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German Pages 414 [415] Year 2011
Managementwissen für Studium und Praxis
Herausgegeben von Prof. Dr. Dietmar Dorn und Prof. Dr. Rainer Fischbach Bisher erschienene Titel: Anderegg: Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Arrenberg, Kiy, Knobloch, Lange: Vorkurs Mathematik Barth, Barth: Controlling Behrens, Kirspel: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Behrens, Hilligweg, Kirspel: Übungsbuch zur Volkswirtschaftslehre Behrens: Makroökonomie – Wirtschaftspolitik Bontrup: Lohn und Gewinn Bontrup: Volkswirtschaftslehre Bradtke: Mathematische Grundlagen für Ökonomen Bradtke: Statistische Grundlagen für Ökonomen Busse: Betriebliche Finanzwirtschaft Camphausen: Strategisches Management Dinauer: Grundzüge des Finanzdienstleistungsmarktes Dorn, Fischbach, Letzner: Volkswirtschaftslehre Dorsch: Abenteuer Wirtschaft, 40 Fallstudien mit Lösungen Drees-Behrens, Kirspel, Schmidt, Schwanke: Aufgaben und Fälle zur Finanzmathematik, Investition und Finanzierung Drees-Behrens, Schmidt: Aufgaben und Fälle zur Kostenrechnung Fiedler: Einführung in das Controlling Fischbach, Wollenberg: Volkswirtschaftslehre 1 Götze: Grafische und empirische Techniken des Business-Forecasting Gohout: Operations Research Haas: Excel im Betrieb Hans: Grundlagen der Kostenrechnung Heine, Herr: Volkswirtschaftslehre Koch: Marktforschung Koch: Betriebswirtschaftliches Kosten- und
Leistungscontrolling in Krankenhaus und Pflege Laser: Basiswissen Volkswirtschaftslehre Martens: Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows Mensch: Finanz-Controlling Peto: Grundlagen der Makroökonomik Piontek: Controlling Piontek: Beschaffungscontrolling Plümer: Logistik und Produktion Posluschny: Basis Mittelstandscontrolling Posluschny: Kostenrechnung für die Gastronomie Rau: Planung, Statistik und Entscheidung – Betriebswirtschaftliche Instrumente für die Kommunalverwaltung Rudolph: Tourismus-Betriebswirtschaftslehre Rüth: Kostenrechnung, Band I Rüth: Kostenrechnung, Band II Scharnbacher, Kiefer: Kundenzufriedenheit Schuster: Kommunale Kosten- und Leistungsrechnung Schuster: Doppelte Buchführung für Städte, Kreise und Gemeinden Specht, Schweer, Ceyp: Markt- und Ergebnisorientierte Unternehmensführung Stender-Monhemius: Marketing – Grundlagen mit Fallstudien Stibbe: Kostenmanagement Strunz, Dorsch: Management Strunz, Dorsch: Internationale Märkte Weeber: Internationale Wirtschaft Wilde: Plan- und Prozesskostenrechnung Wilhelm: Prozessorganisation Wörner: Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht Zwerenz: Statistik Zwerenz: Statistik verstehen mit Excel – Buch mit Excel-Downloads
Einführung in das Controlling Methoden, Instrumente und IT-Unterstützung von
Prof. Dr. Rudolf Fiedler Jens Gräf 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik & Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-58433-2
Vorwort
Die Bedeutung des Controllings hat in den letzten Jahren weiter zugenommen. Controllingwissen benötigt nicht nur der Controller, sondern auch das Management und viele Mitarbeiter. Es gehört zu den Kernkompetenzen jedes Betriebswirts und Kaufmanns. Mit dem vorliegenden Buch wird das Ziel verfolgt, den Controllinginteressierten und Controllern eine zugleich theorieorientierte und praxisfundierte Beschreibung des Controllings und seiner wesentlichen Instrumente an die Hand zu geben. Sie sollen Anregungen für die Lösung ihrer täglichen Herausforderungen erhalten. Das Buch wendet sich zudem an Studierende, die sich an der Hochschule mit dem Fach Controlling beschäftigen. Es wurde Wert auf eine leicht verständliche Darstellung gelegt. Viele Abbildungen, Praxisbeispiele und das durchgehende Beispiel des Fahrradunternehmens Flitzer AG tragen dazu bei, dass sich der Leser rasch mit der Thematik vertraut machen kann. Das Lehrbuch umfasst sechs Kapitel. Jedes Kapitel wird mit Lernzielen eingeleitet und mit Kontrollfragen, Aufgaben sowie Lösungsvorschlägen abgeschlossen. Oft werden weitere Fallbeispiele an das Kapitelende gestellt. Kapitel 1 gibt einen grundlegenden Überblick über das Controlling. Angesprochen werden die Aufgaben und Ziele des Controllings, das Berufsbild des Controllers und seine Einbindung in die Aufbauorganisation sowie die Abgrenzung des Controllings zur internen Revision und zum Treasuring. Kapitel 2 behandelt das Controlling aus strategischer Sicht. Es geht vor allem um den Prozess und die Instrumente für die strategische Planung. Ausführlich wird die Balanced Scorecard beleuchtet. Kapitel 3 beschreibt das operative Controlling. Auch hier werden der Prozess und die Instrumente für die Planung beschrieben. Die Plankostenrechnung und neue Budgetierungsansätze werden entsprechend ihrer praktischen Bedeutung ausführlich besprochen. Die Abweichungsermittlung im Rahmen der operativen Kontrolle bildet den Abschluss dieses Kapitels. Kapitel 4 behandelt weitere Instrumente und Aufgabenfelder. Neben der Teilkostenrechnung werden Target Costing, Benchmarking, Risikocontrolling, Prozesscontrolling, Prozesskostenrechnung und Working Capital Management beleuchtet.
Vorwort
VI
Kapitel 5 widmet sich dem Management Reporting und wesentlichen Kennzahlen. Kapitel 6 gibt Einblick in die Möglichkeiten des IT-gestützten Controllings. In das vorliegende Lehrbuch flossen Anregungen vieler Personen ein, die auf diese Weise zum Gelingen beitrugen. Ihnen allen möchten wir danken. Besonderen Dank schulden wir Dr. Christian Langmann (Advanced Budgeting-Ansatz von Horváth & Partners), Benjamin Brehm (zusammen mit Jens Gräf verfasste er das Kapitel Risikomanagement und Risikocontrolling), Nina Spelten (Prozesscontrolling), Thomas Kunkel (Working Capital Management), Daniela Kehrer (Management Reporting mit Kennzahlen) und Dr. Gerald Butterwegge (Datenanalyse mit dem DeltaMaster). Sie haben einzelne Beiträge trotz ihrer hohen Arbeitsbelastung verfasst. Für Verbesserungsvorschläge sind die Autoren immer dankbar. Anregungen können über die E-Mail-Kennung [email protected] weitergegeben werden. Der interessierte Leser kann weitere Informationen über Controlling unter den Adressen www.controllingmagazin.de, www.projektcontroller.de und www.competence-site.de im Internet abrufen. Würzburg im Oktober 2011
Rudolf Fiedler Jens Gräf
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Abbildungsverzeichnis
1
GRUNDLAGEN DES CONTROLLINGS
V XIII
1
1.1
Controllingbegriff
3
1.2
Entwicklung des Controllings
7
1.3
Berufsbild des Controllers
10
1.4
Abgrenzung von Controlling zu interner Revision und Treasuring
11
1.5
Entwicklungstrends im Controlling
13
1.6 Controllingorganisation 1.6.1 Controlling als Linienstelle 1.6.2 Controlling als Stabsstelle 1.6.3 Weisungsbefugnisse zentraler Controllingstäbe 1.6.4 Zuordnung der Controllingaufgaben 1.6.5 Interne Struktur des Controllings 1.6.6 Controlling in kleinen Unternehmen
16 16 17 19 19 20 20
1.7 Lernerfolg 1.7.1 Fallbeispiel: Organisation des Controllings in einem Geschäftsbereich der Robert Bosch GmbH 1.7.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 1 1.7.3 Lösungen zu Kapitel 1
21 21 23 24
2
25
STRATEGISCHES CONTROLLING
2.1 Strategische Planung 2.1.1 Prozess der strategischen Planung 2.1.1.1 Festlegung von Mission, Vision und Leitbild 2.1.1.2 Analyse der Chancen und Risiken sowie der Stärken und Schwächen 2.1.1.2.1 Bestimmung strategischer Geschäftseinheiten 2.1.1.2.2 Identifikation externer Gelegenheit und Gefahren 2.1.1.2.3 Identifikation interner Stärken und Schwächen 2.1.1.3 Entwicklung alternativer Strategien
28 28 28 30 30 33 36 39
VIII
Inhaltsverzeichnis
2.1.2 Instrumente der strategischen Planung 2.1.2.1 Produkt-Markt-Matrix 2.1.2.2 Lebenszykluskonzept 2.1.2.3 Erfahrungskurve 2.1.2.4 Portfoliotechnik 2.1.2.4.1 Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio 2.1.2.4.2 Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio 2.1.3 Balanced Scorecard 2.1.3.1 Was ist eine Balanced Scorecard? 2.1.3.2 Einführungsgründe für die Balanced Scorecard 2.1.3.3 Schwierigkeiten bei der Strategieumsetzung 2.1.3.4 Strategische Klärung als Voraussetzung für die Einführung einer Balanced Scorecard 2.1.3.5 Strategieumsetzung mit der Balanced Scorecard 2.1.3.6 Prozess für die Entwicklung einer Balanced Scorecard 2.1.3.6.1 Perspektiven festlegen 2.1.3.6.2 Strategische Ziele ableiten 2.1.3.6.3 Strategy Maps 2.1.3.6.4 Messgrößen 2.1.3.6.5 Zielwerte 2.1.3.6.6 Strategische Aktionen 2.1.3.7 Konzeption des Roll-Out der Balanced Scorecard 2.1.3.8 Tipps zur Einführung einer Balanced Scorecard 2.1.3.9 Ausgewählte empirische Ergebnisse 2.2
Strategische Kontrolle
40 40 42 46 47 47 52 54 54 55 57 58 59 60 65 66 70 72 74 76 77 81 82 83
2.3 Lernerfolg 2.3.1 Fallbeispiel: strategische Planung für die Flitzer AG mit der Balanced Scorecard 2.3.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 2 2.3.3 Lösungen zu Kapitel 2
85 92 93
3
95
OPERATIVES CONTROLLING
3.1 Operative Planung 3.1.1 Prozess der operativen Planung 3.1.1.1 Hierarchische Dimension 3.1.1.2 Sachliche Dimension 3.1.1.3 Zeitliche Dimension 3.1.2 Instrumente der operativen Planung und Budgetierung 3.1.2.1 Kosten- und Ergebnisplanung in der traditionellen Budgetierung 3.1.2.1.1 Verfahren der Plankostenrechnung im Überblick 3.1.2.1.2 Preis- und Mengenkomponenten der Plankostenrechnung
85
99 99 99 103 109 111 112 112 118
Inhaltsverzeichnis
IX
3.1.2.1.3 Einzelkostenplanung 3.1.2.1.3.1 Materialeinzelkosten 3.1.2.1.3.2 Fertigungseinzelkosten 3.1.2.1.4 Gemeinkostenplanung 3.1.2.1.4.1 Festlegung der Kostenstellen 3.1.2.1.4.2 Wahl der Bezugsgrößen 3.1.2.1.4.3 Planung der Beschäftigung 3.1.2.1.4.4 Planung der Gemeinkosten und Ermittlung der Gemeinkostensätze 3.1.2.1.4.5 Herstellkostenplanung 3.1.2.1.5 Erlös- und Ergebnisplanung 3.1.2.1.6 Zero-Base-Budgeting (ZBB) 3.1.2.1.7 Gemeinkostenwertanalyse (GWA) 3.1.2.2 Neue Budgetierungsansätze 3.1.2.2.1 Kritik an der traditionellen Budgetierung 3.1.2.2.2 Better, Beyond und Advanced Budgeting als neuere Ansätze der Budgetierung 3.1.2.2.3 Advanced Budgeting-Ansatz von Horváth & Partners 3.1.2.2.3.1 Leitmotive des Ansatzes 3.1.2.2.3.2 Prinzipien und Instrumente des Ansatzes
119 120 121 130 131 132 136
156 160 160 161
3.2 Operative Kontrolle 3.2.1 Abweichungsermittlung und -analyse im System der Plankostenrechnung 3.2.2 Abweichungen bei den Materialeinzelkosten 3.2.3 Abweichungen bei den Fertigungseinzelkosten 3.2.4 Abweichungen bei den Gemeinkosten 3.2.5 Abweichungen bei den Deckungsbeiträgen
172 174 178 181 181 185
3.3 Lernerfolg 3.3.1 Fallbeispiel: Neuer Budgetierungsansatz bei der Flitzer AG 3.3.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 3 3.3.3 Lösungen zu Kapitel 3
190 190 192 197
137 139 143 144 147 155 155
4 AUSGEWÄHLTE INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER DES CONTROLLINGS 205 4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung 4.1.1 Aufgaben der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung 4.1.2 Entwicklung der Kostenrechnungsverfahren 4.1.3 Vergleich von Vollkosten- und Teilkostenrechnung 4.1.3.1 Variable und fixe Kosten 4.1.3.2 Kostenverrechnung 4.1.3.3 Mängel der Vollkostenrechnung
208 208 210 212 212 220 228
X
Inhaltsverzeichnis 4.1.4 Deckungsbeitragsrechnung 4.1.4.1 Einstufige Deckungsbeitragsrechnung 4.1.4.2 Mehrstufige DB-Rechnung 4.1.4.3 Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel 4.1.4.4 Engpassbezogene Deckungsbeiträge 4.1.5 Break-Even-Analyse
4.2
Target Costing
236 239 240 244 247 250 257
4.3 Benchmarking 4.3.1 Formen des Benchmarking 4.3.2 Vorgehensweise 4.3.2.1 Vorbereitungsphase 4.3.2.2 Analyse der eigenen Leistung 4.3.2.3 Datenerhebungsphase 4.3.2.4 Analysephase 4.3.2.5 Realisierungsphase 4.3.3 Benchmarking von Prozessen 4.3.4 Erfolgsfaktoren des Benchmarking
262 262 264 264 265 266 267 268 269 270
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling 4.4.1 Einleitung: Auslöser und Nutzen 4.4.2 Begriffliche Grundlagen 4.4.3 Regelkreis des Risikomanagements 4.4.3.1 Risikopolitik 4.4.3.2 Risikoanalyse 4.4.3.3 Risikoplanung und -steuerung 4.4.3.4 Risikoüberwachung 4.4.3.5 Risiko- und Systemdokumentation 4.4.4 Organisatorische Gestaltung 4.4.5 Integration in das bestehende Managementsystem
272 272 272 274 275 275 277 278 279 282 283
4.5 Prozesscontrolling 4.5.1 Grundidee des Prozesscontrollings 4.5.2 Aufgaben und Ziele des Prozesscontrollings 4.5.3 Regelkreis des Prozesscontrollings 4.5.3.1 Prozessplanung 4.5.3.2 Prozessausführung 4.5.3.3 Prozessüberwachung 4.5.3.4 Prozessoptimierung 4.5.4 Ansätze zur Prozessoptimierung 4.5.4.1 Organisationsansätze 4.5.4.2 Qualitätsmanagementansätze
284 284 285 285 286 288 288 289 290 290 291
Inhaltsverzeichnis
XI
4.6 Prozesskostenrechnung 4.6.1 Vorgehensweise 4.6.2 Prozesskostenrechnung und traditionelle Zuschlagskalkulation 4.6.3 Integration der Prozesskostenrechnung in die klassische Kostenrechnung
293 294 301 303
4.7 Working Capital Management 4.7.1 Ziele 4.7.2 Einflussgrößen für das Working Capital Management 4.7.3 Aktives Forderungsmanagement in der Praxis
305 305 305 306
4.8 Lernerfolg 4.8.1 Fallbeispiel: Risikoanalyse und -steuerung bei der Flitzer AG 4.8.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 4 4.8.3 Lösungen zu Kapitel 4
310 310 313 317
5
325
MANAGEMENT REPORTING
5.1
Begriffliche Abgrenzung des Management Reporting
327
5.2
Merkmale zur Kennzeichnung von Berichten
329
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting 5.3.1 Ausrichtung an der Strategie und dem Steuerungskonzept 5.3.2 Reporting-Inhalte 5.3.3 Visualisierung von Berichten 5.3.4 Reporting-Prozesse
330 330 334 342 347
5.4 Lernerfolg 5.4.1 Fallbeispiel: Optimierung des Management Reporting 5.4.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 5 5.4.3 Lösungen zu Kapitel 5
351 351 356 357
6
359
IT-UNTERSTÜTZUNG FÜR DAS CONTROLLING
6.1
Problematik der Datenbereitstellung und -verarbeitung
361
6.2
Anwendungsbereiche der IT
363
6.3
Integration der betrieblichen IT-Systeme
364
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme 366 6.4.1 Enterprise-Resource-Planning-Systeme für Kostenrechnung und Controlling 366 6.4.2 Tabellenkalkulationsprogramme 367
XII
Inhaltsverzeichnis
6.4.3 Führungsinformationssysteme 6.4.3.1 Datenanalyse mit dem DeltaMaster 6.4.3.2 Datenanalyse mit dem Corporate Planner
368 374 380
6.5 Lernerfolg 6.5.1 Fallbeispiel: IT-Unterstützung für das Controlling der Flitzer AG 6.5.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 6 6.5.3 Lösungen zu Kapitel 6
382 382 383 383
Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis Autoren
385 389 393
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1: Abb. 1.2: Abb. 1.3: Abb. 1.4: Abb. 1.5: Abb. 1.6: Abb. 1.7: Abb. 1.8: Abb. 1.9: Abb. 1.10: Abb. 1.11: Abb. 1.12: Abb. 1.13: Abb. 1.14: Abb. 1.15: Abb. 1.16: Abb. 2.1: Abb. 2.2: Abb. 2.3: Abb. 2.4: Abb. 2.5: Abb. 2.6: Abb. 2.7: Abb. 2.8: Abb. 2.9: Abb. 2.10: Abb. 2.11: Abb. 2.12: Abb. 2.13: Abb. 2.14: Abb. 2.15: Abb. 2.16: Abb. 2.17: Abb. 2.18: Abb. 2.19: Abb. 2.20: Abb. 2.21: Abb. 2.22: Abb. 2.23: Abb. 2.24: Abb. 2.25: Abb. 2.26:
Grundlegende Aufgaben des Controllings Controlling-Regelkreis Controllingentwicklung in Deutschland Unterschiedliche Begriffe für Controlling und Controller Controller-Leitbild Träger des Controllings Anforderungen an den Controller Aufgaben von Controlling und Treasuring Eingliederung des Controllings als Linienstelle Controlling als Stabsstelle Controllinghierarchie in einem funktional gegliederten Unternehmen Controllinghierarchie in einem divisional gegliederten Unternehmen Interne Struktur des Finanzbereichs und des Controllings Controlling in einem kleinen Unternehmen Controllinghierarchie bei der Robert Bosch GmbH Interne Controllingstruktur bei der Robert Bosch GmbH Vision, Mission und Leitbild als Grundlagen des strategischen Controllings Das TRUMPF Zielehaus Prozess der strategischen Planung und Kontrolle Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten der Mediengruppe Oberfranken Geschäftseinheiten der Flitzer AG Einflussgrößen für die Umweltanalyse Szenariotrichter Fünf-Kräfte-Modell von Porter Lückenanalyse Potenzialanalyse Wertkette nach Porter Gegenüberstellung von Chancen/Risiken und Stärken/Schwächen SWOT-Analyse der Flitzer AG Produkt-Markt-Matrix Umsatzentwicklung eines idealtypischen Lebenszyklus Merkmale der Phasen im Lebenszyklus Integriertes Produktlebenszyklusmodell Erfahrungskurve Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio Merkmale der Kategorien des Marktwachstums-Marktanteils-Portfolios Portfolioanalyse auf der Basis des Produktlebenszyklus Beispiel eines Portfolios für die Flitzer AG Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio Kriterien für Marktattraktivität und relativen Wettbewerbsvorteil Aufbau einer Balanced Scorecard Ausbaustufen der Balanced Scorecard
5 6 7 9 10 11 12 13 17 17 18 18 20 21 22 23 27 29 31 32 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 44 45 46 48 50 51 52 53 53 54 55
XIV Abb. 2.27: Abb. 2.28: Abb. 2.29: Abb. 2.30: Abb. 2.31: Abb. 2.32: Abb. 2.33: Abb. 2.34: Abb. 2.35: Abb. 2.36: Abb. 2.37: Abb. 2.38: Abb. 2.39: Abb. 2.40: Abb. 2.41: Abb. 2.42: Abb. 2.43: Abb. 2.44: Abb. 2.45: Abb. 2.46: Abb. 2.47: Abb. 2.48: Abb. 2.49: Abb. 2.50: Abb. 2.51: Abb. 2.52: Abb. 2.53: Abb. 2.54: Abb. 3.1: Abb. 3.2: Abb. 3.3: Abb. 3.4: Abb. 3.5: Abb. 3.6: Abb. 3.7: Abb. 3.8: Abb. 3.9: Abb. 3.10: Abb. 3.11: Abb. 3.12: Abb. 3.13: Abb. 3.14: Abb. 3.15: Abb. 3.16: Abb. 3.17:
Abbildungsverzeichnis Verbesserungseffekte einer Balanced Scorecard Barrieren der Strategierealisierung Horváth & Partners-Strategiemodell Wichtige Elemente zur erfolgreichen Strategierealisierung Grundbegriffe beim Einsatz der Balanced Scorecard Beispiel einer Strategy Map Beispiel einer Balanced Scorecard im weiteren Sinne Auszug einer Balanced Scorecard im engeren Sinne Auszug aus dem Aktionsplan einer Balanced Scorecard Der „Horváth & Partners-Strategiefilter“ Zu hoch aggregierte Ziele Zu operativ formulierte Ziele Vermeidung redundanter Beziehungen Fokussierung auf strategisch beabsichtigte Wirkungen Abwägung verschiedener Zielpfade Zielwerte eines Produzenten von Kopiergeräten Priorisierung von strategischen Aktionen Aktionen eines Produzenten von Kopiergeräten Roll-Out-Methoden Entscheidungskriterien zur Auswahl der Methoden Durchdringungsgrad von Balanced Scorecards im Unternehmen Arten der strategischen Kontrolle Strategische Neupositionierung der Flitzer AG Strategy Map der Flitzer AG Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Finanzperspektive Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Kundenperspektive Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Prozessperspektive Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Potenzialperspektive Strategisches Controlling als Grundlage des operativen Controllings Prozess der operativen Planung und Kontrolle Dimensionen der operativen Planung Alternativen der Planung Beispiel für die Umsetzung eines Ziels in Maßnahmen Operative Planung der Flitzer AG Zielvereinbarungsprozess der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG Überblick über die operativen Teilpläne Rechenschema für die integrierte Erfolgsplanung Unterschiede zwischen Betriebsergebnis- und Finanzrechnung Integrierte Planung bei der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG Prinzip der rollierenden Planung Planungskalender Inhalte eines Wirtschaftsplans Instrumente der Budgetierung Verfahren der Plankostenrechnung Flexible Plankostenrechnung
56 57 58 59 60 61 62 63 64 67 68 69 71 72 75 75 76 77 77 79 80 83 88 90 90 91 91 92 97 98 99 100 101 102 103 104 107 108 109 109 110 111 112 113 114
Abbildungverzeichnis
XV
Abb. 3.18: Abb. 3.19: Abb. 3.20: Abb. 3.21: Abb. 3.22: Abb. 3.23: Abb. 3.24: Abb. 3.25: Abb. 3.26: Abb. 3.27: Abb. 3.28: Abb. 3.29: Abb. 3.30: Abb. 3.31: Abb. 3.32: Abb. 3.33: Abb. 3.34: Abb. 3.35: Abb. 3.36: Abb. 3.37: Abb. 3.38: Abb. 3.39: Abb. 3.40: Abb. 3.41: Abb. 3.42:
116 117 118 119 120 122 122 123 124 125 127 128 129 130 132 133 134 135 135 139 140 141 144 145
Abb. 3.43: Abb. 3.44: Abb. 3.45: Abb. 3.46: Abb. 3.47: Abb. 3.48: Abb. 3.49: Abb. 3.50: Abb. 3.51: Abb. 3.52: Abb. 3.53: Abb. 3.54: Abb. 3.55: Abb. 3.56: Abb. 3.57: Abb. 3.58: Abb. 3.59: Abb. 3.60: Abb. 3.61:
Abweichungsermittlung mit der flexiblen Plankostenrechnung Grenzplankostenrechnung Abweichungsermittlung mit der Grenzplankostenrechnung Preis- und Mengenkomponenten der Plankostenrechnung Planung der Materialeinzelkosten Ermittlung der Arbeitszeit über Stückliste und Arbeitsplan Verfahren der Arbeitsbewertung Rangfolgeverfahren Rangreihenverfahren Stufenwertzahlverfahren Zeitarten nach REFA Ermittlung der Vorgabezeit für einen Auftrag Ermittlung der Sozialkosten Ablauf der Gemeinkostenplanung Beispiele für Bezugsgrößen verschiedener Kostenstellen Beispiel für eine Wertdeckungsbezugsgröße Homogene und heterogene Bezugsgrößen Plandaten für die Ermittlung der Sollkosten Istdaten für die Ermittlung der Sollkosten Kostenstellenplan Datenquellen für die Plankalkulation Beispiel für eine IT-gestützte Kalkulation Erlöskomponenten Vorgehensweise bei Zero-Base-Budgeting-Projekten Beispiel für die Definition von Ergebnisniveaus für die Abteilung Kostenrechnung Rangordnung der Entscheidungspakete und Budgetschnitt Vorgehensweise bei einer Gemeinkostenwertanalyse Zeitlicher Ablauf einer Gemeinkostenwertanalyse Daten des Bereichs Finanz- und Rechnungswesen Festlegung der Leistungen und Kostenschätzung am Beispiel der Abteilung Kostenrechnung Möglichkeiten zur Einsparung Einsparungsideen für die Abteilung Kostenrechnung Ideen-Portfolio zur Beurteilung der Einsparungsideen Die zwölf Grundprinzipien des Beyond Budgeting-Ansatzes Einordnung der neuen Budgetierungsansätze Leitmotive des Advanced Budgeting-Ansatzes von Horváth & Partners Grundprinzipien des Advanced Budgeting-Ansatzes ABC-Analyse zur Reduktion des Detaillierungsgrads am Beispiel von Produkten Zusammenhang zwischen Turbulenz der Umwelt und Planungsmethodik Beispiel zum klassischen und rollierenden Forecast Rollierende Planung Alternative Ansätze zur Bestimmung von Zielwerten Statistische Hochrechnung der Ist-Daten Ermittlung von Abweichungen
146 147 148 149 151 151 152 153 153 158 159 161 162 164 165 166 167 170 172 173
XVI Abb. 3.62: Abb. 3.63: Abb. 3.64: Abb. 3.65: Abb. 3.66: Abb. 3.67: Abb. 3.68: Abb. 3.69: Abb. 3.70: Abb. 3.71: Abb. 3.72: Abb. 3.73: Abb. 3.74: Abb. 3.75: Abb. 3.76: Abb. 3.77: Abb. 3.78: Abb. 3.79: Abb. 3.80: Abb. 4.1: Abb. 4.2: Abb. 4.3: Abb. 4.4: Abb. 4.5: Abb. 4.6: Abb. 4.7: Abb. 4.8: Abb. 4.9: Abb. 4.10: Abb. 4.11: Abb. 4.12: Abb. 4.13: Abb. 4.14: Abb. 4.15: Abb. 4.16: Abb. 4.17: Abb. 4.18: Abb. 4.19: Abb. 4.20: Abb. 4.21: Abb. 4.22: Abb. 4.23: Abb. 4.24:
Abbildungsverzeichnis Wertefluss in der geschlossenen Betriebsergebnisrechnung Teilabweichungen Ermittlung von Preisabweichung (PA) und Verbrauchsabweichung (VA) Zuordnungsalternativen für die Abweichung 2. Grades Daten für die Ermittlung der Preisdifferenzkosten Ermittlung der Preisdifferenzkosten Ablauf der Gemeinkostenplanung und -kontrolle Kostenbericht mit Soll-Ist-Vergleich Teilabweichungen des Deckungsbeitrags Plandaten für die Ergebnisanalyse Istdaten für die Ergebnisanalyse Errechnung der Einflüsse auf den Deckungsbeitrag Abweichungsdiagramm Daten für die Berechnung der Abweichungen Daten für den Kostenstellenplan Daten für die Plankalkulation Daten für den Kostenstellenbericht Kostenstellenplan Kostenstellenbericht mit Soll-Ist-Kostenvergleich Wertefluss innerhalb der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung Entwicklungslinien der Kostenrechnungsverfahren Variable, fixe und gemischte Kosten Verläufe der variablen Kosten und der Grenzkosten Fixkostenkategorien Kostenremanenz Daten für die Kostenauflösung Streupunktdiagramm Daten für die Regressionsanalyse Daten für die Ermittlung des Bestimmtheitsmaßes Bedeutung verschiedener Variatorwerte Kostendaten BAB nach der Vollkostenrechnung Zuschlagsbasis für Verwaltungs- und Vertriebs-Gemeinkosten (Vollkostenrechnung) BAB nach der Teilkostenrechnung, Teil 1 BAB nach der Teilkostenrechnung, Teil 2 BAB nach der Teilkostenrechnung, Teil 3 Zuschlagsbasis für Verwaltungs- und Vertriebs-Gemeinkosten (Teilkostenrechnung) Kalkulation für das Fahrrad Gelände (Vollkostenrechnung) Kalkulation für das Fahrrad Gelände (Teilkostenrechnung) Betriebsergebnisrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren (Vollkostenrechnung) Betriebsergebnisrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren (Teilkostenrechnung) Proportionalisierung fixer Kosten Schlüsselung von Gemeinkosten
175 176 177 178 180 180 182 185 186 187 187 188 188 192 194 195 196 200 204 209 211 212 213 213 214 215 216 217 218 219 222 223 224 224 225 225 226 226 227 227 227 228 229
Abbildungverzeichnis Abb. 4.25: Abb. 4.26: Abb. 4.27: Abb. 4.28: Abb. 4.29: Abb. 4.30: Abb. 4.31: Abb. 4.32: Abb. 4.33: Abb. 4.34: Abb. 4.35: Abb. 4.36: Abb. 4.37: Abb. 4.38: Abb. 4.39: Abb. 4.40: Abb. 4.41: Abb. 4.42: Abb. 4.43: Abb. 4.44: Abb. 4.45: Abb. 4.46: Abb. 4.47: Abb. 4.48: Abb. 4.49: Abb. 4.50: Abb. 4.51: Abb. 4.52: Abb. 4.53: Abb. 4.54: Abb. 4.55: Abb. 4.56: Abb. 4.57: Abb. 4.58: Abb. 4.59: Abb. 4.60: Abb. 4.61: Abb. 4.62: Abb. 4.63: Abb. 4.64: Abb. 4.65: Abb. 4.66: Abb. 4.67: Abb. 4.68: Abb. 4.69:
Erfolgsplanung bei Vollkostenrechnung Wirkung des Zusatzauftrags Preiskalkulation bei Vollkostenrechnung Daten für die Ergebnisermittlung Ermittlung des Gewinns für Mai (Vollkostenrechnung) Gewinn des bereinigten Produktionsprogramms (Vollkostenrechnung) Gewinn des optimalen Produktionsprogramms (Teilkostenrechnung) Der Deckungsbeitrag als Entscheidungskriterium Iso-Deckungsbeitragskurve Verdichtung der Produktdeckungsbeiträge Daten für die Analyse des Gesamtdeckungsbeitrags Mehrdimensionale Analyse des Deckungsbeitrags Einstufige Deckungsbeitragsrechnung (Direct Costing) Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Retrograde und progressive Kalkulation im Rahmen der Fixkostendeckungsrechnung Daten für die Vollkostenkalkulation Prozentsätze für die retrograde und progressive Kalkulation Retrograde Vollkostenkalkulation Progressive Vollkostenkalkulation Mehrstufige Bezugsobjekthierarchien Beispiel einer Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten Daten für die Absatzausweitung bei einem Engpass Ausgangsdaten für die Produktion bei einem Engpass Priorisierung der Produkte Optimale Produktionsmenge bei einem Engpass Produktionsmengen bei dem absoluten Deckungsbeitrag als Entscheidungskriterium Optimierung bei zwei Engpässen mit dem Solver von MS-Excel Break-Even-Diagramm Break-Even-Diagramm bei geringer und hoher Automatisierung Bestimmung der Absatzmenge mit der Simulationsfunktion von MS-Excel Prinzip des Target Costing Beitrag der Komponenten zur Erfüllung der Funktionen Komponenten-Funktionsmatrix Zielkostenkontrolldiagramm Zielkostenindizes der Komponenten Zielkostenkontrolldiagramm der Flitzer AG mit q = 15 Prozent Formen des Benchmarking Vorgehen beim Benchmarking Identifikation und Eliminierung der Leistungslücke im zeitlichen Verlauf Externe und interne Risikoquellen Regelkreis des Risikomanagements Risk Map Simulationsmodell Risikosteuerungsalternativen Risikobericht (Praxisbeispiel)
XVII 230 232 233 235 235 236 236 237 237 238 238 239 240 241 242 242 243 243 244 245 246 247 248 248 249 249 250 251 254 255 257 259 259 260 261 261 264 264 268 273 274 276 277 278 280
XVIII Abb. 4.70: Abb. 4.71: Abb. 4.72: Abb. 4.73: Abb. 4.74: Abb. 4.75: Abb. 4.76: Abb. 4.77: Abb. 4.78: Abb. 4.79:
Abbildungsverzeichnis
Risikomanagement-Handbuch (Praxisbeispiel) Risikomanagement-Organisation (Praxisbeispiel) Plansimulation der Zielgröße Umsatz (Praxisbeispiel) Abteilungsübergreifende Prozesse Regelkreis des Prozesscontrollings Die wichtigsten Prozessziele Prozessziel, Kennzahl, Zielwert und Maßnahme Beispiel für einen Prozess-Report Ansätze zur Prozessoptimierung Vergleich zwischen der traditionellen Kalkulation und der Prozesskostenrechnung Abb. 4.80: Vorgehensweise bei der Prozesskostenrechnung Abb. 4.81: Identifikation der Teilprozesse Abb. 4.82: Teilprozesse und Cost Driver in verschiedenen Bereichen Abb. 4.83: Ermittlung der Cost Driver Abb. 4.84: Festlegung der Prozessmengen Abb. 4.85: Planung der Prozesskosten Abb. 4.86: Errechnung der Prozesskostensätze Abb. 4.87: Verdichtung der Teilprozesse zu Hauptprozessen Abb. 4.88: Zahlenbeispiel zur Bildung des Kostensatzes für einen Hauptprozess Abb. 4.89: Beispiel für den Allokationseffekt Abb. 4.90: Beispiel für den Komplexitätseffekt Abb. 4.91: Variantenabhängige Prozesskalkulation Abb. 4.92: Beispiel für den Degressionseffekt Abb. 4.93: Integration der Prozesskostenrechnung Abb. 4.94: Parameter des Working Capital Managements Abb. 4.95: Risikoklassen der Flitzer AG Abb. 4.96: Risiken des Fallbeispiels Abb. 4.97: Risk Map des Fallbeispiels Abb. 4.98: Risikomaßnahmenkatalog des Fallbeispiels Abb. 4.99: Daten zur Ermittlung der Grenzkosten Abb. 4.100: Daten zur Ermittlung der Kostenfunktion Abb. 4.101: Daten für die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Abb. 4.102: Bedeutung der Funktionen für die Ermittlung der Zielkosten Abb. 4.103: Beitrag der Komponenten zur Erfüllung der Funktionen für die Ermittlung der Zielkosten Abb. 4.104: Daten für die Ermittlung der Prozesskosten Abb. 4.105: Lösung für die Ermittlung der Grenzkosten Abb. 4.106: Lösung für die Regressionsanalyse Abb. 4.107: Lösung für die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Abb. 4.108: Lösung für die deckungsbeitragsmaximalen Produktionsmengen Abb. 4.109: Komponenten-Funktionsmatrix Abb. 4.110: Zielkostenkontrolldiagramm Abb. 4.111: Risk Map Abb. 4.112: Prozesskosten
281 282 283 284 286 286 288 289 290 293 295 296 296 297 297 298 299 300 300 301 301 302 303 304 306 308 311 311 312 313 313 314 315 315 316 317 318 320 320 321 322 323 324
Abbildungverzeichnis
XIX
Abb. 5.1: Abb. 5.2: Abb. 5.3: Abb. 5.4: Abb. 5.5: Abb. 5.6: Abb. 5.7: Abb. 5.8: Abb. 5.9: Abb. 5.10: Abb. 5.11: Abb. 5.12: Abb. 5.13: Abb. 5.14: Abb. 6.1: Abb. 6.2: Abb. 6.3: Abb. 6.4: Abb. 6.5: Abb. 6.6: Abb. 6.7: Abb. 6.8: Abb. 6.9: Abb. 6.10: Abb. 6.11: Abb. 6.12: Abb. 6.13: Abb. 6.14: Abb. 6.15:
328 331 333 336 337 339 340 342 344 345 346 347 347 353 364 365 367 369 370 370 371 371 372 373 375 376 378 379 380
Prozesskette der Informationsversorgung Führungsanspruch und Steuerungsverständnis Konkretisierung des Steuerungskonzepts Hauptkategorien von Kennzahlen Alternative Konzeptionen finanzieller Führung Kriterien zur Auswahl von Kennzahlen Beispiel Werttreiberbaum Stufen der Verantwortung in der Kommentierung Beispiel Management Cockpit Vergleich von Diagramm- und Tabellendarstellung Verzerrung der Aussagekraft durch Skalierungen Grundtypen von Diagrammformen Berichtsprozess i.e.S. Verbesserungspotenziale für das Reporting der Flitzer AG Einsatzbereiche für IT-Systeme im Unternehmen Speicherung der Daten einer Rechnung Benutzeroberfläche eines integrierten Planungsmodells Datenanalyse mittels „Dice“ Datenanalyse mittels „Slice“ Datenanalyse mittels „Drill-Down“ Datenanalyse mittels „Roll-Up“ Ausnahmebericht mit Ampelfunktion Trompetenkurve Datenversorgung eines Führungsinformationssystems Hyperbrowser im DeltaMaster Abweichungsanalyse Projekt-Kennzahlen Identifikation auffälliger Arbeitspakete Identifikation der Verursacher einer Abweichung Strukturbaum-Darstellung im Corporate Planner
1 Grundlagen des Controllings
GRUNDLAGEN
STRATEGISCHES CONTROLLING
OPERATIVES CONTROLLING
INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER
MANAGEMENT REPORTING
IT-UNTERSTÜTZUNG
1.1 1.2 1.3 1.4
Controllingbegriff Entwicklung des Controllings Berufsbild des Controllers Abgrenzung von Controlling zu interner Revision und Treasuring 1.5 Entwicklungstrends im Controlling 1.6 Controllingorganisation 1.7 Lernerfolg
2
1 Grundlagen
Lernziele:
Sie können den Begriff Controlling definieren und zu verwandten Bereichen abgrenzen.
Sie erfahren, wie sich das Controlling historisch entwickelte.
Sie lernen die wesentlichen Aspekte des Controllings kennen.
Sie wissen über die Aufgaben des Controllers Bescheid und kennen die Qualifikationsanforderungen, die ein Controller erfüllen muss.
Sie erfahren, welchen zukünftigen Anforderungen sich der Controller stellen muss und wie das Leitbild des „idealen“ Controllers aussieht.
Sie kennen verschiedene Möglichkeiten, Controlling in die betriebliche Organisation einzugliedern.
Sie wissen über Alternativen der Ausgestaltung von Weisungsbefugnissen innerhalb der Controllinghierarchie Bescheid.
Sie erfahren, welche Controllingaufgaben zentral bzw. dezentral wahrgenommen werden.
Sie lernen die interne Organisation des Controllingbereichs kennen.
Sie erhalten einen Einblick in das Controlling eines deutschen Konzerns.
1.1 Controllingbegriff
1.1
3
Controllingbegriff
Wie das folgende Beispiel der Flitzer AG zeigt, hat Controlling die Aufgabe, die Unternehmensführung bei der Planung, Kontrolle und Informationsversorgung zu unterstützen. Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG ist ein Fahrradunternehmen, das 1954 in Würzburg gegründet wurde. Hergestellt werden die Mountainbikes Gelände und Scott, die Rennräder Ulrich und Straße sowie ein Motorroller mit der Bezeichnung Allround. Das Unternehmen möchte sich durch qualitativ hochwertige Produkte von der Billigkonkurrenz aus Fernost absetzen. Das wurde in den letzten fünf Jahren zunehmend schwerer. Die Umsätze sanken um 35 Prozent, die Umsatzrendite beträgt mittlerweile nur noch drei Prozent. Gleichzeitig stiegen die Material- und Personalkosten. Ein besonderes Problem für den Vorstand sind die oft fehlerhaften Daten zur Steuerung des Unternehmens. Hinzu kommt, dass die Ergebniskennzahlen eines Monats erst vier Wochen später verfügbar sind. In dieser Situation entschließt sich der Vorstandsvorsitzende, einen erfahrenen Controller einzustellen. Seine Aufgaben werden vor allem darin bestehen, Informationen für die Managemententscheidungen bereitzustellen. Er soll z. B. berechnen, ob sich die Verlagerung der Produktion nach Osteuropa rechnen würde. Auch die wirtschaftlichen Konsequenzen strategischer Überlegungen, wie den Erfolg der Aufnahme eines Billigfahrrads in das Angebot, sollte er ermitteln können. Zudem wird angestrebt, ein neues Informationssystem für die Datenanalyse einzuführen. Die Leitung dieses Projekts soll der Controller übernehmen. Die Personalabteilung wird vom Vorstand beauftragt, geeignete Bewerber zu suchen. Es wird dafür folgende Stellenannonce in den überregionalen Tageszeitungen platziert:
4
1 Grundlagen
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Controller (m/w) Ihre Aufgaben Unterstützung der strategischen Planung Erstellung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen Deckungsbeitragsrechnung mit Abweichungsanalyse Budgeterstellung in Abstimmung mit den Fachabteilungen Ausarbeitung von Entscheidungsvorlagen für den Vorstand Weiterentwicklung der bestehenden Controllinginstrumente Bereitstellung und Pflege sowie Weiterentwicklung eines einheitlichen Reportings Aktive Mitarbeit in Sonderprojekten Unsere Anforderungen: Abgeschlossenes betriebswirtschaftliches Hochschulstudium mit Schwerpunkt Controlling Zwei- bis dreijährige Berufserfahrung in einem produzierenden Unternehmen sowie gute IT-Kenntnisse (SAP R/3 und MS Office) Gute Kenntnisse der englischen Sprache in Wort und Schrift Hohe analytische Fähigkeiten Ausgeprägte Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Kooperationsbereitschaft Wir bieten Ihnen: Die Mitarbeit in einem dynamischen Unternehmen mit fortschrittlicher Unternehmenskultur und leistungsfähigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Einen attraktiven Arbeitsplatz mit leistungsgerechter Bezahlung. Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen mit Angabe Ihres frühestmöglichen Eintrittstermins und Ihrer Gehaltsvorstellung richten Sie bitte an:
Flitzer AG Personalabteilung Münzstraße 12 D-97070 Würzburg
1.1 Controllingbegriff
5
In der Stellenannonce kommen auch die grundlegenden Hauptaufgabenbereiche des Controllings zum Ausdruck. Man kann zwischen
der Gestaltung des Controllingsystems und der laufenden Koordination
unterscheiden (vgl. Abb. 1.1). Planung
Kontrolle
■ Aufgaben (WAS?)
x
x
■ Verantwortliche (WER?)
x
x
Gestaltung des Controllings
■ Instrumente (WIE?)
x
x
■ Informationen (WOMIT?)
x
x
x
x
Koordination
Abb. 1.1: Grundlegende Aufgaben des Controllings Gestaltung des Controllingsystems: Die einzelnen Aufgaben, die bei der Planung, Kontrolle und Informationsversorgung anfallen, müssen festgelegt werden. Man muss z. B. regeln, welche Managementberichte zu erstellen sind. Außerdem sind die Controllinginstrumente zu bestimmen. So ist zu entscheiden, welches Kostenrechnungsverfahren genutzt wird, um das in den Managementberichten ausgewiesene Betriebsergebnis zu ermitteln. Auch die organisatorischen Zuständigkeiten sind zu formulieren. So muss der Vertrieb die Umsatzzahlen wöchentlich bereitstellen. Hohe Bedeutung haben Informationen, welche für die Planung und Kontrolle erforderlich sind. Die Datenquellen und der Prozess der Datenbereitstellung sind festzulegen. Koordination: Auf der Grundlage des eingerichteten Controllingsystems kann man sich auf die laufende Abstimmung konzentrieren. Jährlich muss das Controlling z. B. das Budget für das nächste Wirtschaftsjahr in Abstimmung mit den Fachabteilungen erstellen. Die Koordination beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Planung. Zwischen Planung und Kontrolle muss ebenfalls koordiniert werden. Die monatliche Ergebniskontrolle ist z. B. nur möglich, wenn vergleichbare Soll- und Istdaten vorliegen. Die Koordinationsfunktion des Controllings kann mit dem Controlling-Regelkreis in Abb. 1.2 verdeutlicht werden:
6
1 Grundlagen
Das Management plant mögliche Ziele, verabschiedet den gültigen Plan und erarbeitet Maßnahmen, um die Ziele zu erreichen. Controlling unterstützt die Ziel- und Maßnahmenplanungen. Es stellt vor allem die nötigen Daten bereit. Controlling koordiniert die dezentralen Teilpläne so, dass der Gesamtplan erreicht werden kann, und sorgt damit für die Durchsetzung der zentralen Planvorgaben. Es erfasst während der Planrealisierung laufend die anfallenden Ist-Daten der Fachabteilungen (= Ausführungsebene) und vergleicht sie mit den Planvorgaben. Man spricht auch vom Soll-Ist-Vergleich. Werden gravierende Abweichungen festgestellt, muss das Controlling die Ursachen suchen (Abweichungsanalyse) und geeignete Gegenmaßnahmen vorschlagen. Gegenmaßnahmen führen u. U. zu neuen Planvorgaben. 5. Abweichungsanalyse 1. Zielplanung Erarbeitung von Maßnahmen Entscheidung
Management
Plan-Daten 2. Koordination und Durchsetzung
4. Soll-IstVergleich
Ist-Daten
Ausführungsebene
3. Erfassung der Ist-Daten
Abb. 1.2: Controlling-Regelkreis Die beschriebene Vorgehensweise des Controllers kann mit derjenigen eines Arztes verglichen werden, der mit der Krankheit eines Patienten konfrontiert wird: Nachdem eine Krankheit erkannt wurde (Soll-Ist-Vergleich), muss die Diagnose erfolgen (Abweichungsanalyse). Erst wenn die Krankheitsursache bekannt ist, kann eine sinnvolle Therapie eingeleitet werden (Maßnahmenplanung). Der gute Arzt und der gute Controller werden den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Diagnose und Therapie legen. Ein wirkungsvolles Controlling zeichnet sich dadurch aus, dass man versucht, Abweichungen vorherzusehen, und vor ihrem Auftreten Gegenmaßnahmen einleitet. Auch der Arzt wird dem Patienten vorbeugende Maßnahmen empfehlen, damit eine Krankheit gar nicht erst ausbrechen kann. Controlling wird in strategisches und operatives Controlling eingeteilt. Strategisches Controlling beschäftigt sich mit der langfristigen Entwicklung des Unternehmens. Der Zeithorizont beträgt zwischen fünf und zehn Jahre. Gegenstand solch
1.1 Controllingbegriff
7
langfristiger Betrachtungen ist die Einführung neuer Produkte oder die Erschließung zusätzlicher Märkte. Der von der Flitzer AG gesuchte Controller soll den Vorstand z. B. bei der strategischen Planung durch die Aufbereitung relevanter Informationen unterstützen. Das operative Controlling umfasst einen Zeitraum bis zu drei Jahren. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen, die zur Erreichung der strategischen Ziele geeignet sind, beispielsweise die Berechnung der Wirtschaftlichkeit von größeren Investitionen. 1.2
Entwicklung des Controllings
Die Entwicklung des modernen Controllings begann in den USA. Nach dem Ersten Weltkrieg verzeichnete man dort ein enormes Wirtschaftswachstum mit vielen Unternehmenszusammenschlüssen. Auch die Komplexität der Umwelt nahm zu. Dadurch wuchs der Bedarf an Führungsinstrumenten. Um die großen Unternehmen zu steuern, musste eine systematische Planung und Budgetierung eingeführt werden. Man benötigte nun auch zunehmend Mitarbeiter mit speziellen Controllingkenntnissen: die Controller. Ein Meilenstein war 1931 die Gründung des Controllers Institute of America (CIA), 1961 in Financial Executives Institute (FEI) umbenannt. Diese Einrichtung schaffte es, eine einheitliche Beschreibung von Controlling weltweit durchzusetzen. In Deutschland entstand Controlling erst Ende der 50er Jahre (vgl. Abb. 1.3). Informationsorientierter Ansatz ManagementRechnungswesenorientierter Ansatz orientierter Ansatz 1960 Anfangsphase
1970
1980
Verbreitungsphase
1990 Konsolidierungphase
Abb. 1.3: Controllingentwicklung in Deutschland1 US-amerikanische Unternehmen gründeten damals Niederlassungen und brachten den Controllinggedanken mit. Außerdem reisten deutsche Manager und Hochschullehrer in die USA, um dort neue Managementmethoden kennenzulernen.
11
O.V., WiSt, 6 (1998), S. 27.
8
1 Grundlagen
Bis in die 70er Jahre war das Controlling in Deutschland jedoch sehr rechnungswesenorientiert. Von 1970 bis 1980 sah man die Informationsversorgung als eine wesentliche Funktion des Controllings an. Damals stieg die Zahl der Controllerstellen sprunghaft. 1971 wurde die Controller-Akademie in Gauting gegründet, 1975 der Controller-Verein e.V. und 1976 erschien die erste Ausgabe des Controller Magazins. Ab 1980 setzte sich die Auffassung durch, dass Controlling die Führung unterstützen muss. Hórvath spricht von einem "Führungssubsystem".2 Diese Auffassung dominiert heute das gängige Verständnis von Controlling, das neben Horvath vor allem von Küpper3, Hahn4, Reichmann5 und Weber6 geprägt wurde. Den in Deutschland gebräuchlichen Begriff Controlling kennt man in den USA nicht. Dort spricht man von Controllership (vgl. Abb. 1.4).
Deutschland USA
Controlling als Funktion
Controller als Aufgabenträger
Controlling
Controller
Controllership
Management Accountant
Abb. 1.4: Unterschiedliche Begriffe für Controlling und Controller Der Controller wird häufig als Management Accountant bezeichnet. Paul A. Sharman, President und CEO des Institute of Management Accountants, beschreibt das Aufgabengebiet eines Management Accountant wie folgt: „Management accountants are strategic financial management professionals who integrate accounting expertise with advanced management skills to drive business performance inside organizations. They serve as trusted partners to executives in all areas of an organization, offering the expertise and analysis necessary for sound
2 3 4 5 6
Horváth, P., Controlling. 11. Aufl., München 2008. Küpper, H.-U., Controlling. Konzeption, Aufgaben und Instrumente. 5. Aufl., Stuttgart 2008. Hahn, D., Hungenberg, H., PuK, Wertorientierte Controllingkonzepte: Planung und Kontrolle. Planungs- und Kontrollsysteme. Planungs- und Kontrollrechnung. 6. Aufl., Wiesbaden 2001. Reichmann, Th., Controlling mit Kennzahlen und Management-Tools: Die systemgestützte Controlling-Konzeption. 7. Aufl. München 2006. Weber, J., Schäffer, U., Einführung in das Controlling. 12. Aufl. Stuttgart 2008.
1.2 Entwicklung des Controllings
9
business decisions, planning, and support. Management accountants create value, rather than simply measuring it“7 Die Management Accountants haben also die Funktion eines betriebswirtschaftlichen Beraters. Als Teil der Unternehmensführung steuern und überwachen sie das Unternehmen. Typische Teilaufgaben sind die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen, das Kostenmanagement mit der Zielsetzung Kosten zu minimieren, die Bereitstellung von aussagefähigen Kennzahlen, die Unterstützung der Unternehmensplanung und der Kontrolle sowie die Mitarbeit in diversen Projekten (Prozessoptimierung, Einführung von IT-Systemen, Lean Production u. a.).8 In Deutschland sieht die International Group of Controlling (IGC) das Aufgabengebiet des Controllers in ihrem Leitbild für Controller ähnlich (vgl. Abb. 1.5). Controller gestalten und begleiten den Managementprozess der Zielfindung, Planung und Steuerung und tragen damit Mitverantwortung für die Zielerreichung. Das heißt: Controller sorgen für Ergebnis-, Finanz-, Prozess- und Strategietransparenz und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei. Controller koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren unternehmensübergreifend zukunftsorientiertes Berichtswesen. Controller moderieren und gestalten den Managementprozess der Zielfindung, der Planung und der Steuerung so, dass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handeln kann. Controller leisten den dazu erforderlichen Service der betriebswirtschaftlichen Daten- und Informationsversorgung. Controller gestalten und pflegen die Controllingsysteme.
Abb. 1.5: Controller-Leitbild 9 Die Kernaufgabe des Controllings in Deutschland ist die Kosten- und Leistungsrechnung. Das externe Rechnungswesen fällt nicht in den Verantwortungsbereich des Controllers. In den USA dagegen existiert die strikte Trennung von externem und internem Rechnungswesen kaum.10 Der Management Accountant ist weitaus finanzorientierter. Durch die Verbreitung der internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS und US-GAAP kann man aber auch in Deutschland eine Annäherung 7 8 9 10
Sharman, P., Future Directions in Management Accounting: A Global Perspective, Vortrag auf dem 20. Stuttgarter Controller-Forum am 20.9.2006. Hirsch, B., Mertins, C., Management Accounting in den USA. Controller Magazin März/April 2008, S. 14 ff. IGC (Hrsg.): Controller-Wörterbuch. 3. Aufl., Stuttgart 2005, S. VII sowie http://www.controllerverein.com/Controller_Leitbild.34.html. Horváth, P., Der Controller: Navigator der Führung ⎼ von der Kostensenkung zur strategischen Steuerung. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.05.2001.
10
1 Grundlagen
der bisher eigenständigen Aufgabenbereiche des externen und internen Rechnungswesens erkennen. Ähnlich wie in den USA ist auch das Controlling in Großbritannien, Australien, Kanada und Skandinavien verankert. In Spanien und Italien dominiert noch stärker als in den USA das externe Rechnungswesen. Die Begriffe Controlling und Controller müssen unterschieden werden. Controlling bezeichnet die Aufgaben. Diejenigen speziellen Stellen, die Controllingaufgaben hauptberuflich erfüllen, sind die Controller. Manche Aufgaben des Controllings können aber auch durch andere Abteilungen, wie Qualitätsmanagement oder Vertrieb, übernommen werden. Unternehmen, die aus Kostengründen keine eigenen Controllingstellen besitzen, greifen zudem auf externe Controller zurück (vgl. Abb. 1.6).
CONTROLLIN GTRÄGER
Internes Controlling Controlling durch eigene Controller
Internes Controlling Controlling durch andere Abteilungen
Externes Controlling Controlling durch externe Controller
Abb. 1.6: Träger des Controllings 1.3
Berufsbild des Controllers
Der Controller wird bildlich nicht nur mit dem Arzt verglichen, sondern auch als Navigator, Lotse und betriebswirtschaftlicher Steuermann beschrieben, der unter Zuhilfenahme von Zahleninformationen dafür sorgt, dass die Kapitäne (Manager) in den einzelnen Unternehmensbereichen (Beschaffung, Produktion, Absatz) mit ihren Schiffen (Vorhaben) sicher im unruhigen Meer operieren. In einem anderen Bild wird der Controller als Seelsorger dargestellt, der mit seinen Aktionen ein langfristiges Ziel anstrebt: Während der Seelsorger das ewige Leben erreichen möchte, arbeitet der Controller für eine dauerhafte positive Unternehmensentwicklung. Seelsorger wie Controller helfen und unterstützen bei Entscheidungen. Sie bieten jedoch keine fertigen Lösungen an. Wichtig ist für beide Berufe, dass man ihnen großes Vertrauen entgegenbringen muss.
1.3 Berufsbild des Controllers
11
Die folgende Abb. 1.7 zeigt persönliche und fachliche Anforderungen, wie man sie vielfach den Stellenannoncen für Controller entnehmen kann (vgl. auch die Stellenannonce im Beispiel der Flitzer AG in Abschnitt 1.1). Die Anforderungen an den Controller entsprechen überwiegend denjenigen, die an einen Manager gestellt werden. Häufig ist die erfolgreiche Controllingarbeit eine hervorragende Voraussetzung für eine Karriere im Management. Persönliche Anforderungen Persönliches Engagement Teamfähigkeit Analytische Fähigkeiten Selbstständiges Arbeiten Kommunikationsfähigkeit Durchsetzungsvermögen Führungsfähigkeit
Fachliche Anforderungen Betriebswirtschaftliches Studium, möglichst mit Studienschwerpunkt Rechnungswesen und Controlling Beherrschung der Controllinginstrumente Kenntnisse der Datenverarbeitung Kenntnisse der Geschäftsprozesse Kenntnisse des Projektmanagements Erfahrung in Aufbau, Pflege und Weiterentwicklung von Informationssystemen Fremdsprachenkenntnisse, Berufserfahrung
Abb. 1.7: Anforderungen an den Controller 1.4
Abgrenzung von Controlling zu interner Revision und Treasuring
Controlling muss von der internen Revision und dem Treasuring abgegrenzt werden. Während Controlling aktiv den Regelkreisprozess begleitet (vgl. Abb. 1.2), ist die interne Revision eine vergangenheitsorientierte und prozessunabhängige Überwachung. Der internen Revision obliegen folgende Aufgaben:
Sicherheits- und Zweckmäßigkeitsprüfungen Prüfung der Ordnungsmäßigkeit Systemprüfungen in der IT Internal Control
Unter Internal Control versteht man die Gesamtheit aller innerbetrieblichen Kontrollen. Es wird nicht festgestellt, ob Anweisungen, Pläne usw. zweckmäßig sind, sondern ob diese befolgt werden. Treasuring umfasst vor allem finanzorientierte Aufgaben. Das Financial Executive Institute, der Berufsverband der US-amerikanischen Controller, hat die Aufgaben von Controlling und Treasuring wie in Abb. 1.8 festgelegt.
12
1 Grundlagen
Controlling Planung • Gewinnpläne • Absatzpläne • Kostenpläne • Programme für Investitionen Berichterstattung und Interpretation • Soll-Ist-Vergleich • Abweichungsanalyse • Formulierung von Richtlinien • Koordinierung • Sonderauswertungen Bewertung und Beratung • Zielerreichung • Wirksamkeit der Richtlinien • Aufbauorganisation • Ablauforganisation Sonstige Aufgaben, die in Deutschland nicht von der Controllingabteilung wahrgenommenen werden • Steuerangelegenheiten • Berichte an staatliche Stellen • Sicherung des Vermögens • Volkswirtschaftliche Analysen
Treasuring Kapitalbeschaffung 1. Programme und Verhandlungen für die Kapitalbeschaffung 2. Aufrechterhaltung der finanziellen Verbindungen Verbindung zu Investoren • Schaffung und Pflege eines Marktes für Wertpapiere des Unternehmens • Unterhaltung von Kontakten zu Banken, Finanzexperten und Aktionären Kurzfristige Finanzierung • Beschaffung kurzfristiger Mittel • Erhaltung der Quellen für kurzfristige Mittel Bankverbindungen und Aufsicht • Aufrechterhalten der Bankverbindungen • Aufsicht über Firmengelder und Wertpapiere 3. Anlage liquider Mittel • Immobiliengeschäfte Kredite und Forderungseinzug • Überwachung von Kundenkrediten • Gewährung von Kundenkrediten • Einzug fälliger Forderungen • Kontrolle von Ratenzahlungen, Mietplänen u. a. Kapitalanlage, Versicherungen
Abb. 1.8: Aufgaben von Controlling und Treasuring Im deutschen Controlling stehen Planung, Berichterstattung und Interpretation sowie Bewertung und Beratung im Vordergrund, während die restlichen Aufgaben in Abb. 1.8 regelmäßig von anderen Abteilungen geleistet werden. 11
11
Weber, J., Schäffer, U., Einführung in das Controlling. 12. Aufl. Stuttgart 2008, S. 5.
1.5 Entwicklungstrends im Controlling
1.5
13
Entwicklungstrends im Controlling
Der Controller wird künftig weniger Informationsversorger, sondern Business Partner des Managements sein. Der Finanzdirektor der Deutsche Post World Net bestätigt dies mit seiner Aussage: „Die Rolle der CFOs12 und der Controller entwickelt sich zunehmend zum Partner und Berater des Managements.“13 Als Business Partner muss sich der Controller vor allem um die Formulierung geeigneter Maßnahmen kümmern. Der Finanzvorstand der Bosch Rexroth AG drückt dies mit folgenden Worten aus: „Es reicht nicht mehr aus, das Management durch das Bereitstellen von nackten Zahlen vor dem Eisberg zu warnen. Als Impulsgeber muss der CFO Wege finden und Möglichkeiten aufzeigen, um den Eisberg zu umfahren.“14 Der Eisberg kann nur dann umfahren werden, wenn ein vorausschauendes Controlling praktiziert wird. Die Information, dass der Umsatz vier Prozent unter dem Plan liegt, bezieht sich auf die Vergangenheit. Da solche Istzahlen erst nach einem mehr oder weniger großen Zeitabstand vorliegen, ist das rechtzeitige Reagieren auf Abweichungen nicht immer möglich. Sinnvoller ist es, wenn sich der Controller aktiv um die vorbeugende Verhinderung von Abweichungen kümmert. Er hat die Frage "Warum könnte der Umsatz sinken, und was wäre zu tun, um das Planziel zu erreichen?" zu stellen und zu beantworten. Der Controller wird sich als Business Partner auch zunehmend mit strategischen Fragestellungen beschäftigen und strategische Wandlungsprozesse begleiten. Neben der Umsetzung der strategischen Zielsetzungen in mittel- und kurzfristige Maßnahmen hat er auch dafür zu sorgen, dass die taktischen und operativen Entscheidungen permanent im Einklang mit der Strategie sind. Gefordert wird vor allem eine stärkere Verzahnung der strategischen mit der operativen Steuerung. Das Controlling darf sich nicht auf Kostenstellen oder einzelne Funktionsbereiche beschränken. Es muss sich an den Prozessen orientieren. Das entscheidende Untersuchungsobjekt des Controllers ist die Wertschöpfungskette. Der Fokus des Controllings liegt im Industriebetrieb noch zu sehr auf der Produktion. Vernachlässigt wird ein ganzheitliches Controlling, in das auch die übrigen Phasen des Lebenszyklus einbezogen werden. Das Controlling muss schon bei der
12 13 14
CFO ist die Abkürzung für Chief Financal Officer (Leiter des gesamten Finanzbereichs und des Controllings). Capgemini, Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (Hrsg.), CFO-Agenda 2008. Dimensionen einer erfolgreichen Strategie. Würzburg 2008, S. 9. Ebenda, S. 9.
14
1 Grundlagen
Entwicklung von Produkten greifen, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein Großteil der späteren Kosten festgelegt wird. Die Planung ist in vielen Unternehmen sehr aufwendig und dauert oft zu lange. Der Vorstand Finanzen und Personal der Bosch Rexroth AG konstatierte: „Die Planung nimmt nach wie vor viele Ressourcen in Anspruch und ist sehr zeitaufwendig.“15 Eine wichtige Aufgabe des Controllers wird deswegen die Vereinfachung der Planungskomplexität sein. Ein Großteil der Aufgaben eines Controllers besteht heute noch in der aufwendigen Selektion und Aufbereitung von Daten. Laut einer Untersuchung von Hórvath wenden Controller zwei Drittel ihrer Arbeitszeit dafür auf.16 Es bleibt somit oft zu wenig Zeit, um Abweichungen zu analysieren und sich mit der Zukunft des Unternehmens zu beschäftigen. Komfortable integrierte IT-Systeme können diesen Mangel beheben (vgl. Kap. 6). In der Studie „CFO-Agenda 2008“ setzen 85 Prozent der Befragten auf eine Vereinheitlichung der Daten und Auswertungsprozesse und 95 Prozent auf integrierte IT-Systeme.17 Die Auswertung der Daten wird zunehmend durch „intelligente“ DV-Systeme mit Methoden wie Data Mining übernommen. Der Controller spart damit Zeit und, noch wichtiger, er übersieht keine Problemursachen im Datenbestand. Das Cloud Computing schafft Möglichkeiten im Controlling, die bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Den Berichtsempfängern stehen in Zukunft Informationen auch unterwegs so zur Verfügung, als ob sie im Büro wären. In den letzten Jahren haben sich Rechnungswesen und Controlling, bedingt durch die Einführung der Rechnungslegungsvorschriften IFRS und US-GAAP18, bereits angenähert. Diese Entwicklung könnte sich fortsetzen, da einheitliche Kennzahlen und Steuerungsgrößen weniger Aufwand erfordern. Zudem erhält das Management widerspruchsfreie Informationen. Lange Zeit hat das Controlling Druck auf die operativen Einheiten des Unternehmens ausgeübt, um dort Effizienzsteigerungen zu erzielen. Nun nimmt der Druck auf die Controllingabteilungen zu. Um dieser Herausforderung Herr zu werden, wendet man zunehmend aus der Industrialisierung gewonnene Erkenntnisse für 15 16 17 18
Capgemini, Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (Hrsg.), CFO-Agenda 2008. Dimensionen einer erfolgreichen Strategie. Würzburg 2008, S. 13. Michel, U., Esser, J., Wohin entwickelt sich der Finanzvorstand? Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.2.2006, S. 22. Capgemini, Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (Hrsg.), CFO-Agenda 2008. Dimensionen einer erfolgreichen Strategie. Würzburg 2008, S. 14. IFRS: International Financial Reporting; US-GAAP: United States Generally Accepted Accounting Principles.
1.5 Entwicklungstrends im Controlling
15
den Aufbau des Controllings in der Praxis an. Darunter fallen Maßnahmen der Automatisierung, Zusammenlegung von Prozessen und die Standardisierung mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern. Konkret führt das bei Unternehmen zum Beispiel zur Übertragung von Controllingprozessen in Shared Service Center. Dabei wird das Controlling als zentralisierte Dienstleistungseinheit organisiert (Shared Service-Center). Die Leistungen werden durch Service Level Agreements mit den einzelnen Kunden vereinbart und abgerechnet. Künftig wird das Controlling in manchen Unternehmen auch als Profit-Center fungieren, das seinen Kunden (Vorstand, Unternehmensbereiche, Abteilungen) die Controllingleistungen verkaufen muss. Eine noch weitergehende Veränderung könnte die Auslagerung kompletter Finanzund Controllingaufgaben auf externe Dienstleister werden (Outsourcing). Controlling ist auch zunehmend in die Ausgestaltung der Corporate Governance eingebunden. Corporate Governance bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens und hat an Bedeutung sehr zugenommen.19 Controlling kann wichtige Informationen für die Überwachungssysteme liefern.20 Ein Beispiel ist der für den Jahresabschluss geforderte Lagebericht. Darin sind die voraussichtlichen Entwicklungen mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen. Somit muss auch über geplante Investitionen oder über die Prämissen der strategischen und operativen Planung berichtet werden. Die erforderlichen Daten erzeugt oft der Controller. Controlling unterstützt zunehmend die dauerhafte Steigerung des Unternehmenswertes und nicht die kurzfristige Ertragsmaximierung. Nachhaltiges Controlling berücksichtigt auch ökologische und gesellschaftliche Aspekte. Der Internationale Controllerverein veröffentlichte zehn Kernelemente nachhaltigen Controllings:21 1. 2. 3. 4. 5.
Dauerhafte Wertsteigerung Über die Kosten hinaus Nicht mit Symptomen begnügen Innovation und Wettbewerbsvorteile Das Tun im Vordergrund
19
Hommelhoff, P., Hopt, K., Werder, A. (Hrsg.): Handbuch Corporate Governance: Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen in der Rechts- und Wirtschaftspraxis. Stuttgart 2003, S. 4. Wall, F., Funktionen des Controllings im Rahmen der Corporate Governance, ZfCM 2008, S. 228 f. http://www.controllerverein.com/10_Kernelemente.144246.html?
20 21
6. 7. 8. 9. 10.
Verantwortung übernehmen Business Partner statt Zahlenknecht Integer sein Werte des Unternehmens vertreten Die Menschen hinter den Zahlen sehen
16
1 Grundlagen
Nachhaltigkeit beinhaltet die Unterstützung des Managements bei der ökologischen Gestaltung des Unternehmens (Green Controlling). Besonders die Planung und das Risikomanagement werden künftig um ökologische Aspekte erweitert. Zunehmender Fachkräftemangel wird sich auch auf die Controllingressourcen auswirken. Notwendig wird, wie bereits erwähnt, eine stärkere Automatisierung der Controllingaufgaben, insbesondere der Datenbeschaffung, -analyse und -aufbereitung. Durch den demografischen Wandel wird zudem die besondere Bedeutung des Personalcontrollings zunehmen. Die Motivation der Mitarbeiter, deren Fähigkeiten und Potenziale werden verstärkt zu betrachten sein. 1.6
Controllingorganisation
Unternehmen stehen bei der Einrichtung des Controllings vor folgenden Fragen: Soll das Controlling in die Unternehmenshierarchie als Linien- oder Stabsstelle eingegliedert werden? Welche Weisungsbefugnisse soll das Controlling besitzen? Welche Controllingaufgaben werden zentral, welche eher dezentral wahrgenommen? Wie soll die interne Aufgabenteilung der Controllingabteilung aussehen? 1.6.1 Controlling als Linienstelle Im Unterschied zu Stabsstellen haben Linienstellen ein Weisungsrecht gegenüber anderen Stellen und das Recht, Entscheidungen zu treffen.22 Die Stellung des Controllings als Linienstelle ist also im Vergleich zu einer Stabsstelle stärker. Die Bedeutung des Controllings wird auch durch die Hierarchieebene festgelegt. Das Controlling kann in der ersten Führungsebene etabliert werden. Das ist nach einer Analyse von Weber in 26 Prozent der Unternehmen realisiert.23 In diesem Fall ist der Controller Mitglied des Vorstands bzw. der Geschäftsführung (vgl. Abb. 1.9). Um Konfliktsituationen innerhalb der Geschäftsführung zu vermeiden, verankern mehr Unternehmen das Controlling in der zweiten Ebene (58 Prozent). Meist ist es dann direkt dem Finanzvorstand unterstellt.
22 23
Fiedler, R., Organisation kompakt. 2. Aufl., München/Wien 2010, S. 18 Weber, J. u. a., Controlling 2006 – Stand und Perspektiven. Valendar 2006, S. 23.
1.6 Controllingorganisation
17
2. Alternative Finanzvorstand
Controllingvorstand
1. Alternative
Controlling
Controlling
Abb. 1.9: Eingliederung des Controllings als Linienstelle 1.6.2 Controlling als Stabsstelle Controlling ist eine unterstützende Funktion, die Dienstleistungen erbringt und beratend tätig ist. Damit werden die Anforderungen an eine Stabsstelle erfüllt. Deshalb entschied sich die Flitzer AG, das Controlling als ressortneutralen zentralen Stab zu positionieren, der direkt dem Vorstand zugeordnet ist. Dadurch wird die Unabhängigkeit dieser Stelle betont. Beispiel Flitzer AG: Der Vorstand der Flitzer stellt Herrn Mutig als Controller ein. Für ihn wird eine neue Stelle geschaffen, die als Stab direkt dem Vorstand zugeordnet ist: Vorstand Controlling Beschaffung
Produktion
Absatz
Verwaltung
Abb. 1.10: Controlling als Stabsstelle In größeren Unternehmen mit komplexen Leistungen müssen mehrere spezialisierte Controllingstellen eingerichtet werden. In einer funktional gegliederten Organisation wie der Flitzer AG bilden sich dann z. B. Logistik-, Produktions- und Vertriebscontrolling (vgl. Abb. 1.11).
18
1 Grundlagen Vorstand
Beschaffung
LogistikControlling
Produktion
Zentrales Controlling
Absatz
ProduktionsControlling
Verwaltung
VertriebsControlling
Abb. 1.11: Controllinghierarchie in einem funktional gegliederten Unternehmen Große Unternehmen mit einem heterogenen Produktprogramm sind gezwungen, sich divisional zu strukturieren. Die zweite Hierarchieebene ist nicht nach Funktionen, sondern nach Objekten gegliedert (z. B. nach Produktgruppen oder Regionen). Die Controllinghierarchie ist in diesem Fall oft dreistufig: Zentrales Controlling, Bereichscontrolling, Funktionscontrolling. Abb. 1.12 zeigt eine Controllinghierarchie, in der das zentrale Konzern- und Bereichscontrolling als Stab, das dezentrale Funktionscontrolling als Linienstelle ausgestaltet ist (vgl. auch das Praxisbeispiel in Abb. 1.15). Vorstand Zentrales Controlling Geschäftsbereich I
Geschäftsbereich II
Geschäftsbereich III BereichsControlling
Beschaffung
LogistikControlling
Produktion
ProduktionsControlling
Absatz
Verwaltung
VertriebsControlling
Abb. 1.12: Controllinghierarchie in einem divisional gegliederten Unternehmen
1.6 Controllingorganisation
19
1.6.3 Weisungsbefugnisse zentraler Controllingstäbe Wenn das zentrale Controlling als Stabsstelle eingerichtet wurde, reichen die Befugnisse nicht, um ein einheitliches Controlling über alle Hierarchieebenen zu gewährleisten. Um dieses Problem zu lösen, bieten sich folgende Erweiterungen der Befugnisse gegenüber untergeordneten Controllingstellen und den übrigen Linienstellen an: Innerhalb der Controllinghierarchie bestehen uneingeschränkte fachliche (das „WIE“ der Aufgabenerfüllung wird bestimmt) und disziplinarische (das „WAS“ und „WANN“ wird vorgeschrieben) Anordnungs- und Weisungsbefugnisse gegenüber untergeordneten Controllingstellen. Dieses Konzept birgt die Gefahr, dass der dezentrale Controller im eigenen Geschäftsbereich als Fremdkörper empfunden und bei divisionaler Organisation das Prinzip der Eigenständigkeit der Sparten durchbrochen wird. Eine Alternative besteht darin, dass der dezentrale Controller disziplinarisch dem Leiter des Geschäftsbereichs bzw. des Fachbereichs untersteht. Zu begründen wäre dies damit, dass der Leiter die Gesamtverantwortung trägt. Dazu müssen ihm alle Stellen untergeordnet sein. Die fachliche Weisungsbefugnis bleibt beim vorgesetzten Controller, damit die Einheitlichkeit des Controllings im Unternehmen gewährleistet ist. Diese Alternative wird auch als „Dotted-LinePrinzip“ bezeichnet (in Organigrammen wird die fachliche Weisungsbefugnis häufig mit einer gestrichelten Linie skizziert) und ist in Abb. 1.11 und Abb. 1.12 dargestellt. Des Weiteren ist die Regelung anzutreffen, dass der dezentrale Controller fachlich und disziplinarisch seinem Geschäftsbereichsleiter untersteht. In diesem Fall besitzt der Geschäftsbereich volle Souveränität. Mit dem zentralen Controlling erfolgen lediglich Abstimmungsgespräche. Allerdings besteht die Gefahr, dass ein objektives Controlling durch Ressortegoismus verhindert wird. 1.6.4 Zuordnung der Controllingaufgaben Das Zentralcontrolling ist für die bereichsübergreifende und konzernweite Planung und Kontrolle verantwortlich. Es muss die verschiedenen Unternehmensbereiche im Sinne des Gesamtunternehmensziels koordinieren. Geschäftsbereichs- und Funktionscontrolling unterstützen die Steuerung der Aktivitäten in den operativen Einheiten. Die Aufgabenteilung sieht oft wie folgt aus (vgl. zu den Controllingaufgaben Abb. 1.1): Das zentrale Controlling gestaltet das Planungs- und Kontrollsystem. Insbesondere regelt es die Einführung einheitlicher Controllinginstrumente sowie einheitlicher Grundsätze für die Informationsbereitstellung der einzelnen Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften (Berichtsaufbau, Termine für die Datenbereitstellung). Zusätzlich werden die laufenden Planungs- und Kontrollprozesse koordiniert (Bestimmung von Abläufen, Terminen und Verantwortlichen).
20
1 Grundlagen
Die Ermittlung und Analyse unternehmensbereichsbezogener Abweichungen ist dagegen eher Aufgabe des dezentralen Controllings. 1.6.5 Interne Struktur des Controllings In deutschen Unternehmen findet man in vielen Fällen eine Aufgabengliederung des Finanzbereichs in betriebsinterne Aufgaben (Controlling), betriebsexterne Aufgaben (Finanzwirtschaft) sowie Buchhaltung, Steuern und Versicherungen (vgl. Abb. 1.13). Vorstand
Beschaffung
Produktion
Finanzen
Controlling
Finanzwirtschaft
Planung, Kontrolle
Finanzplanung/ -kontrolle
Kostenrechnung
Geldverkehr
Absatz
Verwaltung
Finanzbuchhaltung Buchhaltung, Bilanzen, GuV Steuern, Versicherungen
Systementwicklung
Abb. 1.13: Interne Struktur des Finanzbereichs und des Controllings 1.6.6 Controlling in kleinen Unternehmen Controllingaufgaben werden in kleinen Unternehmen oft vom kaufmännischen Leiter oder dem Leiter des Rechnungswesens wahrgenommen. Wenn das Unternehmen wächst und die Aufgaben komplexer werden, wird schnell erkannt, dass ein eher vergangenheitsorientiertes Rechnungswesen die Aufgaben eines aktiven und zukunftsbezogenen Controllings nicht leisten kann. Allerdings scheuen kleine Unternehmen den Aufwand, ein eigenständiges Controlling einzurichten. Eine sinnvolle Alternative, wie auch in kleineren Unternehmen mit vertretbarem Aufwand das Controlling effizient installiert werden kann, zeigt das folgende Organigramm (Abb. 1.14). Erforderlich sind ein Controlling-Entscheidungsausschuss und eine zusätzliche Controllingstelle, die man in Form eines Stabs direkt der Geschäftsführung zuordnet. Will man keine eigene Controllerstelle schaffen, kann auch ein externer Berater mit dem Controlling beauftragt werden. Wichtige grundlegende Controllingfragen werden vom Controlling-Entscheidungsausschuss bearbeitet, dem neben dem
1.6 Controllingorganisation
21
Controller Mitglieder der Geschäftsführung und die Leiter der Funktionsbereiche angehören.24 Vorstand Controllingausschuss Beschaffung
Produktion
Controlling
Absatz
Verwaltung
Abb. 1.14: Controlling in einem kleinen Unternehmen 1.7
Lernerfolg
1.7.1 Fallbeispiel: Organisation des Controllings in einem Geschäftsbereich der Robert Bosch GmbH Die Robert Bosch GmbH ist ein multinationales Unternehmen, das am Umsatz gemessen zu den zwölf größten Industrieunternehmen in Deutschland gehört. Die Bosch-Gruppe gilt weltweit als größter unabhängiger Hersteller für Kraftfahrzeugausrüstung. Darüber hinaus ist das Unternehmen auch auf anderen Erzeugnisgebieten tätig. Die Robert Bosch GmbH ist in die drei Unternehmensbereiche Gebrauchsgüter- und Gebäudetechnik, Industrietechnik sowie Kraftfahrzeugtechnik gegliedert. Der größte Unternehmensbereich ist die Kraftfahrzeugausrüstung mit einem Anteil von über 61 Prozent am Gesamtumsatz. Er ist nach Produktgruppen organisiert und in zehn Geschäftsbereiche (GB) gegliedert. Die Geschäftsbereiche selbst sind eigenständige Profit-Center mit weltweiter Produkt- und Ergebnisverantwortung für die von ihnen entwickelten, produzierten und vertriebenen Erzeugnisse. Ihnen sind Werke (CostCenter) als Produktionseinheiten unterstellt. Der hohe Grad an Dezentralisation und Delegation innerhalb der Bosch-Gruppe bedingt einen beträchtlichen Koordinationsaufwand. Das Controlling wird entsprechend der Führungsorganisation von Bosch auf unterschiedlichen Ebenen von speziellen Controllingabteilungen wahrgenommen (vgl. Abb. 1.15, rechte Hälfte): Auf der Ebene der Geschäftsführung ist das Zentralcontrolling der BoschGeschäftsführung zugeordnet.
24
Bramsemann, R., Handbuch Controlling. 2. Aufl., München, Wien 1990, S. 99 f.
22
1 Grundlagen Steuerungskreise
Aufbau der Controllingorganisation Geschäftsführung
Zentrale Führungsbereiche
ZentralControlling
Steuerungskreis 1
Leitung der Geschäftsbereiche/ Regionalgesellschaften Geschäftsbereich
Regionalgesellschaft
Steuerungskreis 2
....
Kaufmännische Aufgaben GB-/RGControlling
Steuerungskreis 3
Werkleitung
.... Werke
Kaufmännische Leitung WerkControlling
Abb. 1.15: Controllinghierarchie bei der Robert Bosch GmbH
Bei den Geschäftsbereichen und Regionalgesellschaften existieren Controllingabteilungen, die der Leitung des Geschäftsbereichs bzw. der Regionalgesellschaft unterstehen. In den Werken ist die Abteilung Wirtschaftlichkeit und Rechnungswesen (=Werkcontrolling) der kaufmännischen Werkleitung unterstellt.
Das zentrale Controlling besitzt Richtlinienbefugnisse bezüglich der nachgeordneten Controllingabteilungen. Die Controllingstelle auf jeder der drei Ebenen versorgt die nächsthöhere Stufe bzw. die Entscheidungsträger mit den jeweils notwendigen Informationen. Man unterscheidet drei Steuerungskreise (vgl. Abb. 1.15, linke Hälfte). Sie verdeutlichen die Aufgabenverteilung innerhalb der Controllinghierarchie. 1. Steuerungskreis zur Koordination von Geschäftsführung und Geschäftsbereich. Ihn gestaltet das zentrale Controlling wesentlich mit. 2. Steuerungskreis zur Koordination von Geschäftsbereichen und Werken. 3. Steuerungskreis für die Koordination der Geschäftsbereiche und der ausländischen Regionalgesellschaften. Er resultiert aus der weltweiten Ergebnisverantwortung der Geschäftsbereiche, die mit der regionalen Marktverantwortung konkurriert.
1.7 Lernerfolg
23
Die interne Struktur des zentralen Controllings, des Geschäftsbereichscontrollings und des Werkcontrollings zeigt Abb. 1.16. Zentrales Controlling
Wirtschaftsplanung
Rechnungswesen
Grundsatzfragen
Investitionen
Controlling des GB
Controlling der Werke und der Produkte
Wirtschaftsplanung und Berichtswesen
Buchhaltung Verwaltungsund Vertriebskostenplanung
Entwicklungscontrolling, Planung, Kontrolle der GB-Kosten
Controlling der Werke
Buchhaltung
Controlling der Gemeinkosten, Kalkulation Berichtswesen Investitionsrechnung
Interne Prüfung
DV-Projekte des Controllings
Lohnrechnung
Abb. 1.16: Interne Controllingstruktur bei der Robert Bosch GmbH 1.7.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 1 1. Beschreiben Sie die wesentlichen Aufgaben des Controllings im Überblick! 2. Erklären Sie den Unterschied zwischen strategischem und operativem Controlling. 3. Wie nennt man in den USA einen Controller? Gibt es einen Unterschied zu Controllern in Deutschland? 4. Nennen Sie die Aufgaben eines Controllers (siehe Controller-Leitbild). 5. Worin besteht der Unterschied zwischen Controlling und interner Revision? 6. Wie würden Sie in der Aufbauorganisation eines größeren funktional gegliederten Unternehmens das Controlling berücksichtigen (Skizze)? 7. Wie ist die Controllingabteilung typischerweise gegliedert?
24
1 Grundlagen
1.7.3 Lösungen zu Kapitel 1 1. Controlling gestaltet das Controllingsystem und koordiniert Planung, Kontrolle und Informationsversorgung. 2. Strategisches Controlling beschäftigt sich mit der langfristigen Entwicklung des Unternehmens. Der Zeithorizont beträgt zwischen fünf und zehn Jahre. Gegenstand solch langfristiger Betrachtungen ist z. B. die Einführung neuer Produkte oder die Erschließung zusätzlicher Märkte. Das operative Controlling umfasst einen Zeitraum bis zu drei Jahren. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen, die zur Erreichung der strategischen Ziele geeignet sind (beispielsweise die Berechnung der Wirtschaftlichkeit von größeren Investitionen). 3. In den USA entspricht der Management Accountant dem Controller. Er ist in der Regel finanzorientierter als sein deutscher Kollege. 4. Transparenz sicherstellen, Ziele und Pläne koordinieren, Berichtswesen organisieren, Management beraten, Daten- und Informationsversorgung sichern, Controllingsysteme gestalten und weiterentwickeln. 5. Controlling ist zukunftsorientiert und aktiv, die interne Revision überwacht vergangenheitsorientiert z. B. die Angemessenheit aller innerbetrieblichen Kontrollen. 6. Das zentrale Controlling ist als Stabsstelle direkt dem Vorstand zugeordnet und hat gegenüber den nachgeordneten Controllingeinheiten fachliche Weisungsbefugnis (vgl. Abb. 1.11). Die dezentralen Controllingstellen unterstehen disziplinarisch dem jeweiligen Fachbereichsleiter. 7. Die Controllingabteilung unterteilt sich oft in die Bereiche Planung/Kontrolle, Kostenrechnung und Entwicklung von Controllingsystemen.
2 Strategisches Controlling
GRUNDLAGEN
STRATEGISCHES CONTROLLING
OPERATIVES CONTROLLING
INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER
MANAGEMENT REPORTING
IT-UNTERSTÜTZUNG
2.1 Strategische Planung 2.2 Strategische Kontrolle 2.3 Lernerfolg
26
2 Strategisches Controlling
Lernziele:
Sie erkennen den Unterschied zwischen Strategie, Vision und Leitbild.
Sie lernen die wichtigen Aspekte des strategischen Controllings kennen.
Sie erhalten einen Überblick über die einzelnen Schritte des strategischen Controllings.
Sie kennen den Unterschied zwischen strategischer und operativer Planung.
Sie lernen die wesentlichen Instrumente der strategischen Planung kennen.
Sie wissen, was eine strategische Geschäftseinheit ist.
Sie wissen über grundsätzliche Strategien Bescheid.
Sie lernen die Bestandteile einer Balanced Scorecard kennen.
Sie lernen die Vorgehensweise zur Erstellung einer Balanced Scorecard kennen.
Sie können begründen, warum die Balanced Scorecard bei der Strategierealisierung eingesetzt werden kann.
Sie erfahren anhand von Ergebnissen aus empirischen Studien, welche Vorteile der Einsatz von Balanced Scorecards hat.
Sie erkennen die Bedeutung der strategischen Kontrolle.
Sie verstehen, was ein Frühwarnsystem ist.
2 Strategisches Controlling
27
Strategisches Controlling unterstützt die Planung der langfristigen Ziele des Unternehmens und koordiniert die Maßnahmen zu deren Realisierung. Außerdem wird durch die strategische Kontrolle der Fortschritt der Maßnahmen laufend überwacht und geprüft, ob die verabschiedeten Strategien noch richtig sind. Grundlage für das strategische Controlling sind Mission, Vision und das Leitbild des Unternehmens (vgl. Abb. 2.1). Das strategische Controlling übt also eine Servicefunktion aus, indem es das Management bei der Gestaltung und Koordination des langfristigen Planungs- und Kontrollsystems unterstützt.
Vision, Mission, Leitbild
Strategisches Controlling
Abb. 2.1: Vision, Mission und Leitbild als Grundlagen des strategischen Controllings Beispiel Flitzer AG: Der neu eingestellte Controller der Flitzer AG erkennt, dass der Prozess der strategischen Planung und Kontrolle verbessert werden muss. Die vom Vorstand verabschiedeten Maßnahmen werden kaum überwacht. Deswegen stellt man regelmäßig fest, dass die strategischen Ziele nicht erreicht werden konnten. Besonders kritisch ist, dass ein langfristiger Orientierungsrahmen für die Entwicklung des Unternehmens fehlt. Der Vorstand ist mit dem Vorschlag des Controllers einverstanden, über Vision, Mission und Leitbild der Flitzer AG zu diskutieren. Danach will man sich Klarheit darüber verschaffen, in welchen abgrenzbaren Märkten man aktiv ist. Das soll die Basis für die strategische Planung sein.
28
2.1
2 Strategisches Controlling
Strategische Planung
Strategien sind Maßnahmen, die den Unternehmenserfolg dauerhaft sichern sollen. Sie beschreiben sozusagen den Weg, um die langfristigen Unternehmensziele der Vision (vgl. den folgenden Abschnitt) zu erreichen. Im Rahmen der strategischen Planung wird nur relativ grob geplant. Diese Vorgaben müssen durch die operative Planung (vgl. Abschnitt 3.1) konkretisiert werden. Bei der strategischen Planung sucht man eine Antwort auf die Frage „How to do the right things?“ (= Effektivität), im kurz- und mittelfristigen Bereich ist dagegen die Frage „How to do the things right“ (= Effizienz) zu beantworten. Während operative Planung zum großen Teil auf der Grundlage monetärer Größen (Kosten, Erlöse) stattfindet, überwiegen im strategischen Bereich eher qualitative und verbale Darstellungen. 2.1.1 Prozess der strategischen Planung 2.1.1.1 Festlegung von Mission, Vision und Leitbild Grundlage jeder strategischen Planung sind Mission, Vision und Leitbild. Die Mission enthält den Unternehmenszweck und den übergeordneten Auftrag eines Unternehmens (Wer wollen wir sein?). Sie erklärt, warum und wozu es die Organisation gibt. Die Mission richtet sich nach außen, also an Gesellschaft, Lieferanten, Anteilseigner und vor allem an die Kunden. Eine Mission sollte kurz und prägnant in einem Satz formuliert werden. Praxisbeispiel: Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim nennt in seinem Unternehmensbericht 2005 folgende Mission: „Wir folgen dem Ziel, der Menschheit durch die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien zu dienen.“ Judy George, Gründerin und CEO von Domain Home Fashion, einem führenden Möbeleinrichtungshaus in den USA, drückte die Mission mit den Worten aus: „Domain Home isn´t just about selling furniture, it´s about fulfilling dreams.“ Die Vision gibt die grundsätzliche Richtung eines Unternehmens an (Wohin wollen wir?). Sie beschreibt präzise und ausführlicher als die Mission, was man in den nächsten fünf bis zehn Jahren erreichen möchte, und richtet sich auch nach innen an die Mitarbeiter. Eine gute Vision beinhaltet zusätzlich Bezüge zu Anteilseignern, Kunden und dem Unternehmen selbst.
2.1 Strategische Planung
Praxisbeispiel: Der Sportartikelhersteller PUMA AG formulierte folgende Mission: „PUMA verfolgt das langfristige Ziel, zum begehrtesten Sportlifestyle-Unternehmen zu werden.“ Die Vision der TRUMPF GmbH & Co. KG, einem Technologieunternehmen mit Schwerpunkten in der Fertigungs- und Medizintechnik, wird übersichtlich im TRUMPF Zielehaus zusammengefasst. Neben der Vision enthält es auch das Leitbild (gute Unternehmenskultur). Angemessener Gewinn
Hohes Wachstum
Gute Unternehmenskultur
Innovationsführerschaft
Qualitätsführerschaft
Wir erreichen eine überdurchschnittliche Gesamtkapitalrendite nach Steuern.
Wir erreichen ein überdurchschnittliches jährliches Umsatzwachstum aus eigener Kraft in verwandten Arbeitsgebieten.
Unser Wirken nach innen und nach außen ist geprägt von Engagement, Vertrauen, Offenheit und Nachhaltigkeit.
Wir sind in jedem unserer Arbeitsgebiete im Weltmaßstab technisch und organisatorisch führend.
Wir bieten unseren Kunden in jedem unserer Arbeitsgebiete Produkte und Leistungen, die im Weltmaßstab qualitativ führend sind.
Abb. 2.2: Das TRUMPF Zielehaus Das Leitbild basiert auf der Mission und beschreibt, wie sich das Unternehmen verhalten möchte. Darin werden die Stellung des Unternehmens in der Gesellschaft, Führungsgrundsätze und Regeln des Geschäftsverkehrs formuliert. Die Mitarbeiter haben damit Anhaltspunkte, wie sie sich gegenüber Kunden, Lieferanten und anderen Partnern des Unternehmens verhalten sollen. Praxisbeispiel: Die BASF AG hat Grundwerte und Leitlinien formuliert. Darin heißt es u. a.: „Wir gehen fair und respektvoll miteinander um. Wir suchen den offenen, vertrauensvollen Dialog im Unternehmen, mit unseren Geschäftspartnern und relevanten gesellschaftlichen Gruppen,… Wir handeln in Übereinstimmung mit unseren Worten und Werten. Wir achten die Gesetze und respektieren die allgemein anerkannten Gebräuche der Länder, in denen wir tätig sind.“ In der Praxis werden die Begriffe Mission, Vision und Leitbild sehr unterschiedlich definiert.
30
2 Strategisches Controlling
Beispiel Flitzer AG: Die Mission der Flitzer AG wird wie folgt festgelegt: Wir wollen unsere Kunden durch exzellente innovative Produkte begeistern. Für die Vision 2020 werden folgende Punkte vereinbart: Wir sind weltweit als erfolgreiches, innovatives, transnationales Unternehmen der Fahrradindustrie anerkannt. Mit unseren Produkten und Dienstleistungen gehören wir zu den leistungsfähigsten Anbietern im globalen Wettbewerb. Auf das eingesetzte Kapital erwirtschaften wir eine hohe Rendite. Die Flitzer AG ist der bevorzugte Partner der Kunden. Unser Markt ist die Welt. Kernkompetenzen kennzeichnen unser Portfolio. Wir nutzen den Wandel als Chance. Wir ⎼ die Mitarbeiter der Flitzer AG ⎼ schaffen gemeinsam den Erfolg. Das Leitbild der Flitzer AG lautet: Um die Vision, der wir uns gemeinsam verpflichtet fühlen, zu verwirklichen, werden wir bei internationaler Tätigkeit die kulturelle Tradition und nationale Eigenart des jeweiligen Landes achten und fördern, alle Produkte, soweit technisch machbar, umweltschonend herstellen, wirtschaftlich die Erhaltung der Ertragskraft und eine weltweit führende Rolle auf dem Fahrradmarkt anstreben. In einer Mitarbeiterversammlung werden Mission, Vision und Leitbild den Mitarbeitern vorgestellt. 2.1.1.2
Analyse der Chancen und Risiken sowie der Stärken und Schwächen
Für jede strategische Geschäftseinheit werden passende Strategien formuliert. Dafür identifiziert man zunächst die Chancen und Risiken der Umwelt und anschließend die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens (vgl. Abb. 2.3). 2.1.1.2.1
Bestimmung strategischer Geschäftseinheiten
Vor allem in größeren Unternehmen mit einem heterogenen Leistungsspektrum ist es für die strategische Planung wichtig festzulegen, welche Märkte und Produkte einheitlich zu behandeln sind. Teilbereiche eines Unternehmens, die eine klar abgrenzbare Produkt-Markt-Kombinationen aufweisen, bezeichnet man als strategische Geschäftseinheiten. Sie müssen voneinander unabhängig sein und können als „Unternehmen im Unternehmen“ verstanden werden. Im Idealfall spiegeln sich die
2.1 Strategische Planung
31
strategischen Geschäftseinheiten in der Aufbauorganisation des Unternehmens wider. Geschäftseinheiten können zu strategischen Geschäftsfeldern und diese zu Business Units zusammengefasst werden.
Abb. 2.3: Prozess der strategischen Planung und Kontrolle Praxisbeispiel: Die Robert Bosch GmbH besteht aus den Business Units Gebrauchsgüter- und Gebäudetechnik, Industrietechnik sowie Kraftfahrzeugtechnik. Innerhalb der Kraftfahrzeugtechnik existieren Geschäftsfelder wie Dieselsysteme, Benzinsysteme oder Bremssysteme. Das Geschäftsfeld Benzinsysteme ist in Geschäftseinheiten wie Motorsteuerung, Getriebetechnik usw. gegliedert. Die Mediengruppe Oberfranken, ein mittelständisch strukturiertes Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern, plant für die folgenden Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten:
32
2 Strategisches Controlling
Zeitungen
Verlage
eMedien
Buch
Werbung
Mehrwerte
Fachverlag
Mehrwerte
Leser
Information
Druckereien
Post & Logistik
RollenOffset
Post
BogenOffset
Logistik
eProviding
Strategische Geschäftseinheiten
Werbung
Redaktionen
Strategische Geschäftsfelder
Mediengruppe Oberfranken
Abb. 2.4: Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten der Mediengruppe Oberfranken Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG verschaffte sich zunächst durch die transparente Darstellung des relevanten Marktes einen Überblick (vgl. Abb. 2.5 ). Produkte Europa Mountainbikes Gelände Scott Rennräder Ulrich Straße Motorroller Allround ● Mountainbikes Europa/Amerika ∆ Mountainbikes Asien ○ Motorroller
Absatzregionen Asien Amerika
● ●
∆ ∆ □ □ ○
⌂ ⌂
○
● ● ⌂ ⌂
○
⌂ Rennräder Europa/Amerika □ Rennräder Asien
Abb. 2.5: Geschäftseinheiten der Flitzer AG Die beiden Business Units Fahrräder und Motorroller wurden daraufhin definiert. Zudem legte man noch die strategischen Geschäftsfelder Mountainbikes und Rennräder fest. Aufgrund der völlig unterschiedlichen Ansprüche, die man in Asien im Unterschied zu Europa und den USA an ein Fahrrad stellt, formulierte man zuletzt die strategischen Geschäftseinheiten Mountainbikes Europa/Amerika, Mountainbikes Asien, Rennräder Europa/Amerika und Rennräder Asien.
2.1 Strategische Planung
2.1.1.2.2
33
Identifikation externer Gelegenheit und Gefahren
In der Umweltanalyse werden rechtliche, politische, technologische, ökologische, gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Rahmenbedingungen untersucht. Man beschäftigt sich mit Wettbewerbern, Kundenbedürfnissen, Lieferanten, Kapitalgebern und der Verfügbarkeit von Personal, aber auch mit der demografischen Entwicklung, Konsumentenverhalten, Steuergesetzgebung und anderen Einflussfaktoren für den Erfolg des Unternehmens (vgl. Abb. 2.6). Aus dieser Betrachtung der gegenwärtigen Situation und der Prognose zukünftiger Entwicklungen resultieren Chancen und Risiken für das Unternehmen.
Kunden
Kapitalgeber
Personal Unternehmen
Lieferanten
Konkurrenten
ökologische Rahmenbedingungen
technologische Rahmenbedingungen
politische, rechtliche Rahmenbedingungen
soziokulturelle Rahmenbedingungen Abb. 2.6: Einflussgrößen für die Umweltanalyse Beispiel Flitzer AG: Ergebnis der Umweltanalyse der Flitzer AG ist, dass in den nächsten zehn Jahren das Auto als Verkehrsmittel an Bedeutung verlieren wird. Gründe sind eine Verteuerung des Benzins aufgrund abnehmender Erdölvorräte und eine rigorose Umweltschutzpolitik der Staaten. Man prognostiziert deshalb eine weitere Zunahme der Nachfrage nach Fahrrädern. Aufgrund der Überalterung in den westlichen Industrienationen wird dort die Nachfrage nach einfach zu bedienenden Fahrrädern mit hohem Fahrkomfort steigen. Außerdem wird weltweit eine Konzentration auf wenige Fahrradunternehmen stattfinden. Nur die fünf besten Unternehmen können sich am Markt behaupten.
34
2 Strategisches Controlling
Die externe Umweltanalyse kann mit zusätzlichen Instrumenten wie der Szenariotechnik und dem Fünf-Kräfte-Modell von Porter unterstützt werden. Szenariotechnik Szenarien beschreiben eine mögliche zukünftige Situation und den Verlauf der Entwicklung, der zu dieser Zukunftssituation hinführt. Der Szenariotrichter in Abb. 2.7 verdeutlicht das Konzept. In der Gegenwart sind die Einflussfaktoren bekannt. Je weiter man sich in die Zukunft bewegt, desto höher wird die Unsicherheit. Dargestellt wird das durch den sich öffnenden Trichter. Um dieser Unsicherheit Rechnung zu tragen, werden verschiedene Szenarien gebildet. Je größer die Oberfläche des Trichters zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, desto mehr alternative Szenarien sind denkbar. Ausmaß der Umweltveränderung Extremszenario I
Trendszenario
Störereignis
Extremszenario II
Gegenwart
Zukunft
Abb. 2.7: Szenariotrichter Die Trendlinie spiegelt ein wahrscheinliches Szenario wider, das aus einer mittleren Fortschreibung aller gegenwärtigen Einflussfaktoren resultiert. Die Extremszenarios verdeutlichen die Entwicklung bei einem extrem pessimistischen bzw. optimistischen Verlauf der Zukunft. Die künftige Realität wird sich zwischen den Extremen abspielen. Deswegen darf sich das Management nicht auf eine einzige Entwicklungslinie beschränken. Die strategische Planung muss vielmehr alle möglichen Entwicklungen berücksichtigen.
2.1 Strategische Planung
35
Fünf-Kräfte-Modell von Porter25 Die Attraktivität einer Branche wird nach Porter durch fünf Wettbewerbskräfte bestimmt: Brancheninterne Wettbewerber Verhandlungsmacht der Kunden Verhandlungsmacht der Lieferanten Bedrohung durch Ersatzprodukte Bedrohung durch neue Anbieter
Neue Anbieter
Bedrohung durch neue Konkurrenten
Lieferanten
Starke Verhandlungsmacht
Brancheninterne Wettbewerber
Starke Verhandlungsmacht
Kunden
Bedrohung durch Ersatzprodukte Ersatzprodukte
Abb. 2.8: Fünf-Kräfte-Modell von Porter Nach Porter muss das gesamte Wettbewerbsumfeld genau analysiert werden, damit man sich auf die Wettbewerbskräfte einstellen kann. Das Management sollte das Unternehmen von den fünf Wettbewerbskräften weitgehend unabhängig machen und die in der Branche herrschenden Verhältnisse zugunsten des Unternehmens beeinflussen.
25
Porter, M., Wettbewerbsstrategie. 10. Aufl. Frankfurt 1999.
36
2 Strategisches Controlling
2.1.1.2.3
Identifikation interner Stärken und Schwächen
Im Rahmen der internen Unternehmensanalyse wird das eigene Unternehmen beurteilt. Man betrachtet dessen Stärken und Schwächen. Ziel ist es, Schwächen zu verringern und Stärken auszubauen. Auch für die Unterstützung der internen Unternehmensanalyse existieren Instrumente, wie z. B. Lücken-, Potenzial- und Wertkettenanalyse. Lückenanalyse Abweichungen zwischen der erwünschten und der prognostizierten Unternehmensentwicklung müssen frühzeitig aufgedeckt werden. Die Lückenanalyse (auch GAPAnalyse genannt) kann zu Beginn der internen Unternehmensanalyse Aufschlüsse darüber geben, inwiefern neue Technologien erforderlich sind. Bei einer Lückenanalyse wird zunächst eine Zielgröße wie Umsatz oder Rentabilität auf der Grundlage der verfügbaren Ressourcen und der aktuellen Strategie für die nächsten Jahre fortgeschrieben. Die unterste Kurve in Abb. 2.9 verdeutlicht die Situation, wenn die gegenwärtige Unternehmenspolitik mit den geplanten Projekten unverändert fortgesetzt wird.
Operative Lücke
Strategische Lücke
Zielgröße - Umsatz - Gewinn
Gegenwart
Zukunft
Abb. 2.9: Lückenanalyse Ein zweites Szenario (mittlere Kurve in Abb. 2.9) geht davon aus, dass zusätzliche operative Maßnahmen, wie z. B. über das geplante Maß hinausgehende Rationalisierungsvorhaben, konstruktive Optimierungen der Produkte, Erhöhung der Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter, zusätzliche Investitionen zur Effizienzsteigerung in der Produktion,
2.1 Strategische Planung
37
umgesetzt werden. Die mittlere Kurve in Abb. 2.9 ist zum Ende hin nach unten gebogen, weil die Maßnahmen sukzessive weniger zur Zielgröße beitragen. Kann die gewünschte Entwicklung durch die operativen Vorhaben nicht geschlossen werden, sind ergänzend strategische Projekte anzusetzen, wie z. B. der Zukauf anderer Unternehmen oder die Erschließung neuer Märkte. Das dritte Szenario (obere Kurve in Abb. 2.9) zeigt die langfristig gewünschte Entwicklung der Zielgröße, die durch strategische Maßnahmen erreicht wird. Ein wichtiger Einwand gegen die Lückenanalyse ist, dass damit gegenwärtige Zustände nur extrapoliert werden. In sehr dynamischen Märkten ist sie deswegen nicht praktikabel. Sie sollte nur zusammen mit anderen Instrumenten und Analysen verwendet werden. Potenzialanalyse Im Rahmen der Potenzialanalyse werden die eigenen erfolgskritischen Potenziale, wie Qualifikation der Mitarbeiter oder die Fähigkeit zu Innovationen, analysiert und mit denjenigen des stärksten Wettbewerbers verglichen. In Abb. 2.10 wird z. B. deutlich, dass die finanzielle Situation im Vergleich zum stärksten Wettbewerber gut ist, jedoch Defizite im Produktionsprogramm und besonders bei den Marktanteilen vorhanden sind. Kritische Erfolgsfaktoren
Schlecht
Mittel
Marktanteile Produktionsprogramm Marketingkonzept Finanzielle Lage Forschung/Entwicklung Produktion Kostensituation Qualifikation der Mitarbeiter Eigenes Unternehmen
Stärkster Wettbewerber
Abb. 2.10: Potenzialanalyse26 26
Gut
10 | 9 | 8 | 7 | 6 | 5 | 4 3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10
Hinterhuber, H., Wettbewerbsstrategie. 2. Aufl. Berlin 1990.
38
2 Strategisches Controlling
Unterstützende Aktivitäten
Wertkettenanalyse Eine Wertkette besteht aus allen strategisch relevanten und wertsteigernden Tätigkeiten. Dabei unterscheidet man primäre und unterstützende Tätigkeiten. Primäre Aktivitäten sind alle Stufen von der Eingangslogistik bis hin zum Kundendienst. Sie befassen sich direkt mit der physischen Herstellung und dem Vertrieb. Unterstützende Aktivitäten erbringen Serviceleistungen für die primären Aufgaben. Es handelt sich z. B. um Technologieentwicklung, Personalwirtschaft, Unternehmensinfrastruktur (Geschäftsführung, Planung, Finanzwesen, Rechnungswesen, Rechtsfragen etc.).
Unternehmensinfrastruktur Personalmanagement Technologieentwicklung Beschaffung
Eingangslogistik
Produktion
Marketing & Vertrieb
Ausgangslogistik
Kundendienst
Primäre Aktivitäten
Abb. 2.11: Wertkette nach Porter Durch die Analyse der Wertkette eines Unternehmens ist es möglich, die Stärken und Schwächen der einzelnen Aktivitäten aufzudecken. Dazu geht man wie folgt vor: 1. Ist-Erhebung der Wertkette Welche Aktivitäten sind erfolgskritisch und gehören zur Wertkette? Wie sind diese Aktivitäten derzeit gestaltet? Wichtig ist es auch, den Beitrag jeder Tätigkeit am Kundennutzen bzw. den Erlösen zu kennen. 2. Bewertung der Wettbewerbsposition Wie ist die Stellung des Unternehmens in den Aktivitäten im Vergleich zu den Wettbewerbern einzuschätzen (Benchmarking, vgl. Abschnitt 4.3)? Um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, müssen die Aktivitäten mit geringeren Kosten als die der Konkurrenz ausgeführt werden. Alternativ ist es auch möglich, sich von der Konkurrenz abzuheben, indem man dem Kunden einen größeren Nutzen stiftet (Differenzierungsstrategie).
2.1 Strategische Planung
39
3. Identifizierung von Verbesserungspotenzialen 4. Planung von Optimierungsmaßnahmen Beispiel Flitzer AG: Die interne Unternehmensanalyse zeigt, dass die Flitzer AG ihre Wettbewerbsfähigkeit wesentlich steigern muss, um Marktanteile zu gewinnen. In der Vergangenheit hat man unter Beweis gestellt, dass das Unternehmen eine vergleichsweise hohe Innovationsfreudigkeit besitzt und in der Fertigungsqualität weltweit führend ist. Außerdem ist die finanzielle Lage ausgezeichnet. Allerdings hat man nur wenige hochpreisige Fahrradtypen im Angebot. Neben der Ausweitung des Produktprogramms und der Notwendigkeit, kostengünstiger zu produzieren, müssen vor allem die Marketingaktivitäten ausgebaut werden. 2.1.1.3
Entwicklung alternativer Strategien
Die bisher betrachtete strategische Analyse der Umwelt führt zu den Chancen und Risiken, diejenige des eigenen Unternehmens zu den Stärken und Schwächen. Man verwendet dafür auch die Akronyme SWOT (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) oder SOFT (Strengths, Opportunities, Failures, Threats). Aus der Gegenüberstellung der Chancen und Risiken sowie der Stärken und Schwächen werden Erkenntnisse gewonnen, die zur Entwicklung alternativer Strategien führen (vgl. Abb. 2.12). Interne Faktoren Stärken (S)
Schwächen (W)
Externe Faktoren
Chancen (O)
Risiken (T)
SO Strategien
WO Strategien
Stärken nutzen, um Chancen zu ergreifen
Chancen durch die Überwindung von Schwächen nutzen
ST Strategien
WT Strategien
Stärken nutzen, um Risiken zu vermeiden
Schwächen minimieren und Risiken vermeiden
Abb. 2.12: Gegenüberstellung von Chancen/Risiken und Stärken/Schwächen
40
2 Strategisches Controlling
Beispiel Flitzer AG: Die SWOT-Analyse der Flitzer AG führt zu folgenden Strategien:
Interne Faktoren
Stärken (S)
Schwächen (W)
- Innovationsfreude - Fertigungsqualität - Finanzielle Lage
- Wenige hochwertige
Externe Faktoren
Fahrradtypen - Produktionsprogramm - Produktionskosten - Marketing
Chancen (O)
SO Strategien
WO Strategien
- Abnehmende Bedeutung des Autos - Steigende Nachfrage nach Fahrädern mit hohem Komfort
Entwicklung neuer Fahrräder mit Hilfsmotor
Errichtung eines neuen Fertigungsstandorts in einem Billiglohnland
Risiken (T)
ST Strategien
WT Strategien
- Konzentration auf wenige Anbieter
Zukauf von Wettbewerbern
Programm zur Senkung der Produktionskosten
Abb. 2.13: SWOT-Analyse der Flitzer AG 2.1.2 Instrumente der strategischen Planung Die Suche nach geeigneten Strategien kann mit Instrumenten wie der ProduktMarkt-Matrix, dem Lebenszykluskonzept, der Erfahrungskurve oder der Portfoliotechnik unterstützt werden. 2.1.2.1
Produkt-Markt-Matrix
Die Produkt-Markt-Matrix dient dann, wenn sich das Management für eine Wachstumsstrategie entschieden hat, als Hilfsmittel zur Planung dieses Wachstums. Die Matrix weist vier Produkt-/Marktkombinationen auf. Jeder Kombination ist eine strategische Stoßrichtung zugeordnet (vgl. Abb. 2.14).
2.1 Strategische Planung
41 Produkte bestehende
Märkte
neue
bestehende
Marktdurchdringung
Produktentwicklung
neue
Marktentwicklung
Diversifikation
Abb. 2.14: Produkt-Markt-Matrix Marktdurchdringung Ziel ist es, in einem bestehenden Markt den Marktanteil bereits existierender Produkte zu steigern. Das wird erreicht, indem der Absatz bei bestehenden Kunden erhöht wird und/oder indem man die Produkte an neue Kunden, die man von der Konkurrenz abwirbt, verkauft. Ständige Produktpflege und intensive Werbung sind wichtig. Das Risiko dieser Strategie ist gering, allerdings ist das Wachstum auch begrenzt. Das Schmerzmittel Aspirin der Bayer AG ist ein gutes Beispiel für die Marktdurchdringung eines Produkts. Produktentwicklung Die Bedürfnisse des bestehenden Marktes sollen mit neuen Produkten befriedigt werden. Oft entwickelt man verwandte Produkte und vervollständigt damit sein Produktsortiment. Da der Erfolg von Neuentwicklungen nicht sicher ist, sind die Risiken höher als bei der Marktdurchdringung. Die Loewe AG bietet neben reinen TV-Geräten auch sogenannte Home-CinemaSysteme an, die Fernsehgerät, Audio-Anlage und Mediacenter integrieren. Marktentwicklung Für bereits bestehende Produkte werden neue Märkte erschlossen. Oft versucht man, seine Produkte in neuen Absatzregionen zu verkaufen. Diese Strategie ist erfolgversprechend, wenn sich ein Unternehmen auf spezielle Produkte fokussiert hat und dort eine hohe Kompetenz aufweist. Das Risiko dieser Strategie ist höher als das der Marktdurchdringung. Ein Beispiel für die internationale Marktentwicklung ist das schwedische Möbelhaus IKEA oder der amerikanische Lebensmittelkonzern Wal Mart. Diversifikation Die Produktdiversifikation erfordert nicht nur die Entwicklung eines neuen Produktes, sondern gleichzeitig die Erschließung neuer Märkte. Das Risiko ist deshalb besonders hoch. Allerdings sind auch die Chancen auf Wachstum groß. Man kann intern oder extern durch Zukauf anderer Unternehmen diversifizieren. Die Diversifikation kann horizontal, vertikal oder lateral erfolgen. Bei horizontaler Diversifikation wird das Angebot um Produkte erweitert, die auf der gleichen Wertschöpfungsstufe stehen wie die bereits vorhandenen. Ein Beispiel dafür ist das
42
2 Strategisches Controlling
Unternehmen Apple, das neben seinen ursprünglichen IT-Produkten nun auch Telefone und Musikplayer verkauft. Bei der vertikalen Diversifikation dringt ein Unternehmen in vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen vor. Ein Beispiel ist der Autohersteller, der einen Zulieferbetrieb für Scheinwerfer aufkauft. Bei lateraler Diversifikation stehen die neuen Produkte in keinem Zusammenhang zum bisherigen Produktionsprogramm. Diese Strategie verfolgte die Daimler AG vor 20 Jahren. Neben dem Autogeschäft kaufte man z. B. ein Unternehmen der Luftund Raumfahrt (Aerospace) und einen Elektrokonzern (AEG). 2.1.2.2
Lebenszykluskonzept
Produkte unterliegen wie Organismen dem Werden und Vergehen. Dabei durchlaufen sie bestimmte Entwicklungsphasen, die im Produktlebenszyklusmodell beschrieben sind. Die Lebenszyklusanalyse trägt dazu bei, Strategien zu entwickeln, um neue Produkte rechtzeitig einzuführen oder alte vom Markt zu nehmen. Der Lebenszyklus eines Produktes besteht idealtypisch aus den Phasen Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung (vgl. Abb. 2.15). Umsatz
Einführung
Wachstum
Reife
Sättigung
Zeit
Abb. 2.15: Umsatzentwicklung eines idealtypischen Lebenszyklus Ist die letzte Phase im Produktlebenszyklus erreicht, gibt es zwei Möglichkeiten. 1. Das Produkt wird eliminiert und ein Nachfolger eingeführt. 2. Durch einen Relaunch wird das Produkt überarbeitet und im Markt neu positioniert. Ein Beispiel dafür war die Umbenennung des Schokoriegels „Raider“ von Mars in „Twix“. Der prägnante Werbeslogan lautete „Raider heißt jetzt Twix – sonst ändert sich nix“. Für den bereits 1976 in Deutschland auf den Markt gebrachten Biskuitriegel begann damit ein neuer Produktlebenszyklus.
2.1 Strategische Planung
43
Die Phasen im Lebenszyklus der meisten Produkte können durch die im Folgenden aufgeführten Merkmale gekennzeichnet werden: Einführung Kriterium Umsatz Kosten
Ausprägung langsam steigend hohe Stückkosten
Deckungsbeitrag Cash Flow Kapitalbedarf Zahl d. Wettbewerber Erfolgsaussichten bei Eintritt in dieser Phase
gering negativ hoch wenige hoch
Charakterisierung Die Gewinnung neuer Kunden ist schwierig. Die geringen Mengen verursachen hohe Stückkosten. Hohe Entwicklungskosten erfordern eine „Subventionierung“ des Produktes. Der Umsatzanteil eines Produktes an seinem Gesamtumsatz sollte in dieser Phase bei 15 bis 20 Prozent liegen.
Wachstum Kriterium Umsatz Kosten
Ausprägung stark steigend sinkende Stückkosten Deckungsbeitrag positiv wachsend Cash Flow wird zunehmend besser Kapitalbedarf hoch Zahl d. Wettbewerber hoch Erfolgsaussichten bei mittel Eintritt in dieser Phase
Charakterisierung Hohe Nachfrage bei gleichzeitig sinkenden Preisen (Wettbewerber!). Kostendegression durch Mengenausweitung. Der Umsatzanteil eines Produktes an seinem Gesamtumsatz sollte in dieser Phase bei 20 bis 25 Prozent liegen.
44
2 Strategisches Controlling
Reife Kriterium Umsatz
Ausprägung Maximum wird erreicht, rückläufig Kosten Stückkosten sinken nur noch minimal Deckungsbeitrag positiv, aber fallend Cash Flow Maximum wird erreicht Kapitalbedarf gering Zahl d. Wettbewerber sinkend Erfolgsaussichten bei schlecht Eintritt in dieser Phase
Charakterisierung Die Nachfrage ist weiterhin hoch. Preise sinken durch zusätzliche Konkurrenten. Erste Sättigungsphänomene. Spätestens jetzt muss ein Nachfolgeprodukt entwickelt werden. Der Umsatzanteil eines Produktes an seinem Gesamtumsatz sollte in dieser Phase bei 40 bis 45 Prozent liegen.
Sättigung Kriterium Umsatz Kosten Deckungsbeitrag Cash Flow Kapitalbedarf Zahl d. Wettbewerber Erfolgsaussichten bei Eintritt in dieser Phase
Ausprägung sinkend konstant eher positiv sinkend gering wenige sehr schlecht
Charakterisierung Viele Kunden wandern ab und suchen sich innovativere Produkte. Das Produkt verschwindet langsam vom Markt. Der Umsatzanteil eines Produktes an seinem Gesamtumsatz sollte in dieser Phase bei 10 bis 25 Prozent liegen.
Abb. 2.16: Merkmale der Phasen im Lebenszyklus Das Lebenszyklusmodell existiert in verschiedenen Varianten. Neben der Einteilung des Lebenszyklus in vier Phasen wird manchmal auch eine fünfte Phase, die Degeneration, aufgeführt. Im besonders für strategische Überlegungen geeigneten erweiterten Lebenszyklusmodell werden die bisher behandelten vier Phasen des Marktzyklus um den Beobachtungs- und Entstehungszyklus ergänzt (vgl. Abb. 2.17).27
27
Pfeiffer, W., Bischoff, P., Produktlebenszyklus - Instrument jeder strategischen Produktionsplanung, in: Steinmann, H. (Hrsg.), Planung und Kontrolle. München 1981, S. 136.
Abb. 2.17: Integriertes Produktlebenszyklusmodell Zeit
Beobachtungszyklus
Entscheidungsrelevantes Beobachtungsfeld
Wissenschaftlichtechnologisches Vorfeld
Intensität der Aktion
Grad der Ungewissheit
Suche nach Problemlösungen
I
Kosten
III
Entwickl. und Versuch
IV
Einführung
I
Integriertes Produktlebenszyklusmodell
Lebenszyklus
Vorbereitung Prod., Absatz
Zeit
V VI
Bau von Prototypen
Entstehungszyklus
Bewer- Fortung schung und Auswahl
II
Umsatz
Reife
III
Marktzyklus
Wachstum
II
Sättigung
Zeit
IV
2.1 Strategische Planung 45
46
2 Strategisches Controlling
Im Vorfeld der Produktentwicklung müssen Informationen der Umwelt systematisch gesammelt, aufbereitet und analysiert werden. Sie führen zur Entscheidung, ein neues Produkt zu realisieren. Der sich anschließende Entstehungszyklus umfasst alle Aktivitäten bis zur Vorbereitung der Produktion und des Absatzes. Hier fallen bereits beträchtliche Vorleistungskosten an. Für die Neuentwicklung eines PKW bis zur Produktionsphase benötigen Automobilhersteller z. B. bis zu 40 Monaten. Die Gesamtdauer eines Fahrzeugprojekts beträgt vom Entwicklungsbeginn bis zum Einstellen der Produktion 12 Jahre. In vielen Branchen hat sich der Marktzyklus dramatisch verändert. Der VW Käfer wies noch annähernd den idealtypischen Produktlebenszyklus der Abb. 2.15 auf. Erst nach 69 Jahren wurde seine Produktion eingestellt. Für moderne Erzeugnisse der Unterhaltungselektronik sieht der Verlauf grundlegend anders aus. Während das Erreichen der Gewinnschwelle aufgrund hoher Investitionen länger dauert, verkürzt sich der Produktlebenszyklus und damit die Zeit, in der Gewinne erwirtschaftet werden können. Dies bedeutet für solche Unternehmen, die ihr Produkt verspätet auf den Markt bringen, erheblich geringere Gewinnchancen bzw. Verluste. 2.1.2.3
Erfahrungskurve
Die Zusammenhänge der Erfahrungskurve wurden Ende der 60er Jahre von der Boston Consulting Group empirisch ermittelt. Die Kernaussage ist, dass sich bei jeder Verdoppelung der Ausbringungsmenge die Stückkosten je nach Branche zwischen 20 und 30 Prozent reduzieren (vgl. Abb. 2.18). 3000
2500
Kosten/Stück
2000
1500
1000
20 Prozent Rückgang 500
30 Prozent Rückgang
0 0
2000
4000
6000
8000
10000
Kumulierte Ausbringungsmenge (= Erfahrung)
Abb. 2.18: Erfahrungskurve
12000
14000
2.1 Strategische Planung
47
Ursachen sind: 1. Economies of Scale (Ersparnisse durch Größeneffekte): Kostensenkungspotenziale durch günstigere Einkaufskonditionen aufgrund höherer Bestellmengen Verteilung fixer Kosten auf größere Mengen effizientere Produktionsverfahren, die erst bei größeren Stückzahlen einsetzbar sind 2. Lernkurveneffekte (die Lernkurve besagt, dass mit zunehmender Wiederholung die benötigte Zeit für das gewünschte Ergebnis stetig abnimmt): bessere Beherrschung des Produktionsprozesses Ausschöpfung von Rationalisierungspotenzialen Die Erfahrungskurve birgt die Gefahr, dass der Fokus zu stark auf die Reduktion der Kosten gelegt wird. Konsequenz könnte der Aufbau zu großer Kapazitäten sein, um die Effekte der Erfahrungskurve zu erreichen. 2.1.2.4
Portfoliotechnik
Unternehmen können mit der Portfolio-Methode unterschiedliche Produkte oder Geschäfte darstellen und deren Beitrag zum Unternehmenserfolg erkennen, gewünschte Änderungen festlegen und in einem Soll-Portfolio dokumentieren, Strategien für die einzelnen Produkte und Geschäfte erarbeiten, um das angestrebte Soll-Portfolio zu erreichen. Portfolios besitzen zwei unterschiedliche Dimensionen. Die eine Dimension ist in der Regel mit einem Einflussfaktor der externen Unternehmensumwelt besetzt (z. B. Marktwachstum oder Marktattraktivität). Die andere Dimension beschreibt einen vom Unternehmen beeinflussbaren internen Faktor (z. B. den Marktanteil oder Wettbewerbsvorteile). Im Folgenden sollen das Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio und das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio beschrieben werden. Beide Portfolios sind in der Praxis häufig anzutreffen. 2.1.2.4.1
Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio
Es ist das wohl bekannteste Portfolio und wurde Anfang der 70er Jahre von der Boston Consulting Group entwickelt (vgl. Abb. 2.19). In diesem Portfolio wird das Marktwachstum auf der Ordinate abgetragen. Die Marktwachstumsrate kann z. B. als fünfjähriger Durchschnitt des vergangenen oder prognostizierten Umsatzwachstums errechnet werden. Die Trennlinie zwischen hohem und niedrigem Marktwachstum wird oft bei 10 Prozent gezogen. Eine höhere jährliche Umsatzsteigerung deutet auf die Lebenszyklus-
48
2 Strategisches Controlling
phase Einführung oder Wachstum hin. In der Reife- oder Sättigungsphase ist die Umsatzzunahme dagegen niedrig. Die Abszisse stellt den relativen Marktanteil dar, der die Stärken und Schwächen eines Produkts oder Geschäfts ausdrücken soll. Der relative Marktanteil ist definiert als: Umsatz der Geschäftseinheit Umsatz des stärksten Konkurrenten
Ein Wert von vier sagt z. B. aus, dass der Umsatz des eigenen Produkts viermal so groß wie der des stärksten Konkurrenten ist. Die Trennungslinie zwischen hohem und niedrigem Marktanteil wird bei 1,0 gezogen. 1,0 Question Marks
Stars
? 10 %
Marktwachstum
hoch
Poor Dogs
Cash Cows
niedrig niedrig
Relativer Marktanteil
hoch
Abb. 2.19: Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio Die Dimension Marktanteil basiert auf den Erkenntnissen der Erfahrungskurve. Bei einem hohen Marktanteil sind hohe Produktionsmengen möglich. Dies führt zu niedrigen Stückkosten (Kostendegression). Dadurch entsteht eine gute Wettbewerbssituation. Die zu analysierenden Geschäfte müssen im Koordinatensystem als Kreise positioniert werden. Die Kreisgröße korrespondiert mit dem getätigten Umsatz (vgl. Abb. 2.22). Entsprechend der Positionierung im Portfolio werden unterschiedliche Strategien empfohlen. Man unterscheidet folgende Normstrategien:
2.1 Strategische Planung
49
Investitionsstrategie Bei dieser offensiven Strategie tätigt man hohe Investitionen. Mit einer Niedrigpreispolitik strebt man außerdem die Preisführerschaft an. Begleitend wird aktiv geworben. Ziel ist, Erster oder mindestens Zweiter im Markt zu sein. Deswegen muss man auch die Flexibilität und Schnelligkeit des strategischen Geschäftsfelds erhöhen. Niedrige Kosten stehen nicht im Mittelpunkt. Differenzierungsstrategie Man konzentriert sich auf ausgewählte Märkte, Kunden, Produkte oder Wertschöpfungsstufen und will gezielt neue Marktchancen finden und zusätzlichen Kundennutzen schaffen. Dabei sollen sich die Produkte durch besondere Eigenschaften deutlich von denjenigen der Konkurrenz abheben. Dies könnte z. B. durch ein ausgeprägtes Qualitätsimage einer Marke realisiert werden. Hohe Erweiterungsinvestitionen kennzeichnen diese Strategie ebenfalls. Desinvestition Diese defensive Strategie ist dadurch gekennzeichnet, dass man keine Investitionen mehr tätigt, Anlagen sogar stilllegt oder Geschäftsfelder veräußert. Der Fokus liegt auf Kostensenkungsmaßnahmen durch Abbau von Strukturen und Prozessoptimierungen. Ergänzend wird eine Hochpreispolitik verfolgt. Insgesamt strebt man einen Schrumpfungsprozess an. Abschöpfungsstrategie Auch diese Strategie ist defensiv. Im Unterschied zur Desinvestition werden noch Ersatzinvestitionen vorgenommen. Die Produktwerbung wird intensiviert, um die erworbene Marktposition halten zu können. Die vier Quadranten des Portfolios können wie folgt gekennzeichnet und einer Normstrategie zugeordnet werden: Question Marks Kriterium Ausprägung Charakterisierung Marktwachstum hoch Hohes Marktwachstum bei gleichzeitig geringem Marktanteil ist ein Indikator dafür, dass man sich in der Startphase eines sich entMarktanteil niedrig wickelnden Marktes befindet. Die Geschäftsführung sollte die erfolgversprechendsten FraStrategie selektiv gezeichen-Produkte auswählen und durch gezielte Investitionen deren Marktanteil im Sinne Cash Flow meist der Differenzierung ausweiten. Stellt sich henegativ raus, dass eine Erhöhung des Marktanteils nicht Stellung im Einführung möglich ist, sollte die Strategie der DesinvestiLebenszyklus tion gewählt werden.
50
2 Strategisches Controlling
Stars Kriterium Ausprägung Charakterisierung Marktwachstum hoch Die Geschäftsfelder in diesem Quadranten besitzen einen hohen relativen Marktanteil in einem schnell wachsenden Markt, der viele Marktanteil hoch Konkurrenten anzieht. Die Empfehlung lautet bei dieser günstigen Situation: WettbewerbsStrategie investieren position stabilisieren durch Reinvestition der hohen Erträge. Cash Flow negativ Stellung im Wachstum Lebenszyklus
Poor Dogs Kriterium Ausprägung Charakterisierung Marktwachstum niedrig Poor Dogs besitzen eine schlechte Positionierung in einem unattraktiven Markt. Sie stellen damit die ungünstigste Situation dar. Auf keinen Marktanteil niedrig Fall sollte in diese Produkte investiert werden. Vielmehr wird empfohlen, vorhandene PotenStrategie desziale abzuschöpfen und bei geringer Rentabiliinvestieren tät die Produkte aufzugeben. Allerdings müssen Cash Flow positiv die Auswirkungen auf andere Produkte berücksichtigt werden. Alternativ ist es in manchen Stellung im Sättigung Fällen möglich, durch Produktinnovationen eine Lebenszyklus Positionierung im Star-Quadranten zu erreichen.
Cash Cows Kriterium Ausprägung Charakterisierung Marktwachstum niedrig Cash Cows befinden sich in gesättigten Märkten ohne nennenswertes Wachstum. Die Wettbewerbsposition ist gut. Aufgrund des beschränkMarktanteil hoch ten Wachstumspotenzials sollte nicht weiter investiert werden. Die Strategie lautet vielmehr: Strategie abschöpfen melken der Cash Cows, um die übrigen strateCash Flow sehr positiv gischen Geschäftseinheiten und Neuentwicklungen zu finanzieren. Stellung im Reife Lebenszyklus
Abb. 2.20: Merkmale der Kategorien des Marktwachstums-Marktanteils-Portfolios
2.1 Strategische Planung
51
Hoch
I
Marktwachstum
Die Stellung der Question Marks, Stars, Poor Dogs und Cash Cows im Lebenszyklus ist in Abb. 2.21 dargestellt. Daraus kann man entnehmen, dass die Question Marks (erfordern hohe Investitionen) durch die Cash Cows (liefern hohe Umsätze) finanziert werden müssen. Anzustreben ist zudem eine ausreichende Zahl von Question Marks, die später über den Bereich der Stars zu Cash Cows werden. Poor Dogs sollte es nur wenige geben.
IV
Einführung
II
Sättigung
Wachstum
Reife
Niedrig
III
Niedrig Umsatz Deckungsbeitrag Investition
Relativer Marktanteil
Hoch
Strategische Entwicklungsrichtung Cash Flow-Verwendung
Abb. 2.21: Portfolioanalyse auf der Basis des Produktlebenszyklus Beispiel Flitzer AG: Der Controller der Flitzer AG sammelt die Informationen über den relativen Marktanteil, das Umsatzwachstum und den Umsatzanteil der Produkte und erstellt ein Portfolio (vgl. Abb. 2.22). In der Planungsrunde des Vorstands wird die derzeitige
52
2 Strategisches Controlling
Situation diskutiert. Erfreulich ist, dass sich das umsatzstarke Fahrrad Ulrich auf dem Weg zum Star befindet. Leider existieren zwei Poor Dogs, die glücklicherweise nur eine untergeordnete Rolle spielen. Problematisch wird die Tatsache gesehen, dass neue innovative Fahrräder fehlen (Question Marks). Zudem hat man keine Cash Cows, welche die finanziellen Mittel für neue Produkte, die hohe Investitionen erfordern würden, generieren. Letztendlich kommt man überein, mit Nachdruck ein innovatives Fahrrad mit Hilfsmotor für die Kunden über 60 Jahre zu entwickeln und den Absatz von Ulrich zu forcieren. Die Mittel dafür sollen als Kredit aufgenommen werden. Vielleicht lässt sich auch eine Kapitalerhöhung realisieren. Um die Zeit zu überbrücken, bis neue Produkte verfügbar sind, soll der Motorroller Allround überarbeitet und mit einem neuen Erscheinungsbild mehr jugendliche Käufer ansprechen. Das Budget für diesen Relaunch wird sofort bereitgestellt. 30%
Question Marks
Stars 3.000.000
25%
Umsatzwachstum
Ulrich
1.500.000
20%
Straße 15%
10%
900.000
Poor Dogs
5%
Allround
Gelände
0% 0
Cash Cows
Scott
500.000
800.000
0,5
1
1,5
2
2,5
Marktanteil
Abb. 2.22: Beispiel eines Portfolios für die Flitzer AG Das Portfolio der Boston Consulting Group wird wegen der geringen Flexibilität und der sehr vereinfachenden Normstrategien vielfach kritisiert. Andere Portfolios, insbesondere das von McKinsey entwickelte Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio, sind weniger statisch, empfehlen jedoch ähnliche Normstrategien. 2.1.2.4.2
Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio
Wie Abb. 2.23 zeigt, umfasst das Portfolio die Dimensionen Marktattraktivität (= Chancen und Risiken) und relativer Wettbewerbsvorteil (= Stärken und Schwächen).
2.1 Strategische Planung
53
Question Mark
Star
Ressourcenverbrauch
Marktattraktivität mittel hoch
Wertschöpfung
Cash Cow
niedrig
Poor Dog
niedrig
mittel
hoch
Relativer Wettbewerbsvorteil Offensive
Differenzierung
Defensive
Abb. 2.23: Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio Die Marktattraktivität und der relative Wettbewerbsvorteil können z. B. anhand folgender Kriterien beurteilt werden: Marktattraktivität - Marktgröße - Marktwachstum - Stellung im Marktlebenszyklus - Anzahl der Wettbewerber - Stärke der Wettbewerber - Umweltsituation - Eintrittsbarrieren - Preisentwicklung
Relativer Wettbewerbsvorteil - Kundennähe - Qualität - Flexibilität - Technische Ausstattung - Niedrige Kosten - Bekanntheitsgrad - Image - Finanzielle Stärke
Abb. 2.24: Kriterien für Marktattraktivität und relativen Wettbewerbsvorteil Die neun Felder des Portfolios unterteilen sich entsprechend der empfohlenen Normstrategie in drei Bereiche: Für die Geschäfte in der linken unteren Ecke bis zur Diagonalen gilt ein defensives Verhalten (Desinvestition oder Abschöpfung). Sie müssen die Finanzierung der übrigen Produkte im Portfolio sicherstellen. Die rechte obere Ecke zeigt Produkte, die man offensiv vermarkten sollte (Investition). Auf der Diagonalen liegen diejenigen Geschäfte, für die eine differenzierte Strategie erforderlich ist.
54
2 Strategisches Controlling
2.1.3 Balanced Scorecard 2.1.3.1 Was ist eine Balanced Scorecard? Die Balanced Scorecard (BSC) ist in erster Linie ein Managementinstrument zur Strategieumsetzung. Ausgangspunkt für die Entwicklung der BSC war die Kritik an der Dominanz finanzieller Steuerungsgrößen in den klassischen Performance Measurement-Systemen. In der BSC werden steuerungsrelevante Informationen aus den vier Geschäftsperspektiven Finanzen, Kunden, Prozesse und Potenziale berücksichtigt. Dies geschieht über den Aufbau eines Sets ausgewogener strategischer Ziele, abgeleitet aus der Vision, Mission und dem Geschäftsmodell. Um Aussagen über die Zielerreichung treffen zu können, werden für diese Ziele Messgrößen (finanzielle und nicht finanzielle), Zielwerte und Aktionen festgelegt. Die strategischen Maßnahmen werden weiter in Termin- und Budgetvorgaben sowie personifizierte Zuständigkeiten konkretisiert. Das Herzstück der BSC ist, dass die strategischen Ziele, Messgrößen und Maßnahmen nicht isoliert betrachtet werden, sondern UrsacheWirkungs-Beziehungen miteinander verbunden sind (vgl. Abb. 2.25). Finanzperspektive
Ausgewogenes strategisches Denken in mehreren Perspektiven
Strategisches MessZiel größen
Zielwerte Maßnahmen
Kundenperspektive Strategisches MessZiel größen
Zielwerte
Verfolgung der Strategierealisierung durch relevante KPIs
Prozessperspektive
Maßnahmen
Vision und Strategie
Strategisches MessZiel größen
Zielwerte
Maßnahmen
Potenzialperspektive Systematisierung der Vorgehensweise und der Strategiedarstellung
Strategisches MessZiel größen
Zielwerte
Maßnahmen Fokussierung auf das Wesentliche
Abb. 2.25: Aufbau einer Balanced Scorecard28 Durch diese Verknüpfung entsteht die „Strategy Map“ (oder strategische Landkarte) als übersichtliches, leicht kommunizierbares Zielbild. Die BSC ist damit mehr als ein geordnetes Sammelwerk von unverbundenen Messgrößen für Erfolgstreiber. Durch die übersichtliche und konzentrierte Darstellung der Strategie wird sie viel28
In Anlehnung an Kaplan, R., Norton, D. (Hrsg.), Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart 1997, S. 9.
2.1 Strategische Planung
55
mehr als Kommunikationsinstrument eingesetzt, um Strategien zu verdeutlichen und damit das Unternehmen an der Strategie auszurichten. Diese Ziele leiten sich aus Vision, Mission und dem Geschäftsmodell ab. In Theorie und Praxis hat sich die BSC in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Die jeweiligen Ausbaustufen der Balanced Scorecard werden in Abb. 2.26 dargestellt. 2001 Die Balanced Scorecard als Instrument, um das gesamte Unternehmen auf die Strategie auszurichten. 1996
(Kaplan, Norton: The Strategy focused Organisation, 2001)
Die Balanced Scorecard als Strategisches Managementsystem, welches hilft, die langfristige Entwicklung des Unternehmens zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. 1993
(Kaplan, Norton: Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System, 1996)
Die Balanced Scorecard als Kommunikationsinstrument, um Strategien zu verdeutlichen und damit Unternehmen an der Strategie auszurichten. 1992
(Kaplan, Norton: Putting the Balanced Scorecard to Work, 1993)
Die Balanced Scorecard als Performance Measurement System, d. h. als geordnetes Sammelwerk von Messgrößen für Erfolgstreiber. (Kaplan, Norton: The Balanced Scorecard - Measures that drive Performance,1992)
Abb. 2.26: Ausbaustufen der Balanced Scorecard 2.1.3.2
Einführungsgründe für die Balanced Scorecard
Da die Ausgangssituationen und Managementprobleme in den Unternehmen variieren, gibt es unterschiedliche Auslöser für die Einführung einer BSC: Grund 1: Strategieumsetzung Ein wesentlicher Grund für die Einführung der Balanced Scorecard ist die Umsetzung der Strategie in die Realität. Mit Blick auf die zunehmende Komplexität des Unternehmensumfelds ist eine schnelle Strategieumsetzung ein Kernerfolgsfaktor. „Balanced Scorecards dienen der Implementierung von Unternehmensstrategien“29, indem sie die Strategieumsetzungskompetenz des Unternehmens stärken. Zentrale Probleme bei der Umsetzung der Strategie sind die Überleitung strategischer Aussagen in konkrete Ziele und Maßnahmenpakete, die Verbesserung von Strategiekommunikation und Strategieverständnis, die Schaffung eines bereichs- und funktionsübergreifenden Denkens.
29
Horváth, P., Kaufmann, L., Balanced Scorecard ⎼ ein Werkzeug zur Umsetzung von Strategien, Harvard Business Manager 5/98, S. 10.
56
2 Strategisches Controlling
Eine Umfrage von Horváth & Partners bestätigt diese Aussagen.30 Auf die Frage, auf welchen Gebieten der Strategiearbeit die Balanced Scorecard besondere Verbesserungen bewirkt, wurden die in Abb. 2.27 ausgewerteten Antworten gegeben.
Strategierealisierung
30
Verbindlichkeit von Zielen
30
Zielvereinbarungsprozess
15
53
8
25
46
Funktionsübergreifendes Denken
21
49
25
Reportingsystem
20
52
21
Planungssystem
13
Strategisches Lernen
12
Datenbasis und Entscheidungszeit
12
Strategische Projektpriorisierung [Angaben in %]
11 stimmt absolut
12
33
42
10
39
39
5 7 13
37
38
9
27
54 stimmt größtenteils
5
22
48
22
4
21
45
26
Entwicklung strategischer Aktionsprogramme
15
38
45
Strategiekommunikation
12
40
47
Gemeinsames Strategieverständnis
stimmt nur teilweise
stimmt gar nicht
Abb. 2.27: Verbesserungseffekte einer Balanced Scorecard Grund 2: Integration nichtfinanzieller Steuerungsgrößen zur PerformanceMessung Ursprünglicher Auslöser für die Entwicklung der BSC war die Unzufriedenheit mit der Dominanz finanzieller Messgrößen. Durch die ausgewogene Berücksichtigung finanzieller wie nicht-finanzieller Steuerungsgrößen erhöht die BSC die Qualität der Unternehmensplanung. Grund 3: Verbesserung der Aussagekraft des Reporting Oft ist das Berichtswesen in Unternehmen recht umfangreich, liefert aber doch nicht alle Antworten. Vor allem die Frage nach dem Stand der Strategieumsetzung kann sehr häufig auf Basis von vorhandenen, meist finanziell dominierten Berichtsinhalten nicht beantwortet werden. Grund 4: Vereinfachung des Planungsprozesses Der Einsatz der Balanced Scorecard erhöht zwar initial den Aufwand der strategischen Planung. Die Überführung der Strategie in die anschließende operative Planung und Budgetierung wird aber erleichtert. Vielfache Abstimmungsschleifen können durch den Einsatz der Balanced Scorecard verhindert werden. Inhaltlich sind die aus der Strategie abgeleiteten operativen Planwerte qualitativ hochwertiger.
30
Horváth & Partners (Hrsg.) Balanced Scorecard Studie 2008, Ergebnisbericht. Stuttgart 2008.
2.1 Strategische Planung
57
Grund 5: Weiterentwicklung der Zielvereinbarungen Die in Unternehmen eingesetzten Zielvereinbarungen basieren häufig auf einseitigen Zielen und sind nur selten aus der Unternehmensstrategie abgeleitet. 2.1.3.3
Schwierigkeiten bei der Strategieumsetzung
Der Strategieprozess kann grundsätzlich in zwei Prozessphasen unterteilt werden: 1. Strategieentwicklung 2. Strategieumsetzung Während es für den Prozessschritt der Strategieentwicklung eine Vielzahl von Konzepten und Instrumenten im Praxiseinsatz gibt (vgl. Abschnitte 2.1.1 und 2.1.2), liegen die Probleme unverändert im Management des Übergangs zwischen den beiden Prozessphasen. Es muss vor allem gelingen, Strategien in disziplinierter Weise zu beschreiben.31 Die meisten Barrieren der Strategierealisierung sind hausgemacht und können überwunden werden (vgl. Abb. 2.28), jedoch fehlt es oft an konkreten Hilfsmitteln und geübten Prozessen.
Schwache Konjunktur
Externe Barrieren der Strategierealisierung
Fehlende Finanzmittel
Interne Barrieren der Strategierealisierung Inkonsistente Zielvereinbarungen und Anreizsysteme
Unzureichende Kommunikation der Strategie
Unzureichendes StrategieControlling
Mangelnde Zielabstimmung zwischen den Organisationseinheiten
Unpräzise Umsetzung strategischer Aktionen
Fehlende Verbindung strategischer und operativer Planung
Wechselnde Kundenerwartungen
Wettbewerb (neue Technologien, Preiskampf etc.)
Abb. 2.28: Barrieren der Strategierealisierung32 31 32
Kaplan, R. S., Norton, D. P., The Strategy-Focused Organization: How Balanced Scorecard Companies Thrive in the New Business Environment. Boston 2001. Horváth & Partners (Hrsg.), Balanced Scorecard umsetzen. 4. Aufl., Stuttgart 2007, S. 201.
58
2 Strategisches Controlling
Werden Geschäftsführer und Vorstände befragt, dann bestätigen alle, dass ihr Unternehmen eine klare Strategie verfolgt. Keine Strategie zu haben würde ja bedeuten, dass man ziellos und planlos das Unternehmen führt. Bei genauer Betrachtung stellt sich jedoch oft heraus, dass die Strategie entweder gar nicht formuliert und dokumentiert ist oder im anderen Fall zwar existiert, aber oft zu pauschal und unkonkret ist, wie z. B. „Qualität steht bei uns an erster Stelle“, „Wir bieten unseren Kunden innovative Produkte“ usw. Wenn konkrete Ziele formuliert werden, sind diese oftmals losgelöst von der Strategie und untereinander nicht abgestimmt sowie nur in seltenen Fällen über mehrere Sichtweisen ausgewogen. Die Balanced Scorecard deckt diese Missstände auf, indem sich die Strategie mit ihrer Hilfe transparent darstellen lässt. 2.1.3.4
Strategische Klärung als Voraussetzung für die Einführung einer Balanced Scorecard
Bevor das strategische Zielsystem aufgebaut werden kann, müssen die Wettbewerbsarena, in der sich das Unternehmen befindet, und der strategische Rahmen analysiert werden (vgl. Abb. 2.29).
Abb. 2.29: Horváth & Partners-Strategiemodell Konkret sind nach der Analyse des Marktumfelds Vision, Mission und das Leitbild des Unternehmens festzulegen. Darauf aufbauend ist ein Geschäftsmodell zu erarbeiten.33 33
Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten. 6. Aufl. Frankfurt/Main 1999.
2.1 Strategische Planung
59
Die anschließend zu erstellenden Strategy Maps und Balanced Scorecards sind somit eng mit der Strategieentwicklung verzahnt. 2.1.3.5
Strategieumsetzung mit der Balanced Scorecard
Die Stärke des Balanced Scorecard-Ansatzes ist die geschickte Kombination von wichtigen Elementen der Unternehmensführung: die Strategiedarstellung, das Denken in Perspektiven und die konsequente Unterscheidung von strategischen und operativen Zielen (vgl. Abb. 2.30). Ziele
+ Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten + + Ressourcen + Fähigkeiten Ressourcen + Fähigkeiten + Fähigkeiten + Aktionspläne + + Aktionspläne + Ressourcen + + Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten + Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten Aktionspläne
Ziele
Ziele
Ziele
Ziele
Ziele
+ + +
Anreize
Anreize
Anreize
Anreize
Anreize
+ Information + Information + Information + Information + Information
+ +
Information
Anreize
+
Erfolgreiche
= Umsetzung
= Aktionismus = Chaos = Frustration = Angst = Wenig
Veränderung
= Verwirrung
Abb. 2.30: Wichtige Elemente zur erfolgreichen Strategierealisierung Bevor mit der Erarbeitung der Balanced Scorecard begonnen werden kann, sind die Stoßrichtungen aus der Strategie abzuleiten. Entlang dieser Stoßrichtungen können die entsprechenden strategischen Ziele in der Strategy Map aufgebaut werden (vgl. zu den Begriffen Abb. 2.31). Unter der strategischen Stoßrichtung wird dabei die Art und Weise verstanden, mit der es dem Unternehmen gelingen soll, die gewünschte strategische Position zu erreichen. Sie gibt richtungsweisende Impulse, damit das Unternehmen auf den strategisch gewünschten Kurs kommt. Sehr oft findet sich die strategische Stoßrichtung in Slogans wieder, wie beispielsweise „Vom Sonderfertiger zum Standardanbieter“, „Ganzheitliches Angebot und Cross-Selling“. Damit ist sie das Ergebnis der Strategieentwicklung und der Ausgangspunkt für die Erstellung der Balanced Scorecard.
60
2 Strategisches Controlling Strategische Stoßrichtung
Grundstatements, welche die Strategie des Unternehmens beschreiben. Sie stellen richtungsweisende Impulse dar, die im Unternehmen umgesetzt werden müssen, um auf den strategisch gewünschten Kurs (d. h. von der strategischen Ist- zur Zielposition) zu kommen.
Strategische Ziele
Aktionsorientierte Aussagen, welche die strategischen Stoßrichtungen über die grundsätzlichen Fragen für die jeweiligen BSC-Perspektiven konkretisieren. Sie haben eine hohe Wettbewerbsrelevanz und eine hohe Handlungsnotwendigkeit.
UrsacheWirkungs-Ketten
Visualisierung der strategisch grundlegenden Zusammenhänge zwischen den strategischen Zielen. Sie schaffen über „Wenn-dann-Aussagen“ Bewusstsein über die beabsichtigten Effekte im Zusammenspiel der strategischen Ziele.
Messgrößen (und Zielwerte)
Operationalisierung der strategischen Ziele. Mithilfe von Messgrößen kann der Grad der Zielerreichung festgestellt werden. Synonym wird häufig auch von Kennzahlen gesprochen. Zielwerte (Targets) stellen Sollwerte der Messgrößen dar und fungieren damit als „Messlatte“ für die Zielerreichung.
Strategische Aktionen
Strategische Aktionen (Initiativen) sind konkrete Schritte zur Erreichung der strategischen Ziele im Rahmen der BSC. Sie können einzelne Maßnahmen, Maßnahmenbündel oder diverse Arten von Projekten sowie Aufgaben umfassen.
Abb. 2.31: Grundbegriffe beim Einsatz der Balanced Scorecard 2.1.3.6
Prozess für die Entwicklung einer Balanced Scorecard
Die Entwicklung einer Balanced Scorecard muss strukturiert erfolgen. In der Praxis hat sich die folgende Reihenfolge zur Erstellung bewährt: 1. Perspektiven festlegen 2. Strategische Ziele ableiten 3. Strategy Maps aufbauen 4. Messgrößen auswählen 5. Zielwerte festlegen 6. Strategische Aktionen bestimmen Daraus entstehen bei der Bearbeitung die folgenden Ergebnisse:
Wir verbessern die Kommunikation zwischen Abteilungen und Segmenten.
Wir nutzen die Zusammenarbeit unseres globalen Netzwerks.
Wir managen konsequent unsere fixen und variablen Kosten.
Wir erfüllen unsere soziale Verantwortung
Wir fördern die Entwicklung unserer Mitarbeiter.
Wir stellen ein inspirierendes Arbeitsklima sicher.
Wir halten ein geringes Niveau des Umlaufvermögens.
Die Qualität unserer Kundenbetreuung ist konkurrenzlos.
Wir verbessern die Auslastung unserer Produktionslinien.
Wir verbessern kontinuierlich unsere Managementkompetenz.
Wir verbessern die Qualität unserer internen Prozesse.
Wir erfüllen vereinbarte Lieferanforderungen.
Wir begeistern unsere Kunden.
Wir fördern Innovationen, die marktfähig sind.
Wir erhöhen unseren Geschäftsanteil außerhalb des Kernmarktes.
Wir entwickeln verlässliche Lieferanten.
Wir erfüllen anspruchsvollste Qualitätsanforderungen.
Wir erarbeiten uns eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur.
Wir schaffen rentables Wachstum zum Wohle unserer Stakeholder.
Jedes zehnte Automobil dieser Welt fährt mit Komponenten, die wir produziert haben
Abbildungen zu "Controlling Dritte / BSC WirAuflage" schützen die Umwelt
Potenziale
Abb. 2.32: Beispiel einer Strategy Map
Prozesse
Kunden
Finanzen
Unsere Vision
2.1 Strategische Planung 61
1. Strategy Map (vgl. Abb. 2.32)
34
Potenziale
Prozesse
Kunden
Finanzen Weniger Flugzeuge
Niedrigste Preise
Ausrichtung des Bodenpersonals
Strategische Systeme Personaleinsatz
Strategischer Job Flugabfertiger
Schneller Turnaround
Pünktlicher Service
Mehr Kunden anziehen und binden
Umsatzwachstum
Profit und RONA
Strategy Map
• Marktwert • Umsatz/Sitz • Mietkosten/Flugzeug • Anzahl Stammkunden • Anzahl Kunden • FAA-Rating für pünktliche Ankunft • Kundenranking • Bodenzeit • Pünktlicher Abflug • Strategische JobBereitschaft
• Wirtschaftlichkeit • Umsatzwachstum • Weniger Flugzeuge • Mehr Kunden anziehen und binden • Pünktliche Flüge • Niedrigste Preise • Schneller Turnaround im Bodenbereich • Die notwendigen Fähigkeiten entwickeln • Unterstützung system. entwickeln • Bodenpersonal an Strategie ausrichten • Verfügbarkeit des Informationssystems • Strateg. Bewusstsein • Anteil am Bodenpers.
Messgrößen
Ziele
• 100% • 100%
• 1. Jahr 1- 70%, 2. Jahr 3- 90%, 3. Jahr 5-100% • 100%
• 30 Minuten • 90%
• Platz 1
• 70% • 12% p.a. • Platz 1
• 30% p.a. • 20% p.a. • 5% p.a.
Zielwerte
Balanced Scorecard
Total Budget
• Training des Bodenpersonals • Einführung eines Systems zur Bodenpersonaleinsatzplanung • Kommunikationsprogramm • Aktienbeteiligungsplan für MA • Plan
• Optimierung der Durchlaufzeit
• CRM-System implementieren • Qualitätsmanagement • Kundenloyalitätsprogramm
Maßnahmen
Aktionsplan
• 16,0
• 0,8 • 3,5 • 1,2
• 0,5 • 2,0
• 2,5
• 3,0 • 2,0 • 0,5
Budget [in Mio. €]
62 2 Strategisches Controlling
2. Balanced Scorecard (vgl. Abb. 2.33 und Abb. 2.34) 34
Abb. 2.33: Beispiel einer Balanced Scorecard im weiteren Sinne
Kaplan, R. S., Norton, D. P., Strategy Maps, Der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg. Aus dem Amerikanischen von P. Horváth und B. Gaiser. Stuttgart 2004, S. 115.
Kunden
Finanzen
Perspektive
Status
Istwerte 2011
21
~
„Value Added“
6.215
~
Variable Kosten
~ -
Kundenrating
Anteil der erfolgreich ausgelieferten Komponenten
Abb. 2.34: Auszug einer Balanced Scorecard im engeren Sinne 70
64
2
+
Anteil des Ausschusses am Absatz
Wir begeistern unsere Kunden
9
+
Anteil der Qualitätskosten am Umsatz
Wir erarbeiten uns eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur
5.456
~
Fixe Kosten
Wir managen konsequent unsere fixen und variablen Kosten
103.488
+
EBIT
Wir schaffen rentables Wachstum zum Wohle unserer Stakeholder
Strategisches Ziel / Messgröße
%
%
%
%
EUR
EUR
%
EUR
Einheit
Januar – März
Januar – März
Januar – März
Januar – März
Januar – März
Januar – März
Januar – März
Januar – März
Aktueller Wert umfasst Zeitraum von …
80
70
3
7
6.300
5.500
22
103.000
Zielwerte 2011
Manfred Kroll
Erika Glaßen
Hans Meier
Erika Glaßen
Hans Meier
Hans Meier
Hans Meier
Hans Meier
Verantwortlich
2.1 Strategische Planung 63
Kunden
Finanzen
Perspektive
Verantwortlich
Rudolf Reinhardt Esther Runge Rudolf Reinhardt Esther Runge
Einführung zusätzlicher Qualitätszirkel
Durchführung Qualitätssicherungsprojekt 142A5
Wir erfüllen anspruchsvollste Qualitätsanforderungen
Design neuer Prozesse, die auf Six Sigma basieren
Dagmar Sutter Rudolf Reinhardt
Herbert Bringel
Reduzierung der Reisekosten um ein Drittel in 2 Jahren
Wir begeistern unsere Kunden
August 2011
Esther Runge Siegfried Müller
Senkung der Kosten für die Zentrale um 3%
Januar 2011
Dezember 2011
August 2011
Juli 2011
Dezember 2011
Siegfried Müller
Geplanter Endtermin
Reduzierung der Import/Export-Kosten um 5%
Wir managen konsequent unsere fixen und variablen Kosten
Strategisches Ziel / Messgröße
0%
30%
85%
65%
10%
0%
Fortschritt
-
~
+
~
~
-
Status
Kommentar
64 2 Strategisches Controlling
3. Aktionsplan (vgl. Abb. 2.35)
Abb. 2.35: Auszug aus dem Aktionsplan einer Balanced Scorecard
2.1 Strategische Planung
2.1.3.6.1
65
Perspektiven festlegen
Die klassischen Unternehmenssteuerungsmodelle sind oft finanziell geprägt. Bei der Strategieentwicklung und -umsetzung gilt es jedoch, alle wesentlichen Betrachtungsebenen eines Unternehmens zu berücksichtigen. Die verschiedenen Betrachtungsebenen werden im Rahmen der Balanced Scorecard als Perspektiven bezeichnet. Perspektiven sind ein Denkraster, das gewährleistet, dass an alle wesentlichen Aspekte des Geschäfts in einem ausgewogenen Verhältnis gedacht wird. Sie werden daher idealerweise schon während des Strategiefindungsprozesses festgelegt. Klassisch wird zwischen den vier Standardperspektiven Finanzen, Kunden, Prozesse und Potenziale unterschieden. Generell sind die Perspektiven aber unternehmensspezifisch zu definieren, vor allem was die genaue Bezeichnung angeht. Im Folgenden werden die Leitfragen sowie alternative Bezeichnungen zu den vier Standardperspektiven vorgestellt. Finanzperspektive Leitfrage: „Welche Ziele sind bezüglich der finanziellen Erwartungen unserer Kapitalgeber zu setzen?“ Alternative Bezeichnungen: Finanzen und Kapitalgeber, Results, Aktionär Kundenperspektive Leitfrage: „Welche Zielsetzungen leiten sich aus der Struktur und den Anforderungen unserer Kunden ab?“ Alternative Bezeichnungen: Marktperspektive, externe Perspektive, Stakeholder, Produkt/Markt/ Kunde, Customer Enthusiasm Prozessperspektive Leitfrage: „Welche Ziele sind an unserer Prozesse zu stellen, um die Ziele der Finanz- und Kundenperspektive zu erfüllen?“ Alternative Bezeichnungen: Interne Perspektive, Ablaufperspektive Potenzialperspektive Leitfrage: „Welche Ziele sind bezüglich unserer Potenziale zu setzen, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu bewältigen?“ Alternative Bezeichnungen: Wissensperspektive, langfristige Perspektive, Innovation, Mensch, Lernen und Zusammenarbeit, Fundamentals, Mitarbeiter/Ressourcen
66
2.1.3.6.2
2 Strategisches Controlling
Strategische Ziele ableiten
Strategische Ziele können abgeleitet werden, wenn die Perspektiven der Balanced Scorecard feststehen und die strategischen Ist- und Zielpositionen definiert sind. Durch diesen Prozess wird die Strategie konkretisiert und die strategischen Ziele werden den vorher definierten Perspektiven zugeordnet. Wichtig ist dabei, strategische Ziele von den operativen Zielen und von Aktionen zu trennen. Strategische Ziele sind das Herzstück einer Balanced Scorecard und zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: Sie konkretisieren die allgemein formulierte Strategie. Sie überführen die Strategie in aktionsorientierte Aussagen. Sie spalten allgemeine strategische Aussagen mit Blick auf die jeweiligen Perspektiven in ihre Elemente auf. Sie sind unternehmensspezifisch. Zur Sicherstellung einer hohen Qualität der strategischen Ziele und einer effizienten und effektiven Bearbeitung sind folgende Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen: 1. Inhaltliche Klärung und Spezifizierung der Ziele Werden nur pauschale Begriffe genannt, wie z. B. „Service“, ist unklar, was darunter zu verstehen ist. Ist damit mehr Service, schnellerer Service oder anderer Service gemeint? Daher sind pauschale Zielformulierungen zu vermeiden und die gewünschten anzustrebenden Ziele konkret zu beschreiben. 2. „Twenty is plenty“ Es sollten nicht mehr als vier strategische Ziele pro Perspektive definiert werden. Eine Balanced Scorecard sollte eher 12 bis 15 und maximal 20 Ziele enthalten. 3. Ausgewogenheit in den Perspektiven erreichen Es wird eine ausgewogene Verteilung der strategischen Ziele auf die Perspektiven angestrebt. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass jeder Perspektive die gleiche Anzahl an Zielen zugeordnet werden muss. In den meisten Fällen wird es natürlich Schwerpunkte geben. Trotzdem ist sicherzustellen, dass jede Perspektive strategische Ziele enthält. 4. Aktive Formulierungen Eine Zielformulierung sollte immer ein Verb enthalten. Anstelle des Ziels „Beratung“ sollte besser das Ziel „Ganzheitliche Beratung des Managements ausbauen“ verwendet werden.
2.1 Strategische Planung
67
„Hohe Kundenzufriedenheit“ wird oft genannt, ist aber keine gute Formulierung. Besser wäre hier „Antwortzeiten verkürzen“. Damit ist in der Dokumentation generell leicht zu erkennen, ob es sich um ein Ziel handelt. Zusätzlich löst die aktionsorientierte Formulierung leichter Aktionen aus als eine ausschließliche Zustandsbeschreibung. 5. Verwendung deskriptiver Adjektive Anhand der Zielbeschreibung sollte erkennbar sein, wie groß der Aufwand sein wird, um das Ziel zu erreichen. Das Ziel „kontinuierlich weiterentwickeln“ hat eine andere Qualität als „massiv steigern“. 6. Einhaltung des Zielsystems Man sollte keine Elemente des strategischen Rahmens verwenden. „Immer gut arbeiten“ ist ein allgemeiner Führungsgrundsatz, aber kein Ziel. Besser ist die Formulierung „Qualität der Informationsversorgung verbessern“. 7. Fokussierung auf die strategische Bedeutung In Workshops wird eine Vielzahl an strategischen Zielen erarbeitet. Es ist eine Herausforderung, die wesentlichen strategischen Ziele herauszufiltern. Strategische Ziele im Sinne der Balanced Scorecard sind nur jene wenigen entscheidenden Ziele, von denen der Erfolg der Strategie abhängt. Sie haben sowohl eine hohe Wettbewerbsrelevanz als auch einen hohen Handlungsbedarf. Hierzu hat sich der „Horváth & Partners-Filter“ zur Klärung der strategischen Bedeutung in der Praxis bewährt (vgl. Abb. 2.36). Wettbewerbsrelevanz Würde die Umsetzung des Zieles wirklich einen wettbewerbsentscheidenden Unterschied zum Konkurrenten Hoch ausmachen?
Niedrig
Nur bei Abweichung wichtig (Ausnahmebericht, diagnostisches Element)
Jene wenigen entscheidenden Ziele, von denen der Erfolg der Strategie abhängt
(z. B. Fluktuationsrate)
(z. B. intensivere Ansprache vermögender Privatkunden)
Niedrige Priorität
Punktuelle Aufmerksamkeit
(z. B. Verbesserung der Zusammenarbeit mit Druckereien)
(z. B. gefährdeter Kredit)
Niedrig
Hoch Strategischer Handlungsbedarf Sind überdurchschnittliche Anstrengungen notwendig, um das Ziel gegenüber der Konkurrenz durchzusetzen oder zu verteidigen?
Abb. 2.36: Der „Horváth & Partners-Strategiefilter“
68
2 Strategisches Controlling
8. Differenzierung zwischen Zielen und Aktionen Ziele sind von Aktionen zu unterscheiden. Strategische Ziele, die sich als zu konkret herausstellen, sind häufig strategische Aktionen. Aktionen sind Maßnahmen, die ergriffen werden, um Ziele zu erreichen. Ob es sich um ein Ziel oder eine Aktion handelt, hängt von der „Flughöhe“, d.h. von der hierarchischen Betrachtungsebene, ab. Es gibt zwei Fälle, in denen Ziele nicht korrekt formuliert werden: a) Ziele sind schwammig oder pauschal formuliert. Das Ziel „Erreichen einer Best Practice Position in der Produktion“ in Abb. 2.37 sollte in „Flexibilität in der Produktion erhöhen“ konkretisiert werden, da sich dahinter ein klar identifizierbarer strategischer Schwerpunkt verbirgt. Konkrete Zielalternativen
Aggregiertes Ziel
Erreichen einer Best Practice Position in der Produktion
?
Fehlerrate reduzieren
„Bei uns kein Problem“
Output pro Mitarbeiter erhöhen
„Bei uns kein Problem“
Qualität verbessern
„Bei uns kein Problem“
Produktionszeit verkürzen
„Bei uns kein Problem“
Flexibilität erhöhen
„Das ist für uns ein echtes Thema“
Lagerbestand senken
„Bei uns kein Problem“
Abb. 2.37: Zu hoch aggregierte Ziele b) Ziele werden zu operativ formuliert. Das Ziel „Gemeinkosten transparenter machen“ in Abb. 2.38 ist offensichtlich eher ein Unterziel und damit eine Maßnahme des eigentlich angestrebten Zieles. Zudem sollten Einmalaktionen von kontinuierlichen Bemühungen unterschieden werden. „SAP einführen“ ist eine Einmalaktion und daher als Projekt zu verstehen. Eine bessere Formulierung lautet: „IT-gestützte Führungssysteme auf den Stand der Technik bringen“.
2.1 Strategische Planung
69 EDV-Tool X einführen Mitarbeiter schulen
Gemeinkosten transparenter machen
Prozesskostenrechnung einführen Fehlkontierungen vermeiden Buchungsmoral verbessern
Abb. 2.38: Zu operativ formulierte Ziele 9. Keine Überbewertung der Messbarkeit der Ziele Die Messbarkeit der Ziele spielt im ersten Schritt keine Rolle, letztendlich findet sich für jedes Ziel eine Messmethode. Es wird folgende Vorgehensweise zur Auswahl strategischer Ziele vorgeschlagen: 1. Inhaltliche Klärung 2. Strategische Bedeutung klären 3. Zuordnung des strategischen Ziels zur geeigneten Perspektive 4. Clusterung von ähnlichen Zielvorschlägen 5. Dokumentation der Zielinhalte Im Folgenden werden Beispiele für gut formulierte Ziele aufgeführt: Finanzperspektive Rendite erhöhen Umsätze steigern Kosten senken Marktanteilswachstum vorantreiben Profitablere Aufträge annehmen Kapitalrentabilität verbessern Kapitalbindung verringern Anteil des Fremdkapitals zurücksetzen Cash Flow erhöhen Kundenperspektive Termintreue verbessern Image als Marktführer aufbauen Bekanntheitsgrad steigern Reklamationsquote senken
70
2 Strategisches Controlling
Happy-Customer-Indexwerte verbessern Erhöhung des Großkundenanteils Angebotstreue verbessern
Prozessperspektive Prozesse beschleunigen und flexibilisieren Kein Overengineering Entwicklungszeiten reduzieren Angebotserstellung beschleunigen Zusammenarbeit mit Lieferanten verbessern Gemeinkosten reduzieren Strategische Partnerschaften aufbauen Potenzialperspektive Anteil qualifizierter Facharbeiter erhöhen Entwicklungs-Know-How verbessern Medienbrüche reduzieren Akzeptierte Beförderungsmodelle entwickeln und implementieren Markteroberung mit neuen Produkten umsetzen Markt-Eroberungskompetenz aufbauen Serviceorientierung der Mitarbeiter verankern Die folgende Checkliste hilft, die Qualität der strategischen Ziele zu prüfen: Sind alle vier Perspektiven „ausgewogen“ berücksichtigt? Sind alle Ziele aktionsorientiert formuliert? Sind alle Ziele akut (hohe Handlungsnotwendigkeit)? Können wir uns durch die Erfüllung der Ziele von Wettbewerbern differenzieren bzw. eine hohe Kundenzufriedenheit erreichen (hohe Wettbewerbsrelevanz)? Sind alle aufgenommenen Ziele von unserem Bereich beeinflussbar? Sind die Ziele individuell auf unseren Bereich zugeschnitten und konkret, d. h. nicht zu pauschal formuliert? Haben wir Ziele formuliert und nicht Maßnahmen?
2.1.3.6.3
Strategy Maps
Strategy Maps werden oft lediglich als Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen strategischen Zielen gesehen. Der Vorteil einer Strategy Map liegt aber nicht in der vollständigen Abbildung aller Wirkungsbeziehungen, sondern in der besseren Kommunikation der Strategie.
2.1 Strategische Planung
71
Der Aufbau von Strategy Maps erfolgt in drei Schritten: 1. Analyse und Dokumentation der Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den strategischen Zielen. Durch die Beschreibung von Ursache-Wirkungsbeziehungen werden Abhängigkeiten zwischen den strategischen Zielen sichtbar und das Management für Zielzusammenhänge sensibilisiert. Strategy Maps liefern damit ein Erklärungsmodell für den strategischen Erfolg. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Wirkungsketten aufzubauen. Entweder man startet Bottom-Up bei der Potenzialperspektive und betont dabei diese Perspektive oder der Aufbau beginnt bei der Finanzperspektive (Top-Down) und klärt dabei, welche untergeordneten Ziele zur Erreichung des übergeordneten Ziels führen. 2. Konzentration auf strategisch beabsichtigte Beziehungen. Es geht nicht darum, ein vollständiges Unternehmensmodell abzubilden, sondern ein logisches Strategiemodell darzustellen, das nur ausgewählte Ziele hervorhebt. Redundante Zusammenhänge ohne eigenen Erklärungsgehalt sollten nicht dargestellt werden (vgl. Abb. 2.39).
Finanzen
Profitabilität verbessern
3 Kundenbindung erhöhen
Kunden
2 Kundenzufriedenheit steigern
1 Prozesse
Servicegrad verbessern
Abb. 2.39: Vermeidung redundanter Beziehungen
Redundanter Zusammenhang (wird nicht dargestellt!)
72
2 Strategisches Controlling
Zusammenhänge, die nicht ursächlich strategisch beabsichtigt sind, werden nicht in der Strategy Map dargestellt (vgl. Abb. 2.40).
Kundenbindung stärken
Neukundenakquisition forcieren
Vollkundenpolitik durchsetzen
Strategisch beabsichtigter Effekt (Verbindung wird dargestellt)
Positiver Nebeneffekt (Verbindung wird nicht dargestellt)
Abb. 2.40: Fokussierung auf strategisch beabsichtigte Wirkungen 3. Dokumentation der Beziehungen in der Strategy Map und Formulierung der „Story of Strategy“. Es ist wichtig, zeitnah nach dem Aufbau der Strategy Map eine Dokumentation zu erstellen. Damit werden die einzelnen Gedanken im Workshop fixiert und für die spätere Kommunikation zur Verfügung gestellt. Die Strategy Map beschreibt eine „Story of Strategy“: Die „Story of Strategy“ verdeutlicht das Zusammenwirken der formulierten strategischen Ziele im Hinblick auf die angestrebte Zielposition in verbaler Form. Sie bildet die Basis für die Kommunikation der Strategy Map in das Unternehmen hinein. Die Strategy Map bildet den emotionalen Ankerpunkt der Strategiekommunikation. 2.1.3.6.4
Messgrößen
Mit Messgrößen wird die Zielerreichung verfolgt. Sie stehen dabei in Bezug zu den strategischen Zielen, was sie von Kennzahlen unterscheidet, die nicht aus der Strategie abgeleitet sind. Zu jedem strategischen Ziel der Balanced Scorecard ist eine Messgröße zu definieren. Im Idealfall wird jedes Ziel durch genau eine Messgröße bestimmt. Um die Komplexität gering zu halten, sind mehr als zwei Messgrößen nicht zu empfehlen. Messgrößen sollten folgende Anforderungen erfüllen:
2.1 Strategische Planung
73
An der Messgröße muss das Erreichen des gewünschten Ziels abzulesen sein (Priorität eins). Mit der Messgröße muss das Verhalten der Mitarbeiter in die gewünschte Richtung beeinflusst werden können (Priorität eins). Die Messgröße muss eindeutig interpretiert werden können (Priorität eins). Die Messgröße muss aus den bestehenden Systemen ableitbar sein (Priorität zwei). Die Implementierung darf nicht zu aufwendig sein (Priorität zwei). Kosten und Nutzen der Implementierung sind abzuwägen (Priorität zwei).
Generell wird zwischen Input- und Output-Messgrößen unterschieden. OutputMessgrößen messen das Ergebnis oder die tatsächliche Zielerreichung. Sie sind generell zu bevorzugen, da sie die qualitativ besseren Messgrößen sind. Input-Messgrößen messen dagegen lediglich den Aufwand für Maßnahmen und Aktionen, der für die Zielerreichung aufgebracht wird. Sie werden oft auch als aktionsbasierte Messgrößen bezeichnet. Input-Messgrößen eignen sich für neue Ziele, bei denen noch kein Ergebnis gemessen werden kann. Daher wird erfasst, ob an der Zielerreichung gearbeitet wird. Praxisbeispiel: Ein Unternehmen, das Kopierer produziert, formuliert drei strategische Ziele und deren Messgrößen: 1. Englisch-Sprachkenntnisse der Mitarbeiter steigern Input-Messgröße: Anzahl der besuchten Englischkurse Output-Messgröße: Note im Englisch-Sprachtest oder Anzahl beherrschter Englisch-Vokabeln 2. Konkurrenzfähige Kostenstruktur aufbauen Input-Messgröße: Ermittelte Kostensenkungspotenziale Output-Messgröße: Gesamtkosten in Prozent vom geplanten Umsatz 3. Funktionssicherheit der Kopierer erhöhen Input-Messgröße: Entwicklungskosten zur Steigerung der Funktionssicherheit Output-Messgröße: Anzahl der Störungsfälle
74
2 Strategisches Controlling
Eine alternative Messgröße wäre die Anzahl der Beschwerden bei Störungsfällen. Diese Messgröße ist jedoch ein Spätindikator, da sich die Kunden oft erst beschweren, wenn der Kopierer mehrmals ausgefallen ist. Das ist zu spät, um die Zielerreichung positiv zu beeinflussen. Besser wäre es in diesem Fall, einen Chip zu entwickelt, der im Kopierer die Störfälle automatisch zählt und eine Analyse ermöglicht. Das Wichtigste ist die Formulierung der strategischen Ziele. Deswegen ist eine Balanced Scorecard auch anwendbar, wenn Messgrößen fehlen. Die Zielerreichung kann in diesem Fall in einem Text beschrieben werden. 2.1.3.6.5
Zielwerte
Zu jeder Messgröße ist ein Zielwert zu definieren. Während die strategischen Ziele und die Messgrößen in Workshops definiert werden, findet die Festlegung von Zielwerten in Einzel- oder Gruppengesprächen statt. Die Zielwerte werden ggf. in einem anschließenden Workshop nochmals präsentiert und diskutiert, um die Zustimmung der Mitarbeiter zu erreichen. Die Ableitung von Zielwerten kann mithilfe von Referenzwerten aus dem Vorjahr, internen oder externen Benchmark-Daten oder durch Umfragen erreicht werden. Für die Ableitung der Zielwerte ist folgende Fragekette hilfreich: Wie hoch ist der Istwert? Schätzen Sie, wie hoch der Zielwert heute ist? Ist dieser Wert zu hoch oder zu niedrig? Um wie viel (in Prozent) sollte sich der Wert (in drei Jahren) verändert haben? Um wie viel (in Prozent) sollte sich der Wert bis Ende des nächsten Jahres verändert haben? Die Ziele der Balanced Scorecard gelten in der Regel für zwei bis drei Jahre. Gute Zielwerte sollten anspruchsvoll, ehrgeizig, aber erreichbar sein. Der Weg zum Zielwert hängt von der eingeschlagenen Strategie ab (vgl. Abb. 2.41): Pfad 1: erst Wachstum, dann Strukturveränderung Pfad 2: erst Strukturveränderung, dann Wachstum Pfad 3: anfangs stärkerer Fokus auf Strukturveränderung zulasten des Wachstumsziels
2.1 Strategische Planung
75
Umsatz in Mio. EUR
160
5
Pfad 1 140
4
4
3 4 2
3
120
Pfad 2
1
3 2
1
100
Ist
80
30%
40%
50%
1
60%
60
2011
2
2012
3
2013
4
2014
5
Pfad 1:
erst Wachstum, dann Strukturveränderung
Pfad 2:
erst Strukturveränderung, dann Wachstum
Pfad 3:
anfangs stärkerer Fokus auf Strukturveränderung zulasten des Wachstumsziels
75%
Pfad 3
2
1 5
70%
Strukturveränderung
2015
Abb. 2.41: Abwägung verschiedener Zielpfade Praxisbeispiel Ein Unternehmen, das Kopierer produziert, formuliert ausgehend von den strategischen Zielen folgende Zielwerte: Strategisches Ziel
Messgröße
Konkurrenzfähige Kostenstruktur aufbauen
Gesamtkosten in Prozent vom geplanten Umsatz
Funktionssicherheit der Kopierer erhöhen
Anzahl Störungsfälle je Kopierer pro Monat
Zielwert in drei Jahren
Einheit
Istwert
%
87
80
Anzahl
23
10
Abb. 2.42: Zielwerte eines Produzenten von Kopiergeräten
76
2 Strategisches Controlling
2.1.3.6.6
Strategische Aktionen
Erst wenn die Mitarbeiter ihr Verhalten auf die Strategie ausrichten, können die angestrebten strategischen Ziele umgesetzt werden. Hierzu sind konkrete Maßnahmen zu definieren. Im Rahmen der Balanced Scorecard wird in diesem Zusammenhang von strategischen Aktionen gesprochen, da die Maßnahmen auf die Strategie ausgerichtet sind. Ressourcen im Unternehmen sind begrenzt, deswegen ist eine Priorisierung der Aktionen unerlässlich (vgl. Abb. 2.43). Nutzenbeitrag (zur Umsetzung der Strategie) Hoch
Niedrig
Höchste Priorität!
Hohe Priorität
Sofort starten, da Quick Wins
Aufwand-/ Nutzenschätzung für Freigabeentscheidung
Nachrangige Bedeutung
Keine Durchführung, sofern nicht sonstige Erfordernisse bestehen
Niedrig
Hoch Realisierungsaufwand und Risiko
Abb. 2.43: Priorisierung von strategischen Aktionen Maßnahmen mit hohem Nutzen zur Erreichung der strategischen Ziele und relativ geringem Aufwand werden sofort angegangen. Maßnahmen, die größere Anstrengungen verlangen, können zeitlich gestaffelt werden, um eine Umsetzung zu ermöglichen. Es ist sicherzustellen, dass die Ressourcen auf die Aktionen so verteilt werden, dass möglichst alle Ziele erreicht werden können. Folgendes Vorgehen bietet sich zur Festlegung von strategischen Aktionen an: Sammeln von möglichen strategischen Aktionen Zuordnung von Ressourcen und Priorisieren von Aktionen Festlegung eines Zeitplans Zustimmung der Verantwortlichen
2.1 Strategische Planung
77
Praxisbeispiel: Ein Produzent von Kopiergeräten formuliert folgende Aktionen: Strategische Aktion
Strategisches Ziel Konkurrenzfähige Kostenstruktur aufbauen
Starttermin
Endtermin
Verantwortlich
Verwaltungskosten senken
Status Genehmigt
Funktionssicherheit der Kopierer erhöhen
In Abstimmung
Abb. 2.44: Aktionen eines Produzenten von Kopiergeräten 2.1.3.7
Konzeption des Roll-Out der Balanced Scorecard
Um ein gesamtes Unternehmen strategieorientiert auszurichten, ist die Balanced Scorecard auf alle Unternehmensbereiche und -ebenen auszurollen. Damit sind folgende Vorteile verbunden: Erreichung der aus der Strategie abgeleiteten Ziele für alle Bereiche Delegation von Aufgaben und Verantwortlichkeiten Förderung von strategiebezogenem Handeln bei allen Mitarbeitern Fokussierung auf strategisch relevante Zielsetzungen Aktionsorientierung durch strategische Steuerung der Ressourcen Im ersten Schritt ist die Roll-Out-Methode zu bestimmen. Bei den in Abb. 2.45 aufgeführten Methoden eins bis drei entstehen vollständige Balanced Scorecards, während bei den Methoden fünf und sechs nur Teile der Balanced Scorecards im RollOut eingesetzt werden. Vollständige BSCs 1
Eigenständige Strategie- und Zielformulierung ohne Vorgabe von Pflichtzielen und Pflichtmessgrößen
2
Eigenständige Strategie- und Zielformulierung unter Vorgabe bestimmter Pflichtziele und Pflichtmessgrößen
Keine vollständigen BSCs
3
4
5
6
Strikte Zielableitung („Auswahl“) aus übergeordneter Balanced Scorecard
Standard Balanced Scorecard für nachgelagerte Einheiten
Direkte Ableitung von Fokusmaßnahmenprogrammen
Reine Kommunikation
Abb. 2.45: Roll-Out-Methoden
78
2 Strategisches Controlling
Welche Methode verwendet wird, hängt von folgenden Entscheidungskriterien ab: 1. Bereichsgröße 2. Zukünftige strategische Bedeutung 3. Unabhängigkeit innerhalb der Gesellschaft 4. Diversität des Geschäfts Bei sehr heterogenen Geschäftsbereichen ist z. B. eine eigenständige Strategie- und Zielformulierung anzustreben. Auch wenn ein Bereich eine hohe zukünftige strategische Bedeutung hat, sollte eine eigenständige Strategie- und Zielformulierung erarbeitet werden. Kleine Bereiche, die eher eine geringe zukünftige strategische Bedeutung besitzen, leiten die Maßnahmen direkt aus übergeordneten Balanced Scorecards ab. Denkbar sind auch Zwischenlösungen (vgl. Abb. 2.46).
Gesellschaften mit Bereichen hoher Eigenverantwortung unter dem Dach eines gemeinsamen Geschäftsmodells (z. B. Henkel) Unternehmen mit einem weitgehend homogenen Geschäftsmodell (z. B. DC-Bank)
Gesellschaften mit einheitlichem Geschäftsmodell in unterschiedlichen Regionen (Franchising, z. B. OBI)
gering
Unterschiedlichkeit des Geschäftes
hoch
Gesellschaften eines Mischkonzerns mit heterogenen Geschäftsmodellen Geschäftsmodellen (z. (z.B. B. Thyssen-Krupp)
gering
Unabhängigkeit innerhalb der Gesellschaft
hoch
Bereiche mit geringer Marktmacht, Alle Bereiche unterhalb die übergeordnete Strategievorgaben strikt der Implemetierungstiefe der BSCs oder kleine umsetzen sollen (z. B. Unternehmen Bereich Labordienstleistungen bei einem EVU)
gering
Zukünftige strategische Bedeutung
klein
Reine Kommunikation
hoch
6
Bereichsgröße (relativ)
5 Direkte Ableitung von Fokusmaßnahmenprogrammen
Keine vollständigen BSCs
groß
1 2 3 4 Eigenständige Strategie- Eigenständige StrategieStrikte Zielableitung Standard Balanced und Zielformulierung und Zielformulierung („Auswahl“) aus Scorecard für ohne Vorgabe von unter Vorgabe bestimmter übergeordneter Balanced nachgelagerte Einheiten Pflichtzielen und Scorecard Pflichtziele und Pflichtmessgrößen Pflichtmessgrößen
Vollständige BSCs
2.1 Strategische Planung 79
Abb. 2.46: Entscheidungskriterien zur Auswahl der Methoden
80
2 Strategisches Controlling
Empirische Studien zeigen, dass die Balanced Scorecard eine weite Verbreitung auf der ersten Unternehmensebene und in Geschäftsbereichen hat. Oft wird sie auch auf die einzelnen Funktionsbereiche heruntergebrochen. Für Geschäftsbereiche oder auf Mitarbeiterebene findet die Balanced Scorecard bisher eine geringe Verwendung. Das zeigt auch eine Umfrage von Horváth & Partners.35 Auf die Frage, auf welchen Ebenen Balanced Scorecards im Unternehmen erarbeitet wurden, gaben die Teilnehmer der Befragung die in Abb. 2.47 ausgewerteten Antworten. Gesamtunternehmen/ Konzern
18
82
Geschäftsbereiche/ Beteiligungen
40
60
Funktionalbereiche
59
41
Teams/Abteilungen
72
28
Regionen/ Landesgesellschaften
85
15
Geschäftsprozesse
7
93
Mitarbeiterebene
7
93
[Angaben in %]
ja
nein
Abb. 2.47: Durchdringungsgrad von Balanced Scorecards im Unternehmen Um die Balanced Scorecard nachhaltig im Unternehmen zu verankern, muss sie mit den bestehenden Managementsystemen verknüpft werden. Dazu sind die Ergebnisse in die Planung, das Reporting und in das Zielvereinbarungs- und Entlohnungssystem zu integrieren.36
35 36
Horváth & Partners (Hrsg.), Balanced Scorecard Studie 2008, Ergebnisbericht. Stuttgart 2008. Horváth & Partners (Hrsg.), Balanced Scorecard umsetzen. 4. Aufl., Stuttgart 2007, S. 275 ff.
2.1 Strategische Planung
2.1.3.8
81
Tipps zur Einführung einer Balanced Scorecard
Balanced Scorecard-Vorhaben scheitern oft aus folgenden Gründen: Die strategischen Ziele der Scorecard werden als zu trivial empfunden. Das „Gesamtwerk“ wird nicht gesehen. Nachdem man sich mit Mühe auf die Formulierung der strategischen Ziele geeinigt hat, ist die Kraft für die Festlegung von Zielwerten und Maßnahmen verpufft. Die Balanced Scorecard stellt zwar die richtigen Fragen, doch sie liefert keine Antworten. Dazu sind analytische Strategieinstrumente und Marktforschungen nötig. Die Beziehung der Balanced Scorecard zu den etablierten Systemen (Budgetierung, Zielvereinbarung, Reporting usw.) ist nicht deutlich, der Zusatznutzen unklar. Der Aufwand zum Aufbau und zur Pflege der Scorecard ist höher als erwartet. Das Verständnis der Balanced Scorecard kann verbessert werden, wenn folgende Punkte beachtet werden: Die Balanced Scorecard sollte man nicht als Kontrollinstrument verstehen, sondern als Lern- und Kommunikationssystem. Das Management darf die Aktionen zur Erreichung erwünschter Zielvorgaben nicht diktieren. Die Balanced Scorecard-Philosophie darf nicht nur für das Management gültig sein; der Einbezug der Mitarbeiter muss sichergestellt werden. Bei der Erstellung sollte man folgende Erfolgsfaktoren berücksichtigen: Am Anfang sind die Ziele für das Balanced Scorecard-Programm festzulegen. Die Balanced Scorecard muss von der Unternehmensspitze ausgehen. Sie ist ohne Mitwirkung der oberen Führungskräfte nicht realisierbar. Die Balanced Scorecard muss von einem interdisziplinären Managementteam entwickelt werden, nicht nur von einzelnen Personen (z. B. dem Controller). Eine professionelle Moderation beim Aufbau und Nutzen der Balanced Scorecard ist zu gewährleisten. Die Balanced Scorecard muss als dynamischer, nicht als statischer Prozess verstanden werden. Bei der Definition der Messgrößen sollten folgende Kriterien beachtet werden: Die Anzahl der Messgrößen ist zu begrenzen. Man darf nicht nur monetäre Messgrößen berücksichtigen. Die Verhaltenswirkungen einzelner Messgrößen sind stets zu hinterfragen. Die Balanced Scorecard sollte nicht zu schnell mit dem Incentivesystem verbunden werden.
82
2 Strategisches Controlling
Die zehn Leitsätze der Balanced Scorecard 1. Die Balanced Scorecard betrachtet das Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven, vorrangig Finanzen, Kunden, Prozesse, Potenziale. Sie enthält maximal 20 strategische Ziele. 2. Die Strategieumsetzung mit der Balanced Scorecard wird messbar und steuerbar durch die Verbindung finanzieller Steuerungsgrößen mit nicht finanziellen Steuerungsgrößen. 3. Die Balanced Scorecard ist viel eher ein Managementprozess als ein Controllingprozess. 4. Die Balanced Scorecard beschreibt die spezifische Strategie einer Geschäftseinheit. 5. Die Balanced Scorecard beinhaltet nur Ziele und Messgrößen, welche die strategischen Veränderungen vorantreiben. Sie beinhaltet keine diagnostischen Elemente. 6. Die Balanced Scorecard ist das Vehikel im vierstufigen strategischen Managementprozess: Übersetzen der Vision, Kommunizieren und Verbinden, Business Pläne aufstellen, Lernen und Anpassen. 7. Die Balanced Scorecard hilft, Strategien in Aktionen umzusetzen. 8. Die Balanced Scorecards für das Gesamtunternehmen und für die einzelnen Geschäftseinheiten sind aufeinander abgestimmt. 9. Der Prozess der Erstellung einer Balanced Scorecard ist ebenso wichtig wie die Resultate, da er zu Klärung der Strategie beiträgt und die wichtigen Themen des Unternehmens strukturiert diskutiert werden. 10. Die Einbindung der Balanced Scorecard in das bestehende Managementsystem ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie. 2.1.3.9
Ausgewählte empirische Ergebnisse
Eine Studie der Unternehmensberatung Horváth & Partners brachte folgende Erkenntnisse:37
37
Anwender der Balanced Scorecard sind überdurchschnittlich erfolgreich. Die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses der Strategie steht im Vordergrund (vgl. Abb. 2.27). Die Balanced Scorecard wirkt positiv auf Kennzahlen unterschiedlichster Perspektiven. Bemerkenswert ist vor allem die Wirkung auf die Kosten. Die Balanced Scorecard beeinflusst die Qualität von Management-Meetings positiv.
Horváth & Partners (Hrsg.) Balanced Scorecard Studie 2008, Ergebnisbericht. Stuttgart 2008.
2.2 Strategische Kontrolle
2.2
83
Strategische Kontrolle
Controller unterstützen zunehmend die strategische Planung. Auch die strategische Kontrolle gehört in Teilen zu ihrer Aufgabe. Steinmann/Schreyögg unterscheiden drei unterschiedliche Arten strategischer Kontrolle:38 Prämissenkontrolle Durchführungskontrolle Strategische Überwachung Die Prämissenkontrolle greift kurz nach der Strategieformulierung zum Zeitpunkt t1 (vgl. Abb. 2.48). Sie untersucht die für eine Strategie zugrunde gelegten Annahmen. Besonders Prämissen, die sehr unsicher sind oder bei denen Fehler zu weitreichenden Konsequenzen führen würden, müssen kontrolliert werden. Strategische Überwachung
Durchführungskontrolle
Prämissenkontrolle t0
t1 Strategieformulierung
t2 Strategieimplementierung
Abb. 2.48: Arten der strategischen Kontrolle Das Computerunternehmen IBM setzte beispielsweise in den 70er und 80er Jahren die strategische Prämisse, dass sich im kommerziellen Anwendungsbereich der Großrechner gegenüber dem PC behaupten würde. Heute ist bekannt, dass dies eine schwerwiegende Fehleinschätzung war, die durch eine sorgfältige Prämissenkontrolle vor der Realisierung dieser Strategie hätte korrigiert werden müssen.
38
Steinmann, H., Schreyögg, G., Management. Grundlagen der Unternehmensführung. 3. Aufl., Wiesbaden 1993, S. 221 ff.
84
2 Strategisches Controlling
Die Durchführungskontrolle setzt mit der Umsetzung der Strategie zum Zeitpunkt t2 laut Abb. 2.48 ein. Besonders wichtige strategische Projekte müssen kontinuierlich überwacht werden. Dafür definiert man messbare Zwischenziele (Meilensteine), deren Ist-Ergebnisse mit der ursprünglichen Zielsetzung verglichen werden.39 Bei signifikanten Abweichungen sind Gegenmaßnahmen einzuleiten. Grundlage ist ein Berichtswesen, in dem der Controller die relevanten Daten aufbereitet. Die Durchführungskontrolle dürfte für den Controller die wichtigste strategische Kontrollaufgabe sein. Schließlich kann er hier seine Kenntnisse aus dem operativen Soll-IstVergleich anwenden.40 Es gibt Fehlentwicklungen, die weder von der Prämissen- noch von der Durchführungskontrolle erfasst werden. In diesem Fall greift die strategische Überwachung. Sie ergänzt die beiden erstgenannten Kontrollen und ist nur eingeschränkt planbar, da sie auch nicht bekannte Risiken erkennen soll. Von der strategischen Überwachung sind Frühwarnsysteme abzugrenzen. Ihnen liegen definierte Beobachtungsfelder zugrunde, während die strategische Überwachung ungerichtet, vergleichbar einem Radar, arbeitet. Die strategische Kontrolle ist besonders schwierig. Wesentliche Probleme sind:41 Strategische Ziele können oft nur unzureichend überprüft werden, weil sie qualitativer Natur und damit schlecht messbar sind. Die strategische Planung ist Aufgabe der Unternehmensführung. Eine Kontrolle auf dieser Ebene ist naturgemäß heikel. Man würde ja u. U. die Kompetenz des Managements infrage stellen. Strategische Planung ist langfristig angelegt. Planung und Kontrolle sind deshalb zwangsläufig großen Unsicherheiten unterworfen. Dies gilt vor allem für die Prämissenkontrolle und die strategische Überwachung.
39 40 41
Das Controlling von Projekten wird ausführlich beschrieben bei Fiedler, R., Controlling von Projekten. 5. Aufl. Wiesbaden 2010. Weber, J., Schäffer, U., Einführung in das Controlling. 12. Aufl. Stuttgart 2008, S. 379. Serfling, K., Controlling. 2. Aufl., Stuttgart, Berlin, Köln 1992, S. 342.
2.3 Lernerfolg
2.3
85
Lernerfolg
2.3.1 Fallbeispiel: strategische Planung für die Flitzer AG mit der Balanced Scorecard 1. Beschreibung der Ausgangslage Die ausgewählten strategischen Schwerpunkte der Flitzer AG sind:
Produktion nach Osteuropa verlagern Neue Vertriebswege erschließen Qualität und Innovationsfähigkeit steigern Kostengünstiger produzieren Ein Billigfahrrad auf den Markt bringen Innovative Marketingkampagnen schalten Mitarbeiter stärker auf das Unternehmen einschwören
Das Controlling wird vom Vorstand der Flitzer AG beauftragt, bei der Erstellung einer Scorecard mitzuwirken. Diese soll der Flitzer AG ermöglichen, ihre Handlungen so auszurichten, dass eine bestmögliche Zielerreichung möglich ist. Der Vorstand geht davon aus, dass die vorhandenen strategischen Grundlagen ausreichen müssen, um eine Balanced Scorecard aufbauen zu können. Das Controlling ist anderer Meinung und überzeugt die Geschäftsleitung, dass die Einsicht der strategischen Unterlagen und persönliche Interviews mit dem Vorstand zur Erstellung der Balanced Scorecard notwendig sind. Zudem wurde ein eigener Workshop-Termin zur strategischen Klärung vereinbart. Die wesentlichen Erkenntnisse werden im Folgenden dargestellt:
Wettbewerbsumfeld der Flitzer AG Wettbewerbsintensität Das Fahrrad besitzt in Deutschland einen hohen Stellenwert. Dies ist vor allem auf die hohen Benzinpreise und das steigende Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein zurückzuführen. Trotzdem stagniert die Umsatzentwicklung im deutschen Fahrradmarkt. Durch die zunehmende Internationalisierung hat der Wettbewerb in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Bedingt durch die steigende Anzahl ausländischer Importe bei gleichzeitig steigender Qualität sieht sich die Flitzer AG vor allem im Mountainbike- und Rennradsektor einem enormen Preiskampf ausgesetzt. Die Marge der ausländischen Produzenten ist bis um den Faktor 20 höher als die der Flitzer AG. Gleiches gilt für den Markt für Motorroller.
86
2 Strategisches Controlling
Substitutionsprodukte Das Fahrrad wird immer öfter durch das E-Bike mit Elektromotor ersetzt. Vor allem längere Strecken sind auf diese Weise weitaus schneller und komfortabler zu bewältigen. Die Flitzer AG hat die Chance, von der steigenden Nachfrage nach E-Bikes zu profitieren, bisher jedoch verpasst. Der Motorroller als eine weitere Alternative zum Fahrrad wird von der Flitzer AG produziert. Die Flitzer AG verfügt demnach bereits über technisches Know-how im Bereich der motorenbetriebenen Fahrzeuge, welches bei einer Erschließung des E-Bike-Sektors von Vorteil sein kann. Gefahr durch neue Wettbewerber Die Markteintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber im Fahrzeuggeschäft sind aufgrund des Kostendrucks enorm hoch. Die Produktionsstätten der Flitzer AG befinden sich in Deutschland und Frankreich. Die größten europäischen Konkurrenten haben ihre Produktion teilweise nach Asien verlagert, auch kleinere Hersteller folgten diesem Trend. Dadurch sind diese Unternehmen in der Lage, zu deutlich geringeren Stückkosten als die Flitzer AG zu produzieren. Zulieferer Zulieferer für Standardkomponenten sind unkritisch, da eine Vielzahl von Lieferanten die nötigen Leistungen anbieten. Eine Ausnahme stellt der Markt für Spezialkomponenten dar. Hier ist der Markt qualitativ hochwertiger Zulieferer eng. Kunden Der deutsche Kunde ist äußerst anspruchsvoll und verlangt ein großes Angebot, guten Service und kleine Preise. Markenbindung und Preis nehmen sowohl auf dem Fahrradmarkt als auch auf dem Markt für Motorroller stetig ab. Der Durchschnittspreis für ein Fahrrad liegt in Deutschland nur noch bei ca. 500 Euro. Das Kundensegment, das teure, hochklassige Fortbewegungsmittel sucht, findet diese immer öfter bei den Autoherstellern.
Die Sicht des Kunden Kundenbindung/After-Sales-Service Aktive Betreuung der wichtigsten Kunden einschließlich regelmäßiger Kundenkontakte ist eine wichtige Informationsquelle und bietet gleichzeitig Möglichkeiten zur Demonstration der eigenen Leistungsfähigkeit/-bereitschaft. Auch das Image als kundenorientierter Dienstleister verbessert sich, wenn sich der Hersteller nach der Inbetriebnahme weiter als kompetenter Berater präsentiert. Hier hat die Flitzer AG noch Aufholbedarf, da es in der Vergangenheit eine „sell it and leave it“-Mentalität gab.
2.3 Lernerfolg
87
Analyse der Wertschöpfungskette Im Rahmen der strategischen Klärung wurden nicht nur Chancen und Risiken am Markt hinterfragt, sondern auch einzelne Aspekte der Wertschöpfungskette diskutiert. Folgende Ergebnisse verdienen besondere Aufmerksamkeit: Entwicklung Die Flitzer-Entwickler bezeichnen sich als sehr kompetent. Mit Sorge wird allerdings gesehen, dass immer mehr „alte Hasen“ das Unternehmen verlassen und man hochklassigen Nachwuchs eher aus anderen Branchen und von anderen Unternehmen rekrutieren muss. Auch im Zusammenhang mit dem strategischen Ziel, die Qualität und Innovationsfähigkeit der Flitzer AG weiter zu steigern, ist die Kompetenz der Entwickler von hoher Bedeutung. Ein wichtiges Ziel, so der Entwicklungsleiter, bleibe die Verkürzung der Produktentwicklungszyklen („Time to Market“) für neue Produkte, da es sich angesichts der hohen Marktdynamik kein Anbieter leisten kann, auf neue Produkte der Konkurrenten nicht innerhalb der Jahresfrist zu reagieren. Beschaffung In der Beschaffung kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten, vor allem bei wesentlichen, qualitativ und zeitlich kritischen Komponenten. Es bestehen noch keine adäquaten, aber als dringend notwendig erachtete Partnerschaften und langfristigen Bindungen mit Subunternehmern. Weniger kritische Teile (sogenannte C-Teile), so fand das Projektteam heraus, werden sehr oft zu teuer eingekauft. Fertigung Vergleichende Analysen, sowohl intern als auch unter Einbezug externer Studien, haben erhebliche Einsparpotenziale aufgezeigt, die durch konsequente Standardisierung, Modularisierung und Entfeinerung in beinahe allen Produktgruppen realisiert werden könnten. Überlegungen stärkerer Standardisierung sind zwar nicht neu, doch musste das Management eingestehen, dass die Umsetzung bisher alles andere als befriedigend war. Vertrieb/Service Die Flitzer AG vertreibt ihre Produkte hauptsächlich in Deutschland und fast ausschließlich über den Einzelfachhandel. Nur ein kleiner Teil der Produkte wird zusätzlich über das Internet verkauft. Vor allem für den Vertrieb eines Billigfahrrads ist die Erschließung neuer Vertriebswege wichtig. Es würde sich beispielsweise der Vertrieb über Baumärkte oder Warenhäuser anbieten.
88
2 Strategisches Controlling
Analyse der Stimmung und Fähigkeiten der Mitarbeiter Im Rahmen der strategischen Klärung wurde der Stimmung der Mitarbeiter besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die mit der Umstrukturierung befürchteten Identifikationsprobleme der Mitarbeiter erwiesen sich als größtenteils unbegründet. Auch Schwierigkeiten der Integration von Mitarbeitern hielten sich im Rahmen. Aus Sicht der Mitarbeiter wird aber immer wieder ein Defizit an Feedback über die eigene Leistung moniert. Auch die infolge der Verschärfung des Wettbewerbs an vielen Arbeitsplätzen bestehende Überlastung trägt unterschwellig zu schwindender Motivation bei. Das Management war sich aber einig, dass gerade das übergreifende Engagement und die Flexibilität der Mitarbeiter einen erfolgskritischen Faktor ausmachen, um unter den vorhandenen komplexen und dynamischen Bedingungen langfristig erfolgreich zu sein. Analyse der strategischen Stoßrichtung Die Geschäftsführung der Flitzer AG hat folgende Strategie vereinbart (vgl. Abb. 2.49): Hochklassig, innovativ
Kategorie I Hochpreissegment
Produktimage
Me too
Ausgangssituation des Unternehmens Ziel der strategischen Neuausrichtung
Kategorie II Niedrigpreissegment Geringe Kaufkraft
Kundensegment
Hohe Kaufkraft
Abb. 2.49: Strategische Neupositionierung der Flitzer AG Ertragsführerschaft Wir streben ein überdurchschnittliches Wachstum an. Dies soll durch unsere strategische Neupositionierung erreicht werden. Das heißt zum einen, Ansprache
2.3 Lernerfolg
89
von Segmenten mit einer hohen Marge durch innovative, zuverlässige und qualitativ hochwertige Produkte, zum anderen aber auch Eroberung des Niedrigpreissegments durch die Einführung eines Billigfahrrads. Außerdem ist eine konsequente Internationalisierung nach Westeuropa und in die USA geplant. Eine Ertragsführerschaft erfordert aber auch Kostensenkungen. Kostensenkungen nach der Rasenmähermethode sind jedoch zu vermeiden. Zur Steigerung der Bekanntheit will der Vorstand vermehrt Kampagnen in auflagestarken Fachzeitungen schalten. 2012 wird sich die Flitzer AG als Sponsor eines großen Radrennens präsentieren. Innovationsführerschaft Die Flitzer AG strebt die Innovationsführerschaft an. Innovationen sind dabei aus den Augen der Kunden zu sehen: Eine Neuerung, die der Kunde nicht kauft, gehört nicht zu den Innovationen, die man anstrebt. Der Vorstand will vor allem Innovationen im E-Bike-Bereich in Angriff nehmen. Qualitätsführerschaft Die Flitzer AG will, dass der Kunde zurückkommt, nicht das Produkt. Mitarbeiterzufriedenheit und Qualifikation erscheinen wichtig, um die Ertrags-, Innovations- und Qualitätsziele durch Commitment, Kreativität und Flexibilität kurzfristig, aber auch in Zukunft zu erreichen. Die Flitzer AG will Anerkennung als Top-Arbeitgeber. 2. Aufgabenstellung Der Controller soll bei der Erstellung einer Balanced Scorecard (Strategy Map, strategische Ziele, Messgrößen und Maßnahmen) als Moderator und Informationslieferant mitwirken. Diese soll der Flitzer AG ermöglichen, ihre Handlungen so auszurichten, dass eine optimale Zielerreichung möglich wird. Der Controller überlegt sich zunächst, wie er vorgehen möchte, und schreibt die Schritte für die Umsetzung auf. Er benutzt zur Darstellung Metaplantafeln mit braunem Papier. Für die strategischen Ziele, Messgrößen usw. verwendet er Karten, sodass alle Teammitglieder an der Diskussion teilnehmen und Änderungen einfach vorgenommen werden können.
90
2 Strategisches Controlling
3. Lösung
Langfristige Ertragsführerschaft in der Branche sichern Überdurchschnittliches Wachstum im Vergleich mit der Branche erreichen
Wettbewerbsfähige Kostenstruktur schaffen
Kundenbindung erhöhen
Sicherung der Produktqualität (Funktionssicherheit)
Potenziale
Prozesse
Kunden
Finanzen
Die erarbeiteten Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Perspektiven der Balanced Scorecard sind im Folgenden aufgeführt (vgl. Abb. 2.50 bis Abb. 2.54).
Image als Innovationsführer aufbauen
Hochpreissegment erobern
Internationales Wachstum in Asien und Nordamerika vorantreiben
Niedrigpreissegment ausbauen
After Sales Service aufbauen
Innovationen kundenorientiert vorantreiben (segmentspezifisch)
Akquistionen über eigene Vertriebswege verstärken
Qualitätsbewusstsein jedes Mitarbeiters stärken
Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen
Entwicklungskompetenz erhalten und ausbauen
Globale Supply Chain etablieren
Abb. 2.50: Strategy Map der Flitzer AG
Strategisches Ziel Langfristige Ertragsbindung sichern Wettbewerbsfähige Kostenstruktur schaffen
Überdurchschnittliches Wachstum neuer Sektoren innerhalb der Branche erreichen
Finanzperspektive Messgrößen Economic Value Added EBIT DYMAX (Dynamic Total Manufacturing Cost Index) Qualitätskosten Overheadkosten in Prozent Umsatz Umsatzwachstum/Branchenwachstum Umsatzwachstum einzelner Sektoren/Branchenwachstum
Maßnahmen Ergebnis der anderen Perspektiven Ergebnis der anderen Perspektiven
Ergebnis der anderen Perspektiven
Abb. 2.51: Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Finanzperspektive
2.3 Lernerfolg
Strategisches Ziel Kundenbindung erhöhen
91
Kundenperspektive Messgrößen Anzahl Wiederholungsaufträge (Neuauftrag, Reparatur, Ersatzteile) Index aus Kundenbefragung Bewertungsmatrix Händler Marktanteil Hochpreissegment
Image als Qualitäts- und Innovationsführer ausbauen
Hochpreissegment ausbauen
Niedrigpreissegment erobern
Marktanteil Niedrigpreissegment
Internationales Wachstum in Westeuropa und der USA vorantreiben
Umsatzanteil in Westeuropa Internationales Wachstum in Nordamerika
Maßnahmen Erarbeitung Kundenbindungsprogramm, Einführung eines CRM-Systems Einrichten eines systematischen Scoutingprozesses
Einrichten eines Designstudios, Aufbau Kooperation mit Autohersteller, Kampagnen in Fachzeitungen Aufbau von Vertriebspartnerschaften mit Baumärkten, Warenhäusern und dem Versandhandel Task Force „Westeuropa“, Marktstudie Nordamerika
Abb. 2.52: Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Kundenperspektive Strategisches Ziel Produktqualität (Funktionssicherheit) verbessern After-Sales Service aufbauen
Prozessperspektive Messgrößen Anzahl Störfälle (Service-Center) Fehlerrate ppm Index aus Kundenbefragung Bewertungsindex Händler Umsatzanteil mit neuen Produkten (< 2 Jahre) Erfolgsquote
Innovationen kundenorientiert vorantreiben
Akquisitionen über neue Vertriebswege verstärken
Anzahl direkt betreuter Kunden Anzahl Neukunden über Direktvertrieb Wertschöpfung in Prozent außerhalb EU
Global Supply Chain etablieren
Maßnahmen Ausbau der Lieferantenbewertung, Einführung Modulbauweise Definition von After-Sales Service-Angeboten
Kundenbedarfsanalyse Nordamerika, Westeuropa, Marktanalyse Nordamerika, Westeuropa Ausbau Vertriebsnetz, Erschließung neuer Vertriebswege Aufbau Fertigungsstandort Asien, Aufbau asiatischer Zulieferstruktur
Abb. 2.53: Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Prozessperspektive
92
Strategisches Ziel Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter stärken Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen
2 Strategisches Controlling
Entwicklungskompetenz ausbauen
Potenzialperspektive Messgrößen Index aus Mitarbeiterbefragung Anzahl Black Belts Index aus Mitarbeiterbefragung Krankenstand
Assessmentwerte (durch F&E, Vertrieb, Produktion, Management)
Maßnahmen Einführung Six Sigma, Erweiterung der Zielvereinbarungen um Qualitätsaspekte Einführung Mitarbeiterbefragung, Einrichten „Nachwuchsprogramm“ Recruitingoffensive „TopTalente“, Einrichten Hochschulprogramm
Abb. 2.54: Ziele, Messgrößen und Maßnahmen für die Potenzialperspektive 2.3.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 2 1. Beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Strategie, Vision und Leitbild eines Unternehmens! 2. Grenzen Sie strategische und operative Planung ab! 3. In welche Phasen gliedert sich die strategische Planung? 4. Beschreiben Sie drei Instrumente der strategischen Planung! 5. Welche Reihenfolge zur Erstellung einer Balanced Scorecard hat sich in der Praxis bewährt? 6. Warum ist es sinnvoll, bei der Strategieentwicklung und -umsetzung in Perspektiven zu denken? 7. Was sollte bei der Auswahl der Messgrößen beachtet werden? 8. Welche Arten der strategischen Kontrolle können unterschieden werden?
2.3 Lernerfolg
93
2.3.3 Lösungen zu Kapitel 2 1. Die Mission enthält den Unternehmenszweck und den übergeordneten Auftrag eines Unternehmens. Das Leitbild basiert auf der Mission und beschreibt, wie sich das Unternehmen verhalten möchte. Es werden die Stellung des Unternehmens in der Gesellschaft, Führungsgrundsätze und Regeln des Geschäftsverkehrs formuliert. Die Vision gibt die grundsätzliche Richtung eines Unternehmens an (Wohin wollen wir?). 2. Die strategische Planung beschreibt den Weg, um die langfristigen Unternehmensziele der Vision zu erreichen. Im Rahmen der strategischen Planung wird nur relativ grob geplant. Diese Vorgaben müssen durch die operative Planung konkretisiert werden. Bei der strategischen Planung sucht man eine Antwort auf die Frage „How to do the right things?“ (= Effektivität), im kurz- und mittelfristigen Bereich ist dagegen die Frage „How to do the things right“ (= Effizienz) zu beantworten. Während die operative Planung zum großen Teil auf der Grundlage monetärer Größen wie Kosten und Erlöse stattfindet, muss die strategische Planung auch auf verbale, häufig nicht quantifizierbare Beschreibungen zurückgreifen. 3. Die Umweltanalyse führt zu Chancen und Risiken, die interne Unternehmensanalyse legt Stärken und Schwächen offen. Durch die Gegenüberstellung von Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen können alternative Strategien entwickelt werden. Diese bewertet man, um geeignete Strategien zu erkennen und auszuwählen. 4. Mit der Lückenanalyse sollen Abweichungen zwischen der erwünschten und der prognostizierten Unternehmensentwicklung aufgedeckt werden. Zunächst versucht man, eine vorhandene Lücke mit operativen Maßnahmen zu schließen. Kann trotz der zusätzlich geplanten Projekte die Lücke nicht geschlossen werden, sind strategische Maßnahmen anzusetzen. Mit der Portfoliomethode werden die Geschäfte eines Unternehmens übersichtlich dargestellt. Eine Dimension ist in der Regel mit einem Einflussfaktor der externen Unternehmensumwelt besetzt. Die andere Dimension beschreibt einen vom Unternehmen beeinflussbaren internen Faktor. Im Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio wird das Marktwachstum auf der Ordinate abgetragen, die Abszisse stellt den relativen Marktanteil dar, der die Stärken und Schwächen einer Geschäftseinheit ausdrücken soll.
94
2 Strategisches Controlling
Der Lebenszyklus eines Produktes durchläuft idealtypisch die Phasen Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung. Die Lebenszyklusanalyse kann dazu beitragen, Strategien zu entwickeln, um neue Produkte einzuführen oder alte vom Markt zu nehmen. Im besonders für strategische Überlegungen geeigneten erweiterten Lebenszyklusmodell werden die vier Phasen des Marktzyklus um den Beobachtungs- und Entstehungszyklus ergänzt. 5. 1. Festlegung der Perspektiven, 2. Stoßrichtungen festlegen 3. Strategische Ziele ableiten, 4. Strategy Map aufbauen, 5. Messgrößen auswählen, 6. Zielwerte festlegen, 7. Strategische Aktionen bestimmen. 6. Die Zuordnung zu den Perspektiven soll ein einseitiges Denken bei der Ableitung und Verfolgung der Ziele verhindern. Perspektiven sind ein Denkraster, das gewährleistet, dass an alle wesentlichen Aspekte des Geschäfts in einem ausgewogenen Verhältnis gedacht wird. 7. Die Anzahl von Messgrößen sollte man begrenzen (möglichst nur eine Messgröße pro Ziel); auch nicht monetäre Messgrößen müssen aufgenommen werden; zudem sollten die Messgrößen beeinflussbar sein. 8. Man unterscheidet folgende Arten strategischer Kontrolle: Die Prämissenkontrolle untersucht die für eine Strategie zugrunde gelegten Annahmen. Die Durchführungskontrolle kontrolliert besonders wichtige strategische Projekte. Die strategische Überwachung ergänzt die beiden erstgenannten Kontrollen und soll Fehlentwicklungen, die weder von der Prämissen- noch von der Durchführungskontrolle erkannt werden, aufdecken.
3 Operatives Controlling
GRUNDLAGEN
STRATEGISCHES CONTROLLING
OPERATIVES CONTROLLING
INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER
MANAGEMENT REPORTING
IT-UNTERSTÜTZUNG
3.1 Operative Planung 3.2 Operative Kontrolle 3.3 Lernerfolg
96
3 Operatives Controlling
Lernziele:
Sie erhalten einen Überblick über die Vorgehensweise bei der operativen Planung und Kontrolle im Unternehmen.
Sie können den Ablauf der Planung nachvollziehen.
Sie kennen die verschiedenen Teilpläne.
Sie kennen die Gefahren der Vollkostenrechnung.
Sie wissen über die wesentlichen Aspekte der integrierten Kosten-, Erlös- und Erfolgsplanung Bescheid.
Ihnen wird bewusst, welche typischen Schwachstellen die traditionelle Budgetierung aufweist.
Sie erfahren, welche neueren Budgetierungsansätze in den letzten Jahren entwickelt wurden.
Sie kennen die Elemente, mit denen die neueren Ansätze der Budgetierung versuchen, die Schwachstellen der traditionellen abzumildern.
Sie werden in die Lage versetzt, die neuen Budgetierungsansätze hinsichtlich ihrer Praktikabilität zu bewerten.
Sie sind in der Lage, Planabweichungen bei Kosten und Deckungsbeiträgen zu ermitteln und zu analysieren.
3 Operatives Controlling
97
Basis des operativen Controllings sind die Programme und Maßnahmen der strategischen Planung (vgl. Abb. 3.1). Das operative Controlling beinhaltet die mittel- und kurzfristige Planung und Kontrolle. Die mittelfristige Planung, auch taktische Planung genannt, umfasst oft einen Zeitraum zwischen drei und fünf Jahren. Sie bildet die Brücke zwischen strategischer Planung und der auf ein Jahr begrenzten kurzfristigen Planung. Der wertmäßige Ausweis der kurzfristig geplanten Mengengrößen wird als Budgetierung bezeichnet. Sie beinhaltet die konkreten Erlös-, Kosten- und Ergebnispläne des Unternehmens.
Vision, Mission, Leitbild
Strategisches Controlling
Operatives Controlling
Abb. 3.1: Strategisches Controlling als Grundlage des operativen Controllings Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG hat im Rahmen der strategischen Planung beschlossen, das eigene Produktionsprogramm auszuweiten, und will deswegen ein innovatives Fahrrad mit Hilfsmotor für die Kunden über 60 Jahre entwickeln. Die operative Planung muss nun diese Vorgabe in kurzfristige Ziele umsetzen. Mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung wird vereinbart, dass in drei Jahren das neue Fahrrad zur Produktionsreife gebracht werden muss. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das Budget für die Forschung und Entwicklung um jährlich zehn Prozent erhöht. Damit ist die Einstellung von drei weiteren Entwicklungsingenieuren möglich. Außerdem wird das CAD-System auf den neuesten Stand gebracht.
98
3 Operatives Controlling
In den folgenden Abschnitten 3.1 und 3.2 werden Prozesse und Methoden für die operative Planung und Kontrolle behandelt (vgl. Abb. 3.2). Abschnitt 3.1 beinhaltet zunächst einen Überblick über den Planungsablauf und die wichtigsten Teilpläne. Danach konzentrieren sich die Abhandlungen auf die Budgetierung. Breiten Raum nimmt dabei die Kostenplanung ein, die vor allem in Großbetrieben sehr differenziert durchgeführt wird. Die Planung der Einzel-, Gemein- und Herstellkosten sowie der Erlöse und Betriebsergebnisse wird ausführlich beschrieben. Begleitend zur Realisierung der geplanten Maßnahmen erfolgt die operative Kontrolle. Deren Ergebnisse fließen in die strategische Kontrolle, die wiederum die strategische Planung beeinflusst (vgl. Abb. 3.2). In Abschnitt 3.2 wird insbesondere die Abweichungsermittlung und -analyse im Rahmen der Plankostenrechnung beschrieben.
Operative Planung und Kontrolle Strategische Programme, Maßnahmen
Operative Planung
Realisierung
Operative Kontrolle
Strategische Kontrolle
Feedback zur strategischen Planung
Abb. 3.2: Prozess der operativen Planung und Kontrolle (vgl. auch Abb. 2.3)
3.1 Operative Planung
3.1
99
Operative Planung
Die operative Planung hat drei wesentliche Aufgaben: Prognose: Konkreter Ausweis der Ergebnisse des Unternehmens für die nächsten ein bis drei Jahre Koordination: Abstimmung der Teilpläne Motivation: Unterstützung der Zielformulierungen für das Management und die Mitarbeiter Im Folgenden wird beschrieben, wie man bei der operativen Planung vorgeht und welche Instrumente dabei Anwendung finden können. 3.1.1 Prozess der operativen Planung Die operative Planung umfasst eine hierarchische, sachliche und zeitliche Dimension (vgl. Abb. 3.3).
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Vorstand
Abb. 3.3: Dimensionen der operativen Planung 3.1.1.1
Hierarchische Dimension
Um einen konsistenten Plan für alle Teile eines Unternehmens zu erarbeiten, existieren drei mögliche Vorgehensweisen. Bei einer Top-Down-Planung werden die
100
3 Operatives Controlling
Planvorgaben der Unternehmensleitung auf jeder Hierarchieebene in Detailvorgaben aufgespalten und durch vorgesetzte Stellen an untergeordnete weitergegeben. (vgl. Pfeil eins in Abb. 3.4).
Unternehmensleitung Leitung Profit Center
1
3
2
Bereichsleitung
Abteilungsleitung
Mitarbeiter
Gegenstromverfahren:
1. Rahmenziele vorgeben (Top-Down) 2. Selbstverpflichtungswerte (Bottom-Up) 3. Verbindliche Ziele vereinbaren
Abb. 3.4: Alternativen der Planung Auf jeder Ebene müssen die vereinbarten Ziele in Maßnahmen umgesetzt werden, die gleichzeitig wieder in Ziele für eine untergeordnete Ebene münden (vgl. Abb. 3.5). Dadurch werden die Ziele nach unten hin zunehmend konkreter. Die Geschäftsführung ist oft nicht mit den Möglichkeiten und Problemen der einzelnen Abteilungen vertraut. Eine reine Top-Down-Planung birgt deswegen die große Gefahr, dass Ziele unrealistisch gesetzt werden. Die zweite Möglichkeit der Planung ist die Bottom-Up-Planung (vgl. Pfeil zwei in Abb. 3.4). Dabei werden die realisierbaren Ziele auf den unteren Hierarchieebenen abgefragt und zu den Gesamtzielen aggregiert. Dieses Verfahren führt vielfach zu wenig anspruchsvollen Planvorgaben. Am besten erfolgt die Planung im Gegenstromverfahren (vgl. Pfeil eins bis drei in Abb. 3.4). Top-Down werden grobe Ziele aus der strategischen Planung vorgegeben.
3.1 Operative Planung
101
Auf allen Hierarchieebenen analysiert man die Machbarkeit und meldet die erreichbaren Ziele (Selbstverpflichtungswerte) an die vorgesetzte Stelle zurück. Stimmen die Top-Down- und Bottom-Up-Pläne nicht überein, ist ein Abstimmungsprozess erforderlich, der auch als Knetphase bezeichnet wird. Auf der Grundlage der abgestimmten Grobziele erfolgt die Detailplanung. Ziel des Profit Centers
Maßnahmen = Ziele der Bereichsleitungen Vertrieb und Fertigung
Gewinn um 10% steigern
Vertrieb • Steigerung des Absatzes: eine Mio. Stück/Jahr • Reduzierung des Zahlungsziels: maximal sechs Wochen Fertigung • Senkung der Herstellkosten/Stück: maximal 110 € • Senkung der Fixkosten: um 900.000 €
Abb. 3.5: Beispiel für die Umsetzung eines Ziels in Maßnahmen Beispiel Flitzer AG: Eine Bestandsaufnahme der operativen Planung der Flitzer AG ergab einige gravierende Schwachstellen. Je nach Unternehmensbereich wurde Top-Down oder Bottom-Up geplant, wobei die Bottom-Up-Planung überwog. Das führte oft zu Diskrepanzen zwischen den gewünschten Zielen des Vorstands und den Bottom-Up aggregierten Detailplänen. Die einzelnen Pläne der Produktbereiche waren auch nicht zeitlich abgestimmt. Die Erstellung des Gesamtplans dauerte mit elf Monaten zu lange und war sehr aufwendig. Aufgrund der geschilderten Probleme entschloss man sich, ausschließlich nach dem Gegenstromverfahren zu planen (vgl. Abb. 3.6).
102
3 Operatives Controlling
Unternehmensebene
Ziele
Unternehmensbereichsebene
Ziele
Produktgruppenebene
Feedback
Ziele
Produktebene
Feedback
Ziele Apr
Konsolidierung
Feedback
Mai
Vorplanung Jun
Jul
Konsolidierung
Konsolidierung
Detailplanung Aug
Sep
Okt
Nov
Abb. 3.6: Operative Planung der Flitzer AG Jetzt werden von der Geschäftsführung nur wenige Eckdaten wie Umsatz oder Gewinn Top-Down vorgegeben. Diese Vorgaben prüft man im Rahmen einer Vorplanung auf Realisierbarkeit. Die Erkenntnisse der Vorplanung werden als Feedback Bottom-Up weitergegeben. Die mit dem Management vereinbarten Eckdaten bilden anschließend die Grundlage für eine detaillierte Feinplanung, die im letzten Schritt über alle Hierarchieebenen konsolidiert wird. Durch den neuen Prozess konnte die Planungsdauer auf unter acht Monate reduziert werden. Auch der Planungsaufwand verringerte sich. Praxisbeispiel: Der Werkzeugmaschinenhersteller TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG leitet aus den strategischen Zielen die Ziele der Gruppen, Geschäftsbereiche, Tochtergesellschaften, Hauptabteilungen und Abteilungen ab.42 Dabei wird auf jeder Hierarchieebene geprüft, ob die Ziele auch erreicht werden können. Für jedes Ziel werden die Maßnahmen, die Kennzahlen zur Messung und der gewünschte Kennzahlenwert vorgegeben.
42
Siegmund, K., Kennzahlen zur Steuerung eines mittelständischen Werkzeugmaschinenherstellers, Vortrag auf dem Praxis-Forum Controlling am 25. April 2008 in Würzburg, S. 28.
3.1 Operative Planung
103 Zielerreichung überprüfen
Ziele vereinbaren
Abteilung Hauptabteilung Maßnahmen / Zielerreichungsindikator Zielwert / Ziel Aktionen / Projekte (Kennzahl) Einheit Tochtergesellschaften Maßnahmen / Zielerreichungsindikator Zielwert / Ziel Aktionen / Projekte (Kennzahl) Einheit Geschäftsbereiche Maßnahmen / Zielerreichungsindikator Zielwert / Ziel Aktionen / Projekte (Kennzahl) Einheit Gruppe Maßnahmen / Zielerreichungsindikator Zielwert / Ziel
Gesellschaft
Gewinn
Eigentümer
Ziel
Wachstum
Aktionen / Projekte (Kennzahl) Maßnahmen / Zielerreichungsindikator Aktionen / Projekte (Kennzahl)
Einheit Zielwert / Einheit
Mitarbeiter
Innovation
Kunde
Kultur
Qualität
Abb. 3.7: Zielvereinbarungsprozess der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG
3.1.1.2
Sachliche Dimension
Die gleichzeitige Planung aller betrieblichen Bereiche im Sinne einer Simultanplanung wäre wohl aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit wünschenswert, sie ist jedoch wegen der nicht beherrschbaren Komplexität des dann notwendigen Planungsmodells in der Praxis keinesfalls realisierbar. Deswegen erfolgt die Planung sukzessive für einzelne Teilgebiete (Sukzessivplanung). Die so entstehenden Teilpläne werden zu einem Gesamtplan zusammengefasst. Die wichtigsten Teilpläne und deren Zusammenwirken werden im Folgenden für ein Industrieunternehmen dargestellt (vgl. auch Abb. 3.8).
104
3 Operatives Controlling
Erfolgsplan/Plan-G+V
Planbilanz Passiva
Anlagevermögen Umlaufvermögen
Eigenkapital Fremdkapital
Produktprogrammplanung
Aktiva
Erlöse - variable Kosten = Deckungsbeitrag - fixe Kosten = Betriebsergebnis
Kostenträgerplanung Herstellkosten + Verw.-Gemeinkosten + Vertr.-Gemeinkosten + Sondereinzelkosten = Selbstkosten
Kosten- und Leistungsrechnung Finanzplan
Zuschlags-/Verrechnungssätze
Betriebsergebnis + Austauschergebnis bilanziell/kalkulatorisch + Abgrenzungsergebnis + neutrales Ergebnis = Unternehmensergebnis - Steuern = Jahresüberschuss
Ergebnisplan
Kostenstellenplanung
Einzahlungen - Auszahlungen
Kostenarten
var.
fix
= Finanzbedarf/ -überschuss
Operativer Plan (Mengengerüst)
Forschungs- und Entwicklungsplanung Absatz- und Umsatzplanung
Investitionsplanung
Produktionsplanung
Personalplanung
Beschaffungsplanung
Abb. 3.8: Überblick über die operativen Teilpläne43 Produktprogrammplanung Die strategische Planung gibt ein zu realisierendes Produkt-Markt-Konzept vor, aus dem das Produktprogramm abgeleitet wird. Es ist Ausgangsbasis für die Festlegung der anderen originären Pläne. Absatz- und Umsatzplanung Auf der Grundlage des festgelegten Produktionsprogramms erfolgt die Absatzplanung. Da der Absatz häufig den wesentlichen Engpass im Unternehmen darstellt, kommt ihr auch eine dominante Rolle zu. Insbesondere sind Absatzmenge und Preis 43
Erstellt in Anlehnung an Hahn, D., Hungenberg, H., PuK, Wertorientierte Controllingkonzepte. 6. Aufl., Wiesbaden 2001.
3.1 Operative Planung
105
festzulegen. Beide Größen sind voneinander abhängig und können nicht isoliert geplant werden. Um den Absatz vorherzusagen, stützt man sich in der Praxis auf Erfahrungswerte, Absatzzahlen der vergangenen Jahre, Prognosen oder Befragungen von Experten. Die Absatzplanung umfasst darüber hinaus auch die Bestimmung der anderen Instrumente des Marketing-Mix, wie z. B. der Konditionen, des Service, der Werbepolitik oder der Absatzkanäle. Durch die Bewertung der Absatzmenge mit dem Preis erhält man den Umsatz. Die Umsatzplanung kann durch verschiedene Instrumente, wie Break-Even-Analysen (vgl. Kap. 4.1.5), Iso-Deckungsbeitragskurven (vgl. Kap. 4.1.4) und die Berechnung relativer Deckungsbeiträge (vgl. Kap. 4.1.4.4), unterstützt werden. Produktionsplanung Ausgehend von den Mengen im Absatzplan muss unter Berücksichtigung der gewünschten Vorräteentwicklung der Produktionsplan aufgestellt werden. Zu bestimmen sind u. a. die Produktionsverfahren, der Fertigungsablauf und die optimalen Losgrößen. Weiterhin sind die für die Produktion notwendigen Kapazitäten zu ermitteln. Beschaffungsplanung Auf der Basis der Mengen im Absatzplan müssen unter Berücksichtigung der Zielbestände die Einkaufsvolumina für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe geplant werden. Eine weitere wesentliche Aufgabe ist die Ermittlung der voraussichtlichen Beschaffungspreise und -konditionen. In der Praxis spielt die Festlegung der optimalen Bestellmengen eine wichtige Rolle. Einerseits möchte man geringe Kapitalbindungskosten und damit verbunden niedrige Lagerbestände. Andererseits kann man durch höhere Bestellmengen günstigere Konditionen erzielen und die Beschaffungskosten reduzieren. Auch die permanente Lieferfähigkeit ist durch höhere Lagerbestände eher zu gewährleisten. Forschungs- und Entwicklungsplanung Die strategische Planung gibt Impulse für die Weiter- und Neuentwicklung von Produkten (Entwicklungsprojektplanung). Personalplanung Nachdem auch der Entwicklungs- und der Produktionsplan bekannt sind, kann daraus das erforderliche Personal abgeleitet werden. Der Personalplan enthält Daten über die Veränderung des Personalbedarfs, Maßnahmen zur Sicherung und Betreuung des Personalbestands sowie die Planung der Aus- und Weiterbildung. Investitionsplanung Aufgrund der geplanten Produktion und der damit bekannten Kapazitätsbedarfe können die erforderlichen Investitionen bestimmt werden.
106
3 Operatives Controlling
Beispiel Flitzer AG: Die vom geplanten Absatz abgeleiteten Stückzahlen werden mit Preisen und vorläufigen Kosten bewertet. Anhand dieser Informationen werden auch Produktionsmengen für die einzelnen Werke geplant und Umsatzentwicklungen (z. B. nach Erzeugnissen, Kunden, Ländern) dargestellt. Der Abgleich dieser Mengen mit den vorhandenen Kapazitäten, Lagerbeständen und Personalressourcen wird durch die Produktionswerke vorgenommen. Sie melden die Ergebnisse ihrer Planung an den Geschäftsbereich zurück. Dort erfolgen eine automatisierte Konsolidierung der Werkpläne und die sukzessive Zusammenfassung der Planungsergebnisse in Absatz-, Umsatz-, Personal-, Investitions- und weiteren Plänen. Die verschiedenen ergebnisbeeinflussenden Vorgänge fließen in den internen Kosten- und Ergebnisplan. Der Controller muss den Prozess der mengenmäßigen Planung koordinieren, also die Plandaten der verschiedenen Unternehmensbereiche abfragen und auf Konsistenz und Korrektheit prüfen. Damit schafft er sich die Grundlage für die nachfolgende integrierte Kosten- und Erfolgsplanung (vgl. den oberen Teil der Abb. 3.8). Sie umfasst neben der internen Sicht der Kosten und Ergebnisse auch den externen Erfolg laut Gewinn- und Verlustrechnung und die Planbilanz sowie den Finanzplan. Interner Kosten- und Ergebnisplan Zu planen sind zum einen die Material- und Fertigungslohneinzelkosten. Zum anderen müssen die Gemeinkosten differenziert nach Kostenarten und Kostenstellen ermittelt werden. Die Einzelkosten sowie die Zuschlags- und Verrechnungssätze für die Gemeinkosten bilden die Grundlage der Plankalkulation. Durch Zusammenfassung aller geplanten Kosten erhält man das gesamte Kostenbudget. Aus der Gegenüberstellung der geplanten Kosten mit den geplanten Erlösen resultiert der Ergebnisplan mit dem kalkulatorischen Betriebsergebnis. Die Vorgehensweise wird in Abschnitt 4.1.3.2 am Beispiel der Flitzer AG verdeutlicht. Externer Erfolgsplan und Planbilanz Das Betriebsergebnis, das in der Regel für ein bis drei Vorschaujahre geplant wird, kann durch Modifikationen in drei große, miteinander verknüpfte und voneinander gegenseitig abhängige Pläne überführt werden: Erfolgsplan, Planbilanz und Finanzplan. Der Erfolgsplan weist den Jahresüberschuss/-fehlbetrag laut Gewinn- und Verlustrechnung (G+V) aus. Ihn ermittelt man, indem das Betriebsergebnis um das Austauschergebnis zwischen kalkulatorischen und bilanziellen Ansätzen, das Abgrenzungsergebnis für periodenfremde Vorgänge und das neutrale Ergebnis, in das die Gewinne und Verluste aller anderen außerordentlichen und betriebsfremden Aktivitäten einfließen, ergänzt wird. Dies führt zunächst zum Unternehmensergebnis. Berücksichtigt man zusätzlich die Steuern vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen (EEV), so ergibt sich der Jahresüberschuss/-fehlbetrag. Die Planbilanz resultiert rechnerisch, indem der Jahresüberschuss/-fehlbetrag um Gewinn-/ Verlustvorträge vom Vorjahr, Entnahmen aus offenen Rücklagen oder Einstellungen
3.1 Operative Planung
107
aus dem Jahresüberschuss korrigiert wird. Die erforderlichen Rechenschritte werden in Abb. 3.9 gezeigt. Bruttoerlös Erlösschmälerungen Provisionen Skonti und sonstige Nachlässe = Nettoerlös - Variable Kosten Fertigungsmaterialkosten Fertigungslohnkosten Materialgemeinkosten Fertigungsgemeinkosten Sonstige variable Kosten = Deckungsbeitrag - Fixkosten = Betriebsergebnis +/- Verrechnung der kalkulatorischen Kosten Abschreibungen Zinsen Wagnisse Unternehmerlohn Wertberichtigungen -
+/-
Periodenfremde Vorgänge
+/- Außerordentliche und betriebsfremde Positionen
=
Unternehmensergebnis
=
EEV-Steuern Jahresüberschuss/-fehlbetrag
+ + =
Verlustvortrag aus dem Vorjahr Gewinnvortrag aus dem Vorjahr Entnahmen aus offenen Rücklagen Einstellungen aus dem Jahresüberschuss Bilanzgewinn/-verlust
Kalkulatorisches Betriebsergebnis
Austauschergebnis bilanziell/ kalkulatorisch
Abgrenzungsergebnis Neutrales Ergebnis Plan-G+V
Planbilanz
+ + =
Abschreibungen Zuschreibungen Erhöhung von Rückstellungen Verminderung von Rückstellungen Cash Flow
Abb. 3.9: Rechenschema für die integrierte Erfolgsplanung Finanzplan Der vorausschauenden Finanzplanung muss eine hohe Bedeutung zugemessen werden. Nach dem Verordnungstext der Insolvenzordnung (InsO) ist der Schuldner schon dann zahlungsunfähig, „...wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen“.44 Das finanzielle Gleichgewicht zwischen notwendigen und verfügbaren Finanzmitteln ist 44 InsO §18, Abs. 2
108
3 Operatives Controlling
nicht nur am Periodenende, sondern kontinuierlich zu gewährleisten. Eine differenzierte Finanzierungs- und Liquiditätsplanung ist deshalb unerlässlich. Der Finanzplan stellt dem Mittelbedarf für die vorgesehenen Maßnahmen (Mittelverwendung) die verfügbaren Mittel (Mittelherkunft) differenziert nach Betrag und Fälligkeit gegenüber. Wesentliche Unterschiede zwischen der internen Kosten- und Ergebnisrechnung sowie der Finanzrechnung zeigt Abb. 3.10.
Maße
Kosten- und Ergebnisrechnung kalkulatorisch Planung und Steuerung des Leistungsprozesses Kosten und Leistungen
Erfasste Gütermengen
sachzielbezogener Güterverbrauch
Rechnungstyp Rechnungsziele
Finanzrechnung pagatorisch45 Prognose des Liquiditätssaldos Ein-/Auszahlungen Einnahmen/Ausgaben Zahlungsbewegungen und -bestände
Abb. 3.10: Unterschiede zwischen Betriebsergebnis- und Finanzrechnung Für Analytiker ist der Cash Flow interessant, um die Finanzierungskraft eines Unternehmens zu bestimmen. Er erklärt die Veränderung der Zahlungsmittel und berechnet sich aus dem Saldo der geplanten Ein- und Auszahlungen. Der Cash Flow kann auch schnell vom Jahresüberschuss der GuV abgeleitet werden (man spricht von der „Praktiker-Formel“): + + =
Jahresüberschuss Abschreibungen Zuschreibungen Erhöhung von Rückstellungen Verminderung von Rückstellungen Cash Flow
Praxisbeispiel: Der Werkzeugmaschinenhersteller TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG differenziert die Planung und die daraus abgeleiteten Ziele nach Gewinn, Vermögen und Liquidität. Die so unterteilten Ziele werden für Tochtergesellschaften, Hauptabteilungen und Abteilungen sowie für Vertrieb und Produktion vorgegeben.
45
Pagatorisch bedeutet, dass in der Finanzrechnung nur solche Vorgänge betrachtet werden, die auf Zahlungsvorgängen beruhen. Demgegenüber werden in der Kostenrechnung auch kalkulatorische Kosten (z. B. kalkulatorische Mieten) berücksichtigt.
3.1 Operative Planung
109
TRUMPF-Ergebnisziele
Gewinn
Vermögen
Liquidität
Instrumente
• GuV • Produktergebnisrechnung
• Bilanz • ROI
• Cash Flow • Kennzahlen
Ansatzpunkte
• Umsatz • Kosten
• Bestände • Forderungen
• Anlagevermögen • Umlaufvermögen
Maßnahmen
• Kostenmanagement
• Forderungsmanagement
• Liquiditätsmanagement
Abb. 3.11: Integrierte Planung bei der TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG
3.1.1.3
Zeitliche Dimension
In der Regel erfolgt die operative Planung rollierend für einen vorgegebenen Zeitraum. Im Beispiel der Abb. 3.12 mit drei Vorschaujahren wurde das Jahr drei im Planungszyklus eins relativ grob geplant. Planungszyklus 1
Planungszyklus 2
Jahr 1 genau
Jahr 2 grob
Jahr 3 grob
Jahr 2 genau
Jahr 3 grob
Jahr 4 grob
Jahr 3 genau
Jahr 4 grob
Planungszyklus 3
Jahr 5 grob
Abb. 3.12: Prinzip der rollierenden Planung Die Daten für Jahr zwei sind bereits konkreter formuliert, für Jahr eins wird die Planung im Detail ausgearbeitet. Bei der nächsten Planung ein Jahr später (Planungszyklus zwei in Abb. 3.12) wird das Jahr eins gestrichen und dafür ein weiteres Vor-
110
3 Operatives Controlling
schaujahr hinzugefügt, sodass der Planungszeitraum immer drei Jahre umfasst. Die Jahre zwei und drei werden überarbeitet. Die rollierende Planung ist wesentlicher Bestandteil des Advanced BudgetingAnsatzes und wird auch in Abb. 3.58 erläutert. Der Controller muss auch den zeitlichen Ablauf der Planung vorgeben. Dazu gehört insbesondere die Aufstellung eines Planungskalenders. Meist wird die strategische Planung in der ersten Jahreshälfte abgeschlossen, während die operative Planung in die zweite Hälfte des Jahres gelegt wird, um noch möglichst viele Daten über den aktuellen Geschäftsverlauf berücksichtigen zu können. Abb. 3.13 zeigt stark vereinfacht den Planungsablauf in Form eines Planungskalenders. Jan Feb Mär Apr Mai Jun
Jul
Aug Sep Okt Nov Dez
• Strategieplan • Absatzplan • Umsatzplan • Produktionsplan • Beschaffungsplan • F+E-Plan • Personalplan • Investitionsplan • Kostenplan • Erfolgsplan • Analyse und Überarbeitung
Abb. 3.13: Planungskalender Das Ergebnis aller Planungen fließt in den Wirtschaftsplan ein (vgl. Abb. 3.14). Er beinhaltet neben Leitbild, Mission und Vision die aktuellen Strategien und deren operative Umsetzung. Der Zahlenteil enthält die detaillierten Vorgaben der Budgetierung.
3.1 Operative Planung
111
über 5 Jahre
2 Strategische Planung 2.1 Stärken-Schwächen-Analyse 2.2 Strategien 2.3 Vorschau für wichtige Eckdaten
über 3 Jahre 3 Jahre
3 Operative Planung 3.1 Verbaler Teil 3.1.1 Darstellung und Kommentierung von Prämissen 3.1.2 Zielvorgaben und Zielerreichung 3.1.3 Wichtige Maßnahmen 3.2 Zahlenteil 3.2.1 Absatz-, Umsatzplan und andere Einzelpläne 3.2.2 Investitionsplan 3.2.3 Personalplan 3.2.4 Ergebnis- und Kostenplan 3.2.5 Plan-G+V, Planbilanz
Planungshorizont
1 Unternehmensleitbild 2 Vision 3 Mission
Abb. 3.14: Inhalte eines Wirtschaftsplans 3.1.2 Instrumente der operativen Planung und Budgetierung Für die Budgetierung wurde eine Reihe von Instrumenten entwickelt, die in Abb. 3.15 im Überblick dargestellt sind.46 Die grau hinterlegten Verfahren werden in den folgenden Abschnitten behandelt. Im Bereich der Produktion werden die Methoden der Plankostenrechnung verwendet, wenn die Kosten von der Beschäftigung einer Kostenstelle abhängen (vgl. 3.1.2.1.1). In Kostenstellen mit überwiegend fixen Kosten erfolgt oft eine Fortschreibung des alten Budgets. Ergänzend kann in größeren Zeitabständen eine Neuplanung mit Methoden des Zero Base Budgeting oder der Gemeinkostenwertanalyse vorgenommen werden (vgl. Abschnitte 3.1.2.1.6 und 3.1.2.1.7). In Vertriebsabteilungen ist es möglich, die geplante Umsatzveränderung für die Budgetvorgabe zu verwenden. 46
In Anlehnung an: Preißner, A., Praxiswissen Controlling. 6. Aufl., München/Wien 2010, S. 170.
112
3 Operatives Controlling
Die traditionellen Budgetierungsinstrumente sind in den letzten Jahren vor allem aufgrund des damit verbundenen hohen Planungsaufwands vielfach kritisiert worden. Neuere Ansätze wie Better Budgeting, Beyond Budgeting oder Advanced Budgeting wurden deswegen entwickelt (vgl. Abschnitt 3.1.2.2).
Budgetierung
Neue Budgetierungsansätze
Traditionelle Budgetierung
Basis: Produktionsmenge
starr
Basis: Zeit
vergangenheitsbezogene Fortschreibung
flexibel
ziel- oder umsatzbezogen
Better Budgeting
Neuplanung
flexible Plankostenrechnung
Zero Base Budgeting
Grenzplankostenrechnung
GemeinkostenWertanalyse
Beyond Budgeting
Advanced Budgeting
Abb. 3.15: Instrumente der Budgetierung 3.1.2.1 3.1.2.1.1
Kosten- und Ergebnisplanung in der traditionellen Budgetierung Verfahren der Plankostenrechnung im Überblick
Die Plankostenrechnung ermöglicht die Kostenkontrolle durch Soll-Ist-Vergleiche und stellt wertvolle Informationen für Managemententscheidungen bereit. Sie unterstützt durch ihre Zukunftsorientierung die Steuerung des Betriebes. Man kann drei Verfahren der Plankostenrechnung unterscheiden (vgl. Abb. 3.16). Bei der starren Plankostenrechnung erfolgt keine Aufteilung in fixe und variable Kosten. Die Planung wird starr, d. h. für eine Planbeschäftigung durchgeführt. Wie bei den anderen Vollkostenrechnungsverfahren werden fixe und variable Kosten nicht getrennt ausgewiesen (vgl. Abschnitt 4.1.3). Die Aussagekraft des Soll-IstVergleichs ist dadurch sehr eingeschränkt. Die starre Plankostenrechnung eignet sich aus diesem Grund für eine aussagekräftige Kostenplanung nicht. Bei Anwendung der starren Plankostenrechnung gelten folgende Zusammenhänge: Gesamtabweichung: Istkosten − verrechnete Plankosten
3.1 Operative Planung
113
Verrechnete Plankosten: gesamte Plankosten × Ist⎼Beschäftigung Plan⎼Beschäftigung
VOLLKOSTENRECHNUNG
Starre Plankostenrechnung auf Basis von Vollkosten
Flexible Plankostenrechnung auf Basis von Vollkosten
TEILKOSTENRECHNUNG Grenzplankostenrechnung nach Kilger und Plaut
Abb. 3.16: Verfahren der Plankostenrechnung Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG ermittelt für die Kostenstelle Montage im Mai eine Planbeschäftigung von 2.000 Einheiten. Die geplanten Kosten belaufen sich für diesen Monat auf 110.700 €. Im Juni stellt man fest, dass die Istbeschäftigung für Mai 1.600 Einheiten betragen hat und die Istkosten bei 105.000 € lagen. Der Controller führt die Kostenkontrolle zunächst nach der starren Plankostenrechnung durch und erhält folgende Ergebnisse: Verrechnete Plankosten: 88.560 € Gesamtabweichung: 16.440 € Die flexible Plankostenrechnung ist aussagekräftiger als die starre Plankostenrechnung. Sie besitzt folgende Kennzeichen: Ermittlung fixer und variabler Gemeinkosten effektiver Soll-Ist-Vergleich durch Ausweis der Verbrauchsabweichung (VA) und Beschäftigungsabweichung (BA) (vgl. Abb. 3.17) Vollkostenkalkulation in der Kostenträgerrechnung
Kosten in Euro
114
3 Operatives Controlling
Plankosten
Istkosten Sollkosten verrechnete Plankosten
Verlauf der Gesamtkosten (Sollkosten)
1 VA
2
BA 3
Verlauf der verrechneten Plankosten
fixe Kosten
Istbeschäftigung
Planbeschäftigung
Beschäftigung in Stunden
Abb. 3.17: Flexible Plankostenrechnung Die gesamte Abweichung zwischen geplanten Kosten und Istkosten wird in Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichung aufgegliedert. Während die Beschäftigungsabweichung Verrechnungsdifferenzen wiedergibt, die der Kostenstellenleiter nicht zu verantworten hat, ist die Verbrauchsabweichung die eigentliche Controllinggröße. Sie muss näher untersucht werden, um bestimmen zu können, welche Ursachen sie hat und wer dafür verantwortlich ist. Durch den separaten Ausweis von Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichung ist eine wirksame Kostenkontrolle möglich. Da weiterhin mit Vollkosten kalkuliert wird, kann man jedoch die kurzfristige Preisuntergrenze nicht erkennen. Bei Anwendung der flexiblen Plankostenrechnung gelten folgende Zusammenhänge: Sollkosten: fixe Plankosten +
variable Plankosten × Istbeschäftigung Planbeschäftigung
3.1 Operative Planung
115
Verrechnete Plankosten: gesamte Plankosten × Istbeschäftigung Planbeschäftigung
Beschäftigungsabweichung (BA): Sollkosten − verrechnete Plankosten (oder in Abb. 3.17: 2 − 3)
Verbrauchsabweichung (VA): Istkosten − Sollkosten (oder in Abb. 3.17: 1 − 2)
Gesamtabweichung: BA + VA oder Istkosten − verrechnete Plankosten (oder in Abb. 3.17: 1 − 3)
Beispiel Flitzer AG: Der Controller der Flitzer AG merkt, dass bei der vorliegenden Beschäftigungsschwankung die starre Plankostenrechnung kein aussagefähiges Ergebnis liefert. Er wendet deshalb zusätzlich die flexible Plankostenrechnung an und ermittelt für die Kostenstelle Montage, dass 50.000 € der geplanten Gesamtkosten von 110.700 € fix sind. Der Controller führt die Kostenkontrolle in grafischer (vgl. Abb. 3.18) und rechnerischer Form durch und erhält folgende Ergebnisse: Sollkosten: 98.560 € Verrechnete Plankosten: 88.560 € Verbrauchsabweichung: 6.440 € Beschäftigungsabweichung: 10.000 € Der Controller erfährt vom Leiter der Montage im Rahmen der monatlichen Kostendurchsprache, dass die Verbrauchsabweichung auf längere Montagezeiten zurückzuführen ist. Grund war der zeitweise Ausfall eines Montagebands. Die Beschäftigungsabweichung entstand durch die geringere Istbeschäftigung. Pro Fahrrad wurden dadurch nur Kosten in Höhe von 55,35 € und damit insgesamt 88.560 € in der Kalkulation berücksichtigt. Eigentlich wären die Sollkosten in Höhe von 98.560 € zu verrechnen gewesen. Die Beschäftigungsabweichung ist vom Montageleiter nicht zu verantworten, da sie sozusagen ein „Rechenfehler“ ist. Er tritt immer dann auf, wenn in der flexiblen Plankostenrechnung Ist- und Planbeschäftigung nicht identisch sind.
116
3 Operatives Controlling
160000
Fixe Kosten Sollkosten
140000
Verrechnete Kosten 120000
Istkosten
Kosten
100000 80000 60000 40000 20000 0 0
200
400
600
800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600
Beschäftigung Abb. 3.18: Abweichungsermittlung mit der flexiblen Plankostenrechnung Das methodisch fundierteste Plankostenrechnungsverfahren ist die Grenzplankostenrechnung. Wesentliche Merkmale gegenüber der flexiblen Plankostenrechnung sind: Sowohl in der Kostenstellenrechnung als auch in der Kostenträgerrechnung erfolgt eine strikte Trennung in fixe und variable Kosten (vgl. Abb. 3.19). Es existiert nur noch eine Abweichungsart: die Verbrauchsabweichung. Die fixen Kosten werden gesammelt und als Block direkt in das Betriebsergebnis gebucht. Es gelten folgende Zusammenhänge: Sollkosten (= verrechnete Plankosten): variable Plankosten × Istbeschäftigung Planbeschäftigung
Verbrauchsabweichung (= Gesamtabweichung): Istkosten − Sollkosten (oder in Abb. 3.19: 1 ⎼ 2)
3.1 Operative Planung
117
Kosten in Euro
Die Grenzplankostenrechnung ermöglicht wie die flexible Plankostenrechnung eine wirksame Kostenkontrolle der Kostenstellen. Darüber hinaus werden Entscheidungen unterstützt. Möglich wird dies durch die separate Abrechnung der variablen Kostenbestandteile bis in die Betriebsergebnisrechnung.
variable Plankosten
Verlauf der variablen Kosten (Sollkosten)
variable Istkosten Sollkosten
1 VA 2
Istbeschäftigung
Planbeschäftigung
Beschäftigung in Stunden
Abb. 3.19: Grenzplankostenrechnung Beispiel Flitzer AG: Der Controller der Flitzer AG ermittelt für die Kostenstelle Montage im Mai die Abweichungen alternativ auch mit der Grenzplankostenrechnung. Er führt die Kostenkontrolle wieder in grafischer (vgl. Abb. 3.20) und rechnerischer Form durch und erhält folgende Ergebnisse: Sollkosten: 48.560 € Verbrauchsabweichung: 6.440 € Die Verbrauchsabweichung stimmt mit dem Wert aus der flexiblen Plankostenrechnung überein. Eine Beschäftigungsabweichung existiert nicht, da nur variable Kosten betrachtet werden.
118
3 Operatives Controlling
90000 80000
Sollkosten
70000
Istkosten
Kosten
60000 50000 40000 30000 20000 10000 0 0
200
400
600
800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600
Beschäftigung
Abb. 3.20: Abweichungsermittlung mit der Grenzplankostenrechnung 3.1.2.1.2
Preis- und Mengenkomponenten der Plankostenrechnung
In der Plankostenrechnung werden feste Planpreise zugrunde gelegt, um Preisschwankungen zu neutralisieren. Dadurch wird die Plankostenrechnung zu einer preisfixierten Mengenrechnung. Die Wirtschaftlichkeit innerbetrieblicher Vorgänge kann besser beurteilt werden. Die Abb. 3.21 verdeutlicht die Verwendung des Planpreises in der Plankostenrechnung und die dadurch mögliche getrennte Analyse von Mengen- und Preisabweichungen.47 Es fällt auf, dass sich die Istkosten der Plankostenrechnung von den Istkosten der Istkostenrechnung unterscheiden.
47
Vormbaum, H., Rautenberg, H., Plankostenrechnung. Baden-Baden/Bad Homburg 1985, S. 119.
3.1 Operative Planung
119
Sollmenge der x Planpreis Plan-Beschäftigung
= Plankosten
Sollmenge der Ist-Beschäftigung
= Sollkosten
x Planpreis
Mengenabweichung Istmenge der Ist-Beschäftigung
x Planpreis
= Istkosten der Plankostenrechnung Preisabweichung
Istmenge der Ist-Beschäftigung
x
Istpreis
= Istkosten der Istkostenrechnung
Abb. 3.21: Preis- und Mengenkomponenten der Plankostenrechnung Beispiel Flitzer AG: Die Kostenstelle Bohren plant, im Februar 100 Fahrradrahmen zu fertigen (Planbeschäftigung). Laut Arbeitsplan benötigt man für die Bohrungen aller Löcher pro Rahmen zehn Minuten (Sollmenge). Der Kostenstellenplan weist die Bohrminute mit fünf Euro aus (Planpreis). Anfang März stellt man fest, dass lediglich ein Auftrag über 80 Fahrradrahmen zu bearbeiten war (Istbeschäftigung). Man benötigte pro Rahmen nicht wie geplant zehn, sondern 12 Minuten (Istmenge). Außerdem verursachte eine Bohrminute sechs Euro (Istpreis). Der Controller der Flitzer AG errechnet daraus folgende Kostenwerte: Plankosten: 5.000 € Sollkosten: 4.000 € Istkosten laut Plankostenrechnung: 4.800 € Istkosten laut Istkostenrechnung: 5.760 €
3.1.2.1.3
Einzelkostenplanung
Die Planung der dem Kostenträger nach dem Verursachungsprinzip direkt zuordenbaren Kosten hat zum Ziel, Mengenstandards für Material-, Fertigungs- und Sondereinzelkosten zu ermitteln. Die Multiplikation dieser Mengen mit fixierten Planpreisen und der Planbeschäftigung ergibt die Plankosten.
120
3 Operatives Controlling
3.1.2.1.3.1 Materialeinzelkosten Geplant werden Rohstoffe, Zwischenprodukte der Fertigung und Fremdbezugsteile. Hilfsstoffe, die eigentlich auch Einzelkosten darstellen, werden aus Vereinfachungsgründen oft als unechte Gemeinkosten behandelt und über die Kostenstellenrechnung geplant, kontrolliert und verrechnet. Die Materialeinzelkosten legt man je Kostenträger-Einheit fest. Sie setzen sich aus den Komponenten laut Abb. 3.22 zusammen.48
Netto-Planverbrauchsmenge
+ unvermeidbarer Mehrverbrauch
= Brutto-Planverbrauchsmenge
x Plan-Materialpreis
= Plan-Materialeinzelkosten
-
x
planmäßige Abfallerlöse
Planmenge
=
=
Materialeinzelkosten je Kostenträger-Einheit
Materialeinzelkosten je Kostenstelle
Kalkulation
Kostenkontrolle
Abb. 3.22: Planung der Materialeinzelkosten Die Netto-Planverbrauchsmenge resultiert im Industriebetrieb aus der Stücklistenauflösung für die geplanten Produkte (vgl. Abb. 3.23). Mehrverbräuche entstehen z. B. durch Verschnitt oder andere Abfälle, die beim Drehen oder Zerspanen anfallen. Sie sollten einzeln ermittelt werden, um ihre Bedeutung abzuschätzen.
48
Vormbaum, H., Rautenberg, G., Plankostenrechnung, Baden-Baden/Bad Homburg 1985, S. 138.
3.1 Operative Planung
121
Die Höhe des Plan-Materialpreises richtet sich nach dem Einstandspreis. + = + =
Brutto-Einkaufspreis Rabatte, Boni, Skonti Untermengenzuschläge Nettoeinkaufspreis Bezugsnebenkosten Einstandspreis
Sind im Planjahr unterschiedliche Einstandspreise zu berücksichtigen, so bildet man den voraussichtlichen jährlichen Durchschnittspreis. Zur Preisermittlung sind Erfahrung und genaue Kenntnis der Beschaffungsmärkte notwendig. Die Bewertung mit Plan-Materialpreisen sollte für die Ermittlung der IstMaterialkosten bereits beim Eingang der Güter erfolgen. Die Bestandskonten werden dann mit Planpreisen geführt. Ausgehend von den Plan-Materialeinzelkosten pro Einheit werden planmäßige Abfallerlöse subtrahiert, um die in der Plankalkulation anzusetzenden Materialeinzelkosten zu bestimmen. Für die Kostenkontrolle in den Kostenstellen werden die Plan-Materialeinzelkosten mit den Planmengen multipliziert. 3.1.2.1.3.2 Fertigungseinzelkosten Obwohl Fertigungslöhne Einzelkosten sind, wird empfohlen, sie über die Kostenstellen zu planen und abzurechnen. Dies ermöglicht eine bessere Kontrolle. Analog zu den Materialeinzelkosten ist bei der Planung der Lohnkosten zwischen der Preis- und Mengenkomponente zu unterscheiden. Bestimmt werden müssen die Plan-Lohnsätze und die Plan-Arbeitszeit. Abb. 3.23 zeigt am Beispiel einer Produktionsmenge von 250 Stück für das Fahrrad Allround die Vorgehensweise zur Ermittlung der Fertigungslöhne. Über die Stücklistenauflösung erhält man alle notwendigen Einzelteile und Baugruppen. Für jede Komponente einer Stückliste existiert ein Arbeitsplan, der die Arbeitsgänge mit dem jeweiligen Zeitbedarf (Vorgabezeit) dokumentiert. Die Einzellohnkosten pro Kostenstelle ergeben sich, indem die Vorgabezeit mit dem zugehörigen Plan-Lohnsatz pro Minute multipliziert wird. Durch Addition der Lohnkosten aller Fertigungsaufträge erhält man die gesamten Plan-Lohnkosten der Kostenstelle.
122 Produktionsplan
3 Operatives Controlling Erzeugnisse
Mengen 200 80 300 120 250
Gelände Scott Ulrich Straße Allround
Stückliste
Allround
Rahmen
Licht
Zubehör
Räder
Klingel
Reihenfolgeplan Fräsen
Arbeitsplan
Veredeln
Bremsen
Kette
Vormontieren
Endmontieren
Kostenstelle Fräsen Arbeitsgang
Vorgabezeit
Einspannen Bohren Ausspannen
1,48 Minuten 3,05 Minuten 1,04 Minuten
Abb. 3.23: Ermittlung der Arbeitszeit über Stückliste und Arbeitsplan Der Plan-Lohnsatz wird durch ein Verfahren der Arbeitsbewertung ermittelt. Es existieren dazu verschiedene Möglichkeiten: Reihung Stufung
Summarisch Rangfolgeverfahren Lohngruppenverfahren
Abb. 3.24: Verfahren der Arbeitsbewertung
Analytisch Rangreihenverfahren Stufenwertzahlverfahren
3.1 Operative Planung
123
Während man bei den summarischen Verfahren eine Tätigkeit als Ganzes bewertet, wird bei den analytischen der Anteil einzelner Anforderungsarten an der Gesamtanforderung einer Tätigkeit festgestellt. Daraufhin addiert man die einzelnen Anforderungswerte. Die Summe ergibt den Arbeitswert der Tätigkeit. Anforderungsarten nach REFA sind:49 1. 2. 3. 4.
Kenntnisse (Ausbildung, Erfahrung, Denkfähigkeit) geistige Belastung (Aufmerksamkeit, Denktätigkeit) Geschicklichkeit (Handfertigkeit, Körpergewandtheit) muskelmäßige Belastung (dynamische Muskelarbeit, statische Muskelarbeit, einseitige Muskelarbeit) 5. Verantwortung (für die eigene Person, für andere Personen, für Funktion, Struktur oder Prozess) 6. Umweltbedingungen (Klima, Lärm, Schwingung, Staub, Öl, Nässe, Fett, Schmutz, Gase, Dämpfe, negatives Sozialprestige eines Berufs) Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der Verfahren ist, ob zwischen den Tätigkeiten eine Rangfolge aufgestellt wird (Reihung) oder ob Schwierigkeitsklassen gebildet werden, in welche die einzelnen Tätigkeiten einzuordnen sind (Stufung). Im Folgenden werden die einzelnen Verfahren erläutert: Rangfolgeverfahren Die Tätigkeiten werden durch paarweise Gegenüberstellung miteinander verglichen und nach der Arbeitsschwierigkeit in eine Rangfolge gebracht. Ein Beispiel soll die Vorgehensweise verdeutlichen. Folgende Tätigkeiten sind zu bewerten: Bedienen einer Bohrmaschine, Arbeitsvorbereitung, Montage, Transportarbeit, Hausverwaltung, Werkzeugausgabe. Das Ergebnis zeigt Abb. 3.25 (1 = höchster Schwierigkeitsgrad). Rangfolge 1 2 3 4 5 6
Tätigkeit Arbeitsvorbereitung Montage Bedienen einer Bohrmaschine Werkzeugausgabe Transportarbeiten Hausverwaltung
Abb. 3.25: Rangfolgeverfahren
49
REFA (Hrsg.), REFA Methodenlehre der Betriebsorganisation, Anforderungsermittlung (Arbeitsbewertung). 2. Auflage, München 1991, S. 64 ff.
124
3 Operatives Controlling
Lohngruppenverfahren Ausgangspunkt ist eine bestimmte Anzahl von Lohngruppen, die unterschiedliche Arbeitsschwierigkeiten repräsentieren. Durch Richtbeispiele werden die einzelnen Gruppen näher erläutert. Die Lohngruppe sieben eines Lohnabkommens ist z. B. wie folgt definiert:50 Arbeiten, deren Ausführung ein Können voraussetzt, das erreicht wird durch eine entsprechende ordnungsgemäße Berufslehre (Facharbeiten). Arbeiten, deren Ausführung Fertigkeiten und Kenntnisse erfordert, die Facharbeiten gleichzusetzen sind.
Die Zahl der Gruppen richtet sich nach dem angestrebten Genauigkeitsgrad. Die einzelnen Tätigkeiten werden den entsprechenden Gruppen zugeordnet. Rangreihenverfahren Beim Rangreihenverfahren werden die einzelnen Anforderungsarten differenziert bewertet (Abb. 3.26, Tabelle oben). Kenntnisse Geistige Geschick- Muskelm. Belastung lichkeit Belastung Arbeitsvorbereitung 1 1 5 6 Montage 2 2 1 2 Bedienen einer Bohrmaschine 3 3 2 1 Werkzeugausgabe 4 5 4 4 Transportarbeiten 5 4 3 3 Hausverwaltung 6 6 6 5
Verant- Umweltbewortung dingungen 1 6 2 2 3 1 5 4 4 3 6 5
Kenntnisse Geistige Geschick- Muskelm. Belastung lichkeit Belastung Arbeitsvorbereitung 100 100 35 20 Montage 85 70 100 80 Bedienen einer Bohrmaschine 60 60 85 100 Werkzeugausgabe 50 35 40 50 Transportarbeiten 45 40 50 60 Hausverwaltung 30 20 20 40 Gewicht d. Anforderungsart 30 15 10 10 Anm.: Alle Angaben in Prozent
Verant- Umweltbewortung dingungen 100 30 90 90 75 100 60 60 70 75 50 55 30 5
+
+
+
+
+
= 73 (60x30)/100 (60x15)/100 (85x10)/100 (100x10)/100 (75x30)/100 (100x5)/100 Punkte
Abb. 3.26: Rangreihenverfahren 50
REFA (Hrsg.), REFA Methodenlehre der Betriebsorganisation, Anforderungsermittlung (Arbeitsbewertung). 2. Aufl., München 1991, S. 14.
3.1 Operative Planung
125
Pro Anforderungsart wird zwischen den Tätigkeiten eine Reihenfolge gebildet. Um differenzierte Abstufungen zwischen den Tätigkeiten einfließen zu lassen, werden die Rangziffern in Punktwerte umgerechnet. Der Platzziffer eins entsprechen 100 Punkte. Außerdem wird durch Gewichte bestimmt, wie stark eine Anforderungsart in die Bewertung einfließen soll. Im Beispiel werden die Anforderungen Kenntnisse und Verantwortung am stärksten berücksichtigt. Den Gesamtwert einer Tätigkeit erhält man durch Addition der gewichteten Punktwerte. Für das Bedienen einer Bohrmaschine in Abb. 3.26 ergibt sich ein Arbeitswert von 73 der 100 möglichen Punkte. Stufenwertzahlverfahren Für jede Anforderungsart legt man Anforderungsstufen mit Punktzahlen (Wertzahlen) fest (vgl. Abb. 3.27). Die einzelnen Stufen werden verbal erläutert, um die Zuordnung einer Tätigkeit zu erleichtern. Die Zahl der Stufen ergibt die erreichbare Punktzahl je Anforderungsart. Durch Addition der Punktzahlen gewinnt man den Arbeitswert einer Tätigkeit (im Beispiel 22 Punkte für die Bedienung einer Bohrmaschine).
Kenntisse Geistige Belastung Geschicklichkeit Muskelm. Belastung Verantwortung Umweltbedingungen
0 0 0 0 0 0
Anforderungsstufen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 3 4 1 2 3 1 2 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1
Abb. 3.27: Stufenwertzahlverfahren Das Entgelt von Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Deutschland wird seit 2003 auf Basis des Tarifvertrags über das Entgelt-Rahmenabkommen (ERA-TV) ermittelt. Die Unterschiede in der Entgeltberechnung von Arbeitern und Angestellten sollen damit beseitigt werden. Zur Bestimmung des Entgelts werden sowohl die summarischen wie auch die analytischen Bewertungsverfahren angewendet. Neben den Plan-Lohnsätzen sind die Arbeitszeiten zu planen. Gebräuchliche Verfahren für die Ermittlung von Vorgabezeiten sind: Rechnende Zeitstudie Die Arbeitsvorgänge zerlegt man in elementare Bewegungen, denen normierte Zeittabellenwerte zugeordnet werden.
126
3 Operatives Controlling
Orientierende Zeitstudie Der Anteil der einzelnen Zeitarten an der Gesamtzeit wird auf statistischer Basis ermittelt. Man misst Zeiten nicht direkt, sondern durch Stichproben. Dabei wird die relative Häufigkeit des Auftretens verschiedener Zeitarten festgehalten. Daraus kann man die absolute Dauer einer Tätigkeit ableiten. Eine bekannte orientierende Zeitstudie ist die Multimomentstudie. Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG will für die Mitarbeiter des Callcenters die Vorgabezeit eines durchschnittlichen Telefongesprächs ermitteln. Man entschließt sich, eine Multimomentaufnahme durchzuführen. Es werden 1.300 Beobachtungen gemacht. Dabei hat man 975-mal ein Telefongespräch beobachtet. Daraus kann man ableiten, dass die Mitarbeiter 75 Prozent ihrer Arbeitszeit telefonieren. Wenn ein Mitarbeiter pro Schicht 480 Minuten arbeitet, so telefoniert er davon 360 Minuten. Werden 60 Kunden kontaktiert, stehen im Schnitt 6 Minuten pro Telefongespräch zur Verfügung.51 Messende Zeitstudie Die Zeitermittlung erfolgt durch Messung und Beobachtung am Arbeitsplatz. Ein bekanntes Beispiel ist die REFA-Vorgabezeitermittlung, die im Folgenden aufgrund ihrer Bedeutung kurz skizziert wird:52 Geschulte Arbeitsstudienleute bestimmen am Arbeitsplatz die Vorgabezeit t (= Sollzeit) nach der Formel: t= L=Leistungsgrad, ti = gemessene Istzeit
L × t 100
Besonders wichtig ist die Ermittlung des Leistungsgrads L. Der Arbeitsstudienexperte beobachtet dafür das Erscheinungsbild des Bewegungsablaufs eines Beschäftigten. Durch Training besitzt er eine Vorstellung davon, wie die optimale Leistung bezüglich Geschwindigkeit und Beherrschung der Bewegungen aussehen müsste. Er ermittelt den Leistungsgrad, indem die beobachtete Istleistung auf die vorgestellte Idealleistung bezogen wird. Hat er beispielsweise einen Leistungsgrad von 80 Prozent festgestellt und als Istzeit für die Bearbeitung von 100 Stück 120 Minuten gemessen, so ergibt sich daraus eine Vorgabezeit von 96 Minuten pro 100 Stück. 80 × 120 = 96 100
51 52
Fiedler, R., Organisation kompakt. 2. Aufl., München/Wien 2010, S. 86 f. REFA (Hrsg.), Methodenlehre des Arbeitsstudiums, Teil 2: Datenermittlung. 7. Aufl., München 1992, S. 72 ff.
3.1 Operative Planung
127
Die Vorgabezeit für einen Auftrag setzt sich aus verschiedenen Zeitarten (vgl. Abb. 3.28) zusammen, deren jeweilige Sollzeit im Rahmen der Zeitstudie ermittelt wird. Durch Aggregation der Teilvorgabezeiten erhält man die Vorgabezeit für den gesamten Auftrag. Auftragszeit
Rüstzeit
Rüstgrundzeit
Rüsterholungszeit
Ausführungszeit
Rüstverteilzeit
Zeit je Einheit
Grundzeit
Erholungszeit
Tätigkeitszeit
Wartezeit
Verteilzeit
sachliche Verteilzeit
persönliche Verteilzeit
Abb. 3.28: Zeitarten nach REFA53
Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG möchte die Vorgabezeit für das Bohren von 100 Teilen ermitteln. Es wurde bereits eine Zeitaufnahme auf der Grundlage von fünf Beobachtungen durchgeführt (vgl. Abb. 3.29). Die Maschine führt selbstständig den Bohrvorgang aus. Der Arbeiter wartet in dieser Zeit. Die Fortschrittszeit F wird während der fünf Beobachtungen umfassenden Zeitaufnahme nach jedem Arbeitsschritt von einer Stoppuhr abgelesen. Insgesamt dauert die Erhebung 1633 Sekunden. Die Istzeit eines Arbeitsschritts ermittelt man als Differenz zweier aufeinanderfolgender Fortschrittszeiten. Für die Vorgabezeit je Arbeitsschritt werden die durchschnittlichen Istzeiten und Leistungsgrade errechnet. Im Beispiel ergibt sich daraus für das Aufnehmen und Einspannen eine Vorgabezeit von 89,3 Sekunden. Die gesamte Vorgabezeit je Einheit beträgt 335 Sekunden. Für die Bearbeitung von 100 Teilen benötigt man dementsprechend 33.500 Sekunden oder 9,3 Stunden.
53
REFA (Hrsg.), Methodenlehre des Arbeitsstudiums. Teil 2: Datenermittlung. 7. Aufl ., München 1992, S. 47.
128
3 Operatives Controlling
Zy
1
2
3
4
L 103 108 109 100 ti 87 80 81 93 F 87 404 731 1060 L ti 181 185 183 184 F 268 589 914 1244 L 110 107 111 103 Ausspannen, Abti 56 61 53 60 legen F 324 650 967 1304 ti = Istzeit; t= Sollzeit; F= Fortschrittszeit in Sekunden; Zy= Beobachtungszyklus; L= Leistungsgrad in Prozent Aufnehmen, Einspannen Bohren
5 104 85 1389 183 1572 106 61 1633
L, ti 104,8 85,2 183,2
t
Zeitart Tätig89,3 keitszeit War183,2 tezeit
107,4 58,2
Tätig62,5 keitszeit t = 335,0
Abb. 3.29: Ermittlung der Vorgabezeit für einen Auftrag Bei der Planung der Fertigungseinzelkosten müssen auch Zusatzlöhne, Hilfslöhne, Mehrarbeitszeit und die in erheblichem Umfang anfallenden Sozialkosten berücksichtigt werden (vgl. dazu den Kostenplan in Abb. 3.37): Zusatzlöhne Gründe für Zusatzlöhne sind z. B. Maschinenstörungen, Störungen des Arbeitsablaufs, schlechte Materialeigenschaften, zu geringe Seriengrößen und Anlernen neuer Arbeitskräfte. Da in gewissem Umfang die aufgeführten Störungen immer eintreten werden, berücksichtigt man dies schon bei der Planung. Zusatzlöhne sollten drei Prozent nicht überschreiten. Sie werden in einer separaten Zeile im Kostenstellenplan ausgewiesen (vgl. Zeile Nr. 4110 in Abb. 3.37). Hilfslöhne Zu den Hilfslöhnen zählen Löhne für Reinigungs-, Transport- oder Kontrollarbeiten. Häufig kann die anfallende Stundenzahl direkt aus der Beschäftigung der Kostenstelle (z. B. bei Transportarbeiten, die entsprechend der hergestellten Stückzahl anfallen) oder aus den Fertigungslöhnen abgeleitet werden. Mehrarbeitszeit Die Lohnkosten werden zunächst inklusive der Mehrarbeit mit den normalen Lohnsätzen geplant. Anschließend teilt man sie in eine Position „normale tarifliche Arbeitszeit“ und eine Position „Mehrarbeitszeit“ auf. Die Mehrarbeitskosten werden im Betriebsabrechnungsbogen zu Kontrollzwecken unter einer eigenen Kostenart Lohnzuschläge ausgewiesen.
3.1 Operative Planung
129
Sozialkosten Bei der Planung der Lohn- und Gehaltskosten müssen auch die Sozialkosten berücksichtigt werden:54 Geplante Lohnsumme/Gehaltssumme + Soziallöhne (Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung) + Gesetzliche Sozialabgaben (Arbeitgeberanteil) + Sonstige freiwillige Sozialkosten (Pensionen, Weihnachtsgeld) = Lohn- und Gehaltskosten
Sozialkosten werden, soweit möglich, getrennt nach Lohn- und Gehaltsempfängern geplant, da die Belastung mit gesetzlichen Aufwendungen unterschiedlich ist. Man ermittelt einen kalkulatorischen Sozialkostenzuschlag getrennt für Lohn und Gehalt (vgl. Abb. 3.30). Sozialkosten für Lohn Geplante Lohnsumme 1. Soziallöhne 2. Gesetzliche Sozialabgaben 3. Sonstige freiwillige Sozialkosten Gesamt
50.000.000 € 16.000.000 € 10.000.000 € 6.000.000 € 32.000.000 €
32% 20% 12% 64%
Sozialkosten für Gehalt Geplante Gehaltssumme 1. Gesetzliche Sozialabgaben 2. Sonstige freiwillige Sozialkosten Gesamt
30.000.000 € 6.000.000 € 9.500.000 € 15.600.000 €
20% 32% 52%
Sozialkosten für Lohn und Gehalt Geplante Lohn- und Gehaltssumme 1. Sonstige freiwillige Sozialkosten 2. Sozialkostenstellen (Kantine, Werksarzt) Gesamt
80.000.000 € 2.400.000 € 1.600.000 € 4.000.000 €
3% 2% 5%
Kalkulatorischer Sozialkostenzuschlag Lohn
69%
Kalkulatorischer Sozialkostenzuschlag Gehalt
57%
Abb. 3.30: Ermittlung der Sozialkosten 54
Kilger, W., Pampel, J., Vikas, K., Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung. 12. Aufl., Wiesbaden 2007.
130
3 Operatives Controlling
Kalkulatorischer Sozialkostenzuschlag: gesetzliche und freiwillige Sozialkosten × 100 geplante Lohn⎼ und Gehaltssumme
Die geplanten Sozialkosten errechnen sich durch Multiplikation des kalkulatorischen Sozialkostenzuschlags mit den geplanten Lohn- bzw. Gehaltskosten. Damit ist auch eine gleichmäßige monatliche Verteilung gewährleistet. Sekundäre Sozialkosten wie die Kosten der Kantine können in den Sozialkostenzuschlag aufgenommen oder separat im Betriebsabrechnungsbogen als sekundäre Gemeinkosten verrechnet werden. Auch die Sozialkosten können in fixe und variable Bestandteile aufgeteilt werden: Fertigungslöhne Hilfslöhne Kalk. Sozialkosten (69%)
Gesamt 10.000 1.000 11.000 7.590
Variabel 10.000 800 10.800 7.452
Fix 200 200 138
Streng genommen müssten Sozialkosten getrennt nach leitenden Angestellten, Angestellten und Arbeitern, verschiedenen Zweigwerken sowie weiblichen und männlichen Arbeitskräften ermittelt werden. Die Praxis verzichtet meist darauf. 3.1.2.1.4
Gemeinkostenplanung
Abb. 3.31 verdeutlicht den Ablauf der Gemeinkostenplanung. Die einzelnen Schritte werden im Folgenden erläutert. Festlegung der Kostenstellen Wahl der Bezugsgröße Planung der Beschäftigung Planung der Gemeinkosten Ermittlung der Gemeinkostensätze
Abb. 3.31: Ablauf der Gemeinkostenplanung
3.1 Operative Planung
131
3.1.2.1.4.1 Festlegung der Kostenstellen Zu Beginn der Gemeinkostenplanung ist zu prüfen, ob die vorhandene Kostenstellenstruktur angepasst werden muss. Sind zusätzliche Kostenstellen erforderlich, sollten diese folgende Kriterien erfüllen:55 Selbstständiger Verantwortungsbereich Räumliche Einheit Homogene Kostenstruktur, für die sich eine sinnvolle Bezugsgröße finden lässt Genaue und einfache Zuordnung der Istkosten Die gebildeten Kostenstellen sollte man nach verschiedenen Kriterien gruppieren. Eine typische Einteilung ist diejenige in: Fertigungshauptkostenstellen (z. B. Dreherei) Hilfskostenstellen (z. B. Werkzeugbau) Materialkostenstellen (z. B. Lager) Allgemeine Kostenstellen (z. B. Stromversorgung, Wasserversorgung) Verwaltungskostenstellen (z. B. Rechnungswesen, Personalabteilung) Vertriebskostenstellen (z. B. Werbeabteilung) Grundsätzlich sind bei der Kostenstelleneinrichtung folgende Punkte zu bedenken: Je feiner die Einteilung der Kostenstellen erfolgt, desto eher lässt sich eine Bezugsgröße finden, zu der sich die Kosten proportional verhalten (vgl. den folgenden Abschnitt). Kostenkontrolle und Kalkulation werden in diesem Fall genauer. Wenn es nicht zu aufwendig ist, sollten Planung und Kontrolle auf Kostenplatzebene (z. B. differenziert für einzelne Maschinen) vorgenommen werden. Dabei tritt das Problem auf, dass manche Kosten nicht mehr eindeutig zuordenbar sind. In diesem Fall kann man Bereichskostenstellen einrichten, die aus mehreren Kostenplätzen bestehen. Kosten, die man nicht einem einzelnen Kostenplatz zurechnen kann, werden auf der Bereichskostenstelle verbucht. Natürlich steigt mit der Anzahl der Kostenstellen auch der Planungsaufwand. Deshalb ist sorgfältig zwischen Genauigkeit der Kontrolle (und Kalkulation) und der Wirtschaftlichkeit abzuwägen. Die Genauigkeit der Kostenstellengliederung wird im Fertigungsbereich höher sein als im Verwaltungs- und Vertriebsbereich. Außerdem sind verursachungsgerechte Bezugsgrößen in den letztgenannten Bereichen nur schwer zu finden. Planungs- und Kontrolldaten müssen die gleiche Differenzierung aufweisen, um Soll-Ist-Vergleiche durchführen zu können (Identitätsprinzip der Planungs- und Kontrollbereiche).
55 Jórasz, W., Kosten- und Leistungsrechnung. 5. Aufl., Stuttgart 2009, S. 120 ff.
132
3 Operatives Controlling
3.1.2.1.4.2 Wahl der Bezugsgrößen Bezugsgrößen haben bei der Kostenplanung und -kontrolle eine große Bedeutung. Sie werden verwendet, um das Beschäftigungsniveau einer Kostenstelle anzugeben, und ermöglichen eine verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten im Rahmen der Kalkulation. Abb. 3.32 zeigt mögliche Bezugsgrößen für unterschiedliche Kostenstellen. Kostenstelle Fertigungskostenstellen, wie z. B. Dreherei oder Montage Stromversorgung LKW-Transporte Lager Einkauf Verkauf Finanzbuchhaltung
Bezugsgröße Maschinenzeit Fertigungszeit Rüstzeit Kilowattstunden Kilometer Fläche Lagerbestand Zugänge oder Abgänge Anzahl Angebote Anzahl Bestellungen Anzahl Kundenaufträge Anzahl Buchungen
Abb. 3.32: Beispiele für Bezugsgrößen verschiedener Kostenstellen Die Bezugsgröße muss so gewählt werden, dass zwischen der Bezugsgrößenmenge und dem Kostenanfall ein lineares Verhältnis besteht. Auch ein direkter Bezug zum Kostenträger sollte gegeben sein, um die Kalkulationsfunktion zu erfüllen. Außerdem ist darauf zu achten, dass der Mengenanfall bei einer Bezugsgröße (Istbezugsgrößenmenge oder Beschäftigung) einfach erfasst werden kann. Beispiel Flitzer AG: In der Montage fallen variable Kosten für Löhne an. Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen und Raumkosten sind fix. Der Controller wählt die Fertigungsminuten als Bezugsgröße, weil es eine proportionale Beziehung zwischen der Höhe der Fertigungsminuten und den Lohnkosten gibt. Außerdem existiert ein direkter Bezug zur Kalkulation eines Fahrrads. Im Arbeitsplan stehen die benötigten Montageminuten pro Fahrrad. Je höher der Zeitbedarf für die Montage eines Fahrrads ist, desto mehr Kosten werden kalkuliert. Zu unterscheiden sind direkte und indirekte Bezugsgrößen. Als direkte Bezugsgrößen werden Leistungseinheiten (Stück, Meter, kg, Liter, qm, Anzahl Buchungen oder Anzahl Rechnungen), Zeiteinheiten (Maschinenstunden, Fertigungsstunden) oder Hilfsgrößen (Anzahl Personen) verwendet.
3.1 Operative Planung
133
Indirekte Bezugsgrößen werden gewählt, wenn sich die Leistung einer Kostenstelle nicht quantifizieren lässt oder die Erfassung der Istbezugsgröße unwirtschaftlich wäre. Kilger unterscheidet drei Arten indirekter Bezugsgrößen:56 1. Kostenartenbeträge (z. B. Materialkosten) als Bezugsgröße. 2. Bezugsgrößen, die aus den Herstellkosten der verkauften Erzeugnisse abgeleitet werden (z. B. werden die Vertriebsgemeinkosten in Prozent der Herstellkosten des Umsatzes ermittelt). 3. Wertdeckungsbezugsgrößen, die retrograd auf der Grundlage von Bezugsgrößen anderer Kostenstellen ermittelt werden. In Abb. 3.33 werden die Kosten der Arbeitsvorbereitung über die Bezugsgrößen der Endkostenstellen Dreherei (Maschinenstunden) und Fräserei (Fertigungsstunden) geplant, die beide Leistungen der Arbeitsvorbereitung in Anspruch nehmen. Die Leistung der Arbeitsvorbereitung für die Dreherei verursacht z. B. Plankosten von 300.000 €. Insgesamt beträgt die Planbeschäftigung der Dreherei 1.000 Maschinenstunden. Pro Maschinenstunden fallen also 300 € Kosten der Arbeitsvorbereitung an. Für jede Fertigungsstunde der Fräserei fallen 100 € Kosten der Arbeitsvorbereitung an. Abhängig von der Beschäftigung der Endkostenstellen kann man nun die Sollkosten der Arbeitsvorbereitung bestimmen. Ist die Dreherei 800 Stunden und die Fräserei tatsächlich 1.900 Stunden beschäftigt, führt das zu Sollkosten in Höhe von 430.000 € für die Arbeitsvorbereitung.
Arbeitsvorbereitung
Dreherei 300.000 €
Plan-Beschäftigung: 1.000 Maschinenstunden
Abstimmung
300 € pro Maschinenstunde
Geplanter Kostenanfall: 500.000 €
Fräserei 200.000 € Abstimmung
Plan-Beschäftigung: 2.000 Fertigungsstunden
100 € pro Fertigungsstunde
Abb. 3.33: Beispiel für eine Wertdeckungsbezugsgröße 56
Kilger, W., Pampel, J., Vikas, K., Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung. 12. Aufl., Wiesbaden 2007.
134
3 Operatives Controlling
In der Praxis ist es schwierig, eine für die Kostenverursachung gut geeignete Größe zu finden, die sich proportional zu den variablen Kosten der Kostenstelle verhält. Häufig wird nur ein Teil der variablen Kosten mit der Beschäftigung einer bestimmten Bezugsgröße variieren. In diesem Fall liegt eine heterogene Kostenverursachung vor (vgl. Abb. 3.34). Dann ist es sinnvoll, mehrere Bezugsgrößen für eine Kostenstelle zu wählen. Beispiele, bei denen eine Bezugsgröße nicht ausreicht, sind: Unterschiedliche Bedienungsverhältnisse an einer Maschine. In diesem Fall wählt man die Bezugsgrößen Maschinenstunden und Arbeiterstunden. Unterschiedliche Einsatzstoffe an einer Maschine. Abhängig davon, ob man z. B. Stahlrohr- oder Aluminiumrahmen bohrt, werden unterschiedliche Mengen Energie und Kühlmittel verbraucht. Dementsprechend sind die Bezugsgrößen Bohrstunde Aluminium und Bohrstunde Stahlrohr festzulegen. Kostenverursachung
homogen
heterogen
alle variablen Kosten verhalten sich proportional zu einer Bezugsgröße
nicht alle variablen Kosten verhalten sich proportional zu einer Bezugsgröße
eine Bezugsgröße pro Kostenstelle erforderlich
mehrere Bezugsgrößen pro Kostenstelle erforderlich
Abb. 3.34: Homogene und heterogene Bezugsgrößen57 Grundsätzlich sollten jedoch wegen des Aufwands nicht mehr Bezugsgrößen verwendet werden, als für eine wirksame Kostenkontrolle und Kalkulation erforderlich sind. Beispiel Flitzer AG: Im Lager fallen Kosten für Transportlöhne, Versicherungsprämien und kalkulatorische Zinsen an. Eine Analyse zeigt, dass die Löhne von der Anzahl der Aus- und Einlagerungsvorgängen, die Versicherungsprämien und die kalkulatorischen Zinsen von den Materialkosten abhängen. Eigentlich müsste man aufgrund der heterogenen 57
Däumler, K.-D., Grabe, J., Kostenrechnung 3 ⎼ Plankostenrechnung und Kostenmanagement. 8. Aufl., Herne/Berlin 2009, S. 70 ff.
3.1 Operative Planung
135
Kostenverursachung zwei Bezugsgrößen wählen. Der Controller möchte jedoch den Planungsaufwand gering halten und entscheidet sich deswegen für die Materialeinzelkosten als einzige Bezugsgröße. Durch sie wird der größte Teil des Kostenanfalls (Versicherungsprämien und die kalkulatorischen Zinsen) beeinflusst. Zwischen der Größe der Kostenstellen und der Anzahl der Bezugsgrößen besteht ein Substitutionsverhältnis: Je größer die Kostenstelle, desto eher liegt eine heterogene Kostenverursachung vor und desto eher muss man deshalb mehrere Bezugsgrößen wählen. Wird die Kostenstelleneinteilung sehr differenziert auf Kostenplatzebene durchgeführt, so reicht häufig eine Bezugsgröße aus. Beispiel Flitzer AG: Die Kostenstelle Bohrerei der Flitzer AG weist für die Bearbeitung der Fahrradrahmen im Monat Juni die folgenden Plan- und Istwerte auf. Für die Bearbeitungszeit wurden insgesamt 30.000 € und für die Rüstzeit 6.000 € Plankosten pro Periode ermittelt. Des Weiteren liegen folgende Plandaten vor: Teilbezeichnung
Ausführungszeit Rüstzeit (Stunden/Periode) (Stunden/Periode) Rahmen Gelände 100 50 Rahmen Scott 11 40 Rahmen Ulrich 45 35 Rahmen Straße 34 15 Rahmen Allround 46 10 Gesamt 236 150
Abb. 3.35: Plandaten für die Ermittlung der Sollkosten Tatsächlich wurden für den Juni die folgenden Istdaten festgestellt: Teilbezeichnung
Ausführungszeit Rüstzeit (Stunden/Periode) (Stunden/Periode) Rahmen Gelände 100 50 Rahmen Straße 71 25 Rahmen Allround 92 17 Gesamt 263 92
Abb. 3.36: Istdaten für die Ermittlung der Sollkosten Der Controller ermittelt zunächst die Sollkosten unter Verwendung der Bezugsgröße Ausführungszeit. Er dividiert die gesamten Plankosten von 36.000 € durch die geplante Ausführungszeit von 236 Stunden. Als Ergebnis resultieren Plankosten von
136
3 Operatives Controlling
152,54 € pro Bearbeitungsstunde. Multipliziert man diesen Verrechnungssatz mit der Ist-Bearbeitungszeit von 263 Stunden, so erhält man Sollkosten in Höhe von 40.118 €. Alternativ möchte er die Plan- und Sollkosten differenziert für die Bearbeitungszeit und den Rüstaufwand ausweisen. Auf die reine Bearbeitungszeit entfallen 127,12 € Plankosten pro Stunde (30.000 € / 236 Stunden). Die Plankosten der Rüstzeit betragen 40,00 € pro Rüststunde (6.000 € / 150 Rüststunden). Die Sollkosten der Bearbeitungszeit betragen 33.433 € (127,12 € x 263 Stunden). Für die Sollkosten der Rüstzeit errechnet der Controller 3.680 € (40 € x 92 Stunden). Insgesamt errechnet er für die Beschäftigung beider Bezugsgrößen zusammen Sollkosten von 37.113 €. Bei Verwendung einer Bezugsgröße würden also 3.005 € oder ca. 8,1 Prozent Sollkosten zu viel vorgegeben. Die Verwendung einer Bezugsgröße kann nur korrekt sein, wenn stets ein konstantes Verhältnis zwischen Bearbeitungs- und Rüststunden vorliegt. Im Beispiel ist diese Bedingung nicht erfüllt. 3.1.2.1.4.3 Planung der Beschäftigung Um festzulegen, wie viele Fertigungsstunden in einer Kostenstelle pro Monat geleistet werden sollen, gibt es zwei Verfahren. Bei der Kapazitätsplanung wird für jede Kostenstelle die Bezugsgröße entsprechend der individuellen Kapazität ermittelt. Es erfolgt keine Abstimmung mit anderen Kostenstellen. Diese Vorgehensweise hat eine tendenziell überhöhte Beschäftigung und damit zu niedrige Verrechnungssätze zur Folge. Die Engpassplanung legt für die Ermittlung der Planbeschäftigung einer Kostenstelle den betrieblichen Engpass zugrunde. Häufig bildet die Absatzmenge den Engpass. In diesem Fall wird der Kostenplan aus dem Absatzplan abgeleitet. Ausgehend von den Planmengen der Erzeugnisse ermittelt man mittels der Stücklisten und Arbeitspläne die Beschäftigung je Kostenstelle und Bezugsgrößenart. Daraus resultiert die planmäßige Auslastung aller Endkostenstellen. Sie bildet die Grundlage, um notwendige Leistungen von Vorkostenstellen zu quantifizieren. Auf diese Weise bestimmt man retrograd auch die Beschäftigung der Vorkostenstellen. In Kostenstellen, wie z. B. Verwaltung, Einkauf, Forschung und Entwicklung, besteht zwischen der Beschäftigung und der Gemeinkostenhöhe nur ein geringer Zusammenhang, da der größte Teil der Kosten fix ist. Deswegen werden dort die Gemeinkosten direkt in Form eines Budgets vorgegeben. Sie werden für eine angenommene Leistungshöhe durch Fortschreibung oder Schätzung geplant. Für Kostenstellen mit einem erheblichen Budget ist es anzuraten, analytische Verfahren wie Zero-Base-Budgeting oder die Gemeinkostenwertanalyse (vgl. die folgenden Abschnitte 3.1.2.1.6 und 3.1.2.1.7) einzusetzen. Sie sind wohl sehr aufwendig, führen aber zu einem genaueren Ergebnis.
3.1 Operative Planung
137
3.1.2.1.4.4 Planung der Gemeinkosten und Ermittlung der Gemeinkostensätze Die Beschäftigung einer Kostenstelle ermöglicht es, das voraussichtliche Mengengerüst für die Kostenarten zu abzuschätzen. Folgende Daten sind z. B. zu erheben: Anzahl der direkten und indirekten Mitarbeiter je Kostenstelle Verbrauchsdaten für Kraftstrom, Wasser, Druckluft usw. je Kostenstelle Betriebsmittelausstattung je Kostenstelle Das Mengengerüst führt zu den voraussichtlichen Kosten. Werden z. B. zwei Gehaltsempfänger geplant, können deren Kosten schnell errechnet werden. Die Gemeinkostenplanung kann global je Kostenstelle und Bezugsgrößenart oder differenziert kostenartenweise je Kostenstelle und Bezugsgrößenart erfolgen. Letztere Möglichkeit ist zu empfehlen. Je weiter die gegenwärtige Istbeschäftigung und die Planbeschäftigung auseinanderliegen, desto schwieriger wird die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten. Eine wesentliche Ursache ist das Phänomen der sprungfixen Kosten, die innerhalb eines Beschäftigungsintervalls konstant bleiben und bei Überschreiten sprunghaft ein neues Niveau annehmen (vgl. Abschnitt 4.1.3.1). Dieses Phänomen tritt z. B. dann auf, wenn ab einer bestimmten Beschäftigung ein Mitarbeiter zusätzlich eingestellt werden muss. Beispiel Flitzer AG: Im laufenden Jahr waren in der Kostenstelle Montage der Flitzer AG acht Maschinen, 20 direkte Mitarbeiter und fünf Einsteller beschäftigt. Die Werkzeugkosten beliefen sich auf 37.000 €/Monat, die Istbeschäftigung lag bei 2.440 Stunden/Monat. Für das nächste Jahr wurde eine Planbeschäftigung von 2.100 Stunden/Monat ermittelt. Der Controller plant die Gemeinkosten in diesem Fall auf einem von der Wirklichkeit abweichenden Niveau. Deshalb muss er in enger Abstimmung mit dem Leiter der Kostenstelle das für die Planbeschäftigung nötige Mengengerüst ermitteln. Es kann sich z. B. herausstellen, dass für die geplante Leistung von 2.100 Stunden/Monat weiterhin fünf Einsteller notwendig sind. Erst ab einer Leistung von weniger als 2.000 Stunden/Monat würden vier Einsteller genügen. Es handelt sich in diesem Fall um sprungfixe Kosten, die nicht proportional mit der Leistungsmenge abgebaut werden können. Die Festlegung der Werkzeugkosten und der direkten Mitarbeiter ist dagegen unproblematisch, da sie proportional zu den Montagestunden anfallen. Ein weiteres Problem der Gemeinkostenplanung ist die Kostenauflösung gemischter Kostenarten, wie z. B. der Energiekosten, die aus einem fixen Grundtarif und einem variablen verbrauchsabhängigen Leistungstarif bestehen. In solchen Fällen
138
3 Operatives Controlling
müssen die fixen und variablen Bestandteile der Kosten ermittelt werden. Dafür kann man verschiedene Methoden der Kostenauflösung einsetzen (vgl. Abschnitt 4.1.3.1). Die vielen Besonderheiten der Planung einzelner Kostenarten sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Weiterführende Ausführungen zur Planung der Personalkosten, der Hilfs- und Betriebsstoffkosten, der Energie-, Werkzeug-, Abschreibungs-, Instandhaltungs- und kalkulatorischen Zinskosten sind bei Kilger nachzulesen.58 Das Ergebnis der Gemeinkostenplanung wird in Kostenstellenplänen festgehalten (vgl. Abb. 3.37). Sie werden pro Kostenstelle und Bezugsgröße erstellt und enthalten einen Kopfteil mit allgemeinen Angaben zur Kostenstelle, einen Hauptteil mit den Plankosten (differenziert nach gesamt, variablen und fixen Anteilen) und den Fußteil mit Plankostensumme und Plankostensatz (jeweils getrennt nach gesamt, variabel und fix). Der Plankostensatz wird wie folgt ermittelt: Plankostensumme der Kostenstelle Planbeschäftigung
Beispiel Flitzer AG: Der Controller der Flitzer AG hat den Kostenplan für die Bohrerei erstellt. Dabei ist für die Planung der Position 4815 „Kalk. Zinsen“ zu beachten, dass der kalkulatorische Zinssatz sieben Prozent beträgt. Durchschnittlich ist die Hälfte des Kapitals gebunden. Deswegen ergibt sich eine jährliche Kapitalbindung von 240.000 € (die Hälfte von 480.000 €). Wird dieser Wert mit dem monatlichen Zinssatz (sieben Prozent dividiert durch 12) multipliziert, erhält man die kalkulatorischen Zinsen für den Monat Juni in Höhe von 1.400 €.
58
Kilger, W., Pampel, J., Vikas, K., Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung. 12. Aufl., Wiesbaden 2007, S. 396 ff.
3.1 Operative Planung
139
Kostenstelle: Bohrerei
Flitzer AG
KOSTENPLAN Monat: Juni
Bezeichnung 4711 Kostenarten Nr.
Bezeichnung
4100 4110 4120 4130 4140 4831 4150 4832 4200 4300 4400 4810 4815 4820 4825 4880
Fertigungslöhne Zusatzlöhne für Akkord Hilfslöhne Lohnzulagen (Schicht) Lohnzuschläge (Überstunden) Kalk. Sozialkosten Lohn Gehälter Kalk. Sozialkosten Gehalt Hilfs- und Betriebsstoffe Werkzeugkosten Instandhaltungskosten Kalk. Abschreibungen Kalk. Zinsen Kalk. Raumkosten Kalk. Energiekosten Kalk. Leitungskosten
Kostenstellenleiter Unterschrift, Datum
Kostenplaner Unterschrift, Datum
Mengen- Menge €/ME Einheit (ME) 350 20 STD 7.000 0,03 € 114 22 STD 9.710 0,075 € 80 5 STD 10.838 0,75 € 57 35 STD 1.995 0,8 € 480.000 7%/24 € 50 20 QM 8.667 0,15 KWH -
Verantwortlicher: H. Baier Planbeschäftigung: 236 Maschinenstunden Plankosten in € gesamt variabel 7.000 210 2.500 728 400 8.128 1.995 1.596 400 1.000 800 2.500 1.400 1.000 1.300 3.000
7.000 210 1.800 728 400 7.600 0 0 300 1.000 700 1.800 0 0 1.000 0
fix 0 0 700 0 0 528 1.995 1.596 100 0 100 700 1.400 1.000 300 3.000
Plankostensumme in €
33.957 22.538 11.419
Planbeschäftigung
236 Maschinenstunden
Plankostensätze in €
143,89
95,50
48,39
Abb. 3.37: Kostenstellenplan 3.1.2.1.4.5 Herstellkostenplanung Plankalkulation Mit der Plankalkulation werden die Herstellkosten eines lagerfähigen Eigenfertigungsteils auf der Basis von Planmengen und -werten ermittelt. Neben Kosteninformationen bilden vor allem Daten aus dem Produktionsplanungs- und Produktionssteuerungsbereich die Kalkulationsgrundlage (vgl. Abb. 3.38).
140
3 Operatives Controlling
Stücklistenauflösung
Kalkulation
Stückliste
Baugruppe
Teil
Stücklisten
Teil
Teil
Materialeinzelkosten Menge x Wert
Teilestämme
+ Materialgemeinkosten
Arbeitspläne
+ Fertigungseinzelkosten Menge x Vorgabezeit x Lohnsatz
Kostenpläne
+ Fertigungsgemeinkosten Menge x Bezugsgrößenmenge/Stück x Plankostensatz = Herstellkosten + Verwaltungsgemeinkosten + Vertriebsgemeinkosten = Selbstkosten
Abb. 3.38: Datenquellen für die Plankalkulation59 Datenquellen für die Planung der Einzelkosten sind: Stücklisten (Erzeugnisstrukturen) Arbeitspläne mit den Arbeitsgängen, den zu benutzenden Betriebsmitteln und den zugehörigen Zeiten Teilestämme Kostenpläne mit den Zuschlags- und Verrechnungssätzen der Kostenstellen 59
Mertens, P., Integrierte Informationsverarbeitung 1: Operative Systeme in der Industrie. 15. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 236 ff.
3.1 Operative Planung
141
Die Daten für die Planung der Gemeinkosten liefert die Kostenstellenrechnung in Form gültiger Kosten pro Leistungseinheit (z. B. pro Fertigungsminute). Die Zeiten der Arbeitspläne können dadurch mit den geplanten Kostenstellensätzen bewertet werden. Um ein Produkt neu zu kalkulieren, wird das Erzeugnis mithilfe der Stückliste in alle Einzelteile aufgelöst. Die Kosten der Einzelkomponenten werden anschließend kalkuliert. Zuletzt durchwandert das Kalkulationsprogramm die Erzeugnisstruktur von unten nach oben, vom Fremdbezugsteil zum Fertigerzeugnis. Es fügt Bauteil für Bauteil zusammen und ermittelt dabei die aggregierten Kalkulationswerte. Die Kosten der Baugruppen können gespeichert werden. Bei der Kalkulation verwandter Erzeugnisse kann man dann auf die bereits gespeicherten Werte zurückgreifen.60 Beispiel Flitzer AG: Der Controller der Flitzer AG erstellt die Plankalkulation für das Fahrrad Gelände. Zunächst vergewissert er sich, dass die Abteilung Arbeitsvorbereitung die aktuellen Arbeitspläne und Stücklisten sowie die Abteilung Einkauf die Teilestämme im Planungssystem hinterlegt haben. Die Stücklistenauflösung zeigt alle Baugruppen und Einzelteile, aus denen sich das Fahrrad Gelände zusammensetzt. Jede einzelne Baugruppe wird kalkuliert. Eine Baugruppe besteht z. B. aus den beiden Rädern des Fahrrads inklusive der Montage. Die Felgen, Schläuche, Ventile und Mäntel werden extern von einem Lieferanten bezogen. Der Einstandspreis ist im Teilestamm hinterlegt. Abb. 3.39 verdeutlicht, wie das Kalkulationsprogramm die Herstellkosten für diese Komponente errechnet: Position Materialeinzelkosten Materialgemeinkosten Fertigungseinzelkosten Fertigungsgemeinkosten
Unterposition Menge Wert
Menge Vorgabezeit Lohnsatz Menge Bezugsgrößenmenge Verrechnungssatz
Quelle Stückliste Teilestamm Kostenstellen Stückliste Arbeitsplan Arbeitsplan Stückliste Arbeitsplan
Wert 2 Räder 20 €/Rad 10 Prozent 2 Räder 5 Minuten/Rad 0,5 €/Minute 2 Räder 7 Minuten/Rad
Kosten 40 € 4€ 5€
28 € Kostenstellen
2 €/Minute
Herstellkosten
77 €
Abb. 3.39: Beispiel für eine IT-gestützte Kalkulation 60
Mertens, P., Integrierte Informationsverarbeitung 1: Operative Systeme in der Industrie. 15. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 226 ff.
142
3 Operatives Controlling
Durch Multiplikation der Teilewerte (insgesamt 20 € pro Rad) mit dem Bedarf (zwei Räder) errechnet das System die Materialeinzelkosten (40 €). Aus dem Kostenstellenplan wird der Zuschlagssatz für die Materialgemeinkosten (zehn Prozent) ausgelesen, sodass die Materialkosten insgesamt 44 € betragen. Die Fertigungseinzelkosten werden errechnet, indem die Vorgabezeit für die Rädermontage (fünf Minuten) und der Lohnsatz der eingesetzten Arbeiter (0,5 € pro Minute) aus dem Arbeitsplan entnommen werden. Auch bei dieser Position muss der Wert noch mit der Menge aus der Stückliste multipliziert werden (es sind zwei Räder zu montieren). Die Fertigungseinzelkosten belaufen sich also im Beispiel auf fünf Euro. Für die Bestimmung der Fertigungsgemeinkosten benötigt man zunächst den Plankostensatz der Montagestelle. Er ist im Kostenstellenplan hinterlegt und beträgt zwei Euro pro Minute. Aus dem Arbeitsplan ist bekannt, dass die Montage eines Rads sieben Minuten beträgt. Für zwei Räder ergeben sich daraus Fertigungsgemeinkosten von 28 €. Aufgrund der bisherigen Angaben können die Herstellkosten ermittelt werden (77 €). Zuletzt werden die Zuschlagssätze für Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten (jeweils zehn Prozent) aus den entsprechenden Kostenstellenplänen gelesen. Sie führen zu Selbstkosten von 92,40 € für die Baugruppe Räder. Zu diesem Wert werden die Selbstkosten der anderen Baugruppen und die Beschaffungskosten der Fremdbezugsteile addiert. Sie fließen in höher aggregierte Baugruppen der Stückliste ein. Die Plankalkulation beruht auf Annahmen des Produktionsablaufs, die sich während des Jahres ändern können. Abweichungen von der geplanten Seriengröße, den Energietarifen und Lohnsätzen, andere Fertigungsverfahren oder Änderungen der Produktstruktur machen u. U. eine Ergänzungskalkulation notwendig. Um die Auswirkung der wertmäßigen Veränderung einer Kostenart auf ein Teil bzw. eine Baugruppe schnell abschätzen zu können, kann die Primärkalkulation gewählt werden. Dabei wird jede Kostenart über alle Fertigungsstufen hinweg separat gespeichert. Man kann z. B. feststellen, wie viel Energiekosten ein Erzeugnis enthält und welche Auswirkung eine Verteuerung der Energie um zehn Prozent auf den Kalkulationswert hätte. Die Kalkulation in der Grenzplankostenrechnung beinhaltet keine fixen Kosten. Für manche Zwecke ist jedoch die Kenntnis der vollen Kosten notwendig. Deshalb wird eine parallele Kalkulation nach Voll- und Grenzkosten empfohlen. Durch einen gesonderten Verrechnungsschritt werden auch die fixen Kosten einer leistenden Kostenstelle im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung den verbrauchenden Stellen weiterverrechnet. Auf diese Weise erhält man Vollkostenverrechnungssätze. Vorkalkulation Die Vorkalkulation wird kurzfristig für einen Kostenträger oder Auftrag durchgeführt. Man wendet sie vor allem bei Einzel- und Kleinserienfertigung (z. B. im Maschinenbau) oder für Projekte an. Die Ergebnisse der Vorkalkulation werden durch
3.1 Operative Planung
143
die Nachkalkulation überprüft. Großserien- oder Massenfertiger, die eine Plankalkulation erstellen, verzichten auf die Nachkalkulation. Stattdessen erfolgt die Kontrolle durch periodenbezogene Soll-Ist-Vergleiche der Herstellkosten. Da am Anfang nur wenige, häufig auch unsichere Daten verfügbar sind, sollte zunächst eine grobe Angebotsvorkalkulation erstellt werden:61
Der Auftrag bzw. das Projekt wird in einzelne Bestandteile gegliedert. Für die Fremdteile müssen Angebote eingeholt werden. Für bereits gefertigte Positionen werden die gespeicherten Kosten abgerufen. Die Herstellkosten für nicht standardisierte Positionen muss man schätzen oder mithilfe von Näherungsverfahren errechnen. Bei größeren Aufträgen muss deren Bearbeitungsdauer bestimmt werden, um Kostenerhöhungen zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Selbstkosten umfasst folgende Positionen: + + + + + =
Herstellkosten für selbst erstellte Positionen Beschaffungskosten für fremd bezogene Positionen Kosten der Endmontage Gewährleistungsrisiken Verwaltungs- und Vertriebskosten Finanzierungskosten und Währungsrisiken Selbstkosten
Sobald der Auftrag erteilt wurde, ist mit der genauen Auftragsvorkalkulation zu beginnen. Im Gegensatz zur Angebotskalkulation wird nun auf der Basis exakter Mengendaten kalkuliert. Für die Durchführung eines Vergleichs zwischen Angebots- und Auftragsvorkalkulation ist eine in den Hauptpositionen identische Gliederung beider Kalkulationen einzuhalten. 3.1.2.1.5
Erlös- und Ergebnisplanung
Eine differenzierte Erlösplanung sollte sich an den Gliederungsmerkmalen der Ergebnisrechnung orientieren. Die Erlöse können nicht nur nach Kostenträgern, sondern auch nach Absatzgebieten, Kunden oder Vertriebsformen ausgewiesen werden. Zusätzlich sollten die wichtigsten Erlöskomponenten ermittelt werden (vgl. Abb. 3.40).62
61
62
Kilger, W., Pampel, J., Vikas, K., Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung. 12. Aufl., Wiesbaden 2007, S. 535 ff. Die Kalkulation von Projekten wird bei Fiedler, R., Controlling von Projekten. 5. Aufl., Wiesbaden 2010, S. 133 ff. erläutert. Männel, W., Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung. Hallstadt o.J., S. 115.
144
3 Operatives Controlling Basiserlös - Erlösminderungen (z. B. für Mengenrabatte, Funktionsrabatte) Vorläufiger Nettoerlös - Erlösberichtigungen (z. B. Kundenskonti, Boni, Debitorenausfälle) Endgültiger Nettoerlös
Abb. 3.40: Erlöskomponenten Der Basiserlös entspricht dem Listenpreis eines Produkts. Bei den Erlösminderungen sind zwei unterschiedliche Rabattverfahren zu beachten: Bei einem angestoßenen Rabatt werden die Rabattsätze jeweils ab einem bestimmten Abnahmewert gewährt. Ein Kunde, der einen Jahresumsatz von 550.000 € erzielt, erhält z. B. für die ersten 200.000 € 2,5 Prozent, für die zweiten 200.000 € fünf Prozent und für die restlichen 150.000 € 7,5 Prozent Mengenrabatt. Im Falle der angestoßenen Rabatte tritt das Problem auf, dass in den ersten Monaten geringere Rabatte zu planen wären als zum Jahresende. Dadurch würde das Betriebsergebnis am Anfang des Jahres zu gut dargestellt. Um dies zu vermeiden, sollte man aufgrund der geschätzten Jahresumsätze durchschnittliche Rabattsätze ermitteln. Der gewogene durchschnittliche Rabattsatz beträgt im Beispiel 5,25 Prozent. Der durchgerechnete Rabatt bezieht sich auf den gesamten Umsatz. Bezieht z. B. ein Kunde Waren im Wert von 100.000 €, so erhält er bei einem Rabatt von zehn Prozent einen Preisnachlass von 10.000 €. Funktionsrabatte werden gewährt, wenn der Kunde bestimmte Aufgaben (z. B. die Lagerung von Waren) übernimmt. Die Erlösplanung kann durch verschiedene Instrumente der Deckungsbeitragsrechnung, wie z. B. der Break-Even-Analyse, unterstützt werden (vgl. Abschnitt 4.1.5). 3.1.2.1.6
Zero-Base-Budgeting (ZBB)
Zero-Base-Budgeting ist eine Methode für die Planung der Gemeinkosten. Mit diesem vergleichsweise aufwendigen Budgetierungsverfahren verfolgt man das Ziel, Gemeinkosten zu senken und die Ressourcen im Unternehmen optimal zu verteilen. Es werden ohne Rücksicht auf Entscheidungen und Budgets der Vergangenheit (ausgehend von Null) alle Kostenstellen bis zum kleinsten Gemeinkostenbereich analysiert (ausgehend von der Basis). Der Ablauf wird in Abb. 3.41 gezeigt:
3.1 Operative Planung
Vorbereitung (2 Wochen)
Analyse und Planung (14 Wochen)
145
• Festlegung der Projektziele • Festlegung der Untersuchungsbereiche
• • • • • • •
Festlegung interner Entscheidungseinheiten und deren Ziele Bestimmung von Ergebnisniveaus für jede Abteilung Ermittlung von Verfahren zur Zielerreichung Ermittlung der Kosten Definition von Entscheidungspaketen Festlegung einer Rangordnung Entscheidung über Mitteleinsatz und Budgetschnitt
Festlegung konkreter Maßnahmen (12 Wochen)
Realisierung und laufende Überwachung
Abb. 3.41: Vorgehensweise bei Zero-Base-Budgeting-Projekten Nach Festlegung der Projektziele und des Untersuchungsbereichs bildet man für eine genauere Analyse sogenannte Entscheidungseinheiten. Wurde das Finanz- und Rechnungswesen als Untersuchungsbereich ausgewählt, könnten die Entscheidungseinheiten die einzelnen Abteilungen für Kreditorenbuchhaltung, Debitorenbuchhaltung, Kostenrechnung und Controlling sein. Auf Abteilungsebene müssen jeweils drei Ergebnisniveaus definiert werden (vgl. Abb. 3.42). Pro Ergebnisniveau sind mindestens zwei Verfahren für die Zielerreichung und die zugehörigen Kosten zu ermitteln. Auf dieser Grundlage werden Entscheidungspakete definiert. Das sind die jeweils günstigsten Verfahren der Ergebnisniveaus. Die Entscheidungspakete aller Entscheidungseinheiten des Untersu-
146
3 Operatives Controlling
chungsbereichs werden in eine Rangordnung gebracht. Kriterium ist ein möglichst optimales Verhältnis von Kosten und Nutzen. Dabei gilt grundsätzlich, dass Entscheidungspakete mit niedriger Niveaustufe zuerst eingeordnet werden. Ist das Budget groß genug, werden danach auch die Entscheidungspakete mit einem höheren Ergebnisniveau und deren zusätzliche Kosten eingeplant. Wenn die finanziellen Mittel zur Realisierung der Entscheidungspakete ausgeschöpft sind, wird ein Budgetschnitt vorgenommen. Abb. 3.43 verdeutlicht die Vorgehensweise.
NiveauBeschreibung stufe Minimal- Gerade noch akzeptaniveau bles Arbeitsergebnis Normalniveau Verbesserungsniveau
Entspricht dem Istzustand nach Rationalisierung Geht über das Normalniveau hinaus und stellt strategischen Nutzen dar
KostenBeispiel Prognose in % Abteilung Kostenrechnung 65 Umsatz- und Ergebnisdaten liegen drei Wochen nach Monatsende vor. 95 Umsatz- und Ergebnisdaten liegen fünf Tage nach Monatsende vor. 115 - 120 Tagesaktuelle Umsatzdaten, wöchentliche Ergebnisberichte, Einführung eines ManagementInformationssystems
Abb. 3.42: Beispiel für die Definition von Ergebnisniveaus für die Abteilung Kostenrechnung
3.1 Operative Planung
147
Entscheidungspakete Buchhaltung
Kostenrechnung
Controlling
B3 C3 K3 B2
C2 K2
B1
K1
C1
Kosten
.. .
K2 B1 K1
C1
Genehmigte Entscheidungspakete
C2
Budgetschnitt
Abb. 3.43: Rangordnung der Entscheidungspakete und Budgetschnitt 3.1.2.1.7
Gemeinkostenwertanalyse (GWA)
Mit der Gemeinkostenwertanalyse wird das Ziel verfolgt, das Verhältnis von Kosten und Nutzen von Verwaltungsleistungen zu verbessern. Gemeinkosten werden abgebaut, indem man auf unnötige Leistungen verzichtet und notwendige Leistungen rationeller erbringt. Der Ablauf einer Gemeinkostenwertanalyse ist genau festgelegt. In Abb. 3.44 wird die Vorgehensweise skizziert.
148
3 Operatives Controlling
• Projektplanung, Schulung der Beteiligten • Information über Ziele und Vorgehensweise der GWA Vorbereitung
Analyse
• • • •
Festlegung der Leistungen und Kostenschätzung Entwicklung von Einsparungsideen Beurteilung der Realisierbarkeit Auswahl geeigneter Maßnahmen
• Umsetzung der Maßnahmen • Überwachung der Maßnahmen Realisierung
Abb. 3.44: Vorgehensweise bei einer Gemeinkostenwertanalyse Zur Vorbereitung der Gemeinkostenwertanalyse gehört der Aufbau der Projektorganisation. Für die Dauer der Gemeinkostenwertanalyse wird ein Projektleiter berufen. Er ist fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter aller Projektmitarbeiter in den Analyseteams. Seine Aufgaben sind die Planung, Koordination und Kontrolle der Projektaktivitäten. Unterstützt wird er von einem externen Berater, der methodisches Know-how zur Verfügung stellt, entsprechende Schulungen durchführt und als Moderator fungiert. Die Analyseteams bestehen aus zwei bis drei Mitarbeitern, die für das Projekt abgestellt wurden. Jedes Analyseteam ist für eine zu untersuchende Organisationseinheit zuständig und unterstützt deren Leiter bei der Findung von Einsparungsideen und Prüfung der gefundenen Maßnahmen. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist, von Anfang an offen über die Ziele, die Vorgehensweise und die Konsequenzen zu informieren. Vor allem der Betriebsrat sollte frühzeitig mit in die Planungen einbezogen werden. Das Verfahren der Gemeinkostenwertanalyse führt häufig zu Personalabbau. Sozialverträgliche Maßnahmen wie Ausnutzung der natürlichen Fluktuation, Abfindungs- und Vorruhestandsprogramme sollten deswegen geplant und kommuniziert werden, um die Ängste der Mitarbeiter zu verringern.
3.1 Operative Planung
149
Die Projektorganisation kann nach Abschluss der Analyse aufgelöst werden. Die Realisierung wird von den Abteilungen der Linienorganisation übernommen. Die Analyse ist die wichtigste Phase der Gemeinkostenwertanalyse. Um die Termine exakt einzuhalten, werden die einzelnen Analyseschritte im Rahmen der Vorbereitung sehr genau geplant. Die Analyse wird in bis zu sechs Takte unterteilt (vgl. Abb. 3.45; aufgeführt sind drei Takte). Monate 1
2
3
4
5
6
Vorbereitung Analyse Takt 1 Takt 2 Takt 3 Realisierung
Wochen von Takt 1 1
2
3
4
Festlegung der Leistungen und Kostenschätzung Entwicklung von Einsparungsideen Beurteilung der Realisierbarkeit Auswahl geeigneter Maßnahmen
Abb. 3.45: Zeitlicher Ablauf einer Gemeinkostenwertanalyse Jeder Takt dauert vier Wochen und beinhaltet vier festgelegte Aktivitäten mit einer Dauer von jeweils einer Woche:
150
1. 2. 3. 4.
3 Operatives Controlling
Festlegung der Leistungen und Kostenschätzung Entwicklung von Einsparungsideen Beurteilung der Realisierbarkeit Auswahl geeigneter Maßnahmen
Nach jeder der vier Aktivitäten wird eine Besprechung angesetzt, an der das Analyseteam und der Leiter der untersuchten Organisationseinheit teilnehmen. Tagesordnungspunkte sind die Diskussion der Ergebnisse und die Abstimmung des weiteren Vorgehens. Für einen festgelegten Zeitraum müssen die durchschnittliche Personalkapazität und die Kosten ermittelt werden. In der Regel bezieht man sich dafür auf das letzte Geschäftsjahr. Für die verfügbare Personalkapazität werden nicht alle Mitarbeiter berücksichtigt. Auszubildende, Praktikanten oder Mitarbeiter im Erziehungsurlaub rechnet man nicht. Teilzeitkräfte werden anteilig berücksichtigt. Dauerhafte Überstunden sollten in die Berechnung einfließen. Die Kosten umfassen Personal- und Sachkosten. Personalkosten errechnet man durch Multiplikation der Personentage mit dem durchschnittlichen Tagessatz für einen Mitarbeiter einer bestimmten Qualifikation. Der Tagessatz enthält auch anteilige Kosten des Arbeitsplatzes und Personalnebenkosten. Sachkosten sind z. B. Leasingkosten für Geräte oder Honorare für externe Berater. Vom Leiter der untersuchten Organisationseinheit müssen die einzelnen Leistungen der Organisationseinheit angegeben werden. Ergänzend sind die Empfänger der Leistungen, die Häufigkeit der Leistungserbringung und die dafür erforderliche Personalkapazität (in Personentagen) auszuweisen. Mit diesen Angaben können die Kosten jeder Leistung errechnet werden. Ein Beispiel aus dem Bereich Finanz- und Rechnungswesen soll die Vorgehensweise verdeutlichen. Abb. 3.46 zeigt die Gliederung des Finanz- und Rechnungswesens und die Ergebnisse einer ersten Datensammlung. Als Untersuchungsbereich wird die Abteilung Kostenrechnung festgelegt.
3.1 Operative Planung
151
Anteil an GeSach- und Anzahl Anzahl samtaufgaben Personalkosten Mitarbeiter Personentage Aufgaben in % in T € 1) pro Jahr Debitorenbuchführung 10 112 4 220 Kreditorenbuchführung 40 524 8 880 Anlagenbuchführung 10 139 2 220 Kostenrechnung 20 189 4 440 Controlling 10 104 3 220 Allg. Verwaltung 10 190 2 220 Summe 100 1258 23 2200 1) Der Bereich Finanz- und Rechnungswesen umfasst insgesamt zehn Mitarbeiter. Die Spalte "Anzahl Mitarbeiter" gibt die an einer Leistung beteiligten Mitarbeiter wieder. Pro Mitarbeiter und Jahr werden 220 Personentage (=PT) gerechnet.
Abb. 3.46: Daten des Bereichs Finanz- und Rechnungswesen Abb. 3.47 enthält bereits die Leistungen und deren Kostenschätzung für die Abteilung Kostenrechnung. Man erkennt, dass vor allem die Kostenarten- und die Kostenstellenplanung kostenintensive Leistungen sind. Deswegen wählt man diese Leistungen aus, um Einsparungspotenziale zu identifizieren. Leistungen Output Stammdaten Artenplanung Stellenplanung Datenpflege
Stellen-, Artenplan Kostenplanung Kostenplanung Kostenplanung KostenBAB-Lauf ermittlung Soll-IstAbw.Vergleich ermittlung KostenAbw.berichte ermittlung
Empfänger Selbst Selbst Selbst Selbst Alle Fachabteilungen Alle Fachabteilungen Alle Fachabteilungen
Input Organisation Fachabteilung Artenplanung Diverse Daten Planung, Istkosten
Anzahl/ Frequenz
Summe PT/Jahr
% vom Kosten T€ AB
1 pro Jahr
22
5,0
9,5
1 pro Jahr
99
22,5
42,5
1 pro Jahr
132
30,0
56,7
3 pro Jahr
33
7,5
14,2
12 pro Jahr
55
12,5
23,6
12 pro Jahr
44
10,0
18,9
SIV, BAB 12 pro Jahr
55
12,5
23,6
440
100
189
BAB
BAB: Betriebsabrechnungsbogen SIV: Soll-Ist-Vergleich AB: Aufgabenbereich
Abb. 3.47: Festlegung der Leistungen und Kostenschätzung am Beispiel der Abteilung Kostenrechnung
152
3 Operatives Controlling
Die Unternehmensberatung McKinsey fordert im Rahmen von Projekten der Gemeinkostenwertanalyse Einsparungen von mindestens 40 Prozent. Die Messlatte wird bewusst sehr hoch angesetzt, um alle, auch außergewöhnliche Rationalisierungspotenziale zu identifizieren und auszuschöpfen. Die Verantwortung für die Ideen zur Einsparung tragen die Leiter der analysierten Organisationseinheiten. Abb. 3.48 zeigt im Überblick, an welche Möglichkeiten der Einsparung man grundsätzlich denken sollte.
Völliger Wegfall
Reduktion der Leistungen (Selektion)
Verminderung der Qualität Verringerung von Umfang oder Dauer
Verlagerung in andere Abteilungen Outsourcing
Änderung der Aufbauorganisation
Einsparungsideen
Effizienzerhöhung der Leistungserbringung (Rationalisierung)
Neugestaltung der Prozesse
Kapazitätserhöhung der Prozesse Straffung der Prozesse
Standardisierung der Prozesse Schaffung von Arbeitserleichterung
Einsatz von Sachmitteln Einsatz organisatorischer Hilfsmittel
Abb. 3.48: Möglichkeiten zur Einsparung Vorschläge zur Optimierung im Fallbeispiel sind, die Leistung der Kostenartenplanung zu reduzieren, also z. B. nur noch auf Kostenartengruppenebene grob zu planen, und den Prozess der Kostenstellenplanung zu straffen (vgl. Abb. 3.49). Da die-
3.1 Operative Planung
153
se Maßnahmen zu negativen Konsequenzen führen würden, wird nur eine teilweise Realisierung empfohlen. Das maximale Einsparungspotenzial von 49.650 € reduziert sich dadurch auf 37.630 €. Mögliche Negative Realisierung EinsparungsEinsparungen Konsequenzen empfehlung teil- Summe Kosten Summe Kosten ja weise PT/Jah T € PT/Jahr T € Arten- LeistungsMangelnde 50,0 21,25 x 44,0 18,70 Flexibilität planung reduktion Zusätzliche ITStellen- Ablauf66,0 28,40 x 44,0 18,93 Investititonen planung straffung 116,0 49,65 88,0 37,63 Leistungen
Maßnahmen
Abb. 3.49: Einsparungsideen für die Abteilung Kostenrechnung
hoch
A
A
C
mittel
A
B
C
niedrig
Wirtschaftlichkeit
Die Vorschläge werden unter Beachtung wirtschaftlicher und risikoorientierter Kriterien von den Analyseteams auf Realisierbarkeit überprüft und in A-, B-, und CIdeen in Analogie zu einer ABC-Analyse eingeteilt. Als unterstützende Methode kann ein Ideen-Portfolio verwendet werden (vgl. Abb. 3.50).
B
B
C
niedrig
mittel
hoch
Realisationsrisiko Abb. 3.50: Ideen-Portfolio zur Beurteilung der Einsparungsideen Führen die vorgeschlagenen Maßnahmen zu geringeren Kosten als die bisherigen Lösungen und bergen sie nur ein geringes Risiko, so handelt es sich um Ideen der Kategorie „A“, sofern sie innerhalb einer bestimmten Frist uneingeschränkt realisierbar sind. Vorschläge, für die man weitere Informationen zur Beurteilung benötigt, sind B-Ideen, unrealisierbare Vorschläge werden als C-Ideen klassifiziert. Als
154
3 Operatives Controlling
zusätzliches Beurteilungskriterium kann die Realisationsdauer herangezogen werden. In der Regel sollten A-Maßnahmen innerhalb von zwei Jahren umsetzbar sein. Alle A-Ideen werden in einem Maßnahmenkatalog dokumentiert. B-Ideen können, nachdem man fehlende Informationen eingeholt und erforderliche Voraussetzungen geschaffen hat, entweder zu A-Ideen hochgestuft oder verworfen werden. Jede einzelne Maßnahme ist detailliert zu beschreiben (künftige Vorgehensweise, Voraussetzungen für die Umsetzung, Termine, Verantwortliche, Kosten und Nutzen). An der Zusammenstellung des Maßnahmenkatalogs sind die Leiter der Untersuchungseinheiten, die Analyseteams und die Leistungsnutzer beteiligt. Alle Maßnahmen müssen vom Lenkungsausschuss des Gemeinkostenwertanalyse-Projektes genehmigt werden. Dabei sollte der Betriebsrat unbedingt miteinbezogen werden. Die Realisierung der Maßnahmen muss detailliert geplant werden. Sie kann bereits nach Beendigung des ersten Taktes beginnen (vgl. Abb. 3.45) und sollte innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein. 60 bis 70 Prozent der Aufgaben dürften schnell erfüllt werden, während der Personalabbau in der Regel länger dauert. Eine Kontrolle nach Beendigung der Realisierung reicht aufgrund der sehr langen Zeitspanne, der Komplexität der Gemeinkostenwertanalyse und der möglichen Konfliktpotenziale nicht aus. Die Leiter der Untersuchungseinheiten müssen die Realisierung der Maßnahmen kontinuierlich überwachen. Unterstützt werden sie dabei vom Controlling. Es erfasst monatlich den erreichten Fortschritt und die angefallenen Kosten. Ein Leistungsverzug kann durch Widerstände der Mitarbeiter eintreten, welche die neuen Prozesse nicht anwenden oder geplante Mehrarbeit ablehnen. Abweichungen können auch durch Analysefehler entstehen, z. B. weil Einsparungspotenziale zu hoch angesetzt wurden. Bei Abweichungen von den Planwerten werden die Ursachen analysiert und Maßnahmen in Abstimmung mit den Leitern der Untersuchungseinheiten vorgeschlagen. Die Ergebnisse werden an den Lenkungsausschuss und die Geschäftsleitung berichtet. Durch eine schnelle Informationsversorgung kann man sicherstellen, dass Abweichungen durch zeitnahe Maßnahmen schnell beseitigt werden. Zusammenfassend kann die Gemeinkostenwertanalyse wie folgt beurteilt werden: Sie ist eine ausgereifte Methode zur Kostensenkung, die sich vor allem in Großunternehmen bewährt hat. Für kleine Unternehmen ist die Methode zu komplex. Hinzu kommt, dass die Datenerhebung oft schwierig und aufwendig ist. Einsatzgebiete sind alle indirekten Leistungsbereiche mit einem hohen Anteil von Gemeinkosten.
3.1 Operative Planung
155
Die Gemeinkostenwertanalyse führt in der Praxis zu Einsparungen von zehn bis 20 Prozent. Die Vorgabe von 40 Prozent durch McKinsey & Company lässt sich kaum realisieren und dient vordergründig dazu, die Beteiligten zu motivieren. Durch die Gemeinkostenkostenwertanalyse lassen sich relativ schnell Kosteneinsparungen im Gemeinkostenbereich umsetzen. Strategische Defizite werden nicht betrachtet. Es wird bewusst auf eine hohe Genauigkeit verzichtet, um schnelle und vor allem zahlreiche Kostensenkungsvorschläge zu entwickeln. Die Durchführungs- und Folgekosten einer Gemeinkostenwertanalyse sind sehr hoch (bis zu zwei Millionen Euro). Die Methode kann deshalb nur in größeren zeitlichen Abständen eingesetzt werden. Es wird aber empfohlen, sie alle drei bis fünf Jahre als Einmalaktion zu wiederholen. In der Praxis treten häufig Akzeptanzprobleme bei den Verantwortlichen auf. Die Angst um den eigenen Arbeitsplatz kann auch mangelnde Unterstützung und Widerstände bei den Mitarbeitern bewirken. Der Personalabbau führt manchmal dazu, dass Schlüsselmitarbeiter das Unternehmen verlassen und dadurch die Leistung sinkt. Es besteht die Gefahr, dass die durchgeführten Maßnahmen nicht nachhaltig wirken.
3.1.2.2 3.1.2.2.1
Neue Budgetierungsansätze Kritik an der traditionellen Budgetierung
Trotz der weiten Verbreitung in der Praxis hat die Kritik an der traditionellen Budgetierung in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Budgetierung wird mit Attributen in Verbindung gebracht wie „zu komplex“, „zu starr“ oder „dauert zu lange“.63 Die Kritikpunkte konzentrieren sich dabei im Wesentlichen auf zwei Aspekte der Budgetierung: den notwendigen Ressourceneinsatz für die Budgetierung und den durch die Budgetierung entstehenden Nutzen.64 Wie stark die operative Planung und Budgetierung vorhandene Ressourcen im Controlling und anderen Einheiten binden, verdeutlicht ein Blick in die Praxis. Erfahrungen aus der Beratungspraxis zeigen, dass im Regelfall rund 75 Prozent aller Kapazitäten des Controllings für die operative Planung und Budgetierung verbraucht werden. Von der Beanspruchung weiterer Kapazitäten aus anderen Abteilungen oder des Managements ganz abgesehen.65 63 64 65
Gleich, R., Greiner, O., Hofmann, S, Better, Advanced and Beyond Budgeting: Von der Evolution zur Revolution. Controlling-Berater, 3 (2006), S. 287. Gleich, R., Kopp, J., Leyk, J., Ansätze zur Neugestaltung der Unternehmensplanung. Finanz Betrieb, 7-8 (2003), S. 461. Kopp, J., Leyk, J., Effizient und effektiv planen und budgetieren, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 4.
156
3 Operatives Controlling
Die zentralen Ursachen für den hohen Ressourceneinsatz sind der hohe Detaillierungsgrad, mit dem Budgets erstellt werden, die Vielzahl an Planungs- bzw. Budgetierungsschleifen, die bis zur endgültigen Aufstellung des Budgets durchlaufen werden, die fehlerhafte Koordination und Abstimmung des Planungs- und Budgetierungsprozesses sowie die unzureichende IT-Unterstützung zur Verarbeitung von Budgetinformationen.66 Qualitative Mängel von Planung und Budgetierung führen dazu, dass viele Unternehmensführer und Controller neben dem Ressourceneinsatz auch den Nutzen der Budgetierung als äußerst fraglich erachten. Diese Unzufriedenheit lässt sich vor allem zurückführen auf die mangelnde Verzahnung der Unternehmensstrategie mit der Planung und Budgetierung, den starren Einjahresfokus mit Fortschreibungsorientierung der Budgetierung sowie auf die fehlende Berücksichtigung nichtfinanzieller Größen.67 Schließlich bleibt anzumerken, dass die traditionelle Budgetierungspraxis sich seit Jahren veränderten Rahmenbedingungen gegenübersieht, denen sie nur wenig entgegenzusetzen hat. Als Beispiel für diese Problematik seien die steigende Komplexität von Unternehmensabläufen sowie die zunehmende Dynamik der Unternehmensumwelt genannt.68 3.1.2.2.2
Better, Beyond und Advanced Budgeting als neuere Ansätze der Budgetierung
Die oben beschriebene Kritik an der traditionellen Budgetierung hat dazu geführt, dass sich sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker mit der Entwicklung neuer Ansätze beschäftigt haben. Die drei wesentlichen Ansätze zur Verbesserung sind Better Budgeting, Beyond Budgeting und das Advanced Budgeting.
66 67
68
Gleich, R., Kopp, J., Leyk, J., Ansätze zur Neugestaltung der Unternehmensplanung, Finanz Betrieb, 7-8 (2003), S. 461. Kopp, J., Leyk, J., Effizient und effektiv planen und budgetieren, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 8 f.; Weber, J., Linder, S., Neugestaltung der Budgetierung mit Better oder Beyond Budgeting? Eine Bewertung der Konzepte. Weinheim 2008, S. 19 f.; Weber, J, Das Advanced-Controlling-Handbuch. Weinheim 2004, S. 222 f. Weber, J., Linder, S., Neugestaltung der Budgetierung mit Better oder Beyond Budgeting? Eine Bewertung der Konzepte. Weinheim 2008, S. 18 f.
3.1 Operative Planung
157
Im Gegensatz zum Beyond und Advanced Budgeting handelt es sich beim Better Budgeting nicht um ein geschlossenes Konzept, sondern um ein Sammelbecken unterschiedlicher Verbesserungsvorschläge. Dabei stellen die Vertreter dieses Ansatzes die traditionelle Budgetierung an sich nicht infrage. Kernziele dieses Ansatzes sind Effizienzsteigerungen sowie eine Verschlankung und Vereinfachung der Planung und Budgetierung. Vereinfacht kann man sagen, dass die Planung und Budgetierung weniger detailliert werden soll, dafür aber fokussierter. Somit soll das, was geplant wird, besser geplant werden. Im Wesentlichen soll dies durch folgende Änderungen geschehen: Änderungen an der Organisation des Planungsablaufs (Top-Down-Vorgaben, Wegfall von Planungsstufen), Änderungen an den Inhalten der Planung und Budgetierung (Verringerung der Planungstiefe, Berücksichtigung des Geschäftsumfelds) sowie eine Verbesserung der IT-Unterstützung.69 Mit diesen Änderungsmaßnahmen zielt Better Budgeting darauf ab, den Aufwand für die Planung und Budgetierung zu verringern. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der Ansatz des Better Budgeting nur bedingt imstande ist, die oben beschriebenen Probleme der traditionellen Budgetierung in befriedigendem Maße nachhaltig zu beseitigen.70 Ganz anders hingegen denken die Verfechter des Beyond Budgeting. Sie treten den Problemen der traditionellen Budgetierung entgegen, indem sie Budgets ganz abschaffen. Kern des Beyond Budgeting ist somit eine Unternehmenssteuerung ganz ohne Budgets. Anstatt dessen basiert der Ansatz auf einer Reihe von Prinzipien, die das Ergebnis von Forschungsarbeiten und Fallstudien des Beyond Budgeting Round Table (BBRT) darstellen. Hierbei wurden insgesamt zwölf Grundprinzipien identifiziert, die in ihrer ganzheitlichen Anwendung dazu führen sollen, dass Unternehmen auf die klassische Budgetierung verzichten können (Abb. 3.51).
69
70
Gleich, R., Greiner, O., Hofmann, S, Better, Advanced and Beyond Budgeting: Von der Evolution zur Revolution, Controlling-Berater, 3 (2006), S. 290 f.; Leyk, J., Kopp, J. Innovative Planungsund Budgetierungskonzepte und ihre Bewertung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen, Stuttgart 2004, S. 16 f.; Rieg, R., Planung und Budgetierung, 2008, S. 67 ff. Leyk, J., Müller, M., Advanced Budgeting in der Praxis: Aktuelle empirische Erkenntnisse aus dem Horvath & Partners-CFO-Panel. Controller-Magazin, 4 (2006), S. 379.
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Gemeinsame Werte und Self-Governance Unternehmertum und Netzwerkorganisation Empowerment dezentraler Manager Dezentrale Ergebnisverantwortung Marktähnliche Koordination Coaching und Challenging
7. Relative Zielvorgaben 8. Rollierender Strategieprozess 9. Früherkennung und rollierende Prognose 10. Flexible Ressourcenallokation 11. Selbstkontrolle 12. Relative, teambasierte Vergütung
Unternehmenskultur und organisatorischer Rahmen
3 Operatives Controlling
Management- und Controllingprozesse
158
Abb. 3.51: Die zwölf Grundprinzipien des Beyond Budgeting-Ansatzes71 Sechs Prinzipien betreffen dabei die Unternehmenskultur und -struktur und sechs weitere beziehen sich auf Management- und Controllingprozesse. Im Kern zielen die Prinzipien auf eine Veränderung der Denkhaltung von Führungskräften. Ziel ist ein Wandel zu Vertrauen basierenden Managementprozessen und zu einer Subsidiarität von Entscheidungen. Für die Umsetzung der zwölf Prinzipien kommen in der Praxis eine Reihe von bekannten Instrumenten zum Einsatz, die Budgets ersetzen: Managementinformationssysteme, Balanced Scorecards, Activity Based-Management, Value Based-Management, Rollierende Planung und Benchmarking.72
71 72
In Anlehnung an Schäffer, U., Zyder, M., Beyond Budgeting – ein neuer Management Hype? ZfCM, 47-1 (2003), S. 101–110. Hope, J., Fraser, R., Beyond Budgeting. Wie sich Manager aus der jährlichen Budgetierungsfalle befreien können. Stuttgart 2003, S. 67; Leyk, J., Kopp, J. Innovative Planungs- und Budgetierungskonzepte und ihre Bewertung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 24 ff.; Weber, J., Das Advanced-Controlling-Handbuch. Alle entscheidenden Konzepte, Steuerungssysteme und Instrumente. Weinheim 2004, S. 229 ff.
3.1 Operative Planung
159
Aufgrund der Radikalität des Ansatzes herrschen in der Praxis jedoch meist Zurückhaltung und Skepsis gegenüber dem Beyond Budgeting. Nicht zuletzt die damit verbundenen Implementierungsprobleme schrecken viele Unternehmen zurück. Dennoch zeigt ein Blick in die Praxis, dass knapp die Hälfte der 1.000 größten deutschen Unternehmen mehrere Prinzipien bereits erfolgreich einsetzen. Dabei stellt sich die Frage, ob zur Behebung der Schwächen der traditionellen Budgetierung überhaupt eine vollständige Umsetzung des Konzepts in seiner Radikalität notwendig ist.73
Behebung der Schwachstellen der traditionellen Budgetierung
Der Ansatz des Advanced Budgeting wurde von der Unternehmensberatung Horváth & Partners konzipiert als Antwort auf die zahlreiche Probleme, welche man in der Planungs- und Budgetierungspraxis von Unternehmen feststellte. Der Ansatz stellt eine praxiserprobte Alternative dar, die über die vorgeschlagenen Veränderungen des Better Budgeting-Ansatzes hinaus geht, ohne dabei aber die gesamte Radikalität des Beyond Budgeting-Ansatzes umzusetzen (Abb. 3.52).
Beyond Budgeting
Advanced Budgeting
Better Budgeting Veränderungsradikalität
Abb. 3.52: Einordnung der neuen Budgetierungsansätze74 73
74
Greiner, O., Beyond Budgeting: Implementierungsansätze für Praktiker, in: Gleich, R., Hofmann, S., Leyk, J. (Hrsg.), Planungs- und Budgetierungsinstrumente. Freiburg et al. 2006, S. 42; Leyk, J., Müller, M., Advanced Budgeting in der Praxis: Aktuelle empirische Erkenntnisse aus dem Horvath & Partners-CFO-Panel. Controller-Magazin, 4 (2006), S. 379. In Anlehnung an Gleich, R., Greiner, O., Hofmann, S., Better, Advanced and Beyond Budgeting: Von der Evolution zur Revolution, in: Gleich, R., Hofmann, S., Leyk, J. (Hrsg.), Planungs- und Budgetierungsinstrumente, Freiburg et al. 2006, S. 23.
160
3 Operatives Controlling
Hintergrund ist dabei die Überlegung, dass sich die traditionelle Planung und Budgetierung in der Praxis an sich bewährt haben und schon seit Langem etabliert sind, weshalb deren komplette Abschaffung nur wenig sinnvoll erscheint.75 Advanced Budgeting hat sich in der Praxis bewährt. Deshalb konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die detaillierte Darstellung dieses Ansatzes. 3.1.2.2.3
Advanced Budgeting-Ansatz von Horváth & Partners
3.1.2.2.3.1 Leitmotive des Ansatzes Zentrale Ziele des Advanced Budgeting sind eine Steigerung der Planungsqualität und eine Verringerung des Budgetierungsaufwands. Die hierzu notwendige Neugestaltung der Planung und Budgetierung orientiert sich dabei an vier Leitmotiven, die sowohl Elemente des Better als auch des Beyond Budgeting integrieren (vgl. Abb. 3.53): Verbindung der Teilplanungen Budgets mit Zielcharakter verringerte Budgetierungstiefe Budgetflexibilisierung76 Im Kern verfolgen die vier Leitmotive das Ziel, weniger Inhalte häufiger zu planen und dabei verstärkt strategische Zielvorgaben in die operative Planung zu integrieren. Die Planung und Budgetierung soll somit flexibler und zielfokussierter werden.
75 76
Leyk, J., Müller, M., Advanced Budgeting in der Praxis: Aktuelle empirische Erkenntnisse aus dem Horvath & Partners-CFO-Panel. Controller-Magazin, 4 (2006), S. 379. Leyk, J., Kopp, J., Innovative Planungs- und Budgetierungskonzepte und ihre Bewertung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 56 f.
3.1 Operative Planung Verbindung von Teilplanungen Integration von strategischer und operativer Planung Integration von Bilanz, G+V, Kostenund Erlösplanung sowie Cash Flow-Planung
161 Budgets mit Zielcharakter Was soll laut Strategie erreicht werden? Strategie als Startpunkt für Top-down-Budgets Zielfestlegung erfolgt in Verbindung mit Benchmarking (intern und extern)
Verringerte Budgetierungstiefe
Budgetflexibilisierung
Grundthese: Top-Down-Budgets auf aggregiertem Level können ausreichend sein!
Berücksichtigung des Informationsstandes/ der Umfeldturbulenz je Geschäftsbereich
Herunterbrechen von Budgets nur dort, wo notwendig und sinnvoll möglich
Rollierende Planung/rollierender Forecast mit kürzeren zeitlichen Horizonten
Einsatz von Ist-/Ist-Vergleichen
Verlassen des Kalenderjahres
Budgetdetaillierung mittels verbindlicher Kriterien
Integration von Planung und Budgetierung
Zielfokussierung von Planung
und Budgetierung
Komplexitätsreduktion
Kontinuität
von Planung und Budgetierung
von Planung und Budgetierung
Abb. 3.53: Leitmotive des Advanced Budgeting-Ansatzes von Horváth & Partners77 3.1.2.2.3.2 Prinzipien und Instrumente des Ansatzes Wie auch das Beyond Budgeting basiert der Advanced Budgeting-Ansatz auf acht Grundprinzipien, die eine effektivere und effizientere Planung und Budgetierung ermöglichen sollen. Dadurch wird das Budget als Steuerungsinstrument zwar nicht vollständig verworfen, verliert jedoch an Bedeutung. Die in Abb. 3.54 aufgeführten acht Grundprinzipien sind stets vor dem Hintergrund einer Steigerung der Planungsqualität und einer Verringerung des Budgetierungsaufwands zu sehen.78 Einige der Prinzipien deuten bereits sehr deutlich darauf hin, welche Instrumente bzw. Methoden sich zu deren Umsetzung empfehlen. Andere lassen eine Auswahl verschiedener Instrumente zu. Dabei ist die Palette des Instrumenteneinsatzes ähnlich groß wie die des Beyond Budgeting-Ansatzes. Allerdings handelt es sich beim Advanced Budgeting-Ansatz eher um ein Instrumentenportfolio, aus dem das für die Situation des jeweiligen Unternehmens passende Instrument entnommen wird.79 Im Nachfolgenden werden einige wesentliche Instrumente zur Umsetzung der Prinzipien diskutiert. Die Instrumente lassen sich grob in folgende Bereiche einteilen: 1. Steigerung der Planungseffizienz 77 78
79
In Anlehnung an Leyk, J., Kopp, J., Innovative Planungs- und Budgetierungskonzepte und ihre Bewertung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 57. Gleich, R., Kopp, J., Ansätze zur Neugestaltung der Planung und Budgetierung ̶ Methodische Innovationen und empirische Erkenntnisse. Controlling, 8/9 (2001), S. 430 ff.; Kopp, J., Leyk, J., Effizient und effektiv planen und budgetieren, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 10 ff. Leyk, J., Kopp, J., Innovative Planungs- und Budgetierungskonzepte und ihre Bewertung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 58.
162
3 Operatives Controlling
2. Verbindung von operativer und strategischer Planung 3. Flexibilisierung von Zielwerten 1.
Selbst adjustierte relative Ziele statt fixe (Budget-)Ziele Die Planung und Budgetierung sollte sich an selbst adjustierenden relativen anstatt an fixen Budgetzielen orientieren. Relative Ziele sollten die Grundlage für die Leistungsvereinbarung, -messung und -beurteilung sein.
2.
Schwerpunkt: relevante Performancegrößen statt des rein finanziellen Fokus Die operative Planung und Budgetierung sollte neben finanziellen auch nichtfinanzielle Größen zur Leistungsmessung heranziehen.
3.
Berücksichtigung aller Leistungsebenen statt Bereichs-/ Unternehmensfokus Die Planung und Budgetierung sollte abteilungsübergreifend Prozesse abbilden, anstatt sich ausschließlich auf Organisationseinheiten und Produkte zu beziehen.
4.
Outputorientierter (Prozess-)Fokus statt des inputorientierten Kostenartenfokus Die Planung und Budgetierung sollte als Planungsgrundlage die für die geplante Leistungsmenge (Output) anstatt die für die Leistungserstellung benötigten Ressourcen (Input) heranziehen.
5.
Benchmarkingorientierte statt intern orientierter (Kosten-)Ziele Die Planung und Budgetierung sollte sich an externen Zielen wie Marktoder Wettbewerbsentwicklungen orientierten statt an internen.
6.
Dynamisch rollierende Sichtweise statt des reinen Jahresbezugs Pläne und Budgets sollten keine starren Gebilde sein, sondern unterjährig angepasst werden können. Der Horizont in der Planung und Budgetierung sollte nicht nur bis zum Geschäftsjahresende reichen, sondern über das Geschäftsjahr hinausgehen.
7.
Integrierte statt autonomer strategischer Planung Eine integrierte operative und strategische Planung soll die Übersetzungen strategischer Ziele und Initiativen in die operative Planung gewährleisten.
8.
Globalbudgets und relevante Detailbudgets statt detaillierter Budgets für vielerlei Objekte Ein hoher Detaillierungsgrad von Plänen und Budgets soll nur erfolgen, wenn dadurch ein zusätzlicher Steuerungsnutzen hervorgeht.
Abb. 3.54: Grundprinzipien des Advanced Budgeting-Ansatzes80 Zu 1: Steigerung der Planungseffizienz Für die Steigerung der Planungseffizienz stehen im Advanced Budgeting-Ansatz grundsätzlich drei Stellhebel zur Verfügung. Im Einzelnen sind dies die Organisa-
80
Kopp, J., Leyk, J., Effizient und effektiv planen und budgetieren, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 11 ff.
3.1 Operative Planung
163
tion der Planung und Budgetierung, die Planungs- und Budgetierungsinhalte sowie die IT-technische Unterstützung. Bei der Organisation der Planung und Budgetierung im Unternehmen geht es um die zugehörigen aufbau- und ablauforganisatorischen Aspekte. Es muss geklärt werden, wie die Planung und Budgetierung im Unternehmen zu verankern sind und wie sie durchgeführt werden. Advanced Budgeting zur Organisation der Planung und Budgetierung setzt zunächst am Planungs- und Budgetierungsprozess an. Bekannterweise lassen sich beim Planungs- und Budgetierungsprozess drei alternative Herangehensweise unterscheiden: Bottom-Up-Verfahren, Top-Down-Verfahren und Gegenstromverfahren. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass die meisten Unternehmen das Gegenstromverfahren einsetzen, wodurch im Planungs- und Budgetierungsprozess aufwendige Abstimmungsschleifen entstehen.81 Um unnötige Abstimmungsschleifen zu vermeiden und klare Zielvorgaben zu generieren, empfiehlt sich ein Top-Down-Prozess, ergänzt um ein sogenanntes „Freezing“. Hierbei gibt die Unternehmensführung den obersten Ebenen (z. B. Business Units) Eckwerte vor und unterzieht diese bei Bedarf einmalig einer Abstimmung. Die abgestimmten Eckwerte werden daraufhin festgefroren („Freezing“) und ohne weitere Verhandlung den einzelnen Unternehmenseinheiten bzw. -abteilungen als Zielwerte für die Detailplanung vorgegeben. Diese Vorgehensweise strafft den Planungsprozess und reduziert die Iterationsschritte der Planung maßgeblich. Ferner wird somit eine konsequente Zielausrichtung und Steuerung der Unternehmensbereiche sichergestellt. Die Zielwerte für Planung und Budgetierung sind dabei am Output und nicht am Input auszurichten. Grundlage für die Definition der Zielwerte dürfen also nicht die im Unternehmen bestehenden Kapazitäten und die damit verbundenen Kosten sein. Vielmehr sollten sich die Zielwerte für Planung und Budgetierung an den vom Markt geforderten Outputmengen (z. B. am Absatz) orientieren. Die vom Markt geforderten Outputmengen kann die Unternehmensführung z. B. anhand externer Benchmarks bestimmen oder auf Basis einer Extrapolation der letzten drei Jahre ermitteln. Neben der Organisation sind die Inhalte der Planung und Budgetierung ein weiterer Stellhebel im Advanced Budgeting, um die Planungseffizienz zu steigern. Zunächst steht hierbei die Überprüfung der Planungstiefe im Vordergrund. Wenngleich immer noch viele Unternehmen eine identisch detaillierte Planung und Budgetierung für alle Objekte (Produkte, Regionen, Business Units) durchführen, ist die kontrollierte Reduzierung des Detaillierungsgrades eine unbedingte Voraussetzung zur Steigerung der Planungseffizienz. Der Detaillierungsgrad kann sich somit über das Gesamtunternehmen durchaus unterscheiden. In welchem Bereich eine Reduzierung 81
Ewert, R., Wagenhofer, A., Interne Unternehmensrechnung. 5. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 484 f.
164
3 Operatives Controlling
des Detaillierungsgrades sinnvoll ist, lässt sich zum Beispiel anhand einer ABCAnalyse der Kostenarten, Produkte etc. ermitteln (vgl. Abb. 3.55). Des Weiteren gilt es zu beachten, dass auch externe Faktoren die Planungs- und Budgetierungstiefe beeinflussen. Die wichtigsten externen Faktoren sind dabei die Komplexität und Dynamik des Umfelds. Unter der Komplexität sind die Zahl und die Verschiedenheit der externen Faktoren zu begreifen, während die Dynamik die Häufigkeit von Änderungen dieser Faktoren abbildet. Sind sowohl Dynamik und Komplexität stark ausgeprägt, spricht man von Turbulenz. In diesem Fall sind eine detaillierte Planung und damit ein hoher Detaillierungsgrad zwar wünschenswert, aufgrund der sich ständig ändernden Prämissen aber kaum realisierbar. Im umgekehrten Fall, also in einem statischen Umfeld, ist eine detaillierte Planung zwar möglich, liefert jedoch keinen informatorischen Mehrwert.82 Potenzial zur Reduzierung des Detaillierungsgrades
in Tsd. EUR 800 700 600
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500 400 300 200 100
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Abb. 3.55: ABC-Analyse zur Reduktion des Detaillierungsgrades am Beispiel von Produkten Im Advanced Budgeting-Ansatz muss nicht nur die Detaillierungstiefe, sondern auch die Planungsmethodik an die Ausprägung der externen Faktoren angepasst werden, um eine maximale Steigerung der Planungseffizienz zu erreichen. Geschäftsbereiche mit statischem Umfeld weisen Kosten auf, die im Zeitverlauf sehr stabil sind. Aus diesem Grund kann die Planung und Budgetierung aus der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben werden. Geschäftsbereiche mit mittlerer Dy82
Leyk, J., Kopp, J., Innovative Planungs- und Budgetierungskonzepte und ihre Bewertung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 18 f.
3.1 Operative Planung
165
namik und Komplexität können dagegen mit einer klassischen Jahresplanung (Neuplanung) gesteuert werden, ggf. ergänzt um Jahresend-Forecasts als Frühwarnsystem. In dynamischen und komplexen Umfeldern sollte hingegen kontinuierlich mit einem rollierenden Forecast gesteuert werden. Abb. 3.56 verdeutlicht den beschriebenen Zusammenhang.
+
Dynamisch
Rollierender Forecast Jahresplanung Fortschreibung
Absatz-/Umsatzplanung BU2
Komplexität
Absatz-/Umsatzplanung BU1
Personal
̶
Statisch
̶
Dynamik
+
Abb. 3.56: Zusammenhang zwischen Turbulenz der Umwelt und Planungsmethodik Der rollierende Forecast kann als eine Weiterentwicklung des herkömmlichen Jahresend-Forecasts bezeichnet werden. Während der klassische Jahresend-Forecast die erwarteten Istwerte zum Periodenende prognostiziert, erfasst der rollierende Forecast einen stets gleichbleibenden Horizont (i. d. R. fünf bis acht Quartale) unabhängig vom Periodenende. Dabei kann eine Staffelung hinsichtlich des Detaillierungsgrades vorgenommen werden, indem das jeweils zum Forecast-Zeitpunkt folgende nächste Quartal detaillierter betrachtet wird als die später folgenden Quartale (vgl. Abb. 3.57).83 Der rollierende Forecast beseitigt dadurch das beim herkömmlichen JahresendForecast anzutreffende Problem der mangelnden Prognosefähigkeit. Diese äußert 83
Leyk, J., Rollierender Forecast: Budgetierungsaufwand senken und Unternehmensziele besser erreichen, in: Gleich, R., Hofmann, S., Leyk, J. (Hrsg.), Planungs- und Budgetierungsinstrumente. Freiburg et al. 2006, S. 81.
166
3 Operatives Controlling
sich darin, dass der Jahresend-Forecast in der Praxis oft keine reine Prognose darstellt, sondern mit Anpassungen zur Budgeterreichung ergänzt wird. Abzusehende schlechte Entwicklungen werden verheimlicht, um unnötigen Fragen auszuweichen, und günstige Entwicklungen werden aus Angst vor neuen Zielwerten zurückgehalten. Dadurch bilden die ersten Forecasts auch nicht die tatsächlichen Erwartungen („Wahrheit“) ab, die erst gegen Jahresende transparent werden und den Forecast oftmals massiv verändern. Dieser Sachverhalt wird als Hockeystick-Effekt oder Jahresend-Effekt bezeichnet.84 Klassischer Forecast Geschäftsjahr Q1
Q2
Rollierender Forecast Geschäftsjahr
Geschäftsjahr +1
Q3
Q4
Q1
Q2
Q3
Q4
Q1
Q2
Q3
Geschäftsjahr + 1 Q4
Q1
Q2
Q3
Q4
Budget laufendes Jahr
Budget laufendes Jahr
Q2 Forecast Q2
Forecast Q2
Forecast Q3
Forecast Q3 Forecast Q4
Forecast Q4 Budget Jahr +1
Budget Jahr +1
Abb. 3.57: Beispiel zum klassischen und rollierenden Forecast Durch die verbesserte Prognosefähigkeit nimmt der rollierende Forecast die Funktion eines Frühwarnsystems wahr. Die aus dem rollierenden Forecast hervorgehenden und zukünftig zu erwartenden Abweichungen sind ein Frühwarnindikator und ermöglichen es, Maßnahmen zur Schließung der Ziellücke frühzeitig einzuleiten. Des Weiteren bietet der Einsatz eines rollierenden Forecasts einen deutlichen Zugewinn an aktuellen Steuerungsinformationen, die eine schnelle Anpassung der Budgets bei sich unterjährig verändernden Rahmenbedingungen erlauben. Aus den vorangehenden Ausführungen wird deutlich, dass der rollierende Forecast ein Prognoseinstrument darstellt, das sich von Planungsinstrumenten unterscheidet. Während Forecasts offenlegen, was vermutlich kommen wird, zeigt die Planung auf, was man tun und erreichen möchte.85 Vor diesem Hintergrund stellt die rollierende Planung eine weitere Komponente des Advanced Budgeting-Ansatzes dar. Die rollierende Planung ist dabei vereinfacht als ein System zu verstehen, das die ursprüng84
85
Leyk, J., Rollierender Forecast: Budgetierungsaufwand senken und Unternehmensziele besser erreichen, in: Gleich, R., Hofmann, S., Leyk, J. (Hrsg.), Planungs- und Budgetierungsinstrumente. Freiburg et al. 2006, S. 81; Brenner, M., Leyk, J., Rollierender Forecast und rollierende Planung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 101 ff. Rieg, R., Planung und Budgetierung. Wiesbaden 2008, S. 82.
3.1 Operative Planung
167
liche Planung in einem bestimmten Rhythmus revidiert und um eine Teilperiode ergänzt.86 Im Unterschied zur herkömmlichen Budgetplanung, bei der pauschal für den gesamten Planungszeitraum eine Detailplanung durchgeführt wird, wird bei der rollierenden Planung oftmals nur das zum Planungszeitpunkt folgende Quartal einer Detailplanung unterzogen. Für die nachfolgenden Quartale erfolgt dabei lediglich eine Grobplanung. Abb. 3.58 verdeutlicht den Zusammenhang an einem Beispiel.
Planungszeitpunkt 1
Feinplanung Quartal 1, Jahr 1
Grobplanung, Quartal 2, Jahr 1
Planungszeitpunkt 2
Feinplanung Quartal 2, Jahr 1
Grobplanung, Quartal 3, Jahr 1 Grobplanung, Quartal 3, Jahr 1
Grobplanung, Quartal 4, Jahr 1 Grobplanung, Quartal 4, Jahr 1
Grobplanung, Quartal 1, Jahr 2
Planungszeitraum 1
Planungszeitraum 2
Abb. 3.58: Rollierende Planung87 Hierbei wird deutlich, dass in jedem Quartal die Planung der nachfolgenden Quartale erfolgt. Am ersten Planungszeitpunkt wird allerdings nur das erste Quartal einer Feinplanung unterzogen, wogegen die nachfolgenden Quartale nur grob geplant werden. Zum Planungszeitpunkt zwei wird dann das zweite Quartal einer Feinplanung unterzogen. Für die nachfolgenden Quartale wird zu diesem Zeitpunkt auf die zuvor aufgestellte Grobplanung zurückgegriffen, deren Aktualität man überprüft und schließlich um ein Quartal (Quartal eins, Jahr zwei) erweitert.88 Praxisbeispiel: Zusammenspiel von rollierendem Forecast und rollierender Planung am Beispiel eines IT-Dienstleisters Ein IT-Dienstleistungsunternehmen mit ca. 800 Mitarbeitern stellt ausschließlich für seine Konzernmutter IT-Dienstleistungen bereit. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Abwicklung von Projekten und die Bereitstellung von Rechenkapazität, wofür die Konzerngesellschaften im Rahmen der klassischen Jahresplanung ein fixes Budget aufstellen. Nach Verabschiedung der IT-Budgets im Rahmen der Jahresplanung kommt es zu relativ wenigen Änderungen bei der Bereitstellung von 86 87 88
Jung, H., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 10. Aufl., München 2006, S. 179 f. Brenner, M., Leyk, J., Rollierender Forecast und rollierende Planung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 111. Vgl. hierzu sowie zum nachfolgenden Beispiel Brenner, M., Leyk, J. , Rollierender Forecast und rollierende Planung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 111 ff.
168
3 Operatives Controlling
Rechenkapazitäten, was die zugehörige Jahresplanung zu einer verlässlichen Größe macht. Im Gegensatz dazu kommt es ständig zu einer Änderung der Anforderungen in den Projekten. Geplante Projekte werden hinfällig oder neue Projekte kommen hinzu. Somit ist die Jahresplanung für Projekte bereits kurz nach ihrer Erstellung veraltet. Das IT-Dienstleistungsunternehmen hat sich deshalb dazu entschlossen, für Projekte eine Dynamisierung der Planung in Form eines rollierenden Planungssystems einzuführen. Das konzipierte rollierende Planungssystem umfasst dabei einen Zeitraum von fünf Quartalen, was der durchschnittlichen Projektlaufzeit entspricht. Zunächst wird hierbei im Rahmen eines rollierenden Forecasts prognostiziert, wie sich die Kosten aus laufenden Projekten und die Bereitstellung von Rechenkapazität in den nächsten fünf Quartalen grob entwickeln werden, ohne dabei neu hinzukommende Projekte zu berücksichtigen. Im nächsten Schritt werden auch die neuen anstehenden Projekte in den rollierenden Forecast miteinbezogen. Auf Basis dieser Prognose trifft ein Gremium im Rahmen eines Genehmigungsprozesses eine Auswahl der tatsächlich durchzuführenden Projekte, sodass bestimmte Projekte gar nicht erst zustande kommen oder bereits genehmigte wieder verworfen werden. Im Ergebnis liegt eine neue, für das kommende Quartal verabschiedete Planung vor, auf der anschließend die neue Budgetplanung für das Quartal aufsetzt. Die Optimierung der IT-technischen Unterstützung stellt einen weiteren Stellhebel im Advanced Budgeting dar, der auch zur Steigerung der Planungseffizienz dient. Hierdurch sollen zum Beispiel eine Senkung des Datenaufbereitungs- und Konsolidierungsaufwands, eine automatische Generierung von Vorschlagswerten oder Trendberechnungen und Analysen ermöglicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt das Advanced Budgeting keine spezielle Softwarelösung. Vielmehr greift der Ansatz auf bestehende oder am Markt verfügbare Systeme zurück. Diese IT-Systeme müssen jedoch grundlegende Anforderungen erfüllen, um das Advanced Budgeting sinnvoll zu unterstützen: Schnelle Informationsversorgung Keine Verfälschung von Informationen Berücksichtigung von menschlichen Faktoren, insbesondere der Informationsverarbeitungskapazität Begrenzter Informationszugang, der empfänger- und aufgabenorientiert ist.89
89
Heinzelmann, M., Poppe, G.-O., Leyk, J., IT-Unterstützung bei der Umsetzung von Advanced Budgeting, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 208 ff.
3.1 Operative Planung
169
Zu 2: Verbindung von operativer und strategischer Planung Die in der Praxis bestehenden Mängel der Verzahnung von operativer und strategischer Planung sind im Rahmen des Advanced Budgeting aktiv anzugehen. Eine erfolgreiche Abhilfe schafft hier das Instrument der Balanced Scorecard (BSC).90 Durch die leicht verständliche Darstellung sind BSCs imstande, die strategische Planung auf wesentliche Elemente zu konzentrieren. Hierbei liefert die Darstellung der monetären und nichtmonetären Ziele, die im Rahmen der Strategierealisierung zu erreichen sind, einen wichtigen Input für die operative Planung. Besonders deutlich wird die Verbindung von strategischer und operativer Planung durch die in der Logik der BSC vorgesehenen strategischen Maßnahmen, welche die zur Umsetzung der Strategie notwendigen Aktivitäten und Projekte widerspiegeln und für die anschließend Budgets und Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Daraus lassen sich Projektbudgets für strategische Projekte ableiten, die zum operativen Budgetumfang hinzukommen. Es handelt sich also um Budgets, die zur strategischen Zukunftssicherung (Strategic Budgets) und nicht zur reinen Aufrechterhaltung (Operating Budgets) der aktuellen Unternehmensprozesse dienen. Damit entsteht ein strategischer Fokus bei der operativen Planung und Budgetierung.91 Flexibilisierung von Zielwerten Die Planung und Budgetierung hat neben der Koordination vor allem die Aufgabe, Zielwerte und Messlatten festzulegen, welche die Erwartungshaltung der Unternehmensführung an die operativen Einheiten widerspiegeln und als Basis für die Leistungsbeurteilung dienen.92 Grundsätzlich gibt es verschiedene Verfahren zur Festlegung von Zielwerten, die jeweils mit verschiedenen Vor- und Nachteilen verbunden sind (vgl. Abb. 3.59).
90 91
92
Siehe hierzu Abschnitt 2.3.3 Gaiser, B., Greiner, O., Anbindung der operativen Planung an die strategische Planung mit der Balanced Scorecard, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 123 ff.; Gleich, R., Kopp, J., Leyk, J., Ansätze zur Neugestaltung der Unternehmensplanung. Finanz Betrieb, 7-8 (2003), S. 463. Ewert, R., Wagenhofer, A., Interne Unternehmensrechnung. 5. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 466.
170
3 Operatives Controlling Ansatz
Beispiel
Best Practice-Benchmarks
Abschneiden unter den Top 25% im Best Practice-Vergleich
Interne Benchmarks
Abschneiden unter den Top 25% im internen Benchmarking
Effizienz
7 Euro pro eingegangener Anruf
Produktivität
11.500 bearbeitete Anrufe p.a. und Mitarbeiter
Verbesserungs-/Kostensenkungsziel Fixierter Ressourceneinsatz Fixiertes Budgetziel
Auswirkung Hohe Motivation Wettbewerbsorientierte Kultur Empowerment Fokussierung auf Leistungssteigerung Konkreter Zielwert wird im Nachhinein ermittelt
Senkung der Kosten um x % Anzahl Mitarbeiter in der Abeilung 20 Mio. Euro
Geringe Motivation Bürokratische Kultur Kultur von Befehlen und Gehorsam Fokussierung auf das Budget Konkreter Zielwert wird vorab definiert
Abb. 3.59: Alternative Ansätze zur Bestimmung von Zielwerten93 In der herkömmlichen Budgetierung werden Leistungsvorgaben (z. B. Budgetziele) als starre absolute Zielwerte im Voraus definiert, beispielsweise die Einhaltung eines Kostenbudgets von zehn Millionen Euro. Problematisch hieran ist vor allem, dass ein auf diese Weise definierter Zielwert externe Effekte (z. B. eine Veränderung der Branchenentwicklung) nicht automatisch berücksichtigt.94 Infolgedessen kann es einerseits passieren, dass sich ein festgelegtes Ziel in ein sehr einfaches oder zu schwieriges Ziel verwandelt, was mit einem Verlust der Motivationswirkung des Ziels einherginge.95 Andererseits können durch absolute Zielgrößen unter Umständen dysfunktionale Effekte entstehen, nämlich dann, wenn die Einhaltung der absoluten Zielgrößen zu Nachteilen für das Gesamtunternehmen führen.96 Die im Rahmen des Advanced Budgeting-Ansatzes vorgesehenen benchmarkorientierten und relativen Ziele beugen dieser Gefahr aktiv vor, indem sie sich anstatt an absoluten Budgetwerten an relativen flexiblen Größen, also an Produktivitäts-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitskenngrößen orientierten. Dabei erfolgt die Bestimmung des Zielwertes idealerweise anhand von Best-Practice-Vergleichen.
93
94 95 96
Sauter, R., Sauerwein, E., Benchmarking, relative Ziele und Vergütungssysteme im Rahmen des Advanced Budgeting, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 177. Weber, J., Das Advanced-Controlling-Handbuch. Alle entscheidenden Konzepte, Steuerungssysteme und Instrumente. Weinheim 2004, S. 254. Ewert, R., Wagenhofer, A., Interne Unternehmensrechnung. 5. Aufl., Berlin et al. 2003, S. 491. Vgl. hierzu sowie zum Beispiel Sauter, R., Sauerwein, E., Benchmarking, relative Ziele und Vergütungssysteme im Rahmen des Advanced Budgeting, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 174.
3.1 Operative Planung
171
Praxisbeispiel: Dysfunktionale Effekte von absoluten Zielgrößen Mit dem Abteilungsleiter eines Callcenters wird für das kommende Geschäftsjahr ein Kostenbudget von 20 Millionen € vereinbart. Neben der Budgeteinhaltung findet sich auch eine Zielgröße zur Kundenzufriedenheit der Anrufer in der jährlichen Zielvereinbarung des Abteilungsleiters. Am Ende des Geschäftsjahres bemerkt der Abteilungsleiter einen abrupten, unvorhergesehenen Anstieg der Anzahl der Anrufer. Setzt der Abteilungsleiter zur Abarbeitung der Anrufer mehr Ressourcen (z. B. Überstunden oder zusätzliche Call Center Agents) ein, würde dies zu einer Budgetüberschreitung führen. Verzichtet er auf diese Maßnahme, würden Anrufer aufgrund von erhöhten Wartezeiten unzufrieden sein. Ob der Abteilungsleiter zusätzliche Ressourcen einsetzt, hängt davon ab, welcher der beiden Zielgrößen ⎼ Budgeteinhaltung oder Kundenzufriedenheit ⎼ einen größeren Einfluss auf seine Leistungsbeurteilung und seinen Bonus nimmt. Um diese gegenläufige Zielsetzung im nachfolgenden Geschäftsjahr zu vermeiden, vereinbaren der Abteilungsleiter und die Geschäftsleitung, relative Zielgrößen in die Zielvereinbarungen aufzunehmen, so wie sie im Advanced Budgeting vorgesehen sind. Beispielsweise enthält die Zielvereinbarung des Abteilungsleiters zukünftig, dass durchschnittlich 7 Euro pro Anrufer an Kosten anfallen dürfen und ein geplantes Anrufvolumen von 10.000 Anrufen vorgesehen ist. Praxisbeispiel: Der Haushaltsgerätebereich von General Electric hatte 1995 mit starker Konkurrenz zu kämpfen. Neue Produkte mit niedrigem Preis wurden in den Markt gedrückt. Daraufhin reagierten die Mitarbeiter des Haushaltsgerätebereichs. Sie entwickelten zusätzliche innovative Produkte und optimierten die Produktionsprozesse. Trotzdem konnten sie die Budgetvorgaben nicht erfüllen. Ein zweiter Bereich, General Electric Plastics, hatte im selben Geschäftsjahr sehr großen Erfolg, da die Nachfrage stark zunahm und die Preise erhöht werden konnten. Der Gewinn war zehn Prozent über der Zielvorgabe. Bei klassischer Budgetierung hätte man dem Management des Bereichs Plastics hohe Prämien zugestanden, während der Haushaltsgerätebereich keine Belohnung für die Anstrengungen erhalten hätte. Mit den bei General Electrics angewandten relativen Zielgrößen (Erfolg beurteilte man relativ zur Marktentwicklung und zu den Konkurrenten) wurden jedoch die Aktivitäten des Haushaltsgerätebereichs belohnt. Schließlich hatte der Bereich in Anbetracht der schwierigen Marktlage besser als die Konkurrenz abgeschnitten. Wohingegen das Geschäftsjahr des Bereichs Plastics trotz des sehr guten Ergebnisses realistisch eingeschätzt werden konnte. Zwei Konkurrenten waren nämlich im selben Zeitraum in der Lage, ein Wachstum von 30 Prozent vorzuweisen. Relativ gesehen hatte Plastics die Erfolgspotenziale nicht ausgeschöpft, weil man die Preise nicht weit genug erhöhte.97
97 Welch, J., Budgetierung. Wirtschaftswoche vom 12.5.2005, S. 93.
172
3.2
3 Operatives Controlling
Operative Kontrolle
Nachdem Kosten, Erlöse, Deckungsbeiträge und das Ergebnis geplant sind, kann man im Rahmen der operativen Kontrolle die Istdaten gegenüberstellen. Kostenabweichungen sind zu ermitteln, über alle Stufen der Kostenrechnung zu verrechnen und zu analysieren. Liegen Abweichungen vor, die über ein tolerierbares Maß hinausgehen, sind sie auf ihre Ursachen zurückzuführen. Schließlich müssen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Wichtig ist die Erkenntnis, dass das Ziel der Kontrolle nicht die Suche nach Schuldigen ist. Vielmehr will man Hinweise für die erfolgreiche Steuerung des Unternehmens erhalten. Soll-Ist-Vergleiche reichen für ein aktives Controlling nicht aus. Da Istdaten nur die Vergangenheit widerspiegeln und oft spät vorliegen, muss ergänzend eine permanente Vorschau in die Zukunft durchgeführt werden. Zukunftsbezogene Daten können auf unterschiedlichen Wegen ermittelt werden. Wenig aufwendig, aber nur eingeschränkt aussagefähig ist eine Hochrechnung der Istdaten mit statistischen Funktionen wie der Methode der kleinsten Quadrate (vgl. Abb. 3.60). Monat
Kosten kumuliert in tausend Euro
Absatzmenge kumuliert in tausend Stück
0 100 400 700 1000 1400 1700 1750 1800 1900
0 5 10 12 20 35 50 60 65 70
Vergangenheit Zukunft
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Absatzmenge in tausend Stück
Kosten in tausend Euro
Absatzmenge kumuliert 100
y = 7,6702x
80 60 40 20
Kosten kumuliert
3000 2500
y = 238,42x
2000 1500 1000 500 0
0 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13
Monat
Abb. 3.60: Statistische Hochrechnung der Istdaten
0
1
2
3
4
5
6
7
Monat
8
9 10 11 12 13
3.2 Operative Kontrolle
173
Die in Abb. 3.60 mit einem Tabellenkalkulationsprogramm erzeugten Trendlinien und Trendformeln lassen erkennen, dass bis Jahresende bei einer Absatzmenge von 92.000 Stück 2.861.000 € Kosten angefallen sein werden. Wenn künftige Entwicklungen unter Berücksichtigung von Maßnahmen geschätzt werden, so spricht man von einem Forecast. Dieses Vorgehen ist aufwendiger als eine reine Hochrechnung, aber auch aussagekräftiger. Das Berichtswesen sollte, wie in Abb. 3.61 dargestellt, einen Plan-ForecastVergleich zum Jahresende zeigen. Durch Plan-Forecast-Vergleiche werden voraussichtliche Abweichungen ermittelt, die eine frühzeitige Gegensteuerung ermöglichen.
A2
A1
Aktueller Monat
Ist
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Plan/Soll
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Forecast
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
B A1: Monatlicher Soll-Ist-Vergleich
A2: Soll-Ist-Vergleich seit Jahresbeginn kumuliert B:
Plan-Forecast-Vergleich bis Jahresende
Abb. 3.61: Ermittlung von Abweichungen Ergänzend sind Soll-Ist-Vergleiche wichtig. Sie sollten nicht nur für den letzten Monat, sondern zusätzlich kumuliert für die Monate seit Jahresbeginn gezeigt werden. Ein Vergleich der Kostenabweichung im Juli mit den durchschnittlichen Kostenabweichungen seit Jahresbeginn lässt erkennen, ob die aktuelle Kostenabweichung außergewöhnlich oder zufällig ist. Auch Ist-Ist-Vergleiche sind in den Bericht aufzunehmen. Sie können sich auf den Vergleich aufeinanderfolgender Perioden oder auf unterschiedliche Objekte beziehen. Es kann z. B. sinnvoll sein, die Umsatzentwicklung verschiedener Produktbereiche zu vergleichen.
174
3 Operatives Controlling
3.2.1 Abweichungsermittlung und -analyse im System der Plankostenrechnung Die Kostenkontrolle wird entsprechend der Kostenplanung differenziert nach Kostenarten, Kostenträgern und Kostenstellen durchgeführt. Abb. 3.62 demonstriert für eine geschlossene Ergebnisrechnung den Wertefluss der Soll-, Abweichungs- und Istdaten.98 Die dort besonders hervorgehobenen Abweichungsarten werden im Folgenden näher erläutert. Abb. 3.62 zeigt u.a.:
Variable Soll-Herstellkosten werden in der Kosten- und Leistungsrechnung um die zurechenbaren Herstellkostenabweichungen ergänzt, damit man die variablen Ist-Herstellkosten ausweisen kann. Die so ermittelten Istkosten der Leistungsrechnung müssen mit den gebuchten Einzel- und Gemeinkosten übereinstimmen (Kostenidentität). In einer separaten Bestandsrechnung werden Anfangs- und Endbestand, Zu- und Abgänge mit variablen Soll-Herstellkosten bewertet. Abweichungen werden anteilig in den Bestand nachverrechnet. Dadurch kann man einen Endbestand zu variablen Ist-Herstellkosten ermitteln. Stellt man Soll-Herstellkosten des Umsatzes, ergänzt um variable Verwaltungsund Vertriebsgemeinkosten und die Sondereinzelkosten des Vertriebs, den SollErlösen gegenüber, so erhält man den Soll-Deckungsbeitrag bzw. nach Abzug fixer Kosten das Soll-Ergebnis. Das Soll-Ergebnis wird um die angefallenen Abweichungen bereinigt, um das Ist-Ergebnis ausweisen zu können.
Abb. 3.62 verdeutlicht auch, dass Abweichungen der Herstellkosten im Wesentlichen durch Abweichungen bei den Materialeinzelkosten (Fertigungsmaterial), bei den Fertigungseinzelkosten (Löhnen) und bei den Gemeinkosten entstehen können. Dabei ist jeweils zwischen der Preis- (Tarif-) und der Verbrauchsabweichung zu unterscheiden. Preisabweichungen werden gesondert im Rahmen der Kostenartenrechnung ermittelt und analysiert (vgl. Abb. 3.63). Sinnvoll ist es, die Preisabweichungen bei Material- und Lohneinzelkosten den Kostenträgern nach zu verrechnen. Preisabweichungen der Gemeinkosten bucht man häufig direkt in das Betriebsergebnis. Verbrauchsabweichungen ermittelt man in der Kostenstellenrechnung. Sie werden auf jeden Fall auf die Kostenträger verteilt.
98
In Anlehnung an Vormbaum, H., Rautenberg, H. G., Plankostenrechnung. Baden-Baden, Bad Homburg 1985, S. 192.
KOSTENRECHNUNG
BESTANDSRECHNUNG
ERGEBNISRECHNUNG
Variable Soll-Herstellkosten (3+6)
7
28 Soll-Deckungsbeitrag (23-27) 29 ⎻ Fixe Plankosten 30 = Soll-Ergebnis
24 Variable Soll-HK des Umsatzes 25 + Variable Soll-Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten 26 + Soll-Sondereinzelkosten des Vertriebs 27 = Variable Soll-Selbstkosten des Umsatzes
23 Soll-Erlöse
Anfangsbestand zu variablen Soll-HK + Zugänge zu variablen Soll-HK ⎻ Abgänge zu variablen Soll-HK = Endbestand zu variablen Soll-HK
Soll-Fertigungseinzelkosten + Variable Soll-Fertigungsgemeinkosten = Variable Soll-Fertigungskosten
4 5 6
14 15 16 17
Soll-Material-Einzelkosten + Variable Soll-Materialgemeinkosten = Soll-Materialkosten
1 2 3
SOLL
ABWEICHUNG
= IST
Abb. 3.62: Wertefluss in der geschlossenen Betriebsergebnisrechnung 36 Deckungsbeitragsabweichungen (31-35)
HK = Herstellkosten
37 Ist-Erlöse (23+31) 38 ⎻ Variable Ist-Selbstkosten des Umsatzes (27+35) 39 Ist-Deckungsbeitrag 40 ⎻ Fixe Plankosten 41 ⎻ Direkt in das Betriebsergebnis gebuchte Abweichungen 42 = Ist-Ergebnis
31 Erlösabweichungen 32 HK-Abweichungen des Umsatzes 33 + Kostenstellenabweichungen des Verwaltungs- und Vertriebsbereichs 34 + Abweichungen der Sondereinzelkosten des Vertriebs 35 = Variable Selbstkosten-Abweichung des Umsatzes
22 Endbestand zu variablen Ist-HK (17+21)
18 Anfangsbestand HK-Abweichung 19 + Zugänge HK-Abweichung 20 ⎻ Abgänge HK-Abweichung 21 = Endbestand HK-Abweichung
Verbrauchs- und Preisabweichungen 13 Variable Ist-HK (7+12) bei Materialeinzelkosten 9 + Verbrauchs- und Preisabweichungen bei Fertigungseinzelkosten 10 + Verbrauchsabweichung bei Fertigungsgemeinkosten 11 + Sonstige zurechenbare Abweichungen 12 = Zurechenbare HK-Abweichungen
8
+
3.2 Operative Kontrolle 175
176
3 Operatives Controlling
Um den erzielten Deckungsbeitrag oder das Betriebsergebnis erklären zu können, müssen auch Abweichungen, die auf geänderte Absatzmengen oder eine ungeplante Zusammensetzung der Absatzstruktur zurückzuführen sind, dokumentiert werden. Sie sind in Abb. 3.62 unter der Position 36 (Deckungsbeitragsabweichungen) zusammengefasst und werden in Abschnitt 3.2.5 erläutert. Die folgende Abb. zeigt mögliche Teilabweichungen und wo sie ermittelt werden:
Kostenartenrechnung
Preisabweichung
Kostenstellenrechnung
+
Verbrauchsabweichung, (Beschäftigungsabweichung)
Ergebnisrechnung
+
- Absatzmengen-, - Struktur -, - Verkaufspreisänderungen
Abb. 3.63: Teilabweichungen Bei der rechnerischen Bestimmung der Preis- und Verbrauchsabweichungen tritt das Problem der Abweichungsüberschneidung auf. Teile der Gesamtabweichung können nicht eindeutig der Preis- oder Mengenabweichung zugeordnet werden. Das Problem wird mit folgendem Fallbeispiel und der Abb. 3.64 verdeutlicht: Beispiel Flitzer AG: Der Fahrradrahmen muss normalerweise von einem Zulieferer für 43 € bezogen und intern weiterverarbeitet werden. Für einen Kundenauftrag benötigt man 32 Stück dieses Teils. Da der bisherige Lieferant kurzfristig nicht liefern kann, wird bei einem zweiten Zulieferer bestellt. Dieser verlangt jedoch 56 € pro Teil. Bei der Fertigung entsteht aufgrund der schlechten Qualität ein Ausschuss von fünf Teilen. Der Controller berechnet zunächst eine Gesamtabweichung (GA) von 696 €: Istkosten - Plankosten = (Istpreis x Istmenge) ⎼ (Planpreis x Sollmenge) = 56 € x 37 ⎼ 43 € x 32 = 2.072 € ⎼ 1.376 € = 696 €
Man möchte auch wissen, inwiefern die Abweichung auf geänderte Preise und Mengen zurückzuführen ist. Deswegen schlägt der Controller die Ermittlung der Preisund Verbrauchsabweichung vor. Er errechnet eine Preisabweichung von 416 € und
3.2 Operative Kontrolle
177
eine Verbrauchsabweichung von 215 €. Für die Berechnung der beiden Teilabweichungen verwendet er folgende Formeln: Verbrauchsabweichung:
(Istmenge ⎼ Sollmenge) x Planpreis = (37 ⎼ 32) x 43 €
Preisabweichung:
(Istpreis ⎼ Planpreis) x Sollmenge = (56 € ⎼ 43 €) x 32
Es fällt auf, dass die Summe aus Verbrauchsabweichung und Preisabweichung 631 € ergibt. Damit lässt sich nicht die gesamte Abweichung von 696 € erklären.
Preis
Der im Beispiel noch fehlende Restbetrag von 65 € stellt die sogenannte Abweichung zweiten Grades dar (vgl. Abb. 3.64).
Abweichung zweiten Grades
56 PA = 416
65
VA = 215
43
32 37 Menge
Abb. 3.64: Ermittlung von Preisabweichung (PA) und Verbrauchsabweichung (VA) Es muss geklärt werden, ob diese Abweichung zweiten Grades der Mengen- oder der Preisabweichung (kumulative Abweichungsanalyse) bzw. beiden (alternative Abweichungsanalyse) zugerechnet werden soll (vgl. Abb. 3.65). In der Praxis hat sich die kumulative Abweichungsanalyse durchgesetzt. Dabei wird die Abweichung zweiten Grades der Preisabweichung zugeordnet. Um dies zu erreichen, wird zunächst die Preisabweichung nach folgender Formel ermittelt: (Istpreis ⎼ Planpreis) x Istmenge
Nach Abzug der Preisabweichung von der Gesamtabweichung verbleibt die Verbrauchsabweichung, die man auch direkt nach folgender Vorschrift errechnen kann: (Istmenge ⎼ Sollmenge) x Planpreis
178
3 Operatives Controlling
Durch diese Vorgehensweise wird die für Kontrollzwecke sehr wichtige Verbrauchsabweichung nicht mit der Abweichung zweiten Grades belastet. Für das Beispiel errechnen sich mit den empfohlenen Formeln folgende Werte: Preisabweichung: Verbrauchsabweichung:
(56 € ⎼ 43 €) x 37 = 481 € (37 ⎼ 32) x 43 € = 215 €
5643
PA = 481
VA = 280
65
VA = 215
43
PA = 416
Doppelte Zuordnung
32 37 Menge
32 37 Menge
56
56
PA = 481
43
VA = 215
43
Zuordnung zur Preisabweichung
KUMULATIVE ABWEICHUNGSANALYSE
Preis
Preis
KUMULATIVE ABWEICHUNGSANALYSE
32 37 Menge
Zuordnung zur Verbrauchsabweichung PA = 416
VA = 280
56
Separater Ausweis
Preis
Preis
ALTERNATIVE ABWEICHUNGSANALYSE
32 37 Menge
Abb. 3.65: Zuordnungsalternativen für die Abweichung zweiten Grades
3.2.2 Abweichungen bei den Materialeinzelkosten Bei den Materialeinzelkosten werden Verbrauchs- und Preisabweichungen wie folgt ausgewiesen:
3.2 Operative Kontrolle
+ = + =
179
Soll-Materialeinzelkosten je Kostenstelle Verbrauchsabweichung Ist-Materialeinzelkosten (Istmenge x Planpreis) Preisabweichung Ist-Materialeinzelkosten (Istmenge x Istpreis)
Die Verbrauchsabweichung der Materialeinzelkosten wird mit folgender Formel errechnet: (Istverbrauchsmenge ⎼ Sollverbrauchsmenge) x Planpreis
Typische Ursachen von Verbrauchsabweichungen bei den Materialeinzelkosten sind z. B. unplanmäßiger Ausschuss oder Mehrverbrauch aufgrund schlechter Materialqualität. Die Preisabweichung der Materialeinzelkosten wird nicht wie die Verbrauchsabweichung pro Kostenstelle, sondern je Materialart bestimmt: (Istpreis ⎼ Planpreis) x Istverbrauchsmenge
Auf separaten Preisdifferenzkonten werden die dem jeweiligen Verbrauch entsprechenden Preisabweichungen festgehalten:99 Preisabweichung des Zugangs Zugangsmengen x (Isteinstandspreis ⎼ Planeinstandspreis)
Von den Preisdifferenzkonten können die Preisdifferenzen für den Verbrauch direkt in das Betriebsergebnis übernommen oder den Kostenstellen und Kostenträgern nachverrechnet werden. Für die Nachverrechnung ermittelt man einen Preisdifferenzprozentsatz: Preidifferenzprozentsatz des Zugangs Preisabweichung des Zugangs x 100 Zugänge des Materialbestandskontos zu Planpreisen
Mit dem Preisdifferenzprozentsatz kann man die dem Verbrauch entsprechende Preisdifferenz (Preisdifferenzkosten) ermitteln: Preisdifferenzkosten Materialverbrauch zu Planpreisen x Preisdifferenzprozentsatz
99
Vormbaum, H., Rautenberg, H., Plankostenrechnung. Baden-Baden, Bad Homburg 1985, S. 126 ff.
180
3 Operatives Controlling
Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG verzeichnete im Juni folgende Lagerbewegungen für die Fahrradrahmen der Mountainbikes: Datum
Zugang
03. Jun 05. Jun 12. Jun 14. Jun 15. Jun 18. Jun 21. Jun 23. Jun 25. Jun Gesamt
500
Abgang
Zugangswert pro Stück [€] 20,50
300 300
20,00 400
800
21,00 600
500
21,00 300
700 2.800
21,50 1.600
Abb. 3.66: Daten für die Ermittlung der Preisdifferenzkosten Der Planpreis pro Rahmen beträgt 20 €. Als Anfangsbestand waren 100 Rahmen vorhanden. Die Preisdifferenz dieses Bestands beträgt 300 €. Der Controller errechnet den Preisdifferenzprozentsatz des Zugangs auf der Grundlage der folgenden Daten: Datum
Zugang
01. Jun (AB) 03. Jun 12. Jun 15. Jun 21. Jun 25. Jun Gesamt
100 500 300 800 500 700 2.900
Zugangswert Zugangswert pro Rahmen [€] Ist [€] 2.300 20,50 10.250 20,00 6.000 21,00 16.800 21,00 10.500 21,50 15.050 60.900
Zugangswert PreisPlan [€] differenz [€] 2.000 300 10.000 250 6.000 0 16.000 800 10.000 500 14.000 1.050 58.000 2.900
Abb. 3.67: Ermittlung der Preisdifferenzkosten Es ergibt sich ein Preisdifferenzprozentsatz von fünf Prozent: 2.900 x 100 Preisabweichung des Zugangs x 100 = = 5 % 58.000 Zugänge des Materialbestandskontos zu Planpreisen
Daraus resultieren Preisdifferenzkosten von 1.600 €: Materialverbrauch zu Planpreisen × Preisdifferenzprozentsatz = 32.000 × 5 %
3.2 Operative Kontrolle
181
3.2.3 Abweichungen bei den Fertigungseinzelkosten Preisabweichungen bei den Fertigungseinzelkosten sind auf eine Veränderung der Lohnsätze oder auf eine von der Planung abweichende Inanspruchnahme unterschiedlicher Lohngruppen zurückzuführen. Sie werden wie folgt berechnet: (Istlohnsatz ⎼ Planlohnsatz) x Istarbeitszeit
Vom Mitarbeiter zu vertretende Verbrauchsabweichungen entstehen nur bei Zeitlöhnen, da bei Akkordentlohnung Ist- und Sollarbeitszeit übereinstimmen. Verbrauchsabweichungen bei Zeitlöhnen werden wie folgt ermittelt: (Istarbeitszeit ⎼ Sollarbeitszeit) x Planlohnsatz
Abweichungen der Lohneinzelkosten führen auch zu Abweichungen bei den abhängigen Gemeinkosten (z. B. den kalkulatorischen Sozialkosten). 3.2.4 Abweichungen bei den Gemeinkosten In folgenden Schritten werden Gemeinkosten kontrolliert (vgl. Abb. 3.68): 1. Ermittlung der Istbeschäftigung und der Ist-Gemeinkosten 2. Ermittlung des Beschäftigungsgrads 3. Ermittlung der Sollkosten 4. Soll-Ist-Vergleich mit Ausweis der Verbrauchsabweichung 5. Feststellung der Abweichungsursachen und Vorschlag von Maßnahmen. Man erfasst die primären Ist-Gemeinkosten aufgrund der dokumentierten Verbräuche und im Rahmen der Lohn- und Gehaltsabrechnung. Sie werden, soweit nötig, innerbetrieblich verrechnet. Zugrunde gelegt werden dabei die Leistungsbeziehungen, die bereits in der Planung definiert wurden. Die Istbeschäftigung kann man über zurückgemeldete Maschinen- oder Fertigungsstunden ermitteln und je Kostenstelle und Bezugsgrößenart in Beziehung zur geplanten Beschäftigung setzen. Das Ergebnis ist der Beschäftigungsgrad. Das folgende Beispiel zeigt die Vorgehensweise: Geplante Maschinenstunden = 1.600 (Planbeschäftigung) Tatsächlich erbrachte Maschinenstunden = 1.400 (Istbeschäftigung) Beschäftigungsgrad (1.400/1.600) = 88 Prozent
182
3 Operatives Controlling
Festlegung der Kostenstellen
Planung Wahl der Bezugsgröße Planung der Beschäftigung Planung der Gemeinkosten Ermittlung der Gemeinkostensätze
Kontrolle
Ermittlung der Ist-Beschäftigung
Auswertung
Vorschlag von Maßnahmen
Ermittlung des Beschäftigungsgrads Ermittlung der Sollkosten Ermittlung der Ist-Gemeinkosten
Soll-Ist-Vergleich
Feststellung der Ursachen
Abb. 3.68: Ablauf der Gemeinkostenplanung und -kontrolle Die Sollkosten werden durch Multiplikation des Beschäftigungsgrads mit den geplanten Kosten ermittelt (vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1). Sie sind Grundlage für den SollIst-Vergleich, bei dem Ist- und Sollkosten gegenübergestellt werden. Ergebnis des Soll-Ist-Vergleichs ist die Verbrauchsabweichung. Sie verdeutlicht den mengenmäßigen Mehr- oder Minderverbrauch der Einsatzgüter und ist damit die eigentliche Controllinggröße, an der ein Kostenstellenleiter gemessen wird. Für die Feststellung der Abweichungsursachen kann man die Verbrauchsabweichung auf Spezialabweichungen und eine Restabweichung (echte Verbrauchsabweichung) zurückführen. Die Restabweichung spiegelt Unwirtschaftlichkeiten bzw. eine verbesserte Wirtschaftlichkeit wider.
3.2 Operative Kontrolle
183
Ein Beispiel für Spezialabweichungen ist die Seriengrößenabweichung. In der Planung wird oft eine feste Relation zwischen Rüstzeit und Bearbeitungszeit gebildet, um nur die eine Bezugsgröße Bearbeitungszeit planen und kontrollieren zu müssen. Verändert sich allerdings diese Beziehung (weil z. B. kleinere Losgrößen gefertigt wurden), dann tritt eine Seriengrößenabweichung auf, die in der Verbrauchsabweichung enthalten ist. Im System der flexiblen Plankostenrechnung wird neben der Verbrauchsabweichung auch die Beschäftigungsabweichung errechnet (vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1). Eine Beschäftigungsabweichung entsteht z. B., wenn die tatsächliche Beschäftigung unter der Planbeschäftigung liegt. In diesem Fall sind die verrechneten Plankosten zu niedrig. Die Beschäftigungsabweichung gibt also an, wie viel fixe Kosten zu wenig (bei Unterbeschäftigung) bzw. zu viel (bei Überbeschäftigung) verrechnet wurden. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Problematik: Planbeschäftigung Plankosten fix Plankosten variabel Verrechnungssatz (2.000 €/1.000 €) Istbeschäftigung Verrechnete Kosten (2 € x 500 Stunden) Sollkosten (500 € + 1,5 € x 500 Stunden) Zu wenig verrechnete Fixkosten (= Beschäftigungsabweichung)
1.000 500 1.500 2 500 1.000
Stunden € € € Stunden €
1.250 € 250 €
Aufgrund der höheren Planbeschäftigung werden zu wenige Fixkosten pro Stunde verrechnet. Es entsteht eine positive Beschäftigungsabweichung von 250 €. Während die Beschäftigungsabweichung global pro Kostenstelle ermittelt wird, weist man die Verbrauchsabweichung für jede Kostenart einer Kostenstelle aus. Interpretiert man die fixen Kosten als Kosten der vorgehaltenen Kapazität einer Kostenstelle, so kann man Nutzkosten als Kosten der Kapazitätsinanspruchnahme (Fixkosten x Beschäftigungsgrad) und Leerkosten (Fixkosten ⎼ Nutzkosten) als Kosten der nicht beanspruchten Kapazität auffassen. Allerdings ist diese Sichtweise nur korrekt, wenn die Planbezugsgröße entsprechend der maximalen Kapazität festgelegt wurde. Ist dies nicht gegeben, sollte anstelle des Beschäftigungsgrads der Kapazitätsnutzungsgrad für die Errechnung der Nutzkosten verwendet werden. Kapazitätsnutzungsgrad =
Istbeschäftigung maximale Beschäftigung
184
3 Operatives Controlling
Der Soll-Ist-Vergleich findet in der Praxis monatlich statt, da bestimmte Kostenarten nur monatsweise erfasst werden. Außerdem ist damit die Abstimmung der Kostenstellenrechnung mit der monatlichen Erfolgsrechnung möglich. Allerdings ist zu beachten, dass Kalendermonate eine unterschiedliche Zahl von Werktagen haben. Damit die Abweichungsanalyse aussagefähig ist, sollte deshalb ein Betriebskalender genutzt werden. Zu bedenken ist auch, dass sich innerhalb eines Monats Kostenabweichungen kompensieren können. Der Betriebsabrechnungsbogen für den Soll-Ist-Vergleich kann alle Kostenarten aufführen (auch nicht zu kontrollierende, wie z. B. kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen). In diesem Fall spricht man von einem geschlossenen Soll-IstVergleich. Übersichtlicher sind partielle Soll-Ist-Vergleiche, die nur die wichtigsten Kostenarten für die Kontrolle enthalten. Die folgende Abb. 3.69 zeigt den Aufbau eines geschlossenen Soll-Ist-Vergleichs. Abweichungen über einer festgelegten Toleranzschwelle spricht der Controller mit dem Kostenstellenleiter durch. Dabei werden Maßnahmen zur Beseitigung der Abweichungen beschlossen und die Ergebnisse der Kostendurchsprache in einem Protokoll festgehalten.
3.2 Operative Kontrolle
Flitzer AG
185
Verantwortlich: H. Schmidt
KOSTENBERICHT Kostenstelle Vormontage
Kostenstellennummer: 4712 Kapazität: 300 Fertigungsstunden Fixkosten: 11.419 € (Nutzkosten: 9.135 €)
Kostenarten
Monat: Mai
Planbeschäftigung: 280 Fertigungsstunden
Beschäftigungsgrad: 85,71% Kapazitätsnutzungsgrad: 80,00%
Istbeschäftigung 240 Fertigungsstunden
Verbrauchsabweichung
Sollkosten €
Istkosten €
6.000
6.900
900
15
3.600
3
180
207
27
15
108
9
2.843
3.269
426
15
1.706
11
Monat
Nr.
Bezeichnung
4100
Fertigungslöhne
4110
Zusatzlöhne für Akkord
4120
Hilfslöhne
4130
Lohnzulagen
624
718
94
15
374
13
4140
Lohnzuschläge
343
394
51
15
206
16
4831
Kalk. Sozialaufwand Lohn
7.495
8.616
1.121
15
4.485
12
4150
Gehälter
3.705
3.890
185
5
741
3
4832
Kalk. Sozialaufwand Gehalt
2.964
3.112
148
5
593
2
4200
Hilfs- und Betriebsstoffe
443
400
-43
-10
-171
-12
4300
Werkzeugkosten
857
750
-107
-13
-429
-15
4400
Instandhaltungskosten
786
250
-536
-68 -2.143
-20
4810
Kalk. Abschreibungen
2.843
2.843
0
0
0
4815
Kalk. Zinsen
2.600
2.600
0
0
0
4820
Kalk. Raumkosten
1.857
1.857
0
0
0
0
4825
Kalk. Energiekosten
1.414
1.414
0
0
0
0
4880
Kalk. Leitungskosten
5.571
5.571
0
0
0
0
40.525 42.792
2.267
Kostensumme
€
Kumuliert %
€
%
0
9.070
Abb. 3.69: Kostenbericht mit Soll-Ist-Vergleich 3.2.5 Abweichungen bei den Deckungsbeiträgen Die bisher behandelten Kostenabweichungen können nur einen Teil der Differenz zwischen Plan- und Ist-Deckungsbeiträgen erklären. Sie lässt sich auf weitere Einflussgrößen zurückführen (vgl. Abb. 3.70). Von Interesse ist zusätzlich, inwiefern unplanmäßige Preise, Absatzmengen und Absatzstrukturen an der Gesamtabweichung des Deckungsbeitrags beteiligt sind.
186
3 Operatives Controlling
Abweichung des Deckungsbeitrags
Preiseinfluss
Einfluss der variablen Stückkosten
Mengeneinfluss
Volumeneffekt
Struktureffekt
Abb. 3.70: Teilabweichungen des Deckungsbeitrags Der Preiseinfluss zeigt, inwieweit eine Abweichung des Deckungsbeitrags auf eine Veränderung der Preise zurückzuführen ist. Verwendet wird die kumulative Abweichungsberechnung. Die Abweichung zweiten Grades wird der Preisabweichung zugeordnet (vgl. Abb. 3.65). Istmenge × (Istverkaufspreis − Planpreis)
= x × (p − p ) Der Kosteneinfluss gibt an, inwieweit eine Veränderung der variablen Stückkosten für die Abweichung des Deckungsbeitrags verantwortlich ist. Istmenge × (Istgrenzkosten − Plangrenzkosten )
= x × (k − k ) Der Mengeneinfluss verdeutlicht, inwieweit eine Abweichung des Deckungsbeitrags auf einer Veränderung der Absatzmengen beruht. ∑[Plan⎼Deckungsbeitrag pro Stück × (Istmenge − Planmenge)]
= ∑[d × (x − x )] Der Mengeneinfluss kann in einen Volumeneffekt- und einen Struktureffekt aufgespalten werden. Der Struktureffekt führt die Abweichung des Deckungsbeitrags
3.2 Operative Kontrolle
187
auf eine Absatzverschiebung zwischen deckungsbeitragsschwachen und deckungsbeitragsstarken Artikeln zurück. ∑(Istmenge × durchschnittlicher Plan⎼Deckungsbeitrag pro Stück) − (∑ Istmenge) × durchschnittlicher Plan⎼Deckungsbeitrag pro Stück = ∑(x × d ) − (∑ x ) × ∅d
Der Volumeneffekt zeigt, inwieweit eine Abweichung des Deckungsbeitrags durch die alleinige Veränderung der Mengen verursacht wurde. (∑ Istmenge − ∑ Planmenge) × durchschnittlicher Plan⎼Deckungsbeitrag pro Stück = (∑ x − ∑ x ) × ∅d
Die erfreuliche Entwicklung des Betriebsergebnisses der Flitzer AG soll für einen Bericht an das Management auf Ursachen untersucht werden. Der Controller hatte folgende Werte geplant: Mountainbikes Gelände Scott 200 80 Absatzmenge Preise 1.650 1.100 Var. Kosten/St. 1.125 1.000 Erlöse 330.000 88.000 Var. Kosten 225.000 80.000 Deckungsbeitrag 105.000 8.000 Fixe Kosten Betriebsergebnis
Rennräder Ulrich Straße 300 120 3.000 2.300 1.867 2.083 900.000 276.000 560.100 249.960 339.900 26.040
Allround Gesamt 250 950 1.000 560 250.000 1.844.000 140.000 1.255.060 110.000 588.940 395000 193.940
Abb. 3.71: Plandaten für die Ergebnisanalyse Es liegen für dieselbe Periode folgende Istdaten vor: Mountainbikes Gelände Scott Absatzmenge 240 96 Preise 1.500 1.000 Var. Kosten/St. 1.000 1.100 Erlöse 360.000 96.000 Var. Kosten 240.000 105.600 Deckungsbeitrag 120.000 -9.600 Fixe Kosten Betriebsergebnis
Rennräder Ulrich Straße 450 80 3.000 2.500 1.900 2.000 1.350.000 200.000 855.000 160.000 495.000 40.000
Abb. 3.72: Istdaten für die Ergebnisanalyse
Allround Gesamt 200 1.066 1.000 500 200.000 2.206.000 100.000 1.460.600 100.000 745.400 395000 350.400
188
3 Operatives Controlling
Der Controller ermittelt rechnerisch die Einflüsse auf den Deckungsbeitrag: Mountainbikes Rennräder Allround Gesamt Einflüsse Gelände Scott Ulrich Straße Preis -36.000 -9.600 0 16.000 0 -29.600 Kosten -30.000 9.600 14.850 -6.640 -12.000 -24.190 Menge 21.000 1.600 169.950 -8.680 -22.000 161.870 davon -Struktur 89.957 71.913 - Volumen 156.460 Gesamt Anmerkung: Preiseffekt minus Kosteneffekt plus Mengeneffekt erklären die Gesamtabweichung von 156.460.
Nebenrechnungen zur Ermittlung der Struktur- und Volumenabweichung: Mountainbikes Gelände Scott i
p
X*d p
d
Rennräder Allround Gesamt Ulrich Straße
126.000
9.600
509.850
17.360
88.000
750.810
111
8
358
27
116
620
i
1.066
p
950
X
X Anmerkung: der durchschnittliche Plan-Deckungsbeitrag pro Stück wurde mit dem jeweiligen Mengenanteil eines Artikels gewichtet.
Abb. 3.73: Errechnung der Einflüsse auf den Deckungsbeitrag
Struktureinfluss
89.957
Volumeneinfluss
71.913
Kosteneinfluss Preiseinfluss
24.190 -29.600
Deckungsbeitragsabweichung
Abb. 3.74: Abweichungsdiagramm
156.460
3.2 Operative Kontrolle
189
Im Abweichungsdiagramm sind alle positiven Einflüsse auf den Deckungsbeitrag nach rechts, alle negativen nach links abgetragen. Es wird deutlich, dass eine Preisreduzierung (vor allem für das Fahrrad Gelände) das Ergebnis um 29.600 € verminderte. Vermutlich stieg durch die niedrigen Preise die Nachfrage nach Fahrrädern. Es fällt jedoch auf, dass die größte Mengenzunahme bei dem Rennrad Ulrich auftritt, obwohl sich die Preise bei diesem Fahrrad nicht veränderten. Der Einfluss des erhöhten Verkaufsvolumens auf den Deckungsbeitrag beträgt insgesamt 71.913 €. Wesentlichen Anteil an der Verbesserung des Ergebnisses im Mai hat die Zusammensetzung des Absatzprogramms. Es ist eine deutliche Nachfrageverschiebung zu den deckungsbeitragsstarken Artikeln Gelände und Ulrich erkennbar. Dieser Effekt allein bewirkte einen weiteren Anstieg des Ergebnisses um 89.957 €. Der Deckungsbeitrag wurde auch durch den Rückgang bei den variablen Kosten (24.190 €) verbessert.
190
3.3
3 Operatives Controlling
Lernerfolg
3.3.1 Fallbeispiel: Neuer Budgetierungsansatz bei der Flitzer AG Die Unternehmensleitung der Flitzer AG stellte vergangenen Herbst, nach einer Bestandsaufnahme und Analyse der bisherigen Arbeitsabläufe und Inhalte des Planungs- und Steuerungssystems, zahlreiche Schwachstellen fest. Als erste Schwachstelle wurde ein im Verhältnis zum Nutzen hoher Planungsaufwand, der beispielsweise durch eine hohe Detaillierungstiefe der operativen Planung hervorgerufen wird, ausgemacht. Die mit der Planung beauftragten Mitarbeiter investierten teilweise einen Großteil ihrer Arbeitszeit in die Detaillierung der Planung. Dabei war die operative Planung stark Bottom-Up geprägt und wurde bei Bedarf durch Top-Down Vorgaben vom Vorstand korrigiert. Diese Vorgehensweise führte regelmäßig zu zahlreichen Abstimmungsrunden, was die Planung letztlich sehr arbeitsintensiv und zeitaufwendig machte. Des Weiteren zeigte sich, dass die operative Planung in keinem Bezug zur strategischen Planung stand. Vielmehr basierte die strategische Planung lediglich auf wenigen aggregierten finanziellen Kennzahlen, die allerdings weder die strategischen Ziele noch das Unternehmensumfeld der Flitzer AG berücksichtigten. Aufgrund der Analyse des Istzustands der Planungs- und Steuerungsprozesse und der damit verbundenen Schwachstellen wollte der Vorstand der Flitzer AG so schnell wie möglich handeln und den Planungs- und Budgetierungsprozess umstrukturieren. Im Detail sollte der zukünftige Planungs- und Budgetierungsprozess folgende Anforderungen erfüllen: Integration der derzeit noch voneinander losgelösten strategischen und operativen Planung Top-Down-Budgets mit Zielcharakter, basierend auf der Unternehmensstrategie und in Verbindung mit internen und externen Benchmarks Verringerung der derzeitigen Planungstiefe und -komplexität Abkehr von einer einmal jährlich stattfindenden Planung hin zu einer quartalsweise rollierenden Planung durchgängige und adäquate Unterstützung der Planung und Steuerung durch Informationstechnologie Zur Umsetzung des neuen Planungs- und Budgetierungsprozesses setzte der Vorstand der Flitzer AG in einem ersten Schritt auf unternehmensweite Interviews mit Führungskräften, in denen sie zu ihren Vorstellungen und Wünschen an ein künftiges Unternehmensplanungs- und Steuerungskonzept befragt wurden. So hoffte man, die konkreten Anforderungen an das neue Konzept zu erhalten. Basierend auf den so gewonnen Erkenntnissen konnte ein erstes Konzept für die genannten Belange der Flitzer AG erarbeitet werden. In diesem Konzept wurden alle relevanten Handlungsfelder hinsichtlich Planungsinhalt, Planungsstufen, Fristen
3.3 Lernerfolg
191
und Frequenzen, Abläufen, Organisation und Instrumenten festgelegt. Dennoch merkte der Vorstand der Flitzer AG schnell, dass eine Konkretisierung der Handlungsfelder notwendig war. Daher wurde in einem zweiten Schritt das Konzept verfeinert. Die Verzahnung von strategischen Vorgaben, Mittelfristplanung und operativer Planung war ein zentrales Element des neuen Planungs- und Steuerungsprozesses und trug sehr deutlich dem Integrationsleitmotiv des Advanced Budgeting-Ansatzes Rechnung. Die Integration erfolgte über eine strikte Einhaltung der Top-DownVorgaben. So konnten die Ziele aus der strategischen Planung in die Mittelfristplanung übernommen werden. Diese wiederum stellen jetzt eine Grundlage für die operative Planung dar. Im Rahmen der strategischen Planung wurden nun, basierend auf den Markt- und Umfeldbeobachtungen sowie Prognosen, langfristige Ziele des Unternehmens definiert und in einem Strategiepapier dokumentiert. Des Weiteren wurden konkrete strategische Maßnahmen erarbeitet, um die festgelegten Ziele greifbar zu machen. Die Mittelfristplanung basiert auf diesen Vorgaben und kann je nach Größe und Erfahrung des Unternehmensbereichs entweder sehr detailliert (umfangreiche Vorgaben) oder sehr offen (nur wenige Top-Kennzahlen) gestaltet werden. Weiterhin galt es, die Vorgaben des Steuerungskonzepts und der übergeordneten strategischen Planung in die operative Planung zu integrieren. In diesem Zusammenhang wurden nicht wertstiftende Planungsdetails, wo immer möglich und sinnvoll, reduziert, um die Detaillierungstiefe angemessen zu verringern. Anstelle von detailliert geplanten Einzelpositionen führte man Globalbudgets ein, die von Detailbudgets für relevante Kostenkategorien ergänzt werden. Weiterhin konnte durch eine sachlogische Zusammenführung einzelner Kostenarten zu entsprechenden Kostengruppen die Anzahl der zu beplanenden Positionen um etwa 80 Prozent reduziert werden. Somit wurde die Komplexität signifikant gesenkt. Eine weitere Optimierung des Planungsund Steuerungssystems der Flitzer AG konnte durch die Abkehr von jährlich geplanten Budgets zu einer rollierenden Planung über fünf Quartale erreicht werden. Die beschriebenen Neuerungen der Unternehmensplanung und -steuerung ließen sich nur in Kombination mit einer entsprechenden IT-Unterstützung realisieren. Aufgrund dessen wurde die Umsetzbarkeit des Konzepts in mehreren IT-Lösungen bereits parallel geprüft und sichergestellt.
192
3 Operatives Controlling
3.3.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 3 1. Was versteht man unter einer Planung im Gegenstromverfahren? 2. Was versteht man unter Cash Flow? 3. Geben Sie einen Überblick über die Verfahren der Plankostenrechnung, und erläutern Sie diese kurz. 4. Wie sind in der Plankostenrechnung Ist-, Soll- und Plankosten definiert?
Kosten in Euro
5. Ermitteln Sie für die Daten in folgender Abb. die relevanten Abweichungen nach der flexiblen Plankostenrechnung.
Plankosten (300.000)
Istkosten (280.000) Sollkosten verrechnete Plankosten
Verlauf der Gesamtkosten (Sollkosten)
1 VA
2
BA 3
Verlauf der verrechneten Plankosten
fixe Kosten (130.000)
Istbeschäftigung (200)
Planbeschäftigung (230)
Beschäftigung in Stunden
Abb. 3.75: Daten für die Berechnung der Abweichungen 6. Ermitteln Sie für die Daten aus Aufgabe fünf die relevanten Abweichungen nach der Grenzplankostenrechnung, wenn die variablen Istkosten 150.000 € betragen.
3.3 Lernerfolg
193
7. Wie werden die Materialeinzelkosten für die Kalkulation errechnet? 8. Geben Sie einen Überblick über die Verfahren der Arbeitsbewertung! 9. Welche Anforderungsarten werden bei der Arbeitsbewertung nach REFA unterschieden? 10. Wie wird die Vorgabezeit nach REFA ermittelt? 11. Wie werden Fertigungslöhne in der Plankostenrechnung geplant? 12. Wie werden Sozialkosten geplant? 13. In welchen Schritten läuft die Planung der Gemeinkosten ab? 14. Wann sollte man mehrere Bezugsgrößen für eine Kostenstelle wählen? Geben Sie ein Beispiel für die Verwendung unterschiedlicher Bezugsgrößen! 15. Erklären Sie den Unterschied zwischen Kapazitäts- und Engpassplanung! 16. Für die Kostenstelle Vormontage (Kostenstellennummer 4712), die von Herrn Schmidt geleitet wird, ergab sich im Rahmen der Kostenstellenplanung für Juni eine Planbeschäftigung von 280 Fertigungsstunden. Auf dieser Grundlage konnten die aus der folgenden Abb. 3.76 ersichtlichen Planmengen, Planpreise und Plankosten für die Kostenarten errechnet werden. Erstellen Sie für die Kostenstelle Vormontage einen Kostenstellenplan auf der Basis der flexiblen Plankostenrechnung. Ergänzen Sie dabei die fehlenden Werte der Kostenarten (grau hinterlegte Felder) und die Angaben für den Fußteil des Kostenstellenplans. Anmerkung: Bei den kalkulatorischen Zinsen geht man davon aus, dass durchschnittlich die Hälfte des investierten Kapitals von 560.000 € gebunden ist. Der Zinssatz beträgt sieben Prozent.
194
3 Operatives Controlling Flitzer AG
Kostenstellennummer: Kostenarten
Planbezugsgröße: 280 Fertigungsstunden
Monat: Juni
4712 Nr.
Verantwortlicher: H. Schmidt
KOSTENPLANUNG Kostenstelle Vormontage
Mengen-
Plankosten €
Bezeichnung
einheit
Menge
4100
Fertigungslöhne
STD
4110
Zusatzlöhne für Akkord
€
4120
Hilfslöhne
STD
4130
Lohnzulagen
€
4140
Lohnzuschläge
€
4831
Kalk. Sozialkosten Lohn
€
4150
Gehälter
STD
4832
Kalk. Sozialkosten Gehalt
€
4200
Hilfs- und Betriebsstoffe
LTR
35
4300
Werkzeugkosten
STK
7
4400
Instandhaltungskosten
STD
45
19,00
4810
Kalk. Abschreibungen
-
4815
Kalk. Zinsen
€
560.000
7%
4820
Kalk. Raumkosten
QM
70
20,00
4825
Kalk. Energiekosten
KWH
9.050
0,15
4880
Kalk. Leitungskosten
€
280
€/ME
gesamt variabel
fix
20,00
5.600
0,04
224
224
0
280
12,69
3.553
3.409
144
3.777
0,075
283
283
0
480
480
0
1.925
0
1.925
11,00
385
289
96
125,00
875
875
0
855
748
107
3.200
2.304
896
1.400
0
1.400
1.358
1.044
314
3.900
0
3.900
0,75 55
35,00 0,80
Abb. 3.76: Daten für den Kostenstellenplan 17. Auf welche Datenbestände greift man bei einer Plankalkulation zurück? 18. Wie erfolgt eine Plankalkulation? 19. Das Fahrrad Gelände besteht aus vier Komponenten (Rahmen, Zubehör, Räder und Bremsen). Die Herstellung erfolgt in den Kostenstellen Bohren, Veredelung, Vormontage und Montage. Es liegen die Plandaten der Abb. 3.77 vor. Die Kostenstellendatei enthält zudem folgende Zuschläge:
Materialgemeinkosten zehn Prozent Verwaltungsgemeinkosten acht Prozent Vertriebsgemeinkosten sechs Prozent
Erstellen Sie die Plankalkulation für das Fahrrad Gelände.
3.3 Lernerfolg
195
Materialdaten aus Stückliste und Teilestamm Materialart Planmenge Planpreis in Stück €/Stück Rahmen Räder Bremsen Zubehörsatz
1 2 2 1
210 55 74 90
Fertigungsdaten aus dem Arbeitsplan Kostenstelle Planzeit Verrechnungssatz in Minuten €/Stunde Bohren Veredelung Vormontage Montage
15 17 12 60
210 290 270 190
Abb. 3.77: Daten für die Plankalkulation 20. Was versteht man unter einer Primärkalkulation? 21. Was versteht man unter einer Vorkalkulation? 22. Nennen Sie die beiden zentralen Kritikpunkte an der klassischen Budgetierung! 23. Welche neueren Budgetierungsansätze versuchen, die Schwachpunkte der traditionellen Budgetierung zu beseitigen? 24. Was verbirgt sich hinter dem Better Budgeting-Ansatz? 25. Welches zentrale Ziel verfolgt der Ansatz des Beyond Budgeting? Nennen Sie die zwölf Prinzipien, auf denen der Ansatz aufbaut! 26. Was unterscheidet den Advanced Budgeting-Ansatz vom Better Budgeting- und dem Beyond Budgeting-Ansatz? Nennen Sie die Leitmotive des Advanced Budgeting Ansatzes. 27. Nennen Sie beispielhaft ein Instrument, das zur Umsetzung der Prinzipien des Advanced Budgeting-Ansatzes eingesetzt wird! 28. Wie werden Kostenstellen mit überwiegend fixen Kosten geplant?
196
3 Operatives Controlling
29. Erläutern Sie das Problem der Abweichungsüberschneidung in der Plankostenrechnung. Wie wird es in der Praxis gelöst? 30. Gegeben sind die im folgenden Kostenstellenbericht für die Kostenstelle Montage dargestellten Plan- und Istdaten. Vervollständigen Sie unter Verwendung der flexiblen Plankostenrechnung den Kostenstellenbericht (grau hinterlegte Felder), und errechnen Sie die gesamte Verbrauchs- und Beschäftigungsabweichung der Kostenstelle! Flitzer AG
KOSTENBERICHT Kostenstelle Montage
Kostenstellennr.: 4715 Kapazität: 400 Fertigungsstunden Fixkosten: (Nutzkosten: )
Monat: Mai Beschäftigungsgrad: Kap.Nutzungsgrad:
Fertigungslöhne Zusatzlöhne für Akkord Hilfslöhne Lohnzulagen Lohnzuschläge Kalk. Sozialkosten Lohn Gehälter Kalk. Sozialkosten Gehalt Hilfs- und Betriebsstoffe Werkzeugkosten Instandhaltungskosten Kalk. Abschreibungen Kalk. Zinsen Kalk. Raumkosten Kalk. Energiekosten Kalk. Leitungskosten
Plankosten € var. fix 9.800 0 294 0 2.520 980 1.019 0 560 0 10.640 739 0 2.793 0 2.234 420 140 1.400 0 980 140 0 3.200 0 1.960 0 1.400 1.400 420 0 4.200
Kostensumme
29.033
Kostenarten
18.206
Sollkosten €
43.921
Istkosten € 9.500 290 3.400 950 550 11.018 2.933 2.346 500 900 1.000 3.200 1.960 1.400 1.600 4.200 45.747
Verantwortlicher: H. Hammer Planbeschäftigung: 350 Fertigungsstunden % Istbeschäftigung: % 310 Fertigungsstunden Verbrauchsabweichung Monat kumuliert € % € % 3.280 3 118 9 752 11 189 13 216 16 3.417 12 559 3 447 2 -48 -12 -1.360 -15 -32 -20 0 0 0 0 0 0 -240 5 0 0 1.826
7.298
Abb. 3.78: Daten für den Kostenstellenbericht 31. Interpretieren Sie die Abweichung des Deckungsbeitrags 1, wenn folgende Informationen vorliegen: Preisabweichung: -270.000 € Kostenabweichung: 60.000 €
Strukturabweichung: Volumenabweichung:
20.000 € 100.000 €
3.3 Lernerfolg
197
3.3.3 Lösungen zu Kapitel 3 1. Top-Down werden Ziele durch vorgesetzte Stellen an untergeordnete weitergegeben. Nach unten hin werden die Ziele zunehmend konkreter und differenzierter. Auf jeder Stufe wird die Machbarkeit der Ziele analysiert. Bottom-Up werden die erreichbaren Ziele an die vorgesetzte Stelle zurückgemeldet. Stimmen die Top-Down- und Bottom-Up-Pläne nicht überein, ist ein Abstimmungsprozess erforderlich. 2. Der Cash Flow ist interessant, um die Finanzierungskraft eines Unternehmens zu bestimmen. Er erklärt die Veränderung der Zahlungsmittel und berechnet sich aus dem Saldo der geplanten Ein- und Auszahlungen. Alternativ kann er auch auf folgendem Weg ermittelt werden: + ⎻ + ⎻ =
Jahresüberschuss Abschreibungen Zuschreibungen Erhöhung von Rückstellungen Verminderung von Rückstellungen Cash Flow
3. Die Plankostenrechnung unterstützt durch ihre Zukunftsorientierung die Steuerung des Betriebes, sie ermöglicht die Kostenkontrolle durch Soll-Ist-Vergleiche und stellt bei konsequenter Trennung von fixen und variablen Kosten wertvolle Informationen für Managemententscheidungen bereit. Bei der starren Plankostenrechnung erfolgt keine Aufteilung in fixe und variable Kosten. Die Planung wird starr, d. h. für eine Planbeschäftigung durchgeführt. Damit ist ein sinnvoller Soll-Ist-Vergleich nicht möglich. Die flexible Plankostenrechnung überwindet die Mängel der starren Plankostenrechnung und besitzt folgende Kennzeichen: Ermittlung fixer und variabler Gemeinkosten Effektiver Soll-Ist-Vergleich durch Ausweis von Verbrauchs- und Beschäftigungsabweichungen Vollkostenkalkulation in der Kostenträgerrechnung Das methodisch fundierteste Plankostenrechnungsverfahren ist die Grenzplankostenrechnung. Wesentliche Merkmale gegenüber der flexiblen Plankostenrechnung sind: Strikte Trennung in fixe und variable Kosten sowohl in der Kostenstellenrechnung als auch in der Kostenträgerrechnung; es existiert nur noch eine Abweichungsart: die Verbrauchsabweichung. Die fixen Kosten werden gesammelt und als Block direkt in das Betriebsergebnis gebucht.
198
3 Operatives Controlling
4. Plankosten: Sollmenge der Planbeschäftigung x Planpreis Sollkosten: Sollmenge der Istbeschäftigung x Planpreis Istkosten: Istmenge der Istbeschäftigung x Planpreis 5. Berechnung der Abweichungen in der flexiblen Plankostenrechnung: Sollkosten = 130.000 + 170.000 / 230 x 200 = 277.826 Verrechnete Plankosten = 300.000 / 230 x 200 = 260.870 Beschäftigungsabweichung = 277.826 ⎼ 260.870 = 16.956 Verbrauchsabweichung = 280.000 ⎼ 277.826 = 2.174
6. Berechnung der Abweichungen in der Grenzplankostenrechnung: Sollkosten = 170.000 / 230 x 200 = 147.826 Verbrauchsabweichung = 150.000 ⎼ 147.826 = 2.174
7. [(Netto-Planverbrauchsmenge + unvermeidbarer Mehrverbrauch) x PlanMaterialpreis] ⎼ planmäßige Abfallerlöse. Dabei setzt sich der PlanMaterialpreis wie folgt zusammen: Brutto-Einkaufspreis ⎼ Rabatte, Boni, Skonti ⎼ Untermengenzuschläge Nettoeinkaufspreis + Bezugsnebenkosten Einstandspreis
8. Mit den Verfahren der Arbeitsbewertung wird der Lohnsatz bestimmt. Man unterscheidet summarische und analytische Verfahren. Konkret kann man Rangfolgeverfahren, Rangreihenverfahren, Lohngruppenverfahren oder Stufenwertzahlverfahren verwenden. 9. Kenntnisse, geistige Belastung, Geschicklichkeit, muskelmäßige Belastung, Verantwortung und Umweltbedingungen. 10. Die Vorgabezeit wird durch einen geschulten Arbeitsstudienexperten am Arbeitsplatz ermittelt. Er beobachtet das Erscheinungsbild des Bewegungsablaufs eines Arbeiters. Durch Training besitzt er eine Vorstellung davon, wie die optimale Leistung bezüglich Geschwindigkeit und Beherrschung der Bewegungen aussehen müsste. Man ermittelt den Leistungsgrad, indem die beobachtete Istleistung mit der vorgestellten Bezugsleistung verglichen wird. Mit der Formel t=
L × t 100
3.3 Lernerfolg
199
(L=Leistungsgrad, ti = gemessene Istzeit) wird die Vorgabezeit errechnet. Hat der Arbeitsstudienexperte beispielsweise einen Leistungsgrad von 80 Prozent festgestellt und die Istzeit für die Bearbeitung von 100 Stück beträgt 120 Minuten, so ergibt sich daraus eine Vorgabezeit von 96 Minuten. Die Vorgabezeit für einen Auftrag setzt sich aus verschiedenen Zeitarten zusammen, deren jeweilige Vorgabezeit im Rahmen der Zeitstudie ermittelt wird. Durch Aggregation der Teilvorgabezeiten erhält man die Vorgabezeit für den gesamten Auftrag. 11. Obwohl Fertigungslöhne Einzelkosten sind, wird empfohlen, sie in der Plankostenrechnung auf den Kostenstellen zu planen und abzurechnen. Über die Stücklistenauflösung erhält man alle Einzelteile und Baugruppen, die für die Durchführung eines Auftrags notwendig sind. Für jede Komponente einer Stückliste existiert ein Arbeitsplan, der die Arbeitsgänge mit dem jeweiligen Zeitbedarf (Vorgabezeit) dokumentiert. Die Einzellohnkosten pro Kostenstelle ergeben sich bei Akkordlohn, indem die Vorgabezeit mit dem zugehörigen Planlohnsatz pro Minute multipliziert wird. Durch Addition der Lohnkosten aller Fertigungsaufträge erhält man die gesamten Planlohnkosten der Kostenstelle. 12. Sozialkosten bestehen aus Soziallöhnen (Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung), gesetzlichen Sozialabgaben (Arbeitgeberanteil) und sonstigen freiwilligen Sozialkosten (Pensionen, Weihnachtsgeld). Sie werden, soweit möglich, getrennt nach Lohn- und Gehaltsempfängern geplant, da die Belastung mit gesetzlichen Aufwendungen unterschiedlich hoch ist. Man verrechnet die Sozialkosten als Prozentsatz auf die Lohn- bzw. Gehaltskosten. Damit ist eine gleichmäßige monatliche Verteilung gewährleistet. Sozialkosten werden auch in fixe und proportionale Bestandteile aufgeteilt. 13. Festlegung der Kostenstellen, Wahl der Bezugsgrößen, Planung der Beschäftigung, Planung der Gemeinkosten und Ermittlung der Gemeinkostensätze. 14. In der Praxis ist es schwierig, eine für die Kostenverursachung gut geeignete Größe zu finden, die sich proportional zu allen Kosten der Kostenstelle verhält. Vielfach werden bestimmte Kosten mit der Bezugsgröße variieren, andere nicht. Es liegt eine heterogene Kostenverursachung vor. Dann ist es sinnvoll, mehrere Bezugsgrößen für eine Kostenstelle zu wählen. Man verwendet z. B. die beiden Bezugsgrößen Bearbeitungszeit und Rüstzeit, wenn kein konstantes Verhältnis zwischen Bearbeitungsstunden und Rüststunden gegeben ist. 15. Bei der Kapazitätsplanung wird für jede Kostenstelle die Bezugsgröße entsprechend der individuellen Kapazität festgelegt. Es erfolgt keine Abstimmung mit anderen Kostenstellen. Diese Vorgehensweise hat eine tendenziell überhöhte
200
3 Operatives Controlling
Beschäftigung und damit zu niedrige Verrechnungssätze zur Folge. Deswegen sollte man die Engpassplanung verwenden. Sie legt für die Ermittlung der Planbeschäftigung einer Kostenstelle den betrieblichen Engpass (meist die Absatzmenge) zugrunde. 16. Der Kostenstellenplan für die Vormontage ist in der Abb. 3.79 dargestellt. Flitzer AG
Verantwortlicher: H. Schmidt
KOSTENPLANUNG Kostenstelle Vormontage Kostenstellennummer: 4712 Kostenarten Bezeichnung
MengenMenge einheit
4100
Fertigungslöhne
STD
4110
Zusatzlöhne für Akkord
€
4120
Hilfslöhne
STD
4130
Lohnzulagen
€
4140
Lohnzuschläge
€
4831
Kalk. Sozialkosten Lohn
€
4150
Gehälter
STD
4832
Kalk. Sozialkosten Gehalt
€
4200
Hilfs- und Betriebsstoffe
LTR
4300
Werkzeugkosten
STK
4400
Instandhaltungskosten
STD
4810
Kalk. Abschreibungen
-
4815
Kalk. Zinsen
€
4820
Kalk. Raumkosten
QM
4825
Kalk. Energiekosten
KWH
4880
Kalk. Leitungskosten
€
Nr.
Kostenstellenleiter, Kostenplaner Unterschrift, Datum
Planbezugsgröße: 280 Fertigungsstunden
Monat: Juni
280
€/ME 20,00
Plankosten € gesamt variabel 5.600
fix
5.600
0
5.600
0,04
224
224
0
280
12,69
3.553
3.409
144
9.377
0,075
703
703
0
480
480
0
10.560
0,75
7.920
7.812
108
55
35,00
1.925
0
1.925
1.925
0,80
1.540
0
1.540
35
11,00
385
289
96
7 125,00
875
875
0
855
748
107
45
19,00
3.200
2.304
896
560.000
7%
1.633
0
1.633
70
20,00
1.400
0
1.400
9.050
0,15
1.358
1.044
314
3.900
0
3.900
Plankostensumme
35.551
Planbeschäftigung
280 Fertigungsstunden
Plankostensätze
126,97
23.488 12.063 83,89
43,08
Abb. 3.79: Kostenstellenplan 17. Datenbestände für die Planung der Einzelkosten: Stücklisten (Erzeugnisstrukturen) Arbeitspläne mit den Arbeitsgängen, den zu benutzenden Betriebsmitteln und den zugehörigen Zeiten Teilestämme Kostenstellensätze aus der Kostenstellenrechnung
3.3 Lernerfolg
201
Die Daten für die Planung der Gemeinkosten liefert die Kostenstellenrechnung in Form gültiger Kosten pro Leistungseinheit (z. B. pro Fertigungsminute). Die Zeiten der Arbeitspläne können dadurch mit den geplanten Kostenstellensätzen bewertet werden. 18. Um ein Produkt neu zu kalkulieren, durchwandert ein Kalkulationsprogramm die Erzeugnisstruktur von unten nach oben, vom Fremdbezugsteil zum Fertigerzeugnis, und fügt Bauteil für Bauteil die Kalkulationswerte zusammen. Die Kalkulationswerte der Baugruppen können gespeichert werden. Bei der Kalkulation verwandter Erzeugnisse kann man dann auf die bereits gespeicherten Werte zurückgreifen. 19.
+ = +
= + + =
Materialeinzelkosten Rahmen Räder Bremsen Zubehörsatz Materialgemeinkosten Materialkosten Fertigungskosten Bohren Veredelung Vormontage Montage Herstellkosten Verwaltungsgemeinkosten Vertriebsgemeinkosten Selbstkosten
210,00 110,00 148,00 90,00
52,50 82,17 54,00 190,00
558,00 55,80 613,80
378,67 992,47 79,40 59,55 1131,41
20. Um die Auswirkung der kostenmäßigen Veränderung einer Kostenart auf den Kalkulationswert eines Erzeugnisses schnell abschätzen zu können, sollte die Primärkalkulation gewählt werden. Dabei wird jede Kostenart über alle Fertigungsstufen hinweg separat gespeichert. Somit ist der Anteil einer Kostenart an den gesamten Herstellkosten ersichtlich. 21. Die Vorkalkulation wird kurzfristig für einen Kostenträger, einen Auftrag oder ein Projekt durchgeführt. Sie wird vor allem bei Einzel- und Kleinserienfertigung (z. B. im Maschinenbau) angewandt.
202
3 Operatives Controlling
22. Die beiden zentralen Kritikpunkte an der traditionellen Budgetierung sind der hohe Ressourceneinsatz und der unzureichende Nutzen. 23. Better Budgeting, Beyond Budgeting und das Advanced Budgeting. 24. Das Better Budgeting ist als ein Sammelbecken unterschiedlicher Verbesserungsvorschläge für die Budgetierung zu verstehen. Kernziele dieses Ansatzes sind Effizienzsteigerungen sowie eine Verschlankung und Vereinfachung der Planung und Budgetierung. Im Wesentlichen soll dies durch folgende Änderungen geschehen: Änderungen an der Organisation des Planungsablaufs (Top-DownVorgaben, Wegfall von Planungsstufen) Änderungen an den Inhalten der Planung und Budgetierung (Verringerung der Planungstiefe, Berücksichtigung des Geschäftsumfelds) Verbesserung der Instrumentenunterstützung (IT-Unterstützung) 25. Zentrales Ziel des Beyond Budgeting-Ansatzes ist eine Unternehmenssteuerung ganz ohne Budgets. Sechs der zwölf Prinzipien des Ansatzes betreffen die Unternehmenskultur und -struktur, die anderen sechs beziehen sich auf Management- und Controllingprozesse. Die zwölf Prinzipien finden sich in Abb. 3.51. 26. Der Advanced Budgeting-Ansatz stellt eine praxiserprobte Alternative dar, die über die vorgeschlagenen Veränderungen des Better Budgeting-Ansatzes hinausgeht, ohne dabei aber die gesamte Radikalität des Beyond BudgetingAnsatzes umzusetzen. Hintergrund dabei ist die Überlegung, dass sich die traditionelle Planung und Budgetierung in der Praxis an sich bewährt hat und schon seit Langem etabliert ist, weshalb deren komplette Abschaffung nur wenig sinnvoll erscheint. Die vier Leitmotive des Ansatzes sind in Abb. 3.53 aufgeführt. 27. Die Inhalte der Planung und Budgetierung stellen einen Stellhebel im Advanced Budgeting dar, um die Planungseffizienz zu steigern. Zunächst steht hierbei die Überprüfung der Planungstiefe im Vordergrund. Die kontrollierte Reduzierung des Detaillierungsgrades ist eine unbedingte Voraussetzung zur Steigerung der Planungseffizienz. Der Detaillierungsgrad kann sich in den einzelnen Bereichen des Gesamtunternehmens durchaus unterscheiden. In welchem Bereich eine Reduzierung des Detaillierungsgrades sinnvoll ist, lässt sich zum Beispiel anhand einer ABC-Analyse der Kostenarten oder Produkte ermitteln. 28. Weit verbreitet ist die sogenannte Budgetierung als einfaches Verfahren. Die Plankosten werden dabei für eine angenommene Leistungshöhe durch Fortschreibung oder Schätzung vorgegeben. Aufwendiger und deshalb auch seltener
3.3 Lernerfolg
203
eingesetzt werden analytische Methoden wie das Zero-Base-Budgeting oder die Gemeinkostenwertanalyse. 29. Bei der rechnerischen Bestimmung der Preis- und Verbrauchsabweichungen tritt
das Problem der Abweichungsüberschneidung auf. Dabei handelt es sich um Teile der Gesamtabweichung, die man nicht eindeutig der Preis- oder Mengenabweichung zuordnen kann. In der Praxis hat sich die kumulative Abweichungsanalyse durchgesetzt. Dabei wird die Abweichung zweiten Grades der weniger aussagekräftigen Preisabweichung zugeschlagen. Man geht so vor, dass zunächst die Preisabweichung nach folgender Formel ermittelt wird: (Istpreis ⎼ Planpreis) x Istmenge
Nach Abzug der Preisabweichung von der Gesamtabweichung verbleibt die Verbrauchsabweichung, die auch direkt nach folgender Formel errechnet werden kann: (Istmenge ⎼ Sollmenge) x Planpreis
30. Der komplette Kostenstellenplan ist in folgender Abb. 3.80 dargestellt. Die gesamte Beschäftigungsabweichung beläuft sich auf 2.080 €, die gesamte Verbrauchsabweichung auf 1.826 €, sodass in der Kostenstelle Montage eine Gesamtabweichung von 3.906 € auftritt.
204
3 Operatives Controlling Flitzer AG
KOSTENBERICHT Kostenstelle Montage
Kostenstellennr.: 4715 Kapazität: 400 Fertigungsstunden Fixkosten: 18.206 (Nutzkosten: 14.110)
Fertigungslöhne Zusatzlöhne für Akkord Hilfslöhne Lohnzulagen Lohnzuschläge Kalk. Sozialkosten Lohn Gehälter Kalk. Sozialkosten Gehalt Hilfs- und Betriebsstoffe Werkzeugkosten Instandhaltungskosten Kalk. Abschreibungen Kalk. Zinsen Kalk. Raumkosten Kalk. Energiekosten Kalk. Leitungskosten
Plankosten € var. fix 9.800 0 294 0 2.520 980 1.019 0 560 0 10.640 739 0 2.793 0 2.234 420 140 1.400 0 980 140 0 3.200 0 1.960 0 1.400 1.400 420 0 4.200
Kostensumme
29.033
Kostenarten
18.206
Monat: Mai Beschäftigungsgrad: 88,57% Kap.Nutzungsgrad: 77,50% SollIstkosten kosten € € 8.680 9.500 260 290 3.212 3.400 903 950 496 550 10.163 11.018 2.793 2.933 2.234 2.346 512 500 1.240 900 1.008 1.000 3.200 3.200 1.960 1.960 1.400 1.400 1.660 1.600 4.200 4.200 43.921
45.747
Verantwortlicher: H. Hammer Planbeschäftigung: 350 Fertigungsstunden Istbeschäftigung: 310 Fertigungsstunden
Verbrauchsabweichung Monat kumuliert € % € % 820 9 3.280 3% 30 11 118 9% 188 6 752 11% 47 5 189 13% 54 11 216 16% 855 8 3.417 12% 140 5 559 3% 112 5 447 2% -12 -2 -48 -12% -340 -27 -1.360 -15% -8 -1 -32 -20% 0 0 0 0% 0 0 0 0% 0 0 0 0% -60 -4 -240 5% 0 0 0 0% 1.826
7.298
Abb. 3.80: Kostenstellenbericht mit Soll-Ist-Kostenvergleich 29. Der Deckungsbeitrag ist um insgesamt 210.000 € geringer als geplant. Grund ist ein Preisrückgang bei gleichzeitiger Erhöhung der variablen Kosten pro Stück. Diesem Effekt wirkt eine größere Absatzmenge entgegen. Auch die Zusammensetzung des Produktionsprogramms hat sich günstig auf den Deckungsbeitrag ausgewirkt. Von den Produkten mit hohem Deckungsbeitrag pro Stück wurde mehr verkauft als geplant.
4 Ausgewählte Instrumente und Aufgabenfelder des Controllings
GRUNDLAGEN
STRATEGISCHES CONTROLLING
OPERATIVES CONTROLLING
INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER
MANAGEMENT REPORTING
IT-UNTERSTÜTZUNG
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung 4.2 Target Costing 4.3 Benchmarking 4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling 4.5 Prozesscontrolling 4.6 Prozesskostenrechnung 4.7 Working Capital Management 4.8 Lernerfolg
206
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Lernziele:
Sie haben einen Überblick über die Methoden der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung.
Sie können den Prozess der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung nachvollziehen.
Sie kennen die Vorteile der Teilkostenrechnung und die Mängel einer Vollkostenrechnung.
Sie können die Höhe der variablen Kosten für eine Kostenart nach verschiedenen Methoden bestimmen.
Sie kennen den Begriff des Deckungsbeitrags und die Analysemöglichkeiten für Deckungsbeiträge.
Sie kennen die Verfahren der Deckungsbeitragsrechnung.
Sie wissen, wie man bei Vorliegen eines Engpasses relative Deckungsbeiträge ermittelt.
Ihnen ist bewusst, dass man bei Vorliegen mehrerer Engpässe das Optimum mit mathematischen Verfahren wie der linearen Programmierung finden kann.
Sie sind in der Lage, den Break-Even-Punkt und die Sicherheitsspanne zu ermitteln.
Sie verstehen die Methode des Target Costing und können eine Zielkostenspaltung mit der Komponenten-Funktionsmatrix durchführen, den Zielkostenindex interpretieren und das Zielkostenkontrolldiagramm erstellen.
Sie können definieren, was ein Risiko ist, und kennen die Verknüpfung von Risikomanagement und Risikocontrolling.
Sie lernen die zentralen Prozessschritte des Risikomanagements kennen.
Sie wissen über verschiedene Instrumente zur Risikoanalyse, Risikoplanung und -steuerung Bescheid.
Sie erhalten einen Einblick in die wichtigsten Risikostrategien und in die Grundsätze zur Risikoüberwachung.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
207
Sie erfahren, wie die Risiko- und Systemdokumentation erfolgt, insbesondere den Aufbau eines Risikomanagement-Handbuchs.
Sie lernen Prinzipien zur organisatorischen Gestaltung des Risikomanagementsystems kennen.
Sie erfahren, was Prozesscontrolling vom funktionalen Controlling unterscheidet, und kennen seine Ziele und Aufgaben.
Sie kennen typische Prozessziele.
Sie lernen den Regelkreis des Prozesscontrollings kennen.
Sie wissen, wie Prozesse geplant und laufend überwacht werden.
Sie werden in die Lage versetzt, Kennzahlen für Prozessziele zu definieren.
Sie kennen die gängigen Ansätze der Prozessoptimierung.
Sie wissen, wie man Prozesskosten ermittelt.
Sie kennen die Unterschiede zwischen der klassischen Zuschlagskalkulation und der Kalkulation mit Prozesskosten.
Sie lernen, was Working Capital Management bedeutet, wofür und warum es eingesetzt wird.
Sie kennen das Forderungsmanagement im Detail, erhalten aber auch einen Überblick über das gesamte Working Capital Management.
Sie erfahren anhand eines Beispiels, wie ein Unternehmen aktives Forderungsmanagement betreibt.
208
4.1
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
4.1.1 Aufgaben der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung Die Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung bildet eine wesentliche Informationsgrundlage für das operative Controlling.100 Sie nimmt folgende Funktionen wahr: Kontrolle der Wirtschaftlichkeit Kalkulation von Kosten Bestandsbewertung Ermittlung des Erfolgs Bereitstellung von Informationen für Entscheidungen des Managements Die Kosten- und Leistungsrechnung gliedert sich in die Kostenarten-, Kostenstellenund Kostenträgerrechnung. Diese Teilbereiche haben folgende Aufgaben und Merkmale (vgl. Abb. 4.1): Kostenartenrechnung Die Kosten werden nach Kostenarten erfasst und gruppiert. Die Kostenartenrechnung ist Grundlage für die Kostenstellenrechnung. Kostenstellenrechnung Aufbauend auf der Kostenstellenrechnung soll die Frage beantwortet werden: Wo sind die Kosten angefallen? Diejenigen Kosten, die den Kostenträgern nicht direkt zugeordnet werden können (Gemeinkosten), werden auf die Kostenstellen verteilt. Die Kosten der Vorkostenstellen werden den Endkostenstellen zugeschlüsselt (innerbetriebliche Leistungsverrechnung). Zuschlagssätze für die Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten werden ermittelt. Sie bilden das Bindeglied zur Kostenträgerrechnung, da mithilfe dieser Zuschlagssätze die Kosten auf die Kostenträger verteilt werden können. Die Wirtschaftlichkeit der Kostenstellen wird durch den Ausweis und die Analyse von Kostenabweichungen kontrolliert. Kostenträgerrechnung Aufbauend auf der Kostenstellenrechnung soll die Frage beantwortet werden: Wofür sind die Kosten angefallen? Zu unterscheiden sind: Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) und Kostenträgerzeitrechnung (Kosten pro Periode). 100 Eine sehr anschauliche Beschreibung der Kosten- und Leistungsrechnung findet man bei Jórasz,
W., Kosten- und Leistungsrechnung. 5. Aufl., Wiesbaden 2009.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
209
KOSTENARTENRECHNUNG Materialkosten
Personalkosten
Kalk. Kosten
Einzelkosten
Kapitalkosten
Sonstige Kosten
Gemeinkosten
KOSTENSTELLENRECHNUNG Erfassung der primären Kosten
Vorkostenstellen
Endkostenstellen
Innerbetriebliche Leistungsverrechnung Zuschlags- und Verrechnungssätze
BETRIEBSERGEBNISRECHNUNG
ERLÖSRECHNUNG
M
F1
F2
Vw
Vt
KOSTENTRÄGERRECHNUNG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Materialeinzelkosten + Materialgemeinkosten = Materialkosten Fertigungseinzelkosten + Fertigungsgemeinkosten = Fertigungskosten Herstellkosten (3+6) + Verwaltungsgemeinkosten + Vertriebsgemeinkosten + Sondereinzelkosten = Selbstkosten (7+8+9+10)
M=Materialgemeinkostenzuschlag, F1=Verrechnungssatz der Fertigungskostenstelle 1, Vw=Verwaltungsgemeinkostenzuschlag, Vt=Vertriebsgemeinkostenzuschlag
Abb. 4.1: Wertefluss innerhalb der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
210
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Kostenträgerstückrechnung: Die Kosten werden mithilfe der Zuschlags- und Verrechnungssätze aus der Kostenstellenrechnung pro Kostenträger kalkuliert. Ziel ist es, die Herstell- und Selbstkosten zu errechnen. Kostenträgerzeitrechnung: Die in einer Abrechnungsperiode angefallenen Kosten werden ermittelt.
Stellt man den Kosten aus der Kostenträgerzeitrechnung die Erlöse gegenüber, kann das Betriebsergebnis ausgewiesen werden. Man spricht von der kurzfristigen Ergebnisrechnung oder der Betriebsergebnisrechnung. Betrachtungszeitraum ist in der Regel ein Monat. 4.1.2 Entwicklung der Kostenrechnungsverfahren Die Entwicklungslinien der Kostenrechnung sind in Abb. 4.2 dargestellt. Es wird deutlich, dass sich die Verfahren in Ist- und Plankostenrechnungen sowie in Vollund Teilkostenrechnungen einteilen lassen. Den Ursprung bildet die Vollkostenrechnung auf Basis der Ist- oder NormalBeschäftigung (die Normal-Beschäftigung ist als durchschnittliche Ist-Beschäftigung früherer Abrechnungsperioden definiert), die man vor allem für die Ermittlung von Angebotspreisen einsetzte. Ergänzend wurden später Plankostenrechnungen auf der Grundlage von Vollkosten konzipiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich das Konzept des Direct Costing, ursprünglich in den USA entwickelt, als einfache Teilkostenrechnung auch in Deutschland. In den folgenden Jahren wurde die Teilkostenrechnung in Form der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung, der Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel101 sowie der Grenzplankostenrechnung nach Kilger102 und Plaut103 ausgebaut und verfeinert. Bis heute herrscht ein Methodenstreit darüber, welches das aussagefähigste Verfahren sei. Unbestritten ist jedoch, dass die reine Vollkostenrechnung Entscheidungen des Managements nur unzureichend unterstützen kann und damit den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Wird die Vollkostenrechnung, die z. B. für die Preisermittlung öffentlicher Aufträge notwendig sein kann, eingesetzt, so sollte parallel auch ein Teilkostenrechnungssystem verwendet werden. Standardsoftware für das Rechnungswesen bietet problemlos die Möglichkeit, verschiedene Kostenrechnungsverfahren kombiniert einzusetzen. Damit kann man die jeweiligen Stärken nutzen.
101 Riebel, P., Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung: Grundfragen einer markt- und entschei-
dungsorientierten Unternehmensrechnung. 7. Aufl., Wiesbaden 1994.
102 Kilger, W., Pampel, J.,Vikas, K., Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung.
12. Aufl., Wiesbaden 2007.
103 Plaut, H.-G., Grenzplankostenrechnung. Stand und aktuelle Probleme. 2. Aufl., Wiesbaden 1998.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
211
Im Folgenden werden zunächst die Vollkosten- und die Teilkostenrechnung gegenübergestellt und darauf aufbauend die Mängel der Vollkostenrechnung aufgedeckt. Anschließend werden die einzelnen Verfahren der Deckungsbeitragsrechnung behandelt (Direct Costing, stufenweise Deckungsbeitragsrechnung und Einzelkostenund Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel). Flexible Plankostenrechnung und Grenzplankostenrechnung wurden bereits in Abschnitt 3.1.2.1.1 beschrieben.
ISTKOSTENRECHNUNG
VOLLKOSTENRECHNUNG
Vollkostenrechnung auf Basis der Ist-Beschäftigung
PLANKOSTENRECHNUNG Starre Plankostenrechnung auf Basis von Vollkosten
Vollkostenrechnung auf Basis der Normal-Beschäftigung Flexible Plankostenrechnung auf Basis von Vollkosten Direct Costing
TEILKOSTENRECHNUNG
Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung
Grenzplankostenrechnung nach Kilger und Plaut
Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel
Integrierte Parallelrechnungen Abb. 4.2: Entwicklungslinien der Kostenrechnungsverfahren104 104 Männel, W., Kostenrechnung als Instrument der Unternehmensführung, in: Scheer, A.-W. (Hrsg.),
Grenzplankostenrechnung. Wiesbaden 1990, S. 23.
212
4 Instrumente und Aufgabenfelder
4.1.3 Vergleich von Vollkosten- und Teilkostenrechnung 4.1.3.1 Variable und fixe Kosten Im Unterschied zur Vollkostenrechnung werden die Kosten in einer Teilkostenrechnung differenziert nach fixen und variablen Anteilen ausgewiesen. Man kann drei unterschiedliche Ausprägungen einer Kostenart unterscheiden (vgl. Abb. 4.3).
Kosten
Variable Kosten
Fixe Kosten
Gemischte Kosten
Leistungsabhängige Kosten
Zeitabhängige Kosten
Leistungs- und zeitabhängige Kosten
- proportional - degressiv - progressiv
- absolut fix - sprungfix
Abb. 4.3: Variable, fixe und gemischte Kosten Die variablen Kosten hängen von der Leistung ab und ändern sich mit der Beschäftigung proportional, degressiv oder progressiv. Proportionale Kosten ändern sich im gleichen Verhältnis wie die Beschäftigung. Beispiele für proportionale Kosten sind Fertigungslöhne oder Fertigungsmaterialien. Degressive Kosten steigen unterproportional zur Beschäftigung. Ein Beispiel sind Fertigungsmaterialien, für die man mit zunehmender Abnahme Rabatte erzielt. Progressive Kosten steigen überproportional zur Beschäftigung. Ein Beispiel sind Maschinenkosten, die bei zunehmender Ausbringungsmenge aufgrund der Überbeanspruchung mit Reparaturkosten verbunden sind. Von den variablen Kosten sind die Grenzkosten zu unterscheiden. Grenzkosten sind die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die Beschäftigung um eine Einheit erhöht wird: Grenzkosten = K = Gesamtkosten, x = Menge
K − K x − x
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
213
Mathematisch werden die Grenzkosten auch als erste Ableitung der Gesamtkostenfunktion ermittelt. Abb. 4.4 zeigt die Ausprägungen der variablen Kosten und die zugehörigen Grenzkostenverläufe im Vergleich.
Menge Progressive GrenzGesamtkosten kosten 0 0 0 10 5 0,5 20 12 0,7 30 22 1,0 40 38 1,6
Kosten
Kosten
10 5
Grenzkosten
1,5 1,0 0,5 0,0
0
10
20
30
10
40
Menge Degressive Gesamtkosten
15
2,0
Kosten
20
20
30
40
30
40
Menge
10 5 0
Grenzkosten
1,5 1,0 0,5 0,0
0
10
20
30
40
10
Menge 40 30 20 10 0
Progressive Gesamtkosten
0
10
20 30 Menge
20
Menge
Kosten
0 10 20 30 40
Degressive GrenzGesamtkosten kosten 0 0 7 0,7 12 0,5 15 0,3 17 0,2
2,0
Proportionale Gesamtkosten
15
0
Kosten
Menge
20
Kosten
Menge Proportionale GrenzGesamtkosten kosten 0 0 0 10 5 0,5 20 10 0,5 30 15 0,5 40 20 0,5
40
2,0 1,5 1,0 0,5 0,0
Grenzkosten
10
20 30 Menge
40
Abb. 4.4: Verläufe der variablen Kosten und der Grenzkosten In den folgenden Beispielen wird, wie in der betrieblichen Praxis üblich, die vereinfachte Annahme getroffen, dass variable Kosten proportional verlaufen. Damit entsprechen die Grenzkosten den variablen Kosten pro Stück. Fixe Kosten sind leistungsunabhängig. Sie variieren nur mit der Zeit. Je länger der Betrachtungshorizont, desto mehr fixe Kosten sind veränderbar. Man unterscheidet die in Abb. 4.5 aufgeführten Fixkostenkategorien. Kurzfristig abbaubar Mittelfristig abbaubar Langfristig abbaubar Nicht abbaubar
Betrachtungszeitraum ein bis drei Monate ein Jahr über ein Jahr
Abb. 4.5: Fixkostenkategorien
Beispiel Gehälter Versicherungskosten Leasingkosten Mitgliedsbeitrag zur IHK
214
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Fixe Kosten
Fixe Kosten verändern sich bei einer Beschäftigungszunahme, z. B. durch die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte oder durch die Inbetriebnahme zusätzlicher Maschinen, in Sprüngen. Eine Besonderheit bei den fixen Kosten ist, dass man sie nicht in gleichem Maße abbauen kann, wie sie zuvor aufgebaut wurden. Der Abbau erfolgt zeitverzögert im Vergleich zur Beschäftigungszunahme. Man spricht von Kostenremanenz (vgl. Abb. 4.6).
Kostenremanenz
Abbau der Kapazitäten
Kapazitätserweiterung
Menge
Abb. 4.6: Kostenremanenz Gründe für remanente Kosten sind z. B. weiterlaufende Abschreibungen für stillgelegte Maschinen, Gehälter für Arbeitnehmer mit längerfristigen Arbeitsverträgen, Kosten aus nicht sofort kündbaren Leasingverträgen, längerfristig abgeschlossene Mietverträge. Neben rein variablen und fixen Kosten gibt es auch gemischte Kostenarten. Ein typisches Beispiel dafür sind Energiekosten. Sie setzen sich aus einem fixen Grundtarif und dem leistungsabhängigen Tarif pro Kilowattstunde zusammen. Für diese Mischkosten muss man die fixen und variablen Anteile kennen, um vorherzusagen, wie hoch die Kosten bei einer bestimmten Beschäftigung sein werden. Dafür existieren verschiedene Verfahren der Kostenspaltung: 1. Differenzen-Quotienten-Verfahren 2. Streupunktdiagramm 3. Regressionsanalyse 4. Buchtechnisch-statistische Kostenauflösung
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
215
Die Verfahren sollen mithilfe des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: Monat Fertigungsstunden pro Monat 1 780 2 850 3 1.050 4 1.160 5 920 6 740 7 630 8 750 9 880 10 980 11 1.040 12 550
Energiekosten pro Monat 2.700 2.800 3.050 3.200 2.750 2.450 2.250 2.600 2.000 3.050 3.000 2.350
Abb. 4.7: Daten für die Kostenauflösung Differenzen-Quotienten-Verfahren Man wählt zunächst zwei Beschäftigungswerte, die möglichst weit auseinanderliegen, und deren Kosten. Möglich wäre es auch, die durchschnittliche Beschäftigung und die durchschnittlichen Kosten zu ermitteln. Für die Errechnung der variablen Kosten pro Einheit wird die Differenz der Kosten durch die Differenz der Beschäftigung dividiert: (3.200 − 2.350) = 1,39 (1.160 − 550)
Die fixen Kosten ergeben sich, wenn man von den Gesamtkosten die variablen Kosten subtrahiert: 3.200 − (1,39 × 1.160) = 1.587
Die Kostenfunktion für das Beispiel lautet: y = 1.587 + 1,39 x
Streupunktdiagramm Die Werte werden in ein Punktdiagramm (vgl. Abb. 4.8) eingetragen. Zeichnerisch legt man dann eine Gerade so durch die Punktewolke, dass der Abstand zu den Werten möglichst gering ist. Die Steigung der Geraden gibt die variablen Kosten pro
216
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Einheit an. Der Schnittpunkt mit der Ordinate zeigt die Höhe der fixen Kosten. Im Beispiel resultiert folgende Kostenfunktion: y = 1.112 +
875 x = 1.112 + 1,8 x 486
3500
Energiekosten
3000 2500 2000
875
1500 1000
486
500 0 0
200
400
600 800 Fertigungsstunden
1000
1200
1400
Abb. 4.8: Streupunktdiagramm Die Genauigkeit dieser Methode ist nicht sehr hoch. Regressionsanalyse Die Korrelation zwischen einer abhängigen und einer unabhängigen Variablen kann mit dem statistischen Verfahren der Regressionsanalyse untersucht werden. Im Beispiel sind die Fertigungsstunden die unabhängige (x), die Kosten die abhängige Variable (y). Für die Kostenfunktion =
+
wird zunächst b (variable Kosten pro Einheit) nach folgender Formel errechnet: b =
∑
(x − x)(y − y) ∑ (x − x)
x und y sind die Mittelwerte von x und y. Angewendet auf die Daten des Beispiels ergeben sich folgende Zwischenergebnisse:
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung Monat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Gesamt Mittelwert
780 2.700 850 2.800 1.050 3.050 1.160 3.200 920 2.750 740 2.450 630 2.250 750 2.600 880 2.000 980 3.050 1.040 3.000 550 2.350 10.330 32.200 860,83 2683,33
217 −
−
-80,8333 -10,8333 189,1667 299,1667 59,1667 -120,8333 -230,8333 -110,8333 19,1667 119,1667 179,1667 -310,8333 0,0000
16,6667 116,6667 366,6667 516,6667 66,6667 -233,3333 -433,3333 -83,3333 -683,3333 366,6667 316,6667 -333,3333 0,0000
−
(
−
)
-1.347,2222 -1.263,8889 69.361,1111 154.569,4444 3.944,4444 28.194,4444 100.027,7778 9.236,1111 -13.097,2222 43.694,4444 56.736,1111 103.611,1111 553.666,6667
−
( − )
6.534,0278 117,3611 35.784,0278 89.500,6944 3.500,6944 14.600,6944 53.284,0278 12.284,0278 367,3611 14.200,6944 32.100,6944 96.617,3611 358.891,6667
Abb. 4.9: Daten für die Regressionsanalyse Mithilfe der Werte aus Abb. 4.9 kann für b folgendes Ergebnis errechnet werden: b =
553.666 = 1,5427 358.891
Der Wert für die fixen Kosten a der Kostenfunktion ergibt sich, wenn man von den Durchschnittskosten die variablen Kosten der durchschnittlichen Beschäftigung subtrahiert. a = y − bx = 2.683,33 − 1,5427 × 860,83 = 1.355
Die Kostenfunktion lautet nun: y = 1.355 + 1,5427x
Die Qualität der gefundenen Lösung kann mithilfe des Bestimmtheitsmaßes kontrolliert werden. Es zeigt die Stärke des Zusammenhangs. Das Bestimmtheitsmaß errechnet sich als Quadrat der Korrelation r oder mit folgender Formel: 1 −
∑ (Y − y)(Y − y) ∑ (y − y) (y − y)
Y sind die Gesamtkosten laut Kostenfunktion.
218
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Angewendet auf die Daten des Beispiels ergeben sich folgende Zwischenergebnisse: Monat 1 780 2.700 2 850 2.800 3 1.050 3.050 4 1.160 3.200 5 920 2.750 6 740 2.450 7 630 2.250 8 750 2.600 9 880 2.000 10 980 3.050 11 1.040 3.000 12 550 2.350 Gesamt 10.330 32.200 Mittelwert 860,83 2683,33
= .
+ ,
2.558,6307 2.666,6206 2.975,1631 3.144,8615 2.774,6105 2.496,9222 2.327,2239 2.512,3494 2.712,9020 2.867,1732 2.959,7360 2.203,8069 32.200,0000
−
(
− ) (
−
)( − )
19.985,2682 277,7778 17.790,0605 13.611,1111 5.600,5589 134.444,4444 3.040,2547 266.944,4444 605,6762 4.444,4444 2.201,6964 54.444,4444 5.963,5246 187.777,7778 7.682,6342 6.944,4444 508.229,2472 466.944,4444 33.425,6236 134.444,4444 1.621,1903 100.277,7778 21.372,4345 111.111,1111 627.518,1694 1.481.666,6667
Abb. 4.10: Daten für die Ermittlung des Bestimmtheitsmaßes Mithilfe der Werte aus Abb. 4.10 kann folgendes Ergebnis errechnet werden: 1 −
627.518 = 0,57 1.481.666
Das Bestimmtheitsmaß kann einen Wert zwischen null und eins annehmen. Je näher der Wert bei eins liegt, desto höher ist die Aussagekraft des Ergebnisses der Regressionsanalyse. Buchtechnisch-statistische Kostenauflösung Dieses Verfahren ermittelt die Kostenelastizität. Die Kennzahl gibt an, um wie viel Prozent sich die Gesamtkosten ändern, wenn sich die Beschäftigung um ein Prozent ändert: prozentuale Kostenänderung prozentuale Änderung der Beschäftigung
Alternativ führt auch folgende Formel zur Kostenelastizität: Grenzkosten Stückkosten
Bei fixen Kosten ist der Wert der Kostenelastizität null, bei eins handelt es sich um proportionale Kosten.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
219
Angewendet auf die ersten beiden Perioden des Beispiels in Abb. 4.7 ergibt sich folgender Wert: (2.800 − 2.700) × 100 3,70 % 2.700 = = 0,41 (850 − 780) 8,97 % × 100 780
Wenn sich die Fertigungsstunden um ein Prozent erhöhen, so steigen die Energiekosten um 0,41 Prozent. Daraus kann geschlossen werden, dass 41 Prozent der Energiekosten variabel und 59 Prozent fix sind. Eine besondere Ausprägung der Kostenelastizität ist der Variator. Er gibt den Anteil der variablen Kosten an den Gesamtkosten an: Variable Kosten × 10 Gesamtkosten
Bei einem Variator von null handelt es sich um fixe Kosten, bei einem Variator von zehn um proportionale Kosten. Gemischte Kostenarten weisen einen Variator zwischen null und zehn auf. Je näher der Variator bei zehn liegt, desto höher ist der Anteil der variablen Kosten an den Gesamtkosten (vgl. Abb. 4.11).
7,5
0
Verändert sich die Beschäftigung um zehn Prozent, so variieren die Gesamtkosten um 7,5 Prozent. Verändert sich die Beschäftigung um zehn Prozent, so variieren die Gesamtkosten nicht.
Kosten
Verändert sich die Beschäftigung um zehn Prozent, so variieren auch die Gesamtkosten um zehn Prozent.
Darstellung
Beschäftigung
Kosten
10
Bedeutung
75 %
Beschäftigung
Kosten
Variatorwert
Beschäftigung
Abb. 4.11: Bedeutung verschiedener Variatorwerte
220
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Für Monat eins des Beispiels in Abb. 4.7 ergibt sich folgender Wert: 2.700 × 0,41 × 10 = 4,1 2.700
Steigen also die Fertigungsstunden um zehn Prozent, so nehmen die Energiekosten um 4,1 Prozent zu. Der Variator ist nur für eine gegebene Beschäftigung gültig. Alternative Beschäftigungen führen zu anderen Variatorwerten. 4.1.3.2
Kostenverrechnung
Im Unterschied zur Vollkostenrechnung werden in der Teilkostenrechnung fixe und variable Kosten in unterschiedlicher Weise verrechnet. Folgende Unterschiede sind wesentlich: 1. Kosten werden nicht als Vollkosten, sondern immer differenziert mit ihren variablen und fixen Kostenanteilen ausgewiesen. 2. Die fixen Kosten der Kostenstellen werden direkt dem Betriebsergebnis angelastet: Sie werden bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung nicht berücksichtigt. Sie fließen nicht in die Zuschlags- und Verrechnungssätze der Kostenstellen ein. In der Kalkulation werden nur die variablen Kosten verarbeitet. 3. Bestände werden mit variablen Herstellkosten bewertet.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
221
Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG hat die Kosten laut Abb. 4.12 für den Monat Juni verbucht. Der Betriebsabrechnungsbogen (BAB) wird parallel nach der Voll- und nach der Teilkostenrechnung erstellt (vgl. Abb. 4.13, Abb. 4.15, Abb. 4.16 und Abb. 4.17).105 Der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung liegen folgende Daten zugrunde: Die Umlage der Hausverwaltungskosten erfolgt nach Flächenzahlen: Instandhaltung 50 qm, Einkauf 40 qm, Lager 200 qm, Arbeitsvorbereitung 40 qm, Bohren 60 qm, Veredelung 200 qm, Vormontage 250 qm, Montage 150 qm, Verwaltung 80 qm, Vertrieb 50 qm. Die Umlage der Instandhaltungskostenstelle beruht auf den in Anspruch genommenen Instandhaltungsstunden: Lager 30 Stunden, Veredelung 60 Stunden, Bohren 30 Stunden, Verwaltung 20 Stunden. Die Umlage der Arbeitsvorbereitung an die Hauptkostenstellen der Fertigung wird in Abhängigkeit der dort angefallenen Fertigungslöhne durchgeführt. Basis der Ist-Zuschlagssätze sind für den Materialbereich die Materialeinzelkosten (es wird ein Zuschlagssatz für den gesamten Materialbereich verwendet), für die Fertigungshauptkostenstellen die Fertigungseinzelkosten, für den Verwaltungsbereich die Herstellkosten der Produktion und für den Vertriebsbereich die Herstellkosten des Umsatzes. Es wurde eine Bestandsminderung bei Gelände in Höhe von 16 Einheiten festgestellt; die Herstellkosten von Gelände betragen laut Kalkulation 1.226 € (vgl. Abb. 4.19), davon sind 754,86 € variabel (vgl. Abb. 4.20). Die Zuschlagsbasis für die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten wird in Abb. 4.14 ermittelt. Die Flitzer AG benutzt folgende Normalzuschläge, die als Durchschnitt der IstZuschläge vergangener Perioden gebildet werden: Materialbereich 70 Prozent, Bohren 180 Prozent, Veredelung 300 Prozent, Vormontage 250 Prozent, Montage 170 Prozent, Verwaltung 10 Prozent, Vertrieb 8 Prozent. Daraus ergeben sich die Gemeinkostenabweichungen der Hauptkostenstellen (vgl. Abb. 4.13 sowie Abb. 4.15, Abb. 4.16 und Abb. 4.17).
105 Anm.: Die angegebenen Zuschlagssätze sind gerundet. Alle Berechnungen erfolgten jedoch mit
den exakten Zuschlägen inklusive aller Nachkommastellen.
Abb. 4.12: Kostendaten
6.500
4.920
9.590
4.450
6.470
Hilfsstoffe
Kalk. Zinsen
Kalk. Abschr.
Raumkosten
Energie
127.130
31.200
Sozialleistungen
Summe primäre GK
20.000
44.000
Gehälter
18.000
Fertigungsmaterial
Hilfslöhne
40.000
Fertigungslöhne
4
0
0
0
9
5
0
8
10
10
2.940
70
100
70
100
600
2.000
Einkauf
250
150
100
60
900
3.530 4.460
50
100
80
50
750
6.950
500
800
400
700
1.050
3.500
1.500
6.750
100
100
40
60
600
1.350
3.000
2.500
15.150
1.300
1.000
2.500
1.400
400
4.050
2.000
25.550
1.700
700
3.500
1.800
2.500
5.850
3.500
6.000
10.000
Veredelung
13.200
800
400
700
200
1.500
3.600
2.500
3.500
6.000
Vormontage
Fertigungsbereich
9.000
ArbeitsLager vorBohren bereitung
Materialbereich
2.500 3.000
GesamtVariator kosten Hausver- Instandverwaltung haltung
Allgemeiner Bereich
22.350
700
500
1.300
200
1.500
7.650
6.000
4.500
15.000
13.250
500
400
500
150
2.700
9.000
13.000
500
200
400
200
2.700
9.000
VerVertriebswaltungsbereich Montage bereich
222 4 Instrumente und Aufgabenfelder
Abb. 4.13: BAB nach der Vollkostenrechnung -225
GK-Abweichung
GK: Gemeinkosten
12.600
Verrechnete GK
4.565
4.565
105
4.460
250
150
100
60
900
3.000
70,00%
131
3.530
50
100
80
50
750
2.500
71,25%
2.940
70
100
70
100
600
2.000
Normal-Zuschlagssatz
4
0
0
0
9
5
0
8
10
10
haltung
Ist-Zuschlagssatz
Summe Ist-GK
Umlage Arbeitsvorb.
6.855
3.661
Umlage Instandhaltung
Summe
2.940
Umlage Hausverw.
127.130
6.470
Energie
Summe primäre GK
4.450
Raumkosten
Hilfsstoffe
4.920
6.500
Sozialleistungen
9.590
31.200
Gehälter
Kalk. Abschr.
44.000
Hilfslöhne
Kalk. Zinsen
18.000
20.000
Fertigungsmaterial
40.000
Fertigungslöhne
waltung
8.260
8.260
785
525
6.950
500
800
400
700
1.050
3.500
6.855
105
6.750
100
100
40
60
600
1.350
3.000
1.500
bereitung
-1.434
16.200
180,00%
195,94%
17.634
1.542
16.092
785
158
15.150
1.300
1.000
2.500
1.400
400
4.050
2.000
2.500
9.000
642
30.000
300,00%
293,58%
29.358
1.714
27.644
1.569
525
25.550
1.700
700
3.500
1.800
2.500
5.850
3.500
6.000
10.000
lung
Verede-
116
15.000
250,00%
248,08%
14.885
1.028
13.856
656
13.200
800
400
700
200
1.500
3.600
2.500
3.500
6.000
montage
Vor-
Fertigungsbereich
Lager Arbeitsvor- Bohren
Materialbereich Einkauf
kosten
Hausver- Instand-
Gesamt- Variator Allgemeiner Bereich Ver-
186
25.500
170,00%
168,76%
25.314
2.571
22.744
394
22.350
700
500
1.300
200
1.500
7.650
6.000
4.500
15.000
1.747
15.730
10,00%
8,89%
13.983
13.983
523
210
13.250
500
400
500
150
2.700
9.000
bereich
Montage waltungs-
-2.307
10.824
8,00%
7,42%
13.131
13.131
131
13.000
500
200
400
200
2.700
9.000
bereich
Vertriebs-
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung 223
224
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Fertigungsmaterial + Material-Gemeinkosten + Fertigungslöhne + Fertigungs-Gemeinkosten = Herstellkosten der Produktion + Bestandsminderung Gelände = Herstellkosten des Umsatzes
18.000 12.600 40.000 86.700 157.300 19.616 176.916
Abb. 4.14: Zuschlagsbasis für Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten (Vollkostenrechnung) Gesamt- Variator
Allgemeiner Bereich
Materialbereich
Hausverwaltung Instandhaltung
kosten
Einkauf
Lager
gesamt variabel gesamt variabel gesamt variabel gesamt variabel Fertigungslöhne
40.000
10
Fertigungsmaterial
18.000
10
Hilfslöhne
20.000
8
Gehälter
44.000
0
Sozialleistungen
31.200
5
Hilfsstoffe
6.500
9
Kalk. Zinsen
4.920
0
100
0
50
0
60
0
700
0
Kalk. Abschr.
9.590
0
70
0
80
0
100
0
400
0
Raumkosten
4.450
0
100
0
100
0
150
0
800
0
6.470
4
Energie Summe primäre GK Umlage Hausverw. Umlage Instandhaltung Summe Umlage Arbeitsvorb.
127.130
2.000
1.600
600
300
2.500
0
3.000
0
3.500
0
750
375
900
450
1.050
525
70
28
50
20
250
100
500
200
2.940
1.928
3.530
395
4.460
550
6.950
725
1.928
86
69
344
481
619
1.172
619
1.172
481 40.519
103
2.524
Summe Ist-GK Ist-Zuschlagssatz
9,95%
Normal-Zuschlagssatz
9,00%
Verrechnete GK
1.620
GK-Abweichung
-171
Abb. 4.15: BAB nach der Teilkostenrechnung, Teil 1
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
225
Gesamt- Variator
Fertigungsbereich Arbeitsvorbereitung
kosten
gesamt Fertigungslöhne
40.000
10
Fertigungsmaterial
18.000
10
Hilfslöhne
20.000
8
1.500
Gehälter
44.000
0
3.000
Sozialleistungen
31.200
5
Hilfsstoffe
6.500
Kalk. Zinsen
4.920
Kalk. Abschr.
variabel
Bohren
Veredelung
gesamt variabel gesamt
Vormontage
variabel
gesamt
Montage
variabel
gesamt variabel
9.000
9.000
10.000
10.000
6.000
6.000
15.000
15.000
1.200
2.500
2.000
6.000
4.800
3.500
2.800
4.500
3.600
0
2.000
0
3.500
0
2.500
0
6.000
0
1.350
675
4.050
2.025
5.850
2.925
3.600
1.800
7.650
3.825
9
600
540
400
360
2.500
2.250
1.500
1.350
1.500
1.350
0
60
0
1.400
0
1.800
0
200
0
200
0
9.590
0
40
0
2.500
0
3.500
0
700
0
1.300
0
Raumkosten
4.450
0
100
0
1.000
0
700
0
400
0
500
0
Energie
6.470
4
100
40
1.300
520
1.700
680
800
320
700
280
6.750
2.455
15.150
4.905
25.550
10.655
13.200
6.270
22.350
9.055
Summe primäre GK Umlage Hausverw.
127.130
430
258
11.205
6.700
9.313
631
379
946
5.679
11.836
7.079
10.260
Ist-Zuschlagssatz
63,10%
118,36%
117,98%
68,40%
Normal-Zuschlagssatz
60,00%
120,00%
120,00%
70,00%
Verrechnete GK
5.400
12.000
7.200
10.500
GK-Abweichung
-279
164
121
240
Umlage Instandhaltung
1.928
69
344
103
206
5.111 568
481
Summe Umlage Arbeitsvorb.
103
2.524 2.524
Summe Ist-GK
Abb. 4.16: BAB nach der Teilkostenrechnung, Teil 2 Gesamt- Variator kosten
Verwaltungsbereich
Vertriebsbereich
gesamt variabel gesamt variabel Fertigungslöhne
40.000
10
Fertigungsmaterial
18.000
10
Hilfslöhne
20.000
8
Gehälter
44.000
0
9.000
0
9.000
0
Sozialleistungen
31.200
5
2.700
1.350
2.700
1.350
Hilfsstoffe
6.500
9
Kalk. Zinsen
4.920
0
150
0
200
0
Kalk. Abschr.
9.590
0
500
0
400
0
Raumkosten
4.450
0
400
0
200
0
Energie
6.470
4
500
200
500
200
13.250
1.550
13.000
1.550
Summe primäre GK Umlage Hausverw. Umlage Instandhaltung
127.130 1.928
138
481
69
Summe Umlage Arbeitsvorb.
1.756
86 1.636
2.524
Summe Ist-GK
1.756
1.636
Ist-Zuschlagssatz
1,85%
1,53%
Normal-Zuschlagssatz
2,00%
2,00%
Verrechnete GK
1.894
2.136
GK-Abweichung
138
500
Abb. 4.17: BAB nach der Teilkostenrechnung, Teil 3
226
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Fertigungsmaterial + variable Material-Gemeinkosten + Fertigungslöhne + variable Fertigungs-Gemeinkosten = variable Herstellkosten der Produktion + Bestandsminderung Gelände = Herstellkosten des Umsatzes
18.000 1.620 40.000 35.100 94.720 12.078 106.798
Abb. 4.18: Zuschlagsbasis für Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten (Teilkostenrechnung) Für das Mountainbike Gelände soll auch eine Kalkulation (Voll- und Teilkostenrechnung) durchgeführt werden. Anhand der Stücklisten und Arbeitspläne konnte man folgende Daten ermitteln: Fertigungsmaterial: Rahmen 120 €, Räder 40 €, Bremsen 30 €, Zubehör 50 €. Fertigungslöhne: Bohren 30 €, Veredeln 50 €, Vormontage 60 €, Montage 120 €. Material-Einzelkosten Rahmen Räder Bremsen Zubehör Material-Gemeinkosten Materialkosten Fertigungs-Einzelkosten Bohren Veredeln Vormontage Montage Fertigungsgemeinkosten Bohren Veredeln Vormontage Montage Fertigungskosten Herstellkosten Verwaltungsgemeinkosten Vertriebsgemeinkosten Selbstkosten
120,00 40,00 30,00 50,00 240,00 168,00 408,00 30 50 60 120 54 150 150 204
260,00
558,00 818,00 1.226,00 122,60 91,00 1.439,60
Abb. 4.19: Kalkulation für das Fahrrad Gelände (Vollkostenrechnung)
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung Material-Einzelkosten Rahmen Räder Bremsen Zubehör Material-Gemeinkosten Materialkosten Fertigungs-Einzelkosten Bohren Veredeln Vormontage Montage Fertigungsgemeinkosten Bohren Veredeln Vormontage Montage Fertigungskosten Herstellkosten Verwaltungsgemeinkosten Vertriebsgemeinkosten
120,00 40,00 30,00 50,00
30,00 50,00 60,00 120,00 18,93 59,18 70,79 82,08
Selbstkosten
227
240,00 23,88 263,88
260,00
230,98 490,98 754,86 14,00 11,56 780,42
Abb. 4.20: Kalkulation für das Fahrrad Gelände (Teilkostenrechnung) Die Ergebnisrechnung der Flitzer AG erfolgt ebenfalls nach Voll- und Teilkostenrechnung (vgl. Abb. 4.21 und Abb. 4.22). Erlöse - Bestandsminderung Gelände - Herstellkosten der Produktion - Verwaltungsgemeinkosten - Vertriebsgemeinkosten = Betriebsergebnis
250.000 19.616 157.300 13.983 13.131 45.970
Abb. 4.21: Betriebsergebnisrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren (Vollkostenrechnung) Erlöse - Bestandsminderung Gelände - variable Herstellkosten der Produktion - variable Verwaltungsgemeinkosten - variable Vertriebsgemeinkosten = Deckungsbeitrag - Fixkosten = Betriebsergebnis
250.000 12.078 94.720 1.756 1.636 139.810 87.092 52.718
Abb. 4.22: Betriebsergebnisrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren (Teilkostenrechnung)
228
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Der Vergleich der Ergebnisrechnung bei Voll- und Teilkostenrechnung zeigt, dass die Resultate nicht identisch sind. Bei einer Bestandszunahme ist das Ergebnis laut Vollkostenrechnung besser, bei Lagerabbau ist es schlechter als bei der Teilkostenrechnung. Ursache ist die Bewertung der Bestandsveränderung mit vollen Herstellkosten bzw. bei der Teilkostenrechnung mit variablen Herstellkosten. 4.1.3.3
Mängel der Vollkostenrechnung
Die Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung muss relevante Informationen für Entscheidungen des Managements liefern. Eine Vollkostenrechnung kann diese Aufgabe aus folgenden Gründen nicht erfüllen: Es werden nur die Gesamtkosten betrachtet. Ein expliziter Ausweis von fixen und variablen Kosten fehlt. Bei der Berechnung von Stückkosten werden deshalb die Gesamtkosten und damit auch die anteiligen Fixkosten auf jede einzelne Einheit verrechnet. Durch diese Proportionalisierung fixer Kosten werden zeitabhängige Kosten in Stückkosten umgewandelt. Abb. 4.23 verdeutlicht, wie Fixkosten von 6.000 € bei zunehmender Beschäftigung zu fallenden Fixkosten pro Beschäftigungseinheit führen. Damit wird unterstellt, dass alle Kosten beschäftigungsabhängig seien. Wenn die tatsächliche Beschäftigung oberhalb oder unterhalb der kalkulierten Beschäftigung liegt, werden folglich zu viel bzw. zu wenig Fixkosten verrechnet. 700
Fixe Kosten pro Einheit
600 500 400 300 200 100
10 30 50 70 90 110 130 150 170 190 210 230 250 270 290 310 330 350 370 390 410 430 450 470 490
0 Beschäftigung
Abb. 4.23: Proportionalisierung fixer Kosten
Gemeinkosten werden über mehrere Abrechnungsebenen hinweg geschlüsselt (vgl. auch Abb. 4.24).106 Die eigentlichen Kostenverursacher sind dadurch nicht mehr zu identifizieren.
106 Männel, W., Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung. Hallstadt o.J., S. 34.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
229
Aufwendungen der Finanzbuchhaltung Kostenartenrechnung
Schlüsselung von Perioden-Gemeinkosten z. B.: Versicherungsprämie wird auf die Monate aufgeteilt
Kostenstellenrechnung
Schlüsselung von Kostenstellen-Gemeinkosten z. B.: Aufschlüsselung einer Versicherungsprämie für eine Produktionshalle auf mehrere Kostenstellen. z. B.: Versicherungsprämie der Kostenstelle Instandhaltung wird im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung auf Endkostenstellen geschlüsselt.
Kostenträgerrechnung
Schlüsselung von Kostenträger-Gemeinkosten z. B.: Versicherungsprämie der Fertigungskostenstelle wird im Rahmen der Kalkulation einer Erzeugnisart zugeschlüsselt.
Abb. 4.24: Schlüsselung von Gemeinkosten Die mangelnde Eignung der Vollkostenrechnung zur Fundierung von Entscheidungen soll an konkreten Beispielen verdeutlicht werden: Fehlentscheidungen bei der Erfolgsplanung und -prognose Der Vollkostenrechner vergleicht die der jeweiligen Menge zugrunde liegenden Erlöse und die verrechneten Kosten. Dabei besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen (vgl. Abb. 4.25): Scheinbar entsteht bereits ab der ersten Mengeneinheit ein Gewinn, tatsächlich ist dies erst ab dem Break-Even-Punkt (Gewinnschwelle) der Fall (die BreakEven-Analyse wird in Abschnitt 4.1.5 behandelt). Ab welcher Menge Gewinn entsteht, ist nicht bekannt, da keine Informationen über den Verlauf der variablen Kosten vorliegen. Der Zusatzgewinn bei einer Absatzausweitung wird unterschätzt.
230
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Erlöse, Kosten
Erlöse
Verrechnete Kosten laut Vollkostenrechnung Tatsächliche Gesamtkosten (bei Vollkostenrechnung nicht bekannt)
Tatsächlicher Leistungsmenge, die Break-Even-Punkt dem Verrechnungs(Gewinnschwelle) satz zugrunde liegt
Menge, die in der Periode erzeugt und abgesetzt wurde
Menge
Abb. 4.25: Erfolgsplanung bei Vollkostenrechnung Fehler bei der Beurteilung von Zusatzaufträgen Für ein Produkt liegt die Bestellung eines Großkunden über 200 Stück vor. Der Controller soll ermitteln, ob sich der Auftrag lohnt. Zunächst errechnet er die Auswirkungen auf das Ergebnis mit der Vollkostenrechnung: Ergebnis ohne Zusatzauftrag Menge: 900 Preis pro Stück: 1.000 Vollkosten pro Stück: 1.005
Ergebnis mit Zusatzauftrag Menge: 1.100 Preis pro Stück: 1.000 Vollkosten pro Stück: 1.005
Erlöse ⎼ Kosten = Ergebnis
Erlöse ⎼ Kosten = Ergebnis
900.000 904.500 -4.500
1.100.000 1.105.500 -5.500
Da sich der Verlust um 1.000 € erhöhen würde, müsste der Zusatzauftrag abgelehnt werden.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
231
Um das Resultat zu prüfen, errechnet der Controller die Auswirkungen auch auf der Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung. Dafür muss er die Vollkosten differenzieren. Er ermittelt variable Kosten pro Stück in Höhe von 750 €. Die fixen Kosten liegen bei 229.500 €. Ergebnis ohne Zusatzauftrag Menge: 900 Preis pro Stück: 1.000 Variable Kosten pro Stück: 750 Fixe Kosten: 229.500
Ergebnis mit Zusatzauftrag Menge: 1.100 Preis pro Stück: 1.000 Variable Kosten pro Stück: 750 Fixe Kosten: 229.500
Erlöse ⎼ Variable Kosten = Deckungsbeitrag ⎼ Fixe Kosten = Ergebnis
Erlöse ⎼ Variable Kosten = Deckungsbeitrag ⎼ Fixe Kosten = Ergebnis
900.000 675.000 225.000 230.500 -4.500
1.100.000 825.000 275.000 229.500 45.500
Laut Deckungsbeitragsrechnung würde sich der Verlust von 4.500 € durch den Zusatzauftrag in einen Gewinn von 45.500 € verwandeln. Daher ist die Annahme dringend anzuraten. Die folgende Abb. 4.26 verdeutlicht noch einmal die Situation.
232
4 Instrumente und Aufgabenfelder
€
229.500
45.500
Fixe Kosten
0
918
1.100
Menge
Break-Even-Menge (Gewinnschwelle)
Abb. 4.26: Wirkung des Zusatzauftrags Fehler bei der Preispolitik Die Vollkostenrechnung liefert keine realistische Grundlage für die Preiskalkulation, da man die effektiven Kosten nicht kennt. Bei Absatzmengen, die größer oder geringer als die dem Verrechnungssatz zugrunde liegende Leistungsmenge sind, stimmen die vorkalkulierten Kosten nicht mit den tatsächlich anfallenden Kosten überein. Es besteht die Gefahr, dass man sich aus dem Markt kalkuliert. Gezeigt wird dies am Beispiel der Kalkulation für das Mountainbike Gelände der Flitzer AG in Abb. 4.27. Bei der ursprünglichen Kalkulation ging der Vollkostenrechner von 330.000 € Kosten aus (120.000 € + 200 x 900 €), die zweite Kalkulation ergab 231.000 € (120.000 € + 100 x 900 €). Unter Berücksichtigung des Gewinnzuschlags führt dies rechnerisch zu höheren Preisen pro Einheit nach dem Absatzrückgang. Durch die Proportionalisierung fixer Kosten erscheinen bei einem Absatz- und Produktionsrückgang die Kosten pro Stück höher als in der Ausgangssituation zu sein. Die Informationsgrundlage für die Preispolitik ist damit fehlerhaft.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
233
Ursprüngliche Preiskalkulation Absatz- und Produktionsmenge: Fixe Kosten: Variable Kosten pro Stück: Gesamtkosten: Gewinnzuschlag in Prozent: Rechnerischer Preis bei Vollkostenrechnung:
200 120.000 900 300.000 10 1.650 (330.000 : 200)
Preiskalkulation nach einem Absatzrückgang Absatz- und Produktionsmenge: Fixe Kosten: Variable Kosten pro Stück: Gesamtkosten: Gewinnzuschlag in Prozent: Rechnerischer Preis bei Vollkostenrechnung:
100 120.000 900 210.000 10 2.310 (231.000 : 100)
Abb. 4.27: Preiskalkulation bei Vollkostenrechnung Fehler bei der Auswahl kostengünstiger Produktionsverfahren Die Vollkostenrechnung liefert auch keine korrekten Informationen, um das kostengünstigste Produktionsverfahren auszuwählen, wie der folgende Fall zeigt: In der Montage stehen drei Maschinen zur Verfügung. Maschine A und B sind ältere, lohnintensive Anlagen, die bereits seit einigen Jahren abgeschrieben sind. Maschine C ist eine moderne Maschine, die erst vor einem Monat angeschafft wurde. Die Vollkostensätze betragen für Maschine A 1,20 €/Minute, für Maschine B 1,00 €/Minute und für die Maschine C 1,90 €/Minute. Alternativ sind auch die Teilkostensätze bekannt: Maschine A 0,90 €/Minute, Maschine B 0,70 €/Minute und Maschine C 0,70 €/Minute. Für das Anbringen der Bohrungen am Mountainbike Gelände können alle drei Maschinen eingesetzt werden. Die Bearbeitungszeit bei Maschine A beträgt 15 Minuten/Stück, bei Maschine B 12 Minuten/Stück und bei Maschine C 10 Minuten/Stück. Alle drei Maschinen sind unterbeschäftigt. Für welche Maschine entscheidet man sich bei Verwendung der Vollkosten-, für welche bei Teilkostenrechnung?
234
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Der Vollkostenrechner würde folgende Kosteninformationen für die beschriebene Entscheidungssituation bereitstellen und entsprechend Maschine B mit den niedrigsten Kosten wählen: Maschine A 18,00 €
Maschine B 12,00 €
Maschine C 19,00 €
Die Teilkostenrechnung liefert jedoch ein anderes Ergebnis. Am kostengünstigsten ist Maschine C: Maschine A 13,50 €
Maschine B 8,40 €
Maschine C 7,00 €
Bei einer Entscheidung analog der Empfehlung des Vollkostenrechners entstünden pro Stück Mehrkosten von 1,40 € (Kostenunterschied zwischen Maschine B und C laut Teilkostenrechnung). Die Fehlentscheidung basiert wieder auf der Berücksichtigung entscheidungsirrelevanter fixer Kosten. Die moderne Hochleistungsmaschine verursacht erhebliche Abschreibungen (= Fixkosten). Deswegen wird sie nicht ausgewählt, obwohl die Produktivität dieser Maschine am höchsten ist. Fixkostenintensive Anlagen werden bei einer Vollkostenrechnung und Unterbeschäftigung leerkalkuliert, weil sie im Vergleich mit den älteren Maschinen anscheinend teurer sind. Fehler bei der Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug Der Vollkostenrechner erkennt nicht, ob sich der Fremdbezug tatsächlich lohnt, wie das folgende Beispiel zeigt: Die Rahmen für die Fahrräder der Flitzer AG wurden bisher in einem ausländischen Produktionswerk gefertigt, das seit einiger Zeit nicht mehr ausgelastet ist. Laut Vollkostenrechnung kostet die Herstellung eines Rahmens für das Fahrrad Gelände 720 €/Stück. Bei einem Marktvergleich kam heraus, dass der gleiche Rahmen für nur 370 €/Stück von einem Fremdlieferanten einzukaufen wäre. Das Management trägt sich deswegen mit dem Gedanken, das ausländische Produktionswerk zu schließen und die Rahmen zukünftig fremdzubeziehen. Da der Controller Zweifel an der Richtigkeit dieses Beschlusses hat, lässt er die variablen Herstellkosten ermitteln. Sie betragen 190 €/Stück. Für die richtige Entscheidung sind folgende Überlegungen anzustellen: Würde man das Tochterunternehmen schließen, so führte dies bei Fremdbezug kurzfristig zu Verlusten in Höhe von 180 €/Stück: 370 €/Stück + 530 €/Stück - 720 €/Stück = 180 €/Stück
Fremdbezugskosten kurzfristig nicht abbaubare fixe Kosten Kosten der Eigenproduktion
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
235
Da der Maschinenpark anderweitig nicht verwendbar ist, Miet- und Leasingverträge ebenfalls nur längerfristig disponierbar sind und die Umsetzung der Gehaltsempfänger in der Regel länger dauert, können die fixen Kosten nur langsam reduziert werden. Deswegen müsste in der geschilderten Situation die Abbaufähigkeit der Fixkosten genau analysiert werden, um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Fehler bei der Programmplanung und -analyse Das optimale Produktionsprogramm kann mit einer Vollkostenrechnung nicht bestimmt werden. Die Flitzer AG hat im Monat Mai fünf verschiedene Fahrräder hergestellt. Eine Erhöhung der Absatzmengen ist nicht möglich. Folgende Daten sind bekannt: Produkt Gelände Straße Ulrich Scott Allround Summe
Menge Preis/Stück Gesamtkosten 200 1.650 300.000 120 2.300 300.000 300 3.000 750.000 80 1.100 100.000 250 1.000 200.000 950 1.650.000
Var. Kosten 225.000 250.000 560.000 80.000 140.000 1.255.000
Fixe Kosten 75.000 50.000 190.000 20.000 60.000 395.000
Abb. 4.28: Daten für die Ergebnisermittlung Bei Vollkostenrechnung ergibt die Ermittlung des Gewinns für Mai, dass die Fahrräder Straße und Scott Verluste bringen (vgl. Abb. 4.29). Bei einer Entscheidung auf Grundlage der Ergebnisse des Vollkostenrechners würde man die beiden Produkte aus dem Programm nehmen. Produkt Gelände Straße Ulrich Scott Allround Gewinn
Menge Preis/Stück Kosten/Stück Gewinn/Stück 200 1.650 1.500 150 120 2.300 2.500 -200 300 3.000 2.500 500 80 1.100 1.250 -150 250 1.000 800 200
Gewinn 30.000 -24.000 150.000 -12.000 50.000 194.000
Abb. 4.29: Ermittlung des Gewinns für Mai (Vollkostenrechnung) Es würde sich dann scheinbar ein verbesserter Gesamtgewinn in Höhe von 230.000 € ergeben (vgl. Abb. 4.30).
236
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Produkt Gelände Ulrich Allround Gewinn
Menge Preis/Stück Kosten/Stück Gewinn/Stück 200 1.650 1.500 150 300 3.000 2.500 500 250 1.000 800 200
Gewinn 30.000 150.000 50.000 230.000
Abb. 4.30: Gewinn des bereinigten Produktionsprogramms (Vollkostenrechnung) Die Teilkostenrechnung liefert ein anderes Ergebnis, da die fixen Kosten nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidung erfolgt aufgrund des Deckungsbeitrags, und dieser ist bei allen Fahrrädern positiv (vgl. Abb. 4.31). Das Produktionsprogramm müsste nicht geändert werden. Für Mai ergibt sich unter dieser Prämisse ein Gewinn von 194.000 €. Bei einer Entscheidung auf Grundlage der Vollkostenrechnung würde man 34.000 € weniger Gewinn erzielen (der Deckungsbeitrag von 26.000 € für das Fahrrad Straße und der in Höhe von 8.000 für das Produkt Scott würden nicht erwirtschaftet). Entscheidet sich das Management langfristig für die Bereinigung des Produktionsprogramms, müsste in diesem Fall die zeitliche Abbaubarkeit der Fixkosten analysiert werden. Produkt Gelände Straße Ulrich Scott Allround Deckungsbeitrag Fixkosten Gewinn
Menge Preis/Stück 200 120 300 80 250
1.650 2.300 3.000 1.100 1.000
Variable Kosten/Stück 1.125 2.083 1.867 1.000 560
Deckungsbeitrag/Stück 525 217 1.133 100 440
Deckungsbeitrag 105.000 26.000 340.000 8.000 110.000 589.000 395.000 194.000
Abb. 4.31: Gewinn des optimalen Produktionsprogramms (Teilkostenrechnung) 4.1.4 Deckungsbeitragsrechnung Die Deckungsbeitragsrechnung soll durch die Trennung von variablen und fixen Kosten die Nachteile einer Vollkostenrechnung, insbesondere die Proportionalisierung fixer Kosten, verhindern. Der Deckungsbeitrag ist als Überschuss der Erlöse über die variablen Kosten definiert. Der Gewinn bzw. der Verlust wird nach folgendem Rechenschema ermittelt:
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
237
Erlöse ⎼ Variable Kosten = Deckungsbeitrag ⎼ Fixe Kosten = Gewinn/Verlust
Der Deckungsbeitrag gibt Hinweise für Entscheidungen: Deckungsbeitrag positiv positiv
Gewinn positiv negativ
negativ
negativ
Entscheidung Produktion lohnt sich langfristig. Deckungsbeitrag deckt nur einen Teil der fixen Kosten. Produktion lohnt sich daher nur kurzfristig bei Unterauslastung. Produktion lohnt sich nicht.
Abb. 4.32: Der Deckungsbeitrag als Entscheidungskriterium Um die Auswirkungen von Änderungen des Preises oder der Absatzmenge abzuschätzen, kann die Iso-Deckungsbeitragskurve verwendet werden. Sie zeigt diejenigen Kombinationen von Preis und Absatz, die zu einem geplanten Deckungsbeitrag führen. Es kann damit simuliert werden, welche Absatzausweitung bei einer Preisminderung notwendig wäre, um den geplanten Deckungsbeitrag zu erreichen. Sinkt in Abb. 4.33 der Preis von 3.000 € auf 2.000 €, so müssen ca. 30 Stück mehr verkauft werden, um den Gesamtdeckungsbeitrag von 110.000 € zu halten.
Presi/Stück
4000
3000
2000
Deckungsbeitrag = 110.000 1000
0 0
100
200
300 Absatzmenge
Abb. 4.33: Iso-Deckungsbeitragskurve
400
500
600
238
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Deckungsbeiträge sollten verdichtet werden, damit der Gesamtdeckungsbeitrag analysiert werden kann und man in der Lage ist, Abweichungen auf die Verursacher zurückzuführen. Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG hat folgende Verdichtungsstufen für seine Deckungsbeiträge gebildet (vgl. Abb. 4.34): Deckungsbeitrag des Unternehmens
Flitzer AG
Fahrräder
Mountainbikes
Gelände
Scott
Deckungsbeitrag je Produktgruppe
Deckungsbeitrag je Produkt
Deckungsbeitrag je Unternehmensbereich
Motorroller
Rennräder
Ulrich
Straße
Abb. 4.34: Verdichtung der Produktdeckungsbeiträge Der Gesamtdeckungsbeitrag von 524.680 € in Abb. 4.35 wird vor allem vom Unternehmensbereich Fahrräder und dort von der Produktgruppe Rennräder erwirtschaftet (329.780 €). Hauptverursacher sind die Fahrräder vom Typ Ulrich (305.910 €). Sie erklären bereits 58 Prozent des Gesamtdeckungsbeitrags. Fahrräder
Erlöse - Variable Herstellkosten - Variable Vertriebskosten = Produkt-DB Produktgruppen-DB Bereichs-DB Unternehmens-DB
Mountainbikes Rennräder Gelände Scott Ulrich Straße 297.000 88.000 810.000 253.000 180.000 64.000 459.000 198.000 22.500 16.000 45.090 31.130 94.500 8.000 305.910 23.870 102.500 329.780 432.280 524.680
Motorroller Allround 210.000 84.000 33.600 92.400 92.400 92.400
DB = Deckungsbeitrag
Abb. 4.35: Daten für die Analyse des Gesamtdeckungsbeitrags Deckungsbeiträge können nach verschiedenen Gesichtspunkten ausgewiesen und analysiert werden. Aussagekräftig sind z. B. neben Deckungsbeiträgen für die Produkte auch solche für Kunden und Kundengruppen, Regionen, Vertriebswege und
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
239
Profit Center. Die Einflüsse von Deckungsbeitragsveränderungen können damit sehr differenziert erkannt werden. Beispiel Flitzer AG: Die günstige Entwicklung des Gesamtdeckungsbeitrags der Flitzer AG kann in Abb. 4.36 auf den Unternehmensbereich Fahrräder zurückgeführt werden. Dort identifiziert man die Rennräder als Einflussfaktor. Ein Wechsel der Sichtweise lässt erkennen, dass nur solche Rennräder einen hohen Deckungsbeitrag aufweisen, die von den Einzelhändlern in der Region Süd gekauft wurden. DB Flitzer AG
DB Fahrräder
DB Motorroller
DB Mountainbikes
DB Allround
Unternehmensbereich
DB Rennräder
Produktgruppe
DB Region Süd
Region
Absatzkanal
DB Einzelhandel
DB Region Nord
DB Großhandel
Abb. 4.36: Mehrdimensionale Analyse des Deckungsbeitrags 4.1.4.1
Einstufige Deckungsbeitragsrechnung
Die einstufige Deckungsbeitragsrechnung, auch Direct Costing genannt, ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: In die Kalkulation fließen neben den Einzelkosten nur die variablen Gemeinkosten ein. Damit erübrigt sich auch die Umlage fixer Gemeinkosten bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung. Lagerbestände werden mit variablen Herstellkosten bewertet. Das Betriebsergebnis wird ermittelt, indem man von den Erlösen zunächst alle variablen Kosten subtrahiert. Vom so errechneten Deckungsbeitrag (Bruttogewinn) werden in der Folge die fixen Kosten als Block abgezogen.
240
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Die fixen Kosten werden nicht weiter differenziert.
Beispiel Flitzer AG: In Fortsetzung der Abb. 4.35 zeigt Abb. 4.37 die komplette Ergebnisrechnung der Flitzer AG nach der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. Fahrräder
Erlöse - Variable Herstellkosten - Variable Vertriebskosten = Produkt-DB Produktgruppen-DB Bereichs-DB Unternehmens-DB - Gesamte Fixkosten = Betriebsergebnis
Mountainbikes Rennräder Gelände Scott Ulrich Straße 297.000 88.000 810.000 253.000 180.000 64.000 459.000 198.000 22.500 16.000 45.090 31.130 94.500 8.000 305.910 23.870 102.500 329.780 432.280 524.680 395.000 129.680
Motorroller Allround 210.000 84.000 33.600 92.400 92.400 92.400
DB = Deckungsbeitrag
Abb. 4.37: Einstufige Deckungsbeitragsrechnung (Direct Costing) Die unzureichende Differenzierung der fixen Kosten, die man weder nach ihrer sachlichen Zugehörigkeit noch nach ihrer Disponierbarkeit analysiert, wird als Mangel des Direct Costing kritisiert. 4.1.4.2
Mehrstufige DB-Rechnung
Der wesentliche Unterschied dieses Verfahrens zur einstufigen Deckungsbeitragsrechnung liegt darin, dass die Fixkosten differenziert ausgewiesen werden. Deswegen spricht man auch von der Fixkostendeckungsrechnung. Folgende Differenzierung der Fixkosten wird empfohlen: Produktfixkosten (z. B. Entwicklungskosten für ein bestimmtes Produkt) Produktgruppenfixkosten (z. B. Kosten einer Spezialmaschine für mehrere Produktarten innerhalb einer Produktgruppe) Bereichsfixkosten (z. B. Gehalt des Bereichsleiters) Unternehmensfixkosten (z. B. Gehälter der Geschäftsführung) Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG ermittelt ihr Betriebsergebnis auf der Grundlage der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. Die Unternehmensleitung hält allerdings den globalen Ausweis der Fixkosten für unzureichend. Sie beauftragt den Controller, den Fixkos-
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
241
tenblock zu analysieren, um eine bessere Grundlage für Entscheidungen zu erhalten. Beispielsweise soll damit die Frage geklärt werden, welche Fixkosten entfallen, wenn ein Produkt nicht mehr produziert wird. Der Controller erstellt daraufhin eine differenzierte Ergebnisrechnung auf der Grundlage der Fixkostendeckungsrechnung (vgl. Abb. 4.38). Der Unterschied zum Direct Costing (vgl. Abb. 4.37) wird deutlich. Da die Deckungsbeiträge aller Produkte bei der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung positiv sind, würde man bei Verwendung dieses Verfahrens das Produktionsprogramm nicht ändern. Dagegen liefert die Fixkostendeckungsrechnung ein differenzierteres Ergebnis. Unter Berücksichtigung der den Produkten direkt zuordenbaren Fixkosten weisen die Fahrräder Scott und Straße einen negativen Deckungsbeitrag auf. Deswegen muss man überlegen, wie deren Fixkosten gesenkt werden können. Alternativ würde man auch analysieren, welche Auswirkungen es hätte, diese beiden Produkte mittelfristig vom Markt zu nehmen. Der Fall zeigt, dass das Direct Costing nur Entscheidungen kurzfristiger Natur bei gegebenen Kapazitäten unterstützt; denn nur in diesem Fall sind ausschließlich die variablen Kosten in eine Entscheidungsrechnung einzubeziehen.
= = = = =
Erlöse Variable Herstellkosten Variable Vertriebskosten Produkt-DB 1 Produktfixkosten Produkt-DB 2 Produktgruppen-DB 1 Produktgruppenfixkosten Produktgruppen-DB 2 Bereichs-DB 1 Bereichsfixkosten Bereichs-DB 2 Unternehmens-DB Unternehmensfixkosten Betriebsergebnis
Fahrräder Mountainbikes Rennräder Gelände Scott Ulrich Straße 297.000 88.000 810.000 253.000 180.000 64.000 459.000 198.000 22.500 16.000 45.090 31.130 94.500 8.000 305.910 23.870 50.000 12.000 140.000 35.000 44.500 -4.000 165.910 -11.130 40.500 154.780 20.000 45.000 20.500 109.780 130.280 30.000 100.280 137.680 8.000 129.680
Motorroller Allround 210.000 84.000 33.600 92.400 55.000 37.400 37.400 0 37.400 37.400 0 37.400
DB = Deckungsbeitrag
Abb. 4.38: Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Das Management möchte für bestimmte Zwecke, wie z. B. die Kalkulation öffentlicher Aufträge, zusätzlich die Vollkosten kennen. Bei Anwendung der Fixkostendeckungsrechnung kann man auch Vollkosten kalkulieren (vgl. Abb. 4.39). Die Fixkosten werden bei einer retrograden Kalkulation in Prozent der verschiedenen De-
242
4 Instrumente und Aufgabenfelder
ckungsbeiträge errechnet. Dies entspricht dem Tragfähigkeitsprinzip. Kalkuliert man progressiv, werden die Fixkosten in Prozent der variablen Kosten zugeschlüsselt (Proportionalitätsprinzip). Retrograde Kalkulation Nettoerlös/Stück ⎼ Variable Kosten
+
= Deckungsbeitrag 1
+
⎼ Produktfixkosten (in % vom DB 1) = Deckungsbeitrag 2
+
⎼ Produktgruppenfixkosten (in % vom DB 2) = Deckungsbeitrag 3 ⎼ Bereichsfixkosten (in % vom DB 3) = Deckungsbeitrag 4 ⎼ Unternehmensfixkosten (in % vom DB 4) = Stückgewinn
=
+
Progressive Kalkulation Variable Kosten Produktfixkosten (in % der variablen Kosten) Produktgruppenfixkosten (in % der variablen Kosten) Bereichsfixkosten (in % der variablen Kosten) Unternehmensfixkosten (in % der variablen Kosten) Selbstkosten
+ Stückgewinn = Nettoerlös/Stück
DB = Deckungsbeitrag
Abb. 4.39: Retrograde und progressive Kalkulation im Rahmen der Fixkostendeckungsrechnung Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG führt für die Produkte auch eine Vollkostenkalkulation progressiv und retrograd nach der Fixkostendeckungsrechnung durch. Folgende Daten liegen vor:
Nettoerlös/Stück Variable Kosten Absatzmenge
Fahrräder Mountainbikes Rennräder Gelände Scott Ulrich Straße 1.650,00 1.100,00 3.000,00 2.300,00 1.125,00 1.000,00 1.867,00 2.083,00 180 80 270 110
Motorroller Allround 1.000,00 560,00 210
Abb. 4.40: Daten für die Vollkostenkalkulation Mithilfe der Daten in Abb. 4.40 und der ermittelten Prozentsätze (vgl. Abb. 4.41) wird retrograd und progressiv kalkuliert. Man erhält die Gesamtkosten pro Einheit.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
= -
= -
= -
= -
=
Erlöse Variable Herstellkosten Variable Vertriebskosten Produkt-DB 1 Produktfixkosten (in % vom DB) (in % der variablen Kosten) Produkt-DB 2 Produktgruppen-DB 1 Produktgruppenfixkosten (in % vom DB) (in % der variablen Kosten) Produktgruppen-DB 2 Bereichs-DB 1 Bereichsfixkosten (in % vom DB) (in % der variablen Kosten) Bereichs-DB 2 Unternehmens-DB Unternehmensfixkosten (in % vom DB) (in % der variablen Kosten) Betriebsergebnis
Fahrräder Mountainbikes Rennräder Gelände Scott Ulrich Straße 297.000 88.000 810.000 253.000 180.000 64.000 459.000 198.000 22.500 16.000 45.090 31.130 94.500 8.000 305.910 23.870 50.000 12.000 140.000 35.000 52,91% 150,00% 45,77% 146,63% 24,69% 15,00% 27,77% 15,28% 44.500 -4.000 165.910 -11.130 40.500 154.780 20.000 45.000 49,38% 29,07% 7,08% 6,14% 20.500 109.780 130.280 30.000 23,03% 2,95% 100.280 137.680 8.000 5,81% 0,71% 129.680
243
Motorroller Allround 210.000 84.000 33.600 92.400 55.000 59,52% 46,77% 37.400 37.400 0 0% 0% 37.400 37.400 0 0,00% 0,00% 37.400
DB = Deckungsbeitrag
Abb. 4.41: Prozentsätze für die retrograde und progressive Kalkulation
= = = = -
Nettoerlös/Stück Variable Kosten Deckungsbeitrag 1 Produktfixkosten Deckungsbeitrag 2 Produktgruppenfixkosten Deckungsbeitrag 3 Bereichsfixkosten Deckungsbeitrag 4 Unternehmensfixkosten Stückgewinn Gesamtgewinn je Produkt Betriebsergebnis
Fahrräder Motorroller Allround Mountainbikes Rennräder Gelände Scott Ulrich Straße 1.650,00 1.100,00 3.000,00 2.300,00 1.000,00 1.125,00 1.000,00 1.867,00 2.083,00 560,00 525,00 100,00 1.133,00 217,00 440,00 277,78 150,00 518,52 318,18 261,90 247,22 -50,00 614,48 -101,18 178,10 122,09 -24,69 178,65 -29,42 0,00 125,14 -25,31 435,83 -71,76 178,10 28,82 -5,83 100,36 -16,53 0,00 96,32 -19,48 335,47 -55,24 178,10 5,60 -1,13 19,49 -3,21 10,35 90,72 -18,35 315,98 -52,03 167,75 16.330,43 -1.467,90 85.313,87 -5.723,24 35.226,84 129.680,00
Abb. 4.42: Retrograde Vollkostenkalkulation
244
+ + + + = +
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Variable Kosten Produktfixkosten Produktgruppenfixkosten Bereichsfixkosten Unternehmensfixkosten Selbstkosten Stückgewinn Nettoerlös Gesamtgewinn je Produkt Betriebsergebnis
Fahrräder Motorroller Mountainbikes Rennräder Allround Gelände Scott Ulrich Straße 1.125,00 1.000,00 1.867,00 2.083,00 560,00 277,78 150,00 518,52 318,18 261,90 79,65 70,80 114,58 127,84 0,00 33,23 29,54 55,14 61,52 0,00 7,94 7,06 13,18 14,70 3,95 1.523,59 1.257,39 2.568,42 2.605,25 825,86 126,41 -157,39 431,58 -305,25 174,14 1.650,00 1.100,00 3.000,00 2.300,00 1.000,00 22.753,31 -12.591,29 116.525,45 -33.577,35 36.569,87 129.680,00
Abb. 4.43: Progressive Vollkostenkalkulation 4.1.4.3
Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel
Die Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel ist konsequent entscheidungsorientiert aufgebaut. Dies äußert sich z. B. darin, dass auf jegliche Schlüsselung von Gemeinkosten verzichtet wird. Selbst variable Gemeinkosten, wie beispielsweise Transportkosten, werden nicht auf die einzelnen Produkte verteilt. Das Konzept wird durch folgende Merkmale charakterisiert:
Deckungsbeiträge werden relativ, d. h. für ein bestimmtes Bezugsobjekt ermittelt. Deshalb ist zunächst der Aufbau mehrstufiger Bezugsobjekthierarchien notwendig (vgl. Abb. 4.44). Solche Hierarchien können sich als Kombination verschiedener Leistungsarten (Aufträge, Artikel, Artikelgruppen), Leistungsstellen (Profit Center, Teilkonzerne), Leistungsempfänger (Kunden, Kundengruppen) oder Absatzregionen (Gebiete, Bezirke) zusammensetzen. Die Deckungsbeiträge werden stufenweise entsprechend der Zurechnungshierarchie zusammengefasst. Dadurch können alle Kosten als Einzelkosten einer bestimmten Bezugsgröße zugerechnet werden. Die Zurechnung von Kosten und Erlösen auf ein Objekt erfolgt nach dem Marginalprinzip. Dies bedeutet, dass z. B. einem Produkt nur jene Kosten zugerechnet werden, die durch dessen Herstellung zusätzlich ausgelöst werden, die also beim Verzicht auf die Produktion nicht angefallen wären. Um den Deckungsbeitrag zu ermitteln, werden nur diejenigen Kosten und Erlöse gegenübergestellt, die auf dieselbe Entscheidung zurückzuführen sind wie die Existenz des betreffenden Zurechnungsobjekts selbst (Identitätsprinzip).
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
245
Gesamtunternehmen
Artikelgruppen
Kundengruppen
Auftragsarten
Auftragsgrößenklassen
Verkaufsgebiete
Kunden
Artikel
Aufträge
Verkaufsbezirke
Auftragspositionen
Abb. 4.44: Mehrstufige Bezugsobjekthierarchien107
Man unterscheidet Leistungs- und Bereitschaftskosten (vgl. Abb. 4.45). Die Leistungskosten (sie entsprechen grob den variablen Kosten) werden nicht automatisch als proportional zugrunde gelegt. Möglich sind auch progressive oder degressive Verläufe. Die Bereitschaftskosten (sie entsprechen den fixen Kosten) unterteilt man nach ihrer Bindungsdauer in Periodeneinzelkosten. So werden z. B. Versicherungsprämien nicht auf die einzelnen Monate eines Jahres verteilt, sondern nur dem gesamten Jahr zugerechnet.
107 Riebel, P., Sinzig, W., Zur Realisierung der Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung mit
einer relationalen Datenbank. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 33 (1981) 6, S. 467.
246
4 Instrumente und Aufgabenfelder Artikelgruppe Artikel Erlös absatzabhängige Leistungskosten erzeugnisabhängige Leistungskosten
Provision Verpackung Material Lizenzen Hilfsstoffe Energie
Deckungsbeitrag I
dem Artikel direkt zuordenbare Bereitschaftskosten
ohne zeitliche Bindung (Energie, Überstunden) monatliche Bindung 1/4-jährliche Bindung 1/2-jährliche Bindung jährliche Bindung offene Periode
Deckungsbeitrag II ohne zeitliche Bindung (Energie, Überstunden) der Artikelgruppe direkt monatliche Bindung zuordenbare 1/4-jährliche Bindung Bereitschaftskosten 1/2-jährliche Bindung jährliche Bindung offene Periode Deckungsbeitrag III ohne zeitliche Bindung (Energie, Überstunden) dem Unternehmen monatliche Bindung direkt zuordenbare 1/4-jährliche Bindung Bereitschaftskosten 1/2-jährliche Bindung jährliche Bindung offene Periode Deckungsbeitrag IV
AG 1 A1 80.000 8.000 2.000 30.000 1.500 1.000 37.500
AG 2 A2 A3 70.000 50.000 9.000 3.000 1.500 1.000 25.000 24.000 3.000 1.200 800 800 700 32.500 17.500
3.000
1.000
1.500
6.000 3.000 1.500 1.000 3.000 20.000
4.000 2.800 2.000 700
3.500 1.000 1.000 500
22.000
10.000
8.000
24.000
20.000
1.000 2.000 3.500 2.000 1.000 3.000 31.500
Hinweis: In Kostenstelle 1 wird nur P1, in Kostenstelle 2 nur P2 und in Kostenstelle 3 nur P3 hergestellt.
Abb. 4.45: Beispiel einer Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten
Sämtliche Kosten werden in der Grundrechnung als Einzelkosten, also ohne Schlüsselung von Gemeinkosten, differenziert nach Kostenstellen, Kostenträgern und verschiedenen Kostenkategorien gespeichert. Dort werden die elementaren Daten ohne Verrechnung oder Verdichtung gesammelt. Es ist deshalb darauf zu achten, dass die gebuchten Kosten mit allen relevanten Kostenbestimmungsfaktoren beschrieben werden, sodass eine flexible Auswertung möglich wird. Die zweckneutralen Daten der Grundrechnung werden mit Sonderrechnungen ausgewertet, um Informationen für Entscheidungen aufzubereiten.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
247
Die Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel hat sich bisher in der Praxis nicht durchsetzen können, obwohl fortschrittliche Software viele Funktionen, die eine solche Rechnung unterstützen, bereitstellt. Dies liegt u.a. daran, dass das Konzept von Riebel recht komplex ist. Außerdem werden nicht mehr, wie dies die Praxis verlangt, alle variablen Kosten auf Kostenstellen und Kostenträger zugerechnet. Variable Gemeinkosten ordnet man nur einem übergeordneten Bezugsobjekt (Kostenbereich) als Einzelkosten zu, auch wenn eine Schlüsselung aufgrund von Verbrauchsanalysen direkt bei einer Kostenstelle möglich wäre. 4.1.4.4
Engpassbezogene Deckungsbeiträge
Absolute Deckungsbeiträge zeigen die Vorteilhaftigkeit eines Produkts nur dann, wenn kein Engpass vorhanden ist. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Problematik: Beispiel Flitzer AG: Der Geschäftsführung der Flitzer GmbH liegen folgende Plandaten für den Monat Dezember vor: Absatzmenge Erlös Variable Kosten Deckungsbeitrag gesamt Deckungsbeitrag pro Stück
Gelände 200 330.000 225.000 105.000 525
Scott 250 250.000 140.000 110.000 440
Gesamt 450 580.000 365.000 215.000
Abb. 4.46: Daten für die Absatzausweitung bei einem Engpass Ein Großkunde möchte für 10.000 € Mountainbikes bestellen. Soll der Vertriebsmitarbeiter das Fahrrad Gelände oder das Fahrrad Scott anpreisen? Würde man für diese Entscheidung den absoluten Deckungsbeitrag pro Einheit als Entscheidungskriterium heranziehen, führte das zu einem falschen Ergebnis. Das Rad Gelände (Deckungsbeitrag/Stück: 525 €) wäre gegenüber Scott (Deckungsbeitrag/Stück: 440 €) zu favorisieren. Damit entginge dem Unternehmen insgesamt ein Deckungsbeitrag von 1.250 €, weil von Gelände nur sechs Fahrräder (10.000 € Mehrumsatz/1.650 € pro Gelände), von Scott aber zehn Fahrräder (10.000 € Mehrumsatz/1.000 € pro Scott) mehr abgesetzt werden könnten. Sechs Gelände bringen einen Deckungsbeitrag von 3.150 € (6 x 525 €), zehn Scott bedeuten aber 4.400 € Deckungsbeitrag (10 x 440 €). Im Beispiel liegt ein Engpass in Form des maximalen Umsatzes von 10.000 € vor, deswegen muss für die Entscheidung der relative oder engpassbezogene Deckungsbeitrag herangezogen werden. Dafür dividiert man den absoluten Deckungsbeitrag durch die Engpassinanspruchnahme. Die Engpassinanspruchnahme resultiert im Beispiel aus dem Preis eines Fahrrads. Als Ergebnis erhält man für das Fahrrad Scott
248
4 Instrumente und Aufgabenfelder
0,44 (440 € / 1.000 €), d. h., dass von jedem umgesetzten Euro 44 Cent zur Deckung der fixen Kosten übrig bleiben, während bei Gelände lediglich 32 Cent zur Verfügung stehen. Unter diesem Aspekt sollte also das Fahrrad Scott forciert werden. Liegen Engpässe in der Fertigung vor, so können engpassbezogene Deckungsbeiträge die Entscheidung unterstützen, welche Produkte in welchen Mengen zu fertigen sind. Beispiel Flitzer AG: Die Rahmen aller Fahrradtypen müssen lackiert werden. Die Spritzautomaten der Nasslack-Spritzlackierungsanlage haben eine Kapazität von 2.000 Stunden pro Monat. Eine erste Rechnung hat ergeben, dass nicht alle Fahrräder in der maximal möglichen Absatzmenge gefertigt werden können. Dazu reicht die Fertigungskapazität der Spritzautomaten in Höhe von 2.000 Stunden nicht aus.
Gelände Scott Ulrich Straße Summe
Maximale Absatzmenge in Stück 900 1.000 1.400 1.200 4.500
Preis in €/Stück 1.650 1.000 400 700
Variable Kosten in €/Stück 1.125 750 200 300
Kapazitätsbeanspruchung in Minuten/Stück 50 45 15 20
Kapazitätsbeanspruchung gesamt in Stunden 750 750 350 400 2.250
Abb. 4.47: Ausgangsdaten für die Produktion bei einem Engpass Der Controller soll im Auftrag der Geschäftsführung eine Entscheidungsvorlage erarbeiten. Dafür errechnet er die absoluten Deckungsbeiträge pro Fahrrad. Ergänzend bezieht er die Deckungsbeiträge auch auf die Engpassinanspruchnahme laut Abb. 4.47, um für jedes Fahrrad einen relativen Deckungsbeitrag ausweisen zu können (vgl. Abb. 4.48).
Gelände Scott Ulrich Straße
Absoluter Deckungsbeitrag in €/Stück 525 250 200 400
Priorität 1 3 4 2
Abb. 4.48: Priorisierung der Produkte
Relativer Deckungsbeitrag in €/Minute 10,50 5,56 13,33 20,00
Priorität 3 4 2 1
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
249
Aufgrund der relativen Deckungsbeiträge schlägt er folgende Fertigungsmengen vor (vgl. Abb. 4.49): Optimale Menge in Stück Gelände Scott Ulrich Straße Summe
900 666 1.400 1.200
Kapazitätsbeanspruchung in Minuten/Stück 50 45 15 20
Kapazitätsbeanspruchung gesamt in Stunden 750,00 499,50 350,00 400,00 1.999,50
Deckungsbeitrag gesamt in € 472.500 166.500 280.000 480.000 1.399.000
Abb. 4.49: Optimale Produktionsmenge bei einem Engpass Scott hat aufgrund des geringsten relativen Deckungsbeitrags die niedrigste Priorität. Deswegen werden nur 666 Einheiten von den maximal 1.000 absetzbaren Fahrrädern hergestellt. Hätte man als Kriterium die absoluten Deckungsbeiträge verwendet, so hätte das Fahrrad Ulrich den letzten Platz belegt. Statt 1.400 würde man nur 400 fertigen (vgl. Abb. 4.50). Bei der Entscheidung aufgrund der absoluten Deckungsbeiträge hätte die Flitzer GmbH auf einen Deckungsbeitrag von 116.500 € verzichten müssen. Menge in Stück Gelände Scott Ulrich Straße
900 1.000 400 1.200
Kapazitätsbeanspruchung in Minuten/Stück 50 45 15 20
Kapazitätsbeanspruchung gesamt in Stunden 750 750 100 400 2.000
Deckungsbeitrag gesamt in € 472.500 250.000 80.000 480.000 1.282.500
Abb. 4.50: Produktionsmengen bei dem absoluten Deckungsbeitrag als Entscheidungskriterium Engpassbezogene Deckungsbeiträge kann man nicht nur für den Absatz- und Produktionsbereich ermitteln. Denkbar wären auch engpassbezogene Deckungsbeiträge pro Personalstunde, wenn bestimmte Mitarbeiter nur begrenzt zur Verfügung stehen, oder pro Rohstoffeinheit. Existieren mehrere Engpässe, verwendet man die mathematische Methode der linearen Programmierung zur Bestimmung des optimalen Produktionsprogramms. Tabellenkalkulationsprogramme wie MS-Excel lösen solche Probleme mit Standardfunktionen. Im Beispiel der Abb. 4.51 werden die zu maximierende Zelle (Deckungsbeitrag gesamt), die für die Optimierung veränderbaren Zellen (Produktionsmengen) und die Nebenbedingungen (maximale Kapazitäten der Maschinen M1 und
250
4 Instrumente und Aufgabenfelder
M2) angegeben. Das System ermittelt auf dieser Grundlage diejenigen Produktionsmengen für die Produkte A und B, die zum höchsten Gesamtdeckungsbeitrag führen (60 Einheiten von A und 40 Einheiten von B).
Abb. 4.51: Optimierung bei zwei Engpässen mit dem Solver von MS-Excel 4.1.5 Break-Even-Analyse Die Break-Even-Analyse zeigt, ab welcher Mindestabsatzmenge oder ab welchem Mindesterlös Gewinn erzielt wird. Es lassen sich zudem weitere Fragen beantworten: Wie hoch ist der Gewinn bei der geplanten Absatzmenge? Wie hoch muss der Mindestpreis sein? Welche Auswirkungen haben Kosten- oder Preisänderungen auf den geplanten Gewinn? Lohnen sich Investitionen (Erweiterung der Fertigungskapazitäten, Werbung)? Sollen die alten Anlagen durch neue ersetzt werden? Welche Rabatte können gewährt werden? Abb. 4.52 zeigt die Break-Even-Analyse für ein Ein-Produkt-Unternehmen und lineare Erlös- und Kostenverläufe.
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
251
Erlöse
Kosten, Erlöse
effektive Gesamtkosten
Gewinn
fixe Kosten Sicherheitsspanne
Break-Even-Punkt (Gewinnschwelle)
Planabsatz
Kapazitätsgrenze
Menge
Abb. 4.52: Break-Even-Diagramm Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG entwickelt ein System zur Routenplanung für Fahrräder. Es besteht aus einer smartphonespezifischen Halterung am Fahrrad und einer App. Der Nutzer gibt in der App Start- und Zielpunkt ein und lässt die Fahrradroute berechnen. Außerdem kann man den aktuellen Standort ermitteln lassen und ihn als Startpunkt verwenden. Für die Route stehen auch Streckendaten zur Verfügung, wie die Länge der Strecke, Fahrzeit und Steigung. Der Vertrieb prognostiziert in einem optimistischen Szenario eine Absatzmenge von 50.000 Systemen. Laut Controlling betragen die Gesamtkosten 450.000 €, die fixen Kosten 200.000 € und die variablen Kosten pro Einheit 5 €. In unserem Fall nehmen wir an, dass der Vertrieb 10 € pro System für einen wettbewerbsfähigen Preis erachtet. Die Geschäftsleitung stellt nun folgende Frage: Wie viele Systeme müssen mindestens abgesetzt werden, um Gewinn zu erzielen? Diese Frage kann mit der Break-Even-Analyse beantwortet werden. Erst wenn die fixen Kosten und die anteiligen variablen Kosten durch die Erlöse gedeckt sind, entsteht Gewinn. Diesen Punkt kann man mit folgender Formel rechnerisch ermitteln:
252
4 Instrumente und Aufgabenfelder Break⎼Even⎼Menge =
Fixe Kosten Preis − variable Kosten pro Einheit
In unserem Fall errechnet sich eine Mindestmenge von 40.000 Systemen, die erforderlich ist, um Gewinn zu erzielen. Neben der Mindestmenge kann auch der Mindestumsatz errechnet werden. Dafür eignet sich die folgende Formel: Break⎼Even⎼Umsatz =
Fixe Kosten variable Kosten pro Einheit 1− Preis pro Einheit
Im Beispiel ergibt sich ein Mindestumsatz von 400.000 €. Beispiel Flitzer AG: Die Geschäftsführung möchte auch wissen, wie hoch der Gewinn bei einer Absatzmenge von 42.000 Systemen wäre. Alle Systeme, die über dem Break-Even-Punkt abgesetzt werden, verbessern den Gewinn in Höhe des zusätzlichen Deckungsbeitrags, da die fixen Kosten bereits gedeckt sind. Das führt im Beispiel zu einem Gewinn von 10.000 € (2.000 x 5 €). Beispiel Flitzer AG: Die Geschäftsführung fragt den Controller, wie sicher es ist, bei einem Planabsatz von 42.000 Systemen keinen Verlust zu machen. Um das Risiko abzuschätzen, kann die Sicherheitsspanne errechnet werden. Sie besagt, um wie viel die geplante Absatzmenge maximal sinken darf, ohne in die Verlustzone zu geraten. Rechnerisch ermittelt man die Sicherheitsspanne mit der Formel (Planmenge − Break⎼Even⎼Menge) Planmenge
Im Beispiel darf die geplante Absatzmenge um 4,8 Prozent geringer ausfallen, damit das Unternehmen keinen Verlust macht. Das Verlustrisiko ist also sehr hoch, weil bereits ein geringer Nachfragerückgang reicht, um in die Verlustzone zu geraten. Beispiel Flitzer AG: Die Geschäftsführung will die Vertriebsmitarbeiter motivieren, durch verstärkte Akquisitionsanstrengungen die Absatzmenge auf 44.000 Systeme auszuweiten. Wie hoch wäre der Gewinn, wenn dies gelänge?
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
253
Bei einem Absatz von 44.000 Systemen betrüge der Gewinn 20.000 € (4.000 Systeme über dem Break-Even-Punkt bringen einen Gewinn von 4.000 x 5 €). Eine Mengenausweitung von 2.000 Einheiten oder 4,7 Prozent führt also zu einer Verdopplung des Gewinns. Das muss den Vertriebsmitarbeitern deutlich vor Augen geführt werden. Diese Erkenntnis in Kombination mit einer prozentualen Beteiligung am Gewinn motiviert sehr stark. Beispiel Flitzer AG: Die Verantwortlichen für Marketing sind sich einig, dass man durch intensive Werbung 50.000 Systeme absetzen könnte. Die zusätzlichen fixen Kosten würden 80.000 € betragen. Lohnt sich die Maßnahme? Der Gewinn bei 44.000 Systemen beträgt 20.000 € (siehe oben). Um in der neuen Situation denselben Gewinn zu erzielen, wäre eine Absatzmenge von 60.000 Systemen nötig. Das Ergebnis kann wie folgt berechnet werden: Gewinn = Erlöse − Kosten Gewinn = Preis × Menge − (fixe Kosten + variable Kosten × Menge) 20.000 = 10x − (280.000 + 5x) x=
300.000 5
Die Investition würde sich also nicht lohnen. Es ist besser, 44.000 statt 50.000 Systeme abzusetzen. Durch die Investition würde sich auch das Risiko eines Verlustes erhöhen, da die Fixkosten (Werbeverträge) bei rückläufiger Beschäftigung in der Regel nur schubweise abgebaut werden können. Beispiel Flitzer AG: Die Fertigung ist bisher durch alte Maschinen und manuelle Arbeit geprägt. Die Geschäftsführung diskutiert deshalb auch, ob ein Ersatz durch moderne, bedienungsarme Automaten sinnvoll wäre. Unternehmen mit einem hohen Automatisierungsgrad haben vor allem aufgrund der Abschreibungen mehr fixe Kosten zu tragen. Dafür sind die variablen Kosten pro Einheit geringer, weil es z. B. im Vergleich zu manueller Fertigung weniger Zeit kostet, eine Einheit herzustellen (vgl. die Steigung der variablen Kostenkurve in Abb. 4.53). In der Regel überwiegt der Einfluss der höheren Fixkosten, sodass der Break-Even-Punkt später erreicht wird. In der Konsequenz bewirken relativ kleine Zuwächse der Absatzmenge eine große Gewinnsteigerung. In einem schlechten Jahr führen geringere Absatzmengen aber auch zu hohen Gewinneinbußen. Das Risiko des Verlustes, aber auch die Chance auf hohe Gewinne nimmt also zu. Solche Unternehmen hängen sehr stark von Nachfrageänderungen ab.
254
Kosten, Erlöse
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Vor der Automatisierung
Erlöse
effektive Gesamtkosten
fixe Kosten
Break-Even-Punkt (Gewinnschwelle)
Kosten, Erlöse
Nach der Automatisierung
Menge
Kapazitätsgrenze
Erlöse
effektive Gesamtkosten fixe Kosten
Break-Even-Punkt (Gewinnschwelle)
Kapazitätsgrenze
Menge
Abb. 4.53: Break-Even-Diagramm bei geringer und hoher Automatisierung Der Automatisierungsgrad und die damit verbundenen Kosten pro Stück haben einen enormen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit. Gelingt es einem Unterneh-
4.1 Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung
255
men mit hoher Automatisierung, an der Kapazitätsgrenze zu produzieren und die Menge abzusetzen, werden die Kosten pro Einheit im Vergleich zu gering automatisierten Unternehmen sehr niedrig. Das ermöglicht Preise, die sogar unter den Kosten des Konkurrenten liegen können. In den 80er Jahren gab es z. B. große Kostenunterschiede zwischen japanischen und US-amerikanischen Stahlproduzenten. Während japanische Unternehmen aufgrund ihrer sehr modernen Anlagen über zehn Millionen Tonnen pro Jahr herstellen konnten, waren ihre amerikanischen Konkurrenten nur in der Lage, fünf Millionen Tonnen zu produzieren. Wegen der geringen Durchschnittskosten (die hohen Fixkosten wurden durch die sehr geringen variablen Kosten und die hohe Ausbringungsmenge mehr als kompensiert) konnten die japanischen Stahlproduzenten zu Preisen verkaufen, die unter den Kosten der amerikanischen Produzenten lagen. Beispiel Flitzer AG: Laut Vertrieb könnte die geplante Absatzmenge von 44.000 Einheiten um 13 Prozent oder 5.720 Einheiten ausgeweitet werden, wenn man auf den Preis fünf Prozent Rabatt gewähren würde. Ist die Rabattgewährung vorteilhaft, wenn die Umsatzrendite (= Gewinn / Umsatz) von 4,55 Prozent nicht unterschritten werden soll? Durch die Einräumung des Rabatts verläuft die Erlöskurve flacher, der Break-EvenPunkt wird dementsprechend später erreicht. Um dieselbe Umsatzrendite zu erzielen, muss die Absatzmenge um 5.162 Einheiten oder 11,7 Prozent steigen. Die Werte können komfortabel mit der Zielwertsuche eines Tabellenkalkulationsprogramms errechnet werden. Da eine Absatzsteigerung von 5.720 Einheiten prognostiziert wurde, ist die Rabattgewährung also sinnvoll.
Abb. 4.54: Bestimmung der Absatzmenge mit der Simulationsfunktion von MS-Excel
256
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Die Break-Even-Analyse ist eine wertvolle Methode, um die Beziehungen zwischen Menge, Preis, Erlösen und Kosten zu untersuchen. Sie hilft, Preise und Erlösschmälerungen festzulegen, Absatzmengen zu bestimmen und diverse Entscheidungen, wie die Erweiterung der Fertigungskapazitäten oder die Investition in moderne Anlagen, zu fundieren. Da Break-Even-Analysen auch für den gesamten Lebenszyklus eines Produktes erstellt werden können, fördern sie das langfristige Denken und gewährleisten dabei, dass die Marktgegebenheiten berücksichtigt werden. Die Methode dient als Instrument, auf dessen Grundlage der Vertrieb (Preise, Erlöse, Absatzmengen), das Controlling, der Einkauf, die Entwicklung, die Produktion (Kosten und Produktionsmengen) und die Geschäftsleitung bereichsübergreifend Unternehmens- und Marktdaten diskutieren können. Die Break-Even-Analyse zwingt also zur Zusammenarbeit. Wenn z. B. der Entwicklungsleiter ein besonders ausgefeiltes Produkt haben möchte, wird der Vertriebschef im Break-EvenDiagramm sofort die Änderungen auf Absatzmengen und Preise verdeutlichen. Ermittelt der Controller ergänzend die Auswirkung auf Break-Even-Punkt und Gewinn, wird „Overengineering“ frühzeitig erkannt. Das Break-Even-Diagramm ist zudem leicht verständlich, sehr anschaulich und damit für Präsentationen gut geeignet. Das erklärt auch die Verbreitung der Methode in der Praxis. Die Methode eignet sich hervorragend für eine erste grobe Analyse und um die grundlegenden Daten für unternehmerische Entscheidungen zu bestimmen. Weitergehende Analysen mit einem höheren Detaillierungsgrad sollten allerdings folgen, bevor man eine Entscheidung fällt, da Break-Even-Analysen die Realität sehr einfach wiedergeben. In der Regel wird es keine konstanten Preise geben. Auch die Kosten dürften sich im Zeitablauf nicht linear verändern. Oft werden ab einer bestimmten Menge zusätzliche Mitarbeiter und Überstunden erforderlich. Zudem erhöhen sich die fixen Kosten bei einer Erweiterung der Kapazitäten sprunghaft. Durch die linearen Erlös- und Kostenverläufe werden deshalb die tatsächlichen Gegebenheiten der betrieblichen Praxis nur sehr einfach dargestellt. Ein Problem ist zudem die Aufteilung der Fixkosten auf einzelne Produkte, die nicht immer eindeutig möglich ist. Dieser Einschränkungen der Break-Even-Analyse muss man sich bewusst sein. Für die Praxis sind sie meist akzeptabel.
4.2 Target Costing
4.2
257
Target Costing
Mit Target Costing werden die Produktkosten in Abhängigkeit von den Marktanforderungen optimiert. Die klassische Kalkulation beantwortet die Frage „Wie hoch muss der Preis des Produktes sein?“, indem zu den kalkulierten Kosten der gewünschte Gewinn addiert wird. Target Costing gibt jedoch eine Antwort auf die Frage „Was dürfen das Produkt und seine Komponenten kosten?“ (vgl. Abb. 4.55).
Marktpreis
-
Retrograde Kalkulation
Geplanter Gewinn
= Allowable Costs
Zielkostenlücke
Kalkulierte Kosten (Drifting Costs)
Abb. 4.55: Prinzip des Target Costing Ausgehend vom Marktpreis wird der geplante Gewinn abgezogen. Dies führt zu den erlaubten Kosten (Allowable Costs). Durch den Vergleich mit den herkömmlich kalkulierten Kosten (Drifting Costs) wird ersichtlich, ob eine Zielkostenlücke existiert. Sie gilt es, durch geeignete Kosteneinsparungen zu schließen. Dafür werden im Rahmen der Kostenspaltung die infrage kommenden Baugruppen und Komponenten mit ihrem Einsparungsbedarf bestimmt. Die hier behandelte Methode des Target Costing wird auch als Market into Company bezeichnet.108
108 Weitere Target Costing-Methoden findet man bei Freidank, C., Kostenrechnung. 7. Aufl., Mün-
chen/Wien 2007, S. 390 ff.
258
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Der Prozess des Target Costing kann grob in drei Phasen eingeteilt werden: 1. Zielkostenfindung 2. Zielkostenspaltung 3. Zielkostenerreichung und Kontrolle Zielkostenfindung Der am Markt erzielbare Preis (Target Price) und die daraus abgeleiteten Zielkosten (Allowable Costs) sind Ausgangspunkt des Target Costing-Prozesses. Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG möchte ein neues Fahrrad mit eingebautem Hilfsmotor auf den Markt bringen. Aufgrund einer Analyse der Wettbewerber weiß man, dass der Preis bei maximal 1.250 € liegen darf. Da der Vorstand eine Umsatzrendite von 20 Prozent fordert, dürfen die Kosten für das neue Produkt höchsten 1.000 € betragen. Umsatzrendite =
Gewinn Gewinn ; 0,2 = ; Gewinn = 250 Umsatz 1.250
Zielkostenspaltung Sind die zulässigen Kosten für das gesamte Produkt bekannt, müssen diese auf die einzelnen Produktkomponenten heruntergebrochen werden. Oft verwendet man dafür die Conjoint-Measurement-Analyse. Diese Methode misst die Nutzenanteile der einzelnen Produktkomponenten am Gesamtnutzen. Beispiel Flitzer AG: Es soll ermittelt werden, welche Produkteigenschaften die potenziellen Kunden bevorzugen. Die verantwortlichen Mitarbeiter im Marketing kommen zum Ergebnis, dass für die Kunden folgende Merkmale kaufentscheidend sind: Design Komfort Qualität Geschwindigkeit Zur Bewertung der Kundenpräferenzen wird eine externe Marketingagentur beauftragt. Sie befragt die potenziellen Kunden und wertet die Daten mithilfe der Conjoint-Measurement-Analyse aus. Folgendes Ergebnis wurde dokumentiert:
4.2 Target Costing
259
Merkmal Design Komfort Qualität Geschwindigkeit
Nutzenwert 25% 35% 25% 15%
Im nächsten Schritt werden zusammen mit der Entwicklung die Komponenten und deren Beitrag zur Realisierung der Funktionen des neuen Fahrrads festgelegt (Abb. 4.56). Aus Abb. 4.56 kann man z. B. entnehmen, dass das Design zu 40 Prozent durch den Rahmen bestimmt wird. Räder Rahmen Hilfsmotor Sitz Gesamt
Design 30% 40% 0% 30% 100%
Komfort 20% 10% 15% 55% 100%
Qualität 10% 30% 35% 25% 100%
Geschwindigkeit 35% 20% 40% 5% 100%
Abb. 4.56: Beitrag der Komponenten zur Erfüllung der Funktionen Die Komponentenbeiträge zur Erfüllung der Funktionen werden anschließend mit den Nutzwerten der Funktionen in einer Komponenten-Funktionsmatrix gewichtet (vgl. Abb. 4.57). Die Teilergebnisse werden zum gesamten Nutzenbeitrag einer Komponente addiert. Aus Abb. 4.57 kann entnommen werden, dass z. B. der Rahmen zu insgesamt 24 Prozent dazu beiträgt, die vom Kunden geschätzten Funktionen des Fahrrads zu erfüllen.
Räder Rahmen Hilfsmotor Sitz Gesamt
Design Komfort 25% 35% 30,00% 7,50% 20,00% 7,00% 40,00% 10,00% 10,00% 3,50% 0,00% 0,00% 15,00% 5,25% 30,00% 7,50% 55,00% 19,25% 100,00% 25,00% 100,00% 35,00%
Qualität Geschwindigkeit 25% 15% 10,00% 2,50% 35,00% 5,25% 30,00% 7,50% 20,00% 3,00% 35,00% 8,75% 40,00% 6,00% 25,00% 6,25% 5,00% 0,75% 100,00% 25,00% 100,00% 15,00%
Gesamt 100% 22,25% 24,00% 20,00% 33,75% 100,00%
Abb. 4.57: Komponenten-Funktionsmatrix Zielkostenerreichung und Kontrolle Zuletzt vergleicht man die tatsächlichen Zielkostenanteile mit denjenigen, die als ideal mit der Komponenten-Funktionsmatrix ermittelt wurden. Dafür bildet man die Kennzahl Zielkostenindex: Zielkostenindex =
Kostenanteil Ist der Komponente Kostenanteil Soll der Komponente
260
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Die Werte des Zielkostenindexes sind wie folgt zu interpretieren: Wert Größer eins Kleiner eins Gleich eins
Interpretation Die Komponente ist aus Kundensicht zu teuer, Kosten müssen gesenkt werden. Die Komponente ist unterrepräsentiert, sie sollte entsprechend ihrer Bedeutung verbessert werden. Die Kosten der Komponente entsprechen ihrer Bedeutung.
Ergänzend kann auch der modifizierte Zielkostenindex errechnet werden. Er gibt die Relation der tatsächlichen Kosten und der optimalen Kosten an und verdeutlicht, ob eine Komponente absolut zu teuer oder zu billig ist. Modifizierter Zielkostenindex =
Kosten Ist der Komponente Kosten Soll der Komponente
Die Zielkostenindizes können für das Management im Zielkostenkontrolldiagramm verdeutlicht werden (vgl. Abb. 4.58).
Geschätzter Kostenanteil Ist der Komponente
35% 30%
Zu teuer
25% 20% 15% 10%
Zu billig
5% 0% 0%
5% 10% 15% 20% 25% 30% Bedeutung der Komponente (Kostenanteil Soll)
35%
Abb. 4.58: Zielkostenkontrolldiagramm Ideale Indexwerte liegen auf der Winkelhalbierenden. In der Regel wird eine Zone definiert, innerhalb der Abweichungen vom Idealwert zulässig sind. Die Toleranzzone verengt sich mit zunehmender Bedeutung der Komponente, weil bei weniger wichtigen Komponenten eine größere Abweichung zulässig ist. Man verwendet folgende Funktion, um die Grenzen des Toleranzbereichs zu ermitteln: Obere Grenze: y = ( (x + q )
Untere Grenze: y = ( (x − q )
Der Wert für q wird vom Management vorgegeben.
4.2 Target Costing
261
Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG ermittelt die Istkosten und Istkostenanteile laut aktueller Kalkulation (siehe Spalte Kostenanteil Ist in Abb. 4.59) und stellt sie den erlaubten Kostenanteilen laut Komponenten-Funktionsmatrix (vgl. Abb. 4.57) gegenüber. Dadurch können die Zielkostenindizes ausgewiesen werden.
Räder Rahmen Hilfsmotor Sitz Gesamt
Kostenanteil Ist in % in € 24,00 360,00 35,00 525,00 23,00 345,00 18,00 270,00 100,00 1500,00
Kostenanteil Soll in % in € 22,25 222,50 24,00 240,00 20,00 200,00 33,75 337,50 100,00 1000,00
Zielkosten- Modifizierter index Zielkostenindex 1,62 1,08 2,19 1,46 1,15 1,73 0,53 0,80
Abb. 4.59: Zielkostenindizes der Komponenten Um die Relevanz der Abweichungen zu zeigen, werden die Werte in das Zielkostenkontrolldiagramm in Abb. 4.60 eingetragen. Der Vorstand hat für die zulässigen Toleranzgrenzen einen q-Wert von 15 Prozent vorgegeben. Der Rahmen ist nicht nur relativ, sondern auch absolut viel zu teuer. Deswegen muss man sich Möglichkeiten der Kostensenkung überlegen. Die Abweichungen bei den Rädern und beim Hilfsmotor dürften so gering sein, dass sie tolerierbar ist. Für den Sitz sollten zusätzliche Investitionen zur Erhöhung des Kundennutzens diskutiert werden. Rahmen
Geschätzter Kostenanteil Ist der Komponente
35% 30% Hilfsmotor
25%
Räder
20% Sitz
15% 10% 5% 0% 0%
5% 10% 15% 20% 25% 30% Bedeutung der Komponente (Kostenanteil Soll)
35%
Abb. 4.60: Zielkostenkontrolldiagramm der Flitzer AG mit q = 15 Prozent
262
4.3
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Benchmarking
Das Innovationstempo in vielen Branchen ist extrem hoch. Rückstände lassen sich nur schwer aufholen. Selbst Spitzenunternehmen sind diesem Druck unterworfen. 1993 geriet die bis dahin sehr erfolgreiche IBM in eine tiefe Krise, weil sie den Trend zur dezentralen Datenverarbeitung verschlafen hatte. Die Konsequenz waren Verluste von über acht Milliarden Dollar. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass erfolgreiche Unternehmen permanent danach trachten müssen, sich zu verbessern. Eine gute Chance dazu bietet das Benchmarking. Es ist ein bewährtes Instrument der Unternehmensführung mit hohem Verbesserungspotenzial und flexiblen Einsatzmöglichkeiten. Der folgende Abschnitt zeigt auf, welche Formen des Benchmarking man unterscheiden kann und wie man Benchmarking durchführt. Besonders beleuchtet wird das Benchmarking von Prozessen. Der Begriff „Benchmark“ bezeichnet in der englischen Sprache einen Bezugspunkt oder Maßstab. Benchmarking bedeutet also „Maßstäbe setzen“. Übertragen auf die Unternehmensführung kann unter Benchmarking ein systematischer und kontinuierlicher Prozess des Vergleichens von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen verstanden werden. Ziel ist es, Verbesserungspotenziale aufzudecken und die eigene Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu steigern. Benchmarking wurde Mitte der 80er Jahre durch die erfolgreiche Restrukturierung von Rank Xerox bekannt. Das Unternehmen startete neben anderen Aktivitäten auch ein Programm, in dem die eigenen Versand- und Lagerfunktionen mit denen des Versandhandelsunternehmens L.L. Bean verglichen wurden. Während beispielsweise bei L.L. Bean ein Mitarbeiter im Durchschnitt 550 Aufträge pro Tag bearbeitete, waren es bei Xerox nur 117. Man fand heraus, dass ein wichtiger Grund in der hervorragenden IT-Unterstützung bei L.L. Bean lag. Xerox lernte von diesem Beispiel und startete in der Folge weitere Benchmarking-Projekte, so z. B. im Logistik- und Vertriebsbereich. Lohn der Verbesserungsmaßnahmen waren jährliche Steigerungsraten der Produktivität von zehn Prozent. Heute gilt Xerox als Pionier des Benchmarking. 4.3.1 Formen des Benchmarking Benchmarking kann sich auf Vergleiche im eigenen Unternehmen beziehen (internes Benchmarking). Voraussetzung hierfür ist die Existenz vergleichbarer Einheiten mit ähnlichen Strukturen. Es könnten z. B. die Filialen eines Handelsbetriebes gegenübergestellt werden. Der Zugang zu Informationen ist in diesem Fall verhältnismäßig unproblematisch. Die Würth-Gruppe praktiziert z. B. ein systematisches innerbetriebliches Benchmarking. Die Benchmarking-Philosophie lautet: Egal wie gut du bist, in diesem Detail ist dein Kollege besser! Es werden weltweit für alle Niederlassungen und Tochtergesellschaften Rankings vom Profit pro Mitarbeiter bis
4.3 Benchmarking
263
zur Anzahl, wie oft das Telefon bei Testanrufen läutet, erstellt. Im Innendienst verwendet man z. B. die folgenden Kennzahlen: Marketing-, Logistik-, Verwaltungskosten pro Mitarbeiter Auftragsdurchlaufzeit Reklamations- und Gutschriftsdurchlaufzeit Debitorentage Servicegrad, Rückstandswert pro Disponent Anzahl Logistikpositionen pro Logistikmitarbeiter Anzahl Rechnungen pro Mitarbeiter in der Finanzbuchhaltung Im Rahmen eines externen Benchmarking ist es naheliegend, sich mit anderen Unternehmen der gleichen Branche zu vergleichen. Eine BenchmarkingPartnerschaft mit einem Konkurrenten kann für beide sehr fruchtbar sein. Idealerweise sucht man sich den Klassenbesten einer Branche für die Gegenüberstellung aus. Oft sind gerade diejenigen Benchmarking-Projekte besonders erfolgreich, bei denen man sich mit Unternehmen aus völlig unterschiedlichen Branchen vergleicht, wie das folgende Beispiel zeigt: Praxisbeispiel: Bei einem Schokoladenhersteller, der mit niedrigen Losgrößen sowie hohen Rüstund Durchlaufzeiten kämpfte, dauerte das Umrüsten bis zu fünfmal so lange wie der eigentliche Produktionsprozess. Als Benchmarking-Partner wurde ein Elektronikunternehmen, das Leiterplatten bestückte, ausgewählt. Entscheidend war, dass dieses Unternehmen vergleichbare hygienische Reinheitsanforderungen erfüllte. Weitere Auswahlkriterien waren das Verhältnis zwischen Rüst- und Ausführungszeit, die Anzahl der Produktionsfehler und die Auslastung. Dadurch dass der BenchmarkingPartner einer anderen Branche angehörte, war die Bereitschaft zur Offenlegung der Benchmarking-Daten von vornherein gegeben. Aufgrund der BenchmarkingAnalyse realisierte der Pralinenhersteller ein völlig neues Verfahren der Auftragssteuerung. Die Logistikprozesse wurden umgestellt und andere Lieferanten gesucht. Die Durchlaufzeiten konnten wesentlich reduziert werden. Abb. 4.61 fasst noch mal die beschriebenen Möglichkeiten des Benchmarking zusammen:
264
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Fremde Branche
Bester Bester
Eigene Branche
Durchschnitt Bester
Eigenes Unternehmen
Durchschnitt 1
2
3
4
5
6
7
8
Anforderung
Abb. 4.61: Formen des Benchmarking 4.3.2 Vorgehensweise Es gibt verschiedene Vorgehensweisen (sogenannte Vorgehensmodelle) für ein Benchmarking. Sie unterscheiden sich aber lediglich im Detaillierungsgrad. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an einem Fünf-Phasen-Modell, das in Abb. 4.62 dargestellt ist. Vorbereitungsphase
Analyse der eigenen Leistung
Datenerhebungsphase
Analysephase
Realisierungsphase
Abb. 4.62: Vorgehen beim Benchmarking 4.3.2.1
Vorbereitungsphase
Diese erste Phase beinhaltet die Festlegung der Ziele und des Untersuchungsumfangs sowie die Teamzusammenstellung. Die Zielsetzung einer Benchmarking-Studie muss sich an den strategischen und operativen Unternehmenszielen orientieren. Sie sollte anspruchsvoll, aber auch realistisch sein. Ziele des Benchmarking sind oft eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen oder eine Positionierung als Branchenbester. Festzulegen ist auch der Untersuchungsumfang. Daraus leiten sich die Anzahl der Mitarbeiter sowie der zeitliche und finanzielle Aufwand des Projekts ab. Diese drei Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. Der Zeitplan hängt z. B. ganz entscheidend von der Anzahl der für das Projekt zur Verfügung stehenden Personen ab. Man muss zudem überlegen, aus welchen Personen sich das Team zusammensetzen soll. Wichtig ist vor allem die Wahl eines geeigneten Projektleiters. Seine Hauptaufgaben sind die Koordination und Leitung des gesamten Projekts. Er sollte
4.3 Benchmarking
265
als Promotor den Benchmarking-Prozess ständig fördern, Motivation schaffen, Workshops moderieren, Probleme beseitigen und das Projekt immer wieder antreiben. Die Wahl der weiteren Teammitglieder ist abhängig vom Untersuchungsobjekt und eventuell von kritischen Schnittstellen. Sie müssen Fachwissen über den Benchmarking-Bereich haben. Die Größe des Teams sollte bei fünf bis zwölf Personen liegen. Vorteilhaft ist auch die Einbindung eines objektiven externen Beraters mit hoher Methodenkompetenz. Er schult die Benchmarking-Methode, zeigt Informationsquellen und verhindert Fehler in der Vorgehensweise. 4.3.2.2
Analyse der eigenen Leistung
Ein geeignetes Benchmarking-Objekt muss bestimmt werden. Von Bedeutung sind Objekte mit einem hohen Verbesserungspotenzial, mit bekannten Schwachstellen oder mit regelmäßig auftretenden Problemen. Das heißt jedoch nicht, dass die Bereiche, die zu den Stärken des Unternehmens zählen, generell unberücksichtigt bleiben. Dies gilt besonders für Unternehmen, die sich auf Kernkompetenzen konzentrieren wollen. Die Stärken sollten in diesen Bereichen aufrechterhalten oder weiter ausgebaut werden. Nachdem das Benchmarking-Objekt ermittelt wurde, ist der Untersuchungsbereich in seine einzelnen Bestandteile und Einflussfaktoren zu gliedern, um die Ursachen für Stärken und Schwächen zu erhalten. Wurden z. B. die Marketingkosten als Schwachstelle identifiziert, so liegt es nahe, diese auf ihre Zusammensetzung zu untersuchen. Fällt bei der Betrachtung auf, dass die Angebotserstellung und Reklamationsabwicklung ausschlaggebend für die Marketingkosten sind, sollte man diese für den weiteren Verlauf des Benchmarking-Prozesses heranziehen. Für den Vergleich müssen geeignete Messkriterien bestimmt (z. B. Logistikkosten in Prozent vom Umsatz, Transportkosten in Prozent der Gesamtkosten) und quantifiziert werden (z. B. sechs Prozent vom Umsatz sind Logistikkosten). Die Messkriterien sollten: einfach zu ermitteln, verständlich und allgemein gebräuchlich sein, um einen Vergleich mit dem Benchmarking-Partner zu ermöglichen. Das Streben nach völlig exakten Kenngrößen würde den Aufwand jedes Benchmarking-Projektes sprengen. Eine Genauigkeit von 80 Prozent ist ausreichend.
266
4.3.2.3
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Datenerhebungsphase
Nachdem in der Planungsphase das Benchmarking-Objekt eindeutig fixiert wurde, ist jetzt ein geeigneter Vergleichspartner zu suchen. Infrage kommen Best-in-Class(Branchenbesten), Best-in-Process- (Prozessführer) oder Best-Practice-Vergleiche (Verfahrensführer). Für all diejenigen Objekte, für die man keinen „Besten“ findet, ist ein Herantasten an potenzielle Vergleichspartner notwendig. Wichtig ist, dass deren Leistung besser ist als die eigene, bezogen auf das Benchmarking-Objekt. Fünf bis zehn Vergleichspartner sind ideal. Für die Zusammenarbeit sind einige Grundregeln zu befolgen. Das American Productivity & Quality Center (APQC) hat dafür einen „Code of Conduct“ erstellt.109 Er beinhaltet Regeln wie die Einhaltung der Legalität oder die Gewährung von Vertraulichkeit. Die Menge an frei zugänglichen Informationen wird oft unterschätzt. Die Kunst ist, aus der Vielzahl der Daten die richtigen herauszufiltern. Die Kosten für die Datenerhebung steigen zudem sehr schnell an, wenn man sich nicht beschränkt. Als Informationsquellen dienen: Wissen im eigenen Unternehmen Berater Marktforschungsunternehmen Kunden-, Lieferanten-, Wettbewerbsbefragungen Tageszeitungen, Fachzeitschriften, Fachbücher, Geschäftsjahresberichte, statistische Jahrbücher Branchenverbände, Fachverbände Forschungseinrichtungen110, Hochschulen (Dissertationen, Diplomarbeiten) Seminare, Kongresse, Messen, Fachtagungen Benchmarking-Organisationen111 Benchmarking-Netzwerke112 PIMS-Datenbank113 Eine Basis für das Benchmarking strategischer Erfolgsfaktoren bietet die PIMSDatenbank (Profit Impact of Market Strategy). Sie enthält die finanziellen und strategischen Daten aus über 450 Unternehmen. Gespeichert sind 200 quantifizierbare Einflussfaktoren für die Marktbedingungen (z. B. Anzahl und Größe der Kunden, Marktwachstum) und die Wettbewerbsposition (z. B. Marktanteil, Qualität, Kosten). 109 http://www.apqc.org/knowledge-base/documents/benchmarking-code-conduct 110 Z. B. www.benchmarking.fhg.de
111 Z. B. www.benchmarkingforum.de
112 Z. B. www.benchmarkingnetwork.com
113 www.pimsonline.com/about_pims_db.htm
4.3 Benchmarking
267
Daraus abgeleitet werden 37 erfolgskritische Größen, die man wiederum zu sieben Haupteinflussgrößen verdichten kann. PIMS ist in drei Bereiche unterteilt: strategisches Benchmarking, operatives Benchmarking und Prozess-Benchmarking. Strategisches Benchmarking Mit wenigen Schlüsselindikatoren für den Geschäftserfolg (z. B. Marktwachstum) werden die Stärken und Schwächen eines Unternehmens charakterisiert. Die PIMSDatenbank liefert die Grundlage für das Benchmarking des strategischen Potenzials. Operatives Benchmarking Aus den strategischen Schlüsselindikatoren werden operative Kennzahlen abgeleitet. Kundenzufriedenheit, Durchlaufzeiten u.a. werden branchenunabhängig mit den besten Werten aus der Datenbank verglichen. Prozess-Benchmarking Im Rahmen von PIMS wird insbesondere die Methode Activity Based Costing empfohlen. Ähnlich wie bei der Prozesskostenrechnung (vgl. Abschnitt 4.6) ermittelt man die Kosten einzelner Prozesse. Für das Benchmarking werden vorzugsweise kostenintensive Prozesse bestimmt und analysiert. Wird z. B. erkannt, dass die Produktpräsentationen eine kostenintensive Schlüsselaktivität des Marketings sind, wählt man diesen Prozess und die davon betroffenen Produkte für ein Benchmarking aus. Die PIMS-Analyse zeigt dann u. U., dass die Präsentationen für unprofitable Produkte durchgeführt werden. Die Vorgehensweise für das Benchmarking von Prozessen wird in Abschnitt 4.3.3 näher beschrieben. 4.3.2.4
Analysephase
Liegen alle benötigten Daten vor, ist die inhaltliche Vergleichbarkeit der Objekte sicherzustellen. Das folgende Beispiel veranschaulicht die Notwendigkeit dazu: Die Kenngröße Logistikkosten in Prozent vom Umsatz ist weit verbreitet und verfügbar. Allerdings ist diese Größe häufig nicht vergleichbar, da jedes Unternehmen diese Kennzahl anders definiert. Manche Unternehmen sind der Auffassung, dass Logistik ein durchgängiger Prozess vom Wareneinkauf über den innerbetrieblichen Transport bis hin zur Fertigwarendistribution sei. Andere Unternehmen verstehen unter Logistik wiederum nur die Fertigwarendistribution. Nachdem der Vergleich erstellt wurde, erhält man eine positive, negative oder keine Leistungslücke. Eine positive oder keine Lücke ist nicht weiter interessant für das Unternehmen, da durch Benchmarking eine Verbesserung der eigenen Praxis angestrebt wird. Die Potenziale werden durch die negativen Lücken aufgedeckt (vgl. Abb. 4.63). Hier besteht Aufholbedarf. Diesen Bereich gilt es mit einer Abwei-
268
4 Instrumente und Aufgabenfelder
chungsanalyse vertieft zu untersuchen, um die Ursachen für den Unterschied zu finden.
Messgrößen
Verbesserte kontinuierliche Entwicklung Bestmarke (Benchmark)
Sprungfunktion Lücke Eigener Ausgangspunkt Zeit Start
Übernahme
Abb. 4.63: Identifikation und Eliminierung der Leistungslücke im zeitlichen Verlauf Wenn die Gründe für die Bestlösung des Benchmarking-Partners erforscht sind, so ist noch die spezielle interne und externe Situation, unter der das Unternehmen die Spitzenleistung vollbringt, zu betrachten. Nur selten wird man dieselben Voraussetzungen wie im Partnerunternehmen antreffen. Notwendig ist deshalb eine kreative Anpassung der Lösungen an das eigene Unternehmen und dessen spezifische Bedingungen. Das nach Verbesserung strebende Unternehmen sollte sich folgende Fragen stellen: Ist das Umfeld des Benchmarking-Partners überhaupt auf uns übertragbar (Standortvorteile wie niedrige Lohnkosten sind z. B. kaum portierbar, können allerdings Anregungen für Verbesserungsmaßnahmen geben)? Welche Situation ist zu schaffen, damit ebenso ein Erfolg wie beim Partner eintritt? 4.3.2.5
Realisierungsphase
Hat man schließlich eine übertragbare Bestlösung, die auch eingeführt werden soll, so sind konkrete Zielgrößen aus den Benchmarks abzuleiten und deren zeitliche Realisierung ist durch die Geschäftsführung festzulegen. Danach ist ein Maßnahmenkatalog mit einer eindeutigen Priorisierung für die Zielerreichung aufzustellen. Er enthält sowohl kurzfristig realisierbare als auch mittelund langfristige Maßnahmen, wie organisatorische Veränderungen und zusätzliche
4.3 Benchmarking
269
Investitionen. Abgeschlossen wird die Implementierung mit der schrittweisen Umsetzung der Maßnahmen durch konkrete Handlungsanweisungen und/oder spezielle Teilprojekte. Abb. 4.63 zeigt, dass durch die Realisierung der Maßnahmen kurzfristig und sprunghaft ein neues Leistungsniveau erreicht wird, das man in der Folge durch kontinuierliche Verbesserungen optimiert. Benchmarking ist ein kontinuierlicher Prozess und endet daher auch nicht mit der Realisierung. Erforderlich sind die Fortschreibung und Erweiterung der erstellten Analysen, die Anpassung der Benchmarks an Veränderungen sowie Kontrollen, ob die erarbeiteten Maßnahmen auch zu den erwünschten Zielen führen. Erst dadurch werden dauerhafte Lerneffekte erzielt und die im Benchmarking steckenden enormen Verbesserungspotenziale optimal genutzt. 4.3.3 Benchmarking von Prozessen Nachdem bisher geklärt wurde, was man unter Benchmarking versteht und wie man allgemein bei der Durchführung des Benchmarking vorgehen sollte, wird im Folgenden speziell das Benchmarking von Prozessen beleuchtet. Gerade bei der Optimierung von Kernprozessen können schnelle Verbesserungen erreicht werden. Die Analyse umfasst die Identifikation und Abgrenzung der Prozesse. Es sind diejenigen Prozesse zu bestimmen, die optimiert werden sollen. Naheliegend ist es, zunächst die Kernprozesse des Unternehmens zu verbessern. Das sind solche, die eine hohe Bedeutung im Wettbewerb um den Kunden besitzen. Andere Kriterien für die Auswahl von Prozessen sind mögliche Einsparungspotenziale, Einsatzmöglichkeiten neuer Technologien oder die voraussichtlichen Erfolgschancen einer Prozessgestaltung. Im Rahmen der Analyse wird auch eine hierarchische Differenzierung des Geschäftsprozesses in Teilprozesse, Arbeitsabläufe und Arbeitsgänge vorgenommen. Zusätzlich zu dieser Strukturbetrachtung muss die logische Verbindung der Prozessschritte erfasst werden. Dabei sollte man auch Zeit-, Mengen-, Kosten- und Qualitätsinformationen sowie Räumlichkeiten und Sachmittel (insbesondere die ITAusstattung) berücksichtigen.114 Eine sorgfältige Analyse ist für die Qualität des Benchmarking-Ergebnisses sehr wichtig. Sie beansprucht oft die Hälfte der gesamten Projektdauer. Während der Datenerhebung bewertet man die erhobenen, geordneten und dargestellten Ergebnisse der Geschäftsprozessanalyse. Um die Qualität der eigenen Prozesse zu beurteilen, sind Vergleichsprozesse hilfreich. Für dieses Benchmarking gibt es die Möglichkeit, sogenannte Referenzmodelle als Orientierungshilfe zu benutzen. 114 Fiedler, R., Organisation kompakt, 2. Aufl. München/Wien 2010, S. 61 ff.
270
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Es handelt sich dabei um ideale Sollprozesse, die von Unternehmensberatungen und Softwareanbietern zur Verfügung gestellt werden. Will man sich mit einem branchenfremden Unternehmen vergleichen, besteht das Problem, die „gleiche Sprache zu sprechen“. Zur Verdeutlichung der eigenen und fremden Prozesse kann man die Methode der mittlerweile standardisierten Unternehmensmodellierung mit Prozessketten verwenden. Als Ergebnis der Datenerhebung liegen Stärken-Schwächen-Profile mit den Leistungsdifferenzen zum idealen Prozess vor. Bei günstiger Datenlage können ergänzend die Gesamtkosten des Prozesses mit der Prozesskostenrechnung ermittelt werden. Dies erlaubt eine Diagnose der Kostensituation und die Analyse der Wirtschaftlichkeit eines Prozesses. Nachdem erkannt wurde, wo eine abweichende Prozessqualität vorhanden ist, müssen die Gründe dafür gesucht werden. Von besonderem Interesse sind dabei hohe Transport- und Liegezeiten sowie mehrmaliges Bearbeiten desselben Vorgangs (z. B. durch unvollständige Unterlagen). Die gefundenen Ursachen bilden die Grundlage für Verbesserungsvorschläge, die im Rahmen der Realisierung erarbeitet werden. Dabei entwickelt man verschiedene Prozessvarianten. Jede vorgeschlagene Version beinhaltet optimierte Abläufe und Maßnahmen für die Reorganisation der Daten, Aufgaben und IT-Systeme. Spezielle IT-Tools können zur Unterstützung herangezogen werden. Sie ermöglichen es im Rahmen von Simulationen, die Auswirkungen von Veränderung der Prozessausgangsgrößen zu bestimmen. Liegen mehrere Alternativen für die Realisierung eines Prozesses vor, so müssen diese bewertet werden, um die vorteilhafteste Prozessgestaltung auswählen zu können. Besondere Sorgfalt muss auf die Einführung des neu gestalteten Prozesses gelegt werden. Offene Informationspolitik und frühzeitige Schulungen erhöhen die Motivation der Mitarbeiter, Änderungen mitzutragen. 4.3.4 Erfolgsfaktoren des Benchmarking Eine Benchmarking-Studie ist dann erfolgreich, wenn durch sie eine nachhaltige Verbesserung der Leistung eintritt. Folgende Checkliste hilft, die wesentlichen Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen:
Steht das Management hinter dem Benchmarking-Projekt? Das Management muss Benchmarking-Projekte argumentativ und finanziell unterstützen, die Ergebnisse der Studien akzeptieren und die Umsetzung forcieren.
4.3 Benchmarking
271
Werden die Mitarbeiter einbezogen? Die Mitarbeiter der zu untersuchenden Bereiche sind mit ihrem Know-how, ihren Erfahrungen und kreativen Fähigkeiten frühzeitig in das BenchmarkingProjekt einzubeziehen. Besteht die Bereitschaft, alle Informationen mit dem Benchmarking-Partner zu teilen? Effektives Benchmarking beruht auf klarer und fairer Kommunikation unter den Benchmarking-Partnern. Sie müssen das Gefühl haben, immer aktuell und korrekt informiert zu sein. Verstehen und akzeptieren alle Beteiligten die Bedeutung des Benchmarking? Im Unternehmen muss bereits ein Klima der Veränderungen vorhanden sein, bevor eine Benchmarking-Studie erstmalig durchgeführt wird. Das beinhaltet auch die Bereitschaft, von anderen zu lernen und zu einem offenen Informationsaustausch mit dem Benchmarking-Partner. Konzentriert man sich auf Schwerpunkte? Es sollte vermieden werden, dass vor lauter Euphorie zu viele Bereiche in das Benchmarking einbezogen werden. Wichtig ist die Wahl eines exakt beschreibbaren Benchmarking-Objekts mit überschaubarem Umfang. Liegt die geplante Dauer des Benchmarking-Projektes deutlich unter einem Jahr? Für Benchmarking-Vorhaben, die länger als ein Jahr dauern, geht das Interesse erfahrungsgemäß stark zurück. Die Chancen auf die Realisierung der Verbesserungsvorschläge sinken. Haben die Beteiligten Erfahrungen mit Projekten und Projektmanagement? Benchmarking ist ein eigenständiges Projekt. Deswegen benötigen die Beteiligten Kenntnisse des Projektmanagements. Sie müssen wissen, wie man ein Projekt systematisch plant, steuert und kontrolliert. Liegen bereits Erfahrungen mit Benchmarking-Projekten vor? Zumindest der Leiter des Benchmarking-Projektes sollte auf Erfahrungen aus diesem Bereich zurückgreifen können. Wenn das nicht der Fall ist, sind externe Berater mit entsprechender Qualifikation einzubinden. Sie können auch die Funktion eines Moderators übernehmen. Kennen die Teammitglieder den untersuchten Bereich aus ihrer täglichen Arbeit? Die Teammitglieder sollten teilweise aus den vom Benchmarking betroffenen Fachbereichen kommen. Dies ist erforderlich, um die Analysen und Aktionspläne durchzuführen und die gefundenen Lösungen später umzusetzen. Gibt es eine organisatorische Einheit, welche Benchmarking-Projekte initiiert und unterstützt? Damit Benchmarking kontinuierlich angewendet wird und dauerhaft Verbesserungen liefert, sollte eine zentrale Stelle im Unternehmen als BenchmarkKompetenzzentrum festgelegt werden (z. B. das Controlling).
272
4.4
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Risikomanagement und Risikocontrolling
4.4.1 Einleitung: Auslöser und Nutzen Wirtschaftliches Handeln ist stets mit Risiken, d. h. der Gefahr von Plan- und Zielabweichungen, verbunden. Das Risikopotenzial resultiert dabei allgemein aus der unvollständigen Information über zukünftige Entwicklungen im Unternehmensumfeld. Durch die fortschreitende Globalisierung der Märkte, die Dynamisierung des Wettbewerbs und die zunehmende Komplexität der Technologie ist der Risikoumfang in den letzten Jahren für viele Unternehmen deutlich gewachsen.115 Dass die in der Praxis anzutreffenden Ansätze zum Managen von Risiken aber oft nur unzureichend gestaltet sind, haben die Wirtschafts- und Finanzkrisen schmerzlich gezeigt. Zwar sind mit Inkrafttreten des KonTraG von 1998 alle amtlich notierten Aktiengesellschaften gemäß § 91 Abs. 2 AktG direkt und die übrigen Gesellschaftsformen ab einer bestimmten Größenordnung indirekt verpflichtet, ein Früherkennungs- und Überwachungssystem zu implementieren, doch erfüllen derartige Risikomanagementsysteme i.d.R. eher formaljuristische statt betriebswirtschaftliche Anforderungen.116 Um die langfristige Existenz eines Unternehmens zu sichern, ist ein betriebswirtschaftlich gestaltetes Risikomanagementsystem erforderlich, das systematisch und kontinuierlich Risikopotenziale in der Unternehmensplanung berücksichtigt und die Integration der Risiken als zweite Dimension der Planung ermöglicht. Der Controller kann die Implementierung eines Risikomanagementsystems initiieren und den Prozess der Risikoidentifikation und Überwachung begleiten. Wie ein effektives Risikomanagement ausgestaltet werden kann, soll im Folgenden betrachtet werden. 4.4.2 Begriffliche Grundlagen Der Begriff des Risikos wird in der Fachliteratur nicht einheitlich definiert. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags wird „Risiko“ als die Möglichkeit einer negativen Abweichung von geplanten Unternehmenszielen durch das Eintreten ungewollter Ereignisse verstanden.117 Als potenzielle Risikoquellen lassen sich zum einen die externen Entwicklungen im makroökonomischen, soziokulturellen, technologischen und rechtlich-politischen Umfeld des Unternehmens identifizieren (vgl. Abb. 4.64). Zum anderen resultieren auch aus der aufbau- und ablauforganisatorischen Gestaltung der internen Unternehmensprozesse (Value Chain) potenzielle Risiken. 115 116
117
Gleißner, W., Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen. München 2008, S. 1. Gräf, J., Bauer, R., Integration von Risikomanagement in die Unternehmenssteuerung, in: Weber, J., Vater, H., Schmidt, W., Reinhard, H. (Hrsg.): Turnaround - Navigation in stürmischen Zeiten. Weinheim 2011, S. 531. Diederichs, M., Risikomanagement und Risikocontrolling. München 2004, S. 8 ff.
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling
Makroökonomisches Umfeld
273
Soziokulturelles Umfeld
Personalwirtschaft
Intern
Extern
Forschung und Entwicklung Unternehmensinfrastruktur Eingangslogistik
Produktion
Ausgangslogistik
Rechtlich-politisches Umfeld
Marketing und Vertrieb
Kundenservice
Technologisches Umfeld
Abb. 4.64: Externe und interne Risikoquellen118 Risikomanagement Unter Risikomanagement versteht man die Summe aller Unternehmensaktivitäten, die sich auf Basis einer formulierten Risikopolitik mit der systematischen Analyse, Planung und Steuerung, Überwachung sowie Dokumentation von Risiken beschäftigt. Die Ziele des Risikomanagements bestehen dabei nicht in der Vermeidung aller potenziellen Risiken, sondern in der Risikofrüherkennung, in der Ableitung adäquater Risikostrategien und in der Schaffung eines hierarchieübergreifenden Risikobewusstseins im Unternehmen.119 Ein effektives Risikomanagement schafft Transparenz in der operativen und strategischen Unternehmensplanung, indem zusätzlich zu den Planwerten Informationen über die zugrunde liegenden Risiken zur Verfügung gestellt werden. Dies bildet die Basis für eine Unternehmenssteuerung ergänzt um Risikogesichtspunkte. Risikocontrolling Das Risikocontrolling ist der Teil des Controllingsystems, der die Unternehmensführung bei der Anwendung und Ausgestaltung des Risikomanagementsystems unter-
118 In enger Anlehnung an Diederichs, M., Risikomanagement und Risikocontrolling. München 2004,
S. 8.
119 Gräf, J., Höhner, M.-A., Integration von Risikomanagement in die Unternehmensplanung und in
die Budgetierung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 196.
274
4 Instrumente und Aufgabenfelder
stützt.120 Zentrale Aufgaben sind die Versorgung des Managements mit steuerungsrelevanten Risikoinformationen, die Bereitstellung eines leistungsfähigen Instrumentariums zur Risikoanalyse, -planung und -überwachung sowie die Sicherstellung einer zeitnahen Risikodokumentation. Als Ziel des Risikocontrollings lässt sich der Erhalt der Reaktions- und Koordinationsfähigkeit des gesamten Führungssystems im Kontext von risikobehafteten Aktivitäten anführen. 4.4.3 Regelkreis des Risikomanagements Das Risikomanagement ist ein Regelkreis, der alle Aktivitäten zur systematischen Berücksichtigung von Risiken in der Unternehmenssteuerung umfasst. Zentrale Prozessphasen sind dabei die Risikoanalyse, die Risikoplanung und -steuerung sowie die Risikoüberwachung. Wie in Abb. 4.65 gezeigt, finden die beschriebenen Prozessschritte im Rahmen einer übergeordneten Risikopolitik statt, und es erfolgt parallel eine umfassende Risiko- und Systemdokumentation.
Abb. 4.65: Regelkreis des Risikomanagements
120 Horváth, P., Gleich, R., Controlling als Teil des Risikomanagements, in: Dörner, D.. Horváth, P.,
Kagermann, H. (Hrsg.), Praxis des Risikomanagements. Stuttgart 2000, S. 108 ff.
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling
4.4.3.1
275
Risikopolitik
Ausgangspunkt und Rahmen des Risikomanagementprozesses bildet die vom Management festgelegte Risikopolitik. Bei diesen aus der übergeordneten Unternehmensstrategie abgeleiteten Grundsätzen handelt es sich um Leitplanken und Prinzipien für einen einheitlichen Umgang mit Risiken. Ziel der Risikopolitik ist es, ein hierarchieübergreifendes Risikobewusstsein im Unternehmen zu entwickeln und einen Handlungsrahmen abzustecken. Als Beispiele für risikopolitische Grundsätze lassen sich aufführen:121
Die Erzielung eines wirtschaftlichen Erfolges ist immer mit Risiken verbunden. Aktivitäten mit existenzbedrohenden Risiken sind zu vermeiden. Ertragsrisiken müssen mit einer entsprechenden Rendite verbunden sein. Risiken sind so weit wie möglich abzusichern. Die aktive Beteiligung aller Mitarbeiter ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches Risikomanagement.
4.4.3.2
Risikoanalyse
Im Rahmen der Risikoanalyse erfolgt eine strukturierte Erfassung, Quantifizierung und Aggregation aller Risiken, die auf das Unternehmen einwirken können. Das Ergebnis dieser Prozessphase ist die bewertete Risikostruktur des Unternehmens. In einem ersten Schritt werden dazu alle Risiken identifiziert und in zuvor definierte Risikokategorien eingeordnet. Zur Gestaltung dieser Risikokategorien finden sich in der Fachliteratur unzählige Vorschläge (interne versus externe Risiken, leistungswirtschaftliche versus finanzwirtschaftliche Risiken, strategische versus operative Risiken).122 Diese Kategorien können aber immer nur grobe Anhaltspunkte sein. Um Risiken effektiv zu steuern, müssen die Risikokategorien in Übereinstimmung mit dem Unternehmenssteuerungsmodell gewählt werden. Geeignete Instrumente zur Risikoidentifikation sind:123 Fragebögen, Interviews, Monitoring-Teams, Workshops, Fehlerbaumanalyse, Ursache-Wirkungs-Analysen und Delphi Methode. 121 Diederichs, M., Eberenz, R., Eickmann, J. O., Risikomanagement der Beiersdorf AG. Controlling,
Heft 2009, S. 267 f.
122 Gleißner, W., Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen. München 2008, S. 60 ff.,
Diederichs, M., Risikomanagement und Risikocontrolling. München 2004, S. 100 ff.
123 Horváth, P., Gleich, R., Controlling als Teil des Risikomanagements, in: Dörner, D.. Horváth, P.,
Kagermann, H. (Hrsg.), Praxis des Risikomanagements. Stuttgart 2000, S. 99 ff.
276
4 Instrumente und Aufgabenfelder
In einem zweiten Schritt folgt die Bewertung der identifizierten Risiken hinsichtlich ihrer Relevanz für das Unternehmen. Als Filterkriterien fungieren dabei die beiden risikorelevanten Dimensionen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. Die Risiken sind grundsätzlich monetär zu bewerten, um den Einfluss der Risiken auf die Unternehmensziele strukturiert darzustellen. Ist eine Quantifizierung nicht möglich, kann auf Intervallangaben und Scoring-Modelle zurückgegriffen werden. Die Risikobewertung findet im Rahmen von Workshops oder Expertenrunden statt und wird durch ein großes Spektrum von Controllinginstrumenten, von einfachen Schätzwertverfahren bis zu komplexen mathematischen Modellen, unterstützt. Sinnvoll ist jeweils der Einsatz einer sogenannten Risk Map oder Risikomatrix, um die Risiken grafisch einzuordnen (vgl. Abb. 4.66). Eintrittswahrscheinlichkeit Risiko 2
hoch
Risiko 4
Risiko 5
mittel
Risiko 1
Risiko 4
Risiko 3
gering gering
mittel
hoch
Schadenshöhe
Abb. 4.66: Risk Map Sind die Einzelrisiken identifiziert sowie nach Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet, müssen diese Informationen in einem dritten Schritt unternehmensweit aggregiert werden. Ziel ist, die Gesamtrisikostruktur des Unternehmens zu ermitteln. Dabei gilt es zu beachten, dass aufgrund von Wirkungszusammenhängen zwischen den verschiedenen Einzelrisiken die Gesamtrisikoposition nicht der Summe der Einzelrisiken entspricht. So können bestimmte Einzelrisiken isoliert betrachtet nur von nachrangiger Bedeutung für das Unternehmen sein, während sie kumulativ ein existenzbedrohendes Risiko darstellen. Eine Methode zur Bestimmung der Gesamtrisikostruktur des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interdependenzen stellt die Monte-Carlo-Simulation dar.124 Für die Darstellung der verdichteten Risikoinformationen bietet sich der Einsatz von Risikokennzahlen 124 Gleißner, W., Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen. München 2008, S. 141 ff.
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling
277
an. Wichtige Kennzahlen sind Value at Risk und Return on Risk Adjusted Capital (RORAC). 4.4.3.3
Risikoplanung und -steuerung
Die gerade beschriebene Risikoanalyse bildet die Grundlage für die folgende Phase der Risikoplanung und -steuerung. Im Zuge der Risikoplanung werden Zielvorgaben für die Einzelrisiken und die Gesamtrisikostruktur des Unternehmens festgelegt. Die Risikoplanung ist ähnlich wie die Risikoaggregation eine anspruchsvolle Aufgabe, die entweder durch Expertenrunden oder mathematische Modelle durchführbar ist. In diesem Zusammenhang können z. B. mithilfe eines Simulationsmodells für eine gegebene Risikosituation ein Best-Case-, Worst-Case- und Trend-Szenario berechnet werden (vgl. Abb. 4.67). Risikoausmaß
S1 Worst Case Störereignis
S1
S3
S3
Trend
S2 P: Planungshorizont
Störereignis
S: Szenario
Heute
P1
S2 Best Case P2
Zukunft
Abb. 4.67: Simulationsmodell Zur aktiven Beeinflussung der analysierten und geplanten Risiken werden auf Basis einer Risikostrategie verschiedene Aktionspläne entwickelt und realisiert. Die Risikostrategie steht dabei im Einklang mit der im Unternehmen festgelegten Risikopolitik und determiniert das zur Verfügung stehende Spektrum der Risikomaßnahmen. Wie in Abb. 4.68 skizziert, kann grundsätzlich zwischen vier Risikosteuerungsalternativen unterscheiden werden:125
125 Diederichs, M., Risikomanagement und Risikocontrolling. München 2004, S. 188.
278
4 Instrumente und Aufgabenfelder
1
2
Netto-Risikomatrix Vermeidung
3
Verminderung
4 1 Schadenshöhe
2
Überwälzung 3
Akzeptanz 4
Eintrittswahrscheinlichkeit
Eintrittswahrscheinlichkeit
Brutto-Risikomatrix
2 3 4 1 Schadenshöhe
Abb. 4.68: Risikosteuerungsalternativen
Risikovermeidung: Vollständige Eliminierung bzw. Verzicht auf risikobehaftete Aktivitäten; sinnvoll nur bei existenzbedrohenden Risiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder großem Schadensausmaß. Risikoverminderung: Reduzierung von Risikopotenzialen auf ein akzeptables Restrisiko; als Teilmaßnahmen lassen sich die Risikosteuerung (Diversifikation des Portfolios) und die Risikolimitierung (Obergrenzen für mögliche Verluste) unterscheiden. Risikoüberwälzung: Auslagerung von risikobehafteten Aktivitäten an Dritte gegen Entgelt; der Transfer der Risiken kann auf Versicherungen oder Vertragspartner erfolgen; keine Veränderung der Risikostruktur als solche. Risikoakzeptanz: bewusstes Eingehen von Risiken und Verzicht auf Steuerungsmaßnahmen; sinnvoll nur bei Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder geringem Schadensausmaß sowie bei ausreichendem Risikodeckungspotenzial im Unternehmen.
Jede konkrete Risikosituation wird stets durch eine Kombination der gerade beschriebenen Alternativen gesteuert. Dabei gilt es, einen ausgewogenen Risikosteuerungsmix zu wählen, in dem sich die einzelnen Steuerungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkungsweise sinnvoll ergänzen und Überschneidungen vermieden werden. 4.4.3.4
Risikoüberwachung
In der abschließenden Phase der Risikoüberwachung werden die Entwicklung der unternehmerischen Risikostruktur (Veränderungen der identifizierten Risiken, Auftreten neuer Risiken) und der Fortschritt der eingeleiteten Steuerungsmaßnahmen laufend kontrolliert. Ziel ist es, die Einhaltung der Risikolimits und das Erreichen der Risikoziele sicherzustellen. Um eine systematische und effektive Überwachung der Risiken zu ermöglichen, müssen die Inhalte, Empfänger, Prozesse und Zyklen eines Berichts eindeutig definiert werden. Dabei wird neben Standardberichten, die periodisch über vordefinierte Risiken informieren, bei neu auftretenden und exis-
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling
279
tenzbedrohenden Risiken auf eine sogenannte Ad-hoc-Berichterstattung zurückgegriffen. Ergibt die Risikoüberwachung, dass definierte Risikolimits überschritten und/oder neue Risiken identifiziert wurden, dann sind via Rückkopplung zur Risikosteuerung die eingeleiteten Maßnahmen anzupassen bzw. neue Aktionspläne zu entwerfen. Abb. 4.69 zeigt exemplarisch den Aufbau eines Risikoberichts. 4.4.3.5
Risiko- und Systemdokumentation
Um die Nachvollziehbarkeit des Risikomanagements für externe Adressaten zu gewährleisten, muss dokumentiert werden, wie der Prozess des Risikomanagements funktioniert. Dies erfolgt in der Risiko- und Systemdokumentation. Dabei müssen gemäß den Anforderungen des KonTraG die Risikopolitik, die Aufbau- und Ablauforganisation und die Risikolimits im Lagebericht dargestellt werden.126 Zusätzlich zu den gesetzlichen Anforderungen schafft die Risiko- und Systemdokumentation interne Transparenz über die risikorelevanten Aktivitäten im Unternehmen und legt so den Grundstein für ein hierarchieübergreifendes Risikobewusstsein. Die Elemente und Regelungen des Risikomanagementsystems werden in einem sogenannten Risikomanagement-Handbuch zusammengefasst. Ein solches Handbuch berücksichtigt z. B. folgende Aspekte (vgl. auch Abb. 4.70): Risikopolitik Prozess der Risikoanalyse Prozess der Risikoplanung und -steuerung Prozess der Risikoüberwachung Berichtswesen und Risikolimits Organisation des Risikomanagements
126 Gleißner, W., Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen. München 2008, S. 195.
Risiko
Beschreibung
Bewertungskriterien
1 Lieferanten- Hoher Fremd- 1. Lieferant mit dem risiko fertigungsanteil größten Anteil 2. Wichtige Komponenten? 2 LänderPolitische risiken Risiken Instabilität 3 QualitätsLeistungs1. Verbrauchswerte risiko parameter, 2. Emissionen Verbrauchs3. Verfügbarkeit werte, technische Ausfallrate ... ... ... ...
Nr.
....
Quelle
Abstand vom Standard, Vergleich mit Referenzanlagen
Selbstbehalte
Anzahl und Wert
Messgröße Projekt- Review beginn 1
Veränderung der Messgröße ...
in TEURO
Risikobewertung
Lieferantenbeurteilung, geringe Abhängigkeiten Hermes Zahlungssicherheiten Erreichbare Werte im Vertrag, Konventionalstrafen
Maßnahmen
VerantStartKosten wortlicher termin
280 4 Instrumente und Aufgabenfelder
Abb. 4.69: Risikobericht (Praxisbeispiel)
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling
281
Risikomanagement-Handbuch Seite I.
INHALTSVERZEICHNIS
II
II. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
III
III. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
IV
1. GRÜNDE FÜR DIE EINFÜHRUNG EINES RISIKOMANAGEMENTSYSTEMS
1
2. GRUNDLAGEN DES RISIKOMANAGEMENTS
2
2.1. Definition der wichtigsten Begriffe 2.2 Unternehmensziele und Risikopolitik 2.2.1 Unternehmensziele 2.2.2 Risikopolitik 3. ORGANISATION DES RISIKOMANAGEMENTSYSTEMS 3.1 3.2
Technischer Ablauf des Systems Aufgaben im Risikomanagement 3.2.1 3.2.2 3.2.3. 3.2.4
Aufgaben der Geschäftsführung Aufgaben des Corporate Risik Managers Aufgaben des Risikocontrollings Aufgaben der Risikoverantwortlichen
4. PROZESSE DES RISIKOMANAGEMENTSYSTEMS 4.1
2 3 3 4 6 7 8 8 9 10 11 12
Risikoanalyse
12
4.1.1 4.1.2
13 14
Risikoidentifikation Risikobewertung
4.2
Risikoplanung und -steuerung 4.2.1 Risikoplanung 4.2.2 Risikosteuerungs-Mix
15 15 16
4.3
Risikoüberwachung 4.3.1 Standardberichte 4.3.2 Ad-hoc-Berichte
18 18 19
4.4
Risiko- und Systemdokumentation
IV. ÄNDERUNGSVERZEICHNIS
20
V. ANLAGENVERZEICHNIS
21
Abb. 4.70: Risikomanagement-Handbuch (Praxisbeispiel)
282
4 Instrumente und Aufgabenfelder
4.4.4 Organisatorische Gestaltung Für die Organisation des Risikomanagementsystems gilt nicht: „One size fits all“. Vielmehr muss die Organisationsstruktur jeweils an die unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen angepasst werden. Die konkrete Ausgestaltung ist von der Umweltkomplexität, dem Diversifizierungsgrad, der Unternehmensgröße sowie der Branche abhängig.127 Als zentrale Grundsätze bei der Gestaltung der Organisationsstruktur sind zu nennen: eine klare Zuweisung von Verantwortungsbereichen und Aufgaben eine konsequente Trennung von Funktionen (Vier-Augen-Prinzip) eine hierarchieübergreifende Einbindung aller Mitarbeiter eine regelmäßige Überprüfung der Funktionsmäßigkeit eine eindeutige Definition der Risikofelder In nachfolgender Abbildung soll eine mögliche Ausgestaltung der Risikomanagement-Organisation exemplarisch dargestellt werden: Geschäftsführung: • Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagement- und Überwachungssystems (§ 91 AktG) • Sorgfaltspflicht und Schadensersatz (§93 AktG, §43 GmbHG)
Geschäftsführung
Corporate Risk Management
Risikocontrolling
Abschlussprüfer/ Revision
Abschussprüfer/ Revision: • Prüfung der Einhaltung von §91 AktG und §289 HGB • Beurteilung des Prüfungsergebnisses (§322 HGB) • Risikoorientierte Prüfungsplanung Corporate Risk Management: • Steuerung des Risikomanagement-Prozesses • Monitoring der und Optimierung Gesamtrisikoposition • Regelmäßige und Ad-hoc-Berichterstattung Risikocontrolling • Versorgung der Geschäftsführung mit Risikoinformationen • Bereitstellung eines Instrumentariums zum Risikomanagement • Sicherstellung einer zeitnahen Risikodokumentation
Risikoverantwortliche
Risikobeobachter
Berichtsstruktur
Risikoverantwortliche: • regelmäßige und Ad-hoc-Risikoerfassung und Berichterstattung • Maßnahmendefinition und -umsetzung in ihrer operativen Einheit Risikobeobachter: Alle Mitarbeiter sind im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches Bestandteil des Risikomanagementsystems
enge Zusammenarbeit
Abb. 4.71: Risikomanagement-Organisation (Praxisbeispiel) Das Risikomanagement gehört als eine wesentliche Aufgabe zu den Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes. Die Umsetzung im Unternehmen erfolgt durch Delegation, wobei die Gesamtverantwortung und die Überwachungsaufgaben bei der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand verbleiben. Da die Gesamt127 Horváth, P., Gleich, R., Controlling als Teil des Risikomanagements, in: Dörner, D., Horváth, P.,
Kagermann, H. (Hrsg.): Praxis des Risikomanagements. Stuttgart 2000, S. 99 ff.
4.4 Risikomanagement und Risikocontrolling
283
risikostruktur des Unternehmens einem ständigen Wandel unterliegt, sind die organisatorischen Regelungen und Verantwortungszuordnungen so zu treffen, dass eine frühzeitige Analyse, Steuerung und Überwachung der Risiken sichergestellt wird. 4.4.5 Integration in das bestehende Managementsystem In der bisher beschriebenen Vorgehensweise zum Aufbau eines Risikomanagementsystems wurden nur geringe Implikationen zum Führungs- und Steuerungssystem berücksichtigt. Für eine effektive Steuerung der Risiken auf Gesamtunternehmensebene ist das Risikomanagement in das bestehende Managementsystem zu integrieren (Daten-, System- und Prozessintegration). In der Praxis hat sich erwiesen, dass eine Integration von Risiken in das Zielsystem am effektivsten ist, da auf diese Weise eine direkte Wirkungsbeziehung zwischen einzelnen Risiken und den Unternehmenszielen erreicht wird.128 Bei der Erstellung von Planungsszenarien wird die Wirkung der Risiken auf das jeweilige Unternehmensziel aufgezeigt. Diese Zusatzinformation ermöglicht eine umfassendere sowie genauere Einschätzung der Zielwerte, und es wird erreicht, dass die Ergebnisse der Risikoanalyse unmittelbar in die strategische und operative Planung eingehen. In Abb. 4.72 wird für einen Zeithorizont von drei Jahren die Entwicklung des Zielwertes Umsatz geplant.
Umsatz
Best Case (Chancen) Erwartungswert Planwert Worst Case (Risiken)
Heute
P1
P2
P3
Zeit
Abb. 4.72: Plansimulation der Zielgröße Umsatz (Praxisbeispiel) Unter Berücksichtigung aller Chancen könnte der Umsatz die Best-CaseEntwicklung, bei Eintreten aller Risiken die Worst-Case-Entwicklung einschlagen. Bei Eintreten aller Chancen und Risiken könnte der Umsatz den Erwartungswert
128 Gräf, J., Höhner, M.-A., Integration von Risikomanagement in die Unternehmensplanung und in
die Budgetierung, in: Horváth & Partners (Hrsg.), Beyond Budgeting umsetzen. Stuttgart 2004, S. 2004.
284
4 Instrumente und Aufgabenfelder
annehmen. Dabei ist zu beachten, dass sich dieser Erwartungswert durchaus von der Expertenschätzung des verabschiedeten Planwertes unterscheiden kann. Der Schlusspunkt der Implementierung eines integrierten Risikomanagement- und Zielsystems sollte im Idealfall die Verknüpfung mit Incentive-Systemen sein. Durch das Setzen von Zielwerten und die Zuordnung dieser Zielwerte zu einzelnen Verantwortlichen wird eine direkte Bewertung der Leistung einzelner Führungskräfte oder sogar einzelner Mitarbeiter ermöglicht und damit eine wesentliche Voraussetzung für die zielgerichtete Risikosteuerung geschaffen. 4.5
Prozesscontrolling
4.5.1 Grundidee des Prozesscontrollings Leistungen und Produkte, die ein Unternehmen am Markt anbietet, werden zumindest zum Teil durch interne Prozesse erzeugt. Diese Prozesse sind in der Regel nicht auf einen Unternehmensbereich beschränkt, sondern bestehen vielmehr aus einzelnen Teilprozessen, die in verschiedenen Abteilungen des Unternehmens erbracht werden (vgl. Abb. 4.73). Beschaffung
Produktion
Vetrieb
Geschäftsprozesse Geschäftsprozesse Geschäftsprozesse
Abb. 4.73: Abteilungsübergreifende Prozesse Das klassische rein abteilungs- bzw. funktionsbezogene Controlling, wie es in vielen Unternehmen noch weit verbreitet ist, wird diesen abteilungsübergreifenden Abläufen nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund löst sich das Controlling immer mehr von den funktionalen Organisationsstrukturen des Unternehmens (Abteilung, Kostenstelle etc.) und stellt dagegen die zentralen Unternehmensprozesse in den Fokus der Betrachtung.129 129 Horváth, P., Controlling. 11. Aufl., München 2008, S. 500.
4.5 Prozesscontrolling
285
4.5.2 Aufgaben und Ziele des Prozesscontrollings Das zentrale Ziel eines effektiven Prozesscontrolling ist die stetige Verbesserung der Unternehmensprozesse. Um das zu erreichen, muss das Prozesscontrolling die Entwicklung und Performance der einzelnen Prozesse transparent und messbar machen. Erst diese Transparenz ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung und Optimierung der Prozesse. Die Aufgabe des Prozesscontrolling ist es daher, Ziele für die einzelnen Unternehmensprozesse zu definieren und diese mit steuerungsrelevanten, messbaren Kennzahlen zu hinterlegen.130 Im nächsten Schritt müssen Zielwerte für die Prozesse definiert und ihre Erreichung durch regelmäßige Soll-Ist-Vergleiche kontrolliert werden. Bei Abweichungen von der Zielerreichung oder erkennbaren Ineffizienzen muss das Prozesscontrolling Gegenmaßnahmen aufsetzen und gemeinsam mit den Fachabteilungen durchführen. Im folgenden Abschnitt wird auf diese Aufgaben noch mal vertiefend eingegangen, wenn die einzelnen Bestandteile des Prozesscontrolling-Regelkreises näher erläutert werden. 4.5.3 Regelkreis des Prozesscontrolling Das Prozesscontrolling ist ein Controllingsystem für Prozesse und folgt als solches ebenfalls dem zentralen Controlling-Regelkreis.131 Abb. 4.74 stellt den Regelkreis aus Planung, Ausführung, Überwachung und Optimierung im Überblick dar. Der Controlling-Regelkreis ist dabei nicht als starres System zu sehen, das immer gleichmäßig in bestimmten Berichtszyklen durchlaufen wird. Vielmehr ist es ein immer wiederkehrender Prozess, der ständig im Hintergrund ablaufen muss.
130 Gaitanides, M., Scholz, R., Vrolings, A., Raster. M., Prozessmanagement ⎼ Konzepte, Umsetzun-
gen und Erfahrungen des Reengineering. München/Wien 1994, S. 58 ff.
131 Brenner, M., Mayer, R., Aufbau eines permanenten Prozesscontrolling, in: Horvath & Partners
(Hrsg.), Prozessmanagement umsetzen. Stuttgart 2005, S. 164 ff.
286
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Abb. 4.74: Regelkreis des Prozesscontrollings 4.5.3.1
Prozessplanung
Um eine effektive Steuerung der Prozesse zu ermöglichen, müssen diese zunächst mit konkreten Prozesszielen versehen werden (vgl. Abb. 4.75). Ausgangspunkt der Prozessziele muss dabei immer die Unternehmensstrategie sein, die vom Vorstand oder der Geschäftsführung vorgegeben wurde.
Kosten
- Lagerbestand - Auslastung
Prozessziele
Leistung
Zeit
- Qualität
- Termintreue
- Quantität
- Durchlaufzeit
Abb. 4.75: Die wichtigsten Prozessziele
4.5 Prozesscontrolling
287
Das Prozesscontrolling leitet daher im Rahmen der Prozessplanung aus den strategischen Unternehmenszielen messbare Teilziele für die einzelnen Prozesse ab. Im Rahmen des Prozesscontrollings werden Zeit-, Kosten- und Leistungsziele unterschieden. Basierend auf den definierten Prozesszielen werden anschließend Kennzahlen festgelegt, welche die Ziele quantifizierbar machen und zur Messung der Zielerreichung dienen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei die Auswahl der richtigen Kennzahlen, sodass diese auch wirklich die tatsächliche Zielerreichung widerspiegeln. Die Anzahl der Kennzahlen sollte man auf möglichst eine Kennzahl pro Ziel begrenzen, um keinen unnötigen Erhebungsaufwand zu erzeugen. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Maßgröße beeinflussbar und tatsächlich messbar ist. Für die festgelegten Kennzahlen sind anschließend die Ist-Werte zu erheben und die entsprechenden Zielwerte für das Geschäftsjahr festzulegen. In Abhängigkeit von der Dynamik des Unternehmensumfeldes werden häufig auch Zielwerte für unterjährige Zeiträume, z. B. Quartale, definiert. Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG hat im Rahmen ihrer strategischen Planung festgelegt, dass im laufenden Geschäftsjahr der Ausbau des Marktanteils am Fahrradmarkt eines der zentralen strategischen Ziele sein soll. Um eine Erhöhung des Marktanteils zu erreichen, ist es unverzichtbar, eine hohe Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Dies ist nur durch fehlerfreie Produkte, zügige Lieferung und konkurrenzfähige Preise möglich. Aus dem strategischen Ziel „Marktanteil erhöhen“ lassen sich daher für den Produktionsprozess die folgenden drei operativen Prozessziele ableiten. 1. Qualität verbessern 2. Lieferzeiten verkürzen 3. Prozesskosten senken Um die Zielerreichung messbar zu machen, wird jedes der Ziele mit einer Kennzahl und einem Zielwert versehen: 1. Qualität verbessern: Fehlerquote kleiner zwei Prozent 2. Lieferzeiten verkürzen: 95 Prozent der Lieferungen innerhalb von 5 Werktagen 3. Prozesskosten senken: Maschinenauslastung größer 85 Prozent Als letzter Schritt innerhalb der Prozessplanung sind spezifische Maßnahmen zur Erreichung der einzelnen Prozessziele zu definieren und deren Umsetzung zu planen. Abb. 4.76 verdeutlicht die Vorgehensweise noch einmal.
288
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Prozessziel
Kennzahl
Zielwert
Maßnahme
Qualität
Anzahl Reklamationen
Reklamationsquote < 2 %
Schulung der Mitarbeiter
Abb. 4.76: Prozessziel, Kennzahl, Zielwert und Maßnahme 4.5.3.2
Prozessausführung
Schritt zwei des Regelkreises ist die tatsächliche Prozessausführung und damit die Erreichung der festgelegten Prozessziele im operativen Tagesgeschäft. Des Weiteren müssen die definierten Maßnahmen zur Zielerreichung planmäßig umgesetzt werden. 4.5.3.3
Prozessüberwachung
Der Kern des Prozesscontrollings ist die laufende Überwachung der Zielerreichung. Grundlage ist typischerweise ein Soll-Ist-Abgleich, bei dem die geplanten Zielwerte den ermittelten Ist-Werten gegenübergestellt werden. Dies erfolgt für jede in der Planungsphase definierte Kennzahl. Des Weiteren wird auch überwacht, inwieweit die geplanten Maßnahmen bereits umgesetzt wurden. Hier ist einerseits zu untersuchen, ob die Maßnahme planmäßig umgesetzt wird, und andererseits, ob sie die gewünschte Wirkung erzeugt. Sollte der zweite Schritt nicht gemacht werden, kann es sein, dass eine Maßnahme zwar planmäßig umgesetzt wurde, sie aber keine positive Wirkung auf das Prozessziel hatte. So wäre es z. B. bei dem obigen Beispiel möglich, dass die Schulung der Mitarbeiter planmäßig durchgeführt wurde, die Reklamationsquote sich aber nicht positiv verändert hat. Ein Grund könnte sein, dass das Problem gar nicht bei den Mitarbeitern liegt, sondern die Maschinen nicht fehlerfrei arbeiten. Zusätzlich zur Gegenüberstellung von Ist- und Planzahlen besteht die wesentliche Aufgabe dieses Prozessschrittes in der Analyse der Abweichungen und der Identifikation von Abweichungsursachen. Ein Ergebnis dieser Analyse kann sein, dass weitere Maßnahmen zur Zielerreichung initiiert werden. Die Häufigkeit der Überprüfung ist je nach Prozess individuell festzulegen und kann von einer quartalsweisen Überprüfung (bei strategischen Prozesszielen) bis hin zu einem permanenten Soll-Ist-Abgleich (bei operativen Prozesszielen) reichen.
4.5 Prozesscontrolling
289
Zur Überprüfung werden den Prozessverantwortlichen und -beteiligten Reports zur Verfügung gestellt, in denen alle relevanten prozessbezogenen Informationen empfängerspezifisch aufbereitet werden (vgl. Abb. 4.77). Ziel ist es, den Empfängern einen schnellen Überblick über den Status und die Entwicklung der Prozesse zu geben. Prozessziele
Kennzahl
Ziel 2011
Ist Juni 2011
Ist Juli 2011
Maßnahme
Bearbeitungszeit für Kundenanfragen verkürzen
Antwort innerhalb 48 Stunden
70 %
55 %
58 %
Ticketsystem einführen
Menge Anzahl Kunden
Einzelprozesskosten
Kapazität in Mitarbeiterjahren
Gesamtprozesskosten
Projektkosten
Plan (Jahr)
200.000
7€
40
1.400.000 €
300.000 €
Plan (Juli kumuliert)
100.000
7€
40
700.000 €
200.000 €
Ist (Juli kumuliert)
80.000
9€
40
720.000 €
100.000€
Gründe für Abweichungen
Verzögerung bei der Einführung des Ticketsystems wegen Ressourcenengpass
Abb. 4.77: Beispiel für einen Prozess-Report Neben dem regelmäßigen Soll-Ist-Abgleich ist es möglich, die Prozesse des Unternehmens mit denen anderer Unternehmen zu vergleichen, um Verbesserungspotenziale aufzudecken. Solche Vergleiche, auch Benchmarking genannt (vgl. Abschnitt 4.3.3), finden nicht im normalen Ablauf des Prozesscontrolling-Regelkreises statt, sondern haben in der Regel Projektcharakter. Das heißt, die Benchmarkwerte werden zum Beispiel herangezogen, um die Zielniveaus für die Kennzahlen im Rahmen der Planung festzulegen. 4.5.3.4
Prozessoptimierung
Basierend auf den Ergebnissen der Prozessüberwachung werden im Rahmen der Prozessoptimierung notwendige Anpassungen durchgeführt. Abhängig vom Ausmaß der Soll-Ist-Abweichung können weitere Maßnahmen zur Prozessoptimierung initiiert oder bereits eingeleitete Maßnahmen intensiviert werden. Ebenfalls möglich ist es, dass bereits begonnene Maßnahmen wieder verändert oder vollständig gestoppt werden, falls sich zeigt, dass sie nicht die gewünschte Wirkung erbringen. Ein weiterer Schritt könnte in dieser Phase sein, dass man Prozessschritte überarbeitet oder vollständig eliminiert.
290
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Bei besonders schwerwiegenden Prozessmängeln, bei denen massiver Handlungsbedarf besteht, kann im Rahmen der Projektoptimierung auch eine komplette Neustrukturierung des Prozesses, verbunden mit einer Reorganisation der betroffenen Bereiche, angestoßen werden. Die Prozessoptimierung geht damit direkt in eine neue Planung von Maßnahmen und Prozesszielen über und somit in einen neuen Durchlauf des Regelkreises. 4.5.4 Ansätze zur Prozessoptimierung Die Ansätze zur Prozessoptimierung können grob unterteilt werden in Organisations- und Qualitätsmanagementansätze (vgl. Abb. 4.78). Ansätze zur Prozessoptimierung
Organisationsansätze
Qualitätsmanagementansätze
Reorganisation
Six Sigma
Business Process Reenigneering (BPR)
Total Quality Management (TQM)
Geschäftsprozessoptimierung (GPO)
Kaizen
Abb. 4.78: Ansätze zur Prozessoptimierung 4.5.4.1
Organisationsansätze
Organisationsansätze haben in der Regel Projektcharakter und führen zu beträchtlichen Veränderungen in den Unternehmensstrukturen und -abläufen. Einige der bekanntesten Organisationsansätze sind: Reorganisation Unter Reorganisation wird eine erhebliche Veränderung von Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens oder Geschäftsbereichs verstanden. Auslöser sind häufig umfassende Veränderungen der Rahmenbedingungen des Unternehmens, wie z. B. bei Unternehmenszusammenschlüssen, Unternehmenszukäufen, Unternehmensverkäufen oder Sanierungszwängen. In allen Fällen erfolgt zunächst eine Analyse der betroffenen Prozesse und Strukturen, um ein möglichst umfassendes Bild des Ist-Zustandes zu erhalten. In einem zweiten Schritt werden organisatorische Alternativen erarbeitet und bewertet, die dann in einem letzten Schritt umgesetzt werden. Da Aufbau- und Ablauforganisation immer verbunden sind, zielt dieser Ansatz sowohl auf die Organisations- als auch die Prozessperformance.
4.5 Prozesscontrolling
291
Business Process Reengineering (BPR) Beim Business Process Reengineering stehen das fundamentale Überdenken aller Aufgaben und Abläufe sowie das radikale Umgestalten der Geschäftsprozesse im Mittelpunkt.132 Der Ansatz sieht vor, dass die Geschäftsprozesse losgelöst von der aktuellen IstSituation vollkommen neu gestaltet und auf die Anforderungen des Kunden ausgerichtet werden („Green-Field-Approach“). Dabei wird strikt Top-Down vorgegangen. Kenntnisse der Ist-Prozesse sind bei diesem radikalen Ansatz nicht notwendig, sondern werden sogar als kontraproduktiv erachtet. Dieser Ansatz ist nicht zur dauerhaften Anwendung zur Verbesserung der Prozessperformance konzipiert, sondern muss vielmehr wiederholt werden, sobald sich die Anforderungen an die Prozesse verändern.133 Geschäftsprozessoptimierung (GPO) Im Gegensatz zum Top-Down-Vorgehen des Business Process Reengineering ist das Konzept der Geschäftsprozessoptimierung stark Bottom-Up geprägt. Der Fokus liegt hier auf einer Verbesserung der Prozesse innerhalb der bestehenden Organisation. Eine gute Kenntnis der Ist-Prozesse sowie die Beteiligung der Mitarbeiter sind Grundvoraussetzungen des Konzepts. Aufgrund der starken Einbindung der Mitarbeiter kann der Ansatz nicht zur radikalen Neuausrichtung angewendet werden. Bei der Geschäftsprozessoptimierung wird, meist in Teams, im Rahmen einer Prozessanalyse aufgezeigt, wo die Schwachstellen der Ist-Prozesse liegen. Anschließend definiert man Maßnahmen zur Optimierung der Prozesse. 4.5.4.2
Qualitätsmanagementansätze
Qualitätsmanagementansätze setzen im Unterschied zu den Organisationsansätzen auf eine schrittweise, permanente Verbesserung der Prozessperformance durch stetige Optimierung. Einige der bekanntesten Qualitätsmanagementansätze sind: Six Sigma Der Six-Sigma-Ansatz wurde Ende der 80er Jahre von dem amerikanischen Unternehmen Motorola entwickelt, um den Qualitätsvorsprung der japanischen Konkurrenten zu verringern. Kern des Konzepts ist, die Abweichung der Prozessergebnisse von vorgegebenen Zielwerten zu ermitteln und zu minimieren. Der Ansatz orientiert sich dabei an der statistischen Normalverteilung. Six Sigma steht für die bei der Leistungserstellung maximal zulässige Abweichung von den Zielwerten.
132 Hammer, M., Champy, J., Reengineering the Corporation: A Manifesto for Business Revolution.
New York 2001, S. 34 ff.
133 Horváth, P., Controlling. 11. Aufl., München 2008, S. 501.
292
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Total Quality Management Total Quality Management entstand durch die Weiterentwicklung verschiedener Qualitätsmanagementansätze.134 Ziel des Konzepts ist, dass sämtliche Prozesse des Unternehmens auf die Zufriedenheit des Kunden ausgerichtet sein sollen. Qualität bleibt dabei nicht nur auf die Produkte beschränkt, sondern soll sich in allen Prozessen des Unternehmens wiederfinden. Um dies zu erreichen, soll eine ständige Verbesserung der Prozesse mittels des PDCA-Kreislaufs (Plan, Do, Check, Act) erreicht werden. Dieser umfasst die Phasen Planen, Ausführen, Überprüfen, Handeln und wird stetig durchlaufen. Kaizen Das aus Japan stammende Kaizen hat das Ziel, eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung im Unternehmen unter Beteiligung aller Mitarbeiter aufzubauen.135 Die Grundannahme des Ansatzes ist, dass in jedem Unternehmen jederzeit Verbesserungen möglich sind. Im Mittelpunkt stehen dabei Prozesse, Mitarbeiter und Kunden.136 Ziel ist es, die Kundenzufriedenheit stetig zu steigern. Dabei werden neben den externen Kunden auch interne Kunden betrachtet, indem jeder Mitarbeiter, der intern Leistungen von einem anderen erhält, ebenfalls als Kunde angesehen wird. Der zentrale Unterschied zum Total Quality Management ist, dass Kaizen sämtliche Mitarbeiter aller Ebenen auffordert, Verbesserungsvorschläge einzubringen. Es geht mehr um kontinuierliche kleine Verbesserungen als um abrupte umfassende Änderungen. Bei einer aktiven Beteiligung aller Mitarbeiter wird so ein umfangreiches Kreativitätspotenzial für Verbesserungen erschlossen.
134 Rothlauf, J., Total Quality Management in Theorie und Praxis. 2. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 39 ff. 135 Imai, M., Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb, 2. Aufl., München 2002, S. 25ff.
136 Rothlauf, J., Total Quality Management in Theorie und Praxis, 2. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 39 ff.
4.6 Prozesskostenrechnung
4.6
293
Prozesskostenrechnung
Die traditionelle Kostenrechnung ermittelt die variablen Einzelkosten sehr genau. Die Gemeinkosten werden jedoch nur durch grobe Zuschlagssätze berücksichtigt. Dies führt dann, wenn der Anteil der Gemeinkosten an den gesamten Kosten hoch ist, zu ungenau kalkulierten Kosten. Beispiel Flitzer AG: Der Einkauf der Flitzer AG beschafft Stahlrohre für die Fahrräder. Die traditionelle Kalkulation berücksichtigt 15 € für die Materialgemeinkosten. (vgl. Abb. 4.79 links). Man unterstellt dabei, dass die Gemeinkosten von der Höhe der Materialeinzelkosten abhängig sind. Betrachtet man sich die Prozesse, die in den Materialgemeinkosten enthalten sind, genauer, so sieht man, dass Kosten für die Beschaffung, die Ein- und Auslagerung und die Kommissionierung anfallen (vgl. Abb. 4.79 rechts). Die Kosten dieser Prozesse hängen nicht in jedem Fall von den Einzelkosten ab. Es macht zum Beispiel keinen Unterschied, ob man für ein teures Fahrrad oder ein kostengünstiges Fahrrad das Stahlrohr beschafft. Die Flitzer AG bezieht beide Stahlrohre sogar vom selben Lieferanten. Traditionelle Kalkulation Materialeinzelkosten
150 €
Materialgemeinkosten 10 % 15 €
Kalkulation mit Prozesskosten Materialeinzelkosten Beschaffungsprozess Lagerprozess Kommissionierprozess
150 € 10 € 15 € 5€
Materialkosten
165 €
Materialkosten
180 €
Fertigungseinzelkosten
100 €
Fertigungseinzelkosten
100 €
Fertigungsgemeinkosten
150 €
Fertigungsgemeinkosten
150 €
Fertigungskosten
250 €
Fertigungskosten
250 €
Herstellkosten
415 €
Herstellkosten
430 €
Abb. 4.79: Vergleich zwischen der traditionellen Kalkulation und der Prozesskostenrechnung Hier setzt die Prozesskostenrechnung an und versucht, die angefallenen Gemeinkosten verursachungsgerecht auf die einzelnen Fertigerzeugnisse zu verteilen. Produkten mit niedriger Auftragsstückzahl und großer Komplexität werden höhere Kosten
294
4 Instrumente und Aufgabenfelder
zugeordnet als einem einfachen Massenartikel. Somit wird auch die Preisgestaltung verbessert. Zudem wird die Wirtschaftlichkeit der bewerteten Prozesse transparent. 4.6.1 Vorgehensweise Nach Auswahl der Anwendungsbereiche vollzieht sich die Prozesskostenrechnung in folgenden Schritten (vgl. Abb. 4.80): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Tätigkeitsanalyse in den Kostenstellen Identifikation der Teilprozesse und Bildung der Prozesshierarchie Ermittlung von Bezugsgrößen (Cost Driver) Festlegung der Prozessmengen Planung der Prozesskosten Errechnung der Prozesskostensätze Ermittlung von Hauptprozesskosten
1. Tätigkeitsanalyse in den Kostenstellen Ausgangspunkt für den Aufbau der Prozesskostenrechnung ist die Bestimmung der Prozesse anhand einer Tätigkeitsanalyse, auch als Prozessanalyse bezeichnet. Tätigkeiten sind grundlegende Aktivitäten zur Erstellung einer Leistung innerhalb einer Kostenstelle. Für die Erhebung der Tätigkeiten greift man in erster Linie auf Interviews, Fragebogen, Auswertung von Dokumenten und Beobachtungen zurück, aber auch Multimomentstudien und Selbstaufschreibungen werden eingesetzt.137 Beispiel Flitzer AG: Um ein Angebot für ein Stahlrohr einzuholen, müssen die infrage kommenden Lieferanten identifiziert, Anschreiben mit der Bitte um ein Angebot verfasst und versendet sowie die Angebote geprüft und verglichen werden.
137 Eine Beschreibung diverser Erhebungsmethoden findet man bei Fiedler, R., Organisation kom-
pakt. 2. Aufl. München 2010, S. 85 ff.
4.6 Prozesskostenrechnung Tätigkeitsanalyse in den Kostenstellen
Identifikation der Teilprozesse und Bildung der Prozesshierarchie Ermittlung von Bezugsgrößen (Cost Driver)
295
Kostenstelle 1
Kostenstelle 2
Kostenstelle 3
Kostenstelle 4
Teilprozess 1
Teilprozess 2
Teilprozess 3
Teilprozess 4
Festlegung der Prozessmengen Planung der Prozesskosten Errechnung der Prozesskostensätze Ermittlung von Hauptprozesskosten
KOSTENTRÄGERRECHNUNG Prozessorientierte Kalkulation: Planung und Kontrolle der Prozesskosten pro Kostenträger
Hauptprozess 1
Hauptprozess 2
WIRTSCHAFTLICHKEITSKONTROLLE Kontrolle der Wirtschaftlichkeit in den Kostenstellen, von Teilund Hauptprozessen
Abb. 4.80: Vorgehensweise bei der Prozesskostenrechnung 2. Identifikation der Teilprozesse und Bildung der Prozesshierarchie Sachlich zusammengehörende Tätigkeiten zur Erstellung einer Leistung werden zu einem Teilprozess zusammengefasst. Die ermittelten Teilprozesse werden in leistungsmengeninduzierte und leistungsmengenneutrale Prozesse unterteilt. Die Kosten der leistungsmengeninduzierten Prozesse variieren mit der Prozessleistung. Leistungsmengenneutrale Prozesskosten sind dagegen nicht vom Leistungsvolumen abhängig. Die sachlich zusammengehörenden Teilprozesse können zu einem kostenstellenübergreifenden Hauptprozess verdichtet werden. Die Tätigkeitsanalyse in den Kostenstellen sowie die Bildung von Teil- und Hauptprozessen führt Bottom-Up zu einer Prozesshierarchie.
296
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Beispiel Flitzer AG: Im Einkauf der Flitzer AG wurden drei Teilprozesse identifiziert (vgl. Abb. 4.81). Die Teilprozesse „Angebote einholen“ und „Bestellung aufgeben“ sind leistungsmengeninduziert. Sie werden zusammen mit weiteren Teilprozessen wie der Wareneingangsprüfung dem Hauptprozess Beschaffung zugeordnet. Der Teilprozess „Abteilung leiten“ ist leistungsmengenneutral. Teilprozess Angebote einholen Bestellung aufgeben Abteilung leiten
Abb. 4.81: Identifikation der Teilprozesse 3. Ermittlung von Bezugsgrößen (Cost Driver)
Es müssen Einflussgrößen gefunden werden, von denen die Kosten der Teilprozesse abhängig sind. Diese Maßgrößen werden als Cost Driver (Kostentreiber) bezeichnet (vgl. Abb. 4.82). Cost Driver sind mit den direkten Bezugsgrößen in der flexiblen Plankostenrechnung vergleichbar (vgl. Abschnitt 3.1.2.1.4.2). Kostenstelle Einkauf
Teilprozess
Lager Produktions- planung Qualtitäts sicherung
Lieferabrufe Bestellungen Wareneingangsprüfungen Ein-/Auslagerungen Materialbereitstellungen Änderung der Arbeitspläne Betreuung der Fertigung Änderung der Prüfpläne Sicherung der Qualität
Bezugsgröße (Cost Driver) Anzahl Lieferabrufe Anzahl Bestellungen Anzahl Lagereingänge Anzahl Einlagerungen Anzahl Auslagerungen Anzahl Produktänderungen Anzahl Varianten Anzahl Produktänderungen Anzahl Varianten
Abb. 4.82: Teilprozesse und Cost Driver in verschiedenen Bereichen
4.6 Prozesskostenrechnung
297
Beispiel Flitzer AG: Im Einkauf der Flitzer AG wurden folgende Cost Driver gefunden: Teilprozess Cost Driver Angebote einholen Bestellung aufgeben Abteilung leiten
Anzahl Angebote Anzahl Bestellungen
Abb. 4.83: Ermittlung der Cost Driver 4. Festlegung der Bezugsgrößenmengen (Prozessmengen) Der mengenmäßige Anfall der Cost Driver wird als Prozessmenge bezeichnet. Beispiel Flitzer AG: Die Durchsicht der im letzten Jahr erstellten Angebote und durchgeführten Bestellungen ergab die Prozessmengen in Abb. 4.84. Man rechnet für die Zukunft mit keinen wesentlichen Änderungen. Deswegen werden diese Prozessmengen auch für die Prozesskostenrechnung zugrunde gelegt. Teilprozess Cost Driver Menge Angebote einholen Bestellung aufgeben Abteilung leiten
Anzahl 1.000 Angebote Anzahl Be- 2.000 stellungen
Abb. 4.84: Festlegung der Prozessmengen 5. Planung der Prozesskosten Den Prozessmengen jedes Teilprozesses kann man Kosten zuordnen. In erster Linie handelt es sich hier um Personal-, Raum-, Strom- und Büromaterialkosten. Diese Kosten können analytisch für jeden Prozess geplant werden. Weniger aufwendig ist es jedoch, wenn die normalisierten Kostenstellenkosten per Schlüssel (z. B. Mitarbeiterzahl) auf die Prozesse verteilt werden.
298
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Da die leistungsmengenneutralen Teilprozesse keine Cost Driver besitzen, kann für diese Tätigkeiten auch kein Teilprozesskostensatz festgelegt werden. Um trotzdem die gesamten Kosten zu erfassen, werden die Kosten der leistungsmengenneutralen Teilprozesse proportional zur Höhe der leistungsmengeninduzierten Prozesskosten verteilt. Die Umlage kann mithilfe des Umlageprozentsatzes berechnet werden, der angibt, wie viel Prozent der Kosten eines leistungsmengeninduzierten Teilprozesses zusätzlich als leistungsmengenneutrale Kosten berücksichtigt werden müssen. Umlageprozentsatz =
Kosten des leistungsmengenneutralen Teilprozesses x 100 Gesamtkosten aller leistungsmengeninduzierten Prozesse
Beispiel Flitzer AG: In der Kostenstelle Einkauf sind acht Mitarbeiter und ein Abteilungsleiter beschäftigt. Sechs Mitarbeiter holen ausschließlich Angebote ein, zwei Mitarbeiter sind für Bestellungen verantwortlich. Die Gesamtkosten der Kostenstelle betragen eine Million € zzgl. des Gehalts des Abteilungsleiters von 100.000 €. Um den Aufwand für die Prozesskostenermittlung gering zu halten, werden den Teilprozessen die Gesamtkosten entsprechend der am Teilprozess beteiligten Mitarbeiter zugeschlüsselt. Auf „Angebote einholen“ entfallen deswegen 75 Prozent von einer Million Euro, auf „Bestellungen aufgeben“ die restlichen 25 Prozent. Nach der Zuordnung der von der Leistung abhängigen Kosten müssen noch die Kosten des Abteilungsleiters als leistungsmengenneutrale Kosten auf die Teilprozesse umgelegt werden. Als Schlüssel verwendet der Controller der Flitzer AG den Kostenanteil eines Teilprozesses an den gesamten leistungsmengeninduzierten Prozesskosten. Deswegen werden 75 Prozent des Abteilungsleitergehalts dem Teilprozess „Angebote einholen“ zugeordnet, sodass dieser Teilprozess insgesamt 825.000 € zu tragen hat. Zum selben Ergebnis führt die Anwendung des Umlageprozentsatzes in Höhe von zehn Prozent. Teilprozess Cost Driver Menge Angebote einholen Bestellung aufgeben Abteilung leiten
Anzahl 10.000 Angebote Anzahl Be- 2.000 stellungen
Kosten A B
Kosten gesamt
750
75
825
250
25
275
A = von der Leistung abhängige Kosten B = von der Leistung unabhängige Kosten Prozesskosten in tausend Euro
Abb. 4.85: Planung der Prozesskosten
100
4.6 Prozesskostenrechnung
299
6. Errechnung der Prozesskostensätze Nach der Festlegung der Prozesskosten werden Prozesskostensätze gebildet: Prozesskostensatz =
Prozesskosten Planmenge
Der Prozesskostensatz kann für die leistungsmengeninduzierten (lmi in Abb. 4.86) und leistungsmengenneutralen (lmn in Abb. 4.86) Kosten differenziert ausgewiesen werden. Zusätzlich wird der gesamte Prozesskostensatz ermittelt. Der Prozesskostensatz stellt die durchschnittlichen Kosten für einen Teilprozess dar. Wenn die Prozessmengen für ein Produkt im Arbeitsplan gespeichert sind, können die differenzierten Prozesskostensätze (anstelle pauschaler Zuschlagssätze) für die Kalkulation genutzt werden. Beispiel Flitzer AG: Teilprozess Cost Driver Menge Angebote einholen Bestellung aufgeben Abteilung leiten
Anzahl 10.000 Angebote Anzahl Be- 2.000 stellungen
Kosten A B
Kosten gesamt
Prozesskostensätze lmn gesamt lmi
750
75
825
75,0
7,5
82,5
250
25
275
125,0
12,5
137,5
100
A = von der Leistung abhängige Kosten B = von der Leistung unabhängige Kosten Prozesskosten in tausend Euro, Prozesskostensätze in Euro
Abb. 4.86: Errechnung der Prozesskostensätze Die Prozesskostenrechnung verdeutlicht, dass das Einholen eines Angebots 82,5 € und eine Bestellung 137,5 € kosten. 7. Ermittlung von Hauptprozesskosten Teilprozesse, welche die gleichen Cost Driver besitzen, können einem Hauptprozess zugeordnet werden. Wenn Hauptprozesse definiert wurden, kann man die zugehörigen Teilprozesskostensätze addieren und durch die Prozessmenge des Hauptprozesses dividieren. Als Ergebnis erhält man den Hauptprozesskostensatz, der für eine Kalkulation auf Hauptprozessebene verwendet werden kann.
300
4 Instrumente und Aufgabenfelder
In der Praxis sind jedoch die Definition von Hauptprozessen und die Zuordnung sinnvoller Bezugsgrößen schwierig. Beispiel Flitzer AG: Die bereits aufgeführten Teilprozesse der Kostenstelle Einkauf bilden zusammen mit den Teilprozessen des Lagers den Hauptprozess Beschaffung. Kostenstelle Lager
Kostenstelle Einkauf Teilprozess 1 Angebote einholen
Teilprozess 2
Teilprozess 1
Teilprozess 2
Artikel einlagern
Wareneingang prüfen
Bestellungen aufgeben
Hauptprozess 1 Beschaffung
Abb. 4.87: Verdichtung der Teilprozesse zu Hauptprozessen Man wählt als Cost Driver die Zahl der durchgeführten Materialbeschaffungen, weil davon die meisten Kosten abhängen. Hauptprozess: Beschaffung von Material Cost Driver: Anzahl Materialbeschaffungen Hauptprozessmenge: 2.000 Teilprozess Prozessmenge Teilprozesskostensatz Teilprozesskosten Angebote einholen 10.000 82,5 825.000,0 Bestellungen aufgeben 2.000 137,5 275.000,0 Artikel einlagern 2.000 40,5 81.000,0 Wareneingang prüfen 2.000 50,0 100.000,0 Hauptprozesskosten 1.281.000,0 Hauptprozesskostensatz 640,5
Abb. 4.88: Zahlenbeispiel zur Bildung des Kostensatzes für einen Hauptprozess Durchschnittlich fallen also für die Beschaffung von Material 640,5 € an.
4.6 Prozesskostenrechnung
301
4.6.2 Prozesskostenrechnung und traditionelle Zuschlagskalkulation
Die Zuordnung der Gemeinkosten über Prozesse führt zu einer aussagekräftigen Kalkulation. Im Unterschied zur klassischen Kostenrechnung ergeben sich Vorteile durch drei Effekte:138 Allokationseffekt Vergleicht man die Höhe der Gemeinkosten, die aufgrund der klassischen Zuschlagskalkulation errechnet werden, mit den Gemeinkosten der Prozesskostenrechnung, so fällt auf, dass die Beträge unterschiedlich ausfallen. Das folgende Beispiel verdeutlicht dies:
Produkt A Produkt B
Materialeinzelkosten 1.000 € 2.000 €
Materialgemeinkosten (Zuschlag 10 %) 100 € 200 €
Prozesskosten 150 € 150 €
Allokationseffekt + 50 € ⎼ 50 €
Abb. 4.89: Beispiel für den Allokationseffekt
Die Gemeinkosten der Zuschlagskalkulation verändern sich in der Realität oft nicht proportional zu den Einzelkosten. Dadurch werden dem Kalkulationsobjekt A zu wenig und B zu viele Gemeinkosten zugewiesen. Komplexitätseffekt Während die Zuschlagskalkulation Gemeinkosten unabhängig von der Komplexität des Produktes proportional zur Bezugsgröße verrechnet, werden in der Prozesskostenrechnung komplexen Produkten höhere Kosten zugerechnet als einfachen Standardprodukten. Das ist auch gerechtfertigt, da bei komplexen Leistungen die indirekten Bereiche, wie z. B. die Qualitätssicherung, stärker in Anspruch genommen werden und deswegen höhere Kosten entstehen.
Produkt A Produkt B
Materialeinzelkosten 1.000 € 1.000 €
Materialgemeinkosten (Zuschlag 10 %) 100 € 100 €
Prozessdurchführungen 8 20
Prozesskostensatz 10 10
Prozesskosten 80 € 200 €
Komplexitätseffekt ⎼ 20 € + 100 €
Abb. 4.90: Beispiel für den Komplexitätseffekt Bei Anwendung der Zuschlagskalkulation trägt das einfache Produkt A um 20 € zu hohe Kosten, während das komplexe Produkt B zu günstig kalkuliert wird. 138 Coenenberg, A., Fischer, Th., Prozeßkostenrechnung ⎼ Strategische Neuorientierung in der Kos-
tenrechnung. Die Betriebswirtschaft 1991, S. 31 ff.
302
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Die Komplexität steigt auch, wenn ein Produkt in vielen Varianten angeboten wird. Die Produktkosten werden in diesem Fall einmal durch das Mengenvolumen der Produktion, andererseits durch die Variantenanzahl bestimmt. Deswegen ist es in Unternehmen mit einer hohen Zahl exotischer Varianten sinnvoll, beide Einflussfaktoren in der Prozesskalkulation zu berücksichtigen. Dafür kann man folgendes Verfahren anwenden: Es wird geschätzt, wie viel Prozent der Plankosten durch die Menge und wie viel Prozent durch die Variantenzahl verursacht werden. Die mengen- und variantenabhängigen Teile der Prozesskosten eines Teilprozesses ergeben sich dann pro Kalkulationseinheit wie folgt: Mengenabhängiger Kostenanteil: Prozessmenge x Prozesskostensatz x mengenabhängiger Kostenanteil gesamte Stückzahl
Variantenabhängiger Kostenanteil: Prozessmenge x Prozesskostensatz x variantenabhängiger Kostenanteil Zahl der Varianten
___________________ Stückzahl der Variante
Das Beispiel in Abb. 4.91 zeigt, wie unterschiedlich hohe Prozesskosten für eine Variante mit hoher Stückzahl (Variante eins, 5.000 Stück) und eine exotische Variante mit geringer Auftragsgröße (Variante zwei, 250 Stück) kalkuliert werden. Tätigkeit (Teilprozess) Änderung der Arbeitspläne Betreuung der Produktion
Prozessmenge
Prozesskostensatz
Abhängigkeit Abhängigkeit von von der Menge der Variantenzahl
1.100
646,72
10%
90%
750
364,81
40%
60%
Variante 1
Änderung der Arbeitspläne Betreuung der Produktion Gesamt
Variante 2
mengenabhängig
variantenabhängig
mengenabhängig
variantenabhängig
13,55
64,03
13,55
1280,50
20,85
16,42
20,85
328,33
34,40
80,44 114,84
34,40
1.608,83 1.643,23
Abb. 4.91: Variantenabhängige Prozesskalkulation
4.6 Prozesskostenrechnung
303
Der mengenabhängige Kostensatz für die Änderung der Arbeitspläne in Höhe von 13,55 € errechnet sich wie folgt: 1.100 x 646,72 x 0,1 5.250
Die variantenabhängigen Kosten für Variante 1 betragen 64,03 €, die sich im Detail wie folgt errechnen lassen: 1.100 x 646,72 x 0,9 2
_____ 5.000
Die kalkulierten Gesamtkosten der Variante eins mit hoher Stückzahl sind im Vergleich zur Variante zwei wesentlich geringer. Degressionseffekt Mit zunehmender Stückzahl eines Auftrags nehmen die Prozesskosten unterproportional zu. Die Stückkosten nehmen deswegen degressiv ab. Das liegt daran, dass manche Teilprozesse, wie z. B. die Auftragsannahme, nur einmal pro Auftrag unabhängig von der Auftragsgröße erforderlich sind. In der Zuschlagskalkulation werden aber alle Gemeinkosten proportional mit dem Anfall der Einzelkosten verrechnet. Deswegen werden bei Aufträgen mit geringer Stückzahl zu wenig Gemeinkosten (vgl. Auftrag A in Abb. 4.92), bei großen Aufträgen zu hohe Gemeinkosten pro Stück (vgl. Auftrag B in Abb. 4.92) ausgewiesen. Herstellkosten gesamt Auftrag A 1 Stück Auftrag B 100 Stück
Stückkosten (ZuschlagsKalkulation)
Prozesskosten Vertrieb
Stückkosten (Prozesskostenrechnung)
Degressionseffekt
100 €
Vertriebsgemeinkosten (Zuschlag 10 %) 10 €
110 €
200 €
300 €
+ 190 €
10.000 €
1.000 €
110 €
200 €
102 €
⎼8€
Abb. 4.92: Beispiel für den Degressionseffekt 4.6.3 Integration der Prozesskostenrechnung in die klassische Kostenrechnung Abb. 4.93 verdeutlicht, dass die Prozesskostenrechnung ergänzend zu den herkömmlichen Verfahren einzusetzen ist.139
139
Birker, K., Kosten- und Leistungsrechnung. 2. Aufl., Köln 1998, S. 164.
304
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Aufgrund des beträchtlichen Aufwands ist es empfehlenswert, nur für die bedeutenden Bereiche Prozesskosten zu ermitteln. Die restlichen Kostenstellen werden weiterhin mithilfe von Verrechnungssätzen, Maschinenstundensätzen oder pauschal über Zuschlagssätze abgerechnet. Grundsätzlich ist die Prozesskostenrechnung im Unterschied zu den Teilkostenrechnungen langfristig auf Vollkostenbasis ausgelegt und liefert Informationen für strategische Entscheidungen, wie z. B. die Eliminierung exotischer Varianten aus dem Produktionsprogramm. Einzelkosten
KOSTENARTEN Gemeinkosten
Identifikation der Teilprozesse, Bildung der Prozesshierarchie
Ermittlung der Cost Driver, Prozessmengen
prozessabhängige Kosten
Tätigkeitsanalyse
nicht prozessabhängige Kosten, z. B. maschinenabhängige K.
KOSTENSTELLEN
Bezugsgröße, z. B. Maschinenstunden
Errechnung der Maschinenstundensätze, Verrechnungs- und Zuschlagssätze
Errechnung der Prozesskosten, -sätze, Verdichtung zu Hauptprozessen
sonstige Gemeinkosten
anteilige Prozesskosten
Abb. 4.93: Integration der Prozesskostenrechnung
KOSTENTRÄGER
4.7 Working Capital Management
4.7
305
Working Capital Management
4.7.1 Ziele Investitionen sind essenziell für jedes Unternehmen, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben oder um weiter zu wachsen. Dabei ist es besonders wichtig, mit den finanziellen Ressourcen sparsam und effizient umzugehen. Viele Unternehmen versuchen, Investitionen in Maschinen, Anlagen und Finanztiteln mit aufwendigen Methoden zu bewerten und dadurch zu optimieren. Gleichzeitig gerät aber das im Unternehmen vorhandene Umlaufvermögen in Vergessenheit. Genau hier setzt das Working Capital Management an, mit dem Ziel, das im Unternehmen befindliche Umlaufvermögen genauer zu analysieren und Möglichkeiten zur Optimierung des Umlaufvermögens zu erarbeiten.140 Nach Expertenmeinungen lässt sich durch Maßnahmen des Working Capital Managements das gebundene Kapital um zehn bis 30 Prozent reduzieren. Wird durch Working Capital Management möglichst wenig Kapital im Umlaufvermögen gebunden, verbessert sich die Liquidität und dem Unternehmen stehen mehr finanzielle Ressourcen für attraktive Investitionen zur Verfügung. Working Capital Management verschafft dem Unternehmen also mehr Flexibilität und zahlt sich besonders in Zeiten von steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Materialien aus. Das Unternehmen wird unabhängiger von den Kreditlinien der Banken und damit weniger krisenanfällig. 4.7.2 Einflussgrößen für das Working Capital Management Folgende Positionen stehen beim Working Capital Management im Vordergrund (vgl. Abb. 4.94):
Lagerbestände Lagerbestände werden im Rahmen der Prozesskette Forecast to Fulfill (Prozess von der Umsatzplanung bis zur Leistungserstellung) optimiert. Im Besonderen werden Beschaffungszeiten verkürzt und Lagerbestände abgebaut. Eine wichtige Kennzahl ist „Days Inventory Outstanding“. Sie verdeutlicht die Anzahl Tage, an denen sich die Ware im Lager befindet.
Forderungen Forderungen werden im Rahmen der Prozesskette Order to Cash (Prozess von der Auftragsabwicklung bis zum Zahlungseingang) optimiert. Eine wichtige Kennzahl ist „Days Sales Outstanding“. Sie verdeutlicht die Zeit zwischen Rechnungsstellung und Bezahlung durch den Kunden.
140 Working Capital wird aus der Differenz von Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkei-
ten ermittelt und gibt damit denjenigen Teil des Umlaufvermögens an, der nicht zur Deckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten gebunden ist.
306
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten werden im Rahmen der Prozesskette Purchase to Pay (Prozess vom Einkauf bis zum Zahlungsausgang) optimiert. Eine wichtige Kennzahl ist „Days Payables Outstanding“. Sie verdeutlicht die Zeit zwischen Bestellung und Zahlung.
Working Capital Management beginnt damit, dass man die Kunden anhält, Rechnungen zügig zu bezahlen, gleichzeitig aber Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten eher spät ausgleicht. Hier wird deutlich, dass das Working Capital Management, unternehmensübergreifend betrachtet, maßgeblich von der Marktmacht des jeweiligen Unternehmens abhängt und für die einzelnen Mitglieder in der Supply Chain Nachteile bergen kann. Umsatz Ergebnis
Kosten
Kapitalrendite
Anlagevermögen
÷
+
+
Umlaufvermögen
Kundenforderungen
Aktiva
Betriebskapital
Vorräte
Lieferantenverbindlichkeiten kurzfristige Verbindlichkeiten
+
+ Kasse
sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten Für Working Capital Management relevant
Abb. 4.94: Parameter des Working Capital Managements 4.7.3 Aktives Forderungsmanagement in der Praxis Das folgende Praxisbeispiel konzentriert sich auf den Bereich Forderungsmanagement und zeigt dabei mögliche Stellhebel, Aktionsfelder und Maßnahmen auf, um dieses zu optimieren. Der Fokus wird auf diejenigen Maßnahmen gelegt, mit denen kurzfristige Erfolge, die Verbesserung der Liquidität und die Reduzierung des gebundenen Kapitals erzielt werden können.
4.7 Working Capital Management
307
Beispiel Flitzer AG: Die Flitzer AG erkennt, dass die Zahlungsmoral der Kunden sehr schlecht ist. Generell konnte man erhebliche Liquiditätsengpässe im Markt feststellen. Das führte dazu, dass sich die Kapitalrendite der Flitzer AG verschlechterte. Der Controller schlägt als Gegenmaßnahme vor, das Working Capital zu optimieren. Insbesondere möchte er die ausstehenden Forderungen reduzieren. Damit würde der Finanzierungsbedarf sinken und das Risiko eines Forderungsausfalls abnehmen. Außerdem erschwert der gegenwärtig sehr hohe Forderungsbestand die Überwachung der Zahlungseingänge. Der Vorstand der Flitzer AG genehmigt die Vorschläge des Controllers und beauftragt ihn mit der Erarbeitung eines Umsetzungskonzepts. Als erste Maßnahme zur Verbesserung des Forderungsmanagements werden einheitlich definierte Kreditlimits für alle Kunden eingeführt. Das Kreditlimit soll sich am Umsatz und am Zahlungsverhalten der Kunden orientieren. Weiter wird jeder Kunde einer Risikoklasse zugeordnet. So erhält z. B. ein Neukunde generell ein Kreditlimit von 5.000 € und wird in die Risikoklasse fünf eingruppiert. Ab einem Auftragswert von 5.000 € wird die Bonität geprüft. Der Controller gibt allerdings zu bedenken, dass Bonitäten i. d. R. aufgrund von historischen Daten ermittelt werden. Eine Bonitätsprüfung gilt demnach lediglich als Indikator für Verhaltensweisen der Kunden in der Zukunft. Trotzdem gelten Bonitätsanfragen im Forderungsmanagement als wichtiges Instrument. Die Kreditlimits für alle Kunden sollten jährlich der dynamischen Entwicklung der Umsätze angepasst und auch die Risikoklassen sollten verifiziert werden. Die Einhaltung des vorgegebenen Kreditlimits will man bei der Flitzer AG ab sofort konsequent überwachen. Bei einer Überschreitung wird kein weiterer Auftrag akzeptiert. Allerdings kann diese Sperre im Rahmen der Genehmigungsrichtlinie in Ausnahmefällen außer Kraft gesetzt werden. Die Abläufe und Prozesse im Kreditmanagement werden klar und eindeutig dokumentiert. Die geplante Genehmigungsrichtlinie soll im Rahmen eines technischen Workflows auch im IT-System verankert werden. Die Flitzer AG ordnet der jeweiligen Risikoklasse weitere Parameter zu (vgl. Abb. 4.95). So werden z. B. die maximal zulässige Mahnstufe sowie der maximal älteste offene Posten in die Betrachtung miteinbezogen. Ein Überschreiten dieser Parameter führt ebenfalls zu einer Sperre des Kunden.
308
4 Instrumente und Aufgabenfelder Risikoklasse
Verwendung für
Überprüfung Kreditlimit
Ältester Maximal überfälliger erlaubte Posten in Tagen Mahnstufe 45 3
1
Inland
Ja
2
Ausland
Ja
3
Inland Risiko
Ja
30
2
4
Ausland Risiko
Ja
14
1
5
Neukunde
Ja
14
1
6
Dubios
Ja
5
0
Nein
Nein
Nein
999
Konzern
45
3
Abb. 4.95: Risikoklassen der Flitzer AG Die Flitzer AG realisiert neben dem internen Warnsystem weitere Ansätze im Forderungsmanagement: Durch Gewährung von Skonti oder Rabatten werden das Zahlungsverhalten und die Geschwindigkeit der Zahlungsflüsse der Kunden gesteuert. Der Skontoabzug durch den Kunden wird strikt überwacht. Ein Skontoabzug bei Begleichung der Rechnung nach Zahlungsziel wird unterbunden. Vor allem bei sehr kundenspezifischen Fahrrädern, die bei kurzfristigem Ausfall des Kunden keinen Absatz mehr am Markt finden, verlangt man eine Anzahlung. Die Ware wird nur gegen Eigentumsvorbehalt verkauft. Dabei wird die Situation der Flitzer AG im Falle einer Insolvenz des Kunden verbessert. Die Option Lastschriftverfahren wird in den Fällen, in denen es möglich ist, genutzt. Der Vertriebsmitarbeiter fragt persönlich nach (telefonisch oder vor Ort), warum eine Rechnung nicht bezahlt wird. In aller Regel reagiert der Kunde darauf besser als auf eine förmliche Mahnung. Trotzdem werden die Mahnungen rechtzeitig versendet. Der Bankweg nimmt vor allem bei Auslandsgeschäften sehr viel Zeit in Anspruch. Daher eröffnet die Flitzer AG bei größeren Geschäften im Ausland ein Konto im jeweiligen Land bei einer renommierten Bank. Besonders vorteilhaft ist dies, wenn Auszahlungen und Einzahlungen in US-Dollar getätigt werden. Es werden Überweisungszeit, -spesen und Wechselkursrisiko reduziert. Forderungen an zahlungsunwillige Kunden werden an ein Factoringunternehmen verkauft. Die Lieferqualität wird verbessert, damit die Zahl der Rechnungsreklamationen abnimmt. Außerdem werden alle Reklamationen umgehend bearbeitet. Die Schnittstelle zwischen Vertrieb und Debitorenmanagement wird optimiert. Für die Minimierung von Zahlungsverzug und Ausfallrisiko wird ein systematisches Vorgehen bei der Bearbeitung von Reklamationen eingeführt.
4.7 Working Capital Management
309
Die Flitzer AG möchte das Forderungsmanagement kontinuierlich weiterentwickeln. Deshalb wird künftig ein regelmäßiges Benchmarking angestrebt (vgl. Abschnitt 4.3). Der Vergleich soll auf Basis von Kennzahlen durchgeführt werden, die man im Rahmen des bereits etablierten Berichtswesens ermittelt. Neben internen Gesellschaften im In- und Ausland wird auch ein Branchenwert in die Vergleiche einbezogen. Folgende Kennzahlen werden für die Analyse des Forderungsmanagements ausgewählt: Debitorenlaufzeit in Tagen Debitorenumschlag Rate überfälliger Forderungen Quote Forderungsausfall in Prozent Wesentliche Abweichungen zu den Benchmarks wurden diskutiert und Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. Parallel ist eine Benchmark-Studie auf Basis von Prozessen geplant (vgl. Abschnitt 4.3.3). Etablierte und mustergültige Prozesse sollen multipliziert und international ausgerollt werden. Die Prozesse im Forderungsmanagement sollen künftig mindestens jährlich überprüft werden. Für den Erfolg des Forderungsmanagements ist es wichtig, dass man sich nicht nur um die reine Eintreibung von Forderungen kümmert. Prozesse müssen analysiert und aufeinander abgestimmt werden. Alle Abläufe sind mit Disziplin einzuhalten. Forderungsmanagement muss zudem von möglichst vielen Mitarbeitern aktiv betrieben werden. Im Vorfeld dazu ist die Sensibilisierung der Mitarbeiter wichtig. Auch ist der Zeitaufwand der Implementierung zu beachten. Geeignete Kennzahlen erleichtern es, den erreichten Status zu erkennen und weiter zu verbessern. Das Forderungscontrolling ist in das Tagesgeschäft eines Controllers aufzunehmen. Die Initialisierung erfolgt häufig in Form eines Projekts, die Nachhaltigkeit wird durch ein aussagekräftiges Berichtswesen sichergestellt (vgl. Kapitel 5). Anreizsysteme können hierbei hilfreich sein.
310
4.8
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Lernerfolg
4.8.1 Fallbeispiel: Risikoanalyse und -steuerung bei der Flitzer AG Die Flitzer AG steht vor großen Herausforderungen. Die Umsätze sanken im letzten Jahr um 35 Prozent und die Umsatzrendite beträgt nur noch drei Prozent. Der Absatz der Mountainbikes Gelände und Scott ist dabei relativ stabil, während der Absatz der Rennräder Straße und Ullrich starken Volumenschwankungen unterliegt. Für das kommende Jahr wird von 250 verkauften Rädern ausgegangen, die zu 80 Prozent im deutschen Markt und zu 20 Prozent in den USA abgesetzt werden. Der Stückpreis beträgt durchschnittlich 4.000 € pro Rad. In der Vergangenheit hat die Flitzer AG ihren Kunden die Zahlungsziele regelmäßig sehr großzügig verlängert, was zu einem hohen Forderungsbestand führte. Die Produktion der Fahrräder erfolgt im angestammten Werk in Würzburg. Investitionen in die dortigen Produktionsanlagen wurden im letzten Jahr aber auf ein Minimum beschränkt, da über eine Verlagerung der Produktion nach Polen nachgedacht wird. Zulieferteile, wie Rahmen, Zahnräder und Sattel, werden zentral über den italienischen Partner, die Scusi s.r.l., bezogen. Die Qualität und Zuverlässigkeit der Scusi s.r.l. sind als hoch einzuschätzen. In der Sparte Motorroller, die lediglich fünf Prozent des Produktportfolios ausmacht, kam es in der Vergangenheit wegen defekter Bremsen wiederholt zu Rückrufaktionen und Schadensersatzfällen. Aufgabe 1: Der von der Flitzer AG eingestellte Controller, Herr Mutig, wird vom Vorstand beauftragt, eine Risikoanalyse durchzuführen. In einem ersten Schritt erfasst er dazu alle Risiken, die auf die Flitzer AG wirken. Versetzen Sie sich in die Lage von Herrn Mutig. 1. Erstellen Sie eine Liste mit den sechs bedeutendsten Risiken. 2. Gliedern Sie die Risiken in Kategorien. Aufgabe 2: Nach der Identifikation beginnt Herr Mutig mit der Bewertung der Risiken. Er schlägt hierzu den Einsatz einer Risk Map vor. 1. Definieren Sie zwei Kriterien für die Bewertung von Risiken. 2. Erstellen Sie mit den in Aufgabe eins erarbeiteten Informationen eine Risk Map; je Bewertungskriterium sollen drei Klassen (gering, mittel, hoch) gebildet werden. 3. Begründen Sie kurz ihre Einordnung der Risiken aus Aufgabe 1. Aufgabe 3: In dem Gespräch mit dem Vorstand will Herr Mutig nicht nur die Ergebnisse der Risikoanalyse präsentieren, sondern bereits erste Vorschläge zur Risikosteuerung
4.8 Lernerfolg
311
ausarbeiten. Unterstützen Sie ihn hierbei, und erstellen Sie einen Risikomaßnahmenkatalog. Dieses Formular sollte folgende Informationen enthalten: 1. Informationen aus der Risikoanalyse, 2. die grundsätzliche Steuerungsstrategie und 3. konkrete Steuerungsmaßnahmen. Lösungsvorschläge Aufgabe 1:
I.
Risikokategorien
Nr.
Marktrisiken
1 2
II.
Operative Risiken
III. Finanzielle Risiken
3 4 5
IV. Sonstige Risiken
6
Risiko Absatzschwankungen bei den Rennrädern Straße und Ullrich Ausfall des Lieferanten Scusi s.r.l. Qualitätsprobleme in der Produktion aufgrund unterlassener Investitionen Forderungsausfälle Wechselkursschwankungen beim Export der Fahrräder in die USA Schadensersatzfälle bei den Motorrollern
Abb. 4.96: Risiken des Fallbeispiels Aufgabe 2: Eintrittswahrscheinlichkeit hoch
5
1
mittel
6
4 3
gering
2
gering
Abb. 4.97: Risk Map des Fallbeispiels
mittel
hoch
Schadenshöhe
312
4 Instrumente und Aufgabenfelder
Risiko 1: Der Absatz der Rennräder schwankt sehr stark, was den Umsatz der Flitzer AG belastet; durch den stabilen Absatz der Mountainbikes wird das Schadensausmaß z. T. begrenzt. Risiko 2: Die Flitzer AG ist zu 100 Prozent von ihrem italienischen Lieferanten abhängig. Fällt die Scusi s.r.l. als Lieferant aus, steht die Produktion der Flitzer AG still; die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall der Scusi s.r.l. ist als gering einzustufen. Risiko 3: Aufgrund der unterlassenen Investitionen in die Produktionsanlagen kann es zu Qualitätsproblemen kommen; das potenzielle Schadensausmaß ist als mittel einzustufen, da hochwertige Rennräder z. T. in Handarbeit produziert werden. Risiko 4: Der Forderungsbestand der Flitzer AG ist sehr hoch, da großzügig Zahlungsziele verlängert werden; der Schaden aus Forderungsausfällen ist als mittel einzustufen; Gleiches gilt für die Eintrittswahrscheinlichkeit. Risiko 5: Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Wechselkursschwankungen ist sehr hoch, da sich der Wechselkurs Euro/Dollar täglich verändert; aufgrund des hohen Marktanteils im deutschen Raum ist das Schadensausmaß aber nur gering. Risiko 6: Die Wahrscheinlichkeit für Pannen bei Motorrollern ist sehr hoch; der potenzielle Schaden durch Rückrufaktionen und Schadenersatzforderungen ist ebenfalls hoch einzustufen.
Aufgabe 3: Risiko Nr. 1
Risikobewertung Schadenshöhe Eintrittswahrscheinlichkeit mittel hoch
Strategie
Risikomaßnahmen Konkrete Maßnahme
Verminderung Diversifikation der Absatzmärkte; Erschließung neuer Vertriebskanäle; Erschließung neuer Kundengruppen
2
hoch
gering
Verminderung Diversifikation der Lieferantenbasis, Lieferantenentwicklung
3
mittel
mittel
Akzeptanz
keine Maßnahmen, bis endgültige Entscheidung über Verlagerung der Produktion nach Polen
4
mittel
mittel
Vermeidung
Vereinbarung kürzerer Zahlungsziele; Barzahlung forcieren; Bonitätsprüfung bei Kunden
5
gering
hoch
Überwälzung Hedging, Devisentermingeschäfte; Fakturierung von Transaktionen in inländischer Währung
6
hoch
hoch
Vermeidung
Bereinigung des Produktportfolios um Motorroller
Abb. 4.98: Risikomaßnahmenkatalog des Fallbeispiels
4.8 Lernerfolg
313
4.8.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 4 1. Welche Funktionen erfüllt die Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung? 2. In welche Teilbereiche untergliedert man die Kostenrechnung? 3. Ermitteln Sie für folgende Daten die Grenzkosten, und stellen Sie diese grafisch dar. Um welchen Verlauf der variablen Kosten handelt es sich jeweils (proportional, degressiv oder progressiv)? Menge Gesamtkosten Grenzkosten 0 0 10 70 20 150 30 250 40 400
Menge Gesamtkosten Grenzkosten 0 0 10 200 20 300 30 350 40 380
Menge Gesamtkosten Grenzkosten 0 0 10 100 20 200 30 300 40 400
Abb. 4.99: Daten zur Ermittlung der Grenzkosten 4. Die Kostenfunktion in der Montage der Flitzer AG lautet: K(x) = 1.000 + 20x. Ermitteln Sie für eine Beschäftigung von 500 Fahrrädern die fixen Kosten, die variablen und gesamten Stückkosten sowie die Kostenelastizität. 5. Ermitteln Sie für folgende Daten die Kostenfunktion mit dem DifferenzenQuotienten-Verfahren, der Regressionsanalyse und der buchtechnischstatistische Kostenauflösung. Bestimmen Sie auch den Variator. Für die buchtechnisch-statistischen Kostenauflösung legen Sie bitte die Monate drei und vier zugrunde. Für den Variator verwenden Sie die mit der buchtechnischstatistischen Kostenauflösung ermittelte Kostenfunktion und eine Beschäftigung von 200. Monat
Maschinenstunden
Kosten
1 2 3 4
400 600 200 800
700 900 600 1.000
Abb. 4.100: Daten zur Ermittlung der Kostenfunktion 6. Beschreiben Sie die Unterschiede der Kostenverrechnung einer Teilkostenrechnung im Vergleich zur Vollkostenrechnung.
314
4 Instrumente und Aufgabenfelder
7. Warum ist die Vollkostenrechnung nicht zur Fundierung von Entscheidungen geeignet? Nennen Sie Entscheidungssituationen, in denen nur eine Teilkostenrechnung richtige Informationen liefert. 8. Erstellen Sie eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung für einen Konkurrenten der Flitzer AG, der folgende Daten ausweist: Komforträder Sporträder Elegance Lite E-Bike Hybrid Blue Racer Team Spirit Absatzmengen 10.000 1.000 6.000 4.000 Absatzpreise pro Stück 800 1.600 2.500 1.000 Materialkosten pro Stück 250 400 1.500 200 50 150 800 100 Fertigungslöhne pro Stück 100 200 350 150 Variable Gemeinkosten pr Produktfixkosten 1.500.000 900.000 140.000 35.000
Abb. 4.101: Daten für die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Die der Produktgruppe Komforträder zurechenbaren Fixkosten betragen 1.000.000 €, diejenigen der Produktgruppe Sporträder 800.000 €. Die Fixkosten des Unternehmens belaufen sich auf 1.000.000 €. Welche Maßnahmen würden Sie dem Management empfehlen? 9. Der in Aufgabe acht erwähnte Konkurrent der Flitzer AG setzt für die Montage der Fahrräder eine Anlage ein, die eine Gesamtkapazität von 1.340 Stunden hat. Ermitteln Sie die Produktionsmengen für die vier Produkte so, dass der Gesamtdeckungsbeitrag maximal wird. Die angegebenen Absatzmengen können nicht überschritten werden. Die Kapazitätsinanspruchnahme pro Fahrrad ist wie folgt: Elegance Lite vier Minuten, E-Bike Hybrid zehn Minuten, Blue Racer 12 Minuten und Team Spirit acht Minuten. Es gelten weiterhin die Daten aus Aufgabe acht. 10. Die Geschäftsführung des in Aufgabe acht erwähnten Konkurrenten der Flitzer AG möchte wissen, ab welcher Mindestabsatzmenge das E-Bike Hybrid Gewinn machen würde. Berücksichtigen Sie bitte nur diejenigen Fixkosten, die dem Produkt direkt zurechenbar sind. 11. Um das Verlustrisiko zu vermindern, will die Geschäftsführung die Vertriebsmitarbeiter motivieren, durch verstärkte Akquisitionsanstrengungen den Absatz des E-Bike Hybrid auf eine maximale Produktionsmenge von 1.200 Fahrrädern auszuweiten. Wie hoch wäre der Gewinn bei dieser Absatzmenge? Um das Risiko abzuschätzen, soll auch die Sicherheitsspanne errechnet werden.
4.8 Lernerfolg
315
12. Durch intensive Werbung und die Anschaffung einer neuen Anlage könnte man vielleicht 1.250 Fahrräder absetzen. Die zusätzlichen Produktfixkosten würden 200.000 € betragen. Würde sich die Erweiterung der Fertigungskapazitäten lohnen? 13. Ein Zulieferer der Flitzer AG will einen neuen Fahrradsattel entwickeln. In einer Marktstudie wurde die relative Bedeutung der Funktionen eines Fahrradsattels aus Sicht des Kunden erhoben. Funktionen F1 Design F2 Pflegeleichtigkeit F3 Sitzkomfort F4 Haltbarkeit F5 Bedienungskomfort F6 Transportabilität
Teilgewichte in % 20 15 35 15 10 5 100
Abb. 4.102: Bedeutung der Funktionen für die Ermittlung der Zielkosten Der Fahrradsattel „Guter Sitz“ besteht aus vier Produktkomponenten. Deren Beiträge zur Erfüllung der von den Kunden gewünschten Produktfunktionen werden folgendermaßen geschätzt: Komponenten K1 K2 K3 K4
Federung Metallgestell Polsterung Sattelschloss
F1 50 35 5 10
F2 50 15 30 5
Funktionen F3 F4 40 30 45 40 10 20 5 10
F5 50 15 20 15
F6 30 35 30 5
Abb. 4.103: Beitrag der Komponenten zur Erfüllung der Funktionen für die Ermittlung der Zielkosten Die Anteile der Komponenten an den Gesamtkosten wurden wie folgt ermittelt: K1 40%
K2 25%
K3 25%
K4 10%
Aufgaben: a) Berechnen Sie die zulässigen Kostenanteile der Komponenten entsprechend ihrer Bedeutung. Erstellen Sie dafür eine Tabelle, und tragen Sie die Ergebnisse ein.
316
4 Instrumente und Aufgabenfelder
b) Ermitteln Sie für jede Produktkomponente den zugehörigen Zielkostenindex. c) Veranschaulichen Sie die in Aufgabe zwei errechneten Zielkostenindizes in einem Zielkostenkontrolldiagramm (q-Wert = 15 Prozent), und erläutern Sie die Ergebnisse für jede Produktkomponente. 14. Welche Formen des Benchmarking kennen Sie? 15. Erläutern Sie den Begriff des Risikocontrolling. 16. Skizzieren Sie eine Risk Map zur Bewertung der identifizierten Risiken. 17. Welche Alternativen zur Risikosteuerung kann man unterscheiden? 18. Nennen Sie den zentralen Grund für die Einführung eines Prozesscontrolling. 19. Nennen Sie die Schritte des Prozesscontrolling-Regelkreises. 20. Was unterscheidet Organisationsansätze und Qualitätsmanagementansätze zur Prozessoptimierung? 21. Was sollte bei der Auswahl von Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung beachtet werden? 22. Ergänzen Sie bitte die fehlenden Angaben in folgender Tabelle (grau hinterlegte Felder) zur Ermittlung der Prozesskosten für die Kostenstelle Produktionsplanung: Tätigkeit (Teilprozess)
Cost Driver
Änderung der Arbeitspläne
Produktänderungen
Betreuung der Produktion
Anzahl Varianten
Planmenge
Prozesskosten lmi lmn
1.100
650.000
750
250.000
Leitung der Abteilung Gesamt
85.000 1.850
900.000
Abb. 4.104: Daten für die Ermittlung der Prozesskosten 23. Was wird durch Working Capital Management optimiert?
Prozesskostensatz lmi lmn gesamt
4.8 Lernerfolg
317
4.8.3 Lösungen zu Kapitel 4 1. Die Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung erfüllt folgende Funktionen: Kontrolle der Wirtschaftlichkeit Kalkulation von Produktkosten Bestandsbewertung Ermittlung des Erfolgs und vor allem Bereitstellung von Informationen für Entscheidungen des Managements 2. Die Kostenrechnung untergliedert man in folgende Teilbereiche: Kostenartenrechnung: Welche Kosten fallen an? Kostenstellenrechnung: Wo fallen die Kosten an? Kostenträgerrechnung: Wofür fallen die Kosten an?
0 10 20 30 40
Degressive GrenzGesamtkosten kosten 0 0 200 20 300 10 350 5 380 3
Menge Proportionale GrenzGesamtkosten kosten 0 0 0 10 100 10 20 200 10 30 300 10 40 400 10
Kosten
Menge
50 40 30 20 10 0
Grenzkosten
10
50 40 30 20 10 0
20 30 Menge
50 40 30 20 10 0
20 30 Menge
40
Grenzkosten
10
20 30 Menge
Abb. 4.105: Lösung für die Ermittlung der Grenzkosten 4. Fixe Kosten: 1.000 € Variable Stückkosten: 20 € Gesamte Stückkosten: 22 € Kostenelastizität: 0,9
40
Grenzkosten
10
Kosten
Menge Progressive GrenzGesamtkosten kosten 0 0 0 10 70 7 20 150 8 30 250 10 40 400 15
Kosten
3.
40
318
4 Instrumente und Aufgabenfelder
5. Kostenfunktion: a) Differenzen-Quotienten-Verfahren: Variable Kosten pro Einheit:
(1.000 − 600) = 0,667 (800 − 200)
Fixe Kosten:
1.000 − (0,667 × 800) = 466,4
Kostenfunktion:
y = 466,4 + 0,667 x
b) Regressionsanalyse
Monat 1 2 3 4 Gesamt Mittelwert
400 700 600 900 200 600 800 1.000 2.000 3.200 500 800
−
−
300 500 200 600 1.600
-100 100 -300 300 0
−
(
−
)
-30.000 50.000 -60.000 180.000 140.000
−
( − )
10.000 10.000 90.000 90.000 200.000
Abb. 4.106: Lösung für die Regressionsanalyse Variable Kosten pro Einheit:
140.000 = 0,7 200.000
Fixe Kosten:
800 − (0,7 × 500) = 450
Kostenfunktion:
y = 450 + 0,7 x
c) Buchtechnisch-statistische Kostenauflösung Angewendet auf die Monate drei und vier des Beispiels ergibt sich folgender Wert: 67,67 % prozentuale Kostenänderung = = 0,22 300,00 % prozentuale Änderung der Beschäftigung
Wenn sich die Beschäftigung um ein Prozent erhöht, so steigen die Kosten um 0,22 Prozent. Daraus kann geschlossen werden, dass 22 Prozent der Kosten variabel und 78 Prozent fix sind. Dies führt für Monat drei zu variablen Gesamtkosten von 132, zu fixen Kosten von 468 und zu variablen Kosten pro Beschäftigungseinheit von 0,66. Die Kostenfunktion lautet also:
4.8 Lernerfolg
319 y = 468 + 0,66x
d) Variator für eine Beschäftigung von 200: 132 Variable Kosten × 10 = = 2,2 600 Gesamtkosten
Steigt die Beschäftigung um zehn Prozent, so nehmen die Gesamtkosten um 2,2 Prozent zu. 6. Eine Teilkostenrechnung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Kosten werden nicht als Vollkosten, sondern immer differenziert mit ihren variablen und fixen Kostenanteilen ausgewiesen. Die fixen Kosten der Kostenstellen werden direkt dem Betriebsergebnis angelastet: - Sie werden bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung nicht berücksichtigt. - Sie fließen nicht in die Zuschlags- und Verrechnungssätze der Kostenstellen ein. - Kalkuliert wird nur mit variablen Kosten. - Bestände werden mit variablen Kosten bewertet. 7. Durch die Schlüsselung fixer Gemeinkosten auf einzelne Kostenträgereinheiten (Proportionalisierung fixer Kosten) werden zeitabhängige Kosten in Stückkosten umgewandelt. Man unterstellt, dass alle Kosten beschäftigungsabhängig seien. Zwangsläufig werden dann, wenn die tatsächliche Beschäftigung oberhalb oder unterhalb der kalkulierten Beschäftigung liegt, zu viel bzw. zu wenig Fixkosten verrechnet. Deshalb liefert nur eine Teilkostenrechnung korrekte Informationen für folgende Entscheidungen: Festlegung der Mindestabsatzmenge Annahme eines Zusatzauftrags Beurteilung der Produktpreise Bestimmung kostengünstiger Produktionsverfahren Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug Festlegung des Produktionsprogramms 8. Die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung des Unternehmens zeigt, dass der Deckungsbeitrag 1 des Sportrads Blue Racer negativ ist. Aus Kostengesichtspunkten sollte dieses Fahrrad sofort vom Markt genommen werden. Des Weiteren fällt der negative Deckungsbeitrag 2 des Komfortrads E-Bike Hybrid auf. Dieses Produkt kann folglich die eigenen Fixkosten nicht decken. Seine Fixkosten müssten um mindestens 50.000 € reduziert werden, damit sich der Verkauf
320
4 Instrumente und Aufgabenfelder
weiterhin lohnt. Eine Eliminierung würde kurzfristig zu einem Verlust von 75.000 € (775.000 € - 850.000 €) für das Unternehmen führen. Man müsste analysieren, in welchem Zeitraum sich die Produktfixkosten des E-Bikes Hybrid abbauen lassen.
= = = =
Erlöse Materialkosten Fertigungslohnkosten Variable Gemeinkosten Produkt-DB 1 Produktfixkosten Produkt-DB 2 Produktgruppen-DB 1 Produktgruppenfixkosten Produktgruppen-DB 2 Unternehmens-DB 1 Unternehmensfixkosten Betriebsergebnis
Komforträder Sporträder Elegance Lite E-Bike Hybrid Blue Racer Team Spirit 8.000.000 1.600.000 15.000.000 4.000.000 2.500.000 400.000 9.000.000 800.000 500.000 150.000 4.800.000 400.000 1.000.000 200.000 2.100.000 600.000 4.000.000 850.000 -900.000 2.200.000 1.500.000 900.000 140.000 35.000 2.500.000 -50.000 -1.040.000 2.165.000 2.450.000 1.125.000 1.000.000 800.000 1.450.000 325.000 1.775.000 1.000.000 775.000
Abb. 4.107: Lösung für die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung 9. Die deckungsbeitragsmaximalen Produktionsmengen können der folgenden Tabelle entnommen werden:
Elegance Lite E-Bike Hybrid Blue Racer Team Spirit Gesamt
Absoluter DB in €/Stück 400,00 850,00 -150,00 550,00
Relativer DB Rang Menge Kapazitätsbedarf in €/Minute in Stunden 100,00 1 10.000 666,67 85,00 2 1.000 166,67 0,00 68,75 3 3.800 506,67 1.340,00
Abb. 4.108: Lösung für die deckungsbeitragsmaximalen Produktionsmengen 10. Gewinn würde man bei dem E-Bike Hybrid ab einer Menge von 1.059 Fahrrädern machen: 900.000 = 1.058,82 1.600 − 750
4.8 Lernerfolg
321
11. Wenn 1.200 Fahrräder vom Typ E-Bike Hybrid abgesetzt würden, so betrüge der Gewinn 120.000 €. Gewinn = Erlöse – Kosten Gewinn = Preis x Menge – (fixe Kosten + variable Kosten x Menge) Gewinn = 1.600 x 1.200 – (900.000 + 750 x 1.200) Gewinn = 120.000
Die Sicherheitsspanne besagt, um wie viel die geplante Absatzmenge maximal sinken darf, ohne in die Verlustzone zu geraten. In unserem Beispiel darf die geplante Absatzmenge um 11,75 Prozent geringer ausfallen, damit das Unternehmen keinen Verlust macht (1.200 – 1.059)/1.200. 12. Der Break-Even-Punkt würde durch die Investition bei 1.295 liegen. Deshalb ist die Maßnahme abzulehnen. 1.100.000 = 1.294,12 1.600 − 750
13. a) Die Bedeutung der Komponenten kann der folgenden KomponentenFunktionsmatrix entnommen werden, in der die Komponentenbeiträge zur Erfüllung der Funktionen mit den Nutzwerten der Funktionen multipliziert wurden. Die zulässigen Kostenanteile entsprechen der jeweiligen Bedeutung einer Komponente. Komponenten
F1 K1 Federung 10,00 K2 Metallgestell 7,00 K3 Polsterung 1,00 K4 Sattelschloss 2,00
Funktionen F2 F3 F4 7,50 14,00 4,50 2,25 15,75 6,00 4,50 3,50 3,00 0,75 1,75 1,50
F5 5,00 1,50 2,00 1,50
F6 1,50 1,75 1,50 0,25
Gesamt 42,50 34,25 15,50 7,75
Abb. 4.109: Komponenten-Funktionsmatrix b) Die Zielkostenindizes werden berechnet, indem man den geschätzten Kostenanteil einer Komponente auf deren zulässigen Kostenanteil entsprechend ihrer Bedeutung bezieht. Für die Komponenten ergeben sich folgende Zielkostenindizes: K1 0,94 (0,4/0,425)
K2 0,73 (0,25/0,3425)
K3 1,61 (0,25/0,155)
K4 1,29 (0,1/0,0775)
322
4 Instrumente und Aufgabenfelder
c) Das folgende Zielkostenkontrolldiagramm verdeutlicht, ob eine Komponente absolut zu teuer oder zu billig ist.
Kostenanteil Ist der Komponente
50% 45% 40%
K1
35% 30%
K3 K2
25% 20% 15%
K4
10% 5% 0% 0%
5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%
Bedeutung der Komponente (Kostenanteil Soll)
Abb. 4.110: Zielkostenkontrolldiagramm Für die Komponente Federung (K1) sind keine Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Das Verhältnis von Bedeutung und Kostenanteil ist gut. Die Komponente Metallgestell (K2) liegt unterhalb der erlaubten Abweichung von der Ideallinie. Ihr Nutzen sollte deswegen durch zusätzliche Investitionen in die Qualität gesteigert werden. Die Polsterung (K3) liegt oberhalb der erlaubten Abweichungszone und ist im Vergleich zu ihrem Funktionsbeitrag zu teuer. Die Kosten sollten gesenkt werden. Die Komponente Sattelschloss (K4) ist wohl ebenfalls zu teuer. Sie liegt aber innerhalb der erlaubten Abweichungszone. Anpassungsmaßnahmen sind deshalb nicht nötig. 14. Benchmarking kann sich auf Vergleiche im eigenen Unternehmen (internes Benchmarking) oder mit anderen Unternehmen (externen Benchmarking) beziehen. Externes Benchmarking wird normalerweise mit Unternehmen der gleichen Branche durchgeführt. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Vergleich mit branchenfremden Unternehmen erfolgreich ist. 15. Zentrale Aufgaben des Risikocontrollings sind die Versorgung des Managements mit steuerungsrelevanten Risikoinformationen, die Bereitstellung eines leistungsfähigen Instrumentariums zur Risikoanalyse, -planung und -überwachung sowie die Sicherstellung einer zeitnahen Risikodokumentation.
4.8 Lernerfolg
323
16. Die Risk Map klassifiziert die Risiken nach den Dimensionen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. Eintrittswahrscheinlichkeit Risiko 2
hoch
mittel
Risiko 4
Risiko 5 Risiko 1
Risiko 4
Risiko 3
gering gering
mittel
hoch
Schadenshöhe
Abb. 4.111: Risk Map 17. Risikovermeidung (Verzicht auf risikobehaftete Aktivitäten), Risikoverminderung (Reduzierung von Risikopotenzialen durch vorbeugende Maßnahmen), Risikoüberwälzung (Übertragung von Risiken an Vertragspartner oder Versicherungen), Risikoakzeptanz (bewusstes Eingehen von Risiken und Verzicht auf Steuerungsmaßnahmen). 18. Die vom Unternehmen erbrachten Leistungen werden anhand unternehmensweiter Prozesse erstellt. Das klassische, rein abteilungs- und funktionsbezogene Controlling wird diesen abteilungsübergreifenden Abläufen nicht gerecht. Ein Prozesscontrolling, das die Unternehmensprozesse als zentrale Steuerungselemente sieht, kann diesen Mangel beheben. 19. 1. Prozessplanung, 2. Prozessausführung, 3. Prozessüberwachung, 4. Prozessoptimierung. 20. Organisationsansätze haben in der Regel Projektcharakter und führen zu schnellen und umfassenden Veränderungen in den Strukturen und Abläufen des Unternehmens. Qualitätsmanagementansätze setzen dagegen auf eine schrittweise, kontinuierliche Verbesserung der Prozessperformance in kleinen Schritten. 21. Die Kennzahlen müssen die Zielerreichung widerspiegeln. Die Anzahl der Kennzahlen sollte man auf möglichst eine Kennzahl pro Ziel begrenzen, um
324
4 Instrumente und Aufgabenfelder
keinen unnötigen Erhebungsaufwand zu erzeugen. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Kennzahlen beeinflussbar und messbar sind. 22. Tätigkeit (Teilprozess) Änderung der Arbeitspläne Betreuung der Produktion
Cost Driver Produktänderungen Anzahl Varianten
Planmenge
Prozesskosten lmi lmn
1.100
650.000
61.389 590,91 55,81
646,72
750
250.000
23.611 333,33 31,48
364,81
Leitung der Abteilung Gesamt
Prozesskostensatz lmi lmn gesamt
85.000 1.850
900.000
Abb. 4.112: Prozesskosten 23. Im Rahmen des Working Capital Managements werden Beschaffungszeiten verkürzt, Lagerbestände abgebaut, Verbindlichkeiten und das Forderungsmanagement optimiert.
5 Management Reporting
GRUNDLAGEN
STRATEGISCHES CONTROLLING
OPERATIVES CONTROLLING
INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER
MANAGEMENT REPORTING
IT-UNTERSTÜTZUNG
5.1 5.2 5.3 5.4
Begriffliche Abgrenzung Merkmale Gestaltungsaspekte Lernerfolg
326
5 Management Reporting
Lernziele:
Sie können den Begriff Management Reporting definieren und inhaltlich abgrenzen.
Sie kennen die wesentlichen Merkmale und Charakteristika eines Management Reporting-Systems.
Sie lernen, welche Gestaltungsaspekte zum Aufbau eines Management Reporting betrachtet werden müssen.
Sie wissen, wie die richtigen Inhalte für ein Reporting-Konzept abgeleitet werden.
Sie lernen, welche Anforderungen an Reporting-Inhalte im Management Reporting gestellt werden.
Sie erkennen, mit welchen Kennzahlen Reports aussagkräftig sind.
Sie erfahren, welches die wesentlichen Grundsätze zur visuellen Gestaltung von modernen Reporting-Systemen sind.
Sie kennen die Prozessschritte zur Berichtserstellung.
5.1 Begriffliche Abgrenzung
327
Das erfolgreiche Steuern in komplexen Situationen, die Definition und Umsetzung von Strategien, die Verbesserung von Prozessen und die Steigerung der Effizienz sind ureigene Aufgaben des Managements. Diese Aufgaben erfolgreich umzusetzen und zum Ziel zu führen, setzt jedoch ausreichendes Wissen voraus: Wissen über den Status quo, Wissen über zukünftige Entwicklungen, aber auch Wissen über die Vergangenheit. Die hierzu notwendigen Informationen bilden demnach die Basis für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung. Das „richtige Maß“ an Informationen „zur richtigen Zeit“ am „richtigen Ort“ bereitzustellen ist wiederum ureigene Aufgabe des Controllers.141 Controller stehen dem Management als Berater zur Seite. Sie begleiten den Prozess der Zielfindung, Steuerung und Planung und tragen damit eine große Mitverantwortung für dessen Zielerreichung. Wie bereits in Kapitel eins erwähnt, nennt der Internationale Controllerverein die folgenden Aufgabenfelder eines Controllers, welche ihm die konkrete Verantwortung für das Berichtswesen übertragen: Controller sorgen für Strategie-, Ergebnis-, Finanz- und Prozesstransparenz und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei. Controller organisieren unternehmensübergreifend das zukunftsorientierte Berichtswesen. Controller unterstützen Entscheidungsträger in der Zielfindung. Controller sind verantwortlich für die Daten- und Informationsversorgung.142 Das Berichtswesen ist damit ein wesentliches Instrument für den Controller. Das Management Reporting stellt in diesem Zusammenhang eine spezifische Form der Informationsversorgung innerhalb von Unternehmen dar. Bevor auf die Ausgestaltung eines erfolgreichen Management Reporting eingegangen wird, soll zunächst eine Einordnung des Management Reporting innerhalb des betrieblichen Berichtswesens erfolgen. Anschließend werden die wesentlichen Merkmale zur Kennzeichnung von Berichten dargestellt. 5.1
Begriffliche Abgrenzung des Management Reporting
Reporting wird gemeinhin als Synonym für das betriebliche Berichtswesen und für die interne Informationsversorgung innerhalb von Unternehmen verwendet. Die Informationsversorgung umfasst verschiedene Schritte (vgl. Abb. 5.1).143 141 Reichmann, Th., Controlling mit Kennzahlen und Management-Tools: Die systemgestützte Con-
trolling-Konzeption. 7. Aufl. München 2006, S. 3 ff.
142 Biel, A., Controller-Leitbild, in: Internationaler Controller Verein e.V. (Hrsg.), Controller State-
ments. 2. Aufl., Gauting 2007.
143 Gleich, R., Horváth, P., Michel, U., Management Reporting. Grundlagen, Praxis und Perspektiven.
Freiburg/Berlin/München 2008, S. 17 ff.
328
5 Management Reporting Berichte
Ermittlung des Informationsbedarfs
Informationsbeschaffung
Informationserzeugung
Informationsbereitstellung und -übermittlung
Informationsnutzung
Betriebliches Berichtswesen im weiteren Sinne Betriebliches Berichtswesen im engeren Sinne
Abb. 5.1: Prozesskette der Informationsversorgung Wenn die gesamte Prozesskette der Informationsversorgung betrachtet wird, so spricht man vom betrieblichen Berichtswesen im weiteren Sinne: Ermittlung des Informationsbedarfs: Der jeweilige spezifische Informationsbedarf eines Empfängers muss abgegrenzt und eindeutig definiert werden. Informationsbeschaffung: Informationen müssen generiert und aufbereitet werden. Interne und externe Beschaffungsquellen sind unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen der Informationen festzulegen. Informationserzeugung: Die richtige Verdichtung, Verknüpfung und Spezifizierung von Informationen muss bestimmt werden. Informationsbereitstellung und -übermittlung: Für die Bereitstellung von Informationen muss man die richtige Darstellung (grafisch, tabellarisch, formelmäßig) abstimmen. Zahlen und Werte müssen interpretiert sowie Ursachen und Wirkungen aufgezeigt werden, sodass Handlungsalternativen abgeleitet werden können. Informationsnutzung: Die aufbereiteten Informationen werden an die Empfänger weitergeleitet, die sie letztlich verarbeiten und nutzen. Das Berichtswesen im engeren Sinne umfasst die Schritte der Informationsbereitstellung und -übermittlung sowie die Informationsnutzung. Diese Sicht auf das Berichtswesen fokussiert im Wesentlichen die Koordinationsfunktion des Reporting, dessen zentrale Aufgabe die Bereitstellung von Informationen zur gezielten Unterstützung des Managements darstellt und den eher technischen Aspekt der Informationserzeugung ausgrenzt.144 Es wird damit nicht das gesamte Rechnungswesen als informationserzeugende Einheit angesehen, vielmehr soll die koordinierende und steuernde Komponente des Berichtswesens in den Vordergrund gestellt werden. Management Reporting beinhaltet den Begriff Management. Dieser Zusatz stellt auf die spezifische Empfängergruppe der Berichte ab. Man geht also davon aus, dass es verschiedene Empfängergruppen innerhalb des Berichtswesens gibt, welche unterschiedliche Arten von Informationen benötigen. Diese können sowohl außer144 Horváth & Partners (Hrsg.), Das Controlling-Konzept. Der Weg zu einem wirkungsvollen Con-
trollingsystem. 6. Aufl., München 2006, S. 89 ff.
5.1 Begriffliche Abgrenzung
329
halb (Shareholder, Kunden, Lieferanten, Banken) wie auch innerhalb des Unternehmens angesiedelt sein. Wenn über das Management Reporting gesprochen wird, so handelt es sich also um die gezielte Informationsversorgung des Managements. Für diese Zielgruppe müssen Berichte konkrete Zwecke erfüllen. Sie sollen die Steuerungsaufgaben des Managements unterstützen, dem Management bei der Entscheidungsfindung notwendige Informationen liefern, das Treffen von Maßnahmen erleichtern, aber auch deren Zielerreichung unterstützen. Zusammengefasst steht also das Management Reporting für die gezielte Versorgung des Managements mit Informationen im Rahmen des Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesses mit dem Fokus, Transparenz zu schaffen und die Entscheidungsfindung zu unterstützen.145 5.2
Merkmale zur Kennzeichnung von Berichten
Bevor im Detail die Gestaltung von Berichten beschrieben wird, sollen die wesentlichen Merkmale eines Reporting aufgezeigt werden. Die nachstehenden fünf Fragestellungen dienen dazu, diese Merkmale zu beschreiben und die spezifische Anwendung und Zielsetzung von Berichten in einem ersten Schritt grob zu definieren. Wozu soll berichtet werden? Hier ist der konkrete Berichtszweck festzulegen. Gemeinhin werden folgende Berichtszwecke genannt: Dokumentation Auslösung von Aktivitäten Vorbereitung und Kontrolle von Entscheidungen Die wesentlichen Berichtszwecke sind die Auslösung von Aktivitäten und die Vorbereitung und Kontrolle von Entscheidungen. Die Dokumentation beruht häufig auf gesetzlichen Anforderungen und dient somit nicht der originären Aufgabe der Steuerung von Unternehmen. Was soll berichtet werden? Der Informationsbedarf des Empfängers ist der entscheidende Ausgangspunkt, um die Inhalte des Reporting festzulegen. Darüber hinaus sind auch der Genauigkeitsgrad und der Umfang von Informationen entscheidend dafür, ob der Empfänger Informationen für sich nutzen kann. Eine große Anzahl von Berichten mit vielen Detailinformationen ist kein Garant für die erfolgreiche Versorgung des Managements mit Informationen.
145 Gleich, R., Horváth, P., Michel, U., Management Reporting. Grundlagen, Praxis und Perspektiven.
Freiburg/Berlin/München 2008, S. 25.
330
5 Management Reporting
Wie soll berichtet werden? Darstellungsform und Übermittlungsmedium müssen festgelegt werden. Managementberichte müssen so gestaltet sein, dass der Empfänger Informationen schnell erfassen kann. Die Akzeptanz der Berichte ist in hohem Maße von der Art der Darstellung, der Lesbarkeit und damit der Verständlichkeit abhängig. Wer soll berichten? Es muss eine klare Verantwortlichkeit für Berichte und die darin enthaltene Informationen geben. Die übergreifende Koordination der Berichtserstellung ist generell im Controlling angesiedelt. Wann soll berichtet werden? Betrachtet man den Zeitpunkt der Informationsbereitstellung, so werden gemeinhin Standardberichte von Abweichungs- und Bedarfsberichten unterschieden. Eine Unterscheidung kann auch hinsichtlich der Frequenz von Berichten in tagesaktuelle, Monats-, Quartals und Jahresberichte erfolgen. Kernelement des Management Reporting ist in vielen Unternehmen das standardisierte Monats-Reporting mit einer genau definierten Menge an Informationen für das Management. 5.3
Gestaltungsaspekte des Management Reporting
Es sollte nicht das Ziel sein, alle Informationen eines Unternehmens in einer Vielzahl von Berichten zusammenzustellen. Vielmehr müssen die wesentlichen steuerungsrelevanten Informationen identifiziert und in angemessener Form den Berichtsempfängern bereitgestellt werden. Hierzu ist ein strukturiertes Vorgehen notwendig, das eine schlüssige Ableitung der Berichtsinhalte aus dem Informationsbedarf und den Steuerungsanforderungen der Empfänger ableitet. Die hierzu notwendigen Bausteine sollen im Folgenden dargestellt werden. 5.3.1 Ausrichtung an der Strategie und dem Steuerungskonzept Das Management Reporting muss komplexen Anforderungen der Unternehmenssteuerung gerecht werden. Diese Steuerungsanforderungen leiten sich aus einer Vielzahl von Kontextfaktoren ab. Die Branche, zu der das Unternehmen gehört, die Unternehmensgröße, Wettbewerbsstruktur und der Grad der Internationalität haben z. B. einen großen Einfluss auf die Inhalte und die Struktur des Reporting. Darüber hinaus verfolgt jedes Unternehmen ein individuelles Geschäftsmodell und eine unternehmensspezifische Strategie.
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
331
Um ein erfolgreiches Reporting zu etablieren, muss man sich also die Frage stellen, welche Kennzahlen erforderlich sind, um die strategische Ausrichtung des Unternehmens prüfen zu können, und welche Maßnahmen operativ ergriffen werden müssen, um diese Ziele zu erreichen (siehe hierzu auch Kapitel 2.1.3 Balanced Scorecard). Die allgemeinen Steuerungsziele werden bereits durch den generellen Führungsanspruch eines Konzerns bestimmt. Grundsätzlich lassen sich drei unterschiedliche Richtungen im Führungsanspruch eines Unternehmens unterscheiden, wie die folgende Abb. 5.2 zeigt: Finanz-Management
Strategisches Management
Operatives Management
Finanzieller Führungsanspruch
Finanzieller u. strategischer Führungsanspruch
Finanz., strateg. u. operativer Führungsanspruch
• Management steuert GB über finanzielle Kennzahlen wie EVA, CVA etc.
•
Das Management steuert die GB mit strategischen und finanzielle Kennzahlen.
• Das Management sieht die GB als reine Finanzinvestitionen und als operativ unabhängig.
•
Das Management steuert GB über strategische Maßnahmen für ausgewählte Wertschöpfungsfunktionen.
Management steuert GB mit relevanten strategischen, finanziellen und operativen Kennzahlen. • Das Management ist stark in die GB involviert, steuert sämtliche strategischen und operativen Geschäftsvorfälle. •
Informationsbedürfnisse der Berichtsempfänger = Berichtsinhalte Viele detaillierte Steuerungsinformationen
Abb. 5.2: Führungsanspruch und Steuerungsverständnis Die Finanzholding sieht die Geschäftsbereiche (GB) als reine Finanzinvestitionen an. So stehen im Rahmen der Steuerung auch wenige hochaggregierte Finanzgrößen im Vordergrund. Ein Eingriff in die operativen Prozesse findet nicht statt. In einem als Management Holding geführten Unternehmen interessieren das Management strategische wie auch operative Aspekte. Folglich werden diese auch in einem Management Reporting nicht fehlen dürfen. Über diese generelle Ausrichtung des Führungsanspruches hinaus muss das Steuerungskonzept festgelegt werden. Im Steuerungskonzept werden wesentliche Festlegungen getroffen, die in ein Reporting einfließen müssen und welche die Ausgestaltung des Reporting-Systems eines Unternehmens grundlegend beeinflussen. Die folgende Auflistung zeigt die wesentlichen Inhalte von Steuerungskonzepten auf.
332
5 Management Reporting
Exemplarische Inhalte eines Steuerungskonzepts Vorgabe strategischer Ziele und Maßnahmen Darstellung der wesentlichen Perspektiven des Geschäfts, wie z. B. Produktportfolio, Zielmärkte, Kernkompetenzen Darstellung der wesentlichen Erfolgsfaktoren der Branche, wie z. B. Lieferfähigkeit, Forschungserfolg oder Innovationsfähigkeit Abbildung der Wertschöpfungskette inklusive der wichtigsten Prozesse Ableitung der Steuerungseinheiten und Definition der Ziele zur Koordination der unterschiedlichen Einheiten wie Business Units, Service oder Cost Center Darstellung der Spitzenkennzahl(en), nach denen das Unternehmen und die unterschiedlichen Einheiten gesteuert werden sollen. Die Spitzenkennzahlen werden üblicherweise aus den strategischen Vorgaben abgeleitet und sollten zur Operationalisierung in einzelne Bestandteile zergliedert werden Praxisbeispiel: Auszug aus dem Steuerungskonzept eines Unternehmens der Telekommunikationsbranche Neben der generellen Steuerungslogik wurden das Centerkonzept, zugehörige Werteflüsse und Verrechnungskonzepte, die Ergebnisrechnung sowie das übergreifende Datenmodell und das Reporting spezifiziert (vgl. Abb. 5.3). Der Konzern richtet sich grundsätzlich über drei eigenständig operierende Business Units (BU) am Markt aus. Auf Ebene des Gesamtkonzerns sind das Umsatzwachstum und der Cash Flow pro Aktie, auf Business Unit-Ebene die EBIT-Marge als Zielgrößen zur konsequenten Verfolgung festgelegt. Die marktorientierten Steuerungsdimensionen sind der Kunde, das Produkt und der Vertriebskanal. Die folgende Darstellung zeigt die im Konzept dokumentierten Aspekte auf.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Detaillierung Centersteuerung Struktur Profit Center, Cost Center, Service Center Vollständiges Werteflussmodell Beschreibung der Leistungsbeziehungen Überleitung der Werteflüsse in die Ergebnisrechnung Konzept der Auftragsarten
Steuerung der Organisation Business Units und deren Steuerungslogik Business Definition Strategie und Zielgrößen Steuerungsdimensionen
•
Centerkonzept und Werteflussmodell
Grundlagen der Steuerungslogik
•
•
Definierte Verrechnungsgrundsätze Bewertung und Vorschläge zum Verrechnungsprozess
Verrechnungskonzept
Fachliche Steuerungslogik
•
•
•
•
•
Integration der Steuerungsdimensionen in die Ergebnisrechnung Detaillierung der Ergebnisrechnungsstruktur Erlös- und Kostenallokation Überleitungsrechnung der einzelnen Ergebnisrechnungen zur Gesamtunternehmenssicht Werttreibermodell und KPI-Steckbriefe
Ergebnisrechnung
•
•
•
•
Fachliche Unterteilung der Datenlandschaft in Steuerungsdimensionen Identifikation von Objekten des Datenmodells und Zuordnung zu den Dimensionen Ausgestaltung der Objektbeziehungen in und zwischen den Dimensionen Spezifikation des Werteflussmodells
Datenmodell
Datenmodell
•
•
•
Integration der Ergebnisse Für Center und Ergebnisbereiche: • Reporting Content • Reporting Prozesse • Reporting Layouts Integration in bestehende Reportingprozesse
Reportingkonzept
Integriertes Reporting
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting 333
Abb. 5.3: Konkretisierung des Steuerungskonzepts
334
5 Management Reporting
5.3.2 Reporting-Inhalte Berichtsinhalte sind das Kernstück des Reporting und dessen wichtigste Gestaltungsdimension. An sie werden hohe Anforderungen gestellt, wenn es darum geht, ein Reporting bereitzustellen, das dem Management Nutzen schafft. Sie sollen empfängerorientiert sein, ausgewogen und die Entscheidungsfindung unterstützen. Welche Aspekte es bei der Festlegung der Reportinginhalte zu berücksichtigen gilt, wird im Folgenden dargestellt. Berichtsstruktur Die Berichtsstruktur bildet das Grundgerüst der Berichterstattung; denn nur klar strukturierte und intuitiv verständliche Inhalte sind für deren Empfänger wertvoll. Dazu gehört, vom Wichtigen zum Unwichtigen zu gehen. An den Beginn einer Berichtsmappe gehören keine Inhalte wie z. B. Mitarbeiterzahlen, ausführliche Gewinn- und Verlustrechnungen oder die genaue Darstellung der Bilanz. Vielmehr müssen die wesentlichen Fragen der Empfänger (Wie stellt sich die Finanzsituation des Unternehmens dar? Wie hat sich das Geschäft entwickelt? Wie ist der Stand wichtiger Projekte?) kompakt geklärt werden. Häufig wird eine Zusammenfassung von wichtigen Berichtsgrößen in einem „Cockpit“ vorangestellt (vgl. Abb. 5.9). Im besten Fall kann sich somit ein Manager auf Basis dieser Zusammenfassung ein Bild über den aktuellen Status seines Verantwortungsbereichs machen. Bereits an dieser Stelle wird er auf die wichtigen Punkte hingewiesen, die einer näheren Analyse bedürfen. Berichte sollte man auch in Form einer „Trichterstruktur“ gliedern, in der zunächst ein allgemeiner Gesamtüberblick vorangestellt und dieser dann auf den weiteren Seiten mit spezifischen Aspekten detailliert wird. Auch diese Struktur sollte sich wiederum an den Steuerungsanforderungen der Empfänger orientieren. So wird ein Vorstandsvorsitzender zunächst einen Überblick über den Gesamtkonzern benötigen, bevor er im Detail Informationen zu einzelnen Geschäftsbereichen analysiert. Bereits die eindeutige und klare Umsetzung dieser beiden Prinzipien führt dazu, dass die Informationen in einer sinnvollen und intuitiv erfassbaren Struktur vorliegen, die dem Berichtsempfänger einen einfachen Zugang zu den gewünschten Informationen liefert. Kennzahlen und Kennzahlensysteme Neben den klassischen Berichtsformaten und -inhalten, wie der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Cash Flow-Rechnung, bilden Kennzahlen das Kernstück im Management Reporting. Unter einer Kennzahl wird in diesem Zusammenhang eine Zahl verstanden, die einen Sachverhalt quantitativ erfassbar (messbar) macht und dabei Urteile über die-
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
335
sen Sachverhalt ermöglicht (Informationscharakter).146 Kennzahlen können einen Sachverhalt unterschiedlich beschreiben. Denkbar sind faktische, erklärende, normative oder prognostische Aussagen. In einem Bericht werden Daten zunächst aufbereitet und dargestellt (faktisch). Sie werden erklärt oder in Beziehung zueinander gesetzt, um dann zu einer Wertung zu gelangen (normativ) und gegebenenfalls Prognosen (prognostisch) treffen zu können.147 Als Key Performance Indicator werden Kennzahlen dann bezeichnet, wenn sie den Fortschritt oder Erfüllungsgrad hinsichtlich wichtiger Zielsetzungen oder kritischer Erfolgsfaktoren eines Unternehmens, eines Unternehmensbereichs oder -prozesses messen. Neben der Art der Information ist insbesondere auch deren Zeitbezug entscheidend. Vergangenheits-, Plan- und Prognosewerte sind die wesentlichen Bezugsgrößen einer Kennzahl (vgl. auch Abb. 3.60). So müssen Berichte zur Erfüllung des Steuerungszwecks die drei Kategorien Plan (Soll), Ist und Erwartung einer Kennzahl gegenüberstellen.148 Erst wenn Kennzahlen in Bezug zueinander gestellt werden, ergeben sich Abweichungen, aus denen Erkenntnisse für Steuerungszwecke abgeleitet werden können. Um Reporting aufzubauen, welches alle steuerungsrelevanten Aspekte abdeckt, ist es wichtig, ein inhaltlich ausgewogenes Set an Kennzahlen zu definieren. Oftmals dominieren monetäre Kennzahlen, die sich in ergebnisorientierte und auf die Vermögens-, Kapital- und Liquiditätsstruktur abzielende Kennzahlen unterscheiden lassen, das Reporting von Unternehmen.149 Eine reine Fokussierung auf Finanzkennzahlen scheint jedoch wenig sinnvoll, um ein ganzheitliches Bild über das Unternehmen und dessen Umwelt zu erlangen. Neben den Finanzkennzahlen müssen demnach auch nicht monetäre Kennzahlen in einem Reporting berücksichtigt werden. Diese sollten auf die operativen Prozesse des Unternehmens abstellen und Mengendaten, Prozesszeiten oder Qualitätskennzahlen aufgreifen. Aber auch die in der Unternehmensstrategie verankerten Ziele und deren Umsetzung sollten über Kennzahlen im Reporting aufgenommen werden. Grundsätzlich gilt, dass ein inhaltlich ausgewogenes Reporting mindestens Kennzahlen aus den folgenden Kategorien aufweisen sollte (vgl. Abb. 5.4).
146 Reichmann, Th., Controlling mit Kennzahlen und Management-Tools: Die systemgestützte Con-
trolling-Konzeption. 7. Aufl., München 2006, S. 14 ff.
147 Weber, J., Schaier, S., Strangfeld, O., Berichte für das Top-Management. Advance Controlling
Band 43, Weinheim 2005, S. 23 f.
148 Gleich, R., Horváth, P., Michel, U., Management Reporting, Grundlagen, Praxis und Perspektiven.
Freiburg/Berlin/München 2008, S. 22.
149 Cirquent, Lünendonk (Hrsg.), Reporting Excellence. Erfolgsfaktoren für das Management Repor-
ting. München 2008, S. 27 ff.
336
5 Management Reporting
Vermögens-, Kapital- und Liquiditätsorientierte Größen
Ergebnisorientierte Größen • EBIT • DB I auf Produktebene • Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit • Umsatz • Kosten-Relationen • Zulassungskennzahlen
Operative Steuerungsgrößen • Absatz • Preisdurchsetzung • Out-of-Stock (nicht verfügbare Artikel) • Vernichtungen • Erlösschmälerungen • Kapazitätsauslastung
• • • •
Liquiditätsgrade Liquiditätsvorschau Cashflow Liquide Mittel
Strategische Steuerungsgrößen • Bekanntheitsgrad • Time to Market • Markanteil in bestimmten Segmenten • Wiederkaufrate • Innovationsrate • Neuzulassungen
Abb. 5.4: Hauptkategorien von Kennzahlen Kennzahlensysteme Ebenso lassen sich auf sachlicher Ebene sinnvoll Beziehungen von Kennzahlen herstellen. So kann z. B. der Umsatzrückgang mithilfe eines Blicks auf die Liefertreue oder Reklamationsrate oder gestiegene Produktionskosten aufgrund ineffizienter Maschinennutzung erklärt werden. Kennzahlen sollten nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Vielmehr ist es notwendig, den Zusammenhang zwischen Kennzahlen eines Unternehmens zu verstehen. Die losgelöste Betrachtung einer Kennzahl kann schnell zu einer Fehlinterpretation führen, wird sie nicht in Verbindung mit anderen Informationen gebracht.150 In der Literatur sind zahlreiche Kennzahlensysteme bekannt. Dabei unterscheidet man mathematisch (z. B. das DuPont-System) und kausal hergeleitete Kennzahlensysteme (z. B. die Balanced Scorecard).151 Ausgangspunkt für den Aufbau eines Kennzahlensystems ist die Festlegung einer Spitzensteuerungskennzahl. Ihre Auswahl orientiert sich maßgeblich am Führungsanspruch des Managements (siehe auch Abschnitt 5.3.1). In den meisten Fällen han-
150 Reichmann, Th., Controlling mit Kennzahlen und Management-Tools: Die systemgestützte Con-
trolling-Konzeption. 7. Aufl., München 2006, S. 18 ff.
151 Horváth & Partners (Hrsg.), Das Controlling-Konzept. Der Weg zu einem wirkungsvollen Con-
trollingsystem. 6. Aufl., München 2006, 258.
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
337
delt es sich dabei um Kennzahlen, die eine Aussage über den finanziellen Erfolg zulassen. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft Kennzahlen alternativer Konzepte finanzieller Führung auf. Gewinnkennzahlen ■
Betriebsergebnis/ Operating Income/ EBIT
■
Jahresüberschuss/ Net Income
■
EBITDA
CashflowKennzahlen
Renditekennzahlen ■ ■
■
Umsatzrentabilität/ Return on Sales Gesamtkapitalrentabilität/Return on Capital Employed (ROCE)
■
Brutto Cashflow
■
Netto Cashflow
■
Freier Cashflow/ Free Cash Flow
Wertorientierte Kennzahlen ■
Economic Value Added (EVA)
■
Cash Value Added (CVA)
■
Discounted Cash Flow (DCF)
Eigenkapitalrentabilität/Return on Equity (RoE)
Abb. 5.5: Alternative Konzeptionen finanzieller Führung Klassische gewinnorientierte Kennzahlen fokussieren auf bilanzorientierte Größen wie den Jahresüberschuss oder auf Größen wie EBIT oder EBITDA, die auf dem Betriebsergebnis aufsetzen. Weil der Jahresüberschuss von unterschiedlichen Finanzierungsformen und regionalen Besteuerungen beeinflusst wird, hat sich EBIT oder EBITDA als Kennzahl zur Erfolgsbeurteilung von Unternehmen durchgesetzt. EBIT spiegelt das Ergebnis der operativen Geschäftstätigkeit vor Finanzierungsergebnis und Steuern wider. Zur Berechnung des EBITDA werden zudem abschreibungsrelevante Sachverhalte herausgerechnet, um den rein operativen Erfolg eines Unternehmens zu beurteilen. Rentabilitätsorientierte Kennzahlen hingegen setzen den Erfolg des Unternehmens in Relation zum eingesetzten Kapital. Ein umfassendes Bild hierzu liefert z. B. die Kennzahl Gesamtkapitalrentabilität, welche den Quotienten aus dem Erfolg plus Zinsaufwand und dem Gesamtkapital berechnet und damit den Erfolg aus Sicht der Eigen- und Fremdkapitalgeber ermittelt. Das älteste Kennzahlensystem, das auf diesem Grundgedanken basiert, ist das DuPont-Kennzahlensystem. Die relative Größe „Gesamtkapital-Rentabilität“ wird im DuPont-System als Spitzenkennzahl definiert und in weitere Einzelkennzahlen aufgegliedert. Die rechnerische Auflösung der obersten Zielgröße erlaubt eine systematische Analyse der Haupteinflussfaktoren des Unternehmensergebnisses.
338
5 Management Reporting
Gewinn- und renditeorientierte Kennzahlen kann man eher den traditionellen Ansätzen finanzieller Führung zuordnen. In den vergangenen Jahren haben jedoch wertorientierte Kennzahlen in der Praxis Einzug gefunden. Es lassen sich drei unterschiedliche Ansätze wertorientierter Führung unterscheiden: Die Discounted Cash Flow-Methode (DCF), der Economic Value Added (EVA) sowie der Cash Value Added (CVA). Alle Konzepte finden ihren Ursprung im Shareholder Value Ansatz von Rappaport, der auf dem Discounted Cash Flow als Größe zur Erfolgmessung basiert. Der Shareholder Value entspricht dabei dem Marktwert – nicht dem Buchwert – des Eigenkapitals und repräsentiert den Wert des Unternehmens für die Eigentümer. Vereinfacht gesagt beantwortet der Shareholder Value die Frage, was ein Eigentümer für das Unternehmen bei einer Veräußerung bekommen würde. Sowohl EVA als auch CVA haben sich in der Praxis als die am meisten angewendeten Konzepte herausgebildet, die in unterschiedlichsten Varianten in den Unternehmen realisiert werden. Beiden Konzepten ist gemein, dass die Kapitalkosten der Kapitalrendite gegenübergestellt werden. Diese Kapitalkosten stellen die marktübliche Rendite dar, die für das dem Management überlassene Kapital gefordert wird. Kapitalkosten, Kapitalbindung sowie das Ergebnis bilden dabei die Teilelemente der Bewertung.152 Die Vielzahl der genannten Kennzahlen, deren Verschiedenartigkeit in Bezug auf die verwendeten Berechnungsgrößen sowie die damit einhergehenden Wahlmöglichkeiten der Berechnungen machen es häufig sehr schwer, eine Spitzensteuerungskennzahl auszuwählen. Die folgende Abb. 5.6 zeigt daher Kriterien auf, anhand deren Kennzahlen gegeneinander abgewogen werden können. Die genannten Kriterien stehen dabei jedoch nicht gleichwertig nebeneinander. Vielmehr kann z. B. das Kriterium der Datenverfügbarkeit, unabhängig wie positiv die Bewertung der anderen Kriterien ausfällt, dazu führen, eine favorisierte Kennzahl nicht einsetzen zu können.
152 Weiterführende Informationen zum Shareholder Value Ansatz findet man bei Rappaport, A.,
Shareholder Value. Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung. Stuttgart 1998 und Kaminski, T., Economic Value Added. Konzept, Analyse, Einsatzmöglichkeiten und Vergleich. Saarbrücken 2006.
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
DCF
339
CVA
EVA
++
++
++
+++
++*
+++*
++
+
+
Einfachheit der Anwendung für Unternehmenssteuerung
0
+
++
Akzeptanz/Einfachheit in der Kommunikation
+
+
+++
Eignung für Unternehmensplanung/ Portfoliomanagement
+++
++*
++*
Datenverfügbarkeit und Datenqualität
0
+
++
Fit mit den Gesamtunternehmenszielen („Aspekte“) Eignung für Unternehmensbewertung Schaffung von Investitionsanreizen
Mehrperiodensicht (primär)
Einperiodensicht (primär)
* in einer Mehrperiodenanwendung
Abb. 5.6: Kriterien zur Auswahl von Kennzahlen Nach der Auswahl der Spitzensteuerungszahl muss diese in ihre Teilbereiche und Einzelkennzahlen heruntergebrochen werden. Dies erfolgt häufig mithilfe der Darstellung in sogenannten Werttreiberbäumen. Sie haben den Vorteil, dass die Spitzensteuerungskennzahl und deren Einzelbestandteile mit weiteren Unternehmenskennzahlen verknüpft werden können, die jedoch auf einer rein sachlogischen Ebene miteinander in Verbindung stehen. Die folgende Abb. 5.7 zeigt einen beispielhaften Werttreiberbaum. Als Spitzensteuerungsgröße wurde der Wertbeitrag, gemessen mit der Kennzahl EVA, ausgewählt. Dieser wurde dann in seine Bestandteile und Einzelkennzahlen heruntergebrochen. Die Einzelkennzahlen werden gemeinhin als „Lagging Indicators“ oder nachlaufende Indikatoren bezeichnet, da diese finanziellen Kennzahlen vergangenheitsorientiert sind und wenig Aufschluss über zukünftige Entwicklungen geben. Im Werttreiberbaum werden dann den Lagging Indicators sogenannte „Leading Indicators“ zugeordnet. Diese Frühwarnindikatoren sollen Entwicklungen mit Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg schon frühzeitig anzeigen. Sie ermöglichen es außerdem, die wesentlichen Werttreiber des Unternehmens und deren Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg zu identifizieren. Im oben gezeigten Beispiel wurden hierzu Kennzahlen aus dem Produktionsbereich ausgewählt und dem jeweiligen Bereich zugeordnet. Ebenso wie für den Bereich Produktion sollten diese Frühwarnindikatoren auch für andere Bereiche wie Marketing, Sales, Einkauf etc. definiert werden, sodass ein unternehmensweites Werttreibersystem entsteht.
Abb. 5.7: Beispiel Werttreiberbaum
*Segmentabhängig
Wertbeitrag
x
(bereinigt)
Capital Employed
Spread
+
-
Bereinigungen CE
Capital Employed
WACC
ROCE
+
x
Net Working Capital
Langfristige Vermögenswerte
Capital Employed
EBIT (bereinigt)
-
-
-
Kurzfr. erhaltene Anzahlungen
Verbindlichkeiten LuL
Working Capital
Bereinigung EBIT
EBIT
Lagging Indicators
+
-
Kurzfr. geleistete Anzahlungen
Forderungen LuL
Vorräte
Konzernspezifische Kosten
Segmentspezifische Kosten
Baureihenspezifische Kosten
DB II
Fixe Herstellkosten
Variable Herstellosten
Umsatz
Bestände
Anlagen
Overheadkosten
Auslastung
Kostenflexibilität
Personalkosten
Materialquote
Produktivität
Qualität
Leistung
Leading indicators (Werttreiber) Gefertigte Minuten Anlieferqualität Sonderfrachten Operative Effizienz Reifegrad Durchlaufzeit Auftrag Flächenproduktivität Nacharbeit Erfüllungsgrad Materialmehrverbrauch Verschrottung Ausschuss* Ausbeutequote Abfallquote* Mehreinsteuerung Disposition Interne Fehlerkosten Aktives Gesamtpersonal (FTE) Abwesenheitsquote Fluktuation Indirektenquote Leiharbeiterquote Effizienz Werksfaktor Logistikkosten Sonderfrachtkosten Gewährleistungskosten Weiterbelastungsquote externe Fehlerkosten Durchsetzungsquote Lieferantenbelastungen OEE* Bestände Inventurkorrektur Reichweite Umschlagshäufigkeit
KPIs
340 5 Management Reporting
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
341
Ein so entwickeltes Kennzahlensystem ermöglicht es, die oft abstrakte finanzielle Spitzensteuerungskennzahl auf einzelne Teilbereiche herunterzubrechen. Für Teileinheiten eines Unternehmens kann transparent dargestellt werden, wie sie zum Erfolg beitragen und welches die wesentlichen Stellhebel sind. Dennoch bleiben Kennzahlen, insbesondere finanzielle Kennzahlen, oft abstrakt und sind für viele nicht der Finanzabteilung angehörigen Mitarbeiter und Manager im Unternehmen nichtssagend. Es ist daher unerlässlich, das Berichtswesen um beschreibende und erklärende Kommentare zu ergänzen. Kommentare Der originäre Berichtszweck im Management Reporting besteht darin, die Berichtsempfänger dazu zu befähigen, Aktivitäten zu veranlassen, letztendlich also Entscheidungen aus den Informationen abzuleiten. Berichtsinhalte müssen insofern dem Anspruch der Entscheidungsunterstützung genügen. Reicht die rein quantitative Darstellung von Kennzahlen zur Erfassung eines Sachverhalts nicht mehr aus, so müssen diese um erklärende Zusatzinformationen ergänzt werden. Diese Kommentare dienen insbesondere dazu, dem Berichtsempfänger Informationen zur Ursache von Entwicklungen bereitzustellen und die Bedeutung von Abweichungen zu erläutern. Gegebenenfalls wird bereits der Entscheidungsbedarf aufgezeigt oder man empfiehlt Steuerungsmaßnahmen.153 Qualitativ hochwertige Berichte zeichnen sich also nicht allein aufgrund der ausgewählten Kennzahlen und deren Darstellung in Tabellen oder Diagrammen aus. Im Vordergrund sollte vielmehr die Analyse der Informationen als ein wesentlicher Mehrwert des Reporting gesehen werden. Insofern spielen insbesondere die Kommentare in Berichtsmappen eine wesentliche Rolle bei der Entscheidungsunterstützung des Managements. Kommentare sollen dabei nicht die in Tabellen und Diagrammen gezeigte Entwicklung in Worte fassen. Sie sollen vielmehr analysieren, erklären und Maßnahmen aufzeigen, wie auf die Zukunft Einfluss genommen werden kann. Den Kommentaren kommt daher eine überaus große Bedeutung innerhalb von Berichten zu. Die Praxis zeigt jedoch, dass dieser Anspruch heute nur selten umgesetzt wird. Dies liegt zum Teil auch daran, dass eine exzellente Kommentierung hohe Anforderungen an den Berichterstatter stellt. Es geht nicht darum, die richtigen Zahlen zusammenzustellen, sondern die Prozesse hinter diesen Zahlen zu verstehen. An dieser Stelle muss sich also die Entwicklung des Controllers weg von einem „Zahlenknecht“ hin zu einem „Berater des Managements“ vollziehen. Insofern lassen sich die in Abb. 5.8 dargestellten Stufen der Verantwortung im Rahmen der Kommentierung von Berichten unterscheiden.
153 Gleich, R., Horváth, P., Michel, U., Management Reporting. Grundlagen, Praxis und Perspektiven.
Freiburg/Berlin/München 2008, S. 22.
342
5 Management Reporting
Stufe 3 Stufe 2 Stufe 1 Beschreibung der Berichtsinhalte
Analyse der Berichtsinhalte und Ursachenbeschreibung sowie Aufzeigen von Wirkungen
Aufzeigen von Wirkungszusammenhängen und Handlungsoptionen
Inhaltlicher Mehrwert für den Berichtsempfänger Abb. 5.8: Stufen der Verantwortung in der Kommentierung 5.3.3 Visualisierung von Berichten Neben den Berichtsinhalten entscheidet oft auch die Berichtsform darüber, ob Berichte ungelesen in den Schubladen der Manager verschwinden oder als wichtiges Instrument zur Unternehmenssteuerung genutzt werden. Die Berichtsform meint damit, die von den Berichtsinhalten weit gehend unabhängigen Gestaltungsmerkmale von Berichten. Hierzu zählen der Umfang, die Form der Aufbereitung sowie die grundsätzliche Visualisierung von Berichten. Umfang Der Umfang eines Berichts beeinflusst die Informationsdichte und -tiefe. Hierbei kann man zwischen umfassender Information des Managements und einer Fokussierung auf wenige wichtige Informationen unterscheiden. Zur Bestimmung des jeweils angemessenen Berichtsumfangs sollte ein Blick auf den Berichtszweck geworfen werden. Soll der Bericht ein umfassender Detailbericht werden, der zu allen Fragestellungen genaue Informationen bereithält, oder ist es vielmehr das Ziel, wenige wichtige Informationen fokussiert darzustellen? Diese Frage zu beantworten ist insbesondere im Rahmen eines Standardberichtswesen nicht immer einfach. Das Management soll mit allen notwendigen Informationen versorgt werden, dabei jedoch nicht mit tiefen Detailinformationen von den eigentlichen Aussagen abgelenkt werden. Zudem liegt das Problem gewachsener Berichtssysteme darin, dass über den Zeitablauf neue Fragestellungen auftauchen, die dann in den Standardberichten ergänzt werden. Dies führt häufig dazu, dass der Umfang des Berichtswesens wächst, viele Informationen jedoch häufig nicht mehr genutzt werden. Es ist daher unbedingte Voraussetzung für ein Berichtswesen, die bestehen-
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
343
den Berichtsinhalte ständig zu hinterfragen und deren Notwendigkeit gemeinsam mit den Berichtsempfängern auf den Prüfstand zu stellen. Der Trend geht nicht zuletzt auch aus Effizienzgründen zu einem reduzierten Berichtsumfang. Aufgrund der IT-technischen Entwicklungen gewinnt auf der anderen Seite die Berichtsform der Cockpits an Bedeutung, welche auf einer Berichtseite eine hohe Dichte an Informationen bereitstellen (vgl. Abb. 5.9). Sowohl eine hohe Seitenzahl als auch eine hohe Zahlendichte verringern die Übersichtlichkeit von Berichten und überfluten den Berichtsempfänger mit Informationen. Es empfiehlt sich daher, die Berichtsmappe mit einer Art Zusammenfassung der wichtigsten Informationen einzuleiten und in einem Hauptteil Detailinformationen zu den zentralen Steuerungsaspekten anzufügen.
344
Abb. 5.9: Beispiel Management Cockpit
5 Management Reporting
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
345
Darstellungsform Neben dem Umfang hat auch die Darstellungsform einen hohen Einfluss auf die Verständlichkeit und damit die Akzeptanz von Berichten. Elemente zur Darstellung von Informationen sind Tabellen, Diagramme und Text. Letztere Darstellungsform sollte sehr reduziert und vornehmlich im Rahmen von Kommentierungen bestimmter Sachverhalte verwendet werden. Ganze Textpassagen, welche die Geschäftsentwicklung darstellen, werden heute nur noch selten und im Rahmen sehr spezifischer Berichtszwecke verwendet. Im Rahmen des Risikoreporting wird z. B. ein ausführlicher Risikobericht erstellt. Auch Gremien wie Aufsichts- oder Betriebsrat erhalten ausführliche Berichte zur Geschäftsentwicklung. Dies stellt jedoch nicht die primäre Berichtsform im Rahmen eines standardisierten Managementberichts dar. Demnach sind insbesondere Tabellen und Diagramme Bestandteile der Managementberichte. Tabellen eigenen sich dabei für Detailinformationen. Sie ermöglichen die Darstellung von vielen Informationen wie z. B. Zahlenreihen oder die gesamthafte Darstellung von Gewinn- und Verlustrechnung oder Bilanz. Um dem Berichtsempfänger jedoch wichtige Informationen auf einen Blick mitzugeben, eignen sich Diagramme weitaus besser. Sie ermöglichen es dem Berichtersteller, die gezeigten Daten mit einer Aussage zu verknüpfen und komplexe Informationen transparent und klar darzustellen (vgl. Abb. 5.10).
Abb. 5.10: Vergleich von Diagramm- und Tabellendarstellung Wenngleich der Einsatz von Diagrammen sehr viel mehr bewegen kann, so stellt ihre Verwendung einige Herausforderungen an den Ersteller des Berichts. Der Einsatz eines falschen Diagramms kann schnell zu Fehlinterpretation führen. Diagram-
346
5 Management Reporting
me können manipuliert werden, zu viele grafische Elemente können von der Aussage ablenken, Skalierungen können verzerren (vgl. Abb. 5.11).
6
6
Optimistische Aussichten?
Rapide Steigerung?
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Abb. 5.11: Verzerrung der Aussagekraft durch Skalierungen Es ist stets darauf zu achten, dass das Diagramm zur gewünschten Aussage passt.154 Abb. 5.12 zeigt einige Grundtypen von Diagrammen und deren generelle Verwendungsform auf. Visualisierung Über die Festlegung der generellen grafischen Elemente wie Tabellen und Diagrammen hinaus ist auch das Layout im Rahmen eines Reporting-Konzepts zu definieren. Sogenannte Visualisierungsstandards sollten einheitlich für das Reporting des gesamten Unternehmens festgelegt werden. Solche Standards können z. B. die Verwendung von Farben, das generelle Seitenlayout, Schriftgrößen sowie allgemeine Informationsbestandteile (z. B. Berichtersteller, Berichtsname, Seitenzahlen, Berichtsperiode etc.) vorgeben. Inwieweit eine solche Standardisierung vorgegeben wird, ist meist abhängig von der Autonomie der einzelnen berichterstellenden Einheiten. Generell sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Darstellung gleicher Sachverhalte (z. B. die Umsatzentwicklung verschiedener Geschäftsbereiche) in einem einheitlichen Format und Layout erfolgt. Dies ist nicht nur aus Gründen der Standardisierung wichtig, sondern erleichtert auch die Vergleichbarkeit und Aggregation von Informationen.
154 Zelazny, G., Wie aus Zahlen Bilder werden. McKinsey Classics Band 8, Heidelberg 2006, S. 21 ff.
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
347
Abb. 5.12: Grundtypen von Diagrammformen155 5.3.4 Reporting-Prozesse Auch die prozessuale Gestaltung des Reporting muss man beschreiben, sodass hinsichtlich der Termine, Ressourcen, Prozessschritte und Abläufe Transparenz im gesamten Unternehmen herrscht. Prozessphasen der Berichterstellung Die folgende Abb. 5.13 gibt einen Überblick über die Phasen und Prozessschritte im Reporting im engeren Sinn. Die vorgelagerten Prozesse der Datengenerierung wurden ausklammert. 1 - Berichterstellung
1.1 Datensammlung 1.2 Datenaufbereitung 1.3 Aggregation
2 - Berichtsanalyse
2.1 Plausibilisierung 2.2 Abweichungsanalyse 2.3 Ursachenanalyse
3 -Berichtskommentierung 3.1 Berichtskommentierung 3.2 Eskalation der Entscheidungsbedarfe 3.3 Maßnahmenvorschläge
4 - Steuerung
4.1 Berichtsbesprechung 4.2 Entscheidungsfindung 4.3 Maßnahmeninitiierung
Abb. 5.13: Berichtsprozess i.e.S. Berichterstellung Die erste Phase umfasst die Erhebung von Daten und deren Aggregation zur Erstellung von Berichten. Im Teilschritt Datensammlung werden die notwendigen Basisdaten aus den Vorsystemen abgezogen oder, soweit diese nicht automatisiert abgerufen werden können, aus den Unternehmensbereichen abgefragt. Da die Daten meist nicht in der gewünschten Struktur vorliegen, müssen diese zunächst in einem weite155 Zelazny, G., Wie aus Zahlen Bilder werden. McKinsey Classics Band 8, Heidelberg 2006, S. 41.
348
5 Management Reporting
ren Prozessschritt aufbereitet werden. In einem dritten Schritt werden dann die Daten aggregiert und den jeweiligen Vergleichsbasen gegenübergestellt. Ergebnis der ersten Phase ist somit bereits der eigentliche Bericht, bestehend aus Diagrammen und Tabellen, der später dem Management zur Verfügung gestellt wird. Wenngleich in den folgenden Phasen eine tiefer gehende Analyse der Daten erfolgt, so muss man bereits an dieser Stelle eine erste Prüfung der Daten auf Vollständigkeit durchführen. Berichtsanalyse Die nachfolgende Phase greift die Ergebnisse der ersten Phase auf, analysiert die Inhalte und leitet daraus erste Erkenntnisse ab. Hierzu muss zunächst eine Plausibilisierung der bereitgestellten Informationen erfolgen. Die Daten müssen also auf ihre Korrektheit hin überprüft werden, Fehler oder Unstimmigkeiten müssen geklärt und bereinigt werden. Dies hat häufig auch eine Abstimmung mit Abteilungen oder Vorsystemen zur Folge. Ist die Korrektheit der Berichtsdaten sichergestellt, kann die Abweichungsanalyse beginnen. Dieser Prozessschritt dient dazu, die Daten der IstPeriode einer oder mehreren Vergleichsbasen gegenüberzustellen und Abweichungen aufzuzeigen. Gerne werden hier Vergleichsrechnungen zum Plan, zum Vorjahr oder zu definierten Zielwerten angestellt. Treten Abweichungen auf, müssen in einem dritten Schritt die Ursachen hierfür geklärt werden. Oft lassen sich diese durch Sondereffekte erklären, häufig bedarf dies jedoch einer tiefer gehenden Analyse des jeweiligen Untersuchungsbereichs. Bereits an dieser Stelle muss der Controller die Zahlenwelt verlassen und sich mit den operativen Prozessen des Unternehmens auseinandersetzen. Denn nur durch das Verständnis der Unternehmensprozesse lassen sich Abweichungen im Zahlenwerk fundiert erläutern. Haben sich die Phasen eins und zwei auf die eigentliche Berichterstellung fokussiert, so sind die Phasen drei und vier entscheidend, um die Steuerungswirkung von Berichten umzusetzen. Die zu diesem Zeitpunkt generierten und analysierten Informationen müssen nun mit den notwendigen Entscheidungsbedarfen und Maßnahmenvorschlägen an die Berichtsempfänger kommuniziert werden. Berichtskommentierung Die Phase drei umfasst die transparente Berichtskommentierung. Im Detail müssen jetzt die Erkenntnisse der Berichtsanalyse in Form von Kommentaren festgehalten werden. Die reine Dokumentation von Abweichungen schafft aber an dieser Stelle noch keine Steuerungswirkung. Vielmehr müssen klare Steuerungsimpulse gegeben und der notwendige Entscheidungsbedarf des Managements aufgezeigt werden. Um diese Entscheidungen bestmöglich vorzubereiten, sollte das Controlling bereits Maßnahmenvorschläge erarbeiten und diese in das Reporting integrieren. Am Ende dieser Phase liegt dann ein vollständiger Management Report vor, der neben dem reinen Datenmaterial eine Analyse und Stellungnahmen des Controllings zu wesent-
5.3 Gestaltungsaspekte des Management Reporting
349
lichen Entwicklungen, klar definierte Entscheidungsbedarfe sowie Vorschläge zu Maßnahmen der Steuerung umfasst.156 Berichtssteuerung Die vierte Phase hat das Ziel, die steuerungsrelevanten Informationen der Berichte in konkrete Steuerungsmaßnahmen umzuwandeln. Hierbei steht insbesondere der Bericht als Kommunikationsinstrument im Vordergrund, der die Kommunikation zwischen dem Controlling und dem Management, aber auch zwischen dem Management und den Unternehmenseinheiten fördern soll. Hierzu muss der Bericht zunächst den Empfängern zur Verfügung gestellt werden. Wenngleich der Erstellungsprozess durch eine hohe Automatisierung gekennzeichnet ist und eine Bereitstellung über verschiedenste Wege automatisiert erfolgt, sollte von einer gemeinsamen Besprechung der Berichte nicht abgesehen werden. Kernelement der vierten Phase ist daher auch die Berichtsbesprechung. Diese erfolgt in Form einer Präsentation und Erläuterung der Berichtsinhalte durch den Controller vor dem Management. Eine anschließende Diskussion der Ergebnisse muss in die eigentliche Entscheidungsfindung münden, in der vom Management Maßnahmen zur Steuerung des Unternehmens definiert und entschieden werden. Im letzten Schritt ist dann sicherzustellen, dass die getroffenen Entscheidungen und definierten Maßnahmen in der Organisation verankert werden. Im Rahmen der Maßnahmeninitiierung muss man die geplanten Aktionen hinsichtlich ihres Inhalts, der Ziele, der Verantwortlichkeiten und der geplanten Zeitdauer konkretisieren. So wird sichergestellt, dass die aus den Berichten gewonnen Informationen im Unternehmen genutzt werden und in eine gezielte Steuerung der Unternehmensprozesse münden. Um einen reibungslosen Ablauf der genannten Prozessschritte zu gewährleisten, ist es notwendig, für jeden einzelnen Teilschritt die Verantwortlichkeiten und Termine klar zu definieren und zu dokumentieren. Dafür hat sich bereits in vielen Fällen der sogenannte Reporting-Kalender bewährt, in dem neben den Prozessschritten die verantwortlichen Abteilungen oder Personen sowie die genaue Prozessdauer, Termine und Liefergegenstände dokumentiert werden. Zeitpunkt der Berichtsbereitstellung Neben dem generellen Prozess zur Erstellung von Berichten ist insbesondere der definierte Zeitpunkt der Berichtsbereitstellung ein wichtiger Aspekt. Wie bereits erwähnt, unterscheidet man das klassische Standardreporting, das meist monatlich zu gleichbleibenden Terminen und mit stabilen Inhalten einem definierten Adressatenkreis zur Verfügung gestellt wird, vom Ad-hoc-Reporting, das aufgrund eines auslösenden Ereignisses einem Empfänger spezifisch definierte Inhalte zur Verfü156 Gleich, R., Horváth, P., Michel, U., Management Reporting. Grundlagen, Praxis und Perspektiven.
Freiburg/Berlin/München 2008, S. 74 ff.
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5 Management Reporting
gung stellt. Ad-hoc-Berichte werden auf eine spezifische Anfrage hin generiert. Deshalb spielen die Datenverfügbarkeit und die Schnelligkeit der Aufbereitung eine wichtige Rolle. Im Standardreporting entscheidet oft der Zeitpunkt der Bereitstellung von Informationen darüber, ob ein Berichtswesen Nutzen schafft. Die termingerechte Bereitstellung von Informationen stellt in vielen Unternehmen eine große Herausforderung an die Reporting-Abteilungen. Die Daten müssen aus den Vorsystemen an die Berichtssysteme geliefert und qualitätsgesichert werden. Danach erfolgen die Aufbereitung, Analyse und Kommentierung. Vielfach vergehen für diese Prozessschritte bereits mehrere Tage nach Monatsschluss. Abhängig vom Umfang der Berichte variiert natürlich auch der Zeitraum, den eine Reporting-Abteilung benötigt, um Informationen in der richtigen Qualität an die Empfänger zu liefern. Um die Anforderung einer zeitgerechten Informationsbereitstellung zu erfüllen, wird daher in vielen Unternehmen bereits ein bis drei Tage nach Monatsabschluss ein sogenannter „Flash-Report“ an das Management geliefert. Dieser Bericht umfasst oftmals nicht mehr als eine Seite und enthält die wichtigsten Kennzahlen sowie keine oder nur wenige Kommentierungen. So soll gewährleistet werden, dass das Management bereits frühzeitig über die zeitkritischen Erfolgskennzahlen in Kenntnis gesetzt wird und Maßnahmen einleiten oder Entscheidungen treffen kann. Der komplette Monatsreport wird dem Management dann zeitnah, möglichst innerhalb der nächsten fünf bis maximal 20 Tage zur Verfügung gestellt.
5.4 Lernerfolg
351
5.4 Lernerfolg 5.4.1 Fallbeispiel: Optimierung des Management Reporting Beschreibung der Ausgangslage Der neue Controller der Flitzer AG wurde bei seiner Einstellung auch damit beauftragt, das Berichtswesen als wesentliches Instrument zur Schaffung von Transparenz und zur Bereitstellung von Informationen im Unternehmen zu optimieren. Insbesondere der Vorstand fühlt sich schon seit Längerem sehr schlecht mit Informationen versorgt. Ihm fiel es bisher schwer, die möglichen Gründe für den Umsatz- und Renditerückgang zu identifizieren. Zahlen liegen häufig erst gegen Ende des Folgemonats vor, darüber hinaus stellen diese ausschließlich finanzorientierte Kennzahlen auf Ebene der Gesamtunternehmung dar und lassen keine detaillierten Analysen zu. Ebenso ist es bisher nicht möglich, die strategischen Stoßrichtungen zu verfolgen. Aufgrund der nicht zufriedenstellenden Datenbereitstellung hat der Vorstand bereits der IT-Abteilung den Auftrag zur Implementierung eines neuen Reporting-Systems gegeben. Die IT-Abteilung hat daraufhin ein Projekt zur Softwareauswahl gestartet und Angebote von mehreren Anbietern eingefordert. In einer Vorstandssitzung soll nun entschieden werden, welche Software die Flitzer AG zukünftig im Berichtswesen einsetzt. Der neue Controller der Flitzer AG hat bereits viele Erfahrung mit der Einführung von Berichtssystemen gesammelt und weiß, wie wichtig es ist, zunächst die fachlichen Anforderungen an ein IT-System zu definieren, bevor eine endgültige Entscheidung über das entsprechende Tool getroffen wird. Auf seine Rückfrage hin wird die Aufnahme der fachlichen Anforderungen durch die IT-Abteilung verneint. Der Controller kann aber sowohl den Vorstand als auch die IT davon überzeugen, dass insbesondere aufgrund der neuen strategischen Ausrichtungen zunächst eine detaillierte Analyse der fachlichen Anforderungen erfolgen muss. Anstelle der Entscheidung über ein IT-System soll jetzt zunächst aus fachlicher Sicht das Berichtssystem optimiert werden. Hiermit wurde der Controller der Flitzer AG beauftragt. Die fachliche Neugestaltung des Berichtswesens startet der Controller der Flitzer AG mit einer Analysephase. Diese soll nochmals die wesentlichen Schwachstellen des bestehenden Berichtswesens aufzeigen. In einer zweiten Phase sollen dann die neuen Anforderungen an ein Berichtssystem definiert werden. Dabei will sich der Controller zunächst auf die Optimierung der Berichtsinhalte fokussieren. Anforderungen an die Visualisierung, den Reporting-Prozess und das IT-System will er erst im Anschluss daran diskutieren.
352
5 Management Reporting
Analyse des bestehenden Berichtssystems Im Rahmen der Analysephase geht der Controller der Flitzer AG dreistufig vor: Zum einen analysiert er selbst die ihm vorliegenden Berichte. Dabei ist ihm insbesondere die Steuerungsrelevanz und Empfängerorientierung der Kennzahlen wichtig. Zum Zweiten führt er Interviews mit den am Berichtsprozess beteiligten Personen und erhebt Daten über den Aufwand und die Art der Datenaufbereitung und Analyse. In einem dritten Schritt befragt er mithilfe eines einfachen Fragebogens nochmals den Vorstand als Hauptadressat der Berichte, in welchem Maße er die Berichte zur Entscheidungsunterstützung nutzt. Diese Analyse zeigt, dass bisher hauptsächlich Finanzkennzahlen erhoben wurden. Neben der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Cash Flow-Rechnung werden die Deckungsbeiträge der einzelnen Produkte ermittelt. Darüber hinaus erfolgen eine sehr genaue Abweichungsanalyse der einzelnen Kostenstellen sowie detaillierte Analysen hinsichtlich der Mitarbeiterzahlen und Reisekosten. Informationen über die Entwicklung der Produktionskosten sowie Kennzahlen zur Qualität und Umsatzentwicklung der einzelnen Produkte und Produktgruppen gibt es nur vereinzelt und auf Nachfrage. Ebenso stellt der Controller fest, dass eine Abweichungsanalyse ausschließlich gegenüber dem Vorjahr erfolgt. Plan- und Forecastwerte sind nicht im Reporting enthalten. Eine Aussage über die Zielerreichung oder zusätzliche Informationen über die Entwicklung der Zukunft sind somit im Berichtswesen nicht vorhanden. Darüber hinaus gibt es heute keinen standardisierten Prozess zur Berichterstellung. Berichte werden sowohl in der Buchhaltung generiert wie auch von den einzelnen Kostenstellenverantwortlichen. Alle schicken zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Reports an den Vorstand. Eine Sammlung und einheitliche Zusammenstellung der Daten findet bisher nicht statt. Außerdem gibt es keine fest definierten Termine, an denen die Daten geliefert werden müssen. Ebenso fehlt bisher ein einheitliches Tool, das die Erstellung der Berichte vereinfachen würde. Berichte werden hauptsächlich mit einem Tabellenkalkulationsprogramm erstellt. Dies ist auch notwendig, da die Daten aus vielen unterschiedlichen Quellen stammen. Der manuelle Aufwand der Berichterstellung ist daher sehr hoch und birgt eine große Fehleranfälligkeit. Auch die Ergebnisse der Vorstandsinterviews zeigen, dass die heutigen Berichte wenig zur Entscheidungsunterstützung herangezogen werden. Vielmehr nutzt der Vorstand sein Wissen und sein Netzwerk im Unternehmen und bildet sich so seine Meinung. Für die faktenbasierte Entscheidungsunterstützung kann das Berichtswesen nicht verwendet werden. Auf Basis dieser Analyse hat der Controller der Flitzer AG zunächst die fachlichen Verbesserungspotenziale abgeleitet (vgl. Abb. 5.14).
5.4 Lernerfolg
353
Fokussierung auf die steuerungsrelevanten Informationen
Verbesserungspotenziale
Ergänzung der rein finanziellen Kennzahlen um nicht finanzielle Kennzahlen Strukturierte Darstellung der Berichtsinhalte und Optimierung der Visualisierung zur Unterstützung der Aussagekraft Automatisierte Bereitstellung der Informationen
Abb. 5.14: Verbesserungspotenziale für das Reporting der Flitzer AG Neugestaltung des Berichtssystems und Definition der Berichtsinhalte Bei der Neugestaltung des Berichtssystems ist es sehr hilfreich, dass der Controller der Flitzer AG bereits an der strategischen Planung und Definition der Balanced Scorecard beteiligt war. Aus dieser Arbeit weiß er, welche strategischen Stoßrichtungen für das Unternehmen definiert wurden. Ihm ist auch bekannt, welche Interessen das Management hat und wo Entscheidungsbedarfe liegen. Dieses Wissen kann er sich zunutze machen, um ein an den Steuerungsanforderungen des Managements ausgerichtetes Berichtswesen aufzubauen. Er stellt daher folgende Überlegungen an: Der Vorstand der Flitzer AG ist schon immer sehr stark in die operativen Prozesse des Unternehmens involviert und steuert sämtliche strategischen und operativen Geschäftsvorfälle. Die neue Unternehmensstrategie hat er selbst aktiv mitgestaltet und die wesentlichen Maßnahmenpakete daraus abgeleitet. Er ist daher sehr interessiert an allen operativen, strategischen wie auch finanziellen Entwicklungen des Unternehmens. Das Berichtswesen sollte demnach all diese Informationsbedürfnisse abdecken. Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung wurde die Sicherung der langfristigen Ertragspositionen als wesentliches Finanzziel ausgesprochen. Daraus wurden der Economic Value Added (EVA) und das Betriebsergebnis in Form des EBIT als die Spitzenkennzahlen des Unternehmens abgeleitet. Dabei soll der EVA zunächst nur für das Gesamtunternehmen ermittelt werden. Das EBIT soll auf Ebene der neu definierten Business Units die Steuerungsgröße darstellen. Als marktorientierte Steuerungsdimensionen wurden die strategischen Geschäftsfelder definiert. Weitere Ana-
354
5 Management Reporting
lysen von wichtigen Kennzahlen sollen gemäß den Analysedimensionen Produktgruppen, Produkte, Kunden und Regionen erfolgen. Im Zusammenhang mit der strategischen Planung und Definition der Balanced Scorecard wurden bereits zahlreiche Messgrößen definiert, welche die strategische Zielerreichung darstellen sollen. Um die Strategie stärker in den operativen Einheiten zu verankern und diese kontinuierlich im Bewusstsein zu halten, will der Controller diese Kennzahlen im Standardberichtswesen aufnehmen. Er setzt dazu einen Balanced Scorecard-Bericht auf, der diese Kennzahlen darstellt und die Zielerreichung misst. Ebenso werden diese Kennzahlen den Einheiten im Unternehmen zugeordnet, die maßgeblich für die Umsetzung der einzelnen strategischen Elemente zuständig sind. Der Leiter Marketing ist somit verantwortlich für die Erhöhung der Kundenbindung, der Leiter Produktion hingegen für die Sicherung der Produktqualität. Diesem Prinzip folgend wird jedes strategische Ziel auf verantwortliche Einheiten im Unternehmen heruntergebrochen. Es werden damit ein Bericht für den Vorstand sowie weitere Berichte für die Business Units und operativen Einheiten erstellt. Da die Erhebung der Kennzahlen zum Teil sehr aufwendig ist und eine monatliche Messung nicht für alle Kennzahlen sinnvoll erscheint, entscheidet der Controller, dass dieser Bericht nur quartalsweise im Standardberichtswesen aufgenommen wird. In der Analysephase fand der Controller auch heraus, dass dem Vorstand bisher eine willkürliche Auswahl an Berichten geliefert wurde. Außerdem haben die Leiter der Funktionsbereiche Beschaffung, Produktion und Absatz ausschließlich ihre Kostenstellenberichte erhalten. Der Controller will dies zukünftig ändern. Hierzu will er spezifische Berichtsmappen einführen, die den jeweiligen Empfängern die Informationen liefern, die sie zur Steuerung ihres Bereiches benötigen. Zunächst definiert er Folgendes: Die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Cash Flow-Rechnung werden weiterhin auf Ebene des Gesamtunternehmens erstellt, die Gewinn- und Verlustrechnung zusätzlich auf Ebene der Business Units. Darüber hinaus soll zukünftig standardmäßig eine Deckungsbeitragsrechnung auf Ebene der strategischen Geschäftsfelder sowie der darunterliegenden Produktgruppen und Produkte generiert werden. So kann monatlich auch der Ausbau der Segmente (Hoch-/Niedrigpreis) nachvollzogen werden. Ebenso soll das Umsatzwachstum in den definierten Regionen monatlich im Reporting berichtet werden. Diese Informationen wird man zukünftig in Form einer Berichtsmappe an den Vorstand liefern. Da die Leiter der Funktionsbereiche zugleich Mitglieder der Geschäftsleitung sind, sollen auch sie diese Informationen erhalten. Darüber hinaus sollen noch weitere detaillierte Informationen geliefert werden, die eine bessere Steuerung der Bereiche erlauben. Für den Leiter Produktion sind dies Qualitätskennzahlen, wie die Auslastung der Maschinen, der produzierte Ausschuss oder die Entwicklung der Bestände im Lager.
5.4 Lernerfolg
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Kostenstellenberichte soll es weiterhin geben. Allerdings werden die detaillierten Aufstellungen zu Reisekosten abgeschafft. Diese sollen nur noch punktuell bei größeren Abweichungen genauer analysiert werden. Ebenso sollen diese Berichte nicht mehr direkt an den Vorstand verschickt werden, sondern bei den Kostenstellenverantwortlichen verbleiben. In den bisherigen Berichten wurden zudem Abweichungsanalysen gegenüber Vorjahreszahlen dargestellt. Man konnte so zwar eine Verbesserung oder Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr feststellen, dies ließ jedoch keine Aussage dahingehend zu, ob die diesjährigen Ziele erreicht werden. Daher sollen alle Berichte auch um Plan- und Forcastwerte ergänzt werden. Die Zielmessung gegenüber Planwerten zeigt auf, in welchem Maße das Unternehmen die für das Jahr gesetzten Ziele bisher erreicht hat. Die Ergänzung um Forecastwerte verdeutlicht darüber hinaus, ob es weiterhin als möglich eingeschätzt wird, den geplanten Jahresendwert zu erreichen. Die Aufnahme dieser Vergleichsgrößen im Berichtswesen erlaubt es also, sich regelmäßig mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Zusätzlich will der Controller spezifische zukunftsorientierte Kennzahlen im Berichtswesen hervorheben. Wichtige Kennzahlen stellen für ihn hier der Auftragseingang und die Auftragsreichweite dar. Diese Kennzahlen geben Aufschluss darüber, wie sich das Geschäft in den nächsten Monaten entwickeln wird. Nimmt der Auftragseingang im Zeitverlauf ab, wird es in der Zukunft für das Unternehmen schwierig sein, den Umsatz auf gleichem Niveau zu halten. Es ist daher wichtig, frühzeitig Maßnahmen zu veranlassen, die den Auftragseingang wieder auf ein gutes Niveau bringen. Auch Qualitätskennzahlen, wie die Kundenzufriedenheit, scheinen ihm als zukunftsorientierte Kennzahlen geeignet. Eine Verschlechterung der Kundenzufriedenheit kann langfristig den Verlust von Kunden bedeuten. Auch hier müssen schnell Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um die Kunden weiterhin an das Unternehmen zu binden. Auf Basis der voranstehenden Überlegungen hat der Controller der Flitzer AG die grundlegende Struktur und die Inhalte des neuen Berichtswesens der Flitzer AG definiert. Die finale Zusammenstellung und Visualisierung der Berichte sowie die Optimierung der Reporting-Prozesse will er erst in einer zweiten Phase durchführen.
356
5 Management Reporting
5.4.2 Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 5 1. Erklären Sie die Aufgabe des Management Reporting vor dem Hintergrund der Aufgaben des Controllings. 2. Welchen Nutzen hat das Steuerungskonzept eines Unternehmens für dessen Management Reporting? 3. Beschreiben Sie den Nutzen von Kennzahlensystemen für das Management Reporting. 4. Nennen Sie die Grundtypen von Diagrammen, die in Berichten Anwendung finden, und beschreiben Sie zu jedem Typ ein mögliches Praxisbeispiel. 5. Aus welchem Grund sind Visualisierungsstandards bei der Darstellung von Berichtsinhalten grundsätzlich empfehlenswert? 6. Wozu dient ein Reporting-Kalender?
5.4 Lernerfolg
357
5.4.3 Lösungen zu Kapitel 5 1. Aufgabe des Management Reporting ist die gezielte Versorgung des Managements mit Informationen im Rahmen des Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesses mit dem Fokus, Transparenz zu schaffen und die Entscheidungsfindung zu unterstützen. Gemäß dem Controller-Leitbild obliegt dem Controller die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Strategie, der Ergebnisse, der Finanzen und der Prozesse. In diesem Sinne ist er verantwortlich für das unternehmensübergreifende und zukunftsorientierte Berichtswesen. Das Berichtswesen ist demnach Instrument des Controllers in dem Bestreben, die Entscheidungsträger des Unternehmens in ihrem Zielfindungsprozess zu unterstützen. 2. Das Steuerungskonzept definiert die wesentlichen Parameter, die das Unternehmen und dessen Teilbereiche auf eine oder mehrere wirtschaftliche Zielgrößen bzw. Spitzenkennzahlen ausrichten. Im Steuerungskonzept wird demnach beschrieben, welche Kennzahlen erforderlich sind, um die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu prüfen. Die gesamtunternehmensbezogenen Spitzenkennzahlen werden auf einzelne Unternehmensbereiche heruntergebrochen. So wird definiert, wie eine Steuerung der Einheiten erfolgen soll. Ebenso werden neben den wesentlichen Schritten der Wertschöpfungskette des Unternehmens wesentliche Branchenspezifika sowie das generelle Geschäftsmodell aufgeführt. Darüber hinaus können Aussagen zur Ergebnisrechnung, zu Verrechnungskonzepten und zum Datenmodell Bestandteil eines Steuerungskonzepts sein. 3. Kennzahlensysteme dienen dazu, isoliert zueinander stehende Kennzahlen im Gesamtkontext des Unternehmens zu sehen. Je nach Art des Kennzahlensystems können mathematisch-logische oder kausal-logische/sachlogische Zusammenhänge über ein Kennzahlensystem abgebildet werden. 4. Es werden insgesamt fünf Grundtypen zur Darstellung von Sachverhalten in Diagrammform genannt: 1. Kuchenform: Dient zur Darstellung von Anteilen an einer Gesamtheit und kann z. B. zur Darstellung des Umsatzes eines Geschäftsbereichs am Gesamtumsatz verwendet werden. 2. Balken: Dient zur Reihung von Einzelobjekten und hat zum Ziel, eine Rangfolge dieser Objekte darzustellen. Beispiel: Darstellung des Umsatzes mit den zehn größten Kunden oder Produkten. 3. Säulen/Kurven als Zeitreihe zeigen die Veränderung eines Objektes über die Zeit hinweg, z. B. die Entwicklung der Absatzzahlen eines Produktes über mehrere Monate hinweg oder den Auftragseingang eines Unternehmens.
358
5 Management Reporting
4. Säulen/Kurven als Häufigkeitsverteilung dienen zur Darstellung von Größenklassen. So können z. B. Analysen für Einkaufspreise von Materialien dargestellt werden. 5. Balken/Punkte als Korrelation zeigen die Beziehung zwischen zwei Variablen und können z. B. das Verhältnis von Umsatz und Ergebnis von Produkten darstellen. 5. Visualisierungsstandards im Reporting dienen dazu, dass Berichte über gleiche oder ähnliche Sachverhalte einheitlich dargestellt werden. Sie sollen die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Berichten erhöhen und damit die Akzeptanz sicherstellen. Sie unterstützen so einen durchgängigen Managementblick auf das Geschäft. Durch die einheitliche Visualisierung kann sich der Leser besser orientieren und steuerungsrelevante Objekte einfach vergleichen. Ebenso erhöhen standardisierte Berichtslayouts die Effizienz der Berichtserstellung und die Qualität der Berichte. 6. Ein Reporting-Kalender dient dazu, alle wesentlichen Prozessschritte zur Erstellung von Berichten festzuhalten, in eine zeitliche Abfolge zu bringen und Termine aufzuzeigen. Darüber hinaus werden dort die verantwortlichen Einheiten der Prozessschritte sowie der Prozessoutput und -input definiert.
6 IT-Unterstützung für das Controlling
GRUNDLAGEN
STRATEGISCHES CONTROLLING
OPERATIVES CONTROLLING
INSTRUMENTE UND AUFGABENFELDER
MANAGEMENT REPORTING
IT-UNTERSTÜTZUNG
6.1 Problematik der Datenbereitstellung und -verarbeitung 6.2 Anwendungsbereiche der IT 6.3 Integration der betrieblichen IT-Systeme 6.4 IT-gestützte Controllingsysteme 6.5 Lernerfolg
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6 IT-Unterstützung
Lernziele:
Sie erkennen die Problematik der Datenbereitstellung und Datenverarbeitung im Controlling.
Sie erhalten einen Überblick über die Möglichkeiten des IT-Einsatzes im Controlling.
Sie kennen die Ausprägungen der Integration von IT-Systemen.
Sie wissen, wie man mit fortschrittlichen Methoden Daten analysieren kann.
Sie lernen verschiedene Arten von IT-Systemen kennen und erwerben die Fähigkeit, deren Einsatzpotenziale für das Controlling zu beurteilen.
6.1 Problematik der Datenbereitstellung und -verarbeitung
361
Die Verbindung von IT und Controlling ist sehr eng. So wurde erst durch die Vernetzung von technischen und kaufmännischen Rechnern und die starke Integration der Software ein qualitativ höherwertiges Controlling möglich. Es ist heute beispielsweise kein Problem, die Laufzeiten computergesteuerter Werkzeugmaschinen über Betriebsdatenerfassung in eine automatische und stets aktuelle Nachkalkulation einfließen zu lassen. Andererseits treibt auch das Controlling neue ITEntwicklungen voran. Genannt werden kann z. B. das Problem der zeitaufwendigen Suche und Aufbereitung entscheidungsrelevanter Informationen durch den Controller. Um dieses Problem zu beseitigen, entwickelte man IT-Systeme, die eine automatische Selektion und Aufbereitung der relevanten Daten übernehmen (vgl. z. B. den DeltaMaster in Abschnitt 6.4.3.1). Die Verzahnung von Controlling und IT lässt sich bis in die 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals waren batchorientierte Programme, die ausschließlich auf Großrechnern liefen, vorherrschend. Der Benutzer hatte kaum Einfluss auf den Ablauf der Programme. Dies änderte sich Mitte der 70er Jahre durch dialogorientierte Rechnungswesensoftware, die zunächst von SAP in Form des Systems R/2 auf dem Markt platziert wurde. Heute ist das Controlling so stark wie nie zuvor durch den Einsatz der IT geprägt. Zuweilen hat man den Eindruck, dass sich der Controller mehr mit IT-Technologien beschäftigt als mit der Weiterentwicklung der Controlling-Instrumente. Unbestritten ist jedoch, dass Controlling ohne effiziente IT-Unterstützung nicht mehr möglich ist. Deswegen sollen in diesem Kapitel Controllingsysteme und -methoden sowie deren Einsatzmöglichkeiten beschrieben werden. 6.1
Problematik der Datenbereitstellung und -verarbeitung
Controlling hat die Aufgabe, aktuelle, fehlerfreie und konsistente Daten entscheidungsorientiert und benutzerbezogen bereitzustellen. In vielen Unternehmen treten dabei trotz IT-Unterstützung Probleme auf:
Wichtige Daten sind erst spät verfügbar. Um auf Fehlentwicklungen rechtzeitig reagieren zu können, muss man die wesentlichen Daten frühzeitig analysieren. Im Handel sind dem Management täglich aktuelle Umsatzdaten vorzulegen. In Industrieunternehmen ist es sinnvoll, Deckungsbeiträge differenziert nach unterschiedlichen Zurechnungsobjekten möglichst wenige Tage nach Abschluss eines Monats verfügbar zu haben. In der Praxis besteht aber immer noch das Problem, dass wichtige Daten nicht früh genug zur Verfügung gestellt werden können.
362
6 IT-Unterstützung
Historische Vergleichsdaten werden nur für wenige Monate bereitgestellt. Für Analysezwecke ist es sinnvoll, historische Daten der letzten Jahre im Zugriff zu halten. Aufgrund der enorm großen Datenvolumina sind dazu nicht alle Unternehmen in der Lage.
Auf externe Daten kann nicht zurückgegriffen werden. Es reicht nicht, die Analyse auf interne Daten zu beschränken. Vor allem im Vertrieb und für das Management sind auch Informationen über Marktanteile der Wettbewerber oder Paneldaten der Marktforschungsinstitute notwendig. Sinnvoll wäre eine Datenbasis, in die automatisch neben den internen auch externe Daten fließen und für Auswertungszwecke zur Verfügung stehen.
Die Datenbereitstellung ist aufwendig. Die Datenbereitstellung beansprucht zu viel Zeit, sodass die Analyse und die Einleitung von Gegenmaßnahmen nicht intensiv genug betrieben werden können. Nach einer Untersuchung der Marktforschung Aberdeen verbringen Mitarbeiter bei einem Fünftel der befragten Unternehmen 25 Prozent ihrer Arbeitswoche damit, Informationen aus ERP-Systemen zusammenzutragen. Bei den anderen Unternehmen vergehen sogar 40 Prozent der Zeit.157 Ein weiterer Grund für die aufwendige Datenaufbereitung dürfte sein, dass manche Controller regelmäßig die mühsam selektierten Daten in eine Tabellenkalkulation eintippen, damit sie für das Berichtswesen verwendet werden können..
Der Controller „ertrinkt“ in einer Flut nicht relevanter Daten. Die operativen IT-Systeme verwalten sehr große Datenmengen. Deswegen besteht die Notwendigkeit, die für die jeweilige Entscheidung notwendigen Daten zu filtern. Immer noch ist es jedoch üblich, mit umfangreichen Tabellen zu arbeiten, die nur zu einem geringen Teil relevante Daten enthalten. Kurzfristige Ad-hoc-Fragestellungen sind damit kaum zu beantworten.
Die Datenaufbereitung ist nicht benutzerorientiert. Die Benutzer von Informationssystemen stellen unterschiedliche Anforderungen an die Bedienung von IT-Systemen und deren Datenaufbereitung. Der spezialisierte Controller ist es gewohnt, mit reinen Zahlentabellen zu arbeiten. Er nutzt auch komplexe Software, die umfangreiche Bedienungskenntnisse voraussetzt. Dagegen verlangt das Management leicht zugängliche Daten in grafischer Aufbereitung. Vor allem bei der Erstellung von Berichten mit Diagrammen werden Fehler gemacht (vgl. Kap. 5.3.3).
157 Zeitler, N., Falsche ERP-Strategie. Computerwoche, 30. Juni 2011
(http://www.computerwoche.de/software/erp/2488889/index3.html).
6.1 Problematik der Datenbereitstellung und -verarbeitung
363
Die Daten werden fehlerbehaftet und inkonsistent bereitgestellt. Die IT-Landschaft in vielen Unternehmen ist manchmal durch eine Vielzahl unterschiedlicher, historisch gewachsener Programme geprägt. Nicht kompatible IT-Systeme im operativen Bereich erschweren es, die für das Controlling benötigten Daten korrekt aufzubereiten.
Die beschriebenen Probleme können durch bedarfsgerechte IT-Systeme beseitigt werden. Die passende Software ist nach den individuellen Anforderungen des Controllings auszuwählen. Um diese Entscheidung zu unterstützen, soll im Folgenden, ausgehend von einem Überblick über die Anwendungsbereiche der IT und der Verdeutlichung verschiedener Integrationsformen betrieblicher IT-Systeme, gezeigt werden, welche Software für das Controlling einsetzbar ist. In diesem Zusammenhang werden auch die jeweiligen Nutzeffekte und Defizite der unterschiedlichen Systeme angesprochen. Das Beispiel der Flitzer AG soll verdeutlichen, wie ein Mix von Controllingunterstützungssystemen in der Praxis gestaltet werden kann. 6.2
Anwendungsbereiche der IT
Je nach Anwendungsbereich finden unterschiedliche IT-Systeme im Unternehmen Verwendung. Die Basis bilden die operativen Systeme, die man in Administrationsund Dispositionssysteme unterteilen kann.158 Sie dienen der Datenerfassung, Datenverwaltung und Datenauswertung in allen betrieblichen Bereichen. Nutzer sind Sachbearbeiter der verschiedenen Abteilungen. Typisches Merkmal für Administrationssysteme ist die Verarbeitung sehr großer Datenmengen. Von diesen Systemen müssen teilweise mehrere Millionen Datensätze im Rahmen der Lagerhaltung, der Produktionssteuerung oder des Rechnungswesens verwaltet werden. Dagegen bereiten Dispositionssysteme Entscheidungen vor oder automatisieren sie vollständig. Ein Programm zur Bestelldisposition ermittelt z. B. Bedarf, Bestellmenge und Lieferanten, druckt Bestelldokumente und überwacht die pünktliche und bestellmengengetreue Lieferung. Der Mensch überwacht nur noch. Aufbauend auf den Administrations- und Dispositionssysteme erkennt man in Abb. 6.1 Systeme zur Unterstützung von Planungs- und Kontrollaufgaben.
158
Mertens, P., Integrierte Informationsverarbeitung 1, Operative Systeme in der Industrie. 15. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 12 ff.
364
6 IT-Unterstützung
Führungsinformationssystem
Vertikale Integration
Planungs- und Kontrollsysteme
Tabellenkalkulationssystem Data Warehouse
Administrationsund Dispositionssysteme
Sonstige Verwaltung
Forschung und Entwicklung
Finanz- und Rechnungswesen Materialwirtschaft
Personalwirtschaft
Produktionsplanung und -steuerung
Marketing und Verkauf
Horizontale Integration
Abb. 6.1: Einsatzbereiche für IT-Systeme im Unternehmen Planungssysteme werden zur Lösung schlecht strukturierbarer Probleme eingesetzt, wie sie typischerweise bei der Planung anfallen. Kontrollsysteme sind das Gegenstück zu den Planungssystemen. Ihr Einsatzgebiet ist die Überwachung der Pläne. Im Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen werden z. B. relevante Abweichungen des Deckungsbeitrags erkannt, analysiert und Ursachen diagnostiziert. Auch die Erarbeitung geeigneter Gegenmaßnahmen kann unterstützt werden. 6.3
Integration der betrieblichen IT-Systeme
Für die Bereitstellung controllingrelevanter Informationen ist es entscheidend, dass die betrieblichen IT-Systeme integriert sind. Unter Integration versteht man die ganzheitliche Verknüpfung aller betrieblichen Informationssysteme. Es werden z. B. folgende Arten der Integration unterschieden:159
159 Mertens, P., Integrierte Informationsverarbeitung 1, Operative Systeme in der Industrie. 15. Aufl.,
Wiesbaden 2005, S. 4 ff.
6.3 Integration der betrieblichen IT-Systeme
365
Datenintegration Programme sind so aufeinander abgestimmt, dass das Daten empfangende Programm die Daten des liefernden Systems automatisch interpretieren kann. Die Daten werden in der Regel in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert, die von verschiedenen Modulen genutzt wird. Eine Rechnung über den Verkauf von 23 Rennrädern der Marke Hinault kann man z. B. wie folgt ablegen: Merkmale
Deckungsbeitrag
Variable Kosten
Provisionen
Erlösschmälerungen
Bruttoerlöse
Menge
Datum
400 2.5.11 23 3.000 250 120 600 850
Auftragsnummer
Kunde
Fachhandel Radlhuber
Kundengruppe
Region
Artikel
Artikelgruppe
Rennrad Hinault West
Werte
Abb. 6.2: Speicherung der Daten einer Rechnung Man erkennt, dass die Wertdaten mit weiteren Merkmalen beschrieben sind. Das ist für eine flexible Auswertung wichtig. Methodenintegration Die in den Programmsystemen enthaltenen Methoden werden aufeinander abgestimmt. Ein Modul, welches das Betriebsergebnis in Form einer Deckungsbeitragsrechnung ermittelt, erwartet z. B. vom Kalkulationsprogramm eine Trennung der Kostendaten in fix und variabel. Programmintegration Die Laufreihenfolge verschiedener Module muss festgelegt werden. Bevor z. B. die Kalkulation stattfindet, müssen die aktuellen Kostenstellensätze ermittelt werden. Im Rahmen der Programmintegration ist auch eine einheitliche Benutzerschnittstelle sicherzustellen. Es ist wichtig, dass Bildschirmmasken, Kommandos oder Fehlermeldungen gleich aufgebaut sind. Hierzu gibt es Standards. Zwischenbetriebliche Integration Viele Unternehmen streben eine hohe Integration ihrer IT-Systeme an. Wenn diese jedoch nicht in der Lage sind, mit den Programmen von Kunden oder Lieferanten zu kommunizieren, kann nur ein geringer Teil der erzielbaren Vorteile genutzt werden. Deswegen gibt es verstärkte Anstrengungen, die zwischenbetriebliche Kommunikation zu standardisieren. Im Rahmen des Business to Business ist man z. B. bestrebt,
366
6 IT-Unterstützung
das Bestellsystem des Kunden mit dem Auftragserfassungssystem des Lieferanten zu koppeln, um die Bestellabwicklung zu vereinfachen. Horizontale Integration Es werden Teilsysteme der betrieblichen Wertschöpfungskette verbunden (vgl. Abb. 6.1). Ein System für die Produktionsplanung und -steuerung übermittelt z. B. die für einen Auftrag benötigten Teile an das Beschaffungsmodul. Vertikale Integration Programme, die in der Informationspyramide unten angesiedelt sind, arbeiten mit den höher angeordneten Systemen zusammen (vgl. Abb. 6.1). Die Daten der Administrationssysteme werden von Planungs- und Kontrollsystemen weiterverarbeitet. 6.4
IT-gestützte Controllingsysteme
Die folgenden Erläuterungen sollen auf solche Systeme eingeschränkt werden, die Controllingaufgaben unterstützen. Dazu gehören zunächst die umfassenden betriebswirtschaftlichen Anwendungssysteme, sogenannte Enterprise-ResourcePlanning-Systeme. Sie beinhalten auch Module für Rechnungswesen und Controlling. Ein bekanntes Beispiel ist das System SAP R/3 mit dem Controllingmodul CO. Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen jedoch die für den Controller besonders interessanten Planungs- und Kontrollsysteme. Dazu zählen Tabellenkalkulationsprogramme und Führungsinformationssysteme, die auch als Managementinformationssysteme oder Business Intelligence bezeichnet werden. 6.4.1
Enterprise-Resource-Planning-Systeme für Kostenrechnung und Controlling Diese Systeme decken ein breites Spektrum rechnungswesen- und controllingrelevanter Aufgaben ab. Das Zusammenwirken der verschiedenen integrierten Module verdeutlicht z. B. die IT-gestützte Plankalkulation (vgl. dazu Abschnitt 3.1.2.1.4.5). Neben Kosteninformationen bilden vor allem Daten aus dem Produktionsplanungsund Produktionssteuerungsbereich die Kalkulationsgrundlage. Das erfordert ein Zusammenspiel zwischen technischen und betriebswirtschaftlichen Modulen. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass große Anstrengungen unternommen wurden, um den Controller vor allem bei der Datenanalyse zu entlasten. Beispielsweise ist es im Modul Betriebsergebnisrechnung von SAP R/3 möglich, Toleranzschwellen für Ausnahmeberichte zu definieren oder Kostenträger, Regionen u. Ä. geordnet nach der Höhe ihrer Abweichung im Bericht zu zeigen.
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
367
6.4.2 Tabellenkalkulationsprogramme Tabellenkalkulationsprogramme wie MS-Excel sind sehr komfortabel und besitzen einen großen Funktionsumfang (Verknüpfung unterschiedlicher Daten, diverse Simulationsmöglichkeiten, grafische Aufbereitung der Auswertungen und vieles andere). Sie werden dementsprechend häufig im Controlling eingesetzt, um Modelle beispielsweise zur Budgetplanung, Investitionsrechnung oder Kostenrechnung aufzubauen, Analysen durchzuführen und Berichte zu erstellen. Häufig selektiert der Controller relevante Daten aus unterschiedlichen Datenquellen, stellt diese über einen Download dem PC zur Verfügung und generiert mit der Tabellenkalkulation Spezialauswertungen, die mit den operativen Systemen nicht oder nur sehr umständlich durchführbar wären. Besonders hilfreich ist es, immer wiederkehrende Auswertungen mit einer MakroProgrammiersprache wie Visual Basic for Application (VBA) zu automatisieren. Auf diesem Wege ist es auch möglich, individuelle Benutzeroberflächen für den gelegentlichen Anwender zu erstellen. Abb. 6.3 zeigt ein Beispiel aus einem Planungsmodell, das mit MS-Excel generiert wurde. Es enthält Arbeitsblätter zur Absatz-, Umsatz- und Kostenplanung, einen Plan-Betriebsabrechnungsbogen, die Plankalkulation und Plan-Kostenträgerzeitrechnung sowie die Plan-Deckungsbeitragsrechnung für den Ausweis des internen Erfolgs. Ergänzt wurde das Modell um die Überleitung zum externen Ergebnis, die Plan-GuV und die Planbilanz. Aufgrund der vielen integrativen Verknüpfungen des Planungsmodells sind aussagekräftige Auswertungen möglich, wie z. B. Break-Even-Analysen oder Simulationen.
Abb. 6.3: Benutzeroberfläche eines integrierten Planungsmodells
368
6 IT-Unterstützung
Bei umfangreichen Anwendungen stößt man mit Tabellenkalkulationssystemen schnell an Grenzen. Dann ist es vorteilhafter, ein Führungsinformationssystem einzusetzen. 6.4.3
Führungsinformationssysteme
Führungsinformationssysteme (auch als Managementinformationssysteme oder Business Intelligence160 bezeichnet) unterstützen den Controller und das mittlere Management vor allem bei der Berichterstellung und Analyse. Sie werden z. B. im Vertrieb zur aktuellen Absatz- und Umsatzkontrolle oder in Produktion und Logistik als Informationssystem, das Kennzahlen über Ausschuss, Lieferrückstände u. Ä. zur Verfügung stellt, verwendet. Wichtige Kennzeichen eines Führungsinformationssystems sind:
sehr komfortable Bedienung im Vergleich zu den operativen Basissystemen weitreichende grafische Darstellungsmöglichkeiten der Daten schnelle Auswertung auch umfangreicher Datenbestände (im Unterschied zu Tabellenkalkulationsprogrammen) vorgefertigte Analysefunktionen für Simulationen, Definition von Abweichungstoleranzen, automatische Warnpunkte beim Überschreiten einer Toleranzgrenze, ABC-Analysen, Definition wichtiger Kennzahlen, vielfältige Datenvergleiche (Soll-Ist-Vergleich, Objektvergleich, Bildung von Indexreihen), Prognosemöglichkeiten mehrdimensionale Datenanalysen, die auf dem sogenannten Online Analytical Processing (OLAP) basieren
Eine schnelle, einfache und flexible Auswertung ermöglicht die OLAP-Technologie. Die Daten werden im Rahmen von OLAP multidimensional gespeichert und analysiert. Bedeutsame Dimensionen können z. B. Produkte, Regionen oder Kunden sein. Betriebswirtschaftliche Kennzahlen (wie etwa Kosten oder Deckungsbeitrag) werden für die unterschiedlichen Dimensionen betrachtet. Die Elemente einer Dimension sind in der Regel in Hierarchien angeordnet. Eine mögliche Hierarchie für die Dimension Produkte lautet z. B. Unternehmen, Produktgruppe, Produkt. Entlang einer Hierarchie werden die einzelnen Kennzahlen untersucht. Die für eine Analyse zur Verfügung stehenden Dimensionen werden als Datenwürfel (sogenannte Hypercubes) dargestellt. Um Daten zu analysieren, verändert der Anwender die Sicht auf den Würfel. Dafür stehen verschiedene Techniken zur Verfügung: 160 Der Begriff Business Intelligence wird oft umfassend für die Sammlung, Auswertung und Darstel-
lung aller Geschäftsdaten benutzt. Auf eine weitergehende theoretische Erörterung der Unterschiede zwischen Managementinformationssystemen und Business Intelligence soll hier verzichtet werden.
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
369
Durch das Rotieren des Datenwürfels (auch als „Dice“ bezeichnet) können die interessierenden Dimensionen dargestellt werden. Im Beispiel der Abb. 6.4 werden Daten zuerst differenziert für Produkte und Monate und nach dem Drehen des Würfels für Länder und Monate angezeigt.
Abb. 6.4: Datenanalyse mittels „Dice“
Schnitte durch den Würfel erlauben die Konzentration auf besonders interessante Datenelemente. Für diese Technik wird auch der Begriff „Slice“ verwendet. In Abb. 6.5 wählt man zunächst die Sicht auf ein einzelnes Produkt. Die Daten werden zeitlich und geografisch nicht differenziert. Danach schaut man sich alle Produkte, die in einem bestimmten Land angesiedelt sind, an. Zum Schluss interessiert ein bestimmtes Produkt in einem Land zu einem gewählten Zeitpunkt.
370
6 IT-Unterstützung
Produktsicht, z. B. ein Produkt weltweit
Produkt
Geografie
Geografie
Geografie
Ad-hoc-Sicht, z. B. ein Produkt in den USA
Regionale Sicht, z. B. Gebietsleiter für USA
Produkt
Produkt
alle Produkte gesamter Zeitraum eine Region (Filter)
alle Regionen gesamter Zeitraum ein Produkt (Filter)
ein Produkt (Filter) ein Monat (Filter) eine Region (Filter)
Abb. 6.5: Datenanalyse mittels „Slice“
Mittels „Drill-Down“ bewegt man sich innerhalb einer Hierarchie von verdichteten zu detaillierten Hierarchieebenen bis hinunter zu den Basiselementen (vgl. Abb. 6.6). Man stellt z. B. eine hohe Abweichung des Deckungsbeitrags für das Unternehmen fest; anschließend identifiziert man Produktgruppe B als hauptverantwortlich für diese Abweichung. Innerhalb dieser Produktgruppe fällt zuletzt das Produkt B2 auf, weil es einen wesentlichen Teil der Gesamtabweichung erklärt.
Unternehmen
Produkte
Produktgruppe A
Produkt A1
Produkt A2
Produktgruppe B
Produkt B1
Produkt B2
Abb. 6.6: Datenanalyse mittels „Drill-Down“
Mit „Roll-Up“ werden zunächst die Detaildaten angeschaut, um dann sukzessive verdichtete Ebenen in den Fokus zu nehmen (vgl. Abb. 6.7). Man möchte z. B.
Drill Down
Produktgruppen
Alle Produkte
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
371
wissen, ob der enorme Erlöseinbruch bei Produkt B2 in ähnlicher Weise auch bei Produktgruppe B und im Gesamtunternehmen aufgetreten ist.
Unternehmen
Produkte
Produktgruppe B
Produktgruppe A
Produkt A1
Produkt A2
Produkt B1
Produkt B2
Abb. 6.7: Datenanalyse mittels „Roll-Up“ Führungsinformationssysteme lenken die Aufmerksamkeit auf Sachverhalte, die einen besonderen Handlungsbedarf erforderlich machen. Dafür stellt der Benutzer Schwellenwerte in der Software ein, bei deren Überschreiten Hinweissignale ähnlich wie bei einer Ampel ausgegeben werden (vgl. auch Abb. 6.8). Produkt Gelände Scott Ulrich Straße
Sollkosten 12.000 20.000 21.000 14.000
Istkosten 14.000 22.000 20.000 13.500
Abweichung absolut in % 2.000 17 2.000 10 ⎻1.000 ⎻5 ⎻500 ⎻4
Ampelfarbe Rot Gelb Grün Grün
Abb. 6.8: Ausnahmebericht mit Ampelfunktion Liegt eine Abweichung innerhalb der definierten Toleranzschwellen, wird die Farbe grün gewählt. An der Grenze werden Daten gelb und außerhalb des Toleranzbereichs rot angezeigt. Abb. 6.8 zeigt einen Abweichungsbericht mit Ampelfunktion. Die Toleranzschwelle wurde auf zehn Prozent gesetzt. Fortschrittliche Systeme erlauben eine Kombination unterschiedlicher Schwellenwerte. Beispielsweise kann man absolute und relative Grenzen definieren. So werden Abweichungen vom Plan nur dann ausgewiesen, wenn sie z. B. mindestens fünf Prozent und 10.000 € betragen. Damit verhindert man, dass das System auf unbedeutende absolute Abweichungen bei Überschreiten der relativen Schwelle hinweist. Bei starren Toleranzschwellen wie in Abb. 6.8 wird nicht berücksichtigt, in welchem Monat die Abweichung auftritt. Eine Abweichung im Februar darf größer sein als
Roll Up
Produktgruppen
Alle Projekte
372
6 IT-Unterstützung
diejenige im Dezember, da eine Differenz zu Beginn des Jahres noch gut kompensiert werden kann. Die sogenannte Trompetenkurve berücksichtigt diesen Sachverhalt. Sie zeigt anschaulich auf, ab wann Abweichungen zum Problem werden (vgl. Abb. 6.9). Die Kurve in Abb. 6.9 verdeutlicht den Verlauf der Kostenabweichung eines Produkts. Für das Jahresende wurde eine maximale Abweichung von zwei Prozent vorgegeben. Die zulässige Abweichung errechnet sich mit der Formel Jahresendtoleranz x
12 aktueller Monat
Bei einer vorzugebenden Jahresendtoleranz von zwei Prozent ergibt sich z. B. für Monat Januar eine zulässige Maximalabweichung von sieben Prozent: 2 % x
12 = 6,9 1
Die Kostenabweichung in Abb. 6.9 würde erst im Juni angezeigt werden.
6,0% 4,0% 2,0% 0,0% Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
-2,0% -4,0% -6,0% -8,0%
Abb. 6.9: Trompetenkurve Zusätzlich ist eine kombinierte Betrachtung von Abweichungen bei einzelnen Monatswerten und kumulierten Werten sinnvoll. Zufällige Ausreißer können damit besser erkannt werden.
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
373
Es kann vorkommen, dass sich kritische Teilabweichungen auf einer verdichteten Ebene kompensieren und deswegen auf den ersten Blick nicht auffallen. Ist z. B. der Umsatz des Fahrrads Gelände um 100.000 € gestiegen, der des Artikels Scott um 95.000 gesunken, wird auf der Ebene der Artikelgruppe ein Umsatzplus von 5.000 € festgestellt. Anscheinend besteht kein Grund zur Besorgnis. In Wirklichkeit müsste jedoch die Ampel auf Rot gestellt werden. Hierauf muss der Anwender von einem System automatisch hingewiesen werden. Führungsinformationssysteme nutzen die Daten der operativen Basissysteme. Im Idealfall greifen sie auf ein Data Warehouse zu; das ist eine Datenbank, die regelmäßig mit für betriebswirtschaftliche Auswertungszwecke transformierten und vorselektierten Daten der operativen Systeme versorgt wird (vgl. Abb. 6.10). Folgende Gründe sprechen für die Einrichtung eines Data Warehouse: Die Datenselektion ist in den operativen Datenbanken kaum möglich, da sonst die Rechnerbelastung zu hoch würde. Außerdem passen die Daten der verschiedenen operativen Systeme häufig nicht zusammen (Inkonsistenz). Die aufwendige Einrichtung von Schnittstellen entfällt. Daten für Sonderauswertungen müssen nicht extra beschafft werden. Eine flexible Auswertung durch unterschiedliche Führungsinformationssysteme und Tabellenkalkulationsprogramme ist ohne großen Aufwand möglich. Operative Basissysteme
Rechnungswesen
Einkauf Vertrieb Kunden
Externe Daten
Datenhaltungsebene
T r a n s f o r m a t i o n
Auswertungsebene
Data Warehouse
Data Warehouse
Abb. 6.10: Datenversorgung eines Führungsinformationssystems
Führungsinformationssystem
Tabellenkalkulation
374
6.4.3.1
6 IT-Unterstützung
Datenanalyse mit dem DeltaMaster
Ein komfortables System zur Datenanalyse, Berichterstattung und Planung ist DeltaMaster der Bissantz & Company GmbH. Die Software enthält eine große Bibliothek von Analyseverfahren, unter anderem Rangfolgen, ABC-, Portfolio-, Zeitreihen- und Bewegungsanalysen sowie Methoden zur Datenmustererkennung (Data Mining). Mit speziellen Formen der Visualisierung macht DeltaMaster Zusammenhänge transparent und präsentiert sie in informationsdichten „Cockpits“ auf dem Bildschirm. DeltaMaster greift auf OLAP-Datenbanken zu, in denen die Daten mehrdimensional und meist in Hierarchien hinterlegt sind. Jede Dimension entspricht einem Kriterium, nach dem man die verfügbaren Kennzahlen (z. B. Kosten, Umsätze) untersuchen möchte. Die Funktionsweise des Systems soll an einem Beispiel für das Projektcontrolling verdeutlicht werden.161 Die Software erlaubt es, beliebige Merkmalskombinationen einzustellen und so gezielt Ausschnitte aus dem gesamten Projektgeschäft zu untersuchen, auch verdichtet. Einen grafischen Überblick verschafft der sogenannte Hyperbrowser. Er legt nicht nur die Datenstruktur offen, sondern färbt die Elemente entsprechend einer beliebigen Kennzahl ein. In Abb. 6.11 wurde auf diese Weise die kumulierte Kostenabweichung visualisiert. Anhand der Farbe (Rot oder Blau) und ihrer Intensität erkennt der Projektcontroller sehr schnell, in welchen Bereichen es große negative oder positive Abweichungen gegeben hat. In Abb. 6.11 sind z. B. in Projekt 1 sowie in Projekten, in denen der Projektleiter 1 (PL1) und der Mitarbeiter 1 (MA1) tätig sind, besonders hohe Kosten angefallen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wird der Anwender weitere Kennzahlen abrufen und Analysen anstellen.
161 Fiedler, R., Controlling von Projekten. 5. Aufl. Wiesbaden 2010, S. 264 ff.
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
Abb. 6.11: Hyperbrowser im DeltaMaster
375
376
6 IT-Unterstützung
Die Tabelle in Abb. 6.12 zeigt Projektkennzahlen und deren Abweichungen.
Abb. 6.12: Abweichungsanalyse Projektkennzahlen
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
377
Zusätzliche Visualisierungen in Abb. 6.12, die DeltaMaster direkt in die Zellen einblendet, verdeutlichen die Zusammenhänge und machen die Werte auch optisch vergleichbar. Bei den kleinen Säulengrafiken handelt sich um sogenannte Sparklines: stark verkleinerte Zeitreihendiagramme, die mit sehr wenig Platzverbrauch illustrieren, wie sich die jeweilige Kennzahl im Laufe der Zeit entwickelt hat. Damit behält der Projektcontroller die aktuellen steuerungsrelevanten Kennzahlen im Blick und hat gleichzeitig zu Vergleichszwecken die historischen Daten im direkten Zugriff. Eine hohe Automation der Datenanalyse erreicht der DeltaMaster beim Data Mining: Diese Methode führt den Anwender automatisch zu bemerkenswerten Datenkonstellationen, die er sonst nur durch langwierige eigene Recherchen entdeckt oder vielleicht ganz übersehen hätte. Im Beispiel der Abb. 6.13 hat DeltaMaster untersucht, ob es Merkmale gibt, bei denen sich die Kostenabweichungen auffällig anders verteilen als die Leistungsabweichungen. Dies ist etwa bei den Arbeitspaketen 3010010 und 9010010 gegeben, wie man am Muster der Balken schnell erkennt. Die Arbeitspakete sind aber nur eines von vielen Kriterien in der ProjektcontrollingAnwendung; ohne Systemhilfe müsste man sie alle einzeln untersuchen und würde dabei meist nur ohnehin Bekanntes entdecken. Ein weiteres Beispiel ist die „Navigation“. Diese Methode ermittelt automatisch die Ursachen von Abweichungen. Dabei kommen Heuristiken zum Einsatz, mit denen DeltaMaster beurteilt, welche Dimensionen (Merkmale) einen besonders guten Erklärungsbeitrag leisten. In Abb. 6.14 deckt die Software durch sukzessive Verfeinerung (Drill-Down) auf, dass 89,3 Prozent der festgestellten Kostenabweichung von Projekt 1 herrühren, dass 78,8 Prozent der Gesamtabweichung auf den Mitarbeiter MA1 zurückgehen und dass sich 52,6 Prozent mit Differenzen im Teilprojekt der Fachkonzepterstellung erklären lassen. Zur Kommunikation der Ergebnisse und zum Erstellen und Pflegen von Plänen hält DeltaMaster weitere Funktionen bereit.
378
Abb. 6.13: Identifikation auffälliger Arbeitspakete
6 IT-Unterstützung
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
Abb. 6.14: Identifikation der Verursacher einer Abweichung
379
380
6.4.3.2
6 IT-Unterstützung
Datenanalyse mit dem Corporate Planner
Der Corporate Planner findet hauptsächlich im operativen Controlling Anwendung. Mit dem System können Daten geplant, analysiert und dargestellt werden; außerdem sind Simulationen durchführbar, in denen sich Szenarien entwickeln und vergleichen lassen. Die zentrale Sicht ist in drei Bereiche aufgeteilt: Navigationsleisten, Strukturbaum und Datenbereich (vgl. Abb. 6.15). Als besonderes Kennzeichen des Corporate Planner ist der Strukturbaum hervorzuheben. Dieser bildet als Dreh- und Angelpunkt das Unternehmen hierarchisch ab. Er bietet diverse Navigationsmöglichkeiten.
Abb. 6.15: Strukturbaum-Darstellung im Corporate Planner
Der Zeitschieber ermöglicht es, in jeder Anwendung den gewünschten Betrachtungszeitraum einzustellen. So besteht durch einfaches Bewegen des Zeitschiebers die Möglichkeit, den Zeitraum auf Tage, Wochen, Monate, Quartale, Jahre oder auch selbst definierte Intervalle einzugrenzen. Die Funktionsweise soll anhand eines Beispiels zur Abweichungsanalyse verdeutlicht werden:
6.4 IT-gestützte Controllingsysteme
381
Durch den Soll-Ist-Vergleich konnte die Abweichung zwischen Budget und Ist im Mai festgestellt werden. Nun möchte der Controller wissen, auf welche Ursachen diese Abweichung zurückzuführen ist. Durch Anwendung der Abweichungsanalyse des Corporate Planner wird z. B. dargestellt, welches Produkt die höchste relative Abweichung aufweist. Selektiert der Controller das Produkt mit der höchsten relativen Abweichung im Strukturbaum, wird ihm in der grafischen Auswertung angezeigt, an welchem Produktionsstandort dieses Produkt die höchste Abweichung hat. Durch Navigieren im Strukturbaum kann er immer tiefer in die Hierarchie eindringen (Drill-Down), um letztendlich den entscheidenden Kostentreiber ausfindig zu machen und entsprechend gegenzusteuern. Die Anzahl der Hierarchiestufen ist hierbei frei einstellbar.162
162 Kilic, A., Knörzer, D., Klinge, C., Kuhn, F., MIS für das Controlling: operatives Controlling mit
dem Corporate Planner. Referat im Controlling-Seminar der Hochschule Würzburg Schweinfurt, SS 2010, Würzburg 2010, S. 12 ff.
382
6.5
6 IT-Unterstützung
Lernerfolg
6.5.1 Fallbeispiel: IT-Unterstützung für das Controlling der Flitzer AG Die Flitzer AG hat weltweit das System SAP R/3 im Einsatz, um die operativen Daten zu verwalten. Die Controllingabteilung nutzt neben den Controllingmodulen von SAP auch ein zentrales Data Warehouse, das durch die SAP-Module mit allen betriebswirtschaftlich relevanten Daten beliefert wird. Seit Einführung dieses zentralen Datenhaltungssystems gibt es in Meetings keine Diskussion mehr darüber, welche Umsatzzahl denn nun die richtige sei. Darüber hinaus wird auch ein Managementinformationssystem zur Generierung der monatlichen Berichte und für Abweichungsanalysen eingesetzt. Das Managementinformationssystem, aber auch die Tabellenkalkulation MS-Excel werden mit Daten aus dem Data Warehouse versorgt. Die Datenbestände können von der Controllingabteilung in vielfältiger Weise ausgewertet werden. IT-Unterstützung des monatlichen Geschäftsberichts Die Ausgangsdaten mit Umsätzen, Fertigwaren- und Auftragsbeständen für den monatlichen Geschäftsbericht liefern die operativen Systeme des SAP-Systems in das Data Warehouse. Der Prozess der monatlichen Berichterstattung aller inländischen Produktionswerke an den Geschäftsbereich und vom Geschäftsbereich an die Zentrale ist komplett IT-gestützt. Die ausländischen Tochtergesellschaften geben die Daten in Standard-Planungslayouts ein, die durch das Intranet bereitgestellt werden. Auch diese Daten werden zentral im Data Warehouse gesammelt. Die Berichte werden dem Management auf Papier, aber auch im Intranet zur Verfügung gestellt. Dort wurde ein Management Cockpit realisiert, mit dem die Topkennzahlen der Flitzer AG anschaulich präsentiert werden. Tiefer gehende Analysen sind allerdings nicht möglich. Diese erstellt der Controller auf Wunsch des Managements mit dem Managementinformationssystem. Am vierten Arbeitstag des Folgemonats verfügt das Controlling über erste Berichtsdaten des abgelaufenen Monats (sog. Eilmeldung). Der wesentlich umfangreichere monatliche Geschäftsbericht wird zwischen dem 11. und 16. Arbeitstag des Folgemonats erstellt. Bereits wenige Stunden, nachdem die Geschäftsbereiche sowie die Regional- und Tochtergesellschaften ihre Daten an die Konzernzentrale gemeldet haben, steht der weltweit konsolidierte monatliche Geschäftsbericht zur Verfügung. Zentrale Bedeutung hat unter der Vielzahl von Auswertungen das sogenannte Eckdatenblatt, das über die wichtigsten Entwicklungen des Unternehmens in komprimierter Form Auskunft gibt. Dieses Eckdatenblatt wird automatisch aus den gespeicherten Berichtsdaten generiert und verlangt keine zusätzlichen Dateneingaben.
6.5 Lernerfolg
6.5.2
383
Aufgaben und Kontrollfragen zu Kapitel 6
1. Erklären Sie kurz den Unterschied zwischen Administrations-, Dispositions-, Planungs- und Kontrollsystemen. 2. Wie können Sie ein Tabellenkalkulationssystem wie MS-Excel im Controlling einsetzen? 3. Beschreiben Sie einige Eigenschaften eines Führungsinformationssystems. 4. Im Zusammenhang mit Führungsinformationssystemen spricht man heute oft von „OLAP“. Erläutern Sie bitte diesen Begriff. 5. Nennen Sie typische Auswertungsmethoden von Führungsinformationssystemen. 6. Wozu dient ein Data Warehouse? Welchen Nutzen erzielt man damit? 6.5.3
Lösungen zu Kapitel 6
1. IT-Systeme im Unternehmen kann man wie folgt unterteilen: Administrationssysteme: Verarbeitung großer Datenmengen (z. B. Finanzbuchführung, Lagerhaltung) Dispositionssysteme: Vorbereitung oder Automatisierung von Entscheidungen (z. B. Bestellabwicklung) Planungssysteme: Lösung schlecht strukturierbarer Probleme (z. B. Ergebnisplanung) Kontrollsysteme: Selektion und Analyse entscheidungsrelevanter Daten (z. B. Umsatzanalyse) 2. Tabellenkalkulationssystem wie MS-Excel bieten folgende Möglichkeiten für den Controller: diverse Simulationsmöglichkeiten grafische Aufbereitung der Auswertungen Modelle beispielsweise zur Budgetplanung, Investitionsrechnung oder Kostenrechnung aufbauen Analyse von Abweichungen Erstellung von Berichten Selektion von Daten aus unterschiedlichen Datenquellen
384
6 IT-Unterstützung
Spezialauswertungen, die mit den operativen Systemen nicht oder nur sehr umständlich durchführbar wären, Automatisierung immer wiederkehrender Auswertungen
3. Eigenschaften eines Führungsinformationssystems sind: sehr komfortable Bedienung weitreichende grafische Darstellungsmöglichkeiten der Daten schnelle Auswertung auch umfangreicher Datenbestände vorgefertigte Analysefunktionen für Simulationen, Definition von Abweichungstoleranzen, automatische Warnpunkte beim Überschreiten einer Toleranzgrenze, ABC-Analysen, Definition wichtiger Kennzahlen, vielfältige Datenvergleiche, Prognosemöglichkeiten mehrdimensionale Datenanalysen 4. Daten werden im Rahmen von OLAP multidimensional gespeichert und ausgewertet. Bedeutsame Dimensionen können z. B. Projekte, Produkte oder Kunden sein. Die für eine Analyse zur Verfügung stehenden Dimensionen werden als Datenwürfel (sogenannte Hypercubes) dargestellt. Um Daten zu analysieren, verändert der Anwender die Sicht auf den Würfel. Dafür steht vor allem die Technik des „Slice and Dice“ zur Verfügung. 5. Auswertungsmethoden von Führungsinformationssystemen sind: Abweichungsberichte mit Ampelfunktion Drill-Down und Roll-Up Automatische Datenanalyse mit Data Mining (siehe DeltaMasterBeschreibung in Abschnitt 6.4.3.1) 6.
Ein Data Warehouse ist eine zentrale Datenbank, die alle für das Management interessanten Informationen aufnimmt. Damit sind folgende Vorteile verbunden: Die Datenselektion in den operativen Datenbanken kann vermieden werden (keine inkonsistenten Daten). Eine aufwendige Einrichtung von Schnittstellen entfällt. Die Daten für Sonderauswertungen müssen nicht extra beschafft werden. Flexible Auswertungen durch unterschiedliche Führungsinformationssysteme und Tabellenkalkulationsprogramme sind ohne großen Aufwand möglich.
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Stichwortverzeichnis A Absatzplanung 104 Abweichungen bei den Deckungsbeiträgen 185 Abweichungen bei den Gemeinkosten 181 Abweichungsbericht 371 Abweichungsüberschneidungen 176 Advanced Budgeting 156 Allokationseffekt 301 Allowable Costs 257 Alternative Abweichungsanalyse 177 Ampelfunktion 371 Anforderungen an den Controller 11 Anforderungsarten 123 Angebotsvorkalkulation 143 Arbeitsbewertung 122
B Balanced Scorecard 54 Benchmarking 262 Berichtsinhalte 334 Berichtskommentare 341 Berichtsstruktur 334 Berichtswesen 327 Beschaffungsplanung 105 Beschäftigungsabweichung 114 Better Budgeting 156 Beyond Budgeting 156 Bottom-Up-Planung 100 Break-Even-Analyse 250 Buchtechnisch-statistische Kostenauflösung 218
C Cash Flow 108, 197 Cockpit 343 Controller-Leitbild 10 Controllership 9
Controlling 3 Controllingorganisation 16 Controlling-Regelkreis 6 Cost Driver 296
D Datenintegration 365 Degressionseffekt 303 Degressive Kosten 212 Diagrammformen 346 Dice 369 Differenzen-Quotienten-Verfahren 215 Direct Costing 239 Drifting Costs 257 Drill-Down 370 DuPont-Kennzahlensystem 336 Durchführungskontrolle 83
E Einstufige Deckungsbeitragsrechnung 236 Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung 244 Einzelkostenplanung 119 Engpassbezogene Deckungsbeiträge 247 Engpassplanung 136 Enterprise-Resource-Planning-Systeme 366 Erfahrungskurve 47 Erfolgs- und Finanzplanung 106 Ergänzungskalkulation 142 Erlösdifferenzierung 144 Externe Analyse 30
F Finanzierungs- und Liquiditätsplanung 108 Finanzplan 107 Fixe Kosten 212 Fixkostendeckungsrechnung 240
390
Stichwortverzeichnis
Flexible Plankostenrechnung 113 Forderungsmanagement 306 Forschungs- und Entwicklungsplanung 105 Führungsinformationssysteme 368 Fünf-Kräfte-Modell von Porter 35
L Lebenszykluskonzept 42 Leitbild 29 Lohngruppenverfahren 124 Lückenanalyse 36
M
G Gegenstromverfahren 100 Gemeinkostenplanung 130 Gemeinkostenplanung und -kontrolle 182 Gemischte Kosten 212 Grenzkosten 212 Grenzplankostenrechnung 117 Grundrechnung 246
H Herstellkostenplanung 139 Horizontale Integration 366 Hypercube 369
I Identitätsprinzip 245 Interne Analyse 36 Interne Revision 12 Investitionsplan 105 Iso-Deckungsbeitragskurve 237
K Kapazitätsplanung 136 Kennzahlen 334 Key Performance Indicator 335 Komplexitätseffekt 301 Kontrollsysteme 364 Kosten- und Ergebnisplanung 106 Kostenartenrechnung 208 Kostenauflösung 138 Kostenstellenplan 138 Kostenstellenrechnung 208 Kostenträgerrechnung 208 Kumulative Abweichungsanalyse 177
Management Accountant 9 Mängel der Vollkostenrechnung 228 Marginalprinzip 244 Marktattraktivitäts-WettbewerbsvorteilsPortfolio 52 Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio 48 Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung 240 Messende Zeitstudie 126 Methodenintegration 365 Mission 28
N Nutzkosten 183
O OLAP 368 Operative Planung 99 Operatives Controlling 6 Orientierende Zeitstudie 126
P Personalplanung 105 Plan-Arbeitszeit 122 Plankalkulation 139 Plan-Lohnsatz 122 Plan-Materialpreis 121 Planung der Bezugsgrößen 131 Planung der Fertigungseinzelkosten 121 Planung der Hilfslöhne 128 Planung der Materialeinzelkosten 120 Planung der Mehrarbeitszeit 128 Planung der Sozialkosten 129 Planung der Zusatzlöhne 128 Planungskalender 110
Stichwortverzeichnis
391
Planungssysteme 364 Plan-Verrechnungssatz 138 Portfoliotechnik 47 Potenzialanalyse 37 Prämissenkontrolle 83 Preisdifferenzkosten 179 Produktionsplanung 105 Produkt-Markt-Matrix 41 Produktprogrammplanung 104 Programmintegration 365 Progressive Kosten 212 Projektplanung 105 Proportionale Kosten 212 Prozesscontrolling 284 Prozesshierarchie 294 Prozesskostenrechnung 293 Prozesskostensatz 299 Prozessoptimierung 290 Prozess-Report 289 Prozessüberwachung 288
R Rangfolgeverfahren 123 Rangreihenverfahren 124 Rechnende Zeitstudie 125 Regressionsanalyse 216 Relative Deckungsbeiträge 247 Reporting 327 Reporting-Prozesse 347 Return on Investment 336 Risikobericht 279 Risikocontrolling 272 Risikosteuerungsalternativen 278 Risk Map 276 Rollierende Planung 167 Roll-Up 370
S Schlüsselung von Gemeinkosten 229 Sicherheitsspanne 252 Simultanplanung 103 Soll-Ist-Vergleich 184
Sollkosten 114 Spezialabweichungen 182 Starre Plankostenrechnung 112, 114 Strategische Geschäftseinheiten 30 Strategische Kontrolle 83 Strategische Planung 28 Strategisches Controlling 6 Streupunktdiagramm 215 Strukturabweichung 187 Sukzessivplanung 103 Szenariotechnik 34
T Tabellenkalkulationsprogramme 367 Target Costing 257 Top-Down-Planung 100 Treasuring 12 Trompetenkurve 372
U Umweltanalyse 33
V Variable Kosten 212 Verbrauchsabweichung 114 Verrechnete Plankosten 112 Vertikale Integration 366 Vision 28 Vorgabezeit 126
W Wertkettenanalyse 38 Working Capital Management 305
Z Zeitarten nach REFA 127 Zielkostenindex 259 Zielkostenkontrolldiagramm 261 Zwischenbetriebliche Integration 365
Autoren Dr. Rudolf Fiedler ist Professor für Controlling und Projektmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg. Prof. Fiedler war vor seiner Professur interner Berater bei der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH und leitender Angestellter im Controlling der Robert Bosch GmbH. Er ist Verfasser diverser Bücher und Aufsätze über Controlling und Projektcontrolling. Dazu berät er Unternehmen bei der Gestaltung des Projektcontrollings und bietet diverse Controlling-Seminare an. Jens Gräf ist Principal im Competence Center Controlling und Finanzen und leitet das Competence Team Reporting bei Horváth & Partners. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen seit vielen Jahren in der Einführung und Optimierung von Unternehmenssteuerungslösungen. Herr Gräf ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen und wissenschaftlicher Lehrbeauftragter zum Thema strategische Unternehmenssteuerung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg. Herr Gräf studierte an der Technischen Hochschule Darmstadt Wirtschaftsingenieurwesen.
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Autoren
Benjamin Brehm war 2011 Praktikant im Competence Center Controlling und Finanzen bei Horváth & Partners. Seine Themenschwerpunkte liegen in den Bereichen Risikomanagement sowie Steuerungssysteme. Sein akademischer Werdegang beinhaltet ein Studium der Europäischen Wirtschaft an der Otto-FriedrichUniversität Bamberg und an der Universidad de Alcalá de Henares (Spanien).
Daniela Kehrer ist im Business Developement der SCA Hygiene Products S.E. tätig. Sie verantwortet dort den Bereich Business Analysis und unterstützt die Entwicklung von Strategien und Geschäftsmodellen für den Bereich Personal Care/Health Care. Zuvor war sie als Managing Consultant im Competence Center Controlling und Finanzen bei Horváth & Partners angestellt. Ihre Beratungsschwerpunkte lagen in den Gebieten Management & Group Reporting, Forecasting & Planung sowie Kostenrechnung. Sie arbeitet an der Veröffentlichung zahlreicher Bücher und Fach-artikel mit und war Trainerin im Bereich Controlling. Thomas Kunkel ist kaufmännischer Leiter der ITService GmbH eines weltweit tätigen Edelmetall- und Technologieunternehmens. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg war er zunächst als Controller eines Automobilzulieferers tätig. Von dort aus wechselte er als Werkscontroller zu einem großen Konzern der Konsumgüterindustrie.
Autoren
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Dr. Christian Langmann ist Managing Consultant im Competence Center Controlling und Finanzen bei Horváth & Partners. Seine Beratungserfahrungen liegen in den Gebieten Group Reporting und Konsolidierung, Stammdatenmanagement sowie Kostenrechnung. Sein akademischer Werdegang beinhaltet ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, ein MBA-Studium an University of Dayton (USA), gefolgt von der Promotion an der HelmutSchmidt-Universität Hamburg. Dr. Langmann war Visiting Scholar an der Griffith University und Referent bei internationalen Konferenzen. Er ist Autor zweier Bücher und zahlreicher Fachveröffentlichungen. Nina Spelten ist Managing Consultant im Competence Center Controlling und Finanzen bei Horváth & Partners. Ihre Beratungserfahrung liegt vorwiegend in den Gebieten Prozesskostenrechnung, Prozessoptimierung und Reorganisation, Steuerungssysteme sowie Risikomanagement. Ihr akademischer Werdegang beinhaltet ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth sowie die Zertifizierung zum Certified Management Accountant durch das Institute for Management Accountants (IMA).