorgane
3.2.6 Individueller und kooperativer Vertriebsweg
3.3 Der Einsatz des Internet im Vertrieb
3.3.1 Die zunehmende Bedeutung elektronischer Medien im Vertrieb
3.3.2 Einsatzmöglichkeiten des E-Commerce bei unterschiedlichen Geschäftstypen
3.3.3 Ausgewählte Entwicklungen und Ihre Auswirkungen auf das Zuliefergeschäft
3.4. Einflußfaktoren auf die Gestaltung der Distributionspolitik bei internationaler Unternehmenstätigkeit
3.4.1 Unternehmensexterne Faktoren
3.4.2 Struktur- und politikbezogene Einflußfaktoren der vertreibenden Unternehmung
3.5 Auswahl von Distributionsalternativen
3.6 Kommunikation, Steuerung und Kontrolle der Distributionspolitik
3.7 Konflikte und Konfliktbewältigung in Distributionskanälen
3.8 Logistik
4. Hinweise zur Kontrahierungspolitik
4.1 Vertragsgestaltung
4.2 Zur Preispolitik
4.2.1 Ausgewählte preistheoretische Grundlagen
4.2.2 Preisdifferenzierung
4.2.3 Anlässe von Preisentscheidungen
4.2.4 Für die Preispolitik bedeutsame Zielsetzungen und preisstrategische Optionen
4.2.5 Hauptdeterminanten der Preisentscheidung
4.3 Konditionenpolitik
4.3.1 Rabatte, Skonti, Boni
4.3.2 Liefer- und Zahlungsbedingungen
5. Hinweise zur Kommunikationspolitik
5.1 Grundlagen der Kommunikation
5.1.1 Begriffliche Grundlagen
5.1.2 Die Bedeutung der Kommunikationspolitik
5.1.3 Die Bedeutung neuer IuK-Technologien für die Kommunikationspolitik
5.2 Bedeutung des Buying-Center-Konzepts für die Ausgestaltung der Kommunikationspolitik
5.3 Ausgewählte Instrumente der Kommunikationspolitik
5.3.1 Zur Notwendigkeit der Abstimmung aller Kommunikationsinstrumente zur Erreichung eines konsistenten und stabilen Images
5.3.2 Public Relations
5.3.3 Persönliche Kommunikation
5.3.4 Verkaufsförderung
5.3.5 Werbung
Literaturverzeichnis
Kapitel VI: Ausgewählte Implementierungsprobleme
1. Wandel in den Anforderungen an das Management von Technologie-Unternehmungen
2. Spannungsfelder zwischen technischen und marktorientierten Bereichen
3. Lösungshinweise zur Schnittstellenproblematik zwischen Technikern und Kaufleuten
3.1 Die Unternehmenskultur als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung
3.2 Das Corporate Identity Konzept
3.3 Führung als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung
3.4 Die Organisation als Ansatzpunkt der Schnittstellengestaltung
3.5 Das Planungs- und Kontrollsystem als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung
3.6 Die personale Ebene als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung
4. Ausblick
Literaturverzeichnis
Index
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Einführung in das Technologie-Marketing [Reprint 2014 ed.]
 9783486812343, 9783486272475

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Einführung in das TechnologieMarketing Von o. Univ. Prof. Prof. h. c. Dr. DDr. h. c.

Dieter J. G. Schneider Universität Klagenfurt Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Informatik Institut für Wirtschaftswissenschaften Abteilung für Marketing und Internationales Marketing

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schneider, Dieter J. G.: Einführung in das Technologie-Marketing / von Dieter J. G. Schneider. München ; Wien : Oldenbourg, 2002 ISBN 3-486-27247-0

O 2002 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-27247-0

Inhalt Inhalt Vorwort

V XI

Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

1

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

1

1.1 Veränderungen der Rahmenbedingungen 1.1.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 1.1.2 Technologische Rahmenbedingungen 1.1.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

1 2 9 14

1.2 Für das Technologie-Marketing relevante Untemehmensbedingungen 1.2.1 Die Unternehmenskultur als Einflußfaktor 1.2.2 Ressourcenpotential 1.2.3 Innovationsstrategische Konzepte 1.2.4 Überwindung konventioneller Strukturen 1.2.5 Unternehmensbedingungen und Erfolgsfaktoren

15 16 18 19 21 23

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

24

2.1. Grundlagen des Marketingdenkens und von Marketingkonzepten 2.1.1 Der Wandel des Marketingdenkens 2.1.2 Das strategische Dreieck 2.1.3 Strategische und operative Marketingpolitik

24 24 26 28

2.2 Abgrenzung und Besonderheiten des Technologie-Marketing 2.2.1 Technologie-Marketing als Teilgebiet des Marketing 2.2.2 Begriffsabgrenzung 2.2.3 Im Spannungsfeld zwischen Technik und Marketing 2.2.4 Aufgaben und Ansatzpunkte eines Technologiemarketing 2.2.5 Risiken im Technologie-Marketing

33 33 34 35 36 38

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb

43

3.1 Die Bedeutung der Technologie im gesellschaftlichen Umfeld

43

3.2 Der Technologielebenszyklus als Einflußfaktor auf den Wettbewerb

45

VI

Inhalt

3.3 Klassifizierung von Technologien auf dem Hintergrund des Technologielebenszyklus. 50 3.4 Technologien und Typen von Innovationsprozessen

53

3.5 Technologien als Gegenstand industrieller Vermarktungsprozesse

54

3.6 Zur Koordination von Technologie- und Bedarfspotentialen

55

Literaturverzeichnis

57

Kapitel II: Analyse der Ausgangslage von Unternehmung und Umwelt

63

1. Gründe für strategische Analysen

63

2. Die Unternehmensanalyse

65

2.1 Bereiche der Unternehmensanalyse

66

2.2 Die Instrumente der Unternehmensanalyse: die Wertkette als Beispiel

76

2.3 Ziele und Aufgaben der Unternehmensanalyse

78

3. Die Umweltanalyse

79

3.1 Bereiche der Umweltanalyse 3.1.1 Analyse der Rahmenbedingungen 3.1.2 Beschaffungsmärkte 3.1.3 Analyse der Absatzmärkte

80 80 81 81

3.2 Instrumente der Umweltanalyse

84

3.3 Ziele und Aufgaben der Umweltanalyse

86

4. Die SWOT-Analyse als Zusammenführung von Unternehmensund Umweltanalyse

87

Literaturverzeichnis

92

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

95

1. Strategische Stoßrichtungen

95

1.1 Strategie der Differenzierung

99

1.2 Strategie der Kostenführerschaft

100

1.3 Hybride Wettbewerbsstrategien 2. Bedeutung von Wettbewerbsvorteilen

102 107

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

108

3.1 Produkt-Markt-Matrix als Strukturierungshilfe bei der Geschäftsfeldwahl

109

Inhalt

VII

3.2 Das Problemkonzept als integrative Kraft

112

3.3 Mehrdimensionale Abgrenzung von Geschäftsfeldern nach Abell

115

3.4 Internationale Erweiterung der Geschäftsfeldwahl

119

3.5 Zur Bildung Strategischer Geschäftseinheiten

122

3.6 Die Portfolio-Analyse als Planungsinstrument für die Steuerung strategischer Geschäftseinheiten 3.6.1 Das Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Boston Consulting Group BCG) 3.6.2 Das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio (Mc Kinsey) 3.6.3 Technologie-Portfolio (Pfeiffer u.a.) 3.6.4 Kombinierte Markt-Technologie-Portfolios

124 126 127 131 132

3.7 Zu den Dimensionen strategischer Geschäftsfelder 3.7.1 Analyse und Auswahl von Funktionen potentieller Kunden 3.7.2 Zur Auswahl von Kundengruppen 3.7.3 Auswahl von Technologiebereichen

134 134 143 165

3.7.4 Auswahl von Ländermärkten

178

4. Timing-Aspekte (oder Timingstrategien)

203

Literaturverzeichnis

212

Kapitel IV: Organisational Kaufverhalten

217

1. Besonderheiten des Kaufverhaltens im Technologie-Marketing

217

2. Intrapersonale Determinanten des organisationalen Kaufverhaltens 2.1 Aktivierende Prozesse

218 218

2.2 Kognitive Prozesse

220

3. Interpersonale Determinanten des organisationalen Kaufverhaltens

222

4. Monoorganisationale Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten

223

4.1 Partialmodelle 4.1.1 Buying Center Konzepte 4.1.2 Determinanten der spezifischen Beschaffungssituation

223 225 230

4.2 Totalmodelle 4.2.1 Das Webster/Wind-Modell 4.2.2 Das Modell von Choffray/Lilien

236 237 241

4.3 Kritische Würdigung der monoorganisationalen Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten 244

ΥΠΙ

Inhalt

5. Interaktionsansätze zur Erklärung des organisationalen Kaufverhaltens

245

5.1 Personale Interaktionsansätze

246

5.2 Organisationale Interaktionsansätze 5.2.1 Dyadisch organisationale Interaktionsansätze 5.2.2 Multiorganisationale Interaktionsansätze

247 247 249

5.3 Kritische Würdigung der Interaktionsansätze

251

Literaturverzeichnis

251

Kapitel V: Hinweise zum Instrumentaleinsatz

255

1. Leistungstypologien als Ansatzpunkt zur Entwicklung von Marketingkonzepten 255 1.1 Leistungstypologie nach Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer

256

1.2 Informationsökonomisch begründete Transaktionstypologie nach Weiber/Adler

258

1.3 Geschäftstypologie nach Kleinaltenkamp

260

1.4 Schwierigkeiten bei der Zuordnung realer Produkte

263

2. Hinweise zur Leistungspolitik

264

2.1 Entscheidungsfelder der Leistungspolitik 2.1.1 Kombination von physischen Produkten (Hardware) und Dienstleistungen (Software) 2.1.2 Standardisierung und Individualisierung 2.1.3 Qualitätspolitik 2.1.4 Markenpolitik 2.2.2 Entscheidungsbereiche der Programmpolitik

265 265 272 273 275 282

3. Hinweise zur Distributionspolitik

286

3.1 Grundlagen 3.1.1 Zu den Begriffen Distributionspolitik und Vertriebs weg 3.1.2 Distributionspolitik als integraler Bestandteil von Unternehmungs- und Marketingpolitik

286 286

3.2 Gestaltungsprinzipien internationaler Distributionssysteme 3.2.1 Direkter und indirekter Export 3.2.2 Direkter und indirekter Vertrieb 3.2.3 Einstufiger und mehrstufiger Vertrieb 3.2.4 Eingleisiger und mehrgleisiger Vertrieb 3.2.5 Betriebseigene und betriebsfremde Distributionsorgane 3.2.6 Individueller und kooperativer Vertriebsweg

289 290 291 292 293 295 298

3.3 Der Einsatz des Internet im Vertrieb 3.3.1 Die zunehmende Bedeutung elektronischer Medien im Vertrieb

299 299

287

Inhalt

IX

3.3.2 Einsatzmöglichkeiten des E-Commerce bei unterschiedlichen Geschäftstypen 3.3.3 Ausgewählte Entwicklungen und Ihre Auswirkungen auf das Zuliefergeschäft

300 303

3.4. Einflußfaktoren auf die Gestaltung der Distributionspolitik bei internationaler Unternehmenstätigkeit 3.4.1 Unternehmensexterne Faktoren 3.4.2 Struktur- und politikbezogene Einflußfaktoren der vertreibenden Unternehmung

309 309 311

3.5 Auswahl von Distributionsalternativen

313

3.6 Kommunikation, Steuerung und Kontrolle der Distributionspolitik

315

3.7 Konflikte und Konfliktbewältigung in Distributionskanälen

316

3.8 Logistik

317

4. Hinweise zur Kontrahierungspolitik

321

4.1 Vertragsgestaltung

322

4.2 Zur Preispolitik 4.2.1 Ausgewählte preistheoretische Grundlagen 4.2.2 Preisdifferenzierung 4.2.3 Anlässe von Preisentscheidungen 4.2.4 Für die Preispolitik bedeutsame Zielsetzungen und preisstrategische Optionen 4.2.5 Hauptdeterminanten der Preisentscheidung

324 324 335 337 338 340

4.3 Konditionenpolitik 4.3.1 Rabatte, Skonti, Boni 4.3.2 Liefer- und Zahlungsbedingungen

348 348 349

5. Hinweise zur Kommunikationspolitik

362

5.1 Grundlagen der Kommunikation 5.1.1 Begriffliche Grundlagen 5.1.2 Die Bedeutung der Kommunikationspolitik 5.1.3 Die Bedeutung neuer IuK-Technologien für die Kommunikationspolitik

362 362 365 367

5.2 Bedeutung des Buying-Center-Konzepts für die Ausgestaltung der Kommunikationspolitik

368

5.3 Ausgewählte Instrumente der Kommunikationspolitik 370 5.3.1 Zur Notwendigkeit der Abstimmung aller Kommunikationsinstrumente zur Erreichung eines konsistenten und stabilen Images 370 5.3.2 Public Relations 371 5.3.3 Persönliche Kommunikation 375 5.3.4 Verkaufsförderung 379 5.3.5 Werbung 395

χ Literaturverzeichnis

408

Kapitel VI: Ausgewählte Implementierungsprobleme

417

1. Wandel in den Anforderungen an das Management von TechnologieUnternehmungen 2. Spannungsfelder zwischen technischen und marktorientierten Bereichen

417 419

3. Lösungshinweise zur Schnittstellenproblematik zwischen Technikern und Kaufleuten

423

3.1 Die Unternehmenskultur als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung

423

3.2 Das Corporate Identity Konzept

426

3.3 Führung als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung

427

3.4 Die Organisation als Ansatzpunkt der Schnittstellengestaltung

428

3.5 Das Planungs- und Kontrollsystem als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung

431

3.6 Die personale Ebene als Ansatzpunkt zur Schnittstellengestaltung

432

4. Ausblick

433

Literaturverzeichnis

433

Index

437

Vorwort Das Lehrbuch „Technologie-Marketing" wurde mit der Zielsetzung einer Einführung in das Marketing technologieintensiver Unternehmungen des Business-to-Business-Bereichs verfaßt. Es richtet sich vor allem an Studentinnen und Studenten, die sich in dieses interessante Gebiet einarbeiten möchten. Bei der Konzeption des Buches wurden insbesondere Studentinnen und Studenten technischer Disziplinen als Zielgruppe ins Auge gefaßt, die eine Zusatzausbildung im Marketing für technologieintensive Produkte des Business-to-BusinessBereichs benötigen. Daher liegt auch die Intention des Buches darin, Studierenden eine Einführung in die komplexen Zusammenhänge des Marketing dieses interessanten Wirtschaftsbereichs zu geben. Basierend auf dieser Prämisse liegt nicht etwa ein umfassendes Werk über Marketing für technologieintensive Produkte vor; es wurden bewußt Auswahlentscheidungen mit dem Fokus auf die studentischen Erfordernisse getroffen und deshalb viele Wissensbereiche nicht in die Tiefe gehend behandelt. Darüber hinaus wurde versucht, Strukturierungen der Wissensbestände so vorzunehmen, daß sie sich Studierenden leichter erschließen und durch den Strukturierungsrahmen auch besser behalten werden können. Zu beurteilen, ob diese Ziele erreicht werden, obliegt den studentischen Leserinnen und Lesern. Der Aufbau des Buches orientiert sich an den Erfordernissen der Erstellung einer Marketingkonzeption von der Analyse- bis zur Durchführungs- und Kontrollphase unter besonderer Berücksichtigung der Besonderheiten des Business-to-Business-Bereichs. Im Kapitel I werden zur Einführung in die Thematik ausgewählter Grundlagen des Marketing für technologieintensive Produkte des Business-to-Business-Bereichs behandelt. Dabei geht es um die Skizzierung der Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb der Unternehmung und um weitere Grundlagen des Marketingdenkens. Darüber hinaus werden in diesem einführenden Kapitel einige Besonderheiten des Technologie-Marketing sowie die Technologien in ihrer Bedeutung für das Marketing dargestellt. Kapitel II befaßt sich mit der Analysephase, die jeder Entwicklung von Marketingkonzeptionen vorausgehen sollte. Kapitel ΠΙ behandelt die für das Marketing technologischer Produkte relevanten strategischen Entscheidungsbereiche. Die Gliederung orientiert sich dabei an den Dimensionen der strategischen Geschäftsfeldwahl, die als Denkrahmen für das recht heterogene strategische Instrumentarium gewählt wurden.

χπ

Vorwort

Kapitel IV stellt eine Auswahl der für den Business-to-Business-Bereich wesentlichen Ansätze des organisational Kaufverhaltens dar. Das recht umfangreiche Kapitel V versucht Hinweise für den Instrumentaleinsatz zu geben. Dabei werden ausgewählte Leistungstypologien als Ansatzpunkte für die Entwicklung von Marketingkonzeptionen vorangestellt. Das abschließende Kapitel VI thematisiert in sehr knapper Form ausgewählte Implementierungsprobleme für das Technologie-Marketing In diesem Zusammenhang danke ich Herrn Dr. Marcus E. Müller, Geschäftsführer der MAGE Gehring GmbH, für viele Anregungen. Sehr dankbar bin ich auch meinen Mitarbeitern Mag. Alexander Schwarz-Musch, der mich bei der Ausarbeitung der Abschnitte Kapitel Π, 2., Kapitel III, 3.7.3, Kapitel V, 5.1 und 5.3.5 und Frau MMag. Sonja Bidmon, die mich beim Kapitel über organisationales Käuferverhalten tatkräftig unterstützt haben. Zu Dank verpflichtet bin ebenfalls meiner Sekretärin Frau Manuela Pirker, die mit großer Einsatzbereitschaft neben ihrer Sekretariatstätigkeit meine nicht ganz lesefreudige Schrift in ein Buchmanuskript verwandelt und auch die Grafiken erstellt hat. Ganz besonders dankbar bin ich aber meiner lieben Frau Heide-Maria, die über einen langen Zeitraum hinweg ertragen mußte, daß ich kein Wochenende für sie verfügbar war und die dabei nicht die Geduld mit mir verlor.

Klagenfurt, im März 2002

Dieter J.G. Schneider

Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing 1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing 1.1 Veränderungen der Rahmenbedingungen In den vergangen Jahrzehnten haben die Unsicherheiten im gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und technologischen Bereich ständig zugenommen und wirken sich deutlicher als in den vorangegangenen Jahrzehnten auf Märkte, Produkte und Unternehmen und damit den Wettbewerb aus. Diskontinuität in den Entwicklungen, sowie Komplexität und Dynamik der Unternehmensumwelt haben zugenommen und somit gegenüber früheren Entwicklungen stark veränderte Rahmenbedingungen für die Tätigkeiten - insbesondere von technologieorientierten - Unternehmen geschaffen. Viele Branchen stehen angesichts von zunehmenden Umwelt-Turbulenzen und eines tiefgreifenden, weltwirtschaftlichen Strukturwandels vor einer außergewöhnlichen Herausforderung. Die 80er und 90er Jahre haben wesentliche industrielle Umwandlungen mit sich gebracht. Neue Märkte entstanden und entstehen, während alte Märkte degenerierten, verschwanden oder aber sich wandeln. Es empfiehlt sich daher, zuerst eine Analyse des relevanten Umfeldes von technologieorientierten Unternehmen durchzuführen.

2

Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

1.1.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 1.1.1.1 Marktsättigung und Wachstumsstagnation bei etablierten Technologien in Verbindung mit differenzierten Kundenwünschen Bei etablierten Technologien ist zunehmend eine Marktsättigung bzw. Wachstumsstagnation zu verzeichnen. Die Basisbedürfnisse der Abnehmer sind in den hochindustrialisierten Staaten weitgehend abgedeckt. Dadurch und durch die ständig gestiegene Produktivität der Industrie sind Überkapazitäten kein temporäres, sondern ein häufiges Phänomen. Die Entwicklung der Basistechnologien ist in vielen Marktfeldern weitgehend ausgereift, Verbesserungen sind nur noch partiell möglich. Neue Technologien drängen als Substitute auf den Markt. Diese Entwicklung zeigte sich beispielsweise bei den Herstellern von Vergasern für die Automobilindustrie. Mit der Einführung des geregelten Katalysators mußten die Vergaserhersteller verstärkt Anstrengungen unternehmen, um die Kombination von Vergaser und geregeltem Katalysator zu gewährleisten. Dies war nur durch den elektronischen Vergaser möglich. Gleichzeitig wandelten sich aber die Kundenwünsche in Richtung eines günstigen Verbrauchs, wobei der Vergaser der Einspritzanlage unterlegen ist. Ein starker Rückgang der Vergaser-Technologie war die Folge. Marktsättigung, verbunden mit Überkapazitäten der Hersteller, führen zu einer Intensivierung des Wettbewerbs, insbesondere, wenn die Unternehmen ihre Aktivitäten nicht schnell auf andere Markt- und Produktbereiche verlagern können. Marktaustrittsbarrieren sind aber - aufgrund der hohen Investitionen in Produktion und Markt - meist hoch, während die Markteintrittsbarrieren häufig - aufgrund günstiger Übernahmemöglichkeiten von Unternehmen - relativ niedriger sind. Beispiele hierfür sind die Stahlerzeugung, der Schiffbau, die Schuh- und Textilbranche, die Unterhaltungselektronik usw. Aufgrund des intensiveren Wettbewerbs und der dadurch zunehmenden kundenorientierten Angebotspolitik der Unternehmen werden Kundenanforderungen differenzierter und komplexer. Die steigende Konkurrenzintensität führt damit zu sich ausdifferenzierenden Märkten, da viele Unternehmen nur noch über eine differenzierte Marktbearbeitung in engen Marktsegmenten - das heißt durch eine genauere Anpassung an die Wünsche und Leistungsanforderungsprofile kleinerer Kundengruppen - Wettbewerbsvorteile erringen können. Vielen Unternehmen bleibt meist nur noch der Weg offen, in Märkte mit neuen Technologien einzudringen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Hierbei muß das Unternehmen verstärkt auf jene neuen Technologien setzen, bei denen die Kunden davon überzeugt werden können, daß die technologische Entwicklung auch für sie zu einer Nutzeninnovation führt, die eine Investition lohnend erscheinen läßt. Hierzu müssen die Segmente frühzeitig identifiziert, sowie die Marktvolumina und die Anwenderpräferenzen richtig eingeschätzt werden. 1.1.1.2 International zunehmende Wettbewerbsintensität Aufgrund einer ständig zunehmenden Globalisierung und Verflechtung der Weltwirtschaft - das zeigt sich auch immer wieder an länderübergreifenden Fusionen und strategischen

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

3

Allianzen - verschärft sich die Intensität der Wettbewerbsbeziehungen in vielen Branchen. Der Wettbewerb ist international geworden. Der zunehmenden Wettbewerbsintensität kann durch Innovationen in Produkten, Produktionsverfahren und sonstigen Prozessen begegnet werden, um so Kostendegressionseffekte, Qualitätsverbesserungen, Zeit- und Flexibilitätsvorteile usw. zu erreichen. Hierbei ist die Entwicklung und Anwendung neuer Technologien nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern auch für ganze Branchen zielführend. Die Tendenz zur Entwicklung neuer Technologien wird somit unternehmensindividuell forciert und tritt gleichzeitig durch den Wettbewerbsdruck als Branchenphänomen auf. Die zunehmende Intemationalisierung bringt neue, fast immer aggressive Wettbewerber auf den Markt, die sich nicht an branchenübliche Spielregeln halten, sondern andere Parameter beim Markteintritt vor allem den Preis - in den Vordergrund stellen und oft über Jahrzehnte stabile Marktsysteme zum Zusammenbruch bringen. Diese Entwicklung wird mit den Durchbrüchen der Japaner keinesfalls beendet sein, wie Erfolge koreanischer Firmen auf den europäischen und nordamerikanischen Märkten zeigen. Um im technologischen Wettbewerb bestehen zu können und Zugriff zu attraktiven Technologiefeldern zu behalten, deren Entwicklungszentren außerhalb des eigenen Stammlandes liegen, sind technologieintensive Unternehmen - Beispiele hierfür sind u.a. IBM, Daimler Chrysler - möglichst in mehreren bedeutenden High-Tech-Ländern vertreten. Zum einen wächst damit die Wahrscheinlichkeit, möglichst frühzeitig technologische Entwicklungen erkennen, erleichterte Marktentwicklungsmöglichkeiten nutzen und Lösungen spezifischer Anwenderprogramme entwerfen zu können. Zum anderen ist es von Vorteil, in diesen Ländern vertreten zu sein, um einen besseren Zugang zu den wichtigsten Informationsquellen und führenden ausländischen Forschungsinstituten zu haben. Diese international ausgerichtete F&E-Politik ist auch deshalb bedeutsam, weil die Entwicklung in einzelnen Technologiefeldern in geographisch begrenzten Zentren stattfinden, z.B. •

Bei den Mikroprozessortechnologien haben US-Unternehmen wie Intel, Motorola oder National Semiconductor, sowie amerikanische Universitätsinstitute, die weltweite Technologieführerschaft übernommen. Das Zentrum der technologischen Entwicklungen liegt hier in den USA. Ahnliches gilt für die Bereiche Biotechnologie und künstliche Intelligenz. • Im Bereich Keramikgehäuse für integrierte Halbleiterschaltungen dominieren Unternehmen aus Japan (Kyocera, NTK, Narumi). Weiterhin nehmen japanische Firmen wie Sony, JVC oder Panasonic und japanische Universitätsforscher mit ihrer Forschung und Entwicklung bei Technologien, wie optoelektronischen Systemen und Komponenten, weltweit eine führende Rolle ein. • Bei den Telekommunikationstechnologien haben Unternehmen aus Europa (z.B. Siemens, Alcatel, Bosch) eine starke F&E-Position. Zunehmender internationaler Wettbewerb entsteht quer durch alle Branchen auch durch zum Teil grenzüberschreitende - Akquisitionen und Fusionen. Beispiele hierfür sind die Automobilindustrie (Daimler-Benz und Chrysler), Flugzeugindustrie (Boeing und McDonnell Douglas), Pharmaindustrie (Ciba-Geigy und Sandoz), der Telekommunikationssektor

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

(WorldCom und MCI Communications), die Erdölindustrie (Chevron und Texaco), Aluminium-Industrie (Alcoa und Reynolds), Stahlindustrie (Usinor, Arbed und Aceralia) oder der Bankensektor (Sumitiomo und Sakura, BankAmerica und NationsBank) und Versicherungsbereich (UAP und AXA). Diese Entwicklungen zeigen, daß Technologie-Marketing immer auch internationales Marketing ist. 1.1.1.3 Steigendes marketing- und technologiestrategisches Potential der Konkurrenten, Abnehmer und Lieferanten In der Vergangenheit hat sich die Ausbildungsgrundlage der Mitarbeiter von Unternehmungen deutlich verbessert. Es hat eine ,Akademisierung" dieser Bereiche stattgefunden. Diese verstärkte Wissensbasis führt in der Praxis zu einer stärkeren Professionalisierung, zu erhöhter Flexibilität im strategischen Denken und der verstärkten Fähigkeit, gewohnte Denk- und Strategiemuster zu verlassen und neue strategische Optionen zu wagen. Durch diese „Akademisierung" der Wirtschaft fließt auch ständig mit den Universitäts- und Fachhochschulabsolventen neuestes strategisches Wissen von den Universitäten in die Unternehmenspraxis. Daneben hat sich auch der Beratungs- und Fortbildungsmarkt wesentlich verstärkt und ausdifferenziert, so daß Know-how auch über Beratungsgesellschaften und Fortbildungsinstitutionen in die Wirtschaft gelangt. Dieses gestiegene strategische und operative Know-how bei Konkurrenten, Lieferanten und Kunden verschärft die Notwendigkeit für jedes einzelne Unternehmen, sich aktiv mit Management-Know-how und neuen Technologien auseinanderzusetzen und auch auf die Qualifikationen und die Qualifizierung des eigenen Managements steigendes Gewicht zu legen. Langfristig werden sich vor allem jene Unternehmen gut entwickeln, die über ein gut qualifiziertes und motiviertes Mitarbeiterpotential verfügen und über eine flexible künden- und mitarbeiterorientierte Führung in der Lage sind, die marketing- und technologiepolitische Profilierung ihrer Unternehmung am Markt voranzutreiben. 1.1.1.4 Zunehmender Anteil neuer Produkte und Verfahren Der Anteil der neuen Produkte und Verfahren am Verkaufsprogramm von Unternehmen hat sich seit Jahren erhöht. So stieg der Anteil der neuen Produkte bei Siemens in den letzten Jahren ständig. 1999 wurden bei Siemens ca. 75% des Umsatzes mit Produkten erzielt, die erst in den letzten fünf Jahren entwickelt worden sind. In Deutschland wurde ermittelt, daß der Umsatzzuwachs im Maschinenbau zu etwa 80%, der Gewinnzuwachs sogar zu etwa 90% durch neue Produkte erzielt wird, die es vor 5 Jahren noch nicht gab. Dies spiegelt zwar einerseits die Innovationskraft von Unternehmen wider, zeigt aber andererseits auch, wie kurz die Phasen der Produktlebenszyklen sind, in denen Gewinne erwirtschaftet werden können. Echte Produktinnovationen in etablierten Märkten können vielfach nur durch Technologieentwicklungen erzielt werden. Dies zeigt, daß Wettbewerb in zunehmendem Maße als Technologie-Wettbewerb stattfindet.

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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Die damit einhergehenden Probleme werden im folgenden Abschnitt noch einmal aufgegriffen. 1.1.1.5 Verkürzung der Zeiträume der Entstehungszyklen und der Marktlebenszyklen von Produkten Die Lebenszyklen technologischer Produkte werden tendenziell kürzer. Die Lebenszyklen von Produkten können in Entstehungs- und Marktzyklen eingeteilt werden. Der Druck, unter dem sich viele technologieorientierte Unternehmen befinden, kann so besser verdeutlicht werden. Der Entstehungszyklus, die Zeitspanne zwischen der Erfindung bzw. Entdeckung von Technologien bis zum entwickelten Produkt bzw. Prozeß, wird - aufgrund höheren Wettbewerbs bei neuen Technologien trotz gestiegener Komplexität - kürzer. Während in der Vergangenheit bei hochkomplexen Produkten recht lange Entwicklungszyklen - oft viele Jahre - in Kauf zu nehmen waren, läßt das der Wettbewerb heute kaum noch zu. Daher haben sich die Entwicklungszeiten von der Produktidee bis zur Markteinführung durch unterschiedliche Maßnahmen, wie z.B. Outsourcing von Systemkomponenten, Parallelentwicklung usw. erheblich verkürzt. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, daß die in die Produktentwicklung insgesamt investierten Kosten abnehmen müssen. Aufgrund gestiegener Produkt- und Technologiekomplexität können die für die Entwicklung des Produktes insgesamt investierten Arbeitsstunden und Kosten erheblich zunehmen. Dieses Kosten- und Zeitproblem muß durch eine völlig andere Organisation der Entwicklung kompensiert werden. Die Produktentwicklung wird dabei auf eine wesentlich breitere Grundlage gestellt. Eine ganze Reihe von Unternehmungen leisten ihren Beitrag zur Entwicklung eines komplexen Produktes, wobei sich jedes Unternehmen auf seine Kernkompetenzen konzentriert. Im Wege der Parallelentwicklung werden die verschiedenen Entwicklungsschritte durch das eigene Unternehmen, die Komponenten- oder Systemzulieferer, Maschinen- und Anlagenbauer, Forschungs- und Entwicklungsinstitute usw. arbeitsteilig durchgeführt. So kann die Gesamtentwicklungskapazität projektbezogen erheblich ausgeweitet werden. Durch diese Beschränkung auf die jeweiligen Kernkompetenzen der Entwicklungspartner können Qualitätssprünge bei Verkürzung der Gesamtentwicklungszeit erzielt werden.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

1980

1990-

Produkt

Unternehmen:

Lkw

Pkw

Volvo

Honda

Kopierer Drucker

Xerox

Brother

Drucker Computer Telefonanlagen

Femseher

HewlettPackard

Sony

Apple

AT&T

* Basisjahr: 1986

Abb. 1.1: Durchschnittliche 280)

Produktentwicklungszeiten

1980 vs. 1990 (in Jahren) (Quelle: Perillieux, R„ 1995, S.

Durch die Verlagerung eines Teils der Produktentwicklung auf Zulieferer und Zuliefersysteme wird die Abnehmer-Zuliefer-Beziehung auf eine neue Basis gestellt, die durch wechselseitige Abhängigkeiten und wechselseitigen Know-how-Austausch gekennzeichnet ist und die eine wesentliche Veränderung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung mit sich bringt. Allerdings sind dafür die Denkmuster der Unternehmungen zu ändern und „interorganisationale Kulturen" aufzubauen, die auf längerfristige Lieferanten-Abnehmerbeziehungen ausgerichtet sind. Gleichzeitig verkürzt sich der Marktlebenszyklus neuer Technologien. Die Gründe dafür liegen im hohen Konkurrenzdruck und dem dadurch verursachten Preisverfall auf etablierten Märkten. Um dem dadurch entstehenden Gewinnverfall zu entgehen, sind die Unternehmungen zu einem Entwicklungs- und Neuproduktwettbewerb gezwungen, der auch immer mehr Spielräume für die differenzierter werdenden Kundenwünsche eröffnet. Daraus folgt, daß die eher steigenden Aufwendungen für die technologische Entwicklung in immer kürze-

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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ren Zeitspannen erwirtschaftet werden müssen und sich dadurch das wirtschaftliche Erfolgsrisiko erhöht. Aber auch bei einem Teil der zunächst ein Umsatzwachstum erreichenden TechnologieProdukte kann das ursprüngliche Wachstum frühzeitig in Stagnation über gehen. Der Markt kann kleiner als erwartet sein, das Technologie-Produkt kann letztendlich enttäuschen oder von einer weiteren Innovation substituiert werden usw. Auch hier wird noch einmal der verstärkte Technologie-Wettbewerb deutlich. Nur durch ein reibungsloses Zusammenwirken von Technologie und Marketing können erfolgversprechende, vom Markt akzeptierte und technologisch hervorragende Produkte bzw. Verfahren entwickelt werden, die trotz eines kurzen Lebenszyklus in die Gewinnphase gelangen.

1.1.1.6 Steigende F&E-Kosten Technologieorientierte Unternehmen verzeichnen zunehmend steigende Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E). Aus den verkürzten Entstehungs- und Marktzyklen von Technologien einerseits und der zunehmenden Komplexität von Produkten und Technologien andererseits folgt, daß in relativ kurzer Zeit - d.h. unter Einsatz hoher Kosten - komplexe Technologien und Produkte entwickelt werden müssen, für die der Zeitraum, in dem Gewinne erwirtschaftet werden können, in den letzten Jahren immer kürzer geworden ist. Aus diesem Grunde werden auch eine ausgereifte strategische Planung und ein funktionsfähiges F&E-Controliing für das Überleben technologieintensiver Unternehmen immer bedeutsamer. Mit den gestiegenen Kosten steigt auch die Gefahr, daß bei Fehlinvestitionen in den Neuproduktbereich die Existenz des Unternehmens bedroht sein kann. So kostete z.B. die Entwicklung des Vermittlungssystems EWSD von Siemens ca. 2 Milliarden DM. Die Kosten für den Aufbau des ISDN-Netzes wurden auf ca. 200 Milliarden DM geschätzt. Es ist aus empirischen Untersuchungen bekannt, daß z.B. in der chemischen bzw. pharmazeutischen Industrie zunächst nur 60% der begonnenen F&E-Vorhaben technisch gelöst werden. Hiervon sehen nur ca. 50% wirtschaftlich so erfolgsversprechend aus, daß sie in die Fertigung gehen. Davon wiederum sind nur etwa 40% wirtschaftlich erfolgreich. Somit können sich letztendlich nur ca. 10% der begonnenen F&E-Vorhaben wirtschaftlich erfolgreich als Marktinnovationen durchsetzen. Damit zusammenhängend ist noch die Auswirkung einer Verlängerung der geplanten Entwicklungszeit anzusprechen. Hohe Komplexität von Technologien und Produkten, hohe Qualitätsstandards am Markt und die damit verbundenen hohen F&E-Kosten führen vor dem Hintergrund kürzer werdender Produktlebenszyklen zu sehr gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen, wenn die geplanten Entwicklungszeiten nicht eingehalten werden können. Die dann noch verbleibende Lebenszeit der Produkte am Markt, verbunden mit im Zuge der Lebensdauer steigendem Preisdruck und damit fallenden Preisen, können Unternehmen schnell in die Verlustzone führen. So kann z.B. in der Elektronikbranche eine Verlängerung der geplanten Entwicklungszeit um sechs Monate für eine typische Leistung mit einer Vermarktungsdauer von fünf Jahren zu einer Einbuße von ca. 30% der kumulierten Ergebnisse (Gewinn nach Steuern) führen und bei einem verkürzten Produktlebenszyklus von nur drei

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Jahren könnte ein solches Unternehmen durch die gleiche Zeitverzögerung sogar 50% der kumulierten Ergebnisse verlieren.

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Annahmen: ι Maiklwachstum + 20% p.a. • Pretsverfall - 1 2 % p.a.

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Produktlebenszyklus: 5 Jahre

- Absatzmengen . Produkt-/Unternehmensimage

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Preise

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Produktlebenszyklus: 3 Jahre

^Nutzbare Markterfahrungen / Verlängerung der Entwicklungsdauer um 6 Monate

I 0 L Beginn der Entwicklung

Geplanter Markteintrittszeitpunkt

Tatsächlicher Markteintrittszeitpunkt

Produktentwicklungszeit Abb. 1.2: Ergebniswirkungen verlängerter Entwicklungszeiten nach Erfahrungen der Elektronik-Industrie Gerpott, T.J./Wittkemper, G„ 1991, S. 121)

(Quelle:

Die steigenden F&E-Kosten führen daher teilweise zu einer Veränderung der Wettbewerbsstrukturen. Das wird noch dadurch verstärkt, daß sich auf vielen Märkten Industriestandards durchsetzen und nur wenige Technologien am Markt überleben. Deshalb gehen heute auch immer mehr Unternehmen weltweite Allianzen ein: Hierfür sollen aus der großen Anzahl strategischer Allianzen nur wenige Beispiele angeführt werden: • • •



Die amerikanische ITT gründete mit der französischen Compagnie Général d'Electricité (CGE) den Branchenriesen Alcatel Sperry und Burroughs schlossen sich zur Unisys Corporation zusammen IBM kaufte den US-Telekommunikationskonzern Rolm, beteiligte sich an der amerikanischen Telefongesellschaft MCI und gründete ein Joint Venture mit der japanischen Fernmeldegesellschaft NTT Siemens kooperiert mit General Telephon & Electrics (GTE), Rank Xerox und SEL etc.

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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1.1.2 Technologische Rahmenbedingungen 1.1.2.1 Technologische Diskontinuitäten und Dynamik des technologischen Wandels Technologischer Wandel ist eine wesentliche Triebkraft des Wettbewerbs. In Märkten mit turbulenter Technologieentwicklung treten immer wieder Technologiesprünge auf, bei denen etablierte oder sich gerade etablierende Technologien durch neue Technologien ersetzt werden. Derartige Technologieturbulenzen haben für Unternehmungen, die in diesen Märkten tätig sind, erheblich größere und schwerer einschätzbare Risiken zur Folge als kontinuierlich-dynamische Technologieentwicklungen, da die Technologiesprünge meist dazu führen, daß das technologische Know-how ebenso kurzfristig veraltet wie die Produktionsanlagen. Demzufolge kommt einem marktorientierten Technologie-Management große Bedeutung zu. Neuere technologische Entwicklungen schlagen sich z.B. in folgenden Anwendungen nieder: •

Computergestützte Steuerungstechnologien ermöglichen die Herstellung von individuellen Produkten oder Kleinserien zur Bedienung enger Marktsegmente, die bislang aufgrund zu hoher Kosten nicht produziert werden konnten. • Die Mikroelektronik eröffnet neue Anwendungsbereiche in Produkt- und Verfahrenstechnologien in vielfältiger Form und hat weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Informations- und Kommunikationstechnik. • Durch Biotechnologie einschließlich Gentechnik werden u.a. im Gesundheitswesen, im Umweltschutz, in der Materialtechnologie, in der Landwirtschaft, in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, sowie in der Energiewirtschaft, völlig neue Perspektiven eröffnet. • Die Laser- und Sensortechnik hat tiefgreifende Konsequenzen für die Meß- und Regelungstechnik, die Informationstechnik einschließlich sogenannter optischer Rechner, die Medizin und die Materialbearbeitung und wirkt bis in den Unterhaltungssektor hinein. • Neue Werkstoffe, wie z.B. die Hochleistungskeramik, substituieren bisherige Materialien und bringen Veränderungen in zahlreichen Verwenderbranchen mit sich. • Die Mikrosystemtechnik wird viele Technologiebereiche gravierend verändern. Erste Hinweise gibt hier die Medizintechnik. • usw. Marktdynamik, Marktabgrenzung und Marktverhalten verändern sich rapide, wenn neue Produkt-, Verfahrens- und/oder Werkstofftechnologien die Leistungsmerkmale oder die Kosten der Produkte signifikant beeinflussen und sie dadurch zu Schlüsseltechnologien des Wettbewerbs werden. Auf der Grundlage verschiedener Forschungstätigkeiten und -erfolge in Wissenschaften, wie Optik, Festkörperphysik, Biochemie, Neurophysiologie, Mikroelektronik usw. sind innerhalb kurzer Zeit Technologien entwickelt worden, die zahlreiche verschiedenartige Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen und verschiedenen Märkten zur Folge haben. Die entsprechenden Anwendungen finden sich vielfach in der Computertechnik, der Gen- und Biotechnologie, der Kommunikations-, Medizin-, Energie-, Umwelt-, und Verkehrstechnik usw.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Diesen Technologien folgen zur Zeit in kurzem Abstand neue Werkstoffe, Fertigungs-, Prüfund Logistiksysteme, Bürokommunikations-, Marktforschungs- und Entscheidungsunterstützungssysteme usw. Viele dieser neuen Techniken stellen die Unternehmen vor schwerwiegende Entscheidungsaufgaben im Hinblick auf Verfahrens- und Produktinnovationen. Einführungsentscheidungen dieser Art haben weitreichende Folgen, denn sie bewirken weitgehende technologische und oft auch wirtschaftliche Diskontinuitäten im Hinblick auf das laufende Unternehmensgeschehen und führen meist auch zu gravierenden Veränderungen im Wettbewerb. Der Verzicht auf die Einführung oder die Verschiebung der Einführung einer neuen Technologie kann andererseits weitreichende negative Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens haben. Geschäftsfelder in Hochtechnologiebereichen sind bestimmt durch eine besonders starke technologische Diskontinuität und eine besonders starke Dynamik des technologischen Wandels. Diese Charakteristika zeigen sich offensichtlich in der Elektronikindustrie. Die Entwicklung der Halbleitertechnologie, insbesondere in Form von integrierten Schaltungen ist dabei ein Motor dieses Wandels. Diese Technologie erzielt durch ihren Einfluß auf die Büroautomatisierung, die Automatisierung der Fertigungsprozesse und die Vernetzung von Kommunikationsprozessen, sowie ihren Einfluß auf eine Fülle anderer Produktbereiche eine fast unübersehbare Breitenwirkung, die auf immer mehr wirtschaftsrelevante Bereiche ausstrahlt. Hierbei sind die Weiterentwicklungen dieser Technologie und deren Auswirkungen heute noch gar nicht vollständig überschaubar. 1.1.2.2 Verschmelzung traditionell abgegrenzter Technologiedisziplinen Technologische Produkte bestehen meist aus mehren Technologien, die zugleich einen unterschiedlichen strategischen Stellenwert besitzen. Dabei werden die Grenzen traditionell abgegrenzter Technologien immer stärker durch Unschärfebereiche bestimmt. In früheren Zeiten klar abgegrenzte Technologiebereiche werden zu vollkommen neuen, komplexeren Problemlösungen verschmolzen. Dadurch entstehen neue Möglichkeitsräume mit stark erhöhter Problemlösungsfähigkeit. Ein Beispiel hierfür ist in Abbildung 1.3 dargestellt:

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1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

Bürokopierer Rechenmaschine Schreibmaschine

Bttromaschinentechnik

Abb. 1.3: Verschmelzung H.B./Karamanolis,

von Nachrichten-,

Büromaschinen-

und Computertechnik

(Quelle:

Karcher,

S„ 1985, S. 188)

Den technologisch bestimmten Unscharfen folgen auch marktliche Unscharfen. Herkömmliche Marktgrenzen verschwimmen immer mehr. Es bilden sich neue Marktfelder heraus. Ähnliche Anforderungen wie das Büro der Zukunft stellt das CIM-Konzept an ein Technologieunternehmen.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Leistungen

Entwicklung

Phasen Wettbewerbstaktoren AnbtoterskiMur

Preis Leistungsfähigkeit Unsicherheit

Kompatibilität Leistungsfähigkeit

Standards

Polypol

Marktbereinigung (Shake-Out)

Oligopol

Abb. 1.4: Das Verschmelzen von Fertigungs-, Computer- und Nachrichtentechnik im Rahmen des CIM-Konzepts (Quelle: Backhaus, Κ,/Weiber, R„ 1987, S. 73)

Das CIM-Konzept besteht aus Fertigungs-, Handhabungs-, Förder-, Computer- und Nachrichtentechnik usw. Somit müssen Technologieanbieter von CIM-Konzeptionen gleichzeitig über unterschiedliches branchen-, automations-, daten- und netztechnisches Know-how verfügen. Einige Technologien können als sogenannte Querschnittstechnologien schon in einem recht frühen Stadium Einfluß auf eine Reihe von traditionellen Technologien ausüben. Diese Querschnittstechnologien wirken sich oft in mehreren Bereichen eines Unternehmens aus und bewirken meist nachhaltige Veränderungen in unterschiedlichen Branchen. Querschnittstechnologien verändern damit auch die Wissensentwicklung in Wissenschaft und Unternehmenspraxis. In immer stärkerem Maße wird deshalb die Kooperation zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachgebiete erforderlich. So umfaßt z.B. die Biotechnologie die Fachbereiche Biochemie, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik, zum weiteren Umfeld gehören aber auch Verbindungen zu den Ingenieurwissenschaften. Weiterentwicklungen tangieren sogar den Bereich der Halbleitertechnik (z.B. molekularelektronische Schaltungen, Enzym-Transistoren). Entscheidend für eine erfolgreiche Entwicklungsarbeit ist dabei eine möglichst konstruktive und sich in den Wissens- und Erfahrungsbereichen produktiv ergänzende, teamorientierte Kooperation von Biologen oder Mikrobiologen, Biochemikern, Verfahrenstechnikern, aber auch Marketingfachleuten, Controllern usw. Die Verschmelzung traditionell abgegrenzter Technologiedisziplinen hat zur Folge, daß in den davon betroffenen Geschäftsfeldern langfristig nur jene Technologieuntemehmen Wett-

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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bewerbsvorteile realisieren können, die in der Lage sind, unterschiedliche Technologien in einem synergetischen Prozeß zu innovativen Produkten zu verbinden und neue Anwendungsfelder und -möglichkeiten zu finden. Der Technologiewettbewerb erstreckt sich dabei nicht nur auf Unternehmungen einer Branche, sondern vollzieht sich als Konkurrenzkampf über mehrere Branchen hinweg. Im Rahmen der bis heute unausgereiften CIMKonzeptionen ist z.B. noch nicht endgültig entschieden, ob überwiegend EDV-Hersteller, Software-Häuser oder die Hersteller von Werkzeugmaschinen die Führerschaft im Bereich der Systemanbieter übernehmen werden. Neue Technologien und Technologieverknüpfungen führen auch dazu, daß Geschäftsfelder „attackiert" werden können, die vorher von ganz anderen Technologien beherrscht wurden. Jedes Produkt bzw. Verfahren besteht in der Regel aus verschiedensten Komponenten bzw. Teil-Verfahren, die wiederum den Einsatz unterschiedlicher Technologien erfordern. Erfolgreiche Unternehmen optimieren ihre beschränkten F&E-Ressourcen in der Weise, daß sie nur jene Technologien konsequent zu Technologieführungspositionen weiterentwickeln, die in ihren Geschäftsfeldern eine Profilierung am Markt ermöglichen. In Randbereichen dagegen wird kooperiert, zugekauft und imitiert. 1.1.2.3 Zunehmende Komplexität von Technologien Die zunehmende Komplexität von Technologien wird bestimmt durch das Ausmaß der technischen Schwierigkeiten, die mit der Technologie- und Produktentwicklung zusammenhängen. Ausgelöst werden diese Probleme unter anderem durch die Größe des Innovationssprungs, den man sich vorgenommen hat, durch die zunehmende Verschmelzung unterschiedlicher Technologien, aber auch durch die wachsenden und differenzierten Gesundheits-, Sicherheits- und Ökologieansprüche der Gesellschaft. Technologieorientierte Unternehmen stehen verstärkt vor der Anforderung, technologische Neuerungen unter dem Aspekt der ökologischen Verträglichkeit zu entwickeln. Langfristig werden nur jene Unternehmen Wettbewerbsvorteile realisieren können, die in der Lage sind, diese Komplexitäten zu beherrschen. Durch Reduktion der technischen Komplexität, z.B. durch Zerlegung in mehrere Schritte, kann häufig der gleiche Fortschritt mit sehr viel weniger Aufwand erreicht werden. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung digitaler Vermittlungsanlagen bei Northern Telecom. Hier wurde sehr konsequent von einfachen Produkten, z.B. einer Nebenstellenanlage, über ein Fernamt zum komplexesten aller Produkte, nämlich einem großen Ortsamt, vorgegangen, so daß nur schrittweise immer schwerer beherrschbare Technologien eingesetzt wurden. Als Ergebnis verzeichnete Northern Telecom sowohl die niedrigsten Entwicklungskosten, als auch die kürzesten Entwicklungszeiten für die gesamte Produktgruppe. Eine andere Möglichkeit der Beherrschung zunehmender Komplexität von Technologien besteht in der Kooperation mit anderen Unternehmen und Forschungsinstituten. Hierbei kommen zum einen Kooperationen auf horizontaler Ebene z.B. mit Herstellern von Peripheriegeräten, aber auch mit Wettbewerbern in Frage. Zum anderen aber können komplexe Technologien und Produkte auch auf vertikaler Ebene in Kooperation mit Zulieferern oder

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

mit Kunden entwickelt werden. Auf diese Weise ist es möglich, daß sich Unternehmungen auf ihr Kern-Know-how konzentrieren und doch gemeinsam und aufeinander abgestimmt über Parallelentwicklung in die Lage versetzt werden, komplexe Problemlösungen innerhalb vertretbarer Zeiträume und zu von ihnen tragbaren Kosten zu entwickeln. Viele Technologiefelder werden sich künftig nur noch durch gemeinsame technische, aber auch marktliche Anstrengungen erschließen lassen.

1.1.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Die Bedeutung des Technologie-Marketing resultiert auch daraus, daß sich den strategisch wichtigen, insbesondere den technologischen Maßnahmen der Unternehmen heute - zumindest in den prosperierenden westlichen Marktwirtschaften - stärkere Widerstände entgegenstellen als während früherer Wachstumsphasen. Technologischen Entwicklungen folgen in der Regel soziale Veränderungen nach. Beispielsweise ändern sich mit zunehmender Automatisierung der Fertigung Arbeitsstrukturen und Arbeitsinhalte. Einfachere Tätigkeiten werden wegrationalisiert. Für eine bestimmte Ausbringung sinkt die Anzahl der erforderlichen Arbeitskräfte. Die Anforderungen an die verbleibenden Mitarbeiter steigen. Arbeitsinhalte und Berufsbilder sind einem ständigen Wandel unterworfen, der den Mitarbeitern ein wesentlich höheres Ausmaß an Lernbereitschaft und Flexibilität abverlangt als in früheren Zeiten. Die Rationalisierungswellen der Wirtschaft schlagen immer nachhaltiger auf den Arbeitsmarkt durch, so daß auch der Staat unter Reformdruck gerät. Weiterhin haben die wichtiger und bewußter gewordene Umweltproblematik, sowie das verstärkte Gesundheitsund Sicherheitsbewußtsein dazu geführt, daß neue Produkte und neue Verfahren wesentlich schärfer auf Umweltverträglichkeiten, Gesundheits- und Sicherheitsfragen hin geprüft werden. Das zeigen sehr anschaulich z.B. die sehr heftigen Diskussionen, um gentechnisch veränderte Agrarprodukte, um Strahlungsprobleme der Mobiltelefonie, um die Sicherheit von Atomkraftwerken wie z.B. Temelin. Das produzierende Gewerbe gibt in den westlichen Industriestaaten für Umweltschutzmaßnahmen seit Beginn der 80er Jahre stark steigende Beträge aus. Ähnliches gilt für den Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern und für die ökonomischen und ökologischen Folgen von neuen Technologien. Im Rahmen der Technologiefolgenabschätzung sollen mögliche unerwünschte Auswirkungen von Technologien möglichst frühzeitig erkannt, identifiziert und beurteilbar gemacht werden. Es geht dabei um Wirkungen und Folgewirkungen ökologischer, ökonomischer, gesundheitlicher, technischer, rechtlicher und sozialer Art. Für die Technologiefolgenabschätzung werden, den sehr unterschiedlichen Zusammenhängen entsprechend, auch sehr verschiedene Methoden eingesetzt, neben einer Reihe mathematisch-statistischer Prognosemethoden z.B. auch Szenario-Technik, Kosten-NutzenAnalysen, Nutzwertanalysen usw. Es gibt eine Fülle von Beispielen für Technologiefolgen, die zu spät erkannt worden sind, wie etwa die Wirkungen der FCKW, des verbleiten Benzins, des Medikaments Kontagan, von Asbest, der Dioxyne usw., so daß eine frühzeitige Technologiefolgenabschätzung im Zeitalter der Hochtechnologie immer bedeutsamer wird.

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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Darüber hinaus verändern sich mit der Innovationsorientierung auch innerbetriebliche Verhältnisse. So erfordert z.B. die innerbetriebliche Innovationsdynamik flachere Führungsstrukturen und eine Zunahme des kooperativen Führungsstils. Mit zunehmenden technischen und wirtschaftlichen Anforderungen an die Entwicklung neuer Technologien, bedarf es verstärkter Beschäftigung mit dem Technologie-Management und dem TechnologieMarketing. Die marktmäßige Durchsetzung und der wirtschaftliche Erfolg von neuen Technologien ist nicht allein auf dem Hintergrund wirtschaftlicher Kriterien interpretierbar, sondern auch wesentlich von der sozialen Akzeptanz abhängig. Die sozialen Konflikte bei der Diffusion neuer Technologien aufgrund des durch sie verursachten technologischen Wandels bilden einen wichtigen Faktor bei der Marktdurchsetzung von neuen Technologien. Neue Technologien werden dann leichter akzeptiert, wenn sie nicht zu sehr von bisherigen Produkten oder Prozessen abweichen, d.h. wenn der technologische Sprung nicht als sehr groß empfanden wird und der Anwender sein Verhalten nicht grundsätzlich ändern muß. Es gibt einerseits ein ständiges Suchen von Menschen, Unternehmen und Gesellschaft nach Neuerungen. Dem steht aber in vielen Produktfeldern auch eine Tendenz zum Festhalten an bewährten, traditionellen Technologien und damit auch an bestehenden Produkten und Prozessen entgegen. Beim Wechsel zu neuen Technologien und neuen Produkten besteht das Problem, daß Bekanntes und Bewährtes aufgegeben werden muß, ohne vollständige Sicherheit darüber zu haben, daß mit den neuen Produkten nicht auch Nachteile, neue Probleme, Nebeneffekte, Nebenwirkungen usw. verbunden sind, die zum Zeitpunkt der Produkteinführung nicht bekannt und möglicherweise auch nicht vorhersehbar sind. Das Technologie-Marketing muß deshalb einen Ausgleich zwischen dem technologischen Potential des neuen Produkts oder Verfahrens und den gesellschaftlichen Bedürfnissen herbeiführen.

1.2 Für das Technologie-Marketing relevante Unternehmensbedingungen Nicht nur das Innovationsumfeld ist für das Technologie-Marketing von Bedeutung, auch die Unternehmung selbst schafft Rahmenbedingungen für das Technologie-Marketing, die förderlich oder aber hinderlich sein können, so daß auch diese Faktoren zu betrachten sind. Unternehmungen, die im gleichen Umfeld operieren, tun dies oft mit sehr unterschiedlichen strategischen Konzepten hinsichtlich Technologieeinsatz und Technologievermarktung. Während einige Unternehmungen mit neuen Technologien erfolgreiche Innovationen auf den Markt bringen, unterbleibt bei anderen die Technologieentwicklung oder geht in eine weniger zukunftsträchtige Richtung, denn die Entwicklung neuer Technologien und neuer technologieintensiver Produkte und Verfahren führt nicht von sich aus schon zum Markterfolg. Viele Unternehmen erleben nämlich beim Versuch, über die Entwicklung neuer Technologien erfolgversprechende Marktpotentiale zu erschließen, Enttäuschungen. Es gibt zahl-

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

reiche Beispiele für Mißerfolge, die sich erst nach erfolgreicher Produktentwicklung in der Markteinführungsphase herausstellen. Produkte der Unterhaltungselektronik, wie z.B. die Bildplatte von Philips, das Videosystem 2000 von Grundig, das Videosystem Betamax von Sony oder Beispiele aus der Flugzeugbranche (z.B. die Concorde) und der Bürogerätebranche (z.B. Kopiergeräte XeroxStar) zeigen, daß eine aus Unternehmungssicht vielversprechende Idee nicht unbedingt ein Markterfolg werden muß. Die Entwicklung neuer Technologien ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg, da erst über die Akzeptanz der neuen Technologie durch die Abnehmer ein Wettbewerbsvorteil erreicht wird, der gegenüber den Konkurrenten auch ausgebaut oder doch zumindest gehalten werden muß. Im Zuge der Skizzierung der internen Rahmenbedingungen für das Technologiemarketing werden im folgenden nur einige Faktoren hervorgehoben, die Potentiale oder Verhaltensweisen im Rahmen des Technologie-Marketing beeinflussen können. Auf die Schnittstelle Forschung & Entwicklung und Marketing wird dann wegen ihrer Bedeutsamkeit gesondert eingegangen

1.2.1 Die Unternehmenskultur als Einflußfaktor Die Unternehmenskultur als Beziehungsgeflecht der im Unternehmen tatsächlich gelebten Denkhaltungen, Einstellungen und Werte, beeinflußt die Sichtweisen von Managern und Mitarbeitern, sowie ihr Verhalten innerhalb des Unternehmens und die Wahrnehmung der Umwelt sowie, die Beziehungen zum relevanten Unternehmungsumfeld. Die Unternehmenskultur begünstigt oder hemmt ein kreatives, offenes, innovatives Klima, Kooperationsbereitschaft oder Bürokratismus usw. Sie beeinflußt Vertrauen oder Mißtrauen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen, wie z.B. F&E, Marketing, Produktion und wirkt sich damit auch auf die Kommunikation innerhalb des Unternehmens aus. Die Art und Weise, wie Kunden und Lieferanten gesehen werden und wie mit ihnen kommuniziert und umgegangen wird, ist ebenso kulturell beeinflußt, wie die Offenheit oder aber Abschottung gegenüber Kooperationspartnern, Universitäten, technischen Forschungseinrichtungen und Technologietransferstellen. Konsequente Kundenorientierung, auch schon in früheren Stadien der Technologieentwicklung, hat ebenso etwas mit den Einstellungen des Managements und der Mitarbeiter zu tun, wie strategische Sichtweisen und die Bereitschaft kalkulierbare Risiken einzugehen. Die Unternehmenskultur beeinflußt mithin das Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln der Entscheidungsträger in Unternehmungen. Ihre bewußte, zielgerichtete Beeinflussung und Gestaltung ist daher für Technologieunternehmen von hoher Bedeutung. In der Praxis zeigen sich nämlich immer wieder eine Reihe kulturell bedingter Störfaktoren, die ein erfolgreiches Technologiemarketing behindern, z.B. •

Das Topmanagement ist zu sehr auf das Tagesgeschäft konzentriert und hat wenig Zeit und Interesse für technologische Neuerungen, wodurch langfristig erfolgversprechende Verfahren-, Produkt- und Qualitätsinnovationen unterbleiben.

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing •



• • • •

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Kundeninformationen werden von den oberen Managementebenen zu wenig wahrgenommen und genutzt oder versickern bzw. verändern sich im Instanzenweg von den Mitarbeitern mit Kundenkontakt zu den Entscheidungsträgern, so daß diese ein falsches oder sehr unvollkommenes Bild über den Kunden, Kundenanforderungen, Konkurrenten, Marktentwicklungen usw. haben. Die Innovationsbegeisterung der Mitarbeiter wird zu wenig genutzt und gefördert. Vorschläge für Veränderungen werden als eher störend, als unangemessene Kritik usw. empfunden. Es bestehen Berührungsängste der Entscheidungsträger im Unternehmen mit technischen Know-how-Trägern außerhalb der Unternehmung. Es besteht ein tiefes Mißtrauen gegen jede Art von Kooperation, wodurch arbeitsteilige Technologieentwicklung, z.B. mit Lieferanten oder Kunden sehr erschwert wird. Es bestehen Verständnis- und Kommunikationsbarrieren zwischen technischem und kaufmännischem Personal. Bürokratismus erschwert Kommunikation und Kooperation im Unternehmen, dämpft die Einsatzfreude der Mitarbeiter, verteuert die Projekte usw.

Aber auch technologieorientierte Unternehmenskulturen, die von Technologieoptimismus und Technologiebegeisterung getragen sind, können längerfristig einer marktkonformen Technologiepolitik entgegenstehen. Die Begeisterung für anspruchsvolle Technologien kann das Management zu einer einseitigen technologielastigen Beurteilungsperspektive veranlassen, bei der Kundenanforderungen, Kostenstrukturen, Markt- und Konkurrenzsituation zu wenig berücksichtigt werden. Diese Technologiebegeisterung, verbunden mit Markt- und Kostenignoranz kann dazu führen, daß Produkte technologisch überfrachtet und die entstehenden Kosten vom Markt nicht honoriert werden - eine Situation, die im deutschen Maschinenbau in den 80er Jahren eine immer wieder anzutreffende Ursache für Marktversagen war. Auch werden in solchen Unternehmungen Produkte aus einer technologischen Perspektive heraus entwickelt und es wird oft übersehen, daß die Kunden aufgrund ihrer spezifischen Problemsituation die technischen Produktvorteile gar nicht oder anders wahrnehmen und sie oft völlig anders gewichten als der Hersteller. Oft werden derartige Neuentwicklungen dann so teuer, daß die Kunden schon aus diesem Grunde auf sie verzichten. Eine zu geringe Orientierung der Produktentwicklung an den tatsächlichen Abnehmerbedürfnissen ist daher eine wesentliche Ursache des Mißerfolgs. Eine mangelnde Sensibilität für neue Bedürfnisse und die unzureichende Beachtung des Wandels der Kundenprobleme kann Unternehmen in schwere marktliche Probleme führen. Daher kommt Kundeninformation und Kundenkontakt schon in den frühen Phasen technologischer Entwicklung eine hohe Bedeutung zu, wenn auch manchmal in früheren Entwicklungsphasen einer neuen Technologie den Kunden das Sachwissen und das Vorstellungsvermögen fehlt, sich vollkommen neue technologische Lösungen mit ihren Anwendungsvorteilen vorstellen zu können. Zum anderen kann die Technologiebegeisterung auch dazu führen, daß Entwicklungsprojekte kosten- und zeitmäßig weit unterschätzt werden, so daß sie dann abgebrochen oder unter hohen Verlusten zu Ende geführt werden müssen.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Vorausschauende Unternehmensleitungen investieren viel Zeit und persönliches Engagement in den Aufbau innovationsfördernder künden- und wettbewerbsorientierter Unternehmenskulturen. Auf diese Weise soll die Selbststeuerungsfähigkeit der Unternehmung in der strategisch angestrebten Richtung, die Kundenorientierung, die Anpassungsfähigkeit an Markt- und Technologieveränderungen sowie die Kooperationsfähigkeit gefördert werden. Die zunehmende technologische Komplexität, das Zusammenwirken wirtschaftlicher und technologischer Komponenten bei neuen Produkten und Verfahren, die Dynamik der technologischen Entwicklung usw., verlangen die Bildung einer innovationsfördernden Unternehmens- und Organisationskultur, in welcher der Veränderungsbereitschaft und dem Streben nach innovativen, kundenorientierten Leistungen eine große Bedeutung zukommt. Diese Kultur ist oftmals angelehnt an die Gründungsphase eines Technologie-Unternehmens bzw. geprägt durch einen Unternehmensgründer. Klare Visionen, eine innovative Grundhaltung, Durchsetzungsvermögen, Risikofreudigkeit, technischer Wagemut usw. sind charakteristische Merkmale für eine innovationsorientierte Organisationskultur.

1.2.2 Ressourcenpotential Das Ressourcenpotential von Unternehmungen - Kapital, Personal, Know-how - grenzt Möglichkeitsräume für Technologieentwicklungen ein, aus denen diese kaum oder nur unter Eingehung unverhältnismäßig hoher Risiken ausbrechen können. So ist es kaum denkbar, daß eine mittelständische Unternehmung in die Entwicklung komplexer Verkehrsleitsysteme einsteigt. Die Mittelsituation begrenzt hier das Möglichkeitsfeld. Der Möglichkeitsraum für Technologieentwicklung ist allerdings nicht statisch aufzufassen, sondern erweitert oder verengt sich mit dem technischen Fortschritt, mit der Organisation der Entwicklung (individuell oder in Kooperation mit anderen Unternehmungen oder technischen Forschungseinrichtungen) und der Definition der Entwicklungsprojekte. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen sind für ein erfolgreiches Innovationsmanagement technisches Know-how und Management-Know-how sowie Verknüpfungs-Know-how und interpersonale Kompetenz sehr wesentliche Faktoren für den Innovationserfolg. Personalauswahl und Personalentwicklung spielen daher für ein erfolgreiches Innovationsmanagement eine entscheidende Rolle. Die Reduktion des Innovationsmanagements auf ein F&EManagement, das wesentliche Aspekte des Kostenmanagements, des Produktions- und des Marketingmanagements außer acht läßt, birgt die Gefahr des Marktversagens - selbst bei erfolgreicher Entwicklung - in sich. Die Umsetzung moderner Technologien in marktfähige Produkte mit von den Zielmarktsegmenten her klar definierten Anforderungsprofilen der Kundengruppen, die auch Zielpreise umfassen, ist eine Schwachstelle vieler Technologieunternehmen. Dies kann man am Beispiel vieler Innovationsprojekte erkennen, die deshalb Markterfolg wurden, weil Ingenieursdenken zu stark dominierte und Kundenanforderungen und Kundenverhalten zu wenig in die Entwicklungsüberlegungen einbezogen wurden.

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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Es sind also Technologie-Management und Technologie-Marketing, deren Verknüpfungsleistungen zwischen technischem Know-how des F&E-Bereichs, Kostenmanagement, Produktionsmanagement und Marketing erst zu erfolgreichen Innovationen führen können. Mangelnde Kommunikation und ein Mangel an Informationsaustausch zwischen F&E und den übrigen Unternehmensfunktionen, wie z.B. Marketing und Vertrieb, Produktion oder Finanzen, stellen einen großen Mißerfolgsfaktor bei der Entwicklung von neuen Produkten bzw. Verfahren dar. Empirische Untersuchungen belegen, daß Abstimmungsprobleme in hohem Maße für Innovationsmißerfolge verantwortlich sind. Ein zentrales Problem stellt dabei die Schnittstelle zwischen F&E, Produktion und Marketing dar. Deshalb wird diese Schnittstelle später noch einmal aufgegriffen und deren Bedeutung im Rahmen eines Technologie-Marketing ausführlich diskutiert. Die angesprochenen Verknüpfungsleistungen erstrecken sich jedoch nicht nur auf die eigene Unternehmung, sondern beinhalten auch den Aufbau und die Pflege von Netzwerken mit Kunden und deren Kunden, mit Liefer- und Serviceunternehmungen, mit Forschungseinrichtungen, Technologietransferstellen usw. Das Denken in Netzwerken und der Aufbau derartiger Netzwerke entpuppt sich immer mehr zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. Unternehmungsinterne und -externe Netzwerke sollen zu einem strategiekonformen und möglichst reibungslosen Funktionieren von Kommunikation und Kooperation im Rahmen der Ideenfindung, Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte beitragen.

1.2.3 Innovationsstrategische Konzepte In der Praxis haben viele Unternehmen keine innovations- und technologiestrategischen Konzepte entwickelt. Oft liegen nur fragmenthafte Technologiestrategien vor, die dann nicht konsequent verfolgt und umgesetzt werden. Ohne strategisches Konzept verfügen aber Unternehmungen über keine geeignete Grundlage für die unternehmensspezifische Bewertung neuer Technologien und Entwicklungen. Auch fehlt ihnen dann die Grundlage für die Auswahl der Märkte (vgl. Kapitel III, 3.7.4) oder Marktsegmente (vgl. Kapitel III, 3.7.2) sowie für Positionierungskonzepte (vgl. Kapitel III, 3.7.2.3) in den Zielmärkten und das wettbewerbsorientierte Timing. Weiterhin unterbleiben dadurch notwendige Abstimmungen zwischen F&E, Marketing, Beschaffung, Finanzierung und Produktion. Eine mögliche Konsequenz fehlender strategischer Konzepte besteht auch darin, daß Entscheidungen über F&E-Projekte nicht strategiegeleitet fallen. Sie werden dann häufig den Mitarbeitern des F&E-Bereichs überlassen, die dann möglicherweise nicht aus gesamtunternehmerischer Perspektive, sondern oft nach persönlichen oder situationsspezifischen Kriterien und Interessenlagen ihres Bereichs entscheiden. Auch fehlen in derartigen Fällen auch immer wieder routinierte Strukturen und Prozesse, die es ermöglichen, daß die Entscheidungsträger regelmäßig und systematisch über technologische Entwicklungen in den für die Unternehmung relevanten Bereichen informiert werden, um ihnen damit den erforderlichen Hintergrund für strategische Entscheidungen zu geben. Die Bedeutung einer Technologiestrategie wird insbesondere dann deutlich, wenn die zeitlichen Verschiebun-

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

gen, die zwischen dem marktlichen Erfolgspotential von Geschäftsfeldern (vgl. Kapitel III, 3.3) und dem Weiterentwicklungspotential der verschiedenen Technologien bestehen können, berücksichtigt werden. Fehlt eine Technologiestrategie, neigen Unternehmen bei der Auswahl innovativer Investitionsprojekte oft dazu, bekannten Basistechnologien den Vorzug zu geben. Neue Technologien, wie potentielle Schlüssel- und erfolgversprechende Schrittmachertechnologien (vgl. Kapitel I, 3.3) werden dann möglicherweise vernachlässigt. Auch werden dann aus subjektiver Sicht kurzfristige Investitionsprojekte den langfristigen F&E-Projekten aus Risikoerwägungen vorgezogen. Anstatt neue, zukunftsträchtige Technologien zu entwickeln, investieren daher viele Unternehmen in konventionelle, ausgereizte Technologien weiter, weil sie die Wettbewerbsrelevanz und das Entwicklungspotential der neuen Technologien nicht erkennen. Andererseits sind evolutionäre Entwicklungen mit einem geringeren Risiko verbunden, meist kurzfristiger umsetzbar und in der Regel kostengünstiger. Neue Technologien werden daher von vielen Unternehmen erst dann in den F&E-Prozeß einbezogen, wenn die Konkurrenten bereits mit ersten Produkten bzw. Verfahren auf dem Markt agieren. Die Folge können kosten- und arbeitsintensive Crash-Programme in der Entwicklung sein, deren Kosten dann nicht mehr abgedeckt werden können und die Mittel für weitere, notwendige Entwicklungen binden. Hohe F&E-Aufwendungen sind jedoch kein sicherer Schutz vor technologisch überlegenen Wettbewerbern. Bei Forschungsarbeiten an Technologien, die am Ende ihrer technologischen Entwicklungsfähigkeit stehen (vgl. Kapitel I, 3.2), sind F&E-Fehlschläge häufig vorprogrammiert, da nur noch marginale Produktverbesserungen möglich sind, die der Durchschlagskraft gänzlich neuer technologischer Produkte nicht standhalten können. Ein Beispiel hierzu ist die Weiterentwicklung elektromechanischer Schreibmaschinen, die mit der Leistungsfähigkeit von Personal Computern nicht Schritt halten konnten. Aus einem Fehleinsatz von F&E-Mitteln können sich für Unternehmen dann schwerwiegende Folgen ergeben, wenn Konkurrenten das Potential einer neuen Technologie frühzeitiger erkennen und diese deshalb konsequent zu Produkten bzw. Verfahren weiterentwickeln, wie es für Digitalvermittlungsanlagen usw. geschah. Weitere Beispiele können aus nahezu jeder Branche angeführt werden. So übersah die deutsche und schweizerische Uhrenindustrie in den 70er Jahren die Signale des technischen Wandels und wurde von der Entwicklung der Quarzuhr völlig überrascht. Ein weiteres Beispiel ist die europäische Kameraindustrie, die jahrelang konventionelle Technologien weiterentwickelt hat und dadurch gegenüber den Spiegelreflexkonzepten der Japaner in eine wettbewerbspolitisch ungünstige Position gelangte. Technologiemarketing hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die Entwicklung von Technologiestrategien marktkonform mitzugestalten und eine künden- und wettbewerbsorientierte Technologiemobilität zu fördern. Hierbei ist ein effizientes Zeitmanagement ein wesentlicher Bestandteil eines solchen strategischen Konzeptes, das die Basis für die erfolgreiche Entwicklung und Einführung neuer technologischer Produkte und Verfahren in die jeweiligen Märkte und Marktsegmente legen soll. Über die Frage hinaus, ob ein Unternehmen in einen bestimmten Markt mit einem technologischen Produkt als Technologieführer oder -folger (vgl. Kapitel III, 4.) eintreten soll, ist

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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auch die zeitliche Steuerung der Entwicklungsprojekte von großer Bedeutung. Wie schon dargestellt (vgl. Kapitel I, 1.1.1.6 und Abbildung 1.2), können Überschreitungen von Produktentwicklungszeiten zu wesentlichen Ergebniseinbußen über die gesamte Vermarktungszeit der entwickelten Produkte hinweg führen. Bei zu spätem Markteintritt können Konkurrenten den Vorsprung nutzen, um zunächst über ein hohes Preisniveau die Entwicklungskosten möglichst schnell abzudecken, um dann im Zuge des Marktdurchdringungsprozesses bei steigenden Mengen das Preisniveau abzusenken. Das später in den Markt eintretende Unternehmen hat es damit viel schwerer, die Entwicklungskosten wieder zu erwirtschaften, da die Zeitspanne hierfür nun geringer ist und das Preisniveau entsprechend hohe Rückflüsse nicht mehr zuläßt.

1.2.4 Überwindung konventioneller Strukturen Neue Technologien tangieren aufgrund ihrer häufig integrativen Ausrichtung eine Vielzahl von Funktionsbereichen des Unternehmens. Hierdurch ergeben sich tiefgreifende Konsequenzen für die betriebliche Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens. Die effiziente, organisatorische Gestaltung des Innovationsprozesses hat einen wesentlichen Einfluß auf die technologische Entwicklungsfähigkeit und damit auf den langfristigen Unternehmenserfolg. Somit muß die Organisation selbst zum Gegenstand innovatorischer Überlegungen werden. Nicht für alle Phasen des technologischen Entwicklungsprozesses sind dieselben strukturellen Bedingungen geeignet. So sind zur Ideenfindung und generierung Organisationsstrukturen sinnvoll, die ein freieres, nicht durchstrukturiertes Arbeiten und eine Vielzahl informeller Kontakte ermöglichen und so den Mitarbeitern kreativitätsfördernde Spielräume eröffnen. Eine solche organisatorische Gestaltung wäre aber für die Durchsetzung einer technologischen Neuerung im Unternehmen und im Markt wenig effizient. Hier wären klare Strukturen, die eine schnelle und effiziente Umsetzung der entwickelten Technologie- und Produktkonzepte mit möglichst geringen Akzeptanzwiderständen ermöglichen, zielführend. Den unterschiedlichen Problemstrukturen in den einzelnen Phasen des technologischen Entwicklungsprozesses muß somit durch eine situative Organisationsentwicklung in Prozess- und Strukturorganisation begegnet werden. Die Überwindung konventioneller Strukturen ist unumgänglich. Das Problem besteht darin, daß erfolgreiche Unternehmen wachsen und sich dadurch auch organisationale Änderungen ergeben, die sich sehr wesentlich auf die Technologieentwicklung auswirken können. Die gewachsenen Strukturen können dabei durch eine Vielzahl hierarchischer Ebenen, eng definierter Aufgabenbereiche, hauptsächlich vertikale Kommunikation und strenge Kontrollsysteme gekennzeichnet sein. Hierdurch entsteht eine innovationshemmende Situation, die durch schwerfällige Entscheidungssysteme, kreativitätshemmende Strukturen, fehlende innerorganisationale Informationsnetzwerke und zu wenig direkte Kommunikation und Kooperation zwischen den Entscheidungs- und Know-howTrägern der verschiedenen Funktionsbereiche sowie durch ein geringes Interesse des TopManagements an den laufenden F&E-Tätigkeiten gekennzeichnet sein kann. Ein Mangel in

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

den formalen Mechanismen zur Integration von F&E in unternehmerische Planungsprozesse, sowie ein fehlendes technologisches Verständnis, verhindern dabei häufig die notwendige Involvierung des Top-Managements. Demotivation bei F&E-Mitabeitern, ein mangelndes Verständnis des Top-Managements für die Bedeutung von Technologieentwicklung und Innovation für den langfristigen Unternehmenserfolg und das langfristige Überleben der Unternehmung auf den Märkten können, verbunden mit unklaren oder wechselnden strategische Vorgaben, für die technologischen Entwicklungen die fatalen Folgen sein. Große Technologieunternehmen - oftmals aus kleinen Einheiten gewachsen - sind teilweise gezwungen, die vorteilhafte, innovationsfördernde Wirkung kleiner Organisationen mit sehr offenen kommunikativen Strukturen durch Ausgliederung von Organisationseinheiten in Form von Projektteams, autonomen Venture Teams usw. nachzuvollziehen, um an die Erfolge kleiner, flexibler Technologieunternehmen anknüpfen zu können. Mit den organisationalen Veränderungen sind in der Regel Personalentscheidungen verbunden. Es müssen z.B. Mitarbeiter versetzt, qualifiziert, freigesetzt oder neue eingestellt werden. Mit dem Wegfallen von Abteilungsgrenzen und der Einführung einer teamorientierten Arbeitsorganisation können die betroffenen Mitarbeiter subjektiv einen Verlust an Prestige, Macht und Einfluß empfinden. Die Zufriedenheit eines Kunden kann durch seine Integration in den Entwicklungsprozeß gesteigert werden, während die Integration von Zulieferern und Anlagenbauern es der Unternehmung gestattet, die in das Entwicklungsprojekt eingebrachte Technologiekompetenz erheblich zu verbreitern und sich gleichzeitig auf die Kernkompetenzen zurückzuziehen. Dabei stellt die Integration von Kunden, Zulieferern und Anlagenbauern in Entwicklungsprojekte der Unternehmung diese auch vor Probleme. Es müssen in der Organisation Voraussetzungen geschaffen werden, die einerseits die Einbindung von unternehmensexternen Personen, andererseits aber auch die notwendige Geheimhaltung von Forschungsergebnissen gewährleisten. Mit zunehmender Unternehmensgröße und der damit einhergehenden Spezialisierung der Funktionen verliert ein immer größerer Anteil der Unternehmensmitarbeiter den unmittelbaren Kundenkontakt. Auch hierfür sind organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, die diese Problematik in ihren Auswirkungen verringert. Allerdings muß auch beachtet werden, daß organisationale Veränderungen im Unternehmen häufig mit erheblichen Folgekosten verbunden sein können, die das Investitionsvolumen eines Entwicklungs- und Innovationsprojektes beträchtlich erhöhen können. Eng verbunden mit der Organisationsstruktur sind die Arbeitstechniken, die ebenfalls Probleme bei der Einführung neuer Technologien hervorrufen können. So entwickelte z.B. die Siliziumindustrie ein langlebiges Bedachungsmaterial, das auch bei sehr niedrigen Temperaturen auf alte Dächer aufgetragen werden kann. „Die Verarbeitung des Materials unterschied sich jedoch von den herkömmlichen Arbeitsmethoden des Dachdeckerhandwerks. Die Bauarbeitergewerkschaften aber verhinderten den Einsatz von Malern, deren berufliche Fertigkeiten den Anforderungen des Materials besser entsprochen hätten. Die Bauunternehmen wiederum hatten nicht genügend Erfahrung mit dem technologisch anspruchsvollen Material. Es bedurfte zusätzlichen Zeit- und Finanzaufwands, um die Bauarbeiter in der Anwen-

1. Rahmenbedingungen des Technologiemarketing

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dung des neuen Materials zu trainieren und um sicherzustellen, daß sie wirklich den vorgeschriebenen Regeln Folge leisten. Das alles verzögerte den raschen Einsatz der Technologie, führte zu zusätzlichen Kosten und beeinflußte sowohl den Umfang des potentiellen Marktes als auch die Geschwindigkeit mit der das neue Produkt den Markt erobern konnte" (Steele, L., 1985, S. 56)

1.2.5 Unternehmensbedingungen und Erfolgsfaktoren Die vorher dargestellten Faktoren, wie Unternehmenskultur, Ressourcenpotential, strategisches Potential und die Bereitschaft, alte Strukturen, Denk- und Verhaltensweisen aufzubrechen, können als wichtige Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg angesehen werden und beeinflussen Wettbewerbs- und Erfolgspositionen in einem dynamischen Innovationsumfeld. Viele Unternehmen nehmen die für sie relevanten Innovationsumfelder, aber auch die eigenen Stärken und Schwächen und die eigene Wettbewerbsposition innerhalb dieser Umfelder nur eingeschränkt wahr. Dadurch steigen die Risiken von Innovationen, da wettbewerbsrelevante Technologien, Strategien von Konkurrenten, Verhaltensmuster potentieller Kunden, gesetzliche oder politische Änderungen, Veränderungen von Kostenfaktoren aber auch Gegebenheiten des eigenen Unternehmens zu wenig, verzerrt oder gar nicht in die innovationsstrategischen Konzepte einbezogen werden. Das zeigen auch die in der Praxis vorliegenden Mißerfolgsraten, selbst noch bei schon eingeführten Produkten. Bei technischen Industriegütern z.B. sind nur etwa die Hälfte der am Markt eingeführten Innovationen auch erfolgreich. Das Risiko, das mit Technologie- und Produktentwicklungen, sowie mit Produkteinführungen einhergeht, kann nur durch eine sorgfältige Analyse des Innovationsumfeldes und aller relevanten Gegebenheiten des eigenen Unternehmens gemildert werden. Durch sorgfältige Analysen von Unternehmung und relevantem Umfeld, sowie von Innovationserfolgen und -mißerfolgen wird es auch der Unternehmung eher möglich sein, die für sie zentralen Erfolgs- und Mißerfolgskriterien herauszuarbeiten und sich so die Möglichkeit organisationalen Lernens zu eröffnen. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung fand z.B. Cooper (vgl. Cooper, R.G., 1980, S. 277ff) heraus, daß vor allem die Einzigartigkeit und Überlegenheit des Produkts, Marktkenntnisse und Marketingfähigkeiten, sowie Synergien und Fähigkeiten in Technik und Produktion wesentlich zum Erfolg neuer Investitionsgüter beigetragen haben. In einer Zusammenfassung empirischer Untersuchungsergebnisse aus den meisten bekannten Studien kommt Johne (vgl. Johne, F.A., 1984, S. 210ff) zu dem Schluß, daß vor allem folgende Kriterien der Schlüssel zum Erfolg sind: • • • • •

Guter Marktkontakt und genaue Identifikation der Abnehmeranforderungen Gute interne Kooperation und Koordination zwischen F&E, Produktion und Marketing Sorgfältige Planung und Kontrolle Effiziente Entwicklungsarbeit Wille zur Innovation auf Seiten des Managements

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing Auf- und Ausbau eines guten Kundendienstes und Ausbildung von Verwendern, Implementierung von Schlüsselpersonen wie Produkt-Champions, kaufmännischen oder technischen Innovatoren.

Sowohl bei Cooper als auch bei Johne wird deutlich, daß im dynamischen Innovationsumfeld technische und marktbezogene Kriterien bei der Planung neuer Technologien und deren Umsetzung in marktfähige Produkte oder Verfahren berücksichtigt werden müssen.

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing 2.1. Grundlagen des Marketingdenkens und von Marketingkonzepten 2.1.1 Der Wandel des Marketingdenkens In traditionellen, absatzwirtschaftlich ausgerichteten Volkswirtschaften produzieren Unternehmungen Güter (Sachgüter und/oder Dienstleistungen), die sie an potentielle Kunden unter Beachtung der Konkurrenzaktivitäten und unter Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums zu verkaufen versuchen, um dabei über die Abdeckung der Kosten hinaus einen Gewinn zu erzielen. Diese sehr stark absatzwirtschaftlich geprägte Sichtweise ist eher an Mangelwirtschaften orientiert, in denen man davon ausgehen kann, daß die produzierten Güter auch tatsächlich gekauft werden. Die Engpaßbereiche liegen in solchen Wirtschaftssystemen (Kriegs- und Nachkriegswirtschaft, volkswirtschaftliche Umbruchsituationen) eher in der Beschaffung und Produktion als im Absatz der Güter. Daher stehen auch Beschaffung und Produktion der Unternehmung viel stärker im Vordergrund des Denkens als die Vermarktungsprozesse. Die traditionelle Absatzwirtschaft hat dabei die Aufgabe, vorliegende Produktprogramme möglichst geschickt zu vermarkten. Dafür sind geeignete Werbestrategien zu entwerfen, der

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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Produktpreis den Marktgegebenheiten anzupassen und entsprechende Vertriebswege zu erschließen.

Ausgangspunkt

Mittel

Ziele

Produkte

Marketingpolitische Instrumente

Gewinnerzielung über ein entsprechendes Umsatzvolumen

Abb. 1.5: Altes Marketing-Konzept (Quelle: Bidlingmaier, /., 1973, S. 14)

Diese Sicht- und Denkweise ist in hochentwickelten Marktwirtschaften wenig zielführend. Die Märkte haben sich stark verändert. In nahezu allen Produktgruppen bestehen Überkapazitäten, die dazu führen, daß Unternehmungen sich immer stärker um ihre potentiellen Kunden bemühen müssen. Die Kunden können aus einer ständig steigenden Vielfalt an Produkten wählen. Die Verkäufermärkte haben sich zu stark segmentierten Käufermärkten entwickelt. Die Auswahl erfolgsträchtiger Marktsegmente, die künden- und wettbewerbsgerechte Positionierung des Leistungsangebots und der anderen Marketinginstrumente wird somit immer bedeutsamer. Das traditionelle Absatzkonzept kann daher der Dynamik moderner, konkurrenzintensiver Volkswirtschaften in keiner Weise gerecht werden, denn: •







Es wird von vorliegenden Produkt-Programmen ausgegangen und nicht berücksichtigt, daß die Dynamik des Wettbewerbs ja gerade durch neue Produkte, d.h. durch Innovationen hervorgerufen wird. Kundenbedürfnisse und Kundenprobleme werden zu wenig fokussiert. Dadurch besteht die Gefahr, daß nicht die Ansprüche genau spezifizierter Kundensegmente ihren produktpolitischen Niederschlag finden, sondern „Durchschnittslösungen" am Markt angeboten werden, die den Ansprüchen keines Kundensegmentes optimal entsprechen. Es wird in diesem Ansatz nicht berücksichtigt, daß es ja dem potentiellen Kunden nicht nur um den Kauf eines Produktes, sondern um eine oft sehr vielschichtige Problemlösung geht, die häufig Beratung, Schulung, sonstige Dienstleistungen, Erfüllung von Prestigewünschen usw. einschließt. Das Denken von Produkten her greift hier zu kurz, weil es dieser Vielschichtigkeit einer Problemlösung vom Denkansatz her nicht Rechnung tragen kann. Der traditionelle Ansatz berücksichtigt die Bedeutung der Kunden als Quelle von Produktideen zu wenig. Gerade aber die sich wandelnden und sich ausdifferenzierenden Kundenbedürfnisse sind es, die ständig Anstöße für neue Produktideen und Problemlösungen liefern. Der intensive Wettbewerb um den Kunden, das Bemühen, dem Kunden der Konkurrenz gegenüber Nutzenvorteile zu bieten, um Präferenzen zu schaffen und Kundenbindung zu erzeugen, führt zu Kreativität in den kundenorientierten Problemlösungen.

Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

26 •



Das strategische Denken in der Gestaltung von Märkten oder in der Positionierung der Unternehmung und ihrer Produkte in diesen Märkten kommt zu kurz. Wird von bestehenden Produkten ausgegangen, wird die Möglichkeit, über neue Produkte bzw. Problemlösungen Märkte neu zu schaffen (z.B. Mobiltelefon, Laptop, Internetservicedienste usw.), durch Produktdifferenzierung und Kommunikation Märkte anders zu segmentieren, auf unterschiedlichen Ländermärkten mit verschiedenen strategischen Optionen zu arbeiten usw., kaum gesehen. Im Mittelpunkt steht das absatzpolitische Instrumentarium, wobei das zentrale Instrument, nämlich die Leistungspolitik gar nicht mehr differenziert, diskutiert und gestaltet wird, da von gegebenen Leistungen (Produkten) ausgegangen wird.

Marketing dreht diese Sichtweise vollkommen um. Ausgangspunkte sind nicht mehr bestehende Produkte oder Produktprogramme von Unternehmungen. Marketing setzt mit seinen Überlegungen im „Brennpunkt" des Wettbewerbs an, nämlich bei den Problemen und Bedürfnissen potentieller Kunden in den ausgewählten Geschäftsfeldern, die als Tätigkeitsbereiche der Unternehmung festgelegt wurden. Eine solche marktorientierte Unternehmung überlegt, wie sie bestehende und künftige Kundenbedürfnisse oder ihnen zugrunde liegende Kundenprobleme billiger und/oder besser lösen kann als die Wettbewerber. Marketingdenken bezieht sich in einem Unternehmen nicht auf eine oder wenige Personen, sondern umfaßt die Einstellungen, die quer durch die gesamte Unternehmung Denken und Handeln von Mitarbeitern beeinflussen und leiten. Es geht nicht nur um geschickte Vermarktung bestehender Leistungen. Es geht vielmehr darum, die gesamte Unternehmung künden- und wettbewerbsorientiert und damit marktorientiert auszurichten. Damit ist Marketing zwar einerseits funktional, weil es sich mit der Vermarktung von Leistungen beschäftigt. Es hat aber andererseits auch eine Querschnittfunktion, die es sich zur Aufgabe setzt, künden- und wettbewerbsorientierte Problemlösungen in den Geschäftsfeldern der Unternehmung aufzufinden, eventuell auch eine Neupositionierung von Geschäftsfeldern zu erreichen und die Gesamtunternehmung in ihrer Marktorientierung - d.h. Kunden- und Wettbewerbsorientierung - zu unterstützen und zu koordinieren. Marketingkonzepte haben die Aufgabe, alle künden- und wettbewerbsorientierten Maßnahmen so in einem Konzept zusammenzufassen, daß die einzelnen Maßnahmen, wie Konfiguration der Gesamtleistung, einschließlich Beratung, Schulung, Service, kommunikations-, kontrahierungs- und vertriebspolitische Maßnahmen in sich ergänzender und verstärkender Weise auf das Positionierungsziel hin ausgerichtet und mit den Maßnahmen der anderen Funktionsbereiche abgestimmt werden. Es geht letztlich um die Ausrichtung der Unternehmung auf die Kundenund Wettbewerbserfordernisse.

2.1.2 Das strategische Dreieck Marketing setzt daher nicht nur bei der zur Zeit am Markt bestehenden Nachfrage nach bestimmten Leistungen an. Denn diese artikulierten Bedürfnisse können ja nur auf dem Hintergrund eines bestehenden Angebotsspektrums formuliert werden. Leistungsmerkmale, die die Kunden nicht kennen, werden sie auch nicht nachfragen. Vor Bestehen des Internet hätte

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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z.B. wohl kaum eine Unternehmung nach Dienstleistungen zur Erstellung einer Homepage, eines Internetportals usw. gefragt. Vor Entstehung des Lasers wäre wohl kein Chirurg auf die Idee gekommen, diese Technologie für Operationen einsetzen zu wollen. Die Orientierung an Kundenbedürfnissen greift damit zu kurz. Gerade die ständige Beschäftigung mit den Kundenproblemen im jeweiligen Geschäftsfeld kann im Zusammenhang mit neuen Technologien zu vollkommen neuartigen Produkten führen, die Wettbewerbsvorsprünge gegenüber der Konkurrenz eröffnen und auch die Nachfrage völlig verändern. Dabei ist ein Kundenbedürfnis der artikulierte oder artikulierbare Wunsch der Kunden nach einer bestimmten Leistung, einem bestimmten Produkt. Das Kundenproblem ist die oft sehr komplexe Motivkonstellation, die dem Bedürfnis zugrunde liegt. So ist das Motiv, zu kommunizieren, sehr alt, es über das Internet zu tun ist eine moderne Problemlösung, die darüber hinaus auch andere Motive, wie Schnelligkeit, Bequemlichkeit, das Motiv über die Enge der persönlichen Kommunikation hinauszukommen und sich international auszutauschen usw., integriert. Marketing setzt am strategischen Dreieck Kunden, Unternehmung, Wettbewerber an und versucht, den Kunden - gegenüber der Konkurrenz - Leistungsvorteile und/oder_Preisvorteile zu bieten. Diese Vorteile sind häufig, aber nicht in jedem Fall objektiv überprüfbar. Es genügt, daß eine Leistung aus der Sicht der Kunden als besser und/oder billiger empfunden wird (vgl. Kapitel III). Das kann z.B. dadurch geschehen, daß der Kunde die Kompetenz eines Anbieters höher bewertet als die der Konkurrenten und sich dadurch besser beraten fühlt oder daß die Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager aufgrund persönlicher Sympathien, eines besseren Eingehens auf die Mentalität des Partners usw. reibungsloser funktioniert als gegenüber den Konkurrenten dieses Anbieters. Der Kunde mag auch subjektiv die Beratungs- und Servicequalität besser beurteilen als die von Konkurrenten, obwohl das möglicherweise objektiv gesehen nicht der Realität entspricht. Auch können Designmerkmale einer Anlage auf die Qualitätsbeurteilung durchschlagen usw.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing Kundenprobleme, Kundenbedürfnisse

Wettbewerbsvorteile/ Wettbewerbsnachteile Abb. 1.6: Strategisches Dreieck

Um sich im strategischen Dreieck Kunden-Wettbewerber-eigenes Unternehmen sinnvoll orientieren zu können, sind erst einmal die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen gerade im Vergleich zu potentiellen Konkurrenten und im Hinblick auf potentielle Geschäftsfelder einer sorgfältigen Untersuchung zu unterziehen. Auf diese Weise kann ausgelotet werden, auf welchen Märkten und mit welchen Leistungen das Unternehmen am ehesten seine Stärken ausspielen kann. Die sich ständig ändernden Probleme und Problemstrukturen der potentiellen Kunden, das dynamische und sich immer mehr internationalisierende Wettbewerbsumfeld, die damit zusammenhängenden Veränderungen von Marktstrukturen und Leistungsangeboten auf Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie die dynamische Entwicklung technologischer Möglichkeiten führen dazu, daß in der Unternehmung und in ihren Leistungsangeboten immer wieder Anpassungen oder auch wahrscheinlichen künftigen Entwicklungen auf den Märkten vorauseilende Innovationen vorgenommen werden müssen. Um auch auf lange Sicht erfolgreich zu sein und dem Wettbewerb standhalten zu können, um Gewinneinbußen, Fehlschläge am Markt (Flops), Fehlinvestitionen, Imageverluste usw. möglichst zu vermeiden, ist die Marketingpolitik nicht nur operativ, sondern strategisch vorausschauend zu entwickeln und in eine strategische Unternehmungspolitik einzupassen.

2.1.3 Strategische und operative Marketingpolitik Was unterscheidet nun strategische und operative Marketingpolitik? In der strategischen Marketingpolitik geht es um die Vorbereitung des zukünftigen Markterfolges. Hierbei spielt - auf dem Hintergrund einer Stärken-Schwächen-Analyse im Vergleich zu den Wettbewerbern - die Frage eine Rolle, was in Zukunft auf dem Hintergrund der Umweltverände-

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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rungen zum Aufbau von Erfolgspositionen führen kann, welche Chancen- und Risikopotentiale auf die Unternehmung zukommen und wie die Unternehmung durch Aufbau von Stärken auf diese Veränderungen reagieren soll. Dabei kann eine Stärke von heute durch Veränderungen der Gegebenheiten in Zukunft zu einer Schwäche werden. So waren in der Vergangenheit oft leistungsfähige Großanlagen, die große Mengen von Standardprodukten kostengünstig herstellen konnten, aufgrund des Kostenvorsprunges eine Stärke. In sehr stark segmentierten Märkten mit hohen und sich schnell ändernden Kundenanforderungen kann eine solche Großanlage zu einer Schwäche führen, weil die Losgrößen aufgrund der engen Segmente zu klein geworden sind und die Fähigkeit zu hoher Erzeugniswechselflexibilität gefordert ist. Erfolgspositionen aber auch Schwächen können in der Erfahrung, der Marktkenntnis und im Management-Know-how der Führungskräfte, sowie in ihrem Führungsverhalten liegen. Das Know-how, die Motivation der Mitarbeiter, ihre Leistungs- und Kundenorientierung sind wichtige Erfolgsfaktoren. Kooperation und Koordination nach innen und außen, offener Informationsaustausch oder enges Abteilungsdenken, Orientierung an internen (Prozeßdenken) und externen (Marktdenken) Kunden, Qualitäts- und Leistungsorientierung usw. hängen engstens mit der Kultur einer Unternehmung (vgl. Kapitel I, 2.1) zusammen. Deshalb muß aus strategischer Sicht an der sukzessiven Entwicklung einer geschäftsfeld- und strategieadäquaten Unternehmenskultur gearbeitet werden, wenn strategische Konzepte erfolgreich umgesetzt werden sollen. Auch die Wahl und Veränderung von Geschäftsfeldern ist eine strategische Entscheidung von großer Reichweite. Hierbei geht es um die Frage, welche Leistungen für welche Kundengruppen auf der Basis welcher Technologien auf welchen geographisch abgegrenzten Märkten angeboten werden sollen. Dabei hat eine vorausschauende Geschäftsfeldplanung äußerst gravierenden Einfluß auf die langfristige Erfolgsträchtigkeit von Unternehmungen. Grundsätzliche Leitlinien für den Einsatz der Marketinginstrumente haben ebenfalls strategischen Charakter. Diese Leitlinien oder Basisstrategien sind deshalb so bedeutsam, weil die positive Positionierung von Unternehmung und Produkten im Einstellungsfeld der Kunden nicht kurz - sondern nur längerfristig möglich ist und weil diese Positionierungen sich längerfristig auf den Unternehmungserfolg auswirken. Darüber hinaus ist über diese Basisstrategien eine Abstimmung der Marketinginstrumente im Sinne des Positionierungszieles möglich, so daß die einzelnen Marketinginstrumente Leistungspolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik und Kontrahierungspolitik sich gegenseitig in ihrer Wirkung ergänzen und verstärken. Es sollen zwischen diesen Instrumenten keine Widersprüche auftreten (ζ. B. Positionierung eines Maschinenbauunternehmens als technologisch führender Anbieter mit hoher Service- und Kundenorientierung und hoher Zuverlässigkeit bei gleichzeitigen Sparmaßnahmen im Innendienst und im Service, so daß es dann zu Lieferungenauigkeiten, Verzögerungen im Ersatzteildienst und im Service kommt. Dadurch ergeben sich beim Kunden Stillstandszeiten in der Produktion. Es entstehen erhebliche kognitive Dissonanzen.). So hat sich z.B. die hohe Stabilität des Mercedes-Benz-Images über eine jahrzehntelange sehr konsequente Leistungs-, Kommunikations-, Distributions- und Preispolitik entwickelt, die - sehr gut aufeinander abgestimmt - das gleiche Positionierungsziel verfolgten.

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Kapitel I: Grandlagen des Technologiemarketing

Daneben spielen im strategischen Bereich aber auch Timingstrategien (zu welchen Zeitpunkten soll ein Produkt in den Markt gebracht und wieder herausgenommen werden), Markteinstrittsstrategien (wie soll der Eintritt in einen ausländischen Markt erfolgen z.B. direkt oder indirekt, mit oder ohne Kapitaltransfer), Kooperationsstrategien usw. eine Rolle. Die Abgrenzung ist deshalb schwierig, weil es strategische Entscheidungen unterschiedlicher Reichweite gibt. Gemeinsam ist ihnen aber, daß sie den Geschäftserfolg einer Unternehmung längerfristig und nachhaltig beeinflussen. In der operativen Marketingpolitik geht es um die Sicherung des laufenden Markterfolges auf der Grundlage der getroffenen strategischen Entscheidungen. Die strategischen Entscheidungen werden dabei so heruntergebrochen, daß sie für die Steuerung des eher kurzfristigen Tagesgeschäfts geeignet sind. Strategische Ziele und Leitlinien müssen im Instrumentalbereich in operative Marketing-Mix-Entscheidungen umgesetzt werden. Das bedeutet, daß das operative Geschäft zwar in den Bandbreiten, die durch strategische Entscheidungen konzipiert werden, abläuft, daß aber eine Anpassung an die sich kurzfristig ändernden Gegebenheiten und Marktbedingungen erfolgt. So legt z.B. das strategische Positionierungsziel fest, welche Imageposition durch die Marketinginstrumente längerfristig zu erreichen ist. Die konkrete Umsetzung, z.B. im Rahmen einer bestimmten Werbekampagne, oder die kurzfristige Anpassung der Produktgestaltung erfolgt aber durch Entscheidungen mit operativem Charakter. Die Wahl der Distributionsstrategie, die Bestimmung der grundsätzlichen Preisstrategie (z.B. oberes Preissegment) sind strategischer Natur. Die Steuerung der Distribution innerhalb dieser Grundsatzentscheidung, die kurzfristige Konkretisierung von Preisen hat operativen Charakter. Marketingdenken geht damit weit über das Absatzdenken hinaus. Es geht in Volkswirtschaften, in denen der Engpaßbereich nicht die Produktion und die Beschaffung, sondern der Markt ist, um Marketing als ein Konzept einer marktorientierten Unternehmensführung. Das bedeutet allerdings nicht, daß Marketing alle anderen Funktionen der Unternehmung dominiert. Es soll lediglich die Kunden- und Wettbewerbsorientierung in den Vordergrund wettbewerbsstrategischer, aber auch operativer Überlegungen stellen. Kunden und Kundenprobleme sind der Existenzgrund, der „Daseinszweck" von Unternehmungen. Verliert ein Unternehmen seine Kunden, so verliert es seine Existenzberechtigung. Daher müssen unternehmerische Entscheidungen auch bei Kunden und Kundenproblemen ansetzen und dort ihren Ausgangspunkt haben. Gleichzeitig sind die Kunden eine Art Endpunkt, weil hier der unmittelbare Umsatzprozeß für den Anbieter endet, wenngleich er sehr häufig aber über seinen unmittelbaren Kunden hinausdenken und die Probleme und Erwartungen der Kunden seiner Kunden berücksichtigen muß, wenn er langfristig erfolgreich sein will (vgl. Kapitel II, 2.2). Diese Sichtweise einer konsequenten Marktorientierung von Unternehmungen führt nun aber nicht etwa dazu, daß die anderen Unternehmungsfunktionen weniger bedeutsam wären, sondern sie verweist lediglich auf die Notwendigkeit, nicht nur den Absatzbereich, sondern das Gesamtunternehmen konsequent marktorientiert zu steuern und zu koordinieren. Die anderen betrieblichen Bereiche verlieren dem Marketing gegenüber - wie die folgenden Beispiele andeuten sollen - in keiner Weise ihren gleichbedeutenden Stellenwert.

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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Gibt es Schwächen in der Beschaffungspolitik, so wirkt sich dies entweder auf die zu erstellenden Leistungen oder aber auf die Kosten aus. Schwächen in der Produktion führen ebenfalls zu Qualitäts-, Kosten-, Zeit- oder Flexibilitätsproblemen, die sich negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Schwächen in der Logistik können Störungen innerbetrieblicher Abläufe bewirken, die sich negativ auf die Einhaltung von Lieferfristen, auf die Kostensituation usw. auswirken. Schwachstellen im Rechnungswesen können zur unbemerkten Entstehung von Verlustquellen, zu Fehlentscheidungen in verschiedenen Bereichen usw. führen. Probleme in Forschung und Entwicklung, sowie in ihrer Koordination mit dem Marketing können dem Absinken des Innovationsniveaus, einer nicht markt- und kundenorientierten Innovationspolitik usw. Vorschub leisten und damit zu einer Schwächung des Gesamtunternehmens führen. Es kann also gar nicht um die Dominanz des Marketing gehen, sondern es geht um die künden- und wettbewerbsorientierte Koordination aller betrieblichen Teilbereiche im Sinne der strategischen Ziele. Die Realisierung eines derartigen Marketingkonzepts erfordert eine Reihe von Voraussetzungen, ohne die ein solches Konzept nicht sinnvoll erstellt werden kann. Ein Marketing-Informationssystem hat für das Marketing-Management entscheidungsrelevante Umweltinformationen, sowie marketingrelevante betriebsinterne Informationen zeitgerecht bereitzustellen. Derartige Umweltinformationen können z.B. Informationen über Länder- und Produktmärkte, Markteintrittsbedingungen, Rahmenbedingungen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technischer Art und ihre Änderungstendenzen, Informationen über Nachfragestrukturen, Kundenprobleme, Kundenverhalten, Stärken und Schwächen und das Verhalten der Wettbewerber, über Distributionsstrukturen und Verhalten der Absatzmittler, sich abzeichnende Verhaltensänderungen, Wirkungen der eingesetzten marketingpolitischen Instrumente usw. sein. Wichtige betriebsinterne Informationen sind hierbei beispielsweise Kosteninformationen, Informationen über technologische, personelle, finanzielle, kapazitative Potentiale und Restriktionen. Auf der Basis dieser Informationen und in Abstimmung mit der grundsätzlichen Wettbewerbsstrategie und dem Unternehmungskonzept hat das Marketing-Management die Grundsätze seiner Marketingpolitik festzulegen. Im Rahmen dieser strategischen Marketingplanung geht es darum, die Geschäftsfelder der Unternehmung nach Problemlösungsbereichen, zu bearbeitenden Kundengruppen (Marktsegmentierung) und im Hinblick auf die in die Strategie einzubeziehenden Ländermärkte (Marktselektion) festzulegen, die dazu erforderlichen Technologien und Leistungskonfigurationen mit dem Forschungs- und Entwicklungsbereich, der Beschaffung, dem Finanzierungsbereich usw. abzustimmen und die Basisstrategien zu formulieren. Auf dieser Grundlage können dann Pläne geringerer Reichweite, insbesondere die operative Marketingplanung erarbeitet werden. Dabei geht es weniger um die jeweilige Optimierung des Einsatzes der einzelnen marktpolitischen Instrumente, so z.B. um eine gewinnmaximale Preispolitik oder um die Optimierung der kommunikationspolitischen Instrumente usw., als vielmehr um die optimale Kombination der verschiedenen marketingpolitischen Instrumente im Hinblick auf die strategischen Marketingziele. Das heißt: Im Rahmen der marketingpolitischen Instrumentalentscheidungen sollen die Vielzahl der Einzelinstrumente der

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Bereiche Leistungs-, Kontrahierungs-, Kommunikations- und Distributionspolitik in Übereinstimmung mit dem strategischen Marketing- und Unternehmenskonzept so aufeinander abgestimmt werden, daß eine konsistente, wettbewerswirksame und zielführende Marketingpolitik erreicht wird. Allerdings wird eine konsequente, an den Markterfordernissen ausgerichtete Marketingpolitik für die im Rahmen der strategischen Marketingplanung festgelegten Geschäftsfelder (Problembereiche, Kundengruppen, Ländermärkte) unterschiedliche, auf diese Geschäftsfelder zugeschnittene Marketingkonzepte entwickeln müssen. Die Umsetzung dieser Marketingkonzepte ist im Hinblick auf die für die einzelnen Geschäftsfelder und für die Gesamtunternehmung angestrebten Ziele und die sonstigen Wirkungen der Instrumente zu überprüfen. Eine Unternehmung erhält sich dadurch lernfähig, daß sie ständig ihre Aktivitäten im Hinblick darauf untersucht, ob die geplanten Ziele oder Zielkorridore auch realisiert werden und daß sie Abweichungsanalysen initiiert. Marketing-Kontrolle ist ein wichtiges Instrument, um die Unternehmung lernfähig zu erhalten und die Mitarbeiter zu einem zielkonformen Verhalten zu veranlassen. Planung ohne Kontrolle ist wirkungslos und Kontrolle ohne Planung sinnlos. Darüber hinaus sind auch Überprüfungen hinsichtlich der unterstellten Prämissen, der eingesetzten Methoden, der organisationalen Umsetzung und der Führungsstrukturen und des Führungsverhaltens erforderlich. Man spricht hierbei von Audits und hinsichtlich der Überprüfung der Effektivität und Effizienz des Marketing von MarketingAudits. Die Bereiche Planung, Kontrolle und ihre Verknüpfung mit der Informationsversorgung zur Unterstützung der Unternehmensführung sind das Gebiet des Controlling, das eine zentrale Bedeutung für die Steuerung von Unternehmungen hat. Die Realisierung eines Marketingkonzepts erfordert darüber hinaus eine MarketingOrganisation, die eine durchgängige Kunden- und Marktorientierung, eine im Sinne der strategischen Planung möglichst passgenaue Koordination der Einzelinstrumente, sowie eine möglichst hohe Flexibilität und Innovationsbereitschaft ermöglicht. Hierbei ist nicht nur über eine diesen Anforderungen möglichst nahe kommende Aufbauorganisation nachzudenken, wie über flache Hierarchien, Bewältigung von Nahtstellen, z.B. durch Matrixorganisation usw., sondern auch über eine kundenorientierte, flexible Prozeßorganisation mit durchgängig strukturierten Prozessen vom Marketing bis zur Beschaffung und F&E. Ein realisierbares Marketingkonzept hat damit folgende Grundstruktur:

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2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

r Marketing-Konzept

Ausgangspunkt

Mittel

Ziel

Informationssystem Marketingplanung Marketingorganisation Marketingkontrolle

Kundenprobleme in den ausgewählten Geschäftsfeldern

Abb. 1.7: Das

Einsatz der Marketinginstrumente

Gewinnerzielung über eine nachhaltige Befriedigung von Kundenproblemen und -wünschen und dem Aufbau von langfristigen Kundenbeziehungen

Marketing-Konzept

2.2 Abgrenzung und Besonderheiten des TechnologieMarketing 2.2.1 Technologie-Marketing als Teilgebiet des Marketing Technologie-Marketing entsteht als Wissenschafts- und Lehrgebiet nicht durch eine Integration technischer und wirtschaftswissenschaftlicher Fächer. Es ist damit auch kein Integrationsfeld von Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften. Technologie-Marketing ist demgegenüber ein Teilgebiet des Marketing mit einer besonderen Fokussierung. Bei Konsum- und Investitionsgütern sind es unterschiedliche Kundenkreise - Endkonsumenten oder aber Unternehmungen und staatliche oder halbstaatliche Organisationen - die eine unterschiedliche Ausrichtung des Marketing erforderlich machen. Beim Dienstleistungs-Marketing sind es

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

die Charakteristika und Besonderheiten einer schwer abgrenzbaren Güter-Kategorie, nämlich jene der Dienstleistungen, und beim Handels-Marketing die Marketing-Spezifika des Handels, die eine jeweils spezifische Ausgestaltung der Marketing-Lehre erfordern. Demgegenüber konzentriert sich Technologie-Marketing auf die Besonderheiten des Marketing von technologieintensiven Produkten. Auch hier sind die Abgrenzungen nicht eindeutig.

2.2.2 Begriffsabgrenzung Die stärksten Überschneidungen bestehen zum Investitionsgütermarketing, da es sich hier zu einem erheblichen Teil um technologieintensive Produkte (Maschinen, Anlagen, komplexe Komponenten, technische Dienstleistungen) handelt. Aber auch mit dem Konsumgütermarketing gibt es Überschneidungen, da in wesentlichen Bereichen des Konsumgüterspektrums eine hohe Innovationsgeschwindigkeit und hohe Komplexität von Technologien anzutreffen sind (z.B. Automobile, Unterhaltungselektronik, Kommunikationstechnologien usw.). Das vorliegende Lehrbuch stellt sich die Aufgabe, gerade den Überschneidungsbereich von Investitionsgüter- und Technologiemarketing zu behandeln. Es konzentriert sich damit auf Marketingprobleme technologieintensiver Unternehmungen, die nicht an Konsumenten, sondern an Organisationen - das sind private und öffentliche Unternehmungen und öffentliche Haushaltungen - verkaufen. Beschaffungsprozesse in derartigen Organisationen unterscheiden sich sehr stark von Beschaffungsprozessen im privaten Bereich, so daß Marketingkonzepte und Marketingstrategien anders aufzubauen sind als im Konsumgüterbereich. So sind z.B. Beschaffungsprozesse in Organisationen meist formaler und komplexer als im privaten Bereich. Häufig wirken an einer solchen Entscheidung direkt oder indirekt verschiedene Abteilungen und Personen, manchmal auch mehrerer Organisationen, mit. Es handelt sich um einen aus den Unternehmensaufgaben abgeleiteten Bedarf. Es soll hier aber auch nicht der gesamte Bereich des Investitionsgütermarketing behandelt werden. Die Ausführungen beschränken sich vielmehr auf den Bereich technologieintensiver Leistungen, die an Organisationen (vgl. Kapitel IV) verkauft werden. Diese Leistungen umfassen nicht nur physische Produkte (Hardware), sondern auch Dienstleistungen (Software). Gerade in technologieintensiven Bereichen werden meist komplexe Leistungen nachgefragt, die aus Sach- und Dienstleistungen bestehen. Ein Bearbeitungszentrum, eine Transferstraße, Großanlagen usw. lassen sich letztlich nur als Kombinationen von physischen Produkten und Dienstleistungen vermarkten. Kurz zusammengefaßt könnte man Technologiemarketing folgenderweise skizzieren: Technologiemarketing als Marketing technologieintensiver Produkte umfaßt alle Maßnahmen einer ziel- und wettbewerbsorientierten Ausrichtung der marktrelevanten Aktivitäten der Unternehmung an technologischen Entwicklungen der wesentlichen Technologiebereiche einerseits, sowie an ausgewählten Problemfeldern gegenwärtiger und zukünftiger Kundenpotentiale andererseits unter Einsatz planender, steuernder, koor-

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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dinierender und kontrollierender Instrumente (formale Seite), sowie der marketingpolitischen Instrumente, das sind Leistungspolitik, Kontrahierungspolitik, Kommunikationspolitik und Distributionspolitik (materiale Seite).

2.2.3 Im Spannungsfeld zwischen Technik und Marketing Technologiemarketing setzt damit an zwei Polen an. Zum einen orientiert es sich am Fortschritt technologischer Entwicklungen, zum anderen an den Problemen aktueller und potentieller Kunden, für die es wettbewerbsfähige Problemlösungen auf den Markt zu bringen in der Lage ist. Durch diese Doppelorientierung - an den technologischen Möglichkeiten einerseits und an Kundenproblemen und Angebotsverhalten der Konkurrenz andererseits - wird es möglich, für bestehende Kundenprobleme neue technologische Problemlösungsmöglichkeiten zu entwickeln und andererseits für neue Technologien nach Anwendungsfeldem und damit nach Märkten, zu lösenden Kundenproblemen und somit nach neuen technologischen Produkten zu suchen. Diese Doppelorientierung schafft allerdings auch ein Spannungsfeld zwischen Technologie und Marketing, das in der Unternehmung nicht immer leicht zu bewältigen ist, aber eine der Erfolgsvoraussetzungen für das Technologiemarketing darstellt. Auf dieses Spannungsfeld und die damit zusammenhängenden Koordinationsprobleme und Lösungsmöglichkeiten wird an späterer Stelle noch eingegangen. Der Unterschied zwischen Technologie-Marketing und der allgemeinen Marketinglehre besteht in der besonderen Betrachtungsweise, dem spezifischen Aufsichtswinkel. Stärker als bei anderen Marketinglehren steht im Technologie-Marketing bei der Herausarbeitung marketingorientierter Probleme und Lösungsansätze die Technologie im Vordergrund. Das hat auch darin seine Begründung, daß Marketing nicht als eine Funktion, wie Beschaffung Produktion oder Absatz gesehen wird. Marketing als marktorientierte Steuerung soll die Unternehmung durch alle Funktionen und Teilbereiche hindurch auf die Zielmärkte (potentielle Kunden und Konkurrenten) ausrichten. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß die Unternehmung in die Lage versetzt wird den potentiellen Kunden der Zielsegmente auf der Grundlage des Fähigkeits- und Ressourcenpotentials der Unternehmung Nutzen- und/oder Preisvorteile gegenüber potentiellen und tatsächlichen Konkurrenten anbieten zu können. In diesem Sinne ist Marketing eine Querschnittfunktion, die die Aufgabe hat, insbesondere die Kernprozesse aber auch die unterstützenden Prozesse (vgl. Kapitel III, 3.7.1.3) im Hinblick auf einen möglichst hohen Kundennutzen zu koordinieren. Im Technologie-Marketing wird hierbei - aufgrund der Technolgieintensität des betrachtenden Produktspektrums - das „Zusammenspiel" von Technologie und Marketing näher ins Blickfeld gerückt. Wie bereits angesprochen wäre es nun aber ein Mißverständnis anzunehmen, damit solle Marketing zur alles dominierenden Zentralfunktion hochstilisiert werden. Das ist keinesfalls intendiert. Eine Unternehmung wird am Markt längerfristig nicht allein deshalb erfolgreich agieren können, weil ihre Marketingkompetenz hoch ist. Das wäre nur eine der erforderlichen Bedingungen. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, daß in allen Prozessen und Teilprozessen leistungsfähig, offen, kooperativ und kundenorientiert gedacht und

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

gehandelt wird, diese Prozesse auf den Kundennutzen hin koordiniert werden und das sowohl hinsichtlich innerbetrieblicher als auch außerbetrieblicher Kunden. Die Dominanz einzelner Teilbereiche und -prozesse ist hierbei eher kontraproduktiv, da sie zur Vernachlässigung wesentlicher erfolgsbestimmender Faktoren in anderen Prozessen führt. So wird z.B. eine Dominanz der Technik auf lange Sicht bewirken, daß die Kundennutzenorientierung gegenüber technischen Gesichtspunkten ins Hintertreffen gerät und Produkte, trotz hohen technologischen Niveaus, die Nutzenerwartungen potentieller Kunden nicht konkurrenzfähig erfüllen. Eine Dominanz des Marketing kann langfristig dazu führen, daß zwar auf Ansprüche und Erwartungen der Kunden schnell und konsequent reagiert wird, daß aber - über die Anpassung von Technologien und technologischen Produkten an die jeweiligen Markterfordernisse - vollkommen neue Technologien und vollkommen neue Produktentwicklungen, die vorerst aus den technischen Bereichen kommen, zu wenig wahrgenommen und daher zu wenig oder gar nicht in Kundennutzenpotentiale umgesetzt werden. Schwächen im Kostenund Finanzmanagement, im Qualitäts- und Personalmanagement usw. können das Überleben der Unternehmung ebenso in Frage stellen, wie Schwächen im Marketing oder in Forschung und Entwicklung. Es kommt daher nicht auf die Dominanz einzelner Prozesse oder Teilprozesse an, sondern auf ein möglichst gut koordiniertes Zusammenspiel bzw. eine optimale Abstimmung aller betrieblichen Prozesse auf den Markt. Aufgabe des Marketing ist es, diese Kunden- und Konkurrenzorientierung im Unternehmen durchzusetzen und alle Prozesse entsprechend den Marktanforderungen zu koordinieren. Hierbei ist ein gut ausgebautes Controlling-System eine unabdingbare Stütze. Im Unterschied zum traditionellen Produktdenken, das von bestehenden Produktprogrammen ausgeht, setzt Technologie-Marketing bei realen und zukünftigen Kundenproblemen an. Gleichzeitig berücksichtigt es aber die Möglichkeiten die im Einsatz von Technologien und in der Technologiedynamik zur Entwicklung marktfähiger Problemlösungen liegen und versucht, auf dem Hintergrund des Ressourcen- und Fähigkeitspotentials der Unternehmung konkurrenzfähige Produkte auf den Märkten anzubieten. Hierbei kommt der Technologie eine ganz besondere Rolle zu. Denn durch sie wird es möglich, bestehende Problemlösungen zu verbessern oder aber ganz neue Problemlösungen und Produkte zu kreieren, die auf der bisher bestehenden technologischen Basis nicht denkbar sind oder aber in der aufgrund der neuen Technologien erreichbaren Qualität oder zu den dann möglichen Kostenniveaus vorher nicht realisierbar waren.

2.2.4 Aufgaben und Ansatzpunkte eines Technologiemarketing Damit wird auch die Hinterfragung und gezielte Veränderung von Technologie-, Geschäftsfeld- und Produktpositionierungen zu einem zentralen Gegenstand der Diskussion. Ausgehend von innovativen technologischen Möglichkeiten muß überlegt werden, wie und für welche Kundengruppen durch neue Technologien oder durch innovative Verbindung neuer oder aber neuer und alter Technologien ein höherer Nutzen durch bessere und/oder umfassendere und/oder kostengünstigere Funktionserfüllungen erreicht werden kann. Hier-

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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bei bietet der Abell'sche Raster (vgl. Kapitel III, 3.3) die Möglichkeit, verschiedene Technologien und Funktionen für unterschiedliche Kundengruppen „durchzuspielen" und die potentiellen Produktkonzeptionen durch Kunden-, Konkurrenz- und Kosteninformationen auf ihre Erfolgsträchtigkeit hin „abzutasten". Damit werden der Aufbau von Informationssystemen über unternehmungsrelevante Technologien, über einschlägige Forschungsprogramme und Forschungsschwerpunkte von Universitäten, Forschungseinrichtungen von Unternehmen, sowie über Patentmeldungen ebenso zu einem wesentlichen, erfolgsbeeinflussenden Faktor, wie die Marktforschung, die Kundenprobleme und Kundenbedürfnisse, Kundenverhalten, Marktpotentiale, Wettbewerbsverhalten usw. erhebt und analysiert. Oft sind es aber gerade Markt- und Kundeninformationen, die nicht oder nur unzureichend erhoben werden, so daß es dann den Anbietern nicht gelingt, die tatsächlich für einen Markterfolg erforderlichen Leistungsmerkmale zu erkennen, sie in Produkte umzusetzen und die besonderen Nutzenbeiträge zu kommunizieren. Das ist auch im Technologie-Marketing dann besonders schwierig, wenn neue technische Problemlösungen das Kundenverhalten und die nachgefragten Leistungsmerkmale von Problemlösungen gravierend ändern. Aus diesem Grund kann sich ein Unternehmen, das technologisch innovativ ist, nicht nur an den augenblicklich am Markt nachgefragten Leistungsmerkmalen orientieren. Es muß vielmehr die diesen Anforderungen zugrunde liegenden technischen und ökonomischen Problemen seiner potentiellen Kunden analysieren, um auf dieser Basis und mit Hilfe neuer Technologien oder einer Integration verschiedener bekannter Technologien neue, leistungsfähigere Problemlösungen zu erarbeiten. Für den Einsatz herkömmlicher Marktforschungsmethoden bestehen dabei insofern Grenzen, als herkömmliche Marktuntersuchungen zur Erforschung von Bedürfnissen, Bedürfnisbefriedigungsvorstellungen und Präferenzen potentieller Kunden im Technologiemarketing nur partiell eingesetzt werden können. Grundlegend neue Verfahren bzw. Lösungsalternativen werden von den Kunden kaum im Wege der mehr oder weniger methodisch geleiteten Befragung ermittelt werden können, weil sie diese nicht kennen und als Wünsche und Bedürfnisse nur artikulieren, was in ihrem Erfahrungshorizont liegt. Technologiemarketing setzt daher - wie oben dargestellt - von zwei Seiten aus an. Zum einen sind neue Technologien auf ihre Lösungspotentiale in den für die jeweilige Unternehmung interessanten Geschäftsfeldern hin zu untersuchen. Zum anderen sind die Probleme und Problemstrukturen der potentiellen Kunden in diesen Geschäftsfeldern daraufhin zu untersuchen, ob neue Technologien zusätzliche Nutzenpotentiale und/oder Kostenvorteile für diese Kunden ermöglichen. Die Frage ist, ob bestehende Problemlösungen mit neuen Technologien billiger, qualitativ besser, umfassender oder sonstwie attraktiver gelöst werden können. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob bisher mangels am Markt angebotener Problemlösungen noch überhaupt nicht artikulierte Bedürfnisse (z.B. Internetservices vor Entwicklung des Internet), denen aber Kundenprobleme zugrunde liegen, mit Hilfe dieser Technologien eine kundenrelevante Problemlösungschance erhalten, die so attraktiv ist, daß hier Nachfrage in entsprechendem Umfang entstehen kann. Das Problem des Technologiemarketing liegt darin, daß Kunden sich oft die zusätzlichen Nutzenpotentiale neuer Technologien nicht vorstellen können und daß Ängste,

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Wissens- und Verhaltensbarrieren überwunden werden müssen. Das Technologiemarketing darf daher nicht nur vordergründig bei Bedarfsanalysen potentieller Anwender ansetzen, sondern muß sich der Mühe unterziehen, die zugrunde liegenden Problemstrukturen zu untersuchen, um feststellen zu können, ob nicht bestimmte Kundenprobleme effizienter, kreativer, umfassender, kostengünstiger oder mit anderen, zusätzlichen Nutzenvorteilen kombiniert gelöst werden können. Vor der Einführung von Personal Computern wäre wohl kaum ein Mensch auf die Idee gekommen, weltweite Kommunikation auf elektronischem Wege durchführen zu wollen. Dennoch lag auch hier das Problem der effizienten Lösung weltweiter Kommunikationsprobleme schon vor. Die umfassende Analyse von Kundenproblemen eröffnet wesentlich größere Spielräume für Kreativität als die vordergründige, alleinige Bedürfnisorientierung. Die innovativen, technischen Möglichkeiten müssen auf diese Weise so in Produkt- und Leistungskonzepte umgesetzt werden, daß der größtmögliche Nutzen für die potentiellen Abnehmer entsteht. Dabei sollten die potentiellen Abnehmer in einen Prozeß des Mitdenkens und Miterkennens einbezogen werden, der es ihnen erlaubt, allmählich von da aus zu den zukunftsorientierten Nutzenkomponenten vorzudringen.

2,2,5 Risiken im Technologie-Marketing Mit neuen Technologien und ihrer Einbeziehung in die strategischen Konzepte von Unternehmungen sind eine Reihe spezifischer Risiken verbunden. Zum einen sollen neue Technologien die Wettbewerbskraft und dadurch die Finanz- und Ertragskraft von Unternehmen stärken, zum anderen setzt die Innovationstätigkeit ein erhebliches Ressourcenpotential voraus, was oft für kleinere Unternehmungen zum Problem wird. Die damit verbundenen unternehmerischen Entscheidungen sind ausgeprägt zukunftsbezogen. Sie müssen somit auf der Grundlage unvollkommener Information - d.h. unter unvollständiger, unsicherer und ungenauer Information - getroffen werden. Die dadurch bedingte Ungewißheitssituation in der Innovationstätigkeit geht mit Risiken einher. Risiken entstehen immer dann, wenn in Verbindung mit Entscheidungen über die Durchführung oder Unterlassung unternehmerischer Aktivitäten negative Folgen auftreten können, aber nicht müssen. Nicht alle Technologien unterliegen den gleichen bzw. gleich hohen Risiken. Neuigkeitsgrad und Komplexität von Technologien wirken sich in erheblichem Umfang auf die Risikosituation aus. Das Risiko von Technologien besteht in der Ungewißheit darüber, ob das Unternehmen mit seinen neuen technischen Entwicklungen • • • • •

den technologischen Herausforderungen gewachsen ist, auf jene Technologien setzt, die sich auf dem Markt durchsetzen können, rechtzeitig auf den Markt kommt, das vom Wettbewerb vorgegebenen Innovationstempo mithalten kann, einen ausreichenden Innovationsvorsprung auf- und ausbauen kann, um damit die Aufmerksamkeit der Abnehmer auf sich zu ziehen und

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing •

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die Abnehmer davon überzeugen kann, daß die technologischen Innovationen in den konkreten Anwendungen zu Nutzensteigerungen führen, für die sich der Kapitaleinsatz lohnt.

In diesem Zusammenhang können technische und wirtschaftliche Risiken unterschieden werden. Diese Trennung kann im konkreten Fall nicht immer in eindeutiger Weise aufrechterhalten werden, sie hilft aber, auf unterschiedliche Faktoren aufmerksam zu machen. Das technische Risiko ist ursächlich mit den jeweils eingesetzten oder den konkurrierenden Technologien verknüpft, während das wirtschaftliche Risiko sich auf die Ungewißheit der Vermarktung bezieht, die - neben den eigenen Aktivitäten - auch durch die Akzeptanz der Technologie bei den Abnehmern und durch die Aktivitäten der Wettbewerber bestimmt wird. Da aber jedes Forschungs- und Entwicklungsprojekt spezifischen Unsicherheiten unterliegt, können diese Risiken im folgenden nur in sehr allgemeiner Form angesprochen werden. 2.2.5.1 Technische Risiken Die Risikosituationen bei Innovationsprozessen zeichnen sich gegenüber den Risikostrukturen anderer Aktivitäten dadurch aus, daß die technischen Rahmendaten bei wesentlichen technologischen Entwicklungsschritten, insbesondere bei neuen Technologien in den Bereich großer Ungewißheit fallen. Das technische Risiko umfaßt hierbei den Grad der technischen Unsicherheit bezogen auf das Ausmaß des Geschäfts, das von der Technologie abhängig ist. Die technische Unsicherheit resultiert daraus, daß man den technologischen Entwicklungsprozeß im Unternehmen sowie die Technologieentwicklung im relevanten Umfeld nur schwer und nur partiell prognostizieren kann. Weiterhin beeinflußt der Reifegrad der einzelnen Technologien die Ungewißheit über die technische Leistungsfähigkeit des herzustellenden Produkts bzw. Verfahrens. Hierbei ist der Grad von Unsicherheit über die Leistungsfähigkeit und damit das Einsatzpotential einer Technologie in ihrer Entstehungsphase wesentlich höher als in ihrer Reifephase. Somit ist das Risiko bei neuen Technologien besonders ausgeprägt. Eng mit dem Reifegrad der Technologie sind die Leistungssteigerungspotentiale einer Technologie verbunden. Es ist auch in einem frühen Stadium der Technologieentwicklung meist noch nicht einschätzbar, für welche Branchen und Abnehmergruppen diese Technologie marktrelevant sein wird. Die Unsicherheit der technologischen Entwicklung ist auch dadurch charakterisiert, daß den Entscheidungsträgern hinsichtlich der Leistungssteigerungspotentiale von Technologien und der Entdeckung neuer, konkurrierender Technologien nur Plausibilitätseinschätzungen bekannt oder selbst diese unbekannt sind. Darüber hinaus besteht in einem früheren Stadium der Marktentwicklung, in dem Industriestandards noch nicht etabliert sind, die Gefahr, daß parallel von der Konkurrenz entwickelte Substitutionstechnologien das realisierbare Marktvolumen erheblich schmälern oder gar die gerade erst mit hohen Kosten entwickelte Technologie vom Markt verdrängen. Die Ungewißheitssituation technologischer Entscheidungen wird auch stark durch die Komplexität technologischer und wissenschaftlicher Aufgaben beeinflußt. Dabei wird von der

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Vorstellung ausgegangen, daß mit steigender Komplexität die Problemlösungen schwieriger werden, wodurch die Produktivität des eingesetzten F&E-Inputs ungenauer eingeschätzt werden kann. Hierbei ist auch das technische Anforderungsniveau eines Unternehmens zu beachten. Die Gefahr einer negativen Zielabweichung kann mit steigendem Technologieniveau und steigender Komplexität der Problemlösung zunehmen. Beispiele, wie etwa die Entwicklung einer Computertechnologie auf Lichtwellenbasis, verweisen auf diese Probleme. Daher werden in solchen Fällen häufig strategische Allianzen zwischen einer Reihe von Unternehmungen geschlossen, um die Technologieentwicklung finanzierbar zu machen, das technische Kern-Know-how mehrerer Unternehmungen einzubinden (z.B. Lasertechnologie, Elektronik, optische Verbinder usw.) die Risiken zu teilen und in Parallelentwicklung die verschiedenen Technologien in ihrer Entwicklung frühzeitig zu koordinieren, so daß sie produktspezifisch integrierbar sind. 2.2.5.2 Wirtschaftliche Risiken Ausschlaggebend für den Erfolg eines technologieintensiven Unternehmens ist es, ob es gelingt, mit neuen Technologien marktfähige Leistungen, Produkte und/oder Verfahren zu entwickeln, die in dem geplanten Zeitraum den Break-Even-Point, d.h. die Gewinnschwelle übersteigen. Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Verwertung des technischen Wissens drückt sich also im wirtschaftlichen Erfolg, der mit Hilfe der Technologie entwickelten Produkte bzw. Verfahren aus. Dieser wirtschaftliche Erfolg wird einerseits durch die Kosten der Technologie- und Neuproduktentwicklung, die Produktionskosten, sowie die Kosten der Markteinführung und -durchsetzung und andererseits durch die erzielbaren Preise und Mengen in den betrachteten Zeiträumen bestimmt. Darüber hinaus können auch Kompetenz- und Imagewirkungen, Ausstrahlungseffekte auf andere Produktbereiche und das ganze Unternehmen haben, so daß Erfolgswirkungen neuer Technologien nicht ausschließlich an den wirtschaftlichen Erfolgen des Leistungsbereiches dieser Technologie zu erkennen sind. Die von aktuellen und potentiellen Abnehmern ausgehenden Risiken hinsichtlich der Absatzmengen und der zu erzielenden Preise können als Absatzmarktrisiken bezeichnet werden. Die Beziehungen zwischen Unternehmen, Markt, Produkt/Verfahren und Umwelt bestimmen die verschiedenen Marktrisiken, wie Unsicherheit der Absatzmarktentwicklung, Akzeptanz der Marktleistungen durch die Abnehmer und Einfluß der Marktumwelt, insbesondere der Konkurrenz, auf die Erfolge der Produkte bzw. Verfahren am Markt. Der Grad der Sicherheit bei der Einschätzung der Absatzmarktentwicklung wird von der Möglichkeit und der Fähigkeit bestimmt, zukünftige Marktentwicklungen zu prognostizieren. Er ist damit von der Vertrautheit der Technologieunternehmen mit der Marktsituation abhängig, d.h. vom Informationsstand über Marktbedingungen (z.B. Marktgröße, Ein- und Austrittsbarrieren, Branchensituation), Marktstruktur und zukünftiges Marktverhalten der Marktteilnehmer. Die Marktstruktur wird dabei durch die relative Größe und Anzahl der Marktteilnehmer bestimmt, während das Marktverhalten von der tatsächlichen Realisierung des Möglichkeitspotentials durch die Marktteilnehmer, das durch Marktbedingungen

2. Einordnung des Technologiemarketing in das Marketing

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und Marktstruktur begrenzt wird, also vom tatsächlichen Verhalten der Marktteilnehmer abhängt. Gerade vor und in der Marktentstehungsphase ist die Ungewißheit über die Marktentwicklung besonders groß. Zum einen sind die Marktabgrenzungen selbst meist noch unklar. Das Potential an künftigen Kunden ist oft genauso unzureichend einschätzbar, wie das Kundenverhalten im Zeitablauf. So bestehen häufig noch keine oder nur unzureichende Erfahrungen über die Akzeptanz der technologischen Problemlösung durch die verschiedenen Abnehmergruppen im Zeitablauf (Diffusionsprozeß). Das Marktrisiko einer neuen Produkt- oder Verfahrenstechnologie hängt also auch engstens mit der Akzeptanz dieser Technologie durch die kaufentscheidenden und kaufbeeinflussenden Personen zusammen. Gibt es seitens der Nachfrager und Kaufbeeinflusser keine grundsätzlichen Bedenken gegen die den Produkten und Verfahren zugrundeliegenden Technologien, so kann dies als Akzeptanz interpretiert werden. Diese Akzeptanz wird tendenziell wahrscheinlicher, wenn •



• •

das Produkt bzw. Verfahren aufgrund seiner Eigenschaften vom Abnehmer keine völlige Neuorientierung hinsichtlich bestehender Erfahrungen, Kaufgewohnheiten und Wertvorstellungen verlangt, die Komplexität des Produktes bzw. Verfahrens die Bedienung und das Verständnis für seine Funktionsweise nicht erschweren und keinen erhöhten Erklärungsbedarf mit sich bringen, eine relative Vorteilhaftigkeit gegenüber bekannten Produkten bzw. Verfahren und bestehenden Problemlösungen existiert und eine Teilbarkeit des Kaufvorganges und damit eine Begrenzung des Kaufrisikos möglich ist.

Aufgrund des äußerst schwer einschätzbaren zukünftigen Akzeptanzverhaltens können Fehleinschätzungen entstehen, die dazu führen, daß Technologieentwicklung oder Technologieweiterentwicklung in bestimmten Technologiefeldern unterbleibt, daß erfolgversprechende technische Entwicklungen zu spät oder gar nicht in den Markt eingeführt werden oder aber, daß man die Akzeptanzbarrieren eines Marktes nicht erkennt und so nicht frühzeitig an ihrer Beseitigung arbeitet. Auch können Marktvolumina infolge der Begeisterung für die neue Technologie und die auf ihrer Basis erstellten Produkte viel zu optimistisch geschätzt werden, so daß die Entwicklungskosten im Markt nicht mehr hereinzubringen sind. Neue Technologien können auch bewirken, daß das Verhalten der potentiellen Kunden in den in Frage kommenden Produktbereichen wesentlich verändert wird. Das kann zu völlig neuen und bei der Entwicklung der Technologie noch nicht absehbaren Kundenanforderungen führen. Gerade dieser zukunftsgerichtete Verhaltensaspekt kann bei neuen Technologien für den Markterfolg von ausschlaggebender Bedeutung sein. Demgegenüber können Marktforschungsdaten der Vergangenheit, zum Beispiel Marktsegmentierungsstudien, ihre Aussagekraft sehr deutlich verlieren. Aktuelle Kundeninformationen sind daher gerade bei neuen Technologien von besonderer Bedeutung.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Neben den Risiken, die durch das Verhalten der potentiellen Kunden ausgelöst werden, wird das Marktrisiko auch durch das Wettbewerbsrisiko beeinflußt. Es hängt mit dem Einfluß der Konkurrenten auf zentrale Marktfaktoren, wie z.B. Absatzmengen, Qualitätsniveaus, Preise usw. zusammen. Somit ist das Wettbewerbsrisiko von der Konkurrenzintensität und vom Marktverhalten der Wettbewerber abhängig. Die Konkurrenzintensität hängt von der Anzahl und der Größe der Konkurrenten, ihrem Wettbewerbsverhalten, sowie der eigenen Markt- oder Wettbewerbsposition in Relation zu jener der Wettbewerber ab. Bei neuen Technologien ist das Feld potentieller Konkurrenten recht weit zu stecken, um möglichst sämtliche augenblicklichen und potentiellen Technologie- und Substitutionstechnologieanbieter zu erfassen. Die Unsicherheiten über die Reaktionen der Konkurrenten nehmen bei wachsender Anzahl und Größe der Wettbewerber zu. Ebenso kann die Unsicherheit über die Reaktionen der Wettbewerber steigen, wenn bei neuen Technologien auch Konkurrenten aus unterschiedlichen Branchen und Ländern am Markt auftreten, da in verschiedenen Branchen und Ländern unterschiedliche Wettbewerbskulturen bestehen können. Es wird dann zunehmend schwieriger, die möglichen Verhaltensweisen zu identifizieren und die Auswirkungen richtig zu bewerten. Nimmt ein Konkurrent eine marktführende Position ein, so werden mögliche Aktivitäten und Reaktionen dieses Konkurrenten für das Absatzrisiko besonders wichtig sein. Weiterhin hängt die Intensität des Wettbewerbs von der Technologiestrategie der Konkurrenten ab. Ist die Technologiestrategie eines oder mehrerer Anbieter in aggressiver Weise darauf gerichtet, eine marktbeherrschende Stellung einzunehmen, so entwickelt sich meist ein ruinöser Verdrängungswettbewerb. Eine Verschärfung des Wettbewerbs führt zu aggressiven Preiskämpfen und zu einem mehrfachen Druck auf die Unternehmung. Einerseits beschleunigen derartige Preisauseinandersetzungen häufig den Verfall der Branchenrendite und beeinträchtigen deshalb die Innovationsfähigkeit der Anbieter, denn zu niedrige Preise verhindern eine angemessene Amortisation der F&EAufwendungen. Andererseits kann zunehmender Wettbewerbsdruck die Innovationszyklen dadurch verkürzen, daß die Unternehmen versuchen, über Neuproduktentwicklungen und Neuprodukteinführungen dem steigenden Preisdruck zu entkommen. Das führt tendenziell zu einer Verkürzung der Produktlebenszyklen. Neuprodukte können dabei aufgrund von potentiellen Konkurrenzinnovationen nur sehr kurzfristig eine Quasi-Monopolstellung erreichen. Diese Neuprodukteinführungen durch Konkurrenten bilden eine weitere Bedrohung für den Innovator. Hierbei sind der Zeitpunkt der Neuprodukteinführung und die Leistungsmerkmale der neuen Produkte entscheidend. Führt ein Konkurrent ein neues Produkt bzw. Verfahren kurz nach der eigenen Produktinnovation auf dem Markt ein, kann dies z.B. zu Image- und Erfahrungsverlusten, zu einem kürzeren Rückzahlungszeitraum für die eigenen Entwicklungskosten usw. führen. Erhebliche Ergebniseinbußen sind die Folge. Auch aus der Beziehung von Markt und Umwelt zum Produkt erwachsen Marktrisiken, die direkt oder indirekt über die Abnehmer die Absatzmengen oder die erzielbaren Preise beeinflussen. Auf diese Schnittstelle wirken sozio-kulturelle, ökologische, wirtschaftliche, rechtliche und politisch-administrative Markt- und Umweltfaktoren (vgl. Kapitel Π, 3.1) ein. So entstehen Absatzunsicherheiten in Abhängigkeit von dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum, der allgemeinen Konjunkturentwicklung sowie den allgemeinen Faktoren

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb

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des internationalen Handels, wie z.B. den Außenhandelsbestimmungen, der Weltwirtschaftsentwicklung usw. politisch-administrative und rechtliche Faktoren, wie z.B. Gesetze, Rechtsprechung, Verordnungen, sowie Forschungs- und Technologiepolitik der Länder können erhebliche Absatzmarktrisiken darstellen, da diese Faktoren länderspezifisch sind und bei neuen Technologien einer ständigen Veränderung unterliegen können. Risiken dieser Art zeigen sich z.B. in der pharmazeutischen Industrie bei der Zulassung eines neuen Präparates oder im Bauwesen bei Produkten der Befestigungstechnologie. Hier können eine mögliche Zulassungsversagung, eine zeitliche Verzögerung der Zulassung durch Mängelrügen, zusätzliche Auflagen oder schleppende Bearbeitung, den wirtschaftlichen Erfolg beeinträchtigen.

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb 3.1 Die Bedeutung der Technologie im gesellschaftlichen Umfeld Technologien nehmen als Produkt- Verfahrens- und Materialtechnologien in entscheidender Weise Einfluß auf das Leben der Menschen, sowie auf den Wettbewerb zwischen Unternehmungen. Das gesamte menschliche Leben wird zunehmend stärker von Technologien beeinflußt. Im Arbeitsleben dominieren Technologien die Tätigkeitsbereiche und Arbeitsweisen der Menschen immer stärker. Informations- und Kommunikationstechnologien gestalten sowohl dispositive als auch Routinearbeiten in neuer Weise und eröffnen neue Geschäfts- und Tätigkeitsfelder sowohl im Markt, in der Produktion als auch in der Verwaltung und im dispositiven Bereich. Darüber hinaus sind dadurch auch komplexe Prozesse schneller und besser steuerbar geworden. Die Bedeutung von Entfernungen schrumpft. So ist es z.B. möglich, daß Entwicklungsteams in mehreren Erdteilen der Welt am gleichen, komplexen Produkt arbeiten und über das Internet, Tele-, Videokonferenzen usw. immer wieder ihre Ergebnisse austauschen und dabei auch noch die Zeitverschiebung nutzen, so daß „rund um die Uhr" entwickelt werden kann. Unternehmen mit weltweiten Standorten können jeweils dort produzieren, wo die Auslastungsgegebenheiten gerade am günstigsten sind und so Kapazitäten weltweit optimieren usw. Materialtechnologien geben Anstöße für neue Produkte mit veränderten Leistungsdaten. Verfahrenstechnologien verändern in radikaler Weise nicht nur die Produktionsstrukturen, sondern auch die Marketingmöglichkeiten (kundenori-

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

entierte Fertigung, Möglichkeit wirtschaftlicher Kleinserien, Qualitätsprofile usw.). Neue Technologien, wie z.B. Gentechnologie, Microsystemtechnik, Telekommunikation schaffen neue Produkte, neue Verfahren, neue Märkte (z.B. Markt für Mobiltelefon, für Verkehrsleitsysteme usw.) und damit neue Wettbewerbsstrukturen und verändern somit auch die Bedürfnisse der Menschen sowie ihr Kauf- und Verwendungsverhalten. Damit werden neue Technologien immer stärker zu zentralen Triebkräften des Wettbewerbs. Sie beeinflussen nicht nur den Wettbewerb innerhalb von Branchen. Durch sie werden darüber hinaus Branchenstrukturen radikal verändert. Bestehende Märkte verschmelzen, schrumpfen oder verschwinden, neue Märkte entstehen. Die Wettbewerbspositionen von Wettbewerbern werden durch Technologieentwicklung und Technologievorsprünge oder -rückstände maßgeblich beeinflußt. Die Technologieentwicklung wirkt sich dabei nicht nur auf die Welt der Unternehmungen so radikal aus. Auch der staatliche Sektor und seine Möglichkeiten verändern sich durch Technologien bis hin zu den negativen Seiten des menschlichen Zusammenlebens, der Kriegstechnologie. Ebenso gravierend greift die Technologieentwicklung in das private menschliche Leben ein. Die Palette reicht vom Gesundheitswesen über Verkehrstechnologie und private Mobilität als Überschneidungsfelder staatlichen und privaten Geschehens bis zu Unterhaltung, Kommunikation und Kaufverhalten, Rationalisierung im Haushalt usw. Nicht zu übersehen ist aber auch, daß Phänomene, wie Arbeitslosigkeit durchaus auch mit der Technologieentwicklung verknüpft sind, da die Leistungsfähigkeit und der Automatisierungsgrad von Maschinen und Anlagen durch sie sehr stark gestiegen ist und weiter steigt. In vielfältiger Weise werden ja industrielle Arbeit und Dienstleistungen, aber auch komplexe dispositive Tätigkeiten durch Technologien unterstützt, rationalisiert, erleichtert und ersetzt. Das steigert die Leistungsfähigkeit des einzelnen Menschen und schafft neue Anforderungsprofile für die Arbeitsplätze. Auch die Globalisierung des Wirtschaftslebens wurde erst durch die Technologieentwicklung ermöglicht und beschleunigt. Müßten wir heute noch auf die Segelschiffe aus Amerika warten, um zu wissen, was sich dort getan hat, wäre eine Globalisierung der Wirtschaft unmöglich. Erst die modernen Informations-, Kommunikations- und Verkehrstechnologien haben diese Globalisierung in den Bereich des Realen gerückt. Durch sie ist die Welt, die noch vor Jahrhunderten nahezu unendlich schien, so eng zusammengerückt, daß wir weltweit tagtäglich miteinander kommunizieren können (z.B. Internet, Mobil- und Festnetztelefon, Telekonferenzen usw.) und tagfrisch weltweite Informationen über den Bildschirm erhalten. Für die Zwecke dieser Arbeit mag es ausreichen, Technologien pragmatisch als „die praktische Anwendung" von naturwissenschafltich-technischem Know-how zur Realisierung von Leistungsmerkmalen von Produkten und Betriebsmitteln zu bezeichnen. Technologien bilden eine der Voraussetzungen für die wirtschaftliche Lösung von Kundenproblemen durch neue Produkte, neue Verfahren, neue Materialien, neue Software oder durch ihre Kombination. Das Nicht-Verfügen über marktrelevante Technologien wird damit zu einem gravierenden Hindernis für den Eintritt in einen neuen Markt oder für erfolgreiches Agieren auf bestehenden Märkten. In einem globalen Wettbewerb mit kürzer werdenden Produktlebenszyklen haben jene Unternehmen besondere Stärken und Vorteile, die in der Lage sind, schneller als ihre Konkurrenten neue Technologien zu kundenorientierten, wettbewerbsfähigen Problemlösungen zu entwickeln und sich dann zeitgerecht aus diesen Produkten wieder zurückzuziehen, um wiederum mit Innovationen auf den Markt zu

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb

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kommen. Der weltweite Wettbewerb wird zunehmend deutlicher durch die zeitgerechte, kundennutzenorientierte und kostengünstige Umsetzung und Kombination neuer Technologien zu weltmarktfähigen Komponenten, Produkten, Verfahren und Systemen im Investitions-, Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich bestimmt. Technologien, die heute weltweit ein starkes Entwicklungspotential aufweisen, sind z.B. Gentechnologie, Softwaretechnologien, Microsystemtechnik, Telekommunikationstechnologien, Materialtechnologien. Sie kommen in verschiedensten wirtschaftlichen Bereichen zum Einsatz, wie z.B. in Unternehmen der Luft- und Raumfahrt, der Computerindustrie, der Medizintechnik, der Pharmaindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus, der Automobilindustrie, der Unterhaltungselektronik usw. Sie nehmen dabei erheblichen Einfluß auf die Wettbewerbsstruktur von Märkten und auf die Überlebenschancen von Unternehmungen, da sie die Fähigkeit besitzen, über die Veränderung von Leistungsmerkmalen • •

Wettbewerbspositionen positiv oder negativ zu verändern (Schrittmacher- und Schlüsseltechnologien) und andere Technologien zu beeinflussen (Impulstechnologien).

Aus wettbewerbsstrategischer Sicht spielt der Neuigkeitsgrad der Technologie und ihr Penetrationsgrad in verschiedenen Produktfeldern eine wesentliche Rolle.

3.2 Der Technologielebenszyklus als Einflußfaktor auf den Wettbewerb Die Bedeutung neuer Technologien in unterschiedlichen Lebenszyklusphasen soll die folgende Abbildung andeuten:

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

Sättigungs-

Lebenszyklusphasen

Abb. 1.8: Lebenszyklusphasen von Technologien

In Analogie zum Produktlebenszyklus wurde auch für Technologien ein Lebenszykluskonzept vorgeschlagen. Dieses Konzept ist als Denkmodell sinnvoll, da es ermöglicht, sich die jeweilige Bedeutung der Technologie auf einzelnen Märkten im Wettbewerb vorzustellen. Für das Verständnis des technologischen Wandels kann das Technologie-S-KurvenKonzept von McKinsey Hilfestellung leisten. Technologielebenszyklen stellen die idealtypische Entwicklung einer Technologie im Zeitablauf dar, wobei dieser Entwicklung ein Sförmiger Kurvenverlauf unterstellt wird. Die S-Kurve veranschaulicht, daß jede Technologie einem Alterungsprozeß unterliegt und dementsprechend auch die F&E-Effizienz mit zunehmendem Alter der Technologie abnimmt. Diese Entwicklung macht eine rechtzeitige Umschichtung von F&E-Ressourcen zu neuen Technologien mit einem höheren Entwicklungspotential erforderlich. Die mögliche Weiterentwicklung einer Technologie läßt sich wie folgendes Schaubild verdeutlicht - dadurch bestimmen, daß ihre momentane Position auf der S-Kurve bestimmt und mit der zu prognostizierenden Grenze der technologischen Leistungsfähigkeit ins Verhältnis gesetzt wird. Allerdings wird es häufig sehr schwierig sein, die Grenze der technologischen Leistungsfähigkeit einer Technologie einzuschätzen. Das gilt um so mehr, je früher eine solche Einschätzung vorgenommen werden soll.

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb

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kumulierter F&E-Aufwand Abb. 1.9: Die S-Kurve zur Bestimmung eines Potentials einer Technologie (Quelle: Krubasik, E.G.,1982, S. 29)

Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Technologien werden naturwissenschaftlich-technische Leistungskriterien herangezogen. Wenn die technologische Leistungsfähigkeit nicht durch ein spezifisches Kriterium erfaßt werden kann, treten bei der gleichzeitigen Berücksichtigung verschiedener Leistungsmaße Aggregationsprobleme und damit auch Gewichtungsprobleme auf, die intersubjektiv nur schwer in befriedigender Weise zu lösen sind. Marktliche Kosten-Nutzen-Kriterien werden in dieses Konzept noch nicht integriert. Folgende Abbildung zeigt die Technologie-S-Kurve anhand eines praktischen Beispiels von Materialtechnologien des Kunststoffbereichs:

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

kumulierter F&E-Aufwand in Mio. DM Abb. 1.10: Leistungsfähigkeit von Reifencord-Materialien (Quelle: Forster, R.N., 1986, S. 135)

Wie dieses Beispiel zeigt, sind mit Technologie-Sprüngen oder allgemeinen TechnologieFortschritten Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit verbunden. Meist sind durch technologische Fortschritte auch Kostensenkungen zu realisieren. Oftmals stehen aber nicht nur Verbesserungen oder Kostensenkungen im Vordergrund. Technologische Fortschritte eröffnen darüber hinaus einem Unternehmen Möglichkeiten, einen vorhandenen Vorsprung an Know-how oder Technologien auszunutzen, um so Marktchancen mit ganz neuartigen Produkten zu nutzen und Markteintrittsbarrieren aufzubauen. Technologieintensive Unternehmen müssen sich mit der Leistungsfähigkeit neuer Technologien, aber auch mit den Leistungsgrenzen und Leistungsreserven (Innovationspotentialen) etablierter Technologien auseinandersetzen, um Technologiesprünge, die zur Substitution etablierter Technologien führen, rechtzeitig erkennen und wahrnehmen zu können. Diese Ortung von möglichen Technologiesprüngen erweist sich allerdings in der Praxis als nicht so einfach. Zwar kann man den Ex-post-Verlauf von Technologie-Kurven ermitteln, ex-ante bestehen aber doch sehr erhebliche Prognosenprobleme im Hinblick auf Leistungsreserven bestehender, aber noch mehr hinsichtlich der Leistungsfähigkeit neuer Technologien. Dadurch wird eine ständige Überwachung des naturwissenschaftlichen und technologischen Umfeldes notwendig. Zur Ermittlung der Technologie-S-Kurve wird auch die verursa-

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb

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chungsgerechte Zurechnung des F&E-Aufwandes zu den einzelnen Technologien erforderlich. Das ist oft eine problematische Aufgabe. Als Erklärungskonzept ist der Technologielebenszyklus noch problematischer als der Produktlebenszyklus und das aus folgenden Gründen: • •

Die Abgrenzung von Technologien kann Operationalisierungsprobleme aufweisen. Eine Technologie, die auf einem Markt z.B. die Reifephase erreicht, kann auf einem anderen Markt eine Neuheit darstellen. Beispiele hierfür sind die Durchdringung unterschiedlichster Märkte durch die Chiptechnologie, das Eindringen der Keramik in immer neue Produktbereiche oder das Vordringen der Lasertechnologie in immer neue Anwendungsfelder. • Die Phasen des Technologielebenszyklus sind zeitlich nicht operationalisiert. • Der Sättigungsgrad von Märkten ist aufgrund von Änderungen im Produktions- und Konsumverhalten kaum prognostizierbar. Beispiele hierfür sind Fehlprognosen von Sättigungsgrenzen bei Personenkraftwagen, Fernsehgeräten, Computern usw. • Selbst der Kurvenverlauf muß nicht notwendigerweise die angegebene Form annehmen. Trotz dieser Schwierigkeiten zeigt die Technologie-S-Kurve abstrahiert das Problem des technologischen Wandels auf. Für Technologie-Unternehmen bedeutet dies, daß eine zu traditionelle Verbundenheit mit den bisherigen, reifen Technologien langfristig zu einer technologischen Unterlegenheit führen kann. Daher sollte der notwendige Sprung zu neuen Technologien durch eine ständige Analyse des naturwissenschaftlichen und technologischen Umfeldes rechtzeitig vorbereitet werden. Die Praxis zeigt immer wieder, daß viele Unternehmen ihre Wettbewerbsposition durch verstärkte F&E-Anstrengungen bei Basistechnologien oder durch verspätete F&E-Anstrengungen in Schlüsseltechnologien in ihren Segmenten zu verbessern suchen, während neue Technologien die zukünftig Schrittmacher- oder Schlüsseltechnologien werden können, in der F&E-Planung oftmals vernachlässigt werden. Andere Maßnahmen wären hier wirtschaftlich viel sinnvoller. Beispiele können aus nahezu jeder Branche angefühlt werden. Stellvertretend für viele sei auf das Beispiel der deutschen Kameraindustrie verwiesen, die jahrelang konventionelle Technologien weiterentwickelte und so gegenüber den Spiegelreflexkonzepten der Japaner und der Integration der Computertechnologie an Boden verlor. Das Technologielebenszykluskonzept kann als Denkmodell sehr hilfreich sein, um sich die Bedeutung von Technologien für den Wettbewerb vorzustellen und auf dieser Grundlage, entsprechend den Verläufen in der eigenen Branche, reagieren zu können. Der Verlauf von Technologiezyklen in der Vergangenheit kann bei Berücksichtigung veränderter Branchenstrukturen und Marktverhältnisse, gewandelten Kaufverhaltens usw. Hinweise auf künftig mögliche Entwicklungen der eigenen Branche geben. Das Lebenszykluskonzept wurde von Arthur D. Little mit dem Portfolio-Konzept verbunden, um auf diese Weise Technologien aus Unternehmungssicht hinsichtlich ihrer relativen Wettbewerbs- und Technologielebenszyklusposition klassifizieren zu können. Es wird dabei davon ausgegangen, daß jede Technologie ein unterschiedliches Wettbewerbspotential auf-

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

weist und somit die Wettbewerbsfähigkeit durch Auswirkungen auf Leistungsmerkmale der Produkte und damit auf Marktvorteile beeinflussen kann.

Lebenszyklusphase der Industrie

Entstehung

Wachstum

Reife

Alter

dominierend

•o stark

günstig

haltbar >

'S

β schwach

Abb. 1.11: Lebenszyklus-Wettbewerbs-Matrix (Quelle: Servatius, H.-G., 1986, S. 114)

Bedacht werden muß dabei allerdings, daß die beiden Achsen relative Wettbewerbspositionen der Technologie und Lebenszyklusphase der Industrie nicht unabhängig voneinander sind. Weiterhin gilt zu bedenken, daß die relativen Wettbewerbspositionen gerade bei neuen Technologien nur schwer einschätzbar und die Lebenszyklusphasen kaum operationalisierbar sind. Darüber hinaus beeinflussen auch andere Faktoren den Markterfolg neuer Technologien, wie z.B. Technologiefeindlichkeit oder -begeisterung der potentiellen Käufer, Finanzierungssituation der Unternehmen, gesetzliche Beschränkungen usw. Ganz so mechanistisch und zweidimensional wird daher der potentielle Erfolg von Technologien nicht einzuschätzen sein.

3.3 Klassifizierung von Technologien auf dem Hintergrund des Technologielebenszyklus Je nach Stellung im Technologielebenszyklus und Integration in verschiedene Produktbereiche kommt Technologien eine unterschiedliche Bedeutung als Triebkraft im Wettbewerb zu. Je nach Beeinflussungsgrad des Wettbewerbs und Integration in Produktfelder wurde eine

3. Technologien als eine der Triebkräfte im Wettbewerb

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Klassifikation von Technologiebegriffen - neue Technologien, Schrittmachertechnologien, Schlüsseltechnologien, Basistechnologien, verdrängte Technologien - eingeführt:

Schlüsseltechnologie Schrittmachertechnologie •

1 1 1 1 1 1 1 neue Technologie

verdrängte Technologie ·*

-»Ί 1 1 1 Basiistechnologie 1 1 1 t

Integration in Produkte und Betriebsmittel

Abb. 1.12: Impact-Matrix zur Abgrenzung von Technologien (Quelle: Sommerlatte, T., 1991, S. 95)

Neue Technologien ergeben sich vor allem aus neueren Erkenntnissen der Grundlagenforschung. Sie sind bisher noch kaum in Produkte integriert. Ihre Anwendungsfelder sind noch weitgehend unbekannt. Ihre Wettbewerbsrelevanz ist daher noch äußerst gering (z.B. Lichtwellen als Basis neuer Rechnergenerationen). Schrittmachertechnologien befinden sich in einer frühen technologischen Lebenszyklusphase. Sie haben in diesem Stadium zwar noch keine strategische Bedeutung im Wettbewerb erlangt, lassen aber für die absehbare Zukunft einen hohen strategischen Stellenwert im Wettbewerb erwarten. Sie können vorhandene Wettbewerbsstrukturen grundlegend verändern. Sie sind die Technologien der Zukunft. Als Beispiel für diese Technologiephase könnte die Mikrosystemtechnik herangezogen werden. Schrittmachertechnologien in einem Geschäftsfeld, z.B. Medizintechnik können aber schon als Schlüsseltechnologie in einem anderen Anwendungsbereich (z.B. Maschinenbau) eingesetzt werden. Daher besteht für diesen Fall die Gefahr, daß neue Wettbewerber in den Markt eintreten und/oder die bestehenden Technologien substituiert werden. Schlüsseltechnologien repräsentieren die Front der Technologieentwicklung. Sie sind meist patentrechtlich geschützt, bieten oft Verbesserungs- und Differenzierungspotentiale und

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

haben einen überragenden Einfluß auf den Wettbewerb. Als Schlüsseltechnologien könnten heute z.B. die Informations- und Kommunikationstechnologien eingestuft werden. Um Potentiale zur wettbewerbswirksamen Abhebung von Konkurrenzprodukten in einzelnen Branchen zu ermitteln, müssen die Technologien hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf die Leistungsmerkmale von Produkten und die potentiellen Kunden hinsichtlich ihrer Anforderungen an Problemlösungen untersucht werden. Darüber hinaus sind Vorstellungen über die Technologiestrategie der Wettbewerber zu entwickeln. Mit Schlüsseltechnologien können jene Problemlösungen angeboten werden, die für den Abnehmer besonders wichtig sind, und die von Konkurrenten nicht im selben Ausmaß abgedeckt werden können, wenn bei ihnen nicht ein vergleichbares Know-how für diese Schlüsseltechnologien besteht. Durch ihren Einfluß auf zentrale Leistungsmerkmale von Produkten tragen Schlüsseltechnologien zur Dynamisierung des Wettbewerbs bei. Ist das Weiterentwicklungspotential einer Technologie groß und die Unternehmung in der Lage, einen technologischen Vorsprung gegenüber ihren Wettbewerbern zu halten, kann diese Technologie längerfristig als Profilierungsinstrument gegenüber den Konkurrenten eingesetzt werden. Für die Wachstums- und Ertragsentwicklung technologieintensiver Unternehmen wird die Beherrschung von Schlüsseltechnologien zur strategischen Notwendigkeit. Basistechnologien sind tragende Technologien, die allgemein bekannt und in den verschiedensten Branchen von allen Wettbewerbern beherrscht werden. Sie sind inzwischen für die meisten Produkte einer Branche unabdingbar geworden und prägen sie in ihrer derzeitigen Form. Basistechnologien sind generell verfügbar, aber nicht geeignet, Wettbewerbsvorteile zu erringen. Mit Basistechnologien werden jene Leistungsprofile von Problemlösungen angeboten, die der Kunde als üblich voraussetzt. Es werden somit jene Qualitätsmerkmale begründet, die ein Produkt aufweisen muß, um überhaupt vom Abnehmer wahrgenommen zu werden. Sie befinden sich am Ende des technologischen Lebenszyklus. Es ist kaum sinnvoll, für sie noch umfangreiche F&E-Anstrengungen zu unternehmen. Durch Investition in Basistechnologien können nur sehr geringe Verbesserungen und Erfolge erzielt werden. Viele Unternehmen versuchen durch den Einsatz von F&E-Ressourcen in Basistechnologien oder durch verspätete F&E-Anstrengungen in Schlüsseltechnologien ihre Wettbewerbsposition in attraktiven Produktgebieten zu verbessern. Tatsächlich wäre es in derartigen Fällen oft sinnvoller, in neue Technologien, die aller Voraussicht nach künftig Schrittmacher- oder Schlüsseltechnologien werden, zu investieren. Verdrängte Technologien sind bisherige Basistechnologien, die durch Schlüsseltechnologien, die schrittweise allgemein verfügbar werden und zu Basistechnologien absinken, völlig oder in unbedeutende Randbereiche verdrängt werden. Sie spielen als Wettbewerbsfaktor auf den Märkten kaum noch eine Rolle. Die strategische Rolle von Technologien wandelt sich - wie dargestellt - im Lauf der Zeit. So geht die strategische Wirkung von Schlüsseltechnologien allmählich verloren, entweder weil Wettbewerber diese Technologien immer besser beherrschen oder weil sie durch neue Technologien verdrängt werden. So werden sie entweder zu Basistechnologien oder scheiden aus dem gesamten Technologiespektrum aus. Gelingt es einem Unternehmen (z.B. durch

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eine kontinuierliche Entwicklung), technologische Potentiale ständig außer Reichweite der Mitbewerber zu halten oder sie durch einen ausreichenden Patentschutz abzusichern, dann kann diese Technologie längerfristig dazu eingesetzt werden, die Produkte der Unternehmung positiv von den Wettbewerbsprodukten abzuheben. Es geht dabei um die Erhöhung des Kundennutzens durch Vorteile in für den Kunden wichtigen Leistungsmerkmalen, um so den Aufbau von Kundenpräferenzen, Imagevorteilen und Kundenbindung zu erreichen. Die technologische Position einer Unternehmung im Markt ist von einer Reihe von Faktoren abhängig. Zum einen ist entscheidend, ob die Technologien mit denen sich eine Unternehmung beschäftigt, ein entsprechendes Weiterentwicklungspotential haben und wie sie sich in marktkonforme Leistungsmerkmale umsetzen lassen. Darüber hinaus spielen aber auch Ressourcen, wie verfügbares technisches Know-how, technische Erfahrung, Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, finanzielles Potential, Zugang zu Forschungsergebnissen von entsprechenden Forschungseinrichtungen, Fähigkeit zu kooperieren usw., eine wichtige Rolle.

3.4 Technologien und Typen von Innovationsprozessen Technologien werden in sehr unterschiedlichen Marktbereichen eingesetzt. Das führt dazu, daß auch die Innovationsprozesse unterschiedlich strukturiert sind. Aufgrund des globalen Wettbewerbs und des damit einhergehenden Konkurrenzdrucks ist auf den meisten Märkten eine Verkürzung der Innovationszyklen festzustellen. Insbesondere auf Märkten mit Produkten einfacher bis mittlerer Komplexität, hoher Variantenvielfalt und größerer Bereitschaft der potentiellen Kunden, neue Produkte zu kaufen, ist ein starkes Schrumpfen der Produktlebenszyklen zu beobachten. Beispiele hierfür sind etwa Kameras, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Personal Computers usw. Hier ist die Schnelligkeit der Umsetzung technischer Neuerungen in marktfähige Produkte eine wesentliche Waffe im Wettbewerb. Dabei wird die Innovation häufig in kleinere Schritte aufgeteilt, so daß in kürzeren Zyklen immer neue Produkte mit verbesserten Leistungsmerkmalen auf den Markt gebracht werden und so Wettbewerbsvorsprünge vor der Konkurrenz aufrechterhalten werden können. Der Wettbewerb ist auf diesen Märkten daher sehr stark zeitgetrieben. Daneben existieren aber durchaus Märkte, auf denen ein schneller Produktwechsel schon aus ökonomischen Gründen nicht möglich ist, da es sich dabei um Produkte mit sehr hohem Investitionsvolumen handelt. Hier bestehen wesentlich längere Produktzyklen und auf der Käuferseite lange Verwendungsdauern. Solche Produkte, die vor allem von Unternehmungen und der öffentlichen Hand zum Aufbau von Infrastrukturen eingesetzt werden, sind z.B. Kraftwerke, Chemieanlagen, Flugzeuge, wehrtechnische Systeme, Satelliten usw. Hinzu kommt, daß für derartige Produkte, aufgrund ihrer hohen Komplexität, ein sehr hoher Innovationsaufwand erforderlich ist, so daß „Generationensprünge" nur in relativ großen zeitli-

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

chen Abständen möglich sind, während in der Zwischenzeit nur kleinere technische Anpassungen erfolgen können. Eine weitere Gruppe von Produkten sind sogenannte „Low Cost/High FunctionProducts". Sie sind eher endanwenderfern, in der Regel Massenerzeugnisse mit reifer Technologie und geringen Produktdifferenzierungsmöglichkeiten. Es geht dabei um Materialien wie z.B. Metalle, Glas, Kunststoffe oder um Halbzeuge wie Kabel, Laminate, Glasfaser, Wafer, Papiere usw. Hier bestehen eher lange Produktlebens- und Technologiezyklen. Die Marktanforderungen wirken sich über mehrere Marktstufen eher langsam auf die Produktentwicklung aus. Es dominiert die Verfahrenstechnik. Größere Technologiesprünge sind eher in größeren Zeitabständen mit neuer Anlagentechnologie möglich. Diese Märkte sind sehr stark kosten- und mengengetrieben. Im Rahmen der Entwicklung strategischer Konzepte muß daher untersucht werden, welche der geschilderten Innovationstypen für die Märkte der eigenen Unternehmung eher zutreffen. Dabei ist zu beachten, daß in der Realität häufig keine reinen Typen, sondern oft auch Mischtypen zu finden sind. Erst auf dem Hintergrund des realen Innovationsverhaltens der jeweiligen Branche können zielführende Innovationskonzepte erstellt werden.

3.5 Technologien als Gegenstand industrieller Vermarktungsprozesse Im Rahmen industrieller Vermarktungsprozesse spielen Technologien eine zentrale Rolle, da gerade neue Technologien und ihre Umsetzung im Markt die treibenden Kräfte in unserer Wirtschaft für Profilierungs- und/oder Kostenvorteile sind. Dabei muß allerdings auch berücksichtigt werden, daß innovative Technologien zwar häufig durch überlegene Eigenschaften charakterisiert sind, diesem Vorteil aber anfangs noch höhere Kosten und Knowhow Defizite und hohe Unsicherheiten auf der Unternehmensseite, sowie Marktwiderstände gegenüberstehen können. Grundsätzlich führen technologischer Wandel und technologische Diskontinuität, die mit neuen Technologien einhergehen, dazu, daß auf Technologiemärkten noch keine auf spezifischen Erfahrungen begründeten Spielregeln existieren. Häufig konkurrieren mehrere alternative Technologien um die Anerkennung als Industriestandard. Forschung und Entwicklung als Basis neuer Technologien sind ein zukunftsgestaltender Entscheidungsbereich unternehmerischer Tätigkeit. Denn durch Forschung und Entwicklung wird die Basis für neue Produkte und Verfahren und eventuell sogar für ganz neue Geschäftsfelder gelegt. Das Management von F&E zur bewußten Gestaltung neuer Technologien wird damit zunehmend zu einer zentralen Aufgabe der Unternehmensführung. Allerdings sind Forschung, Produktentwicklung und Marktgestaltung schöpferische Tätigkeiten der Menschen, die sich nur im begrenzten Umfang planen und steuern lassen. Das gilt verstärkt, wenn es um grundlegende Entdeckungen und Erfindungen geht, ohne die es keine

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Schrittmachertechnologie gäbe. Weder die Einführung des Transistors noch die Entdeckung der Kernspaltung oder die Entdeckung des Laserprinzips waren geplant. Doch gerade diese führten zu Schrittmacher- und dann zu Schlüsseltechnologien, die unsere Produktumwelt prägen. Technisch wissenschaftliche Entwicklungen eröffnen jedoch nur ein Möglichkeitsfeld für marktrelevante Umsetzungen in Produkte, das in der Regel sukzessive in seiner Bedeutung für verschiedene Branchen entdeckt und in Produkte umgesetzt wird. Diese Gegebenheiten machen Technologien als Gegenstand des Vermarktungsprozesses und damit das Marketing von Technologien so schwierig.

3.6 Zur Koordination von Technologie- und Bedarfspotentialen Für die erfolgreiche Markteinführung eines neuen Produktes ist nicht entscheidend, ob ein objektiver, technischer Wettbewerbsvorteil besteht. Von Bedeutung ist vielmehr, ob dieser technische Vorteil von den Kunden wahrgenommen und für sie als bedeutend oder gar entscheidend eingestuft wurde. Vielen Technologie-Unternehmen fällt es schwer, zu akzeptieren, daß gute Produkte oder Verfahren sich nicht „von selbst" verkaufen, sondern daß der technische Vorteil vom Abnehmer erkannt und für ihn als wichtig eingestuft werden muß. Anbieter technologieintensiver Produkte denken oft zu sehr in den Kategorien ihrer Technologien und nehmen komplexe Anwenderprobleme dann zu wenig wahr. Dadurch gelingt es ihnen häufig nicht, die Leistungsmerkmale ihrer Produkte richtig zu dimensionieren und Nutzeninnovationen in den Denkkategorien der Anwender zu kommunizieren. Viele neue Technologien sind zunächst Lösungen, die noch nach Kundenproblemen suchen. Manche Unternehmen entwickeln Technologien, verzeichnen dann aber Schwächen bei ihrer marketingpolitischen Umsetzung. So werden mögliche Synergien zwischen Technologien und Anwendungsgebieten dann zu wenig ausgeschöpft, da eine Gesamtperspektive fehlt. Das Unternehmen beschäftigt sich nicht intensiv mit dem Gesamtproblemkomplex des Anwendungsbereichs oder es konzentriert seine Energien auf das falsche Gebiet. Oftmals besteht Unklarheit über die Bedarfspotentiale. Aufgabe des Technologie-Marketing ist es deshalb, Problemfelder potentieller Kunden zu identifizieren und nach Problemstrukturen zu segmentieren, auf die sich das innovative Unternehmen mit seinem wirtschaftlichen und technologischen Know-how konzentrieren kann. Ein Schwerpunkt des strategischen Technologie-Marketing ist somit die Koordination von Technologie- und Bedarfspotentialen.

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Kapitel I: Grundlagen des Technologiemarketing

o -C λ

V α ν o

CL.

Μ Jg O

a •S υν Η

gering

hoch Bedarfspotential

Abb. 1.13: Koordination zwischen Technologie- und Bedarfspotentialen (Quelle: Servatius, H.-G., 1987, S. 103)

Erfolgreiche Technologien entstehen in der Regel durch das Zusammenwirken • •

eines neuen Angebots im Sinne einer technologieinduzierten Innovation (Technology Push)und der Befriedigung eines sich verändernden Bedarfs potentieller Abnehmer bzw. Abnehmergruppen im Sinne einer bedarfsinduzierten Innovation (Need Pull).

Ob Technologie-Push oder aber Need Pull einen dominierenden Einfluß auf den Markterfolg von Unternehmungen haben, konnte in zahlreichen empirischen Untersuchungen nicht nachgewiesen werden. Erfolgversprechend erweist sich offensichtlich aber eine Strategie mit einer gleichgewichtigen Markt- und Technologieorientierung, sowie einem hohen Innovationsbewußtsein. Es steht dabei außer Frage, daß radikale technologieinduzierte Innovationen von Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden. Einen durchschlagenden Markterfolg verspricht jedoch erst die Antizipation und Einbeziehung marketingrelevanter Notwendigkeiten. Bei der Realisierung von Innovationen kann ein Unternehmen in eine neue Technologie investieren, um eine ältere Technologiegeneration zu ersetzen. Es kann sich aber auch darauf konzentrieren, bereits bestehende Technologien in Form einer Technologiefusion zu HybridTechnologien zu vereinen. Bei der Substitution einer älteren Technologiegeneration durch

Literaturverzeichnis

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eine neue wäre als Beispiel die Compact Disk zu erwähnen, die die analoge Schallplatte als Technologie abgelöst hat. Bei Technologiefusionen entstehen häufig völlig neue Spektren von Leistungsmerkmalen, die oft grundsätzlich neue Anwendungsfelder in unterschiedlichen Branchen erschließbar machen. So führte z.B. die Fusion von Optik und Elektronik zur Optoelektronik, aus der Faseroptik-Kommunikationssysteme hervorgingen.

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Kapitel II: Analyse der Ausgangslage von Unternehmung und Umwelt 1. Gründe für strategische Analysen Für grundlegende strategische Entscheidungen ist es sinnvoll, die eigene Unternehmung, sowie das relevante Unternehmungsumfeld einer kritischen Analyse zu unterziehen. Eine solche Überprüfung der eigenen Position in den relevanten Umfeldern erscheint aus verschiedenen Gründen erforderlich. Zum einen führt der Druck des Tagesgeschäftes oft dazu, daß eigene Schwächen, aber durchaus auch eigene Stärken, zu wenig wahrgenommen und reflektiert werden. Routine und selektive Wahrnehmung lassen bei Managern manchmal ein Bild der eigenen Unternehmung entstehen, das nur partiell mit der Realität übereinstimmt. Persönliches Engagement, Wunschvorstellungen und Ängste, sowie Informationslücken führen dabei zu Vorstellungen der eigenen Position, die in verschiedenen Bereichen recht erheblich in positiver oder negativer Weise von der Realität abweichen können. Eine Analyse von Unternehmung und Umwelt zwingt das Management dazu, sich in systematischer und detaillierter Weise mit den Ressourcenpotentialen, Strukturen und Prozessen des eigenen Unternehmens, aber auch mit der gegenwärtigen und der potentiellen Konkurrenz, sowie mit den für die Unternehmung relevanten Umwelten und deren Entwicklung - insbesondere auch mit der Entwicklung der für die Unternehmung bedeutsamen Technologiefelder - auseinanderzusetzen (vgl. Abbildung 2.1). Dadurch können Defizite und Schwächen eher erkannt und Stärken und potentielle Erfolgsfaktoren leichter identifiziert werden. Im Rahmen der Analyse von Unternehmung und Umwelt interessiert, welche Position ein Unternehmen derzeit in seinem Umfeld einnimmt, welche Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen stecken und welche Entwicklungspfade deshalb und aufgrund der Umweltänderungen für das Unternehmen günstig wären. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Wahrnehmung des eigenen Unternehmens und seiner Umwelten je nach Funktionsbereich der Manager recht unterschiedlich erfolgt. Da menschliche Wahrnehmung selektiv ist und sehr

64

Kapitel II: Analyse der Ausgangslage von Unternehmung und Umwelt

stark vom jeweiligen Verantwortungs- und Arbeitsbereich, in dem die Manager tätig sind, geprägt wird, können die Vorstellungen der Manager vom eigenen Unternehmen und seiner Position in den relevanten Umfeldern recht weit auseinander liegen. Das trifft besonders auf große Unternehmungen zu, da die Arbeitsgebiete in diesen Unternehmen klarer abgegrenzt sind und der tägliche, informelle Informationsaustausch über Abteilungsgrenzen hinweg weniger dicht ist. Die dadurch entstehenden Informationsdefizite und -differenzen erschweren den Prozeß der Ziel- und Strategiefindung sehr erheblich, da die Ausgangspositionen der Planungsbeteiligten recht heterogen sein können. Eine Analyse der Ausgangslage von Unternehmung und Umwelt führt daher nicht nur dazu, daß ein realistischeres Bild der in ihre relevanten Umwelten integrierten Unternehmung entsteht und daß Informationsdefizite in vielen Bereichen beseitigt oder verringert werden. Sie ermöglicht darüber hinaus, daß die verschiedenen Vorstellungsbilder und Sichtweisen der Manager der verschiedenen Unternehmungsbereiche einander angenähert werden, so daß nicht nur klarere Vorstellungen über den eigenen Wirkungsbereich vorhanden sind, sondern auch realistischere Vorstellungen über die anderen Unternehmungsbereiche und so auch Verständnis für die Position der Management-Kollegen entstehen. Durch eine auf diese Weise gemeinsam erarbeitete, realistische Planungsgrundlage können im Zuge der Strategieplanung Konflikte zwar nicht vermieden werden. Allerdings gelingt es auf diese Weise, unterschiedliche Planungsprämissen (z.B. unterschiedliche Einschätzungen über die künftige Bedeutung einer Technologie für die Branche zwischen MarketingFachleuten und Technikern) offenzulegen und dadurch unproduktive Konflikte erheblich zu verringern. Der Versuch, Konflikte im Management vollständig zu vermeiden, erscheint allerdings nicht zielführend, da hierbei, z.B. aus Gründen der Kollegialität, Schwachstellen nicht angesprochen werden und dabei übersehen würde, daß kontroverse Standpunkte im Rahmen einer fairen, angstfreien Diskussion zu sehr kreativen Lösungen führen können. So sind es manchmal gerade konfliktäre Standpunkte, die das Management aus altgewohnten Sichtweisen herausführen können und unkonventionelle Lösungen ermöglichen. Strategische Analysen sind noch aus einem weiteren Grund als Voraussetzung für die strategische Planung äußerst sinnvoll. Oft bleibt dem Management aufgrund des enormen Drucks des Tagesgeschäftes zu wenig Zeit, sich mit strategischen Fragen auseinanderzusetzen. Hinzu kommt auch das für eine hohe Leistungsfähigkeit erforderliche emotionale Engagement für die eigene Tätigkeit. Deshalb ist es für das Management nicht leicht, sich aus dieser Bindung an das operative Geschäft im eigenen Verantwortungsbereich und aus den Erfolgs- und Mißerfolgserlebnissen, den Widrigkeiten, Ärgernissen und Triumphen des täglichen Geschäftslebens herauszulösen und sich auf langfristig bedeutsame strategische Fragen zu konzentrieren, die in der Regel weit über den eigenen Tätigkeitsbereich hinausgehen. Die Analyse der Unternehmung in ihren relevanten Umwelten schafft hierfür nicht nur die Informationsbasis, sondern sie stimmt die Manager auch schrittweise auf die strategische Problematik ein, so daß es ihnen leichter fällt, sich von operativen Problemen zu lösen.

2. Die Unternehmensanalyse

65

2. Die Unternehmensanalyse Unter dem Begriff der Unternehmensanalyse versteht man eine spezifische Vorgehens-

weise zur Gewinnung betriebswirtschaftlich relevanter Informationen über das soziotechnische System Unternehmung. Die Analyse der Unternehmung schafft eine Grundlage, um in Relation zu den Konkurrenten und den Anforderungsprofilen der Kunden die eigenen Positionen klarer erkennen und Maßnahmen für ihre Verbesserung ergreifen zu können. Dabei haben die Zielsetzungen, aufgrund derer das Unternehmen analysiert wird (z.B. Erschließung ausländischer Märkte oder Neuentwicklung von Produkten), großen Einfluß auf die Durchführung der Analyse. So steht beispielsweise im Technologiemarketing die Frage im Vordergrund, inwieweit die Potentiale der Unternehmung - ihre Ressourcen, Strukturen und Prozesse - geeignet sind, Innovationen zu fördern und ihre marktorientierte Umsetzung möglichst störungsfrei und wirksam zu gewährleisten. Besondere Aufmerksamkeit muß dabei allen Defiziten und Störfaktoren in Ressourcen, Strukturen und Prozessen eingeräumt werden, die Innovationen behindern, verzögern oder in ihrer Marktwirksamkeit beeinträchtigen. Einen Überblick über eine mögliche Strukturierung der zu analysierenden Unternehmensbereiche bietet Abbildung 2.1. Entscheidend bei der Durchführung einer Untemehmensanalyse ist dabei, daß nicht nur die einzelnen Unternehmensbereiche überprüft, sondern daß auch die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen berücksichtigt werden. Entschließt sich ein Unternehmen beispielsweise, neue Produkte zu entwickeln, um damit auf Auslandsmärkten Fuß zu fassen, müssen bei der Unternehmensanalyse über den F&Eund den Marketingbereich hinaus weitere Zusammenhänge überprüft werden, wie z.B. •







Finanz- und Kostensituation: Stehen entsprechende finanzielle Ressourcen zur Verfügung, u.a. für F&E-Tätigkeiten, den Zukauf von techischem Know-how oder Produktionsanlagen, die Aufbereitung des Marktes (z.B. Kosten der Kommunikation)? Beschaffung und Produktion: Kann man die notwendigen Materialien/Komponenten zu wirtschaftlichen Preisen beschaffen und entsprechen die Produktionsanlagen in quantitativer und qualitativer Hinsicht den Anforderungen? Führung/Organisation/Mitarbeiter: Ermöglichen Führungs- und Organisationsstruktur überhaupt ein offenes Innovationsklima. Entsprechen die Mitarbeiter aller Abteilungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht den Anforderungen? usw.

66

Kapitel II: Analyse der Ausgangslage von Unternehmung und Umwelt

RAHMENBEDINGUNGEN BeschaiTungsmärkte

Unternehmung

Absatzmärkte Inland/Ausland

bisherige Konkurrenz Informationssystem / Controlling Marketing Einsatzfaktoren

Unternehmenskultur

Produktion Beschaffung Logistik

Wettbewerbsstrategie

Forschung u. Entwicklung, Finanzsituation Kostensituation Personalsituation

Konkurrenten

neue Konkurrenz andere Branchen, andere Länder

S s iΞ •Ο < 5

Ν <


(Ist-Wert)

+t

Abb. 3.8: Gap-Analyse

Ohne Anpassungsmaßnahmen können in diesem Fall die Umsatz- oder Gewinnziele nicht erreicht werden. Daher gilt es nun im Rahmen der Marketingplanung zu klären, wie diese Lücke geschlossen werden kann. Zur Strukturierung dieser Suche bietet sich die von Ansoff entwickelte Produkt-Markt-Matrix an:

Märkte bestehende

neue

vorhandene

Marktdurchdringung

Marktentwicklung

neue

Produktentwicklung

Diversifikation

Produkte

Abb. 3.9: Produkt-Markt-Matrix (Quelle: Ansoff, H.J., 1966, S. 132)

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

111

Wie aus Abbildung 3.9 ersichtlich, stehen dem Unternehmen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die erkannte Umsatz- oder Gewinnlücke zu schließen. Die hier angeführten strategischen Optionen stellen jedoch nur einen Orientierungsrahmen dar. Sie müssen für die jeweilige Branche bzw. das Unternehmen konkretisiert werden. So wird im Rahmen der Marktdurchdringungsstrategie (auch als Penetrationsstrategie bezeichnet) vorgeschlagen, den Umsatz in bestehenden Märkten mit bestehenden Produkten zu erhöhen. Denkbare Ansatzpunkte dafür stellen eine intensitäts- bzw. mengenmäßige Erhöhung der Produktverwendung bei bestehenden Käufern, die Gewinnung von Kunden der Konkurrenz oder von bisherigen Nicht-Verwendern dar. Inwiefern diese Ansatzpunkte realisiert werden können, hängt jedoch von der Branchen- und Unternehmenssituation ab. Möglicherweise bietet keine dieser Alternativen einen Lösungsansatz. So erscheint es wenig realistisch, als Hersteller von Abfüllanlagen die „Produktverwendung" beim Kunden (z.B. Fruchtsafterzeugern) zu intensivieren, das Abwerben von Kunden der Konkurrenzunternehmen kann möglicherweise einen Preiskrieg am Markt auslösen, der allen Unternehmen schadet. Auch die Gewinnung von bisherigen Nicht-Verwendern erscheint wenig erfolgversprechend, außer es gelingt dem Unternehmen seine Abfüllanlagen zu modifizieren, um so auch Kundenprobleme in anderen Branchen zu lösen (z.B. in der Kosmetikbranche, um hier Parfumflacons abzufüllen). Hier würde man jedoch nicht mehr von einer Marktdurchdringungsstrategie, sondern vielmehr schon von einer Diversifikationsstrategie sprechen, da ein neues Produkt für einen neuen Markt (neue Kundengruppe) konzipiert wird. Um eine Marktentwicklungsstrategie handelt es sich dann, wenn bestehende Produkte in nahezu unveränderter Weise zum Aufbau neuer Märkte eingesetzt werden. So konnten z.B. PC-Hersteller neben Unternehmungen auch zunehmend Konsumenten als Kunden gewinnen. Von einer Produktentwicklungsstrategie spricht man dann, wenn für eine bestehende Kundengruppe ein neues Produkt entwickelt und auf den Markt gebracht wird. So entwickelten z.B. Elektronik-Hersteller Mobiltelefone mit Internetzugang und boten und bieten diese neuen Produkte auf ihren bestehenden Märkten für Mobiltelefone an. Der Erfolg der einzelnen Strategien wird häufig im Zusammenhang mit Synergiepotentialen gesehen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die zu erwartenden Synergieeffekte umso höher sind, je enger der Bezug zu den bereits bearbeiteten Geschäftsfeldern ist. Dementsprechend unterstellt man der Strategie der Marktdurchdringung das höchste und der Diversifikationsstrategie das geringste Synergiepotential. Kann das Unternehmen an bestehenden Stärken und Wettbewerbsvorteilen anknüpfen, erhöht sich die Erfolgswahrscheinlichkeit. Allerdings muß bei der Diskussion über Synergiepotentiale beachtet werden, daß Synergien nicht nur in der Produktion, sondern auch in anderen Bereichen - ζ. B. im Bereich von Forschung und Entwicklung, in der Beschaffung, in der Produktion, im Marketing (z.B. durch Nutzung eines bestehenden Images am Markt, die Verfügung über ein gut funktionierendes Distributionssystem mit gut eingespielten Kundenund Lieferantenbeziehungen bis zum Endkunden), im Management usw. - erschlossen und genutzt werden können. Die Frage der Nutzung von Synergiepotentialen bei Veränderungen von Geschäftsfeldern muß daher im konkreten Fall sehr sorgfältig und differenziert geprüft werden.

112

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Ansoffs Konzept, das auch als einfaches Konzept zur Abgrenzung von Geschäftsfeldern eingesetzt werden kann, weist bei kritischer Betrachtung aber auch einige Schwächen auf. So wird hier sehr stark von der Unternehmung her und weniger von den Kundenproblemen her gedacht. Die Fragen, woher neue Produkte kommen und wann ein Produkt neu ist, zeigen schon die Unschärfen der Diskussion. Hinzu kommt, daß das Denken vom Produkt her die Innovationsdynamik eher hindert als fördert. Es besteht dabei die Gefahr, daß das Denken vom Produkt her die Unternehmung in ihrem Suchfeld einengt, so daß nur an der Verbesserung bestehender Produkte gearbeitet wird, obwohl die Kundenprobleme möglicherweise anders gelagert sind und daher völlig andere Problemlösungsansätze erforderlich wären. Auch die Abgrenzung des Marktes bleibt in dieser Matrix zu unscharf. Es bleibt offen, ob Märkte z.B. regional, sachlich oder von den Kundengruppen her abgegrenzt werden.

3.2 Das Problemkonzept als integrative Kraft Wenn Geschäftsfelder der Unternehmungstätigkeit verändert, neu formuliert oder klarer abgegrenzt werden sollen, ist die Frage zu stellen, wo Ansatzpunkte für diese grundlegenden Überlegungen und Entscheidungen zu finden sind. Einen Ansatzpunkt hierfür bieten die Ressourcen- und Fähigkeitspotentiale der Unternehmung, die den Möglichkeitsraum für Geschäftsfeldentscheidungen erheblich einschränken. Der zweite zentrale Ansatzpunkt für die Geschäftsfeldwahl sind die in diesen Möglichkeitsraum fallenden Märkte oder Marktnischen mit ihren Nachfrage- und Angebotsbereichen. Ansatzpunkte für die Festlegung strategischer Geschäftsfelder sind dabei nicht nur die artikulierten Bedürfnisse und Wünsche potentieller Nachfrager, so wichtig sie auch für das Marketing sind, sondern die tiefer liegenden Probleme und Problemfelder gegenwärtiger und zukünftiger Kundengruppen, für die das Unternehmen Problemlösungen anbieten kann und will. Der Wunsch einer Unternehmung ein Investitionsgut zu beschaffen ist in der Regel die Folge eines auftauchenden Problems. So können sich z.B. neue Marktchancen bzw. erfordernisse für die Kundenunternehmung eröffnen, die mit der vorhandenen Ausrüstung kapazitätsmäßig nicht mehr realisierbar sind oder für die eine neue Produktionstechnik benötigt wird. Alte Maschinen sind zu ersetzen. Es ergeben sich Rationalisierungsmöglichkeiten bzw. -notwendigkeiten. Die Verwaltungs-, Informations- und Kommunikationsprobleme einer Unternehmung sollen effizienter gelöst werden, wofür geeignete Technologien mit Hard- und Software erforderlich sind usw. usw. Probleme, Problemgruppen und Problemstrukturen als Ansatzpunkte marketingpolitischen Denkens führen weg vom reinen Produkt-Denken und öffnen den Blick für die Möglichkeit, daß ein Kundenproblem durch sehr unterschiedliche Technologien und ProduktDienstleistungs-Kombinationen zu lösen ist. Das Suchfeld wird auch nicht nur auf die zur Zeit aktuelle Nachfrage der Kunden beschränkt. Sie bildet sich auf dem Hintergrund der am Markt zur Zeit angebotenen Produkte; denn völlig neue Technologien, neue Problemlö-

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

113

sungsmöglichkeiten liegen meist außerhalb des Erfahrungshorizonts der potentiellen Anwender, können daher auch durch Befragung kaum ermittelt werden. Es wird einer Unternehmung, die ihr Denken an aktuellen und zukünftigen Problemen aktueller und potentieller Kundenunternehmungen orientiert, daher offensichtlich, daß Probleme, wie z.B. die hochfeste Verbindung von Materialien nicht nur durch Schweißen, sondern auch durch andere Technologien, wie z.B. durch Nieten, Kleben usw. und damit durch andere Produkte zu lösen sind. Daraus folgt, daß die Forschungs- und Entwicklungsabteilung aufgefordert ist, innerhalb der Geschäftsfelder ihrer Unternehmung ständig an neuen Problemlösungen zu arbeiten und vorliegende Problemlösungen auch für neue Geschäftsfelder einsatzfähig zu machen. Forschung und Entwicklung sollten daher nicht nur in enger Weise an der Verbesserung bestehender Produkte arbeiten, sondern ihren Bemühungen breiter angelegte Perspektiven zugrunde legen. Diese Sicht des Marketing verlangt eine gut funktionierende Kooperation zwischen den kaufmännischen und den technischen Bereichen, insbesondere zwischen F&E und Marketing (vgl. Kapitel V). Der Begriff Problem ist allerdings nicht eng im Sinne technisch konstruktiver Probleme, sondern sehr weit im Sinne von Leistungserstellungs- und damit zusammenhängend von Investitions- und Finanzierungsproblemen potentieller Kundenorganisationen zu deuten. Mit diesen Kernproblemen sind eine Reihe mit der längerfristigen Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Organisation der Kunden zusammenhängender Probleme (z.B. Schulung, Service, Ersatzteildienst usw.) verbunden. Im Investitionsgütermarketing sollte daher nicht nur die Vermarktung von Maschinen und Anlagen, von Teilen usw. interessieren. Im Brennpunkt des Interesses sollten vielmehr die mit der Leistungserstellung der Kundenorganisationen zusammenhängenden Probleme stehen, für die ein Anbieter technisch und wirtschaftlich interessante Lösungen anbieten kann. Dabei kann es weder um alle Probleme, noch um weltweit alle Kundengruppen gehen. Vielmehr wird ein Anbieter investiver Leistungen auf der Grundlage einer Unternehmens- und einer Umweltanalyse Problembereiche ausgewählter Kundengruppen als Geschäftsfelder seiner Unternehmenspolitik auswählen, für die er technisch und kaufmännisch wettbewerbsfähige Lösungen (vgl. Kapitel III, 2.) auf den Markt bringen kann. Im Rahmen dieser Analysen wird er einerseits besonders seine technischen und kaufmännischen Potentiale - z.B. sein technologisches Know-how, sein Abwicklungs-Know-how, seine Ressourcen - und andererseits potentielle Kunden und Konkurrenten der in Frage kommenden Märkte untersuchen. Darüber sind bei der Entwicklung und Weiterentwicklung der für seine Geschäftsfelder relevanten Technologiebereiche die Aktivitäten der Konkurrenz, das Kundenverhalten und die Veränderung der Rahmenbedingungen aufmerksam zu beobachten. Bei den am Markt anzubietenden Problemlösungen wird es sich meist um Produkte bzw. Produktverbunde mit entsprechenden Dienstleistungen (ζ. B. Projektierung, Service, Beratung, Schulung, Finanzierung) handeln, die für die Problemlösung erforderlich oder nützlich sind. Im Kern der Überlegung stehen also aktuelle und zukünftige Probleme der Kunden, die die Hersteller mit jeweils unterschiedlichen Produkt-DienstleistungsAngeboten lösen können. Diese Sicht bietet daher breiten Spielraum für unterschiedlichste Kombinationsmöglichkeiten von Hard- und Software. Sie bindet auch nicht an bestimmte

114

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Produkte oder Produktgruppen, ja noch nicht einmal an bestimmte Technologien. Langfristig ermöglicht dieses Konzept daher eine hohe Flexibilität.

Das innere Spannungsfeld in der Unternehmung

Markterfordernisse sind vereinfacht zu begreifen als:

Produktions-, Investirions-, Finanzierungsprobleme usw. potentieller Kunden

Abb. 3.10: Das innere Spannungsfeld

der

Unternehmung

Das integrative Aufeinanderbezogensein von Marketingdenken und technischem Denken findet seinen gemeinsamen Ansatzpunkt in den von der Unternehmung als Geschäftsfelder ausgewählten Problembereichen.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

115

3.3 Mehrdimensionale Abgrenzung von Geschäftsfeldern nach Abell Strategische Geschäftsfelder einer Unternehmung können durch unterschiedliche Dimensionen festgelegt werden. Abell („Definig the Business", 1980) schlägt zur Abgrenzung von Geschäftsfeldern der Unternehmungstätigkeit folgende Dimensionen vor: • • •

zu erfüllende Kundenfunktionen Kundengruppen einsetzbare Technologien

Kundenfunktionen

Abb. 3.11: Dimensionen der Geschäftsfeldwahl

Es ist zu untersuchen, welche unterschiedlichen Funktionen als Anforderungen an eine Problemlösung von welchen Kundengruppen erwartet werden, mit welchen Technologien diese Problemlösungen zu realisieren sind und welche Funktionserfüllungen die Wettbewerber bieten. Kundenprobleme sind daher im Hinblick auf die darin enthaltenen funktionellen Anforderungen zu untersuchen. Tatsächlich wird in der Regel von einem industriellen Kunden kaum eine Einzelfunktion nachgefragt, sondern er hat ein bestimmtes Problem (in dessen Mittelpunkt durchaus eine bestimmte Funktion stehen kann), das sich als komplexes Bündel aufeinander bezogener Funktionen darstellt. Die unterschiedlichen, zu erfüllenden Funktionen können technischer, kaufmännischer, abwicklungstechnischer, schulender, beratender usw. Art sein. Es wird daher sinnvoll sein, zur Analyse von Kundenproblemen Analyseinstrumen-

116

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

te bereitzustellen. Ein solches Instrument ist neben der Marktforschung das Wertkettenkonzept, auf das im folgenden noch eingegangen wird. Kundenfunktionen können oft durch ganz unterschiedliche Technologien gelöst werden. So können Materialien durch Sägen, Stanzen, Nibbeln, Laserschneiden, Plasmaschneiden usw. getrennt werden. Es kann aber auch eine bestimmte Technologie für unterschiedlichste Kundenfunktionen und Anwendungsfelder eingesetzt werden. So wird z.B. die Lasertechnologie im Maschinenbau als Trenntechnik, im Baubereich und in Sägewerken zur Positionierung, als Operationstechnik in der Medizin, für bestimmte Effekte in der Unterhaltungselektronik usw. eingesetzt. Neben den Funktionen und Technologien ist nach Abell auch die Dimension der Kundengruppen bedeutsam. Es ist zu ermitteln, welche Anforderungen die potentiellen Kunden an die Problemlösung stellen und wie diese Anforderungsprofile zu bündeln sind. Erste Anhaltspunkte liefern hier manchmal schon bestimmte Anwendergruppen - ζ. B. für Hersteller von Armaturen die chemische Industrie, Bierindustrie, Fruchtsafthersteller, Molkereien usw. oder für den Bereich der Rühr- und Knettechnik Bäckereien, Fleischereien, Backindustrie, fleischverarbeitende Industrie, Kunststoffindustrie usw. Die verschiedenen Anwendergruppen haben oft nicht nur gruppenweise unterschiedliche technologische Problemstellungen, sondern können - bedingt durch marktmäßige Besonderheiten, Branchenkulturen und Branchengewohnheiten, personal- und führungsmäßige Eigentümlichkeiten des Wirtschaftszweiges usw. - gruppenweise auch erhebliche Unterschiede in den nicht technischen Anforderungen an die Leistungsbündel und darüber hinaus auch unterschiedlich strukturierte Kaufprozesse und Verhandlungsgewohnheiten aufweisen. Das allerdings ist im konkreten Fall zu überprüfen. Bei der Bündelung gegenwärtiger bzw. künftiger Kundenprobleme zu Problemgruppen sind neben den im technischen und ökonomischen Problemfeld liegenden Ähnlichkeiten der Problemstrukturen auch die gegenwärtigen bzw. künftigen Marktpotentiale sowie die zu erwartenden Wettbewerbspositionen zu ermitteln, um für die Unternehmung kostenund ertragsmäßig interessante Marktsegmente herauszuarbeiten. Die Geschäftsfeldmatrix von Abell kann nun auch dazu dienen, auf der Basis von StärkenSchwächen-Analysen sowie Chancen-Risiken-Analysen in kreativer Weise Geschäftsfelder neu abzustecken und für neu definierte Geschäftsfelder neue Problemlösungen anzubieten. So kann die Verbindung von zu erfüllenden Funktionen und dazu erforderlichen Technologien dazu führen, daß vollkommen neue Geschäftsfelder durch die Integration verschiedener Technologien in ein Produkt entstehen. So war z.B. das Fax-Gerät die Integration zweier auch vorher schon bekannter Technologien, der Kopiertechnologie und der Telefontechnologie. Das Kundenbedürfnis, schnell und einfach zu kommunizieren und auch Graphik auf diese Weise kommunizierbar zu machen, war sicher schon vor der Erfindung dieses Gerätes latent vorhanden. Ähnliches gilt für das Mobiltelefon. Die kreative Verbindung verschiedener Technologien zur Lösung von Kundenfunktionen verschiedener Kundengruppen kann also zur Veränderung von Geschäftsfeldern oder zu ganz neuen Geschäftsfeldern führen. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, mit großer Sorgfalt reale und potentielle Kundenfunktionen bei den ausgewählten Kundengruppen zu erheben und zu ermitteln, mit

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

117

welchen Technologien oder Technologiekombinationen sie wettbewerbswirksam zu erfüllen sind. Es ist leicht einsehbar, daß die beiden Achsen der Abell'schen Matrix - erforderliche Kundenfunktionen und bearbeitbare Kundengruppen - nicht unabhängig voneinander sind. Bei der Analyse erforderlicher Kundenfunktionen müssen die zu betrachtenden Kundengruppen bekannt sein und bei der Betrachtung von Kundengruppen ist zu berücksichtigen, daß sie sich ja gerade oft aufgrund unterschiedlicher funktionaler Anforderungen herausbilden. Daher ist dieser Abell'sche Raster nicht mechanistisch, etwa im Sinne eines morphologischen Kastens, zu verstehen. Ein solcher morphologischer Kasten, bei dem im Wege der Kombinatorik alle Kombinationsmöglichkeiten durchgespielt werden müssen, wird beispielhaft in der folgenden Abbildung anhand eines Produktbeispiels, das ja nur einen Ausschnitt aus einem Geschäftsfeld darstellt, gezeigt. Bei der Anwendung der Kombinatorik auf ein Geschäftsfeld würde sich der Möglichkeitsraum für Lösungen explosionsartig vergrößern, so daß ein derartiges Vorgehen nicht bewältigbar wäre.

Morphologischer Kasten Ober Getaltungsmöglichkeiten von Kaffeemaschinen mit 3 x 8 x 5 x 4 x 5 x 3 x 6 x 3 = 129.600 konzeptionellen Alternativen Parameter

i Wasserspeicher

Ausprägungen 1 2 Behälter integriert · fremd Elektrizität :

• 3

4

Durchlauf

5

Netz

Heiß Wassertransport

Steigrohr : Schwer.Puhipe *' é kraft

von Hand

Extraktion

Filter

offenes Gemisch

Patrone •

Gas Mikrowelle • Induktion

Beutel

• Trennung

keine

ÄbsetzeiT- Filter »'

Speicherg. Fertigkaffee Warmhaltung Entnahme

keine

7

8

·

Energiequelle

i Akku

6

öl, Benzin

(Holz-) kohle

ehem. Energie

kein

zentrifugal

elektromagnet.

Benzin

Behälterisolation '

* ·.·

Behälter integriert · ' fremd

Flamme Wäimeplatteel. * Kerze

Gas

von Hand: Auslauf• hahn. ·

Schöpf- . . p'rihzip

keine ·• ·

keine

Schlicksupp 1989

Abb. 3.12: Morphologischer Kasten über Gestaltungsmöglichkeiten von Kaffeemaschinen mit x3 = 129.600 konzeptionellen Alternativen (Quelle: Schlicksupp, H„ 1992, S. 86)

3x8x5x4x5x3x6

Es geht bei der Geschäftsfeldwahl als zentraler strategischer Entscheidung vielmehr darum, im Zuge heuristischer Prozesse schrittweise den Alternativenrahmen so einzuengen, daß

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

118

sinnvolle und erfolgsträchtige Geschäftsfelder identifizierbar sind. Hintergrund dieses Prozesses bilden einerseits die Unternehmens- und Umweltanalyse und andererseits das technische und kaufmännische Know-how, die Kreativität und der technische und kaufmännische Weitblick der Mitarbeiter und des Managements sowie die strategischen Ziele des Unternehmens.

Funktionserfüllung -

Material bearbeiten

-

Spannen

-

Bestücken

-

Werkzeug wechseln

-

Steuern

-

Messen

-

Regeln

-

Transportieren

-

Warnings- und Ersatzteildienste

-

Verkettungsleistungen

-

Aufarbeitungs- und Entsorgungsleistungen

-

Beratung

-

Schulung

potentielle

π I

Kundengruppen

\ \

\

Alternative Technologien

Abb.

3.13:

Beispiel

einer

Geschäftsfeldmatrix

eines

Werkzeugmaschinenherstellers

Das Management kann dann schrittweise beginnen, Geschäftsfeldpositionierungen vorzunehmen. So kann ein Unternehmen Technologie-, Funktions- oder Kundenspezialist sein oder aber eine Positionierung als Ausschnitt aus Funktionen, Technologien und Kundengruppen wählen.

119

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

Gertlsfunktion

GeriMmMon

Abb. 3.14: Die vier größten Anbieter auf dem Markt der computergesteuerten Röntgengeräte ( CT-Scanner) und die strategische Position ihres jeweiligen Programms (Quelle: Backhaus, K„ 1999, S. 227)

Die Abbildung 3.14 zeigt, daß die vier dargestellten Anbieter ihre Geschäftsfelder jeweils unterschiedlich abgegrenzt haben.

3.4 Internationale Erweiterung der Geschäftsfeldwahl In einer globalisierten Welt kann nicht davon ausgegangen werden, daß Kundensegmente überall in der Welt gleich zu behandeln sind und daß es nur einen Markt, den Weltmarkt, gibt. Tatsächlich sind die Bedingungen der verschiedenen Ländermärkte außerordentlich heterogen. Unterschiedliche wirtschaftliche Bedingungslagen, Kulturen, Rechtssysteme,

120

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Mentalitäten und Gewohnheiten, klimatische Bedingungen usw. usw. verlangen eine meist sehr unterschiedliche Marktbearbeitung. Auch sind die Anforderungen der Kunden an die Problemlösungen oft recht verschieden. Geschäftsfelder der Unternehmenstätigkeit sind deshalb nicht nur von den Kundengruppen und deren Problemstrukturen (zu erfüllende Kundenfunktionen und dazu erforderliche Technologien) her zu definieren. Darüber hinaus sind Entscheidungen über die jeweils zu bearbeitenden Ländermärkte bzw. Ländergruppen (Ländersegmente) zu treffen, wobei diese Basisentscheidungen in unterschiedlicher Weise kombinierbar sind. Man ist in der Kombination dieser Basisentscheidungen jedoch nicht vollkommen frei. So kann etwa die Entscheidung für einen bestimmten Problembereich, der die Entscheidung für ein bestimmtes Spektrum von Technologien in sich birgt, auch schon Einschränkungen im Hinblick auf Kundengruppen, z.B. bestimmte Branchen oder Teile dieser Branchen, die diese Technologien anwenden oder anwenden können, mit sich bringen. Weiterhin können mit dieser Entscheidung Einschränkungen im Hinblick auf die Auswahl der Auslandsmärkte verbunden sein, da nur noch Länder von Interesse sein werden, die diese Technologien bereits anwenden oder bei denen Chancen für eine künftige Anwendung bestehen. Das Entscheidungsfeld kann sich dabei so stark einengen, daß nur noch geringe Freiräume bestehen. Als Beispiel sei auf Technologien im Rahmen der Luft- und Raumfahrt verwiesen. Allerdings zeigt sich auch hier, daß Modifizierungen häufig erhebliche, neue Freiräume entstehen lassen. Die Wahl einer bestimmten Kundengruppe, z.B. Bauwirtschaft, Pharmaindustrie, Brauereiindustrie usw. erfordert die intensive Beschäftigung mit bestimmten Kundenfunktionen und ihren Lösungsmöglichkeiten und damit auch mit bestimmten Technologien. So werden etwa auf ein Unternehmen, das bisher Abfüllmaschinen für die Getränkeindustrie hergestellt hat, wenn es in den Pharmabereich eindringen und Ampullenabfüllmaschinen herstellen will, eine Reihe neuer technologischer Probleme - z.B. im Bereich der Handhabungstechnologie, der Meß- und Dosiertechnologie, der Entkeimung, des Verschließens usw. - zukommen. Die für die Herausarbeitung der Geschäftsfelder der Unternehmung grundlegenden Entscheidungsbereiche über Kundenfunktionen, problemadäquate Technologien, Kundengruppen und Ländermärkte sind daher, wie sich auch am Beispiele von Ländergruppen zeigen läßt, nicht vollkommen unabhängig voneinander zu sehen. Die Probleme von Nachfragern verschiedener Länder werden häufig unterschiedlich strukturiert sein, so daß auch die Problemlösungen für die jeweiligen Ländermärkte bzw. Ländergruppen oder Ländersegmente differieren werden. Es kann dabei zum einen darum gehen, die Hardware, z.B. bestimmte Maschinen, den im Lande gültigen Normen, den gesetzlichen Vorschriften (etwa Umweltschutzbestimmungen) oder aber den dort herrschenden Produktionsbedingungen anzupassen, bzw. eine auf diese Länder zugeschnittene Hardware anzubieten. Es kann zum anderen auch erforderlich oder wettbewerbsmäßig nützlich sein, die Software, d.h. das Dienstleistungsangebot den jeweiligen Erfordernissen nach zu gestalten. So kann es z.B. darum gehen, die Schulung auf die Länderbedürfnisse abzustimmen, entsprechende Gebrauchs- und Reparaturanleitungen, die auch von den jeweiligen Adressaten verstanden werden können, zu erarbeiten, einen entsprechenden Kundendienst bereitzustellen, Finanzierungen zu vermitteln, Gegengeschäftsware für diese Unternehmungen zu vermarkten usw.

121

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

Bezieht man die Ländermärkte als sehr wichtige Dimension in die Geschäftsfeldwahl ein und faßt aus darstellungstechnischen Gründen die beiden Dimensionen „Kundenfunktionen" und „einsetzbare Technologien" zu einer Achse „Problembereiche, für die die Unternehmung Problemlösungen anbieten will" zusammen, so werden die Geschäftsfelder einer Unternehmung folgenderweise abgegrenzt: X: Problembereiche, für die die Unternehmung Problemlösungen anbieten will Y: Kundengruppen, auf die diese Problemlösungen zugeschnitten sein sollen Z: ausgewählte Ländermärkte, auf denen die Unternehmung mit einigen oder allen ihren Leistungsangeboten tätig sein will

X

= Problembereiche

Y

= Kundengruppen

Ζ

= Länder bzw. Ländergruppen

I

I = Marktsegment Land A

I

I = Marktsegment Land Β

Í

= Marktsegment Land C

Abb. 3.15: Die Geschäftsfeldwahl

als mehrdimensionales

Entscheidungsproblem

Die Winkel zwischen den Achsen wurden bewußt größer als 90° gewählt. Das soll zeigen, daß die Achsen nicht unabhängig voneinander sind, sondern daß sich der Möglichkeitsraum erweitert und damit die Gesamtprobleme potentiell komplexer werden. Der Winkel zwi-

122

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

sehen der X- und der Y-Achse soll andeuten, daß sich die zu bearbeitenden Problembereiche und damit die erforderlichen Leistungsangebote erweitern können, wenn nicht nur eine, sondern mehrere Kundengruppen bearbeitet werden. Jede Kundengruppe hat ja ihre spezifischen Anforderungen an die Leistungspakete (Hard- und Software), so daß die Leistungserbringung insgesamt komplexer wird. Wenn z.B. Abfüll- und Verpackungstechnologie nicht nur für die Waschmittelindustrie, die Getränkeindustrie, sondern auch für die Pharmaindustrie angeboten werden sollen, kommen sowohl hinsichtlich der Anforderungen an die Anlagentechnologie als auch hinsichtlich der Dienstleistungen Anforderungen auf das Lieferunternehmen zu, die es erfüllen muß, um konkurrenzfähig zu sein. Es geht dabei um die Anpassung von Hard- und Software an die Problemstrukturen der jeweiligen Kundengruppen. Die Winkel zwischen X- und Z-Achse sowie zwischen Z- und Y-Achse sollen zum einen verdeutlichen, daß bei Bearbeitung mehrerer Ländermärkte auch eine Erweiterung der Problemlösungen durch zusätzliche (z.B. Korrosionsschutz) oder andere Kundenfunktionen oder den Einsatz anderer Technologien erfolgen kann. So können die Besonderheiten von Auslandsmärkten auch verschiedene Anforderungen an die Konzeption der Produkte stellen. Ebenso können die erforderlichen Dienstleistungen divergieren. Zum anderen kann es vorkommen, daß mit der Erweiterung des Länderspektrums eine Erweiterung der potentiell in Frage kommenden Kundengruppen verbunden ist. Unter einer Problemlösung im Investitionsgütergeschäft wird daher nicht nur die Erarbeitung einer technisch konstruktiven, auf die ganz konkreten Produktionsbedingungen eines Abnehmers zugeschnittenen, individualisierten Lösung verstanden. Hier dominiert oft zu einseitig das technische Denken. Dennoch sind solche Lösungen, wie wir sie etwa im Sondermaschinenbau finden, häufig notwendig und verlangen hohes technisches Können. Nicht immer aber sind sie im Sinne der Gesamtproblemlage des Abnehmers erforderlich. Oft ist es so, daß der überwiegende Teil der Produktionsprobleme eines Abnehmers auch mit einer standardisierten Technik mit „build in flexibility" befriedigend gelöst werden kann. Die Problemlösung bezieht aber darüber hinaus auch die Bereiche Beratung, Finanzierung, Schulung, Ersatzteildienst, Kundendienst usw. ein. Nicht immer ist auch - je nach technischem Standard des jeweiligen Landes - die komplexeste Technik die wirtschaftlichste Lösung. Dauerhafte Geschäftsbeziehungen hängen von der langfristigen Zufriedenheit der Kunden ab. Maschinen, die immer wieder durch wiederholte Fehlbedienungen Schaden erleiden und stillstehen, rufen schnell Unzufriedenheit hervor. Die Schuld wird der Abnehmer viel seltener bei sich selbst als beim Lieferanten suchen. Auf die einzelnen Dimensionen zur Abgrenzung von Geschäftsfeldern wird im Abschnitt 3.7 noch näher eingegangen.

3.5 Zur Bildung Strategischer Geschäftseinheiten Strategische Geschäftsfelder werden in marktorientierter Sicht gebildet. Innerorganisatorisch kann es aber zwischen verschiedenen strategischen Geschäftsfeldern einer Unternehmung Überschneidungen geben. So können z.B. Produkte für verschiedene Geschäftsfelder

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

123

teilweise auf den gleichen Anlagen gefertigt und kaufmännisch gemeinsam abgewickelt werden. Für die strategische Planung geht es darum, organisatorisch und marktmäßig und damit auch erfolgsorientiert abgrenzbare Einheiten zu schaffen, um diese übersichtlich planen und steuern zu können. Ist der Gesamttätigkeitsbereich einer Unternehmung fixiert (alle Geschäftsfelder, in denen das Unternehmen tätig sein will), geht es daher darum, für das Unternehmen eine Aufteilung in Strategische Geschäftseinheiten (SGE) so vorzunehmen, daß voneinander abgegrenzte, unterschiedliche Tätigkeitsfelder mit eigenständigem Marktauftrag geplant werden können. Hierbei sind neben der Abgrenzbarkeit der Marktaufgaben auch die innerbetrieblichen Abgrenzungsmöglichkeiten z.B. in Führung und Organisation, in der Produktion, in der Kostenverursachung usw. zu berücksichtigen. Es geht darum mit den Strategischen Geschäftseinheiten planbare Organisationseinheiten für die strategische Planung zu gewinnen. Dabei ist es durchaus möglich, daß zwei oder mehrere strategische Geschäftsfelder zu einer strategischen Geschäftseinheit zusammengefaßt werden, z.B. weil sie ähnliche Kundenkreise ansprechen, bei Wettbewerbern Überschneidungen aufweisen, Synergien im Einkauf und in der Produktion haben usw. Die Aufteilung der Gesamtunternehmungsaktivitäten in strategische Geschäftseinheiten und strategische Geschäftsfelder dient der Reduzierung von Komplexität. Sie soll eine klarere Arbeitsteilung und Verantwortungszurechnung in der Unternehmung, eine deutlicher strukturierte und auf die konkreten Kundenerfordernisse und den Wettbewerb zugeschnittene Marktbearbeitung, eine ziel- und strategiegerechtere Ressourcenzuteilung usw. ermöglichen. Daher sind strategische Geschäftsfelder so abzugrenzen, daß Marktbereiche • • •

mit einer eigenständigen Marktaufgabe, mit keinen oder geringen Absatzverbundbeziehungen zu anderen strategischen Geschäftsfeldern mit klaren und abgrenzbaren Wettbewerbsverhältnissen in diesem Geschäftsfeld

entstehen. Man kann den Effekt der Komplexitätsreduktion durch Bildung strategischer Geschäftsfelder und strategischer Geschäftseinheiten leicht verstehen, wenn man sich eine Großunternehmung vorstellt, die auf sehr vielen verschiedenen Produkt- und Ländermärkten mit verschiedenen Technologien und Problemlösungen agiert. Diese Unternehmung produziert z.B. medizintechnische Geräte hoher Komplexität, baut Kraftwerke, stellt Geräte im Bereich der Telefonvermittlung sowie mobile und stationäre Endgeräte für das Telefonieren her, betätigt sich im Markt für Unterhaltungselektronik, baut elektronische Komponenten, ist in der Chipherstellung engagiert usw. Die Übersicht über diese Tätigkeitsfelder und die Planung, Organisation und Kontrolle von Strukturen und Prozessen im Einkauf, der Entwicklung, der Fertigung, der Finanzierung, dem Marketing, der Logistik usw. wäre ohne eine Gruppierung in strategische Geschäftseinheiten kaum noch realisierbar. Die Gliederung in strategische Geschäftsfelder und in strategische Geschäftseinheiten reduziert diese sehr hohe Komplexität indem sie Marktfelder klar bündelt und Einheiten bildet, die einen zusammenhängenden

124

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Marktauftrag haben und relativ autonom in den einzelnen funktionalen Bereichen handeln können. Die kleineren Einheiten können auf diese Weise flexibler agieren und reagieren. Erfolge und Mißerfolge werden klarer zurechenbar. Allerdings muß die Unternehmensleitung im Interesse der Gesamtunternehmung koordinierende Maßnahmen ergreifen.

Kriterien

SGF

SGE

Orientierungsrichtung

Umweltorientierung

Unternehmensorientierung

Anlaß der Differenzierung Bildung überschaubarerer Marktbereiche

Ursachen für die Bildung

• •

Bildung organisatorischer Einheiten

Gezielte Marktbearbei- • • tung Reduktion von K o m p l e - • xität der Planungs- und der Leitungsstruktur •

Arbeitsteilung, Ressourcenzuteilung, Schaffung von Zuständigkeiten für die Formulierung, Präzisierung und Ausführung spezifischer Strategien

Abb. 3.16: Unterschiede zwischen SGF und SGE (Quelle: Bea, F.X./Haas, J„ 1997, S. 133)

3.6 Die Portfolio-Analyse als Planungsinstrument für die Steuerung strategischer Geschäftseinheiten Strategische Geschäftseinheiten können mit Hilfe der Portfolio-Analyse strategisch geplant, überprüft und gegebenenfalls revidiert werden. Die Portfolio-Analyse basiert konzeptionell auf der sogenannten Portefeuille-Theorie der Finanzierung, bei der es um eine effiziente Anlagenstreuung geht. Die Portfolio-Technik ermöglicht die Verdichtung von Daten der Unternehmensanalyse und der Umweltanalyse in einer Matrix. Die Achsen dieser Matrix werden dabei so gewählt, daß die eine Achse eine Maßgröße enthält, die vom Unternehmen beeinflußt werden kann (z. B. Marktanteil), während die Maßgröße der anderen Achse sich einer direkten Beeinflussung durch das Unternehmen weitgehend entzieht (z. B. Marktwachstum). Je nach Art des Portfolios werden unterschiedliche Achsenbezeichnungen verwendet, die als strategisch relevante Einflußgrößen auch die Verdichtung (über Punktbewertungsverfahren) einer ganzen Reihe von Einflußgrößen sein können. So kommen z.B. die Portfolio-

125

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

dimensionen „Marktattraktivität" und „relative Wettbewerbsvorteile" durch die Verdichtung einer komplexen Struktur von Einflußgrößen (vgl. Abbildung 3.19 und 3.20) im Wege eines mehrstufigen Punktbewertungsverfahren zustande, bei dem in jedem Schritt jedes Kriterium nicht nur hinsichtlich seiner Ausprägung, sondern auch seiner Gewichtung, mit der es in den nächsten Verdichtungsschritt eingeht, bewertet werden muß. Die Portfolio-Analyse stellt in erster Linie eine komprimierte Beschreibung der Positionierung der strategischen Geschäftseinheiten einer Unternehmung hinsichtlich der beiden Portfoliodimensionen dar. In einigen Portfolios können als dritte Dimension die Umsatzgrößen des den strategischen Geschäftseinheiten zugrunde liegenden Marktes (Marktvolumina) z.B. als Kreisgröße und die Marktanteile an diesen Marktvolumina als Kreisgrößenausschnitte in die Matrix eingezeichnet werden. Nimmt man z.B. das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio (Abbildung 3.21), so sind die Umsatzgrößen zwar über das Punktbewertungsverfahren als eines der Kriterien der Markattraktivität (Abbildung 3.19) schon in die Positionierung der strategischen Geschäftseinheiten eingegangen. Sie werden aber auf diese Weise dem Management stärker bewußt gemacht. Beim Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Abbildung 3.18) ist zwar die Berücksichtigung der Umsatzgröße des Markts, der die strategische Geschäftseinheit bildet, in Form der Kreisgröße sinnvoll, die Darstellung des Anteils der strategischen Geschäftseinheit am betrachteten Markt ermöglicht aber nur einen beschränkten Informationszuwachs, da ja auf der Abszisse der relative Marktanteil als Verhältnis des eigenen Marktanteils zu dem des stärksten Konkurrenten abgebildet wird. Man hätte es dann in diesem Fall mit zwei unterschiedlichen Marktanteilsgrößen zu tun.

Markt- oder f Technologiedimension

SGEd—(P) relative Unternehmensposition Abb. 3.17: Beispiel für ein

Geschäfisfeldportfolio

Beispielhaft sollen nur einige Portfolio-Möglichkeiten dargestellt werden:

126

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

a. Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Boston Consulting Group) b. Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio (McKinsey) c. Technologie-Portfolio (Pfeiffer u.a.)

3.6.1 Das Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Boston Consulting Group BCG) Das von der Boston Consulting Group entwickelte Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio reduziert die vom Unternehmen nicht beeinflußbaren und die vom Unternehmen beeinflußbaren Größen auf jeweils eine quantitativ bestimmbare Dimension, das Marktwachstum und den relativen Marktanteil. Es geht hierbei vor allem um Economies of Scale. Hinter dieser Betrachtung stehen die PIMS-Studie und das bereits beschriebene Erfahrungskurvenkonzept (vgl. Kapitel III, 1.2). Der relative Marktanteil wird als Relation des eigenen Marktanteils zu dem des größten Konkurrenten gemessen (1= eigener Marktanteil ist gleich dem des größten Wettbewerbers, 1,3 = Marktanteil ist um 30 % größer als der des größten Wettbewerbers).

22% 20% 18% 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2%

relativer Marktanteil *

Lebenszyklus eines Produktes

Abb. 3.18: Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio

(BCG) (Quelle: Bea, F. X./Haas, J„ 1997, S. 137)

Die Matrix ist in vier Felder geteilt. Die Größe der Kreise gibt Auskunft über die Umsatzrelationen:

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder • • • •

127

stars - (hoher relativer Marktanteil, hohes Marktwachstum) question marks (?) (geringer relativer Marktanteil hohes Maktwachstum) cash cows (Cash Flow-Erzeuger - hoher relativer Marktanteil, geringes Marktwachstum) poor dogs (geringer relativer Marktanteil, geringes Marktwachstum)

Dieses Portfolio gibt nicht nur einen Überblick über die Verteilung der Strategischen Geschäftseinheiten hinsichtlich der relativen Marktanteile und des jeweiligen Marktwachstums sowie über die jeweilige umsatzmäßige Bedeutung dieser strategischen Geschäftseinheiten für die Unternehmung. Häufig wird diese Darstellungsform auch mit Normstrategien für die einzelnen Felder versehen, die Auskunft über Investitions- oder Desinvestitionsstrategien der jeweiligen strategischen Geschäftseinheiten geben sollen. So sollen z.B. Mittel, die aus dem cash flow der cash cows lukriert werden, zum Ausbau der question marks eingesetzt werden, um sie zu Starprodukten zu entwickeln, während für die poor dogs eine Desinvestitionsstrategie empfohlen wird. Hinsichtlich dieser Normstrategien ist jedoch Vorsicht geboten. Zum einen stellen sie ausschließlich auf Mengeneffekte (Erfahrungskurve) ab und wären daher bestenfalls für ein Unternehmen mit einer Kostenführerschaftsstoßrichtung einsetzbar. Zum anderen führt die Reduzierung auf die beiden Kriterien Marktwachstum und Marktanteil zu einem hohen Informationsverlust, so daß auch aus diesem Grunde differenziertere Entscheidungsgrundlagen für die Erstellung eines strategischen Gesamtkonzepts für die Unternehmung heranzuziehen wären. Darüber hinaus ist dieses Konzept statischer Natur und sagt zu wenig über die Wirkungen strategischer Maßnahmen, z.B. Entwicklung neuer Produkte, Bildung strategischer Allianzen usw. im Zeitablauf aus. Dennoch bildet die verdichtete, visuelle, gesamthafte Darstellung unternehmerischer Aktivitäten eine gute Grundlage für die Diskussion und Erarbeitung strategischer Konzepte.

3.6.2 Das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio (Mc Kinsey) Die Achsen dieses von McKinsey und General Electric entwickelten Portfolios werden jeweils durch die Verdichtung einer Vielzahl von unterschiedlich gewichteten Einflußgrößen gebildet (vgl. Abbildung 3.19 und 3.20). Dadurch, daß dieses Portfolio nicht nur auf Mengeneffekten und damit auf dem Erfahrungskurvenkonzept aufbaut, sondern eine Vielzahl auch qualitativer Faktoren berücksichtigt und als Zielgröße den Return-on-Investment (ROI) hat, kann es auch für Unternehmen mit einer Differenzierungsstoßrichtung eingesetzt werden.

128

Kapitel ΠΙ: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

„p.. _ KUI —

Gewinn x Umsatz Umsatz investiertes Kapital

Bewertung Marktattraktivität

gering 1

hoch 2

3

4

5

6

7

8

9

gewichtete Werte

Gewich -tung

10

A

B

C

1. Marktpotential - Marktgröße

0,15

1,2

0,6

0,75

- Martkwachstum

0,2

1,8

1,4

0,2

0,2

1,4

1,6

0,4

0,15

1,05

0,9

0,45

0,15

1,05

0,45

0,75

0,15

1,35

1,05

0,45

1,0

7,85

6,00

3,00

2. Marktstruktur - Wettbewerber - Zahl der Wettbewerber - Größe der Wettbewerber - Marktzutrittsschranken

- Lieferanten - Verhandlungsstäike - Störanfälligkeit gegenüber Lieferanten - Entwicklung der Faktotpreise

/

V / '· / '·

- Abnehmer - Verhandlungsstärke - Produktbindung - Preissensivität

3. Beschaffenheit des Gutes Summe

SGF A =

SGF Β =

Abb. 3.19: Beispiel ßr die Ermittlung der Marktattraktivität

SGF C =

(Quelle: Bea, F. X./Haas, J„ 1997, S. 140)

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

SGFA =

SGFB =

129

SGF C =

Abb. 3.20: Beispielßr die Ermittlung des relativen Wettbewerbsvorteils (Quelle: Bea, F. X./Haas, J„ 1997, S. 141)

130

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

1

2

4

5

Θ

O

3,33

6

9

8

Θ' 0

3

6,67

10 Vorteil

Nachteil

relative Wettbewerbsvorteile

4.7.8 1.5.9 2,3,6

Abb. 3.21:

Abschöpfungs- bzw. Desinvestitionsstrategie Selektionsstrategie Wachstums- bzw. Investitionsstrategie

Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteile-Portfolio

Auch für diesen Portfoliotyp wurden Normstrategien entwickelt (Abbildung 3.21): Strategische Geschäftsfelder, die in wenig attraktiven Märkten angesiedelt sind, in denen das Unternehmen eher Wettbewerbsnachteile gegenüber den stärksten Konkurrenten aufweist (Feld 7), sollten aufgegeben werden. Geschäftsfelder mit mittlerer Attraktivität und Wettbewerbsnachteilen (Feld 4) und solche mit geringer Attraktivität, geringen bis mittleren Wettbewerbsvorteilen (Feld 8) sollten mit einer Abschöpfungsstrategie bearbeitet werden. Das bedeutet, daß in diese Geschäftsfelder nicht mehr investiert wird und sie noch so lange bearbeitet werden, wie sie Gewinnbeiträge erbringen. Geschäftsfelder, die in die Matrixfelder 1, 5, 9, fallen, werden mit einer selektiven Strategie bearbeitet. Im Feld 1 wird z.B. versucht, den Wettbewerbsnachteil der Geschäftsfelder durch Einsatz neuer Technologien oder durch Aufbau einer leistungsfähigeren Vertriebsstruktur auszugleichen und so das strategische Geschäftsfeld Richtung Feld 2 oder 3 zu bewegen, während Geschäftsfelder im Feld 5 oder 9 eher zur Abschöpfung (Mittelfreisetzung) herangezogen würden. Geschäftsfelder in den Feldern 2, 3 und 6 würden als ausbaufähig angesehen werden, so daß in sie investiert werden

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

131

könnte. Normstrategien können als eine Diskussionsgrundlage für die Strategieentwicklung angesehen werden. Die Verdichtung im Rahmen der Portfoliotechnik ermöglicht es, die marktliche Positionierung der strategischen Geschäftseinheiten der Unternehmung in gesamthafter Weise darstellbar und begreifbar zu machen. Durch die mit der hohen Verdichtung verbundenen Informationsverluste und die statische Betrachtungsweise, wäre es aber auch hier problematisch, Normstrategien ohne ausführliche Hinterfragung, Diskussion und Modifikation zu übernehmen. Sie bieten aber einen guten Ausgangspunkt für die Diskussion und Erarbeitung strategischer Konzepte.

3.6.3 Technologie-Portfolio (Pfeiffer u.a.) Die beiden zuvor dargestellten Portfolio-Ansätze haben eine eher marktorientierte Ausrichtung. Technologie Portfolios tragen demgegenüber dem Umstand Rechnung, daß aufgrund der Technologiedynamik der langfristige Unternehmungserfolg von technologieintensiven Unternehmungen auch sehr stark von der Technologieposition abhängt, die eine Unternehmung in Relation zum Wettbewerb einnimmt. Auch Technologie-Portfolios sind so gestaltet, daß eine Portfoliodimension vom Unternehmen beeinflußt werden kann, während die Beeinflussung der anderen Dimension kaum möglich ist. Die relative Ressourcenstärke spiegelt Stärken und Schwächen der Unternehmung in der technischen und wirtschaftlichen Beherrschung eines Technologiegebietes in Relation zum Wettbewerb wider. Die andere Dimension, die Technologieattraktivität, verweist auf Chancen und Risiken der Technologiegebiete. Sie sind vom Unternehmen weitgehend nicht beeinflußbar. Ein Beispiel eines solchen Technologie-Portfolios findet sich bei Pfeiffer u.a.

132

Kapitel ΙΠ: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder 1

2

3

O

• 4



6

5



O 7

8



[



niedrig

9

O •

mittel

hoch Ressourcenstärke

2,3,6 1,5,9 4,7,8

Investitionsstrategie Selektive Strategie Desinvestitonsstrategie

ΓΠ

Produkttechnologie

Ç j

Verfahrenstechnologie

Abb. 3.22: Technologie-Portfolio nach Pfeiffer u.a. (Quelle: Bea, F. X./Haas, ]., 1997, S. 148)

Im Gegensatz zu Marktportfolios liegt bei Technologie-Portfolios der Fokus nicht auf den Strategischen Geschäftseinheiten und den in ihnen enthaltenen Produktgruppen, sondern auf den Produkt- und Verfahrenstechnologien als Basis dieser Produktgruppen. Während ein Markt-Portfolio nichts über die Herkunft neuer Produkte aussagt, betont das TechnologiePortfolio gerade diesen dynamischen Aspekt. Auch beim Technologieportfolio werden, wie aus Abbildung 3.22 hervorgeht, Normstrategien formuliert. Sie können dem Unternehmen eine erste grobe Orientierung für strategische Technologieentscheidungen geben, ihm die Entscheidung aber nicht abnehmen. Die konkreten Technologieentscheidungen müssen dann auf der Basis sehr viel differenzierterer Informationen und Überlegungen getroffen werden.

3.6.4 Kombinierte Markt-Technologie-Portfolios Durch Markt-Portfolios werden lediglich bestehende Produkte zweidimensional mit Dimensionen, wie z.B. Marktwachstum - Markanteil oder Marktattraktivität - relative Wettbewerbsposition, beschrieben. Diese Größen haben aber statischen Charakter, da ihre strateg i s c h e I n t e r p r e t a t i o n a u f der n i c h t h a l t b a r e n A n n a h m e e i n e r p r i n z i p i e l l e n K o n s t a n t h e i t d e r

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

133

Produkt- und Produktionstechnologien sowie der verwendeten Werkstoffe vorgenommen wird. Die Verwendung der Markt-Technologie-Portfoliomethode erlaubt nun gerade die Dynamik der Technologie strategisch zu interpretieren. Wird z.B. ein kombiniertes Markt-Technologie-Portfolio benutzt, so müssen die einzelnen Produktgruppen sowohl nach Marktkriterien als auch nach Technologiekriterien eingeschätzt werden.

••B •a co

δ

s M

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Β •a co

e

co υ "O 3>

niedrig mittel hoch relative Marktposition a

c

+J %

\,κXs

Β

V

A niedrig mittel hoch TechnoloKieprioritäten .

D

O niedrig

mittel

hoch

relative Technologieposition

Marktkriterien: 1. Attraktivität - Marktgrößenentwicklung - Wettbewerbsintensität 2. relative Position (im Vergleich zum Wettbewerb) - nutzbare Marktposition - Renditeaussichten Technologiekriterien: 1. Attraktivität - technisches Potential - typische Kosten für Fortschritt 2. relative Position - Know-how-Basis im Vergleich zum Wettbewerb - relative Kosten für Fortschritt

Abb. 3.23: Kombinierte Markt-Technologie-Portfoliomethode (Quelle: Krubasik, E.G., 1982, S. 30)

Die gemeinsame Erarbeitung der Kriterienstrukturen und die Einschätzung dieser Kriterien schaffen Transparenz und liefern eine Basis für die Diskussion zwischen F&E und Marketing, die wiederum die Wahrscheinlichkeit der Identifikation mit der letztendlich zu treffenden Entscheidung erhöht. Weiterhin wird durch die gemeinsamen Planungsaktivitäten die interpersonale Kompetenz erhöht, Verständnis für die Sichtweisen anderer aufgebaut. Wissenstransfer ermöglicht, Verständnis für unterschiedliche Länderanforderungen bewußt

134

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

gemacht usw. Auch müssen sich die am Planungsprozeß Beteiligten darüber einig werden, welche Produkt- und Prozeßtechnologien zum Einsatz kommen sollen. Die Auswahl der optimalen Technologiekombination bedingt nun allerdings nicht allein eine Bewertung alternativer Kombinationen aus Sicht der Nachfrager. Deshalb muß zur Bewertung alternativer Technologiekombinationen, d.h. mit zunehmender technologischer Komplexität, die Koordination von F&E und Marketing verstärkt werden. Dabei kann die kombinierte Marktund Technologie-Portfoliomethode zur Auswahl der optimalen Technologiekombination aus technischer Sicht und aus Sicht der Nachfrager herangezogen werden. Insgesamt scheint der Nutzen dieser Verfahren wesentlich größer als die Gefahr der unkritischen Übernahme der mit diesen Verfahren häufig verbundenen Normstrategien.

3.7 Zu den Dimensionen strategischer Geschäftsfelder Es reicht nicht aus, darauf hinzuweisen, daß strategische Geschäftsfelder hinsichtlich der Dimensionen • • • •

zu erfüllende Funktionen potentieller Kunden Kundengruppen einsetzbare Technologien zu bearbeitende Ländermärkte

abzugrenzen sind. Es müssen auch Instrumente bereitgestellt werden, die die Unternehmungen bei Funktionsanalysen, Marktsegmentierungen nach Kundengruppen, Technologieanalysen und -entscheidungen sowie Länderauswahlentscheidungen unterstützen. In den folgenden Ausführungen soll daher auf diese Aufgaben eingegangen werden.

3.7.1 Analyse und Auswahl von Funktionen potentieller Kunden Gerade bei neuen Technologien ist es oft schwierig, sie so in Produkte für die jeweiligen Geschäftsfelder umzusetzen, daß in ausreichend großen Marktsegmenten Kundenprobleme in konkurrenzfähiger Weise so gelöst werden, daß starke Präferenzen für diese Problemlösungen aufgebaut und gewinnwirksame Preise erzielt werden. Das erfordert eine gute Kenntnis der potentiellen Kunden, der in Frage kommenden Kundenprobleme und des Kundenverhaltens sowie der potentiellen und realen Konkurrenz. Oft können sich nämlich technologieintensive Produkte nicht am Markt durchsetzen, weil die komplexen Kundenprobleme dem Hersteller zu wenig bekannt sind und in seinen Produkten zu wenig berücksichtigt werden. Es geht ja meist nicht nur um eine bestimmte Funktion, z.B. das Ablängen, die durch eine bestimmte Technologie besser oder schneller gelöst werden kann als vorher. Es geht meist auch um die Einbeziehung weiterer Funktionen, wie z.B. Steuern, Messen, Entgraten, Transport usw. sowie um die kompatible Integration in eine Gesamtanlage. Ähnlich sieht es im Komponentengeschäft aus. Auch hier geht es meist nicht nur um die Technologie

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

135

der Einzelkomponente, sondern um ihre optimale technische und wirtschaftliche Integra-

tion in eine Gesamtproblemlösung. Die innovativen technischen Möglichkeiten sind daher so in Produkt- und Leistungskonzepte umzusetzen, daß ein möglichst hoher, wettbewerbswirksamer Nutzen für die potentiellen Abnehmer entsteht. Es geht auch hier wieder um Wettbewerbsvorteile, die durch technisch innovative und kundenorientierte Problemlösungen zu erarbeiten sind. Technologieintensive Unternehmen sind - gerade wegen ihrer hohen technologischen Kompetenz und der Bedeutung von hochqualifiziertem technischen Personal im Unternehmen häufig sehr stark auf ihre technologischen Kernkompetenzen konzentriert. Deshalb wird ihnen aus dieser Perspektive heraus manchmal zu wenig bewußt, daß sich gute Produkte oder Verfahren mit technischen Neuerungen nicht schon wegen der neuen technischen Problemlösung verkaufen. Für eine erfolgreiche Markteinführung technologieintensiver Produkte ist nicht entscheidend, ob gegenüber der Konkurrenz technologisch bedingte Überlegen-

heitspositionen bestehen. Wesentlich ist vielmehr, ob diese technologischen Vorteile auch kommuniziert und von den Kunden wahrgenommen werden können und ob sie in der Prioritätenskala der potentiellen Kunden einen hohen Rang einnehmen. Technische Vorteile, die von den Kunden nicht wahrgenommen oder von ihnen als unwichtig angesehen werden, können wohl kaum in Marktvorteile umgesetzt werden. Anbieter technologieintensiver Produkte und/oder Verfahren müssen diese daher in ihrer Bedeutung für den Kunden und in ihren Auswirkungen auf die Kundenproblemlösung durchdenken und die Nutzenvorteile und Nutzennachteile der neuen Problemlösung aus der Kundenperspektive zu ermitteln versuchen, um die aus Kundensicht wesentlichen Nutzenvorteile auch entsprechend herausarbeiten und kommunizieren zu können.

3.7.1.1 Gewinnung kundenbezogener Informationen Technologieorientierte Unternehmungen benötigen daher ein gutes Informationssystem, das nicht nur Informationen über das eigene Unternehmen, über Technologieentwicklungen, über Patente in den interessierenden Geschäftsfeldern und über technologische Standards gewinnt, aufbereitet und speichert. Darüber hinaus gehört es zu den Aufgaben eines solchen Informationssystems, daß kundenbezogene, technische und wirtschaftliche Informationen sowie Informationen über Strategien und Marktverhalten der Konkurrenz gewonnen, aufbereitet und gespeichert werden, um im Bedarfsfall über eine ausreichend gute Informationsplattform verfügen zu können. Eine Fülle von künden- und konkurrenzbezogenen Informationen können über den Außendienst (technische Verkäufer, Servicepersonal) gewonnen werden (vgl. Kapitel II, 3.2). In der Praxis allerdings geht ein erheblicher Teil dieser Informationen verloren, weil Außendienstmitarbeiter selten hinsichtlich der Informationsgewinnung geschult werden und weil in vielen Unternehmen keine entsprechend gut aufgebauten Berichts- und Informationssysteme existieren.

136

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Technische Verkäufer - selbst häufig Ingenieure - gewinnen in ihren Gesprächen mit den Kunden sehr differenzierte Informationen über Kundenanforderungen an die Produkte, Dienstleistungen und die Abwicklungserfordernisse. Sie erhalten Hinweise auf die wesentlichen Konkurrenten, ihre Produkt- und Verkaufsstrategien, erfahren einiges über Stärken und Schwächen der eigenen und der Konkurrenzprodukte, über Vorhaben der Kunden, technische Probleme usw. Servicepersonal kommt in vielen Fällen in die Kundenunternehmungen hinein, kann mit den Anwendern (z.B. Maschinenführer) über Stärken und Schwächen eigener und fremder Produkte sprechen, erfährt einiges über technische Vorhaben und Probleme der Kunden, über noch bestehende Unzufriedenheiten mit der Leistung usw. Auch innerbetriebliche Stellen haben häufig direkten Kundenkontakt, so z.B. der Verkaufsinnendienst, die Entwicklungsabteilung usw. Werden alle diese Informationen systematisch gesammelt und aufbereitet, so ergeben sich hier schon eine Fülle von Hinweisen, die zu einer Verbesserung in der Funktionserfullung bei bestehenden Produkten oder aber durch eine neue Kombination von Funktionen zu neuen Produkten oder Gesamtleistungen führen können. 3.7.1.2 Lead-User-Konzept Darüber hinaus wird es oft sinnvoll sein, potentielle Abnehmer bei der Entwicklung neuer Leistungskonzeptionen in einen Prozeß des Mitdenkens und eventuell des Mitentwickelns einzubeziehen. Viele neue Technologien bergen technologische Gestaltungsmöglichkeiten in sich, deren Lösungspotential für Kundenprobleme im Zeitpunkt der Entwicklung noch nicht absehbar ist. Bei der Entwicklung der Keramik als Schutzschild für Spaceshuttles war in keiner Weise voraussehbar, daß dieses Material einmal im Motorenbau, im Werkzeugbau, bei Elektrokochplatten (Ceranfelder) und Küchenmessern im Haushaltsbereich usw. eingesetzt werden würde. Bei der marketingpolitischen Umsetzung solcher Technologien zeigen viele Unternehmungen - aufgrund ihrer technologischen Ausrichtung - Schwächen. So werden mögliche Synergien zwischen Technologien und Anwendungsgebieten oft zu wenig ausgeschöpft, da marktbezogenens Wissen über die verschiedenen möglichen Anwendungsfelder fehlt oder nur partiell vorhanden ist. Das Unternehmen beschäftigt sich nicht intensiv genug mit den Anwendungsproblemen und den Marktgegebenheiten der potentiellen Kunden oder es konzentriert seine Energien auf das falsche Gebiet. Oftmals entstehen zudem Unklarheiten bzw. Fehleinschätzungen über die Größe der Bedarfspotentiale in den möglichen Geschäftsfeldern. Aufgabe des Technologie-Marketing ist es deshalb, Problemfelder potentieller Kunden aufzufinden, zu analysieren und nach jenen Problemstrukturen zu segmentieren, auf die sich das innovative Unternehmen mit seinem wirtschaftlichen und technologischen Know-how konzentrieren kann. Die Kooperation mit potentiellen Kunden ermöglicht es, Kundenfunktionen mit ihren Prioritäten deutlicher zu erkennen und für die tatsächlichen Kundenprobleme genauer passende Lösungskonzepte zu erarbeiten. Von Hippel hat die Vorteile der Zusammenarbeit mit sogenannten Lead Usern deutlich gemacht (v. Hippel 1986) und die folgende Vorgangsweise vorgeschlagen:

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

137



Der erste Schritt besteht darin, wichtige Markt- und technologische Trends in der Zielbranche zu identifizieren. Es kann aber auch schon eine vom Unternehmen entwickelte Technologie vorliegen. Dann geht es zuerst einmal darum, die möglichen Anwendungsfelder einer solchen Technologie zu identifizieren, sie hinsichtlich der Erfolgsmöglichkeiten beim Einsatz (technische Komplexität, wirtschaftliche und psychologische Barrieren, Stärke und Verhalten der Konkurrenz usw.) einzuschätzen und Vorstellungen über mögliche Marktvolumina zu entwickeln. • Im nächsten Schritt geht es um die Identifizierung potentieller Lead User d.h., solcher Abnehmer, die bereits heute aufgrund ihrer eigenen Entwicklungsaktivitäten und ihrer Bedarfsintensität eine führende Rolle in der Branche oder im Zusammenhang mit den fokussierten technologischen Trends einnehmen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, daß ein solcher Lead User in seiner für die fokussierte Technologie relevanten Problemsituation keine Sonderposition einnimmt, da man sonst mit ihm eine Problemlösung entwickelte, die nur einmal einsetzbar wäre, wie dies im Sondermaschinenbau weitgehend der Fall ist. Der Lead User soll vielmehr eine für einen größeren Kundenkreis typische Problemstruktur aufweisen, so daß man eine Problemlösung für einen größeren Kreis potentieller Kunden entwickeln und auf den Markt bringen kann. • Es folgt dann die Entwicklung einer Lead User Leistungskonzeption. Hierbei führt die Zusammenarbeit mit dem Anwender dazu, daß das Anwender Know-how in die Problemlösung einfließen kann, so daß aus Kundensicht nicht erforderliche Funktionen reduziert und von ihm für wichtig erachtete Funktionen in das Leistungspaket aufgenommen werden können. • Anschließend ist die mit dem Lead User entwickelte Leistungskonzeption noch bei anderen Anwendern auf ihre Branchenrepräsentanz hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, daß die entwickelnde Unternehmung mehr Sicherheit darüber hat, daß die technologieinduzierte Innovation auch auf erfolgversprechende Bedarfspotentiale stößt und daß das technologische Produkt möglichst gut auf die funktionalen Anforderungen dieser Bedarfspotentiale ausgerichtet werden kann. Technologische Innovationen sind nämlich dann besonders erfolgreich, wenn sie große Bedarfspotentiale möglichst genau treffen und damit deutlich wahrnehmbare Nutzenvorteile schaffen, die die Konkurrenz nicht so schnell realisieren kann (vgl. Kapitel I, 3.5). 3.7.1.3 Das Wertkettenkonzept Eine der zentralen Fragen, die marktorientierte Unternehmen sich immer wieder stellen sollten, ist die, wie die Gesamtleistung, die das eigene Unternehmen anbietet, aus der Sicht der Kunden noch attraktiver werden kann. Die Analyse der eigenen Wertkette (vgl. Kapitel II, 2.2) gibt Hinweise auf Kostensenkungsund/oder Differenzierungspotentiale und dient so der Verbesserung der eigenen Wettbewerbsstärke.

138

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Das eigene Unternehmen ist selbst aber in ein Wertkettengefüge eingebunden (vor- und nachgelagerte Wertketten), das von der Urproduktion bis zur Entsorgung der Produkte durch die Letztverbraucher reicht.

139

3. Z u r W a h l s t r a t e g i s c h e r G e s c h ä f t s f e l d e r

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Afcfc. 5.24: Beispiel der Zusammenarbeit

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Zulieferwertketten

140

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Dabei wird von Stufe zu Stufe die Wertschöpfung gesteigert. Gelingt es dem anbietenden Unternehmen durch die Analyse der eigenen Wertkette und Einflußnahme auf die Wertketten seiner Lieferanten sowie durch Analyse der Wertketten seiner Kunden und gegebenenfalls der Kunden dieser Kunden seine Gesamtleistung in ihrem Wert für die Abnehmer zu steigern, so lassen sich dadurch Wettbewerbsvorteile erzielen. Die Wertkette verdeutlicht den Gesamtwert, den ein Unternehmen durch seine wertsteigernden Aktivitäten schafft. Dieser setzt sich aus den primären und unterstützenden Wertaktivitäten und der sich aus dem Unterschied von Gesamtwert und Gesamtkosten ergebenden Gewinnsumme zusammen. Je besser ein Unternehmen die Wertkette seiner Abnehmer und der Kunden seiner Abnehmer kennt, desto ehe ist es in der Lage, den Nutzen, den ein Abnehmer aus seinen Leistungen erlangt, einzuschätzen. So kann z.B. ein Maschinenbauunternehmen Leistungscharakteristika seiner Produkte, die für die Kunden von geringer Bedeutung sind, z.B. Funktionen der Maschinen, die sehr selten benötigt werden, kostenwirksam reduzieren und dafür Leistungsanforderungen seiner Kunden, z.B. bessere Schulung der Maschinenbediener, garantierter Service innerhalb von 48 Stunden, klarer gestaltete Bedienungs- und Reparaturanleitungen, Finanzdienstleistungen usw. ausbauen und so den Kundenanforderungen besser entsprechen. Es geht also darum, die eigenen Wertkettenaktivitäten hinsichtlich möglicher Kosteneinsparungen und/oder Differenzierungs- bzw. Profilierungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den Wertketten der Kunden und der Kunden dieser Kunden zu untersuchen, um Kosteneinsparungs- und Differenzierungspotentiale herauszuarbeiten, die zu Wettbewerbsvorteilen führen. Die Wertkettenanalyse kann somit auch als konzeptioneller Bezugsrahmen für eine kundenbezogene „Konfektionierung" der Gesamtleistung angesehen werden. Die Differenzierung eines Unternehmens von seinen Konkurrenten entsteht durch die Einbeziehung der Wertketten der Kunden in die Überlegungen zur Gestaltung der eigenen Wertkettenaktivitäten und durch die Art der Beziehung zwischen der eigenen Wertkette und der der Abnehmer. Diese Beziehungen sind möglichst kundenoptimal und kostengünstig zu gestalten. Durch den Einfluß auf die einzelnen Wertkettenaktivitäten seiner Kunden kann das Unternehmen für seine Abnehmer einen kostenrelevanten oder differenzierungsrelevanten Wert schaffen. So erspart z.B. ein Zulieferunternehmen dem Abnehmer kostenintensive Qualitätskontrollen indem es sein Qualitätssystem einschließlich Qualitätskontrolle auf die Anforderungen des Abnehmers einstellt. Liefert das Unternehmen Just-in-Time, so reduziert es ebenfalls die Kosten seiner Kunden (Personal- und Kapitalkosten) und kann sich einem Konkurrenten gegenüber, der dazu nicht in der Lage ist, profilieren. Ein Zulieferer, der Komponenten oder Subsysteme so konstruiert, daß ihr Einbau wesentlich erleichtert wird, erhöht damit ebenfalls den Wert seiner Gesamtleistung, weil er seinen Kunden damit Montagekosten erspart. Ein sehr gutes Image von Zulieferprodukten kann auf das Image des Endproduktes ausstrahlen und damit wertsteigernd wirken. Schnelligkeit, Flexibilität und Zuverlässigkeit im Ersatzteildienst von Komponentenlieferanten wirken sich auch auf die Kunden der Kunden positiv aus, weil dadurch Stillstandszeiten bei den Anwendern der Endprodukte verringert und damit die Kosten gesenkt werden. Dadurch verbessert sich auch das Image der Kunden des Komponentenlieferanten (z.B. Maschinenbauunternehmun-

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

141

gen), die Verkaufsfähigkeit der Maschinen steigt. Die Kundenbindung zum Komponentenlieferanten festigt sich. Gerade bei technisch sehr anspruchsvollen Produkten können eine hervorragende Kundenberatung und Anwenderschulung für den Kunden sehr wertvoll sein und einen produktiveren Einsatz der Kernleistung ermöglichen. Hilfestellung bei der Finanzierung, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit von Kunden- und Ersatzteildienst, Anpassung von Produkten an den technischen Fortschritt, kundenbezogene Umrüstungen usw. tragen ebenfalls zu einer Werterhöhung der Gesamtleistung für den Kunden bei; zum einen, weil diese Zusatzleistungen produktivitätssteigernd und/oder kostensenkend wirken, zum anderen aber, weil sie die Verkaufsfähigkeit der Produkte der Kunden steigern. Aus diesem Grund sind nicht nur die Wertketten der unmittelbaren Kunden, sondern auch jene der Kunden der Kunden zu analysieren. Beispielhaft zeigt Abbildung 3.25 Differenzierungsmöglichkeiten für Zulieferer anhand der Wertketten der Abnehmer.

142

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Unternehmensinfrastruktur

Unterstützung sämtlicher Abnehmerbereiche durch die Geschäftsleitung. Aufbau eines Unternehmensimages des Zulieferers zur Profilierung des Abnehmers usw.

Personalwirtschaft

gute Personalausbildung

stabile Personalpolitik

Einstellung Einstellung qualifizierten qualifizierten Personals Personals

Technologieentwicklung

abnehmerorientierte Logistiktechnik

einmalige Produkteigenschaften

gute Mediaforschung

vorteilhafte Fahrzeugeinsatzplanung

Beschaffung

Transport zuverlässig

beste Qualität

Produktimage

Lager

zuliefereigene Qualitätssicherungssysteme, Qualitätskontrollen, Lagerhaltung, Just-inTimeLieferung

genaue Einhaltung der AbnehmerSpezifikationen, rasche Anpassung an Abnehmeränderungen

Einbindung der Abnehmerleistung in zuliefereigene, mehrstufige Absatzstrategien, Messebeteiligung

Eingangslogistik

Operationen

Marketing und Vertrieb

Unterstützung bei Ersatzteilund Zubehörlieferungen,

Ausgangslogistik

intensive Schulung von Kundendiensttechnikern Entwicklung fortschrittlicher Kundendienstmethoden Ersatzteile bester Qualität Unterstützung bzw. Übernahme der Serviceleistungen vom Abnehmer, Abnehmerschulung, Ersatzteillager, hohe Reichweite des Kundendienstes usw.

oO S

Kundendienst

Abb. 3.25: Differenzierungsmöglichkeiten von Zulieferern anhand der Wertkette des Abnehmers (Quelle: Müller, M. E., 1002, S. 223)

Die ermittelten Kundenanforderungen (Kundenfunktionen) sind zu systematisieren und kritisch im Management zu diskutieren. Hintergrund einer solchen Diskussion werden erst einmal die eigenen Fähigkeitspotentiale in einer Stärken-Schwächenbetrachtung im Vergleich zur relevanten Konkurrenz sein. Zudem muß bei der Zusammenstellung kundenbezogener Leistungspakete von der gewählten Wettbewerbsstrategie und dem Marketingkonzept ausgegangen werden. Ausschlaggebend wird dabei auch die Frage sein, wie in bestimmten Kundensegmenten die Konkurrenten mit ihren Leistungen positioniert sind und wie das eigene Unternehmen positioniert werden soll (z.B. kompetenter Problemloser oder Technologiespezialist oder kostengünstiger Anbieter einfacher Produkte usw.). Kundenfunktionen müssen daher segmentspezifisch, oft länderspezifisch und auch im Hinblick auf ihre technische Umsetzbarkeit sowie die dabei entstehenden Kosten diskutiert werden, so daß das mehrdimensionale Entscheidungsfeld (Abell, Schneider) sehr viel Spielraum für kreative P r o b l e m l ö s u n g e n ermöglicht. S o kann z . B . auf d e m Hintergrund der

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

143

Kenntnis segmentspezifischer Kundenanforderungen die Idee entstehen, Technologien in ganz neuer Weise zu einer Problemlösung zu integrieren und so überlegene Produkte auf den Markt zu bringen. Ein Maschinenbauunternehmen kann z.B. im Rahmen der Analyse von Kundenfunktionen feststellen, daß ein zentrales Problem seiner Kunden weniger darin besteht, eine bestimmte Maschine zu kaufen, sondern eher darin, die Vernetzungsprobleme von Information, Logistik, Produktion und flexibler Kundenbearbeitung möglichst optimal zu lösen. Die Folgen könnten eine Kooperation oder eine Fusion mit einem Software-House und ein dienstleistungszentriertes Angebot an die Kunden und damit eine völlige Neupositionierung der Unternehmensleistungen und des Unternehmens sein.

3.7.2 Zur Auswahl von Kundengruppen Eine der zentralen Fragen bei der Abgrenzung von Geschäftsfeldern der Unternehmungen ist die nach den Kundengruppen, für die auf der Basis des technologischen Know-hows, der Ressourcen der Unternehmung und ihrer sonstigen Stärken und Schwächen Problemlösungen angeboten werden sollen. In der Wahl dieser Kundengruppen ist das Unternehmen daher nicht völlig frei. Die Auswahl wird durch die technische Ausstattung, das vorhandene Know-how, die Ressourcensituation, durch erkennbare Chancen und Risiken usw. begrenzt. Ein beliebiger Wechsel in fremde Geschäftsbereiche kann zu erheblichen Problemen führen, z.B. weil das Marketing Know-how für diese Bereiche fehlt, weil es nicht nur um die Lösung technischer Probleme im engeren Sinne, sondern um komplexe Problemlösungen geht, die technische, wirtschaftliche, designrelevante u.a. Komponenten enthalten können. Oft stellen auch bestehende Distributionssysteme und mangelnde Kundenkontakte in diesen Bereichen erhebliche Markteintrittsbarrieren dar. Die Schwierigkeiten des Wechsels von Geschäftsfeldern kann man deutlich bei Unternehmen des militärischen Bereichs erkennen, die versuchen, sich auf zivile Märkte umzustellen. Mögliche Kundengruppen sind daher sehr sorgfältig daraufhin zu untersuchen, ob sie mit den Fähigkeits- und Ressourcenpotentialen der Unternehmung wettbewerbswirksam und erfolgreich bearbeitbar sind. Erste Hinweise für die Suche nach Kundengruppen und Kundenproblemen lassen sich aus der Analyse des Know-how- und Ressourcenpotentials der Unternehmung gewinnen. Denn diese Potentiale bieten Anhaltspunkte für wettbewerbsfähige Kundenproblemlösungen. So kann z.B. ein Keramikhersteller darüber nachdenken, in welchen Branchen er Kundenprobleme besser als bisher mit Hilfe dieses Materials lösen kann und so erste Entwicklungsprojekte mit Lead-Usern beginnen. Ein Spezialist für Metallegierungen erkennt etwa, daß die Brennkammern von Düsentriebwerken mit einer bestimmten Legierung wirtschaftlicher arbeiten als bisher und versucht, in dieser Branche seine Position auszubauen usw. Die Suche nach bearbeitbaren Kundengruppen ist mit der Frage verbunden, ob mit bestehenden Kernkompetenzen und/oder mit neuen technologischen Entwicklungen Wettbewerbsvorteile in den für diese Technologien in Frage kommenden Anwendungsbereichen erzielbar sind. Die Identifizierung der für die Unternehmung relevanten Käufergruppen ist kein einfaches, eindimensionales Auswahlproblem. Der Auswahlprozeß wird eher im Wege eines mehrstu-

144

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

figen Vorgehens erfolgen müssen. In der Literatur wird häufig zweistufig vorgegangen. Dabei geht es in den ersten Schritten darum, in eher grober Weise Anwendergruppen für die Technologien festzulegen. Hilfe bei der Auswahl können oft Brancheneinteilungen geben, z.B. für die Lasertechnologie als Anwenderbranchen die blechverarbeitende Industrie, andere metallbe- und verarbeitende Industrien, Betonfertigteilindustrie, medizintechnische Industrie usw. Die Auswahl größerer Anwenderbereiche oder Anwenderbranchen ist in der Regel für eine gezielte Marktbearbeitung noch nicht ausreichend, da die Kundenanforderungen an die Marktleistung und oft auch das Kundenverhalten stark differieren. Daher kann es sinnvoll sein, diese groben Kundengruppen noch einer weiteren Marktsegmentierung zu unterziehen. Die Aufgabe der Marktsegmentierung besteht darin, einen an sich heterogenen Gesamtmarkt so in Teilmärkte - Marktsegmente - aufzuteilen, daß die potentiellen Kunden dieser Teilmärkte gleichartiger als der Gesamtmarkt auf Marketingaktivitäten des Unternehmens reagieren. Es wird daher die Anforderung an die Marktsegmente gestellt, daß sie in sich möglichst homogene, untereinander jedoch möglichst heterogene Ausprägungen in den kaufverhaltensrelevanten Kriterien aufweisen sollen. Durch die im Zuge der Marktsegmentierung erfolgte Gruppierung der potentiellen Kunden in - im Vergleich zum Gesamtmarkt - homogener reagierende potentielle Kundengruppen, können die absatzpolitischen Instrumente besser auf die Besonderheiten und Ansprüche dieser Segmente abgestimmt werden. Einerseits wird dadurch eine Verbesserung des Wirkungsgrades der Marketinginstrumente erreicht. Andererseits werden Streuverluste insbesondere in der Kommunikationspolitik, aber auch in der Distributionspolitik (z.B. Außendienst) deutlich verringert. Damit einhergehend dient die Marktsegmentierung auch der Verbesserung des Informationsstandes über marketingrelevante Strukturen und Daten sowie als Grundlage für Entscheidungen über differenzierte oder undifferenzierte Marktbearbeitung und die Auswahl von Marktsegmenten. Damit ergeben sich für die Marktsegmentierung drei Aufgabenfelder • • •

Die eigentliche Aufteilung des Gesamtmarktes in homogenere Teilmärkte (Markterfassungsstrategie) Die Auswahl der zu bearbeitenden Marktsegmente (Marktauswahlstrategie) Die Entscheidungen über die Art der Bearbeitung der ausgewählten Segmente (Marktbearbeitungsstrategie)

3.7.2.1 Ablaufmöglichkeiten einer Marktsegmentierung Ein Beispiel für eine zweistufige Vorgehensweise findet sich bei Wind/Cardozo. Im ersten Segmentierungsschritt wird eine Aufteilung des Gesamtmarktes mit Hilfe von leicht erkenn-

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

145

baren und ermittelbaren Kriterien, wie Branche, Unternehmensgröße, Standort usw. durchgeführt. Die auf der Basis solcher Kriterien identifizierten Marktsegmente sind nun auf dem Hintergrund von Stärken-Schwächen-Analysen, Chancen-Risiken-Analysen und den Unternehmungszielen z.B. mit Hilfe von Punktbewertungsverfahren auszuwählen. Stellt sich diese Form der Segmentierung als ausreichend heraus, kann das Verfahren der Segmentauswahl abgebrochen werden. Sind die Segmente aber zu heterogen strukturiert, so daß auf dieser Basis eine erfolgversprechende Marktbearbeitung wenig aussichtsreich erscheint, so sind die gewonnen Segmente weiter in homogenere Teilmärkte aufzugliedern (vgl. Abbildung 3.26). Anschließend ist wiederum eine Bewertungs- und Auswahlphase anzuschließen, in die Bearbeitungsmöglichkeiten der Segmente einzubeziehen sind.

146

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Gegebenes Produkt/Dienstleistung

Untemehmensziele und Ressourcen

START I Identifiziere Makrosegmente aufgrund wichtiger organisationaler Kriterien wie: - Unteraehmensgröße - Verwendungshäufigkeit - Anwendungsbereich des Produkts - Klassifikation] kategorie der Verwenderbranche, des Letztverbraucher-Sektors - Organisationsstruktur - Standort - Neukauf (oder) Wiederholungskauf WShle „akzeptable" Makrosegmente aus. Bewerte die einzelnen ausgewählten Makrosegmente daraufhin, ob sie eine unterschiedliche Reaktion auf die Marketing-Aktionen des Anbieter» zeigen.

Wenn ja, so: STOP ! Verwende die Makrosegmente als Zielsegmente.

Wenn nicht, identifiziere innerhalb der akzeptierten Makrosegmente die relevanten Mikrosegmente (also solche mit homogenen Reaktionen) aufgrund wichtiger Merkmale der Entscheidungsbeteiligten. Dieses Merkmal kann ein Lieferantenauswahlkriteriura oder ein anderes Merkmal des Entscheidenden sein, z.B.: - Stellung in der Hierarchie und im Kommunikationssystem der Unternehmung - Persönliche Charakteristika: demographische Merkmale, Persönlichkeitsmerkmale - Kaufbedeutung in der Einschätzung des Kaufbeteiligten - Relative Bedeutung bestimmter Kaufentscheidungsdetermioanten für die Kaufbeteiligteo - Einstellung gegenüber dem Lieferanten - Entscheidungsregeln der Kaufbeteiligten Wähle die Ziel-Mikrosegmente unter Berücksichtigung der Kosten und des Nutzens aus, die damit verbunden sind, sie zu erreichen. Identifiziere das vollständige „Profil" des Segments, das sieb zusammensetzt au« organisational Merkmalen und solchen der einzelnen Entscheidungsträger

Abb. 3.26: Ablaufschema einer zweistufigen Marktsegmentierung Engelhardt W.H./Günter, B„ 1981, S. 91)

(Quelle: Wind, YJCardozo, R.N., 1974, S. 156,

147

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

Für High-Tech-Märkte wird von Strothmann/Kliche ein Vorgehen vorgeschlagen, das der Marktsegmentierung bei Wind/Cardozo ähnelt:

Metallverarbeitung MakroSegmentierung:

Branche

Maschinenbau Elektrotechnik

HIP = Unternehmen mit hohem Innovationspotential

Abgrenzung der Unternehmen unter Anwendung der Kriterien:

MIP = Unternehmen mit mittlerem Innovationspotential

- Innovationstyp - Branche - Unternehmensgröße

NIP = Unternehmen mit niedigem Innovationspotential

Abb. 3.27: Zweistufige

Marktsegmentierung

für High-Tech-Anbieter

(Quelle:

Strothmann,

K.H./Kliche,

M., 1989, S.

87)

Für die Zwecke einer groben Abgrenzung von Geschäftsfeldern reicht die Identifizierung von Makrosegmenten häufig aus. Für eine weitere Segmentierung kann auf das Informationssystem, insbesondere das Außendienstberichtsystem, die Funktionenanalyse und andere Quellen zurückgegriffen werden. Innerhalb jedes Makrosegments ist zu überprüfen, ob sich Kundengruppen identifizieren lassen, die sehr ähnliche Anforderungen an die Problemlösung stellen, wobei die Anforderungen unterschiedlicher Kundengruppen dann untereinander heterogen sind. Sofern sich diese Unterschiede zwischen Kundengruppen auf wenige wesentliche Merkmale beschränken, kann eine solche Analyse ohne den Einsatz aufwendiger Verfahren durchgeführt werden. Es kann hierfür z.B. die Profilmethode eingesetzt werden. Für jedes Segment sind dann u.a. die Segmentgröße, die Konkurrenzsituation und die Preisbereitschaft einzuschätzen und zu überlegen, ob und in welcher Weise kleinere Segmente so zusammenzulegen sind, daß diese innerhalb der eigenen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten mit Hilfe des Marketinginstrumentariums sinnvoll bearbeitet werden können. Segmentspezifisch sind dann Marketingstrategien zu erarbeiten.

148

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Im Rahmen der Marktsegmentierung (im Ablaufschema Wind/Cardozo die Mikrosegmentierung) können aber Probleme dadurch entstehen, daß die Zahl kaufbeeinflussender Variabler zu groß ist und daß eine Reihe von Variablen interkorrelieren (gegenseitig abhängig sind). In einem solchen Fall ist eine einfache, übersichtliche und klare Verarbeitung der Variablen aufgrund der unzureichenden menschlichen Verarbeitungskapazität nicht mehr möglich. Mit Hilfe der Marktforschung und multivariaten Analyseverfahren kann auch dieses Strukturierungsproblem gelöst werden. Idealtypischer Weise läuft ein solcher Marktsegmentierungsprozeß in folgenden Stufen und Phasen ab. Stufe 1: Grobselektion von potentiellen Kundengruppen In einem ersten Schritt werden jene Anwenderbranchen oder Branchenbereiche herausgefiltert, für die aufgrund der bestehenden technologischen Basis Wettbewerbsvorteile erwartet werden können. Diese Branchen und Branchenbereiche sind in einem weiteren Schritt - zumindest grob hinsichtlich technischer (z.B. technische Realisierbarkeit, Vor- und Nachteile aus technischer Sicht gegenüber Konkurrenzprodukten, Restriktionen, z.B. durch Patente der Konkurrenz usw.) und wirtschaftlicher Faktoren (z.B. Marktgröße, Marktwachstum, Eintrittsbarrieren, Konkurrenzintensität, Preisniveau usw.) zu bewerten und zu reihen. Hintergrund dieser Analyse bildet wiederum die Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Analyse (SWOTAnalyse). Dabei sind auch Synergien mit den bisher bearbeiteten Geschäftsfeldern zu berücksichtigen. Als instrumentelle Hilfe können hierbei Punktbewertungsverfahren, Profilmethode und Portfoliomethode eingesetzt werden. Auf dieser Grundlage ist dann eine erste Grobauswahl vorzunehmen, um das Entscheidungsfeld deutlich einzuschränken. Die im Rahmen der Grob- oder Vorselektion ermittelten Kundengruppen sind in der Regel im Hinblick auf ihr Kaufverhalten und ihre an die Leistung der Anbieter gestellten Ansprüche noch zu heterogen, um sie mit einem einheitlichen Marketingkonzept bearbeiten zu können. Aus diesem Grund können mit Hilfe der Marktforschung die Anspruchsprofile der Kunden ermittelt und über eine multivariate Verarbeitung einer Segmentierung zugeführt werden. Stufe 2: Marktsegmentierung 1. Vorbereitungs- und Pretestphase: Die kaufentscheidungsrelevanten Kriterien werden im Rahmen einer Voruntersuchung mit Hilfe kleiner, aber für die Grundgesamtheit möglichst „repräsentativer" Stichproben ermittelt. Dabei ist darauf zu achten, daß nicht nur Einkäufer, sondern auch andere entscheidungsrelevante Personen (zum Buying-Center-Konzept vgl. Kapitel IV, 4.1.1) - z.B. Techniker, die das Produkt nutzen sollen - über die für ihre Kaufentscheidung wesentlichen Kriterien befragt werden. Die so ermittelten Kriterien werden in der Form eines skalierten Fragenkatalogs - meist 5- oder 7-stufige Ratingskalen, die die Einstufung des jeweiligen Kriteriums in seiner Wichtigkeit für die Kaufentscheidung von ζ. B. völlig unwichtig bis überragende

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

149

Bedeutung ermöglichen (Abbildung 3.28) - in den Fragebogen integriert. Unterstellt wird dabei, daß die Skalenstufen gleich breit sind, also ein Intervallskalenniveau vorliegt. In den Fragebogen werden daneben auch Kriterien aufgenommen, die später eine leichtere Identifikation des jeweiligen Unternehmens hinsichtlich seiner Segmentzugehörigkeit durch sogenannte Außenkriterien (wie z.B. Branche, Größe der Unternehmung, private oder öffentliche Unternehmung usw.) ermöglichen.

150 1.

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder Wie wichtig sind Ihnen die nachfolgend genannten Kriterien? Kriterien bei der Auswahl Ihres Investitionsobjektes.

Kriterien:

überaus wichtig

Vollständige technische Zuverlässige

eher wichtig 2

Dokumentation

Ersatzteillieferung

Beurteilen

weder/noch 3

2

3

Qualifizierte Beratung

2

3

Überzeugende

2

3

Gute Vertrauensbasis

2

3

Ansprechendes

2

3

Kurze Lieferzeit bei Disposition

2

3

Transparenz der Zuständigkeit

2

3

Besondere

2

3

2

3

Referenzen

Design

Zahlungsbedingungen

System-Leasing

2.

Sie die Wichtigkeit

weniger wichtig 4

sehr gut

gut

mittelmäßig

Vollständige technische Dokumentation

1

-

2

-

3

Zuverlässige Ersatzteillieferung

1

-

2

-

3

Qualifizierte Beratung

1

-

2

-

3

Überzeugende Referenzen

1

-

2

-

3

Gute Vertrauensbasis

1

-

2

-

3

Ansprechendes Design

1

Kurze Lieferzeit bei Disposition

1

Transparenz der Zuständigkeit

1

Besondere Zahlungsbedingungen

1

System-Leasing

1

schlecht

genannten

übenhaupt nicht wichtig

In welchem Ausmaß werden die genannten Kriterien beim Kauf eines Investitionsobjektes durch XY erfüllt? Beurteilen Sie den Erfüllungsgrad der genannten Kriterien durch den A nbieter XY.

Kriterien:

der

Anbieter

sehr schlecht

Die einzelnen Punktwerte werden anschließend zur Veranschaulichung in ein Ergebnisprofil eingetragen, wie die nachfolgende Grafik zeigt. Die punktierte Linie markiert die Punktwerte aus Frage 1 (Wichtigkeit), die durchgezogene Linie markiert die Punktwerte aus Frage 2 (Erfüllungsgrad durch Anbieter XY). Durch die Zusammenschau beider Linie kann man erkennen, ob Anbieter XY in den dem Käufer wichtigeren Kriterien gut abschneidet oder nicht. Idealerweise sollten Wichtigkeit und Erfüllungsgrad korrespondieren.

Abb. 3.28: Beispiel für Fragestellungen

zur

Marktsegmentierung

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder Entscheidungskriterien:

151 1

-

2

-

3

-

4

-

5

Abb. 3.29: Ergebnisprofil, adaptiert nach Uebele/Köhler (1983)

Der Fragebogen wird sodann in einer Voruntersuchung an einigen Unternehmen getestet und falls erforderlich korrigiert. Bei der Stichprobenstruktur und Stichprobengröße ist darauf zu achten, daß die Stichprobe in ihrer Struktur der Verteilung der für den Untersuchungszweck relevanten Merkmale der Grundgesamtheit entspricht und daß die Anzahl der befragten Untersuchungseinheiten für das beabsichtigte Auswertungskonzept ausreicht. 2. Erhebungsphase: Der fertiggestellte Fragebogen wird den laut Auswahlplan zu befragenden Unternehmungen zur Beantwortung vorgelegt. Aus diesen Unternehmungen werden Personen der kaufmännischen und technischen Bereiche ausgewählt, von denen man annimmt, daß sie wesentlichen Einfluß auf die Kaufentscheidung haben. Aus Kostengründen wird häufig der Weg der schriftlichen Befragung gewählt. Probleme können sich aufgrund einer zu geringen Rücklaufquote ergeben, was die Repräsentanz der Stichprobe im Hinblick auf die Grundgesamtheit erheblich beeinträchtigt (Makrostruktur). Durch vorherige telefonische Vorinformation

152

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

der in der Stichprobe enthaltenen Unternehmungen und eventuelles telefonisches Nachfassen kann die Rücklaufquote aber ganz erheblich verbessert werden. Darüber hinaus wird es sehr schwierig, die „durchschnittliche" oder „repräsentative" Rollenstruktur der Buying Center der Unternehmungen (Mikrostruktur) der Grundgesamtheit abzubilden. Zumindest aber sollten in den zu befragenden Unternehmungen Personen aus unterschiedlichen Funktionsbereichen (z.B. Beschaffung, Produktion, F&E, Controlling usw.), die erfahrungsgemäß solche Kaufentscheidungen beeinflussen, in die Untersuchung einbezogen werden. 3.

Auswertungsphase:

Die gewonnenen Daten werden meist mit Hilfe eines statistischen Auswertungsprogrammpakets, wie z.B. SPSS - „Statistical Package For Social Sciences", analysiert und mit verschiedenen statistischen Prozederen verarbeitet. Eine Reihe von multivarianten Verfahren bietet sich dafür an. Im folgenden werden drei Verfahren beispielhaft kurz skizziert: A) Faktorenanalyse: Im Anschluß an die Erhebung erfolgt eine faktorenanalytische Untersuchung der Daten. Die Faktorenanalysemethoden sind eine Gruppe von multivariaten Verfahren, die besonders dann angewandt werden, wenn angenommen werden kann, daß eine Reihe von Variablen in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen und es darum geht, „etwas über die Struktur des Zusammenhangs einer Menge von meßbaren Variablen zu erfahren" (Überla, K., Faktorenanalyse, 1971, S. 89). Es wird dann geprüft, ob sich die vorliegenden, komplexen Datenmengen auf eine geringere Zahl voneinander unabhängiger Dimensionen reduzieren lassen. Entscheidungsspielräume ergeben sich hier hinsichtlich der Wahl des Faktorenanalyseverfahrens, des Kriteriums zur Eingrenzung der Faktorenzahl und der Interpretation der Faktoren.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

Variablen

Faktoren

Meßbare Beobachtungsgrößen Vordergrund

Nicht meßbare Einflußgrößen Hintergrund

153

Abb. 3.30: Das Zueinander von Variablen und Faktoren (Quelle: Überla, K., 1971, S. 4)

Die komplexe Datenmenge wird durch Aufstellung einer Korrelationsmatrix, die die Korrelationskoeffizienten als Maß der Zusammenhänge aller Variablenkombinationen enthält, mit Hilfe dieses Verfahrens auf eine geringere Zahl von unabhängigen Faktoren reduziert. Die Faktoren stellen eine vereinfachte Struktur dar, die die vorliegenden Daten möglichst gut reproduzieren soll, aber mit einem Informationsverlust verbunden ist, der nicht zu groß werden sollte. B) Clusteranalyse Aufbauend auf den Ergebnissen der Faktorenanalyse kann eine Clusteranalyse durchgeführt werden. Es geht in diesem Verfahren darum, eine Menge von Objekten (Unternehmungen, staatliche Stellen oder sonstige Käuferorganisationen) im Wege der Ähnlichkeitsanpassung so zu typisieren, daß in Bezug auf bestimmte Merkmale (Faktoren) relativ ähnliche Objekte zu Gruppen zusammengefaßt werden. Dabei sollen die Unterschiede der Objekte hinsichtlich der Faktorenausprägungen innerhalb eines Clusters möglichst gering und zwischen den Clustern möglichst groß sein. Festzulegen sind dabei das zu verwendende Ähnlichkeitsmaß, der zu wählende Clusteralgorithmus und die Abbruchkriterien zur Bestimmung der Clusteranzahl. Die Clusteranalyse zeigt Muster von Segmentierungsmöglichkeiten auf. Diese Segmentierungsvorschläge müssen noch aus Unternehmungs- und Marktperspektive interpretiert werden, ehe die Unternehmung sich für eine bestimmte Cluster- bzw. Segmentzahl entscheidet, um diese Segmente dann jeweils mit einem eigens auf sie zugeschnittenen Marketingprogramm zu bearbeiten.

154

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

In der folgenden Abbildung ist die vereinfachte Struktur einer hierarchischen Clusterbildung dargestellt. In diesem Beispiel werden zwei Segmentierungsmöglichkeiten, mit 3 oder mit 6 Segmenten angeboten.

Abb. 3.31: Beispiel für das Prinzip hierarchischer

Clusterbildung

155

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder Faktorenwerte

-1 Cluster 3 Faktor 1



Faktor 2 Faktor 3 Faktor 4

Faktor 5

-0,5

+0,5 Cluster 1

+1

Cluster 2

—A

··

¿fS

Faktor 6

Faktor 7

Faktor 8

Abb. 3.32: Beispiel für drei Clusterprofile (durchschnittliche Faktorwerte )( Quelle: Uebele, H., 1984, S. 167)

x2 (z.B. Bewertungsfaktor 2)

• xl (z.B. Bewertungsfaktor 1)

Abb. 3.33: Vereinfachtes Beispiel für die Segmentabgrenzung durch eine Clusteranalyse ( Quelle: Uebele, H., 1984, S. 167)

156

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Man weiß jedoch auf der Basis dieser Analyse noch nicht, welche Abnehmerorganisationen den einzelnen Clustern zuzuordnen sind. Dadurch wird die Zielung der Marketingmaßnahmen zum Problem, da eine Selbstselektion potentieller Kunden, ähnlich wie im Konsumgütermarketing, häufig nicht vorausgesetzt werden kann. Dort ist es ja in der Regel so, daß nicht der einzelne Kunde segmentspezifisch angesprochen wird, sondern daß er sich aufgrund seines Medienverhaltens, seiner Präferenzen und Einkaufsgewohnheiten selbst das Geschäft und das Produkt seiner Wahl sucht. Bei der Vermarktung von Investitionsgütern scheidet der Weg der Selbstselektion durch die Kunden meist weitgehend aus. Komplexe technische Produkte werden ja in der Regel nicht über ähnliche Distributionskanäle, wie Konsumgüter, z.B. Supermärkte, vermarktet, bei denen sich dann der Kunde Geschäftstyp und Produkt selbst aussucht. Investitionsgüter-Hersteller orientieren sich vielmehr in ihren Angeboten - viel stärker als im Konsumgüter-Bereich - an individuellen Kundenerwartungen. So erfolgt meist eine kundenindividuellere Ansprache durch kundenspezifische Leistungsangebote (die sich zumindest in Teilaspekten von den Angeboten an andere Kunden abheben), durch auf die Kunden zugeschnittene Kommunikationsmaßnahmen sowie durch künden- und angebotsbezogene Vertrags- und Preisgestaltung. In der Regel steht ein Anbieter von Investitionsgütern auch einer deutlich geringeren Anzahl potentieller Kunden gegenüber als das bei Konsumgütern der Fall ist. Zudem ist auch die geographische Streuung der Abnehmer meist viel breiter. Es bedarf deshalb einer Strategie der kontrollierten Zielung, bei der Kunden segmentspezifisch in einer bestimmten Weise umworben und mit auf sie zugeschnittenen Angeboten angesprochen werden sollen. C) Diskriminanzanalyse Aus diesem Grund werden im Fragebogen auch Kriterien erhoben, die auch bei jenen Unternehmungen der relevanten Grundgesamtheit, die nicht in die Stichprobe fielen, leicht zu ermitteln oder bereits bekannt sind (sog. Außenkriterien), wie Branche, Unternehmungsgröße, Art der Verwendung, Art der Organisation z.B. private oder öffentliche Unternehmung usw. Es wird nun versucht mit Hilfe des Verfahrens der Diskriminanzanalyse, einen Zusammenhang zwischen Segmentzugehörigkeit und den Außenkriterien zu ermitteln. Dieses Verfahren analysiert die Abhängigkeit einer nominalskalierten Variablen (Zugehörigkeit zu den jeweiligen Marktsegmenten) und verschiedenen unabhängigen Variablen (Außenkriterien). Die multiple Diskriminanzanalyse, die bei Zuordnungen zu mehr als zwei Segmenten eingesetzt wird, versucht durch die Auffindung mehrerer Linearkombinationen der unabhängigen Merkmale (der Außenkriterien) die Frage zu klären, welchem Segment (Cluster) eine potentielle Kundenorganisation aufgrund ihrer Merkmalskombination hinsichtlich der gewählten Außenkriterien zuzuordnen ist. Das geschieht dadurch, daß Diskriminanzfunktionen so in den Koordinatenraum gelegt werden, daß die auf sie projezierten Häufigkeitsverteilungen, eine möglichst geringe Überschneidungen aufweisen und in sich möglichst hoch verdichtet sind. Für den Zwei-Gruppen-Zwei-Variablen-Fall läßt sich das folgendermaßen darstellen:

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

157

X2

Gruppe A: z.B. PKW-Besitzer der Marke A Gruppe B: z.B. PKW-Besitzer der Marke Β

Abb. 3.34: Graphische Darstellung des Trennproblems der Diskriminanzanalyse in zwei-Gruppen-Zwei-VariablenFall (Quelle: Böhler, H„ 1977, S. 176)

Der Drei Gruppen-Fall wird durch folgende Abbildung demonstriert:

158

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Abb. 3.35: Trennung von drei Gruppen mit Hilfe von zwei Diskriminanzfunktionen Ficher, Chr., 1985, S. 186)

yl undy2 (Quelle:

Schuchard-

Die Gesamtvarianz aller Merkmalswerte soll so aufgeteilt werden, daß die Quadratsummen der Abweichungen gruppenintern minimiert und gruppenextern maximiert werden. Die Lösung der Zielfunktion, die nur noch durch die Anwendung der Matrix-Algebra zu erreichen ist, wird durch die Bildung der partiellen Ableitungen nach allen Diskriminanzkoeffizienten bestimmt. Die Zahl der zu bildenden Diskriminanzfunktionen hängt von der Zahl der Marktsegmente und der Zahl der verwendeten Außenkriterien ab und kann die Summe der Außenkriterien (unabhängige Variablen) und die um eins verminderte Segmentzahl nicht übersteigen. Durch die Diskriminanzfunktion sind die Kombinationen der Außenkriterien, die zur Zuordnung in die einzelnen Segmente führen, bekannt. Die potentiellen Kunden können so den einzelnen Segmenten zugeteilt werden. Zusammenfassend kann der Ablauf der Marktsegmentierung wie im folgenden Beispiel schematisch dargestellt werden:

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

159

Abb. 3.36: Darstellung des schrittweisen Ablaufs einer Marktsegmentierung (Quelle: Uebele, H., 1984, S. 169)

Auf der Basis der durch die Marktsegmentierung bereitgestellten oder ermittelbaren Informationen über Segmente, deren Eigenschaften, deren Besetzung mit potentiellen Käuferorganisationen und deren voraussichtüche Segmentvolumina kann nun eine Auswahl der zu bearbeitenden Segmente und die Erarbeitung der auf die Segmenteigenschaften zugeschnittenen Marketingstrategien erfolgen. Die skizzierten statistischen Verfahren sind besonders dort einzusetzen, wo Märkte und Marktverhalten durch neue Produkte nicht wesentlich geändert werden. Der Einsatz der Marktsegmentierung mit empirisch-statistischen Methoden ist jedoch bei neuen technologischen Produkten mit veränderten Einsatzbedingungen und gänzlich neuen Leistungsprofilen problematisch, da in einem solchen Falle Einstellungen und Anforderungen der Vergangenheit nicht ohne weiteres auf die Zukunft übertragen werden können. Im Wege der Befragung wird ja vor allem das augenblickliche Nachfrageverhalten erhoben und einer Segmentierung zugeführt. Neue Technologien und neue Produkte können aber Einstellungen zu und Erwartungen an Produkteigenschaften sehr gravierend verändern und damit zu einem ganz anderen Nachfrageverhalten und neuen Marktabgrenzungen führen. Daher haben Segmentierungsverfahren auf der Grundlage empirisch-statistischer Methoden eher entscheidungsanregenden Charakter. Diese Verfahren eröffnen Unternehmen auf der Grundlage von Strukturierungsvorschlägen Möglichkeitsräume für Entscheidungen, können aber dem Management die Entscheidung nicht abnehmen. 3.7.2.2 Segmentspezifische Marktbearbeitungsstrategien Die Auswahl von Marktsegmenten und die Entwicklung von Marktbearbeitungsstrategien sind aufeinander bezogene Entscheidungsschritte. Die Auswahl einzelner Marktsegmente, in die Kriterien, wie Segmentgröße, segmentspezifische Wettbewerbsvorteile, Preissituation im Segment, Erreichbarkeit der Kunden usw. einfließen, setzt schon Vorüberlegungen über grundsätzliche Möglichkeiten der Marktbearbeitung hinsichtlich Marktabdeckung und Diffe-

160

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

renzierungsgrad des Instrumentaleinsatzes voraus. Die folgende Matrix gibt hierfür eine erste, grobe Orientierungshilfe:

Marktbearbeitung

Undifferenziert

Differenziert

Vollständig

Undifferenziertes Marketing (1)

Differenziertes Marketing (2)

Teilweise

Konzentriertes Marketing (3)

Differenziertes Marketing (einzelne Segmente) (4)

Abdeckung des Marktes

Abb. 3.37: Segmentspezifische

Marktbearbeitungsstrategien

1. Die undifferenzierte Marktbearbeitung entspricht dabei weder dem Konzept der Marktsegmentierung, noch dem Grundgedanken des Marketingkonzepts, das bei den Kundenproblemen ansetzt. Sie versucht vielmehr auf der Basis von Erfahrungskurveneffekten Kostendegressionen - insbesondere in Produktion und Absatz - zu realisieren. Leitlinie einer solchen Politik ist das Erreichen einer gegenüber der Konkurrenz günstigeren Kostensituation, wobei allerdings Qualität und Service nicht vernachlässigt werden dürfen (Kostenführerschaft) (vgl. Kapitel III, 1.2). Die Wettbewerbsstrategie der Kostenführerschaft ist jedoch nicht mit dem undifferenzierten Marketing gleichzusetzen, da Kostenführerschaft nicht nur mit einer undifferenzierten, sondern auch mit einer differenzierten Bearbeitung des Gesamtmarktes vereinbar ist. 2. Das differenzierte Marketing versucht mit segmentspezifischen Marketing-MixProgrammen alle Marktsegmente zu erfassen und so den Gesamtmarkt zu bearbeiten. Die Leitidee des Marketing - Orientierung der marketingpolitischen Instrumente an den Kunden, ihren Problemen und Einstellungen wird hier eher zu verwirklichen sein. In wettbewerbsstrategischer Hinsicht ist eine differenzierte Bearbeitung des Gesamtmarktes auch mit der Kostenführerschaft vereinbar. Um einen umfassenden Kostenvorsprung zu erzielen, sind ein hoher Marktanteil und/oder andere kostenbeeinflussende Vorteile (z.B. Vorsprünge in der Verfahrenstechnologie) erforderlich. Es kann durchaus notwendig sein, das Produktdesign einem möglichst einfachen Herstellungsprozeß anzupassen, ein breiteres Sortiment von gleichartigen Produkten beizubehalten (um über gemeinsame Module, Baugruppen usw. Kostensenkungseffekte zu erzielen), oder alle bedeutenden Abnehmergruppen zu bedienen (um hohe Mengen zu erzielen). Das differenzierte Marketing ist aber vor allem mit einer Differenzierungsstrategie (vgl. Kapitel ΠΙ, 1.1) im

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

161

Sinne Porters kompatibel, bei der es darum geht, die Produkte des Unternehmens von der Konkurrenz abzuheben „und damit etwas zu schaffen, das in der ganzen Branche als einzigartig angesehen wird" (Porter). Diese Profilierungsstrategie gegenüber der Konkurrenz wird dabei nicht nur die Produkte für die verschiedenen Segmente, sondern auch Dienstleistungen, wie Beratung, Schulung, Service und Ersatzdienst, weiterhin den Einsatz von Außendienstmitarbeitern, die Kommunikations- und Kontrahierungspolitik umfassen. Diese Strategie bindet die Kunden nicht aufgrund von niedrigen Preisen, sondern ermöglicht ein gehobenes Preisniveau auf der Basis von Leistungsvorsprüngen. Die Marktsegmentierung wird jedoch bei Kostenführerschaft und Differenzierung sehr unterschiedlich gestaltet sein. Kostenführer werden im Rahmen ihrer Segmentierungsüberlegungen dazu tendieren, eher breite Kundensegmente zu wählen, um über Durchschnittslösungen und große Stückzahlen Kostendegressionseffekte zu erreichen. Die Anpassung an Kundenwünsche kann dann - zumindest teilweise - über „built-inflexibility" erreicht werden. Dadurch wird z.B. ein Aggregat in die Lage versetzt unterschiedliche Bearbeitungsschritte, z.B. Drehen, Fräsen, Bohren, in einer Aufspannung nacheinander auf der gleichen Maschine mit unterschiedlichen Werkzeugen durchzuführen. Die Flexibilität wird dabei über eine Computersteuerung erreicht, die je nach Bedarf unterschiedlich programmiert werden kann. Allerdings ist auch diese ein Kostenfaktor. Demgegenüber werden Differenzierer die Kundensegmente tendenziell enger wählen, um einen Wettbewerbsvorteil durch möglichst gute Anpassung an Kundenanforderungen erreichen zu können, um so über Präferenzschaffung größere preispolitische Spielräume zu erlangen. 3. und 4. Bei der konzentrierten und differenzierten, teilweisen Marktbearbeitung versucht die Unternehmung durch Konzentration auf ein Segment (konzentriert) oder auf einige ausgewählte Marktsegmente (teilweise, differenzierte Marktbearbeitung) eine vorteilhafte Wettbewerbsposition zu erlangen. Bei dieser „Konzentration auf Schwerpunkte" (Nischenstrategie) kann die Unternehmung entweder Kostenvorsprünge in einem oder mehreren Segmenten oder eine günstige Wettbewerbsposition durch eine Profilierungsstrategie anstreben. Problematisch an dieser Kategorienbildung bleibt die Definition des relevanten Marktes und damit die Marktabgrenzung. Für die ausgewählten Marktsegmente sind sodann Marketingkonzepte zu erarbeiten, die segmentspezifische Leistungs- und Kommunikationskonzepte sowie eine dazu passende Kontrahierungs- und Distributionspolitik umfassen. 3.7.2.3 Positionierungsentscheidungen Die Entscheidung für eine bestimmte Segmentierung des Marktes engt zwar das Möglichkeitsfeld für den Einsatz des Marketing-Mix ein, determiniert die Marktbearbeitung aber noch nicht. Die zu bearbeitenden Marktsegmente (bzw. das zu bearbeitende Segment) umfassen (bzw. umfaßt) nicht nur die potentiellen Kunden mit ihren Einstellungs- und Entscheidungsstrukturen. Auch eine Reihe von Konkurrenten bieten in diesen Marktsegmenten ihre Leistungen mit jeweils marktsegmentspezifischen Strategien an. Es geht nun darum, die Marktleistun-

162

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

gen der Unternehmung (oder/und die Unternehmung selbst) in ihrer Angebotspolitik, ihrer Kommunikation, Distribution, Preispolitik, Vertragsbedingungen und in allen sonstigen auf die Kunden gerichteten Apellen so auf die Kundenanforderungen und die Konkurrenzbedingungen der zu bearbeitenden Marktsegmente abzustimmen, daß sie sich in der Wahrnehmung der aktuellen und potentiellen Kunden - in für die Kunden wichtigen Entscheidungsdimensionen - positiv von der Konkurrenz abheben. Deshalb hat die Unternehmung für die zu bearbeitenden Marktsegmente jeweils eigene Marketingkonzepte zu entwickeln, die aber in das Gesamtmarketingkonzept passen müssen. Aus diesem Grund ist für jedes Marktsegment zu bestimmen, in welcher Weise die Marktleistungen oder aber die Unternehmung selbst in den einzelnen zu bearbeitenden Marktsegmenten zu positionieren sind. Eine solche Positionierung wird marktsegmentspezifisch unterschiedlich ausfallen. Denn sowohl Einstellungen und Entscheidungskriterien hinsichtlich der Marktleistung und der anbietenden Unternehmung als auch die Marketingpolitik der Konkurrenten und oft auch die Konkurrenten selbst variieren marktsegmentspezifisch. Unter Positionierung wird dabei die zielgerichtete Einordnung eines Objekts in einem mehrdimensionalen Merkmalsraum verstanden. Im konkreten Fall handelt es sich um den zielgerichteten Aufbau einer Produkt-, Marken-, oder Unternehmungsposition in den mehrdimensionalen Wahrnehmungs- und Einstellungsräumen aktueller und potentieller Kunden, wobei sich das eigene Unternehmen, die eigene Marke, das eigene Produkt in für die Kunden wesentlichen Attributen positiv von der Konkurrenz abheben sollen. Unter Einstellungen werden dabei die auf die Marktleistungen, die Marke und/oder die Unternehmung gerichteten Motivationen, verknüpft mit der kognitiven Beurteilung dieser „Objekte" zur Motiverfüllung und einer Handlungsorientierung verstanden. Empirisch lassen sich Einstellungen mit verschiedenen Methoden der Einstellungsmessung ermitteln. Die Positionierung der Konkurrenten im mehrdimensionalen Einstellungsfeld kann aus der Befragung, die der Marktsegmentierung zugrunde lag, erarbeitet werden, wenn dort (vgl. Kapitel III, 3.7.2.1, Abbildung 3.28, Frage 2) die Erfüllung der kaufrelevanten Kriterien durch die Konkurrenten und ihre Produkte ebenfalls abgefragt wurden, d.h., wenn die Konkurrenten in die Einstellungsmessung einbezogen werden. Die Positionierung der Konkurrenten in den jeweils zu bearbeitenden Marktsegmenten bildet nun die marktseitige Informationsgrundlage für die eigenen Positionierungsüberlegungen. Da sich stabile Einstellungen nur langsam aufbauen und verändern, Einstellungen aber eine wichtige Basis für Entscheidungen bilden, sind Positionierungsentscheidungen strategischer Natur, die dann durch das Marketing-Instrumentarium umzusetzen sind. Ohne eine positive Positionierung in den Einstellungsräumen der potentiellen Kunden wird eine Unternehmung kaum erfolgreich am Markt agieren können. Es ist daher zu überlegen, welche Position das zu vermarktende Produkt, die Produktgruppe oder aber die Unternehmung im Einstellungsfeld der potentiellen Kundengruppen des zu bearbeitenden Marktsegments längerfristig - unter Berücksichtigung der Positionierung der Konkurrenten - einnehmen soll. Auf eine solche Entscheidung nehmen einige Vorentscheidungen und Gegebenheiten Einfluß:

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder •







163

Es ist zu fragen, welche Ziele die Unternehmung längerfristig mit der Positionierungsentscheidung erreichen will. Je nach Ausgestaltung der Ziele können auch Positionierungsentscheidungen unterschiedlich ausfallen. Die gewählte Wettbewerbsstrategie (vgl. Kapitel III, 1.) lenkt die Positionierungsentscheidung jeweils in eine unterschiedliche Richtung. Ein Differenzierer wird eher versuchen, z.B. Alleinstellungsmerkmale in Richtung technologisch führend, qualitativ hochwertig, herausragende, kundenorientierte Dienstleistungen usw. zu erreichen, während ein Kostenführer sich eher in Richtung passable Qualität bei sehr günstigem Preis positionieren wird. Einfluß auf Positionierungsüberlegungen haben aber auch Unternehmungs- und Marketingkonzept, da die gewählten Positionierungen nicht nur mit dem Unternehmungs- und dem Marketingkonzept kompatibel sein müssen, sondern diese Konzepte mittragen und erfüllen sollen. Von besonderer Bedeutung für Positionierungsentscheidungen sind die Anforderungen der potentiellen Kunden an die jeweilige Marktleistung und an das anbietende Unternehmen (vgl. Abbildung 3.28), sowie die Stärken und Schwächen dieses Unternehmens und seiner Marktleistungen gegenüber der Konkurrenz (vgl. Kapitel II, 4.).

Dabei ist auch von Bedeutung, ob es sich um Marktleistungen mit einem überwiegenden Anteil an Inspektionsqualität, an Erfahrungsqualität oder an Vertrauensqualität (vgl. Kapitel V, 1.) handelt. Darüber hinaus spielen die marktliche Kompatibilität oder Inkompatibilität der Leistungspalette der Unternehmung und Ähnlichkeit oder Heterogenität der Kundenkreise für die Positionierungsentscheidung eine wichtige Rolle. Auf dem Hintergrund der Unternehmens- und Marketingziele, der eingeschlagenen Wettbewerbsstrategie und des Unternehmungs- und Marketingkonzepts wird ein Unternehmen sich und seine Leistungen so zu positionieren versuchen, daß einerseits für die potentiellen Kunden besonders wichtige Entscheidungskriterien in möglichst hohem Maße erfüllt werden. Gleichzeitig sind dabei jene Kriterien für die Positionierung auszuwählen, für die das anbietende Unternehmen besondere Stärken aufweist oder sie in vertretbarer Zeit aufbauen kann. Andererseits muß darauf geachtet werden, daß dabei eine Positionierung erreicht wird, die das Unternehmen - aus der Sicht der Kunden - positiv von der Konkurrenz abhebt. Die Positionierung erfordert deshalb eine sehr sorgfältige, künden- und konkurrenzorientierte und die eigenen Stärken und Schwächen und die Marketingziele berücksichtigende Auswahl der Positionierungsdimensionen sowie die Bestimmung der jeweiligen Ausprägungen auf diesen Dimensionen. Auf dem Hintergrund der Unternehmungs- und Marketingpolitik sowie der Art der Marktleistungen ist zu entscheiden, ob einzelne Produkte, eine Produktgruppe, eine strategische Geschäftseinheit oder das ganze Unternehmen zu positionieren sind. Durch die Positionierungsentscheidungen werden Produkt-, Produktgruppen- oder Unternehmungsmarken aufgebaut (vgl. Kapitel V, 2.1.4), die die Kaufentscheidungen der potentiellen Käufer positiv beeinflussen und ihnen ihre Entscheidung vereinfachen sollen.

164

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Bei Positionierungsentscheidungen ist darauf zu achten, daß innerhalb der unterschiedlichen Positionierungsdimensionen keine Inkompatibilitäten auftreten. Auch muß ein zu positionierendes Image eines Produktes mit dem Image der Produktgruppe und dem der Unternehmung kompatibel sein, da sonst Widersprüche, Unklarheiten usw. auftreten, die die Positionierung eines klar strukturierten Images behindern und die Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden beeinträchtigen. Auch müssen die Positionierungsdimensionen mit Unternehmensstärken einhergehen und von der Unternehmung und ihren Mitarbeitern in der tagtäglichen Umsetzung gelebt werden, um langfristige Glaubwürdigkeit bei den Kunden zu erlangen. Die Positionierungdimensionen müssen auch kommunizierbar, in der Marketingpraxis realisierbar und für die Kunden erlebbar sein. Positionierungsentscheidungen sind in Zeitabständen zu überprüfen. Die Kundenerwartungen können sich im Zeitablauf ebenso ändern, wie das Wettbewerbsumfeld. Daher kann es notwendig werden, Positionierungskorrekturen vorzunehmen, um die Strategie an das veränderte Umfeld anzupassen. Es ist darauf zu achten, daß dabei keine Unglaubwürdigkeiten und Inkonsistenzen entstehen. Die Umsetzung von Positionierungsentscheidungen erfolgt nicht nur durch Marketing-Mix Entscheidungen - das heißt durch die Leistungs-, Kommunikations- und Distributionspolitik sowie durch die Kontrahierungspolitik - die auf die verschiedenen Positionierungsdimensionen abgestimmt sind, sondern darüber hinaus durch die gesamte Unternehmungspolitik. So sind z.B. zuverlässiger Service und zuverlässiger Ersatzteildienst nicht nur eine Frage des Marketing-Managements, sondern auch sehr stark ein Problem der Unternehmenskultur und betreffen alle Unternehmensbereiche, die damit zu tun haben, eben auch Beschaffung und Produktion. Flexible, kundenorientierte Problemlösungen sind nicht nur eine Frage des Marketing, sondern der gesamten Unternehmung. Qualifizierte Beratung ist bei technologieintensiven Produkten nicht nur eine Sache des technischen Verkaufs, des Service, sondern betrifft auch den F&E-Bereich, eventuell Mitarbeiter aus der Produktion aber auch den Personalbereich (Personalauswahl, Personalschulung, Personalmotivation). Positionierung der Unternehmensleistungen am Markt ist daher nicht nur eine Aufgabe der Kommunikationspolitik, die bestimmte Positionierungsdimensionen im Sinne der Positionierungsziele zu kommunizieren hat. Das wäre sehr kurzsichtig und würde zu kognitiven Dissonanzen bei den Kunden führen, da kommunikative Apelle der Unternehmung dann mit der vom Kunden erlebten Realität in Konflikt gerieten. Positionierungs- und Marketingziele könnten so langfristig nicht erreicht werden. Positionierung ist vielmehr eine strategische Aufgabe, die in der am Markt angebotenen Leistung ebenso ihren Niederschlag finden muß, wie in der Distributionspolitik, der Kontrahierungspolitik und der Marketingkommunikation, darüber hinaus aber ebenso in allen kundenrelevanten Aktivitäten der Unternehmung, quer durch alle Funktionsbereiche.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

165

3.7.3 Auswahl von Technologiebereichen 3.7.3.1 Vorselektion analyserelevanter Technologien Technologiebereiche sind vom Unternehmen nicht frei wählbar. Einen wesentlichen Hintergrund und eine Ausgangsbasis für die Wahl von Technologiebereichen, die ein Unternehmen als Möglichkeitsfelder für Produkt- und/oder Verfahrenstechnologien in Erwägung zieht, bilden die Know-how- und Ressourcenpotentiale der Unternehmung. Daneben spielen neue Kundenanforderungen, neue Problemlösungen in bisherigen Kundengruppen oder die Erschließung neuer Kundengruppen mit ähnlichen Problemlösungen, die aber neue technologische Anforderungen stellen, eine wichtige Rolle bei der Suche nach neuen Technologien. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, daß auch die Grenzen traditionell abgegrenzter Technologien in immer größerem Maße durch Unschärfen bestimmt werden, häufig entstehen neue Märkte durch eine kreative Kombination bekannter Technologien zu einer neuartigen Problemlösung (vgl. Kapitel I, 1.1.2.2). Die folgende Abbildung verdeutlicht das allmähliche Zusammenwachsen bisher unabhängiger Branchen:

Abb. 3.38: Die Entstehung des Multimedia-Marktes (Quelle: Bea, F.X. /Haas ]., 1997, S. 82)

166

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Auch in der Produktionstechnik überschneiden sich eine Reihe von Technologien (z.B. Fertigungstechnologien, Handhabungs- und Transporttechnologie, Computertechnologie usw.), die erst in ihrer Integration den immensen Produktivitätsfortschritt der letzten Jahrzehnte ermöglichten. Aufgrund begrenzter Ressourcen ist es den Unternehmen jedoch nicht möglich, die Gesamtheit naturwissenschaftlich-technischer Bereiche zu beobachten. Aus diesem Grund muß ein Suchraum für Technologien definiert werden. Die Bestimmung eines solchen Suchraumes orientiert sich dabei erst einmal an den Kundenproblemen potentieller Kundengruppen, die das Unternehmen als Tätigkeitsbereiche in die Geschäftsfeldüberlegungen einbezieht. Hier gilt es die Frage zu klären, welche Technologien mit den Produkten bzw. Prozessen des jeweiligen Geschäftsfeldes in Verbindung stehen bzw. stehen können. Dabei muß berücksichtigt werden, daß gerade komplexe Produkte Kombinationen verschiedener Einzeltechnologien darstellen. So spielen beispielsweise bei einem Auto neben der Antriebstechnologie eine Reihe anderer Technologien, wie z.B. die Elektronik im Motormanagement und im Bremssystem, die Mikrosystemtechnik (z.B. im Airbag), elektronische Navigationssysteme, Unterhaltungselektronik, unterschiedliche Materialtechnologien etc. eine Rolle. Darüber hinaus können unterschiedliche Güter gemeinsame technische „Wurzeln" haben, bzw. können Technologien in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Dieses Beziehungsgeflecht an Produkt- und Prozeßtechnologien gilt es darzustellen, wobei Technologielisten mit phänomenologischer Technologiebezeichnung jedoch nicht ausreichen (vgl. Abbildung 3.39).

ProduktTechnologie-Liste

ProzeßTechnologie-Liste

Sensortechnik MiE-Steuerungstechnik Getriebetechnik elektrische Antriebstechnik Mehrlagenkeramik

CAD-Technik CAM-Technik NC-Beaibeitungstechnik Beschichtungstechnik

Abb. 3.39: Technologielisten 1989, Sp.

2005f)

mit phänomenologischen

Technologiebezeichnungen

(Quelle:

Pfeiffer

W./Metze

G.,

167

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

Eine einfache Reihung der eingesetzten Technologien, wie sie in der obigen Abbildung dargestellt ist, erweist sich als wenig aussagekräftig, da die Bezeichnung der Technologie noch wenig über diese aussagt. Auch werden dadurch Technologien, die in unterschiedlichen Unternehmensbereichen bzw. Produkten zum Einsatz kommen, mehrfach genannt. Dadurch kommt es zu einer planlosen, redundanten und nur wenig aussagekräftigen Reihung. Sinnvoller erweist es sich in diesem Zusammenhang, in einer engen Zusammenarbeit von Technikern und kaufmännischem Personal die hinter den Strategischen Geschäftseinheiten, Produktgruppen, Produkten und Komponenten stehenden Technologien zu identifizieren (vgl. Abbildung 3.40).

Abb. 3.40: Struktur von Technologielisten

(Quelle: Pfeiffer, WMetze,

G„ 1989, Sp.

2007f)

Der zur Erstellung solcher Technologielisten erforderliche Analyse- und Zuordnungsprozeß wird in der Regel stufenweise ablaufen - von der Zerlegung der Produkt- oder Prozeßtechnologie in Subsysteme, Baugruppen und Elemente. In der Praxis kann es dabei erforderlich sein, die identifizierten Technologien in Abhängigkeit von ihrer Bedeutung in Kerntechnologien und unterstützende Technologien zu unterteilen.

168

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Die Wertigkeit bzw. Relevanz einer Technologie für das Unternehmen hängt dabei mit der Frage zusammen, ob und in welchem Ausmaß sie dazu beiträgt oder beitragen kann, ein Kundenbedürfnis besser und/oder kostengünstiger zu befriedigen als die Konkurrenten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Technologien hinsichtlich ihrer zukünftigen Leistungsfähigkeit Grenzen gesetzt sind und sie nach Erreichen dieser Grenzen von neuen Technologien abgelöst werden. Die Wertigkeit von Technologien wird daher auch von den zukünftig, durch ihre Anwendung zu erreichenden wirtschaftlichen und technischen Vorteilen bestimmt. Diese Einschätzung hängt auch von den in einem Technologiegebiet zu erwartenden Weiterentwicklungspotentialen ab. So konzentrieren manche Unternehmen ihre innovativen Bemühungen auf reife Technologien, die sich am oberen Ende der Technologie-S-Kurve befinden. Hier werden dann marginale Produktverbesserungen mit einem sehr hohen F&E-Aufwand erkauft, ohne daß die Wettbewerbsfähigkeit neuen Technologien gegenüber dadurch erhalten werden könnte (Als kritisches Beispiel wäre hier die konventionelle Technologie im Bereich der Photographie gegenüber der Digitalphotographie anzuführen). Allerdings gibt es auch Fälle reifer Technologien, in denen die Frage nach den sich international etablierenden neuen Technologien noch nicht klar beantwortbar ist. So ist z.B. heute noch schwer einschätzbar, welche Art der Antriebstechnologie sich in Zukunft in der Automobilindustrie durchsetzen wird, während weiterhin traditionelle Antriebstechnologien mit hohem Entwicklungsaufwand verbessert werden. Als Maßgrößen des Weiterentwicklungspotentials von Technologien sollten jedoch nicht alleine deren offensichtliche Leistungsmerkmale herangezogen werden, da diese durch rasche Veränderungen in der sozio-ökonomischen Umwelt in ihrer Bedeutung variieren können (bspw. die Kriterien „niedriger Verbrauch", „hohe Leistung" oder „niedrige Abgaswerte" bei Motoren in der Fahrzeugindustrie). Sinnvoller erscheint es, im Rahmen einer kontinuierlichen und systematischen Technologiefrüherkennung und -prognose auch Kriterien aus der sozio-kulturellen, ökonomischen und politisch-rechtlichen Umwelt in die Überlegungen zur Technologieauswahl einzubeziehen. Die identifizierten und in ihrer Bedeutung für das Unternehmen beurteilten Technologien stellen den Ausgangspunkt der im folgenden behandelten Technologiefrüherkennung und prognose dar. Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß - wie oben angesprochen Konkurrenten auch aus anderen Branchen oder Technologiebereichen kommen können. Auch diese sind in den Überlegungen zur Technologiefrüherkennung zur berücksichtigen. 3.7.3.2 Technologiefrüherkennung und -prognose 3.7.3.2.1 Überblick Die Überlegungen zur Technologiefrüherkennung und -prognose bauen im wesentlichen auf Ansoff's Konzept der „Schwachen Signale" auf. Dieses basiert auf der Annahme, daß sich bestimmte für ein Unternehmen relevante Entwicklungen (z.B. am Markt, in der Wettbewerbsstruktur oder eben der Technologie) immer durch „schwache Signale" ankündigen.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

169

Diese schwachen Signale im Unternehmensumfeld gilt es aufzunehmen und zu interpretieren, um so Einschätzungen hinsichtlich • • • •

des Weiterentwicklungspotentials neuer Technologien, der Grenzen bekannter Technologien, der Subsititutionsbeziehungen zwischen Technologien und zu erwartender Brüche in der Entwicklung von Technologien (= technologische Diskontinuitäten)

zu fundieren. Ziel ist es, dem Unternehmen so gegenüber Konkurrenzunternehmen Zeitvorspriinge zu verschaffen. 3.7.3.2.2 Technologiefrüherkennung Grundsätzlich läßt sich bei der Technologiefrüherkennung zwischen der Technologieexploration (Technology Scanning) und der Technologieüberwachung (Technology Monitoring) unterscheiden. Technologieexploration erfolgt dabei geschäftsfeldübergreifend und losgelöst von den Technologien, die aktuell - bzw. zukünftig geplant - in Produkten oder Prozessen eines Unternehmens eingesetzt werden sollen. Dadurch soll verhindert werden, daß das Unternehmen technologiebedingte Chancen und Risiken jenseits seines gegenwärtigen Aktivitätenportfolios übersieht. Im Gegensatz dazu konzentriert sich die Technologieüberwachung gezielt auf die Erfassung und Interpretation von externen Ereignissen und Entwicklungen für jene Technologien, die in den Geschäftsfeldern und Funktionsbereichen des Unternehmens bereits zum Einsatz kommen bzw. deren Nutzung konkret geplant ist. Für die Technologiefrüherkennung steht dem Unternehmen ein weites Spektrum an Informationsquellen zur Verfügung. So lassen sich in Gesprächen mit innovativen Kunden oder innovativen Lieferanten frühzeitig Hinweise auf Technologietrends oder die Bedeutung technologischer Entwicklungen gewinnen. Eine wichtige Informationsquelle stellen aber auch Kontakte zu wissenschaftlich führenden Institutionen wie Universitäten oder Forschungsinstituten dar, durch die Informationen über neue Technologien lange vor deren kommerzieller Nutzung gewonnen werden können. Darüber hinaus kommt öffentlich zugänglichen, F&E-nahen, schriftlichen Informationsquellen eine wesentliche Bedeutung für das Informationssystem eines technologieintensiven Unternehmens zu. Hier werden in der Literatur zwei Analyseansätze diskutiert: A) Fachliteraturanalyse Es wird davon ausgegangen, daß sich neue Ansätze im Bereich der Technologieentwicklung bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Fachliteratur niederschlagen. Aus diesem Grund werden wissenschaftliche Fachpublikationen in Zeitschriften, Tagungsbänden oder Büchern inhaltlich gesichtet, um so einen Überblick über den Stand der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung zu erhalten. Erfolgt eine quantitative Auswertung der Entwicklung der wissenschaftlichen Literatur zu bestimmten Technologiefeldern mit Hilfe von Datenbanken, so spricht man von Bibliometrie. Mögliche Formen der Bibliometrie sind Publikations- und Zitationsanalysen. Bei der Publikationsanalyse wird die Zunahme von Veröffent-

170

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

lichungszahlen in einzelnen Themengebieten erfaßt, wodurch Forschungsschwerpunkte transparent gemacht werden können. Mit der Zitationsanalyse wird die Verbreitung von Forschungsergebnissen anhand der Zitierhäufigkeit untersucht und damit auf deren Bedeutung geschlossen. Darüber hinaus ermöglichen Literaturdatenbanken die Erhebung der Häufigkeit, mit der zwei Veröffentlichungen aus verschiedenen Technologiegebieten zusammen in späteren Veröffentlichungen zitiert wurden. Durch diese Co-Zitationsanalyse wird die Intensität der Verflechtung zwischen verschiedenen Technologiebereichen beschrieben. B) Patentanalysen Bei Patentanalysen werden von staatlichen Behörden erteilte oder beantragte Patente in den für das Unternehmen relevanten Technologiefeldern quantitativ ausgewertet. Das Patentierverhalten in einem Technologiefeld läßt sich dabei durch Aktivitätskennzahlen und Qualitätskennzahlen abbilden. Ein Beispiel für Aktivitätskennzahlen wäre die in einem bestimmten Zeitraum erteilte Zahl an Patenten in einem Technologiefeld. Die durchschnittliche Zitierhäufigkeit eines Patentes in nachfolgenden Patentschriften anderer Anmelder oder die mittlere Zahl der Staaten, in denen Patente für Erfindungen in einem Sachgebiet erteilt wurden, können demgegenüber als Beispiele für Qualitätskennzahlen genannt werden. Die Datensätze der Patentämter sind dabei so aufgebaut, daß Patente, die nicht eindeutig einem Technologiegebiet zugeordnet werden können, in mehreren Technologiegebieten aufgeführt werden. In diesem Fall spricht man von Mehrfachklassifikationen, durch welche wesentliche Verflechtungen zwischen Technologien erkannt werden können. Generell wird regelmäßigen und systematischen Patentanalysen eine hohe Aussagekraft zugesprochen. Als Gründe dafür werden genannt: • • • • •

Ein im internationalen Vergleich überwiegend einheitliches Vorgehen bei der Erteilung und Sachgebietszuordnung von Patenten, Der Detaillierungsgrad öffentlich verfügbarer Patentinformationen, Der Marktbezug von Patenten, Die relativ leichte Zugänglichkeit von Patentaktivitäten in verschiedenen Technologiefeldern oder Ländern durch vergleichsweise preiswert nutzbare Patentdatenbanken, eine längere Vorlaufzeit zwischen einer Patenterteilung und der Sichtbarkeit einer Innovation anhand der marktlichen Verbreitung neuer Produkte oder Prozesse im Markt.

Jedoch muß im Rahmen der Patentanalyse auch berücksichtigt werden, daß zwischen der Entwicklung und Anmeldung von Patenten zeitliche Verzögerungen liegen und es aus Unternehmenssicht, gerade in sich schnell entwickelnden Märkten, sinnvoll sein kann, neue Technologien nicht zum Patent anzumelden. Ein großes Problem bei der Einschätzung der technologischen Entwicklungen besteht darin, daß diese von einer Fülle von Variablen beeinflußt werden. Ein möglicher Lösungsansatz besteht im Aufbau eines Indikatorensystems (vgl. Abbildung 3.41). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Art der relevanten Indikatoren nicht unabhängig von der jeweiligen Technologie und ihren Einsatzbereichen ist.

171

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder Indikatoren wirtschaftlicher Art: Verbrauchsorientiert • Absatzzahlen bestimmter Produkte, Marktanteile • Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen • Anzahl installierter Geräte • Veränderung der Lebensdauer bestimmter Produkte Volkswirtschaftlich orientiert • Veränderung der Steuerquoten fllr Gebrauch/Verbrauch bestimmter technologisch orientierter Produke/Dienstleistungen • Bruttosozialprodukt (national, sektoral, regional) • Firmengründung und -aufgabe • Preisentwicklung von Produktgruppen • Forschungshaushaltsentwicklung EU, Bund/Länder sowie anderer Nationen Betriebswirtschaftlich orientiert • Umsatzzahlenentwicklung von Herstellern und Anbietern • F+E Aufwendungen • Patente und Lizenzen, Gebrauchsmuster • Preisentwicklung des Produktspektrums • Leitlinienentwicklung und technologisches Selbstverständnis der Firmen Indikatoren scientometrischer und technischer Art Wissenschaftlich orientiert • Anzahl der Veröffentlichungen • Zitationsindizes • Kongreßveranstaltungen Technikorientiert • Öffentlich unterstützte Projekte • Berichte in Fachzeitschriften • Projektberichte, Graue Literatur

• • •

Neugründungen von Gesellschaften Lehrstühle Graue Literatur

• •

Produktvarianz Testergebnisse und Produktkritik

Sozialindikatoren: Qualifìkationsorientiert • Qualifikationsmaßnahmen in bezug auf Technologien • Änderungen des Qualifikationsbedarfs (z.B. Ausschreibungstexte) • Freisetzungen und Neueinstellungen bei bestimmten Produkt- und Produktionstechnologien Aktzeptanzorientiert • Änderung der Einstellungen gegenüber speziellen oder Teiltechniken (Umfragen) • Anzahl der Einsprüche, Genehmigungsverfahren etc. • Kauf- und Investitionsverhalten Indikatoren der technischen Performance: Leistungsorientiert • Diachronischer Verlauf der Leistungsfähigkeit • Gain, Effizienz, Outputgrößen pro Sektor und Zeit • Kenngrößen der Leistungsfähigkeit relativ zu Gewicht, Preis, Aufwand etc. Qualitäts-und Sicherheitsorientiert • Qualitätsmaßstäbe (Audits) · Zuverlässigkeit, Schadensdichten Funktionsorientiert • Funktionalität · Universalität _· Multifunktionalität, Nebenfunktionalität

Abb. 3.41: Klassen von Indikatoren als Kerngrößen technologischer Entwicklung (Quelle: Kornwachs, K„ 1995, S. 293)

172

Kapitel ΙΠ: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Eine möglichst vollständige Erhebung dieser Faktoren würde zu einer zu großen und nur schwer bewältigbaren Datenflut führen. Darum wird man ihm Rahmen der Analyse versuchen, in Abhängigkeit vom jeweiligen Informationsbedarf zu einer überschaubaren Faktoren- und Variablenstruktur zu gelangen. Die folgende Tabelle soll als Beispiel dafür dienen (vgl. Abbildung 3.42).

Faktor I: Variable 1: Variable 2: Variable 3: Variable 4:

Wirtschaftlichkeit und Markt Unterstützung durch F+E Rationalisierungseffekte durch Einsatz Volkswirtschaftliche Randbedingungen Preisverfall

Faktor II: Variable 5: Variable 6: Variable 7: Variable 8: Variable 9: Variable 10:

Verhältnis zur herkömmlichen Technologie Kenntnisstand der Entwickler Performanz der neuen gegen alte Technologie Einbettung in herkömmliche Entwicklung Entwicklung neuer Werkzeuge Theoretische und wissenschaftliche Fundierung Veränderung der Anwendungsstruktur durch die neue Technik

Faktor III: Variable 11: Variable 12: Variable 13:

Qualifikation und Kompetenz Neue Qualifikation Arbeitsteilung Bedieneroberfläche

Faktor IV: Variable 14: Variable 15: Variable 16:

Standardisierung, Innovation und Integration Geschwindigkeit der Standardisierung Individualtechnik Innovationsschub

Abb. 3.42: Faktoren und Variablenzusammenstellung bei der Fragestellung der Diffusion einer neuen Technologie (Quelle: Kornwachs, K„ 1995, S. 293)

Auf der Grundlage der Faktoren und Variablen sowie ihrer zeitlichen Entwicklung kann das Unternehmen versuchen, in grober Weise Technologieprognosen zu erstellen. 3.7.3.2.3 Technologieprognosen Die aus den angesprochenen, unterschiedlichen Quellen gewonnenen Informationen erfassen zunächst nur die bis zum Zeitpunkt der Datenerhebung erkennbaren Entwicklungslinien von Technologien. Um zukünftige technologiebedingte Chancen und Risiken beurteilen zu können, ist das Erstellen von Technologieprognosen erforderlich. Hier unterscheidet man zwischen extensionalen und intensionalen Prognosen. Extensionale Prognosen versuchen, „... Aussagen über die zeitlichen Verläufe von Größen zu machen, die von einer vorliegenden Technologie ausgehen und z.B. ihre Diffusion, Marktverbreitung, Lebensdauer, Steigerung der Leistungsfähigkeit (z.B. Speicherdichte) etc. abzuschätzen." (Kornwachs, K., 1995, S.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

173

227) Intensionale Prognosen hingegen versuchen Aussagen über inhaltliche, funktionale Entwicklungen der Technologie zu machen, z.B. die „Vorhersage der Entstehung neuer Dienstleistungen, Verfahren, Geräte, Methoden, Organisationsformen und überraschend neue Anwendungen" (Kornwachs, K., 1995, S. 227). Um Prognosefehler möglichst gering zu halten bzw. zu vermeiden, stehen dem Unternehmen zahlreiche quantitative und qualitative Technologieprognoseverfahren zur Verfügung. Quantitative Prognoseverfahren beruhen dabei auf mathematisch-statistischen Methoden. Dabei wird versucht, unter Rückgriff auf Daten und funktionale Zusammenhänge der Vergangenheit, zukünftige Entwicklungen einzuschätzen. Ein bekanntes Beispiel für quantitative Verfahren ist die Trendextrapolation. Basierend auf Zeitreihenstudien wird hier die zukünftige Entwicklung als kontinuierliche Fortsetzung der Vergangenheit prognostiziert, ein, angesichts von Technologiediskontinuitäten, höchst problematisches Vorgehen. Wichtige qualitative Verfahren, durch die quantitative Informationen und Expertenschätzungen zur Technologievorhersage integriert werden sollen, sind u.a. die SzenarioTechnik und die Delphi-Methode. Ihre wesentlichen Vorteile werden u.a. in der besseren Bewältigung von Diskontinuitäten, einer Lösung von der Vergangenheit als Erklärungsmuster sowie der expliziten Berücksichtigung von subjektiven Annahmen durch den Prognosesteiler gesehen. 3.7.3.2.3.1 Szenario-Technik Die Szenario-Methode, deren Ursprung im militärischen Bereich liegt, wird im wirtschaftlichen Bereich aus der Erkenntnis heraus eingesetzt, daß es mehrere mögliche Entwicklungen geben kann, die mit den Instrumenten der herkömmlichen, langfristigen Planung - als Fortschreibung von Trends aus der Vergangenheit - nicht erfaßt werden können. Die SzenarioMethode ermöglicht es dem Unternehmen von alternativen, möglichen bzw. denkbaren Entwicklungen und Bandbreiten und nicht mehr von linearen Prognosen auszugehen. Mit Hilfe des sog. Szenario-Trichters läßt sich die Szenario-Methode verdeutlichen (vgl. Abbildung 3.43).

174

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Abb. 3.43: Szenario-Trichter

(Quelle: Reibnitz, U.V., 1991, S. 27)

Die Spitze des Trichters repräsentiert die Gegenwart, die im Rahmen einer Analyse der Ausgangssituation ermittelt werden kann. Je weiter man sich von der Basis des heutigen Wissens in die Zukunft bewegt, desto größer werden aufgrund der Anzahl an Alternativen und ihrer Kombinationsmöglichkeiten Komplexität und Unsicherheit. Zieht man zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft einen Schnitt durch den Trichter, so befinden sich für diesen Zeitpunkt alle möglichen Zukunftssituationen (Szenarien) auf der Schnittfläche dieses Trichters. Erfahrungen zeigen, daß es für die Unternehmensplanung ausreicht, zwei Szenarien (sog. Szenario-Archetypen) zu generieren, die jedoch den folgenden Kriterien entsprechen müssen: 1. Größtmögliche Stimmigkeit, Konsistenz und Widerspruchsfreiheit innerhalb eines Szenarios, d.h., die Entwicklungen innerhalb eines Szenarios dürfen sich nicht gegenseitig aufheben, 2. jedes Szenario sollte größtmögliche Stabilität besitzen, 3. die ausgewählten Szenarien sollten möglichst unterschiedlich sein, d.h., mit beiden Szenarien sollte man möglichst nahe an die „Ränder" des Trichters herankommen.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

175

Einige Unternehmen arbeiten mit drei Szenarien, wobei es zwei Alternativ-Szenarien gibt und ein sog. Trend-Szenario, bei dem es sich um eine Fortschreibung der heutigen Situation in die Zukunft handelt. Für die gewählten Szenarien wird eine Leitstrategie entwickelt, durch die man den unterschiedlichen Zukunftssituationen gerecht werden möchte. Darüber hinaus werden in der Szenario-Methode auch Störereignisse, d.h. abrupt auftretende Ereignisse (z.B. Eintritt eines neuen Konkurrenten) berücksichtigt. Für diese werden Präventivund Reaktivmaßnahmen (d.h. vorbeugende Maßnahmen und Krisenpläne) erarbeitet und in die Leitstrategie integriert. Unter Szenarien versteht man daher die Entwicklung unterschiedlicher Zukunftsbilder über die Unternehmensumwelt, einschließlich der Annahmen, die zu diesen Szenarien führen. Die angesprochene Leitstrategie wird über folgende acht Stufen des Szenario-Prozesses ermittelt:

1. A ufgabenanalyse 2. Einflußanalyse 3. Trendprojektionen 4. Alternativenbündelung 5. Szenario-Interpretation 6. Konsequenzenanalyse 7. Störereignisanalyse 8. Szenario- Transfer

ad 1) Aufgabenanalyse Ziel dieses Schrittes ist es, den Untersuchungsgegenstand (z.B. das Unternehmen, eine Strategische Geschäftseinheit oder eine Produktgruppe) in der gegenwärtigen Situation (Ausgangssituation) zu analysieren und eine Stärken-Schwächen-Analyse zu erstellen (vgl. Kapitel ΠΙ, 4.) Danach muß ein Zeithorizont für die Erstellung der Szenarien festgelegt werden, der sich daran orientiert, wie lange das Unternehmen beispielsweise benötigt, um eine neue Technologie zur Marktreife zu bringen oder langfristige Investitionsvorhaben zu realisieren. ad 2) Einflußanalyse Hier geht es darum, jene externen Einflußbereiche, die auf ein Unternehmen oder eine strategische Geschäftseinheit einwirken, festzulegen. Typische Einflußbereiche wären der Absatzmarkt (Abnehmer), Beschaffungsmärkte, Konkurrenten, Gesetzgebung, Technologie, Gesellschaft, Wirtschaft. Je nach Branche müssen für die jeweiligen Einflußbereiche die relevanten Einflußfaktoren ermittelt und in ihrer Bedeutung für das Unternehmen einge-

176

Kapitel ΙΠ: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

schätzt werden. Danach werden die einzelnen Bereiche zueinander in Beziehung gesetzt (vernetzt), um überprüfen zu können, wie stark die einzelnen Bereiche alle anderen Bereiche beeinflussen bzw. von diesen beeinflußt werden. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, die konkreten Aktivitäten bzw. Strategien auf die Einflußfaktoren zu konzentrieren, die die größten Synergieeffekte besitzen, um so eine möglichst große Wirkung zu erzielen. ad 3) Trendprojektion Ziel dieses Schrittes ist es, für die in Schritt 2 ermittelten Einflußfaktoren Kenngrößen (Deskriptoren) zu ermitteln, mit denen der jetzige und der zukünftige Zustand dieser Kenngrößen beschrieben werden kann. Diese Kenngrößen müssen wertneutral definiert werden (z.B. „Marktentwicklung" anstelle von „ M a r k t w a c h s t u m " ) , d SOnst die Gefahr besteht, daß für die Zukunftsprojektion nicht in Alternativen, sondern nur in eine Richtung weitergedacht wird a

ad 4) Alternativenbündelung Hier sollen die in Schritt 3 identifizierten, unterschiedlichen Alternativenentwicklungen untereinander auf ihre Konsistenz bzw. Verträglichkeit überprüft werden. Auf Basis der Konsistenzanalyse kann durch die folgenden vier Teilschritte eine Szenario-Aus wähl erfolgen: 1. Berechnung aller Szenario-Bündel, die theoretisch möglich sind, 2. Auswahl von solchen Szenarien, die eine größtmögliche Konsistenz besitzen, 3. Auswahl von solchen Szenarien, die eine interne Stabilität besitzen, d.h., die auch unter Einfluß von Störgrößen ihre Gültigkeit beibehalten, 4. Auswahl von zwei Szenarien, die konsistent, stabil und außerdem sehr unterschiedlich sind. ad 5) Szenario-Interpretation Ziel der Szenario-Interpretation ist es, zwei konträre, aber in sich sehr plausible Szenarien zu erstellen. Dazu werden auf Basis der in Schritt 4 ausgewählten Basis-Szenarien unter Hinzuziehung der in Schritt 3 ermittelten Kenngrößen und unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der Vernetzungsanalyse die Szenarien ausgestaltet und interpretiert. ad 6) Konsequenzenanalyse Auf Basis der in Schritt 5 ermittelten Szenarien wird nun versucht, daraus resultierende, mögliche Chancen und Risiken für das Unternehmen darzustellen, diese zu bewerten und für die Nutzung der Chancen bzw. Vermeidung der Risiken entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. In diesem Schritt werden damit die Grundlagen für die Unternehmensstrategie entwickelt. ad 7) Störereignis-Analyse In diesem Schritt sollen mögliche externe und interne Störereignisse erfaßt und in ihrer Bedeutung für das Unternehmen analysiert werden. Ziel ist es, für diese möglichen Störereignisse Präventiv- und Reaktivmaßnahmen zu entwickeln. Ein mögliches Störereignis für das

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

177

betrachtete Unternehmen könnte darin bestehen, daß eigene, hochqualifizierte Techniker durch Konkurrenzunternehmen abgeworben werden könnten. Diesem Störereignis könnte das Unternehmen durch geeignete Präventivmaßnahmen (beispielsweise durch das Schaffen besonderer Leistungsanreize, wie der Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg) begegnen. Dabei sollte eine Wahrscheinlichkeitsbewertung der Störereignisse nicht vorgenommen werden, da nicht die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störereignisses, sondern die Auswirkungsstärke als entscheidend zu betrachten ist. ad 8) Szenario-Transfer Im letzten Schritt sollen auf Basis der in Schritt 6 (Konsequenzenanalyse) entwickelten Maßnahmen zur Nutzung von Chancen bzw. der Vermeidung von Risiken eine Leitstrategie für das Unternehmen formuliert, Alternativstrategien festgelegt und ein Umweltbeobachtungssystem etabliert werden. 3.7.3.2.3.2 Delphi-Methode Auch bei der Delphi-Methode handelt es sich um ein qualitatives Prognoseverfahren. Bei diesem versucht man die Vorteile einer Gruppendiskussion (z.B. breitere Erfahrungs- und Wissensbasis, Lernprozesse, gegenseitige Stimulation etc.) zu nutzen, ohne die Nachteile einer direkten face-to-face Diskussion (z.B. Konformitätsdruck, Statusdenken, dem Nichtabgehen von einmal geäußerten Meinungen, Überzeugungs- und Durchsetzungskraft einzelner Gruppenmitglieder etc.) in Kauf nehmen zu müssen. Erreicht wird dies durch die spezifische Strukturierung der Kommunikationsprozesse in „synthetischen" Delphi-Gruppen. Merkmale dieser Strukturen sind • •





Auswahl von Experten aus ganz unterschiedlichen Wissensfeldern, die mit dem Prognosefeld in Beziehung stehen, voneinander unabhängig durchgeführte Einzelbefragungen einer synthetischen Expertengruppe mit Hilfe standardisierter Fragebogen, die allerdings offene oder halboffene Fragen enthalten können, mehrere Befragungsrunden mit informationeller Rückkopplung und damit der Möglichkeit für die Experten, ihre ursprüngliche Meinung auf der Grundlage zusätzlicher Informationen zu modifizieren, Anonymität der Antworten.

Die Kommunikation zwischen den einzelnen Experten wird von einer sog. Koordinationsgruppe (auch Befrager oder Monitorgruppe) übernommen, welche die Experten mittels standardisierter Fragebogen um ihre Stellungnahme bittet, wobei mehrere Runden durchlaufen werden. Nach jeder Runde analysiert die Koordinationsgruppe die Fragebogen, wertet sie aus und legt den Experten die zusammengefaßten Ergebnisse aus jenen Themenbereichen der ersten Befragungsrunde vor, bei denen kein Konsens erzielt werden konnte. Auf dieser Grundlage können die einzelnen Experten ihre eigenen Meinungen überprüfen korrigieren bzw. weiterentwickeln oder präzisieren.

178

Kapitel ΙΠ: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Allerdings gibt es unterschiedliche Varianten der Delphi-Technik. In der ursprünglichen Form sind Delphi-Anwendung allein auf Informationsgewinnung ausgerichtet. Die Experten werden gebeten, Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Eintrittsjahr vorgegebener zukünftiger Ereignisse anzugeben (Time-scaling Delphi), z.B. ab wann eine bestimmte Technologie in marktreife Produkte umgesetzt werden kann. Die hier rein quantitativen Urteile erlauben die Ermittlung eines statistischen Mittelwertes. Jene Experten, die vom Mittelwert relativ weit abweichen werden um eine Begründung ihrer Meinung gebeten, die den übrigen Experten zugänglich gemacht wird. So wird im Verlauf der Befragung ein Konvergenzprozeß angestrebt (Consensus-Delphi). Die Delphi-Technik kann jedoch auch dazu verwendet werden, komplexe Probleme überhaupt erst zu strukturieren, alternative Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und somit Entscheidungsprozesse möglichst breit zu fundieren (Policy Delphi). Hier wird kein Konsens angestrebt, auch verzichtet man auf primär quantitative Urteile. Es stehen nicht „Was"- und „Wann-Fragen", sondern „Warum-Fragen" im Vordergrund des Interesses.

3.7.4 Auswahl von Ländermärkten Im Rahmen der strategischen Geschäftsfeldplanung geht es nicht nur darum, Kundengruppen auszuwählen, für die bestimmte Kundenfunktionen als Problemlösung (Leistungsbündel) mit Hilfe festzulegender Technologien erbracht werden. Es geht darüber hinaus auch um die Frage, für welche geographisch festzulegenden Märkte diese Leistungen zu erbringen sind, mithin um die Marktarealstrategien. Die internationale Marktauswahl ist somit neben den gewählten Leistungs- bzw. Produktfeldern und den Kundengruppen, für die sie bestimmt sind, ein integraler Bestandteil der Geschäftsfeldwahl. Ihr kommt für den längerfristigen Erfolg von Unternehmungen erhebliche Bedeutung zu. Dieser Zusammenhang wird leicht erkennbar, wenn man bedenkt, daß Ländermärkte geschäftsfeldbezogen von sehr unterschiedlicher strategischer Bedeutung sein können und daß Kundengruppen und Kundenfunktionen ja länderweise oft erheblich variieren, so daß sich mit der Bearbeitung unterschiedlicher Ländermärkte auch die Kundensegmente und ihre Leistungsanforderungen sehr stark unterscheiden. Beispielsweise ist ein österreichisches Unternehmen mit Entsalzungsanlagen in den arabischen Staaten erfolgreich, obwohl im eigenen Land keinerlei Bedarf besteht. Ein Technologieunternehmen liefert in einem Land Technologie an die Flugzeugindustrie, in einem anderen Land an die Kraftfahrzeugindustrie, in einem dritten Land an die Werftindustrie usw. Die zunehmende Integration der Weltwirtschaft durch Austausch von Produkten und Dienstleistungen, die Internationalisierung der Kapitalmärkte, eine - insbesondere während der letzten Jahre - steigende Integration der Produktion und damit Zunahme von Direktinvestitionen verstärkt auch für mittelständische Unternehmungen den Druck, ihre Tätigkeitsfelder zu internationalisieren. Internationalisierungstendenzen, die auch durch die Integration Europas noch verstärkt werden, zunehmende internationale Konkurrenz aus neuen Industrieund Schwellenländern, Bedeutungsverschiebungen in Weltregionen und Ländermärkten, zunehmend diffiziler werdende Markteintrittsbedingungen usw. lassen eine sorgfältige stra-

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

179

tegische Planung der internationalen Aktivitäten von Unternehmungen immer dringlicher erscheinen. Diese Notwendigkeit wird auch dadurch verstärkt, daß es aufgrund der außerordentlich großen Heterogenität der Ländermärkte und Markteintrittsbedingungen meist nicht möglich ist, bzw. nicht zielführend erscheint, alle Märkte mit der gleichen Strategie zu bearbeiten. Im Zuge der strategischen Planung von Internationalisierungsstrategien sind daher nicht nur unterschiedliche Märkte einem Auswahlprozeß zu unterwerfen. Es sind auch eine Reihe verschiedener, konzeptionell vertretbarer Markteintrittsstrategien parallel zu betrachten und zu beurteilen. Will die Unternehmung an den dynamischen Veränderungen der Weltwirtschaft in positiver Weise partizipieren und zudem die Risiken in vertretbaren Grenzen halten, so kann es nicht sinnvoll sein, die Internationalisierungsstrategien den Zufallen des Alltagsgeschäfts oder dem „Fingerspitzengefühl" von Entscheidern zu überlassen, so wichtig auch das sogenannte Fingerspitzengefühl im Geschäftsleben ist. Die Internationalisierungsstrategien von Unternehmungen sind daher sinnvollerweise - um Fehlschläge, Fehlinvestitionen und ineffiziente Betätigungsfelder möglichst gering zu halten - in einem heuristischen Planungsprozeß, in dem Informations- und Entscheidungsphasen abwechseln, schrittweise zu erarbeiten. Das Erfahrungs- und Kreativitätspotential der Entscheider kann in einem strukturierten Informations· und Entscheidungsprozeß - nun aber angeregt und abgestützt durch Informationen und durch ein systematisches Verfahren sinnvoll kanalisiert - eingebracht werden. 3.7.4.1 Anforderungen an ein Länderselektionsverfahren Beim Entwurf eines strukturierten Länderselektionsverfahrens sollte so vorgegangen werden, daß Länderauswahl und die Planung der Markteintrittsstrategien nicht in getrennten Schritten nacheinander vollzogen, sondern integriert aufeinander abgestimmt werden. Es geht demnach weniger um die Erstellung einer Ablauftstruktur für die Länderauswahl, sondern vielmehr um die Konzeption eines integrierten Planungsverfahrens für Marktauswahl und Markteintrittsstrategien. Dabei sollte das Verfahren so aufgebaut sein, daß 1. strategische Gesichtspunkte der Marktwahl berücksichtigt werden, 2. akzeptable Markteintrittsstrategien in den Auswahlprozeß miteinbezogen werden, 3. informationsökonomische Gesichtspunkte und die Informationsbeschaffungs- und -Verarbeitungskapazitäten des den Auswahlprozeß durchführenden Unternehmens beachtet werden, 4. der Erfahrungshintergrund des Managements einfließen kann, 5. Riickkoppelungen zwischen den Selektionsstufen vorgesehen sind, 6. der Planungsprozeß auf offene Problemstrukturen anwendbar ist, d.h. auf Praxisprobleme, bei denen weder Anzahl und Art aller Einflußgrößen, noch das Zusammenwirken dieser Variablen vollständig bekannt sind und 7. die einzelnen Schritte des Verfahrens aus Gründen der Akzeptanz leicht verständlich und einfach handhabbar sind.

180

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Den informationsökonomischen Gesichtspunkten kann dadurch Rechnung getragen werden, daß ein stufenweiser Auswahlprozeß so strukturiert wird, daß im Wege einer Negativauswahl im ersten Schritt Länder mit Hilfe recht grober und einfach erhältlicher Informationen ausgeschieden werden. Mit jeder Stufe des Verfahrens steigen bei sinkender Länderzahl die Informationsanforderungen.

- I.änderzahl

L

A

- Informationsmenge/Land

Abb. 3.44: Veränderungen von Länderzahl und Informationsanforderungen je Land in einem mehrstufigen Selektionsprozeß

Strategische Gesichtspunkte können z.B. durch entsprechende strategisch relevante Kriterien in das Verfahren eingebunden werden. Der Erfahrungshintergrund und das Branchenwissen des Managements kann zum einen in die Auswahlkriterien und Unterkriterien einfließen. Zum anderen wird es aber während des gesamten Auswahlprozesses eingebunden, z.B. durch Diskussions- und Bewertungsphasen etwa im Rahmen der Erstellung von Portfolios oder bei der schrittweisen Planung von Markteintrittsstrategien. Weiters haben grundlegende Vorentscheidungen erheblichen Einfluß auf die Konstruktion und Struktur des Modells.

3. Zur Wahl strategischer Geschäftsfelder

181

Aus strategischer Sicht ist die Suche von Ländermärkten für vorgegebene Leistungsangebote zu eng fokussiert. Die geschäftsfeldorientierte Länderauswahl verschafft dem internationalen Marketing mehr Flexibilität bei der Anpassung an die Kundenprobleme der jeweiligen Länder. Die Verzahnung von Marktauswahl und Planung der Markteintrittsstrategien eröffnet weite Planungsspielräume. Sie integriert die Marktauswahl mit der schrittweisen und detaillierten Planung der Markteintrittsmöglichkeiten zu einem Planungsprozeß (vgl. Abbildungen 3.45 und 3.46). Im folgenden wird diese Selektionsheuristik näher erläutert. Es handelt sich um ein dreistufiges Vorgehen, wobei zunächst anhand von Restriktionen und einem Satz von Selektionskriterien eine Grobselektion vorgenommen wird und in einer anschließenden Feinselektion Märkte unter Berücksichtigung alternativer Markteintrittsstrategien beurteilt und ausgefiltert werden. 3.7.4.2 Zur Gestaltung eines integrierten Prozesses der Länderauswahl und Markteintrittsplanung Für ein derartiges, von den Anforderungen her knapp skizziertes Auswahl- und Planungsverfahren wird die folgende Ablaufstruktur (Abbildung 3.45 und 3.46) vorgeschlagen, die allerdings für den konkreten Anwendungsfall dann jeweils auf die Bedürfnisse des selektierenden und planenden Unternehmens abzustimmen und damit anzupassen ist.

182

Kapitel III: Strategische Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsfelder

Festlegung von Mindestanforderungen oder Auswahlroutinen

Detaillierte Informationsbeschaftung zur Beurteilung der B-Kriterien hinsichtlich des konkreten Leistungsangebots der Unternehmung

Kernmärkte • HoffnungsmärktePeriphermärkte X

φ

-*pB

2

233

mittel

y...organisatorischer Wandel

/ hoch /

Typ A

mittel gering

reiner Wiederholungskauf

Abb. 4.5: Typologie

modifizierter Wiederholungskauf

Erstkauf

von Investitionsgüterentscheidungen

χ ...Neuartigkeit der Problemdefinition

(Quelle:

Kutschker,

M„ 1972,

S.

47)

Die Typologie der Kaufentscheidungsprozesse nach Kutschker ist nicht in der Lage, klare und eindeutige Zuordnungen von Investitionsentscheidungen vorzunehmen. Sie ist aber eine sehr praktikable Hilfestellung, die es dem Marketing ermöglicht, tendenzielle Zuordnungen zu treffen und auf der Basis der von Kutschker angegebenen Dimensionen für die verschiedenen Typen von Investitionsentscheidungen unterschiedliche Konzepte zu entwickeln. Den Hintergrund für die Formulierung von Marketingkonzepten bieten dann weniger bestimmte Typen von Gütern, sondern von Investitionsentscheidungen, die durch bestimmte Charakteristika geprägt sind. 4.1.2.2 Der Kaufentscheidungsprozeß Betrachtet man die Kaufentscheidung unter prozessualer Sichtweise, so werden idealtypischerweise folgende Phasen genannt: Problemerkennung, Informationsgewinnung, Suche nach alternativen Problemlösungen, Auswahl und Bewertung der Alternativen, Durchführung und Kontrolle. Bei der Strukturierung des Kaufprozesses in Kaufphasen geht es nicht um eine empirische Abbildung der im Zeitablauf nacheinander durchgeführten Aktivitäten. Denn tatsächlich haben empirische Untersuchungen gezeigt, daß einzelne Phasen sich überlappen können, daß Rückkoppelungen möglich sind usw., so daß eine klar strukturierte Phaseneinteilung empirisch nicht nachgewiesen werden konnte. Demgegenüber geht es bei der Phaseneinteilung um etwas ganz anderes: Es handelt sich um eine nicht zeitliche, sondern analytische Trennung unterschiedlicher Aktivitäten und die Zusammenfassung gleichartiger Aktivitäten in Phasen, die in plausibler Weise, die sich meist auch mit der empirischen Erfahrung deckt, großteils nacheinander erfolgen. Das hat den Sinn, daß der Mar-

234

Kapitel IV: Organisationales Kaufverhalten

ketingexperte über Eingriffsmöglichkeiten in jene Entscheidungsphasen nachdenkt, die von außerhalb der beschaffenden Unternehmung beeinflußbar sind. So muß man z.B. vom Marketing her darüber nachdenken, was dazu beigetragen werden kann, daß Kundenunternehmungen überhaupt dazu angeregt werden, über ein Beschaffungsproblem nachzudenken und wer in den potentiellen Kundenunternehmungen oder auch in anderen Unternehmungen (z.B..Unternehmungsberatungen) die Rolle des Initiators (vgl. Kapitel IV, 4.1.1) übernehmen könnte. Diese Initiatoren könnte man dann bevorzugt „marketingmäßig" bearbeiten. So wurden z.B. als die ersten CAD-Systeme auf dem Markt kamen, zuerst einmal viele Symposien abgehalten, um über die technischen Möglichkeiten zu informieren, mögliche Initiatoren anzuregen und anzusprechen und in den Unternehmungen Entscheidungsprozesse im Hinblick auf die Anschaffung von CAD-Systemen anzuregen. Die Informationssuche potentieller Käufer kann von den Anbietern durch eine entsprechende Kommunikationspolitik - z.B. Fachaufsätze in Fachzeitschriften, Fachsymposien, Ausstellungen auf Messen, Direct-Mail, Besuche von Außendienstmitarbeitern usw. - aber auch durch den Aufbau eines möglichst guten Images unterstützt werden. Bei der Suche nach bestimmten Problemlösungen können Kundenunternehmungen kommunikativ, beratend usw. unterstützt werden. Die Phasenabgrenzung und die Benennung der einzelnen Phasen wird in der Literatur nicht einheitlich gehandhabt. Trotz einiger Unterschiede lassen sich auch deutliche Gemeinsamkeiten zwischen all den Phasengliederungen erkennen, die Unterschiede liegen vornehmlich im Grad der Detaillierung der einzelnen Phasen. Exemplarisch wird die Kaufphaseneinteilung von Robinson/Faris/Wind dargestellt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Erkennen eines Bedürfnisses und einer allgemein möglichen Lösung Feststellung des Bedarfs in qualitativer und quantitativer Hinsicht Genaue Beschreibung des Beschaffungsgutes Suche nach potentiellen Bezugsquellen Einholen und Analysieren von Angeboten Bewertung der Angebote und Lieferantenauswahl Festlegung des Bestellverfahrens Leistungsfeedback und Neubewertung

Inwieweit die einzelnen Phasen nahtlos ineinander übergehen bzw. ineinander verschmelzen und dadurch nicht mehr klar abzugrenzen sind, ist je nach Beschaffungssituation unterschiedlich. Je nach dem, ob es sich bei der Beschaffungssituation um einen Erstkauf, modifizierten Wiederkauf oder unmodifizierten Wiederkauf handelt, je nach dem Grad des erwarteten organisationalen Wandels und dem relativen Wert des Kaufobjektes, sind unterschiedlich viele Personen, Unternehmensbereiche sowie unterschiedliche hierarchische Ebenen am Kaufprozeß beteiligt. Daraus resultierend variiert auch die Dauer des Kaufprozesses, welche beim unmodifizierten Wiederkauf am kürzesten ist, da bereits Kauferfahrung vorhanden ist und weniger Unternehmensbereiche involviert werden müssen.

4. Monoorganisationale Erklärungsansätze z u m organisationalen Kaufverhalten

235

4.1.2.3 Die Buygrid-Matrix Die Buygrid-Matrix von Robinson/Faris/Wind verbindet das Kaufklassen- u n d Kaufphasenkonzept, indem Zusammenhänge aufgezeigt und die Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Buying Centers gezeigt werden. Auf der Basis eines Rasters können so z.B. die Entscheidungsbeteiligten entlang der Entscheidungskette identifiziert werden. In Abhängigkeit von der jeweiligen Kaufklasse, d.h. davon, ob es sich u m einen Neukauf, modifizierten Wiederholungskauf oder unmodifizierten Wiederholungskauf handelt, sind die einzelnen Kaufprozeßvariablen unterschiedlich ausgestaltet:

Prozeßvariable

Neukauf/modifizierter Wiederholungskauf

Unmodifizierter Wiederholungskauf

Zeitl. Erstreckung

7 Monate - 5 Jahre

1 Woche - 7 Monate

Größe des Buying Centers

3-6 Mitglieder

2-3 Mitglieder

Anstoß zu Lieferantenkontakten geht aus vom

Einkäufer, Planungs- oder Produktmanager, Ingenieur

Einkäufer

Initiator der Kaufabsicht

Manager, andere Lieferanten, Ingenieure

Einkäufer, Betreiber

Bevorzugte Verhandlungsparameter

Preis, Produktausfuhrung, Lieferung, Garantie

Lieferung, Preis, Zahlungsbedingungen

Zusammensetzung des Buying Centers

Unterschiedlich

Einkäufer und unterschiedlich

Gründe des Käufers für den Lieferantenkontakt

Gewünschte Modifikationen, Unzufriedenheit, unfähige Lieferanten

Lagerauffüllung, Unzufriedenheit

Nachkaufberichterstattung

Immer oder manchmal formlos

Formlos

Abb. 4.6: Der Kaufprozeß unter Berücksichtigung 1979, S. 11)

der Kaufldassen (Quelle: Doyle, P./Woodside,

A. G./Michell, P.,

236

Kapitel IV: Organisationales Kaufverhalten

Der Sinn dieser Matrix besteht darin, daß die anbietende Unternehmung ihre Erfahrungen hinsichtlich der Kaufklassen und Kaufphasen in eine solche Matrix einbringen und damit systematisieren kann. So baut sich im Laufe der Zeit Erfahrung darüber auf, welche Kaufprozeßbeteiligten in den verschiedenen Kaufprozeßphasen und Kaufklassen durchschnittlich oder jeweils bei verschiedenen Gruppen von Unternehmungen am Kaufprozeß direkt oder indirekt beteiligt sind und wie man sie phasengerecht unterstützen kann. 4.1.2.4 Sonstige situative Variable der Entscheidungssituation In der jeweiligen Beschaffungssituation können auch Einflußfaktoren wirken, die weder aus dem relativen Wert bzw. dem Typ des Investitionsobjektes, noch aus der Neuartigkeit der Problemdefinition resultieren. D.h. daß die Komplexität des Beschaffungsprozesses viel Spielraum für Einflußfaktoren offen läßt, die weder kategorisiert, noch einer empirischen Überprüfung zugeführt werden können, so z.B. Umweltgegebenheiten, gesetzliche Vorschriften, die Ablauf und Anzahl der Beteiligten am Beschaffungsprozeß oder bestimmte Modalitäten dieses Prozesses bestimmen oder eingrenzen, kulturell bedingte Wertvorstellungen und Verhaltensweisen, Besonderheiten der beschaffenden Organisation, Wechselwirkungen zwischen den Persönlichkeitseigenschaften der am Beschaffungsprozeß beteiligten Personen und der Beschaffungssituation usw. Sogenannte „Totalmodelle" versuchen in möglichst umfassender Weise alle auf die Kaufentscheidung einwirkenden Variablen in systematischer Weise zu erfassen und darzustellen.

4.2 Totalmodelle Umfassende Versuche, möglichst alle Einflußfaktoren des organisationalen Beschaffungsverhaltens zu erfassen, zu ordnen, zu strukturieren sowie deren Interdependenzen aufzuzeigen, wurden erst mit der Entwicklung von Systemmodellen unternommen. Dabei haben folgende Modelle Bedeutung erlangt: • • • •

Das Modell von Robinson/Faris/Wind Das Webster/Wind-Modell Das Sheth-Modell sowie Das Modell von Choffray und Lilien

Sieht man sich diese „Modelle" genau an, so wird schnell klar, daß es sich hier kaum um Modelle als vereinfachte strukturelle Abbildungen der Realität handeln kann. Es wird durch sie vielmehr der Versuch unternommen, die große Fülle möglicher Einflußfaktoren im Wege eines systematisch aufgebauten Variablenrasters zu ordnen. Das schmälert den Verdienst dieser Strukturierungsversuche keineswegs. Es macht aber deutlich, daß der Weg bis zu realitätsnahen Modellen von organisationalen Kaufentscheidungen noch außerordentlich weit ist. Sie müßten ja neben den Rahmenbedingungen und Einflußvariablen auch Wirkungen von und Wechselwirkungen zwischen diesen vielen Variablen sowie die unterschiedlichen Wirkungsweisen, Wirkungsstärken und Wirkungsrichtungen in empirisch belegter

4. Monoorganisationale Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten

237

Weise enthalten. Exemplarisch sollen im Rahmen dieses Lehrbuchs im folgenden nur die Modelle von Webster/Wind und von Choffray/Lilien kurz dargestellt werden.

4.2.1 Das Webster/Wind-Modell Webster und Wind sehen die Beschaffungsentscheidung als Problemlösungsprozeß auf dem Hintergrund einer hierarchischen Faktorenstruktur an (Abbildung 4.7). Eine Kaufsituation ergibt sich dann, wenn in der Organisation eine Diskrepanz zwischen einem gewünschten Zustand und der gegenwärtigen Situation wahrgenommen wird, die möglicherweise durch einen Beschaffungsvorgang beseitigt werden kann. Das Strukturmodell von Webster und Wind wird durch vier hierarchisch aufgebaute, das Kaufverhalten beeinflussende Variablengruppen geprägt. Dabei können innerhalb jeder Gruppe Einflußfaktoren unterschieden werden, die entweder direkt mit der Beschaffungsaufgabe gekoppelt sind (task variables) oder nicht direkt auf das Kaufproblem bezogen sind (non-task variables).

238

Kapitel IV: Organisationales Kaufverhalten

I. Die Umwell (Umweltbezogene Determinanten des Kaufverhallens) Physische Umwell Technologische Umwelt Lieferanten

Kunden

Staat

\ / Informationen über Anbieter (Marketing-Kommunikation)

ökonomische Umwelt Politische Umwelt

Gewerkschaften

V

Handelsverbände

Berufsverbände

Legale Umwelt Kulturelle Umwelt Andere industrielle Anbieter

V

Erhältlichkeit von Gütern und Dieniten

Andere soziale Institutionen V

Allgemeine wirtKluftliche Lage

..„j x i ~ _ „ Werte und Normen

Abb. 4.7: Das Webster/Wind-Modell, Übersetzung entnommen aus Backhaus (Quelle: Backhaus, K., 1999, S. 117)

4. Monoorganisationale Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten

239

Die verschiedenen Gruppen von Einflüssen (Umwelteinflüsse, organisational, interpersonelle und individuelle Faktoren) weisen folgende Komponenten auf: 1. Umweltbedingte Determinanten Hier ergeben sich mehrere relevante Umweltfaktoren, die das Einkaufsverhalten beeinflussen: • • • • • •

physikalische Einflüsse (z.B. Klima, geographische Lage) technische Einflüsse (z.B. Transportsysteme, Entwicklungsstand der EDV, biologische und medizinische Erkenntnisse) ökonomische Einflüsse (z.B. Lohn- und Preisniveau, Konsumgüternachfrage) politische Einflüsse (z.B. Tarif- und Handelsvereinbarungen, Stabilität der Regierung) gesetzliche Einflüsse (z.B. Rechtssystem und Rechtssicherheit, Umweltschutz, Sicherheitsbestimmungen) kulturelle Einflußfaktoren, die aus bestimmten Wertvorstellungen, aus Sitten und Gebräuchen und aus der Tradition resultieren.

Viele dieser Umwelteinflüsse sind historisch gewachsen und werden vorwiegend von Institutionen, wie etwa Regierungen, Gewerkschaften, Verbänden oder sozialen Institutionen gesteuert. Diese prägen die allgemeine wirtschaftliche Situation, das Investitionsklima eines Landes usw., haben aber auch Einfluß auf die Normen und Werte, die die Beziehungen zwischen Lieferanten, Kunden, Regierung etc. sowohl auf gesellschaftlicher als auch privater Ebene steuern. 2. Organisationale Determinanten Die organisationalen Bestimmungsfaktoren verdeutlichen, daß die Individuen nicht voneinander unabhängig sind, sondern in einem sozialen Gefüge interagieren, das ihr Handeln maßgeblich beeinflußt. Entsprechend unterscheiden Webster/Wind folgende Faktoren: •

• •

Ziele und Aufgaben der Organisation beeinflussen Art und Umfang von Kaufentscheidungen, die Struktur und den Ablauf von Beschaffungsentscheidungsprozessen usw. Führungs-, Organisations-, Informationsstrukturen, aber auch die Strukturen der Arbeitsprozesse beeinflussen das Kaufverhalten nicht unerheblich. Die organisational Technologie, genau gesagt das Technologieniveau (buying technology) betrifft sowohl das zu beschaffende Gut als auch das technische Potential, das zur Entscheidungsfindung herangezogen werden kann. Bisheriges und angestrebtes Technologieniveau, wie auch die in Betracht gezogenen Kaufalternativen hängen eng mit dem Technologieniveau des Personals, dem bisher angesammelten Produkt- und ProzeßKnow-how, der technischen Ausrüstung der Unternehmung und ihren Zielvorstellungen zusammen. So kann z.B. das Ziel eines Unternehmens in einem neuen Technologiebereich Fuß zu fassen, sehr erhebliche Auswirkungen auf die Technologie und Personalpolitik sowie auf die Beschaffungspolitik haben, da der Einsatz neuer Technologien in der Regel mit erheblichen Investitionen verbunden ist.

240

Kapitel IV: Organisationales Kaufverhalten

Diese interdependenten Variablen bilden insgesamt den formalen organisatorischen Kontext, in dessen Rahmen sich der Beschaffungsprozeß vollzieht und der das Kaufverhalten entsprechend beeinflußt. 3. Interpersonale Determinanten Die Organisationsmitglieder, insbesondere die Mitglieder des Buying Center interagieren in starkem Maße, entwickeln Normen und Sanktionsmechanismen und interagieren auch mit den Variablen der anderen Ebenen des Kaufverhaltensmodells. Daher befaßt sich diese Modellebene mit dem Buying Center und den Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern des Buying Centers und ihren jeweiligen Rollen, die sie im Rahmen des Beschaffungsprozesses einnehmen. Ein besonderes Interesse kann hierbei in bestimmten Beschaffungssituationen z.B. im Falle eines unmodifizierten Wiederkaufes, dem Einkäufer gelten, der in diesen eher routinemäßigen Fällen die endgültige Entscheidung für den jeweiligen Lieferanten trifft. Er versucht unter Einsatz bestimmter Techniken und Verhaltensweisen seine Machtposition zu halten bzw. auszubauen, wobei er die anderen Mitglieder des Buying Center zu einem für ihn vorteilhaften Verhalten bringen muß. In anderen Beschaffungssituationen, z.B. dem Neukauf einer komplexen Produktionsanlage können aber z.B. Techniker oder aber die Geschäftsleitung ein wesentlich stärkeres Entscheidungsgewicht als der Einkauf haben. Die Macht- und Beschaffungsstrukturen im Buying Center variieren daher mit dem Kauftyp, mit situationsspezifischen Faktoren, mit der Stärke der Betroffenheit der jeweiligen Unternehmensbereiche und der Gesamtunternehmung von der Kaufentscheidung, den Kaufphasen usw. Generell versuchen alle Mitglieder des Buying Centers im Rahmen des Beschaffungsprozesses aufgaben- und nichtaufgabenbezogene Ziele zu verwirklichen. Dabei orientieren sich aufgabenbezogene Ziele am Aufgabenfeld der Unternehmung und stehen damit in einem sachlichen Zusammenhang mit den Zielsetzungen des Gesamtunternehmens. Nicht aufgabenbezogene Ziele ergeben sich nicht aus den Unternehmensaufgaben, sondern z.B. aus der Person des Buying Center Mitglieds (z.B. Prestigeziele, Machtziele, Karriereziele usw.). Sie leiten damit zu den individuellen Einflußfaktoren über. 4. Individuelle Einflüsse Diese Variablen stellen nach Auffassung der Autoren den bedeutsamsten Einflußfaktor des organisationalen Kaufverhaltens dar, da es letztlich Personen sind, die als Individuen oder als Mitglieder einer Gruppe Kaufsituationen definieren, analysieren sowie entscheiden und handeln. Das hier angewandte Modell zum individuellen Verhalten wird als Funktion dreier Variablenbündel angesehen: • •

Persönlichkeit des Individuums, Rollenverhalten, kognitive Struktur, Motivation sowie Lernen Die zweite Faktorengruppe resultiert aus der Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt und den von ihr ausgehenden Einflüssen

4. Monoorganisationale Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten •

241

Neigungen, Präferenzen und Entscheidungsmodelle des Individuums

Da die Individualentscheidungen jedoch stark durch den interpersonalen, organisatorischen und umweltbezogenen Kontext beeinflußt werden, ist eine umfassende Erklärung des organisationalen Kaufverhaltens nur durch den Einbezug aller vier Gruppen von Einflußfaktoren möglich.

4.2.2 Das Modell von Choffray/Lilien Choffray und Lilien widmen sich in ihrem Ansatz besonders der Operationalisierungsproblematik des organisationalen Beschaffungsverhaltens. Dabei versuchen die Autoren zumindest die Hauptdeterminanten organisationaler Entscheidungsprozesse zu isolieren, die dann in einem zweiten Schritt in expliziter Form zu kontrollierbaren Marketingvariablen in Beziehung gesetzt werden. Ausgangspunkt bilden drei Kernphasen des organisationalen Kaufentscheidungsprozesses: 1. Auswahl relevanter Alternativen 2. Präferenzbildung bei den einzelnen Mitgliedern des Buying Center 3. Präferenzbildung in der gesamten Organisation Diese werden dann mit den Strukturen des Buying Center in Verbindung gebracht, wobei sich folgendes Beziehungsgefüge ergibt:

242

Kapitel IV: Organisationales Kaufverhalten

In Betracht gezogene Alternativen

Umweltreitriktionen - physischer -, - technologischer • Art - ökonomischer - sozialer -1

Orgamsationserfordern iss« - techni- - i scher l . - finan- ( A r t zieller —»

£ "

"3

C

iu 8I •sf V CS

Realisierbare Alternativen

Bildung individueller Präferenzen

Bildung organisational Prtferenzen

Organisationale Entscheidung

Abb. 4.8: Hauptelemente

des organisationalen

En



L Kauperhaltens

(Quelle: Choffray, J.-M.fLilien G.L., 1978, S. 22)

Der Beschaffungsprozeß beginnt mit einer Auswahl in Betracht gezogener Alternativen, die durch die den Mitgliedern des Buying Center zur Verfügung stehenden Informationsquellen bestimmt werden. Die Berücksichtigung physischer, technologischer, ökonomischer und sozialer Umweltrestriktionen sowie finanzieller und technischer Anforderungen der Organisation führt zu einer reduzierten Anzahl relevanter Alternativen. Aufgrund bestimmter Bewertungskriterien entwickeln die Entscheidungsträger des Buying Center individuelle Präferenzen, die den Entscheidungsprozeß beeinflussen. Dieser wird darüber hinaus wegen seiner Multipersonalität auch wesentlich von den Interaktionsstrukturen im Buying Center bestimmt, die zur Bildung der organisationalen Präferenzen führen. Diese organisationalen Präferenzen bestimmen schließlich die endgültige Kaufentscheidung. Eine Operationalisierung des oben beschriebenen Kaufprozesses soll über das MarketingResponse-Modell erreicht werden:

4. Monoorganisationale Erklärungsansätze zum organisationalen Kaufverhalten

Entacbeidunggttnmeter des Anbieters

Vom Anbieter nicht beeinfhiËbare Einflufcpößen

Enttdwidungsprozefi

Alle Produktaltemativen A ι Marketing-Unterstützung für Produkt ι

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Awarenee-Modell

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Kommu nikations-Ve rinite η der Enttcheidungsbeteiligten im Buying Center

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Umweltrestriktionen und Oiganisationserfordemjsae

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