Ein neues Geschlecht?: Entwicklung des frühchristlichen Selbstbewusstseins 9783666593642, 9783525593646, 9783647593647


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German Pages [333] Year 2013

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Ein neues Geschlecht?: Entwicklung des frühchristlichen Selbstbewusstseins
 9783666593642, 9783525593646, 9783647593647

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Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments

In Verbindung mit der Stiftung „Bibel und Orient“ der Universität Fribourg/Schweiz herausgegeben von Max Küchler (Fribourg), Peter Lampe, Gerd Theißen (Heidelberg) und Jürgen Zangenberg (Leiden) Volume 105

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Markus Lang (Hg.)

Ein neues Geschlecht? Entwicklung des frühchristlichen Selbstbewusstseins

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Wilhelm Pratscher zum 65. Geburtstag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-59364-6 ISBN 978-3-647-59364-7 (e-book) Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

I. Zur frühchristlichen Gemeinschaft im ersten und zweiten Jahrhundert Hermut Löhr Einige Beobachtungen zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden in der zweiten Hälfte des ersten und in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Markus Öhler Silvanus und Christus. Sozialgeschichtliche Erwägungen zum Silvanuskult und zum 1. Petrusbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

II. Zum frühchristlichen Schriftverständnis im ersten und zweiten Jahrhundert Jonathan A. Draper The metaphor of the vine in John 15 and the early Christian tradition Reflections on postcolonial critiques . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Judith Lieu Heresy and Scripture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

Paul-Gerhard Klumbies Marcion als Paulus- und Lukasinterpret

. . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Angela Standhartinger Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift . . . . . . . . . . . . . 122

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Inhalt

III. Zu frühchristlichen Traditionen im zweiten Jahrhundert James D. G. Dunn 2 Clement and the Jesus Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Wolfgang Wischmeyer Die Briefe des Ignatios von Antiochia und die zweite Sophistik . . . . . 170 Ferdinand R. Prostmeier Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia ,An Autolykos‘

. 179

Michael Lattke Die Wahrheit der Christen in der Apologie des Aristides. Vorstudie zu einem Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Markus Lang Der Apostel und die „Obrigkeit“. Interaktion als Spiegel des frühchristlichen Selbstverständnisses in den älteren Apostelakten . . . 236

IV. Zur frühchristlichen Identität im ersten und zweiten Jahrhundert Ulrich H.J. Körtner Der alte und der neue Mensch. Systematisch-theologische Erwägungen zur christlichen Anthropologie im Anschluß an den Epheserbrief . . . 263 Michael Wolter „Ein neues ,Geschlecht‘“? Das frühe Christentum auf der Suche nach seiner Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Appendices

Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

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Vorwort

Die hier vorgelegten Studien zur Entwicklung und Ausprägung des frühchristlichen Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins im ersten und zweiten Jahrhundert sind ein Dank und Gruß an Wilhelm Pratscher zu seinem 65. Geburtstag. Die Thematik dieses Bandes steht in enger Beziehung zum bisherigen wie auch zukünftigen Lebenswerk des Jubilars. Wenn sich neutestamentliche Exegeten in die Grauzone zwischen ihrer eigenen Disziplin und der der Kirchengeschichte, die das zweite Jahrhundert darstellt, wagen, werden oft Stimmen laut, dass das eigentliche Kerngeschäft doch die Literatur der Anfänge, namentlich die „älteren“ Schriften des Neuen Testaments, seien. Doch geschieht dies oft aufgrund einer Unterschätzung der Bedeutung des zweiten Jahrhunderts für die Entwicklung dessen, was sich später einmal die „christliche“ Kirche nennt, wie der Jubilar nicht festzuhalten müde wird. Verschiedenste wichtige Theologumena und richtungsweisende Entscheidungen entwickelten sich gerade in diesem Zeitraum. Dies zeigt sich auch in Wilhelm Pratschers vergangenen wie auch zukünftigen Forschungsschwerpunkten. Bereits mit seiner Habilitation Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition (1987) wendete sich sein Blick über die Grenzen des Neuen Testaments hinaus. Die langjährige Mitarbeit im SNTS-Seminar zum zweiten Jahrhundert und die Mitherausgeberschaft des Kommentars zu den Apostolischen Vätern, im Rahmen dessen er den Zweiten Clemensbrief (2007) kommentierte, zeugen ebenso wie viele kleinere Studien von seinem großen Interesse am Christentum im zweiten Jahrhundert, das auch stark zur Profilierung des Instituts für Neutestamentliche Wissenschaft der EvangelischTheologischen Fakultät an der Universität Wien beitrug. Und auch in Zukunft dürfen wir von Wilhelm Pratscher relevante Forschungsbeiträge (nicht nur) in diesem Bereich erwarten, wie beispielsweise die Kommentierung des Kerygma Petri, dessen Formulierung eines tq¸tom c´mor Pate für den Titel dieses Bandes stand, und des Quadratus im Rahmen des Kommentars zu den frühchristlichen Apologeten. Der auf das zweite Jahrhundert konzentrierte Forschungsschwerpunkt des Jubilars ist auch für die Entstehung dieser bescheidenen Festgabe leitend gewesen. Schüler und langjährige KollegInnen aus verschiedenen Herkunftsländern haben hierzu beigetragen. Nun versteht es sich von selbst, dass

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Vorwort

die Beiträge sich nicht ausschließlich mit dem zweiten Jahrhundert beschäftigen können. Denn manche Probleme und Fragestellungen, denen sich das junge Christentum stellen musste, nahmen ihren Anfang bereits im vorhergehenden Jahrhundert. Insbesondere die immer stärkere Begegnung und Auseinandersetzung mit der pluralistischen Gesellschaft der Antike verlangte den frühen Christen Neuansätze, unterschiedliche Akzente etc. ab. Dieser „Bewältigung“ der Pluralität widmen sich die beiden ersten Abschnitte dieses Sammelbandes: zum einen in der Frage nach der sozialen Pluralität, zum anderen im Ringen mit der fortschreitenden Pluralisierung des frühen Christentums selbst, die sich insbesondere in den Diskussionen um das Schriftverständnis der frühchristlichen Schriften zeigt. In einem dritten Abschnitt kommen einzelne Stimmen zum Selbstverständnis und -bewusstsein im zweiten Jahrhundert zu Wort, die die Weiterentwicklung und eigene Prägung in diesem Zeitraum exemplifizieren. Abgerundet wird dieser Sammelband durch zwei Beitrage zur Entwicklung der frühchristlichen „Identität“. Durch diese Sammlung danken wir alle Wilhelm Pratscher für die langjährige gute und kollegiale Zusammenarbeit. Darüber hinaus sei aber auch noch anderen gedankt, die zum Gelingen dieser Festschrift beigetragen habe. Von Seiten des Verlages, Vandenhoeck & Ruprecht, in dem der Jubilar seit seiner Habilitation vorwiegend publiziert, gilt der Dank den Herausgebern der Reihe NTOA (Max Küchler, Peter Lampe, Gerd Theißen, Jürgen Zangenberg) und selbstverständlich den Herren Jörg Persch und Christoph Spill. Weiters danke ich Herrn Adalbert Raab für die Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage. Wien, im Juni 2013

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Markus Lang

I. Zur frühchristlichen Gemeinschaft im ersten und zweiten Jahrhundert

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Hermut Löhr

Einige Beobachtungen zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden in der zweiten Hälfte des ersten und in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr.1 Einführung in die Fragestellung Unser Wissen um das Leben, die sozialen Strukturen und ihre Entwicklung in den frühen christlichen Gemeinden ist bekanntlich fragmentarisch. Es scheint mir fraglich, ob eine Sozialgeschichte des frühesten Christentums überhaupt geschrieben werden könnte.2 Immerhin ermöglicht ein kritischer Vergleich der Angaben in der Apostelgeschichte und den paulinischen Briefen, zumindest eine Skizze des Gemeindelebens im Einflussbereich des Apostels in den 40er und 50er Jahren des 1. Jahrhunderts zu zeichnen. Eine Beschreibung der Situation am Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Jahrhunderts fällt noch schwerer, obwohl in diese Zeit die Entstehung einer Reihe von Schriften des Neuen Testaments, der Apostolischen Väter und vielleicht weniger anderer frühchristlicher Schriften, auch aus den Neutestamentlichen Apokryphen, fallen dürfte und somit quantitativ reicheres Quellenmaterial zur Verfügung steht. Anders als bei Paulus ist es aber kaum möglich, einen direkten Dialog zwischen Gruppen und Einzelpersönlichkeiten zu rekonstruieren; aufgrund des Charakters der Quellen sind wir vielfach auf Indizien und behutsame Rückschlüsse beschränkt. Zudem ist die Diskussion um Datierung und Lokalisierung dieser Schriften bis heute nicht abgeschlossen (sie scheint sich gegenwärtig im Gegenteil wieder zu intensivieren3), und dies trägt nicht unerheblich zu den angedeuteten historiographischen Schwierigkeiten bei.

1 Eine erste Vortragsfassung dieses Aufsatzes durfte ich im Rahmen der SNTS Seminargruppe „Social History and the New Testament“ beim General Meeting 2010 der SNTS in Berlin vortragen. Für die Anregungen, die ich aus den Diskussionen über mein Referat gewonnen habe, danke ich den am Seminar Teilnehmenden herzlich, insbesondere aber Margaret Y. Macdonald, aus deren response ich so viel lernen durfte, sowie J. Albert Harrill und Werner Eck, Quellen unerschöpflichen Wissens zu den zahlreichen Fragen und Aspekten antiker Sklaverei. 2 Die Diskussion ist hier nicht fortzuführen. Exemplarisch verweise ich nur auf zwei kritische Beiträge von Georg Schçllgen, die sich mit Standardwerken der frühchristlichen Sozialgeschichte auseinandersetzen: ders., Probleme der frühchristlichen Sozialgeschichte. Einwände gegen Peter Lampes Buch über „Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten“, JbAC 32 (1989), 23– 40; ders., Was wissen wir über die Sozialstruktur der paulinischen Gemeinden? Kritische Anmerkungen zu einem neuen Buch von W.A. Meeks, NTS 34 (1988), 71– 82. 3 Vgl. nur Matthias Klinghardt, The Marcionite Gospel and the Synoptic Problem: A New Suggestion, NT 50 (2008), 1 –27; Markus Vinzent, Christ’s Resurrection in Early Christianity and the

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Hermut Löhr

Die Untersuchung der Sozialstruktur und -geschichte des frühen Christentums erfordert verschiedene methodische Zugänge und betrifft eine Reihe unterschiedlicher thematischer Aspekte. In einem ersten Schritt ist nach direkten Beschreibungen des Gemeinschaftslebens und seiner Akteure oder nach Anweisungen in sozialen Fragen zu suchen. Eine sorgsame Lektüre der Texte kann darüber hinaus aber auch indirekte Bezüge auf Untergruppen und soziale Themen aufspüren, behutsame Anspielungen, Assoziationen und Implikationen, die vom antiken Leser entdeckt werden konnten. Aspekte wie Prosopographie und die in argumentativen und narrativen Texten verwendeten sprachlichen Bilder können in sozialgeschichtlicher Perspektive interpretiert werden. Wertbegriffe und -system der verschiedenen Texte sind als Ausdruck je eigener sozialer Positionen und Interessen zu würdigen. Es ist auch rezeptionsästhetisch zu fragen, in wie unterschiedlicher Weise Erzählungen oder moralische Ratschläge von Menschen unterschiedlicher sozialer Gruppen verstanden werden konnten. So wäre zu überlegen, ob die ausführlichen Mahnungen gegen Unzucht oder die Ratschläge zur Ehe, die sich in frühchristlichen Texten finden, von Sklaven überhaupt als relevant und als Optionen eigenen Handelns erachtet werden konnten. Allgemeiner formuliert: Die Analyse frühchristlicher Ethik hat auch zu untersuchen, ob und inwieweit Sklaven von ihren christlichen Geschwistern als moralische Subjekte angesehen wurden. Allerdings ist diese von der Rezeption her denkende sozio-historische Kritik der frühchristlichen Texte in hohem Maße spekulativ, zumal Zeugnisse der zeitgenössischen Erstrezeption der relevanten Texte weitgehend fehlen. Daher werde ich mich in der folgenden Skizze darauf beschränken, wichtige direkte und indirekte Zeugnisse zur Rolle der Sklaven im Leben der frühen Kirche darzustellen, ohne die rezeptionsästhetische Frage der Wahrnehmung von frühchristlichen Texten in verschiedenen sozialen Schichten zu vertiefen.4 Einen unzweifelhaften Beleg für die Gegenwart von Sklaven in den frühchristlichen Gemeinden vom Standpunkt des externen Beobachters bietet bereits das älteste erhaltene pagane Zeugnis über die Christen, der sog. Christenbrief Plinius’ des Jüngeren an den Imperator Trajan, aus dem Jahr 112 n. Chr.: „Umso mehr hielt ich es für notwendig, von zwei Sklavinnen [ancillis], welche Dienerinnen genannt wurden [quae ministrae dicebantur], auch durch Folter zu befragen. Ich fand nichts anderes als verkehrten und maßlosen Aberglauben.“

Wie Adrian Nicholas Sherwin-White begründet hat, ist das Verständnis von ancillae im Sinne von „Sklavinnen“ durch die angewendete Prozedur naheMaking of the New Testament, Farnham 2011; Otto Zwierlein, Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 96), Berlin / New York 2009. 4 Zur Frage nach einem Sklaven als Autor eines frühchristlichen Textes s. u. S. 16.

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Zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden

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gelegt.5 Wenn darüber hinaus Plinius mit dem lateinischen ministrae die Funktionsbezeichnung der Sklavinnen als „Diakonissen“ korrekt überträgt (was freilich unsicherer bleibt als die erstgenannte Annahme6), dann belegt die Passage, dass kurz nach der Jahrhundertwende in einer randständigen Provinz des Imperiums Sklavinnen reguläre Funktionen in christlichen Gemeinden inne hatten. Das ist kein überraschender Befund, aber doch ein solider Beleg für die Präsenz und Mitwirkung von Sklaven in den frühen christlichen Gemeinschaften. Eine Passage aus Justins Apologie,7 von der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr., klingt wie eine Anspielung auf den Brief des Plinius:8 „Sie brachten nämlich einige zu Tode aufgrund falscher Beschuldigungen gegen uns, und sie führten Hausgenossen unserer Leute oder Kinder oder Frauen zur Folter, und durch schreckliche Misshandlungen zwangen sie sie, diese erdichteten Dinge zuzugeben, die sie selbst öffentlich tun.“9

Wenn die Wendung oQj]tar t_m Blet]qym Sklavinnen oder Sklaven meint, ist die Schlussfolgerung kaum vermeidbar, dass der Text an Sklaven in Haushalten christlicher Herren denkt, jedoch nicht zwangsläufig an christliche Sklavinnen und Sklaven. Das im Text formulierte Argument ruht offenbar auf der Meinung, dass die Befragten entweder schlecht über die Wirklichkeit christlichen Gemeindelebens informiert sind (woraus folgert, dass sie nicht daran beteiligt waren) oder dass ihre falschen Informationen durch die angewendete Folter erklärbar sind. Eine Entscheidung in dieser Frage fällt nicht leicht; und so wäre es voreilig, aus dem Befund weiter reichende Folgerungen in Hinsicht auf die Rolle von Sklaven in frühchristlichen Gemeinden zu ziehen. Christliche Sklavenhalter sind deutlich in einem anderen apologetischen Text belegt, in der Legatio des Athenagoras, einem Text wohl aus der zweiten

5 Vgl. Adrian Nicholas Sherwin-White, The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary, Oxford 1966, 708; s. auch Leonhard Schumacher, Sklaverei in der Antike. Alltag und Schicksal der Unfreien, München 2001, s.v. 6 J. Albert Harrill, Servile Functionaries or Priestly Leaders? Roman Domestic Religion, Narrative Intertextuality, and Pliny’s Reference to Christian Slave Ministrae (Ep. 10,96,8), ZNW 97 (2006), 111 – 130 versucht den Begriff ministrae aus der Perspektive und dem Sprachgebrauch des Plinius (und dem Bericht des Livius über den Bacchanalienskandal in Ab urbe 39, der Plinius’ Darstellung mit geprägt haben dürfte) zu verstehen als „servile functionaries“. Während dies für die Bezeichnung ancillae einleuchtet (vgl. Livius, Ab urbe 39,10,5), reicht diese Erklärung für ministrae m. E. nicht aus: Zum einen begegnet der Begriff im Kontext bei Livius nicht, zum anderen signalisiert Plinius ausdrücklich, dass der Begriff nicht seiner Terminologie entstammt. 7 Justin, Apol. 80 (12),4 (ed. Munier). 8 Bekanntlich wurde der Christenbrief des Plinius in der frühchristlichen Apologetik auch sonst rezipiert; vgl. Tertullian, Apol. 2,6; s. auch Euseb, h.e. 3,33,1 – 3. 9 Meine Übersetzung folgt dem griechischen Text bei Charles Munier, Saint Justin. Apologie pour les chr¦tiens. Êdition et traduction (Par. 39), Fribourg 1995, 140.

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Hermut Löhr

Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr.10 In einer Argumentation gegen den Vorwurf christlichen Kannibalentums11 heißt es:12 „Und doch haben wir Sklaven, die einen mehr, die anderen weniger, vor denen wir nichts verbergen könnten. Doch auch von diesen hat keiner so etwas erlogen.“

Die erörterte Frage steht im Zusammenhang mit der Feier der Eucharistie. Doch ist hieraus nicht die regelmäßige Teilnahme von Sklaven an der Feier abzuleiten. Die hinter der Aussage stehende Vorstellung scheint einfacher zu sein: (Haus-) Sklaven sind dank ihrer Funktion gut informierte Zeugen des Privatlebens ihrer Herren. Wenn diese Zeugen, sogar unter Folter, nicht von kannibalischen Akten in christlichen Häusern berichten, so spricht dies unzweifelhaft gegen die Wahrheit der Beschuldigung. J. Albert Harrill13 konnte darüber hinaus zeigen, dass der Argumentation des Athenagoras der Topos des Geheimnisverrats durch Sklaven zugrunde liegt. Derselbe Topos, jedoch anders gewendet, prägt auch die Argumentation in der schon zitierten Passage bei Justin.14 Die wiederholte Bezugnahme auf (christliche) Haushalte (im NT vgl. Apg 10,2; 11,14; 16,15.31.34; 18,8; 1Kor 1,16; 16,15; Phil 4,22; 2Tim 3,6; 4,19 etc.) oder die spezifische, wohl von Paulus geprägte Wendung B jat4 oWjom 1jjkgs_a (Phlm 2; 1Kor 16,19; Röm 16,5; Kol 4,15)15 hat möglicherweise ebenfalls u. a. Sklaven im Blick. Doch ist, wie der Fall des Onesimus in Phlm zeigt, auch mit nicht-christlichen Sklaven in christlichen Haushalten zu rechnen. Spätere Texte, die auf die Anfangszeit des Christentums zurückblicken, erwähnen ausdrücklich Bekehrungen von Sklaven gemeinsam mit ihren Herren (ActPetr 14,19; ActAndr 14,1; ActPhil 44,78). In anderen Texten wird gerade der Unterschied zwischen der Bekehrung oder dem Glauben von Sklaven und dem Unglauben ihrer Herren herausgestellt (ActPetr cum Simone 3; ActPl 41; ActPhil 5,17). 10 Zur Datierung der Schrift vgl. Miroslav Marcovich, Athenagoras. Legatio pro Christianis (PTS 31), Berlin / New York 1990, 1 – 3. 11 Vgl. zu dem Vorwurf der thyesteischen Mahlzeiten Stephen Benko, Pagan Rome and Early Christians, Bloomington 1984, 54 – 78. 12 Athenagoras, Leg. 35,2. Meine Übersetzung folgt dem griechischen Text bei Marcovich (s. Anm. 9), 108. 13 Vgl. J. Albert Harrill, The Domestic Enemy : A Moral Polarity of Household Slaves in Early Christian Apologies and Martyrdoms, in: David L. Balch / Carolyn Osiek (hg.), Early Christian Families in Context. An Interdisciplinary Dialogue, Grand Rapids / Cambridge 2003, 231 – 254: 241 – 246. 14 S.o. S. 13. Harrill (Anm. 12), 242 – 245 verweist außerdem auf Tertullian, Ad nationes 1,7,14 – 17 (CCL 1,19). 15 Marlies Gielen, Zur Interpretation der paulinischen Formel B jat4 oWjom 1jjkgs_a, ZNW 77 (1986), 109 – 125, zeigt, dass die Formel nicht als Beleg für die Existenz von von der Ortsgemeinde unterschiedenen frühchristlichen Hausgemeinden angeführt werden kann. Vgl. auch Georg Schçllgen, Hausgemeinden, Oikos-Ekklesiologie und monarchischer Episkopat. Überlegungen zu einer neuen Forschungsrichtung, JbAC 31 (1988), 74 – 90.

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Zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden

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Aufschlüsse aus der Prosopographie? In seiner Studie zu den ersten stadtrömischen Christen hat Wayne A. Meeks gezeigt, dass die Beachtung der Prosopographie helfen kann, die Sozialstruktur paulinischer Gemeinden zu erhellen.16 Aufgrund der Untersuchung von fast achtzig Namen, die in den paulinischen Schreiben erwähnt werden oder in der Apg in Zusammenhang mit Paulus auftauchen, kommt Meeks zu vorsichtigen und nüchternen Schlussfolgerungen in Hinsicht auf die Präsenz unterschiedlicher sozialer Gruppen im Christentum der Zeit: Neben Onesimus17 (Phlm; siehe auch IgnEph 1,3; 2,1, 6,2; ActPhil 6,3), könnten auch Lukas der Arzt (Phlm 24 mit Kol 4,14), die Leute der ChloÚ (1Kor 1,11), Ampliatus (Röm 16,8) und Epaenetus (Röm 16,5) Sklaven oder Freigelassene gewesen sein. Nach Werner Eck gilt dies auch für Andronicus und Junia (Röm 16,7)18. Für die nachfolgenden Jahrzehnte gestaltet sich die prosopographische Quellenlage schwieriger : Nur einige wenige Namen von Zeitgenossen sind überliefert, während diejenigen, die in den pseudo-paulinischen Schreiben begegnen, fiktional sein könnten, entweder aus echten Paulus-Briefen übernommen oder gelegentlich auch einfach erfunden werden. Wenn wir die in den christlichen Quellen überlieferten Namen mit den Listen von Sklavennamen vergleichen, welche Heikki Solin für die Stadt Rom zusammengestellt hat, sind nur wenige Übereinstimmungen zu bemerken: Onesimus und Alexander (1Tim 1,20; 2Tim 4,14; IgnEph 1,3) gehören zu den „top ten“ römischer Sklavennamen.19 Zu erwähnen sind auch Attalus (IgnPol 8,2)20, Clemens (Phil 4,3; 1Clem subscr.; 2Clem inscr.; Herm 8,3)21; Cresce(n)s (2Tim 4,10; PolPhil 14)22, Daphnus (IgnSm 13,2)23, Demetrius (3Joh 12)24, Epaphras (Jol 1,7; 4,12; Phil 1,23)25, Philo (IgnPhld 11,1; IgnSm 10,1; 13,1)26 und Maximus (Herm 7,3)27. Alle erwähnten Namen gehören zu den häufigen 16 Vgl. Wayne A. Meeks, The First Urban Christians. The Social World of the Apostle Paul, New Haven / London 1983, 55 – 63. 17 Die Aphrodisias-Inschrift (ca. 4. Jh. n. Chr.) erwähnt auf Seite B Z. 36 unter den Gottesfürchtigen einen bouleutÞs mit Namen Onesimus (s. Walter Ameling, Inscriptiones Judaicae Orientis. II. Kleinasien [TSAJ 99], Tübingen 2004, 71 – 112: 74). 18 Vgl. Werner Eck, Das Eindringen des Christentums in den Senatorenstand bis zu Konstantin d. Gr., Chiron 1 (1971), 381 – 406. 19 Vgl. Heikki Solin, Die stadtrömischen Sklavennamen. Ein Namensbuch. I. Teil: Lateinische Namen. II. Teil: Griechische Namen. III. Teil: Barbarische Namen. Indices, Forschungen zur antiken Sklaverei. Beiheft 2, Stuttgart 1996; II: 240 – 242; III: 680. 20 Vgl. Solin (s. Anm. 19) II: 248. 21 Vgl. Solin (s. Anm. 19) I: 78. 22 Vgl. Solin (s. Anm. 19) I: 51. 23 Vgl. Solin (s. Anm. 19) II: 515. 24 Vgl. Solin (s. Anm. 19) II: 274 – 276. 25 Vgl. Solin (s. Anm. 19) II: 283 f. 26 Vgl. Solin (s. Anm. 19) II: 415. 27 Vgl. Solin (s. Anm. 19) I: 45.

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Hermut Löhr

römischen Sklavennamen der ersten Jahrhunderte. Einzelne Personen dieses Namens waren, nach den Nachrichten bei Ignatius, Amtsträger in christlichen Gemeinden: So ist ein Onesimus 1p¸sjopor in Ephesus; Philo ist Diakon in Kilikien. Doch ist vor voreiligen Schlüssen zu warnen: Für die stadtrömischen Sklaven typische Namen (v. a. griechische Namen) sind nicht notwendigerweise typische Sklavennamen in anderen Städten und Regionen des Imperiums. Soweit ich sehe, sind die meisten erwähnten Namen in verschiedenen sozialen Schichten beliebt und können daher nicht als klarer Beweis für die Bedeutung von Sklaven in den christlichen Gemeinden angesehen werden; die Prosopographie des frühen Christentums bleibt ein unsicherer Wegweiser. Nur in Einzelfällen sind weiter reichende Folgerungen möglich: So hat Peter Lampe28 m. E. überzeugend dargelegt, dass die in 1Clem 63,3 und 65,1 erwähnten Claudius Ephebus und Valerius Biton vermutlich Freigelassene sind; ihre griechischen Cognomina weisen auf die Abstammung ihrer Familien. Claudius Ephebus könnte sogar zur familia des Imperators gehören. Es dürfte sich bei den beiden um soziale Aufsteiger handeln, deren familiärer Hintergrund im Sklavenstand zu suchen ist. Der explizite Autor des Hirten des Herm, Hermas (1,1), könnte Sklave gewesen sein; der Name Hermes, in manchen Fällen auch Hermas, ist ein geläufiger Sklavenname in Rom.29 Hermas wurde von seinem Herrn an eine gewisse Rhode verkauft, die ihn später an eine dritte Person verkaufte oder freiließ. Man könnte fragen, ob Passagen, in welchen das „Haus“ des Hermas als soziale Größe erwähnt wird (46,6; 56,9; 66,6) darauf hinweisen, dass Hermas selbst später zum Sklavenhalter wurde. Zugunsten dieser Deutung spricht, dass in einigen Sätzen der genannten Passagen die Kinder des Hermas neben seinem (ganzen) Haus erwähnt werden: Wer könnte mit der letzten Bezeichnung gemeint sein wenn nicht Sklaven? Ist diese Interpretation zutreffend, so ist Hermas – ob historische Gestalt oder Fiktion, ist zweitrangig – ein weiteres Beispiel von aufsteigender sozialer Mobilität im frühen Christentum, welche auch Sklaven erfasste.

Versklavung und Freilassung Dass Sklaven und ihre besondere Situation Teil der wirtschaftlichen Sorge der frühen Christen waren, wird aus einigen außerkanonischen Texten deutlich.30 28 Vgl. Peter Lampe, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte (WUNT 2.R. 18), Tübingen 1987, 153 – 155. 29 Vgl. Solin (s. Anm. 18) II: 291 – 295; III: 680. 30 Ich verzichte hier auf eine erneute Diskussion der Wendung l÷kkom wq/sai in 1Kor 7,21. Vgl. zu den Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Interpretation etwa Wolfgang Schrage, Der erste

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Zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden

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1Clem 55,2 ist eine bemerkenswerte31 Passage in einem christlichen Text vielleicht von der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert32. Der Text könnte auf die Praxis der Selbst-Versklavung im römischen Christentum hindeuten. Er steht im Kontext einer Reihe von Beispielen, welche den Ratschlag unterstützen, der an einige korinthische Christen gegeben wird, nämlich die Gemeinde zu verlassen, um so die Wiederherstellung von Friede und Eintracht zu ermöglichen: „Wir wissen, dass viele unter uns sich selbst in Gefangenschaft begeben haben, um andere loszukaufen. Viele haben sich in die Sklaverei begeben, und mit dem Erlös für sich selbst haben sie andere genährt.“33

Erkennbar sind zwei verschiedene Fälle angesprochen: 1. Freiwillige Gefangenschaft zum Loskauf34 anderer ; 2. Selbst-Versklavung, um mit dem Erlös andere wirtschaftlich zu unterstützen. Der Text behauptet, dass solche Maßnahmen in der römischen (aber vielleicht auch in der korinthischen) Gemeinde in der Vergangenheit vorkamen; sie sind ein Beispiel für Selbstaufopferung und herausragende Liebestätigkeit. Die angesprochenen Handlungsweisen sind historisch vorstellbar, wiewohl man fragen könnte, ob sie eine effektive und plausible Praxis von Christen aus den unteren Schichten darstellen konnten. Doch auch wenn wir bei dieser Aussage mit einiger Übertreibung rechnen, scheint es mir unwahrscheinlich, dass der Autor Praktiken erwähnt haben sollte, die keinerlei Anhalt an der den Adressaten bekannten Wirklichkeit des frühchristlichen Lebens hatten. Daher kann die auf den ersten Blick unauffällige Passage als bemerkenswertes Zeugnis für Selbstversklavung von Christen aus ökonomischen Gründen an der Wende vom ersten um zweiten Jahrhundert n. Chr. gewertet werden. Weniger explizit ist ein Textstück aus dem Hirten des Hermas, einer von Bildern und Allegorien geprägten frühchristlichen Apokalypse von ca. 140 n. Chr.35 Der Abschnitt 50,1 – 11 ist geprägt vom Motiv der Christen, die fremd in der Welt sind und zu einem himmlischen Vaterland bzw. einer himmlischen Stadt gehören. Norbert Brox spricht in seinem Kommentar zu Herm pointiert

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Brief an die Korinther. 2. Teilband. 1Kor 6,12 – 11,16 (EKK VII/2), Neukirchen-Vluyn u. a. 1995, 139 f. Dies gilt auch dann, wenn die Angaben „rhetorisch übermalt“ sein sollten; so Horacio E. Lona, Der erste Clemensbrief (KAV 2), Göttingen 1998, 563. Zur Datierung von 1Clem vgl. Andreas Lindemann, Der erste Clemensbrief, in: Wilhelm Pratscher (hg.), Die apostolischen Väter. Eine Einleitung, Göttingen 2009, 59 – 82: 77 f. In die Zeit Hadrians will jetzt wieder Zwierlein (s. Anm. 2) 1Clem datieren. Meine Übersetzung folgt dem Text in: Joseph A. Fischer, Die Apostolischen Väter (SUC 1), Darmstadt 1981, 92. Der Text verwendet das Verb kutqoOm. Es ist vermutlich an den Loskauf aus der Sklaverei gedacht. Zur Datierung von Herm vgl. David Hellholm, Der Hirt des Hermas, in: Wilhelm Pratscher (hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, Göttingen 2009, 226 – 253: 249 f.

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von einer frühchristlichen „Zwei-Reiche-Lehre“.36 Dabei werden auch die praktischen Konsequenzen einer solchen Welt-Fremdheit angesprochen. In 50,8 heißt es: „So kauft anstelle von Äckern bedrängte Seelen, so einem jeden möglich, und besucht Witwen und Waisen und verachtet sie nicht, und gebt euren Reichtum und alle eure Güter, die ihr von Gott empfangen habt, für Felder und Häuser dieser Art.“37

Von den Ratschlägen her, die unmittelbar folgen, ist es offenkundig, dass die Wendung „kauft Seelen usw.“ nicht allein metaphorisch gemeint sein kann, das heißt nicht mit Aufforderungen wie „rettet sie“, „verkündigt ihnen die Frohbotschaft“, „bekehrt sie“ o. ä. zu übertragen ist. Aber ob sich die Wendung auf den Loskauf von Sklaven, denjenigen von Gefangenen, oder auf beides zugleich bezieht, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Dieselbe Ambivalenz herrscht in Bezug auf die Interpretation des Ratschlags, der in Herm 38,10 gegeben wird: „Höre sodann das, was diesem folgt: Witwen zu dienen, nach Waisen und Hilfsbedürftigen zu sehen, Gottes Diener aus Not zu erlösen, gastfreundlich zu sein.“38

Der Brief des Ignatius von Antiochien an Polykarp enthält eine der seltenen Hinweise in frühchristlichen Texten des späten ersten und des frühen zweiten Jahrhunderts, die zeigen, dass die Gemeinden direkt von den praktischen Folgen von Sklaverei betroffen waren. Es sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass die so genannte „ignatianische Frage“ in den letzten Jahrzehnten durch Beiträge u. a. von Robert Joly, Reinhard M. Hìbner und Thomas Lechner neu gestellt wurde.39 Das Thema ist hier nicht näher zu erörtern, doch ist festzuhalten, dass die Datierung der (sieben, echten?) Ignatius-Briefe erheblich schwankt, wobei die Zeit Trajans (gest. 117 n. Chr.) das früheste, die 70er Jahre des zweiten Jahrhunderts n. Chr. ein neuerdings favorisiertes spätes Datum sind, die vorgeschlagen wurden. Im Kontext verschiedener Ermahnungen schreibt Ignatius in IgnPol 4,3: „Behandele Sklaven und Sklavinnen nicht mit Verachtung. Doch sollen sie sich auch nicht aufblasen, sondern zur Herrlichkeit Gottes desto mehr Sklave sein, damit sie von Gott eine bessere Freiheit erlangen. Sie sollten kein starkes Streben haben, auf Kosten der Gemeinschaft [!p¹ toO joimoO] frei zu werden, damit sie nicht als Sklaven der Begierde erfunden werden.“40 36 Vgl. Norbert Brox, Der Hirt des Hermas (KAV 7), Göttingen 1991, 285. 37 Meine Übersetzung folgt dem Text bei Ulrich H.J. Kçrtner / Martin Leutzsch, Papiasfragmente. Hirt des Hermas (SUC 3), Darmstadt 1998, 244. 38 Meine Übersetzung folgt dem griechischen Text in: Kçrtner / Leutzsch (s. Anm. 36), 218. 39 Vgl. die Hinweise bei Hermut Lçhr, Die Briefe des Ignatius von Antiochien, in: Wilhelm Pratscher (hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, Göttingen 2009, 104 – 129: 107. 40 Meine Übersetzung folgt dem griechischen Text in Fischer (s. Anm. 32), 218.

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Der Abschnitt ist an einen Mit-Bischof adressiert: Er gibt nicht Ratschläge für einzelne Haushalte, sondern für die örtliche Gemeinde oder sogar für die Kirche der Region. Der Text bespricht also Einstellungen und Maßnahmen der Gemeinschaft. Obwohl der erste Satz die Akzeptanz von Sklaven und Sklavinnen in der Kirche betont, prägt diese Haltung doch nicht die Argumentation insgesamt: Sie ist insgesamt eher eine Mahnung zur Loyalität gegenüber der Kirche und wendet sich konkret gegen Bestrebungen, auf ihre Kosten freizukommen. Man kann zwar nicht sagen, dass der Text sich generell gegen die Freilassung von Sklaven richtet. Die Tatsache jedoch, dass Freikauf und Freilassung nicht als Teil eines allgemein akzeptierten Programms der Kirche erscheinen, erlaubt den Schluss, dass Sklaverei als solche vom Autor des Textes nicht als fundamentales ethisches Problem angesehen wurde. In seiner Monographie zur Freilassung von Sklaven in der Antike hat J. Albert Harrill eine gründliche Analyse der zitierten Passage vorgelegt. Harrill diskutiert dabei verschiedene Möglichkeiten, die im Blick stehenden Maßnahmen zu verstehen, aber auch die möglichen Gefahren für den Zusammenhalt der Gemeinschaft, ihr äußeres Erscheinungsbild, und die Stellung des Bischofs, die von Ignatius betont wird. In Hinsicht auf das erste erwähnte Themenfeld bedenkt Harrill die folgenden vier Möglichkeiten:41 1. Gemeinden kaufen Sklaven und lassen sie danach frei; in diesem Fall wäre der Freigelassene den Gemeinden einige Verpflichtungen schuldig; 2. Gemeinden bieten Einzelpersonen Geld an, um diese zu ermutigen, kürzlich getaufte Sklaven freizulassen. In diesem Fall hätten die Freigelassenen noch Verpflichtungen gegenüber ihren früheren Herren; 3. Gemeinden kaufen Sklaven frei und erreichen so deren vollständige rechtliche Unabhängigkeit von ihren früheren Herren; 4. Gemeinden organisieren öffentliche Versammlungen, welche die Zeugenschaft innerhalb einer Freilassungszeremonie herstellen Der fragliche Text gibt jedoch zu wenig detaillierte Informationen, als dass die genaue Prozedur zu erkennen wäre; auch ist damit zu rechnen, dass möglicherweise an mehrere Verfahren zugleich gedacht wird. Kritisch ist anzumerken, dass in mancher Hinsicht Harrills Argumentation sich zu sehr auf die Existenz von „Hauskirchen“ als Basisstruktur größerer christlicher Gemeinschaften stützt, während Existenz und Verbreitung von Hausgemeinden im frühen Christentum in letzten Jahren tatsächlich Gegenstand einer intensiven und kritischen Diskussion waren.42 41 Vgl. J. Albert Harrill, The Manumission of Slaves in Early Christianity (HUTh 32), Tübingen 1995, 188 f. Vgl. ders., Ignatius, Ad Polycarp. 4.3 and the Corporate Manumission of Christian Slaves, in: Everett Ferguson (hg.) Christianity and Society : The Social World of Early Christianity, New York 1999, 279 – 314. 42 Vgl. hierzu die in Anm. 14 genannte Literatur. Über die Frage der Hausgemeinden hinaus zu derjenigen nach der Bedeutung des antiken Hauses für die alltägliche Religionsausübung (auch

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Immerhin lässt sich aus der angeführten Passage schließen, dass der Umgang mit Sklaven in der einen oder anderen beschriebenen Weise in den christlichen Gemeinden zu einer erheblichen ökonomischen Last geworden war.

Ratschläge und Ermahnungen an Sklaven, Herren, und an einen Bischof Die Mahnung an Sklaven ist Teil frühchristlicher Moral spätestens seit der Zeit des Apostels Paulus (vgl. 1Kor 7,20 – 24). Das Thema wird in den Deutero- und Trito-Paulinen aufgenommen und weiterentwickelt, im Kontext von Haustafeln und verwandten Texten. Die Tatsache, dass Sklaven direkt angesprochen werden, ist dabei schon an sich bemerkenswert: Damit verraten christliche Autoren ihre Auffassung von Sklaven als moralischen Subjekten. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die frühchristlichen Haustafeln deutlich von den ihnen nahe stehenden Beispielen griechisch-römischer und jüdischer oQjomolij|r-Literatur.43 In der ältesten erhaltenen christlichen Haustafel, in Kol 3,22 – 4,1, werden Sklaven und Herren angesprochen. Im Verhältnis zum Gesamtumfang der Haustafel sind die Worte über die Sklaven von auffälliger Länge, was auf aktuelle Anlässe oder Probleme deuten könnte. Doch werden keine Details über Lebensbedingungen und Tätigkeiten der Angesprochenen erkennbar. Die Sklaven werden zum Gehorsam „in allem“44 ermutigt. Ihr Dienst wird als Dienst am Herrn Jesus Christus zu verstehen gegeben; eschatologischer Lohn wird versprochen. Die Mahnung an die Herren ist kürzer ; sie verweist auf die Normen des Gerechten und der Billigkeit (i¨ s|tgr) sowie den „Herrn“ (j}qior) im Himmel45. Ob bei dieser Mahnung konkret an die Pflicht der Herren gevon Sklaven) führt der Beitrag von Markus Öhler, Das ganze Haus. Antike Alltagsreligiosität und die Apostelgeschichte, ZNW 102 (2011), 201 – 234. 43 Vgl. Marlis Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik. Ein Beitrag zur Frage einer christlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen (BBB 75), Frankfurt a.M. 1990, 200; Klaus Thraede, Zum historischen Hintergrund der ,Haustafeln‘ des NT, in: Ernst Dassmann / Karl Suso Frank (hg.), Pietas. Festschrift für Bernhard Kötting, (JbAC.E 8), Münster 1980, 359 – 368. 44 Diese Bemerkung ist allerdings textkritisch nicht völlig gesichert; vgl. 27Nestle-Aland, Apparat ad loc. zur Bezeugung pro et contra. Carolyn Osiek, Female Slaves, Porneia, and the Limits of Obedience, in: David L. Balch / dies. (hg.), Early Christian Families in Context. An Interdisciplinary dialogue, Grand Rapids / Cambridge 2003, 255 – 274: 270 – 274 erörtert, ob dieser umfassende Gehorsam auch sexuelle Verfügbarkeit einschloss. Im Hintergrund steht die Frage, wieweit christliche Haushalte mit den Konventionen und Rollenerwartungen der Umwelt brachen. Die frühen Quellen verweigern hierauf eine klare Antwort – oder sollte man eher von beredtem Schweigen sprechen? 45 J. Albert Harrill, Slaves in the New Testament. Literary, Social, and Moral Dimensions,

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dacht ist, ihre Sklaven nach Ablauf einer gewissen Zeit frei zu lassen, wird gegenwärtig kontrovers diskutiert.46 Obwohl die Grundstruktur des Textes reziprok ist – es werden Paare von Adressaten gebildet und gemahnt –, wird also die Weisung an Sklaven deutlich betont. Man kann zwar nicht sagen, dass der Text sich nur auf solche Häuser bezieht, in welchen sowohl Slaven als auch ihre Herren Christen sind. Doch belegt der Text, dass in den angeschriebenen christlichen Gemeinden Sklaven und Herren neben- und miteinander Mitglied waren. Es ist zu beachten, dass die Passage, welche unterschiedliche Ratschläge an Sklaven und Herren gibt, nach der Feststellung von Kol 3,11 folgt (die vermutlich die in Gal 3,28 überlieferte Formel aufgreift),47 die eine Unterscheidung von Sklaven und Herren in der christlichen Gemeinde aufzuheben scheint. Die Art und Weise, wie der Autor des Kol beide Aussagen nebeneinander stellt, provoziert die Frage, ob unsere Wahrnehmung einer sachlichen Spannung nicht auf einem falschen Verständnis beruhen könnte, das unterschiedliche Sachebenen unzulässig vereint. Der Abschnitt aus Kol 3 wird in Eph 6,5 – 9 aufgenommen.48 Abfolge und Balance der Vorlage bleiben dabei erhalten, doch werden kleine Änderungen eingefügt. So fehlt in Eph 6 das Motiv des eschatologischen Lohns (vgl. Eph 6,8 mit Kol 3,24). Statt dessen wird ein Verweis auf moralische Standards eingefügt, die für Freie und Sklaven gelten. Das Motiv des unparteiischen Urteils über den Übeltäter wird von der Ermahnung der Sklaven (Kol 3,25) verschoben zu derjenigen der Herren (Eph 6,9). Korrigiert wird damit jetzt eine irrtümliche Auffassung der Herren, nicht mehr der Sklaven. Eph 6,7 könnte dabei mit dem Bezug auf die eumoia den Akzent der Ermahnung vom Handeln auf die innere Haltung verlagern. Die Herren werden dazu ermahnt, ihren Zorn gegenüber Sklaven zurückzuhalten. Diese Ergänzung gegenüber der Vorlage könnte als Korrektur der vorherrschenden Praxis der Sklavenhalter interpretiert werden. Zugleich allerdings appelliert diese Mahnung an moralische Standards der Kontrolle über die eigenen Emotionen49, die aus den Diskursen der umgebenden Mehrheitsgesellschaft übernommen sein dürften. Einen Schritt weiter führen uns die Pastoralbriefe. Die Passage 1Tim 6,1 f. ist ausschließlich auf christliche Sklaven konzentriert. Ob die Tatsache, dass

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Minneapolis 2006, 103 – 113, versucht, die Rolle der irdischen Herren unter Bezug auf die Funktion des vilicus zu verstehen. Pro: Margaret Y. MacDonald, The Pauline Churches. A Socio-Historical Study of Institutionalization in the Pauline and Deutero-Pauline Writings, Cambridge 1988. Contra: Jennifer A. Glancy, Slavery in Early Christianity, Minneapolis 2006. Dazu s. u. S. 28. Zum Verhältnis von Kol und Eph vgl. Ernest Best, Who Used Whom? The Relationship of Ephesians and Colossians, NTS 43 (1997), 72 – 96; Geurt Henk van Kooten, Cosmic Christology in Paul and the Pauline School. Colossians and Ephesians in the Context of Graeco-Roman Cosmology, with a New Synopsis of the Greek Text (WUNT 2.R. 171), Tübingen 2003. Vgl. Harrill (s. Anm. 44), 94 f.

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Sklavenhalter nicht direkt angesprochen werden, darauf schließen lässt, dass solche in den Gemeinden der Past nicht vorkamen, ist fraglich. Zugunsten einer solchen Annahme könnte 1Tim 3,4 f. sprechen, ein Text, in welchem der ideale Haushalt eines Gemeindeleiters („Aufsehers“) entworfen wird, Sklaven jedoch keine Erwähnung finden. Weitreichende Hypothesen sollte man jedoch nicht auf die fraglichen Verse bauen. Jedenfalls macht der Text aus Kap. 6 einen Unterschied zwischen christlichen und nicht-christlichen Herren und bestätigt so indirekt die Existenz der erstgenannten Gruppe. Die von beiden Gruppen geforderte Haltung ist dieselbe; und der Text warnt ausdrücklich vor der Auffassung, dass christlichen Herren von ihren Glaubensgenossen weniger Respekt als nicht-christlichen schuldig sei. Der Text ist nicht, wie die entsprechenden Stücke in Kol und Eph, Teil einer Haustafel. Jesus Christus wird in der Argumentation nicht erwähnt, so dass das in Kol 3 und Eph 6 begegnende Wortspiel mit j}qior nicht verwendet werden kann. Ein Ausblick auf eschatologischen Lohn fehlt. Die Wendung oR t/r eqeqces_ar !mtikalbam|lemoi in V. 2b bezieht sich auf christliche Herren. Es wird diskutiert, ob !mtikalb\meim hier im Sinne von „geben“ oder von „empfangen“ zu verstehen sei.50 Die Auffassung, die gläubigen Herren gäben Wohltaten, könnte als ergänzendes Argument zugunsten der Grundposition des Textes verstanden werden; es würde dann nicht weiter erläutert. Die mit der Übersetzung „empfangen“ verbundene Auffassung, die Herren empfingen Wohltaten von ihren Sklaven, erscheint als Subversion des kulturellen Codes der antiken Sklavenhalter-Gesellschaft51 – ein Argument, das nicht schon durch den Verweis auf das Konzept des „erweiterten Körpers“ des Herren52 entkräftet wird. Dieselbe Begrenzung des Ratschlags an die Sklaven begegnet in Tit 2,9 f.: Der j}qior wird nicht erwähnt; die Herren werden als desp|tai bezeichnet (was jede direkte Gleichung von Herrn des Sklaven und dem christlichen „Herrn“ ausschließt), und eschatologischer Lohn wird nicht versprochen. Die Verbote in V.6b.7 evozieren geläufige Stereotype negativen Verhaltens von Sklaven53 und lassen keine besondere Sympathie für und Nähe zu dieser sozialen Gruppe erkennen. Die Haltung der Mahnung ist, man kann es kaum anders sagen, herablassend. Wenden wir uns frühchristlichen Texten außerhalb der paulinischen Tradition zu:

50 Vgl. Jürgen Roloff, Der erste Brief an Timotheus (EKK XV), Neukirchen-Vluyn u. a. 1988, 325 Anm. 497. 51 Vgl. Luke T. Johnson, The First and Second Letters to Timothy. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 35 A), New York 2001, 284 f. Vgl. die Vorstellung von Sklaven als Wohltätern bei Seneca, De beneficiis 3,18 – 20 und dazu die Erörterung durch Philipp H. Towner, The Letters to Timothy and Titus (NICNT), Grand Rapids (MI) 2006, 387 f. 52 Vgl. Glancy (s. Anm. 45), 147. 53 Vgl. Glancy (s. Anm. 45), 148.

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1Petr 2,18 – 20 ermahnt Haussklaven (oQj]tai), ihren Herren zu gehorchen (erneut wird griechisches desp|tgr verwendet), seien sie gut oder schlecht. Eine Unterscheidung zwischen christlichen und nicht-christlichen Herren wird nicht ausdrücklich gemacht, obwohl darauf mit Hilfe der Unterscheidung von Qualitäten angespielt sein kann. Anders als in den zuvor untersuchten Texten legt die Mahnung 1Petr den Akzent auf das Ertragen ungerechter Herren; und das Leiden, das aus einer solchen Behandlung folgt, wird als Gnade Gottes interpretiert. Der Ermahnung folgt eine der christologischen Passagen des Briefes (V. 21 – 25). Das Leiden Christi wird dabei zugleich als rettend („für euch“) und als nachzuahmendes Beispiel präsentiert (V. 21). Die Passage richtet sich gewiss nicht ausschließlich an Sklaven, aber die geschaffene Komposition erlaubt es, das Leiden der Sklaven in Analogie zum Leiden Christi (und ggf. der Gemeinde) zu verstehen. Während also das Wortspiel um j}qior in anderen Texten eine metaphorische Annäherung von Herren und dem Herrn (Jesus Christus) schuf, gibt 1Petr eine Art christologischer Interpretation der Sklavenexistenz. Den Weg Christi mit Hilfe des Bildfelds der Sklavenexistenz zu beschreiben, ist dabei im frühen Christentum nicht neu (vgl. nämlich Phil 2,7), doch scheint die Anwendung in einer moralischen Weisung an eine bestimmte soziale Gruppe eine Innovation unseres Textes zu sein. Die Beziehung von Sklaven zu Herren wird auch in zeitgenössischen oder späteren außerkanonischen Texten des frühesten Christentums angesprochen. In Did 4,10 f. wird im Kontext des sog. Zwei-Wege-Traktats (Did 1,1 – 6,1) folgende Mahnung formuliert: „Du sollst deinem Sklaven oder deiner Sklavin, welche auf denselben Gott hoffen, keine Befehle geben, wenn du zornig bist, damit sie nicht ablassen Gott zu fürchten, der über euch beiden ist. Denn er kommt nicht zu rufen mit Rücksicht auf das Ansehen, sondern die, welche der Geist vorbereitet hat. Und ihr Sklaven sollt euren Herren untergeordnet sein wie einem Abbild Gottes, in Respekt und Furcht.“

Die Passage ist Teil eines längeren Textes welcher die Haltung gegenüber Lehrern (4,1 f.), in der Gemeinschaft (4,3 f.), gegenüber den Armen (4,5 – 8), gegenüber den eigenen Kindern (4,9) und schließlich gegenüber Sklaven und Herren anspricht. Wie J. Albert Harrill beobachtete, werden nur die Sklaven im Plural angeredet.54 Dies stellt sie rhetorisch als Unter-Gruppe der Gemeinschaft heraus, vermittelt zugleich aber den Eindruck, die Mahnung an sie sei von höherer Warte gesprochen. Die zitierte Passage impliziert das Beieinander von Sklaven und Herren im selben Haushalt. Für beide Mahnungen wird mit Verweis auf denselben Gott argumentiert: Die Herren werden sogar als t}por heoO bezeichnet (ob es sich, 54 Vgl. Harrill (s. Anm. 44), 94.

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wie in der Exegese wiederholt behauptet, um eine Anspielung auf Gen 1,27 handelt, ist mir dabei nicht sicher). Die zitierte Passage im Kontext der „Zwei Wege“ begegnet fast wörtlich wieder in Barn 19,7 f.55 Dort geht die Mahnung an die Sklaven nun derjenigen an die Herren voran. Blicken wir noch in eine spätere Kirchenordnung: Die Regelungen, welche die Traditio Apostolica (Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr.) zu Sklaven als Mitgliedern der christlichen Gemeinde trifft, unterscheiden zwischen Sklaven, welche christliche Herren haben, und anderen (TradApost 15; ed. Geerlings, 244). Es ist bemerkenswert, dass im ersten Fall das Verhältnis von Sklaven und Herren auf die Frage nach der Beteiligung am Gemeindeleben bezogen werden: Die Sklaven benötigen die Erlaubnis ihrer Herren, um an der christlichen Unterweisung teilzunehmen. Wenn diese verweigert wird, so ist die Gemeinde gehalten, die Aufnahme abzulehnen. Wenn jedoch der Herr des Sklaven kein Christ ist, sehen die Regelungen keinen solchen Einfluss des Herrn auf das geistliche Leben des Sklaven vor. In TradApost 16 (ed. Geerlings, 248) findet sich unter verschiedenen Regelungen für verschiedene abgelehnte Personen und Berufe der Ratschlag, dass die (christliche) Konkubine eines (nichtchristlichen) Liebhabers bei ihrem Herrn bleiben solle, um ihre Kinder gemeinsam aufzuziehen, während der (christliche) Liebhaber einer (nichtchristlichen?) Konkubine ermahnt wird, diese zu verlassen und eine Frau nach römischem Recht zu heiraten. In den Kap. 7 bis 12 der ApocPetr, einem Text, der wahrscheinlich bis auf die Bar-Kochba-Zeit zurückgeht und vollständig nur in äthiopischer Sprache erhalten ist56, werden dem Seher in einer Vision nicht weniger als 21 verschiedene Arten der Ewigen Strafe gezeigt, entsprechend den 21 Arten von Sündern. Zu diesen zählen ungehorsame Sklaven, Männer und Frauen, die dazu verdammt sind, ihre eigene Zunge zu zerbeißen (was wahrscheinlich auf ihr Vergehen deutet): „Und wiederum, andere Männer und Frauen, welche ruhelos ihre Zunge zerkauen, indem sie gequält werden mit ewigem Feuer. Das sind die Sklaven, welche ihren Herren nicht gehorsam gewesen sind. Dies ist also ihr Gericht für ewig.“ (ApocPetr 11,8 f.)57

Das Motiv wird in der lateinischen Visio Beati Esdrae aufgenommen, einer weiteren christlichen Apokalypse, die auch aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammen könnte. Nach der längeren Rezension (Rezension B) sieht Esra im Tartaros (50a) 55 Zum Verhältnis der Passagen in Did und Barn vgl. Kurt Niederwimmer, Die Didache (KAV 1), Göttingen 1989, 48 – 64. 56 Zu den Einleitungsfragen vgl. C. Detlef G. Mìller, Offenbarung des Petrus, in: Wilhelm Schneemelcher (hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, II. Band. Apostolisches. Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen, 61997, 562 – 578: 563 – 566. 57 Dt. Übersetzung von Mìller (s. Anm. 34), 574.

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et qui dominum suum negauerunt, et qui mercenario suo de iusta mercede fraudem fecerunt similiter mittebantur58

während die anderen Rezensionen (L; C) derselben Passage nicht von der Beziehung von Herrn und Sklave sprechen, sondern vom Verhalten des Menschen gegenüber Gott (Dominum oder Deum). Festzuhalten ist, dass die Parallele mit dem nachfolgenden Satz sich nicht in der ApocPetr findet. Obwohl die Beziehungen Sklave–Herr und Herr–Lohnarbeiter einander nicht streng entsprechen, scheint die Komposition den Eindruck einer gewissen Reziprozität zu vermitteln. Ich bin jedoch nicht sicher, ob aus der zu bemerkenden Inkongruenz zu schließen ist, der Text kenne keine christlichen Sklavenhalter. Die angeführten Texte aus verschiedenen Dekaden des Christentums im ersten und zweiten Jahrhundert erweisen, dass es eine literarische (und vielleicht mündliche) Tradition der moralischen Weisung für Sklaven und Herren gab, die mit dem Bildfeld des Hauses verbunden war.

Sklaven-Bilder Die Kenntnis und Erfahrung der Sklaverei hatte erkennbare Auswirkungen auf die in den frühchristlichen Texten verwendeten Anspielungen und Bilder. Wir erkannten schon aus der Analyse der Haustafeln und anderer moralisch mahnender Texte, dass sowohl Sklaven wie auch Sklavenhalter als moralische Subjekte angesprochen werden konnten. Die Verwendung von Bezeichnungen und Bildern der Sklaverei ist dagegen insofern parteilich, als sie die Position und Perspektive (früherer) Sklaven einnimmt. Das angesprochene Themenfeld ist umfangreich. Im Rahmen dieser Skizze konzentriere ich mich daher auf einige markante Beispiele. Verschiedene Selbstbezeichnungen früher Christen gebrauchen das Bildfeld der Sklaverei, ein Bildfeld, deren Implikationen jedermann geläufig gewesen sein dürften. Die Bezeichnung als „Sklave Jesu Christi“, die implizit oder explizit der Verehrung für Jesus als „Herrn“ (j}qior) entspricht, ist seit der Zeit des Paulus Bestandteil frühchristlicher Sprache. Paulus selbst benutzt die Bezeichnung bekanntlich für sich selbst (vgl. Röm 1,1; Gal 1,10; Phil 1,1) und für christliche Brüder (1Kor 7,22). Sie wird in späteren Schriften der paulinischen Tradition und darüber hinaus aufgenommen (vgl. Eph 6,6; Kol 4,12, Jak 1,1; Jud 1,1; s. also 2Tim 2,24; über Polykarp vgl. Euseb, h.e. 4,15,20; der Brief der Gemeinden von Lyon und Vienne bei Euseb, h.e. 5,1,3.5; ActThom 139,2). Das Bild wird erweitert und verändert durch die Vorstellung vom Sklaven 58 Text: Albert-Marie Denis, Concordance Latine des Pseudepigraphes d’Ancien Testament (CChr Thesaurus Patrum Latinorum Supplementum), Turnhout 1993, 618.

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als Freigelassenen; vgl. 1Kor 7,22; IgnRöm 4,3, wobei unterschiedliche soteriologische Akzente gesetzt werden können: Während die paulinische Passage, die sich mit der Stellung von Sklaven und Freien in derselben Gemeinde befasst, auf vergangene Befreiung (durch Jesus Christus, die Taufe, oder den Eintritt in die Gemeinde) zurückzuschauen scheint, blickt Ignatius voraus auf Befreiung durch Auferstehung. Die Vorstellung von der Sklaverei (unter der Sünde oder der Vergänglichkeit) wird auch in anderen Texten entwickelt; vgl. Röm 6,16.20; 2Petr 2,19; Joh 8,34, sowie wiederholt im koptischen EvPhil (vgl. 110a.114.119). Hier ist Sklaverei eindeutig negativ verstanden; die positive Implikation des Bildes liegt in der Hoffnung auf Befreiung. Verbreiteter ist jedoch die Wendung „Sklave Gottes“, im Neuen Testament und darüber hinaus; vgl. Apg 16,17; Tit 1,1 (für Paulus!); 1Petr 2,16; s. auch Apg 2,18; 4,29; Offb 1,1; 15,3; 19,2.5; 22,3.6; 1Clem 60,2; sehr oft in Herm, vgl. 2,4; 13,1; 22,3 usw., ferner ActJoh 19; ActThom 139,3 u. a. Die Traditionsgeschichte dieser Bezeichnung weist auf die feste Verwurzelung im Judentum,59 was auch an christlichen Texten wie Offb 15,3 (Mose), 10,17; 11,18 (die Propheten) oder Lk 2,29 (der Fromme) ablesbar ist. Die ekklesiologische Bedeutung des Bildfeldes wird aus Texten erkennbar, in denen das Verhalten innerhalb der Gemeinde mit seiner Hilfe zum Ausdruck gebracht wird. Wir treffen auf dieses Phänomen wiederum bereits in paulinischen Texten; vgl. 1Kor 9,19; 2Kor 4,5: Paulus stellt sich in diesen Passagen als Sklave „aller“ oder der angeschriebenen Gemeinde vor. Weitere Belege im Neuen Testament sind Joh 13,16; Mk 10,44par. Mt 20,27; Mt 10,24 f par. Joh 13,16. Diese Aussagen sind vermutlich verbunden mit der Vorstellung von der Gemeinschaft als „Haus“, auch wenn dies nicht in jeder Passage explizit gesagt wird (vgl. auch 1Kor 4,1 f.; Eph 2,19; 1Tim 3,15; Hebr 3,16). Das Bild wird noch verstärkt durch den Bezug auf die Vorstellung der Selbstversklavung zugunsten anderer oder der Gemeinschaft; vgl. 1Kor 9,19; ActThom 110,44; 143,2; 167,2. Davon verschieden ist die Konstruktion des Bildes in Joh 8,33 – 36: Während der wahre und freie Sohn im Haus bleibt und seine Nachfolger befreit, hat der Sklave eines Tages das Haus zu verlassen. Im Hintergrund des Bildes60 könnte eine Erfahrung aus der Alltagswelt stehen: die übliche Praxis der Freilassung von Haussklaven nach langjährigem Dienst im Haus61. 59 Vgl. die Hinweise bei Hermut Lçhr, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet. Untersuchungen zu 1Clem 59 bis 61 in seinem literarischen, historischen und theologischen Kontext (WUNT 160), Tübingen 2003, bes. 328 – 333. 60 Charles Harold Dodd, Historical Tradition in the Fourth Gospel, Cambridge 1963, 380 – 382 versteht V. 35 als ein kleines Gleichnis von Sohn und Sklave. Vgl. auch das Gleichnis in EvPhil 2. 61 Vgl. Rudolf Schnackenburg, Das Johannesevangelium. II. Teil. Kommentar zu Kap. 5 – 12 (HThK 4/2), Freiburg i.Br. u. a. 1971, 264 f. Klaus Wengst, Das Johannesevangelium. 1. Teilband: Kapitel 1 – 10 (ThKNT 4,1), Stuttgart, 2. Aufl. 2000, 343 versteht die Aussage eher im Rahmen des biblisch-jüdischen Sklavenrechts. Eine antijüdische Pointe der Parabel (etwa unter Verweis auf Hebr 3,5 f.) lehnt Wengst m. E. zu Recht ab.

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Zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden

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Die Gestalt des Sklaven spielt wiederholt eine Rolle in frühchristlichen Parabeln. In einigen, aber nicht in allen, von ihnen wird der gute und gehorsame Sklave als positives moralisches Rollenmodell in verschiedener Hinsicht für die christlichen Leser präsentiert. In einigen Texten (Mt 13,24 – 30; 18,22 – 35; Lk 17,7 – 1062) wird dieses Modell als Beispiel für Gemeindeleben und Kirchenzucht angeführt, während es in anderen eschatologische Mahnungen unterstützt (Mt 24,45 – 51 par. Lk 12,41 – 46; Mt 25,14 – 30 par. Lk 19,12 – 27). In der fünften Parabel des Herm (Herm 55,1 – 59,8) wird das Bild des Sklaven, welcher den Weinberg seines Herrn bewirtschaftet, ausführlich entfaltet. Martin Leutzsch hat die sozialen Realitäten hinter der Parabel ausführlich dargestellt.63 Die vom Text selbst angebotene Interpretation der Parabel hebt zunächst die Rolle des Sklaven als Modell für christliches Streben nach moralischer Vervollkommnung hervor und konzentriert sich dabei auf das Fasten (56,1 – 9). Darauf erfährt die Interpretation eine christologische Wende, indem der Sklave mit dem Sohn (Gottes) identifiziert wird (58,2).

Corollarium: Gal 3,28 / 1Kor 12,13 – Ein Programm-Wort des frühen Christentums? Man könnte vermuten, dass die Aussage Gal 3,28 das Beispiel gibt für die frühchristliche Auffassung in Hinsicht auf die Sklavenfrage. In Parallele zu den Gegensatzpaaren von „Jude“ und „Grieche“ sowie „männlich“ und „weiblich“ wird auch vom Gegensatz von „Sklave“ und „Freier“ festgestellt, dass er „in Jesus Christus“ nicht mehr bestehe. Während im Kontext von Gal 3 die erste Opposition von herausragender Bedeutung ist, scheinen die beiden anderen keine besondere Bedeutung für die aktuelle Argumentation zu haben und möglicherweise als Tradition mit zitiert worden zu sein. Dies führte in der Exegese zu der Hypothese, es könne sich um ein Stück vor-paulinischer (Tauf-?) Tradition handeln, welche vom Apostel erinnernd zitiert werde. Eine ähnliche Formel findet sich in 1Kor 12,13, doch fehlt in diesem Text der Gegensatz von männlich und weiblich. Im Kontext des Wortes wird deutlich auf die Taufe mit Wasser und Geist angespielt. In den jeweiligen Kontexten wird deutlich, welche beabsichtigten Folgen die Anwendung der Formel auf den Bereich der Moral der Gemeinden hat: Weil es keine fortbestehende Differenz zwischen Jude und Grieche gibt, sind Speisegebote und Beschneidung für die christliche Gemeinde nicht länger gültig. Und weil alle, die getauft wurden, denselben Geist erhielten, sind Christen nicht berechtigt, Unterscheidungen in Bezug auf spirituelle Gaben oder andere Kategorien aufrecht zu erhalten. 62 Die Einleitung in V. 7 könnte die Existenz christlicher Sklavenhalter implizieren. 63 Vgl. Martin Leutzsch, Die Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit im „Hirten des Hermas“ (FRLANT 150), Göttingen 1989, 144 – 153.

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Hermut Löhr

Doch sind die Konsequenzen der Leugnung der Differenz zwischen männlich und weiblich und derjenigen zwischen Sklave und Herr nicht ganz deutlich. Erlauben etwa Texte wie 1Kor 11,2 – 16 oder 14,33b–36 (wenn nicht von Paulus selbst, dann doch aus der sich aus Paulus berufenden frühchristlichen Tradition) die Auffassung, der Apostel habe sich für gleiche Rechte von Männern und Frauen in der christlichen Gemeinde eingesetzt? Und wie verhält es sich mit Sklaven und Herren? Wie wird Ununterschiedenheit oder Gleichheit zwischen ihnen in den von Paulus beeinflussten Gemeinden konkret? Was können wir aus Phlm für die grundsätzlichen Auffassungen des Paulus in Hinsicht auf Sklaverei allgemein und christliche Sklavenhalter im Besonderen lernen? Geht es nicht vielmehr um die Lösung eines Einzelkonflikts? Und schließlich: Kann das Wort Gal 3,28 verstanden werden als Programm-Wort für Paulus und die von ihm beeinflusste frühchristliche Tradition? In Hinblick auf die letzte Frage, um nur diese noch aufzugreifen, lautet die Antwort: Nein. Die wenigen vorhandenen Belege der Rezeption des Wortes im frühen Christentum, beginnend mit Kol 3,11,64 lassen nicht erkennen, dass das Wort in innerchristlichen Debatten um die Sklaverei bis zu Clemens von Alexandrien verwendet wurde (ActJoh 129,2; vgl. 2Clem 12,2; EvThom 22; EvAeg bei ClemStrom III, 13,92,2 – 93,1).

Ergebnisse Unsere Beobachtungen und Überlegungen zu Sklaven im nach-paulinischen frühen Christentum des ersten und beginnenden zweiten Jahrhunderts ergeben folgende Resultate: 1. Belege für die Präsenz und Funktion von Sklaven in christlichen Gemeinden sind rar und verstreut, aber verlässlich vorhanden. Wir können jedoch nicht sagen, dass Sklaven die Mehrheit der Mitglieder in frühchristlichen Gemeinden bildeten. 2. Die vorherrschend in den Texten implizierte Vorstellung von Sklaven und ihren Lebensumständen ist diejenige, dass sie mit ihren Herren im gleichen Haushalt leben. 3. Es gibt Belege für christliche Sklaven in christlichen Häusern, für nichtchristliche Sklaven in christlichen Häusern, und ebenso für christliche Sklaven in nicht-christlichen Häusern. 4. Ein Programm oder Prinzip der Abschaffung der Sklaverei im frühchristlichen Denken ist nicht erkennbar. Das Vorhandensein von Sklaven 64 Wie in 1Kor 12,13 wird in diesem deutero-paulinischen Wort der Gegensatz von männlich und weiblich nicht erwähnt.

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Zur Rolle von Sklaven in christlichen Gemeinden

5. 6. 7. 8. 9.

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war allgemein akzeptiert und bildete keinen Gegenstand besonderen Interesses. Sklaven wurden im frühchristlichen Denken als moralische Subjekte angesehen. Die moralischen Standards in Hinsicht auf Sklaven werden aus der Umwelt und ihrer Vorstellung von einem „guten“ Sklaven übernommen. Es gibt Indizien dafür, dass Sklaven in christlichen Gemeinden Funktionen übernahmen. Aus anderen Texten ist zu erkennen, dass der Status und das Ansehen von Sklaven in der Mehrheitsgesellschaft teilweise in den christlichen Diskurs übernommen wurden. Die Vorstellung vom „Sklaven Gottes“ aus der biblisch-jüdischen Tradition in Verbindung mit den aus der alltäglichen Erfahrungen gewonnenen Vorstellungen von Sklaverei und Freilassung trug erheblich dazu bei, das theologische und moralische Denken des frühen Christentums der angesprochenen Epoche zu formen.

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Markus Öhler

Silvanus und Christus. Sozialgeschichtliche Erwägungen zum Silvanuskult und zum 1. Petrusbrief Der vorliegende Beitrag beruht auf einer eher zufälligen Lesefrucht und einer Beobachtung zum 1. Petrusbrief. Bei meiner Beschäftigung mit antiken Vereinigungen stieß ich in den „Untersuchungen der Religion der Sklaven in Griechenland und Rom“ von Franz Bçmer auf folgende Ausführungen: Silvanus sei die „echteste ,Sklavengottheit‘ … Es gibt in der Tat keine Gottheit, die mit den Sklaven enger verbunden war als Silvanus, denn er war ihresgleichen, nicht geknechtet, unterdrückt, verschleppt, sondern ein rusticus, ungepflegt, der seines Weges trottete, schlecht gekleidet und ohne Macht, wie die Sklaven selbst.“1 Der Silvanuskult, eine Sklavenreligion2, in der die einfachen Leute außerhalb der staatlichen Kulte ihre religiöse Heimat fanden, weckte meine Aufmerksamkeit. Bei der Beschäftigung mit Haustafeln fiel mir dann beim 1. Petrusbrief (freilich nicht als erstem) auf, dass die Paraklese 2,18 – 25 bezüglich der Sklavinnen und Sklaven auffällig strukturiert und inhaltlich gestaltet ist. Die Anweisungen an die oQj´tai stehen, anders als jene an doOkoi in den klassischen Haustafeln Kol 3,18 – 4,1 und Eph 5,21 – 6,9 nicht am Ende der Mahnungen, sondern am Beginn. Zudem fehlen, wiederum in Differenz zu den älteren Beispielen (vgl. aber 1Tim 6,1 f. und Tit 2,9 f.), Anweisungen an die Herren. Inhaltlich wird die Paraklese an Sklavinnen und Sklaven in 1 Petr 2 schließlich mit ausführlichen christologischen und soteriologischen Aussagen verknüpft. Offenbar spielte diese soziale Gruppierung unter den Adressaten und Adressatinnen des Briefes eine gewichtige Rolle.3 1 Franz Bçmer/Peter Herz, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom. I: Die wichtigsten Kulte und Religionen in Rom und im lateinischen Westen, FAS 14,1, Wiesbaden 19812, 84. 2 Vgl. zu dieser Einordnung den Forschungsüberblick bei Peter F. Dorcey, The Cult of Silvanus. A Study in Roman Folk Religion, Columbia Studies in the Classical Tradition 20, Leiden u. a. 1992, 106. 3 Dies ist nicht nur aufgrund der Gestaltung der Paraklese wahrscheinlich, sondern auch im Blick auf das frühe Christentum insgesamt; vgl. für die sozioökonomische Zusammensetzung der paulinischen Gemeinden etwa Steven J. Friesen, Poverty in Pauline Studies: Beyond the Socalled New Consensus, JSNT 26, 2004, 323 – 361. Das Urteil des Kelsos, dass die Christen „nur die einfältigen, niedrigen und primitiven Menschen: Sklaven, Weiber und Kinder, überreden wollen und können“ (Origenes, Contra Celsum 3,44) wird nicht so weit von der Realität entfernt gewesen

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Silvanus und Christus

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Aus diesen beiden Einblicken ergab sich die Fragestellung, ob sich diese beiden Formen antiker Religiosität, der Silvanuskult und die Christusverehrung, vergleichen lassen, vor allem im Blick darauf, dass Sklavinnen und Sklaven von ihnen anscheinend besonders angezogen wurden. Wir werden dabei ebenso sehen, dass auch wesentliche Unterschiede ans Licht treten und die beiden „Kulte“ in ihrem jeweiligen Profil deutlicher werden. Die phänomenologische Gegenüberstellung, die in diesem Beitrag versucht wird, ist also nicht daran interessiert, eine genealogische Abhängigkeit zu konstruieren, sondern die sozialgeschichtlichen Konstellationen zu vergleichen.4 Im Folgenden wird zunächst der Silvanuskult dargestellt, seine Form, Entstehung und Verbreitung, die soziale Zusammensetzung und die Gemeinschaftsformen. Dabei wird gegenüber der oben genannten Festlegung als „Sklavenkult“ eine differenziertere Deutung erkennbar werden. Daran anschließend widmet sich der Beitrag dem 1. Petrusbrief, wobei in einem ersten Schritt einige Vorfragen geklärt, zweitens die Ausführungen zu Sklaven und Sklavinnen näher bedacht, und drittens weitere Hinweise auf die sozioökonomische Situation der intendierten Leserinnen und Leser aufgezeigt werden. Im abschließenden Teil werden Parallelen und Differenzen erhoben, wobei der Fokus auf der Situation und Wertung von Sklaven und Sklavinnen liegen wird.

1. Die Verehrung des Silvanus Silvanus gehörte zu den im Westen am meisten verehrten Gottheiten, wie aus den überaus zahlreichen Inschriften, die den Kult belegen, deutlich wird.5 Auf diesem Hintergrund ist es beinahe erstaunlich, dass der Silvanuskult in der Erforschung des frühen Christentums eine eher untergeordnete Rolle spielt – oder genauer – schlicht nicht beachtet wurde.6 Das hängt wohl damit zusein; vgl. Horacio E. Lona, Die „wahre Lehre“ des Kelsos, KfA Ergänzungsband 1, Freiburg u. a. 2005, 197 – 199. 4 Vgl. zum religionsgeschichtlichen Vergleich grundsätzlich Jonathan Z. Smith, Drudgery Divine. On the Comparison of Early Christianities and the Religions of Late Antiquity, London 1990. Zur kritischen Diskussion über Smith’s Ansatz vgl. etwa Hans G. Kippenberg, Comparing Ancient Religions: A Discussion of J. Z. Smith’s „Drudgery Divine“, Numen 39, 1992, 220 – 225; Burton L. Mack, After Drudgery Divine, Numen 39, 1992, 225 – 233; Robert F. Segal, Classification and Comparison in the Study of Religion: The Work of Jonathan Z. Smith, JAAR 73, 2005, 1175 – 1188. 5 Dorcey, Cult, 1, nennt die Zahl von über 1100 bekannten Inschriften, die in den vergangenen 20 Jahren sicherlich noch deutlich erhöht wurde. Dorcey formuliert (1): „If the sheer number and geographic dispersion of inscriptions and other archaeological remains are indicators of relative importance, Silvanus emerges as one of the most venerated deities in the Roman Empire.“ 6 So erwähnt das ausgezeichnete Lehrbuch von Hans-Josef Klauck, Die religiöse Umwelt des Urchristentums, KStTh 9, 2 Bde., Stuttgart 1995 u. 1996, Silvanus ebenso nicht wie die fünf Bände aus der Reihe Neues Testament und Antike Kultur, edd. Kurt Erlemann u. a., Neukirchen-Vluyn 2004 – 2008.

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sammen, dass auch die althistorische Forschung Silvanus relativ wenig Augenmerk schenkte, was mit der Stellung des Gottes im römischen Pantheon und der sozialen Stellung seiner Verehrer und Verehr-erinnen zusammenhängt. 1.1 Gestalt, Herkunft und Verbreitung des Silvanuskultes Obwohl antike Autoren den Kult des Silvanus bereits für die Anfänge Roms voraussetzen7, stammen die ältesten Zeugnisse für eine Verehrung erst aus dem 2. Jhd. v. Chr.8 Die Bezeichnung der Gottheit als Silvanus verweist wahrscheinlich auf dessen engen Bezug zum Wald (silva).9 In der Tat hatte Silvanus zumeist wenigstens eine rudimentäre Verbindung zu Wald und Wiesen. Er wird häufig ausdrücklich als „Gott des Waldes“ bezeichnet10, seine bildlichen Attribute sind die Sichel, die Pinie (bzw. ein Zweig oder Zapfen) und der Hund. Seine Funktion als Bewahrer von Grenzen verweist ebenso auf den rustikalen Kontext.11 Damit zusammenhängend wird die Gottheit aber auch als Silvanus domesticus bezeichnet, sodass Silvanus auch zu den Hausgottheiten gehört, die im Rahmen der nicht-öffentlichen, alltäglichen Kultausübung verehrt wurden. Für domesticus finden sich unter den etwa 150 Belegen auch zahlreiche Beispiele aus Carnuntum.12 Eine Blüte erlebte der Silvanuskult im 2. und 3. Jhd. n. Chr., wie die zahlreichen Inschriften erkennen lassen. Die literarischen Belege zeigen aber, dass 7 So etwa in Propertius’ Elegien, 4,4,11 f., wo über ein Silvanusheiligtum am Kapitol schon in der Zeit des Romulus berichtet wird (vgl. auch Plinius sen., Nat. Hist. 15,77), oder bei Vergil, der den Kult den vorrömischen Pelasgern zuordnet (Aen. 8,597 – 601). 8 Plautus, Aulularia 674 f. 766; Cato, Agr. 83. 9 Vgl. zuletzt Mih‚ly Lorand D¦szpa, Art. Silvanus, in: DNP 11 (2001), 562 – 564: 562. 10 Vgl. Marcus Nenninger, Die Römer und der Wald. Untersuchungen zum Umgang mit einem Naturraum am Beispiel der römischen Nordwestprovinzen, Geographica historica 16, Stuttgart 2001, 20 – 22; Belege bei Dorcey, Cult, 18 Anm.19. Zu einer Bezeichnung als Silvanus silvestris vgl. Ekkehard Weber, Silvanus in Carnuntum, in: L’Afrique, la Gaule, la Religion — l’¦poque romaine. M¦langes — la m¦moire de Marcel Le Glay, Brüssel 1994, 624 – 627. 11 Dorcey, Cult, 22. 12 Nach der Zählung von Manfred Kandler handelt es sich um 68 Nennungen des Silvanus Domesticus in Carnuntum (Zum Kult des Silvanus und der Silvanae in Carnuntum, in: „Eine ganz normale Inschrift“ … und Ähnliches zum Geburtstag von Ekkehard Weber, edd. Franziska Beutler/Wolfgang Hameter, Althistorisch-Epigraphische Studien 5, Wien 2005, 377 – 388). Wenigstens zwei Kultbauten für Silvanus sind in der Zivilstadt Carnuntums belegt. Zum Silvanuskult in Carnuntum vgl. auch Gabriela Hackel, Die Zeugnisse des Gottes Silvanus in Carnuntum und im übrigen österreichischen Pannonien, Dipl. Arbeit Univ. Wien 1995. Zwei Beispiele für die Bezeichnung als domesticus: Silvano / Domestic(o) /sacr(um) / Valeria L(ucii) f (ilia) Vita/lis quae et Dom/nina v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aeta) m(erito) „Dem Silvanus Domesticus geweiht! Valeria, Tochter des Lucius Vitalis, und Domnina haben das Gelübde gerne, freudig und nach Verdienst eingelöst.“; sowie: Silvano / Domestic[o] / et Maguae / sacr(um)/ Vind(ius) Karus / v(otum) s(olvit) „Dem Silvanus Domesticus und der Magua geweiht. Vindius Karus löste das Gelübde ein.“ in: Götterbilder – Menschenbilder. Religion und Kulte in Carnuntum, edd. Franz Humer/Gabrielle Kremer, Wien 2011, No. 599 bzw. 603.

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Silvanus und Christus

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er schon lange davor verehrt wurde.13 Die Verbreitungsgebiete sind relativ klar umrissen:14 Neben dem Schwerpunkt Rom (22,6 %) finden sich viele Zeugnisse in Pannonien (superior 15,4 %, inferior 7,0 %), in Italien (9,0 %), Dakien (8,8 %), Dalmatien (8,0 %) und Gallien (Cisalpina 7,2 %, Narbonensis 6,1 %). Aus dem Osten sind nur sehr wenige Belege bekannt.15 Die Zahlen zeigen, dass es sich vor allem um einen stadtrömischen Kult handelt16, obwohl er ländliche Wurzeln hat und in diesem Raum auch weit verbreitet war. Die starke Präsenz in einzelnen Donauprovinzen hängt möglicherweise mit der Gleichsetzung des Silvanus mit einer lokalen Gottheit zusammen17, könnte aber auch die simple Übernahme eines populären römischen Kultes sein.18 Die Verbreitung geschah vor allem durch Soldaten, Freigelassene sowie durch Sklaven und Sklavinnen.19 In den Provinzen Dalmatia, Pannonia und Dacia beteiligten sich regionale Eliten stärker am Silvanuskult20, während Silvanus, der nicht in die Reihe der offiziellen Kulte aufgenommen wurde, in Rom vor allem individuell und in häuslichem Rahmen verehrt wurde. Dennoch ist auffällig, dass gerade in Rom eine Verbindung mit der familia Caesaris vorliegt, der viele Stifter angehörten.21 Dementsprechend war der Silvanuskult manchmal auch mit der Verehrung der Laren und einer Widmung zum Heil des Kaiserhauses verbunden.22 Für Rom ist zudem auffällig, dass Silvanus hier besonders häufig als sanctus 13 Umgekehrt zeigen die relativ seltenen Erwähnungen des Silvanus in literarischen Texten im Vergleich zu den überaus zahlreichen Nennungen in Inschriften, dass Eliten den Kult und die Mythologie der Gottheit nicht als bedeutend einschätzten. 14 Dorcey, Cult, 154 – 178, bietet eine Übersicht der bis 1992 bekannten Inschriften, die einen geographischen Überblick erlaubt. Die Prozentangaben richten sich nach Manfred Clauss, Die Anhängerschaft des Silvanus-Kultes, Klio 76, 1994, 381 – 387: 383 f. 15 Aus dem syrischen Arulis sind fünf Inschriften erhalten (AE 1908 24 – 28), was mit der Präsenz von Soldaten aus dem Donauraum zusammenhängt; vgl. Oliver Stoll, „Silvanus im Steinbruch“. Kulttransfer durch Soldaten der legio III Scythia in Syrien?, in: Religion – Wirtschaft – Technik. Althistorische Beiträge zur Entstehung neuer kultureller Strukturmuster im historischen Raum Nordafrika / Kleinaisen / Syrien, ed. Leonhard Schumacher, MAS 1, St. Katharinen 1998, 99 – 145: 141. Aus der Asia stammen zwei Belege (Lesbos: IGRR IV 48; Pergamon: CIL III 7087), aus Phrygien einer (Augustopolis: Eph.Ep 5, 1884, 1454) und aus Makedonien ebenfalls einer (Philippi: CIL III 633; Peter Pilhofer, Philippi. II: Katalog der Inschriften von Philippi, WUNT 119, Tübingen 2000, 164). 16 Dorcey, Cult, 51: „The imperial capital was Silvanus’ strongest cult center.“ 17 So etwa Weber, Silvanus, 625. 18 So Dorcey, Cult, 71 – 75. 19 Dorcey, Cult, 81; Clauss, Anhängerschaft, 386. 20 Dorcey, Cult, 115; Lorand D¦szpa, DNP 11 563. 21 CIL II 4089, III 8684, VI 619. 644. 927; XIV 4326; AE 1915 9; vgl. Bçmer/Herz, Religion 85 f.; Dorcey, Cult, 103 f. 22 Hier ist CIL VI 31021 besonders interessant, könnte es sich bei dem Dedikanten doch um den Bruder (oder Neffen) Vespasians T. Flavius Sabinus handeln; vgl. Robert E. Palmer, Silvanus, Sylvester, and the Chair of St. Peter, PAPS 122, 1978, 222 – 247: 226; allgemein Bçmer/Herz, Religion, 84.

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bezeichnet wird.23 Damit wird wahrscheinlich nicht eine Qualität der Gottheit selbst angezeigt, sondern die sie darstellende Figur zum sacrum erklärt. Geläufig ist auch die Bezeichnung des Silvanus als dominus, was möglicherweise auf Erscheinungen zurückgeht, in denen die Gottheit etwas verlangte.24 Ausschließlich in Rom findet sich für Silvanus das Epithet salutaris, mit dem seine heilende Funktion angesprochen wird.25 Aber auch eine große Anzahl weiterer Zuschreibungen, wie sie auch für andere Gottheiten üblich waren, wurden für Silvanus in gleicher Weise vorgenommen.26 1.2 Die sozioökonomische Einordnung der Verehrer und Verehrerinnen des Silvanus Auffällig ist beim Silvanuskult, so viel sollte nach den vorhergehenden Ausführungen bereits deutlich sein, weniger seine inhaltliche Ausrichtung, als vielmehr der Umstand, dass sich unter seinen Anhängern und Anhängerinnen sehr wenige Angehörige der Eliten befanden. Der Kult war, wenn auch nicht ein typischer Sklavenkult, so doch einer, der vornehmlich von Sklaven und Sklavinnen bzw. Freigelassenen gepflegt wurde.27 Ein detaillierter Blick auf die inschriftliche Befundlage28 ergibt, dass der Anteil von Senatoren bei lediglich 1,1 % liegt, der der sicheren Sklaven bei 9,5 % und der ausdrücklich Freigelassenen bei 5,8 %.29 Die Nennung von Personen mit tria nomina liegt bei 44,7 %, nur mit einem Namen sind von den etwa 1200 Personen 12,3 % bezeichnet. Wir begegnen im Silvanuskult also den „städtischen Grundschichten“30, was allerdings nicht ausschließlich Sklaven, Sklavinnen und Freigelassene meint. Stiftungsinschriften zeigen überdies, dass man mit einer nicht geringen Anzahl an vermögenden Silvanusverehrern rechnen muss.31 23 Vgl. dazu v. a. Palmer, Silvanus 223, der im Anhang die Belege aus Rom anführt. Auch die Bezeichnung des Silvanus als "cmºr und jakºr in IGRR IV 48 nimmt dies auf. 24 ILS 3080b=CIL VI 334, 3520=CIL VI 579, 3534=CIL VI 597; vgl. Palmer, Silvanus, 223. 25 ILS 3544 = CIL VI 543, 3566=CIL VI 31013 ; vgl. Palmer, Silvanus, 225. 26 Vgl. dazu die Übersicht bei Dorcey, Cult, 179 f. 27 Das ist eines der Hauptergebnisse der Studie von Dorcey : „The upper class had little interest in Silvanus.“ (Cult, 115); „The vast majority of Silvanus’ followers might be termed ‘non-elites’.“ (133); „Slaves, freedmen and relatively simple ingenui were drawn to a cult which had few barriers to participation.“ (134). 28 Bei Clauss, Anhängerschaft, 385 f. 29 Der Anteil der kaiserlichen Sklaven und Sklavinnen liegt zusätzlich bei 2,3 % und der Freigelassenen bei 2,5 %. 30 Clauss, Anhängerschaft, 386. 31 Die zu Beginn zitierte Deutung von Bçmer/Herz, Religion, 84, ist daher zu relativieren. Abgesehen von der blumigen Sprache ist eine Einordnung des Silvanuskultes als Sklavenkult sachlich nicht zutreffend, denn die Zahl der nicht eindeutig als Sklaven und Sklavinnen Erkennbaren und der Personen mit tria nomina unter den Dedikanten ist zu hoch, um dies so sagen zu können.

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Dennoch bleibt zu konstatieren: Obwohl die Verehrung des Silvanus ausgesprochen populär war, hatte die Gottheit keinerlei Funktion im Blick auf den Staat. Für die Eliten war er daher nicht attraktiv. Der Kult war vielmehr besonders den individuellen Anliegen seiner Anhänger und Anhängerinnen gewidmet.32 Seine Verehrung erfolgte in der Regel im (erweiterten) familiären Rahmen bzw. individuell.33 Wie weit Frauen an der Verehrung des Silvanus beteiligt waren, kann aus den Quellen unterschiedlich bestimmt werden.34 Bei Cato findet sich ein ausdrücklicher Ausschluss von Frauen bei Opfern an Mars und Silvanus (Agr. 83).35 Augustin verweist auf Varros Darstellung von Riten rund um die Geburt eines Kindes: Sie dienen dazu, Schutzgötter zu aktivieren, die Silvanus davon abhalten sollen, die Mutter zu überfallen (Civ. 6,9; vgl. 15,23). Auch inschriftlich ist ein Verbot für Frauen belegt: Ein Bad, das dem Silvanus geweiht war, durften Frauen nicht betreten (ILS 3520=CIL VI 579).36 Zugleich finden sich aber zahlreiche Inschriften, die von Frauen errichtet wurden37, die ganz offensichtlich an der Verehrung des Silvanus beteiligt waren. Hinzu kommt, dass es mit den Silvanae weibliche Begleitfiguren gab, die vor allem in Pannonien häufig verehrt wurden.38 Ein Ausschluss von Frauen ist daher nicht anzunehmen, eher wurden ihnen bestimmte Riten untersagt. 1.3 Silvanusvereinigungen Eine gewisse Rolle bei der Verehrung des Silvanus spielten auch collegia, wobei die meisten Beispiele dafür aus Rom und Italien stammen. Bei Dorcey sind für Rom 15 Inschriften genannt, aus denen eine entsprechende Vereinigung, die den Silvanuskult betrieb, erkennbar wird.39 Von diesen seien nur einige kurz erwähnt, die typische Verhältnisse wiedergeben. So stiftete etwa ein Onesimus dem collegium Silvani einen Krater (CIL VI 612). Ein Heiligtum des Silvanus und der Laren wurde um 106 n. Chr. von einem kaiserlichen Freigelassenen Tiberius Claudius Fortunatus, einem Mitglied der cura amicorum, gestiftet, der auch ein Einweihungsmahl finanzierte (CIL VI 630). Eine Vereinigung von Gladiatoren, die sich Silvanus als Gottheit gewählt hatte, 32 Vgl. Dorcey, Cult, 32. 33 Dorcey, Cult, 3: „Silvanus is the best documented example in Roman paganism of a popular god. He qualifies as popular because his cult was restricted to the private domain …“; „Most worshipped Silvanus for very personal reasons.“ (138); vgl. auch Bçmer/Herz, Religion, 85. 34 Vgl. dazu Dorcey, Cult, 125 – 132. 35 Vgl. auch Juvenal, Sat. 6,447, der Frauen die Opferung eines Schweines für Silvanus untersagt; zur Diskussion dazu vgl. Dorcey, Cult, 126. 36 Vgl. Palmer, Silvanus, 243; Dorcey, Cult, 127 f. 37 Aufgezählt bei Dorcey, Cult, 128 f. Anm.131. 38 Vgl. dazu u. a. Hackel, Zeugnisse, 46. 39 CILVI 242, 612, 630 – 632, 636, 642, 647, 693, 940, 950, 3713, 10231, AE 1979 61 f.; Dorcey, Cult, 84 Anm.4; vgl. auch Bçmer/Herz, Religion, 82 f.

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zählte in einem Album ihre Mitglieder mit den jeweiligen Kampffunktionen und ihrem Status auf (veteranus, tiro; CIL VI 631; vgl. 632). Ebenfalls ein Freigelassener wirkte als Patron für die sodalicii dii Silvani Pollentis und stiftete immerhin 2000 Sesterzen für das Silvanusheiligtum. Die Mitglieder waren, dies zeigt das folgende Album, das die Vereinigung in Dekurien gliedert, ausschließlich Sklaven (CIL VI 647). Eine schöne Illustration der häufigen Verbindung des Silvanuskults mit dem Kaiserhaus findet sich in CIL VI 671: Eutyches, ein Sklave des Kollegiums der Laren und (Kaiser-)Bilder des Caracalla, der zugleich auch dessen Geschäftsführer war, stiftete einen Marmoraltar mit einer Statuette des Silvanus. Gerade auch hinsichtlich der Beteiligung von Frauen ist eine Inschrift aus dem 2./3. Jhd. interessant, die u. a. über die Schenkung der Iulia Monime berichtet: Ein Vereinsgebäude mit Porticus, das dem Silvanus und seinem collegium geweiht war, wurde auf ihrem Grundstück an der Via Appia errichtet: locus in quo aedificata est schola sub por(ticu) consacrata Silvano et collegio eius sodalic(ii). Iulia Monime verkaufte es, vertreten durch einen Anwalt, um einen symbolischen Preis an die Vereinigung. Solange das Kollegium bestünde, sollte es stets erlaubt sein, Opfer darzubringen und Bankette zu feiern (CIL VI 10231).40 Obwohl Iulia Monime Sponsorin des Kollegiums war41, lässt sich ihre Mitgliedschaft nicht erschließen, denn auch sonst fehlen Frauen in Mitgliederlisten oder Stiftungsinschriften von Silvanus-Kollegien.42 Von zwei Silvanus-Kollegien außerhalb Roms sind detaillierte Regelungen erhalten: Eine Inschrift ist bekannt unter der von ihr selbst genannten Überschrift lex familiae Silvani.43 Sie stammt aus Lanuvium und wird auf etwa 60 n. Chr. datiert. Neben der lex wurde auch ein 74 Namen umfassendes Mitgliederverzeichnis gefunden (ausschließlich Männer) sowie eine zweite Stiftungsinschrift. In der lex wird die Gemeinschaft als fiktive Familie bestimmt, indem sie sich als familia Silvani bezeichnet, was im römischen Bereich m.W. keine Parallele hat.44 In der Regelung selber werden zunächst die Ausgaben für Opfer 40 Text und Übersetzung sowie eine Abbildung bei Gerold Walser, Römische Inschriftkunst, Stuttgart 19932, 118 f. 41 Eine ähnliche Rolle spielte eine gewisse Theodora in Ostia (CIL XIV 4327). Zu Silvanus in Ostia vgl. Jan Theo Bakker, Living and Working with the Gods. Studies of Evidence for Private Religion and its Material Environment in the City of Ostia (100 – 500 AD), Dutch Monographs on Ancient History and Archaeology 12, Amsterdam 1994, 134 – 167. 42 Vgl. Dorcey, Cult, 87: „Women were totally excluded.“ Einzige Ausnahme stellt eine Inschrift aus Karthago dar, in der zwei matres sacrorum erwähnt werden (CIL VIII 24519). 43 Die Edition von Emil Vetter, Die Familia Silvani in Trebula Mutuesca und die Sectores Materiarum in Aquileia, in: Studi aquileiesi afferti a G. Brusin, Aquileja 1953, 93 – 139: 97, ist mit einer Übersetzung wiedergegeben bei Eva Ebel, Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden. Die Gemeinde von Korinth im Spiegel griechisch-römischer Vereine, WUNT II/178, Tübingen 2004, 224 f. 44 Vgl. Frank M. Ausbìttel, Untersuchungen zu den Vereinen im Westen des Römischen Reiches, FAS 11, Kallmünz 1982, 17, Anm.10.

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festgesetzt, die die Magister dem Silvanus darzubringen haben, wobei die Finanzierung der 480 Sesterzen zur Hälfte von den zuständigen Funktionsträgern erbracht werden muss. Die Gemeinschaft hat ein Heiligtum (sacrum) und legt fest, dass Streitigkeiten oder gar Raufereien im Heiligtum ebenso verboten sind wie das Mitbringen von Außenstehenden.45 Ausführlicher abgehandelt werden die Finanzierung der Bestattung sowie der Austritt aus der Vereinigung.46 Die Geldsummen sind dabei nicht gering (ca. 600 bzw. 560 Sesterzen), was auf einen nicht unvermögenden Hintergrund der Kollegiumsmitglieder schließen lässt. Auch unter der neutestamentlichen Zunft bekannt sind fünf Inschriften eines Silvanus-Kollegiums aus Philippi.47 Sie stammen aus dem 2. Jhd. n. Chr. und sind in Latein verfasst. Die Vereinigung hat keinen ausgesprochenen Titel48, die Mitglieder bezeichnen sich als cultores (163/L002; 166/L004) und sodales (164/L001). Als Funktionäre werden ein aedil49, mehrere offenbar aufeinander folgende Priester50 und ein pater51 genannt. An einer Stelle wird eine Stiftung für den Todesfall eines bestimmten Mitglieds erwähnt (164/L001 Z.18 – 21), doch lässt sich daraus m. E. keine Funktion als Begräbnisverein rekonstruieren.52 Die Inschriften benennen zum einen Stiftungen für das Silvanus-Heiligtum in Philippi, in dem unter anderem Statuetten des Silvanus selbst, aber auch anderer Gottheiten (Herkules, Merkur, Liber) aufgestellt waren (164/L001), zum anderen handelt es sich vor allem um Mitgliederlisten. 45 Zu Heiligtümern von Silvanus-Kollegien vgl. Dorcey, Cult, 87.90 – 96. Ein Festkalender eines Kollegiums für Silvanus findet sich in CIL X 444, doch haben die Daten keinen spezifischen Bezug zum Silvanuskult. 46 Zu letzterem vgl. den Kommentar bei Ausbìttel, Untersuchungen 66 f.; Ebel, Attraktivität, 48 – 50. 47 CIL III 633 enthält die vier wichtigsten. Gut zugänglich sind die Texte bei Pilhofer, Philippi II 150 f. (148/L682) bzw. 170 – 183 (163/L002; 164/L001; 165/L003; 166/L004) und John S. Kloppenborg/Richard S. Ascough, Greco-Roman Associations: Texts, Translations, and Commentary. I: Attica, Central Greece, Macedonia, Thrace, BZNW 181, Berlin-New York 2011, 315 – 324 (No.68). 48 Die Ergänzung [colleg]i in 166/L004 ist sehr unsicher; vgl. die Anmerkung bei Pilhofer, Philippi II 182. 49 164/L001 Z.1 f.: P(ublius) Hostilius Philadelphus j ob honor(em) aedilit(atis). Dass es sich bei diesem Freigelassenen (vgl. 163/L002) um einen Ädil der Kolonie Philippi handelt, ist unwahrscheinlich; vgl. etwa Peter Pilhofer, Philippi. I: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, 111 f.; Joseph H. Hellerman, Reconstructing Honor in Roman Philippi. Carmen Christi as Cursus Pudorum, MSSNTS 132, Cambridge 2005, 102; Kloppenborg/Ascough, Associations 317. 50 Vgl. Pilhofer, Philippi I 110 f. 51 166/L004 Z.3; wahrscheinlich handelt es sich um einen Patron des Kollegiums; vgl. Pilhofer, Philippi II 183. Zur Bezeichnung patqºr bzw. pater in Vereinigungen vgl. Philip A. Harland, Dynamics of Identity in the World of the Early Christians. Associations, Judeans, and Cultural Minorities, New York/London 2009, 86 – 96. 52 Anders Pilhofer, Philippi I 113; Ebel, Attraktivität, 52 f. Die Schwierigkeiten der Erklärung der in der Inschrift zu findenden Formulierung zeigen m. E., dass eine Eintragung der sonst durchaus üblichen Praxis, Gelder für Bestattungen zu sammeln, hier nicht weiterführt.

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Die insgesamt mehr als 100 Namen geben Hinweise auf die soziale Zusammensetzung, die von der anderer Silvanuskollegien nicht abweicht, sondern durchaus als repräsentativ gelten kann.53 Mehrere Sklaven sind darunter54, Freigelassene55 sowie in der Mehrzahl einfache Bürger. An einer Stelle sind ein Vater und seine zwei Söhne genannt (163/L002 Z.35 – 37), an einer anderen ein Paterfamilias mit seinen Söhnen und einem Freigelassenen (164/L001 Z.15 – 17).56 Es fehlen Angehörige der städtischen Elite, aber auch der thrakischen oder griechischen Bevölkerung sowie Frauen. Das Kollegium bestand aus Männern eher niedriger gesellschaftlicher Stellung, was auch an der Ansiedlung der Vereinigung außerhalb des Stadtzentrums bei den Steinbrüchen von Philippi erkennbar wird.57 1.4 Rückblick Blickt man auf den Befund zurück, so kann man das spezifische soziale und religiöse Profil des Silvanuskultes wohl am besten so bestimmen: Eine Form von Religiosität, die ihre Wurzeln im Landleben hatte, sich aber vor allem im städtischen Umfeld im Westen des römischen Reiches verbreitete. Sie wurde im privaten und familiären Umfeld gepflegt und erwies sich dabei als überaus anpassungsfähig.58 Die Verehrer und Verehrerinnen des Silvanus waren zum größten Teil Sklaven und Sklavinnen, Freigelassene und einfache ingenui, ihre Riten und Gemeinschaftsformen wichen, so weit wir wissen, von üblichen Formen römischer Religiosität nicht entscheidend ab.

2. Die soziale Stellung der „Adressaten und Adressatinnen“ des 1. Petrusbriefes 2.1 Drei Probleme der Forschungsgeschichte Die gegenwärtige Diskussion über die sozialgeschichtlichen Hintergründe des 1. Petrusbriefes ist von drei Grundfragen geprägt: 1) Die historische und soziale Verortung der Leidenssituation; 2) Die Bedeutung von paqo¸joi ja· paqepid¶loi („Fremdlingen und Beisassen“ 1Petr 2,11; vgl. 1,1); 3) Die Ein53 Ausführlich behandelt die Zusammensetzung dieser Listen Pilhofer, Philippi I 109 f. 54 Es handelt sich zum Teil um Stadtsklaven (coloniae: 162/L002 Z.10.30 f.55). 55 Unter anderem der Aedil und Stifter zweier Inschriften (163/L002 Z.1; 164/001 Z.1) sowie einer Treppe (164/001 Z.23) Publius Hostilius Philadelphus, Freigelassener des Publius. 56 Zu den Verhältnissen zwischen den Mitgliedern der Paccii vgl. Pilhofer, Philippi II 175. Möglicherweise war auch ein Sklave dieses Haushalts Mitglied im Silvanus-Kollegium. 57 Vgl. Pilhofer, Philippi I 109; Ebel, Attraktivität, 51. 58 Vgl. Dorcey, Cult, 140.

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ordnung 1. Petrusbriefes in den durch das Präskript vorgegeben geographischen Raum Kleinasiens. 2.1.1 Die Leidenssituation Wie sehr die Situation der Adressaten und Adressatinnen durch die Bedrängnisse geprägt ist, wird im 1. Petrusbrief in verschiedenen Zusammenhängen deutlich (2,1.11 f.23; 3,1 – 4.13 – 17; 4,1 – 4.14 – 16). Die Diskussion zu diesen Texten ist, abgesehen von exegetischen Einzelfragen, davon geprägt, dass entweder eine genaue historische Zuordnung dieser Verhältnisse zu einer Zeit staatlicher Verfolgung erfolgt oder in den Ausführungen des Briefes eher Hinweise auf die allgemein schwierige Situation von Christen in einer paganen und feindlich gesinnten Gesellschaft gesehen werden. Folgt man ersterer Ansicht, dann ergeben sich Einordnungen in die Zeit Neros bzw. kurz danach59, in die Periode einer Verfolgung unter Domitian60 oder in die Zeit der Christenbriefe des Plinius und Trajan (Plinius min., Epist. 10,96 f.), mit denen es „auf den ersten Blick verblüffende Berührungen“ gibt.61 Allerdings setzt sich – m. E. zu Recht – die Ansicht durch, dass die Beschreibungen der Bedrängnisse im 1. Petrusbrief nicht auf eine staatliche Verfolgungsaktion zurückgehen, sondern schlichtweg die Lage beschreiben, in der sich Christen schon zur Zeit des Paulus (1Thess 2,14) befanden: „Die Situation, an die der Verfasser mit Sicherheit denkt, ist die bis zur Feindschaft gesteigerte Entfremdung zwischen Nichtchristen und Christen aufgrund der verschiedenen Verhaltensweisen bzw. des neuen Lebensstils der Christen.“62

59 So etwa Peter H. Davids, The First Epistle of Peter, NICNT, Grand Rapids 1990, 10. Vorausgesetzt ist hier die Echtheit des Briefes bzw. die Abfassung durch Silvanus (vgl. 5,12) auf Veranlassung des Petrus. Für eine Verteidigung der Echtheit vgl. zuletzt etwa auch Karen H. Jobes, 1 Peter, BECNT, Grand Rapids 2005, 14 – 19. 60 Zumeist in die 90er Jahre; vgl. etwa Petr Pokorny´/Ulrich Heckel, Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick, UTB 2798, Tübingen 2007, 704. Dies setzt die Annahme der Pseudonymität voraus, wie sie nicht nur im deutschsprachigen Raum vertreten wird (vgl. etwa Reinhard Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, ThHK.NT 15/I, Leipzig 2005, 23 – 26), sondern auch die angloamerikanische Forschung dominiert (vgl. etwa John H. Elliott, 1 Peter, AncB 37B, New York u. a. 2000, 118 – 130). 61 Vgl. Angelika Reichert, Eine urchristliche Praeparatio ad Martyrium. Studien zur Komposition, Traditionsgeschichte und Theologie des 1.Petrusbriefes, BET 22, Frankfurt a.M. u. a. 1989, 94 f; David G. Horrell, The Label Wqistiamºr: 1Petr 4:16 and the Formation of Christian Identity, JBL 126, 2007, 361 – 381. 62 Norbert Brox, Der erste Petrusbrief, EKK XXI, Zürich u. a. 19934, 29; vgl. Elliott, 1Petr 100 -_ 103; Marcus Sigismund, Identität durch Leiden. Anmerkungen zur Leidensthematik des Ersten Petrusbriefes im Rahmen eine frühchristlichen Gedächtnisgeschichte, in: Hoffnung in Bedrängnis. Studien zum ersten Petrusbrief, ed. Thomas Sçding, SBS 216, Stuttgart 2009, 177 – 206.

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2.1.2 Die Fremdlingsschaft Auf John H. Elliott geht die These zurück, die Bezeichnung der Adressaten und Adressatinnen als paqo¸joi ja· paqepid¶loi (2,11; vgl. 1,1) verweise auf ihre soziale Lage. Es handle sich um Einwanderer bzw. durchreisende Fremde, Juden und Nicht-Juden, in jenen Gebieten des nördlichen und westlichen Kleinasiens, die im Präskript genannt sind.63 Ihre Bedrängnis würde daher auch jener politischen, rechtlichen, sozialen und religiösen Lage entsprechen, in der sich dislozierte Personen grundsätzlich befinden würden. Zudem ließe sich daraus entnehmen, dass sich die Adressatengemeinden zumeist in ländlichen Gebieten befänden und ihre Mitglieder mehrheitlich landwirtschaftlicher Tätigkeit nachgingen.64 Dagegen ist zu Recht zweierlei eingewandt worden: Zum einen sind die Begriffe paqo¸jor sowie paqepid¶lor, die in 1Petr verwendet werden, nicht eindeutig sozialgeschichtlich zu verorten.65 Zum anderen, und dies scheint mir entscheidend zu sein, ist ein metaphorischer Gebrauch von „Fremdling“ und „Beisasse“ sehr viel wahrscheinlicher. Die Verankerung dieser Vorstellung in der jüdischen Tradition, v. a. in der LXX, legt dieses Verständnis sowohl für den Verfasser des Briefes als auch für seine Leser und Leserinnen nahe.66 Dass es sich also um (ausgewiesene) Einwanderer in einer fremden Umgebung handelt, ist daher wohl kaum als zutreffend anzusehen. 2.1.3 Die geographische Zuordnung Die Annahme, der 1. Petrusbrief wäre an Gemeinden in Kleinasien gesandt, erklärt sich vor allem aus der Nennung der kleinasiatischen Provinzen im Präskript. Angeführt werden können dafür zudem die Rezeption des 1. Petrusbriefes im Osten67 und die paulinische Färbung seiner Theologie.68 Zahl63 John H. Elliott, A Home for the Homeless. A Social-Scientific Criticism of 1 Peter, Its Situation and Strategy, Minneapolis 19902, 21 – 58; vgl. auch Elliott, 1Petr 97 – 102. Diese Grundannahme wird modifiziert aufgenommen u. a. von Jobes, 1Petr 28 – 42; vgl. gegen diese These die Kritik bei David G. Horrell, Aliens and Strangers? The Socio-Economic Location of the Addressees of 1 Peter, in: Engaging Economics: New Testament Scenarios and Early Christian Reception, edd. Bruce W. Longenecker/Kelly D. Liebengood, Grand Rapids 2009, 176 – 202: 187. 64 Elliott, Home, 67 – 70. 65 Vgl. etwa die Kritik bei Reinhard Feldmeier, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 64, Tübingen 1992, 12 – 15; Horrell, Aliens, 188 – 191. 66 Ausführlich dargestellt bei Feldmeier, Fremde, 5 – 104. 67 Zu nennen ist hier etwa der Polykarpbrief oder Papias; vgl. ausführlicher Elliott, 1Petr 138 – 148. Für den Westen spricht allerdings die Rezeption im 1. Clemensbrief. 68 Vgl. etwa David G. Horrell, The Product of a Petrine Circle? A Reassessment of the Origin and

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reiche Autoren haben dieser geographischen Zuordnung zugestimmt und sie zugleich mit einer Abfassung in Kleinasien verbunden.69 Nun suggeriert der pseudonyme Brief allerdings zweifellos, in Rom geschrieben worden zu sein, wenn er Grüße der Miterwählten in Babylon ausrichtet (1Petr 5,13). Auch der Name Petrus selbst verweist mit größerer Wahrscheinlichkeit darauf. Rom wird man also kaum ausschließen können, zumal die Argumente für Kleinasien als Abfassungsort nicht besonders stark sind. Ist der Brief dann doch wohl eher in Rom verfasst70, dann ist durchaus zu fragen, wie weit nicht auch die Gemeindeverhältnisse, die er widerspiegelt, eher denen in Rom entsprechen als jenen in Kleinasien. Wie überhaupt m. E. die Verortung der Adressatinnen und Adressaten in Kleinasien aufgrund des sehr pauschalen Charakters durchaus zweifelhaft ist: Die bedrängte Lage der intendierten Leser und Leserinnen passt zu jedem Verbreitungsgebiet des Christentums im römischen Imperium. Insgesamt zeigt sich daher, dass eine eindeutige Einordnung des 1. Petrusbriefes in eine historische und geographische Situation dem Text eine Konkretisierung zumutet, die so nicht haltbar ist, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um ein pseudonymes Schreiben handelt. Bedrängnis, metaphorisch gedeutete Entfremdung von der umgebenden Gesellschaft und eine Lokalisierung des Verfassers in Rom lassen sich allerdings als vorsichtige Ergebnisse festhalten.

2.2 Die sozioökonomische Situation der intendierten Leser und Leserinnen71 2.2.1 Sklaven und Sklavinnen In der sg. Haustafel 1Petr 2,18 – 3,772 werden zunächst und besonders ausführlich Sklaven und Sklavinnen angesprochen (2,18 – 25). Dabei ist zunächst

69 70 71 72

Character of 1 Peter, JSNT 24, 2002, 29 – 60. Auch die Verwendung von „Babylon“ als Codename für Rom im kleinasiatischen Raum wird hier genannt; vgl. Ingo Broer/Hans-Ulrich Weidemann, Einleitung in das Neue Testament, Würzburg 20103, 629. Vgl. etwa Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 20024, 447; Pokorny´/ Heckel, Einleitung, 703 – 705; Broer/Weidemann, Einleitung, 628 – 631. Vgl. etwa Feldmeier, 1Petr 28; Elliott, 1Petr 131 – 134; Thomas Sçding, Grüße aus Rom. Der Erste Petrusbrief in der Geschichte des Urchristentums und im Kanon, in: Hoffnung in Bedrängnis. Studien zum Ersten Petrusbrief, ed. T. Sçding, SBS 216, Stuttgart 2009, 11 – 45: 17. Vgl. zum Folgenden v. a. Horrell, Aliens, 191 – 198. Vgl. aus der zahlreichen Literatur zu den Haustafeltexten David L. Balch, Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in I Peter, SBL.MS 26, Chico 1981; Marlies Gielen, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik. Ein Beitrag zur Frage einer christlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen, BBB 75, Frankfurt a. M. 1990; Ferdinand-Rupert Prostmeier, Handlungsmodelle im ersten Petrusbrief, fzb 63, Würzburg 1990; Johannes Woyke, Die neutestamentlichen Haustafeln. Ein kritischer und konstruktiver Forschungsüberblick, SBS 184, Stuttgart 2000.

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auffällig, dass im Unterschied zu den traditionellen Texten sowohl des Christentums (Kol 3,22 – 25; Eph 6,5 – 8; Tit 2,9 f.; 1Tim 6,1 f.; Did 4,11) wie der paganen Vorbilder und Parallelen aus der Ökonomik nicht von doOkoi, sondern von oQj´tai die Rede ist. Es handelt sich also nicht um eine Sklavenparaklese im allgemeinen Sinn, sondern um Anweisungen an Haussklaven und -sklavinnen. Dabei ist es wenig wahrscheinlich, dass es lediglich um eine sprachliche Veränderung geht, die eine Verwechslung mit doOkoi heoO, also allen Christen (2,16), ausschließen soll. Vielmehr sind genau jene Haussklaven und -sklavinnen im Unterschied zu Sklaven und Sklavinnen auf Landgütern, in Bergwerken und dergleichen gemeint.73 Sie gehörten zu den sozioökonomisch schwächsten Gruppen der Stadt, wenngleich ihr Schicksal zumeist noch etwas weniger hart war als das ihrer Schicksalsgenossen auf dem Land. Ihre Möglichkeiten, sich innerhalb der Familie und vor allem zu ihrem Herrn eine gewisse Anerkennung, die Zuteilung wichtiger Tätigkeiten und damit Sicherheit zu erwerben, waren deutlich größer. Andererseits waren Haussklaven und -sklavinnen der Willkür ihrer Herren unter Umständen mehr ausgesetzt als Sklaven und Sklavinnen in einem weit entfernten Landgut. Der Einheit des Hauses, zu dem neben der eigentlichen Familie auch Sklaven und Sklavinnen und manchmal auch Freigelassene gehörten, aber auch der Zusammenhalt unter den Sklaven und Sklavinnen selbst wurden unter anderem durch die gemeinsame Hausreligiosität gesichert. Zeugnisse aus Pompeij zeigen, dass die Verehrung von Laren, Penaten und dem Genius des Hausherrn sowohl in den Repräsentationsräumen als auch in Küchen erfolgte.74 Dabei war vor allem Ausrichtung an der Religiosität des Hausherrn bestimmend. Auf dem Hintergrund des Hauses ist auch die Paraklese in 1Petr 2,18 – 20 zu erklären: Die Haussklaven und -sklavinnen werden explizit dazu aufgefordert, sich ihren Herren unterzuordnen, egal ob diese gütig und freundlich sind oder ungerecht (wörtlich „verdreht“ sjok¸oi). Häufig wird die Näherbestimmung der Unterordnung 1m pamt· vûb\ in 2,18 in der Exegese auf die Gottesfurcht bezogen75, doch ist die Furcht vor dem Zorn der Herren eine den Sklavenstand stets begleitende Haltung.76 In der Tat setzt der Vf. voraus, dass die Angesprochenen Leiden und Unrecht ertragen (2,19), wenngleich dies nur dann als 73 Grundsätzlich wurde zwischen städtischen und ländlichen Sklaven und Sklavinnen unterschieden: „Zunächst gab es eine unschwer erkennbare Trennung zwischen der plebs urbana und der plebs rustica … Selbst den Sklaven ging es in den Städten durchschnittlich wesentlich besser als auf dem Lande.“ (Geza Alfçldy, Römische Sozialgeschichte, Stuttgart 20114, 180 f.). Zudem hatten sie eher die Chance auf Freilassung. Vgl. zur Stellung und Funktion von Sklaven und Sklavinnen in römischen Familien die Darstellung von Jonathan Edmonson, Slavery and the Roman Family, in: The Cambridge World History of Slavery. I: The Ancient Mediterranean World, edd. Keith Bradley/Paul Cartledge, Cambridge, 2011, 337 – 361. 74 Vgl. Edmonson, Slavery, 344 f. 75 So etwa Gielen, Tradition, 484; Feldmeier, 1Petr 113 f.; Elliott, 1Petr 517. 76 So auch Brox, 1Petr 131; Prostmeier, Handlungsmodelle 409 f. Vgl. dazu etwa auch Eph 6,5 (let± vºbou ja· tqºlou) und Did 4,11 (1m aQsw¼m, ja· vºb\).

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Gnade zu verstehen sei, wenn sie selbst ihren Herren für Strafen keinen Anlass gegeben hätten (2,20).77 Ganz offensichtlich handelt es sich bei den despºtai nicht um christliche Herren78, da mit ihrem falschen Verhalten gerechnet wird und keine Anweisung an die Sklavenbesitzer ergeht, anders als in Kol 4,1 und Eph 6,9. Zwar fehlt Entsprechendes auch in 1Tim 6,1 f. und Tit 2,9 f., doch hat die Ermahnung an die oQj´tai in 1Petr 2 besonderes Gewicht, da die Haussklaven und -sklavinnen zum einen als erste Gruppe angesprochen werden und zum anderen in der folgenden Begründung (2,21 – 25) mit Christus selbst verglichen werden. Das „stilisierte Überlieferungsstück“79, in dem eine auf Jes 53 basierende Deutung der Passion des Christus vorliegt, parallelisiert das Schicksal der Sklaven und Sklavinnen mit dem Christi: ja· Wqist¹r 5pahem wie sie selbst unter ungerechten Herren (p²sweim in 2,19 f.). Das stumme Ertragen der Ungerechtigkeit durch Christus wird als Paradigma den Sklaven und Sklavinnen vor Augen gestellt.80 Damit wird aber nicht weniger gesagt, als dass das Leben der Sklaven und Sklavinnen gerade darin w²qir ist, dass es dem Christusschicksal besonders nahe kommt. An ihnen wird aber auch exemplarisch das Schicksal aller Christen erkennbar : Die Unterordnung unter Autoritäten (2,13) sowie das Ertragen der Verleumdung (2,12.15) bei gleichzeitig untadeligem Lebensstil (2,12.15 f.). Alle sind in dem t¸r eingeschlossen (2,19): „Das ist Gnade, wenn jemand um des an Gott ausgerichteten Gewissens willen Kummer erträgt.“ Dass nun aber gerade die Angehörigen der niedrigsten Gesellschaftsgruppe an erster Stelle angesprochen sind81 und sie überdies paradigmatisch verwirklichen, was durch das Christusschicksal allen Christen vorgegeben ist, macht freilich m. E. wahrscheinlich, dass viele der intendierten Leser und Leserinnen in der Tat auch Sklaven und Sklavinnen waren.82 Zugleich ist aber deutlich: Der Verfasser argumentiert hier in einer Weise, 77 Zur Frage, ob mit der Unterordnung unter ungerechte Herren auch das Motiv der Mission verbunden ist, vgl. Thomas Popp, Die Kunst der Konvivenz. Theologie der Anerkennung im 1. Petrusbrief, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 33, Leipzig 2010, 253. 78 Die Verwendung von despºtai statt des üblichen j¼qioi impliziert möglicherweise eine kritische Note gegenüber den Herren; vgl. Gielen, Tradition 477. Es findet sich auch in 1Tim 6,1 f.; Tit 2,9 innerhalb der Sklavenparaklese. 79 Brox, 1Petr 129. 80 Vgl. Christian Wolff, In der Nachfolge des leidenden Christus. Exegetische Überlegungen zur Sklavenparänese 1Petr 2,18 – 25, in: Exegese vor Ort, FS Peter Welten, edd. Christl Mair/Rüdiger Liwak/Klaus-Peter Jçrns, Leipzig 2001, 427 – 439: „Bei aller Transparenz für die bedrängte christliche Existenz ist I Petr 2,18 – 25 primär und durchweg als Sklavenparänese verständlich“ (438). 81 Nach der sozioökonomischen Gliederung, die Steven J. Friesen vorgeschlagen hat, gehören sie zu den beiden unteren Gruppen („at subsistence level“ bzw. „below subsistence level“); vgl. Friesen, Poverty 341; ähnlich Horrell, Aliens, 192. 82 Alfçldy, Sozialgeschichte 188 – 191, hat pointiert darauf verwiesen, dass gerade für städtische Sklaven und Sklavinnen eine Freilassung nach dem 30. Lebensjahr sehr wahrscheinlich war. Daraus lässt sich vielleicht auf das Alter einer Mehrzahl der intendierten Leser und Leserinnen des 1. Petrusbriefes schließen.

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die das Sklavendasein der Angesprochenen einzementiert. Die Freilassung anzustreben und seinen Stand zu verändern oder auch ein Freikauf durch die Gemeinde stehen nicht im Raum, ja, das würde der Argumentation widersprechen.83 Die Existenz als Sklave und Sklavin steht für den Vf. gerade nicht in Frage. Das wird durch die Ausführungen in 2,16 noch unterstrichen: Zwar werden die Glaubenden alle als „Freie“ angesprochen, doch sind sie dies nicht im gesellschaftlichen Kontext,84 sondern jenseits davon: Es ist die christliche Freiheit als Ungebundenheit an die Welt und ihre Vorgaben, aus der heraus die Glaubenden handeln sollen.85 Dabei wird – paradox – die Freiheit als Sklaverei unter Gott bestimmt.86 Zugleich wird aber auch erreicht, dass das Dasein als Sklave bzw. Sklavin in einem ersten Schritt, dem in 2,18 – 25 ein zweiter folgt, relativiert wird, weil die Freiheit anders gedacht werden soll als in der Welt der Völker (2,12). 2.2.2 Herren und Herrinnen? Gab es neben den Sklaven und Sklavinnen aber auch Herren und Herrinnen in der Gemeinde? Das Fehlen einer entsprechenden Ermahnung lässt daran ebenso zweifeln wie der Umstand, dass die Sklavenparaklese ganz offenbar nicht-christliche Besitzer und Besitzerinnen im Blick hat. David G. Horrell hat im Anschluss an R. Alastair Campbell87 aus der Nennung von pqesb¼teqoi (5,1 – 5) herausgelesen, dass es sich dabei um Haushaltsvorstände und mithin auch um Herren von Sklaven und Sklavinnen handelt.88 In der Tat ist durchaus möglich, dass die Ältesten nicht gewählte Amtsträger sind89, sondern im Gegensatz zu den me¾teqoi (5,5) aufgrund ihres Alters eine selbstverständliche Funktion in den Hausgemeinden, die der 1. Petrusbrief möglicherweise im Blick hat, innehaben.90 Ob es sich dabei auch um Besitzer von Sklaven handelt, kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber durch den Text 83 Freikauf durch die christliche Gemeinde wurde bereits Anfang des 2. Jhd. thematisiert (Ign.Pol 4,3); vgl. dazu J. Albert Harrill, The Manumission of Slaves in Early Christianity, HUTh 32, Tübingen 1995, 188 f. 84 So allerdings Elliott, 1Petr 496. Dagegen spricht v. a. die Einleitung von v.16 mit ¢r. 85 Vgl. etwa Wolff, Nachfolge 428; Feldmeier, 1Petr 109. 86 Vgl. Popp, Konvivenz, 243 f. 87 R. Alastair Campbell, The Elders: Seniority within Earliest Christianity, Studies of the New Testament and Its World, Edinburgh 1994. Campbell versteht die Ältesten in 1Petr 5 allerdings als eine Art Dorfvorsteher (207), offenbar in Aufnahme von Elliotts Bestimmung der Adressaten und Adressatinnen. 88 Horrell, Aliens, 196 f. 89 So etwa Karl Herman Schelkle, Die Petrusbriefe. Der Judasbrief, HThK XIII/2, Freiburg u. a. 19886, 127; Feldmeier, 1Petr 156. 90 Die Ermahnungen in 1Petr 5,1 – 5 gehen damit spezifisch christlich und auf die Gemeinde als Ganze ausgerichtet auf ein Thema der antiken Ökonomik ein; vgl. Elliott, 1Petr 812. Ob tatsächlich Hausgemeinden im Hintergrund stehen, lässt sich aus dem 1. Petrusbrief leider nicht entnehmen, da das Haus lediglich metaphorisch verwendet wird; vgl. insgesamt dazu Elliott, Home 165 – 266.

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selbst nicht angezeigt. Sehr wohl wird aber deutlich, dass der Vf. leitende Personen im Blick hat, denen sich andere unterzuordnen haben.

2.2.3 Vermögende Mitglieder Die Anweisungen an Frauen (3,1 – 6) geben zu erkennen, dass die sozioökonomische Lage der intendierten Leserinnen nicht ausschließlich am unteren Ende des Spektrums anzusiedeln ist. Die Warnung vor Schmuck wie aufwendigen Frisuren, Gold und Kleidern impliziert wenigstens für einige die Möglichkeit, sich solchen zuzulegen (3,3).91 Dies gilt auch, obwohl entsprechende Warnungen zum Inventar hellenistischer Ethik gehören.92 Mit Horrell ist daher festzuhalten, dass auch Menschen oberhalb der beiden untersten sozioökonomischen Level zu den vom Vf. in den Blick genommenen Gemeinden gehörten. Auf vermögende Mitglieder in den Gemeinden verweist schließlich auch eine mögliche Lesart jenes Abschnitts, in dem die Leser und Leserinnen zu guten Taten aufgefordert werden (1Petr 2,11 – 17).93 Die jak± 5qca sollen die Menschen, die den Glaubenden sonst feindlich gesinnt sind, zur Einsicht bringen (2,12). Außerdem führt gutes Handeln (!cahopoie?m) dazu, von den Autoritäten bzw. Statthaltern gelobt zu werden (2,14). Die Gemeinden sollen sich dabei wahrscheinlich nicht ausschließlich durch individuelles Handeln nach außen positiv darstellen, sondern möglicherweise auch als Gemeinschaft.94 Ist dies zutreffend, dann wird man dabei unter Umständen an jene Wohltaten zu denken haben, die auch sonst durch Gemeinschaften in die griechisch-römischen Gesellschaft eingebracht wurden: Stiftungen von Bauwerken, Beiträge zu Feiern und offiziellen Anlässen.95 Das würde bedeuten, dass es wenigstens ansatzweise Möglichkeiten gab, die Gemeinde durch

91 Vgl. 1Tim 2,9 f.; Gielen, Tradition, 521 f.; Jobes, 1Petr 204; Horrell, Aliens, 194. Anders Elliott, 1Petr 564, der daraus keinen Rückschluss auf die soziale Situation der Adressatinnen ziehen möchte. 92 Vgl. etwa Balch, Wives, 101 f.; Friedrich Schrçger, Gemeinde im 1. Petrusbrief. Untersuchungen zum Selbstverständnis einer christlichen Gemeinde an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert, SUPaKT 1, Passau 1981, 153; Elliott, 1Petr 562 – 564. Gold und Silber stehen für den Vf. des 1. Petrusbriefes ohnehin im Gegensatz zum Erlösungswerk Christi (1,7.18 f.). 93 Vgl. zum Folgenden ausführlicher Markus Öhler, Römisches Vereinsrecht und christliche Gemeinden, in: Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft, edd. Michael Labahn/Jürgen Zangenberg, TANZ 36, Tübingen 2002, 51 – 71: 64 – 67. 94 Vgl. dazu u. a. W.C. van Unnik, A Classical Parallel to I Peter ii.14 and 20, NTS 2, 1956, 198 – 202; Bruce W. Winter, Seek the Welfare of the City. Christians as Benefactors and Citizens, First Century Christians in the Graeco-Roman World, Grand Rapids/Carlisle 1994, 25 – 40. 95 Vgl. Winter, Welfare, 37. Dass dies keine kultischen Feiern oder ethisch problematische Angelegenheiten sein konnten, versteht sich von selbst (vgl. 1Petr 4,3 f.).

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Wohltaten, die auch von der paganen Umgebung als solche angesehen wurden, als positives Mitglied der Gesellschaft erscheinen zu lassen.96 Blicken wir auf den sozioökonomischen Hintergrund des 1. Petrusbriefes zurück: Wir finden sehr deutliche Hinweise, dass ein wahrscheinlich großer Teil der intendierten Leser und Leserinnen zu den untersten Schichten der Gesellschaft gehörte, Haussklaven und -sklavinnen. Sie sind vorbildhaft für die bedrängte Existenz der Christen und folgen damit dem Paradigma, das Christus selbst durch sein Leiden gegeben hat. Hingegen sind Belege für Mitglieder auch nur gehobener Schichten, geschweige denn der Eliten, nicht sicher : Frauen, von denen sich einige wenigstens Schmuck leisten konnten; durch ihr Alter hervorgehobene Männer, die möglicherweise Haushaltsvorstände, vielleicht auch Sklavenbesitzer waren; möglicherweise auch Ansätze, gemeinschaftlich oder auch individuell als Wohltäter in der Gesellschaft wirksam zu sein. 2.2.4 Die Gemeinschaftsform Ein negativer Befund soll zunächst in den Blick genommen werden: Der 1. Petrusbrief verwendet nicht den Begriff 1jjkgs¸a. Das ist an sich noch nicht ungewöhnlich, denn der Ausdruck fehlt auch im Judas- und 2. Petrusbrief, im 2. Timotheusbrief ebenso wie im Titusbrief.97 In den Texten der nachpaulinischen Tradition, zu denen auch der 1. Petrusbrief zu zählen ist, hat dieser Begriff keine so große Bedeutung. An seine Stelle tritt !dekvºtgr (2,17; 5,9).98 Innerhalb der Anweisungen zum Umgang mit der Staatsmacht findet sich die Anweisung „Liebt die Bruderschaft!“ (2,17), in 5,9 wird die Gemeinschaft der Glaubenden weltumspannend als „Bruderschaft“ bezeichnet. Der Verfasser bemüht auch sonst Verwandtschaftsterminologie, wenn er die Bruderliebe einfordert (1,22; 3,8), Silvanus als „treuen Bruder“ empfiehlt (5,12) und den Kuss der Agape empfiehlt (5,14). Wenn auch das Selbstverständnis als !dekvºtgr ungewöhnlich ist, so ist der Rückgriff auf das soziale Konstrukt der „fictive kinship“ durchaus üblich. Vereinigungen bezeichneten sich unter anderem als vqatq¸a/vqatqºm bzw. fratres.99 Auch die oben erwähnte familia Silvani wäre in diesem Zusammenhang zu nennen. Dass dies in christlichen 96 Anders zuletzt Karl Olav Sandnes, Revised Conventions in Early Christian Paraenesis – „Working Good“ in 1 Peter as an Example, in: Early Christian Paraenesis in Context, edd. James Starr/Troels Engberg-Pedersen, BZNW 125, Berlin/New York 2004, 373 – 403; ablehnend auch Horrell, Aliens, 197. 97 Dass Paulus die Gemeinde von Rom nicht als 1jjkgs¸a anschreibt, könnte als weiterer Hinweis auf den Abfassungsort des 1. Petrusbriefes sein, doch fehlt die Anrede auch im Philipperbrief. 98 Der Begriff wird auch in 1Clem 2,4 und Herm. mand 8,10 verwendet, was vielleicht auf einen römischen Hintergrund schließen lässt; vgl. Elliott, 1Petr 499 f.; Ben Witherington III, Letters and Homilies for Hellenized Christians. II: A Socio-Rhetorical Commentary on 1 – 2 Peter, Downers Grove 2007, 146. 99 Vgl. dazu Bçmer/Herz, Religion, 172 – 179; Philip A. Harland, Familial Dimensions of Group Identity : „Brothers“ (ADEKVOI) in Associations of the Greek East, JBL 124, 2005, 491 – 513.

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Gemeinden besonders stark ausgeprägt war, wird eben gerade an der im 1. Petrusbrief neuen Form, dies auszudrücken, erkennbar. Die Bruderschaft versteht der Vf. als gegliedert in jk¶qoi, geleitet von den Ältesten (5,3). Sind unter den pqesb¼teqoi tatsächlich ältere Männer zu verstehen, die ihren Häusern vorstehen, verweist dies wahrscheinlich auf Hausgemeinden, von denen sonst allerdings keine Spur zu finden ist. Die Haustafeln lassen im Gegenteil erkennen, dass das christliche Haus eher eine Ausnahme war : Die Haussklaven und -sklavinnen haben mit ungerechten Herren zu leben (2,18), die Frauen mit Männern, die dem Wort des Evangeliums nicht gehorchen (3,1). In der metaphorischen Beschreibung der Gemeinschaft spielt das „Haus“ hingegen eine wichtige Rolle, etwa in der Rede von der Gemeinde als geistlichem Haus (2,5) bzw. Haus Gottes (4,17).100 Dass die Glaubenden darin als oQjomºloi die Gnade verwalten sollen, indem sie ihre Gaben einbringen (4,10), führt das Bild auf eine konkrete Ebene.101 Schließlich ist auch die Bezeichnung wqistiamºr zu nennen (4,16).102 Ohne hier auf die komplexe und differenzierte Diskussion über Herkunft und Verwendung dieser Bezeichnung eingehen zu können, macht doch der 1. Petrusbrief deutlich, dass diese offenbar von Außenstehenden vergebene und zudem kritische Bezeichnung für das Selbstverständnis der damit bezeichneten Gruppe zu einer wesentlichen Beschreibung ihrer Identität wurde.103

3. Schluss 3.1 Grundsatzfragen zum Vergleich zwischen Silvanuskult und Christentum nach dem 1. Petrusbrief Es ist auf den ersten Blick deutlich, dass eine Gegenüberstellung dieser beiden Formen antiker Religiosität nicht einfach ist. So ist die Quellenlage völlig unterschiedlich: Für Silvanus haben wir zwar eine große Zahl von Inschriften, doch lassen sich aus ihnen nur wenige und teilweise sehr partikuläre Informationsbruchstücke rekonstruieren. Dazu kommen einige literarische Berichte über den Kult, die allerdings nicht von Anhängern und Anhängerinnen selbst stammen. Über die Form des Christentums, wie es uns im 1. Petrusbrief begegnet, sind wir vergleichsweise ideal informiert. Zwar ist etliches nur aus 100 Auf die Verbindung der Hausmetaphorik mit der Verwandtschaftssprache verweist zu Recht Elliott, Home, 201 – 205. 101 Vgl. auch die Metaphorik der Schafherde (1Petr 2,25; 5,2 f.). 102 Vgl. dazu zuletzt Horrell, Label, 361 – 381. 103 So etwa auch Horrell, Label, 379 f.: „1 Peter 4 represents an attempt to reverse this social verdict, at least in the eyes of insiders. A label applied as an accusation, a cause for punishment and shame, is to be regarded as a badge of honor and pride“ (380).

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interpretierender Rekonstruktion zu erkennen, doch erfahren wir durchaus viel über die Vorstellungen, die der Verfasser von seinen Lesern und Leserinnen hatte. Der Vergleich wird aber auch dadurch erschwert, dass wir uns sprachlich in unterschiedlichen Bereichen befinden: Zeugnisse des Silvanuskultes sind lateinisch, der 1. Petrusbrief und die dahinter stehende Kultur sind griechisch geprägt. Auch wenn der 1. Petrusbrief tatsächlich aus Rom stammen sollte, lässt sich ein gemeinsamer Nenner in dieser Hinsicht nicht so einfach postulieren104, selbst wenn man die zahlreichen griechischen Namen unter den Anhängern und Anhängerinnen des Silvanus bedenkt.105 Der Vergleich wird sich im Folgenden daher auf das Themenfeld der sozialen Struktur konzentrieren, für das sowohl die Beleglage auf beiden Seiten gut ist als auch ähnliche Konstellationen feststellbar sind. Dabei werden Analogien und Differenzen die jeweiligen Besonderheiten von Silvanuskult und Christusverehrung aufzeigen.

3.2 Analogien Es hat sich in der genaueren Betrachtung ergeben, dass eine Rekonstruktion, die primär Sklaven und Sklavinnen als Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaften ansieht, zu kurz greift. Sowohl für den Silvanuskult wie für die intendierten Leser und Leserinnen des 1. Petrusbriefes hat sich gezeigt, dass eine Beteiligung von Personen mit höherer wirtschaftlicher Kraft durchaus vorkam, wobei zugleich festgehalten werden muss: Sowohl Christen als auch die Verehrer und Verehrerinnen des Silvanus waren zum überwiegenden Teil Angehörige der unteren sozialen Gruppen. Sklaven und Sklavinnen bzw. Freigelassene bildeten mit einiger Sicherheit die Mehrzahl, wobei auch unter ihnen durchaus mit wirtschaftlichen Unterschieden zu rechnen sein muss. Eine wesentliche Gemeinsamkeit beider Formen von Religiosität war, dass sie außerhalb der staatlichen und gesellschaftlich angesehenen Kulte standen. Das zeigt sich zum einen daran, dass Angehörige der Eliten sich kaum beteiligten106, zum anderen daran, dass sich die Kulte außerhalb staatlicher oder öffentlich sanktionierter Religiosität abspielten. Selbst ein so konventionell ausgeübter Kult wie der des Silvanus, der in seinen Riten anscheinend von der sonstigen Kultausübung nicht wesentlich abwich, fand bzw. suchte keinen Platz innerhalb der öffentlichen Religiosität. Die Beschränkung auf die indi104 Zusätzlich kann man auch die Prägung durch die LXX als unterscheidendes Element anführen; vgl. Elliott, 1Petr 12 – 17. 105 Vgl. Dorcey, Cult, 116. 106 Die Ausnahmen beim Silvanuskult sind v. a. auf lokale Besonderheiten zurückzuführen, etwa in Pannonien und Noricum. Der Pliniusbrief dokumentiert (wenngleich eine Übertreibung nicht auszuschließen ist), dass wenigstens in Kleinasien die Christusverehrung auch für einige Mitglieder der lokalen Eliten attraktiv erschien (Plin. min., ep. 10,96,9).

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viduelle bzw. häusliche und familiäre Religiosität teilen Silvanuskult und Christentum ebenso wie die Formierung zu kleinen Gemeinschaften. Dazu gehörte wohl dann auch, dass die Verehrung des Silvanus wie das Gebet zu Christus das tägliche religiöse Leben prägte. Analog ist daher auch die Form, in der sich die Gemeinschaften versammelten. Nach dem Muster antiker Vereinigungen trafen sich sowohl die Verehrer des Silvanus als auch die Christen. Nach 1Petr 2,17; 5,9 verstanden sich letztere als Bruderschaft, rückten also mittels fiktiver Verwandtschaftsmetaphorik die Egalität in den Vordergrund, ohne deshalb Über- und Unterordnung zu leugnen.107 Im Gegenteil, sie wird sogar ausdrücklich eingefordert (5,1 – 5). Die soziale Zusammensetzung der Silvanuskollegien lässt erkennen, dass in ihnen Sklaven und Freigelassene gleichermaßen Mitglieder waren, allerdings kaum Frauen. Auch hier gab es selbstverständlich Funktionsträger, die die Angelegenheiten der Vereinigung regelten, zugleich aber auch Verpflichtungen zu erfüllen hatten.

3.3 Differenzen Eine der wesentlichen Differenzen betrifft das Verhältnis der Silvanusanhänger und -anhängerinnen bzw. der Christen zur Umgebungsgesellschaft. Obwohl es sich bei der Verehrung des Silvanus nicht um einen Teil offiziell sanktionierter und geübter Religiosität handelte, fügte sich der Silvanuskult ohne jeden Widerstand in die religiöse Welt des römischen Westens ein. Seine weite Verbreitung, die sich wohl nicht der Förderung durch die Eliten, sondern der individuellen und gemeinschaftlichen Hinwendung einfacher Leute zu dem Gott des Waldes und Hauses verdankte, zeigt, welche Attraktivität dieser Kult offenbar hatte. Dass dies von den Eliten ohne Misstrauen oder gar Unterbindungsversuche toleriert wurde, hat seine Ursache darin, dass der Kult selbst ohne jeden inhaltlichen oder rituellen Anstoß war. Die Differenz zu den regulären Staatskulten scheint vor allem darin bestanden zu haben, dass mit Silvanus eine Gottheit verehrt wurde, die im mythologischen System keinen festen Platz hatte, und dass seine Verehrer und Verehrerinnen zu den unteren Schichten der Bevölkerung gehörten. Der christliche Glaube stieß nach dem Zeugnis des 1. Petrusbriefes allerdings auf vehementen Widerstand. Auch wenn nicht von Tötungen die Rede ist, so ist die prekäre Lage der Glaubenden und ihre Bewältigung doch das Thema des Briefes. Das christliche Bekenntnis und Ethos stand so sehr im Gegensatz zur paganen Gesellschaft, dass der Bruch für die christliche Minorität scharf und schmerzhaft war. Der Vf. motiviert die Leser und Leserinnen daher vor allem zum Durchhalten und Festhalten an der Hoffnung 107 Wobei in den Gemeinden des 1. Petrusbriefes Frauen eine deutlich stärkere Position haben als im Silvanuskult, in dessen Kollegien Frauen fast vollständig fehlen.

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(1,6 – 9.13 – 16.21; 2,20; 3,15; 4,1 f.7.12 f.; 5,6 – 9). Zugleich verdeutlicht er ihnen, dass die Leidensexistenz konstitutiv zur Gottes- und Christusbeziehung gehört: Sie sind Fremde in einer gottfeindlichen Welt (1,1; 2,11) und folgen im Leiden dem Vorbild Christi (2,21 – 25). Ebenso macht der Vf. seinen Lesern und Leserinnen aber auch Hoffnung darauf, dass ein positives Verhalten gegenüber Außenstehenden – seien es staatliche Autoritäten, die Herren des Hauses oder Ehemänner – seine Früchte tragen würde (2,12.15; 3,1 f.). Im Blick auf die Sklaven und Sklavinnen ist im 1. Petrusbrief aufgefallen, dass die Paraklese ausdrücklich darauf ausgerichtet ist, das Sklavendasein und die damit verbundenen allfälligen Ungerechtigkeiten nicht nur zu akzeptieren, sondern als Nachahmung Christi zu verstehen (2,18 – 25). Weder Freilassung, geschweige denn Widerstand gegen Sklaverei – der bekanntlich auch sonst nicht im frühen Christentum begegnet – werden angedeutet. Auch wenn es möglicherweise christliche Sklaven und Sklavinnen gab, die die Willkür ihrer ungerechten Herren nicht akzeptieren wollten108, war die Anweisung des Vf. doch gerade entgegengesetzt: Durch ihr Leiden sollten Haussklaven und -sklavinnen dem Vorbild Christi entsprechen. Anders war dies wohl bei Silvanus: Auch wenn es von den Silvanusanhängern und -anhängerinnen selbstverständlich keine dem 1. Petrusbrief auch nur entfernt ähnlichen Texte gibt, so ist doch als sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass die Freilassung für die Sklaven und Sklavinnen unter ihnen erstrebenswert war. Sie dürften dabei schlicht und einfach nicht von der Einstellung anderer Versklavter abgewichen haben.109 Die Strategie der Verehrer und Verehrerinnen des Silvanus zur Bewältigung ihrer schwierigen Situation war möglicherweise eine andere: Die Hinwendung an den Gott mit seinen ländlichen Wurzeln „served as an outlet for the stress of urban life and a constant reminder of their real or imagined country roots“.110 Das Ventil der Christen sollte hingegen nach dem 1. Petrusbrief die Gewissheit sein, dass die bedrängte Existenz ein Ende finden würde (vgl. 1,17; 4,2.7), wenn sie aus der Fremde in die Himmel zu Gott gegangen sind (1,4; 3,18), die Errettung der Seele und die Herrlichkeit erlangt haben (1,10; 5,1.4.10), sich die Offenbarung Christi vollzieht (4,13) und sie erhöht werden (5,6). „Der Gott aller Gnade aber, der euch gerufen hat in seine ewige Herrlichkeit in Christus Jesus, er wird die ein wenig Leidenden selbst vollenden, stärken, kräftigen, gründen“ (5,10), mit diesen Worten legt der Vf. das ganze Drama in Gottes Hand.111

108 Darauf könnte sich die Anweisung zum Ertragen ungerechter Herren möglicherweise tatsächlich beziehen. 109 Der Dank an Silvanus für die Freilassung findet sich nur zweimal, und zwar in Ostia (CIL XIV 3456) sowie in Pannonien (Die römischen Inschriften Ungarns II, edd. L‚szlû Barkûczi/ Andr‚s Mûcsy, Budapest 1976, 362). 110 Vgl. Dorcey, Cult, 141. 111 Vgl. Brox, 1Petr, 239.

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II. Zum frühchristlichen Schriftverständnis im ersten und zweiten Jahrhundert

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Jonathan A. Draper

The metaphor of the vine in John 15 and the early Christian tradition Reflections on postcolonial critiques 1. Introduction In the current feeding frenzy of North American Postcolonialism, not much in the New Testament has been spared the knife.1 The metaphor of the vine in John 15 seems to have exercised a particular fascination, judging by the recent flurry of articles on this text (see Burge 1994; Swanson [1994] 2002; Staley 2002; Glass 2002). The vine had always been seen as a symbol of integration and reconciliation—at least in the ecumenical movement in which I grew up. Now it “characterizes empire” and needs “a reinscription of heterogeneity” (Glass 2002, 154). Zipporah Glass, alienated black outsider in the United States, sees in the metaphor of integration a covert act of hegemony which prepares for ultimate domination of outsiders by constructing a system of binary oppositions, so that “at work in this text are the sort of discursive practices needed in the act of building a new nation-ness—that is, the vine” (:162). By presenting itself as a universal phenomenon, it seems to offer nondiscriminatory inclusion but actually requires everyone to abandon their own distinctive identities to facilitate “the emergence of a [oppressive] corporeality based on a shared political culture” (:164). This, then, “is a clear replication of the colonial tactic” (:163). The metaphor of the incorporating vine rings alarm bells for alienated minorities in the West attempting to resist the hegemony of the dominant culture and assert their difference, something I consider entirely legitimate (though I prefer the newly emerging terminology of “minority criticism”).2 There is certainly legitimacy in these rejections of Christian “totalizing discourse”, which has surfaced also in critiques made by Jews of

1 There is a certain irony in “Postcolonialism” as a title for material being written by North Americans. It appears to have become a vehicle or perhaps a weapon for a peculiarly Western elite debate. Christians and academics living in genuinely post-colonial contexts have so far been less inclined to join this debate, unless they studied and began publishing first in North America. For a recent critique of this tendency see West (2008) and Draper (2008). Note, however, the work of Musa W. Dube, Postcolonial Feminist Interpretations of the Bible. St. Louis: Chalice, 2000 and subsequent work. 2 See the rich and innovative collection of essays in Randall C. Bailey, Tat-siong Benny Liew, Fernando F. Segovia (eds.), They Were All Together in One Place? Toward Minority Biblical Criticism. Atlanta: Society of Biblical Literature, 2009.

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unreflective Christian appropriation of metaphors and symbols such as the vine which apply properly to Israel. In the struggle against colonialism and neo-colonialism in “Third World” contexts, things appear a little different.3 Certainly empires base their claims to hegemony on totalizing discourse and seek to hold the centre together in this way. However, they are just as likely to valorize and protect the “separate identities” of the conquered peoples on the periphery as a way of dividing and ruling them. Rome was adept at exploiting local ruling classes and religious divisions and regional quarrels for its own benefit. Rome promoted local rulers, local religions and cults and local culture within the ambit of its imperial control (the Herodian dynasty, the temple and its high priests are a case in point). In our own experience in South Africa, the valorization of the different black languages and cultural groups was a means of arguing that they had separate ethnic and cultural identities and therefore needed separate civic identities. This began with British colonialism and not with apartheid—which simply rationalized and absolutised the old imperial system. All through Africa, “tribal identity” was used as a weapon of empire. Divide and rule. For a while, the liberation struggle had to “outlaw” discussions of culture and ethnicity because of its oppressive potential. What was needed then, and perhaps what is needed even now in our new post-colonial, post-apartheid South Africa, are integrative symbols of some kind of new corporate identity which do not obliterate or devalue difference.4 Binary opposites, at least according to Claude Levi-Strauss (1963, 1966; building on the linguistic theory of Ferdinand de Saussure), are not inherently oppressive. Instead, they are the fundamental building blocks of all cultures and languages (Levi-Strauss 1955). Just as the basic computer language is I and O, the basic human cultural organizing mechanism is a hierarchical network of self and other. The question is not whether we do or do not have binary opposites, but whether the binary opposites we do have work to oppress or to affirm others. This is why Edouard Said (1978; 1993) ends his rejection of essentialisms of both oppressors and oppressed, which then operate as mutually affirming stereotypes, with an appeal for a mutually affirming “contrapuntalism”. Each culture alternately plays the continuo or theme tune to the other, with no one dominating. In this case, our question concerning the metaphor of the vine in John 15 and the early Christian tradition is whether it has the potential to affirm the human need for belonging and integration in his and our community’s situation of post-colonial 3 Many of the minorities in the United States share in this context, to the extent that their presence in continental America was an involuntary accompaniment of empire, such as the slaves imported from Africa at enormous human cost and loss of life who continue to suffer the social and economic effects of that trauma. 4 This does not detract from the urgent and legitimate need to re-assert, re-claim and re-value indigenous African cultures and values which have suffered from being cast as inferior or „savage“ in the process of missionary instruction and colonial domination.

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alienation, without producing a new oppressive and excluding kind of totalizing ideology. My argument here will be that both for John and for us it has a positive potential. Secondly, the emergence of “hybridities” in the post-colonial situations is the consequence of the loss, relegation or collapse of indigenous religious places and symbols. “Hybridity” and “mimicry” are an attempt to salvage what may yet be salvaged of the subjugated peoples’ cultures and identities within the boundaries of what is possible in the oppressive imperial or neoimperial global context. Things are not always what they seem to the imperial authorities, since metaphors and symbols are inherently ambivalent and imprecise and can be understood differently by the authorities and their subjugated peoples. African Indigenous Churches, for instance, with their plethora of hybridities and mimicries, such as pith helmets, military uniforms, archiepiscopal robes and so on, represent largely successful and creative attempts to hold on to indigenous religious identities and symbols within the confines of the domination of Christianity in South Africa (Draper 2012). Localized rebellions had highlighted the ineffectiveness of the old religions to protect their people and repel the invaders. In the case of John’s Gospel, everything suggests that it represents a response to the destruction of Jerusalem and the temple, the exile of the elite to the coastal plain around Jaffa, as a consequence of the failure of the military attempt to oust the imperial power in 68 – 70CE. I would place the heartland of the Johannine community and the author of the gospel in the hothouse of the Jaffnian elite exiles after the destruction of the temple, rather than in a gentile Asia Minor setting such as Ephesus. It is a peculiarly Jewish response to a Jewish catastrophe. It seeks to transcend the divisions of Israel and bring Judaeans, Samaritans, Galileans and Diaspora Greek-speaking Jews together in response to the destruction of the contested local sacred spaces (see Draper 1997, 2000). Whatever became of John’s Gospel as an imperial text in subsequent centuries, which belongs in fact to its reception history, it originates as an attempt to find a new way forward in the desperate social and economic situation under imperial domination post 70CE. The earliest Christian appropriations of the symbol of the vine can be viewed in this way particularly because the old view of a radical divide between “Christianity” and “Judaism”, which began with Jesus’ “rejection of the dry legalism of Judaism” and continued with the church, has been shown to be a historical anachronism. Perhaps the emergence of Rabbinic Judaism and Christianity as separate “religions” cannot be dated earlier than the middle to the end of the second century, before which church and synagogue should be seen as competing for legitimacy within rather than outside “all Israel”. Claims to represent authentic Israel were made not just by Christians but also by Essenes and Pharisees in much the same way that Roman Catholics, Protestants and Pentecostals might claim to represent the only authentic Christianity today–at the same time as they do not claim to be starting a new religion. This paper seeks to explore the image of the vine in the

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Israelite tradition of both earliest Christianity and Rabbinic Judaism to probe whether–or rather when–such claims to ownership of the metaphor of the vine signal a moment of separation rather than an “inner-Israel” competition for control of a mutual heritage.

2. Space and Place and Religion The recent round of Postcolonial papers on John 15, ironically, began with an attempt to counter expansionist expropriations of Palestinian land by the State of Israel and provide a way forward in reading the bible for Christian Palestinians: “The Palestinian church is in the grip of a hermeneutical crisis as it wonders how to reclaim its scriptures. … if the Bible becomes the instrument of death for his people, it cannot also offer them life and light and hope” (Burge 1994:385). Gary Burge’s argument is that, while John does not spiritualize The Land, he shifts its centre and meaning to Christ as “the place of God’s promise” (Ibid.:389) so that “the heritage of the people of God is no longer territorial” (Ibid.:390). John 15 is a central text for his hypothesis, since he sees the fundamental reference of the metaphor of the vine as the Land: the vineyard is The Land, the vines the people of Israel and Yahweh the vinedresser (he cites Ps 80:8 – 13; Hos 10:1; Jer 2:21; 5:10; 12:11, 12; Ezek 15:1 – 8; 17:1 – 10; 19:10 – 14; Isa 27:2 – 6; Sir 24:27; 2 Apoc Baruch 39:7). In addition, the trope of the vine is related to that of Israel as the vineyard planted by God in Isa 5:1 – 7. Jesus as the single vine replaces the many vines of the people of Israel, so that now, “The people of Israel cannot claim to be planted as vines in The Land; they cannot be rooted in the vineyard unless first they are grafted into Jesus” (Ibid.:393). Thus John de-territorializes Israel’s hope and removes The Land as the way to God’s blessing. In his own way, Burge affirms Mercea Eliade’s evolutionary view of sacred space in religion, in which JudeaoChristian religion opened up the possibility “to recognize every place as a potential space for revelation”, detaching the numinous from the local and particular (Swanson 2002:11 – 13). This positive valuation of de-territorializing the hope of Israel through metaphors such as the vine is problematized by Tod D. Swanson ([1994] 2002). For John the semeia of Jesus “extract the logoi of the fathers from their entanglement in territorial shrines” and so “transferred ethnic allegiance from the territorial shrines to his own body”. But by his death even this space of his body is erased as he prepares a “spaceless space” for the coming of the Spirit and points his followers to the heavenly realm of the Father. This ironically prepares the way for Christianity as an imperial religion: But even as utopian a religion as Johannine Christianity sustains an ethos, and every ethos competes for space in this world. Ironically, therefore, the very preparing of the

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nonterritorial place for unity actually remapped the world in a way that displaced competing religious cultures. By delegitimizing all territorially based religions it actually staked out a new kind of Christian claim to all of the territories of this world. There is, therefore, also a darker side to the Johannine myth that follows from its mapping of the outside worked, and this is how I think it worked (Swanson 2002:26)

Ultimately, this quest for “spaceless harmony” is mistaken, since “The meaning of a place is not transferrable” and “Rituals are irreplaceable responses to these irreplaceable places” (Ibid.:30 – 1). Zipporah G. Glass (2002) sees John’s image of the vine as representing the nation of Israel and as presenting “an imaginative political vision” which seeks to construct a new nation on the basis of a homogenizing universalism privileging the culture of the dominant group, as in modern America. The language of inclusion and exclusion on the basis of fruit-bearing represents the same dimensions “as with moderns who are stigmatized by race or identity” (2002:165). John’s construction of “a new civic identity” is ultimately oppressive to the colonized, the marginalized and the oppressed, since “‘the vine’ reinforces and replicates the very categories it organizes against its own oppression” (Ibid.:163 – 4). Against this somewhat anachronistic interpretation of the vine (since modern notions of the nation state are not operative in the ancient world), Jeff Staley (2002) seeks a middle way. He rightly points out that the metaphor “means something different” depending on who narrates it! In a situation of dispossession, the oppressed can and do, indeed must, construct alternatives to the imperial discourse. If Jesus were a conqueror then “neither here nor in Jerusalem” would be oppressive, but it means something different if both he and the Samaritan woman are oppressed victims of empire—since if Gerizim was destroyed by Judaeans, the Jerusalem temple was destroyed by Rome! But one victim of oppression can also say to another victim what Jesus says to the Samaritan woman, and it can be heard as a liberating voice. No place—neither the sacred places that have been wrested from the victims nor the ancient places that the oppressors view as sacred, are unique special places of the gods’ presence and power. Thus, the gut-wrenching experience of being ripped from one’s land can sometimes be assuaged by the voices of other alienated, dispossessed peoples who are witnesses to God’s subversive activity on behalf of the oppressed—an activity that is quite separate from any authorized sacred space. For Rome is no more the center of God’s power and activity than is Jerusalem, Antioch or Nazareth (Jn 1.46) (2002:46 – 7).

This seems to me to be the most productive way forward. It highlights the problem of doing Postcolonial exegesis from the centre rather than the periphery. Glass’s concerns are clearly legitimate expressions of the experiences of those marginalized by the “great American dream”, and her interpretation of John’s metaphor of the vine reflects the way synthesizing Western Christian discourses have operated to exclude and oppress minor-

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ities. However, it overlooks the liberatory aspects of the text in its own context, and the need for modern interpreters to engage in “conversation” (Gadamer) with the text to hear its own distinctive tones and experiences. Perhaps the trope or, rather, metaphor of the vine in John can only be evaluated by situating it in the range of uses to which it is put in early Christian texts. Such a study was made with different purposes as a contribution to the ecumenical movement in the masterful vignette presented by Willi Rordorf in his inaugural lecture at Neuch–tel University in 1970, to which this paper is indebted.

3. The Vine as a Multivalent Metaphor It is, of course, a defining characteristic of metaphor that it is not directly an equivalent of anything, but rather an evocative and polyvalent literary device. One only has to take the line from the song, written by Paul Simon and Bruce Woodley and made popular by The Cyrkle, “The morning’ sun is shinin’ like a red rubber ball”, to see this. Its purpose is precisely to subvert the predictable and comfortable world of everyday expectations. Redness and roundness may be transferable, but the implication that the majestic and romantic view of the rising sun could be compared to a rubber ball is simultaneously iconoclastically anti-romantic. The use of the metaphor (“like a big red football” added in English pub songs) pre-dates its use in the pop song, and draws on a covert counter-claim to “ownership” of nature by the working class in the face of all those poems and paintings by the elite. There is both a cultural specificity and an intertextuality, in the use of this metaphor in a pop song (which make it difficult to pin down). This observation is as true for ritual symbols and religious metaphors, which are interrelated. As we shall see, if John calls Jesus the “true vine” that may be because the eucharist he knew blessed God over the symbolic cup of wine for “the holy vine of David your servant, which you have made known to us through Jesus your servant” (as in Didache 9:2). This intertextual reference in turn may draw on other intertextual references inside and outside of the Hebrew Scriptures. Victor Turner (Turner 1967) argues that ritual symbols are always imprecise and that is part of their value and utility. They have a sensory and an ideological pole, both of which are imprecise in their reference. At the sensory pole, for instance, a candle brings light in darkness, smells of wax, burns fingers, attracts moths, potentially sets fire to things, stutters and sputters, the flame dances and flickers hypnotically. It may symbolize, perhaps, at the ideological pole, the presence of God in worship; or the gift of redemption through baptism, perhaps even the word spoken by God at creation, fiat lux, or the perduring presence of the Word after creation as the light which the darkness has constantly sought to extinguish, but which shines on in the world regardless. At the sensory pole, the vine might evoke the

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sensory experience of green and growing things, or roots in the ground, of sweet and juicy fruit, of tightly pruned and controlled vines with their bare arms outstretched in orderly rows, or of wine made from this fruit, or intoxication which makes it dangerous and numinous. At the ideological pole it might signal a number of things: Israel as a people, as a land of covenant promise, or the messiah, or the temple. We will explore these later. Nevertheless, while the symbol or metaphor is always imprecise and suggestive rather than prescriptive, it functions within a network of meaning which also limits or at least directs its applicability in ritual or religious contexts. I may love the smell of burning beeswax and meditate on honey, but I would not mistake this as the reason for burning it in church! I find Jan G. van der Watt’s (2000) suggestion that we need to read metaphors in a network of metaphors helpful. I would also suggest that there is a range of possibilities but also a dominant thrust in such networks of metaphors which play a key role in signaling the direction of a text and its rhetorical thrust. Different texts may utilize the same metaphor to activate different potentials and follow a different rhetorical direction.

4. The Range of “Ideo-Cultural” References of the Metaphor of the Vine in John and Early Christian Writings I have tabulated the various possible Judeo-Christian Ideo-Cultural reference points for the metaphor of the vine in John and the early Christian tradition, building on its cultural base in Israel, and they are extremely varied. Of course I could also have included the Hellenistic Ideo-Cultural reference points—not that they are irrelevant, since John is clearly making use of Hellenistic philosophical traditions for his purposes such as the Logos when it suits him,5 but that they go beyond my scope and also do not fit my understanding of the way John composes his gospel. I find no fewer than eleven possibilities, though some fall out of contention almost immediately since their occurrence is circumstantial rather than substantial. Among these I count the use of the vine to refer to a pregant wife by R. Hiyya b. Abba (b. Berakoth 57) on the basis of Psalm 128:3, though it may owe something to the reference of the vine to Israel as mother (though cf. Justin Martyr, Dialogue 110, where, on the basis of the same Psalm, Micah 4:4 is interpreted to mean that in the last days everyone shall have his own wife!). Nowhere is the “slippery” nature of the metaphor of the vine more obvious 5 Some scholars have suggested a link between the miracle of turning water into wine in John 2:1 – 8 and Dionysus, and this could be explored with regard to Jesus as the true vine also, but my purpose here is to explore the intra-Israelite cultural references, which I believe are the more important in John, even where he exploits connections with Hellenistic philosophy.

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than in the extended rabbinic debate about the interpretation of Genesis 40:9 – 15 recorded in b. Chullin 92a in a somewhat fortuitous insertion into a discussion of Jacob, his thigh and his wrestling with the angel. Here various rabbis interpret the vine in Genesis 40 in their own ways. For instance, if we follow the order of the tractate, R. Hiyya b. Abba in the name of Rab sees the vine with three branches as a reference to the “three men of excellence” found in every generation in Israel, and the three branches as the three sons of Rab’s daughter who are “the three princes of the nations”. R. Eliezer sees the vine as the world, but within this as Israel, since the three “branches” are then specified as Abraham, Isaac and Jacob and the clusters they bear as the twelve tribes of Israel. R. Joshua sees the vine as Torah while Moses, Aaron and Miriam are its three branches, its buds are the Sanhedrin, and its clusters the righteous people of every generation. R. Gamaliel refers to R. Eleazar the Modite for whom it is Jerusalem, and its three branches the Temple, King and High Priest, its buds the young priests, its clusters the drink offerings. R. Joshua b. Levi sees it as the gift of Torah and the branches as the well, the pillar of smoke and the manna, the buds as the first fruits and the clusters as the drink offerings. R. Jeremiah b. Abba argues for the vine as Israel on the basis of Psalm 80, with the three branches referring to the three major festivals in the Temple, the buds to the increase of children in Israel, its blossoms to the time of redemption. Finally R. Sikmeon b. Lakish sees the vine as Israel, its branches the aristocracy, its clusters the scholars, its leaves the common people and its twigs the ignorant of Israel. However, the four foundational metaphorical clusters which appear in the literature are Israel, David/Messiah, Temple and Torah/Wisdom/Logos (which I group together despite their different emphases). The evidence will be explored under these sub-headings. 4.1 Israel Israel is almost always in mind when there is a reference to the vineyard. The text of Isaiah 5:1 – 7 has left an indelible print here (cf. Jeremiah 12:10). It not only influenced the Rabbis but also the early Christian tradition beginning with Mark 12:1 – 12 and its parallels and Luke 20:1 – 16. A similar interpretation is provided by the commentary from the Qumran texts, 4QpIsab 1:4 – 7, which envisages the same fate of destruction and exile for the vineyard Israel/ Jerusalem because of its moral sins: “For this, my people will be exiled without realising it, their nobles will die of hunger and the ordinary folk have a raging thirst. For this, the abyss distends its jaws and enlarges its mouth immeasurably, lowers its nobility and its ordinary people and its revelling throng enters. These are the arrogant men who are in Jerusalem” (translation Martinez 1995). However, the starkness of the supersessionism evident in the devastating statement at the end of the parable in Mark 12:9, “He will come and destroy the tenants and give the vineyard to others” cannot be minimized.

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As an inner Jewish comment it would stand in continuity with the siluk haShekhinah, the departure of the Divine Presence from Israel as a result of grave moral sin leading to exile from the land due to Israel’s breach of the terms of God’s Covenant with Israel (as set out, e. g., in Deut 30). However, what is striking is the lack of any reference in Mark to God’s promise of restoration (Deut 30:4). Matthew’s redactional statement that the evil doers will be destroyed and the vineyard will be only leased out to other vine tenders (1jd¾setai %kkoir ceyqco?r 21:41) steps back from this permanent dispossession of Israel. It is not the land which is given to another ethnos but rather the rule over the land and over Israel (something which had already happened at the time this gospel was written), though it results in an uneasy (in my view) logical equation of the kingdom of God with the rule of Rome (perhaps unintended by Matthew). Obviously this metaphor of the vineyard overlaps and interacts with the metaphor of the vine itself. Philo, for instance, begins his exploration of the vine as wisdom in de Somniis 2.176:26 with a direct reference to the vineyard in Isaiah as Israel: “They then very fairly compare this vine of which we were only able to take a part, to happiness. And one of the ancient prophets bears his testimony in favor of my view of the matter, who speaking under divine inspiration has said, ‘The vineyard of the Lord Almighty is the house of Israel.’ [Isaiah 5:7.] Now Israel is the mind inclined to the contemplation of God and of the world; for the name Israel is interpreted, ‘seeing God,’ and the abode of the mind is the whole soul; and this is the most sacred vineyard, bearing as its fruit the divine shoot, virtue’ (LCL). Although the main thrust of Philo’s argument is that the vine represents the Logos as we shall see, its starting point is still Israel as the vineyard. However the vine also has a distinct emphasis and trajectory which will be explored specifically in what follows. A key text which is used in rabbinic disputes is Psalm 80:8, where the settlement of Israel in the land of promise is described as the planting of a vine. In this case, it takes on the character not so much of the land and its produce, but as the nation and kingdom establishing territory (between the mountains, the sea and the river): You brought a vine out of Egypt; you drove out the nations and planted it. You cleared the ground for it; it took deep root and filled the land. The mountains were covered with its shade, the mighty cedars with its branches; it sent out its branches to the sea, and its shoots to the River. Why then have you broken down its walls, so that all who pass along the way pluck its fruit? The boar from the forest ravages it, and all that move in the field feed on it. Turn again, O God of hosts; look down from heaven, and see; have regard for this vine, the stock that your right hand planted. They have burned it with fire, they have cut it down; may they perish at the rebuke of your countenance. But let your hand be upon the one at your right hand, the one whom you made strong for yourself. Then we will never turn back from you; give us life, and we

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will call on your name. Restore us, O LORD God of hosts; let your face shine, that we may be saved (Psalm 80:8 – 19)

The Psalm is a lament for the destruction of the kingdom by other nations and a prayer for God to strengthen the (Davidic) king and restore its earlier domination of Palestine. So although the vine does not refer to the Davidic dynasty, the reference to the vine clearly relates to it. The Psalm is used in an argument in b. Chullin 92a over the meaning of the cupbearer’s dream in Pharaoh’s court and its interpretation by Joseph in Genesis 40:9 – 13: “In my dream there was a vine before me, and on the vine there were three branches. As soon as it budded, its blossoms came out and the clusters ripened into grapes. Pharaoh’s cup was in my hand; and I took the grapes and pressed them into Pharaoh’s cup, and placed the cup in Pharaoh’s hand.” Then Joseph said to him, “This is its interpretation: the three branches are three days; within three days Pharaoh will lift up your head and restore you to your office; and you shall place Pharaoh’s cup in his hand, just as you used to do when you were his cupbearer.”

This text of the Hebrew Bible refers the three branches to three days, but in b.Chullin 92a it is taken by the majority of scholars as referring to Israel on the basis of Psalm 80 and Genesis 49:11, bringing together all the significant references to the metaphor of “the vine” in a debate on the reference of the three branches: R. Jeremiah b. Abba said: The ‘vine’ is Israel, for so it is written: Thou didst pluck up a vine out of Egypt [Psalm 80:8]. The ‘three branches’ are the three Festivals on which Israel go up [to the Temple] every year. ‘And as it was budding’: the time is come for Israel to be fruitful and to multiply, for so it is written: And the children of Israel were fruitful, and increased abundantly. ‘Its blossoms shot forth’: the time is come for Israel to be redeemed. For so it is written: And their lifeblood is dashed against my garments, and I have stained all my raiment [Genesis 49:11]. ‘And the clusters thereof brought forth ripe grapes’: the time is come for Egypt to drink the cup of staggering. And this is in accordance with what Raba had said: Why are three cups mentioned in connection with Egypt? One [refers to the cup] which she drank in the days of Moses; the other to that which she drank in the days of Pharaoh–Necho; and the third to that which she is destined to drink together with all the nations. R. Abba said to R. Jeremiah b. Abba: When Rab expounded [this verse] in an Aggadic lecture he expounded it as you have done. R. Simeon b. Lakish said: This people [Israel] is like unto a vine: its branches are the aristocracy, its clusters the scholars, its leaves the common people, its twigs those in Israel that are void of learning. This is what was meant when word was sent from there [Palestine]. ‘Let the clusters pray for the leaves, for were it not for the leaves the clusters could not exist’.

The lesser details of the branches, clusters and fruits can be variously interpreted, but the core understanding in this rabbinic debate is determined

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by the reference of the vine to Israel. As we can see, Raba gives it an eschatological orientation by bringing in Genesis 49:11. In a somewhat strange combination, Justin Martyr in his Dialogue with Trypho initially sees the eschatological “sitting under his own vine” in Micah 4:1 – 8 as referring to each man having his own wife in the eschatological age, but still concludes with the same metaphor of the vine as the people of God in a way which interacts with John 15 it seems but builds on the church as an extension of Israel: For just as if one should cut away the fruit-bearing parts of a vine, it grows up again, and yields other branches flourishing and fruitful; even so the same thing happens with us. For the vine planted by God and Christ the Saviour is His people. But the rest of the prophecy [Micah 4:1 – 8] shall be fulfilled at His second coming (Justin, Dialogue 110).

This metaphor is hard to “nail down” as Dennis G. Duling (1973) has already demonstrated. However, the image of the vine, when it is not an interpretation of John 15 most commonly refers in early Christianity to Israel and the church (whether as an extension of Israel or a replacement of it with a new people). So, for instance, the unattributed saying found in 1 Clement 23:4 – 5 and 2 Clement 11:3 – 5: Ye foolish ones! compare yourselves to a tree: take for instance the vine. First of all it sheds its leaves then it buds, next it puts forth leaves, and then it flowers; after that comes the sour grape, and then follows the ripened fruit. Ye perceive how in a little time the fruit of a tree comes to maturity.

In 1 Clement it is applied to the coming of the Lord: Of a truth, soon and suddenly shall His will be accomplished, as the Scripture also bears witness, saying, Speedily will He come, and will not tarry, and, The Lord shall suddenly come to His temple, even the Holy One, for whom ye look.

The eschatological denouement is referred in 2 Clement to “my people” whose persecution now will be rewarded with “good things”. The saying does not, in itself, suggest a replacement of Israel but rather a continuity between Israel and the church. There is an extended use of the metaphor of the vine in the second parable in Shepherd of Hermas (sim. II.2 – 3). In this case, the common practice in Italy of training the vines up elm trees to provide support and shelter (FuentesUtrilla, Lûpez-Rodr†gez and Gil 2004) is brought into play. Without the support of the elm, the vine cannot bear much fruit or else what it does bear goes rotten on the ground. This is applied by the “shepherd” to the righteous poor, who are supported by the rich who have no time for prayer and confession because of their business activities and so have no fruits of their own. This use of the metaphor does not fit easily with an application of the vine to Israel, since it would leave the elm as not Israel. It does echo, to some extent,

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the idea found in several rabbinic interpretations that the branches refer to the rabbis as opposed to the unlearned in Israel, who are identified with the twigs—though this keeps the organic unity of the vine as the people of Israel. It is, in my opinion, a possibility that the usage of Hermas originates as an explanation of the role of the Gentile converts or god-fearers in the earliest Christian Jewish communities, those who never take on themselves the full Torah through circumcision, but are regarded as members of the community all the same even if they are not [yet] part of the vine. They obtain their righteousness through their support and contribution to the Jewish members of the community who obey the Torah fully (as in Didache 6:2 – 3; see Draper 2003). Similitude 5 presents an elaborate interpretation of the parable of the vineyard drawn from Isaiah 5:1 – 7 and similar to the synoptic parable (Mark 12:1 – 12 parr.). In similitude 9.26:4 the vine becomes a metaphor of members of the community who become wild and sinful and so become useless to their Lord because they are left untended by the deacons: For as a vine, when left within an enclosure, and meeting with neglect, is destroyed, and is made desolate by the weeds, and in time grows wild, and is no longer of any use to its master, so also are such men as have given themselves up, and become useless to their Lord, from having contracted savage habits.

The question which Hermas prevaricates about is whether they are able to receive forgiveness after repentance for their sin (maybe if it was long ago, but not now, unless perhaps they repent quickly!). Little can be drawn from Hermas concerning the question of supersessionism or Christian imperialism, since his usage seems inconsistent and often incoherent. It is only in the Gnostic tradition represented by the Gospel of Thomas 40 – 41 that there is a clear use of the vine to indicate the rejection and destruction of Israel: (40) Jesus said: A vine has been planted without the Father and, as it is not established, it will be pulled up by its roots and be destroyed. (41) Jesus said: Whoever has in his hand, to him shall be given; and whoever does not have, from him shall be taken even the little which he has.

Here Israel is an illegitimate vine, which was not planted by God, which will be plucked up and destroyed. While the metaphor may be directed against orthodox Christians by Gnostics, it seems that its origin is in a radical rejection and complete destruction of the vine Israel. 4.2 David/House of David/Messiah Ezekiel 17:1 – 10 contains a rather elaborate metaphor of two eagles competing over a vine, which was initially taken as a seed by one and planted in fertile and well-watered soil and thrived, but then makes an unsuccessful deal with

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another eagle to be transplanted. Ezekiel’s own interpretation refers it to the “rebellious house” of David trying to gain advantage by playing the Pharaoh of Egypt against the King of Babylon, thus breaking his covenant. This clearly refers to the Davidic king and his dynasty as a vine. There is an interesting fragmentary text from Qumran (4Q479) which contains all the ingredients for a Davidic reference of the vine: The first fragment mentions a “service” (8795F) the “seed of David” (7=97 FL:) and David bringing forth or being brought forth (…]4J= 7=97), clearly drawing on the terminology of the promise to David that his “seed” or lineage would never fail in 2 Samuel 7:12, which is of great significance in messianic movements in second temple Judaism; the second is of no value, while the third mentions, fruit, a covering of foliage or booth (8?9E) in conjunction with a reference to stripping bare (as in Joel 1:7), with combinations of vocabulary used in the various texts using the metaphor : … A9K=.… 9HM;9 … 5?9 9DH6 …8?9E?9 .… A=5DF but the precise reference will never be known beyond the tantalizing use of the metaphor in connection with David. However, its significance lies in the connection of the “holy seed” of 2 Samuel 7 with the language of the sukkah in connection with David as God’s servant. There is precisely the same combination of features in 4 QFlor (174) 1:10 – 13, where the “seed of David” will be the “branch/ shoot (;BJ) of David” who will arise in Zion with the “Interpreter of the Torah” in the last days, in fulfilment of the prophecy of Amos 9:11 that God would rebuild the “fallen sukkah of David” (Amos 9:11). This “fallen sukkah of David” is the one who will arise to save Israel in the eschatological age. In other words, the dynasty of David will be restored. The word ;BJ is used and not CH6 but the difference between these two words is not necessarily significant, as we shall see. There is a more obviously eschatological reference to the vine in connection with the “Anointed One” who is yet to be revealed, though he is not specified as a Davidic king/ messiah in the Syriac 2 Baruch 36 – 40: dating probably to the beginning of the second century C.E. A wicked kingdom, depicted as forest and mountains, is confronted by a vine and a fountain which overthrow it, until finally the vine speaks judgment on the great cedar who is the wicked ruler : And when I had said this, I fell asleep at that place and saw a vision in the night. and behold there was a forest with trees that was planted on the plain and surrounded by high mountains and rugged rocks. And the forest occupied much space. And behold, over against it a vine arose, and from under it a fountain (ran) peacefully. And that fountain came to the forest and changed into great waves and those waves submerged the forest and suddenly uprooted the entire forest and overthrew all the mountains which surrounded it. And the height of the forest became low, and that top of the mountains became low. And that fountain became so strong that it left nothing of the great forest except one cedar. When it had also cast that one down, it destroyed the entire forest and uprooted it so that nothing was left of it, and its place was not even

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known anymore. Then that vine arrived with the fountain in peace and in great tranquility and arrived at a place which was not far away from the cedar, and they brought to him that cedar which had been cast down. And I saw, and behold, that vine opened its mouth and spoke and said to the cedar, “Are you not that cedar which remained of the forest of wickedness? Because of you, wickedness remained and has been done during all those years, but never goodness. And you possessed power over that which did not belong to you; you did not even show compassion to that which did belong to you. And you extended your power over those who were living far from you and you keep those who are close to you in the nets of your wickedness, and you uplift your soul always like one who could not be uprooted…” And after these things I saw that the cedar was burning and the vine growing, while it and all around it became a valley full of unfading flowers. And I awoke and arose. … (translation R. H. Charles)

The explanation that is given for the vision by the messenger angel associates the vine with the Anointed One, the Messiah, rather than with Israel as a whole—though the reference may change focus without warning from Israel to the Messiah: And it will happen when the time of its fulfillment is approaching in which it will fall, that at that time the dominion of my Anointed One which is like the fountain and the vine, will be revealed … (38:7)

There are many other indicators that the vine is associated particularly with David or the Davidic Messiah. A key text in the Hebrew Scriptures for later commentators, unsurprisingly, is the promise to Judah in Genesis 49:8 – 12: Judah, your brothers shall praise you; your hand shall be on the neck of your enemies; your father’s sons shall bow down before you. Judah is a lion’s whelp; from the prey, my son, you have gone up. He crouches down, he stretches out like a lion, like a lioness–– who dares rouse him up? The sceptre shall not depart from Judah, nor the ruler’s staff from between his feet, until tribute comes to him; and the obedience of the peoples is his. Binding his foal to the vine and his donkey’s colt to the choice vine, he washes his garments in wine and his robe in the blood of grapes; his eyes are darker than wine, and his teeth whiter than milk.

Thus R. Hiyya b. Abba in b. Berakoth 57a a primary compiler of Tosephta and pupil of R. Jochanan said: “If one sees a choice vine, he may look forward to seeing the Messiah, since it says, Binding his foal unto the vine and his ass’s colt unto the choice vine [Gen 49:11]”. In b. Chullin 92a, Rab (supported by R. Abba citing Rab) sees a prophecy of the two previous disasters suffered by Egypt in punishment for their treatment of Israel and the third catastrophe which will be their final eschatological destruction. The same text is used extensively and repeatedly by Justin Martyr as a prophecy that Jesus was the promised messiah, since the rule of Jews over Jerusalem ended (“the sceptre departed”) after Jesus arrived, he rode into

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Jerusalem on a donkey, and (he claims) the donkey was tied to a grapevine while waiting for Jesus’ arrival. Moreover, Jesus washed his robe in the blood of the grape through his sacrificial death on the cross and he was a descendant of Judah. It is worth quoting his First Apology 32 at some length: And the prophecy, “binding His foal to the vine, and washing His robe in the blood of the grape,” was a significant symbol of the things that were to happen to Christ, and of what He was to do. For the foal of an ass stood bound to a vine at the entrance of a village, and He ordered His acquaintances to bring it to Him then; and when it was brought, He mounted and sat upon it, and entered Jerusalem, where was the vast temple of the Jews which was afterwards destroyed by you. And after this He was crucified, that the rest of the prophecy might be fulfilled. For this “washing His robe in the blood of the grape” was predictive of the passion He was to endure, cleansing by His blood those who believe on Him. For what is called by the Divine Spirit through the prophet “His robe,” are those men who believe in Him in whom abideth the seed of God, the Word. And what is spoken of as “the blood of the grape,” signifies that He who should appear would have blood, though not of the seed of man, but of the power of God. And the first power after God the Father and Lord of all is the Word, who is also the Son; and of Him we will, in what follows, relate how He took flesh and became man. For as man did not make the blood of the vine, but God, so it was hereby intimated that the blood should not be of human seed, but of divine power, as we have said above. And Isaiah, another prophet, foretelling the same things in other words, spoke thus: “A star shall rise out of Jacob, and a flower shall spring from the root of Jesse; and His arm shall the nations trust. And a star of light has arisen, and a flower has sprung from the root of Jesse––this Christ. For by the power of God He was conceived by a virgin of the seed of Jacob, who was the father of Judah, who, as we have shown, was the father of the Jews; and Jesse was His forefather according to the oracle, and He was the son of Jacob and Judah according to lineal descent.”

Justin argues that this truthful prophecy of the Hebrew Scriptures was then mimicked by devils who inserted similar myths of Bacchus, Bellerophone and Aeschlepius in Pagan culture to deceive people and prevent them from believing in Jesus (1 Apol 54). This theme is a repeated refrain in his work, recurring in his dialogue with the Jew, Trypho (Dialogue 52 – 54). Willi Rordorf, in his paper on the vine, points to the very important evidence provided by the frescoes in the Dura Europas Synagogue, which was buried under rubble and sand when used in a rampart by the Roman garrison faced with a Persian attack which finally destroyed the city in 256 C.E. The startling iconography of the synagogue has no reservations about the use of images of humans and animals and has been painted in successive layers (see Goodenough 1953:177 – 194 and especially Plates 29 – 31, 75) so that the frescoes certainly derive from a period much earlier than the time of their destruction, preserving an impressive archive of Jewish symbolism in at least one section of the ancient world. To oversimplify, above the Torah niche a giant cosmic vine is painted, reaching up towards the figure of God enthroned and

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guarded by the cherubim, while in the vine is seated a figure paying a harp, and next to it centrally situated a lion and a series of birds. This suggests David and the lion of Judah as the symbolic focus of the metaphor of the vine, perhaps dominant over the birds representing other nations (suggested above for instance in the eagles of Ezekiel 17:1 – 10). It agrees with the textual evidence we have presented for the “vine of David”. A final piece of evidence for the continuing importance of the metaphor of the vine comes from the fifteenth benediction of the Shemoneh Esreh (perhaps of first century CE origin according to Kimmelman 1997:313 on the basis of their widespread presence in piyyutim and in the texts of the Cairo Genizah): “Let the branch/shoot of your servant David (ý75F 7=97 ýBJ N4) sprout/shoot quickly, and raise up his horn with your salvation, because we wait for your salvation all day long”. Of course, ýBJ is a generic term for any vegetable growth, but it is widely used as a royal title in the Hebrew Bible, e. g. Isaiah 11:1 to refer to or prophesy the restoration of the Davidic dynasty (cf. Baldwin 1964). However, it can certainly be used for a vine tendril, as in Ezekiel 17:9 – 10. This righteous branch/shoot of David becomes the restorer of exiled Israel in Jeremiah 23:5 – 8 and 33:14 – 26 and belongs in the same semantic domain as the metaphor of the vine of David. Kimmelman notes the downplaying of the role of David and a higher valuation of direct divine agency in the liturgical setting of the Amidah, with an absence of any reference to the rule of the Davidic branch/shoot and its positioning four blessings after God is requested to liberate and restore Israel and the eleventh benediction has stated, “reign thou over us, O Lord, thou alone…” However, its survival notwithstanding shows how important a trophe it is in Jewish consciousness. In conclusion, the “vine of David/ branch of David” may spring from the “seed of David” or may be a sprout from a stump of an old tree/vine. In either case its reference is to the Davidic dynasty especially in terms of its eschatological restoration. Apart perhaps from John 15, which we will examine later, the use of the vine to refer to David and his Messianic successor is found only in Didache 9: 2 (c.50 – 100 CE) in the eucharistic thanksgiving over the cup: EqwaqistoOl´m soi p²teq Bl_m rp³q t/r "c¸ar !lp´kou Daue·d toO paidºr sou Hr 1cm¾qisar Bl?m di± YgsoO toO paidºr sou so· B dºna eQr to»r aQ_mar

The “holy vine” is primarily applied to David as God’s pa?r, an ambivalent reference since it could mean “servant” or “son” (although uVor would be the obvious word to use for this). The language of the Suffering Servant (898= 75F) of Isaiah springs most to mind, but it may also refer to David as in Psalm 2:7, “You are my son, today I have begotten you”. In any case, the parallel language identifies Jesus as the successor of David, the one who makes David’s vine known. This is confirmed by the poem of praise at the end of the thanksgiving prayers after the meal: “Hosanna to the house/God/son of David”. The coptic

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text of the Didache has “house”, the Jerusalem text (H54) has “God”, while the Apostolic Constitutions has “son”. Whatever the original text may have been, it clearly marks the understanding of Jesus in this much debated text as Davidic and associates the vine with the Davidic monarchy. 4.3 Temple As we have seen already in the commentary of b. Chullin 92a, R. Gamaliel cites the interpretation of R. Eleazar the Modite for whom the vine is Jerusalem, and then its three branches the Temple, King and High Priest, its buds the young priests, its clusters the drink offerings. This priestly orientation interpretation of the vine finds an echo also in the teaching of R. Jose ben Chalafta, pupil of Akiba and R. Juda b. Baba, in b. Sukkah 49a: It has been taught, R. Jose says, The cavity of the Pits descended to the abyss, for it is said, Let me sing of my well-beloved, a song of my beloved touching his vineyard. My well-beloved had a vineyard on a very fruitful hill. And he digged it, and cleared it of stones, and planted it with the choicest vine, and built a tower in the midst of it, and also hewed out a vat therein. ‘And planted it with the choicest vine’, refers to the Temple; ‘and built a tower in the midst of it’, refers to the altar ; ‘and also hewed out a vat therein’, refers to the Pits.

This connection between the Temple and the vine is reflected in the positioning of a great golden vine and bunches of grapes at the entrance to the Temple, which is spoken of in b. Chullin 90b, where R. Isaac b. Nahmani mentions, “A golden vine stood at the entrance to the Temple trained over posts, and whosoever presented a leaf or a berry or a cluster would bring it and hang it thereon”. He describes as an exaggeration, the claim of R. Eleazar b. R. Zadok that, “It once happened that three hundred priests were appointed to clear it”. Josephus, however confirms the wonder of the Temple vine in Ant. 12:75 – 76: Now they had engraved upon it [the portico of the temple] with a very fine tool, and with a great deal of pains, a branch of ivy and tendrils of the vine, sending forth clusters of grapes, that you would guess they were in no way different from real tendrils; for they were so very thin, and so very far extended at their extremities, that they were moved with the wind, and made one believe that they were the product of nature, and not the representation of art. They also made the entire workmanship of the table appear to be threefold, while the joints of the various parts were so united together as to be invisible, and the places where they joined could not be distinguished. Now the thickness of the table was not less than half a cubit.

He claims in Ant. 15:394 – 395 that this golden vine, “with its branches hanging down from a great height, the size and fine workmanship of which was a

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surprising sight to the spectators, to see what vast materials there were, and with what great skill the workmanship was done”. Coins from the Barkochba Revolt also depict the temple with vines over the portico. Moreover, the “vine of David” in the Dura Europa synagogue appears above and symbolically to have its roots in the representation of the Temple above the Torah Niche. While the volume of interpretations of the vine as a metaphor of the Temple are relatively few, they do appear to go back to an early period in Second Temple Judaism. 4.4 Torah/Wisdom/Logos As we have noted above, the Temple appears beneath the vine but above the Torah Niche in the Dura Europa fresco. In the debate on the meaning of the vine in b. Chullin 92a which we have been following, R. Joshua sees the vine in the dream of Pharoah’s butler as Torah with Moses, Aaron and Miriam as its three branches: “Thereupon R. Joshua (b. Chananiah) said to him: Is a man shown [in a dream] what has happened? Surely he is only shown what is to happen! Therefore, I say : The ‘vine’ is the Torah, the ‘three branches’ are Moses, Aaron and Miriam; ‘and as it was budding its blossoms shot forth’, these are [the members of] the Sanhedrin; ‘and the clusters thereof brought forth ripe grapes’, are the righteous people of every generation”. Likewise, R. Joshua b. Levi also characterizes the vine as the Torah, but with the three branches as the well, the pillar of smoke, and the manna; the buds as the first fruits; and the ripe grapes as the drink-offerings. While there is obviously a difference between the Torah and Wisdom, they are intricately connected in the cultural matrix of Israel. In the famous passage concerning Wisdom in Sirach 24, at creation Wisdom roams the world looking for rest and is commanded by the Creator to “place its tent” in Israel. Many images are used to characterize this sojourn in Israel, but it concludes in 24:17 with the vine, “Like the vine I bud forth delights, and my blossoms become glorious and abundant fruit. Come to me, you who desire me, and eat your fill of my fruits”. But this in turn is referred in 24:23 to the “book of the covenant” and the “law that Moses commanded us”. One finds the same fluctuation with the metaphor of the vine in Philo of Alexandria, with echoes of similar exegesis of similar texts. In de Congressu 1.56, the mind is a vine planted in human beings to enable it to apprehend wisdom, “For He plants the mind which can really behold him, and which is really attached to God, the vine of a good kind, stretching out its roots so as to make them everlasting, and giving it abundance of fruit for the acquisition and enjoyment of the virtues”. In de Somniis 2.171 – 3, he finds in the return of the spies with a branch and a bunch of grapes a sign of the special pre-disposition of Israel to Wisdom, “Then because we were not able to bear the weight of the whole trunk of wisdom, we cut off one branch and one bunch of grapes, and carried it with us as a most undeniable proof of our joy, and a burden very easy

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to be borne, wishing to display at the same time the branch and the fruit of excellence to those who are gifted with acuteness of mental sight, to show them, that is, the strongly-shooting and grape-bearing vine”. Like the rabbis, Philo deduced from Isaiah 5:7 that the vine refers to Israel so that, “Now Israel is the mind inclined to the contemplation of God and of the world; for the name Israel is interpreted, ‘seeing God,’ and the abode of the mind is the whole soul; and this is the most sacred vineyard, bearing as its fruit the divine shoot, virtue”. On the other hand, the favourite text of the dream of the cup-bearer of Pharaoh, is referred to Logos/ Wisdom in de Somniis 2.190, “So now one kind of vine, which has been assigned as the portion of cheerfulness, and the intoxication which arises from it, namely unmingled goodness of counsel, and the cup-bearer too who drew the wine from the divine goblet, which God himself has filled with virtues up to the lip”, as opposed to material intoxication (cf. de Spec. Leg. 4:76). It is only in the Gnostic tradition that we have already observed the vine used with reference to the Gnostics themselves, who become the world tree by participation in the Logos in contrast to fleshly Israel which is rooted up. Elsewhere in the Gnostic tradition, the image of the vine is also used to describe the world tree, in what Richard Bauckham (1997) has thought to be a lost parable of Jesus: Your vine (tµm %lpekºm sou) I have planted in the earth/land; may it send forth shoots to the deep, may its tendrils grow up to the heaven, may its fruits be seen (appear) in the earth/land, and may those who are worthy of you, whom you have acquired, take pleasure in them (Acts of Thomas 146; cf. the Book of Thomas 144.19 – 36 also cited by Bauckham).

This tradition draws on the reference of the metaphor to Israel, but then supplants it with the Gnostics as the true vine.

5. Narrowing the Field in John 15 As we have seen, the metaphor of the vine is polyvalent and contested in the tradition of Israel and of the early Christian movement which emerges from it. It is likely that the author of John’s gospel was aware of this surplus of meaning and indeed that he plays on it. As can be seen in the use of the metaphor of the shepherd in chapter 10, John delights in exploiting the ambiguities and potential of an image (shepherd, gate-keeper, gate, the owner of the sheep with multiple sheep-folds). John’s use of the metaphor of the vine, however, is a carefully worked piece consisting of four units, set between two passages characterized by the location of the disciples in the „world“ (joslºr) in 14:25 – 31 and 15:18 – 27, which is dominated by the power of darkness which seeks to put out the light (1:5). The structure of each of the units is repetitive and cumulative in their

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progression, featuring “bearing fruit”, “abiding”, “word” and “love” (only in the second two units and relating to the metaphor of “friends” as opposed to “slaves”). Bearing fruit and abiding clearly are closely tied logically to the metaphor of the vine; they represent what Victor Turner calls the “sensory pole” of the symbol. Word and love equally clearly are not logically tied to the metaphor of the vine, but represent the ideological pole of the symbol. They draw out the significance of the application of the metaphor to the community of Jesus’ disciples in John. If we can represent the structure of the text, in a somewhat clumsy and cavalier fashion: A. 9c¾ eQli B %lpekor B !kghimµ ja· b pat¶q lou b ceyqcºr 1stim. 2 p÷m jk/la 1m 1lo· lµ v´qom jaqp¹m aUqei aqtº, ja· p÷m t¹ jaqp¹m v´qom jaha¸qei aqt¹ Vma jaqp¹m pke¸oma v´q,. 3 Edg rle?r jahaqo¸ 1ste di± t¹m kºcom dm kek²kgja rl?m· 4 le¸mate 1m 1lo¸, j!c½ 1m rl?m. jah½r t¹ jk/la oq d¼matai jaqp¹m v´qeim !vû 2autoO 1±m lµ l´m, 1m t0 !lp´k\, ovtyr oqd³ rle?r 1±m lµ 1m 1lo· l´mgte.

A Jesus in relation to the Father 1

B. 5 1c¾ eQli B %lpekor, rle?r t± jk¶lata. b l´mym 1m 1lo· j!c½ 1m aqt` oxtor v´qei jaqp¹m pok¼m, fti wyq·r 1loO oq d¼mashe poie?m oqd´m. 6 1±m l¶ tir l´m, 1m 1lo¸, 1bk¶hg 5ny ¢r t¹ jk/la ja· 1ngq²mhg ja· sum²cousim aqt± ja· eQr t¹ pOq b²kkousim ja· ja¸etai. 7 1±m le¸mgte 1m 1lo· ja· t± N¶lat² lou 1m rl?m le¸m,, d 1±m h´kgte aQt¶sashe, ja· cem¶setai rl?m. 8 1m to¼t\ 1don²shg b pat¶q lou,

B Jesus in relation to the community 1

a1 Vine and Vine-tender in relation a2 Bearing fruit depends on abiding in Jesus b1 The Father cuts off dead branches b2 The Father prunes living branches c The community already cleansed by word spoken a‘1 Bearing fruit depends on vine-branch relationship a‘2 Nothing happens without abiding in Jesus

a1 Vine and branches in relation a2 Bearing fruit depends on abiding in Jesus b1 Apart from Jesus branches are discarded b2 Dead branches die, are gathered, burned in fire c1 Abiding in Jesus is abiding in his words c2 Community abiding receives whatever it asks

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(Continued) Vma jaqp¹m pok»m v´qgte ja· c´mgshe 1lo· lahgta¸.

a‘1 Bearing fruit as disciples brings the Father glory

A‘. 9 Jah½r Ac²pgs´m le b pat¶q, j!c½ rl÷r Ac²pgsa· le¸mate 1m t0 !c²p, t0 1l0. 10 1±m t±r 1mtok²r lou tgq¶sgte, leme?te 1m t0 !c²p, lou, jah½r 1c½ t±r 1mtok±r toO patqºr lou tet¶qgja ja· l´my aqtoO 1m t0 !c²p,. 11 TaOta kek²kgja rl?m Vma B waq± B 1lµ 1m rl?m × ja· B waq± rl_m pkgqyh0. 12 Avtg 1st·m B 1mtokµ B 1l¶, Vma !cap÷te !kk¶kour jah½r Ac²pgsa rl÷r.

A‘ Jesus in relation to the Father 2

B.‘ 13 le¸foma ta¼tgr !c²pgm oqde·r 5wei, Vma tir tµm xuwµm aqtoO h0 rp³q t_m v¸kym aqtoO. 14 rle?r v¸koi lo¼ 1ste 1±m poi/te $ 1c½ 1mt´kkolai rl?m. 15 oqj´ti k´cy rl÷r do¼kour, fti b doOkor oqj oWdem t¸ poie? aqtoO b j¼qior· rl÷r d³ eUqgja v¸kour, fti p²mta $ Ejousa paq± toO patqºr lou 1cm¾qisa rl?m. 16 oqw rle?r le 1nek´nashe, !kkû 1c½ 1neken²lgm rl÷r ja· 5hgja rl÷r Vma rle?r rp²cgte ja· jaqp¹m v´qgte ja· b jaqp¹r rl_m l´m,, Vma f ti #m aQt¶sgte t¹m pat´qa 1m t` amºlat¸ lou d` rl?m. 17 taOta 1mt´kkolai rl?m, Vma !cap÷te !kk¶kour.

B‘ Jesus in relation to the community 2

a1 Father loves Jesus a2 Jesus loves the community a3 Community to abide in Jesus’ love b1 Keeping Jesus’ command is abiding in his love b2 Jesus keep Father’s command and abides in his love c1 Speaking these words c2 Brings mutual joy to Jesus and his community a‘3 Community commanded to love one another a‘2 As Jesus loves community

a1 Greatest love is to lay down life for friends b1 Community are friends obeying Jesus’ commands b2 Community are not ignorant servants c1 Jesus makes known the words he heard from the Father c2 Those who hear the words called friends d1 Community chosen by Jesus not other way round d2 Community appointed to bear fruit d3 Fruit will abide d4 Father gives community what asked in Jesus Name a1‘Community commanded to love one another

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The four units are structured in two couplets which mirror each other A, B, A‘, B‘. What I have labelled “a” and “b” within each unit really belong together as two separate developments of the metaphor which begin each of the units, and are tied chiastically with “a‘” at the conclusion of the unit. Central to the structure of each unit is the reference in “c” to the W/word(s) coming from/ through Jesus. It is this central reference to the W/word(s) in each unit which determine the meaning and reference of the metaphor. We have noted four possible primary references of the metaphor of the vine: to the people of Israel, the messiah of the Davidic line, the Temple and Wisdom/Torah/Logos. Commentators have tended to opt for a reference to the people of Israel, with the concomitant understanding that Jesus as true Israel has replaced the particularity of the Jewish people with himself as the embodiment of a new universal community. The primary reference here, however, is obviously to the people and not the land of Israel (as in the multiple synoptic parables of the vineyard), though clearly they relate to each other, as Ps 80:8 – 12 shows. The connection of the metaphor of the vine with Israel is early and the most obvious one, as we have seen. John’s narrative is acutely aware of the questions of physical region, but in context of the transcending of the divisions in Israel: the line of salvation history may pass through Judaea, but from now it includes Samaria at least (John 4) and Galilee and even the diaspora Greek-speaking Jews (John 12, see Draper 2000) in a new unity of all those who worship “neither here nor in Jerusalem but in spirit and in truth”. But the primary metaphor he uses for the re-united covenant people is that of the sheepfold in John 10: there are sheep outside the sheepfold of Judaea, in another fold, but in the coming age, through Jesus as the good shepherd, there will become one sheep one shepherd. However, it is difficult to understand the centrality of “c” in each of the four sections of John 15 if the primary reference of the vine was to Jesus as the embodiment/replacement of Israel since Jesus and the community are one. I do not think the primary reference of the vine is to the Davidic messiah either, though this does not mean that John was unaware of it. On the contrary, it is likely, given John’s penchant for irony, that this plays ironically over against his primary reference. This is because John does not explicitly deny but problematizes the idea of the Davidic descent of Jesus on the only occasion he refers to it—striking given the frequent occurrence of this idea in the Synoptic Gospels—in 7:40 – 42: “When they heard these words, some in the crowd said, ‘This is really the prophet.’ Others said, ‘This is the Messiah.’ But some asked, ‘Surely the Messiah does not come from Galilee, does he? Has not the scripture said that the Messiah is descended from David (1j toO sp´qlator Dau·d) and comes from Bethlehem, the village where David lived?’” This is, I think, because John understands Jesus primarily as son of the Father, so that the question of how the Logos became flesh is never raised because it is irrelevant to John. The mother of Jesus and the ideal representative of the new community of disciples become one household, one new family. Again, in any

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case, the reference to the Davidic Messiah does not really make sense of “c” either. The initial hypothesis I set out to test in writing this paper was that John begins with the reference of the metaphor of the vine to the Temple, which we have noted in some rabbinic interpretations and in historical iconography. This was certainly an important element in John’s understanding of Jesus and I found it strange that is had not been canvassed before. John understands Jesus as the temple, not however as the Reqºm or holy place in Jerusalem but the maºr or holy presence found in the sjgm¶ or tabernacle which accompanied the people of Israel in their desert wanderings (Draper 1997). The re-location of the cleansing of the temple from the end to the beginning of Jesus’ ministry is central to grasping John’s purpose: the building in Jerusalem was intended as a “house of prayer” but even this was subverted by the wickedness of the high priestly family who made it a “den of thieves”. It was, in any case, never intended to be the temple, as 2 Samuel 7 makes clear because it is not David or Solomon but his “seed” who would build it in the eschatological age—here John stands on the tradition of the wilderness wanderings where the tabernacle accompanied the people from Sinai housing the divine presence and glory of God—something associated with the idea that the name bearing angel who mediated God’s word on Sinai whom Elohim promised would accompany them from Sinai. John associates this name bearing angel with the Word spoken by God at the beginning, “Let there be light” and that light mediates creation and continues as the immanence of the Divine presence in the created order, a light shining in the darkness which the darkness could never extinguish. This divine immanence is incarnate in Jesus as a new “tabernacling” (eskenosen) presence of God, so that those who are born of God, or from above, can say : “we have seen his glory, glory as of the only coming into being God”. This is why John 2:21 can contrast the corrupt hieron which took 46 years to build with Jesus’ body as a naos which will be raised up in three days. We see Jesus repeatedly appearing in the temple at the feasts of theophany in Israel, especially the Feast of Tabernacles, the central celebration of theophany as also of the Sinai experience. We also see Jesus promising that God will no longer be worshiped in buildings either in Jerusalem or on Mount Gerazim, but in spirit and in truth (John 4:21). This key theme of Jesus as the true locus for the presence of the Father is not absent in the metaphor of the vine. Abiding in Jesus is the only way to draw on the life which the Father gives through the son. The branches which are not bound in to the vine are cut off and burned by the Father. Jesus mediates the presence, love and life of the Father. However, the centrality of the reference to the W/word(s) in “c” in each of the units in John 15:1 – 17 indicates that the primary reference is not to the temple either, but to Torah/Wisdom/Logos as the central ideological pole of the metaphor. This would then need to be tested against the “web of metaphors” in the gospel as a whole. While this would

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clearly be a task too big for a paper, it does seem to find clear confirmation in the larger framework of the gospel.

6. The Vine, the Logos and the logos/rhemata John locates his use of the metaphor of the vine in web of metaphorical allusions to the Logos which begins with the Prologue. The Word spoken by God into the emptiness and chaos at the beginning, “Let there be light!” brings life into being and all living beings share in this primordial life without which nothing exists (wyq·r aqtoO 1c´meto oqd³ 6m 1:3). This is why in the first of the four units in John 15:1 – 4, the Father cuts off and prunes the vine, to ensure that the divine life is mediated through the Logos to bear the fruit of life (15:2). But Jesus’ disciples––in an ironic pun characteristic of John––are already “clean” (jahaqo¸) and so have no need for the Father to prune them according to 15:3 (jaha¸qei). They are already t´jma heoO (1:12) through their faith in the Logos which provides a birth “from above” (%myhem 3:7). Hence they have the life in them through the words spoken by the Word: t± N¶lata $ 1c½ kek²kgja rl?m pmeOl² 1stim ja· fy¶ 1stim (6:63), which means that death cannot overcome the life which is in them: eWpem aqt0 b YgsoOr· 1c¾ eQli B !m²stasir ja· B fy¶· b piste¼ym eQr 1l³ j#m !poh²m, f¶setai, ja· p÷r b f_m ja· piste¼ym eQr 1l³ oq lµ !poh²m, eQr t¹m aQ_ma. (11:25 – 26). The second of the four units (15:5 – 8) stresses Jesus’ relationship with his own as the branches. He equates abiding in him to having his words in oneself: 1±m le¸mgte 1m 1lo· ja· t± N¶lat² lou 1m rl?m le¸m, (15:7). The words spoken by Jesus have an ontological significance, binding Jesus to his own and mediating life and fruitfulness through the power that is in them. Hence those who are his disciples have his words indwelling. And can ask anything and they will receive it, bearing much fruit to the glory of the Father whose Word spoken is Jesus. In the third unit (15:9 – 12), the love of the Father for Jesus is mediated through Jesus to those who abide in him (l´my occours forty times in the gospel, usually with this significance). Keeping his commands (t±r 1mtok²r lou tgq¶sgte 15:10) as he has kept his Father’s commands is to abide in his love as he abides in the Father’s love. These commands are the things Jesus has been speaking to them in his words all along (taOta kek²kgja rl?m 15:11), which bring mutual joy and consist in nothing other than loving one another (cf. 1:20 – 26). The final unit provides the greatest example of the love command: a friend laying down his life for a friend’s. Jesus calls his disciples friends because p²mta $ Ejousa paq± toO patqºr lou 1cm¾qisa rl?m (15:15). Jesus reveals through his words all that he has heard from the Father. This was indeed the purpose of the coming of the Logos according to 1:18, to make the Father

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known (He¹m oqde·r 2¾qajem p¾pote· lomocemµr he¹r b £m eQr t¹m jºkpom toO patq¹r 1je?mor 1ngc¶sato). The conclusion to the unit and to the whole discourse on the vine brings together all these themes the choice and appointment of the disciples to go and bear fruit by keeping his command which he has also heard from the Father which is to love one another. This time, significantly, their fruits are to abide (rp²cgte ja· jaqp¹m v´qgte ja· b jaqp¹r rl_m l´mg 15:16) so that the Father will give whatever they ask in Jesus’ name. Those who do not abide and produce fruit are those who do not receive Jesus’ word, as this is summarized in 12:48 – 50: The one who rejects me and does not receive my word has a judge; on the last day the word that I have spoken will serve as judge, for I have not spoken on my own, but the Father who sent me has himself given me a commandment about what to say and what to speak. And I know that his commandment is eternal life. What I speak, therefore, I speak just as the Father has told me.

In other words, the metaphor of the vine in John 15 fits within the web of meaning woven around the understanding of Jesus as the Word sent by the Father to bring life-giving word(s) to those who are willing to receive him. The closest parallel to this is provided by the vine as divine Wisdom in Sirach 24 and the Logos in Philo who sees the virtuous mind as a vine reaching up like a vine to draw fruits from God through his Logos. Moreover, Philo famously alludes to Melchizedek as a priestly figure of the Logos offering wine to draw the mind towards knowledge of God: Reqe»r c²q 1sti kºcor jk/qom 5wym t¹m emta ja· rxgk_r peq· aqtoO ja· rpeqºcjyr ja· lecakopqep_r kocifºlemor· toO c±q rx¸stou 1st·m Reqe¼r (Leg 3:82).

7. Conclusion This short sketch of a response to the Post-Colonial critique of the image of the vine is to highlight its connections with John’s mystical spirituality of Wisdom/ Logos. John follows the metaphorical path found in other writers of his day, most especially those seeking to draw together aspects of the Wisdom tradition of Israel and the Hellenistic philosophical tradition of the Logos. To this extent, the appropriation of the Logos represents not mimicry but hybridity, in Postcolonial terms: an act of resistance against incorporation into empire which is at the same time transformed by it. The key interpretive marker for the metaphor is neither the land of Israel nor the people of Israel but Logos/ Wisdom as the only possible mediator between God and humankind, since no one could ever see God and live. Only the Logos, the mind of God spoken in the words, “Let there be light” at the creation, could reveal the mind of God to human beings. This revelation was mediated in partial form by the Logos to Moses on Sinai in the form of the Torah, but is now

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revealed fully in grace and truth by the only “coming into being God” who is the Word spoken by God which is none other than God for there is only one God. The language comes close to paradox or self-contradiction. Philo comes to an embarrassed disclaimer regarding Melchizedek as the Divine Logos pouring out intoxicating wine of the knowledge of God, well aware that he is entering dangerous ground: Not that there is any other God who is not the Most High—for God being One, “is in the heaven above and in the earth beneath, and there is none beside Him.” (Deut. iv. 39)—but to conceive of God not in low earthbound ways but in lofty terms, such as transcend all other greatness and all else that is free from matter, calls up in us a picture of the Most High. (Leg 3:82 LCL)

But for John the mediator figure is more than a picture of the Logos and has become a human being in the incarnation of the Logos in the historical figure of Jesus. The words of Jesus meditate for those who believe in him the Word of the Father, the word of the Word abiding in them and bringing eternal life. Like the Torah which was mediated by the Logos to Moses (1:17, Draper 2007), the words of the Word are the commandments of the Father, but their content is love—the love of the Father for Jesus and Jesus for the Father and for his own community and their love for him and for each other. Abiding in Jesus as the vine is essential to draw life from God and to produce life in bearing fruit for others. It is not clear, either, that John is setting the metaphor of Jesus as the vine against Israel as the vine. Philo, as we have seen, finds no contradiction in viewing Israel as “the one seeing God” and therefore the human being in relation to the Logos who mediates that possibility of seeing. Philo himself was engaged, historically speaking, in defending his own people and his own culture as best he could against the encroachment of Rome, as we see in his Legatio ad Gaium. If one steps outside the usual assumptions, John’s concern to depict Jesus drawing the Samaritans, the Diaspora þkkgm´r (12:20) together with Judaeans and Galileans might be read as a re-unification of Israel north and south and scattered abroad in the eschatological age initiated by Jesus, the merging of the two sheep-folds into one (10:16). Yet, like Philo, John views God’s choice of Israel as a gift to all humankind. This is a cosmic event, since God loves the cosmos and gives his Word for its salvation and renewal. There is no doubt that some Christians have taken the metaphor of the vine as signaling exclusion and condemnation of anybody who is not a member of (their particular) church. It has indeed been used in totalizing discourse. It has been used historically to signal the replacement of Israel by the church, which has had grievous consequences in terms of anti-Semitism. However, the evidence does not support the identification of the vine with the figure of Israel or the land of Israel. It takes up the figure of the Logos as the mediator of the knowledge of God, through whom the world was created. That life-giving Word continues its presence in the world from that moment of creation

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through all of history, as “the light shines in the darkness and the darkness has never extinguished it” (1:5). Jesus as the vine is a metaphor of the possibility of hearing the words of the Father through the creative Word which has never abandoned the created world but continues to love and renew it (3:16). Potentially, every experience of God’s creative Logos is included within its sphere, though one should be careful not to make of this a new imperialism. The words spoken through the metaphor of the vine read in this way provide a call to human solidarity and affirming community : a command to love and to be loved.

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Heresy and Scripture

What has heresy to do with Scripture/, or Scripture with heresy? For Tertullian, writing at the end of the second century, the answer was clear : heresy does not acknowledge Scripture, and even when it does accept some it does so only with additions and omissions so as to twist it to the heretic’s own position.1 Not much had changed when Oscar Cullmann could say in the middle of the twentieth century : It is no mere accident that the men who were responsible for the various attempts to replace the four Gospels by a single Gospel upheld a conception of Christian teaching differing from the New Testament, and were therefore heretics.2

Heresy and the ‘distortion’ of Scripture, it would seem, are two sides of the same coin. Yet in more recent years such neat equations have become increasingly difficult to sustain. On the one hand, as shall be seen, there has emerged a far greater awareness of the multiple expressions that ‘early Christianity’ took during the second century, as well as of the fluid diversity of authoritative texts and textual forms in this period. Neither ‘heresy’ nor ‘Scripture’ have a single meaning or referent. On the other hand, words such as those of Tertullian can no longer be read as a bald statement of the facts but must be seen as an integral part of the construction of a distinctive identity through which ‘early Christianity’ emerged, a process that was articulated particularly through the drawing of boundaries. In what follows it will become evident that the ‘idea’ of Scripture and the ‘idea’ of heresy are interdependent, growing in symbiosis, one parasitic upon the other. Yet this process does not simply belong to the history of ideas or to the abstract construction of subcomponents of identity, but has to be anchored within the broader historical and cultural context of the second century in which those ideas flourished. A key text in the formation of the New Testament as it became established at least in the western church was the 39th Festal Letter of Athanasius of Alexandria written in 367CE. Among the arguments that Athansius gives there 1 Tertullian, Praes.Haer. 17 Ista haeresis non recipit quasdam scripturas; et si quas recipit, non recipit integras sed adiectionibus et detractionibus ad dispositionem instituti sui interuertit, et si aliquatenus integras praestat, niholominus diuersas expositiones commentata conuertit. 2 O. Cullmann, The Plurality of the Gospels as a Theological Problem in Antiquity, in idem, The Early Church, ed. A.J.B. Higgins (London: SCM, 1956), 39 – 54, 50.

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for establishing a ‘canon’ is the need to identify those books which if read are likely to mislead ‘the simple’, in particular those which ‘bear the same name’ as the ‘genuine’ books. But since we have explained that the heretics are dead but that we possess the divine Scriptures for salvation, and we are afraid that, as Paul wrote to the Corinthians, a few of the simple might be led astray from sincerity and purity through human trickery and might then begin to read other books, the so-called apocrypha, deceived by their having the same names as the genuine books (t0 blymul¸ô t_m !kgh_m bibk¸ym), I exhort you to be patient if I also write about things that you know, to remind you of these, on account of the church’s need and advantage.3

The ambiguity embedded here is striking: does the canon come after and respond to the existence of these other books, or does their labelling as ‘bearing the same name’ establish them as secondary and derivative, indeed as subversively imitative, of those already set apart as authoritative? As a historical question this has been specifically addressed to Marcion, who in the popular mind rejected the Old Testament, and who, according to his opponents, accepted only the Gospel according to Luke and the Pauline letters, radically removing from each anything that contradicted his own theology. Some would follow this account, assuming that he merely brought a knife to what was already in place, even if not with the antiquity that they claimed for it; what he produced, therefore, was derivative, ‘of the same name’, at best a response to the questions posed by the prior acceptance of four different accounts of Jesus’ life. More recently others have suggested that it was Marcion who in effect introduced the idea not only of an authoritative written Gospel but also of combining that with a corpus of apostolic letters, in effect creating a ‘New Testament’, an embryonic canon, whether or not in deliberate antithesis to the ‘Old Testament’.4 On this account the church responded to him by imitation and expansion, first with the emphasis on the necessity of four Gospels and then with a more extensive apostolic corpus, adding James, Peter and John to Paul, and thus set in motion the process to whose culmination in ‘the New Testament’ Athanasius bears witness.5 The historical question is at the same time a conceptual one; is heresy parasitic, defined by 3 This section survives in Greek (from which the translation is taken) and in Coptic. On the latter see also D. Brakke, A New Fragment of Athanasius’ Thirty Ninth Festal Letter, HTR 102 (2010), 47 – 66. 4 M. Vinzent, ‘jaimg diahgjg. The Title of the New Testament in the Second and Third Centuries’, JTS 45 (1994), 519 – 44 suggests that the term was introduced by Marcion, but the evidence in favour of this is not compelling. 5 See already A. von Harnack, Marcion: Das Evangelium vom Fremden Gott (Leipzig: Hinrich’sche, 1924), 442 – 44. The idea was developed by John Knox, Marcion and the New Testament: An Essay in the Early History of the Canon (Chicago: University of Chicago Press, 1942). Many would adopt a mediating position: see Sebastian Moll, The Arch-Heretic Marcion (WUNT 250; Tübingen: Mohr Siebeck, 2010), 103 – 105, who suggests that Marcion ‘outran’ the Church in the process.

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Heresy and Scripture

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what it denies, or is to be heard in its own voice and on its own terms? Does the canon unfold, retaining from the beginning a stable core identity, or is it created through responses to unforeseen contingent forces?

‘Of the same name’ The fear that Athanasius voices, of that which is of ‘the same name’, outwardly similar but inwardly pernicious, has a long history. In the mid-second century CE, Justin Martyr warns the emperor, Antoninus Pius, against being misled by others who bear the name ‘Christian’ but who fail to meet his own criteria for it, and who in this way undermine his apologetic efforts (Apol. 4.5 – 8; 7.1 – 4). This protest marks the beginning of a long-lived apologetic topos of the irrationality of persecuting someone only ‘on account of the name’ rather than on the basis of their deeds (e. g. Athenagoras, Legatio 1.3 – 2.6), but Justin takes it in a somewhat different direction. There is after all, he explains, similar variation among those who all call themselves philosophers — one can almost see the slight smile or lifted eyebrow as he rhetorically addresses the aspirationally philosophical emperor. However, especially in that context, what marks those who all bear the name ‘philosophers’ is not their behaviour — which had been Justin’s initial concern — but that they hold contrary and even incompatible opinions. Thus, when Justin returns to the theme it is in his account of the various demonic attempts to imitate the role of Christ, Son of God; he caps this with those of more recent times, Simon, Menander, and Marcion: all are called Christians but, he repeats, only in the way that the ‘name of philosophy is shared (joimºy)’ among those who even so do not teach the same doctrines. It is at this point that he offers to send to the emperor, if the latter wishes, his collation ‘against all the haireseis that there have been (jat± t± pas_m t_m cecemgl1mym aRqes´ym)’ (Apol. 26). In his Dialogue with Trypho Justin adopts a different strategy from that in the Apology. Whereas in the Apology the claim to the name ‘Christian’ creates something of a problem, here it is the focus of a two-pronged contest. First, for Justin the name ‘Christian’ is an integral element in his repeated differentiation of ‘us’ from ‘you’, the Jews, and, second, it is as ‘Christians’ that ‘we’ properly understand and fulfil the Scriptures. Thus it is specifically as ‘Christians’ that we are cursed or persecuted by you, the Jews: ‘in your synagogues you curse all the Christians who have come from him … killing those who only confess themselves to be Christians’ (Dial. 96.2; cf. 110.5); indeed, the Jews sent emissaries around the world saying ‘a godless hairesis of Christians has appeared’ (Dial. 17.1; cf. 44.1; 93.5; 110.2). This differentiation is particularly emphasised in the battle over the Scriptures: it is the Christians who properly understand God and the Scriptures, not ‘you’, who ought rather to learn from us (78.10; 117.1, 3); it is as Christians that ‘we’ fulfil the

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Scriptures (117.1, 3; cf. 63.5). Indeed they are ‘not yours but ours for we put our trust in them but when you read them you do not understand the intention in them’ (29.2). Most significantly, Justin extends this battle over the Scriptures to the accusation that the copies of the Scriptures used by the Jews have been mutilated; passages that indisputably look forward to Christ have been cut out by the Jews or their teachers (Dial. 71 – 73; 1jjºpty, peqijºpty, !vaiq´y, peqiaiq´y). In order to identify and legitimate an authoritative version of these Scriptures Justin appeals to the ‘interpretations’ (1ngc¶sir) of them made ‘by the elders under Ptolemy’ — in contrast to the Apology he does not acknowledge that this was a matter of translation from Hebrew (Dial. 68.7; 71.1 – 2; 84.3; Apol. 31); even so, in these references to the excision of passages he may be alluding to the stern warning made at the end of the foundational account in the Letter of Aristeas against anyone adding to, altering, or removing from what was written (Aristeas §311 – 312).6 In practice it seems likely that some of these supposedly excised passages were in fact accretions within Christian collections of scriptural testimonia which for Justin and for most of his believing contemporaries may have been the most easily accessible form of ‘the Scriptures’.7 Nonetheless, Justin frames his attack against Jewish exegesis by declaring that he will be able to prove his argument from fulfilment through the words that have been retained even by the Jews (Dial. 71.2; 73.6). These same concerns surface elsewhere; according to Justin, Jewish misreading of the Scriptures is in part due to their misunderstanding of terms which ‘have the same name’, i. e. are ambiguous (blym¼loi) (Dial. 34.1). This assertion generates a long Christological reading of Psalm 72, after which Trypho — as always a literary mouthpiece for Justin’s own concerns — asks about those ‘who are called Christians’ but who eat food sacrificed to idols. Justin’s response is unequivocally to deny them the label: ‘we have nothing in common with them (joimºy)’. ‘They call themselves Christians’ but this is as vacuous as the Gentiles who inscribe the name of God on manufactured things and participate in (joimºy) unspeakable rites; in fact their true names are ‘Marcians,8 Valentinians, Basilidians, Saturnilians … each named after their founder just as are the different members of those who adopt philosophy’ (Dial. 35.1 – 6). These true names are, of course, not self-chosen but are assigned by Justin as a parody of ‘Christian’. Trypho’s second, and more serious, challenge concerns the status of those followers of Christ who wish to follow the precepts of the law, a case which might seem to undermine Justin’s careful boundary-drawing. In response Justin sets as the measure of unity and 6 Pqostih¶li, letav´qy, !va¸qesim, poi´y. On this see Maren R. Niehoff, Jewish Exegesis and Homeric Scholarship in Alexandria (Cambridge: Cambridge University Press, 2011), 22 – 30. 7 See further Judith Lieu, Image and Reality : The Jews in the World of the Christians in the Second Century (Edinburgh: T&T Clark, 1996), 124 – 29. 8 Presumably followers of Marcion, although textual emendation to ‘Marcionites’ would destroy the play on the ending.

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agreement whether or not such people choose (aRq´olai) to live with or to share in common (joimºy) with ‘Christians’, presumably here an uncontested epithet (47.2 – 3). On a third occasion Trypho challenges Justin’s weaving together the Scriptures by asking whether he really anticipates the rebuilding of an earthly Jerusalem where the Christians will be gathered in advance of the coming of Christ. While Justin admits that not all ‘pure and pious Christians’ share this particular opinion, it offers him the opportunity to return again to those who ‘call themselves Christians but who are godless and impious partisans (hairesites, aRqesi¾tai)’. Such are those who speak ill of the God of Abraham and who deny resurrection; they are no more Christians than Sadducees, or ‘other similar haireseis, Genistai, Meristai, Galilians, Hellenes, Pharisees, Baptists’, are actually Jews, even if they claim so to be.9 With this reinforcement Justin can ignore his earlier acknowledgement and he now asserts that ‘I and any Christians who are of right opinion (aqhocm¾lomer) in all respects are convinced that there will be a resurrection of the flesh and a thousand years in a rebuilt, and adorned, and extended Jerusalem, just as the prophets Ezekiel and Isaiah and others acknowledged’ (80). Trypho’s questions and objections have provided Justin with the excuse both to reinforce internal cohesion and to draw boundaries against other ‘others’. At the same time, the exclusion of these various ‘others’ has given him a framework within which to define more sharply the differentiation between Christians and Jews as well as to assert the former’s ‘correct’ interpretation of the Scriptures. Central to this argument is the contested legitimacy of the claims by different groups to a common label, ‘Christians’, for these would appear to underine Justin’s clear demarcation. It is true that Justin does not, at least explicitly, identify his spurious ‘Christians’ by any scriptural interpretation, although arguably this may be implicit. However, the contest over the Scriptures, over their right interpretation, and also over their ownership and manipulation, even mutilation, undoubtedly already belongs at the intersection, or perhaps at multiple points of intersection, in the discourses of differentiation from the Jews and from other ‘others’, and so in the generation of a discourse of (what will be) heresy.

The idea of ‘heresy’ Justin is often credited with introducing into Christian discourse, first, the model of philosophical schools, with the consequent focus on the description of opinions or of teaching more than on that of practice, and, secondly, the

9 These have been much discussed; see Lieu, Image and Reality, 144 – 45.

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specific term ‘haeresis’.10 By the second century, ‘haeresis’, originally the taking of a position, physical, as in military engagement, or intellectual, an opinion, had become a familiar term in philosophical debate, ‘a school of thought’; Josephus, self-consciously neutral, had presented for non-Jewish readers the three schools, haireseis, of Jewish philosophising: Pharisees, Sadducees, Essenes (B.J. II. 8.2 – 14 [119 – 166]).11 For the most part the term conveyed little reciprocal disparagement, although one might find the beginnings of such in Sextus Empiricus’s differentiation of the Sceptics, whose claim to having a hairesis can be debated,12 from ‘other Schools’, who are marked by their failure to agree with each other (Sextus Empiricus, I.16 – 17; VII.332). In Christian usage the term was to acquire an almost exclusively negative feel: ‘haeresis’ never denotes oneself but only an illegitimate other. Undoubtedly there is some validity in tracing elements in this later development to Justin, not least, as Rebecca Lyman has shown, to his broader understanding of the unity of all truth grounded in the Logos, but, as will become apparent, matters are more complicated.13 A generation after Justin the meaning of ‘haeresis’ has shifted decisively and has consolidated; for Irenaeus, bishop of Lyons in the 180s, to belong to a haeresis, to be ‘haeretical’ — the term he prefers — is quite simply to be outside the truth: with him the concept of ‘heresy’, and in particular that of ‘the heretic’, is born.14 Although there is some antecedent for this in 1 Cor. 11.19; Gal. 5.20, there it is the fact of partisanship in which all are implicated that is the problem.15 Irenaeus achieves this conceptual transformation in five long books whose task is to expose and refute all divergence; such exposure at the same time entails a defence of ‘the truth of the Gospel’ and a range of strategies to achieve this. The task of exposure is necessary because, he says: ‘From the outside indeed sheep, they appear to be like us externally because they use the same vocabulary (loquela) as do we, and to say the same things as us, but within they are wolves’ (Adv.Haer. III.16.8). Once again, the threat is that of ‘the same names or words’. The pattern that Irenaeus sets of cataloguing, exposing, and recounting the fables and foibles of those whom he attacks, and of refuting them, would result in a long line of ever more creative 10 So in particular the highly influential A. Le Boulluec, Notion d’h¦r¦sie dans la litt¦rature grecque, IIe – IIIe siÀcles (Paris; Êt.Aug., 1985). 11 Although a ‘fourth philosophy’ or hairesis is illegitimate (B.J. II.8.1 [118]), a point for which I am grateful to Professor William Horbury. 12 R. G. Bury, ed., Sextus Empiricus (LCL; Cambridge, MA: Harvard University Press, 1933 – 36) I.16 – 17 translates ‘aVqesim 5weim’ as ‘have a doctrinal rule’; the argument continues that only if the concept includes a way of life and not (just) dogma can they be said so to have. I owe the reference to Sextus Empiricus’ uses to Dr. J. L. North. 13 R. Lyman, Hellenism and Heresy, JECS 11 (2003), 209 – 22. 14 Irenaeus uses ‘hairesis’ eight times and ‘hairetikos’ fifty-two times; see Ysabel de Andi‚, L’h¦r¦sie et sa r¦futation selon Ir¦n¦e de Lyon, Aug. 25 (1985), 609 – 44. 15 2 Peter 2.1 may betray its later date. Derivatives such as aRqesiyt¶r, aRqetijºr (cf. Tit. 3.10), if not of Christian coinage, are primarily used by Christian authors.

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and imaginative treatises against heresy that would shape Christian selfunderstanding for the next millennium, and perhaps to the present. Irenaeus is, therefore, a classic example of the creation of a new ‘knowledge’, located within the broader framework of the distinctive new ‘language’ and knowledge that characterises emergent Christianity within the Greco-Roman world.

Dissecting Scripture There is what can appear as something of a contradiction in Irenaeus’s procedure, in that he gives elaborate accounts of the abstruse cosmologies and numerologies of his opponents, and yet he also takes it for granted that the Scriptures are at the centre of all heretical activity : encountering the records (rpolmgl²ta) of those who called themselves disciples of Valentinus (Adv.Haer. I. praef.), he accuses them of … seeking to adapt things that were said well to ideas wickedly conceived by themselves. Not only do they endeavour to make use of proofs from the Gospel and apostolic writings, perverting (paqatq´py, converto) interpretations and corrupting (Nadiouqc´y, adultero) exegeses, but they also take from the law and prophets many things spoken in parables and as allegories which are susceptible in many cases to attract ambiguity through interpretation … (Adv.Haer. I.3.5)

But perturbed though he is by his various opponents’ ‘attempts to reconfigure the prophetic words’, their introduction of ‘an unspeakable number of apocryphal and poisonous writings that they themselves have invented’, their ‘corrections’ in the same direction of things found ‘in the Gospel’, and their use of the label ‘Gospel’ for their own inventions (Adv.Haer. I.18.1; 20.1 – 2; 31.1), Irenaeus attacks Marcion as the one who ‘alone has openly dared to mutilate (circumcidere) Scriptures’. In addition to this, he mutilates (circumcido) the Gospel according to Luke, doing away (aufero) with everything that is written about the birth of the Lord, and removing (aufero) much about the teaching of the words of the Lord in which the Lord is described as openly acknowledging the builder of this universe as his own father ; so he persuaded his disciples that he himself was more to be trusted than those apostles who handed down the Gospel, handing down himself not the Gospel but a piece of Gospel. Similarly he cut away (abscido) at the letters of Paul the apostle, removing (aufero) whatever was explicitly said by the Apostle about that God who made the world, that he is Father of our Lord Jesus Christ, and whatever the Apostle taught making use of the prophetic announcements of the coming of the Lord (Adv.Haer. I.27.2).

Irenaeus is here adding to an account of Marcion from what is arguably an earlier source, which some have identified as Justin’s lost ‘Collation’; in his

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extant references to Marcion in the Apology Justin makes no explicit reference to debates over the Scriptures, and no appeal to a distinctive Christian corpus. Nonetheless, some of Irenaeus’s vocabulary does recall that which, as has been seen, Justin levelled against the Jews for their treatment of the Scriptures. Although the defence of the Church’s own texts will follow a path independent of that of the inherited Scriptures, parallel strategies set them in a similar framework, and equally locate the debates with other interpreters, implicitly although not always explicitly, in a continuum with the debates with the Jews. Indeed, in the same way as Justin had done against the Jews, Irenaeus also promises that he will ‘refute Marcion by challenging him from his own writings and from those sayings both of the Lord and of the Apostle which are recognised by him …’, or, later, ‘from those which are preserved by them’ (III.12.12). There is no evidence that Irenaeus ever fulfilled this intention, and, indeed, it is far from certain that he had ever studied closely Marcion’s texts, or perhaps even had consciously encountered them. There is another significant continuity : as already noted, in his argument against the Jews Justin had appealed to a suitably embellished form of the story of the translation of the Scriptures under Ptolemy ; Irenaeus appeals to the same story, now against these new opponents, emphasising the greater antiquity of Ptolemy and adding that the King had ensured that the seventy interpreters work separately from each other in order ‘to prevent them hiding the truth in the Scriptures through their interpretation’. Miraculously, when completed the work of each proved to be identical from beginning to end, thus exposing the impudent audacity of those who ‘now endeavour to offer alternative interpretations when we argue from those very Scriptures’ (III.21.2 – 3). For Irenaeus this is the first step in an elaborate demonstration that ‘our faith is secure’ and that the ‘proclamation of the Church is without falsification’; the next step follows seamlessly on, an appeal to the unified interpretation of these Scriptures as preached by the Church and specifically by the Apostles, namely ‘Peter and John and Matthew and Paul’, who are also ‘older than these’ (III.21.3 – 4). The naming of these four is central to Irenaeus’ argument. He had opened Book Three with the declaration that ‘Matthew produced the scripture of the Gospel among the Hebrews in their own language, while Peter and Paul were evangelising in Rome and founding the church’; after their ‘departure’, Mark put in writing what Peter had preached, Luke similarly set out ‘in a book the Gospel Paul preached’, and, finally, John produced the Gospel while in Ephesus (III.1.1 – 2). Irenaeus chooses his language here very carefully, constructing a web of interlocking and reciprocally confirming threads; at the centre of this web there is but one Gospel, contrary to the variation found between Valentinus, Marcion, Cerinthus and Basilides.16 The antiquity that 16 On Irenaeus’s argument on ‘the Gospel’ see Annette Yoshiko Reed, EUACCEKIOM: Orality, Textuality, and the Christian Truth in Irenaeus’ Adversus Haereses, VC 56(2002), 11 – 46.

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Irenaeus has claimed is further reinforced and also is secured for his own position as he traces the tradition at Rome, the church founded by both Peter and Paul, from Linus, ‘mentioned by Paul’ (2 Tim. 4.21), through to Anicetus, tenth after the apostles, and then, in his own time, to Soter and Eleutherus. From here he turns to Polycarp, appointed bishop of Smyrna in Asia by the apostles, ‘a much more faithful witness to the truth than Valentinus or Marcion’, and he recalls Polycarp’s own visit to Rome in the time of the Anicetus just mentioned and his unequivocal rejection of Marcion; further he sandwiches that incident around the parallel story, supposedly itself reported by Polycarp,17 of John’s repulsion of Cerinthus at Ephesus. Bringing these threads together, he reminds his readers that the church at Ephesus was founded by Paul and was the home of John until the time of Trajan (Adv.Haer. III.3.3 – 4). In the next chapter Irenaeus goes on to explain that Valentinus and Cerdo came to Rome under Hyginus, the eighth bishop, while Marcion did not arrive until Anicetus, again identified as the tenth bishop; these three men simply ‘come’ — at this point in the tale they have no origin, no prior genealogy : ‘Before Valentinus there were none who followed him, and before Marcion none who followed him’.18 Thus Polycarp, identified as a direct follower of the apostles and as a mimic of John, is made the contemporary of Marcion, who belongs some ten episcopal generations after them. Polycarp is located in a nexus of interconnected apostolic tradition and ecclesial location, while Marcion as well as Valentinus are, so to speak, dislocated. With this the scene is set for a repeated return to an appeal to the harmonious tradition, whose origins are confirmed by the Acts of the Apostles, ‘when neither Valentinus nor Marcion were there’ (III.12.6). Marcion is at once positioned as an antagonist of the apostles and yet as fatally disqualified by his late arrival, long after their time. To some extent this model stands in tension with Irenaeus’s earlier pattern in Book I, according to some drawn from Justin, of a succession of heretics going back to Simon Magus which mimics the apostolic succession.19 It may be no accident that it was in that context that Irenaeus drew attention to their complex and contradictory myths and inconsistent exegetical and scriptural practices. If truth is marked by coherence, heresy is marked by incoherence. Both models could be seen as leading to the assertion quoted earlier that Marcion ‘persuaded his disciples that he was more reliable than the apostles who handed down the Gospel’; this is not a quotation of any claim made by Marcion himself but rather is a reflex of Irenaeus’s own emphasis on the fourfold Gospel and on the apostolic tradition that authenticates it.20 Marcion

17 18 19 20

‘There are some who heard him say…’. At this point Irenaeus avoids describing Marcion as a disciple of Cerdo or as from Pontus. So also Le Boulluec, Notion, 157 – 72. So also III.12.12 directed to all heretics; see below, p. 97.

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himself is made to acknowledge the incompatability between ‘apostolic truth’ and the heretic’s message. Irenaeus similarly recasts the vocabulary that he shares with Justin’s accusations against the Jews, namely that of ‘cutting away’ (abscido, circumcido, decurto, intercido). Here he is not concerned chiefly with the removal of specific verses or passages, although among his successors Epiphanius in particular will make such details their particular focus. Most revealing is Irenaeus’s charge against Marcion of ‘rejecting the whole Gospel, indeed cutting (abscido) himself off from the Gospel while boasting that he has a share (pars) of the Gospel’ (III.11.9).21 What is primary for Irenaeus is ‘the Gospel’, the single proclamation shared by all the apostles, preserved through the tradition of the Church, which necessarily has four ‘faces’ or personifications; independently of Marcion’s treatment of Luke, in isolating it alone his boast of having a share of the Gospel is in fact an acknowledgement that he has but a part of it and so effectively severs him from it. For Irenaeus this is not just a matter of the preservation of the full tradition: only by fixing their attention on the complete (perfectum) Gospel and teaching of the Apostles can these opponents themselves be saved from danger (III.14.4). Wholeness of scriptural corpus and completeness of salvific location are inextricably bound together. In more general terms Irenaeus will condemn those who ‘for slight and trivial reasons split and divide the great and glorious body of Christ’, declaring them to be outside the Church, which is ‘protected without any falsification of writing, by the most complete system, acceping neither addition nor abstraction’ (IV.33.7 – 8).22 Church and textualised Gospel mirror each other in their harmony and in the impossibility of extrinsic modification. In a further development of the strategy, two centuries later Epiphanius will vividly root this back in Marcion’s Gospel: making a play on the Lukan parable of the torn apart (sw¸fy) garment (Luke 5.36), he anachronistically describes Marcion declaring, ‘I will tear apart your Church and impose on it a tear for ever‘, and comments ‘in truth he did impose a sizeable tear, but did not tear apart the Church but himself and those who trusted him’ (Pan. 42.2). Similarly, for Irenaeus, the Gospel itself remains complete: although Marcion and his followers are intent on ‘dissecting (intercido) the Scriptures, not recognising some at all, hacking away at (decurto) Luke and the Pauline letters, and claiming only those which they abbreviated were legitimate’, Irenaeus’s own possession of the fulness of the Gospel is what will allow him to establish his argument even ‘from what is preserved among them’ (Adv.Haer. III.12.12). There is much that is peculiar to Luke’s Gospel which is ‘necessary 21 Irenaeus also attacks here those who do not accept ‘the form’ which is the Gospel according to John, and those who add a Gospel such as the so-called ‘Gospel of Truth’. 22 Adelin Rousseau, ed., Iren¦e de Lyon. Contre les h¦r¦sies (SC 100; Paris: du Cerf, 1965), 821, reads a ‘protection of the scripture without falsification, with neither addition nor subtraction’ and provides a Greek retrojection as l¶te pqosh¶jgm l¶te !va¸qesim (cf. n. 5 above for these verbs).

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for the Gospel’, including much that ‘both Marcion and Valentinus (sic)23 use’. They cannot pick and choose, and this extends to the Acts of the Apostles, written by Luke and evidence of the harmony between the apostles. ‘Accept one, accept the other’, he demands: ‘And if indeed Marcion’s followers do refute, they shall not have a Gospel; for indeed, as we said before, it is the one according to Luke, curtailing it, that they boast having as the Gospel’ (III.14.3 – 4). So governed is Irenaeus by his controlling theme that he includes in his list of events found only in Luke many of the details of the birth narratives without once taking the opportunity to repeat his earlier claim that Marcion had also removed these. Within this nexus of ideas Marcion occupies a double role. On the one hand he is firmly excluded from the web which encompasses the authentic Gospel; he is irrevocably a textual outsider. On the other hand as the corrupter of the Gospel he is in some relationship with it, and he even serves both to authenticate it and also to undermine the position he himself holds. His scriptural location, insider yet outsider, mimics his ecclesial position as heretic.

Falsifying the Gospel text This dilemma is maintained by Irenaeus’s successors, and in particular by Tertullian who takes over into Latin the use of haeresis. He now takes it for granted that they chose to name themselves after their founders, and so surrendered any right to the name ‘Christians’: ‘if they are heretics they cannot be Christians’.24 As Justin had done with the Jews, he also denies them possession of the Scriptures and hence the right to argue from these (De Praes.Haer. 15). However, when he comes to attack Marcion he echoes Irenaeus’s claim to make use of ‘the sayings … recognised or preserved by him’, promising that he himself will undertake an examination of ‘those very writings (scripturarum) which Marcion uses’ (Adv.Marc. I.29.9). Tertullian, however, did do this, but he found that it presented him with a new dilemma. On the one hand he has to show convincingly that Marcion’s Gospel is a corruption specifically of Luke; as such it is a witness to that Gospel, since in claiming — as he says Marcion did do — to correct what lies before him, Marcion in effect acknowledges the priority of what Tertullian assumes to be the Gospel that he himself knows. On the other hand, forced to admit that the Church’s Gospels do in fact vary between themselves in ‘the order of the narrative’ — something that was part of popular debate25 — Tertullian has to argue that they are nonetheless completely harmonious when it comes to the 23 This despite the fact that he has previously said the Valentinians favour John (III.11.7). 24 De Praes.Haer. 37.2; cf. 6.2 ‘Haereses dictae graeca voce ex interpretatione electionis’. 25 See below, p. 102 f.

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substance of faith, while, on the contrary, that which he insists on calling ‘the Gospel of Marcion’ has nothing at all in common with them in this regard (Marc. IV.2.2). Thus Marcion’s Gospel is sufficiently ‘like’ those of the Church to authenticate them, and yet is sufficiently different to be rendered invalid by them; on the one hand it is a corrupted version of them (or at least of one of them, Luke), on the other it is a separate document, identified according to Tertullian by its confessed origin, ‘of Marcion’. In practice it seems that the Gospel which Marcion promulgated was anonymous, but this, a nonsense for Tertullian, also served Tertullian’s purposes since those who possessed the ‘authentic’ Gospels could recognise it as that which they knew as Luke. Even so, such is the importance of the shared witness that Tertullian asserts that, ‘Even if Marcion introduced a Gospel under the name of Paul himself, the singleness of the document would be inadequate for faith without the support of predecessors’ (IV.2.4). Here ‘naming’ acquires a new twist, and becomes tied not just to the antecedent tradition but to the very texts themselves. Looking ahead, this ambiguity continues in the tradition; Epiphanius knows that Marcion has ‘only the Gospel according to Luke’ and ‘ten letters of the holy apostle’, but he labels these ‘the Gospel as it is called by them and the apostolikon as they name it’, unwilling to admit contested possession of a single literature (Pan. 42.10.2). Remarkably, the Dialogue of Adamantius, which continues the topos of ‘quoting from their (Marcionite) text’, even when addressing Marinus, a follower of Bardaisan, nowhere explicitly acknowledges any relationship between ‘their Gospel’ and that in the Church’s possession ‘according to Luke’.26 Tertullian uses a different set of vocabulary from that favoured by Irenaeus to explain Marcion’s activity. Although when addressing particular passages he uses verbs suggesting ‘removal’ (abfero, subtraho, erado), in his general description of Marcion’s activity he prefers language that implies falsification: adultero, falsus, corruptio, mutilo, interpolo, vitio. Of these adultero is of particular interest: I say that my [Gospel] is true, Marcion says his is. I assert that Marcion’s is falsified (adulteratum), Marcion says mine is (Adv.Marc. IV.4).

In classical usage this verb has a primarily sexual meaning although it is regularly used in a derivative sense, as in the English verb ‘adulterate’. Tertullian develops this metaphorical usage of imitative yet false representation further ; in his lexicon adultero and its associates can be applied to everything from an actor wearing a mask, using stilts or dressing as a woman, through to the activity of Satan in the face of God’s good creation. A significant passage for our purposes is his accusation of ‘heretical adultery [or ‘adulterating’: adulterio haeretico] for the corruption of the pure virgin handed down by Christ’, i. e. the Church (De Praes.Haer. 44). The image is a 26 [Anon], Dialogue of Adamantius 1.5 – 6; 5.14.

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well-established one: Eusebius describes Hegesippus’s account of the origins of ‘the heresies of his time’ as beginning with the claim that ‘for this reason they called the church a virgin, for it had not yet been corrupted by empty stories’ (Hist.Eccl. IV.22.4); it would later be transformed into numerous accounts of sexual exploitation carried out by various heretics, including that of Marcion’s own youthful ‘corruption of a certain virgin, deceiving her out of her hope’ (Epiphanius, Pan. 42.1.4). Tertullian had also used the verb adultero to explain apparent parallels between earlier Greek thought and Christian or biblical themes by recourse to the theory that the philosophers of Greece had taken these from the Scriptures and had bowdlerised them (Apol. 47).27 This particular argument from antiquity was well established, although it could easily be reversed: Celsus had protested that the story of Noah had been falsified and reconfigured from the Greek Deucalion (C.Cels. 4.41). Tertullian, however, further alleges that there were also others of similar ilk (ex horum semine) who treated the Christian writings in similar fashion, by interpreting them to suit the views of philosophers; these are ‘our adulterers’, and Tertullian specifically rejects the suggestion that might arise that Christianity has different legitimate schools just as do other philosophies. However, in his attack against Marcion Tertullian applies ‘adultero’ not just to Marcion’s interpretive activity but to his treatment of the actual text of Scripture. Here, for Tertullian, the Gospel comes to have its own integrity, a purity like that of the Church which someone like Marcion dares to corrupt. Indeed, Marcion is not the only culprit here: for example, Tertullian insists on reading the singular ‘he was borny’ (natus est) at John 1.13, and he accuses those who read the plural ‘were born’ of being ‘falsifiers’, ‘adulteratores’, perverting the text to substantiate their theology of an elect born of a spiritual seed (De Carne 19). It follows that Tertullian’s claim that the Marcionites ‘reform their Gospel every day just as every day they are refuted by us’ should not be treated as if it were an accurate description; it is not merely polemical exaggeration but is deliberately intended to contrast with the supposedly harmonious tradition of the true Church (Adv.Marc. IV.5.7).28 Indeed, while appealing to the apostolic tradition of the churches as guardians of the Scriptures, Tertullian acknowledges that there are also churches of Marcion and his followers, but they too are ‘both later and to the same extent adulteratae’ (IV.5.3).

27 The argument is already found in Justin Martyr, Apol. 54; 59 – 60, and in Tatian, Oratio 40, who uses the verb paqawaq²tteim. 28 Harnack, Marcion, 43, 173 took this as evidence for regular reformulation of the text by Marcion’s followers.

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Correcting or falsifying the text? As has been seen, Tertullian is aware that the charge of appealing to a falsified (adulteratum) Gospel is one that he and Marcion could hurl at each other. Since Marcion was by this time long dead, we should rather hear here the echo of Marcion’s own central claim that the Gospel had indeed been corrupted. His followers, says Tertullian, asserted that ‘he did not bring in a new rule by the separation of Law and Gospel so much as restore one that had been falsified (adulterata)’ (Adv.Marc. I.20.1). It becomes evident from Tertullian’s account, and in particular from his reading of Gal. 1 – 2, that these chapters were fundamental to Marcion’s own justification of what he was undertaking; Tertullian’s own defence builds on Irenaeus’s appeal to Acts to explain Paul’s relationship with Peter and the other Apostles; this suggests that Marcion was not the only one to find here a key to the apostolic past. According to Tertullian’s own summary, Marcion appealed to Paul’s correction in Galatians of ‘those apostles who did not follow straight towards the truth of the Gospel’, and to his accusation of ‘the false apostles who pervert the Gospel of Christ’ (Adv.Marc. IV.3.2). Marcion, interpreting Paul by Paul, put alongside each other, so it seems, the warning against those who want to change (letastq´vy) the Gospel of Christ (Gal. 1.7 – 9) with the false brothers who attacked Paul’s freedom and to whom he refused to submit in order to retain ‘the truth of the Gospel’ (Gal. 2.4 – 5). Like many others, Marcion also identified or associated these with Peter and the rest of the Jews whom Paul charges with not observing the true direction of the Gospel (Gal. 2.13 – 14). Further, he must have read these passages alongside 2 Cor. 11.12 – 15, from where he would have got the label ‘false apostles’, whom Paul condemns as ‘workers of deceit, who transform themselves into apostles of Christ’. Thus in his earlier discussion in Adv.Marc. I.20, Tertullian is aware that Galatians speaks of ‘false brothers’, but in IV.3.2, when challenging Marcion’s reading of events, he accepts without comment the term ‘false apostles’.29 Marcion would have found further evidence of the same state of affairs in 2 Cor. 4.1 – 6; this passage was of undoubted importance for him because of its description of the obfuscatory activity of ‘the God of this age’, whom he identified with the Creator and not with the Father who sent the Son, Jesus Christ.30 There Paul clears himself of ‘acting with malice or of treating deceitfully (dokºy) the word of God’, which at least permits the inference that there were others who did so act (2 Cor. 4.2); indeed, he had already stated that 29 Since Tertullian uses ‘false brothers’ again in Adv.Marc. V.3.2 – 4 in his discussion of Marcion’s text of Galatians, it may be that the narrative of the corruption of the Gospel was found elsewhere, perhaps as a Preface to Marcion’s Gospel. 30 For the importance of this passage in the debate between Marcion and Tertullian see Judith M. Lieu, As Much My Apostle as Christ is Mine: the Dispute over Paul between Tertullian and Marcion, Early Christianity 1 (2010), 41 – 59.

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he was not like ‘the many who peddle (jatake¼y) the word of God’ (2 Cor. 2.17). It is striking that the Vulgate and Old Latin translate both dokºy and jatake¼y with adultero, leading to considerable confusion or elision between the two verses in later citations, although Tertullian’s failure to discuss either passage makes it impossible to determine what he read there.31 Similarly, it is speculative but at least possible that Marcion read ‘the rest’ (946 DFGL) instead of ‘the many’ in 2 Cor 2.17, a reading which would have allowed a further connection with the same term (‘the rest of the Jews’) in Gal 2.13. The effectiveness of Marcion’s inferences from Paul’s polemic undoubtedly compelled Tertullian to tread with considerable circumspection. In his earlier work against heretics he had no compunction about declaring, ‘Who are false apostles except falsifying evangelists (adulteri euangelizatores)?’, or about explaining that ‘in nearly every letter’ Paul instructed on the necessity of avoiding falsified (adulterinae) doctrines and reproached heresies whose works were adulterated doctrines (De Praes.Haer. 4.4; 6.2). Writing against Marcion he is more cautious: he avoids overuse of the term ‘heresy’ and he explains repeatedly that the issue between Paul and Peter had nothing to do with any adulteration of preaching or of doctrine but only with one of practice, which was a far less serious matter. Even the false apostles of 2 Cor 11.15, he claims, are reproached as guilty of adulterated behaviour, not of adulterated preaching or doctrine (Adv.Marc. V.12.6). The contest between Tetullian and Marcion is pursued through, even if it is not only about, the interpretation of texts. Yet beyond that, the texts themselves are contested, with conflicting claims not just as to who has access to a purer form, but also as to who can provide the most persuasive narrative justification for their claim. In principle, and to a large extent in practice, these texts are shared, although the vocabulary of falsification used on both sides effectively denies that to be the case. Here heresy has become textualised: Tertullian claims, ‘the business of heresy, which is always emending the Gospels, while corrupting them, is human temerity not divine authority’ (Adv.Marc. IV.4.5). At the same time, the text, and not just the Church, has been accorded a purity that must be be protected.

The business of emending texts The association of heresy with textual alteration is not unique to Tertullian: Origen quotes Celsus as accusing some Christians of remodeling (letawaq²tteim) ‘the original writing of the Gospel three or four times over’ (C.Cels. 2.27). Contemporary scholarship differs as to whether Celsus is 31 There is no evidence of such confusion in the Greek manuscript tradition but the Latin may suggest an interpretive tradition in which the two verses were read in the light of each other.

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referring here to the differences between the Synoptic Gospels or to textual variants between manuscripts. Origen’s response, however, is to claim ‘I do not know of any who have remodelled the Gospel apart from the followers of Marcion and of Valentinus and I suppose also Lucanus’s followers’. The problem, he asserts, is not with the Message itself but with those ‘who have dared to falsify (Nadiouqc´y) the Gospels’, and any accusation should be levelled not against ‘true Christianity’ but against ‘those who remodel the Gospels and introduce alien heresies’. The language of these accusations and the vigour with which they are exchanged may provide a bridge into the historical context of this development.32 Such conflicts over the interpretation of authoritative texts and over their textual form were not limited to Marcion, Irenaeus, Tertullian, Origen, and their circles, but were a central feature of contemporary intellectual life. Underlying this was the principle true of all groups in this period that ‘[t]he role of scriptural authority was to provide a philosophical movement with a raison d’ Þtre and a framework within which it could preserve its cohesion while continuing to inquire and debate’.33 Thus it has been argued that one of the main activities of philosophical teachers in the second century was the analysis and interpretation of texts. Behind this lay the conviction that the authoritative figures of the past, preeminently Plato and Homer, did indeed testify to the truth, although the exposition of that truth required interpretive skill and demonstration by their contemporary disciples. This demanded a variety of approaches; obscurities or ambiguities of argument needed to be explained, conflicting interpretations within the tradition required resolution, variations between manuscripts and the possibility of spurious works were known problems that provoked critical analysis; in some cases, as in that of Homer, obscure and even embarrassing references, such as the anthropomorphic representation of the gods, demanded an explanation that made them less obscure and embarrassing.34 Some of this was explored through Commentaries of different kinds, in other cases it was explored through the oral discussions of the teacher, which only in some cases would have been subsequently written down, perhaps by disciples. Such activity was no longer focussed in cohesive and centralised ‘schools’ but was everywhere the task of individual teachers.35 Ancient readers of the Jewish Scriptures, to the extent that they breathed the same intellectual air, were similarly challenged by the anthropomorphisms of their Scriptures. As Maren Niehoff has recently argued, Philo in particular demonstrates awareness of contemporary scholarly 32 See above, p. 100 for Celsus’ charge that Christians spuriouly imitated the Deucalion. 33 David Sedley, Philosophical Allegiance in the Greco-Roman World, in ed. M. Griffin and J. Barnes, Philosophia Togata I (Oxford: Clarendon Press, 1989), 97 – 119, 101. 34 See Robert Lamberton, Homer the Theologian: Neoplatonist Allegorical Reading and the Growth of the Epic Tradition (Berkeley : University of California, 1986). 35 Sedley, Philosophical Allegiance. See also Han Baltussen, From Polemic to Exegesis: the Ancient Philosophical Commentary, Poetics Today 28 (2007), 247 – 81.

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conventions and he indicates that others in the Jewish community were also engaging with them. Niehoff understands the warning against interfering with the text of the Greek translation at the end of the Letter of Aristeas against this background, even though there is little other surviving evidence for substantial text-critical work among Greek-speaking Jewish readers of the Hebrew Scriptures.36 In turn, Philo’s influence may have been more extensive outside Jewish circles than can be definitively traced, particularly if Niehoff is correct in arguing that the books comprising ‘The Exposition of the Law’ were addressed to a non-Jewish audience.37 It is undoubtedly the case that some early Christian intellectual and literary activity in the second century is to be understood within this framework. Basilides, who according to Eusebius wrote twenty four books ‘on the Gospel’, and Valentinus have both been interpreted within this Alexandrian tradition of responding to Biblical texts through the lens of a platonic tradition.38 Whether or not strictly a disciple of Valentinus, Heracleon also spent time in Rome, probably as another independent teacher, and used an exegesis of the Gospel according to John to respond to contemporary philosophical questions. This has earned him the sobriquet, ‘the first serious Christian philologian and exegete’.39 In other cases there are only titles or allusions to indicate the extent of this sort of activity, in particular in Rome. In his account of another anti-Marcionite writer, Rhodon, Eusebius states: In the same work, addressing Callistio, the same writer acknowledges that he had been taught at Rome by Tatian. And he says that a book of ‘Problems’ had been prepared by Tatian, through which he promised to explain the obscure and hidden parts of the divine Scriptures. Rhodon himself promises to set out in a work of his own ‘Solutions’ of Tatian’s ‘Problems’. There is also extant a commentary of his on the ‘Hexæmeron’ [the Six Days of creation] (Eusebius, Hist.Eccl. V.13.8).

Titles such as ‘Problems’ (pqobk¶lata) and ‘Solutions’ (k¼seir) and concerns of this kind belong firmly within the broader second century context: Plutarch describes his ‘Table Talk’ (Quaestiones Convivales) as containing ‘ten problems’ that had been discussed around a symposiac table, while the

36 Niehoff, Jewish Exegesis; see above, p. 90. The absence of evidence is hardly conclusive given the dearth of literary sources from second-century Greek-speaking Judaism. Origen did see the problem of using the LXX in debates with the Jews as a text-critical one, to which his Hexapla was a response (see Ad Afric.). 37 Niehoff, Jewish Exegesis, 169 – 85. 38 W.A. Lçhr, Basilides und seine Schule: Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts (WUNT 83; Tübingen: Mohr Siebeck, 1996); C. Markschies, Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins (WUNT 65; Tübingen: Mohr Siebeck, 1992). 39 Ansgar Wucherpfennig, Heracleon Philologus: Johannesexegese im zweiten Jahrhundert (WUNT 142; Tübingen: Mohr Siebeck, 2002) 413.

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genre of ‘Questions and Answers’ was to become a standard and long-lived mode of pedagogical and polemical argument.40 Conflicting claims to an authoritative tradition belonged to the same world. Eusebius cites an anonymous treatise from the end of the second century which attacks some who claimed ‘with some initial plausibility’ that the authentic tradition had still been intact as recently as under Victor, after which it was corrupted (paqawaq²ssy), and others who themselves ‘falsified (Nadiouqc´y) the divine Scriptures’ and then claimed to correct (dioqhºy) them (Hist.Eccl. V.28.3 – 4). The notion of a corrupted tradition newly restored recalls the philosopher Numenius’s account of the successors of Plato, the purpose of which is to legitimate his own reading of the master : ‘they did not stay within the initial succession. Although they began from him, they drew away, swiftly or slowly, from choice or lack of awareness, and even for some other more ambitious reason’ (Peri Acad. 1).The polemicist cited by Eusebius retaliates by turning the tables, inviting his readers to collect and compare the texts of these opponents, presumaby texts of the Scriptures; they will quickly discover little agreement between them and much evidence of correction in copies that are clearly written in their own hand and whose master-copies they cannot produce (Hist.Eccl. V.28.3 – 4, 13 – 19). Such procedures were the familiar ones on all sides. Indeed, despite his denial Origen was very well aware of differences between copies of the manuscripts, including corrections, additions, and omissions, and of the variety of ways in which these might arise.41 It is not necessary to accord Marcion or his opponents a high level of literary or philosophical education to locate him within such a world of activity.42 Its presuppositions were widespread and could be pursued at different levels and in different ways. Moreover, the extent of Marcion’s activity may need some qualification. Close study of accounts of Marcion’s Gospel, particularly in the light of modern reconstructions of the growth and circulation of the Gospels, suggests that he likely started with a version of Luke that was related to but not identical to its subsequent canonical form; some of the material that he is accused of cutting out was apparently not known to him.43 Similarly, the affiliation of many of Marcion’s supposed textual 40 Quaest.Conviv. 612E. According to Diogenes Laertius Zeno’s writings already included five books on ‘Homeric Problems’ (Vit.Philos. VII.4.16). G. Bardy, La Litt¦rature Patristique des “Quaestiones et Responsiones” sur L’Ecriture Sainte, RevBib 41 (1932), 210 – 36, 341 – 69, 515 – 37; 42 (1933) 14 – 30, 211 – 29, 328 – 52. 41 Most accounts of text criticism of the Bible start with Origen: see, for example, Comm.in Matt. 15.14, 75 – 94 (dioqh¾sir, pqostih¶li, !vaiq´y), where Origen rejects any who would conclude that these words were therefore not said by the Saviour. 42 Therefore to describe Marcion as a ‘dilettante’ is probably overly dismissive: Christoph Markschies, Kaizerzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen (Tübingen: Mohr Siebeck, 2007), 253. 43 See Judith M. Lieu, Marcion and the Synoptic Problem, in ed. P. Foster, A. Gregory, J.S.

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‘corruptions’ with other known textual variants, particularly the ‘western’ tradition, has long been acknowledged; it is now widely recognised that ‘his’ text is to be located within the textual fluidity that appears to have characerised the text of the ‘New Testament’ in the second century, often, although not always, exculpating him from the charge of deliberate falsification.44 Yet, while the recent concentration on textual diversity may seem to go some way towards rehabilitating Marcion at least in so far as ‘his’ Gospel and apostolikon are concerned, it makes the level and style of polemic the more striking. It is not only the fact of such diversity that must be brought into any picture of the period but also the fact that surely many were well aware of such diversity, just as they would have been aware of the textual practices of their platonising peers. As already noted, the second century polemicist quoted by Eusebius takes for granted, at least rhetorically, the possibility of collating manuscripts and the expectation of finding errors and corrections, and Origen developed technoques of identifying and explaining these. Yet their response to such inevitable consequences of a textual industry when carried out by ‘others’ was to deny its ubiquity and normalcy. Irenaeus sets a pattern of constructing the idea of a single, unified, and unvariable ‘Gospel’ which allows for no deviation, and thus determines that deviancy is the mark of those who deviate from the truth and so from the similarly unified church. The identification of such deviancy is something to which later authors will add, as they charge Marcion not just with making precise changes to the very wording of the text, but also with excluding the Pastoral Epistles, Acts, Revelation, and even with adopting a different order of the Pauline letters — although even here the different traditions of Athanasius’s letter differ.45

Heresy and Scripture Very real theological differences did indeed separate Marcion and even Valentinus from Justin, Irenaeus or Tertullian, not least as regards their understanding of God; yet equally there were real similarities which these latter preferred not to acknowledge, — these proponents should not be set in static and monolithic opposition but occupy positions on the spectrum of second century diversity. Such differences would have arisen from and would have been reinforced by the interpretation of Scripture. Recognition that on its own an Kloppenborg, J. Verheyden, New Studies in the Synoptic Problem (BETL 279; Leuven: Peeters, 2011), 731 – 51. 44 See Ulrich Schmid, Marcion und sein Apostolos: Rekonstruktion und historische Einordnung der marcionitischen Paulusbriefausgabe (ANT 25; Berlin: de Gruyter, 1995). 45 Hebrews follows Corinthians in the Coptic text but Thessalonians in the Greek.

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appeal to Scripture is insufficient and that interpretation demands certain controls starts with Irenaeus; these may be provided internally by the fourfold Gospel, or by the tradition of the elders, but most important is the ‘rule of faith’, which provides the ‘“over-arching story” by which the Scriptures were to be read and interpreted’.46 Frances Young has argued that although the explicit doctrine that Scripture as a unity must have an overall intent (skopus) only becomes apparent in Origen, the roots of the idea must be earlier; she appeals to Irenaeus’s criticism of the heretics for taking from the Scriptures ‘names, words and parables’, treating them like gemstones that can be re-ordered at will, to create an ‘argument’ or hypothesis that is in fact a parody of the true hypothesis of Scripture which should be recognizable to those who received ‘the canon of truth’ when they were baptized (Adv.Haer. I.8.1; 9.4).47 Yet such admissions of potential polyvalency are largely overwhelmed by the overarching reluctance to concede possession of the Scriptures to others. Disputes over the interpretation of the Jewish Scriptures were on their own to prove the most difficult to resolve. But it was not just the addition of distinctive ‘Christian’ writings that would address this, but rather the crafting of the ‘idea’ of Scripture. This ‘idea’ arises out of a number of forces intersecting in the second century context. Contemporary cultural and textual strategies which negotiated between the authority due to antiquity and the philosophical understandings in the present provided the stage on which the theological and textual diversity of second century Christianity could both flourish and be manipulated. Yet the model that emerged triumphant was one that resisted the realities of such diversity, and that resolutely drew boundaries, asserting the essential one-ness of what lay within them, and the utter extraneousness of what lay without. To this end the ‘text’ becomes an icon of the community, and the community of the text. Thus what has been traced here is not just, if at all, the physical construction of the New Testament as a safeguard against the dangers of multitudinous ‘errors’, still less error as the deliberate rejection of a widely acknowledged text, as in the conventional models of action and reaction, cause and effect. Instead we have mapped the intertwined emergence of two formative concepts, both arising out of diversity : the idea of heresy and the idea of Christian scripture. The concept of heresy reinforces the ideal of a single shared authoritative text; the idea of a shared authoritative text identifies those who would be excluded as heretics. Those ideas will then grow together, embracing in due course, as has been seen, the order of the books, the very wording of the text, and eventually what must be excluded as well as included, ‘canonization’. Symbolically, integrity of corpus and integrity of text become icons of theological integrity.48 46 Frances M. Young, Biblical Exegesis and the Formation of Christian Culture (Cambridge: Cambridge University Press, 1997), 18. 47 Biblical Exegesis, 19 – 21. Irenaeus compares what some interpreters do with Homer. 48 It is a pleasure to offer this paper to Professor Wilhelm Pratscher whose collegiality through SNTS has been such a delight.

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Paul-Gerhard Klumbies

Marcion als Paulus- und Lukasinterpret

Eine der hervorstechenden Persönlichkeiten des 2. Jahrhunderts, die einen wirkungsmächtigen Beitrag zur Ausbildung eines eigenständigen christlichen Selbstverständnisses entwickelten, war Marcion.1 Seine theologischen Überzeugungen erwiesen sich als in so hohem Maße identitätsstiftend, dass sie zur Bildung einer Kirche führten, die innerhalb kürzester Zeit zur wohl gefährlichsten Konkurrentin2 der sich herausbildenden orthodoxen Großkirche aufstieg.3 Selbst nachdem die marcionitische Kirche ab dem 4. Jahrhundert der Ketzergesetzgebung erlegen war, hielten sich einzelne Gemeinden der Laqjiymista¸ noch bis ins 6. Jahrhundert4 im oströmischen Reich. 1 Zu den Quellen über Marcion vgl. A. von Harnack, Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott. Eine Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche. Neue Studien zu Marcion, Nachdruck Darmstadt 1985 (ursprgl. Leipzig 21924), Beilagen 1*–455*; S. Moll, The Arch-Heretic Marcion, WUNT 250, Tübingen 2010, 11 – 24; zur Glaubwürdigkeit der altkirchlichen Angaben über Marcions vorrömische Lebensphase, insbesondere der nicht auf Tertullian zurückgehenden Hinweise vgl. S. Moll, Three Against Tertullian: The Second Tradition about Marcion’s Life, JThS 59, 2008, 169 – 180, 177 – 180. 2 Euseb tituliert Marcion als „pontischen Wolf“, Hist Eccl V 13,3. Als Wolf hatte auch bereits Justin, Apol. I 58,2 Marcion bezeichnet. Die Herausforderung, die Marcion für die christliche Kirche darstellte, war „the greatest challenge to Christian orthodoxy“, so H. Jonas, The Gnostic Religion. The Message of the Alien God and the Beginnings of Christianity, London 21992, 137. 3 G. May, Art. Markion/Markioniten, 4RGG 5, 2002, (Ungekürzte Studienausgabe 2008), 834 – 836, 834, nennt Marcion den „erfolgreichste(n) Häretiker des 2. Jh.“, D.T. Roth, Marcion’s Gospel: Relevance, Contested Issues, and Reconstruction, ET 121/6, 2010, 287 – 294, 287, bezeichnet ihn als „one of the most significant and influential figures of the second century“. Nach P. Foster, Marcion: His Life, Works, Beliefs, and Impact, ET 121/6, 2010, 269 – 280, 278, war Marcion „perhaps the most active in setting up an institution that rivalled the emergent orthodox church“. B. Aland, Art. Marcion/Marcioniten, in: TRE 22, 1992 (Studienausgabe 2000), 89 – 101, 89: „(S) eine Wirkung (war) größer … als die irgendeines anderen frühchristlichen Häresiarchen“. Die Marcioniten bezeichneten sich selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit als „Christen“ (vgl. Justin, Apol. I 26,6), eine Tatsache, die bei den orthodox Gläubigen für erheblichen Ärger sorgte. Vgl. dazu W. Bauer, Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, BHTh 10, Tübingen 2 1964, 27 – 29. Nach E. Barnikol, Die Zeit Marcions und die Entstehung der Kirche im zweiten Jahrhundert, in: Studien und Kritiken zur Theologie, Festgabe für Ferdinand Kattenbusch, dargebracht von der Theologischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg, Gotha 1931, 208 – 229, 210, ist die Kirche Marcions gar die „Erstkirche“, die die Bildung einer oppositionellen konfessionellen „Zweitkirche“, der antimarcionitischen altkatholischen Kirche des 2. Jahrhunderts erst anstieß. 4 Vgl. C.-F. Geyer, Art. Marcion, BBKL V, 1993, 777 – 779, 777. Laut K. Greschat, Art. Markion, DNP 7, 1999, 918 – 919, 918, hatten die Gemeinden im Westen bis ins 4. Jahrhundert und im Osten

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1. Das hermeneutische Prinzip Marcions Fragt man, worin die theologische Originalität des Marcion liegt, lautet die Antwort fast unisono: In seiner Zweigötterlehre.5 Die Unterscheidung zwischen dem richtenden Schöpfergott des Alten Testaments und dem guten, liebenden Vater Jesu Christi des Neuen Testaments6 habe Marcion bei der Erstellung seines christlichen Schriftenkanons aus dem von angeblichen judaistischen Verfälschungen „gereinigten“ Lukasevangelium und einer Sammlung von zehn von ihm redigierten Paulusbriefen7 geleitet. Differenziert und teilweise kritisch diskutiert wird in diesem Zusammenhang, ob Marcions Bild des alttestamentlichen Gottes bereits die Zuschreibung „gerecht“ enthielt oder ob diese erst von der marcionitischen Bewegung in die Gottesvorstellung hineingetragen wurde.8 Abgesehen von dieser Binnendifferenzierung wird in der Regel vorausgesetzt, dass Marcion ein außerhalb des lukanisch-paulinischen Schrifttums liegendes dualistisches hermeneutisches Prinzip an die von ihm bearbeiteten Texte herantrug. Seine „Gedanken müssen dem Heidenapostel zu gewaltsam aufgezwungen werden, als daß sie von diesem stammen könnten“.9 Marcion operiere von einer nicht den Texten entnommenen theologischen Prämisse aus.10 Deren Anwendung auf das Lukasevangelium und die Paulusbriefe ziehe

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bis ins 5. Jahrhundert Bestand. Vgl. auch Aland, Marcion/Marcioniten, 99: In Syrien und Armenien stellte der Marcionitismus bis ins 5. Jh. hinein „eine gefährliche Bedrohung“ dar. So von Harnack, Marcion, bis in die Gegenwart – vgl. Moll, Arch-Heretic, 3: Der Kontrast zwischen dem Gott des Alten Testaments und dem Gott des Neuen Testaments „forms the very centre of Marcion’s theology“. Allerdings wird in der Fokussierung auf die Zweigötterlehre auch eine Überbetonung gesehen: Vgl. B. Aland, Sünde und Erlösung bei Marcion und die Konsequenz für die sog. beiden Götter Marcions, in: Marcion und seine kirchengeschichtliche Wirkung, hg. v. G. May und K. Greschat in Gemeinschaft mit M. Meiser, TU 150, Berlin/New York 2002, 147 – 157, 147, nach deren Auffassung „sich die Marcionforschung bisher zu ausschließlich mit dem (offensichtlichen) Problem der beiden Götter Marcions und ihrer Wirkungsweisen … befasst hat.“ Vgl. auch ebd. 154 – 157. Es fehlen die Pastoralbriefe und der Hebräerbrief. Zur Reihenfolge der Briefe vgl. Tertullian, Marc V. Vgl. W. Lçhr, Did Marcion distinguish between a just god and a good god?, in: Marcion und seine kirchengeschichtliche Wirkung, hg. v. G. May und K. Greschat in Gemeinschaft mit M. Meiser, TU 150, Berlin/New York 2002, 131 – 146, 144; Moll, Arch-Heretic, 47 – 63, vgl. insbesondere 47.55 und 58. W. Bauer, Besprechung von A. v. Harnack, Marcion, GGA 185, 1923, 1 – 14, 7. So bereits bei F.C. Baur, Die christliche Gnosis oder die christliche Religions-Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Darmstadt 1967, 240 (ursprgl. Tübingen 1835). Vgl. auch W. Bousset, Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenäus, Göttingen 61967, 191: Bei Marcion sind „paulinische Reiser auf einen fremden Stamm gepfropft“. Hinter der Gegenüberstellung von „deus bonus“ und „deus justus“ stehe ein schroffer Dualismus, der seinen Ausdruck in der Polemik Marcions „gegen den deus judex“

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Marcion als Paulus- und Lukasinterpret

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die Verzerrungen nach sich, von denen auch seine „Antithesen“ durchzogen seien und die zu seiner Verurteilung und der Zurückweisung seiner Lehrauffassungen durch die römische Gemeinde führten. Die von Marcion vorgelegte Textausgabe resultiere aus sachfremden, den Texten widersprechenden Voraussetzungen.11 Sollen diese nicht von vornherein als unableitbar gelten, seien ihre Wurzeln möglicherweise in dualistischen religiösen Vorstellungen zu suchen, die sowohl jenseits des Horizontes der Schriften Israels als auch der in Rede stehenden frühchristlichen Texte des Paulus und des Lukas lägen.12 Bei der Bestimmung der als fremdreligiös angesehenen Ursprünge wird vornehmlich ein gnostischer Hintergrund erwogen.13 Die Zuweisung erfolgt allerdings nicht einlinig,14 da sich bei Marcion neben gnosisverwandten Zügen auch Eigenheiten finden,15 die mit gnostischen Grundannahmen schwer oder gar nicht vereinbar sind. Nach A. v. Harnacks distinkter Absetzung Marcions von den Gnostikern, die zweifelsohne auch Harnacks Interesse an der

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finde und sich nicht als Weiterentwicklung paulinischen Denkens erklären lasse, sondern „auf eigenen Grundlagen“ ruhe. (Ebd.) Für A. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, BHTh 58, Tübingen 1979, 390, gilt daher „nach wie vor das schon von W. Bauer gegenüber Harnack vorgetragene Urteil, daß es falsch ist, den Einfluß der paulinischen Theologie auf Marcion zu hoch einzuschätzen, Marcion gar als Fortbildung und Abschluß der Entwicklung des Paulinismus anzusehen“, wie Harnack dies getan habe. Marcion „musste im Gegenteil die paulinischen Aussagen in ihrem Zentrum geradezu bis zur Unkenntlichkeit verändern, um erst so den Apostel als Kronzeugen für sein eigenes Denken ins Feld führen zu können.“ So A. Lindemann, Der Apostel Paulus im 2. Jahrhundert, in: Ders., Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche. Studien zu Paulus und zum frühen Paulusverständnis, Tübingen 1999, 294 – 322, 316. Anders May, Markion/Markioniten, 836, dem Markion als „radikaler Paulusschüler“ gilt. So schon G. Krìger, Art. Marcion und die Marcioniten, in: RE3 12, Leipzig 1903, 266 – 277, 271 – 272. Anders M. Vinzent, Der Schluß des Lukasevangeliums bei Marcion, in: Marcion und seine kirchengeschichtliche Wirkung, hg. v. G. May und K. Greschat in Gemeinschaft mit M. Meiser, TU 150, Berlin/New York 2002, 79 – 94. Nach Vinzents Darstellung ist es „eine auf der Lektüre apologetischer Literatur des Tertullian beruhende anachronistische Überzeichnung“ … „daß Marcion vor allem die Lehre von zwei Göttern vorgetragen habe“ (79). Vinzents Absicht zielt darauf, „Marcion als Paulusschüler sui generis heraus(zu)stellen“ (81). So Jonas, Gnostic Religion, 137 – 146, der gleichwohl Marcion eine innerhalb der Gnosis einzigartige Sonderstellung einräumt. Vgl. den Forschungsüberblick bei R.J. Hoffmann, Marcion: On the Restitution of Christianity. An Essay on the Development of Radical Paulinist Theology in the Second Century, AAR AS 46, Chico, California 1984, 155 – 159; vgl. auch Moll, ArchHeretic, 72 – 75. Nach Bousset, Kyrios, 191 Anm. 3, ist Marcions Götterlehre, auch wenn Anregungen von Paulus in sie eingegangen sind, kein überzogener „Paulinismus, sondern orientalischer Dualismus von robuster Art“. Greschat, Markion, 919, vermutet, dass „die Spannung zwischen philos. … und at. Gottesbild mit zu M.s Unterscheidung der beiden Götter beigetragen“ hat. Nach P.G. Verweijs, Evangelium und neues Gesetz in der ältesten Christenheit bis auf Marcion, Utrecht 1960, 348, hat sich Marcion von der „eigentlichen Gnosis“ eines Cerdo „ferngehalten. Was er unternimmt, ist vielmehr die am weitesten gehende Christianisierung des gnostischen Lebensgefühls auf einer eigenen neuen Grundlage.“

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Sonderstellung Marcions geschuldet war,16 haben sich in der Folgezeit differenziertere Verhältnisbestimmungen herauskristallisiert. So sprechen nach H. Kraft „eine gewisse Offenheit für montanistische Einflüsse, Ansätze zu echtem dualistischem Denken, das sonst den Gnostikern abgeht … und das Fehlen der für die Gnostiker charakteristischen mystischen Anthropologie und anfänglich auch aller synkretistischer Neigungen“ gegen eine Zuordnung Marcions zu den Gnostikern. Für eine Bezeichnung Marcions als Gnostiker sprächen hingegen die bei Marcion vorhandene „gnostische Kosmogonie, Soteriologie und Erkenntnislehre“.17 B. Aland setzt Marcion aufgrund seiner Anthropologie, in deren Zentrum die absolute Erlösungsbedürftigkeit des Menschen stehe und die keinen Raum für eine unzerstörbare Verbindung zwischen Erlöser und zu Erlösenden aufgrund eines bleibenden göttlichen Anteils im Menschen lasse, von der Gnosis ab.18 Der Mensch gehöre nach Marcion vollständig und ohne Rest der Sphäre der Welt an.19 Gleichwohl besitzt nach Aland Marcions Zweigötterlehre ihren Ursprung in der Gnosis. Allerdings habe Marcion dieser „Konzeption ihren eigentlichen Sinn“ genommen, da er „unter dem Einfluß eines überspitzten Paulinismus die Verbindung zwischen beiden Göttern durchschnitt“.20 In schroffem Unterschied zur Darstellung Harnacks, aber in struktureller Ähnlichkeit, was die Eindeutigkeit der Zuordnung betrifft, hatte bereits die altkirchliche Polemik gegen Marcion im Zuge ihrer Interessensleitung mit der Zuweisung Marcions zu den Gnostikern gerade dessen Anspruch auf theologische Eigenständigkeit bestritten.21 Die Hypothese von S. Moll, derzufolge die Entstehung der Zweigötterlehre auf starke Affekte, nämlich Hass und „Trotz“22 des guten Gottes gegenüber dem „evil Creator“23 16 Harnack, Marcion, 196 Anm. 1 – 198; vgl. B. Aland, Marcion. Versuch einer neuen Interpretation, ZThK 70, 1973, 420 – 447, 429. G. May, Marcion ohne Harnack, in: Marcion und seine kirchengeschichtliche Wirkung, TU 150, Berlin/New York 2002, 1 – 7, 6: Harnack „marginalisiert Marcions Verhältnis zur Gnosis.“ 17 H. Kraft, Art. Marcion, RGG3 IV, 1960 (ungekürzte Studienausgabe 1986), 740 – 742, 742. K. Rudolph, Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Göttingen 21980, 228, bezeichnet Marcion als einen „der Gnosis nahestehenden radikalen Paulusschüler()“. 18 Dennoch lägen Beziehungen zum Gnostizismus vor. Aland, Marcion, 430 – 433. 19 Diese Feststellung weitet Aland, Marcion, 434 – 435 zu der Schlussfolgerung aus, dass darin ein Indiz liege, wie sehr Marcion von der paulinischen Theologie „durchdrungen“ sei (435). 20 Aland, Marcion, 446. Der Vorwurf von Aland, Marcion, 441 – 443, dass Marcion das Problem der Anknüpfung der Offenbarung nicht gelöst hat, ist freilich nicht gerechtfertigt; denn die Frage, wie der von Gott geschiedene und unter der Sünde stehende Mensch das Wort Gottes verstehen und die Offenbarung Gottes begreifen könne, bleibt angesichts des qualitativen Unterschieds zwischen Gott und Mensch rational unlösbar und macht den Glauben zu der bekannten unmöglichen Möglichkeit. Marcion an diesem Punkt einen „logische(n) Bruch“ (443) vorzuhalten, trifft jede Paulus verpflichtete Theologie in gleicher Weise. 21 Darauf weist Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 387 Anm. 46, hin. 22 Moll, Arch-Heretic, 75 – 76: „… it is in fact the evil God, the God of the Old Testament, who rightly deserves to be called the first God in Marcion’s system. The good God is a pure anti-God,

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des Alten Testaments zurückzuführen sei und Marcion auf der Grundlage eines solchen postulierten scharfen Ressentiments zu seiner Konstruktion des neutestamentlichen Gottes als Gegenbild des alttestamentlichen Gottes gelangt sei,24 ist insofern spekulativ, als sie nicht die Frage beantwortet, woraus diese Emotionen abzuleiten sind25 bzw. welche Inhalte des alttestamentlich-jüdischen Gottesverständnisses sie nachvollziehbar machen könnten. Insbesondere bleibt ausgeblendet, welche vorgängige Hermeneutik den „Christen“26 Marcion in Stand gesetzt haben könnte, einzig aus dem Alten Testament heraus und d. h. unter Absehung des Christusglaubens, das Gegenbild einer neutestamentlichen Gottesvorstellung zu entwickeln.27

Hinsichtlich der Herkunft der Zweigötterlehre Marcions ist als ein relativer Konsens festzustellen, dass der von Marcion gewählte Zugang nicht als Ergebnis seiner Exegese der Paulusbriefe und des Lukasevangeliums, sondern als unangemessene Hineintragung angesehen wird. Diese Sichtweise hat in methodischer Hinsicht in der Marcion-Forschung dazu geführt, zwischen der auf Paulus und Lukas angewandten Hermeneutik des Marcion und den theologischen Gehalten der Paulusbriefe und des Lukasevangeliums selbst zu unterscheiden. Zu fragen sein wird im Folgenden, unter welcher Voraussetzung es möglich war, dass Marcion sich selbst als prinzipiell in Übereinstimmung mit bzw. in Kontinuität zu seinen – von ihren sog. judaisierenden Überarbeitungen befreiten – beiden frühchristlichen Gewährspersonen stehend gesehen hat. Die Tatsache, dass sich Marcion in eine Linie mit Paulus und Lukas stellte, aus deren Texten er vermeintliche Irrtümer zu entfernen trachtete, hat – nicht zuletzt als Folge seiner Verketzerung – dazu geführt, dass die Marcion-Forschung in der Regel die theologische Differenz zwischen ihm und Paulus bzw. Lukas möglichst groß erscheinen lässt.28 Für die Auslegungs-

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who merely reacts to the malice of his counterpart; and he does so by an attitude towards the Creator which can be labelled as nothing else but Trotz.“ Vgl. auch ebd. 67. S. Moll, Marcion: A New Perspective on his Life, Theology, and Impact, ET 121/6 (2010), 281 – 286, 283. Marcion verstehe das Alte Testament nicht im Licht des Neuen Testaments, sondern interpretiere das Neue Testament im Licht des Alten Testaments, so Moll, Arch-Heretic, 82 und 106 und Moll, Marcion, 281 und 284. Moll, Arch-Heretic, 159, sieht die Ursache in der „psychological precondition“ Marcions, dessen Seele von einem fanatischen Hass gegen die Welt befallen sei. Ob und inwiefern dem „Erzketzer“ diese Bezeichnung zukommt, ist bekanntlich von Anfang an umstritten, vgl. dazu o. Anm. 3. Marcion „did not find the inspiration for his doctrine in the teachings of the Apostle Paul, it is the Old Testament and its portrait of an inconsistent, vengeful and cruel God which forms the centre of his theology.“ Moll, Marcion, 281. Da eine solche Wahrnehmung Gottes im Alten Testament nicht aus israelitisch-jüdischem Selbstverständnis resultiert, sondern die distanzierte Außenperspektive bereits voraussetzt, ist die Frage nach der hermeneutischen Prämisse unabdingbar. Vgl. Bauer, Besprechung Marcion, 7; Bousset, Kyrios, 191; Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 390.

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geschichte und die Würdigung des marcionischen Werkes gab und gibt es demnach begreifliche Gründe, Marcion von seinen beiden frühchristlichen Protagonisten zu trennen und im theologischen Urteil auf Distanz zu Marcion zu gehen. Adolf von Harnack hat nicht zuletzt deshalb mit seinem MarcionBuch29 solche Prominenz erfahren, weil er den Tabu-Bruch einer positiven Identifikation mit Marcion vollzogen hat. Die nachstehenden Ausführungen wollen die Nähe und Distanz Marcions zu seinen theologischen Autoritäten Paulus und Lukas neu vermessen. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Frage, in welcher Weise die von Marcion an die Texte angelegte Hermeneutik einen Anhalt an den paulinischen Briefen und der lukanischen Evangelienschrift findet bzw. für sich reklamieren kann.

2. Die These Im Folgenden wird die These vertreten, dass Marcion nicht mit einem außerhalb von Paulus liegenden Interpretationsschlüssel an die Bearbeitung der paulinischen Briefe geht, sondern sein hermeneutisches Prinzip aus Paulus ableitet. Er gewinnt seinen Verstehenszugang aus einem spezifischen Umgang mit zentralen theologischen Aussagen des Paulus und begibt sich anschließend mit dem Paulus entnommenen Ansatz an die redaktionelle Bearbeitung der paulinischen Briefe im Detail. Dabei bewegt er sich in einem Zirkel. Das gleiche geschieht bei seiner Redaktion des Lukasevangeliums. Das theo-logische Vorverständnis, das den Erzähler leitet, kommt in der Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Jesus sowie in der Stellung zum Ausdruck, die der Erzähler Gott im Verhältnis zu den Geschehnissen in der erzählten Welt des Lukasevangeliums zuweist. Anschließend wird es von Marcion in redaktioneller Einzelarbeit an den Texten des Lukasevangeliums zu einer sich selbst bestätigenden Theorie ausgearbeitet. Offenkundig besteht aus der Perspektive Marcions sowohl zwischen dem paulinischen und dem lukanischen Gottesverständnis als auch zwischen ihm selbst und Paulus sowie Lukas an zentraler Stelle eine Affinität.

3. Der theologische Ansatz bei Marcion, Paulus und Lukas Für Marcion wie vor ihm für Paulus und Lukas bildet der Gottesgedanke die Grundlage der theologischen Aussagen. Alle drei Autoren formulieren ihre zentralen theologischen Inhalte in Abhängigkeit von ihrem Gottesverständnis. 29 Siehe Anm. 1.

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3.1 Die Bedeutung der Christologie für das Gesetzesund das Gottesverständnis bei Paulus Paulus entwickelt seinen christologisch fundierten Gottesgedanken in Auseinandersetzung mit der jüdischen Tradition, der er entstammt, und in partieller Abgrenzung von Überzeugungen, die in seiner jüdischen Vergangenheit für ihn von unverbrüchlicher Bedeutung waren. Eine entscheidende Rolle kommt dabei seiner Bewertung des jüdischen Gesetzes zu. Hier zeigt sich der Bruch, den das Christusbekenntnis für seine Biographie bedeutet hat, am deutlichsten. Kam im Judentum seiner Zeit der Interpretation Gottes vom Gesetz her zentrale Bedeutung zu, so entfaltet Paulus sein soteriologischchristologisch begründetes Gottesverständnis als Alternative zu dieser auch von ihm selbst bis zu seiner Christusbekehrung geteilten Auffassung. Der Gottesgedanke ist bei Paulus aufgrund und infolge der Christusoffenbarung in ihm (Gal 1,16) christologisch gefasst. Dem Gesetz kommt für Paulus zum Verstehen Gottes seither keine erschließende Bedeutung mehr zu. Lediglich retrospektiv charakterisiert Paulus die am Maßstab der Christusoffenbarung gemessene begrenzte Leistung des Gesetzes als ein Vorstadium (Gal 3,19 – 25), dem eine propädeutisch-pädagogische Funktion eignet.30 Die von Paulus in Auseinandersetzung mit seiner eigenen religiösen Biographie realisierte Einsicht in die Insuffizienz des Gesetzes, eine heilvolle Gottesbeziehung zu vermitteln,31 die ihn in Distanz zu der geltenden Gewissheit seiner vorchristlich-jüdischen Identität setzt, führt ihn zu Abgrenzungen gegenüber jüdischem Selbstverständnis an zentraler Stelle. Einhaltung wie Übertretung des Gesetzes belassen laut Paulus den Menschen gleichermaßen im Machtbereich der Sünde. Die Feststellung der soteriologischen Insuffizienz des Gesetzes ist für den Christen Paulus ein Urteil, das aus der faktischen Verfassung der Menschheit resultiert. Mag das Gesetz auch prinzipiell heilig, gerecht und gut sein (Röm 7,12) und ihm eine lebensstiftende Perspektive innewohnen, ist es gleichwohl von der Sünde gegen den Menschen instrumentalisiert worden und begegnet in der konkreten Lebensgestaltung daher in perverser Weise als ein Medium, das den Menschen an der Pflege einer gelingenden Gottesbeziehung hindert. In dem von Röm 9,30 – 10,9 reichenden Abschnitt formuliert Paulus eine 30 Vermutlich ist es die Brückenfunktion dieser Ausführungen im Denken des Paulus, die Marcion motivierte, den Abschnitt Gal 3,15 – 25 zu streichen. 31 Dass Paulus der Meinung war, der Mensch könne das Gesetz nicht halten, trifft freilich nicht zu. Gegen Aland, Marcion, 436. Unter Zugrundelegung einer jüdischem Selbstverständnis entsprechenden Perspektive verweist Paulus sogar mit Stolz auf die Perfektion seiner Gesetzeserfüllung (Phil 3,4 – 9). Aus christlicher Sicht offenbart ihm das rückblickend freilich lediglich ein zentrales Manko: Gerade der über das Gesetz gepflegte Kontakt zu Gott, erweist sich als Schaden, der – in der retrospektiven Sicht des Christen Paulus – die gelingende Gottesbeziehung gerade verhindert hat.

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pointierte Aussage über die Reichweite des jüdischen Gottesverständnisses. Im Kontext des Nachweises der mangelnden Erschließungsfähigkeit für ein adäquates Verstehen Gottes, die er dem Gesetz in dieser Passage anlastet, bietet Röm 10,2 eine Spitzenaussage. Paulus äußert in 10,1 zunächst, dass es ihn drängt, Gott, wie er sich ihm in Christus erschlossen hat, um das Heil seiner jüdischen Brüder zu bitten; denn diese litten in soteriologischer Hinsicht unter einem massiven Defizit. Sie hätten, laut Paulus, zwar Eifer um Gott, aber dieser Eifer entbehrte der rettenden Einsicht. Paulus sieht sie in ihrer Bemühung, stellt jedoch fest, dass sie auf diese Weise nicht Gott erreichen, wie dieser sich ihm selbst unter soteriologisch-christologischer Perspektive erschlossen hat (10,2). Die daraus resultierende Folge formuliert Paulus in 10,3: Seine jüdischen Mitbrüder bleiben nach seinem Urteil im Bannkreis ihrer eigenen Gerechtigkeit. Für Paulus zieht die mit Christus gewonnene Einsicht über Gott und seine Gerechtigkeit unmittelbare Konsequenzen für die Bewertung des soteriologischen Status der jüdischen Adressaten, die er vor Augen hat, nach sich. Auf der Grundlage einer soteriologisch ausgerichteten Christologie gelangt Paulus zu einem Verständnis Gottes, der dijaios¼mg heoO und des mºlor, das die gleichzeitige Aufrechterhaltung der traditionellen jüdischen Sicht verunmöglicht. Die christologische Positionierung führt den Juden Paulus zu Distanzierungen gegenüber den für jüdisches Verständnis zentralen theologischen Eckpfeilern in Hinblick auf deren soteriologische Bedeutung.32 3.2 Die Aneignung der paulinischen Vorgaben durch Marcion Marcion als Christ nicht-jüdischer Herkunft bezieht sich unmittelbar auf die von Paulus formulierten Abgrenzungen und erhebt diese zur Position selbst.33 32 Zum exegetischen Einzelnachweis vgl. P.-G. Klumbies, Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext, FRLANT 155, Göttingen 1992, 220 – 227. 33 In Rechnung zu stellen ist dabei, dass Marcions Position weitgehend nur über Tertullians Darstellung fassbar wird. Da Tertullian mit Marcion das Interesse an Paulus als seinem „Auslegungsgegenstand“ teilt und in mancherlei Hinsicht ungeachtet seiner Abgrenzungsbemühungen Marcion sogar nahesteht, ist differenziert zu erheben, auf wen im Einzelfall hermeneutische Vorentscheidungen zurückzuführen sind: Ob auf Paulus, auf Marcion oder auf Tertullian. Darauf weist J.M. Lieu, „As much my apostle as Christ is mine“: The dispute over Paul between Tertullian and Marcion, EC 1, 2010, 41 – 59, 46 – 47, hin. Sie hält es für denkbar, dass die terminologische Gegenüberstellung von „Gesetz“ und „Evangelium“ eine Setzung Tertullians ist, die aus dessen – ihm selbst unbehaglicher – Nähe zu Marcion in der Beurteilung der Israelfrage und des Stellenwerts des Alten Testaments resultierte (ebd. 50). Vgl. zur Sache Tertullian, Adv. Marc. I 19: „Separatio legis et evangelii proprium et principale opus est Marcionis“ … „ex diversitate sententiarum utriusque instrumenti diversitatem quoque argumententur deorum.“ – In methodischer Hinsicht besteht damit die analoge Schwierigkeit, die auch für die Rekonstruktion der Position der paulinischen Gegner aus den Aussagen des Paulus, etwa im Galaterbrief, gilt. Vgl. dazu P.-G. Klumbies, Zwischen Pneuma und Nomos. Neu-

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Bei der Bestimmung der marcionischen Anschauung ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Umfang der Eingriffe Marcions in die paulinische Korrespondenz niedriger zu veranschlagen ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Konkret bestehen die Hauptkorrekturen in der Tilgung der positiven Bezugnahmen auf die Abrahamverheißung und die Erwählung Israels in Gal 3 und 4 sowie vermutlich auch Röm 4, in der Entfernung der paulinischen Ausführungen über das Gericht nach den Werken in Röm 2,3 – 11, in der Streichung umfänglicher Passagen aus Röm 9 – 11, wobei 10,1 – 4 und 11,33 – 35 von ihm stehengelassen wurden, sowie in der mit der Auslassung von Kol 1,15b–16 verbundenen Vermeidung des Gedankens der Schöpfungsmittlerschaft Christi und im Weglassen der Bezüge auf das „Fleisch Christi“ in Eph 2,14 und Kol 1,22.34 Die Bezugaufnahme Marcions auf das Alte Testament erfolgte nicht einlinig abwertend, sondern zeigt eine differenzierte Stellungnahme.35 Im Umgang mit den bei Paulus vorzufindenden alttestamentlichen Vorgaben hat Marcion offenkundig ein Verfahren gewählt, das auf der Linie der Paulus eigenen Hermeneutik liegt. Paulus rekurriert wiederholt unter negativer Perspektive auf Ereignisse und Episoden der Geschichte Israels, um einen Kontrast zu der durch Christus eröffneten neuen Gottesgeschichte mit den Menschen zu schaffen. Dieses Modell der retrospektiven Interpretation scheint Marcion bei seinem Bezug auf das Alte Testament inspiriert zu haben, mit der Folge, dass „Marcion … mit Paulus gegen das AT vor(geht).“36 Waren die Abgrenzungen bei Paulus jedoch Ausfluss seiner christologisch fundierten theologischen Einsicht, werden sie in der verabsolutierten Rezeption Marcions zur Waffe gegen das Judentum. Sie bestehen aus der Überpointierung und Verabsolutierung von Konsequenzen, die bei Paulus Folgerungen eines der Einheit verpflichteten Denkens bedeuten. Marcion überspitzt einen Ansatz, der bei Paulus angelegt ist, und zieht aus interpretatorischer Distanz Konsequenzen, die mit der paulinischen Grundlage nicht zu vereinbaren sind.37 Er benutzt die Schlussfolgerungen der

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orientierung in den galatischen Gemeinden, in: Ders., Studien zur paulinischen Theologie, Schriftenreihe der evangelischen Fachhochschule Freiburg 8, Münster 1999, 55 – 79. Vgl. dazu U. Schmid, Marcion und sein Apostolos. Rekonstruktion und historische Einordnung der marcionitischen Paulusbriefausgabe, ANTT 25, Berlin/New York 1995, 248 – 250; vgl. auch ebd. 282 und 310. Zu Recht weist Lindemann, Apostel Paulus, 315, darauf hin, dass Marcion „ja mitnichten“ das Alte Testament abgeschafft habe; ebenso Moll, Arch-Heretic, 3: „to Marcion the Old Testament was anything but obsolete“; vgl. auch Moll, Marcion, 286. Schmid, Marcion, 260. Vgl. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 389: Die Zweigötterlehre Marcions „ist offenbar das Ergebnis einer einseitigen und radikalen Interpretation der biblischen Texte.“ Letztlich lässt Lindemann jedoch eine Entscheidung offen: „Ob Marcion den Ansatz dieser Theologie unmittelbar aus der Schrift heraus entwickelte, oder ob er ein vorgegebenes Denkmodell an die Texte herantrug, läßt sich nicht entscheiden; möglicherweise ist es überhaupt falsch, hier eine Alternative anzunehmen.“ (Ebd. 389)

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paulinischen Christologie zur Formulierung seiner These.38 Sein Antinomismus stellt den Versuch einer Identitätsgewinnung durch Abgrenzung dar. Der Erklärungsversuch, der einseitige auf Paulus rekurrierende Antinomismus des Marcion lasse sich daraus begreiflich machen, dass Marcion die Kapitel eins und zwei des Galaterbriefes als eine „historische Einleitung“ in das paulinische Gesamtwerk gelesen und „das gesamte Denken und Wirken des Apostels im Lichte dieser Darlegungen“ verstanden habe,39 bleibt daher zu sehr an der Oberfläche.40 Darüber hinaus zieht Marcion aus den paulinischen Ausführungen eine weitere Konsequenz, die so von Paulus selbst nicht vorgenommen wurde. Im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit spielte neben der nomistischen Interpretation Gottes die Wahrnehmung und Erfassung Gottes über sein Schöpfungshandeln eine zentrale Rolle. Gottesbegegnung wurde nicht exklusiv als über das Gesetz vermittelt gedacht. Gott wurde als Schöpfer verehrt, der in den Werken seiner Schöpfung begegnet.41 Diese Möglichkeit der Gotteserkenntnis wird von Paulus nicht pauschal abgelehnt. Sie wird von ihm allerdings als eine nicht zureichende, d. h. faktisch nicht zu einer gelingenden Gottesbeziehung führende Erkenntnisweise zurückgewiesen (Röm 1,18 – 2,16). Der Versuch, Gott über seine Selbstoffenbarung in der Schöpfung erfassen zu wollen, hat de facto in menschlicher Selbstverstrickung, Götzendienst und Sünde geendet. Paulus selbst, der Gott auf vielfältige Weise christologisch expliziert, interpretiert auch die Schöpfungsaussagen von der Christologie her.42 Implizit hat die Reserve des Paulus gegenüber der 38 Aland, Marcion/Marcioniten, 93, ist ebenfalls der Auffassung, dass Marcion den Antagonismus zwischen Gesetz und Evangelium von Paulus ableitet. Sie hält daneben den „Einfluss einzelner gnostischer Lehrer“ für möglich. 39 So G. May, Der Streit zwischen Petrus und Paulus in Antiochien bei Marcion: Von Wittenberg nach Memphis. FS R. Schwarz, Göttingen 1989, 204 – 211. Auf den Einfluss der Paulusbriefe im Allgemeinen und den von Gal 1 – 2 im Besonderen für die Entwicklung der Theologie Marcions verweist auch J.B. Tyson, Marcion and Luke – Acts, University of South Carolina, Columbia 2006, 36 – 38.126. 40 Die von Aland, Marcion/Marcioniten, 94, intendierte Präzisierung der These Mays: „Marcion konnte Paulus … überhaupt nicht verstehen, wenn er nicht angenommen hätte, der Herr des Gesetzes und der des Glaubens … seien voneinander verschieden“, ist eine petitio principii, da sie keine Erklärung, sondern eine Prämisse liefert. Auch der zur Unterstützung angeführte Hinweis Alands auf die „bei Marcion vorauszusetzende() Problemstellung“ „der Würdigkeit des summum bonum“, die es Marcion verwehrt hätte, „zu akzeptieren, daß der Heilsweg des Gesetzes von demselben Gott durch den des Glaubens abgelöst sei“, bleibt spekulativ (ebd. 94). 41 Vgl. SyrBar 21,3 – 25; 1 QM 10,8 – 16; 1 QH 1,1 – 20; JosAs 12,1 – 2; PseuHek II Fragment 1 (Josephus, Ant I 154 – 168); Philo, Op 170 – 172. Vgl. Klumbies, Rede von Gott, 34 – 106. 42 Vgl. D.-A. Koch, Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986, 349. Zentrale Topoi jüdischen Redens von Gott wie insbesondere die Prädikation Gottes als dessen, der Israel aus Ägypten herausführte, fehlen auffallenderweise bei Paulus. Zum selektiven Schriftgebrauch bei Paulus, bei dem auch die Phase der Landnahme, die Epoche der staatlichen Zeit Israels und die Überlieferung von der Opferung Isaaks in Gen 22 ausgeblendet werden, vgl. Koch, Schrift, 345 –

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Möglichkeit der sog. „natürlichen“ Gotteserkenntnis zur Folge, dass damit neben dem Gesetz auch die zweite für jüdisches Offenbarungsverständnis konstitutive Säule in den Hintergrund tritt. Offenkundig hat Marcion dies im Zuge seiner Pauluslektüre verstanden. Er folgert richtig: Nach Paulus ist Gott weder vom Gesetz noch über sein Schöpfungshandeln zu verstehen, sondern exklusiv über seine Offenbarung in Jesus Christus. Für den vormaligen Pharisäer und jetzigen Judenchristen Paulus lag der Kern der theologischen Auseinandersetzung in der Klärung der Konsequenzen der christologischen Offenbarung Gottes für alle weiteren jüdischen Theologumena – vornehmlich für die Fragen nach der Gerechtigkeit Gottes und der Heilsbedeutung des Gesetzes. Dieser Identitätsfindungsprozess war im biographischen Kontext des Heidenchristen Marcion, der außerhalb eines jüdischen Kontextes aufgewachsen und dessen Vater – sofern die diesbezügliche Überlieferung zuverlässig ist43 – bereits Leitungsfunktionen in der christlichen Gemeinde innehatte, ein Ereignis vergangener Jahrzehnte. Die Abkehr vom jüdischen Gesetz stellt in diesem Umfeld bereits ein historisches Ereignis der Vergangenheit dar. Die theologische Auseinandersetzung mit den jüdischen Prämissen des christlichen Glaubens war schon in der ersten Generation der Christen vollzogen worden. Jahrzehnte später, in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts sind in dieser Hinsicht keine existentiellen Kämpfe mehr zu bewältigen. Die Abgrenzung von jüdischen theologischen Topoi ist zur theologischen Richtigkeit und zur Ausgangsbasis weiteren theologischen Nachdenkens geworden. Marcion bezieht sich in seiner Paulusrezeption auf die zwei Kernbereiche, in denen die christliche Neuausrichtung des Gottesgedankens gegenüber dem Judentum am greifbarsten zum Ausdruck kommt: Auf das Gesetzes- und das Schöpfungsverständnis. Die in der Konsequenz der paulinischen christologischen Gottesinterpretation liegende Zurückweisung des Gesetzes als der zentralen Instanz zur Gestaltung der Gottesbeziehung und die Untergewichtung des Schöpfungsgedankens44 bei der Entfaltung des Gottesverständnisses durch Paulus erhebt Marcion zu zwei Essentials, mittels derer er seine auf Abgrenzung gegenüber dem Judentum bedachte Zweigötterlehre entwickelt. Insbesondere die beiden im Rahmen der paulinischen Ausführungen in ihrer erschließenden Kraft kritisch betrachteten Größen „Gesetz“ und „Schöpfung“ werden von Marcion zu Grundlagen seines dualistischen Gottesmodells

346. Es scheint, als belege Paulus diese traditionellen Ausdrucksweisen mit einem beredten Schweigen. 43 Vgl. dazu die Beurteilung der Epiphanius-Angaben bei Moll, Three Against Tertullian, 177 – 178, und Foster, Marcion, 270 – 271. 44 Als Schlüsselstellen, auf die Marcions Zweigötterlehre sich beziehe, gelten 2 Kor 4,4 und 1 Kor 8,5.6. Vgl. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 384 – 385 und Aland, Marcion, 438 – 439, Anm. 89.

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ausgebaut. Überpointierter Paulinismus und Antijudaismus gehen bei Marcion parallel.45 In dieser Konstruktion zeigt sich die systematisierende Kraft des Denkens Marcions, zugleich aber auch dessen Einseitigkeit und theologische Schwäche. Denn Marcion verabsolutiert eine Tendenz, die im Ansatz zwar bei Paulus zu beobachten ist, dort aber einem theologischen Gesamtrahmen zugeordnet bleibt. Während Paulus seine Abgrenzungen aufgrund der Auseinandersetzung und im Zuge seiner Selbstverständigung mit den eigenen jüdischen Wurzeln entwickelt, interpretiert Marcion die paulinische Theologie von den Negationen her, die bei Paulus Konsequenzen seines soteriologisch-christologischen Gottesverständnisses sind. Indem Marcion den zweifachen Einspruch des Paulus gegen eine soteriologische Potenz des Gesetzes und des Schöpfungsgedankens zur Basis seiner eigenen Position erhebt, verliert er die Einheit des christologisch interpretierten Gottes.46 Die Folge ist die Aufspaltung des Gottesbegriffs. Damit geraten der über die Abgrenzungen definierte Gott der Juden und der einseitig heilvoll beschriebene Vater Jesu Christi in ein Gegenüber. Die Spannung, der der einheitliche Gottesgedanke angesichts einer ambivalenten Wirklichkeitserfahrung ausgesetzt ist, wird von Paulus ausgehalten. Bei Marcion zerbricht die Einheit zu einer dualistischen Gottesvorstellung. Marcion liest die paulinische Gottesinterpretation von den Folgerungen her, die diese für die soteriologische Bedeutung von Gesetz und Schöpfung besitzt. In verselbständigter Form und mit negativer Konnotation versehen verwendet er beide Theologumena als Basis für seinen eigenen Ansatz in der Gotteslehre. Gesetz und Schöpfung werden zur Negativfolie, vor deren Hintergrund die soteriologisch-christologisch geformte Theo-logie ohne innere Spannungen als einseitig positiv konnotierte Vorstellung präsentiert wird.47 Der „reine“ Gottesbegriff, der den Vater Jesu Christi ungebrochen als den Gott der Liebe feiert, ist um den Preis erkauft, dass die innere Spannung im Gottesbegriff extrapoliert48 und in das Zerrbild 45 Bereits F.C. Baur, Das Christenthum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte, Tübingen 1853, 74, spricht von der Verbindung eines „extreme(n)“ Paulinismus mit einer „antijüdischen Tendenz“ bei Marcion. Vgl. dazu May, Marcion ohne Harnack, 2. Nach A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte. Band I: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas, Tübingen 1990 (Nachdruck von Tübingen 41909, ursprünglich Freiburg i.Br. 1886), 307, war der „kühne Antijudaist“ Marcion gleichwohl „der Schüler eines jüdischen Denkers“, nämlich der des Paulus. Daher sei der Ursprung von Marcions Antinomismus bereits bei den Propheten des Alten Testaments auszumachen. Vgl. dazu W. Kinzig, Harnack, Marcion und das Judentum. Nebst einer kommentierten Edition des Briefwechsels Adolf von Harnacks mit Houston Stewart Chamberlain, AKThG 13, Leipzig 2004, 67. 46 In der Sache hat sich Marcion damit der „paulinischen Theologie, wie er sie vorfand, … nicht gestellt; er hat vielmehr rigoros beseitigt, was seinen eigenen Anschauungen nicht entsprach.“ Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 390. 47 Vgl. Klumbies, Rede von Gott, 246 – 247. 48 Die Einsicht, dass mit der Einheit des Gottesgedanken auch die Spannung von „fascinans“ und „tremendum“, zwischen Güte und Zorn gewahrt werden muss, steht auch hinter R. Ottos

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des dem Vater Jesu Christi feindselig gegenüber stehenden Gottes Israels ausgelagert wird. Marcion selbst war vermutlich der Meinung, Paulus im Kern seines Gottesverständnisses präzise verstanden und den Apostel dessen Selbstverständnis entsprechend zur Sprache gebracht zu haben. Nach eigener Auffassung hat er Paulus nachträglich dazu verholfen, die Selbstwidersprüche loszuwerden, in die dieser sich aus marcionischer Perspektive verstrickt hat. Allerdings erhebt Marcion dabei Folgerungen, die der zum Christusbekenntnis gelangte Jude Paulus in der Auseinandersetzung mit seinen persönlichen theologischen Voraussetzungen im Blick auf das Gottesverständnis zieht, zum Ausgangspunkt für die Formulierung einer auf Abgrenzung vom jüdischen Gottesgedanken beruhenden christlichen Gottesvorstellung. Die Kritik an Marcions Hermeneutik hat offenzulegen, dass ihr ein Modell christlicher Identitätsbestimmung zugrunde liegt, das auf Distanzierungen beruht, die nicht Folge, sondern Ausgangspunkt theologischer Reflexion und Positionierung sind. 3.3 Die Affinität Marcions zu Lukas Wenig behandelt in der Marcion-Forschung wird die Frage, ob und ggfs. welche positiven Impulse Marcion aus dem Lukasevangelium empfing, die er dann wiederum im Zirkelschluss bei seiner redaktionellen Bearbeitung des lukanischen Textes zur Anwendung auf die Einzelstellen brachte. Offenkundig wird neben den externen Ableitungen der Zweigötterlehre, wenn überhaupt, dann den Paulusbriefen der maßgebliche und prägende Einfluss auf Marcion beigemessen.49 Dieser weitgehenden Nichtbeachtung lukanischer Einflüsse auf die marcionische Zweigötterlehre entspricht, dass bereits die Frage, warum Marcion ausgerechnet das Lukasevangelium als „das Evangelium“ ausgewählt hat, eine relativ formale Beantwortung erfahren hat:50 „Da Paulus vom ,Evangelium‘ stets im Singular sprach, konnte es auch nur ein Evangelienbuch geben [vgl. Adamantius I 6]; und da Mt und Joh von ,falschen Aposteln‘ stammten, konnte die Entscheidung nur zwischen Mk und Lk fallen.“51 Als Kriterium für die Wahl des Lukasevangeliums sei dessen

Ausführungen über die Doppelgesichtigkeit des Göttlichen resp. des Heiligen; R. Otto, Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, München 1997 (ursprgl. 1917), 14 – 22 und 42 – 52. Wird diese Spannung aufgelöst, ist der Weg in ein dualistisches Gottesverständnis vorgezeichnet. 49 Das liegt auf der Linie Harnacks, Marcion, 44: Aus seiner Arbeit an den Paulusbriefen hat Marcion den kritischen Maßstab bezogen, den er anschließend auf das Lukasevangelium bezog. 50 Aland, Marcion/Marcioniten, 91, nennt keinen Grund: „Warum Marcion als Grundlage dafür das Lukasevangelium auswählt, ist kaum noch sicher zu entscheiden …, geprüft hat er mehrere Evangelien“. 51 So Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 382 unter Verweis auf Harnack, Marcion, 40 –

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Ausführlichkeit anzusehen sowie „vielleicht auch der ,überlieferungsgeschichtliche Zusammenhang mit Paulus‘“.52 Letzterer lasse sich immerhin konkretisieren. So habe Marcion enge Berührungen des Lukasevangeliums mit der paulinischen Rechtfertigungslehre53 und der Abendmahlsterminologie des Paulus in 1 Kor 11,23 – 2554 wahrnehmen können.55 Zu überlegen ist auch, ob die frühchristlichen Traditionen, die sich mit dem Lukas-Namen verbinden und die auf Lukas den Arzt oder den Paulusbegleiter aus Apg 16; 20; 21; 27 – 28 verweisen,56 für Marcion ein Argument darstellten, gerade diese Evangelienschrift neben die Briefe des Apostels zu setzen. Vertraut gewesen sein dürfte ihm die zu seiner Zeit verbreitete Auffassung einer engen Beziehung zwischen Paulus und Lukas.57 An dieser Stelle ist auf das „Plädoyer“ von M. Klinghardt hinzuweisen, „das literarische Verhältnis von Markion und Lk zugunsten der Markionpriorität“58 umzukehren. Klinghardt greift damit eine Diskussionslage des 19. Jahrhunderts

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42. Harnack, Marcion*, 250, gibt selbst als Grund der Entscheidung für Lk die „Art dieses Evangeliums“ an, insbesondere dessen „,heidenchristliche(n)‘ und asketische(n) Charakter“. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 382 unter Zitierung von Harnack, Marcion, 42. Euseb, Hist Eccl III 4,7 gibt an, dass Paulus, wenn er die Formulierung „nach meinem Evangelium“ gebrauche, auf das Evangelium nach Lukas verwiesen habe. U. Schmid, Marcions Evangelium und die neutestamentlichen Evangelien. Rückfragen zur Geschichte und Kanonisierung der Evangelienüberlieferung, in: Marcion und seine kirchengeschichtliche Wirkung, TU 150, Berlin/New York 2002, 67 – 77, 74 Anm. 31 verweist dazu auf Lk 16,15 und 18,14, die bei Tertullian, IV 33,6 und 36,1 für Marcions Text bezeugt sind. So Schmid, Marcions Evangelium, 75, unter Hinweis auf Lk 22,19 f. Auf diesen Sachverhalt habe schon W. Schenk, Luke as reader of Paul. Observations on his Reception, in: Intertextuality in Biblical Writings. Essays in honour of Bas van Iersel, ed. by S. Draisma, Kampen 1989, 127 – 139, 134 – 135.139, hingewiesen. Für Schmid, Marcions Evangelium, 75, resultiert daraus die „These“: „Marcion hat das Lukasevangelium gewählt, weil er es an der Abendmahlsparadosis als das paulinische Evangelium erkannt hat.“ Zur Tradition, derzufolge das Lukasevangelium auf den Paulusbegleiter Lukas zurückzuführen ist, vgl. Irenäus, Haer III 1,1 bzw. Euseb, HE V 8,3. Zur Überlieferung von Lukas als Arzt vgl. Kol 4,14 sowie Phlm 24 und 2 Tim 4,11. U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 42002, 285: „Man wird davon ausgehen können, daß die Tradition vom Paulusbegleiter Lukas als dem Verfasser des 3. Evangeliums erheblich vor 150 n. Chr. verbreitet war.“ M. Klinghardt, Markion vs. Lukas: Plädoyer für die Wiederaufnahme eines alten Falles, NTS 52, 2006, 484 – 513, 513. Er reaktiviert damit eine These von J. Knox, Marcion and the New Testament. An Essay in the Early History of the Canon, Chicago 1942. Nach Knox, 77 – 113.167, könnte sich Marcion einer Vor-Fassung des Lukasevangeliums, eines „Proto-Lukas“, bedient haben, mit der Konsequenz, dass ihm darauf von seinen Gegnern mit einer durchgehenden Redaktion des Lukasevangeliums unter Einschluss einer frühen Form der Apostelgeschichte geantwortet worden sei. M. Klinghardt, The Marcionite Gospel and the Synoptic Problem: A New Suggestion, NT 50, 2008, 1 – 27, 6 – 10, nimmt noch einmal Bezug auf diese These. Vgl. den Kurzaufriss der Forschungsgeschichte von C.M. Hays, Marcion vs. Luke: A Response to the Plädoyer of Matthias Klinghardt, ZNW 99, 2008, 213 – 232, 213 Anm. 3, sowie die Entfaltung der Gegenargumentation durch Hays; ebenfalls Foster, Marcion, 275 – 276.

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auf. A. Ritschl59 und F.C. Baur60 hatten die These vertreten, dass das Lukasevangelium auf die antimarcionitische Bearbeitung einer marcionischen Evangelienschrift zurückzuführen sei. Dagegen hatten A. Hilgenfeld61 und G. Volckmar62 sowie in deren Gefolge später A.v. Harnack die gegenteilige Auffassung vertreten, derzufolge Marcions Evangelienschrift auf dem Lukasevangelium fuße. Diese Position hat sich zu der bis in die Gegenwart dominierenden Forschungsauffassung verfestigt.63 Zur Begründung für seine Rückwendung führt Klinghardt an, dass sich kein einheitliches redaktionelles Profil für eine Bearbeitung des Lukasevangeliums durch Marcion nachweisen lasse,64 während in umgekehrter Richtung die lukanischen Veränderungen gegenüber Marcion ein geschlossenes Konzept erkennen ließen.65 Anzunehmen sei, dass die Evangelienschrift, auf die sich Marcion beziehe,66 59 Nach A. Ritschl, Das Evangelium Marcion’s und das kanonische Evangelium des Lucas, Tübingen 1846, ist „das Evangelium Marcions nicht eine Verstümmelung des Lucas, sondern der Grundstamm desselben“ (V). Ritschl bezeichnet es als „,Ur-Lucas‘“ (174). Dieser „Ur-Lucas“ lasse seinen „dogmatischen Character“ dadurch erkennen, „dass der historische Stoff des Lebens Jesu so ausgewählt und so gruppirt ist, dass er den Paulinischen Grundsätzen entspreche“ (201). 60 F.C. Baur, Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zueinander, ihren Charakter und Ursprung, Hildesheim 1999 (Nachdruck von Tübingen 1847), 395 – 427, bes. 422 – 427. 61 A. Hilgenfeld, Kritische Untersuchungen über die Evangelien Justin’s, der clementinischen Homilien und Marcion’s. Ein Beitrag zur Geschichte der ältesten Evangelien-Literatur, Halle 1850, 456.471 – 474. 62 G. Volckmar, Ueber das Lukas-Evangelium nach seinem Verhältniss zu Marcion und seinem dogmatischen Charakter, mit besonderer Beziehung auf die kritischen Untersuchungen F.C. Baur’s und A. Ritschl’s, ThJb(T) 9, 1850, Heft I, 110 – 138, 114; Heft II, 185 – 235, vertritt gegen Baur dezidiert die These, „daß unser Lukas-Evangelium seinem Umfang und Bestand nach … das ursprüngliche, das Evangelium der Marcioniten aber wesentlich eine Ruine desselben … war“ (119). Allenfalls könne im Einzelfall gelten, dass Marcion einen älteren Text als „unsere gewöhnlichen Lukascodd.“ (187) biete; darin hätten gelegentlich Stellen gefehlt, die auch in Marcions Ausgabe nicht vorkämen. Das lasse sich jedoch nicht als Beweis dafür in Anspruch nehmen, „dass Lukas gerade von Marcions Text abhängig war“ (192). „(A)uch nicht in einer einzigen (Stelle; P.-G.K.) könnte Lukas Text allein oder nur besonders aus Marcions Text erklärt werden. Im Gegentheil in den meisten … Stellen … ergiebt sich näher zugesehen Lukas nicht blos als die ursprünglichere Bearbeitung des frühern Evangeliums [nach Matthäus oder Markus], sondern auch gerade als die Grundlage für den corrumpirten Text des Marcion.“ (200) Marcion habe das Lukasevangelium „verstümmelt“ (205), „die Hypothese von der Priorität des Marcion-Textes (hat sich) beim nähern Zusehen als unhaltbar bewiesen“ (222). Vgl. auch G. Volckmar, Das Evangelium Marcions. Text und Kritik mit Rücksicht auf die Evangelien des Märtyrers Justin, der Clementinen und der apostolischen Väter. Eine Revision der neuern Untersuchungen nach den Quellen selbst zur Textesbestimmung und Erklärung des LucasEvangeliums, Leipzig 1852, 256.267. 63 Zur Darstellung vgl. Schmid, Marcions Evangelium, 67 – 69; Foster, Marcion, 274 – 276. Zur Forschungsgeschichte vgl. auch D.T. Roth, Marcion’s Gospel and Luke: The History of Research in Current Debate, JBL 127, 2008, 513 – 527. 64 Insbesondere mangele es an Stringenz bei den Eingriffen in den Text. Klinghardt, Markion vs. Lukas, 487 – 488.496. 65 Klinghardt, Markion vs. Lukas, 499 – 501; 504 – 512; 513. 66 Hoffmann, Marcion, 133, spricht von einem „Urlukas“.

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zu einem späteren Zeitpunkt von einem Redaktor überformt,67 u. a. um den Prolog Lk 1,1 – 4 erweitert und mit der Apg „zu einem fingierten ,Doppelwerk‘“68 zusammengeschlossen worden sei. Dieser Vorgang sei zeitnah zur Kanonischen Endredaktion zu denken.69 Schon Tertullians Darstellung der Tätigkeit Marcions bleibe doppeldeutig. Einerseits scheine es so, als bestände die Wiederherstellungsleistung Marcions darin, durch Beseitigung aller fälschlichen Zusätze der Judaisten die reine Gestalt des Lukasevangeliums wiederzugewinnen. Dann wäre die marcionische Fassung gegenüber dem vorliegenden Lukasevangelium sekundär. Andererseits ließe sich Tertullian auch so interpretieren, als beschwere sich Marcion darüber, dass die Großkirche das für ihn, Marcion, grundlegende Evangelium, nachträglich judaistisch verfälscht habe und dieses entsprechend wieder gereinigt werden müsse.70 Dieses Quellenmodell wirft freilich eine Vielzahl von Anschlussfragen auf.71 Woher stammt das Kurzevangelium, auf das Marcion sich bezieht?72 Ist es textgeschichtlich nachweisbar? Hat Marcion es geschaffen, unverändert übernommen73 oder redak67 Tyson, Marcion and Luke – Acts, 119 – 120, postuliert unter Zugrundelegung einer Frühdatierung für Marcion und einer Spätdatierung von Lukasevangelium und Apostelgeschichte in Anknüpfung an Knox eine prämarcionische Evangelienschrift zwischen Markus und Marcion. Dieses Werk habe mutmaßlich Ähnlichkeit mit dem jetzt in Lk 3 – 23 vorliegenden Text besessen. Es entstamme dem Zeitraum zwischen 70 und 90 n. Chr. Diesen Text habe Marcion zu „seinem“ Evangelium umgeformt und damit in den Augen seiner Gegner das Lukasevangelium „mutilated“. Marcions Evangelium habe um 115 – 120 n. Chr. vorgelegen. Dieses Werk habe die Grundlage für das kanonische Lukasevangelium dargestellt, sei von dessen Autor um zahlreiche Perikopen erweitert (Lk 1,1 – 4; 1,5 – 2,52; 24,1 – 11; 24,13 – 52) und wahrscheinlich gemeinsam mit der Apostelgeschichte zwischen 120 und 125 n. Chr. als Gesamtwerk veröffentlicht worden. Gegenüber der Annahme einer prämarcionischen Evangelienschrift und der Frühdatierung Marcions ist freilich zu gewärtigen, dass „die Kontroverse mit Markion und seiner Kirche … in den ,Apostolischen Vätern‘ [noch] keine Rolle (spielt)“. J. Ulrich, Die Apostolischen Väter gestern und heute, in: W. Pratscher, Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, Göttingen 2009, 254 – 271, 264. 68 Klinghardt, Markion vs. Lukas, 513, ebenso 508. Den Widerspruch, der sich an Klinghardts Interpretation von Tertullian, Adv. Marc. IV 4,4 entzündet, formuliert Hays, Marcion vs. Luke, 218 – 219. 69 Klinghardt, Markion vs. Lukas, 499 – 504, rekurriert dazu wiederholt auf D. Trobisch, Die Endredaktion des Neuen Testaments, NTOA 31, Freiburg 1996, 58ff; 73 ff. Zur Kritik daran vgl. Hays, Response, 225 – 226. 70 Zu dieser Interpretation Tertullians vgl. Klinghardt, Markion vs. Lukas, 494. 71 Für Hays, Response, 232, gibt es keine Veranlassung, das übereinstimmende Urteil der Kirchenväter in Frage zu stellen, demzufolge „Marcion’s Gospel derived from the longer Gospel of Luke“. Gegen die Umkehrung der üblichen Reihenfolge vgl. auch M. Wolter, Das Lukasevangelium, HNT 5, Tübingen 2008, 2 – 3. 72 Klinghardt, Marcionite Gospel, hält Marcions Evangelium, das er als „Proto-Luke“ (10) bzw. protolukanisch (26) bezeichnet, für eine veränderte und erweiterte „re-edition“ (22) des Markusevangeliums. 73 Klinghardt, Marcionite Gospel, 5, kündigt Eindeutigkeit bei der Erfassung und Bezeichnung des Gegenstandes an, indem er den Terminus „the gospel of Marcion“ expliziert als „or, more precisely, the gospel which was used by Marcion and the Marcionites“, verwischt damit aber gerade die Trennschärfe, denn zwischen dem Evangelium, auf das sich Marcion stützt und dem, welches Grundlage der Marcioniten wird, nachdem es durch die Hände Marcions gegangen ist,

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tionell bearbeitet?74 Wer waren die ursprünglichen Trägerkreise?75 Was ist anschließend aus diesem Ursprungstext geworden? Ist er vollkommen in der marcionischen und der großkirchlichen Version auf- und damit als Separatum untergegangen?

Für die Beantwortung der Frage, was Marcion bewogen hat, sich auf das Lukasevangelium zu beziehen resp. auf eine Textgrundlage, die auch für das Lukasevangelium von konstitutiver Bedeutung ist, ist die Beurteilung der Entstehungsgeschichte der Texte von nachrangiger Bedeutung. In methodischer Hinsicht ist zugleich das Verfahren, das theologische Profil Marcions vornehmlich über die Deutung seiner Auslassungen zu erfassen, als insuffizient zurückzuweisen. Entscheidend ist die Klärung, ob neben der Differenz zwischen dem von Marcion verantworteten Text76 und dem des kanonisch gewordenen Lukasevangeliums Ansätze einer theologischen Übereinstimmung zu erkennen sind, die Marcions Interesse am Lukasevangelium erklärlich machen bzw. die – bei Annahme einer Umkehrung der chronologischen Reihenfolge – strukturelle oder inhaltliche Analogien zwischen beiden Werken erkennen lassen. Neben der Erhebung der Unterschiede zwischen dem marcionischen Kurz- und dem lukanischen Langtext ist nach einer theo-logischen Verbindung, die sich unter den Prämissen Marcions ergibt, zu fragen. Daraus könnte sich ein Ansatzpunkt ergeben, die Option Marcions für diese Evangelienschrift nachzuvollziehen bzw. ein Verständnis des Grundtextes, den Marcion mit dem Lukasevangelium teilt, zu entwickeln. bleibt zu unterscheiden. Vgl. im gleichen Sinn ebd. 10: „the historical Marcion did not create ,his‘ gospel but simply shared an older, already existing gospel. It is … well attested to be utilized later by Marcion and the Marcionites.“ Heißt dies in der Konsequenz, dass zukünftig anstelle des Verhältnisses zu Lukas/Apostelgeschichte die Relation Marcions und der Marcioniten zu Markus in das Zentrum der Forschung zu rücken habe? 74 Diesen Überlegungen geht bereits Volckmar, Evangelium Marcions, 1 – 24, in seiner Darstellung der älteren Forschung nach, vgl. bes. 2 – 3. 75 Klinghardt, Markion vs. Lukas, 485 Anm. 2, beklagt, dass in der Einleitungs- und Kommentarliteratur mit Ausnahme von N. Geldenhuys, Commentary on the Gospel of Luke, NICNT, Grand Rapids 1951, 27 – 28, niemand den Gedanken der Markionpriorität behandelt. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass immerhin W. Schmithals hinter Lk und Apg ein geistiges Klima ausmacht, welches die beiden Schriften zu Exponenten der Auseinandersetzung mit einer hyperpaulinischen Richtung im frühen Christentum macht, die er mit dem Terminus „Prämarcionitismus“ belegt und die bald nach dem Jahr 100 unter dem Einfluss Marcions an Bedeutung gewonnen habe. Auf die Abgrenzung von einer derart verfassten christlichen Gruppierung und ihren theologischen Überzeugungen habe sich die Redaktion des lukanischen Doppelwerks bezogen. Vgl. W. Schmithals, Das Evangelium nach Lukas, ZBK NT 3.1, Zürich 1980, 14 – 15 und W. Schmithals, Die Apostelgeschichte des Lukas, ZBK 3.2, Zürich 1982, 12 – 13. Auch Klinghardt und ebenso Tyson stehen mit ihrer Theorie in der Pflicht, einen Trägerkreis für die von ihnen postulierte Evangelienschrift, auf die sich Marcion – sei es vollständig, sei es partiell – in Zustimmung bezogen habe, anzugeben. Zur Kritik vgl. auch Foster, Marcion, 276. 76 Zur Rekonstruktion vgl. Roth, Marcion’s Gospel, 291 – 294 und seine kritische Auseinandersetzung mit dem von Harnack, Marcion, 183*–240*, vorgelegten Text. Zu den Inhalten des Evangeliums Marcions vgl. auch Tyson, Marcion and Luke – Acts, 43 – 49.

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Die Art von Gott zu reden, wie sie im Lukasevangelium zu beobachten ist, kam dem Ansatz Marcions entgegen.77 Die hellenistische Durchformung der Gottesvorstellung im Lukasevangelium findet ihren Niederschlag in einem subordinatianischen Verhältnis zwischen Jesus und Gott. Gott begegnet im Lukasevangelium durchgängig als die Letztinstanz über den irdischen Verhältnissen, denen auch Jesus letztlich unterworfen ist. Von der Vorgeschichte der Geburt Jesu bis zu dessen letzten Worten am Kreuz in Lk 23,46 bleibt er „über“ dem Geschehen. Als Medium seiner Selbstvergegenwärtigung sendet er den Geist. Das Pneuma qualifiziert Jesus schon vorgeburtlich (1,35) als ûciom und geht anschließend als eine Qualität in Jesus ein. Es befähigt Jesus, den ausgezeichneten Geistträger, zu seinen außergewöhnlichen Taten.78 Auch bildet es die Grundlage für seine intellektuelle und rhetorische Überlegenheit gegenüber den Personen, die wiederholt versuchen, ihn eines angeblichen Fehlverhaltens zu überführen.79 Als Geistträger steht Jesus in einer exklusiven Zweierbeziehung mit seinem himmlischen Vater, die in seiner intensiven Gebetsfrömmigkeit sinnenfällig wird.80 Im Moment seines Todes reicht er den ihm von Gott verliehenen Geist konsequent an Gott zurück (Lk 23,46).81 Dieser Darstellung korrespondiert ein charakteristischer Zug in der Lukaspassion. Der Erzähler hat Mühe, den Zugriff feindlich gesonnener Menschen und Kräfte auf Jesus und dessen Verhaftung und Verurteilung erzählerisch plausibel zu machen. Zu souverän agiert Jesus, der Geistträger, seine gesamte Lebensgeschichte hindurch, als dass aus dem Ablauf der 77 Moll, Marcion, 284, beschreibt m. E. richtig, dass Marcion im lukanischen Gottesbild das Gegenstück zu dem von ihm abgelehnten alttestamentlichen Gottesbild erblickt hat: „In the ,original Gospel (that is, the Gospel of Luke changed according to Marcions’s doctrine) the heresiarch finds the counterpart to the evil Creator, the perfectly good God, the Father of Jesus Christ, who is completely unrelated to the world and its people, but who still sent his Son to save mankind from the reign of the evil God.“ 78 Vgl. P.-G. Klumbies, Himmelfahrt und Apotheose Jesu in Lk 24,50 – 53, in: Ders., Von der Hinrichtung zur Himmelfahrt. Der Schluss der Jesuserzählung nach Markus und Lukas, BThSt 114, Neukirchen-Vluyn 2010, 172 – 196, 183 – 184; W. Radl, Das Lukasevangelium, EdF 261, Darmstadt 1988, 59 – 63. 79 Vgl. P.-G. Klumbies, Die Sabbatheilungen Jesu nach Markus und Lukas, in: D.-A. Koch, G. Sellin, A. Lindemann (Hg.), Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum. Beiträge zur Verkündigung Jesu und zum Kerygma der Kirche, FS Willi Marxsen, Gütersloh 1989, 165 – 178, 173 – 175. 80 Dieser Zug in der Gestaltung der Jesusfigur hat Lukas zum „Evangelisten des Gebets“ werden lassen. Vgl. W. Schmithals, Einleitung in die drei ersten Evangelien, Berlin/New York 1985, 357.360. 81 Vgl. P.-G. Klumbies, Das Sterben Jesu als Schauspiel, in: Ders., Von der Hinrichtung zur Himmelfahrt. Der Schluss der Jesuserzählung nach Markus und Lukas, BThSt 114, NeukirchenVluyn 2010, 144 – 171, 161 – 162. Da der vollständige und exakte Wortlaut des marcionischen Textes unbekannt ist, kann ein fehlender Einzelbeleg nicht prinzipiell als Indiz für einen Widerspruch Marcions gewertet werden. Harnack, Marcion, 52, notiert bereits die „Schwierigkeit …, daß Tert, (sic!) fast niemals angibt, ob er die betreffenden Perikopen nicht vorgefunden oder ob er sie in seiner Kritik übergangen hat“. Zu Harnacks Unsicherheit im Blick auf Lk 23,46 – 49 vgl. Marcion, 58.

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Ereignisse heraus verständlich würde, warum am Ende er, der Kyrios, dennoch in die Hände seiner Feinde fällt. Gott wirkt hier in der lukanischen Dramaturgie mittelbar auf dem Weg seines „Plans“ – Jesu Schicksal vollendet sich im Dienst einer höheren Notwendigkeit.82 Tendenziell erscheint Gott im Lukasevangelium als weltentzogene Macht, deren Wirken sich in einem de? äußert, das in der Vorsehung Gottes gründet. Gott begegnet bei Lukas vornehmlich als transzendente geistige Größe, eine Macht, die in Beziehung zu bei gleichzeitiger Unterscheidung von dem Menschen Jesus gesehen wird. Auch wenn der Erzähler die Profilierung der Jesusfigur unter häufigem Rekurs auf die heiligen Schriften Israels vornimmt,83 bleibt die Gottesvorstellung des Lukasevangeliums von alttestamentlich-israelitisch-jüdischen Implikationen in ihrer Substanz wenig berührt.84 Der Bezug auf die alttestamentlichen Schriften dient zwar dazu, die Kontinuität zum Wirken Gottes in der Geschichte Israels aufzuzeigen. Gleichwohl bleibt die Gottesvorstellung des Lukas schwebend. Hellenistischen Denkgepflogenheiten entsprechend präsentiert die lukanische Jesuserzählung einen Gott, der in der Jenseitigkeit zu dem innerweltlichen Geschehen steht.85 Charakteristisch ist „der Blick nach oben“, der spontane Lobpreis Gottes, als erste Reaktion des römischen Centurio nach dem Versterben Jesu (Lk 23,47).86 Der Gedanke eines dem welthaft Materiellen entzogenen Gottes, der im Hellenismus wie hellenistischjüdisch vermittelt konstitutiv ist, ist auch für das lukanische Gottesverständnis charakteristisch.87 Ihm eignet ein Reinheitsaspekt, für den die Unterscheidung zwischen Gott und dem Menschen Jesus ebenso grundlegend ist wie die Trennung zwischen Geist und „Fleisch“ bzw. Materie. 82 Vgl. S. Schulz, Die Stunde der Botschaft. Einführung in die Theologie der vier Evangelisten, Hamburg und Zürich 21970, 276 – 280. 83 Zur Analyse der Einzelstellen vgl. M. Rese, Alttestamentliche Motive in der Christologie des Lukas, StNT 1, Gütersloh 1969. 84 Marcion löst sich mit seiner Darstellung der Jesusgestalt dezidiert von der lukanischen Perspektive auf Jesus. Er setzt Jesus in Distanz zu den Schriften Israels und den Propheten, für ihn ist Jesus nicht der Erfüller messianischer Erwartungen. Marcion bietet einen Jesus „with no Jewish connections“. Zu Marcions Darstellung des in Lk 24 präsentierten Stoffes vgl. Tyson, Marcion and Luke – Acts, 46 – 49, Zitat 49. 85 Nach Schulz, Botschaft, 279, ist die „lukanische Heilsgeschichte … nicht mehr im Kern alttestamentlich-spätjüdisch-judenchristlich verstandene Erwählungs-, sondern hellenistischrömisch interpretierte Vorsehungsgeschichte“. 86 Lk 23,46.47 sind als Rahmen und Hintergrund der marcionischen Auffassung nicht von vornherein auszublenden, da die Tatsache, dass sie für Marcion nicht ausdrücklich belegt sind, mehrdeutig ist und nicht heißen muss, dass Marcions Text sie a) nicht geboten, b) Marcion sie nicht gekannt oder c) inhaltlich abgelehnt hätte. Zur Stelle vgl. P.-G. Klumbies, Weg vom Grab! Die Richtung der synoptischen Grabeserzählungen und das „heilige Grab“, in: Ders., Von der Hinrichtung zur Himmelfahrt. Der Schluss der Jesuserzählung nach Markus und Lukas, BThSt 114, Neukirchen-Vluyn 2010, 71 – 105, 94 – 95. 87 In der Anthropologie findet diese Nähe zum Hellenismus ihren Niederschlag in der Bedeutung, die im Lukasevangelium „das Gute“ als eine anthropologisch-ethische Kategorie erhält. Vgl. U. Schnelle, Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 2007, 465.

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Paul-Gerhard Klumbies

Die Vorstellung des „gütigen Gottes“ gewinnt in der lukanischen Jesuserzählung ihre konkrete Ausformung im Wirken Jesu, der als Messias, „Sohn, Herr, Retter, Lehrer und Arzt“88 zur Rettung Israels und der Heiden handelt und auf diese Weise Gottes liebende Absicht im Blick auf die Menschen zur Geltung bringt. Offenkundig erschien dieses mit der Darstellung der Jesusfigur verknüpfte lukanische Gottesbild Marcion nach Abzug der in Kontinuität zum Alten Testament stehenden Anteile als kompatibel mit der abstrahierend-vergeistigten und soteriologisch-ethisch gefüllten Gottesvorstellung, die er selbst als die seiner Auffassung nach christliche präsentierte. Der weltenthobene Gott des Lukasevangeliums, der über seinen „Heilsplan“, seinen „Ratschluß“, seinen Willen, sein „Voraussehen“ und Wissen Einfluss auf die Geschichte Jesu nimmt,89 aber selbst hinter seinem wahrnehmbaren Wirken zurücktritt, war von Marcion durch die Zuschreibungen, die seinen eigenen Gottesbegriff ausmachen, leicht auf die lukanischen Intentionen zu projizieren. Umgekehrt konnte er bei seiner selektiven Wahrnehmung das lukanische Gottesbild in Teilen als deckungsgleich mit seinen eigenen Auffassungen empfinden. Neben den die Transzendenz Gottes wahrenden Zügen findet sich im Lukasevangelium auch ein Strang im Gottesverständnis, der von Marcion als eine Brücke zu seinem unter dem Vatergedanken vorgestellten fremden Gott der Liebe interpretiert werden konnte. Neben dem Grundzug seiner Weltdistanz charakterisiert das Lukasevangelium Gott zugleich unter dem Aspekt seiner Zuwendung zu bedürftigen Menschen. Der Vater Jesu Christi ist im Lukasevangelium in seinem Abstand zur Welt zugleich „der Barmherzige und Gnädige“,90 der sich Armen, Schwachen, Menschen minderen Rechts oder solchen, die ihre Ansprüche verwirkt haben, liebevoll zuwendet.91 Dies vermittelt der lukanische Jesus nicht zuletzt durch seine zahlreichen Parabeln und Beispielerzählungen. Möglicherweise lag für Marcion in diesem Zug das Bindeglied zwischen den lukanischen und den paulinischen Gottesaussagen, so dass er diese Übereinstimmung als doppelte Bezeugung für das von ihm propagierte Gottesbild in Anspruch nehmen konnte. In der Summe scheint es, als bleibe der Einfluss des lukanischen Denkens auf die Ausgestaltung der Zweigöttervorstellung Marcions weniger bestimmend als der der paulinischen Theologie.92 Flankierend jedoch stützt die

88 Vgl. F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas (Lk 1,1 – 9,50), EKK III/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1989, 25. 89 Diese Wirkweisen gehören zu den Wesensäußerungen Gottes im Lukasevangelium, vgl. Schulz, Botschaft, 276. Vgl. auch Schnelle, Theologie, 438. 90 Schnelle, Theologie, 444. 91 Vgl. J. Ernst, Lukas. Ein theologisches Portrait, Düsseldorf 1985, 114 – 115; C.M. Tuckett, Luke, Sheffield 1996, 95 – 96. 92 Vgl. Vinzent, Schluß des Lukasevangeliums, 82: „Hermeneutische Grundlage für die Frohbotschaft lieferten hingegen die Ausführungen in den Briefen des Paulus, und erst auf deren

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Marcion als Paulus- und Lukasinterpret

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hellenistischen Prämissen affine Gottesvorstellung des Lukasevangeliums den theologischen Zugriff Marcions.

4. Marcion als Paulus- und Lukasinterpret Marcion appliziert keine Zweigötterlehre aus fremdreligiösem Kontext auf Paulus. Selbst wenn man eine gewisse Nähe zu gnostischen Anschauungen konzediert, sind seine Gedanken über die beiden Götter nicht als Ableitung aus der Gnosis zu verstehen. Auch die Zurückführung auf eine Trotzreaktion gegenüber dem Gott des Alten Testaments erklärt nicht die inhaltliche Ausgestaltung des marcionischen Gottesbildes. Marcion durchschaut in zunächst grundsätzlich sachgemäßer Weise die Bedeutung der Christologie für das paulinische Gottesverständnis und zudem auch die soteriologische Ausrichtung des christologischen Ansatzes bei Paulus.93 Er ignoriert freilich, dass die paulinischen Abgrenzungen der Auseinandersetzung des Juden Paulus mit den Essentials jüdischer theologischer Anschauungen entspringen und löst damit seine eigene Zweigötterlehre in inadäquater Weise von den Grundlagen des paulinischen Redens von Gott. Er erhebt Grenzziehungen, die bei Paulus die Konsequenz aus seinem inneren und äußeren Dialog mit den jüdischen theologischen Grundlagen des Redens von Gott darstellen, zu einer eigenständigen Position.94 Damit trennt er das Christentum an zentraler Stelle, beim Gottesverständnis, von seiner Bindung an dessen jüdische Voraussetzungen. Das Festhalten des Paulus an der Einheit Gottes auch unter christologischer Perspektive geht dabei verloren. Auf den Punkt gebracht stellt Marcions Paulusinterpretation den Versuch einer christlichen Identitätsgewinnung auf dem Weg der Abgrenzung dar. Im Blick auf Lukas bestehen für Marcion strukturelle Analogien zu den seiner Paulusauslegung entnommenen Grundsätzen. Das lukanische Gottesverständnis erweist sich darüber hinaus als offen für die inhaltliche Füllung mit den theologischen Überzeugungen Marcions. Insofern eröffnete das Lukasevangelium mit seinem Gottesbild Marcion aufgrund partieller Berührungen und Anknüpfungsmöglichkeiten einen Rahmen, innerhalb dessen er seine Auffassungen wiedererkennen bzw. in den er sie hineinlesen zu können meinte. Grundlage las Marcion die Sprüche des Evangelienteils …“ Daher ist der Evangelienteil nach Marcion „von einem von judaistischen Tendenzen bereinigten Paulus her zu lesen“. 93 Vgl. P.-G. Klumbies, Die Brisanz der Christologie für das Verständnis der paulinischen Rede von Gott, in: U.H.J. Kçrtner (Hg.)., Gott und Götter. Die Gottesfrage in Theologie und Religionswissenschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 71 – 83, 71 – 72.82. Zur Bedeutung des soteriologischen Anliegens Marcions vgl. Vinzent, Schluß des Lukasevangeliums, 80. 94 Vgl. P.-G. Klumbies, Epilog. Paulus und das interreligiöse Gespräch, in: Ders., Studien zur paulinischen Theologie, Schriftenreihe der Evangelischen Fachhochschule Freiburg Band 8, Münster 1999, 101 – 104, 103.

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Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift „The ever-present challenge of the Jewish Scriptures was felt by all, but the effects were as diverse as the texts that survive.“1

Für Christinnen und Christen des 2. Jh. stellten sich in Bezug auf „die Schrift“ eine Reihe von Fragen: Zur Diskussion stand die Frage nach Alter und Tradition des Christusglaubens, nach der Unfehlbarkeit des göttlichen Wortes, nach der Gültigkeit des göttlichen Gesetzes, nach dem Verhältnis von Sinai- und Christusoffenbarung, das Problem, ob Jesu Worte und Lehre mit den Schriften des Mose und der Propheten übereinstimmen oder ob sie die Schriften auslegen, ergänzen, modifizieren, überbieten, außer Kraft setzen. Damit war auch die in der Antike viel diskutierte Frage nach dem Verhältnis von Schriftlichkeit und mündlicher Rede gestellt, also des Verhältnisses von Buchstabe und Geist, von Geschriebenem und viva vox.2 Justin und Ptolemäus gehören zu den ersten frühchristlichen Autoren, die sich diesen Fragen in systematischer Weise gestellt haben.3 Justin erlitt 165 n. Chr. in Rom den Märtyrertod. Für die Datierung des Ptolemäus werden zwei Vorschläge diskutiert. Die einen identifizieren Ptolemäus mit dem in der Zweiten Apologie des Justin erwähnten Lehrer Ptolemäus, der infolge eines gegen seine Schülerin angestrengten Ehebruchprozesses von deren eifersüchtigen Ehemann als Christ angezeigt wurde und den Märtyrertod vor dem Stadthalter Urbikus (144 – 160 n. Chr.) erlitt.4 In diesem Fall wäre Ptolemäus etwas älter als Justin. Ein Brief an eine Schülerin, der u. a. die Gesetzesbestimmungen zur Ehescheidung thematisiert, wäre für diesen Märtyrer durchaus passend.5 Die Vermutung muss freilich spekulativ 1 Judith Lieu, Identity, 97. 2 Vgl. 2 Kor 3,6; Röm 2,29; 7,6 und für das 2. Jh. z. B. Papias Fragm 5 (3) Eus. H.e. III.39.3: „Wenn aber irgendwo jemand, der den Ältesten nachgefolgt war, kam, erkundigte ich mich nach den Berichten der Ältesten: Was hat Andreas oder was hat Petrus gesagt, oder was Philippus oder was Thomas oder Jakobus oder was Johannes oder was Matthäus oder irgend ein anderer der Jünger des Herrn, was ja auch Aristion und der Presbyter Johannes, des Herrn Jünger, sagen. Denn ich war der Ansicht, dass die aus Büchern (stammenden Berichte) mir nicht so viel nützen würden wie die (Berichte) von der lebendigen und bleibenden Stimme“ (oq c±q t± 1j t_m bibk_ym tosoOt|m le ¡veke?m rpek\lbamom, fsom t± paq± f~sgr vym/r ja· lemo}sgr). 3 Hans von Campenhausen, Entstehung, 118 f. Vgl. auch Robert Grant, Short History, 44 – 47. 4 Justin 2 apol. 2,9 – 12. So bereits Adolf von Harnack, Analecta, 1; Gerd Lìdemann, Geschichte, 97 – 114. Zustimmend z. B. Ulrich Neymeyer, Die christlichen Lehrer, 211 f; Uwe Kìhneweg, Das neue Gesetz, 90. 5 Peter Lampe, Die stadtrömischen Christen, 255 f; 326 f. Ismo Dunderberg, Beyond Gnosticism, 90 – 95. Kritisch Christoph Markschies, New Research, 246 – 254.

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Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift

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bleiben.6 Die andere Position zieht die Angaben des Irenäus (ca. 135 – 202) heran, der in seinem Vorwort zu adversus heresis (2) „die Schüler_innen des Ptolemäus“ (oR peq· Ptokela?om) in seine Gegenwart datiert und sie als Zweig der Schule Valentins identifiziert.7 An einer allerdings nur lateinisch überlieferten Stelle wird außerdem eine Auslegung des Johannesprologs direkt auf Ptolemäus zurückgeführt.8 Hier ist Ptolemäus dann ein etwas jüngerer Zeitgenosse Justins. Allerdings wird die von Irenäus adv. haer. I.1 – 9 und 12.1 für die Schüler_innen des Ptolemäus behauptete Lehre im Brief nicht angedeutet. Vielmehr widerspricht ihr der Brief in einigen Hauptstücken.9 Daher wird im Folgenden der Brief ohne Rekurs auf die von Irenäus als ptolemäisch behauptete Weltentstehungslehre interpretiert.10 Die beiden römischen Theologen aus der Mitte des 2. Jh. verbindet über die historische und soziale Zeitgenossenschaft hinaus die theologische und philosophische Ausbildung. Beide partizipieren an den Traditionen der Schriftinterpretation des hellenistischen Judentums, insbesondere ihrer Hochschätzung der Septuaginta, des biblischen mºlor und den Methoden und Traditionen der typologischen und allegorischen Schriftauslegung. Beide stellen sich in die Tradition des Mittelplatonismus. Justin stilisiert sich im Dialog mit dem Juden Trypho (dial.) selbst im Philosophenmantel (dial. 1,2), berichtet von seinen Schulerfahrungen in der platonischen Philosophie und einem platonischen Christusmissionar (dial. 2,6 – 7,2) und führt einen protreptischen Dialog unter Philosophen vor Schülern an entsprechendem Ort (dial. 9,2).11 Seine Apologien und der Dialog mit Trypho enthalten eine 6 Markschies, New Research, 248 Anm. 96. zählt 14 Vertreter dieses Namens. Häufig (z. B. Markschies, ebd.) wird auch darauf verwiesen, dass Justin in dial. 36,5 f die Valentianer zu den „Häretikern“ zählt. Justin könne daher nicht positiv von einem Schüler Valentins sprechen. Allerdings fragt sich, welche Tiefe die inhaltliche Auseinandersetzung hier, wie auch 1 apol. 26; 54; 58; dial. 80 wirklich erreicht. Siehe unten Anm. 434. 7 Vgl. auch Iren.haer. I.12.1. Zum Schüler Valentins wird Ptolemäus auch in Tert. Val. 4.2 erklärt. 8 Iren.haer. I.8.5: et Ptolemaeus quidem ita. Der griechische Text ist rekonstruiert. Zum ganzen ausführlich, Lìdemann, Geschichte, 97 – 100; vgl. Markschies, New Research, 249 – 251. 9 Vgl. Einar Thomassen, The Spiritual Seed, 119 – 129. Almut Rìtten, Brief, 66 f und Markschies, New Research, 252 f. 10 Anders: Werner Foerster, Valentin, 81 – 85; Ders., Grundzüge, 16 – 32; G. Quispel, Ptol¦m¦e, 26 – 41; Kìneweg, Gesetz, 92 – 94. 11 Vgl. auch die etwas andere Darstellung in 2 apol. 12 f. Hier zeigt sich Justin als Platoniker, der sich rückblickend von der Martyriumsbereitschaft der Christen beeindruckt zeigt (12,1 f). Vor allem stellt er eine grundlegende Übereinstimmung zwischen der platonischen Philosophie und der christlichen Wahrheit heraus, was auf das Wirken Christi als logos spermatikos in der platonischen Philosophie zurückgeführt wird. Vgl. 2 apol. 13,2 – 4: „Als Christ erfunden zu werden, darum bete ich und kämpfe fortwährend, nicht weil die Lehren des Platon andere wären als die des Christus, sondern weil sie nicht in allem gleich sind, wie auch die der anderen, Stoiker, Poeten und Geschichtsschreiber. (13,3) Denn jeder von diesen, soweit er Anteil hat an dem in Keimen ausgestreuten göttlichen Logos auch für das diesem Verwandte ein Auge hat, hat treffliche Aussprüche getan. Da sie sich aber in wesentlicheren Punkten widersprechen, zeigen sie damit, dass sie es nicht zu einem weitblickenden Wissen und zu einer unfehlbaren Er-

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Fülle der zeitgenössisch üblichen Platozitate.12 Ptolemäus’ Brief an Flora verwendet die im Mittelplatonismus beliebte Briefgattung13 und diskutiert die in der platonischen Philosophie virulenten Fragen nach Gotteserkenntnis und nach dem die gerechte Gemeinschaftsordnung erzeugenden Gesetz und dem Wesen und Charakter des besten Gesetzgebers.14 Seinen Brief rahmt Ptolemäus mit einem viel zitierten Timaioszitat, das im Übrigen auch Justin anführt.15 Der Vergleich dieser beiden römischen Theologen aus der Mitte des 2. Jh. und ihrer Schrifttheologie ist nicht neu.16 Bisher wurde er allerdings zumeist zur theologischen Verteidigung der Schrifttheologie des „orthodoxgroßkirchlichen“ Autors Justin gegenüber dem „häretisch-gnostischen“ Ptolemäus unternommen. Der problematische Antijudaismus Justins wurde dabei verschleiert oder durch eine vermeintlich „noch größeren Notwendigkeit der Ketzerbekämpfung“ entschuldigt.17 Was man bei Ptolemäus an

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kenntnis gebracht haben. (13,4) Was sie aber richtig gesagt haben, stammt von uns, den Christen…“ Vgl. die Aufstellung bei Lampe, Die stadtrömischen Christen, 354 – 358. Andresen, Justin, 157 – 195. Z.B. Plato, ep. 1 – 13; Porphyrius an Marcella. Vgl. Plato, Kriton 50a–54d; Politikos 293e–309c; Nomoi. Dabei enthält die platonische Gesetzeslehre eine merkwürdige Ambivalenz, insofern der Einzelne das Gesetz bedingungslos anerkennen und sich ihm unterwerfen soll (Beispiel des Sokrates im Kriton), andererseits aber der vollkommene Staatsmann dem Gesetz überlegen ist (Politikos 300c; Nomoi IX 875c). Durch sein Gesetz prägt er aber wahre Vorstellungen vom Gerechten, Schönen und Guten und dessen Gegenteil und somit das Göttliche in die Seelen ein (Politikos 309c), so dass das richtig abgefasste Gesetz das wirksamste Mittel ist, um den Lernenden zu einem besseren Menschen zu machen, ja Plato sieht das „göttliche Gesetz“ bereits etymologisch der Vernunft verwandt (Nomoi 957c). Vgl. auch Günter Frçhlich, Gesetz, 134 – 137. Ptol. ep. 3,2; 7,4 zitiert Plato, Timaios 28c. t¹m l³m owm poigtµm ja· pat]qa toOde toO pamt¹r erqe?m te 5qcom ja· erq|mta eQr p\mtar !d}matom k]ceim (den Urheber und Vater dieses Weltalls aufzufinden ist schwer und, nachdem man ihn auffand, ihn allen zu verkünden, unmöglich). Vgl. Justin, 2 apol. 10,6, wo das Zitat belegen soll, dass bereits Sokrates, das Martyrium erlitt, weil er durch vernünftige Untersuchungen die Menschen zur Erkenntnis eines unbekannten Gottes anleiten wollte. Justin zitiert dabei wie in Ptolemäus an Flora 7,4: T¹m d³ pat]qa ja· dgliouqc¹m p\mtym ouh’ erqe?m Nõdiom, ouh’ erq|mta eQr p\mtar eQpe?m !svak]r in Aufnahme einer im Mittelplatonismus verbreiteten Textversion. Vgl. Andresen, Justin, 167 f und Anm. 39 f. Der Text wird überhaupt häufig im Mittelplatonismus zitiert: Neben dem eben genannten Fragment, noch Flav.Jos.Apion.2.224; Plutarch, Quaestiones Platonicae (mor. 1000E); Alkinoos, Didaskalikos 27; Apuleios, De Platone et eius dogmata 1,5.191; Celsus (Origenes contra Celsum 7,42), Alexander von Aphrodisias, in Aristotelis metaphysica 59,28 – 60 (Hayduck) u. ö. Von Campenhausen, Das Alte Testament, 180 – 196; Ders., Entstehung, 98 – 120; Grant, History, 44 – 48; Theodore Stylianopulos, Justin Martyr, passim; Kìhneweg, Gesetz, 94 f; Winrich Lçhr, Die Auslegung des Gesetzes, 80 – 84. So räumt z. B. von Campenhausen, Entstehung, 116 zwar ein, dass Justins „antijudaistische (…) Schroffheit kaum befriedigen kann“, aber stellt doch wenige Seiten später heraus: „Während die kanonische Bedeutung des Alten Testaments in der Gnosis problematisch wird und zerfließt, hat die Kirche das Alte Testament gegen das Judentum für sich behauptet und gegen

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heterodoxen Inhalten – etwa in der Gotteslehre – vermisste, wurde mit Informationen aus Irenäus adversus haereses I.1 – 9; 12 aufgefüllt, ja man unterstellte dem Briefautor, er verschweige das eigentlich Gemeinte, um eine großkirchliche Leserin hinterrücks mit seiner Irrlehre zu verführen.18 In den neueren Diskussionen im Anschluss an Walter Bauer und die Strukturen der römischen Gemeinden im 2. Jh. sind diese Voraussetzungen fraglich geworden.19 Es kann, um es mit Karen King zu formulieren, nicht darum gehen, die essenziellen Charakteristiken verschiedener in sich homogener Typen von Christentum wahrzunehmen. Vielmehr geht es darum, die Varianz der Diskurse aufzuzeigen und sie einschließlich ihrer intellektuellen Quellen zu analysieren, um aufzuzeigen, wie sich die jeweiligen Autor_innen und Leser_innen in diese Diskurse einschreiben und dabei Machtstrukturen befördern oder konterkarieren.20 Im Folgenden soll dieses Programm verfolgt werden. Dazu werden die Schrifttheologien der beiden Autoren kurz vorgestellt. Anschließend soll in die noch gefährlicheren Angriffe der Ketzer in neuer Weise gerechtfertigt und erhalten.“ (119). Häufig wird der Antijudaismus mit Euphemismen wie „die Sonderstellung Israels“ (Kìhneweg, Gesetz, 162 f) oder „Akkomodationstheorie“ (Lçhr, Auslegung, 82) versteckt. Vgl. aber neuerdings, Jennifer W. Knust, Rosting the Lamb; Tessa Rajak, Talking at Trypho, 511 – 533; Michael Mach, Justin Martyr’s Dialogus cum Tryphone Iudaeo, 27 – 47, u. a. 18 Vgl. Lìdemann, Geschichte, 110 Anm. 76 (= Kìhneweg, Gesetz, 92): Der Brief sei „eine exoterische und protreptische Schrift, die dazu dient, die Empfängerin an die Schwelle der wahren Philosophie (= ptolemäische Interpretation des Christentums) zu führen.“ Hierher gehört auch das verbreitete Bild, Flora werde (aus weiblicher Naivität) gegen ihren Willen von Ptolemäus durch die Verschleierung seiner eigentlichen Absicht zur Gnosis „verführt“. Vgl. z. B. vgl. von Campenhausen, Das Alte Testament, 194; Bentley Layton, Gnostic Scriptures, 306; Neymeyer, Lehrer, 210 f; Grant, Heresy, 49 – 58 möchte wegen der Anspielung in Ptol. ep. 7.10 („Dies dir zu sagen, meine Schwester Flora, hat mir keine Mühe bereitet, […] was dir in der Folge nützlich sein wird, wenn du wie eine schöne und gute Erde, die fruchtbaren Samen empfängt, die durch ihn (den Samen) erzeugte Frucht kund tust“) Flora als Deckname für die „orthodoxen“ Gemeinde in Rom sehen, die Ptolemäus unterwandern wolle. Sehr berechtigte Kritik an den in der Forschung virulenten Rekonstruktionen der römischen Christin Flora bei Dunderberg, Beyond Gnosticism, 90 – 92. 19 Walter Bauer, Rechtgläubigkeit; Lampe, Die stadtrömischen Christen; Thomassen, Orthodoxy, 241 – 256. 20 Karen King, Which Early Christianity, 72: „Social groups are constantly engaged in the processes of meaning-making and social formation, using the manifold valued resources at hand to think with. To understand these processes, it is critical to shift the perspective away from understanding ‘religions as ready-made systems of meaning awaiting interpretation’, as Ortner puts it, to the view that ‘people are spinning what Geerts called „webs of meaning“ all the time, with whatever cultural resources happen to be at hand’. The fundamental assumption we need to work with is that, people are always trying to make sense of their lives, always weaving fabrics of meaning, however fragile and fragmentary (vgl. S.B. Ortner, Introduction, Representations 59 (1997), 1 – 13,9). Viewed this way, the focus is not upon identifying the essential characteristics of various homogeneous types of Christianity, but upon analyzing the variety of discourses, material and intellectual resources, processes, and practices by which people make sense of their lives in context of ancient pluralism, the governing regimes and institutions and further and constrain such practices, and the power relations that are at stake.“

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einem knappten Vergleich der Diskursraum beschrieben werden, der sich durch Überschneidungen, Gemeinsamkeiten und Spannungen dieser beiden römischen Theologien des 2. Jh. ergibt.

Die Schrifttheologie des Justin Die vermutlich älteste erhaltene Schrift Justins ist die 150 – 155 verfasste Erste Apologie. Das literarische Setting ist eine Bittschrift (5mteunir) an den frommen und die Bildung (paide¸a) liebenden Kaiser Antoninus Pius „für die Menschen aus allen Völkern, die ungerechterweise gehasst und misshandelt werden.“21 Justin stilisiert sich selbst und die Christen als Barbaren, die aber durch Christus zu Bildung und gemeinschafts- und kulturstiftender Moral und Sitte bekehrt worden sind.22 Daher ist es der Frömmigkeit und Bildung des Kaisers völlig unangemessen, wenn er die Christen ohne Ansehen ihrer Taten verurteilt.23 Vielmehr seien Christen die größten „Helfer und Mitkämpfer zum Frieden“24, da sie von Gottes Sohn entsprechend belehrt wurden. Eine Zusammenstellung von Jesusworten soll dies belegen.25 Die den Christen vorgeworfene Gottlosigkeit (!he|tgr) stamme von den 21 1 apol. 1,1. 22 1 apol. 4,5; 7,3; 46,3; 60,11. Das Erscheinen Christi kultiviert die Barbaren: „Die wir einander hassten und einander mordeten und mit denen, die nicht von gleicher Familie stammten, auf Grund der Sitten, keine Tischgemeinschaft hatten (2st_ar joim±r lµ poio}lemoi), sind jetzt nach dem Erscheinen Christi Tischgenossen (blod_aitoi ) geworden.“ 23 1 Apol. 4,3 – 5: „(4,3) Denn aus dem Namen kann zwar vernünftigerweise weder Lob noch Strafe erwachsen, wenn es nicht möglich etwas Tugendhaftes oder Schlechtes durch Werke zu beweisen … (4,4) Gegen uns aber nehmt ihr den Namen wie einen Beweis, obgleich ihr eigentlich diejenigen, die auf Grund des Namens anklagen, mehr bestrafen müsstet. (5) Denn Christen zu sein (Wqistiamo· eWmai) werden wir angeklagt, aber das Nützliche (t¹ wqgstºm) zu hassen ist nicht gerecht“. Die Schrift konstruiert einen Kaiser, der in Übereinstimmung mit zeitgenössischer Propaganda Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Bildung verkörpert. Im Hintergrund steht aber auch die kaum verhüllte Kritik, dass der Kaiser nicht wirklich das ist, was er vorgibt zu sein (vgl. Nasrallah, Christian Responses, 119 – 164). Herausfordernd stellt Justin den Kaiser vor ein höheres göttliches Gericht, sollte er in Ungerechtigkeit verharren (1 apol. 68,2. Vgl. 17,4). Bei aller Anpassungsstrategie kann die Schrift auch als Kritik der ,Kolonialisierten‘ an ihren Kolonisten gelesen werden, wenn sie einen doppelten Gerichtshof haben/anführen: das kaiserliche Gericht, vor dem sich die Christen zu verteidigen haben, und das endzeitliche Gericht Gottes, vor dem auch der Kaiser selbst zur Verantwortung gezogen werden wird (1 apol. 3,4). 24 1 apol. 12,1. 25 1 apol. 14 – 17: „Über die Besonnenheit“ (15,1); „über die allgemeine Menschenliebe“ (15,9), „über die Duldsamkeit, Gehorsam und Zornlosigkeit“ (16,1), „über das Nicht-Schwören und immer die Wahrheit zu sagen“ (16,5) und „über die Pflicht Steuern zu zahlen“ (17,1) soll das belegen. Es sind die Worte eines wahren Philosophen, „kurz und knapp“, denn „er war kein Sophist“ (14,5). Es handelt sich um eine Sammlung von Jesuslogien, die vermutlich aus einer Evangelienharmonie stammt. Vgl. Arthur Bellinzoni, The Sayings of Jesus; Helmut Koester, Ancient Christian Gospels; Craig D. Allert, Revelation, Truth, 188 – 220.

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schlechten Dämonen (1 apol. 5,1 f).26 Diese hätten unmoralische Mythologien und absurde Gottesvorstellungen erfunden. Wer diese wie Sokrates kritisiere, habe schon immer das Martyrium erlitten (1 apol. 5,3). Die Christen sagten somit nichts anderes als die Besten der Philosophen.27 Zugleich sind die Christen in ihrer Wahrheitserkenntnis den Philosophen überlegen. Denn ihre Lehre ist älter, ursprünglicher und wahrer als alle anderen. Der Grund für diese besondere Dignität der christlichen Lehre liegt in der Schrift, also der jüdischen Bibel. Sie enthalte nämlich die Worte der einstmals unter den Juden wirkenden Propheten „durch welche der prophetische Geist, das, was geschehen sollte, im voraus verkündigte, bevor es eintraf.“ Die damals unter den Juden wirkenden Könige hätten die Bücher mit den in hebräischer Sprache aufgezeichneten Prophezeiungen erworben und aufbewahrt.28 Später seien sie von Ptolemäus nach Ägypten gebracht und dort, weil man sie nicht verstand, mit Hilfe einer Gesandtschaft vom jüdischen König Herodes übersetzt worden (1 apol. 31,3 f).29 31,5 „Und als dies geschehen war, blieben die Bücher auch bei den Ägyptern bis heute, und überall bei allen Juden/Judäern, die zwar das Gesagte lesen aber nicht verstehen, vielmehr uns für Feinde und Gegner halten, (ebenso) wie ihr [die Kaiser], uns töten und misshandeln, wo sie können; davon könnt ihr euch auch überzeugen. (31,6) Denn auch in dem gegenwärtigen jüdischen Krieg befahl Bar Kochbar, der Urheber des Aufstands der Judäer, Christen allein zu den furchtbarsten Strafen abzuführen, wenn sie Jesus, den Christus, nicht verleugneten und lästerten. (31,7) In den Büchern der Propheten finden wir das Eingetroffene vorausverkündigt, dass Jesus, unser Christus von einer Jungfrau geboren wurde, zum Mann aufgezogen, und jede Krankheit und Schwäche heilte und Tote auferweckte und gehasst und verkannt und gekreuzigt wurde und starb und auferweckt wurde und in den Himmel 26 Platos Dämonologie gehört zu den beliebten Themen mittelplatonischer Philosophen. Auch Plutarch kann obskure Opferbräuche und unmoralische Taten der Götter auf das Wirken der schlechten Dämonen (vaOkoi da_lomer) zurückführen (Plutarch, De defectu oraculorum 417c; De Iside et Osiride. 25 – 26 (360E–361C). Vgl. auch Apuleius, De Deo Socratis, 132 – 154. Weitere Belege bei Johannes Geffcken, Apologeten, 216 – 223. Arthur J. Droge, Homer, 54 – 57. 27 1 apol. 5,3; 20,3; 46,3; 2 apol. 13, 2 – 4. 28 1 apol. 31,1: „-mhqypoi owm timer 1m Youda_oir cec]mgmtai heoO pqov/tai, di’ ¨m t¹ pqovgtij¹m pmeOla pqoej^qune t± ce m^seshai l]kkomta pq·m C cem]shai· ja· to}tym oR 1m Youda_oir jat± jaiqo»r cem|lemoi basike?r t±r pqovgte_ar, ¢r 1k]whgsam fte pqoevgte}omto, t0 Qd_ô aqt_m :bqa@di vym0 1m bibk_oir rp’ aqt_m t_m pqovgt_m sumtetacl]mar jt~lemoi peqie?pom. (2.) fte d³ Ptokela?or, b AQcupt_ym basike}r, bibkioh^jgm jatesje}afe ja· t± p\mtym !mhq~pym succq\llata sum\ceim 1peiq\hg, puh|lemor ja· peq· t_m pqovgtei_m to}tym, pqos]pelxe t` t_m Youda_ym t|te basike}omti Jq~d, !ni_m diapelvh/mai aqt` t±r b_bkour t_m pqovgtei_m.“ Text jeweils: E.J. Goodspeed, Die ältesten Apologeten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1915. Die Legende erinnert kaum zufällig an die Legende vom Erwerb der sybilinischen Bücher durch den fünften König Roms Tarquinius Priscus (vgl. Lactanz, Institutio 1,6). 29 Abgesehen vom Anachronismus „Herodes“ handelt es sich um die klassische Septuagintalegende, wie sie sich auch im Aristeasbrief, bei Philo, Mos. II.25 – 40 und Flav.Jos.Ant. 12.11 – 118 findet.

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hinaufstieg und Sohn Gottes ist und genannt wird und einige von ihm ausgesandt wurden zu allen Menschengeschlechtern und dies zu verkündigen, auch damit die Menschen aus den Völkern mehr (als die Juden) an ihn glauben.“30

Die jüdische Bibel ist also eine Sammlung von Prophetenworten, die exakt hebräisch überliefert wurden, heute aber griechisch zu lesen sind. Diese griechische Form bewahrt dabei, wie Justin im Dialog mit Trypho ausführt, die ursprünglichere Form, da der hebräische Text von den jüdischen Lehrern in den Synagogen verfälscht, gekürzt oder verändert worden sei.31 Aber die Juden verstehen die Schriften nicht, was durch den dritten römisch-jüdischen Krieg und eine behauptete Verfolgung der Christen bewiesen sei.32 Die Septuaginta ist für Justin somit Prophetie im Sinne von Zukunftsschau oder Orakel, das die Christusgeschichte vorhersagt. Prophetie und Geschichtsbeweis bedingen gegenseitig den Erweis der Wahrheit.33 Und Justin wird in seiner 1. Apologie und dem gesamten Dialog nicht müde, an unzähligen Schriftstellen nachzuweisen, dass von Mose, den Propheten und David als Psalmendichter nichts anderes verkündigt wurde, als die oben aufgezählten 30 1 apol. 31,5: „Ka· to}tou cemol]mou 5leimam aR b_bkoi ja· paq’ AQcupt_oir l]wqi toO deOqo, ja· pamtawoO paq± p÷s_m eQsim Youda_oir, oT ja· !macim~sjomter oq sumi÷si t± eQqgl]ma, !kk’ 1whqo»r Bl÷r ja· pokel_our BcoOmtai, blo_yr rl?m !maiqoOmter ja· jok\fomter Bl÷r bp|tam d}mymtai, ¢r ja· peish/mai d}mashe.(6.) ja· c±q 1m t` mOm cecemgl]m\ Youdazj` pok]l\ Baqwyw]bar b t/r Youda_ym !post\seyr !qwgc]tgr, Wqistiamo»r l|mour eQr tilyq_ar deim\r, eQ lµ !qmo?mto YgsoOm t¹m Wqist¹m ja· bkasvglo?em, 1j]keuem !p\ceshai. (7.) 1m dµ ta?r t_m pqovgt_m b_bkoir evqolem pqojgquss|lemom paqacim|lemom, cemm~lemom di± paqh]mou, ja· !mdqo}lemom, ja· heqa pe}omta p÷sam m|som ja· p÷sam lakaj_am ja· mejqo»r !mece_qomta, ja· vhomo}lemom ja· !cmoo}lemom ja· stauqo}lemom YgsoOm t¹m Bl]teqom Wqist|m, ja· !pohm^sjomta ja· !meceiq|lemom ja· eQr oqqamo»r !meqw|lemom, ja· uR¹m heoO emta ja· jejkgl]mom, ja_ timar pelpol]mour rp’ aqtoO eQr p÷m c]mor !mhq~pym jgq}nomtar taOta, ja· to»r 1n 1hm_m !mhq~pour l÷kkom aqt` piste}eim.“ 31 In Jes 7,14 habe man den Text verändert (dial. 43,8; 67,1; 71,3), ebenso Mal 1,12 (dial. 120,4 f); Ps 82, (dial. 124,2 – 4); Dtn 32,7 – 9 (dial. 131,1) Jes 3,9 f (dial. 137,3). Man habe eine eigene Übersetzung gegen die Übersetzung der Siebzig angefertigt (dial. 71,1) und „dort viele Schriftstellen vollständig heraus genommen aus denen ausdrücklich hervorgeht, dass er der Gekreuzigte ist“ (71,2). In dial. 72 bringt Justin eine ganze Liste von Sonderlesarten, darunter ein apokryphes Esrastück, das sonst nur bei Laktanz, Instituio, 4.18.22 zitiert ist, einen Zusatz zu Jeremia und einen zum 95. Psalm, die ebenfalls sonst nicht oder kaum bezeugt sind. Kçster, Septuaginta, 1 – 50 und Skarsaune, Proof, 25 – 92 haben gezeigt, dass die kürzeren Schriftzitate von den uns bekannten Septuagintaversionen stark abweichen und daraus auf einen christlichen Schulbetrieb geschlossen, auf dessen Arbeit Justins Schriftauslegung fußt. 32 Auch andernorts wird die Zerstörung Jerusalems als Geschichtsbeweis für die Wahrheit des Christentums angeführt, z. B. 1 apol. 47,4. Die These, Bar Kochbar habe Christen verfolgt, ist sonst nicht belegt, macht aber in der christlichen Literatur Karriere (Vgl. Orosius, Historiarum adversum paganos 7.13.4; Eusebius, Hieronymi Chronicon 17 (201 Helm)). 33 1 apol. 53,2: „Aus welchem Vernunftgrund sollten wir einem gekreuzigten Menschen glauben, dass er erstgeborener vom ungezeugten Gott, und dass er das Gericht über alle Menschengeschlechter bringt, wenn wir nicht Zeugnisse finden, die über ihn (dies) verkündigen, bevor er Mensch geworden kam und es so geschehen ist. Sehen wir doch (3) die Verödung des Landes der Juden und den Glauben von Menschen aus allen Völkern durch die Lehre der Apostel.“

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Ereignisse aus der Christusgeschichte.34 Um dies exakt zu erschließen, sind nach Justin folgende hermeneutische Regeln anzuwenden: (36,1) „Wenn ihr aber die von den Propheten gesprochenen Worte als Figurenrede hört, sollt ihr nicht meinen, es sei von den mit Geist erfüllten (Figuren) selbst gesagt, sondern von der sie bewegenden göttlichen Vernunft. (36,2) Denn bald spricht sie gleichsam als Vorankündigung des kommenden Geschehens, bald aber tönt sie in der Figur des Herrn aller und Vater, Gott, bald aber in der Figur des Christus, bald aber in der Figur der dem Herr oder seinem Vater antwortenden Völkern. Ähnliches ist auch bei euch wirkenden Schriftstellern zu sehen: einer ist es zwar, der alles aufschreibt, die redenden Figuren aber unterscheiden sich. (31,3) Was freilich die Juden, die die Bücher der Propheten besitzen, nicht erkannten, nicht einmal nach dem Erscheinen Christi. Aber uns, die wir sagen, es sei gekommen und beweisen, dass vorher verkündet, dass er von ihnen gekreuzigt werden würde, hassen sie.“35

Justin müht sich also einerseits um Klarheit in seiner hermeneutischen Methode.36 Andererseits scheint es ihm begründungsbedürftig, warum die eigentlichen Besitzer der prophetischen Bücher, die Prophezeiungen nicht verstehen. Neben dem Geschichtsbeweis – Feindschaft gegen Christen und Niederlage gegenüber den Römern – wird als weiterer Alters- und Wahrheitsbeweis die Ähnlichkeit zwischen christlicher Lehre und griechischer Mythologie, Philosophie und religiösen Praktiken aufgezeigt. ,Schlechte Dämonen‘ hätten die Bibel gelesen, jedoch nur unzureichend verstanden und unvollkommen nachgeahmt, was durch die offensichtlichen Albernheiten griechischer Mythologie und religiöser Praktiken bewiesen sei.37 34 Vgl. 1 apol. 32 – 52. 35 1 apol. 36,1:ntam d³ t±r k]neir t_m pqovgt_m kecol]mar ¢r !p¹ pqos~pou !jo}gte, lµ !p’ aqt_m t_m 1lpepmeusl]mym k]ceshai mol_sgte, !kk’ !p¹ toO jimoOmtor aqto»r he_ou k|cou. (2.) pot³ l³m c±q ¢r pqoaccektij¹r t± l]kkomta cem^seshai k]cei, pot³ d’ ¢r !p¹ pqos~pou toO desp|tou p\mtym ja· patq¹r heoO vh]ccetai, pot³ d³ ¢r !p¹ pqos~pou toO WqistoO, pot³ d³ ¢r !p¹ pqos~pou ka_m !pojqimol]mym t` juq_\ C t` patq· aqtoO· bpo?om ja· 1p· t_m paq’rl?m succqav]ym Qde?m 5stim, 6ma l³m t¹m t± p\mta succq\vomta emta, pq|sypa d³ t± diakec|lema paqav]qomta. (3.) fpeq lµ mo^samter oR 5womter t±r b_bkour t_m pqovgt_m Youda?oi oqj 1cm~qisam oqd³ paqacem|lemom t¹m Wqist|m, !kk± ja· Bl÷r to»r k]comtar paqacecem/shai aqt¹m ja_, ¢r pqoejej^qujto, !podeijm}mtar 1stauq_shai rp’ aqt_m lisoOsim. 36 Methodische Reflexion findet sich auch im Dialog. So heißt es dial. 114,1: „=sh’ fte c±q t¹ ûciom pmeOla ja· 1maqc_r pq\ttesha_ ti, d t}por toO l]kkomtor c_meshai Gm, 1po_ei, 5sh’ fte d³ ja· k|cour 1vh]cnato peq· t_m !poba_meim lekk|mtym, vhecc|lemom aqto»r ¢r t|te cimol]mym C ja· cecemgl]mym· Dm t]wmgm 1±m lµ eQd_sim oR 1mtucw\momter, oqd³ paqajokouh/sai to?r t_m pqovgt_m k|coir, ¢r de?, dum^somtai.“ „Denn manchmal ist es so, dass der Heilige Geist deutlich etwas tut, was Typos für kommendes Geschehen war, manchmal aber spricht er auch in Worten über das sich zukünftig Ereignende, und zwar so wie noch geschehend oder schon geschehen. Wenn diese Technik von den Auslegenden nicht beherrscht wird, können sie nicht, wie es nötig ist, den Worten der Propheten folgen.“ 37 1 apol. 54,2: „Als die (schlechten Dämonen) nämlich durch die Propheten von der verkündigten Ankunft des Christus hörten und dass durch Feuer betraft werden sollten alle unfrommen Menschen, da führten sie zu ihrer Verteidigung die vielen sogenannten Söhne an, die dem Zeus nachgesagt werden, weil sie meinten, man könne mit dem Erzählen von Wundern bewirken,

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Der nach der 1. Apologie entstandene Dialog mit dem Juden Trypho ist die längste erhaltene christliche Schrift des 2. Jh.38 Hier entwickelt Justin seine Schrifttheorie in einem den platonischen Dialogen nachempfundenen fiktiven Gespräch mit einem vom Krieg aus Jerusalem vertriebenen Juden namens Trypho.39 Im Rahmen der ,biografischen‘ Rückschau auf seinen Erkenntnisweg durch die Philosophenschulen und die platonische Philosophie zum Christentum, werden die biblischen Propheten von einer zwischen platonischem Philosoph und Christus schillernden Offenbarungsfigur in Gestalt eines alten Mannes eingeführt. Die Propheten, die im Alter die Philosophen weit übertreffen, so ,der alte Mann‘, hätten „in göttlichem Geist die Zukunft gesehen, die jetzt eingetroffen sei“40 und Christus als Gottes Sohn verkündet.41 Der Jude Trypho weist dagegen die Erscheinung des Christus als Irrtum zurück (8,4) und fordert Justin stattdessen auf, sich beschneiden zu lassen und Schabbat, Feste und Neumonde und „alles was im Gesetz geschrieben ist“ zu bewahren.42 Damit ist das Gesprächsthema gesetzt. In den 134 weiteren

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dass die Menschen das über Christ Gesagte für ähnlich halten könnten, wie das von den Poeten Gesagte. (54,3). Und dies wurde sowohl unter den Griechen wie unter allen Völkern gesagt, weil sie von den Propheten die Vorankündigung gehört hatten, dass mehr von den Völkern an Christus glauben würden.“ In 1 apol. 55 – 60 folgen eine Reihe von Beispielen. Vgl. auch dial. 69 f; Christliche „Haeretiker“ wie Simon Magus und Markion erweisen sich als nichts anderes denn als Werkzeuge der Dämonen (1 apol. 56; 68). Da auf die Apologie(n) in dial. 120,6 Bezug genommen wird, ist die Reihenfolge der Entstehung eindeutig. Datierungen schwanken zwischen 155 und 165. Das literarische Setting zeigt, dass die Rückfrage nach dem historischen Anhalt und der Realität des jüdischen Gesprächspartners scheitern muss. Justins Trypho ist eine literarische Figur. Vgl. auch Lieu, Image, 103 – 153. Dass hier Argumente Verwendung finden, die auch in jüdischhellenistischer (vgl. Paul Heinisch, Einfluss; Erwin Goodenough, Theology) rabbinischer Literatur (vgl. Marc Hirshman, Jewish and Christian Biblical Interpretation, 31 – 55) und jüdisch-christlichen Traditionen andernorts (Skarsaune, Proof) erscheinen, deutet auf den Diskussionsraum hin, den diese Schrift spiegelt. Dial. 7,1: „9c]momt| timer pq¹ pokkoO wq|mou p\mtym to}tym t_m molifol]mym vikos|vym pakai|teqoi, laj\qioi ja· d_jaioi ja· heovike?r, he_\ pme}lati kak^samter ja· t± l]kkomta hesp_samter, $ dµ mOm c_metai· pqov^tar d³ aqto»r jakoOsim. oxtoi l|moi t¹ !kgh³r ja· eWdom ja· 1ne?pom !mhq~poir, l^t’ eqkabgh]mter l^te dusypgh]mter tim\, lµ Bttgl]moi d|ngr, !kk± l|ma taOta eQp|mter $ Ejousam ja· $ eWdom "c_\ pkgqyh]mter pme}lati.“ „Es ist schon lange her, da lebten Männer, älter als alle diese sogenannten Philosophen, sie waren glücklich, gerecht und von Gott geliebt. Sie predigten im Geiste Gottes, sie sagten die Zukunft voraus, das nämlich, was nun tatsächlich eintritt. Propheten nennt man sie. Sie allein sind es, welche die Wahrheit gesehen und die den Menschen, ohne dieselben zu fürchten und ohne ihnen zu schmeicheln, frei von Ruhmsucht verkündet haben. Sie haben ja nur das gelehrt, was sie, vom Heiligen Geiste erfüllt, gehört und gesehen hatten.“ (Übers. Philipp Hauser BKV). Dial. 7,3. ja_toi ce ja· di± t±r dum\leir, $r 1pet]koum, piste}eshai d_jaioi Gsam, 1peidµ ja· t¹m poigtµm t_m fkym he¹m ja· pat]qa 1d|nafom ja· t¹m paq’ aqtoO Wqist¹m uR¹m aqtoO jat^ccekkom.· Dial. 8,4 eQ owm ja· 1loO h]keir !joOsai, v_kom c\q se Edg mem|lija, pq_tom l³m peqiteloO, eWta v}kanom, ¢r mem|listai, t¹ s\bbatom ja· t±r 2oqt±r ja· t±r moulgm_ar toO heoO, ja· "pk_r t± 1m t` m|l\ cecqall]ma p\mta po_ei, ja· t|te soi Usyr 5keor 5stai paq± heoO.

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Kapiteln des Dialogs sucht Justin die These des alten Philosophen materialiter in Abgrenzung zu Trypho zu beweisen. Zunächst soll Trypho auf keinen Fall seinen Lehrern vertrauen.43 Vielmehr, und hierin stimmt Trypho zu, sei es erwiesen, dass man das Gesetz seit der Zerstörung Jerusalems gar nicht mehr einhalten könne.44 Auch die vor Mose lebenden Gerechten, hätten das Gesetz gar nicht gekannt.45 Vielmehr habe der eine Gott Israels ein neues Gesetz verheißen: (11,2) Nun habe ich nämlich gelesen, oh Trypho, dass ein vollkommeneres Gesetz und ein gültigerer Bund, als alle, kommen wird, welchen jetzt alle Menschen bewahren müssen, die Gottes Erbe erstreben. Das auf dem Horeb damals gegebene Gesetz gehört euch allen, das aber einfach allen. Ein Gesetz, das gegen ein Gesetz gestellt wird, hebt das vorherige auf und ein Bundesschluss, der später geschlossen wird, steht ebenso anstelle des vorhergehenden. Und uns ist als ewiges und vollkommenes Gesetz der Christus gegeben und zuverlässig ist ein Bund, dem kein Gesetz, keine Anordnung, kein Gebet folgt.46

Das neue Gesetz ist also Christus, dem keine anderen Gebote folgen. Was aber ist die Funktion des Gesetzes vom Horeb, das der Gott der Christen ja gleichfalls durch Mose verkündet hat.47 Theodore Stylianopoulos hat auf die dreifache Funktion des Gesetzes hingewiesen. So wird in dial. 44,2 die Erkenntnis folgenden Geheimnisses als heilsnotwendig erklärt: 43 Dial. 9,1: oq c±q oWdar d k]ceir, !kk± peih|lemor to?r didasj\koir, oT oq sum_asi t±r cqav\r, ja· !polamteu|lemor k]ceir f ti %m soi 1p· hul¹m 5khoi „Du weißt nämlich nicht, was du sagst, sondern hörst auf die Lehrer, welche die Schrift nicht verstehen, und sprichst, was du vermutest und was dir gerade in den Sinn kommt.“ (Übers. Hauser, BKV). Vgl. auch dial. 35,2: „jatavqomoOmter t/r paqad|seyr t_m rlet]qym didasj\kym, 1pe· oq t± di± toO heoO rp¹ toO pqovgtijoO pme}lator 1k]cwomtai moe?m dum\lemoi, !kk± t± Udia l÷kkom did\sjeim pqoaiqo}lemoi“ „Auf die Überlieferung eurer Lehrer aber achtet nicht! Denn es ist erwiesen, dass ihnen die Fähigkeit fehlt, das von Gott durch den Geist der Prophetie Geoffenbarte zu verstehen, und daß sie vielmehr es sich herausnehmen, ihre eigenen Lehren vorzutragen (Übers. Hauser, BKV).“ Einer ihrer Fehler ist, die auf Christus weisenden Prophetien anderen Figuren, z. B. dem König Ezechias zuzuweisen (dial. 43,3.8; 48,2; 62,2 ; 83 u. ö.). Auffälligerweise scheint Justin in dial. 46,5 eine rabbinische Tradition als Schrift zu zitieren. 44 Dial. 46,2 f. 45 Dial. 43,3. 46 Dial. 11,2: „mum· d³ !m]cmym c\q, § Tq}vym, fti 5soito ja· tekeuta?or m|lor ja· diah^jg juqiyt\tg pas_m, Dm mOm d]om vuk\sseim p\mtar !mhq~pour, fsoi t/r toO heoO jkgqomol_ar !mtipoioOmtai. b c±q 1m Wyqµb pakai¹r Edg m|lor ja· rl_m l|mym, b d³ p\mtym "pk_r· m|lord³ jat± m|lou tehe·r t¹m pq¹ aqtoO 5pause, ja· diah^jg let] peita cemol]mg tµm pqot]qam blo_yr 5stgsem. aQ~mi|r te Bl?m m|lor ja· tekeuta?or b Wqist¹r 1d|hg ja· B diah^jg pist^, leh’ Dm oq m|lor, oq pq|stacla, oqj 1mtok^.“ Vgl. auch dial. 34,1. 47 Justin spricht häufig vom Gesetz, das durch Mose angeordnet wurde. Mose (b m|lor b diatawhe?r di± Lyus]yr dial. 34,1; 45,2 f; 47,1 52,3; 95,1); seltener vom Gesetz des Mose (b m|lor Lyus]yr dial. 45,3; 52,3; 95,1). Von Gesetz Gottes spricht lediglich einmal Trypho (dial. 32,1). Einmal scheint Justin die Formulierung aus 2 Kön 6,1 – 7 bzw. seiner Auslegungstradition übernommen zu haben (dial. 86,6) Vgl. Stylianopulos, Justin Martyr, 45 f.

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(44,2) „… dass gewisse Gebote zu Gottesfurcht und Gerechtigkeitspraxis erlassen wurden, gewisse […] im Hinblick auf das Geheimnis des Christus oder wegen der Hartherzigkeit eures Volkes.“48

Die erste Funktion des Gesetzes ist also das natürliche Gesetz, dem alle auch schon vor Mose gefolgt seien und weiterhin folgen müssten.49 Allerdings bleibt offen, wie dieses Naturgesetz mit dem durch Mose gegebenen Gesetz zusammenhängt. Zwar ist „im Gesetz des Mose angeordnet, das von Natur aus Schöne, Fromme und Gerechte zu tun, denen, die ihm gehorchen.“50 Aber zugleich scheint diese natürliche Rechtschaffenheit als kontinuierliche seit Urzeiten bestehende Offenbarung: (93,1) „Denn das vollkommen Gerechte und jede Gerechtigkeit gewährte er [Gott] in jeder Generation der Menschen und es ist jedem Geschlecht bekannt, dass Ehebruch schlecht ist und Unzucht und Menschentötung und alles andere dergleichen.“51 48 Dial. 44,2: „k]cy d³ fti t·r l³m 1mtokµ eQr heos]beiam ja· dijaiopqan_am diet]tajto, t·r d³ 1mtokµ ja· pq÷nir blo_yr eUqgto C eQr lust^qiom toO WqistoO C di± t¹ sjkgqoj\qdiom toO kaoO rl_m.“ Vgl. auch dial. 43,1: „Wie nun der Anfang der Beschneidung mit Abraham, der Anfang des Sabbats, der Opfer, Gaben und Feste mit Moses gegeben war und wie — nach gegebenen Beweisen — der Grund dieser Verordnungen in der Hartherzigkeit eures Volkes lag, so fanden sie notwendig nach dem Willen des Vaters ihr Ende und Ziel in Christus, dem Sohne Gottes, der — wie verkündet wurde und wie die oben erwähnten Prophezeiungen darlegen — als ewiges Gesetz und als Neuer Bund für die ganze Welt kommen sollte.“ (ªr owm !p¹ )bqa±l Eqnato peqitolµ ja· !p¹ Lyus]yr s\bbatom ja· hus_ai ja· pqosvoqa· ja· 2oqta_, ja· !pede_whg di± t¹ sjkgqoj\qdiom toO kaoO rl_m taOta diatet\whai, ovtyr pa}sashai 5dei jat± tµm toO patq¹r boukµm eQr t¹m di± t/r … cemmgh]mta uR¹m toO heoO Wqist|m, fstir ja· aQ~mior m|lor ja· jaimµ diah^jg t` pamt· j|sl\ 1jgq}sseto pqoekeus|lemor, ¢r aR pqokekecl]mai pqovgte?ai sgla_mousi). 49 Skarsaune, Proof, 323 f hat die von Stylianopoulos behauptete Dreiteilung im Gesetz bestritten, da die gleichen Schriftbelege für verschiedene Funktionen verwendet würden. Jedoch widerlegt das Argument nicht die These der drei Funktionen des Gesetzes bei Justin. Problematischer scheint mir eine andere Beobachtung zu sein, nämlich, dass das „natürliche“, allgemein gültige Gesetz nur ansatzweise im Gesetz, das durch Mose gegeben ist, verankert ist. Siehe unten. 50 Dial. 45,3: „ja· c±q 1m t` Lyus]yr m|l\ t± v}sei jak± ja· eqseb/ ja· d_jaia memoloh]tgtai pq\tteim to»r peihol]mour aqto?r (Marcovich: aqt\).“ Das ist, wie das Folgende ausführt, sogar dem Übeltäter bekannt. Vgl. dial. 67,10: „Gott hat also einen anderen Bund von neuer Art versprochen und hat jenen erklärt, daß derselbe ohne Furcht und Zittern und ohne Blitze eingeführt würde. Dieser Bund zeigt, welche Gebote und Handlungen nach Gottes Anschauungen ewigen Wert haben und für jedes Volk passen, und welche Gott – auch durch die Propheten verkündet er hierüber – mit Rücksicht auf die Hartherzigkeit eures Volkes, nach der er sich richtete, befohlen hatte.“ (Übers. Hauser, BKV) „:t]qam diah^jgm 5seshai b he¹r rp]sweto, oqw ¢r 1je_mg diet\cg, ja· %meu v|bou ja· tq|lou ja· !stqap_m diatac/mai aqto?r 5vg, ja· deijm}ousam t_ l³m ¢r aQ~miom ja· pamt· c]mei "ql|fom ja· 5mtakla ja· 5qcom b he¹r 1p_statai, t_ d³ pq¹r t¹ sjkgqoj\qdiom toO kaoO rl_m "qlos\lemor, ¢r ja· di± t_m pqovgt_m boø, 1met]takto.“ 51 Dial. 93,1: „T± c±q !e· ja· di’ fkou d_jaia ja· p÷sam dijaios}mgm paq]wei 1m pamt· c]mei !mhq~pym, ja· 5sti p÷m c]mor cmyq_fom fti loiwe_a jaj¹m ja· poqme_a ja· !mdqovom_a ja· fsa %kka toiaOta.“

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Ja diese natürliche Gerechtigkeit ist die einzige ethische Lehre, die im gesamten Dialog dem syt¶q Christus in den Mund gelegt wird: (93,2) „Daher scheint es mir von unserm Herrn und Heiland Jesus Christus gut gesagt, dass in zwei Geboten jede Gerechtigkeit und Frömmigkeit erfüllt ist. Es sind diese: Liebe den Herrn deinen Gott aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst.“52

D.h. die natürliche Gerechtigkeit ist zwar eine immer gültige Forderung Gottes, aber dass sie auch etwas mit der Tora zu tun hat, wird nur implizit im Zitat des Heilands deutlich.53 Die anderen beiden Funktionen des Gesetzes werden viel breiter ausgeführt. Der Nachweis, dass das Gesetz auf die Christusgeschichte, auf seine Geburt, Wundertaten, Passion, Kreuzigung, Auferstehung und zweite Parusie hinweist, durchzieht den ganzen Dialog. Dabei differenziert Justin nicht zwischen Gesetzescorpora, Pentateuch, Propheten und Schriften. Sowohl das von Mose gegebene Gesetz als auch die ganze Septuaginta sind für ihn paqaboka¸, sgle?a, s¼lboka, t¼poi, jataccek¸ai für Christus.54 Ebenso zentral ist die dritte These: Beschneidung (peqitol¶), Schabbat (s²bbatom), Fasten (mgste¸a), Opfer (hus¸a), Abgaben (pqosvoq²) etc. ausschließlich wegen der Hartherzigkeit (sjkgqojaqd¸a) Israels gegeben wurden.55 Auch hierin stimmten Mose und die Propheten überein.56 Ihre Funktion ist das Volk angesichts seiner Sünden, begonnen mit dem Götzendienst des goldenen Kalbs, an Gott zu erinnern.57 Für die übrigen Völker sind die Bestimmungen daher nutzlos. Die Beschneidung hat darüber hinaus einen weiteren Zweck: 52 Dial. 93,2: „fhem loi doje? jak_r eQq/shai rp¹ toO Blet]qou juq_ou ja· syt/qor YgsoO WqistoO, 1m dus·m 1mtoka?r p÷sam dijaios}mgm ja· eqs]beiam pkgqoOshai· eQs· d³ axtai·)cap^seir j}qiom t¹m he|m sou 1n fkgr t/r jaqd_ar sou ja· 1n fkgr t/r Qsw}or sou, ja· t¹m pkgs_om sou ¢r seaut|m.“ Die Zusammenfassung von Dekaloggeboten durch das Doppelgebot ist traditionell, vgl. Mt 19,19; Röm 13,9, Gal 5,14; Jak 2,8. 53 Philo beginnt seine Ausführungen über den Dekalog aber sicher nicht zufällig mit dem natürlichen Gesetz (decal. 1). 54 Vgl. Stylianopoulos, Justin Martyr, 64 f. 55 Dial. 10 – 30; 43 – 47; 67; 92. Das seltene Wort könnte aus einem Jesuslogion (vgl. Mt 19,8) stammen. Anders als Ptol. ep. 33.4.4 zitiert Justin es allerdings nie. Vgl. Stylianopoulos, Justin Martyr, 143. 56 Dial. 27,2. 57 Dial. 18,2; 19,5 f; 20,4; 22,1; 73,6; 102,6; 132,1 u. ö.. Wie man Barn 4,6 – 8 entnehmen kann, entstammt das Argument der Beobachtung, dass die Dekalogtafeln in der Lade bereits die zweite Fassung sind, nachdem die ersten von Mose angesichts des goldenen Kalbs zerbrochen wurden (Ex 32,7.19; Barn 4,8). Für Barnabas pflanzt Gott die zweite Fassung mit Jesus in unsere Herzen. Zugleich stellt er allerdings einleitend zu dieser Exegese heraus: B diah^jg 1je¸mym ja· Bl_m (Text: Klaus Wengst, Der Barnabasbrief [Schriften des Urchristentums II], Darmstadt 1998). Eine andere Texttradition liest freilich: B diah^jg Bl_m Bl?m l]mei (R.A. Kraft, Êp„tre de Barnab [Sources chr¦tiennes 172. Paris: Êditions du Cerf, 1971]: 72 – 218). Das Argument der „falschen Perikopen“ erscheint auch Didaskalia Apostolorum und in den Pseudo-Klementienen. Vgl. Stylianopoulos, Justin Martyr, 146 – 153; Kevin M. Vaccarella, Shaping

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(16,2) „Die von Abraham stammende Beschneidung nach dem Fleisch wurde als Zeichen gegeben, damit ihr sowohl ausgesondert seid von allen anderen Völkern als auch allein leidet, was ihr jetzt auf gerechte Weise erleidet, und damit euer Land verwüstet werde und eure Städte vom Feuer verbrannt und damit andere eure Früchte vor euren Augen essen und niemand von euch nach Jerusalem hinaufgeht. (16,2) Denn durch nichts anderes seid ihr unter den anderen Menschen zu erkennen als an der im Fleisch vollzogenen Beschneidung.“58

Die Beschneidung ist für Justin keine Auszeichnung, sondern ein Erkennungszeichen derer, die zur Vernichtung bestimmt sind. Diese Prophetie hat sich in Justins Augen geschichtstheologisch mit der Zerstörung Jerusalems 135 n. Chr. als wahr erwiesen.59 Obgleich also das Gesetz allein den Juden gilt, sie erziehen bzw. zur Bestrafung aussondern soll und damit für alle (anderen) eigentlich funktionslos bleibt, gibt es auch wenige Spuren einer spiritualisierend-typologischen Interpretation: (12,3) „Wenn jemand unter euch ein Meineidiger ist oder ein Dieb, soll er aufhören. Wenn aber jemand ein Ehebrecher ist, kehre er um, und feiere den schwelgerischen und wahren Schabbat Gottes.“60 (14,2) „Dies ist das Zeichen der Ungesäuerten, dass ihr nicht die alten Werke des schlechten Sauerteigs tut. … (14,3) Deshalb hat Gott befohlen, dass ihr nach sieben Tagen der ungesäuerten Brote neuen Sauerteig ansetzt, dies ist: das Tun anderer Werke und nicht die Nachahmung der alten und schlechten. Und dies ist es, was der neue Gesetzgeber von euch verlangt.“61

Justin greift hier symbolische Deutungsmuster aus dem hellenistischen Judentum auf, wie sie auch bei Ptolemäus beobachtbar sind.62 Justins Verhältnis zur Autorität der Schrift bleibt ambivalent. Die

58

59 60 61

62

Christian Identity : the False Scripture Argument in Early Christian Literature, Ph.Diss, Florida State University 2007. Dial. 16,2: „B c±q !p¹ )bqa±l jat± s\qja peqitolµ eQr sgle?om 1d|hg, Vma Gte !p¹ t_m %kkym 1hm_m ja· Bl_m !vyqisl]moi, ja· Vma l|moi p\hgte $ mOm 1m d_j, p\swete, ja· Vma c]mymtai aR w_qai rl_m 5qgloi ja· aR p|keir puq_jaustoi, ja· to»r jaqpo»r 1m~piom rl_m jatesh_ysim !kk|tqioi, ja· lgde·r 1n rl_m 1piba_m, eQr tµm Yeqousak^l.“ Vgl. dial. 19,2.5; 23,4; 92,2 f. Vgl. auch Stylianopoulos, Justin Martyr, 133 – 141. Mit Stylianopoulus kann man sagen: „All of the arguments share the same purpose: the declaration that the mosaic law has not absolute significance in the divine plan and is not a necessary abiding criterion of salvation (Justin Martyr, 126).“ Dial. 12,3: „eU tir 1st·m 1m rl?m 1p_oqjor C jk]ptgr, paus\shy· eU tir loiw|r, letamogs\ty, ja· sesabb\tije t± tquveq± ja· !kghim± s\bbata toO heoO.“ Dial. 14,2 f: „toOto c\q 1sti t¹ s}lbokom t_m !f}lym, Vma lµ t± pakai± t/r jaj/r f}lgr 5qca pq\ttgte. … (14,3) di¹ ja· let± t±r 2pt± Bl]qar t_m !fulovaci_m m]am f}lgm vuq÷sai 2auto?r b he¹r paq^cceike, toOt’ 5stim %kkym 5qcym pq÷nim ja· lµ t_m pakai_m ja· va}kym tµm l_lgsim. ja· fti toOt| 1stim d !nio? rl÷r oxtor b jaim¹r moloh]tgr…“ Siehe unten Anm. 87, 88, 92.

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Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift

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Hauptfunktionen der Schrift liegen einerseits in der Begründung einer Ablösungs- bzw. Enterbungslehre des Judentums. Ohne Christus kein Heil.63 Andererseits beweist die Schrift die Wahrheit der Christusgeschichte, was Justin mit unzähligen typologischen Deutungen nachzuweisen sucht. Jenseits der symbolischen Christusverweise stellt die Schrift schließlich eine religiöse Sprache bereit. Durch die Schrift eingeführte Bilder und Begriffe werden auch in Justins Entwurf des Christentums weiter genutzt. Mit Christus erschien „das neue Gesetz“, er ist „der neue Gesetzgeber“, auch wenn das neue Gesetz nichts anderes ist als das ewig-überzeitliche Naturgesetz und auf Christusworte weitestgehend verzichtet wird.64 Einen in diesem Punkt gegensätzlichen Ansatz wählt Ptolemäus.

Die Schrifttheologie des Ptolemäus in seinem Brief an Flora Der Brief des Ptolemäus an seine Mitchristin Flora ist bei Epiphanius im 33. Kapitel seines Panarion überliefert. Der Brief wird der Gattung Protreptik65 oder „dihäretische eQsacyc¶“66 zugeordnet. Damit ist einerseits das Lehrer-Schülerinnenverhältnis betont, andererseits das weitestgehende Fehlen tatsächlich gnostischer Züge durch den nur einführenden Charakter des Schreibens erklärt. M.E. ist aber beides weniger eindeutig, als vielfach angenommen. Die Anrede an Flora !dekv^ lou jak¶ (vgl. auch 7,10) zeugt von einem freundschaftlichen Verhältnis der Briefpartner. Flora wird außerdem eine schnelle Auffassungsgabe unterstellt (vgl. auch Ptol. ep 7.2): (3.1) „Dass das durch Mose erlassene Gesetz, meine gute Schwester Flora, nicht viele vorher begriffen haben, sei es weil sie den, der es erlassen hat nicht erkannten, sei es seine Anordnungen nicht auf genaue Weise, wird auch dir deutlich sein, wenn du die unterschiedlichen Meinungen über es kennen lernen wirst.“ 63 Unter dieser Bedingung und Verzicht auf missionarische Bemühungen unter Völkerchristen ist Justin bereit, Judenchristen anzuerkennen: Vgl. dial. 47,2: „Wenn jene Menschen in ihrer geistigen Beschränktheit mit der Hoffnung auf unseren Christus und mit der Beobachtung der ewigen und im Naturgesetz begründeten Rechtssatzungen und religiösen Vorschriften auch, soweit es jetzt noch möglich ist, alle jene mosaischen Bräuche verbinden wollen, welche nach unserer Ansicht wegen der Hartherzigkeit des Volkes erlassen sind, wenn sie (aber) sich entschließen, mit den Christgläubigen zusammen zu leben, ohne – wie gesagt – sie zur Beschneidung, zur Sabbatfeier oder dergleichen zu überreden, dann muß man doch – meine ich – sie annehmen und in allem mit ihnen wie mit Blutsverwandten und Brüdern verkehren“ (Übers. Hauser, BKV). 64 Im Dialog werden so gut wie keine Jesuslogien zitiert. Die Zusammenstellung der Logien in 1 apol 14 – 16 dient dem Nachweis guter Staatsbürgerschaft und christlicher Kultur. 65 Quispel, Ptol¦m¦e, 12; Lìdemann, Geschichte, 106. 66 Lçhr, Auslegung, 80; Markschies, New Research, 228 – 233 zur dihäretische eQsacyc¶. Vgl. auch ders., Die valentianische Gnosis und Marcion, 166.

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Ptolemäus will also über das von Mose gegebene Gesetz handeln, und er grenzt sich ab von solchen, die den Gesetzgeber nicht erkannten und solchen, die dessen Anordnungen nicht verstehen. Das ganze Schreiben ist konsequent und viel bewundert nach dem Modell platonischer dia¸qesir aufgebaut.67 (3.2) „Denn die einen sagen, es sei vom Gott und Vater gegeben, andere aber, indem sie sich zu einem diesen entgegengesetzten Weg zuwenden, machen sich (für die These) stark, es sei vom feindlichen, Verderben bringenden Teufel erlassen worden, gleichwie sie ihm auch die Schöpfung (dgliouqc_a) des Kosmos zuschreiben, da sie sagen, dieser sei Vater und Schöpfer (poigt¶r) des jetzigen Alls.“

Zumeist wird die erste Position als eine jüdisch-christliche bezeichnet, die zweite als eine markionitische.68 Allerdings sind beide Zuordnungen unscharf. Markion lehrte nicht, dass das Gesetz vom Teufel her stamme.69 Die Aussage rp¹ toO !mtijeil]mou vhoqopoioO diab|kou tehe?shai toOtom wird dagegen gleichgesetzt mit der viel zitierten These aus Platos Timaios.70 Und Justin, als ein Vertreter einer jüdisch-christlichen Position, lehrt zwar, dass das Gesetz rp¹ toO heoO ja· patq¹r memolohet/shai, aber spaltet, wie gesehen, seine Funktion auf, in Christusprophetie, das nur Israel geltende Gesetz und das Naturgesetz. Ptolemäus hat m. E. weder auf der einen noch auf der anderen Seite konkrete Entwürfe im Blick, sondern formuliert logische Alternativen, um sich gemäß der dihäretischen Methode in der Mitte zu platzieren. Der Fehler beider Positionen liegt zum einen darin, dass sie sich widersprechen (3,3) und zum anderen, dass das Gesetz, weder dem Charakter des vollkommenen Gottes noch des Widersachers entspricht. Es entspricht nicht dem vollkommenen Gott und Vater, da es Anordnungen enthält, die der Natur und der Erkenntnis eines derartigen Gottes unangemessen sind (!mo¸je_or t0 toO toio}tou heoO v}sei te ja· cm~l,), und daher der Erfüllung (toO pkgqyh/mai) durch einen anderen bedarf (3,4). (3,5) „Noch können sie wiederum – [,] – der Ungerechtigkeit des Widersachers ein Gesetz anheften, das Ungerechtigkeit wegnimmt von denen, die auch folglich nicht in Bezug auf irgend etwas übereinstimmen[’], entsprechend dem, was von unserm Heiland gesagt wurde. Dass ,ein Haus oder eine in sich selbst geteilte Stadt nicht bestehen bleiben kann’ hat unser Heiland dargelegt.“ 67 Vgl. Eduard Norden, Kunstprosa II, 920: „Der Brief ist wie in seiner durch die Platonischen Schriften gesättigten Gedankenentwicklung so in seiner Stilisierung meisterhaft.“ Dunderberg, Beyond Gnosticism, 79: „The Text was obviously composed with great care. Its arrangement follows the classical Greco-Roman rhetorical tradition of the composition of public speech.“ 68 Vgl. z. B. Quispel, Ptol¦m¦e, 76; von Campenhausen, Entstehung, 99; Kìhneweg, Gesetz, 90; Rìtten, Brief, 67 – 71; u. a. 69 Vgl. Lçhr, Auslegung, 80 A. 11; Markschies, Research, 234 u. ö. 70 Pt. Ep. 3.2: „¢r ja· tµm toO j|slou pqos\ptousim aqt` dgliouqc_am, pat]qa ja· poigtµm toOtom k]comter eWmai toOde toO pamt|r“ Text im Folgenden nach: K. Holl, Epiphanius Band I: Ancoratus und Panarion (GCS 25), Leipzig1915.

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Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift

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Bereits hier wird die exegetische Methode des Ptolemäus deutlich. Maßstab der Wahrheit sind die Worte des syt¶q, wie Jesus Christus durchgängig in dem Schreiben genannt wird.71 In Vers 3,4 ist ein Wort aus oder ähnlich Mt 5,17 angespielt. In Vers 3,5 sind vermutlich zwei Jesuslogien enthalten. Das eine gibt eine ähnliche Tradition wie Mt 12,25 und Mk 3,24 f wieder, ohne dass es einer Version völlig entspricht.72 Das andere, durch den zweimaligen Verweis auf die Worte des Heilands angezeigt, ist ein Agraphon, das sonst m.W. nicht belegt ist und dessen genaue Abgrenzung problematisch bleibt. Jedenfalls wird schon hier deutlich, dass Maßstab für die Wahrheit allein die Worte des Heilands sein können. Aber die Meinung wird noch dazu „vom Apostel“, gemeint ist das JohEv, unterstützt (3,6). Denn das p\mta di’ aqtoO cecom]mai ja· wyq·r aqtoO cecom]mai oqd³m (Joh 1,3) zeige, dass die Schöpfung der Welt „ihm eigen“ sei, wobei mit aqtoO Qd_am eWmai Gott oder der Heiland gemeint sein kann.73 Der Rest des ersten Abschnitts ist geprägt von polemisch durchsetzter Zurückweisung der anderen Positionen. Die einen bleiben ignorant bezüglich der Gerechtigkeit Gottes, die anderen bezüglich der des Vaters des Alls (3,7). Man hätte beide Positionen durchschritten und könnte nun genau darlegen, woher das Gesetz stamme und wer der Gesetzgeber sei und zwar aus den Worten des Heilands, „durch die allein es möglich ist, ohne zu stolpern zum Ergreifen der seienden Dinge geführt zu werden.“ (3,8). Kapitel 4 bringt dann die erste Dihärese. Zuerst müsse man lernen, dass nicht das „ganze den Pentateuch des Mose umfasste Gesetz“ von einem einzigen Gesetzgeber stammen – auch nicht vom einzigen Gott, sondern dass sich aus den Worten des Heilands eine Dreiteilung ergibt (4,1). Es ist zu unterscheiden in die Gesetzgebung Gottes und diejenige, die Mose aus eigenem Antrieb gibt und in Zusätze der Ältesten (4,2). Auch jüdischhellenistische Autoren wussten zu unterscheiden zwischen dem direkt von Gott verkündeten Dekalog und den durch Mose vermittelten übrigen Gesetzen.74 Allerdings hätten sie nicht behaupten wollen, Gesetze seien eigenmächtig von Mose erlassen worden. Als Beleg für diese These dient

71 J¼qior nur im Zitat Ptpl. Ep. 4,4; Christus nur im Zitat (1 Kor 5,7) in Ptol. ep. 5,15, b !p’ 1je_mou paqacem|lemor uRºr aber in 5,7. Der Titel syt¶q erscheint bei Justin lediglich in dial. 8,2; 93,2. 72 Ptol. ep. 3,5: „«o oQj_a c±q C p|kir leqishe?sa 1v’ 2autµm fti lµ d}matai st/mai» b sytµq Bl_m !pev^mato.“ Vgl. Mt 12,25: P÷sa basike_a leqishe?sa jah’ 2aut/r 1qgloOtai, ja· p÷sa p|kir C oQj_a leqishe?sa jah’ 2aut/r oq stah^setai. Mk 3,24 f: ja· 1±m basike_a 1v’ 2autµm leqish0, oq d}matai stah/mai B basike_a 1je_mg·(25.) ja· 1±m oQj_a 1v’ 2autµm leqish0, oq dum^setai B oQj_a 1je_mg stah/mai. 73 Für letzteres votiert Markschies, Research, 239 – 246. 74 Philo decal. 18 f; 32 – 35; 46 – 49; 175 f; Mos. II 188; Flav.Jos.Ant. 3.89 f. Vgl. auch Günter Stemberger, Dekalog, 91 – 94; Francis Fallon, Law, 45 – 51, hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass Philo nicht nur zwischen den durch Gott gegebenen Gesetzen und den prophetisch durch Mose verkündeten unterscheidet (Mos. II.188; decal. 175 f), sondern auch die allegorisch–symbolische Auslegung kennt (z. B. decal. 48 f u. ö.).

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Ptolemäus ein Wort in der Tradition von Mt 19,6 – 8 / Mk 10,3 – 6.9.75 Der von Mose erlaubte Scheidebrief widerspreche dem absoluten Scheidungsverbot in Gottes Gesetz (4,5 f). Zugleich wird Mose eine große seelsorgerliche Kompetenz zugesprochen, auf Grund derer er dieses dem göttlichen Willen widersprechende Gesetz erlassen habe (4,7 f). Das de}teq|r mºlor des Mose verhindert ein noch größeres Übel (4,8 f). Die dritte Unterscheidung ist die paq²dosir t_m pqesbut]qym (4,11), die sich ebenfalls 1m t` m|l\ befinde. Beleg ist in Ptol. ep. 4,12 f ein Wort, das Mt 15,4 – 9 oder einer verwandten Tradition entstammt. Schon in der Jesustradition ist es mit Jes 29,13 (= Ptol. ep. 4,13) verbunden.76 Hier fällt auf, dass Ptolemäus anscheinend kaum eigene Pentateuchstudien unternommen hat, sondern in ihrer Rezeption von der Jesustradition abhängt.77 Auch ist dieser dritte Teil vermutlich vor allem der dihäretischen Logik geschuldet.78 Für die folgende Argumentation wäre er verzichtbar. In der Wertung der paq²dosir t_m pqesbut]qym unterscheiden sich Ptolemäus und Justin nicht.79 Die zweite Dihärese unternimmt Ptolemäus bezüglich des göttlichen Gesetzes selbst. Hier ist zu unterscheiden zwischen „der reinen Gesetzgebung, die mit dem Bösen unvermischt ist und die gültig Gesetz genannt werden kann“, einem mit schlechtem und Ungerechtigkeit vermischten Teil und einer Gesetzgebung, die auf symbolische und typische Weise das Pneumatische lehrt (5,1 f). Der erste Teil wurde vom Heiland nicht aufgelöst, sondern erfüllt (vgl. Mt 5,17), „denn“, so Ptolemäus, „es war ihm nicht fremd, was er erfüllte, , denn es hatte keine Vollkommenheit.“80 Die „Erfüllung“ (pk¶qysir) des Heilands, so wird in Ptol. ep. 5,3 deutlich, ergänzt zum „reinen Gesetz“ noch die Vollkommenheit (t¹ t]keiom). Was damit genau im Blick ist, bleibt offen. Jedenfalls besteht das „reine“ und nun als vollkommen approbierte Gesetz aus dem Dekalog. Ptolemäus bringt hier zum ersten Mal im entstehenden Christentum den Begriff B dej\kocor, wobei er auch den jüdischen Begriff oR d]ja k|coi und die Aufteilung in zwei Tafeln kennt.81 Dieses vollkommene Gesetz ordnet Handeln und Gesellschaft. Es steht auf derselben Ebene wie Justins Naturgesetz.82 Das mit Schlechtem vermischte Gesetz ist das sogenannte Talionsgesetz. Der Wortbestand stimmt stärker mit Matthäus überein, die Reihenfolge mit Mk. Jes 29,13 wird bei Justin häufig verwendet, vgl. dial. 277,4; 48,2; 80,4 f; 140,2. Vgl. Rìtten, Brief, 69. Dunderberg, Beyond Gnosticism, 82. Siehe oben Anm. 353. Allerdings muss man hier einräumen, dass die Phrase 5dei d³ pkgq~seyr·eine Konjektur von Karl Holl in Anlehnung an Ptol. ep. 5,3 ist, wo der Gedanke wiederholt wird. Sonst könnte man unter anderer Akzentuierung auch übersetzten: „denn von ihm hat es Vollkommenheit.“ 81 J dej\kocor dann erst wieder bei Clemens, Paedagogos 3.12,89; Stromata 6.16.133; 137; 145. oR d]ja k|coi Philo mut. 23; decal. 154; spec. 1,1. Ptolemäus ist auch der erste im entstehenden Christentum, der den Dekalog als solchen hervorhebt. Vgl. Grant, Decalogue, 12 f. 82 Die Gleichsetzung von Dekalog und ,Naturgesetz‘ findet sich aber auch schon bei Philo, decal. 1. Siehe oben Anm. 375.

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Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift

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Über Ex 20,13 fügt Ptolemäus noch v|mor !mt· v|mou hinzu, um das Problem zuzuspitzen.83 Hinter den Ausführungen von Ptol. ep. 5,4 – 7 und 6,1 – 3 steht ein philosophischer Diskurs. Maximus von Tyrus, ein weiterer mittelplatonischer Zeitgenosse, der um 155 n. Chr. in Rom lehrte, formuliert es so: „Wo ist dann aber ein Ende des Übels? Rächt sich nämlich der Geschädigte, geht das Übel immer weiter von einem zum andern und pflanzt sich fort und Unrecht folgt auf Unrecht. Wenn man nämlich dem Geschädigten das Recht zur Rache zuspricht, so geht nach demselben Recht von jenem wieder das Recht auf Rache auf den ersten Täter über ; ist doch dann das Recht auf beiden Seiten. Was, beim Zeus, hast du aber auch angerichtet! Gerechtigkeit aus Taten des Unrechts? Und wohin wird es zum Stehen kommen? Siehst du denn nicht, dass du auf diese Weise eine nie versiegende Quelle der Schurkerei eröffnest und ein Gesetz erlässt, dass die ganze Welt in Unheil stürzt.“84

Wie Maximus argumentiert auch Ptolemäus rein logisch gegen das Vergeltungsrecht: Ptol. ep. 5,4: „Denn der als zweiter Unrecht übt, macht nichts geringeres, wenn er, einzig in veränderter Reihenfolge, das gleiche Werk vollbringt.“ (5,4) Ptol. ep. 5,6: „Denn der auch den einen Mord nicht geschehen lassen will, hat indem er sagt ,du sollst nicht töten‘, den Mord (bereits) angeordnet und so ein zweites Gesetz gegeben und, indem er sich zwischen zwei Morden entscheidet, verbirgt er, der den einen verbot, sich selbst, indem er sich unter Zwang gleichsam davon stiehlt.“

Solch logischer Zwang ist der Natur und Güte des Vaters des Alls unangemessen (5,5). Allerdings entdeckt Ptolemäus zugleich selbst ein Problem, das in der von ihm in 4,11 – 13 zitierten Jesustradition nach Mt 15,4 steckt.85 Denn der Heiland sagt hier selbst „soll des Todes sterben“ (5,7). Dem Problem entgeht Ptolemäus nur, indem er zunächst die dritte Dihärese, die symbolisch-typologische Deutung des Gesetzes einschiebt (5,8 – 15) und dann in 6,2 f mit einem anderen Jesuslogion das Problem löst. Das mit Ungerechtigkeit vermischte „Auge um Auge“, das selbst ein Werk der 83 Ex 21,23 – 25 kennt immerhin die Reihe: „d~sei xuwµm !mt· xuw/r, (24.) avhakl¹m !mt· avhakloO, ad|mta !mt· ad|mtor, we?qa !mt· weiq|r, p|da !mt· pod|r, (25.) at\jaula !mt· jataja}lator, tqaOla !mt· tqa}lator, l~kypa !mt· l~kypor“. 84 Maximus Tyrius, Or. 12.6: „T_ d³ to_mum 5stai ja· p]qar toO jajoO; eQ c±q b !dijghe·r !l}metai, !e· letaba_mei t¹ jaj¹m !p’ %kkou pq¹r %kkom ja· letapgdø, ja· diad]netai !dij_a !dij_am. °i c±q dija_\ sucwyqe?r t` pah|mti 1pene?mai,t` aqt` to}t\ dija_\ 1pamawyqe? awhir !p’ 1je_mou pq¹r t¹m aqt¹m B tilyq_a· t¹ c±q d_jaiom 1p’ !lvo?m Usom. ¯ FeO, ja· oXom pepo_gjar; dijaios}mgm1n !dijgl\tym; ja· po? badie?tai t¹ jaj|m; ja· poO st^setai; Oqj oWsha, fti pgcµm ta}tgm !]maom jime?r pomgq_ar, ja· cq\veir m|lom !qw]jajom t0 p\s, c0.“ H. Hobein, Maximi Tyrii philosophumena. Leipzig: Teubner, 1910; Übersetzung: Otto und Eva Schçnberger, Maximos von Tyros, Philosophische Vorträge, Würzburg 2001. 85 Diese Stelle spricht m. E. am deutlichsten für Ptolemäus Kenntnis eines Matthäus vergleichbaren Evangeliums.

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Ungerechtigkeit enthält, wird vom Heiland mit einem an Mt 5,39 angelehnten Wort aufgehoben. Die dritte Dihärese entfaltet die typische und symbolische Bedeutung des Gesetzes. Der Heiland habe einige Gesetze aus ihrem wahrnehmbaren und sichtbaren in ihren geistigen und unsichtbaren Zustand „aufgehoben“ (5,2; 6,4). Der Abschnitt wirkt auf dem ersten Blick einheitlicher, als er eigentlich ist. Zum einen greift Ptolemäus auf die jüdischen Traditionen spiritueller Deutung von Opfer, Beschneidung, Schabbat und Fasten zurück, wie sie im hellenistischen Judentum von Philo von Alexandrien bezeugt ist. So kann Philo ganz ähnlich zu Ptolemäus 5,10 sagen: „An Opfern […] hat Gott kein Freude, [..] denn ihm gehört ja alles, und da er alles besitzt, bedarf er nichts; er erfreut sich nur an frommer Gesinnung und an Männern, die einen frommen Lebenswandel führen: von ihnen nimmt er Opferkuchen und Gerste und die schlichtesten Gaben wie sehr wertvolle gern entgegen, lieber noch als die kostbarsten und wenn sie auch sonst nichts bringen und nur sich bringen als die vollendete Erfüllung der Gebote der Tugend, bringen sie das beste Opfer dar, wenn sie mit Gesängen und dankbaren Huldigungen Gott als ihren Wohltäter und Retter ehren…“86

Die die natürliche Beschneidung überbietende Herzensbeschneidung ist bereits biblisch.87 Philo weist darüber hinaus darauf hin, dass wir Lust, Begierde und gottlosen Wahn entfernen müssen.88 Und wenn Ptolemäus als symbolische Deutung des Schabbats festhält, dass „wir von den Schlechten Werken ruhen sollen“ (Ptol. ep. 5.11), so erinnert das an Philos Festtheorie, nach der „das Gesetz eigentlich jeden Tag als Fest bezüglich des tadellosen Lebens heiliger Menschen im Einklang mit der Natur und allen ihren Anordnungen, bezeichnet.“89 Die Ausführungen zum Fasten (5,13 f) unterscheiden sich von den vorangehenden nicht nur in der Länge. Beim Fasten gebe es zum einen eine „geistliche Ebene“, die die Enthaltsamkeit von allem Schlechten sei (1stim !powµ p\mtym t_m va}kym, 5,13). Zum anderen werde aber auch ein „sichtbares“ (jat± t¹ vaim|lemom) Fasten, das freilich weder auf Grund von Nachahmung, noch Gewohnheit, noch auf Grund der Beachtung bestimmter 86 Philo spec. 1.271 f; vgl. plant. 126; her. 14 f u. ö. Vgl. Ptol. ep. 5,10: „Unser Heiland ordnete an Opfergaben zu bringen, aber nicht die durch unvernünftige Lebewesen oder Rauchwerk, sondern durch geistliches Lob und Ruhm und Dankbarkeit und durch die Gemeinschaft und Wohltätigkeit am Nächsten“. 87 Ptol. ep. 5,11: „Und er will, dass wir beschnitten werden mit einer Beschneidung, aber nicht der leiblichen Vorhaut, sondern des geistlichen Herzens.“ 88 Dtn 10,16; 30,6 u. ö.; Vgl. Philo spec. I.304 f; migr. 92: „Die Beschneidung weist darauf hin, dass wir alle Lust und Begierde aus uns herausschneiden sollen und gottlosen Wahn entfernen müssen.“ 89 Philo spec. 2.42. An anderen Stellen verweist der Schabbat nach Philo auf die „Macht des Ungeschaffenen“ (migr. 91) und auf die Erinnerung an den „unsichtbar alles Erhaltenden“ (her. 170) hin.

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Tage geschehe, sondern in vorwegnehmender „Erinnerung“ (!m\lmgsir) an das wahre Fasten (5,14).90 Diese doppelte Dimension eines geistlichen und sichtbaren Fastens passt nicht ganz zur Zusammenfassung der hermeneutischen Theorie im sechsten Kapitel. Denn hier spricht Ptolemäus von genereller Transformation all dessen, was „bildlich für das Ausschlaggebende als Gesetz erlassen wurde“ ( jat’ eQj|ma t_m diaveq|mtym memolohetgl]mom, 6,4) und von der „somatischen“ auf die „geistliche“ Ebene in der offenbarungsgeschichtlichen Epochenwende gehoben ist: (6,5) „Denn die Bilder und die Symbole, die auf andere Handlungen hinweisen können, waren gut, bis die Wahrheit erschienen war. Seit aber die Wahrheit erschienen ist, muss man die Dinge der Wahrheit tun, nicht die des Bildes.“91

Seine Bildtheorie92 scheint Ptolemäus auch nicht der jüdisch-hellenistischen Tradition zu entnehmen, obgleich hier wie gezeigt sowohl inhaltlich als auch formal eine solche Auslegungstradition bestand.93 Vielmehr entwickelt er seine Bildtheorie im Anschluss an 1 Kor 5,7. Mit Paulus setzt Ptolemäus das Pessach mit Christus gleich und mit Paulus schließt er daraus auf einen Heiligkeitsstatus der Gemeinde (5,15; 6,6).94 Überhaupt führt Ptolemäus die gesamte Gesetzesdihärese auf Paulus zurück, indem er auf die unterschiedlichen ,paulinischen‘ Aussagen zum Gesetz in Eph 2,15 und Röm 7,12 verweist. Damit sind die Ausführungen zum Wesen des biblischen Gesetzes abgeschlossen (7,1). Aber Ptolemäus fügt noch Überlegungen zur Identität des gesetzgebenden Gottes an. Wie Winrich Lçhr und Christoph Markschies bereits gesehen haben, greift Ptolemäus dabei auf Überlegungen des zeitgenössischen Mittelplatonismus zurück.95 Auch Mittelplatoniker sind überzeugt, dass die höchsten Stufen der Gotteserkenntnis erst nach entspre90 Philo spec. I.186: Philos Erklärungen für den Namen „Fasten“ für den Versöhnungstag führen ebenso drei gezählte Gründe auf (spec. II.192 – 199): „Der Name ,Fasten‘ erkläre sich einmal als Verweis auf die Notwendigkeit der Selbstbeherrschung (1cjq\teia), zum zweiten durch das den Tag prägende Bitten und Flehen, zum dritten durch die mit dem Tag zur Zeit der Ernte verbundenen Erinnerung, dass die Quellen des Lebens nicht in den aufgespeicherten Vorräten sondern in Gott liegen und schließlich ungezählt, aus der Erinnerung an göttliche Versorgung in der Wüstenzeit.“ An anderer Stelle (spec. I.186) spricht Philo von einem Wettkampf um „Enthaltsamkeit und Tugend“ (1cjq\teia ja· !qet¶) an diesem Tag. 91 Vgl. Gal 3,23 – 26. 92 jat’ eQj|ma: Ptol. ep. 5.2.4.6,4; vgl. 5,6.15; 6,6; 7,7 vgl. auch eQj|mer ja· s}lboka 5,9; 6,5 ; t¹ tupijºm 5,2.8 93 So die bei Philo in migr. 89 – 92 zitierten radikalen jüdischen Allegoristen, die Philo als „einige, die die im Gesetz gesagten Dinge als geistig Symbole geistlicher Handlungen auffassen“ (timer oT to»r Ngto»r m|lour s}lboka mogt_m pqacl\tym rpokalb\momter; migr. 89) charakterisiert. 94 Justin, der die Gleichsetzung ebenfalls kennt (dial. 41,1; 72,1; 111,3), deutet die Gleichsetzung dagegen offenbarungstheologisch als Hinweis auf das Christusereignis im Alten Testament und zieht dazu eine Reihe weiterer typologischer Deutungen, Ex 12,7 – 21 und ein apokryphes Esrazitat heran. 95 Lçhr, La doctrine, 184 – 189; Markschies, New Research, 239 – 246; Ders., Die valentianische Gnosis, 165 – 167.

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chender philosophischer Vorbildung erklommen werden können.96 Nachdem sie die Unterscheidungen im Gesetz verstanden hat, ist Flora selbst in der Lage die notwendigen logischen Schlüsse zu ziehen (7,2). Im Anschluss an Timaios 28c (7,4) gibt Ptolemäus aber noch einige Hinweise.97 Das bei Plato rätselhaft bleibende Verhältnis von Schöpfer (dgliouqcºr) und transzendentem Guten/Einen98 wird im Mittelplatonismus mit verschiedenen Modellen diskutiert. Numenios von Apameia (2. Jh. n. Chr.) unterscheidet wie Ptolemäus den pq_tor heºr von einem de¼teqor heºr, den er zugleich den Schöpfer der Welt, poigt¶r und dgliouqcºr, nennt.99 Dieser nach der Idee des Guten schaffende Demiurg nimmt bei Numenios die Mittelposition zwischen dem ersten Gott und weiteren Göttern ein.100 Und auch was Ptolemäus Flora als weitere Lern- und Erkenntnisinhalte andeutet, enthält Mittelplatonisches.101 Allerdings verwendet Ptolemäus die mittelplatonische Begrifflichkeit eigenständig. Bei ihm nimmt der Demiurg eine Mittelposition zwischen dem vollkommenen guten Gott und seinem Gegenteil ein. Er ist einerseits „weder gut noch schlecht“, anderseits aber jedenfalls „gerecht“ (d_jaior) und ein „Lenker der ihm entsprechenden Gerechtigkeit“.102 Das Konzept ist allerdings nicht ganz einheitlich durchgeführt. Nach Ptol. ep. 7,3 hat man den Eindruck, der Demiurg sei der einzige Gesetzgeber, was 5,3 widerspricht, wo der Dekalog b toO heoO m|lor, b jahaq¹r ja· !s}lpkojor t` we_qomi genannt wird.103 Und auffällig ist auch, dass alle mittelplatonisch gefärbten Überlegungen, die zur Beantwortung der Frage führen sollen, „wie 96 Numenios von Apameia Fragment 17 (des Places) = Euseb. Praep. Ev. 11,18,18,22 – 23: Die normalen Menschen, die nur die geschaffenen Dinge und deren Schöpfer erkennen können, sehen noch nicht die erste Vernunft, das Seiende selbst. Vgl. Heinrich Dçrrie, Matthias Baltes, Christian Pietsch, Lehre des Platonismus 7,1, Nr. 189.4 und S. 361. 97 Siehe oben Anm. 337. Bevor in Platos Timaios die Gotteserkenntnis aus dem gewordenen Sein entwickelt wird, kreist das Gespräch um den idealen Staat einschließlich seiner idealen Gesetze (Timaios 17a–27b). Das neue Thema beginnt in 27c. Die These, dass der Urheber und Vater dieses Weltalls schwer aufzufinden und allen zu verkünden unmöglich sei, ist somit der Ausgangspunkt der ganzen Weltschöpfungslehre, die der Frage nach dem idealen Staat einschließlich seiner idealen Gesetze folgt. Mit seinen Ausführungen folgt Ptolemäus im Grunde der Struktur des Timaios. 98 Plato, Timaios 28a; 29a; vgl. auch Dçrrie/ Baltes/ Pietsch, Lehre des Platonismus 7,1, 467 – 471. 99 Zum pq_tor heºr und de¼teqor heºr vgl. Numenios Fragment 11 (Dçrrie/ Baltes/ Pietsch, Lehre des Platonismus 7,1, 197.1) Fragment 12 (197.2) Fragment 15 (197.3) 16 (128.1). Der zweite Gott als Demiurg (Fragment 12 (1972); 16 (128,1); Fragment 18 (189.4); Fragment 21 (197,4). 100 Dçrrie/ Baltes/ Pietsch, Lehre des Platonimus 7,1, 467 – 499. Markschies, New Research, 242 führt den Begriff „Mittler“ auf die mittelplatonische Ethik bei Alkinoos, Didaskalikos 5 zurück. 101 Vgl. z. B. Maximos von Tyros, Or. 11 oder Apuleius, de mundo zu Gott als Licht, Gott als Anfang des ganzen Alls etc. 102 Ptol. ep. 7,5 vgl. 7,6 f; Vgl. auch 3,6: d¸jaior ja· lisopomgqºr; 3,7: b t/r dijaios}mgr he|r. 103 Jedenfalls ist der gesetzgebende Demiurg nicht der Heiland oder Sohn, wie Thomassen, Seed, 122 – 124 gegen Markschies, New Research, 140 – 144 zeigt.

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aus dem einfach ungezeugten unvergänglichen Guten die Naturen des Vergänglichen und Mittleren entstanden sind,“ als Bekenntnis- und Glaubensaussage bezeichnet werden (7,8). Maßstab und Hermeneutik aller Wahrheit ist für Ptolemäus einzig „die Lehre unseres Heilands (B toO syt/qor Bl_m didasjak_a)“: (9) „Denn du wirst, Gott gebe es, der Reihe nach sowohl den Anfang dieser und auch die Erzeugung kennenlernen, da du der apostolischen Überlieferung gewürdigt bist, die auch wir in rechtmäßiger Nachfolge empfangen haben, mit der man alle Worte durch die Lehre unseres Heilands prüft.“104

Die hermeneutische Regel entspricht seinem Vorgehen. Sowohl die Unterscheidung der drei Gesetzgeber als auch der drei Arten der Gesetze, die er im Alten Testament findet, unternimmt Ptolemäus mit Hilfe von Jesusworten. Die Worte des Heilands sind also der einzige und letztgültige Maßstab allen Prüfens (jamom_feim). Und obgleich Ptolemäus zum Teil das Matthäusevangelium zu zitieren scheint,105 ist der hier genannte Überlieferungsweg die ununterbrochene mündliche Überlieferungskette (1j diadow/r). In diese ist nun auch Flora als !nioul]mg t/r !postokij/r paqad|seyr eingetreten und sie wird dies mit entsprechenden Früchten ihrer Lehre kund tun (7,10).

Justin und Ptolemäus zur Autorität der Schrift(en) Ich hoffe, gezeigt zu haben, wie Justin und Ptolemäus die Fragen nach Alter und Wahrheit des Christusglaubens, Unfehlbarkeit des göttlichen Wortes, Gültigkeit des göttlichen Gesetzes, Verhältnisses von Sinai- und Christusoffenbarung und nach der Rolle und Form der Jesusüberlieferung in Bezug auf die Schriften des Mose und der Propheten diskutieren. Beide beschreiben so den Diskussionsraum, der sich Mitte des 2. Jh. in Rom entspannte.106 Systematische Differenzen ergaben sich in Bezug auf die Form und die konkreten Inhalte der Jesusüberlieferung, der Autorität zugemessen werden soll. Für Ptolemäus ist der entscheidende hermeneutische Maßstab das Wort des Heilands, das er in einer mündlichen Überlieferungskette erhalten hat. Hermeneutischer Maßstab für Justin ist dagegen die mit elaborierter Methodik (vgl. 1 apol. 36,1 – 3; dial. 114,1) entdeckte typologische Übereinstimmung zwischen Septuaginta und Christuserzählung, die er anscheinend schriftlichen Erinnerungen der Apostel (t± !polmglome}lata t_m !po104 Ptol. ep. 7,9 „Lah^s, c\q, heoO did|mtor, 2n/r ja· t/m to}tym !qw^m te ja· c]mmgsim, !nioul]mg t/r !postokij/r paqad|seyr, Dm 1j diadow/r ja· Ble?r paqeik^valem, let± ja· toO jamom_sai p\mtar to»r k|cour t0 toO syt/qor Bl_m didasjak_ô.“ 105 Vgl. aber oben Anm. 72 zu Pt. Ep. 3,5. 106 Iren. haer. 4.13.1; 15,1 – 2 bietet so etwas wie eine Synthese beider Ansätze.

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st|kym) entnimmt.107 Während Justin sein ,heilsgeschichtliches‘ Modell systematisch mit dem Gedanken der Bestrafung und ,Enterbung‘ des Judentums verbindet, kommt Ptolemäus ohne dieses Ablösungsmodell aus.108 Aber auch er vertritt ein ,heilsgeschichtliches‘ Modell, wenn die Worte des Heilands das biblische Gesetz zum Teil vervollkommnen, zum Teil aufheben und zum Teil vom somatischen in einen geistigen Zustand versetzen (Ptol. ep. 5,1 f), auch wenn diese Theorie nicht stringent durchgeführt ist. Trotz aller Differenzen gibt es gemeinsame Auslegungstraditionen. Beide vertreten eine Art falsche-Perikopen-Theorie: Justin, indem er behauptet, die Juden hätten den ursprünglichen griechischen Bibeltext verfälscht, verändert und durch Kürzungen manipuliert, Ptolemäus mit der These, das Gesetz enthalte auch Überlieferungen der Ältesten.109 Beide entdecken Widersprüche in der Schrift. Für Ptolemäus hat der Heiland die Gesetze, die dem Gerechtigkeitsanspruch Gottes nicht entsprechen, in den sogenannten Antithesen aufgehoben. Justin behauptet zwar in dial. 65,2 „die Schriften“ stünden grundsätzlich nicht gegeneinander im Widerspruch,110 aber er rekurriert andernorts auf die ebenfalls aus den Evangelien bekannten Widersprüche zwischen Schabbatruhe und Beschneidung am 8. Tag oder die Opferarbeiten der Jerusalemer Priester (dial. 27,5; 29,3).111 Beide partizipieren an jüdisch-hellenistischen Traditionen der allegorischen Schriftauslegung für Schabbat, Beschneidung, Opfer etc. Allerdings betrifft die durch diese Bestimmungen bezweckte Erinnerung an Gott und seine Gebote für 107 1 apol. 66,3; 67,3; dial. 100,4; 101,3; 102,5; 103,6.8; 104,1; 105,1.5 f; 106,1.3 f; 107,1 vgl. auch die Bemerkung in dial. 10,2, dass Trypho die Evangelien gelesen habe. 108 In dem möglicherweise Mt 15,4 – 9 entnommenen Jesuszitat Ptol. ep. 4.11 fehlt z. B. die Passage: Mt 15,7: rpojqita_, jak_r 1pqov^teusem peq· rl_m”. 109 Siehe zu Justin oben Anm. 31. Ptol. ep 4,11. 110 Dial. 65,2: „EQ l³m "pk_r ja· lµ let± jaj_ar to}tour to»r k|cour eQp½m 1s_cgsar, § Tq}vym, l^te to»r pq¹ aqt_m pqoeip½m l^te to»r 1pajokouhoOmtar sum\xar, succmyst¹r eW, eQ d³ w\qim toO mol_feim d}mashai eQr !poq_am 1lb\kkeim t¹m k|com, Vm’ eUpy 1mamt_ar eWmai t±r cqav±r !kk^kair, pepk\mgsai· oq c±q tokl^sy toOt| pote C 1mhulgh/mai C eQpe?m, !kk’ 1±m toia}tg tir dojoOsa eWmai cqavµ pqobkgh0, ja· pq|vasim 5w, ¢r 1mamt_a owsa, 1j pamt¹r pepeisl]mor fti oqdel_a cqavµ t0 2t]qô 1mamt_a 1st_m, aqt¹r lµ moe?m l÷kkom blokoc^sy t± eQqgl]ma, ja· to»r 1mamt_ar t±r cqav±r rpokalb\momtar t¹ aqt¹ vqome?m l÷kkom 1lo· pe?sai !cym_solai.“ „Wenn du, o Tryphon, arglos und ohne schlimme Absicht diese Worte zitiert hast und arglos und ohne schlimme Absicht auf Antwort wartest, so kann man dir verzeihen, daß du die dem Zitate vorhergehenden und ihm nachfolgenden Worte außer acht läßt; wenn du es aber tust, weil du meinst, mich wegen des Zitates in die Enge treiben zu können, und weil du willst, daß ich einen Widerspruch in der Schrift konstatiere, dann bist du auf Irrwegen. Nie werde ich nämlich wagen, solches zu denken oder zu behaupten. Vielmehr bin ich im Falle, daß mir eine Schriftstelle vorgelegt würde, welche dafür geeignet zu sein scheint, und von welcher man annehmen möchte, daß sie einer anderen widerspricht, durchaus überzeugt, daß keine Schriftstelle mit einer anderen in Widerspruch steht. In diesem Falle werde ich lieber behaupten, die Worte nicht zu verstehen, und werde mir alle Mühe geben, diejenigen für meine Anschauung zu gewinnen, welche einen Widerspruch in der Schrift annehmen“ (Übers. Hauser, BKV). 111 Vgl. Stylianopoulos, Jutin Martyr, 121 – 123; Anders von Campenhausen, Entstehung, 120.

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Justin (fast ausschließlich) die Juden (dial. 92,4 f u. ö.). Beide stellen ihre Position in Abgrenzung zu ihrer Meinung nach falschen Positionen dar, wobei Ptolemäus in dieser Abgrenzung den gesetzgebenden Demiurgen als Mittelfigur zwischen Gott und seinem Widersacher zu etablieren sucht, während Justin seine heilsgeschichtliche Schrifthermeneutik mit Enterbung der Erstadressaten erreicht. Für beide gibt es schließlich hinter der durch das Christusereignis bzw. die Worte des Erlösers geschehenen Transformation des Gesetzes einen ewig gültigen Teil. Justin lässt allerdings sein Verhältnis zum offenbarten Gesetz offen, wogegen Ptolemäus auf die biblische Tradition des direkt von Gott verkündeten Dekalogs zurückgreift. Schließlich schreiben sich beide in ihren Ausführungen in zeitgenössische Diskussionen des Mittelplatonismus ein. Justin indem er das Christentum als eine den Platonismus in Gotteserkenntnis überbietende Offenbarungslehre darstellt (dial. 2,6 – 8,2), Ptolemäus indem er von den unterschiedlichen ,Naturen‘ des Gesetzes auf die verschiedenen Wesenheiten der göttlichen Welt zurück schließt (Ptol. ep. 3; 7). Dies scheint mir der mindestens ebenso zentrale Impuls ihrer Ausführungen zu sein, wie die Kritik einer Ablehnung des Alten Testaments durch Markion.112 Und zugleich ergibt sich hier vielleicht auch ihr größter Dissens. Justins Thesen, dass Mose einheitlicher und damit wahrer und vor allem älter sei, als alle Philosophien und dass Plato die zentralen Teile seiner Lehre, nicht zuletzt den Weltschöpfungsmythos des Timaios, bei Mose gelesen (aber eben nicht ganz verstanden) habe, gibt Justins Christentum nicht nur den eigentlich fehlenden Altersbeweis.113 Justin behauptet auch den Gott des Christentums als höchsten und allein existierenden Gott. Diese These ist, wie Arthur Droge gezeigt hat, eine eminent politische im 2. Jh.114 Zwar tendieren alle Philosophien zur Annahme eines höchsten Gottes, aber zugleich ist man auch bestrebt, die verschiedenen Götter der Völker und Religionen in einem „weichen Monotheismus“115 in einen hierarchisch geordneten Götterkosmos einzuordnen. Dem Platonismus des 2. Jh. gelingt dies durch seine Dämonologie oder Demiurgologie, die die vielen Götter und Religionen der verschiedenen Völker im römischen Reich zu integrieren vermag. Häufig gebraucht wird dabei ein politisches Bild: „Stell dir eine große Herrschaft und ein mächtiges Königreich vor, wo sich alles gerne einzig der Seele des besten und erhabenen Königs beugt; Grenzen dieses Reiches aber 112 Die explizite Kritik an Markion (u. a. Valentianer, Basilidianer und „Satorrnilianer“) bleibt im Dialog allgemein. Sie „lästerten den Schöpfer des Alls, den Got Abrahams, Isaak und Jakob und den von ihnen prophezeiten kommenden Christus.“ (dial. 35,6 f). In der Apologie lautet die Kritik: Markion halte einen anderen für größer als den dgliouqºr heºr (apol. 26,5; 58,1). Siehe hierzu im Folgenden. 113 Vgl. 1 apol. 59 – 60; dial. 2,1 f. u. ö. 114 Vgl. Droge, Self-definition, 230 – 244. 115 John Dillon, Monotheism, 69.

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wären […] der Himmel oben, die Erde unten; […]. Der große König selbst aber sei unbewegt wie das Gesetz und gewähre dem Gehorchenden Sicherheit, die in ihm gründet, und er habe als Teil seiner Herrschaft viele sichtbare Götter, aber auch viele unsichtbare, und die einen seien in seinen Vorsälen versammelt wie Hofbeamte und ewige Verwandte des Königs als seine Tisch- und Hausgenossen, die anderen aber deren Diener, weitere aber von noch geringerem Rang als diese. Hier siehst du die Rangordnung und Weitergabe der Herrschaft, wie sie von Gott bis zur Erde herabwirkt.“116

Justin bricht mit diesem Modell. Und Origenes liest bei Celsus die neuplatonische Replik.117 Ptolemäus aber schreibt sich in diesen interkulturellen Verständigungsdiskurs ein. Sein höchster Gott steht jenseits partikularer Einzelgesetze und repräsentiert das höchste, vollkommene oder jedenfalls vom Heiland vervollkommnete Gesetz. Alle anderen Gesetze bleiben das Werk des Demiurgen, zwar partikular aber, soweit auch sie Gerechtigkeit repräsentieren, bis zum Erscheinen eines besseren tolerabel.

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Angela Standhartinger

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Ptolemaeus und Justin zur Autorität der Schrift

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III. Zu frühchristlichen Traditionen im zweiten Jahrhundert

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James D. G. Dunn

2 Clement and the Jesus Tradition

The fact that second century Christian writers show familiarity with Jesus tradition has fascinated scholarship at least since the 19th century.1 In the period when the dominant concern was to uncover the written sources of the Gospels, it was natural to think of the Apostolic Fathers’ knowledge and use of Jesus tradition in terms of their knowledge of and dependence on one or more of the Gospels, Matthew being the obvious case.2 The possibility of dependence on oral versions of Jesus tradition seems to have been regarded as an undesirable conclusion to draw, presumably because oral tradition was regarded as essentially less reliable (and therefore less demonstrably ‘authentic’?) than the relative fixity of written tradition. J. B. Lightfoot, for example, in his commentary on 1 Clem. 13.2, observes that ‘as Clement’s quotations are often very loose, we need not go beyond the Canonical Gospels for the source of this passage. … The hypothesis therefore, that Clement derived the saying from oral tradition or from some lost Gospel, is not needed’.3 The attitude was hardly qualified when the question of knowledge of the written NT Gospels was broadened to include the issue of the second source for Matthew and Luke, Q, since the general assumption was that Q was itself a document.4 This despite the fact that about half of the shared material in Matthew and Luke is very varied in verbal detail and suggests the likelihood that much of the ‘Q’ material was in oral form.5 The interest was rather in the 1 See particularly Oxford Society of Historical Theology, The New Testament in the Apostolic Fathers (Oxford: Clarendon, 1905) = NTAF; H. Koester, Synoptische Überlieferung bei den apostolischen Vätern (Berlin: Akademie-Verlag, 1957); D. Wenham, ed., Gospel Perspectives. Vol. 5. The Jesus Tradition Outside the Gospels (Sheffield: JSOT, 1984); A. Gregory & C. Tuckett, eds., The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers, and Trajectories through the New Testament and the Apostolic Fathers (Oxford: Clarendon, 2005). 2 Classically exemplified by E. Massaux, The Influence of the Gospel of Saint Matthew on Christian Literature before Saint Irenaeus (1950; ET 3 vols. Macon, GA: Mercer University, 1990). 3 J. B. Lightfoot, The Apostolic Fathers. Part 1. S. Clement of Rome. Vol. 2 (London: Macmillan, 1890) 52. D. A. Hagner, The Use of the Old and New Testaments in Clement of Rome (NovTSupp 34; Leiden: Brill, 1973) refers to those who argued for dependence on a written source (148 – 9). 4 However, B. H. Streeter, The Four Gospels: A Study of Origins (London: Macmillan, 1924) cautioned against studying the Synoptic Problem ‘merely as a problem of literary criticism’ (229). 5 As I have pointed out more than once – particularly Altering the Default Setting: Re-envisaging the Early Transmission of the Jesus Tradition, NTS 49 (2003) 139 – 75; and Reappreciating the Oral Jesus Tradition, SEA 74 (2009) 1 – 17.

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possibility of the Apostolic Fathers demonstrating the existence of a Q document, the literary mind-set assuming as its default setting that when we refer to Jesus tradition we are referring to written tradition. Helmut Koester, however, shifted the debate by emphasizing that the Jesus tradition existed in oral streams (‘free tradition’) well into the second century, and by repeatedly warning against the assumption of a purely literary and linear development of the Jesus tradition.6 And since then there has been a growing readiness to recognize the likelihood that many, probably most of the early second century quotations of or allusions to Jesus tradition are best explained as attesting a still well-known, much used and living oral tradition of Jesus’ teaching.7 The issues, of course, are not simply about written versus oral forms of the Jesus tradition. They include the question of how well established were the NT/ canonical Gospels; were they indeed well-known and regarded as authoritative prior, say to Justin Martyr or Irenaeus? The question has been given sharper relevance by the currently popular assertion that there were other forms of Jesus tradition, attested by other (apocryphal) Gospels, which are as ancient and as ‘authentic’ as the canonical Jesus tradition.8 Again, when did the term ‘gospel’ become a reference to a written Gospel? And when did these Gospels (or any Gospels) come to be regarded as scripture, equivalent in status and authority to the Law, the Prophets and the Writings which made up the Hebrew Bible and the LXX? 2 Clement is a particularly appropriate site for a ‘test-dig’ into the data to explore such issues, since, as we shall see, it has material of relevance to all the questions just mentioned. Its inclusion in the Apostolic Fathers and date sometime about the middle of the second century9 also makes it an important sample of second century Christian attitudes. And since the honoree for this volume is the author of the most important and recent commentary on 2 Clement, it is a particular pleasure to be able to contribute in this way to his Festschrift, as an expression of respect and friendship. Happy birthday, Willi.

6 Synoptische Überlieferung; also Written Gospels or Oral Traditions?, JBL 113 (1994) 293 – 7. 7 See particularly D. A. Hagner, The Sayings of Jesus in the Apostolic Fathers and Justin Martyr, in Wenham, ed., Jesus Tradition 233 – 68; Gregory & Tuckett, eds., Trajectories, Part II. Gospel and Gospel Traditions in the Second Century, 27 – 68. 8 The most recent and forthright attempt to address this question is C. E. Hill, Who Chose the Gospels? Probing the Great Gospel Conspiracy (Oxford University, 2010). 9 See particularly W. Pratscher, Der zweite Clemensbrief (KAV 3; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007) on this (62 – 4) and other introductory matters.

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2 Clement and the Jesus Tradition

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I On the issue of 2 Clement’s dependence on oral or written Jesus tradition, a comparison with 1 Clement may provide some illumination. Discussion of 1 Clement naturally focuses on two passages10 – 1 Clem. 13.2 and 46.811 – each quoting a sequence of Jesus’ words: ‘Remember the words of the Lord Jesus, for he said:’ i) 1 Clement 13.2

Polycarp, Phil. 2.3

1. Show mercy, that you may be shown mercy ;

Matt. 5.7; cf. 18.33

Blessed are those who 3. Show mercy that show mercy, for they you may be shown will be shown mercy. mercy ;

2. forgive,

Mark11.25; cf.Matt.6.12, 14; 18.35; Luke 6.37c

Forgive if you have 2. Forgive anything against anyone, that the Father … and it will be formay also forgive you . given you; ..

that it may be forgiven you.

3. As you do, so it will Matt. 7.12/ be done to you; Luke 6.31

(Everything, as much) as you wish that people would do for you, thus you also do to them.

4. as you give, so it will Luke 6.38a be given to you;

Give, and it will be given to you.

5. as you judge, so you Matt.7.2a/ will be judged; Luke 6.37a

With what judgment 1. Do not judge, lest you judge, you will be you be judged; judged.

6. As you show kind- Cf. Luke ness, so will kindness 6.35c be show to you;

He is kind to the ungrateful and the wicked.

10 So NTAF 58 – 62; Koester, Synoptische Überlieferung 12 – 19; Hagner, Use 135 – 64. 11 For other possible allusions to Jesus tradition in 1 Clement (particularly 24.5 and 15.2) see Massaux, Influence 1.12 – 32; Hagner, Use 164 – 71; A. F. Gregory, 1 Clement and the Writings that later formed the New Testament, in Gregory & Tuckett, eds., Reception 129 – 57, (‘The Synoptic Gospels’ 131 – 9) 137 – 9.

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(Continued) 7. With what measure Matt.7.2b/ you measure, by the Mark4.24/ same measure it will Luke6.38b be measured to you.

With what measure you measure, it will be measured to you.

4. With what measure you measure, it will be measured to you in return.

Since all seven of the sayings quoted in 1 Clem. 13.2 have some degree of parallel with Luke 6.31, 36 – 38 (four of the seven sayings have parallels in Matthew), it is possible to imagine Clement with a copy of Luke to hand, or recalling what he had heard and retained from readings of Luke’s Sermon on the Plain (or Matthew’s Sermon on the Mount). But, apart from no.7, the wording is not particularly close to that of Matthew or Luke, and the ordering of the seven units hardly suggests their derivation from one or other of the written Gospels. In fact, hardly anything suggests a literary dependency. A more plausible explanation is that Clement was familiar with one of the no doubt many varied groupings of Jesus’ teaching, perhaps one he had put together himself, for preaching or teaching purposes, on the theme of ‘As you … so to you’.12 1 Clem. 13.2, in other words, provides a very good example of how oral Jesus tradition could be, and no doubt was put together in different combinations, with format adapted to a particular teaching emphasis or theme.13 Polycarp, Phil. 2.3 is very similar to 1 Clem. 13.2, with four of the same sayings introduced by a similar call to remember what the Lord said in his teaching. This suggests to some that Polycarp knew 1 Clement and was directly dependent on 1 Clem. 13.2.14 But the variation in order of the sayings points 12 Massaux concludes that Clement drew from a ‘catechism’ whose author was inspired by Matthew (Influence 1.12). See Hagner’s full discussion (Use 135 – 51, especially 137 – 8); ‘The form of the citation is eminently suitable for material designed to be handed down by memory’ (151); also Sayings of Jesus, 238 – ‘The emphasis here, as in 13.2, on “remembering” is particularly suitable for material derived from oral tradition’ (238, noting also Acts 20.35). ‘Clement does not yet quote the text of a Gospel literally, because he feels bound up with the teaching of Jesus through the living oral tradition’ – M. Hengel, The Four Gospels and the One Gospel of Jesus Christ (London: SCM, 2000) 128 – 30. See also W.-D. Kçhler, Die Rezeption des Matthäusevangeliums in der Zeit vor Irenäus (WUNT 2.24; Tübingen: Mohr Siebeck, 1987) 67 – 71; H. E. Lona, Der erste Clemensbrief (KAT 2; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998) 215, with further bibliography. 13 Gregory reviews recent discussion and notes that the majority opinion is that 1 Clem. 13.2 is evidence of ‘a pre- rather than a post-synoptic collection of sayings ascribed to Jesus‘ (‘1 Clement‘ 133), that is, pre-synoptic oral tradition; see also his The Reception of Luke and Acts in the Period before Irenaeus (WUNT 2.169; Tübingen: Mohr Siebeck, 2003) 125 – 9. 14 Notably Lightfoot, Apostolic Fathers 1.2.52; Koester, Synoptische Überlieferung 117 – 8. J. B. Bauer, Die Polykarpbriefe (KAV 5; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995) gives a full list of the Polycarp passages which have suggested his use of 1 Clement (28 – 30). The word for word parallel of 1 Clem. 13.2 in Clement of Alexandria, Stromateis II.18.91 (see NTAF 59) can be confidently explained as Clement of Alexandria drawing directly from the earlier Clement (Hagner, Use 140 – 6).

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2 Clement and the Jesus Tradition

rather to a familiar grouping of Jesus’ teaching in the preaching and teaching of the churches concerned.15 ii) 1 Clement 46.8 1 Clement 46.8

Matt. 18.7, 6

Woe to that person!

7 Woe to the person through whom the cause of stumbling comes.

Mark 14.21; 9.42

14.21 Woe to that person through whom the Son of It would Man is betrayed. It have been good for were good for him him if he had not if that person had been born not been born. 6 Whoever causes 9.42 Whoever one of these little causes one of these than cause one of ones who believe in little ones who bemy elect to stum- me to stumble, it lieve to stumble it ble. It would have would be an adwould have been been better for him vantage for him good for him rather to have a millstone that a heavy mill- if a heavy millstone stone were hung put around him were placed round and be round his neck and his neck and he had drowned into the he were drowned in been cast into the the depths of the sea sea. than to pervert one sea. of my elect.

Luke 17.1, 2 . . . woe through whom it comes

It would be to his advantage if a stone from a mill were placed round his neck and he had been thrown into the sea than that he caused one of these little ones to stumble.

1 Clem. 46.8 shows clear familiarity with a theme of Jesus’ teaching attested in all three Synoptics. Again the variation of wording makes it less likely that Clement was quoting any written Gospel as such.16 The probability is rather that a warning given by Jesus (more than once?) against causing a disciple to stumble, using the fearful imagery of drowning under the weight of a millstone, was remembered and cited quite widely in early Christian exhortation with the slight variations typical of orally used and transmitted

15 Massaux, Influence 2.29 – 30. The variations in Polycarp are ‘more easily explainable as variations in the development of oral tradition than as Polycarp’s poor attempt at recalling Clement’s citation’ (Hagner, Use 151; also ‘Sayings of Jesus’ 235 – 6); similarly Kçhler, Rezeption 108. See also M. W. Holmes, Polycarp’s Letter to the Philippians and the Writings that later Formed the New Testament, in Gregory & Tuckett, eds., Reception 187 – 227 (here 190 – 3). 16 Pace Massaux, Influence 1.22 – 4, who in general assumes too readily that parallels and allusions are to be explained only in terms of literary dependence.

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tradition.17 The drawing in of a phrase (‘better that he had not been born’), more familiar in the tradition in reference to Judas (Mark 14.21), is the sort of interactive or allusive variation that one could expect in oral tradition.18 We can conclude, therefore, with Koester, that ‘1 Clement never refers to a written Gospel. … the author of 1 Clement makes use of none of our Synoptic Gospels’.19 But it is equally clear that Jesus tradition, as attested in the Synoptic tradition, was well known in different groupings and valued as integral to Christian catechesis and paraenesis.

II Most of 2 Clement’s quotations of Jesus tradition are introduced in a way similar to that of 1 Clement, that is, with the introductory phrase, ‘the Lord says‘:20 2 Clem. 3.2

Matt. 10.32/(Luke 12.8)

He himself says, ‘The one who confesses Everyone who confesses (in) me in front me before men, I will confess him before of men, I will confess (in) him in front of my Father’. my Father who is in heaven.

2 Clem. 4.2

Matt. 7.21; cf. Luke 6.46

(The Lord) says, ‘Not everyone who says Not everyone who says to me, ‘Lord, to me, “Lord, Lord” will be saved, but Lord’, will enter into the kingdom of only he who does righteousness’. heaven, but only he who does the will of my Father who is in heaven.

2 Clem. 5.2

Luke 10.3/Matt. 10.16

The Lord says, ‘You will be like sheep in Behold, I am sending you like sheep the midst of wolves’. in the midst of wolves.

17 See further Hagner, Use 162 – 3; Kçhler, Rezeption 63 – 4; Gregory, 1 Clement 135 – 7; Lona, Clemensbrief 498. 18 Koester, Synoptische Überlieferung 19. Hermas, Vis. 23(IV.2). 6 shows that the words used of Judas were applied more broadly (see further Hagner, Use 156 – 9). 19 Synoptische Überlieferung 23. Kçhler leaves open the question of 1 Clement’s use of Matthew – in no way clearly demonstrable, but not to be excluded (Rezeption 72). 20 C. M. Tuckett in A. F. Gregory & C. M. Tuckett, 2 Clement and the Writings that later formed the New Testament, in Gregory & Tuckett, eds., Reception 251 – 92, reviews other possible allusions to or dependence on Synoptic tradition (256, 273 – 6).

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2 Clement and the Jesus Tradition 2 Clem. 6.1

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Luke 16.13/Matt. 6.24

The Lord says, ‘No house slave can serve No house slave can serve as as the slave of two masters’. If we wish to the slave of two masters. … you cannot serve God and Mammon, it is disadserve God and Mammon. vantageous to us.

2 Clem. 6.2

Matt. 16.26 pars.

What is the advantage if someone gains What will a person be advantaged if he the whole world, but forfeits his soul? gains the whole world and forfeits his soul?

2 Clem. 9.11

Matt. 12.50/Mark 3.35

The Lord said, ‘My brothers are these who do the will of my Father’.

Whoever does the will of my Father who is in heaven, he is my brother and sister and mother.

Is there evidence here of knowledge of or dependency on written Gospels? As we shall see, there is a parallel to the way 2 Clement introduces quotations from the OT, which could suggest that these quotations of Jesus tradition were also drawn from written material. But the quotations of the OTare mostly closer to the Greek translations of the Hebrew Bible than the quotations of Jesus tradition are to the texts of the NT Gospels.21 The quotations are sufficiently close to equivalent Synoptic versions for us to be confident that they are drawn from the same fountainhead. And in fact the 2 Clement quotations are closer to the Synoptic texts than those from 1 Clement. But the variations in 2 Clement are entirely similar to the variations between the Synoptic Gospels, which, in the case of the Synoptic Gospels, are better taken as indicating knowledge and use of Jesus tradition in oral form,22 though the matter is disputed.23 That is to 21 2 Clem. 14.2 refers to ‘the books and the apostles’. NTAF took this as a reference to the OT, 2 Clement’s Bible, and the apostolic writings, though perhaps, ‘he thought only of the sayings of the Lord in such narratives as the authoritative element’ (124). But the reference is probably to the books of the Jewish scriptures, and to the Jesus tradition generally as attributed to the apostles (see also Koester, Synoptische Überlieferung 67 – 9; K. P. Donfried, The Setting of Second Clement in Early Christianity (NovTSupp 38; Leiden: Brill, 1974) 93 – 5; Pratscher, zweite Clemensbrief 182 – 3). 22 See n. 5 above. 23 Koester maintains that 3.2, 4.2, 6.2 and 9.11 provide sufficient evidence that the quotations, and all the other Matthew-like quotations, stem from Matthew’s Gospel, and that Lukan redaction in 4.5, 5.4 and 9.11 similarly leads back to Luke’s Gospel; but he concludes finally that 2 Clement did not use Matthew and Luke directly, rather a written collection of the Lord’s words,

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say, 2 Clement either demonstrates that the oral tradition of Jesus’ sayings was still a major current resource for Christian catechesis and paraenesis.24 Alternatively, if 2 Clement’s sources included one or more of the Synoptic Gospels, the author continued to handle them with the same flexibility with which the Jesus tradition had always been handled from the first. In fact, passing on the teaching of the written Gospels was probably little different in style from the passing on of the oral Jesus tradition prior to its inscription. Second orality was little different from first orality. What conclusions on the oral/written issue can be drawn? One feature does immediately mark off the use of Jesus tradition by the Clements from the sort of use made earlier, by Paul and James in particular. For in the earlier usage there was no effort made, and, we may assume, no need felt to identify the teaching as having been given by Jesus.25 This, I have suggested, is because it had simply been absorbed into the life-blood of catechetical and paraenetic teaching of the earliest Christian assemblies. That the teaching included that of Jesus was probably taken for granted; the Spirit taught with the same voice. If so, then the two Clements may indicate that by the end of the first century and into the second, there had arisen a desire and felt need on the part of Christian leaders to identify as such the teaching which they attributed to Jesus. Such a desire might well have followed from the realization that the initial ear- and eye-witnesses of Jesus were no longer there to refer to.26 Or it may attest awareness that other teaching was being attributed to Jesus (Gospel of Thomas tradition?) so that the teaching which had derived from Jesus had to be affirmed and asserted as such. Otherwise, the most plausible deduction to draw from the use of Jesus tradition by the two Clements is that there is no clear difference visible between dependency on written tradition and dependency on oral tradition. Since the based on Matthew and Luke, but including apocryphal pieces and elaborations of Synoptic logia (Synoptische Überlieferung 109 – 10). Donfried concludes that seven out of the nine quotations he examines were based on independent non-canonical tradition, probably oral, though he agrees that 2.4 and 6.1 may have been dependent on Mark and Luke respectively (Second Clement 79). Kçhler thinks dependence on Matthew is probable in 3.2, 4.2, and 6.2; 9.11 is sufficiently explained as a free citation of Matt. 12.50 (Rezeption 131 – 5, 138). Not untypical of the whole discussion, Tuckett is too quick to infer from small variations which parallel Matthean and Lukan variations that 2 Clement presupposes their redactional activity and therefore their finished Gospels (‘2 Clement’ 260, 263, 266, 268, 270 – 1, 278 – 9; similarly Gregory, Reception of Luke 146 – 9); but the variations of the Jesus tradition in oral circulation and use should not be limited to Matthew’s and Luke’s as such. Pratscher leaves the question open – dependence on a canonical Gospel, on oral tradition, on a sayings collection, or on an apocryphal Gospel (zweite Clemensbrief 33 – 6). 24 Hagner presses the possibility of dependence on oral tradition (Sayings of Jesus 245 – 6); in contrast to Massaux, who remains confident that literary influence of Matthew can be detected (Influence 2.3 – 10). 25 I may refer to my Jesus Remembered (Grand Rapids: Eerdmans, 2003) 181 – 4. 26 Papias is evidence of such a sense of deprivation (Eusebius, HE 3.39.2 – 4).

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2 Clement and the Jesus Tradition

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four canonical Gospels had certainly been written by the time of 2 Clement, and were probably already widely known, as Justin, only a few years later(?), confirms,27 2 Clement’s use of Jesus tradition (as above) does not allow us to distinguish quotation of written material, knowledge of the same written material but at second hand or from earlier audition (second orality), and familiarity with oral tradition through repeated hearing and usage. Most of the discussion of early second century use of Jesus tradition is frustrating precisely because it cannot achieve a clear conclusion on the oral/written issue.

III Such a conclusion does not end the discussion so far as 2 Clement is concerned. But first we should note the authority which 2 Clement attributes to the Jesus tradition which he quotes. What is of interest here is the fact that 2 Clement introduces his quotations from the OT with a similar formula to his quotations from Jesus. Unlike the Shepherd of Hermas, for example, 2 Clement regularly draws in quotations from (Israel’s) scripture, and does so with introductory phrases like, ‘The scripture says’, ‘the Lord says’. • • • • • • • • • •

3.5 – ‘he/it also says in Isaiah’ (Isa. 29.13); 6.8 – ‘the scripture says in Ezekiel’ (Ezek. 14.14 – 20); 7.6 – ‘he/it says’ (Isa. 66.24); 11.2 – ‘the prophetic word also says’ (?; cf. 1 Clem. 23.3 – 4); 13.2 – ‘the Lord says’ (Isa. 52.5); 13.2 – ‘and again (he says)’ (?); 14.1 – ‘the scripture that says’ (Jer. 7.11); 14.2 – ‘the scripture says’ (Gen. 1.27); 15.3 – ‘God who says’ (Isa. 58.9); 17.4 – ‘the Lord says’ (Isa. 66.18).28

This seems to be Clement’s natural way to refer to his scriptures for authoritative ruling. So when we find that most of Clement’s quotations of Jesus tradition, as already cited, are introduced with introductory phrase, ‘the Lord says’, it is probably fair to infer that Clement regarded the teaching of Jesus as equally authoritative. Most interesting at this point is the quotation in 2 Clem. 2.4: 27 Justin Martyr clearly knew the Gospel in written form (Dial. 10.2; 100.1) and of more than one ‘Gospel’ (1 Apol. 66.3). He could assume that Trypho had ‘read what he our Saviour taught’ (18.1). From Justin we also learn that ‘the memoirs of the apostles’ were regarded as equally/ (equivalently?) suitable for readings at Sunday Christian gatherings as ‘the writings of the prophets’ (1 Apol. 67.3). 28 The heavy dependence on and influence of Isaiah is noteworthy. See further Donfried, Second Clement 49 – 56.

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2 Clem. 2.4

Mark 2.17 pars.

Another scripture says, ‘I came not to call the righteous, but sinners’.

I came not to call the righteous but sinners.

This follows a quotation from Isa. 54.1 (2 Clem. 2.1a) which is then expounded line by line (2.1b–3). So the quotation of Mark 2.17 pars. is ‘another scripture’ like the prophetic scripture of Isaiah. Here we can be bolder on the oral/written issue. For it is most unlikely that 2 Clement would refer to a saying of Jesus which he knew only through oral tradition as ‘scripture’ (= ‘writing’). The most obvious deduction is that 2 Clement refers to Jesus tradition not just transcribed in a written collection of Jesus’ teaching, but in a written form which had already achieved the authoritative and sanctified status of ‘scripture’.29 And the most obvious corollary is that Clement knew and was familiar with one or more of the NT Gospels.30

IV On the question, When did the term ‘gospel’ become a reference to a written Gospel?, 2 Clement again provides an interesting test-case in its use of the term ‘gospel’ in 2 Clem. 8.5, which begins, ‘The Lord says in the gospel . . .’. To answer the question most effectively we need to recall the early history of ‘gospel’ as a Christian term. It is immediately clear that the Christian coinage ‘gospel, good news’ (euangelion) goes back to Paul; 60 of its 76 occurrences in the NTappear in the Pauline corpus.31 Paul himself usually speaks of the ‘gospel’ without specifying its content. It is ‘the gospel of God’,32 and, more commonly ‘the gospel of 29 Koester, Synoptische Überlieferung 64 – 5, 71. Tuckett concludes that some dependence on Matthew (direct or indirect) is the most likely explanation of the text, since there is no other evidence that 2 Clement used Mark, and 2 Clem. 2.4 lacks the distinctive Lukan addition of the phrase ‘for repentance’ which Justin, 1 Apol. 15.8 does have (‘2 Clement’ 254 – 5). Contrast Donfried, who questions whether 2 Clement used ‘scripture’ in such a clear-cut way and concludes that the saying was probably drawn from a written collection of ‘community tradition’ (Second Clement 57 – 60, 79 – 81). 30 Cf. Kçhler, Rezeption 136. But Massaux is much too confident: ‘In any hypothesis, it must be acknowledged that 2 Clement depends on Mt.’ (Influence 2.5). 31 H. Koester, Ancient Christian Gospels: Their History and Development (London: SCM, 1990): ‘Most frequently he uses the term without a genitive as a technical term for both the action of the proclamation and for the content of the message. He presupposes that the content is understood and requires no further definition or explication. This use of the word in the absolute sense reflects a distinctively Christian development’ (5). 32 Rom. 1.1; 15.16; 2 Cor. 11.7; 1 Thess. 2.2, 8, 9; also 1 Pet. 4.17.

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Christ’.33 This latter phrase probably means ‘the good news about Christ’, including his Davidic descent (Rom. 1.1 – 3; 2 Tim. 2.8), his glory (2 Cor. 4.4), and particularly his death and resurrection.34 And especially in Galatians Paul vigorously defended his gospel as good news also for Gentiles.35 Does this imply that Paul did not think of Jesus tradition, the teaching of Jesus and stories about his pre-passion mission, as ‘gospel’ but limited the use of the term to the acts of Jesus decisive for salvation, particularly his death and resurrection? Such was a much favoured conclusion at the end of the nineteenth century : that Paul had turned the message of Jesus into a message about Jesus; that the good tidings of Jesus’ proclamation of the kingdom had been transformed into a message of redemption from sin. However, such a conclusion is by no means necessary. For one thing, it is likely that Paul’s usage was influenced by the then current reflection on Isa. 52.7 and Isa. 61.1 – 236 where the equivalent verb is prominent; Paul himself draws explicitly on Isa. 52.7 in a passage (Rom. 10.15) explaining his understanding of the gospel commission.37 Nor should it be regarded as a coincidence that Jesus was remembered as drawing on Isa. 61.1 – 2 to inform his own understanding of his mission;38 one of the most striking discoveries in the Dead Sea Scrolls was the remarkable parallel of 4Q521 to Matt. 11.5/Luke 7.22, both drawing on Isa. 61.1, in expectation that God’s messiah would preach good news to the poor.39 It is quite likely, then, that Paul’s use of the noun ‘gospel’ was influenced both by the Isaianic use of the equivalent verb and by an awareness that Jesus had been similarly influenced. The transition from ‘gospel’ = the good news of Jesus’ death and resurrection into ‘gospel’ = also the content of Jesus’ pre-passion mission (if ‘transition’ is the correct description) is already clear in the opening of Mark’s Gospel. Mark begins his Gospel with the words, ‘The beginning of the gospel of Jesus Christ (arche¯ tou euangeliou Ie¯sou Christou)’ (Mark 1.1). The implication is clear : that Mark was using the term euangelion to refer not only to the preaching of the cross,40 but to the whole account of Jesus’ mission and record of his preaching. It is not just that recollection of the Jesus tradition was complementary to the gospel as preached by Paul. The Jesus tradition here is itself euangelion. Particularly worthy of note is Mark 14.9: ‘Truly, I say to 33 Rom. 1.9; 15.19; 1 Cor. 9.12; 2 Cor. 2.12; 9.13; 10.14; Gal. 1.7; Phil. 1.27; 1 Thess. 3.2; 2 Thess. 1.8. 34 Rom. 1.4; 1 Cor. 1.23; 15.1 – 5; Gal. 3.1. 35 Gal. 1.6, 7, 11; 2.2, 5, 7, 14; also Rom. 1.16; 15.16; Eph. 3.6 36 Isa. 52.7 – Pss. Sol. 11.1; 11QMelch 2.15 – 24. Isa. 61.1 – 4Q521; 11QMelch 2.15 – 24. 37 See further my The Theology of Paul the Apostle (Grand Rapids: Eerdmans/ Edinburgh: T & T Clark, 1998) 164 – 9. 38 Not just Luke 4.16 – 21; but also Matt. 5.3 – 6/Luke 6.20 – 21; Matt. 11.5/Luke 7.22. 39 See further my Theology of Paul 168 n.22. 40 Martin K•hler, in a famous note, described the Gospels as ‘passion narratives with extended introductions’ – The So-Called Historical Jesus and the Historic Biblical Christ (1896; Philadelphia: Fortress, 1964) 80 n.11.

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you, wherever the gospel is proclaimed in the whole world, what she has done will be told in remembrance of her’ (copied by Matt. 26.13). This verse by itself is sufficient to confirm that in the circles where the Jesus tradition was known and cherished stories about Jesus and accounts of his preaching were thought of as part of the ‘gospel’.41 The Jesus tradition was itself regarded as euangelion. The significance of Mark 1.1 goes still further. For in this use of euangelion we probably see the start of the transition from ‘gospel’ as Jesus tradition, ‘details recounting the life and mission of Jesus’, to ‘Gospel’ as ‘a book dealing with the life and mission of Jesus’.42 Here euangelion begins to move from ‘content’ of a message, to the book which conveys the message. It is hardly clear that Mark himself consciously made this transition.43 But it must be significant that although the subsequent NT Gospels mostly avoid the term ‘gospel’ itself,44 they nevertheless follow the g/Gospel pattern set by Mark – ‘a passion narrative with an extended introduction’. It is Mark, then, who, whether intentionally or not, made the transition from ‘gospel’ to ‘Gospel’.45 In the second century there is a unclarity as to whether ‘gospel’ equals the preached message or a written Gospel, similar to the unclarity as to whether the Jesus tradition was known in oral or written form. This, of course, should occasion no surprise, since oral tradition and preached message are largely of a piece, as are written Jesus tradition and written Gospel. So it is also little surprise that the (probably) earlier references to ‘gospel’ are quite naturally read as references to the well known (oral) gospel.46 The earliest explicit references to euangelion as a book are in Justin’s Dialogue with Trypho, in which Trypho refers to ‘the commands given in what is called the Gospel (or, the so-called Gospel)’, which he had carefully read (10.2); and later on Justin 41 M. Hengel, Studies in the Gospel of Mark (London: SCM, 1985); also Four Gospels 92 – 4. I agree with A. Y. Collins, Mark (Hermeneia; Minneapolis: Fortress, 2007) on Mark 14.9: ‘It seems likely … that here the author of Mark refers to his own work as a “gospel”. … The usage … shows that no great distinction was made by this author, and probably his audiences, between an oral summary of the gospel and a written Gospel’ (644). 42 So in effect BDAG 403; Hengel, Studies in Mark 81 – 3; Four Gospels 90 – 2; see further L. E. Keck, ‘The Introduction to Mark’s Gospel’, NTS 12 (1966) 352 – 70 (358 – 60), and particularly R. Guelich, ‘The Gospel Genre, in P. Stuhlmacher, hrsg., Das Evangelium und die Evangelien (WUNT 28; Tübingen, Mohr Siebeck, 1983) 183 – 219 (here 204 – 16). See also R. A. Burridge, What are the Gospels? A Comparison with Graeco-Roman Biography (Grand Rapids: Eerdmans, 2 2004) 186 – 9; earlier discussion in Koester, Ancient Christian Gospels 24 – 9. 43 Koester expresses the most common view, that Mark does not designate his work as a ‘gospel‘ (Ancient Christian Gospels 12 – 14). 44 Neither Luke nor John use the term. 45 ‘The roots of the title of the Gospel are to be sought solely in Mark‘ (Hengel, Four Gospels 242, see also 63). Collins agrees: ‘It is likely that the practice of referring to the four works as “Gospels” ultimately derives from Mark’ (Mark 3); see also her full discussion of Mark’s genre (15 – 43). 46 Ignatius, Philad.8.2; 9.2; Smyrn. 7.2; Mart.Poly. 4; Did. 8.2; 11.3; 15.3 – 4. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus (EKK 1; 4 vols.; Düsseldorf: Benziger, 52002, 1990, 1997, 2002) however, regards the Didache passages as references to a book (1.249).

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refers to what had been recorded ‘in the Gospel’ (100.2). Note also his reference to the ‘memoirs (apomne¯moneumata)’ of the apostles ‘which are called Gospels (euangelia)’ (I Apol. 66.3). But we should also note in Aristides’ Apology the invitation to the king47 to read for himself in ‘what is called the holy gospel writing’ (15.1 Greek).48 What then does 2 Clem. 8.5 contribute to the question, When did ‘gospel’ = content of the message become ‘Gospel’ = written book? 2 Clem. 8.5

Luke 16.10

The Lord says in the gospel, ‘If you do not keep what is small, who will give you what is great? For I say to you that The one who is faithful in very little is the one who is faithful in very little is faithful also in much. faithful also in much’.

Does ‘gospel’ here refer to a written Gospel?49 The fact that the first half of the saying quoted has no parallel in any of the NT Gospels may well suggest that 2 Clement here is drawing on oral tradition.50 But it is also possible that the ‘gospel’ referred to is the Gospel of Luke, and that 2 Clement quotes an elaborated (orally elaborated) version of the Lukan text (second orality);51 the fact that 2 Clement has already quoted a Jesus saying whose closest parallel is Luke 16.13 (2 Clem. 6.1) may well indicate that a copy of Luke’s Gospel was close to hand or that the author had recently heard it being read from. And the fact that 2 Clement had already referred to a Synoptic saying of Jesus as ‘scripture’ (2.4) strengthens the likelihood that a written Gospel was in view. In short, the difficulty of determining the date of 2 Clement is probably reflected in the difficulty of deciding the reference of his use of the term ‘gospel’. For, as with the issue of 2 Clement’s use of Jesus tradition (oral or written?), so his use of ‘gospel’ (gospel or Gospel?) well reflects the transition period which was so characteristic of the first half of the second century.

47 Hadrian, Antoninus Pius? – so earlier than Justin? 48 In the Syriac (2.4) ‘the gospel’ is also referred to as recently preached among the Jews, but also as something which the king could read. Koester also points out that Marcion referred to his version of Luke as ‘the gospel’ (Ancient Christian Gospels 35 – 6). 49 NTAF suggests a ‘a single Evangelic source … a sort of combined recension of two or more of our Synoptists … an earlier local type of harmony than Tatian’s Diatessaron’ (125; but further 133), with 6.1 – 2 and 9.11 illustrating a possible fusion of Matthew and Luke (133 – 4). Koester, Synoptische Überlieferung 11, 17 – 18, 65, Tuckett, ‘2 Clement’ 269, and Pratscher likewise infer reference to a written text (zweite Clemensbrief 35). 50 Donfried, Second Clement 72 – 3. 51 Cf. Gregory, Reception of Luke 137.

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V 2 Clement also has a contribution to make on the debate about the ‘other Gospels’. Most intriguing is what appears to be a quotation from the Gospel of Thomas: 2 Clem. 12.2

Thomas 22.1 – 5

When the Lord himself was asked by someone when his kingdom would come, he said, ‘When the two are one, and the outside like the inside, and the male with the female is neither male nor female’.

(In response to a question about entering the kingdom) Jesus said to them, ‘When you make the two one, and when you make the inside like the outside … And when you make the male and the female into a single being, with the result that the male is not male nor the female female.’

Here is evidence that what we now know as quite distinctively Thomas tradition, was either more widely known within the communities which cherished Jesus tradition and understood to be a saying of Jesus, or that distinctive Thomas tradition had entered into the more widely known Jesus tradition.52 What is significant, however, is the fact that 2 Clement and Thomas take the saying in distinctively different ways. 2 Clement goes on to expound the saying (12.3 – 6) in what were presumably already traditional Christian ethical terms – no hypocrisy between Christians, outward expression consistent with inward reality, gender difference losing all significance (cf. Gal. 3.28): (3) ‘Now “the two are one” when we speak truth to one another and when one soul exists in two bodies with no hypocrisy. (4) And “the outside like the inside” means this: the “inside” refers to the soul and the “outside” to the body. Just as your body is visible, so too your soul should be clearly seen in your good deeds. (5) And the words “the male with the female is neither male nor female” mean this: that a brother who sees a sister should think nothing about her being female and she should think nothing about his being male. (6) When we do these things, he says “the kingdom of my Father will come”’.53

52 Discussion in R. Uro, ‘Is Thomas an Encratite Gospel?’, in R. Uro, ed. Thomas at the Crossroads: Essays on the Gospel of Thomas (Edinburgh: T & T Clark, 1998) 140 – 62 (here 149 – 56), with reference to the parallels in 2 Clem. 12.2, 6 and the Gospel of Egyptians, cited by Clement of Alexandria in his Stromateis 3.13.92; the texts are quoted in Koester, Synoptische Überlieferung 102. 53 12.6 is also parallel to Thomas 22, which begins and ends with talk of entering the kingdom (22.2 – 3, 7).

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Contrast Thomas, which, if other Thomas logia are any guide, understands the saying in terms of what we might call an Adam theology, in which the original divine image was androgynous,54 so that restoration to primal purity was a return from the two to the one, and women becoming men. – 11.3 – 4 – When you are in the light, what will you become? On the day when you were one, you became two. But when you are two, what will you become? – 106.1 – Jesus said, ‘When you make the two one, you will become sons of man’. – 114 – Simon Peter said to them, ‘Mary should leave us because women are not worthy of life’. Jesus said, ‘Look, I shall lead her, in order to make her male, so that she too may become a living spirit, resembling you males. For every woman who will make herself male will enter the kingdom of heaven’.55 Thomas, in other words, interprets the saying attributed to Jesus, in terms of its understanding of the human condition and of its message of salvation to that condition, both of which are different from anything elsewhere in the Jesus tradition. Perhaps, then, we should attribute a strategy to 2 Clement, similar to the strategy used subsequently by Clement of Alexandria. In both cases words attributed to Jesus are quoted, words which could well be understood in gnostic terms, but which are then given an interpretation in more traditional terms rooted in the NT.56 Should we infer from this that 2 Clement (and Clement of Alexandria) were willing to accept such a saying as dominical, whether or not they were confident of its authenticity, simply because it could be interpreted in a traditionally ethical way. So to cite and interpret such a text would remove it more effectively from any gnostic armoury than a total denial that Jesus had ever said anything of the sort. Finally, it should not pass mention that Clement also quotes, with the same introductory formulae, from sources unknown to us: – 4.5 – The Lord has said, ‘Even if you were gathered together with me in my bosom but did not do what I have commanded, I would cast you away and say to you, “Leave me! I do not know where you are from, you who do what is lawless”’ (cf. Matt. 7.22 – 23/Luke 13.26 – 27).57 – 5.4 – Jesus said to Peter, ‘After they are dead, the sheep should fear the 54 A possible way of reconciling the two creation stories – Gen. 1.26 – 27 and 2.7, 22. 55 A. Marjanen, ‘Women Disciples in the Gospel of Thomas’, in Uro ed., Thomas at the Crossroads 89– 106, suggests that the saying reflects a tendency towards a more rigid lifestyle among some Thomasine Christians, and perhaps a conflict between two strongly ascetic positions, one insisting on the complete exclusion of women, the other maintaining that the hope of salvation included women. 56 Clement of Alexandria, Strom. 3.9.1 – according to the Gospel of the Egyptians Jesus said, ‘I have come to undo the works of the female’, to which Clement adds the note: “by the ‘female’ meaning lust, and by ‘the works’ birth and decay”. 57 The fact that 2 Clem. 4.2, 5 reflects the same sequence as Matt. 7.21 – 23 could suggest a more direct dependence on Matthew’s Gospel. Donfried thinks it more likely that 2 Clement draws on the Q tradition which Matthew and Luke also used (Second Clement 62 – 8). See also Tuckett’s full discussion, concluding that 2 Clement may well presuppose the finished gospel of Luke (260 –3).

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wolves no longer. So too you: do not fear those who kill you and then can do nothing to you; but fear the one who, after you die, has the power to cast your body and soul into the hell of fire’ (cf. Luke 12.4 – 5/Matt. 10.28).58 – 14.3 – He says, ‘Protect the flesh that you may receive the Spirit’. Here again some discomfort may be experienced that the Jesus tradition had expanded and broadened so far as to include such material. That the first two may have some rootage in the Synoptic tradition eases the disquiet; and the third may well reflect the more typical second century reaction against Paul’s disparagement of the flesh. But the implication seems impossible to avoid, that round the large core of Jesus tradition, familiar to us from the Synoptic material, but also the Gospel of John and the Gospel of Thomas, swirled a more extensive body of tradition attributed to Jesus and about Jesus and almost certainly in process of being expanded. Presumably the awareness of such a process was a factor in the initial impulse to transcribe the Jesus tradition into written Gospels, and a major factor in the focus of the (authoritative) Jesus tradition being narrowed progressively to these written Gospels. In view of this awareness of more extensive Jesus tradition, it is noteworthy that in 2 Clement possible allusions to John’s Gospel, or to the Johannine slant on the Jesus tradition, are minimal. The references to being ‘gathered together with me in my bosom’ (4.5) as an allusion to John 13.23, and to Jesus as ‘first a spirit and then became flesh’ (9.5) as an echo of John 1.14 can hardly be described as quotations from John and could as or more readily be explained as simply using language which had become part of common Christian reflection, even if the ‘became flesh’ phrase originated with John.59

VI Finally, a study of the Jesus tradition in 2 Clement should not ignore the striking terms of 2 Clem. 13.4: 2 Clem. 13.4

Luke 6.32 – 35/(Matt. 5.43 – 46)

God says, ‘It is no credit to you if you If you love those who love you, what love those who love you; but credit to credit is that to you? . . . you if you love your enemies and those But love your enemies … who hate you’. 58 Again the fact that 2 Clem. 5.2, 4 may reflect Matt. 10.16, 28/Luke 10.3, 12.4 – 5 could strengthen the possibility of direct dependence on Matthew, or that 2 Clement presupposes the finished forms of Matthew and Luke (Tuckett, ‘2 Clement’ 264 – 6). 59 Tuckett concludes that it is ‘very unlikely that 2 Clement shows any knowledge of the gospel of John at all’ (‘2 Clement’ 253).

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It is unclear what the christological weight of the introduction to the saying is.60 The saying comes as part of a sequence of sayings of ‘the Lord’, the first from Isa. 52.5, and it could be that the saying was regarded as much ‘word of God’ as the earlier sayings (the second from an unknown source). That is, the introduction need not mean that Jesus was being regarded as God, but simply that what he said could also be cited as God’s word, because Jesus spoke the word of God as much as Isaiah.61 In either case the introduction indicates how prized and authoritative was the Jesus tradition for the second century Christians. The saying itself obviously draws on a version of Jesus’ teaching most like Luke’s version (Luke 6.32 – 35). But it is elaborated in ways similar to the elaborations by Matthew and Luke of the tradition which they shared (Q?),62 and confirms that still towards the middle of the second century there was no compulsion or particular desire or felt necessity to quote Jesus’ teaching in fixed form even if already transcribed.63 The Jesus tradition was still living tradition, flexible and adaptable to the specific nuances and emphases of particular teachers. In short, 2 Clement shows that at the time of writing – – – –

the Jesus tradition was still known and used in oral form the written Gospels (probably more than one) were known and established the oral and written Jesus tradition was regarded as authoritative the written Jesus tradition was regarded as scripture, of the same authoritative character as the Old Testament – the written Jesus tradition was known as ‘gospel’, that is, in the form of a written document called a ‘Gospel’ – 2 Clement attests that the Jesus tradition continued to be elaborated with details which went beyond the Synoptic tradition – 2 Clement also attests the knowledge of non-canonical Jesus tradition, though it acknowledged such tradition insofar as it could be expounded in traditional (we may say, canonical) terms.

60 Pratscher reminds us that 2 Clem. 1.1 calls on audiences to ‘think about Jesus Christ as we think about God’ (zweite Clemensbrief 33). 61 ‘Here God is conceived as speaking in Christ, who elsewhere is Himself cited as the authority behind the Gospel’ (NTAF 124 – 5). 62 Did. 1.3 and Justin, 1 Apol. 15.9 confirm that the exhortation to ‘love those who hate you’ had become a regular elaboration of the Jesus tradition at this point. 63 Gregory concludes that the saying provides insufficient evidence that 2 Clement was drawing on Luke’s Gospel (Reception of Luke 138 – 9); but Tuckett thinks that the language ‘appears to presuppose Luke’s redactional work, and hence Luke’s finished gospel’ (‘2 Clement’ 271 – 2).

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Wolfgang Wischmeyer

Die Briefe des Ignatios von Antiochia und die zweite Sophistik

Ich möchte hier1 folgende Themenbereiche ansprechen, um zu zeigen, dass Ignatios von Antiochia, wie ich den Verfasser der sieben Briefe unter seinem traditionellen Namen nenne, im Umkreis der sog. Zweiten Sophistik verortet werden sollte: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Zweite Sophistik als kulturgeschichtliches Phänomen Identitätsstiftung Selbstrepräsentation Gewaltenzentrierung Tradition und Religion Tradition und literarische Form und Stil.

1. Zweite Sophistik Der Terminus „Zweite Sophistik“ ist anscheinend zu einem Zauberschlüssel geworden, der die antike Definition bei Philostrat und ihre rhetorisch-philosophische Definition längst überschritten hat. Der Begriff wird heute in einer doppelten Bedeutung2 gebraucht, nämlich 1. als ein engerer Rahmen, der auf die rhetorisch geprägte und am klassischen Athen orientierte griechischsprachige Literatur der Prinzipatszeit abhebt3 : „Die Redner sprachen und handelten selbstbewusster und wirkungsvoller als zuvor ; sie selbst waren prominenter Bestandteil der Kultur, die in Rom so hohes Ansehen erlangte“4, 2. in einem weiteren Sinn, der den gesamten kulturellen Kontext dieser Zeit

1 Vortrag am 22. 9. 2012 bei der Internationalen Arbeitsgemeinschaft „Zweites Jahrhundert“ in Benediktbeuren, in Hochachtung gewidmet dem Kollegen Wilhelm Pratscher. 2 Thomas Schmidt – Pascale Fleury (Hg.), Perceptions of the Second Sophistic and Its Times, Phoenix. Suppl. 49, Toronto 2011, XI. 3 Vgl. etwa Timothy Whitmarsh, The Second Sophistik, Oxford 2005. 4 Ewen Bowie: http//referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/zweite-sophistike12218340 (zuletzt besucht am 27. 7. 2012).

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Die Briefe des Ignatios von Antiochia

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einschließlich der bildenden Kunst5, der Religion und des politisch-sozialen Umfelds6 umfasst. Zweite Sophistik wird also zu „einem umfassenden kulturellen Beschreibungsmodell für die griechische Kaiserzeit“7. Thomas Lechner8 spricht von einer „Leitkultur der Kaiserzeit“, die „die antike Welt und damit auch die Welt der christlichen Mission maßgeblich geprägt hat“. Ähnlich finden wir auch die Beschreibung in den Sammelbänden, die von Barbara E. Borg9 sowie von Thomas Schmidt und Pascale Fleury10 herausgegeben worden sind. Ein umfassendes Beschreibungsmodell aber muss durchaus auch die sehr unterschiedlichen Niveaus unserer Quellen einbeziehen und darf diese selbst auch nicht allein im literarischen Sektor suchen, sondern ebenso wie Kunstwerke mit sehr unterschiedlicher ästhetischer Qualität auch subliterarische Texte einbeziehen, also Dokumente, die zwar nicht den konkurrierenden Anspruch des zeitgenössischen Standards erheben und doch in einem Nahverhältnis zu den komplexen Themen der Zweiten Sophistik stehen, wenn sie auch nicht das Gesamte bieten, z. B. die Dominanz der Rhetorik. „On appartient au monde de la Seconde Sophistique sans Þtre sophiste soi-mÞme“ schreibt Janick Auberger zu Recht11. Demnach sollten wir auch die Quellen der Christentümer mit ihrer „kulturellen Hybridität in der griechischen oikumene“12 nicht außerhalb einer Kultur stellen, die als „le premier exemple d’une mondialisation culturelle“13 definiert ist und die mit einer Vielzahl von Motiven und Themen auftritt, die mehr oder weniger nahe Parallelen im Christentum besitzt. Nicht zufällig lässt Lukas in der später kanonisch gewordenen Apostelgeschichte den Verfasser des ältesten literarischen Gutes, das das Christentum hat, in einem Athener Schullokal auftreten: Paulus in Acta 1914. Das bedeutet: der Anfang des christlichen Anteils an der Zweiten Sophistik liegt nicht erst bei den Apologeten.

5 Laura Salah Nasrallah, Christian Responses to Roman Art and Architecture, Cambridge 2010. 6 Vgl. Marco Rizzi, Hadrian and the Christians, Millennium-Studien 30, Berlin 2010. 7 Dennis Pausch, Sehepunkte 6 (2006) Nr. 2 [15. 2. 2006]: http://www.sehepunkte.de/2006/02/ 8523.html (zuletzt besucht am 27. 7. 2012). 8 Thomas Lechner, Very sophisticated? Mission und Ausbreitung des Christentums in der Welt der Zweiten Sophistik. In: Millennium, 8 (2011), S. 51 – 86, 55. 9 Barbara E. Borg (Hg.), Paideia. Die Welt der zweiten Sophistik, Millennium-Studien 2, Berlin 2004, dazu Karin Schlapbach, Plekos 7, 2005, 181 – 189. 10 Vgl. Anm. 1. 11 Janick Auberger in Schmidt – Fleury 133. 12 Lechner 53. 13 Schmidt – Fleury XIX. 14 Ian Henderson in Schmidt – Fleury 34.

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2. Identitätsstiftung Weil mit der Zweiten Sophistik die Bewahrung einer hellenischen Identität unter römischer Herrschaft im Zentrum eines Unternehmens steht, das mit einer solchen Vehemenz und einer solchen Tiefenwirkung durchgeführt wird, dass es selbst für Römer attraktiv werden sollte, ergibt sich vom Identitätsproblem her auch für Christen ein Anreiz, sich dieser binnen kurzem dominanten kulturellen Stimmung anzuschließen. Auch im christlichen Raum des zweiten Jahrhunderts stellt sich ja die Frage nach der Identität zunehmend als eine elementare dar. Christen unter der Gottesherrschaft und gleichzeitig der Herrschaft des römischen Imperiums müssen zu einer Werteabwägung kommen und das Ergebnis gestaltend aussagen können. Dabei stellt etwa das Martyrium eine extreme Lösung dar, auf die wir gleich unter dem Stichwort Selbstrepräsentation zurückkommen müssen. Für die Identität der Masse der Christen ist vielleicht etwas Anderes wichtiger. Wie der Bezug auf die klassische Zeit und ihre kulturellen Leistungen bei den griechischsprachigen nichtchristlichen Zeitgenossen im Gegenüber zur römischen Fremdherrschaft Identität und Selbstwertgefühl sicherte, so brachte man hier aus dem lebendigen jüdischen Erbe nicht nur den Besitz und einen wissenschaftlich korrekten Umgang mit den uralten kulturstiftenden und die Gesellschaft gestaltenden Texten des Alten Testaments mit, sondern besaß nun in der Christuspredigt den neuen hermeneutischen Schlüssel zu ihnen. Diese neue Hermeneutik, die in der eigenen christlichen Literatur seit den Paulusbriefen und dem Beginn der Evangelienschreibung entwickelt wird, tritt nicht lediglich komplimentär zur klassischen paideia auf, sondern wirkt vielmehr als Ordungs- und Deutungsmuster für eine christliche paideia im Laboratorium der Entwicklungen, die für die christlichen Institutionen und Lehren wichtig werden sollten. Dabei, das sei vorweg gesagt, spielt für Ignatios Paulus die entscheidende Rolle, wie allein schon der quantitative Vergleich von alttestamentlichen Zitaten und Anspielungen in den Briefen zeigt: weniger als ein Dutzend Zitate aus dem Alten Testament, dagegen zahllose Pauluszitate, so dass der Apostolos quasi zum Subtext der Briefe wird. Wir werden dabei aber besser, als von der vorhandenen Existenz einer christlichen Identität zu sprechen, von der Suche nach einer solchen Identität reden und sie in vielfältigen Formen entdecken müssen. Dabei spielt gerade unter dem Gesichtspunkt der Frage nach der Identität die Korrelation zur Zweiten Sophistik, die bis in das 4. und 5.Jh. „ein wichtiges kulturelles Phänomen“15 blieb, eine große Rolle. 15 Vgl. Anm. 3.

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3. Selbstrepräsentation Selbstrepräsentation, ja „pre-eminence of performance“16, ist eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Aufgabe in der Zweiten Sophistik. Muss nicht die exzentrische und schwer zu verstehende Martyriumssehnsucht des Ignatios17 als eine ihrer Spielarten betrachtet werden?18 Dabei bleibt vieles offen, beginnend mit dem Grund seiner Gefangenschaft und der Romreise. Anders als bei Paulus, der einen Urteilsspruch in Rom erwartete, ist das Urteil über Ignatios in Antiochia schon gesprochen. Warum also dann die Reise mit Eskorte, warum die langen Aufenthalte auf der Reise, warum die seltsame Reiseroute? Eine ganze Reihe von Fragen, die ohne Antwort bleiben müssen, begegnet hier, obwohl wir in der modernen Literatur viele Antworten lesen. Wenn wir den unter dem Namen Ignatios schreibenden Verfasser der in antoninischer Zeit, vielleicht in der Spätzeit des Antoninus Pius oder in der Frühzeit Mark Aurels, also in den 50er oder 60er Jahren des zweiten Jahrhunderts, geschriebenen sieben Briefe in den Blick nehmen, so dürfte ein erster Zug der Selbstrepräsentation schon in der Siebenzahl der Briefe zu finden sein, die sowohl die Erinnerung an die sieben Originalbriefe des Paulus hervorrufen als auch an die sieben Briefe der Johannesapokalypse. Dabei dürfte der Bezug auf Paulus nach Ausweis der Zitate wie gesagt deutlich im Vordergrund stehen und den Verfasser in einem agonalen Wettbewerb mit dem Apostel zeigen. Und doch, wie haben sich der Briefstil und die Motivik in diesem einen Jahrhundert geändert! Das gilt nicht nur für das Vorkommen ekklesiologischer Begriffe, einschließlich einer institutionellen Terminologie wie „Bischof Syriens“ oder ekklesia in den Adressen, und für die Ansätze einer Christologie, sondern ganz besonders für den überbordenden Bilderreichtum der Sprache, für den etwa ad Eph. 9 in der Übersetzung von Henning Paulsen ein Beispiel sein mag: „Denn ihr seid Steine für den Tempel des Vaters, zubereitet für den Bau Gottvaters, hinauf gefördert in die Höhe durch die Hebemaschine Jesu Christi, nämlich das Kreuz, wobei der Heilige Geist als Seil diente. Euer Glaube ist nun euer Geleiter nach oben, die Liebe der Weg, der zu Gott hinaufführt. So seid ihr nun auch allesamt

16 Henderson (wie Anm. 13) 26. 17 Allen Brent, Ignatius of Antioch and the Second Sophistic. A Study of Early Christian Transformation of Pagan Culture, Tübingen 2006; ders., The Enigma of Ignatius of Antioch, JEH 57, 2006, 429 – 457; ders., Ignatius of Antioch. A Martyr Bishop and the Origin of Episcopacy, London 2007; Hermut Lçhr, Die Briefe des Ignatius von Antiochien, in: Wilhelm Pratscher (Hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, Göttingen 2009, 104 – 129. 18 Auch hier ist das Vorbild des Paulus prägend, vgl. besonders seine Selbstdarstellung im Philipperbief.

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Weggenossen, Gottesträger und Tempelträger, Christusträger, Heiligträger, in allen Stücken geschmückt mit den Geboten Jesu Christi“.

Ignatios verwendet in dieser überbordenden Anrede der Christen in Ephesus also das rätselhafte Attribut Theophoros, das er auch selbst für sich als eine Art supernomen benutzt und das in der nichtchristlichen religiösen Welt eine große Rolle spielt, wie etwa die griechische Epigraphik ausweist. Hier findet also deutlich pagane Kultterminologie Verwendung und wird gleichzeitig radikal umgeformt. Ähnliches dürfte in der ,performance culture‘, in der auch „der Körper… zum Medium sophistischer Botschaften“19 (Lechner) wurde, für das Martyrium gelten. Hier konnte der Superstar vor einem Massenpublikum öffentlich auftreten und die Akme der Selbstrepräsentation in der physischen Selbstauflösung erreichen. Damit ist aber auch das Thema „Macht“ angesprochen, denn das Martyrium ist unter einer agonistischen Siegesperspektive zu sehen, wobei natürlich der Siegeskranz des Martyriums jeden Siegeskranz im Circus oder im Hippodrom weit überbietet. Ist er doch in eschatologischer Perspektive zu sehen. So zeigt das Martyrium nicht nur die wahre Gewalt sub contrario, sondern übt gerade durch die „sub contrario Form“ gleichzeitig eine persuasive und adhortative Macht aus, die die Christen stärkt und ebenfalls zum Martyrium bereitet und vor allem in der kontextuellen Wettkampfkultur die Christen nicht als philosophische Witzfiguren erscheinen lassen soll. Vielmehr sollen Nichtchristen durch die christliche Todesverachtung überzeugt werden, die als echte Philosophie „wohlüberlegt, würdevoll und nicht theatralisch“ auftritt, „so dass man auch einem anderen gegenüber überzeugend wirkt“, was Mark Aurel (ad se ipsum 11,3) gerade den Christen polemisch abspricht.

4. Gewaltenzentrierung Zeigt sich ein Machtfaktor in dieser Art von Selbstrepräsentation, so tritt dieser noch viel stärker in einem weiteren Phänomen in Erscheinung, das in besonderer Weise mit Ignatios in Verbindung gebracht werden muss und im Kontext der römischen Herrschaft für die Geschichte der christlichen Institutionen zu sehen ist. Im Imperium der Prinzipatszeit war „die Korrelation von irdischem und himmlischem König…Teil des philosophischen wie des politischen Diskurses“ (Rebenich) und die sakrale Überhöhung des Kaisers und seiner Familie von größter Bedeutung. Durch die Weigerung von Christen, dem Kaiser von Zeit zu Zeit zu opfern, kam es zu Christenverfolgungen, und diese wurden „zum Distinktionsmerkmal der christlichen Religionsgemeinschaft“20. 19 Lechner 57. 20 Rebenich 1154.

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Marco Rizzi21, der sich dabei besonders auf Arbeiten von Mario Attilio Levi22 stützt, hat jüngst herausgestellt: „As a matter of fact, Hadrian’s twentyyears reign constitutes a decisive turning point for the Roman imperial oikumene on the political, social, cultural, artistic and, as importantly, religious levels“23. Hadrian habe bei seinen politischen und kulturellen Neuerungen, die natürlich auch auf älteren Tendenzen und Vorarbeiten der Kaiser des zweiten Jahrhunderts basieren, – und das zeigen einige der eindrucksvollsten symbolischen und ideologischen Formen seiner Herrschaft – das alte augusteische System der persönlichen Klientel, das besonders in der Bedeutung des Senates seinen Ausdruck gefunden hatte, aufgegeben und seine deutliche Führungsrolle in einem „plural-identities system“ herausgearbeitet. Die nachhaltige Betonung der Führungsrolle des Princeps hat das Ziel der Reorganisation und Stabilisierung der römischen Militär- und Verwaltungspräsenz im Reich, schafft aber auch eine direktere Verbindung zwischen dem Princeps und seinen unterschiedlichen Untertanen, vor allem der in sich sehr unterschiedlichen, nun aber äqualisierten – hier spielt paideia eine entscheidende Rolle – herrschenden Klasse in den Städten des Reiches, „wherein the emperor acted…as the principle of unity and the representative of the consensus between sovereign and subjects, a consensus that reached from res humanae to res divinae“24. Wichtig dabei ist nicht nur die seit Homer (Il. 2, 204) als gut gerühmte Herrschaft eines Mannes, sondern dass dieser eine auch wirklich herrscht. „Hadrian war ein Monarch nicht deshalb, weil er allein war oder weil er über Ochsen und Schafe herrschte, sondern weil er Menschen regierte, t_m blocem_m tµm aqtµm vOsim 1wºmtym“25, wird am Ende des 4. Jahrhunderts Macarius Magnes schreiben. Wir können hier doch wohl eine Parallelstruktur im ignatianischen Verständnis des monepiskopalen Bischofsamtes sehen26 : „Ignatius korreliert in seinen Schriften Gott mit dem Bischof und die Apostel mit den Presbytern. Der eine Bischof repräsentierte in der christlichen Gemeinde den einen Gott, und die irdische Hierarchie reflektiert die himmlische“27. Im christlichen und im politischen Kontext des 2.Jh. kommt es also zu einer parallel zu sehenden und vergleichbaren Gewaltkonzentration, die sowohl eine organisatorische als auch eine religiöse Dimension besitzt.

21 Marco Rizzi (Hg.), Hadrian and the Christians, Millennium-Studien 30, Berlin 2010. 22 M.A. Levi, Adriano Augusto, Rom 1993; ders. Adriano. Un ventennio di cambiamento, Mailand 2000 (2. Auflage). 23 Rizzi 2. 24 Rizzi 10 f. 25 Apocrit. 4, 20. 26 Ign. Smyrn 8,1 f.; Magn. 6,1; 13, 1; Philadel. Praesc.; 7,1; Trall. 2,1 – 3. 27 Rebenich 1170 f mit Verweis auf Ign. Magn6,1 und Trall. 3,1.

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5. Tradition und Religion Ein wesentliches Element der Zweiten Sophistik stellt die Betonung der Tradition dar. Zwei Reflexe davon dürften wir bei Ignatios entdecken, 1. den schon beschriebenen Rückbezug auf Paulus in Zitaten, 2. dürfen wir aber auch das literarische Genus Brief selbst hinzunehmen, zumal die Siebenzahl ein weiteres Indiz darstellt, wobei, auch wiederum mit dem Apostolos vergleichbar, es sich auch bei Ignatios um sechs Briefe an Gemeinden und um einen Brief an eine Einzelperson handelt. Die religiöse Thematik spielt in den unterschiedlichsten literarischen Genera der Zweiten Sophistik in vielfacher Art und Weise eine große Rolle. So stellt etwa Pascale Fleury die Frage nach den „approches de la religiosit¦ de la rh¦torique“ und beantwortet sie selbst: „il para„t ¦vident que l’association de la rh¦torique et de la po¦sie et la mont¦e en popularit¦ de l’exp¦rience religieuse pr¦disposaient les hommes cultiv¦s de cette ¦poque — justifier leurs activit¦s intellectuelles en les posant comme des rouages, devant rester inexpliqu¦s, de l’univers“28.

6. Tradition und literarische Form und Stil Eduard Norden charakterisiert in einer bis heute unerreichten Weise den dazu passendenden, aber doch zugleich höchst individuellen Stil der Briefe des Ignatios und hebt diesen zugleich stark vom Brief des Polykarp ab: „Sie sind das Herrlichste, was uns aus dieser Zeit erhalten ist, hinreissend durch die lodernde Glut einer Seele, die danach dürstet, dem Irdischen entrückt zu werden durch einen grausig-himmlischen Tod. Eine bedeutende, mit wunderbarer Schärfe ausgeprägte Persönlichkeit atmet aus jedem Wort; es lässt sich nichts Individuelleres denken. Dementsprechend ist der Stil: von höchster Leidenschaft und Formlosigkeit. Es gibt wohl kein Schriftstück jener Zeit, welches in annähernd so souveräner Weise die Sprache vergewaltigte. Wortgebrauch (Vulgarismen, lateinische Wörter), eigene Wortbildungen und Konstruktionen sind von unerhörter Kühnheit, grosse Perioden werden begonnen und rücksichtslos zerbrochen; und doch hat man nicht den Eindruck, als ob sich dies aus dem Unvermögen des Syrers erklärte, in griechischer Sprache sich klar und gesetzmässig auszudrücken, so wenig wie man das Latein Tertullians aus dem Punischen erklären kann; bei beiden ist es vielmehr die innere Glut und Leidenschaft, die sich von den Fesseln des Ausdrucks befreit“29. 28 Fleury in Schmidt-Fleury 72. 29 Eduard Norden, Die antike Kunstprosa 2, Darmstadt 1958, 510 f.

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Tradition findet also hier im corpus Ignatianum eine neue, höchst individuelle Form. Auch dies ist eine Facette des hermeneutischen Prozesses, in dem sich die Christen im 2.Jh. befinden. Aber der Individualismus ist dabei nicht das primär Intendierte, sondern eine kontextualisierende Identitätsstiftung, die wohl auf ein dreifaches Ziel abhebt, (1) Formierung der eigenen Gruppe, (2) Demonstration, dass sie in einer gewissen Weise in den kulturellen Kontext der Zeit gehört und daher (3) mit dem weiten und ambivalenten Feld eines in sehr unterschiedlichen Niveaus erfahrbaren clusters zusammen zu sehen ist, das das politische Ambiente ebenso bestimmt wie das religiöse. Individuelle Exzentrik steht dabei aber nicht in einem exkludierenden Gegensatz zur Gruppenformation, sondern wirkt als stimulus adhortativ, also sagen wir : missionarisch werbend. Christliche Tradition, insbesondere eine Form der Paulusrezeption, tritt dabei an die Stelle des Bezugspunktes des „Klassischen Athens“. Die Position des Bischofs konkurriert bei der Organisation des Sozialgefüges mit der des Princeps, und eine metaphernreiche Sprache, die nicht mit systematisierenden Dogmen verwechselt werden darf, soll die Botschaft verbildlichen, wie etwa die Metapher des Brotbrechens zur „Unsterblichkeitsmedizin, ein Gegengift um nicht zu sterben“ (Übersetzung Lçhr)30 zeigt. Vielleicht das beste Beispiel der eigenständigen stilistischen Ausformungen und hermeneutischen Leistung des Ignatios gegenüber seinem Kanon von Paulusbriefen findet sich in seinen Briefadressen. Was man früher „asianisch“ nannte und mit mehr oder weniger Verachtung belegte, kommt dabei vielleicht am deutlichsten im Prooemium des ignatianischen Römerbriefs heraus. Marco Rizzi31 vermutet zu Recht, dass die hybriden Adressformulare der Ignatianen „echo the deep-rooted and everlasting competition for prestige among the prominent Asian cities…about which we are well informed by epigraphic, archaeological and literary sources and especially by the contemporary production of the writers of the Second Sophistic“. Die Adressen in unseren Briefen an die Gemeinden in den Städten reflektieren also den Agon der Städte untereinander, wobei der Autor der Briefe selbst gewissermaßen mit seinen neuen und selbst unsere epigraphischen Zeugnisse weit übertreffenden Epitheta auf einer neuen Ebene in den Agon eintritt, wobei jeweils die Städte – ebenfalls nach dem Beispiel des Paulus – bereits von den christlichen Gemeinden her definiert werden. Die Adresse des Briefes nach Rom muss natürlich dann auch die aller anderen übertreffen – und wird dadurch fast unübersetzbar :

30 Ign.Eph 20, 2. 31 Rizzi in Rizzi 148.

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Wolfgang Wischmeyer Ignatios der Theophoros der Kirche in Rom, die durch die Größe des höchsten Vaters und Jesu Christi, seines einzigen Sohnes, begnadet, geliebt und erleuchtet ist im Willen dessen, der alles gewollt hat, was ist, nach dem Glauben und der Liebe Jesu Christi, und die auch im Gebiet der Römer an der Spitze steht, gotteswürdig, ehrwürdig, preiswürdig, lobwürdig, erfolgswürdig,reinheitswürdig, die auch den Vorsitz der Liebe hat, vom Gesetz Christi bestimmt, vom Gesetz des Vaters bestimmt, die ich im Namen Jesu Christi, des Sohnes des Vaters, küsse; den dem Fleische und dem Geiste nach durch jedes seiner Gebote Geeinten – den mit der Gnade Gottes ununterscheidbar Erfüllten und den von jeder fremden Farbe Gereinigten meinen ganz herzlichen Gruß ohne Tadel in Jesus Christus, unserem Gott.

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Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia ,An Autolykos‘

1. Verfasser und Werk Die drei Bücher „An Autolykos“ sind das einzige Werk des Theophilos von Antiochia, das erhalten ist.1 Die Trilogie ist wahrscheinlich kurz nach dem Tode von Marc Aurel (161 – 180 n. Chr.)2 verfasst worden; am häufigsten wird die Zeit 180 – 182 n. Chr. genannt.3 Dem Thema und der Disposition nach gehören die drei Bücher ,An Autolykos‘ in den kaiserzeitlichen Diskurs Religion und damit in das Milieu der griechisch-römischen Bildungseliten, denn religiöses Wissen war eine wesentliche Komponente der paide_a. Angetrieben wurde dieser Diskurs nicht nur von der curiositas,4 sondern vielmehr von der Frage nach der persönlichen Lebenszukunft über den Tod hinaus. Weil die Auseinandersetzung über Fragen t± pq¹r to»r ¢eo}r5 in den kaiserzeitlichen Bildungsdiskurs eingebettet ist, bietet sie zwar den an den Bildungsidealen der ,Zweiten Sophistik‘ geschulten und ausgerichteten Eliten die Möglichkeit, ihre Individualität und Unverwechselbarkeit zu inszenieren und sich damit in den 1 Verloren sind u. a. seine Schriften Pq¹r tµm aTqesim :qloc]mgr sowie Jat± Laqj_ymor, ferner ein Geschichtswerk (1m t0 pq~t, b_bk\ t0 peq· Rstoqi_m), das er in Autol. II 28.23.31 und III 19 erwähnt, sowie Kommentare zu Proverbien. Einen angeblichen Evangelienkommentar (vgl. Anm. 20) des Theophilos (Jatgwgtij± bibk_a) hat Harnack, Evangelien als Fälschung erwiesen. 2 Vgl. Kienast, Kaisertabelle, 137 f. 3 Vgl. Harnack, Chronologie, 211. 319. Neben der Chronologie in Autol. III 16 – 29, die bis zum „Tod des Kaisers Verus“ reicht, ist mit Harnack für den terminus post quem auf die Personalnotiz in Autol. III 27,3b über einen Wq¼seqor b Molecjk²tyq, ein libertus des Marc Aurel, zu verweisen, der in seinen !macqava_ die Geschichte Roms ab urbe condita bis zum Tod des Marc Aurels verzeichnet habe. 4 Näheres zur curiositas, resp. peqieqc[as]_a und vikol\¢eia als zulässiges oder kritikwürdiges Streben nach theologischer Erkenntnis im Frühchristentum sowie in der jüdischen und paganen Umwelt vgl. Brox: „Glauben und Forschen in der Alten Kirche“, 9 – 18; Ders.: „Zur Legitimität der Wißbegier (curiositas)“, 33 – 52. 5 Der Ausdruck ist eine panegyrische Formel, die die rechte Haltung gegen die Götter als Königstugend preist. So wird Ptolemäus auf dem Stein von Rosetta gelobt, weil er „fromm gegenüber den Göttern ist / t± pq¹r to»r ¢eo}r“. In dieser Bedeutung ist die Wendung belegt bei Isocrates, Ad Demonicum (orat. 1) 13,1; Demosthenes, In Neaream 73,7; Exordia 54,1; Lucianus, Pro imaginibus 7,9 f.; Stoibaeus, Anthologium III 1,94. Die Wendung findet sich mehrfach in den Briefen von Kaiser Julian. Wie in den älteren Zeugnissen und auch bei Libanios meint t± pq¹r to»r ¢eo}r „die Pflichten gegen die Götter“ (ep. 89b. 296B) oder das spezielle Wissen in religiösen, aber nicht nur kultisch-liturgischen Angelegenheiten, so dass t± pq¹r to»r ¢eo»r aqt|m die Bedeutung „nicht unbewandert im Götterglauben“ annimmt.

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verschiedenen Aktionsräumen, in denen der Diskurs Religion einen Platz einnimmt, dominant zu positionieren. Wegen der Bedeutung des Themas für den Einzelnen tritt aber zur sozialen eine konfessorische Dimension hinzu. Entsprechend der protreptischen Disposition ist der mit dem Diskurssystem Religion verbundenen Literatur eine missionarische Komponente inhärent; in Autol. I 14 ist sie von Theophilos offensiv als die eigentliche Intention seines Protreptikos formuliert.6 Diese zur Konversion ermutigende und ermahnende Zielsetzung der frühchristlichen Protreptik liegt auch in den drei Büchern ,An Autolykos‘ dem Zusammenhang von religiösem Wissen und der Frage nach Rettung zu Grunde. Das belegen die beiden einzigen Fragen, die Theophilos seinen Diskurspartner Autolykos direkt stellen lässt: Autolykos, den Theophilos als „Bücherwurm“7 und damit als Repräsentanten der griechisch-römischen Bildungstradition charakterisiert, will erstens Aufklärung über die Möglichkeit einer zutreffenden Rede von Gott sowie über das christliche Gottesbild (Autol. I 2) und zweitens verlangt er einen überzeugenden Nachweis für die Vernünftigkeit der christlichen Auferstehungshoffnung (Autol. I 13). Die Leitthemen des theosophischen Wissensdiskurses, nämlich Gottesvorstellungen und die Möglichkeit einer zutreffenden theologischen Erkenntnis sowie die brennende Frage nach der Rettung, sind aus der Sicht des Theophilos jene eminenten Sujets, die das Christentum als die einzige und wahre ¢eos]beia8 zu erkennen geben. Deshalb beansprucht es zu Recht, eine 6 Vgl. Autol. I 14,1.3: 1Lµ owm !p¸stei, !kk± p¸steue· ja· c±q 1c½ Ap¸stoum toOto 5ses¢ai, !kk± mOm jatamo¶sar aqt± piste¼y· ûla ja· 1pituw½m Reqa?r Cqava?r t_m "c¸ym pqovgt_m, oT ja· pqoe?pom di± pme¼lator HeoO t± pqocecomºta è tqºp\ c´come, ja· t± 1mest_ta t¸mi tqºp\ c¸metai, ja· t± 1peqwºlema po¸ô t²nei !paqtis¢¶setai. )pºdeinim owm kab½m t_m cimol´mym ja· pqoamapevymgl´mym, oqj !pist_· !kk± piste¼y pei¢aqw_m He`, è, eQ bo¼kei, ja· s» rpot²cg¢i, piste¼ym aqt`, l¶, mOm !pist¶sar, peis¢0r !mi¾lemor tºte 1m aQym¸oir tilyq¸air. … 3EQ d³ bo¼kei, ja· s¼, 5mtuwe vikot¸lyr ta?r pqovgtija?r Cqava?r· ja· aqta¸ se tqamºteqom bdgc¶sousi pq¹r t¹ 1jvuce?m t±r aQym¸our jok²seir, ja· tuwe?m t_m aQym¸ym !ca¢_m toO HeoO. / 1Sei also nicht ungläubig, sondern gläubig, denn auch ich habe einst nicht geglaubt, daß es also sein wird. Jetzt aber habe ich die Sache erwogen und glaube, weil mir zugleich auch die hl. Schriften der hl. Propheten in die Hände kamen, die da im Geiste Gottes voraussagten die Vergangenheit, wie sie war, die Gegenwart, wie sie ist, und die Zukunft, wie sie sein wird. Da ich nun die Gegenwart und die Weissagungen derselben als Zeugnis habe, bin ich nicht mehr ungläubig, sondern glaube, gehorsam gegen Gott. Und diesem gehorche doch auch du im Glauben, damit du nicht, jetzt ungläubig, einst zu deinem Schmerze, in den ewigen Strafen nämlich, glauben mußt! … 3So nimm denn auch du mit gutem Willen und ehrfurchtsvoll die prophetischen Schriften zur Hand, und sie werden dir deutlicher den Weg zeigen, wie du den ewigen Strafen entfliehen und die ewigen Güter Gottes erlangen kannst. – Griechischer Text nach Marcovich, Oratio; deutsche Übersetzung nach BKV2·1 14,12 – 106. 7 Vgl. Autol. III 4,3 – 5,1a: 39c½ l³m owm ¢aul²fy l²kista 1p· so¸, dr 1m l³m to?r koipo?r cemºlemor spouda?or, ja· 1jfgtgtµr "p²mtym pqacl²tym, !lek´steqom Bl_m !jo¼eir. EQ c²q soi dumatºm, ja· m¼jtyq oqj ¥jmeir diatq¸beim 1m bibkio¢¶jair. 19peidµ owm pokk± !m´cmyr, … / 3Ich wundere mich nun am meisten über dich, daß du, der du doch sonst in den übrigen Gegenständen des Wissens ein eifriger und genauer Forscher bist, uns so wenig Interesse entgegenbringst. Denn wenn es dir nur irgend möglich ist, stöberst du unermüdlich auch zur Nachtzeit in den Bibliotheken herum. 1Du hast also Vieles gelesen … 8 Vgl. Bertram, ¢eoseb^r, ¢eos]beia, 127.

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pokite_a9 zu sein, eine umfassende Lebensordnung. Wegen dieses Anspruchs nimmt es nicht wunder, dass Theophilos Gott als Schöpfer und als Retter vorstellt. Zugleich werden hierdurch die Menschen und die Welt als Geschöpfe Gottes und als erlösungsbedürftig dargestellt. Das religiöse Wissen des Christentums erschließt also die gesamte Wirklichkeit: Gott, Welt, Menschen, Rettung. Daher kann man die drei Bücher an Autolykos als eine „Einführung ins Christentum für Eliten“10 bezeichnen. Im geistig-sozialen Milieu, in dem die Trilogie mit dem unbedingten Wahrheitsanspruch der biblisch-christlichen Tradition hinsichtlich einer geziemenden Rede von Gott, Menschen, Welt und Rettung auftritt, gilt zwar die virtuose Verwendung von Bildungstradition als ein wesentlicher Indikator für die theologische Wahrheit; doch ersetzt die rhetorische Meisterschaft weder die Stringenz der theologischen Argumentation noch die Verlässlichkeit der Quellen, auf denen das religiöse Wissen beruht. Theophilos erstrebt daher, auf die Fragen des Autolykos eine sowohl nach den Diskurskriterien zutreffende und überzeugende als auch christlich signifikante Antwort zu geben. Hierzu macht er sich den nach antiker Überzeugung unstrittigen Konnex zwischen der Anciennität der Quelle und der höheren Authentizität ihres Inhalts zunutze und erweist die Schrift als die älteste und daher verlässlichste Quelle. Wegen ihres höheren Alters besitzen die griechischen Bibelübersetzungen unbedingten Vorrang gegenüber der griechisch-römischen Tradition.11 Ist aber die Schrift in Gestalt der griechischen Bibelübersetzungen als die älteste und daher maßgebliche Quelle anzusehen, dann muss der biblische Schöpfungsbericht den Ausgangspunkt für die zutreffende Rede von Gott, Menschen, Welt und Rettung bilden. Tatsächlich zitiert Theophilos im zweiten Buch ,An Autolykos‘ zum ersten Mal in der christlichen Literatur den vollständigen griechischen Text des Sechstagewerks (Autol. II 10,9 – 11,7), worauf die älteste christliche Hexaemeronauslegung folgt (Autol. II 12 – 20). Nach der ausführlichen Allegorese von Gen 1,1 – 2,3 wird die Erschaffung der Menschen mit Zitaten von Gen 2,4 – 7 nochmals aufgegriffen, um erzählerische Lücken des ersten Schöpfungsberichtes zu schließen (vgl. Autol. II 19,1.3). Sodann werden die Paradies- und die Sündenfallgeschichte zitiert, genauer : Gen 2,18 – 3,19.12 In Autol. II 10,9 – 28,8 zitiert Theophilos also Gen 1 – 3, und zwar in drei Blöcken.13 9 Vgl. Autol. II 33,2; III 15,6. Zum Sprachgebrauch vgl. Strathmann, p|kir jtk., 518 f., der für . die Bedeutung „Wandel, Lebensführung“ Hesychius zitiert: pokite_a C p|kir C b_or ja· B !ma. stqov^ ja· B pq÷nir. 10 Vgl. Prostmeier, „Zeig mir deinen Gott.“, 155 – 182. 11 Für den Altersbeweis dient letztlich auch die erste und groß angelegte christliche Weltchronik in Autol. III 16 – 28. Näheres vgl. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 4 – 12.17 – 75. 12 Das ist nicht der einzige Zitatenblock aus der Genesis: Auf diesen großen Zitations- und Argumentationszyklus aus Gen 1 – 3 folgt in Autol. II 29 f. eine Nacherzählung der Kain-AbelEpisode mit wortgetreuen Zitaten von Gen 4,9 – 10 und 4,18 – 19. Im dritten Buch, in dem Theophilos die erste christliche Weltchronik konstruiert, verwendet er z. B. Personaldaten aus

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Weil der Skopos der von Autolykos geforderten Aufklärung sowohl über die christliche Gottesvorstellung als auch über die christliche Auferstehungshoffnung die Frage nach der Rettung ist, würde man erwarten, dass extensiv christliche Traditionen zitiert werden und dass eschatologisch-soteriologische Aussagen aus dem Corpus Paulinum das Herzstück seiner Argumentation bilden. Tatsächlich werden aus der gesamten frühchristlichen Literatur nur zwei Verse förmlich als Zitate eingeführt und auch wortgetreu wiedergegeben: Joh 1,1.3a in Autol. II 22. Diese eineinhalb Verse aus dem Johannesprolog dienen dazu, im Anschluss an die Paradiesgeschichte den Logos als Mitschöpfer und Gott auszuweisen.14 An keiner Stelle in dieser Einführung ins Christentum kommt jedoch die Jesusgeschichte oder die Geschichte des Christentums in den Blick.15 Zu dieser erstaunlichen Leerstelle hinsichtlich der Jesusüberlieferung und der christlichen Anfänge fügen sich vorzüglich die erstaunlichen Auslassungen in der Weltchronik des Theophilos (Autol. III 16 – 28). Die Weltgeschichte setzt mit der Genesis ein und folgt bis zum Babylonischen Exil den Angaben der biblischen Geschichtswerke. Auf die Regentschaft des Perserkönigs Kyros folgt sofort jene des letzten Etruskerkönigs Roms, Lucius Tarquinius Superbus, woran Theophilos nahtlos die Konsuln anschließt und danach, dem Vorbild Suetons folgend, also beginnend mit Julius Caesar,16 die Augusti bis Marc Aurel auflistet. Weltgeschichtlich betrachtet ist die Geschichte Israels nur eine Etappe, die mit dem Babylonischen Exil endet und direkt in die Geschichte des Imperium Romanum mündet. Weder das nachexilische Judentum noch die Jesusbewegung und die Geschichte des Christentums scheinen ein weltgeschichtliches Datum zu sein. So überrascht es kaum, dass bezüglich des Eigenlebens der christlichen Gemeinden nur die Taufe und die Buße genannt werden, allerdings ohne irgendeinen Bezug zu Kreuz und Auferstehung Jesu Christi. Zwei weitere Bezugnahmen stellen außer Frage, dass Theophilos unter den Konditionen des

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der Genealogie Sems. Die Personenfolge in Autol. III 24,2 und die Angaben zu deren Lebensalter bei der Zeugung des Nachkommens stimmen zwar mit Gen 11,10 – 26 überein, aber alle weiteren Personalnotizen fehlen. Diese drei Zitatenblöcke bilden das älteste Zeugnis für eine griechische Genesisübersetzung, das im Unterschied zu vorausgehenden christlichen Genesiszitationen, die nur einzelne prominente Verse anführen, einen zusammenhängenden Text bietet. Die textkritischen Übereinstimmungen der Theophiloszitate aus Gen 1 – 3 mit griechischen Genesishandschriften weisen auf eine beachtliche geographische Verbreitung des Genesistextes hin, den Theophilos bezeugt, nämlich von Syrien bis Nordafrika. Das wiederum gibt Anlass zu der Vermutung, dass dieser Genesistext ein sehr hohes Alter besitzt. Schnackenburg, Johannesevangelium erkennt in dem Konnex zwischen der johanneischen Logoslehre und der des Theophilos eines der vielen wirkungsgeschichtlichen Desiderate der Frühchristentumsforschung (1,171), und zum Zitat aus dem Johannesprololog in Autol. II 22 notiert er : „das dürfte das erste ,formelle‘ Zitat [aus dem gesamten Johannesevangelium] sein“ (1,178). Zur Logoslehre vgl. Prostmeier, Logos im Paradies, 207 – 228. Vgl. die Diskussion bei Mart†n, T¦ofilo, 12 – 15. Vgl. Sueton, Caes, 45 – 60.

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kaiserzeitlichen Religionsdiskurses für das Christentum werben will. Beide Male nimmt er auf die kirchengeschichtliche Situation Bezug: Zum einen durch den Hinweis auf die Verunglimpfung der Christen aus einer externen Perspektive, die das mangelnde religiöse Wissen und damit die defizitäre Bildung der Urteilenden aufdeckt. Hierzu ruft Theophilos einen Topos der antichristlichen Polemik auf, nämlich die pejorative Bedeutung des „ChristenNamens“ in der nichtchristlichen Welt (Autol. I 12). Zum anderen greift er binnenchristliche Trennungs- und Konsolidierungsprozesse auf, die das erfolgreiche Ringen um die Bewahrung der Wahrheit widerspiegeln. Theophilos argumentiert auf der Grundlage der Apostolischen Kirchenverfassung, wonach die ekklesiale Einheit in der weltweiten Verbreitung miteinander vernetzter, gleichgeordneter Apostelkirchen garantiert ist. In Autol. II 14,3 wird diese kirchliche Struktur und Situation als Kreation des dritten Schöpfungstags entnommen und normiert. Christentum ist an dieser Stelle identisch mit der Vorstellung der vernetzten Apostelkirchen. Diese „heiligen Kirchen“ sind für den Einzelnen wie sichere Zufluchtsorte in stürmischer See, weil sich in ihnen die ,Lehrstühle der Wahrheit‘ finden, wodurch dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet ist, ,die Wahrheit zu lieben‘, um dadurch gerettet zu werden (Autol. II 14,3)17. Das Bild von den rettenden Inseln kontrastiert Theophilos mit Klippen und fruchtlosen Inseln, wo „die Lehrstühle des Irrtums, ich meine der Ketzereien“18 zu finden sind, die den von der Wahrheit zum Irrtum Verführten ins Verderben stürzen (Autol. II 14,4 f.).19 Christen17 Autol. II 14,3: Ja· ja¢²peq 1m ¢ak²ss, m/so¸ eQsim aR l³m oQjgta· ja· euudqoi ja· jaqpovºqoi, 5wousai fqlour ja· kil´mar pq¹r t¹ to»r weilafol´mour 5weim 1m aqto?r jatavuc²r· ovty d´dyjem b He¹r t` jºsl\ julaimol´m\ ja· weilafol´m\ rp¹ t_m "laqtgl²tym t±r sumacyc²r, k´colem d³ 1jjkgs¸ar "c¸ar, 1m aXr ja¢²peq kil´sim eqºqloir 1m m¶soir aR didasjak¸ai t/r !kg¢e¸ar eQs¸· pq¹r $r jatave¼cousim oR ¢´komter s¾fes¢ai, 1qasta· cimºlemoi t/r !kg¢e¸ar, ja· boukºlemoi 1jvuce?m tµm aqcµm ja· jq¸sim toO HeoO. 18 Autol. II 14,4b: aR didasjak¸ai t/r pk²mgr, k´cy d³ t_m aRq´seym. 19 Könnte es sein, dass der in Autol. II 14 anschaulich geschilderte Gegensatz zwischen den sicheren Häfen im aufgewühlten Meer sowie mordenden Seeräubern und todbringenden Klippen als Bild für den Streit im Christentum um die theologische Wahrheit den Anfangspunkt markiert, ab dem dieses Bild zu einem binnenkirchlichen Topos der Ketzerpolemik avanciert, wie er in ausgefalteter Form im Schlusskapitel bei Basilius, De Spiritu 76 – 79 zu lesen ist? Dass Autol. II 14,3 – 5 auf die Sturmstillungsgeschichte (Mk 4,35 – 41 parr; Joh 6,16 – 21) oder den Schiffbruch vor Malta (Apg 27,27 – 44) anspielt, ist terminologisch nicht zu erhärten. Für Theophilos ist die Frage entscheidend, woher Rettung möglich ist. Das archaische Kontrastbild von der gefährlichen, menschentötenden See und dem sicheren Land gibt den mythologischen Hintergrund, um die Scheidung zwischen Wasser und Land am dritten Schöpfungstag mit den beiden Antinomien Wahrheit und Irrtum zu koppeln, so dass sich zwei kontrastierende Assoziationsgruppen ergeben, nämlich fruchtbare Inseln, Wahrheit und Rettung versus sturmumtoste, lebensfeindliche Klippen, Irrtum und Verderben. Die Pointe dabei ist, dass die Inseln mit Kirchen und die Klippen mit Häresien gleichsetzt werden. Auf diese Weise sind die vernetzten, also im doxologischen Konsens stehenden Kirchen zugleich der Ort der Rettung, wohingegen alles außerhalb dieses Konsenses ins Verderben führt. Auch in dieser kontrastierenden Allegorese dürfte wieder die für die dritte christliche Generation typische gruppenbildende und soteriologisch angewandte Gegenüberstellung zwischen Glauben und Unglauben mitwirken.

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tum ist folglich mit der im apostolischen Glauben vernetzten Kircheneinheit identisch und dieser apostolische Glaube ist in seinen essentiellen Wahrheiten im Schöpfungsbericht eingeschrieben. Aus der Sicht des Theophilos gründet die apostolische Kirchenverfassung im Willen des Schöpfers.

2. Problemstellung Angesichts dieser ersten Diagnose und vor allem wegen der verschwindend geringen Rekurse auf die älteste christliche Literatur drängt sich die Frage auf, worin in diesem Protreptikos christliches religiöses Wissen im Sinne des kaiserzeitlichen Religionsdiskurses zu sehen ist. Wie hat die Frühchristentumsforschung speziell dieses undurchsichtige literarische und theologiegeschichtliche Verhältnis der drei Bücher ,An Autolykos‘ zur christlichen Literatur beurteilt? Der ersten kritischen Ausgabe der drei Bücher ,Ad Autolycum‘ durch Johann Carl Theodor Otto (1816 – 1897) aus dem Jahr 1861 war ein zwar nicht umfangreiches, aber an der jeweiligen Fundstelle mit großer Zuversichtlichkeit angewandtes neutestamentliches Stellenregister beigegeben.20 Im Jahr 1890 erschien von Adolf Harnack eine kritische Durchsicht dieses Registers. Seine Untersuchung mit dem Titel „Theophilus von Antiochien und das Neue Testament“ war zum einen durch die entdeckungsfreudige Liste in der Jenaer Edition durch Otto veranlasst worden, zum anderen durch eine der Kontroversen zwischen Theodor Zahn und Adolf Harnack, in diesem Fall über das erhaltene Œuvre des Theophilos.21 Harnack schlägt gegenüber der Jenaer Ausgabe von ,Ad Autolycum‘ eine minimalistische These vor. Theophilus habe die ihm bekannten Evangelien, nämlich Matthäus und Johannes, in der Reihe der „inspirierten“ Männer eingeordnet, jedoch sind diese zweitrangig nach den hebräischen „Schriftstücken“ rangiert. Das Corpus Paulinum habe Theophilos zwar gut gekannt, er nenne aber keinen Paulusbrief als Quelle noch zitiere er literarisch, vielmehr füge er Elemente derselben mit einer souveränen Freiheit in seinen Text ein, um eigene Ideen auszudrücken. Weder die Evangelien noch die Paulusbriefe habe Theophilos als kanonische Schriftstücke betrachtet.22 Seit Harnacks Untersuchung sind nur noch vier Studien erschienen, die 20 Otto, Theophili Episcopi, 354 f. Unter den ausgewiesenen neutestamentlichen Stellen fehlen Mk, Phil, Phlm, 1 – 3 Joh. An die Edition und lateinische Übersetzung der Trilogie hat Otto einen unter dem Namen Theophilos lateinisch überlieferten Evangelienkommentar angefügt (278 – 324) sowie ein griechisches Fragment mit lateinischer Übersetzung eines bei Euseb, Cant. überlieferten und dort ebenfalls dem Antiochener zugeschriebenen Hoheliedkommentars (327 f.). 21 Vgl. Ehrhard, Altchristliche Litteratur, 245 – 247. 22 Vgl. Harnack, Theophilus und das Neue Testament, 1 – 21.

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die Resonanz der neutestamentlichen Schriften in ,An Autolykos‘ besprochen haben. Orientiert am Register bei Otto setzte 1943 Pedro de Aguado der skeptischen Position Harnacks eine detaillierte Widerlegung entgegen,23 ohne damit durchzudringen. Robert M. Grant hat in Vorbereitung seiner Edition von ,Ad Autolycum‘ auch nach der ,Bibel des Theophilos‘ gefragt, wobei er in Bezug auf die neutestamentlichen Bezüge eine vermittelnde Position eingenommen hat.24 Zuletzt hat Nicole Zeegers 1975 das Thema aufgegriffen und ihre Position 1998 in einen kulturgeschichtlichen Rahmen gestellt.25 Mit etwas Geduld lässt sich darüber hinaus die eine oder andere Notiz in Monographien zur Rezeption einer bestimmten neutestamentlichen Schrift26 oder eines Corpus27 in einer bestimmten Epoche oder im Œuvre eines altchristlichen Autors ausfindig machen.28 Vergleicht man die Stellenregister in den kritischen Editionen und den genannten Studien, so besteht Konsens, dass die Zitate aus frühchristlichen Schriften oder Anklänge an sie ungleich verteilt sind zwischen dem ersten Buch ,An Autolykos‘ und den beiden folgenden Büchern, in denen signifikant mehr Zitate begegnen. Auch die Worttreue in den Aufnahmen aus der Jesusüberlieferung sei genauer als in Bezugnahmen auf die übrige frühchristliche Literatur. Dies zeigt sich daran, ob die tatsächlichen oder vermeintlichen Aufnahmen aus christlicher Literatur als Zitate eingeführt sind oder nicht und wie sich diese Zitationseinleitungen zur Einführung von Zitaten aus der griechisch-römischen Literatur einerseits sowie zu Schriftzitaten andererseits verhalten. In den vorliegenden Untersuchungen bleiben sowohl der Kontext des jeweiligen Zitates sowie die Zusammenstellung der Zitate als auch die Funktionen unbeachtet, die die neutestamentlichen, resp. frühchristlichen Bezüge besitzen. Ebenso selten – wenn überhaupt – werden die Implikationen dieser Verwendungsweise für den Stellenwert der ältesten christlichen Literatur im Wissensdiskurs Religion am Ende des zweiten Jahrhunderts in den Blick genommen. Im Folgenden gilt das Augenmerk nur jenen Textabschnitten, in deren Zentrum tatsächlich oder vermeintlich Zitate aus der kanonischen Jesusüberlieferung stehen. Es handelt sich um folgende Passagen: Autol. I 14,1a (Joh 20,27c); II 10,4.5a (Joh 1,2a; Lk 1,35); II 22,2.5 – 6b (Joh 1,1.3a.b); III 13,2c.4 (Mt 5,28.32; Lk 16,18b); III 14,2.3b (Mt 5,44; 6,3; Lk 6,27a). Hinzu kommen die Kontexte, in die diese Aufnahmen aus der Jesusüberlieferung 23 24 25 26 27

Vgl. de Aguado, Teûfilo, 291 – 326. Grant, The Bible of Theophilus, 33 – 45. Zeegers-Vander Vorst, Citations, 371 – 382; Dies.: Les trois cultures, 135 – 176; Vgl. Kçhler, Rezeption des Matthäusevangeliums, 500 – 504. Bezüglich des Corpus Paulinum vgl. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, der zwar Theophilos nicht behandelt, aber, obwohl er sich mit Markion eine zeitliche Obergrenze setzt, mit der Untersuchung der Paulusrezeption in der frühchristlichen Gnosis sowie bei Aristides, Justin und im Protreptikos ,An Diognet‘ doch in zeitliche Nähe zum Antiochener gelangt. 28 Vgl. Parson, Coherence, 155 – 222.

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platziert sind: Autol. III 13,2a (Prov 4,25) und III 13,5 (Prov 6,27 – 29); Autol. III 14,1b (Jes 66,5b) und III 14,4 f. (Tit 3,1; Röm 13,1 – 3; 1 Tim 2,1 f.; Röm 13,7.8a). Als Ausblick auf die Rezeption der frühchristlichen Literatur extra canonem wird Autol. II 14,2c (1 Klem 13,3) besprochen.

3. Jesusüberlieferung in ,An Autolykos‘ I Im ersten Buch ,An Autolykos‘ finden Otto, Harnack, Grant29, Marcovich30 und Mart†n31 nur ein Logion zitiert: In Autol. I 14,1a lµ owm !p_stei, !kk± p_ste¢e sei Joh 20,27c ja· lµ c¸mou %pistor, !kk± pistºr zitiert. Der Gegensatz zwischen Unglauben und Glaubensvollzug wird in I 14,1 an zwei weiteren Stellen aufgenommen und paränetisch verwendet: Erstens in I 14,1c (oqj !pist_, !kk± piste¼y), wobei piste¼y mit pei¢aqw_m ¢e` erläutert wird, zweitens in I 14,1d, wo die aktuelle Situation des Autolykos mit lµ mOm !pist¶sar im Blick ist. Jetzt ist die Gelegenheit, auch aus Vernunftgründen zum Gottesgehorsam im Glauben (rpot²cg¢i piste¼ym aqt`) zu gelangen. Auch um der Wahrung der Freiheit des Menschen willen ist dies geboten, denn bei der Gottesschau im Eschaton wird sich niemand dem Glauben verweigern können. Spielen diese drei Sequenzen auf Joh 20,27c an? Oder handelt es sich „um Aufnahme geläufigen Traditionsgutes, sozusagen frühchristlicher Aphorismen“32 ? Die Kennzeichnung unvereinbarer Glaubenshaltungen mittels der Lexeme piste}y / p_stir und ihrer a-Privativumbildungen findet sich in den griechischen Bibelübersetzungen nur in Prov 17,6a.33 Auch im Œuvre von Philon von Alexandria ist diese Gegenüberstellung belegt.34 Vielleicht nimmt es deshalb nicht Wunder, dass sie auch im Corpus Paulinum vorliegt. In der Jesusüberlieferung ist hierfür die flehende Bitte in der Exorzismusgeschichte Mk 9,24 der älteste Beleg. Eine vergleichbare adversative Verwendung des Lexems piste}y wie in Autol. I 14,1 scheint in der ältesten christlichen Literatur indes nur in Röm 11,20 und 1 Petr 2,7 vorzuliegen. Die dritte christliche Generation interpretiert diese adversative Verwendung des Lexems piste}y schließlich als Gegensatz zwischen den Glaubenden, nämlich den Christen, gegenüber allen Nichtchristen. In 1 Petr 2,7 profiliert dieser Kontrast das ekklesiologische 29 30 31 32 33

Grant, Theophilos of Antioch, 149 f. Marcovich, Theophili Antiocheni, 144 – 146. Mart†n, Teûfilo de Antioqu†a. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 35. Prov 17,6a LXX: toO pistoO fkor b jºslor t_m wqgl²tym, toO d³ !p¸stou oqd³ abokºr. / Dem Treuen gehört die ganze Welt der Reichtümer, dem Treulosen nicht mal ein Obolos. – Der Teilvers 6a ist nur in den griechischen Bibelübersetzungen belegt. 34 Vgl. Philon, ebr 40; fug 152.

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Selbstverständnis.35 Der Position des Theophilos in der Sache am nächsten steht die Verwendung des Gegensatzpaares in IgnEph 8,2b und Diogn 11,2.36 Diese frühchristlichen Belege kommen in zwei Funktionen überein: 1. Es wird eine Distinktion zwischen zwei Menschheitsgruppen vollzogen, die sich durch ihr Verhältnis zur biblischen Glaubenstradition derart unterscheiden, dass Glauben identisch ist mit Christsein. 2. Mit der Gruppenzugehörigkeit ist eine strikt unterschiedliche Heilszusage verbunden, die in den Appell zur Konversion zum Christentum kanalisiert ist, z. B. in dem Aufruf „zum Glauben zu kommen“. Wegen dieser konstanten Verwendung und Funktion der Gegenüberstellung in der Literatur ab der dritten christlichen Generation, und weil Theophilos durch nichts zu erkennen gibt, dass die Gegenüberstellung in Autol. I 14,1a auf Joh 20,27 beruht, ist davon auszugehen, dass in Autol. I 14,1a ein frühchristlicher Aphorismus37 zum Tragen kommt. Das bedeutet, dass im ersten Buch kein sicherer Beleg für die Verwendung von Jesusüberlieferungen auszumachen ist.

4. Jesusüberlieferungen in ,An Autolykos‘ II und III Im Unterschied zum ersten Buch enthalten die beiden folgenden Bücher eine Fülle an Zitaten und Anspielungen auf die griechisch-römische Literatur sowie auf die griechische Bibelübersetzungen und auf christliche Schriften bis Theophilos. In allen Editionen und Studien gilt es als unstrittig, dass in Autol. II 22 zwei Verse aus dem Johannesprolog zitiert sind: Joh 1,1a.b in Autol. II 22,5b und Joh 1,1c.3a.b in Autol. II 22,6a. Daneben wird eine ganze Reihe von Bezügen auf die neutestamentlichen Jesusüberlieferungen, z. T. in Verbindung mit Anklängen an das Corpus Paulinum, namhaft gemacht. Bisweilen beruhen diese Verknüpfungen zwischen der Trilogie und der ältesten christlichen Li35 Vgl. 1 Petr 2,7: rl?m owm B tilµ to?r piste¼ousim, !pistoOsim d³ k¸¢or dm !pedoj¸lasam oR oQjodoloOmter, oxtor 1cem¶¢g eQr jevakµm cym¸ar. 36 IgnEph 8,2b: ¦speq oqd³ B p¸stir t± t/r !pist¸ar oqd³ B !pist¸a t± t/r p¸steyr. / gerade so wie auch der Glaube nicht die Werke des Unglaubens tun kann, noch der Unglaube die Werke des Glaubens. IgnMag 5,2b: oR d³ pisto· 1m !c²p, waqajt¶qa ¢eoO patq¹r di± YgsoO WqistoO. / die Ungläubigen die dieser Welt, die Gläubigen die Prägung Gottes des Vaters in Liebe durch Jesus Christus. IgnMag 5,2b zeigt deutlicher als IgnEph 8,2 den Einfluss dichotomisch-dualistischer Sprache und Bilder, für die sich Beispiele in der paulinischen und johanneischen Tradition benennen lassen, z. B. Gott und die „Welt“ 1 Kor 1,20 f.; Joh 3,16; vgl. ferner 2 Kor 6,15. In zeitliche Nähe sowie in ein verwandtes geistig-soziales Milieu zu ,An Autolykos‘ führt die protreptische Schrift ,An Diognet‘; dort heißt es Diogn 11,2b.c: oXr 1vam´qysem b kºcor vame¸r, paqqgs¸ô kak_m, rp¹ !p¸stym lµ moo¼lemor, la¢gta?r d³ digco¼lemor, oT pisto· kocis¢´mter rp( aqtoO 5cmysam patq¹r lust¶qia. / denen es der Logos, als er erschien und offen redete, offenbarte – von den Ungläubigen nicht verstanden, den Jüngern es aber darlegte –, welche von ihm als Gläubige angesehen die Geheimnisse des Vaters erkannt haben. 37 Vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 35.

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teratur auf prägnanten Wendungen, z. B. d¼malir rx¸stou, oder signifikanten Begriffen, z. B. !qw^ im Johannesprolog.

4.1 !qw^ und d¼malir rx¸stou – Zitate aus Joh 1,2(3) sowie Lk 1,35? Miroslav Marcovich weist in seiner Edition neben den beiden Versen aus dem Prolog in Autol. II 22 ein weiteres Zitat von Joh 1,3 aus, nämlich die Vokabel !qw^ in Autol. II 10,4: oxtor k´cetai !qw¶, fti %qwei ja· juqie¼ei p²mtym t_m di’ aqtoO dedgliouqcgl´mym. Abgesehen davon, dass !qw^ nicht in Joh 1,3, sondern Joh 1,2 steht, stellt sich die Frage, ob ein Begriff, der innerhalb des theosophischen Diskurses der frühen Kaiserzeit fast omnipräsent ist, zwingend auf eine bestimmte Quelle verweisen kann. Diese Schwierigkeit wird kaum dadurch gemildert, dass etwa Jos¦ Pablo Mart†n in seiner Textausgabe statt auf den Johannesprolog auf Gen 1,2 und zusätzlich auf Gen 1,1 verweist.38 Joh 1,2.3 2 oxtor Gm 1m !qw0 pq¹r t¹m ¢eºm.

3 p²mta dQ aqtoO 1c´meto, ja· wyq·r aqtoO 1c´meto oqd³ 6m. d c´comem 2 Im Anfang war es bei Gott.

3 alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist nichts geworden, was geworden ist.

Autol. II 10,4 oxtor k´cetai !qw¶, fti %qwei ja· juqie¼ei p²mtym t_m di’ aqtoO dedgliouqcgl´mym.

Dies Wort heißt „Anfang“, weil es das Prinzip und der Herr aller Dinge ist, die durch dasselbe sind geschaffen worden.

Ähnlich verhält es sich mit dem zunächst ganz ungewöhnlich klingenden Ausdruck d}malir rx_stou (Kraft des Erhabenen [oder des Höchsten]) in Autol. II,10,5a.

38 Allein schon in der neutestamentlichen Jesusüberlieferung kämen Mt 19,4.8; 24,21 und Mk 10,6 in Betracht. Ferner wäre auf Offb 3,14; 21,6; 22,13; 1 Klem 19,2; 31,1; IgnEph 3,1; 14,1 und Diogn 2,1; 11,4 zu verweisen.

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Lk 1,35: ja· !pojqi¢e·r b %ccekor eWpem aqt0· pmeOla ûciom 1peke¼setai 1p· s³ ja· d¼malir rx¸stou 1pisji²sei soi· di¹ ja· t¹ cemm¾lemom ûciom jkg¢¶setai uR¹r ¢eoO.

Autol. II 10,5a: oxtor owm, £m pmeOla ¢eoO ja· !qwµ ja· sov¸a ja· d¼malir rx¸stou,

Der Engel antwortete ihr : Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.

Dies (Wort) nun, Geist Gottes seiend und Prinzip und Weisheit und Kraft des Erhabenen,

Der Terminus d}malir rx_stou ist in der biblischen und außerbiblischen Gräzität zum ersten Mal in Lk 1,35a belegt. Seit Otto gilt diese terminologisch auffällige Übereinstimmung zwischen Lk 1,35a und Autol. II 10,5a als entscheidendes Indiz dafür, dass Theophilos das Lukasevangelium gekannt hat. Streng genommen lässt sich das nur für die Geschichte von der Ankündigung der Geburt Jesu an Maria in Lk 1,26 – 38 behaupten. Marcovich will diese Aufnahme von Lk 1,35a beglaubigen, indem er auf Autol. II 22,2 – 4 verweist. Dort findet sich tatsächlich das Lexem d}malir. Allerdings steht es hier in einem Zitat, das wohl aus 1 Kor 1,24b stammt: 1Kor 1,23 f.: Ble?r d³ jgq¼ssolem Wqist¹m 1stauqyl´mom, Youda¸oir l³m sj²mdakom, 5¢mesim d³ lyq¸am, 24 aqto?r d³ to?r jkgto?r, Youda¸oir te ja· þkkgsim, Wqist¹m ¢eoO d¼malim ja· ¢eoO sov¸am·

Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, 24 für die Berufenen aber, Juden wie

Autol. II 22,2: b d³ kºcor aqtoO, di’ ox t± p²mta pepo¸gjem,

d¼malir £m ja· sov¸a aqtoO, !makalb²mym t¹ pqºsypom toO patq¹r ja· juq¸ou t_m fkym, oxtor paqec´meto eQr t¹m paq²deisom 1m pqos¾p\ toO ¢eoO ja· ¢l¸kei t` )d²l. Sein Wort aber, durch welches er alles gemacht hat,

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Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

das da ist seine Kraft und seine Weisheit, übernahm die Stelle des Vaters und Herrn aller Dinge, und dieses ist es, das an der Stelle Gottes im Paradiese erschien und mit Adam redete.

Was hat Theophilos tatsächlich zitiert? Hat er überhaupt zitiert? Theophilos zeigt weder für den auffälligen Ausdruck d}malir rx_stou einen Zusammenhang mit der Verkündigungsszene in Lk 1,26 – 28 an, noch notiert er für das zweite Bruchstück, dass es (auch) in 1 Kor 1,24b zu lesen ist. Hinzu kommt, dass in beiden Fällen das vermeintliche Zitat in einem völlig anderen Zusammenhang verwendet ist als in der mit exegetischer Findigkeit entdeckten neutestamentlichen Fundstelle. Die Lk-Stelle ist in eine logostheologische Reflexion gestellt, die durch das erste Buch vorbereitet ist und nun die Funktion des Logos erläutert. Die Sequenz, die man auf 1 Kor 1,24 zurückführen kann, ruft die Aussagen zur Präexistenz des Logos und zu seiner Schöpfungsmittlerschaft auf, um den Logos als den Topos der Präsenz von Gottes Kraft und Weisheit im Paradies zu benennen. Das Ganze dient Theophilos zur Allegorese von Gen 3,8.39 Als weitere Auffälligkeit kommt hinzu, dass vor diesem vermeintlichen Pauluszitat zur Begründung des Theologumenon von der Unbegrenztheit Gottes das prominente Verdikt aus der Jesajaapokalypse zitiert ist – „es gibt keine Stätte seiner Ruhe“ (Jes 66,1) –, und dass anschließend förmlich die „Heilige Schrift“ als Lehrerin eingeführt wird.40 Theophilos rekurriert damit auf die unmittelbar zuvor zitierte Sündenfallgeschichte, d. h. Autolykos, resp. den Diskurspartnern, ist der Genesistext aus dem vorgehenden Kapitel (Autol. II 21,3a) bekannt. Diese ersten Beobachtungen zeigen bereits die Schwierigkeiten an, darüber zu entscheiden, ob Theophilos eine bestimmte neutestamentliche oder frühchristliche Schrift zitiert hat oder mindestens zitieren will. Liest man in Autol. II 22 weiter, also in dem Kapitel, in dem er ausdrücklich aus dem Johannesprolog zitiert (Autol. II 22,5 f.), dann wird deutlich, was Theophilos beabsichtigt. Unmittelbar im Anschluss an seinen Rekurs auf Gen 3,8 stellt er nämlich folgende rhetorische Frage: „Was ist aber die Stimme anderes als das

39 Gen 3,8: Ja· Ejousam tµm vymµm juq¸ou toO ¢eoO peqipatoOmtor 1m t` paqade¸s\ t¹ deikimºm, ja· 1jq¼bgsam f te Adal ja· B cumµ aqtoO !p¹ pqos¾pou juq¸ou toO ¢eoO 1m l´s\ toO n¼kou toO paqade¸sou. / Und sie hörten die Stimme Gottes des Herrn, als dieser im Gartenpark zur Abendzeit einherging, und sowohl Adam als auch seine Frau verbargen sich vor dem Angesicht Gottes des Herrn inmitten der Bäume des Gartenparks. 40 Autol. II 22,3a: Ja· c±q aqtµ B ¢e¸a Cqavµ did²sjei Bl÷r t¹m )d±l k´comta, t/r vym/r !jg–jo´mai. / Denn auch die Hl. Schrift belehrt uns, dass Adam sagte, er habe die Stimme gehört.

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Wort Gottes, welches auch sein Sohn ist?41 (Autol. II 22,3b).“ Nachdem er in einer dichten Argumentationsfolge den Logos als den von Gott vor aller Schöpfung gezeugten eigenen Gedanken und als seine eigene Weisheit qualifiziert hat, bringt Theophilos schließlich die beiden Zitate aus dem Johannesprolog ein. Unter allen Stellen, die seit der Edition durch Otto diskutiert werden, gilt allein das Zitat aus dem Johannesprolog in Autol. II 22,5 – 6a.b als unstrittig. 4.2 Heilige Schrift und Geistträger

9m !qw0 Gm b kºcor – Joh 1,1 – 3a in Autol. II 22 Joh 1,1.3a:

1a Em !qw0 Gm b kºcor, 1b ja· b kºcor Gm pq¹r t¹m ¢eºm,

1c ja· ¢e¹r Gm b kºcor. 3 p²mta dQ aqtoO 1c´meto, ja· wyq·r aqtoO 1c´meto oqd³ 6m. d c´comem

Autol. II 22 5.6a.b: 5 f¢em did²sjousim Bl÷r aR ûciai cqava· ja· p²mter oR pmeulatovºqoi, 1n ¨m Yy²mmgr k´cei· 9m !qw0 Gm b kºcor, ja· b kºcor Gm pq¹r t¹m ¢eºm· deijm»r fti 1m pq¾toir lºmor Gm b ¢e¹r ja· 1m aqt` b kºcor. 6a 5peita k´cei· Ja· ¢e¹r Gm b kºcor· p²mta di’ aqtoO 1c´meto, ja· wyq·r aqtoO 1c´meto oqd´m. 6b ¢e¹r owm £m b kºcor ja· 1j ¢eoO pevuj¾r

Im Anfang war der Logos; und der Logos war bei Gott;

Und Gott war der Logos; alles ist durch ihn geworden,

Darüber unterrichten uns die Heiligen Schriften und alle Geistträger von denen Johannes sagt: Im Anfang war der Logos; und der Logos war bei Gott; womit er anzeigt, dass im Anfang nur Gott war und in ihm der Logos. Hierauf sagt er : Und Gott war der Logos; alles ist durch ihn geworden,

41 Autol. II 22,3b: Vymµ d³ t¸ %kko 1st·m !kk( C b Kºcor b toO HeoO, fr 1sti ja· UR¹r aqtoO.

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und ohne ihn ist nichts geworden was geworden ist

und ohne ihn ist nichts geworden. 6b ,Gott‘ ist also der Logos und aus Gott gezeugt worden.

Von dem Problem der Interpunktion in Joh 1,2a zwischen oqd³ 6m und d c´comem sehe ich ab.42 Interessanter als diese textkritische Frage und die offenkundige Textübereinstimmung ist die Zitationseinleitung in Autol. II 22,5a. Sie gibt nicht nur die Gewissheit, dass das Nachfolgende ein Zitat ist, und zwar aus dem Johannesevangelium, sondern zeigt auch die Autorität der christlichen Literatur im Verhältnis zur Schrift an. Dass das Johannesevangelium als Quelle der beiden Verse angeführt wird, ist nach 180 n. Chr. nicht wirklich überraschend.43 Beachtlich ist vielmehr die Selbstverständlichkeit, mit der Theophilos die Bekanntheit des Johannesevangeliums und dessen Argumentationskraft im theologischen Diskurs voraussetzt. Aus der Formulierung ja· p²mter oR pmeulatovºqoi scheint hervorzugehen, dass Autolykos darüber hinaus zweierlei bekannt war: Erstens ist das Johannesevangelium an dieser Stelle genannt, weil es für den anstehenden Sachverhalt nicht nur einen passenden, sondern den entscheidenden Beleg bereithält und zweitens steht es in einer Reihe von Dokumenten des Christentums und besitzt gleichermaßen deren Autorität und Funktion im Wissensdiskurs Religion. Die Funktion der Zitate ist demzufolge die Lehre. Deren Autorität wird durch den Vergleich mit den Heiligen Schriften festgestellt, denn: Wie aR ûciai cqava_ „uns belehren“, so auch die Werke der „Geistträger“. Wenn man der Konjunktion ja_ an dieser Stelle zutraut, was sie auch sonst grammatisch leistet, dann gelten die Heiligen Schriften und die Literatur, die von Geistträgern wie dem Evangelisten Johannes stammt, hinsichtlich ihrer Lehrfunktion als gleichrangig. Die ûciai cqava_ und alle pmeulatovºqoi „lehren“, und zwar „uns“. Das Pronomen ist nicht weniger bedeutungsvoll als das Prädikat. Während das Prädikat, weil es sich doch auf die Heiligen Schriften und die Geistträger bezieht, die Kontinuität und damit Konsistenz der Lehre beider Corpora festhält, ruft das Bl÷r die Darlegungen über die theologische Hermeneutik im ersten Buch ,An Autolykos‘ auf. Bedenkt man, dass in Autol. I 22 der theologische Status des Logos und seine Funktionen besprochen wird, ergibt sich, dass sich die Lehre der Heiligen Schriften und der Geistträger auf die zutreffende Rede von Gott bezieht, und somit sowohl auf das Hauptthema des kaiserzeitlichen Religionsdiskurses als auch auf das Kernsujet der Trilogie

42 Vgl. Schnackenburg, Johannesevangelium, 215 – 217. – Theophilos bezeugt das d c´comem nicht. Anstelle der Verbindung oqd³ 6m liest Theophilos oqd]m. Für Joh 1,3 ist die Lesart oqd]m durch 966 4* D 1 1582 139 71 bezeugt. 43 Vgl. Schnackenburg, Johannesevangelium, 171 f.

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selbst. Wenn nun aber diese theologische Lehre „uns“ gilt, dann sind hier exakt jene Voraussetzungen für die theologische Wahrheitsfindung in den Blick genommen, die in Autol. I 2 als Bedingung der Möglichkeit für die erstrebte „Gottesschau“ formuliert sind, nämlich Wahrheitsliebe und Vernunft sowie Tugend und Umkehr zu Gott. Diese Gleichrangigkeit umfasst neben der pneumatischen Konstitution der Verfasser, die auf die Qualität ihrer Schriften übergeht, einen weiteren Aspekt, der sich an der Bedeutung des Lexems pmeulatov|qoi entscheidet. Wer die pmeulatovºqoi sind, erklärt Theophilos in Autol. II 9,1 – 10,1: „Männer Gottes … Gefäße des Heiligen Geistes … Propheten … von Gott selbst inspiriert und unterrichtet … gottgelehrte, heilige und gerechte Männer …, des Lohnes gewürdigt, Gottes Werkzeuge zu werden und die von ihm ausströmende Weisheit in sich aufzunehmen; und durch diese prophezeiten sie über die Erschaffung der Welt und über alle übrigen Dinge.“ Diese pmeulatov|qoi können allerdings nicht jene sein, die in Autol. II 22,5a genannt sind, weil Theophilos dort ausdrücklich über die Septuaginta hinausgeht: „Darauf fußt auch die Lehre der hl. Schriften und der mit dem Geist Gottes erfüllten Männer (aR ûciai cqava¸, ja· p²mter oR pmeulatovºqoi), von denen einer, Johannes, sagt:“ Harnack wollte den Begriff pmeulatovºqoi nicht auf neutestamentliche Schriften beziehen, sondern meinte, es sei von ,neutestamentlichen‘44 Propheten die Rede. Die Interpretation des Begriffs pmeulatovºqoi auf Einzelgestalten hat – für Harnack – den Vorteil, dass das Problem des neutestamentlichen Kanons sowie alle historischen Fragen zur frühchristlichen Literatur ausgeblendet werden können. Nicht mehr als eine Vermutung ist es, dass Harnacks Deutung des Begriffs auch unter dem Eindruck der Antiochener Trias aus Propheten, Lehrern und Aposteln steht (Apg 13,1; 14,4.14), die eine beachtliche Nachgeschichte im zweiten Jahrhundert hatte, wie die Didache belegt (11; 13). Ausschlaggebend dürfte indes die Verwendung des Begriffs in den griechischen Übersetzungen von Hos 9,7 und Zef 3,4 gewesen sein. In Hos 9,7 heißt es: Fjasim aR Bl´qai t/r 1jdij¶seyr, Fjasim aR Bl´qai t/r !mtapodºse¾r sou, ja· jajy¢¶setai Isqagk ¦speq b pqov¶tgr b paqenestgj¾r, %m¢qypor b pmeulatovºqor· rp¹ toO pk¶¢our t_m !diji_m sou 1pkg¢¼m¢g lam¸a sou. Sie sind gekommen, die Tage der Rache, sie sind gekommen, die Tage deiner Vergeltung. Und Israel wird schlecht behandelt werden wie der Prophet, der von Sinnen ist, (wie) ein Mensch, der vom Geist weggetragen wird. 44 Der Begriff ist von Harnack an dieser Stelle nicht dogmatisch verwendet, sondern will die christlichen Anfänge markieren und z. B. gegen die „neue Prophetie“, d. h. die Montanisten, sichern.

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Infolge der großen Anzahl deiner Ungerechtigkeiten hat sich dein Wahnsinn vermehrt.

Pmeulatovºqor in Hos 9,7a ist durch paqenestgj¾r nicht pejorativ bestimmt. Entscheidend ist vielmehr der Titel b pqov¶tgr. Deshalb und wegen des israelkritischen Kontextes ist der vom Geist getragene Mensch jener, der den Willen Gottes ansagt und ihm folgt, und deshalb Anfeindung erleidet. Interessanter ist die Stelle in Zef 3,4: oR pqov/tai aqt/r pmeulatovºqoi, %mdqer jatavqomgta¸· oR Reqe?r aqt/r bebgkoOsim t± ûcia ja· !seboOsim mºlom. Ihre Propheten sind Windbeutel, Verächter ; ihre Priester entweihen das Heilige und freveln gegen das Gesetz.

Propheten sind konstitutionell Geistträger45. Der Fokus in Zef 3,4 LXX liegt – wohl im Unterschied zum masoretischen Text – auf dem Possessivum aqt/r. Es handelt sich nicht mehr nur um treulose Propheten, die „ihre ureigene Aufgabe der Prophezeiung, der Ausrichtung von Gotteswort, durch Anmaßung und Treulosigkeit pervertieren“46. Durch ihr Tun sind sie vergleichbar mit fremden Propheten; sie werden behandelt wie Exponenten von Fremdvölkern. Daher richtet sich Zefanjas Ständemahnung nun als eine Art Drohpredigt gegen sie.47 Pmeulatovºqoi ist also in Zef 3,4 keine Auszeichnung, sondern ein bitteres Scheltwort. Wie es zu verstehen ist, wird mit %mdqer jatavqomgta¸ präzise erläutert: sie sind Betrüger ; der MT liest N9*7¡6! 5,* =Mú¦1D!4( („Männer des Betrugs“). Von daher erklärt sich, dass pmeulatovºqoi in Zef 3,4 das Partizip A=:%¤ ;#H,* wiedergibt, das von seiner Basis :;H her „auftrumpfend, frech, zuchtlos sein“48 meint. Diese Semantik passt aber nicht zu der Zitationseinleitung in Autol. II 22,5a, denn in Zefanja sind Personen gemeint, fremde Propheten, die vermutlich voller Stolz auf ihre pneumatische Kompetenz insistieren.49 Weil das Lexem weder bei Philon und Josephus noch in den alttestamentlichen Pseudepigraphen belegt ist, könnte es eine Neubildung der griechischen Bibelübersetzungen sein, wobei die Semantik geradezu gegenläufig sein kann wie die Verwendung des Nomens in Hos 9,7 und Zef 3,4 illustriert. In der frühchristlichen Literatur sind der Hirt des Hermas und ein Papiasfragment die ältesten Zeugen für das Kompositum. In Herm 43,16 heißt es: 45 46 47 48 49

Vgl. Jes 61,1a: PmeOla juq¸ou 1p( 1l´. Irsigler, Zefanja, 332. Vgl. ebd. 314 – 339. Vgl. KBL1, 758. Das Nomen ist in den griechischen Bibelübersetzungen nur in Hos 9,7 und Zef 3,4 belegt, das Verb pmeulatovoqe?s¢ai findet sich nur in Jer 2,24a (… 1m 1pi¢ul¸air xuw/r aqt/r 1pmeulatovoqe?to, paqedº¢g·), allerdings ohne Sachbezug zur Semantik des Nomens in den beiden Prophetenbüchern.

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5weir !lvot´qym t_m pqovgt_m tµm fy¶m. doj¸lafe owm !p¹ t_m 5qcym ja· t/r fy/r t¹m %m¢qypom t¹m k´comta 2aut¹m pmeulatovºqom eWmai. Da hast du den Lebenswandel beider Arten von Propheten.

Überprüfe also anhand seiner Werke und seiner Lebensführung den Menschen, der von sich behauptet, ein Geistträger zu sein.

Das Thema Prophetie steht im Hirten des Hermas am Rande. Die Kriteriologie zur Überprüfung prophetischer Legitimation im Teilvers 16b ist aus Did 11,7 – 12 bekannt.50 In der Antwort des Hirten in Mandate XI an Hermas ist pmeulatovºqor „ein Terminus für den ständigen Status als Prophet“51, der synonym ist mit dem Ausdruck in Herm 43,9a b %m¢qypor b 5wym t¹ pmeOla t¹ ¢e?om (der Mensch, der den göttlichen Geist besitzt)52. In Lightfoots Rekonstruktion der Papiasfragmente findet sich ein weiterer Beleg für pmeulatovºqoi in 28,1 (2,1).53 Nach dem Zitat von Gen 2,8 wird erläutert, dass es sich um eine Verheißung an dija¸oir c±q !m¢q¾poir ja· pmeulatovºqoir handelt. Inspiriert ist Theophilos zufolge die griechisch-römische Tradition zwar auch, aber jener Geist der Musen, der die Dichter und Philosophen treibt, ist im Sinne des Theophilos nicht göttlich. Die LoOsai sind nämlich Töchter des Zeus (II 2,5.6). Kraft dieser Verwandtschaft haben sie teil am Nimbus des Zeus; weil Zeus aber, Hesiod und den Dichtern zufolge, also nach dem Selbstzeugnis der griechisch-römischen Tradition, später ist als die Schöpfung, ist der von den LoOsai inspirierten griechisch-römischen Kultur bestenfalls ein deszendenter Wahrheitsanspruch zuzubilligen, denn eigentlich fehlt den LoOsai jede göttliche Verwandtschaft. Für die Interpretation des Lexems in Autol. ist entscheidend zu registrieren, dass nicht nur pmeulatovºqoi dasteht, sondern p\mter oR pmeulatovºqoi, wovon einer der vierte Evangelist ist. Vor dem Hintergrund des skizzierten Sprachgebrauchs wäre zu erwägen, ob p\mter oR pmeulatovºqoi eine Analogiebildung zu p²mter oR pqov¶tai ist, wofür auf Formulierungen in den ge50 Vgl. Niederwimmer, Didache, 217 – 223. 51 Brox, Hirt des Hermas, 262. 52 Vgl. Herm 43,2b: 5wym 1m 2aut` d¼malim pme¼lator ¢e¸ou / in sich Kraft göttlichen Geistes habend. 53 Papias 28,1 (2,1): PoO owm 1t´¢g b pq_tor %m¢qypor; 1m t` paqade¸s\ dgkomºti, ja¢½r c´cqaptai· «ja· 1v¼teusem b He¹r paq²deisom 1m 9d³l jat± !matok±r ja· 5¢eto 1je? t¹m %m¢qypom dm 5pkasem» ja· 1je?¢em 1nebk¶¢g eQr tºmde t¹m jºslom paqajo¼sar. di¹ ja· k´cousim oR pqesb¼teqoi, t_m !postºkym la¢gta¸, to»r letate¢´mtar 1je?se letate¢/mai· (dija¸oir c±q !m¢q¾poir ja· pmeulatovºqoir Btoil²s¢g b paq²deisor, 1m è ja· PaOkor b !pºstokor eQsjolis¢e·r Ejousem %qqgta N¶lata, ¢r pq¹r Bl÷r 1m t` paqºmti), j!je? l´meim to»r letate¢´mtar 6yr sumteke¸ar, pqooiliafol´mour tµm !v¢aqs¸am. Näheres vgl. Kçrtner, Papiasfragmente, 9 – 28. – Die Echtheit dieses Fragmentes ist in der Papias-Forschung umstritten, weshalb es sich nicht in allen Editionen findet.

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schichtlichen Büchern der Schrift verwiesen werden könnte.54 Folgt man der altkirchlichen Tradition über die Verfasserschaft des vierten Evangeliums, wäre also Johannes ein Prophet gewesen, der deshalb zu den Geistträgern zu rechnen ist. Allerdings existiert kein Beleg dafür, dass der vierte Evangelist bereits vor der Trilogie pmeulatovºqor genannt wurde. Hinzu kommt, dass der Ausdruck p\mter oR pmeulatovºqoi der vorausgehenden Bezeichnung aR ûciai cqava_ mittels der Konjunktion ja_ gleichgeordnet ist. Es geht also nicht um die Schrift einerseits und die Gesamtheit christlicher Propheten andererseits, sondern um zwei Corpora. Die Heiligen Schriften einerseits und Schriften wie z. B. das Johannesevangelium andererseits sind gleichrangig. Während zur Abfassungszeit der Trilogie mit aR ûciai cqava_ das Septuagintacorpus im Blick sein wird, ist offen, welche christlichen Schriften neben dem Johannesevangelium zu den Werken der pmeulatovºqoi gehören. Eine Möglichkeit, darüber Aufschluss zu gewinnen, bestünde darin, anhand der Zitatenregister alle christlichen Schriften aufzulisten, die in Autol. verwendet sind oder es den Anklängen zufolge sein könnten. Harnack fand Zitate und Anklänge zu allen neutestamentlichen Schriften mit Ausnahme des Mk und 2 Thess. Mart†n folgt ihm, meint aber Mk 3,5 und 7,22 nachweisen zu können. Marcovich hingegen notiert nur Mk 3,5. Abgesehen von den widersprüchlichen Stellennachweisen ist die exklusiv auf das Neue Testament begrenzte Untersuchungsperspektive anachronistisch. Neben der kanonischen hat Marcovich akribisch auch die christliche Literatur extra canonem ante Ad Autolycum ausgewiesen, und er findet Zitate und Anklänge zu 37 christlichen Schriften: ,An Diognet‘, PetrApoc, Apokryphon des Johannes, Aristides, Athenagoras und Ps-Athenagoras, Barnabasbrief, 1 Klem, Didache, Hirt des Hermas, Hermias, Ignatianen, Justin und Ps-Justin, Kerygma Petrou, Markion, MartPolyc, Melito, zu zwölf Nag Hammadi-Schriften, OdSal, Oracula Sibyllina, Sextus, Tatian. Diese Liste wirft drei Fragen auf: 1. Bilden diese 37 Schriften zusammen mit den neutestamentlichen Schriften die p\mter, von denen Theophilos spricht? Sind die genannten über 30 Verfasser alle pmeulatovºqoi? 2. Zeigt diese lange Liste die Bibliothek der christlichen Schriften des Theophilos oder gar der Gemeinde von Antiochia, wenn man die späteren neutestamentlichen Schriften hinzunimmt? 3. Hat Theophilos z. B. den Spruch in Autol. I 8,2a "p²mtym pqacl²tym B p¸stir pqogce?tai (bei allen Werken geht der Glaube voraus) tatsächlich aus der Sentenz 166 des Sextus zitiert (p_stir "pas_m jak_m pq\neym Bcel~m 1stim) oder gar übersetzt: „fides omnes actus tuos praecedat“?55 Oder ruft Theophilos mit diesem Merksatz die seit Röm 4 und Jak 2,14 – 26 bekannte Debatte um die soteriologische Bedeutung der Werke in Relation zum Glauben auf ? 54 Vgl. 3 Reg 22,12a LXX [1 Kön 22,12a] (ja· p²mter oR pqov/tai 1pqov¶teuom ovtyr k´comter; vgl. 1 Kön 18,20; 22,6.10.13.22 passim) sowie auf pejorative Verwendungen wie in 4 Reg 10,19 LXX [2 Kön 10,19] (p²mter oR pqov/tai toO Baak) verwiesen werden könnte. 55 Chadwick, The Sentences of Sextus, 33 f.; Gildemeister, Sexti Sententiarum, 28.

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Die Frage nach den p\mter in der Einführung der beiden Zitate aus dem Johannesprolog wirft somit drei Probleme auf: 1. Die Differenzierung zwischen Zitat oder Bezugnahme und philologischer Findigkeit. Ein Unterscheidungsmerkmal könnten die Zitationseinleitungen sein. 2. Die Frage nach der Autorität der Bezugnahmen auf christliche Schriften. Das betrifft vor allem die Unterscheidung zwischen dem Corpus der aR ûciai cqava_ und der christlichen Literatur. Auch hierfür könnten die Zitationseinleitungen wichtige Indizien liefern, aber auch die Funktionen der Zitate und Anklänge innerhalb der Argumentation sind Kriterien. 3. Die Frage nach dem Kanon. Bezüglich des ersten Problems ist nur durch Textvergleiche ein Fortschritt zu erhoffen. Das wird im Folgenden anhand weniger Verse aus dem zweiten und dritten Buch versucht. Diese Textauswahl hat drei Vorzüge. In beiden Textabschnitten folgen mehrere christliche Zitate oder Anklänge aufeinander. Sodann sind diese thematisch zusammengehörigen Texteinheiten von einem Zitat aus den sog. Heiligen Schriften eröffnet oder gerahmt. Schließlich scheint Theophilos das 13. und 14. Kapitel des dritten Buches unter ein gemeinsames Thema gestellt zu haben, worauf auch die Zitate hingeordnet sind. Das Thema ist usuell mit peq_ c. Gen. eingeführt; es ist die selm|tgr. 4.3 Über die Würde (Autol. III 13 – 14) Die thematische Rahmung der zweiten und dritten Antithese

peq· selmºtgtor – Über die Würde Die selm|tgr ist die Würde; das Lexem kann auch mit Anstand oder Rechtschaffenheit übersetzt werden. Der Begriff kommt innerhalb der neutestamentlichen Literatur nur in 1 Tim 2,2 und 3,4 sowie in Tit 2,7 vor. Deshalb ist auffällig, dass in Autol. III 14,4b nur die erste Sequenz des Teilverses 1 Tim 2,2b zitiert ist. Die zweite Sequenz lautet: 1m p²s, eqsebe¸ô ja· selmºtgti (in aller Frömmigkeit und Würde). Könnte es sein, dass Theophilos die selm|tgr als das Bindeglied zwischen dem 13. und dem 14. Kapitel des dritten Buches ansieht, und dass ihm dieser Schlüsselbegriff aus den Pastoralbriefen vertraut war? Auf jeden Fall setzt Autol. III 14 nicht mit einer neuen Themenangabe ein. Es scheint, dass er das Thema der Würde, des Anstands und der Rechtschaffenheit, das er in Autol. II 13 am Beispiel von Ehebruch und Ehescheidung besprochen hat, nun in Autol. II 14 an Exempla verdeutlicht, die jenseits des Aktionsraums oWjor und der Ehe angesiedelt sind, nämlich die selm|tgr im Verhältnis zu Personen, die nicht unter die Kategorie der antiken Freundschaft fallen, sowie die selm|tgr in Relation der staatlichen Ordnung. Während die beiden ersten Beziehungsfelder mit Zitaten aus den Evangelien besprochen werden, zieht Theophilos für die dritte Relation das Corpus Paulinum heran. Umso auffälliger ist deshalb

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die genannte terminologische Leerstelle in Autol. III 14,4b, wo 1 Tim 2,2b ohne die Schlusssequenz 1m p²s, eqsebe¸ô ja· selmºtgti zitiert wird. Hat Theophilos diesen auffälligen Begriff an dieser Stelle übergangen, also nicht mitzitiert, weil er ihn stattdessen zum Leitthema für die beiden Kapitel gemacht hat? Ehebruch und Ehescheidung (Autol. III 13) Zweite Antithese (Autol. III 13,2c) und dritte Antithese (Autol. III 13,4) Mt 5,28: 1c½ d³ k´cy rl?m fti

p÷r b bk´pym cuma?ja

Lk 16,18:

Mk 10,11: ja· k´cei aqto?r·

P÷r b !pok¼ym tµm cuma?ja dr #m !pok¼s, aqtoO tµm cuma?ja aqtoO

Mt 19,9: k´cy d³ rl?m fti

dr #m !pok¼s, tµm cuma?ja aqtoO lµ 1p· poqme¸ô

pq¹r t¹ 1pi¢ul/sai aqtµm Edg 1lo¸weusem aqtµm 1m t0 jaqd¸ô aqtoO. Mt 5,32: 1c½ d³ k´cy rl?m fti

Autol. III 13,2c: B d³ eqacc´kior vymµ 1pitatij¾teqom did²sjei peq· "cme¸ar k´cousa· P÷r b Qd½m cuma?ja !kkotq¸am pq¹r t¹ 1pi¢ul/sai aqtµm Edg 1lo¸weusem aqtµm 1m t0 jaqd¸ô aqtoO. Autol. III 13,4:

ja· b cal_m, vgs¸m, !pokekul´mgm p÷r b !pok¼ym !p¹ !mdq¹r loiwe¼ei, tµm cuma?ja (Lk 16,18b) aqtoO paqejt¹r kºcou ja· dr !pok¼ei poqme¸ar poie? cuma?ja aqtµm paqejt¹r kºcou loiweu¢/mai, poqme¸ar poie?

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Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia ja· cal_m 2t´qam loija· cal¶s, we¼ei, ja· cal¶s, %kkgm loiw÷tai. ja· b !pokeku- %kkgm loiw÷tai l´mgm 1p( aqt¶m· !p¹ !mdq¹r cal_m loiwe¼ei.

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ja· dr 1±m !po- aqtµm kekul´mgm loiweu¢/mai. cal¶s,, loiw÷tai.

Mt 5,28: Ich aber sage euch:

Autol. III 13,2c: Die Stimme des Evangeliums aber lehrt noch eindringlicher über die Keuschheit, Wer eine Frau wenn (indem) anblickt, sie sagt: sie zu begehWer eine Frau ren, der hat ansieht, bereits sie zu begehmit ihr die Ehe ren, der hat begebrochen in reits seinem Herzen. mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Lk 16,18: Mk 10,11 Mt 19,9: Mt 5,32: Autol. III 13,4: Und er sprach Ich aber sage Ich aber sage Und wer heirazu ihnen: euch: euch: tet, sagt sie, die vom Mann Geschiedene, bricht die Ehe. (Lk 16,18b) Wer fortschickt Wer fortschickt Wer fortschickt seine Frau seine Frau, Wer fortschickt Wer fortschickt eine Frau, seine Frau, seine Frau, außer wegen außer wegen außer wegen Ehebruchs, Ehebruchs, Ehebruchs, der macht, der macht, dass sie eheund und dass sie ehebricht. heiratet eine heiratet eine und bricht, andere, andere, heiratet eine und wer

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bricht die Ehe; bricht die Ehe andere, eine Geschiegegenüber ihr ; bricht die Ehe. dene heiratet, und wer die bricht die Ehe. vom Mann Geschiedene heiratet, bricht die Ehe.

In Autol. III 13,2c scheint die zweite Antithese zitiert und in Autol. III 13,4 die dritte Antithese. Das Thema ist also Ehebruch und Ehescheidung. Die Einleitung zu diesem langen Abschnitt lautet: B d³ eqacc´kior vymµ 1pitatij¾teqom did²sjei peq· "cme¸ar k´cousa· Die Stimme des Evangeliums aber lehrt noch eindringlicher über die Keuschheit, wenn (indem) sie sagt:

Darauf folgt das Zitat von Mt 5,28. Ohne eine Markierung ist daran Lk 16,18b angeschlossen. Das eingefügte vgs_m rekurriert auf die Zitationseinleitung zur zweiten Antithese in Autol. III,13,2c. Während durch das vgs_m dieser anonyme Text als Evangelienzitat kenntlich gemacht ist, scheint das nachfolgende Zitat aus der dritten Antithese keinerlei Markierung zu besitzen. Im Textvergleich mit Mt 5,32 fällt sofort die Kopula auf. Das ja_ fehlt auch in den Sachparallelen Lk 16,18a sowie Mk 10,11a und Mt 19,9a. Hier verknüpft das ja_ nicht nur die Satzteile, sondern es fungiert wie in Lk 2,21 zugleich als Zitateinleitung, d. h. das ja_ weist auf die förmliche Zitationseinleitung zur zweiten Antithese zurück und ordnet damit auch diesen wohl aus Mt 5,32 zitierten Halbvers dem Thema peq· selmºtgtor (über die Würde, Rechtschaffenheit) unter. Interessant ist zudem, dass der Teilvers Mt 5,32b (ja· dr 1±m !pokekul´mgm cal¶s,, loiw÷tai) inhaltlich mit dem von Theophilos zwischen die beiden Mt-Zitate platzierten Zitat von Lk 16,18b (ja· b !pokekul´mgm !p¹ !mdq¹r cal_m loiwe¼ei) übereinstimmt. Dem Wortbestand nach steht diese Sequenz in Autol. III 13,4 der lk Version deutlich näher. Hat Theophilos diese Zitatenanordnung geschaffen oder fand er sie bereits vor? Beachtenswert ist ferner, dass diese Zitatenfolge aus Mt und Lk von zwei präzisen Zitaten aus Proverbien gerahmt ist. Beide Schriftzitate sind mit den traditionellen Autorennamen ausgewiesen. Zum Beginn in Autol. III 13,2a heißt es: Sokol½m l³m owm, b basike»r ja· pqov¶tgr cemºlemor, 5vg. Es folgt ein wörtliches Zitat von Prov 4,25. Nach den drei neutestamentlichen Zitaten wird mit 5ti b Sokol¾m vgs¸m das lange Zitat Prov 6,27 – 29 eingeleitet. Das ist ein durchgängiges Merkmal von Zitaten aus der Schrift. Wenn die Quelle nicht mit Namen identifiziert ist, dann wird das Zitat durch einen eindeutigen Verweis auf seine biblische Herkunft autorisiert. Entweder nennt Theophilos B cqav^ oder aR ûciai cqava_ als Quelle oder er stellt im Kontext einen signifikanten Bezug zur Schrift her. Das ist z. B. zu Beginn des Zitates des

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Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia

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ersten Schöpfungsberichts sowie im Anschluss daran der Fall, wo in Autol. II 12 der vorausgehende Text „Sechstagewerk“ genannt wird. Zitate aus der griechischen Bibelübersetzung sind mit Quellenangaben versehen, wogegen die Zitate aus Mt und Lk auf die kollektive Größe B eqacc´kior vym^ zurückgeführt sind. Diese Unterscheidung zwischen einem Schriftwort und Zeugnissen der christlichen Literatur, wobei zuerst an die evangelische Jesusüberlieferung zu denken ist, kehrt im folgenden Kapitel wieder. Allerdings scheint dort die Quellenangabe „Evangelium“ nun keineswegs nur die Evangelien zu meinen. Wie ist die Abfolge der Zitate und wie sind ihre Einleitungen gestaltet? Das wird besonders deutlich in der Zitatenfolge in Autol. III 14, die thematisch unter der vor Autol. III 13 platzierten Rubrik peq· selm|tgtor steht. Feindesliebe (Autol. III 14,2.3b) und Rechtschaffenheit (Autol. III 14,4a.5) Sechste Antithese (Autol. III 14,2) und Almosen (Autol. III 14,3b) Jes 66,5b: )jo¼sate t¹ N/la juq¸ou, oR tq´lomter t¹m kºcom aqtoO·

Autol. III 14,1b: Ja· toO lµ lºmom Bl÷r eqmoe?m to?r blov¼koir, ¢r oUomta¸ timer, Isaýar b pqov¶tgr 5vg·

eUpate, !dekvo· Bl_m, to?r lisoOsim Bl÷r EUpate ja· bdekussol´moir,

Vma t¹ emola juq¸ou donas¢0 ja· av¢0 1m t0 eqvqos¼m, aqt_m, j!je?moi aQswum¢¶somtai. Hört das Wort des Herrn, ihr, die ihr vor seinem Wort zittert!

Sagt (es), ihr, unsere Brüder, denen, die uns hassen und verabscheuen, damit der Name des Herrn verherrlicht werde und sichtbar werde durch ihre Freude, (und) jene zuschanden werden.

to?r lisoOsim rl÷r

ja· to?r bdekussol´moir· !dekvo· Bl_m 5ste, Vma t¹ emola juq¸ou donas¢0 ja· av¢0 1m t0 eqvqos¼m, aqt_m. Und dass wir nicht bloß unsere Volksgenossen wertschätzen sollen, wie einige meinen, spricht der Prophet Jesaja: Sagt denen, die euch hassen und die euch verabscheuen: Ihr seid unsere Brüder, damit der Name des Herrn verherrlicht werde und sichtbar werde durch ihre Freude.

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Mt 5,44: 1c½ d³ k´cy rl?m· !cap÷te to»r 1w¢qo»r rl_m ja· pqose¼wes¢e rp³q t_m diyjºmtym rl÷r, […] 46 1±m c±q !cap¶sgte to»r !cap_mtar rl÷r, t¸ma lis¢¹m 5wete; oqw· ja· oR tek_mai t¹ aqt¹ poioOsim;

Autol. III 14,2: t¹ d³ eqacc]kiom· )cap÷te, vgs_m, to»r 1w¢qo»r rl_m ja· pqose}wes¢e rp³q t_m 1pgqeaf|mtym rl÷r. 1±m c±q !cap÷te to»r !cap_mtar rl÷r, po?om lis¢¹m 5wete; toOto ja· oR k,sta· ja· oR tek_mai poioOsim.

ich aber sage euch: Das Evangelium aber : Liebt eure Feinde und betet für die euch Verfolgenden. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe?

Liebt, sagt es, eure Feinde und betet für die euch Misshandelnden. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Dies tun auch die Räuber und die Zöllner.

Mt 6,3b: lµ cm¾ty B !qisteq² sou t¸ poie? B deni² sou, nicht wisse, deine Linke, was deine Rechte tut.

Lk 6,27a )kk± rl?m k´cy to?r !jo¼ousim· !cap÷te to»r 1w¢qo»r rl_m, … 28b pqose¼wes¢e peq· t_m 1pgqeafºmtym rl÷r. … 32 ja· eQ !cap÷te to»r !cap_mtar rl÷r, po¸a rl?m w²qir 1st¸m; ja· c±q oR "laqtyko· to»r !cap_mtar aqto»r !cap_sim. Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; … 28b betet für die euch Misshandelnden. … 32 Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde.

Autol. III 14,3b: Lµ cm¾ty c²q, vgs¸m, B we¸q sou B !qisteq± t¸ poie? B we¸q sou B deni².

Nicht wisse nämlich, sagt es, deine linke Hand, was deine rechte Hand tut.

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Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia

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Tit 3,1 in Autol. III14,4a Tit 3,1a: zpol¸lm,sje aqto»r !qwa?r 1nous¸air rpot²sses¢ai, pei¢aqwe?m

Autol. III 14,4a: 5ti lµm ja· peq· toO rpot²sses¢ai !qwa?r ja· 1nous¸air ja· euwes¢ai rp³q aqt_m jeke¼ei Bl÷r b ¢e?or kºcor

Erinnere sie, Obrigkeiten, Gewalten sich unterzuordnen, zu gehorchen

Dazu noch bezüglich sich unterzuordnen Obrigkeiten und Gewalten und für sie zu beten befiehlt uns das göttliche Wort.

1 Tim 2,1 – 2 in Autol. III 14,4b 1 Tim 2,2b: Vma Eqelom ja· Bs¼wiom b¸om di²cylem 1m p²s, eqsebe¸ô ja· selmºtgti.

Autol. III 14,4b: fpyr Eqelom ja· Bs¼wiom b¸om di²cylem.

damit wir ein friedliches und ruhiges Leben führen in aller Frömmigkeit und Würde.

auf dass wir ein friedliches und ruhiges Leben führen.

Röm 13,7.8a in Autol. III 14,5 Röm 13,7.8a: !pºdote p÷sim t±r aveik²r, t` t¹m vºqom t¹m vºqom, t` t¹ t´kor t¹ t´kor, t` t¹m vºbom t¹m vºbom, t` tµm tilµm tµm til¶m. 8a Lgdem· lgd³m ave¸kete eQ lµ t¹ !kk¶kour !cap÷m· gebt allen das Schuldige, Steuer, dem Steuer (gebührt), Zoll, dem Zoll,

Autol. III 14,5: ja· did\sjei !podid|mai p÷sim t± p\mta, t` tµm tilµm tµm til^m, t` t¹m v|bom t¹m v|bom, t` t¹m v|qom t¹m v|qom, lgd]mi lgd³m aveke?m C l|mom t¹ !cap÷m p\mtar. und es belehrt allen alles zu geben, Ehre, dem Ehre (gebührt),

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Ehrfurcht, wem Ehrfurcht, Ehre, dem Ehre. Bleibt keinem etwas schuldig, außer einander zu lieben.

Ehrfurcht, dem Ehrfurcht, Steuer, dem Steuer, keinem etwas schuldig zu bleiben, sondern alle zu lieben.

Nach der Themenangabe (ja· toO lµ lºmom Bl÷r eqmoe?m to?r blov¼koir) und der Erläuterung (¢r oUomta¸ timer), die zu erkennen gibt, dass Theophilos entsprechende Einwände gegen christliche Ideale aufruft, wird mit Isaýar b pqov¶tgr 5vg ein Zitat von Jes 66,5 eingeleitet. Ebenso unprätentiös leitet Theophilos das darauf folgende Zitat von Mt 5,44 ein: t¹ d³ eqacc´kiom … vgs_m. Im Anschluss erläutert Theophilos, dass das Evangelium lehrt (did²sjei). Dies war bereits in Autol. III 13,2c in Bezug auf die Logien zu Ehebruch und Ehescheidung herausgestellt worden. Mittels c\q wird Mt 6,3 als eine weitere Explikation angeschlossen. Das Zitationsverb vgs_m bindet das Zitat also an das Evangelium zurück. Wie die Autorität von Mt 6,3 auf dieser Rückführung basiert, so erklärt sich auch seine Funktion von dem did²sjei her. In Analogie dazu wie von dem Zitat aus Mt 5,44 auf das zweite Zitat übergeleitet und dabei zugleich die Funktion beider Zitate mittels des did²sjei erläutert wird, geschieht nun in Autol. III 14,4a eine weitere Qualifikation der Quelle: Sie ist das „göttliche Wort“, und dieses b ¢e?or kºcor „befiehlt uns“ (jeke¼ei Bl÷r). Mittels 5ti lµm wird das folgende Thema, die Würde, die Rechtschaffenheit, an die Aufforderung zur Feindesliebe angeschlossen. Die Zitationseinleitungen B eqacc]kior vym^ … k]cousa und t¹ eqacc]kiom … vgs_m sowie nun 5ti lµm … jeke¼ei Bl÷r b ¢e?or kºcor scheinen nicht einen Grad an Autorität, die sie für die jeweils folgenden Zitate anzeigen, zu unterscheiden, sondern sie differenzieren, ob das Zitat aus der Jesusüberlieferung stammt oder nicht. Auf die Einleitung mit b ¢e?or kºcor führt Theophilos folgende drei Texte aus dem Corpus Paulinum an: Tit 3,1a – eingeleitet mit ti lµm ja_ –, dann 1 Tim 2,2b – angeschlossen mit fpyr – worauf, mittels ja· did\sjei eingeleitet, Röm 13,7.8a folgt. Evangelium oder auch „die Stimme des Evangeliums“ meint also nicht zuerst die Botschaft und auch nicht die literarische Gattung, sondern die Jesusüberlieferung der Evangelien. Das göttliche Wort scheint sowohl als Bezeichnung für die Jesusüberlieferung, im vorliegenden Fall für den Redestoff, zu gelten, als auch für die christliche Tradition außerhalb der Jesusüberlieferung. Womöglich meint b ¢e?or kºcor die apostolische Paradosis im engeren Sinn. Nicht sofort zu erkennen ist die Verkettung der Themen und Zitate. In Autol. III 13 verknüpft Theophilos die zweite mit der dritten Antithese. Zwischen beiden wörtlichen Zitaten aus der Bergpredigt platziert er den thematisch passenden Vers Lk 16,18. Ähnlich ist die Anordnung in III 14. Theophilos verbindet die sechste Antithese, das Feindesliebegebot, mit dem ersten Beispiel aus der Bergpredigt für die rechte Haltung gegenüber dem Willen Gottes,

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Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia

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nämlich Almosen als Form der Frömmigkeit. Auch in dieser Sequenz spielt das Lukasevangelium hinein. Anstelle von rp³q t_m diyjºmtym rl÷r (für die euch Verfolgenden) schreibt Theophilos rp³q t_m 1pgqeaf|mtym rl÷r (für die euch Misshandelnden). Das Partizip 1pgqeaf|mtym findet sich auch in Lk 6,28. Sehr wichtig scheint es zu registrieren, dass diese zweite Zitatenfolge mit dem Prophetenspruch Jes 66,5b56 beginnt und dass das Thema Feindesliebe und Almosen ab Autol. III 14,4a mit einer Zitatenfolge aus dem Corpus Paulinum fortgesetzt wird. Der thematische Skopos ist die rechte Haltung gegenüber der staatlichen Ordnung. Als Quellen werden Tit 3,1 und 1 Tim 2,2b sowie Röm 13,7.8a genannt. Vergleicht man die Zitate aus den Synoptikern in Autol. III 13 und 14 mit den Aufnahmen aus dem Corpus Paulinum in Autol. III 14, dann besitzen zweifelsohne die Evangelienzitate die höhere Worttreue, wobei nach Häufigkeit und Exaktheit das Matthäusevangelium im Vordergrund steht. Aufschlussreich ist diesbezüglich die in den Editionsregistern für Autol. III 14,4a verzeichnete Stelle Röm 13,1 – 3. Abgesehen von der nicht wirklich signifikanten Mahnung, sich unterzuordnen (rpotass]s¢ai) in Bezug auf die staatliche 5nous_a und die %qwomter, findet sich an dieser Stelle keinerlei Bezug zu den Eröffnungsversen von Röm 13. Genügen diese beiden Stichworte, und zwar in dieser Verbindung, um auf Röm 13,1 – 3 verweisen zu dürfen oder gar zu müssen? Wollte Theophilos diese Passage aus dem Röm aufrufen? In den drei Büchern ,An Autolykos‘ findet sich eine Vielzahl solcher assoziativer Anklänge wie in Autol. III 14,4a auf Röm 13,1 – 3. Am Ende des zweiten Jahrhunderts wäre erstaunlich, wenn unter den Eliten in Antiochia dieses prominente 13. Kapitel des Römerbriefs über das Verhältnis zwischen Christen und einem nichtchristlichen Staat unbekannt gewesen wäre. Wegen des Sujets ist es nicht einmal zwingend, es exklusiv in christlichen Kreisen als bekannt vorauszusetzen. Wenn zutrifft, was eingangs über das geistig-soziale Milieu skizziert worden ist, dann wird in den usuellen Aktionsräumen, in denen der Diskurs Religion geführt wurde, neben so eminenten Themen wie die Frage nach dem Gottesbild und der Rettung auch die Stellung der Christen zu den staatlichen Instanzen und zur gesellschaftlichen Ordnung im Ganzen thematisiert worden sein. Das dürfte zumal für das Bildungsmilieu des Autol. zutreffen, begreift sich Theophilos zufolge das Christentum doch als die wahre ¢eos]beia und sogar als pokite_a. Am Ausgang des zweiten Jahrhunderts scheint es wahrscheinlich, dass Texte wie Röm 13 oder 1 Petr 2,11 – 17 in den Diskurs eingeführt wurden, um zu erweisen, dass die Affinität des Christentums zur hellenistischen Kultur und sein Konsens mit der römischen Welt weit größer, vor allem entscheidender sind als die unleugbaren und offenkundigen Differenzen. Nimmt man diese Bekanntheit der wichtigen Positionen zu56 Die jüngeren griechischen Bibelübersetzungen sowie die Vetus Latina belegen den Personenwechsel in Jes 66,5b von lisoOsim Bl÷r zu lisoOsim rl÷r; die Tilgung von j!je?moi aQswum¢^somtai ist eine Sonderlesart in Autol.

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mindest in interessierten Milieus und Diskursen an, dann stellt sich diese Frage nach der Abhängigkeit von den schriftlichen Quellen auch für die christlichen Texte, die offenkundig wortgetreu zitiert sind. Der Bekanntheitsgrad ist meines Wissens bislang nur als binnenchristliches Phänomen untersucht worden, wobei die liturgische Verwendung als Messlatte angelegt wurde. Doch muss die Frage erlaubt sein: Waren Gebildete, die mit der Gestalt des Autolykos anvisiert sind, mit christlicher Literatur und kirchlicher Tradition derart vertraut, dass sie anhand der wenigen Signale wie in Autol. III 14,4a zielsicher auf Röm 13 geraten haben? Womöglich ist die Lösung des Problems nicht darin zu sehen, dass Autolykos solche Gebildete repräsentiert, die zum Christentum konvertiert sind, und denen Theophilos nun auch rationale Gründe nachreichen will, um im Christentum zu bleiben. Vielleicht ist eher an ein Bildungsmilieu zu denken, in dem sich auch gebildete Christen bewegen. In diesem Milieu der gebildeten Eliten, Interessierten und Sympathisanten sprach man über religiöse Themen, und zwar nicht aus Mangel an anderen wichtigen, reizvollen oder unterhaltsamen Sujets, sondern weil der Diskurs t± pq¹r to»r ¢eo}r en vogue war, und weil die curiositas durch die Fremdheit der biblisch-christlichen Tradition und durch den Kontakt mit Christen reichlich Nahrung erhielt. Einerseits wird dadurch die Entscheidung, ob ein Zitat vorliegt oder nicht, komplizierter. Andererseits ist der Zitationscharakter nicht mehr allein am Wortlaut und dessen Quellentreue zu entscheiden, sondern es muss z. B. auch nach der Intention und der Funktion innerhalb des anvisierten Aktionsraums gefragt werden. Eine scheinbar sehr unspezifische, kaum wortgetreue Anspielung kann z. B. ethopoiietisch äußerst absichtsvoll sein und den erstrebten Effekt im Diskurs, nämlich Aufmerksamkeit zu erlangen, erzielt haben. Denn wer die kleinen, undeutlichen Signale zu entziffern weiß, gibt sich im Wissensdiskurs über Religion als Gebildeter zu erkennen. Der Prestigegewinn solcher feinsinniger Anspielungen und Dechiffrierungen für die Diskurspartner ist nicht zu unterschätzen, zumal für jene Kreise, für die Bildung einer der ganz wenigen Sektoren für Statusdemonstration und Karriere war. Wer also die terminologische Verbindung zwischen der Themenangabe in Autol. III 13,1 und der weggelassenen Schlusssequenz im Zitat von 1 Tim 2,2b bemerkt hat, konnte in dem auf klassische Bildung geeichten geistig-sozialen Milieu des zweiten Jahrhunderts überlegene Bildung in Fragen der Religion demonstrieren, und zwar unabhängig davon, ob der Betreffende Christ ist. Diese ethopoiietische Funktion zugunsten der Selbstinszenierung des Theophilos könnte auch der thematischen Organisation der beiden Kapitel 13 und 14 sowie die Auswahl der Belege und ihre Qualifizierung innewohnen. Denn selbstverständlich wird hierdurch auch Theophilos selbst als versierter Kenner jener Literatur zu erkennen gegeben, die im religiösen Wissensdiskurs aufgerufen werden musste und deren kritischen Würdigung Konsens signalisierte.57 Diesbezüglich ist auch an die 57 In Autol. II sind prominente Inhalte dieses kulturellen Wissens über Religion in den rahmenden

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Zitate aus der Bergpredigt zu erinnern. Die Antithesen und die Ausführungen über die rechte Frömmigkeit waren nämlich formal und inhaltlich exzellent dafür geeignet, nicht nur im Eigenleben der Gemeinde präsent zu bleiben, um gewissermaßen als „frühchristliche Aphorismen“58 ein intertextuelles Referenzfeld59 zu konstruieren. Deshalb waren sie darüber hinaus vorzüglich geeignet, um in die Auseinandersetzung über die ethischen Propria des Christentums und die Anschlussfähigkeit hellenistisch-römischer Ideale eingebracht zu werden. Diese intertextuelle, kultur- und mentalitätsgeschichtliche Perspektive lässt sich anhand des Lexems selm|tgr illustrieren. Das Wortfeld selm|r, selm|tgr, selm_r ist in den neutestamentlichen Schriften nur im Corpus Paulinum bezeugt, insgesamt sechs Belege. Wenn Theophilos dieses seltene Wort derart prominent einführt und mit ihm diese beiden Kapitel zu essentiellen ethischen Fragen überschreibt, dann womöglich deshalb, weil die selm|tgr in den anvisierten Aktionsräumen ein wichtiges und gern traktiertes Thema des kaiserzeitlichen Religionsdiskurses sein konnte.60 Vor dem Hintergrund dieser Überlegung ist nun vielleicht eher zu entscheiden, ob 1 Klem 14,3 in Autol. II 14,2c zitiert ist. Vier Worte auf 1 Klem 14,3 finden sich auch in Autol. II 14,2c, allerdings ist die Reihenfolge der beiden Nomen vertauscht. Liegt hier ein Zitat vor? Teilen der Genesisauslegung sowie in den auf die Weltchronik ausgerichteten Zitaten im dritten Buch versammelt. Ins Repertoire dieses Religions- und Kulturdiskurses gehören nicht nur die Epen Homers und Hesiods, Sibyllinische Traditionen und einschlägige Werke der Klassik, sondern auch mythenkritische Einwände wie sie bereits Xenophanes gegen die archaischen Gottesvorstellungen vorgebracht hat; vgl. Diels/Kranz, Fragmente der Vorsokratiker I, Nr. 21, B 11.15.23 – 26. Ein ähnlich ehrwürdiges Alter besitzen die Vorbehalte gegen die Rhetorik der Sophisten. Wie mit einem Paukenschlag ruft Theophilos die seit den Attikern bekannte Kritik an der bloßen Virtuosität im ersten Kapitel seiner Trilogie auf und bekennt damit sehr seinen Konsens mit den wahrhaft Gebildeten, die darum die Wahrheitssuche dem inszenierten Glanz vorziehen. 58 Vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 35. 59 Von Seiten der neueren Literaturwissenschaft und der Diskussion über Intertextualität könnten neue Perspektiven für die Analyse der Form und der Funktion des Zitates in antiken Texten gewonnen werden. Vgl. Freund, „Und wunderbar sind auch eure Dichter, die da lügen …“, 97 – 99. 114 – 117 sowie die Sammelbände von Darbo-Peschanski, La citation dans l’antiquit¦ und von Tischer/Binternagel, Fremde Rede – eigene Rede. Die intertextuelle Fragestellung scheint geeignet, in einer kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Perspektive aufgenommen und damit auf Fragen der Intermedialität hin geöffnet zu werden. Dieser größere Zusammenhang erschwert zwar, eine Theorie des Zitates in der Antike zu formulieren, ermöglicht es aber im Einzelfall, die Form und Funktion des Zitates aus dem Korsett der bloßen Texttreue zur Quelle sowie der Existenz qualifizierender Formeln zu lösen und thematisch-diskursive sowie rhetorisch-stilistische Berührungen als gezielte oder auch usuelle, milieu- oder diskurstypische Anspielungen zu werten, die insgesamt den Text an einen Erinnerungs- und damit Bedeutungsraum anschließen. 60 Die Lesart selm|tgti in 1 Tim 2,2b ist in allen griechischen und altlateinischen Textzeugen (D: gravitate, castitatem, sobrietate, pudicitate; I: castitate; A + V: caritate[m]) belegt. Die Lücke in Autol. III 14,4b rührt also nicht aus einer alten Version von 1 Tim 2,2b her. Vielmehr wird Theophilos das ja· selm|tgti in kompositorischer Absicht getilgt haben.

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Milde und Barmherzigkeit (1 Klem 14,3 in Autol. II 14) 1 Klem 14,3: wqgsteus¾le¢a aqto?r jat± tµm eqspkacwm¸am ja· ckuj¼tgta toO poi¶samtor Bl÷r. Lasst uns einander Güte erweisen

gemäß der Barmherzigkeit und Milde dessen, der uns geschaffen hat.

Autol. II, 14,2c: ovtyr ja· b jºslor, eQ lµ 1sw¶jei t¹m toO ¢eoO mºlom ja· to»r pqov¶tar N´omtar ja· pgc²fomtar tµm ckuj¼tgta ja· eqspkacwm¸am ja· dijaios¼mgm ja· didawµm t_m "c¸ym 1mtok_m toO ¢eoO, so wäre auch die Welt, wenn sie nicht Gottes Gesetz hätte und die Propheten, die ihr gleich Flüssen und Quellen, Milde und Barmherzigkeit und Gerechtigkeit und Lehre durch die göttlichen Gebote zuführen

Die Antike scheint keine „Theorie des Zitates“61 entwickelt zu haben. Daher reicht das, was als Zitat gelten kann, von der wortgenauen und markierten Wiedergabe über die Erdichtung angeblicher Zitate bis hin zur intertextuellen Anspielung mittels Redefiguren oder prominenter Signalworte. In Bezug auf die Verwendung christlicher Literatur, nicht nur der Jesusüberlieferung, in den drei Büchern ,An Autolykos‘ hängt deshalb die Entscheidung, ob Theophilos zitiert, nicht einzig am Wortbestand, sondern hängt ganz wesentlich von den Kontexten im 1 Klem und bei Autol. ab, aber auch von der möglichen oder nachgewiesenen Bekanntheit des vermeintlichen Zitates. So werden am Ende des zweiten Jahrhunderts die mt Antithesen eine höhere Bekanntheit besessen haben als 1 Klem 14,3. Weil erstens Theophilos im fraglichen Textabschnitt des zweiten Buches sich weder auf eine Quelle bezieht oder beruft, noch eine Zitationsabsicht anzeigt, und weil es zweitens gut möglich ist, dass die Begriffe Milde und Barmherzigkeit im theologischen Diskurs eine feste und darum signifikante Wort- und Bedeutungsverbindung waren, ist eher davon auszugehen, dass der Verweis in den Editionen auf 1 Klem 14,3 als Zeichen philologischer und exegetischer Findigkeit zu werten ist. Freilich, ausgeschlossen ist eine Kenntnis des 1 Klem nicht, zumal wenn man das hohe Ansehen bedenkt, das diese Schrift in den 60er Jahren des zweiten Jahrhunderts zumindest in den Gemeinden in Korinth und Achaia genossen hat.62

61 Vgl. aber Krause, Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur, 51 – 58. 62 Vgl. Lona, Der erste Clemensbrief, 89.220.

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Die Jesusüberlieferung bei Theophilos von Antiochia

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5. Funktionen und Bedeutung Theophilos erwähnt Jesus nicht und er entwickelt keine Christologie.63 Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Schriftstücke, die danach den christlichen Kanon bildeten, nicht kannte oder dass ihm Jesusüberlieferungen und die theologische Rede von Jesus unbekannt waren. Seine Trilogie ,An Autolykos“ vermittelt vielmehr den Eindruck, dass er über gute Kenntnisse der genannten Texte verfügte, die bis zu seiner Zeit verfasst wurden. Von den 27 Schriften des neutestamentlichen Kanons hat offenbar nur 2 Thess keine literarische Spur im Autol. hinterlassen. Theophilos spielt häufig auf frühchristliche Texte an, die in einigen Regionen bis ins dritte und vierte Jahrhundert sehr hohes Ansehen genossen haben, besonders häufig zeigen sich Anklänge zu 1 Klem, Herm, Kerygma Petrou. Wollte man die Bücher der frühchristlichen Bibliothek des Theophilos katalogisieren, dann bestünde sie aus den 27 neutestamentlichen Schriften – weshalb er den 2 Thess nicht zitiert, ist nicht zu klären – und mindestens weiteren 37 christlichen Werken extra canonem. Aus diesen 64 mehr oder weniger sicher zu identifizierenden christlichen Schriften treten rund 80 Zitate oder Referenzen aus den Schriftstücken auf, welche die nachfolgenden Christen als kanonisch anerkannten. Dennoch gibt es relativ wenige explizite Zitate aus den späteren neutestamentlichen Schriften. Theophilus kannte wahrscheinlich das Matthäus- und das Johannesevangelium, wobei aber nur der Johannesprolog als Quelle zweifelsfrei gesichert gelten kann. Bezüglich der viel diskutierten Frage nach der Autorität der biblischchristlichen Quellen, die Theophilos durch seine Zitate und Andeutungen bekundet, scheint die alte These von Harnack nicht überholt zu sein. Die Evangelisten sind „Geistträger“: ihre pneumatische Kompetenz garantiert die Kontinuität mit den „heiligen Schriften“. Dennoch sind ihre Werke nicht gleichzusetzen mit den Schriften der griechischen Bibelübersetzungen. Abgesehen von den beiden Zitaten aus dem Johannesprolog lauten die Quellenangaben unspezifisch: t¹ eqacc]kiom und B eqacc]kior vym^. Das Beispiel in Autol. III 13,2c–4 mit der Einfügung des Logions Lk 16,18b über die Heirat einer Geschiedenen zwischen den Zitaten der zweiten und dritten Antithese hat gezeigt, dass die autoritative Quellenangabe nicht exklusiv das Matthäusevangelium meint, sondern die evangelische Jesusüberlieferung. Dass in Antiochia am Orontes das Matthäusevangelium dominiert, ist keine echte Überraschung. Bezüglich der eingangs aufgeworfenen dritten Frage, nämlich nach dem Kanon, deutet sich eine doppelte Antwort an. Zum einen wird man auch an dieser Stelle Harnack Recht geben dürfen, dass Autolykos kein Neues Tes63 Vgl. dazu den Forschungsüberblick bei Mart†n, T¦ofilo, 14 – 17. Alle monokausalen Erklärungen für dieses auffällige Schweigen sind unbefriedigend. Vielleicht ist für eine Erklärung auch die auffällige Lücke in der Chronologie und deren Funktion nicht unbedeutend.

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tament kennt.64 Das ist umso beachtlicher, als er rund 40 Jahre nach Markion schreibt und sich direkt mit ihm auseinandergesetzt hat. Theophilos kennt allerdings eine „Norm am Anfang“ für die christliche Tradition. Dazu gehören die Jesusüberlieferung der Evangelien und die Paradosis.65 Diese ungebrochene, weil pneumatisch konstituierte Tradition, ist der Fundus spezifisch christlichen Wissens. Evangelium und Paradosis stehen in Kontinuität mit der Schrift.66 Der Schrift und der christlichen Wissenstradition steht die griechisch-römische Literatur gegenüber, und zwar in dem Sinn, dass das Beste und für den Diskurs Religion Verlässlichste dieser paganen Bildungskultur ursprünglich von der Schrift abhängig ist.67 64 Womöglich relativiert die beobachtete Verwendung und Wertung der christlichen Literatur in ,An Autolykos‘ den von Gerd Theissen in seinem Vorlesungszyklus zur neutestamentlichen Literaturgeschichte unternommenen Versuch, die Entstehung des neutestamentlichen Kanons gewissermaßen als eine natürliche Genese darzustellen, die eigentlich von Anfang an, nämlich grundgelegt durch die beiden Charismatiker Jesus und Paulus, nicht anders hätte verlaufen können. Theissen zufolge konnte es zu keinem anderen Kanon als dem heutigen kommen. Theophilos ist kein Zeuge, dass dieser Prozess hin zum neutestamentlichen Kanon am Ende des zweiten Jahrhunderts bereits überall im Imperium Romanum an sein Ziel gekommen ist. Vgl. Theissen, Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem. 65 Auch bezüglich des Corpus Paulinum behält Harnacks Meinung Bestand. Theophilus kannte die paulinischen Briefe gut. Allerdings benennt er weder eine Schrift aus dem Corpus Paulinum als Quelle eines Zitates oder einer der vielen Bezugnahmen darauf, noch verweist er auf Paulus als Autor. Theophilos kennt paulinische Schriften, er respektiert paulinische Theologie, er erinnert konstant an paulinische Sujets, aber er drückt mit der theologischen Sprache des Paulus und der paulinischen Tradition etwas anderes aus. Überlegenswert scheint, ob für Theophilos ein analoges Verhältnis zu diesen Schriften angesetzt werden sollte wie für Paulus und sein Verhältnis zur religiösen Literatur des hellenistischen Judentums, vor allem zu den Weisheitsschriften und zum Werk des Philon. Ob Paulus aus der weisheitlichen Literatur oder ganz allgemein aus den Ketubim zitiert, ist nur in wenigen Fällen mit einiger Sicherheit festzustellen. Eine literarische Abhängigkeit zu seinem Zeitgenossen Philon von Alexandria ist nicht zu erweisen. Dennoch stößt man immer wieder auf Berührungen hinsichtlich der Argumentationsstruktur oder theologischer Vorstellungen und Sujets. Paulus kennt wohl kaum Schriften von Philon, eher schon Weisheitsliteratur. Paulus ist mit dem theologischen Denken des hellenistischen Judentums vertraut und er spricht dessen theologische Sprache (vgl. Prostmeier, Bedeutung der Autorität der Schrift bei Paulus). Kann es sein, dass am Ende des zweiten Jahrhunderts Themen der paulinischen Tradition und die Sprachformen und die Ausdrucksweisen dieser Theologie so selbstverständlich und präsent waren, wie für Paulus Mitte des ersten Jahrhunderts die Theologie und Sprache des hellenistischen Judentums? Die durch philologische und exegetische Findigkeit herausgefundenen Anklänge in der Trilogie des Theophilos an das Corpus Paulinum wären dann Ausdruck dafür, dass paulinische Theologie, Sujets und Sprechweisen zum theologischen Handwerkszeug des antiochenischen Christentums avanciert sind. 66 Entgegen dem ersten Eindruck geht Theophilos mit einer Mahnung wie in IgnTrall 9,1 „So seid nun taub, wenn jemand zu euch redet ohne Jesus Christus …“ konform, die mit den theologischen Themen in seiner Einführung ins Christentum unvereinbar scheint. Weil die Christologie im Diskurssystem Religion nicht kommunikabel ist, wird in Autol. das Thema indirekt verhandelt. 67 Dies gilt nicht für die Form der Darstellung. Die von Theophilos wie von allen Apologeten des christlichen Altertums als deszendent hintangestellte griechisch-römische Kulturtradition ist für die literarische Form ihrer Schriften, den Stil der Darstellung und die rhetorischen Strate-

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Für Theophilos scheint bezüglich der Grundlage und Autorität theologischer Aussagen noch zu gelten, was auch bei den Apostolischen Vätern vorliegt,68 wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung und durchaus strittig, wie IgnPhilad 8,2 belegt: Die ,Norm am Anfang‘ christlichen Glaubens und Lebens ist die Schrift. Sie richtig auszulegen gelingt allerdings nur, wenn dafür die theologischen Traditionen des Christentums verwendet werden, wobei aus der Sicht des Theophilos diese Überlieferungen exklusiv die kirchlichen Traditionen sind (Autol. II 14,3 – 5). Das christliche religiöse Wissen, also die ,Stimme des Evangeliums‘ (Autol. III 13,3c), die der Kirche in der Überlieferung der Geistträger zugänglich ist (Autol. II 22,5a), ist die hermeneutische Voraussetzung, um auf der Grundlage der Schrift zutreffendes religiöses Wissen zu erlangen, das über Gott und die Frage der Rettung sowie über den Lebenswandel der Christen und über deren Positionierung in Kultur und Gesellschaft zuverlässig und gültig Auskunft gibt.

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gien ihrer Argumentation das Vorbild, auf das sie mit einem gewissen Ehrgeiz blicken, um in zeitgenössischen Diskursen mit Eliten, wenn auch nicht zu glänzen, so doch hoffen können, zu überzeugen. Zu dieser Strategie und der Funktion ethopoiietischer Elemente in altchristlichen Apologien vgl. die Beiträge in: Prostmeier, Frühchristentum und Kultur, Freiburg 2007; Prostmeier/Lona, Logos der Vernunft, Berlin/New York 2010; Schubert/von Stockhausen, Ad veram religionem reformare, Erlangen 2006; ferner Prostmeier, Christliche Paideia, 1 – 29; Ders., „Die Wolke der Gottlosigkeit“, 33 – 57; Ders., Dºna bei Theophilos von Antiochien, 125 – 156; Hagen, Ethopoiia, Erlangen 1966; Russell, Greek Declamation, 87 – 105; Whitmarsh, Second Sophistic, Oxford 2005. 68 Vgl. Lona, Der erste Clemensbrief, 42, 47 f.; Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 34; Prostmeier, Der Barnabasbrief 44, 47 – 49, 53 – 55.

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Michael Lattke

Die Wahrheit der Christen in der Apologie des Aristides. Vorstudie zu einem Kommentar Als Bearbeiter der Apologie des Aristides von Athen für die im Erscheinen begriffene Reihe „Kommentar zu frühchristlichen Apologeten“ (KfA)1 freue ich mich über die Einladung, an der Festschrift für meinen geschätzten Kollegen Wilhelm („Willi“) Pratscher teilnehmen zu dürfen. In der Apologie des Aristides werden die Christen weder als jaim¹m c]mor (Diog 1)2 noch als tq¸tom c]mor (KerPetr 2) bezeichnet, sondern rangieren an letzter Stelle der vier menschlichen c´mg Barbaren, Griechen, Juden und Christen (2,2a.4i).3 Zum Selbstverständnis bzw. Selbstbewusstsein der Christen findet sich aber in dieser dem Diognetbrief sowie den Schriften von Justin, Tatian, Athenagoras und Theophilus vorangehenden Apologie reichliches Material (2,2c–4 h; 15,3 – 17,3), das in dieser Vorstudie4 unter dem Aspekt des schon im Neuen Testament herausragenden Begriffs !k^heia beleuchtet werden soll.5 In einem ersten Teil werde ich in forschungsgeschichtlicher Weise die Bezeugung und Entdeckungsgeschichte der Apologie des Aristides behandeln und mich zur komplizierten Textüberlieferung äußern (I). In einem zweiten Teil werde ich auf Gliederung und Inhalt eingehen unter besonderer Berücksichtigung der Christen-Kapitel (II). Im dritten Teil werde ich den Gebrauch von !k^heia im Vergleich mit dem Barlaam-Roman vorstellen (III), um dann im Schlussteil die wichtigsten dogmatischen und ethischen Aussagen über das c]mor der Christen zu besprechen (IV).

1 Es wäre schön, wenn in derselben Reihe Pratschers Kommentar zum Fragment der Apologie des Quadratus und zu den vom Kerygma des Petrus erhaltenen Fragmenten bald erschiene, damit ich ihn noch für meinen Kommentar berücksichtigen könnte. 2 Auf welchem griechischen Ausdruck die Aussage von Aristides basiert, die Christen seien „wahrlich ein neues Volk“ (16,3b), wird ebenso zu diskutieren sein wie ein möglicher Zusammenhang mit Diog. 3 Stellenhinweise nach Lattke, Greek Words, 400 – 403: „Synopsis of Subdivisions“ (im Vergleich mit Goodspeed, Apologeten, 3 – 23, und Geffcken, Apologeten, 3 – 27). Auf die Angabe des Werktitels „apol.“ oder „Apol.“ wird verzichtet. Wenn sich griechische Begriffe mit Sicherheit erschließen lassen, wird so oft wie möglich auf syrische Begriffe verzichtet. 4 Vgl. außer Lattke, Greek Words, die Vorstudien Ders., Bildung, und Ders., Tod. 5 Als Einstieg empfehle ich Link, Wahrheit, zur Vertiefung Landmesser, Wahrheit.

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Michael Lattke

I. Entdeckungsgeschichte und Textüberlieferung Erst seit Ende des 19. Jh. kam der Inhalt der Apologie des Aristides allmählich ans Licht. Aber bis heute fehlt – bis auf ein paar Papyrusfragmente – der griechische Originaltext, über den Euseb im Anschluss an ein kurzes Zitat aus des Quadratus (Jodq\tor) !pokoc¸a rp³q t/r jah( Bl÷r heosebe¸ar („Apologie betreffs unserer Gottesverehrung/Religion“) sich um 303 n. Chr. anscheinend ohne eigene Kenntnis folgendermaßen auslässt: ja· )qiste¸dgr d], pist¹r !mµq t/r jah( Bl÷r bql~lemor eqsebe¸ar, t` Jodq\t\ paqapkgs¸yr rp³q t/r p¸steyr !pokoc¸am 1pivym¶sar *dqiam` jatak´koipem7 s]fetai d] ce eQr deOqo paq± pke¸stoir ja· B to}tou cqav^. Aristides, ein Mann, der treu zu unserer Religion hielt, hat uns gleich Quadratus eine Glaubensapologie hinterlassen und sie dem Hadrian gewidmet. Auch seine Schrift ist noch jetzt bei den meisten erhalten.6

Ob diese Apologie wirklich an Kaiser Hadrian (117 – 138) oder doch eher an seinen Adoptivsohn und Nachfolger Antoninus Pius (138 – 161) gerichtet war, ist hier von untergeordneter Bedeutung. Euseb datiert die Übergabe der Apologie in seiner Chronik auf 124 n. Chr., also auf ein Jahr, in dem sich Hadrian in Athen aufhielt.7 Vielleicht hat der Kirchengeschichtler um diesen Aufenthalt gewusst und sich vorgestellt, dass Aristides seine Verteidigungsschrift dem Herrscher persönlich überreicht habe.8 Die Angaben von Hieronymus im 5. Jh. sind abhängig von Euseb.9 Obwohl der Barlaam-Roman schon längst bekannt war (s. u.), beginnt die moderne Kenntnis der Apologie des Aristides erst 1878 mit der sensationellen Veröffentlichung einer armenischen Teilübersetzung (Ar), die nach der Adresse „An den Imperator Adrianus Cäsar : von dem Philosophen Aristides aus Athen“10 die ersten beiden Kapitel samt dem Zusatz 2,4k enthält, was sich natürlich nur im Rückblick sagen lässt.11 6 Eus.h.e. 4,3,3 (Schwartz, Eusebius, 126 f; Kraft, Eusebius, 195 f). Kraft nennt die Apologie des Quadratus „eine unseren Glauben verteidigende Schrift“ und lässt die Apologie des Aristides „wohl nicht an Hadrian, sondern an Antoninus Pius gerichtet“ sein; anders Loofs, Leitfaden 86, Anm. 3. 7 Schipp, Adoptivkaiser, 43; vgl. 46: „Antoninus Pius verließ Italien nicht ein einziges Mal in dreiundzwanzig Regierungsjahren.“ 8 Dass Aristides seine Apologie als Rede vor dem Kaiser gehalten hat, wird auch Euseb nicht angenommen haben. 9 Einzelheiten bei Lattke, Bildung 37, 52; Ders., Tod 579, 583. 10 Himpel, Fragment 110. Die Adresse in Ar ist ebenso wie die katalogisierende Angabe in Sy, die man nur cum grano salis als erste „Überschrift“ bezeichnen kann, von der kirchengeschichtlichen Tradition abhängig. Die eigentliche Adresse erscheint in Sy nach dieser inscriptio: „[Der Adressat ist] der Weltherrscher Caesar Titus Hadrianus Antoninus … von dem Philosophen der Athener Markianos Aristides“. Ich danke Klaus Beyer nicht nur für die Transkription von Sy, sondern auch für seine Hilfe bei der Übersetzung.

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Noch sensationeller war das Auftauchen der syrischen Übersetzung (Sy), die J. Rendel Harris in der ethischen Sinai-Sammelhandschrift Nr. 16 entdeckte und 1891 mit englischer Übersetzung herausgab. Gleichzeitig wurde von J. Armitage Robinson erkannt, dass ein griechischer Text der Apologie beim Übersetzen des Barlaam-Romans aus dem Altgeorgischen ins Griechische benutzt (nicht wörtlich zitiert!) und in Kapitel 27 dem Asketen Maw~q in den Mund gelegt wurde (Ba 27).12 Der griechische Text dieses Kapitels ist natürlich weder identisch mit dem verlorenen Original der griechischen Apologie des Aristides (Gr*) noch mit einer der handschriftlichen Vorlagen des Übersetzers (GrBa). Wie viele griechische Handschriften dem Übersetzer im 10. Jh. vorlagen, wissen wir nicht. Obwohl es sich bei Ba 27 nicht um den Urtext handelt, leistet dieses Kapitel bei der Wiederherstellung von Gr* unschätzbare Hilfe. Dass es mehrere griechische Handschriften der Apologie des Aristides gegeben hat, wird bewiesen durch einige Papyrusfragmente aus dem 4. Jh. (P1 und P2).13 Denn nun war – und ist – es auf Grund der Kenntnis von Sy und Ba möglich, solche Fragmente zu identifizieren. Bei der Rekonstruktion von 5,1 – 6,1 und 15,4a–16,2b haben P1 und P2 zunächst Vorrang vor Ba und Sy. Doch muss der Wert der Papyri im Einzelnen diskutiert und bestimmt werden.

II. Gliederung und Inhalt Inhaltlich unterscheidet sich die Apologie des Aristides bis auf wenige Gemeinsamkeiten mit der wahrscheinlich „in den letzten Jahrzehnten des 2. Jh.“14 verfassten Schrift Ad Diognetum von der übrigen apologetischen Literatur des 2. und 3. Jh.15 Kap. 1 gliedert sich in zwei Teile: Erkenntnis Gottes (1,1a–2b) und Umschreibung Gottes (1,2c–k). In beiden Teilen ist der Text von Ar und Sy sehr viel umfangreicher als derjenige von Ba. Kap. 2 behandelt nach einer einleitenden Bemerkung (2,1) über Wahrheit (!k^heia) und Irrtum (pk\mg) Zahl, Herkunft und Eigenart der schon ge11 Armenischer Text und französische Übersetzung von Bernard Outtier in: Pouderon/Pierre, Aristide, 306 – 313. Im Vergleich mit der syrischen Übersetzung ist der Text der armenischen an einigen Stellen umfangreicher bzw. idiomatisch wortreicher (z. B. 1,1a.2a.c.f.i.k; 2,1.2b.4b.d), selten kürzer (z. B. 1,2 h; 2,4c.h). Sondergut von Ar ist der ganze t|por-Abschnitt 1,2 g. 12 Harris/Robinson, Apology ; Woodward/Mattingly, Barlaam xxxi, 396 – 425; Volk, Text, 264 – 284. Syrischer und griechischer Text mit französischer Übersetzung: Pouderon/Pierre, Aristide, 182 – 293. 13 Pouderon/Pierre, Aristide, 294 – 303; Aland/Rosenbaum, Repertorium, 11 – 16; Hagedorn, Fragment. 14 Lona, Schrift 224. Die These von Kihn, Ursprung, Aristides sei der Verfasser von Diog gewesen, hat sich nicht durchsetzen können. 15 Die Bemerkungen zu Gliederung und Inhalt basieren auf Lattke, Tod, 578 f.

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nannten vier Menschengeschlechter (2,2a–4i). Die Vierzahl in Ar und Sy hat Vorrang vor der auch sonst abweichenden Dreizahl in Ba.16 Der im Vergleich mit 2,2c (Barbaren und Griechen) und 2,3 (Juden) ausführlichere Abschnitt 2,4a–h (Christen), den der Barlaam-Übersetzer umgestellt (15,1a–2c) und dabei mehr oder weniger stark verändert17 hat, lässt sich wie folgt aufteilen: Herkunft der Christen von Jesus (dem) Christus (2,4a), Inkarnation dieses uR¹r heoO aus einer hebräischen paqh´mor (2,4b), Kraft des vor kurzem verkündigten und nun zu lesenden eqacc´kiom (2,4c), Jesus ein Hebräer (2,4d), seine zwölf (nicht namentlich genannten) lahgta¸ und seine damit zusammenhängende oQjomol_a18 (2,4e), Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu (2,4 f), Weltmission19 der zwölf lahgta¸ (2,4 g), Wqistiamo¸ der Name der an dieses j¶qucla Glaubenden (2,4 h). In 2,4i wird 2,a–b wiederholt (t´ttaqa c]mg !mhq~pym).20 Ob 2,4k eine Glosse zu den Elementen von 3,2 ist oder ein zu rekonstruierender Satz des Aristides, wird im Kommentar zu diskutieren sein. Kap. 3 – 7 bieten eine Charakterisierung und Beurteilung der Chaldäer (Ba) bzw. Barbaren (Sy). In Kap. 3 wird die Verehrung der vergänglichen Elemente und Götterbilder als Irrtum angeprangert, in Kap. 4 – 5 geht es um die einzelnen stoiwe?a Erde, Wasser, Feuer und Wehen der Winde, wobei die Behandlung des Himmels (4,2a–f [Ba 27,41 – 50]) als Zusatz von Ba anzusehen ist. Kap. 6 – 7 stellen heraus, dass auch Sonne (6,1), Mond (6,2) und Mensch (7,1) keine Götter sind. Es folgt ein Schlussurteil über den Irrtum der Chaldäer bzw. Barbaren (7,2). Kap. 8 – 11 enthalten eine erste Charakterisierung und Beurteilung der Griechen. Auf Einleitung (8,1a) und allgemeine Charakterisierung der Götter der Griechen (8,1b–2c) folgt die Darstellung der einzelnen heo¸ Kronos, Zeus und Aphrodite (9,1 – 3), Hephaistos, Hermes, Asklepios, Ares, Dionysos und Herakles (10,1 – 6), Apollon, Artemis, wiederum Aphrodite, Adonis, Rhea, Attis, Kore und Pluto (11,1 – 6, mit vielen Abweichungen zwischen Sy und Ba). Zusammenfassend wird der schlechte Einfluss der Griechen auf die ganze bewohnte Erde betont (11,7). Kap. 12 enthält eine Charakterisierung und Beurteilung der Ägypter, die in Kap. 2 von Sy gar nicht genannt wurden. Im Anschluss an die allgemeine

16 Juden und Christen bilden in Ba das zweite und dritte c]mor. Das erste c]mor der paM rl?m (sc. Inder) kecol]mym he_m pqosjumgta_ (Ba 27,15 f) wird vom Barlaam-Übersetzer unterteilt in die drei c]mg Chaldäer, Griechen und Ägypter (27,17 f). Dabei darf man „Ägypter“ als berechtigten Zusatz ansehen, weil sie ja in Kap. 12 (Sy und Ba 27,176 – 199) behandelt werden. 17 Vgl. schon Geffcken, Apologeten, 83 f. Während der Abschnitt 4d von Ba ganz ausgelassen wurde, bezieht sich der Zusatz 15,2b (s. u.) auf „Thomas in Indien“ (vgl. Ba 1,23). Die Erwähnung der Himmelfahrt in 15,2a wurde durch Umstellung verursacht. Zu Ar stellt Geffcken mit Recht fest: „der wieder frei übersetzende Armenier kommt nur aushilfsweise in Betracht“. 18 Hinzufügung von „Wahrheit“ in Ar. 19 Hinzufügung von „Wundern“ in Ar. 20 Solche Wiederholung fehlt natürlich in Ba wegen der Umstellung.

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Einführung (12,1) geht Aristides ausführlich ein auf Isis und Osiris (12,2 – 3) und die Vergöttlichung von Tieren (12,4 – 5). Kap. 13 kommt auf die Griechen zurück, ihren Götzen- und Bilderdienst (13,1) sowie ihre Dichter und Philosophen (13,2 – 7). Wer mit den poigta_ und vik|sovoi im Einzelnen gemeint ist, sagt Aristides nicht. Mythologische Handbücher und Sammlungen von Hymnen gab es zu seiner Zeit schon längst. Auch Lukian von Samosata, dessen Schriften eine fast zeitgenössische Fundgrube skeptischer Kritik sind, wird solche Kompendien benutzt haben. Kap. 14 knüpft an 2,3 an (s. o.). Die schon dort genannten Juden (Youda?oi) werden nun etwas ausführlicher charakterisiert und letztlich in ihrer Gotteserkenntnis als irrend beurteilt (14,4), obwohl ihr Monotheismus (14,3a) und ihre Menschenliebe (14,3b) lobend hervorgehoben werden. Kap. 15 – 17 schließen die Apologie ab mit einer Charakterisierung und positiven Beurteilung der Christen. Aristides hat ihren Schriften (cqava¸)21 entnommen, dass sie der !k^heia näher sind als die übrigen 5hmg (15,3a). Ihre Gotteserkenntnis und ihr Gottesglaube wird in Ba sozusagen trinitarisch angereichert (3b). Aus Gottes Geboten (1mtoka¸) werden in Ba „die Gebote ihres Herrn Jesus Christus“ (s. u.); ihre Befolgung wird aber sowohl in Ba als auch in Sy eschatologisch begründet (3c). Die Befolgung der alt- und neutestamentlichen Gebote betrifft zunächst Ehe, Sexualität, Zeugnisgeben, fremdes Eigentum, Eltern, Nächste und Richten (4a).22 Die goldene Regel passt eigentlich nicht zu Götzenbildern und Götzenopfer-Speise (4b). Die Befolgung der Gebote betrifft auch Bedrücker und Feinde (4c). Sexuelle Reinheit wird wiederum eschatologisch begründet (5a). Das Verhalten gegenüber Knechten, Mägden und Kindern wird beleuchtet (5b), die Vermeidung der Anbetung fremder Götter und das Fehlen von Lüge hervorgehoben (6a). Beispiele gegenseitiger Liebe sind Sorge um Witwen und Waisen (6b). Freigebigkeit und wahre Bruderliebe, besonders gegenüber Fremden, betrifft sicherlich auch Frauen (6c). Dasselbe gilt von Armen, um deren Begräbnisse sich die Christen kümmern (7a), von Gefangenen, deren Not sie lindern (7b), von Armen und Bedürftigen überhaupt, die sie durch eigenes Fasten unterstützen (7c). Die „Gebote ihres Messias“ fließen nun auch in Sy zusammen mit Gottes Geboten (8a). Gotteslob und Dank für Speis und Trank wird erwähnt (8b). Das eschatologisch begründete Verhalten der Christen beim Tode von frommen Erwachsenen (9a) und sündlosen Kindern (9b), aber auch von Sündern aus den eigenen Reihen (9c) kommt zur Sprache. Die abschließende Bemerkung von Kap. 15 über das Gesetz (m|lor) der Christen und ihren Wandel23 (9d) ist gleichzeitig Übergang zu Kap. 16. Auf die schwer zu verstehende Anfangsaussage von Kap. 16 über die 21 Es ist zu beachten, dass Aristides nicht von unseren Schriften redet. 22 Bibelstellen und weitere Parallelen werde ich in Teil IV angeben. 23 Vielleicht stand in Gr* Pl. von !mastqov¶ wie in 2Petr 3,11; vgl. Bauer/Aland, Wörterbuch 121 f; Payne Smith, Thesaurus, 815 f.

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Christen als „solche, die Gott (er)kennen“ (1a) folgt eine wiederholende Aussage über ihr Verhältnis zur !k^heia (1b; s. o. 15,3a) und eine zusammenfassende Bemerkung über ihre guten Werke (2a). Ihr Bemühen um Gerechtsein ist eng verbunden mit der Erwartung der Verheißungen ihres Messias (2b). Bezüglich ihrer Worte und Gebote folgt ein weiterer Hinweis auf ihre dem Kaiser empfohlenen cqava¸ (3a; s. o. 15,3a). Die Wahrheit der Christen (!k^heia t_m Wqistiam_m) konstituiert sie als neues Volk (jaim¹m 5hmor), wobei ebenfalls 15,3a in Erinnerung gerufen wird (3b). Die an den Kaiser gerichtete Aufforderung, ihre cqava¸ zu lesen, bekräftigt Aristides mit seiner eigenen Überzeugung und seinem Mitteilungsdrang (4; 5a–b ist Sondergut von Ba). Auf die gewagte Behauptung, dass wegen des christlichen Gebets die Welt (noch) besteht (6a), folgt ein vernichtendes Urteil über die übrigen 5hmg (6b), welche die !k^heia nicht erkennen wollen (6c). Kap. 17 wurde in Ba drastisch gekürzt, worauf in den beiden nächsten Teilen zurückzukommen ist. Zusammenfassend erwähnt Aristides weitere Schriften (cqava¸) der Christen (17,1) sowie nochmals sexuelle Schandtaten der Griechen, die anscheinend auch den Christen vorgeworfen wurden (2a). Das Verhalten der Christen coram veritate gegenüber ihren Gegnern zielt darauf ab, dass letztere sich von ihrer pk\mg bekehren sollen (2b). Dies wird an einem Beispiel ausführlich erläutert (2c). Es folgt eine weltweite Seligpreisung des c]mor der Christen (2d). Die Hoffnung auf Beendigung der antichristlichen Verleumdungen und auf wahre Gottesverehrung (3a) verbindet Aristides mit dem Wunsch, die Gegner mögen %vhaqta N¶lata empfangen (3b) und so dem kommenden Endgericht entgehen (3c). Die subscriptio „Zu Ende ist die Apologie des Philosophen Aristides“ fehlt natürlich in Ba.24

III. Der Gebrauch von !k^heia im Vergleich mit dem Barlaam-Roman Aristides selbst hat außer !k^heia auch !kghim|r gebraucht (15,6c [P2 und Ba 27,276: ¢r 1p· !dekv` !kghim`]).25 Ob das Attribut von he|r in 7,2a.b und 8,1a !kgh^r oder !kghim|r war, lässt sich von Sy her nicht entscheiden, weil im Barlaam-Roman beides vorkommt.26 Dasselbe gilt wohl auch für die „wahre 24 Wahrscheinlich ist die subscriptio in Sy auch bloß eine handschriftliche Angabe, die weder aus Gr* noch aus GrSy stammt. Wie die inscriptio (s. o.) ist sie mit roter Tinte geschrieben und nennt als Verfasser nur Aristides, nicht Markianos Aristides. 25 Ich danke Robert Volk dafür, dass er mir die elektronische Textdatei seiner Edition des BarlaamRomans überlassen hat. Ohne diese Datei wäre ein mehr oder weniger vollständiger Vergleich von Kap. 27 mit den übrigen 39 Kapiteln sehr viel zeitraubender gewesen. 26 Vgl. Ba 7,96.103; 10,103; 35,93; 36,26 bzw. Ba 11,6; 16,79; 19,17 f.; 139; 24,20.131.216; 25,113; 26,112; 28,57; 35,4 (z. T. Zitate aus Joh 17,3; 1Thess 1,9).

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Erkenntnis der Christen“ in 17,2c.27 Es gibt freilich noch eine dritte Möglichkeit, nämlich emtyr im attributiven Sinn.28 In 16,1b.3b und 17,2d.3a kann man nämlich davon ausgehen, dass Aristides emtyr29 benutzte und nicht !kgh_r30 oder 1m !kghe¸ô.31 Das Verb !kghe¼y kam in der Apologie ebensowenig vor wie sein Gegensatz xe¼dolai.32 Das Nomen t¹ xeOdor als Gegensatz von !k^heia könnte in 15,6a gestanden haben. Es ist aber wahrscheinlicher, dass Aristides die Christen durch den Plural von !xeud¶r charakterisierte (vgl. axeudeir in P2). Von 2,1 (Ba 27,14) an wird die Apologie beherrscht durch den Gegensatz !k^heia–pk\mg (samt Formen von pkam\y). Darum müssen alle Stellen, an denen von „Irrtum“, von „irreführen“ (nur 16,6b) und besonders von „in die Irre gehen“33 die Rede ist, mitberücksichtigt werden. Ähnlich wie die schon genannten !kgh-Begriffe gehören die pkam-Begriffe zu den Lieblingswörtern des Barlaam-Übersetzers: pkam\y (Akt. 4x, Pass. 19x), !popkam\olai (1x), peqipkam\olai (3x), pk\mg (43x), pk\mor (4x), kaopk\mor (2x), !pkam^r (21x), !pkam_r (4x). Dazu kommen in Kap. 27, also der verarbeiteten Apologie des Aristides, pk\mg (10x) und pkam\y (Akt. 1x, Pass. 14x), wobei die passivischen Formen 1pkam^hgsam und pkam_mtai sich unregelmäßig abwechseln und die Waage halten (je 7x). Man könnte geradezu sagen, dass der BarlaamÜbersetzer die Apologie wegen seiner eigenen Lieblingswörter in den Roman aufgenommen hat. Es folgt nun eine knappe Vorstellung des Sprachgebrauchs34 in der Apologie mit dem notwendigen Seitenblick auf den ganzen Barlaam-Roman. Nach dem schon zu !kgh^r, !kghim|r und emtyr Gesagten beschränke ich mich zunächst auf den gesicherten Gebrauch von !k^heia. Aristides will prüfen, welche Menschen an der Wahrheit teilhaben und welche am Irrtum 27 Vgl. z. B. heocmys¸a in Ba 5,39; 19,8; 32,87 bzw. Ba 38,69; oder vikosov¸a in Ba 15,84 bzw. Ba 15,50; 18,72. 28 Bauer/Aland, Wörterbuch 1163 f (vgl. 1Tim 6,19 und die syrische Übersetzung von t/r emtyr fy/r). 29 So Ba 27,281, aber auch schon P2. Die syrische Übersetzung von adverbialem emtyr ist idiomatisch (vgl. Mk 11,32; Lk 23,47; 24,34; Joh 8,36; 1Kor 14,25; Gal 3,21) und gehört nur im weiteren Sinne zum Thema dieses Beitrags. In 4,1 findet sich emtyr als Attribut Gottes nur in Ba 27,38 und entspricht eher dem sonstigen Gebrauch des Barlaam-Übersetzers (emtyr ca. 20x in Ba, vgl. in Bezug auf Gott Ba 7,118 und 17,9, mehr oder weniger pleonastisch verbunden mit dem Partizip emta). 30 Vgl. der Vollständigkeit halber Ba 2,177; 25,86; 32,103 f; 36,134.173; 40,60. 31 Vgl. Ba 12,164; 18,198 (in beiden Fällen aus Eph 6,14, also nicht relevant); 19,69. 32 Vgl. Ba 3,15; 18,18 (!kghe¼y verneint, also „lügen“); 32,10.32 (!kghe¼y mit Gegensatz). In 15,4a findet sich übrigens oq xeudolaqtuqoOsim (Ba 27,268). 33 Bauer/Aland, Wörterbuch, 1337 f. 34 Zu den syrischen Äquivalenten der !kgh-Begriffe vgl. Payne Smith, Thesaurus 4297 – 4304; Payne Smith, Dictionary, 595; Brockelmann, Lexicon, 802 f; Sokoloff, Lexicon, 1607 f, 1611 ff. Was die wichtigsten Äquivalente der pkam-Begriffe angeht, weise ich vor allem hin auf Payne Smith, Thesaurus, 1492 – 1494; Payne Smith, Dictionary, 177 f; Brockelmann, Lexicon, 282; Sokoloff, Lexicon, 540 ff.

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(2,1). Während sich in Ba 27,14 let]wousi auf beide gegensätzlichen Begriffe bezieht, wird in Sy das Teilhaben am Irrtum als Abirren von der Wahrheit ausgedrückt. In der Wiederaufnahme dieser Absichtserklärung (3,1a) bleibt es in Ba 27,20 f bei einer reinen Wiederholung. Der syrische Text lässt aber vermuten, dass Aristides hier nicht let]wousi gebraucht hat, sondern 5wousi mit zweimaligem direkten Objekt („Wahrheit“ und „Irrtum“). Im Abschnitt über die Herkunft des c]mor der Christen (2,4a–h), den der Barlaam-Übersetzer umstellte (15,1 – 2 [Ba 27,249 – 262]), verzichtete Aristides auf eine Aussage über ihren Wahrheitsanspruch.35 Die übrigen Stellen, an denen !k^heia vorkommt, finden sich in den Kapiteln über die Juden und Christen. Während es in 2,3 nur um die Herkunft der Juden36 ging, kommt Aristides erst in 14,1a richtig auf die Juden zu sprechen, „damit wir sehen t¸ vqomoOsi … peq· heoO“ (Ba 27,234 f). In ihrem Monotheismus „scheinen sie der !k^heia näher gekommen zu sein“ als alle übrigen 5hmg (14,3a [Ba 27,247]).37 In 14,4a hat Aristides wahrscheinlich vom Wortpaar „Wahrheit“ und „Erkenntnis“ (vgl. 15,3a) nur den letzteren Begriff gebraucht, um ihn mit dem Passiv von pkam\y zu verbinden.38 Nur auf den ersten Blick klingt die Aussage des Aristides eigenartig, dass die Christen die Wahrheit gefunden haben (15,3a [Ba 27,262 f: erq|mter tµm !k^heiam]). Dem Finden entspricht in Sy das Suchen. Dieser Sprachgebrauch erinnert an das Suchen und Finden Gottes (Apg 17,27; Röm 10,20).39 Aber mit Plato, Tim. 28c, könnte man sagen: Nicht nur den Schöpfer und Vater dieses Alls, sondern auch die Wahrheit zu finden, ist schwer (5qcom); ihn bzw. sie nach dem Finden allen mitzuteilen (k]ceim), ist unmöglich (!d}matom).40 Aristides hat den (alt- und neutestamentlichen und vielleicht weiteren) Schriften der Christen entnommen, dass sie (sc. die Christen) „der !k^heia und der genauen 1p¸cmysir näher sind als die übrigen 5hmg“ (15,3a).41 Die Wahrheit der Christen bezieht sich also in erster Linie auf die von den Juden übernommene monotheistische Gotteserkenntnis. 35 Der Hinweis auf die „lichtspendende Wahrheit“ in 4,2e ist ein Zusatz von Ar zu oQjomol_a. Im indischen Zusatz 15,2b wird auf einen der 12 Jünger (sc. Thomas) hingewiesen als t¹ d|cla jgq}ssym t/r !kghe¸ar (Ba 27,260 f). 36 Der Barlaam-Übersetzer hat diesen Abschnitt umgestellt und erweitert (14,1b–2c [Ba 27,235 – 245]). 37 Aristides gebraucht hier 5hmg wie in 15,3a (s. u.) und nicht c´mg. Er bezieht sich natürlich nur auf die schon behandelten c´mg der Barbaren und Griechen, nicht auf das c´mor der Christen. 38 Der Barlaam-Übersetzer bezieht 2auto»r 1l²jqumam als Gegensatz zu 1cc_feim freilich auf !k^heia (Ba 27,247 f). 39 Vgl. Bauer/Aland, Wörterbuch, 658, mit Hinweis auf Belege in der alttestamentlichen und jüdischen Literatur. Dieses im übertragenen Sinne geistige „Finden“ bedeutet „ausfindig machen, erkennen, verstehen, einsehen, wahrnehmen, entdecken“. 40 Vgl. Loofs, Leitfaden, 18 f. In „Platos Ethik“ werden „die Allgemeinbegriffe nicht gebildet, sondern gefunden“. 41 Der Barlaam–Übersetzer hat 15,3a gekürzt, sich aber vom Begriff 1p¸cmysir dazu inspirieren lassen, vorher in 14,3a mit Bezug auf die Juden Paulus zu zitieren: !kk( oq jat( 1p¸cmysim (Röm 10,2 [Ba 27,245 f]).

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In 16,1b wiederholt sich Aristides in Bezug auf das Finden der christlichen Wahrheit, zieht aber nun die Begriffe „Erkenntnis“ und „Wahrheit“ zu der traditionellen Genitivverbindung 1p¸cmysir (t/r) !kghe¸ar zusammen.42 Der Barlaam-Übersetzer hat dieses Zwischenresümee drastisch gekürzt durch die Verwendung einer auch sonst vorkommenden, letztlich aus der Psalmensprache stammenden Genitivverbindung: mmtyr owm avtg 1st·m B bd¹r t/r !kghe¸ar (Ba 27,281; vgl. Ba 21,142; 25,67).43 In P2 lässt sich nicht sicher entscheiden, ob das Objekt von euqom „Weg der Wahrheit“ oder nur „Wahrheit“ war.44 Auch wenn 16,3b in Ba fehlt, kann man davon ausgehen, dass Aristides nicht nur zweimal emtyr gebraucht hat (s. o.), sondern auch !k^heia, und zwar diesmal in Parallele zu „Wandel“.45 Im gekürzten Text von 16,4 findet sich sogar in Ba 27,284 f der Zusammenhang zwischen den cqava_ der Christen und der in ihnen enthaltenen !k^heia (vgl. 15,3a). In diesem Abschnitt bekennt sich Aristides in Sy selbst als ein Glaubender. Da er sonst nie in Bezug auf die Christen im Wir-Stil redet, stellt sich die Frage, ob sein eschatologisches Schriftbekenntnis im Ich-Stil ursprünglich ist. Die Begründung für das Wandeln der übrigen Völker (koip± 5hmg) in Finsternis (bde}omter 1m sj|tei [Ba 27,289]) in 16,6c gehört aber wahrscheinlich zu Gr* (vgl. Sy : „weil sie die Wahrheit nicht erkennen wollen“). Die „Erkenntnis der Wahrheit“ (16,1b) wird hier verbal ausgedrückt als „Erkennen der Wahrheit“ (und natürlich negiert). Auf jeden Fall passt diese Begründung ins Konzept des Apologeten. In Kap. 17 kommt !k^heia in Ba nur noch einmal vor. Der BarlaamÜbersetzer meint mit k|cor die Rede des Nachor an den indischen König (17,1). Sie sei ihm von der Wahrheit, die in seinem Nus ist, diktiert worden (rp¹ t/r !kghe¸ar 1m t` moý lou rpacoqeuhe_r [Ba 27,291 f]). Auch in der stark gekürzten Fortsetzung 17,3a–c bezieht sich in Ba manche Aussage auf die indische Situation. 17,2 findet sich nur in Sy und liefert weitere Belege für !k^heia. Im Gegensatz zu den Griechen (17,2a) seien die Christen „gerecht und heilig, und die Wahrheit ist vor ihre Augen gestellt“ (17,2b). Der im Gegensatz dazu stehende „Irrtum“ (in Gr* zweimal pk\mg) der Griechen besteht in einem grundsätzlichen, in erster Linie auf die „Wahrheit“ bezogenen Mangel an „Erkenntnis“ (in Gr* wahrscheinlich 1p_cmysir [s.o. 16,1b]). Ob 42 Vgl. Bauer/Aland, Wörterbuch, 590; Dibelius, Botschaft 2: „Die LXX gebrauchen cm_sir heoO und 1p¸cmysir heoO ohne spürbaren Unterschied“. 43 Zu bd¹r t/r !kghe¸ar vgl. Ps 118,30 LXX; SapSal 5,6; 2Petr 2,2; 1Clem 35,5; OdSal 11,3b. 44 Mit omtyr oum outoi euqom bricht der Text von P2 ab; vgl. Pouderon/Pierre, Aristide, 302 f: „Ils ont donc quant — eux trouv¦ r¦ellement …“. 45 Ob die Vorlage des Plurals in Sy !mastqov^ war (Bauer/Aland, Wörterbuch 121 f) oder der Plural von poqe_a (1387) bzw. pq÷nir im guten Sinn (1398 f), kann hier auf sich beruhen (vgl. vorläufig Payne Smith, Thesaurus 1039 f). In diesem Abschnitt spricht Aristides übrigens vom „neuen Volk“ (5hmor oder eher ka|r). Zu den neutestamentlichen Begriffen c´mor, 5hmor und ka|r „in Classical and Jewish Literature“ und „in Early Christian Literature“ vgl. Horrell, Identity-Construction 125 – 128, 130 – 134.

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Aristides in 17,2c diesen Mangel an Erkenntnis durch !cmys¸a, %cmoia oder !cm|gla ausdrückte, spielt hier keine große Rolle.46 Wichtiger ist, dass statt „Erkenntnis der Wahrheit“ (16,1b; vgl. auch 14,4a; 15,3a) hier von der „wahren Erkenntnis“ der Christen die Rede ist. Selbst in 17,2c und sogar in 17,3a („wahrer Gott“) könnte Aristides emtyr im attributiven Sinne gebraucht haben (s. o.). Der Wunsch in 17,3a, die Griechen mögen nun „die Wahrheit reden/sagen“ (in Gr* wahrscheinlich !k¶heiam kake?m), zielt zunächst auf das Gegenteil von Verleumdung, dann aber auch auf die Erkenntnis und Verehrung des wahren Gottes. Es folgt nun noch eine kleine Nachlese von Stellen mit pkam-Begriffen, die nicht in ausdrücklichem Gegensatz zu !kgh-Begriffen gebraucht werden. Wie gesagt, kommen in Ba 27 die folgenden Begriffe bzw. Formen vor: pk\mg (1), 1pkam^hgsam (2), pkam_mtai (3)47 und pkam_sim. Die zuletzt genannte Form begegnet nur in 16,6b, und zwar zusammen mit pkam_mtai. Der Zusatz von 2auto}r (Ba 27,289) zum Aktiv pkam_sim geht wohl aufs Konto des BarlaamÜbersetzers, während Aristides davon sprach, dass die den Christen gegenübergestellten koip± 5hmg (s. o.) selbst „irren und in die Irre führen, indem sie sich vor den Elementen der Welt wälzen“. Damit kommt Aristides noch einmal auf die stoiwe?a zurück, in deren Vergöttlichung von 3,1b (2) an (bis 7,2b [1 in Sy]) das Irren besteht: Himmel (4,2a [3], nur in Ba), Erde (4,3a [2]), Wasser (5,1a [2]), Feuer (5,2a [3]), Wehen der Winde (5,3a [3]). In ähnlicher Weise besteht das Irren in der Vergöttlichung von Sonne (6,1a [3]), Mond (6,2a [3], in Sy nur indirekt) und Menschen (7,1a [3]). Die figura etymologica pk²mgm lec²kgm 1pkam^hgsam (3,1 f; 7,2a; 13,1a; vgl. auch 3,2c und 9,1d [1] in Sy) hat der Barlaam-Übersetzer vielleicht sogar aus der Apologie geborgt (vgl. Ba 23,54 in seinem Kontext). In Bezug auf die „Physiologie“ der Götter befinden sich nicht nur die Griechen im Irrtum (13,4a [1]). Der zusammenfassende Ausdruck pk\mgr 5qca ja· !pyke¸ar (13,7a [Ba 27,231]) gehört zum Zusatz von Ba.48 Folgen der menschlichen pk\mg sind Kriege und andere Nöte (8,2c). Den Ägyptern wirft Aristides vor, noch schlimmer als die Griechen geirrt zu haben (12,1a [2]). Welche Verbform in denjenigen Abschnitten gebraucht wurde, in denen nur Sy vom „Irren“ der Menschen spricht (3,2a [Philosophen]; 13,2a–3b [Dichter und Philosophen]; 13,5b [die ganze Welt]), lässt sich wegen der Bedeutungsgleichheit und der gleichen Verteilung von 1pkam^hgsam und pkam_mtai in Ba nicht sagen.

46 Vgl. Bauer/Aland, Wörterbuch, 20 f, und dazu vorläufig Payne Smith, Thesaurus, 1560. 47 Die Angaben (1), (2), (3) bzw. [1], [2], [3] beziehen sich im Folgenden auf pk\mg und die beiden Formen von pkam\olai. 48 Neben 1qcas¸a (17x) ist 5qca (20x) einer der häufigeren Begriffe in Ba. Dieser Plural begegnet vor allem in Bibelzitaten. In Bezug auf das Paradies spricht der Barlaam-Übersetzer vom 1qcast^qiom t/r Qd¸ar pk²mgr (Ba 7,48).

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Die Wahrheit der Christen in der Apologie des Aristides

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IV. Dogmatische und ethische Aussagen über das c]mor der Christen Im ersten Christen-Abschnitt (2,4a–h) legt Aristides die christologischen Grundlagen für die eigentlichen Christen-Kapitel (15,3 – 17,3). In Bezug auf Jesus (den) Christus wird der Titel uR¹r heoO (rx¸stou) und seine Inkarnation genannt (2,4b; vgl. Lk 1,32.35). Er stammte aus dem Geschlecht der Hebräer, d. h. der Juden (2,4d; vgl. 2,3), hatte zwölf Jünger (2,4e.g) und starb (2,4 f).49 Zum christlichen Bekenntnis („sie sagen“) gehören seine Auferweckung und Himmelfahrt (vgl. 1Kor 15,3 – 5; Apg 1,11 u. ö.). Der von Wqist|r abgeleitete Name Wqistiamo_ (vgl. Apg 11,26) wird nicht erklärt, sondern als allgemein bekannt vorausgesetzt (2,4 g–h; 15,2c). Aristides beruft sich für seine Aussagen auf das mündliche und schriftliche eqacc´kiom (2,4c), ohne eine Schrift oder einen Verfasser beim Namen zu nennen. Später wird er noch einige andere Aussagen über die Schriften (cqava¸) der Christen machen. Eine der Fragen, die sich dabei immer wieder stellt, ist: Was wusste Aristides über irgendwelche Christengemeinden (in Athen und/oder sonstwo) aus eigener Anschauung? Diese und manche andere Frage zu beantworten, geht jedoch über den Rahmen dieser Vorarbeit hinaus. Um noch einmal auf den Begriff !k^heia zurückzukommen, fällt es auf, dass Aristides an keiner Stelle versucht, diesen wichtigen Begriff zu definieren oder sich in die Debatte um die Etymologie einzumischen.50 Er hatte wahrscheinlich aber auch ein antikes „Vorverständnis, gemäß dem W[ahrheit] nicht primär als Eigenschaft von Aussagesätzen betrachtet, sondern jeweils mit dem ausgesagten (oder erkannten, gewußten) Aspekt der vorgegebenen Wirklichkeit identifiziert wird“.51 Etwas überspitzt gesagt, geht es Aristides primär um die Erkenntnis der Wahrheit, nicht (oder höchstens sekundär) um die Wahrheit der Erkenntnis. In der abschließenden Tabelle werden die Aussagen des Aristides über die Christen kurz zusammengefasst. In der ersten Spalte (Sy) erscheint der Hinweis auf die Abschnitte der Kap. 15 – 17. Die Angaben in der zweiten Spalte (Ba 27) beziehen sich zunächst auf die Zeilen von Kap. 27 des Barlaam-Romans in der Edition von Robert Volk, wobei das Fehlen des entsprechenden Abschnitts durch „—“ gekennzeichnet wird.52 Gegebenenfalls folgen Hinweise auf den durch P2 repräsentierten griechischen Text (ohne Akzente).53 Die 49 Vgl. Lattke, Tod, 590 – 597, wo gezeigt wird, dass Aristides selbst nicht Jesu Kreuzigung durch die Römer erwähnt, sondern seine Durchbohrung durch die Juden. 50 Vgl. Szaif, Wahrheit, 48 – 50, vor allem aber Heitsch, Aletheia, 4 – 10, 22 – 24. 51 Szaif, Wahrheit, 48. Bei Bçhm, Wahrheit, 58 f, findet sich leider gar nichts zu den Apostolischen Vätern (vgl. Kraft, Clavis 24 f) und griechischen Apologeten (vgl. Goodspeed, Index 11 f). 52 Volk, Text, 249 – 295. 53 Pouderon/Pierre, Aristide, 298 – 303.

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Michael Lattke

vierte Spalte dient der in der Apologie selbst genannten Quellen-Angabe des Aristides, die sich natürlich nicht nur auf den einzelnen Abschnitt bezieht, in dem sie gemacht wird. Viele der Belege in der fünften Spalte hat schon Kaspar Julius zusammengetragen.54 Hinweise auf spätere Texte wie Diog oder Justins Apologien werden hier jedoch nicht aufgenommen. Sy

Ba 27

15,3a 262f

Aussage des Aristides über die Christen

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen

ihre !k^heia und 1p_cmysir

ihre cqava¸

Gal 4,9; Joh 14,1; Röm 1,19; 1Kor 1,21; 1Petr 1,21; Gen 14,19; Röm 11,36; 1Kor 8,6; Kol 1,16; 1Joh 2,3 f; 2Clem 3,1

15,3b 263 – 265 ihre Gotteserkenntnis, Glaube an Schöpfer, Monotheismus [ähnlich 14,3a über die Juden] 15,3c 265 – 268 ihr vuk\tteim der göttlichen 1mtoka¸ (Ba: Gebote ihres j}qior YgsoOr Wqist|r) eschatologisch begründet 15,4a 268 – 270 sie treiben nicht Ehebruch, huren nicht, geben nicht falsches Zeugnis, begehren nicht fremdes Eigentum, ehren Vater und Mutter, erweisen den Nächsten Gutes, richten mit Gerechtigkeit

Joh 1,17; 8,32; Röm 1,18.25; Gal 2,5; 1Tim 2,4 u. ö.

Gebote in ihrem Geist (Ba: 1m ta?r jaqd¸air)

Dtn 4,2; Röm 2,15; Jer 38,33; Hebr 8,10; 10,16; Did 4,13; 1Clem 2,8; Röm 8,19 – 39

Ex 20,12 – 17; Mk 10,19; Röm 13,9; 1Kor 10,8; Plinius d.J. X 96; Lev 19,18; Did 2,2 f; Barn 19,4 – 11; Joh 7,24; Did 4,3

54 Julius, Apologie, 48 – 54. Hinweise auf das Alte Testament beziehen sich auf LXX.

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(Fortsetzung) Sy

Ba 27

15,4b 270f

Aussage des Aristides über die Christen sie beten nicht Götzenbilder an (Sy); handeln nach der Goldenen Regel; essen kein Götzenopferfleisch, denn sie sind Reine (Sy)

15,4c 271 f sie trösten (paqaja(z. T. P2) koOsi) ihre Bedrücker und machen sie sich zu Freunden (pqosvike?r); tun Feinden Gutes (P2 : tour ewhqour eu poigsai) 15,5a 272 f (+ P2)

ihre Frauen sind rein (P2 : acmai jai paqhemoi), ihre Töchter sittsam, ihre Männer enthaltsam; eschatologisch begründet

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen Dtn 5,8; 1Kor 10,19 f; Tob 4,15; Apg 15,20.29; Mt 7,12; Lk 6,31; Did 1,2; 1Kor 8,4 f; Did 6,3; Apk 2,20; Tit 1,14 Mt 5,44; Lk 6,27; Röm 12,20

(vgl. 4Makk 18,7; 2Kor 11,2); Eph 5,3.5; Kol 3,5f

15,5b (nur P2) sie überzeugen (peihousim) SklavInnen und Kinder, Christen zu werden; nennen sie dann Brüder/Schwestern

Did 4,10; Barn 19,7

15,6a (nur P2) sie beten nicht fremde Götter an, sind pqaeir jai epieijeir jai axeudeir

Dtn 5,7; 1Kor 8,4 – 6; Gal 4,8; Mt 5,5; Eph 4,1 f.25; Kol 3,9.12; s. o. Wahrheit

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(Fortsetzung) Sy

Ba 27

Aussage des Aristides über die Christen

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen

sie lieben einander (P2 : akkgkour acapysim); nicht verachten sie eine Witwe (P2 : wgqam ouj upeqoqysim), bewahren/erretten aber eine Waise (P2 : oqvamom syfousim)

Joh 13,34; 15,12.17; 1Joh 4,7.11 f; 1Petr 1,22; 2Clem 9,6; Ex 22,22; Jes 1,17; Sir 4,10; 1Tim 5,3; Jak 1,27; Barn 20,2; 1Clem 8,4

15,6c 274 – 277 wer hat, gibt !vh|myr dem, der nicht hat; ein (+ P2) Fremder in ihren Wohnungen ist ihnen wie !dekv¹r !kghim|r, weil sie sich Brüder/ Schwestern nennen oq jat± s²qja, !kk± jat± xuw^m (Ba, P2) bzw. im Geist und in Gott (Sy)

Tob 4,7.16; Mt 6,3; 2Kor 8,14; 9,12; Eph 4,28; 1Tim 6,18; 1Joh 3,17; Did 4,8; Jes 58,7; Mt 25,35; Phil 1,14; Jak 2,15 f (u.v.a. !dekv–Stellen)

15,7a (nur P2) sie helfen, ihre gestorbenen Armen zu begraben

(Gegensatz: Mt 8,22; Lk 9,60)

15,6b 274 (+ P2)

sie unterstützen und befreien, wenn möglich, eine/n ihrer inhaftierten, wegen des Namens des/ihres Wqist|r Verurteilten [Ba weicht völlig ab; Wqist|r dort Eigenname]

Mt 10,22; Mk 13,13; Joh 15,21; Apg 5,41; 1Petr 4,14.16; Lk 4,18

15,7c (nur P2) sie fasten zwei oder drei Tage lang für doukor oder pemgr

Herm sim V 3,7; Did 1,3

15,7b 277 f (+ P2)

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(Fortsetzung) Sy

Ba 27

15,8a 278 f (+ P2)

Aussage des Aristides über die Christen

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen

sie bewahren (s. o. Gebote (von 15,3c) t± pqost²clata Gott? von toO heoO !svak_r, Christus?) leben bs¸yr ja· dija¸yr, jah½r j¼qior b he¹r aqto?r pqos´tanem

Tit 2,12; 1Thess 2,10; KerPet 2.d; 2Clem 5,6; 6,9

15,8b 279 – 281 eqwaqistoOsim morgens und zu jeder Stunde für (+ P2) Speise und Trank ja· to?r koipo?r !caho?r

Eph 5,19 f; Kol 3,16 f; 1Thess 5,18; Röm 14,6; 1Kor 10,30f

15,9a (nur P2) wenn ein Frommer von ihnen (eusebgr en autym) stirbt, so freuen sie sich, sagen Dank, beten für ihn und geleiten ihn wie einen Verreisenden (yr apodgloumta)

2Kor 5,6.8; 1Petr 2,11; Leben als peregrinatio (Vona, Apologia 109); MartPol 2,2 (t/r saqj¹r !.)

15,9b (nur P2) wenn ihnen tejmom geboren wird, sagen sie Gott Dank; wenn mgpiom stirbt, sagen sie innigsten Dank, weil es ohne Sünde weggegangen ist 15,9c (nur P2) wenn einer [von ihnen] stirbt alaqtiar ewym, weinen sie yr epi jokasim apeqwolemou autou

rpeqeuwaqi-ste?m (Barn 5,3); ohne Erbsünde!

Mt 25,46; Barn 20,1

15,9d (nur P2) tauta oum y basikeu ta ihre doclata (rückblickend) doclata autym eisim

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(Fortsetzung) Sy

Ba 27

Aussage des Aristides über die Christen

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen

16,1a (nur P2) was sie von Gott brauchen, erbitten sie von ihm, und so durchfahren sie diese Welt bis zur Vollendung der Zeiten (wqomym). Weil Gott ihnen pamta upetanem douka, sind sie ihm dankbar ; und wegen ihnen g sulpasa dioijgsir ecimeto jai g jtisir

Mt 7,7 f u. ö.; 1Clem 20,11; Herm mand XII 4,2

16,1b 281 sie haben emtyr die (z. T. P2) Wahrheit gefunden und sind allein der Erkenntnis der Wahrheit nahe (vgl. 15,3a)

Aristides’ eigene Erkenntnis

16,2a —

Mt 6,1 ff.20; 19,21; 1Tim 6,19

sie verbergen ihre Wohltaten und ihre Gabe wie Schatz

„The Syriac goes entirely off the rails“ (Milne, Fragment 77).

16,2b 281 – 283 sie bemühen sich gerecht zu sein wegen eschatologischer Erwartung, ihren Messias zu sehen und Verheißungen zu empfangen in großer d|na

Mt 24,30; 25,37; Lk 14,14; 21,27; Tit 2,13; 2Clem 5,5; 11,1.7; 12,1; 17,5; 18,2; Barn 4,12; Herm vis II 2,6

16,3a —

Mt 16,27; 1Clem 34,3; 2Clem 1,3.5; 11,5 f; 17,4

ihre Worte und Gebote, ihre cqava¸ die Großartigkeit ihres Dienstes und ihre dem Tun entsprechende Erwartung eschatologischen Lohns aus ihren Schriften zu erkennen

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(Fortsetzung) Sy

Ba 27

Aussage des Aristides über die Christen

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen

16,3b — ihre Lehre (d|cla? (s. 16,5b [vgl. 15,9d]) groß und in Ba) wunderbar ; dieses 5hmor ist jaim|m und göttliche Mischung (jq÷sir?) ist in ihm 16,4

283 – 285 [Selbstaussage des Aristides, in Ba stark gekürzt]

KerPetr 2.d; 1Petr 2,9

ihre cqava¸

16,5b 287f

[Vgl. 16,3b in Sy]

16,6a

wegen der Rjes¸a der Christen besteht die bewohnte Erde (oQjoul]mg? [s. 15,2a in Ba 2,4 g in Sy])

16,6b 288f

[Aussage über t± koip± 5hmg]

16,6c 289f

[Aussage über t± koip± 5hmg]

17,1

[in Ba gekürzte, verän- ihre anderen 2Clem 13,3 derte Aussage]; in Sy cqava¸ Hinweis auf oben (s. o. 16,3 – 4) in äußerst verworrener Aussage über zu befolgende „Worte in ihren anderen Schriften“

291f

17,2a —

von den Griechen wird das Lächerliche ihrer eigenen Unreinheit (s. o. 8,1c u. ö.) auf die Christen übertragen

Sib 4,34 – 39

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(Fortsetzung) Sy

Ba 27

Aussage des Aristides über die Christen

Quellen-An- Stellen-Angabe mit Angabe merkungen

17,2b —

sie sind gerecht und heilig, Wahrheit vor ihren Augen, ihr Geist geduldig; erkennen Irrtum der Griechen, werden von ihnen misshandelt, beten aber für sie zur Bekehrung

2Clem 15,3; Eph 4,2; Did 3,8; Herm mand VIII 10; 1Petr 2,20; Hebr 5,7; 2Clem 2,2; Mt 5,44

17,2c —

vor ihnen beschämt ist ein Bekehrter wegen früherer Taten in Unwissenheit, als er schmähte wahre Erkenntnis der Christen

1Tim 1,13; Apg 3,17.19; 17,30; 1Petr 1,14; KerPetr 2.b

17,2d —

emtyr seliger als alle Menschen der Erde ist t¹ c]mor der Christen

Mt 5,3 u. ö.(?); Urteil des Aristides

17,3a 292 f (s. o. 287 f [16,5b])

es mögen schweigen Zungen der lataiokocoOmter und der Verleumder der Christen; !kgh_r toO heoO ist, was durch den Mund der Christen gesagt wird; ihre Lehre ist das Tor des Lichts

Polyk 2,1; 1Tim 1,6; Urteil des Aristides; 1Thess 2,13; 2Clem 13,3; OdSal 12,3

17,3b 294

oR !m|gtoi mögen empfangen %vhaqta N^lata

Tit 3,3

17,3c 294f

durch Jesus Christus wird das Gericht (jq_sir; jat\jqisir in Ba) kommen über das ganze menschliche c]mor

1Hen 1,9; Jud 15

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In meinem Kommentar werde ich die vorläufig gesammelten Stellen-Angaben noch einmal kritisch sieben und gegebenenfalls vermehren. In Auseinandersetzung mit früheren Untersuchungen55 wird es möglich sein, dem griechischen Wortlaut der Apologie des Aristides noch näher zu kommen als bisher. Ob sich schon in Gr* der Ausdruck d|cla t/r !kghe_ar (15,2b; indischer Zusatz in Ba 27,261) als Bezeichnung für das „Christentum“ fand, ist allerdings schon jetzt mehr als fraglich.56

Literatur Aland, Kurt/Rosenbaum, Udo, Repertorium der griechischen christlichen Papyri II. Kirchenväter – Papyri. Teil 1: Beschreibungen , PTS 42, Berlin/ New York 1995. Bauer, Walter/Aland, Kurt und Barbara, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin/ New York 61988. Bçhm, Thomas, Art. Wahrheit I. Antike. C. Altes und Neues Testament; Patristik, HWP 12, 2004, 57 – 60. Brockelmann, Karl, Lexicon Syriacum, Halle 21928 = Hildesheim 1966. Dibelius, Martin, 9p¸cmysir !kghe¸ar, in: Ders., Botschaft und Geschichte II, Tübingen 1956, 1 – 13; ursprünglich in: Neutestamentliche Studien (FS G. Heinrici), Leipzig 1914, 178 – 189. Geffcken, Johannes, Zwei griechische Apologeten, Leipzig/Berlin 1907 = Hildesheim/New York 1970. Goodspeed, Edgar J., Die ältesten Apologeten. Texte mit kurzen Einleitungen, Göttingen 1914 = 1984. –, Index Apologeticus sive Clavis Iustini Martyris operum aliorumque Apologetarum pristinorum, Leipzig 1912. Hagedorn, Dieter, Ein neues Fragment zu P.Oxy. XV 1778 (Aristides, Apologie), ZPE 131, 2000, 40 – 44. Harris, J. Rendel/Robinson, J. Armitage, The Apology of Aristides, TaS 1,1, Cambridge 1891, 21893. Heitsch, Ernst, Aletheia. Eine Episode aus der Geschichte des Wahrheitsbegriffs, AAWLM.G 2011, Nr. 5, Mainz/Stuttgart 2011. Hennecke, Edgar, Die Apologie des Aristides. Recension und Rekonstruktion des Textes, TU 4,3, Leipzig 1893. Himpel, Felix von, Das Fragment der Apologie des Aristides und eine Abhandlung über Luk. 23, 42. 43. Aus dem Armenischen übersetzt und erläutert, ThQ 62, 1880, 109 – 127. 55 Vor allem Geffcken, Apologeten; Hennecke, Apologie; Seeberg, Apologie; Vona, Apologia. 56 Gegen Loofs, Leitfaden, 87, der sich kaum zu Recht auf Hennecke, Apologie, 10 beruft.

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Horrell, David G., ‘Race’, ‘Nation’, ‘People’: Ethnic Identity-Construction in 1 Peter 2.9, NTS 58, 2012, 123 – 143. Julius, Kaspar, Des Aristides von Athen Apologie, BKV 12, 1913, 1 – 54. Kihn, Heinrich, Der Ursprung des Briefes an Diognet, Freiburg i.Br. 1882. Kraft, Heinrich, Clavis Patrum Apostolicorum, Darmstadt 1963. – (Hg.), Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, Darmstadt 21981. Landmesser, Christof, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, WUNT 113, Tübingen 1999. Lattke, Michael, Der Tod Jesu Christi in der Apologie des Aristides, EC 1, 2010, 575 – 601. –, Greek Words in the Syriac Text of the Apology of Aristides, in: G. A. Kiraz (Hg.), Malphono w-Rabo d-Malphone (FS S. P. Brock), Piscataway, NJ 2008, 383 – 403. –, War Aristides ein Mann von Bildung? Forschungsgeschichtliches Protokoll eines (nicht nur) deutschen Gelehrtenstreits in den ersten 40 Jahren der AristidesForschung, in: F. R. Prostmeier (Hg.), Frühchristentum und Kultur (KfA.E 2), Freiburg i.Br. 2007, 35 – 74. Link, Hans-Georg, Art. Wahrheit (!k^heia)/Lüge, TBLNT II, 22010, 1834 – 1844, 1852 – 1855. Lona, Horacio E., Die Schrift „An Diognet“, in: W. Pratscher (Hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung (UTB 3272), Göttingen 2009, 208 – 225. Loofs, Friedrich, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte. 1. und 2. Teil: Alte Kirche, Mittelalter und Katholizismus bis zur Gegenwart, Tübingen 61959. Milne, H. J. M., A New Fragment of the Apology of Aristides, JThS 25, 1923/24, 73 – 77. Payne Smith, Jessie (Mrs. Margoliouth), A Compendious Syriac Dictionary, Oxford 1903 u. ö. Payne Smith, Robert, Thesaurus Syriacus I – II, Oxford 1879 – 1901 = Hildesheim/ New York 1981. Pouderon, Bernard/Pierre, Marie-Joseph (Hg.), Aristide, Apologie, SC 470, Paris 2003. Schipp, Oliver, Die Adoptivkaiser. Nerva, Trajan, Hadrian, Antoninus Pius, Marc Aurel, Lucius Verus und Commodus, Darmstadt 2011. Schwartz, Eduard (Hg.), Eusebius, Kirchengeschichte. Kleine Ausgabe, Leipzig 4 1932. Seeberg, Reinhold, Die Apologie des Aristides, FGNK 5,2, Erlangen/Leipzig 1893, 159 – 414. Sokoloff, Michael, A Syriac Lexicon. A Translation from the Latin, Correction, Expansion, and Update of C. Brockelmann’s Lexicon Syriacum, Winona Lake, IN/ Piscataway, NJ 2009. Szaif, Jan, Art. Wahrheit I. Antike. A. Anfänge bis Hellenismus, HWP 12, 2004, 48 – 54. Volk, Robert, Die Schriften des Johannes von Damaskos. Bd. 6,2: Historia animae utilis de Barlaam et Ioasaph (Spuria). Text und zehn Appendices, PTS 60, Berlin/ New York 2006.

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Die Wahrheit der Christen in der Apologie des Aristides

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Vona, Costantino, L’Apologia di Aristide. Introduzione, versione dal Siriaco e commento, Lat. NS 16,1 – 4, Rom 1950. Woodward, G. R./Mattingly, H., [St. John Damascene], Barlaam and Ioasaph. [1914 u. ö.]. Introduction by D. M. Lang, LCL 34, Cambridge, MA/London 1983.

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Markus Lang

Der Apostel und die „Obrigkeit“ Interaktion als Spiegel des frühchristlichen Selbstverständnisses in den älteren Apostelakten Bereits in der kanonisch gewordenen Evangelienliteratur zeigt sich, dass die Rolle der heidnischen Obrigkeit in der jeweiligen Erzählung von starker Aussagekraft über das Selbstverständnis der hinter diesen Schriften stehenden Gemeinschaften ist. Allen voran wäre hierbei an die unterschiedlich ausgeprägte Rolle des Pontius Pilatus in den Passionserzählungen zu denken. Am deutlichsten lässt sich dies an Lk und Joh zeigen.1 Obwohl der Verfasser des lukanischen Doppelwerkes in Lk 23,1 – 25 starke apologetische Züge führt,2 ist das Bild doch ambivalent. Während nämlich einerseits Pilatus als Zeuge der Unschuld Jesu und damit verbunden der Schuld der Hohepriester bzw. des Volkes auftritt, so ist er andererseits nichtsdestotrotz derjenige, der Jesus wider besseres Wissen unter Druck verurteilt. Von Amtswegen verurteilt er als römischer Prokurator Jesus, dessen Handeln jedoch auch für ihn in keinem Widerspruch zur römischen Gesetzgebung steht. An dieser Ambivalenz zeigt sich die Funktion des Pilatus in der Passionserzählung des Lukas. Zwar liegt die „Schuld“ an der Verurteilung mittelbar bei Pilatus, der somit in seiner Rolle als Prokurator eine Verfehlung begeht.3 Allgemein jedoch kann für einen „römischen“ Christen kein Konflikt zwischen römischer Bürgerschaft etc. und Christ-Sein verortet werden.4 Um diesen Sachverhalt aufzuzeigen und damit ein „römisches“ Christ-Sein zu „ermöglichen“, wird Pilatus vom Verfasser des Doppelwerkes instrumentalisiert. Diametral 1 Hierzu vgl. H. Bond, Pontius Pilate in History and Interpretation, SNTS.MS 100, Cambridge 1998, 160 – 93. Für den Prozess gegen Jesus vgl. immer noch J. Blinzler, Der Prozeß Jesu. Das jüdische und das römische Gerichtsverfahren gegen Jesus Christus auf Grund der älteren Zeugnisse, Regensburg 19603, bes. 175 – 262. 2 Ähnlich auch Apg 3,13; 13,28. Diese Tendenz zeigt sich jedoch nicht in 4,27 f., wo Pilatus gemeinsam mit den pauschal genannten Heiden und dem Volk Israel wie auch Herodes die Schuld an Jesu Tod trägt. 3 Diese Spannung konnte sicher auch dazu dienen, die Unrechtmäßigkeit diverser Verfolgungssituationen zu erklären, in denen das rechtmäßige Verhalten der Christen durch einen „fehlerhaften“ Vertreter des Staatsapparates falsch beurteilt und ergo verurteilt wurde. 4 Vgl. P.F. Esler, Community and Gospel in Luke-Acts. The Social and Political Motivations of Lucan Theology, Cambridge 1987; G. Schneider, Das Verfahren gegen Jesus in der Sicht des dritten Evangeliums (Lk 22,54 – 23,25). Redaktionskritik und historische Rückfrage, in: K. Kertelge ed., Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung, QD 112, Freiburg 1988, 111 – 30, 126; M.D. Goulder, Luke – A New Paradigm II, JSNT.S 20, Sheffield 1989, 761.

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Der Apostel und die „Obrigkeit“

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entgegengesetzt zeigt sich das Pilatusbild des Joh (18 f.). Hier ist er nicht der Prokurator, der wider besseres Wissen handelt, sondern der die Chance nutzt, sich sowohl über den Messiasprätendenten als auch über das jüdische Volk lächerlich zu machen und letzten Endes den absoluten Machtanspruch des Kaisers gegen jeden Messiasanspruch und Souveränitätsanspruch des Volkes durchzusetzen. Hierdurch steht Pilatus ebenso wie die „Juden“ im Joh auf der Seite des gottfeindlichen Kosmos, des „Herrn dieser Welt“ (12,31).5 An diesen beiden Beispielen lässt sich bereits erkennen, wie sehr die Darstellung des Pontius Pilatus mit dem Selbstverständnis und dem Selbstbewusstsein des Verfassers verknüpft war und hierdurch gestaltet wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die etwas jüngere, frühchristliche Literatur narrativen Charakters ähnlicher Mechanismen bediente. Zu allererst würde sich hier der Blick außerhalb des Neuen Testaments auf die apokryphen Evangelien richten, deren Textbestand und -überlieferung jedoch mehr als nur dürftig ist. Vielmehr rentiert sich eine Untersuchung der zwar ebenfalls fragmentarischen, apokryphen Apostelakten, deren Textbestand größer und deren Bedeutung – sicherlich auch aufgrund ihrer Unterhaltsamkeit – über ihre Apokryphisierung6 ca. im vierten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung hinaus nicht zu unterschätzen ist.7 In der folgenden Darstellung wird zuerst auf die „Gattung“ der apokrpyhen Apostelakten, die selbst schon eine nicht unwesentliche Bedeutung für die Ausprägung des frühchristlichen Selbstverständnisses haben dürfte, eingegangen. Danach ist zu fragen, was nun konkret unter den „älteren“ Apostelakten zu verstehen ist, bevor das Verhältnis von Apostel und Obrigkeit untersucht wird. Abschließend werden die Beobachtungen gebündelt.

5 Vgl. z. B.: W.A. Meeks, The Prophet-King. Moses Traditions and the Johannine Christolology, NovTest.S 14, Leiden 1967, 64 ff. 6 Allusionen, seltener Zitate, zu den Apostelakten begegnen durch das ganze 3. Jahrhundert (z. B.: Hipp. Ref. 6,15; Tert. Praes. 36; Bapt. 17) und zumindest für die Paulus- und Petrusakten belegt Euseb, dass sie auch als echt, alt und normativ angesehen werden konnten (h.e. 3,3; 3,25). Die Verdrängung der Apostelakten dürfte an ihrer Beliebtheit bei den Manichäern gelegen haben, die die 5 älteren Apostelakten (Paulus, Petrus, Johannes, Thomas und Andreas) anstatt der Apg als Kanon führten und sie auf einen Manichäer namens Leukios Charinos zurückführten, vgl. P. Nagel, Die apokryphen Apostelakten in der manichäischen Literatur, in: K.-W. Trçger, Gnosis und Neues Testament. Studien aus Religionswissenschaft und Theologie, Gütersloh 1973, 149 – 82; K. Sch•ferdiek, Die Leukios Charinos zugeschriebene manichäische Sammlung apokrypher Apostelgeschichten, in: W. Schneemelcher ed., Neutestamentliche Apokryphen II. Apostolische, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 19996, 81 – 93. 7 Für einen kleinen Überblick zur Rezeption s. C.M. Thomas, Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum, ZNT 9 (2006), 52 – 63.

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(1) Die Gattung als richtungsweisender Aspekt Die fünf älteren Apostelakten (ActJoh, ActPl, ActPetr, ActAndr, ActTh) werden aufgrund ihrer großen Gemeinsamkeiten zu Recht als ein Corpus behandelt. Jede einzelne behandelt die herausragende und oft „fantastische“ missionarische Laufbahn des jeweiligen Apostels. Zentral hierbei sind jeweils die Reisen, Wunder, lehrhafte Reden, daraus resultierende Verfolgen und der Tod des Titelhelden, der mit Ausnahme der ActJoh ein Märtyrertod ist. Da es sich um Leben und Taten der Apostel handelt, liegt es auf der Hand, dass ein gewisses literarisches Naheverhältnis zur kanonischen Apostelgeschichte besteht.8 Insbesondere im Bezug zur Reisetätigkeit, zu den Reden und Wundern der Apostel dürfte die Apg als Matrix gedient haben.9 Generell wirken sie wie Apostelbiographien „determined by the Christian concept of the role of an apostle in salvation history“.10 Unter allen Apostelakten genießen die ActPl aufgrund ihrer Hauptfigur die größte Nähe zur Apg.11 Auch die ActPetr dürften der Apg verpflichtet sein, indem ihr Hauptteil einer Erweiterung des Konfliktes mit Simon Magus aus Apg 8 entspricht. Die ActJoh zeigen zwar kaum Berührungen mit der Apostelgeschichte, ihre „WirPassagen“ wirken aber wie eine Anleihe aus der Apg.12 Allen wiederum ist ein ähnliches Hauptanliegen gemeinsam: die Überwindung von Widersachermächten durch die göttliche Macht in Jesus Christus und in den Aposteln.13 Darüber hinaus dürfen aber die Unterschiede zwischen ActAp und Apg nicht verschwiegen werden. Die Darstellung der Apostel scheint hier bereits 8 Hierzu vgl. bspw. F. Bovon, Canonical and Apocryphal Acts of the Apostles, JECS 11 (2003), 165 – 94. Darüber hinaus lassen sich auch vereinzelte Berührungen mit den Evangelien feststellen, deren Bedeutung aber nicht überschätzt werden darf: Zu Joh und den apokryphen Apostelakten vgl. F. Bovon, The Life of the Apostles. Biblical Tradition and Apocryphal Narratives, in ders. ed., New Testament Traditions and Apocryphal Narratives, Allison Park 1995, 159 – 75, bes. 168; Zu Mk und ActAp vgl. R.I. Pervo, Early Christian Fiction, in: J.R. Morgan/R. Stoneman edd., Greek Fiction. The Greek Novel in Context, London 1994, 239 – 54, bes. 239 – 41; Zu Q und ActAp vgl. Bovon, Acts 188 f. Anm. 135. 9 Vgl. R. Bauckham, Imaginative Literature, in: P. Esler ed., The Early Christian World 2, London 2000, 791 – 812, 799 f. Am stärksten zeigt sich diese Naheverhältnis in ActPl und ActAndr. 10 Bauckham, Literature 800. 11 Zur Diskussion dieser Beziehung vgl. u. a. R. Bauckham, The Acts of Paul as a Sequel to Acts, in: B.C. Winter/A.D. Clarke edd., The Book of Acts in Its First Century Setting I. The Book of Acts in Its Ancient Literary Setting, Grand Rapids 1993, 105 – 52; ders., The Acts of Paul. Replacement of Acts or Sequel to Acts, Semeia 80 (1997) 159 – 68; J. Hills, The Acts of Paul and the Legacy of the Lukan Acts, Semeia 80 (1997) 145 – 58; D. Marguerat, The Acts of Paul and the Canonical Acts. A Phenomenon of Rereading, Semeia 80 (1997), 169 – 83. 12 Vgl. Bauckham, Literature 800. 13 S. J.K. Elliott, The Apocryphal Acts, ET 105 (1993) 71 – 7, 74; Bovon, Acts 171 f., 179; H. Rhee, Early Christian Literature. Christ and Culture in the second and third Centuries, London 2005, 30.

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entschieden weiter fortgeschritten zu sein. In Betonung „biographischen Interesses“ an eben nur einem Apostel werden ihre Fähigkeiten (Wunder), ihre Stellung in der frühchristlichen Gemeinschaft und ihre Wirkung in nahezu fantastischen Ausmaßen übersteigert. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, ob die Apg wirklich als genrebildend wirkte. Vielmehr empfiehlt es sich, den Blick auf die zeitgenössische Literatur auszuweiten, um die Gattungseigenheiten zu klären. Selbstverständlich stößt man bei der Suche nach Vergleichstexten in Prosa sofort auf den „antiken Roman“,14 der jedoch für sich genommen schon ein vielschichtiges Phänomen ist.15 Instruktiv für die Charakteristik der antiken Romane und ihre Anwendung auf die ActAp war bereits die Studie von Rosa Sçder aus dem Jahre 1932.16 Sie machte fünf zentrale Elemente des griechischen Romans aus:17 1. das Element der Wanderung (im Bezug zu den ActAp: Wanderung, Seereisen inkl. Schiffbruch) 2. das aretalogische Element (ActAp: Wunder von und an Aposteln, Allwissenheit, Prophetie)18 3. das teratologische Element (ActAp: fabelhafte Momente wie sprechende Tiere, Naturereignisse) 4. das tendenziöse Element religiöser, philosophischer, politischer wie ethischer Art (ActAp: Mission und Missionspredigt) 5. das erotische Moment (ActAp: verkehrt zum Askeseideal)

Überraschenderweise lehnt aber Sçder die Beeinflussung der ActAp durch den griechisch-römischen Roman zugunsten alter Traditionen, die eben auch hier Anwendung fanden, ab.19 Jedoch sind es nicht nur diese Elemente, die das Genre „Roman“ maßgeblich beeinflussen, sondern es gilt auch die Pluralität der hellenistischen Gesellschaft zu berücksichtigen. Einerseits sind es nicht bloß Einflüsse aus dem griechisch-hellenistischen Roman, die sich hier zeigen, sondern andererseits auch die verschiedensten anderen Genre wie Poesie, Epistolographie, Dramatik, Rhetorik, Biographie, die integriert

14 Einen solchen Vergleich stellte als erster E. v. Dobschìtz (Der Roman in der altchristlichen Literatur, Deutsche Rundschau 111 [1902] 87 – 106) fußend auf der lange Zeit maßgeblichen Studie von E. Rohde (Der griechische Roman und seine Vorläufer, Leipzig 19143 [Erstauflage 1876]) an. 15 Die evolutionäre Sicht Rohdes konnte sich aber unter anderem aufgrund einer sukzessive breiteren Textbasis nicht halten, vgl. den kurzen Abriss bei Rhee, Literature 31 f. 16 Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Würzburger Studien zur Altertumswissenschaft 3, Stuttgart 1932. 17 Sçder, Apostelgeschichten 3 f. u. ö. Vgl. auch R.I. Pervo, Profit with Delight. The Literary Genre of the Acts of the Apostles, Philadelphia 1987, 105 – 8. 18 Als Vergleich hierzu sollten auch die Philosophenviten- und aretalogien hinzugezogen werden (a. a. O. 74 f.). 19 A.a.O. 187.

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werden.20 Weiters muss noch das Verhältnis von Historizität und Fiktion in der Antike bedacht werden. Fiktionale Texte konnten vorderhand eine enorme Autorität beanspruchen, sofern die bloße Möglichkeit bestünde, dass es geschehen sein könnte.21 Dies verbunden mit der Autorität der beschriebenen Person konnte selbstverständlich auch enormen Wert für die vom Verfasser intendierte Botschaft haben. Von besonderem Interesse für den Vergleich mit den ActAp ist romanhafte Literatur, die sich „herausragenden“ Persönlichkeiten widmete, also vermeintlich biographisch wirkte. Zentrum dieser „Heroenliteratur“ sind das außergewöhnliche Leben (biºr) und die Taten (!qeta¸)22 der Protagonisten.23 Aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Quellen wird hier das idealisierte Leben des Protagonisten porträtiert. Hiermit werden Idealbilder eines „Volkshelden“ bzw. „Volkes“ geschaffen,24 die der ideologischen Identifikation dienten, um in einer pluralistischen wie auch synkretistischen Gesellschaft (meist unter römischer Herrschaft) die Gruppenidentität zu stärken.25 Als Weiterentwicklung dieser Literaturgattung können darüber hinaus die Viten der Philosophen verstanden werden, deren idealisierte Lebensdarstellung oft ganz im Dienst der Botschaft der dahinter stehenden Philosophenschule steht.26 Konkret ist hier an den ActAp zeitlich nahe Werke wie die Vita Apollonii27 oder die Vita Secundi28 zu denken, die ebenso die oben genannten Elemente in sich vereinen, wobei besonders die asketische Perspektive eine deutliche Gemeinsamkeit darstellt. Besonders Philostrats Vita Apollonii legt wie auch die ActAp einen starken Fokus auf aretalogische Aspekte wie prophetische Begabung, Heilungs- und Austreibungswunder und Totener20 So J.R. Morgan in seiner Beschreibung des antiken Romans (Introduction, in: ders./R. Stoneman edd., Greek Fiction. The Greek Novel in Context, London 1994, 1 – 10, 7): „a form characterized by its elasticity, its ability to enter into dialogue with and absorb virtually any other literature“. 21 Schon Aristoteles (po.9) bezeugt, dass es Aufgabe des Dichters sei, das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit Mögliche mitzuteilen, und nicht das wirklich Geschehene, vgl. Cicero, Laelius 10,12. 22 Zu den aretalogischen Motiven sind hier auch wunderhafte Begebenheiten wie Orakel, Offenbarungen etc. zu rechnen. 23 Man denke an Alexander, Ninus, Sesonchosis, Nectanebus und sogar Moses. 24 Eben genannte Persönlichkeiten erfüllen diese Funktion jeweils für die Griechen, Babylonier, Ägypter, Juden. 25 Vgl. Pervo, Profit 117; Rhee, Literature 33 f. 26 Vgl. E. Junod, Les Vies de Philosophes et les Actes Apocryphes. Un Dessein Similaire, in: F. Bovon et. al edd., Les Actes Apocryphes des Apútres, PFTUG 4, Genf 1981, 209 – 19; P. Cox, Biography in Late Antiquity. A Quest for Holy Man, Berkeley 1983, XIV. 27 Apollonius von Tyana wird in der exegetischen Literatur oft als Konkurrenzkonstrukt zu Jesus Christus oder den Aposteln betrachtet, für eine Untersuchung ohne diesen Vorbehalt s. E.L. Bowie, Apollonius of Tyana. Tradition and Reality, ANRW II 16/2 (1978), 1652 – 99. 28 Zu dem Philosophen Secundus s. O. Overwien: Secundus der schweigende Philosoph: Ein Leben zwischen Mythos und Kosmos. Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft NF 28 (2004), 105 – 129.

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weckungen, während die Vita Secundi die Martyriumsbereitschaft trotz imperialen Drucks unterstreicht. Auch ihnen gilt der „Held“ jedem Widerstand zum Trotz als Idealbild der (philosophischen) Tugend und Lehre. Die Bedeutung für die Gruppenidentität ebenso wie für die Werbung für die hier vertretenen Tugenden und Lehren stellt sicherlich einen wichtigen Impetus für die Entstehung dieser Werke dar.29 Eine ähnliche, wenn auch etwas nuanciertere Entwicklung lässt sich im frühjüdischen „Roman“ feststellen.30 Lawrence M. Wills folgend lassen sich drei Typen des frühjüdischen Romans feststellen.31 Den ersten Typus nennt er „national hero novellas“, die sich mit für die jüdische Identität bedeutsamen Figuren wie Abraham, Moses und Joseph beschäftigen.32 Es handelt sich hierbei um „rewritten bible“ bzw. „rewritten history“. Als besonders eindrückliches Beispiel hierfür wären die Artapanos-Fragmente zu nennen,33 in denen Moses nicht nur als „Volksheld“ zelebriert wird, sondern wo – unhistorisch – auch ein guter Teil der Errungenschaften der ägyptischen Kultur auf ihn zurückgehen. Ziel dieses Werkes scheint Folgendes zu sein: Mit Recht kann man […] von einer panegyrischen Tendenz sprechen: Artapanos will die Bedeutung und Überlegenheit seines Helden Mose – und insofern dann auch des durch ihn repräsentierten Judentums – zeigen. … Die Haupttendenz ist […] jedenfalls die Erhöhung Moses und damit des Judentums.34

Es zeigt sich also auch hier die nach innen gerichtete Wirkung der Werke.35 Als zweiten Typus nennt Wills „novellas“, worunter er kürzere romanhafte Erzählungen über oft in der traditionellen jüdischen Geschichtsschreibung kaum erwähnte Personen versteht.36 Auch diese kleiden sich in historische Anklänge, die aber kaum der Realität entsprechen. Vielmehr scheint es sich in ihnen um das Gelingen jüdischen Lebens anhand der idealtypischen Helden in der teils gefährlichen Diasporasituation zu gehen. Prominentestes Beispiel

29 Vgl. zu dieser Instrumentalisierung der Biographie die Studie von C.H. Talbert, Biographies of Philosophers and Rulers as Instruments of Religious Propaganda in Mediterranean Antiquity, ANRW II 16/2 (1978), 1619 – 51. 30 Selbstverständlich lässt sich auch für diesen Bereich ein enges Naheverhältnis zum griechischhellenistischen Roman feststellen, vgl. L.M. Wills, The Jewish Novel in the Ancient World, Ithaca 1995, 16 – 28; R.I. Pervo, The Ancient Novel becomes Christian, in: G.L. Schmelling ed., The Novel in the Ancient World, Leiden 1996, 685 – 709, 688 f. 31 L.M. Wills, The Jewish Novellas, in: Morgan/Stoneman, Fiction 223 – 38, 223 f., s. auch die ausführlichere Monographie: ders., Novell. 32 Ein Vergleich mit den Ninus- und Alexanderromanen ist naheliegend. 33 Zu den Artapanos-Fragmenten s. N. Walter, Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker, JSHRZ I/2, Gütersloh 1980, 121 – 36. 34 A.a.O. 125. 35 Ein apologetisches Interesse hinter den Fragmenten zu vermuten ist nicht abwegig, aber auch nicht eindeutig zu erweisen, vgl. a. a. O. 36 Hier wäre an Esther, Daniel, Tobit, Judith, (Joseph und) Aseneth zu denken.

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dieser Literatur ist „Joseph und Aseneth“.37 Die Geschichte der „UrProselytin“ Aseneth zielt nicht – wie früher angenommen – auf die Mission bzw. die Gewinnung von Proselyten, sondern „zur eigenen Ermunterung“38, also zur Stärkung und Bestätigung jüdischen Lebens eben wiederum in der Diaspora. Auch hier muss von einer starken nach innen gerichteten Botschaft gesprochen werden, in einer nicht-jüdischen, teils feindlichen Umwelt.39 Wills’ dritte Kategorie sind „historical novellas“, die sich mit Figuren der jüngeren Geschichte beschäftigen.40 Auch hier geht es um die Bewährung jüdischer Existenz in einem ebenso sehr gefährlichen Umfeld. Deutliches Beispiel hierfür ist das dritte Makkabäerbuch, in dem die Juden im Konflikt um ihre religiöse Identität mit Ptolemaios IV. dank göttlicher Vorsehung als Sieger hervorgehen.41 Auch hier wirkt der Charakter bzw. das Ziel der Schrift ähnlich: … its purpose is plainly to reassert the dignity of the Jewish people as the special object of Providence, to raise their self-esteem in the face of political degradation and their faith in ultimate justification,…42

Insgesamt kann man der Beurteilung durch Helen Rhee zustimmen: … while utilizing those motifs (des griechisch-hellenistischen Romans M.L.), the Jewish novels sought to maintain Jewish boundaries by communicating the Jewish ideals (thoughts and behaviors), however Hellenized they might be.43

In Bezug zu den ActAp lässt sich festhalten, dass sie den biograpischen Romanen (Volkshelden wie Philosophen) sehr nahestehen insbesondere jedoch der jüdischen Variation dieses Genres, wie sie sich in der zwischentestamentlichen Literatur zeigt. Hierbei wird das zwar Bedrohungen ausgesetzte, aber überaus erfolgreiche Missionswerk des Apostels als Idealtypos für die jeweils dahinter stehende Denomination des Christentums dargestellt. Auch diese Form des antiken Romans stellt eine Variation dar, indem sowohl 37 Zu Joseph und Aseneth s. C. Burchard, Joseph und Aseneth, JSHRZ II/4, Gütersloh 1983; ders., Art. Joseph und Aseneth, TRE 17 (1988) 246 – 9; Wills, Novell 170 – 184. 38 Burchard, JSHRZ 616. 39 A.a.O. 615 f. Rhee, Literature 35: „These Jewish novellas proper can be also ‘national hero novellas’ in the sense that they particularly heighten the sense of Jewish pride in the midst of foreign threat and conflict…,“ vgl. Wills, Novel 224. 40 Z.B.: 3Makk und die Episode um die königliche Familie von Adiabene in Jos Ant 12,4,1 – 11; 20,2,1 – 4,3. 41 Vgl. immer noch M. Hadas, The Third and Fourth Book of Maccabees, JAL 3, New York 1953, 1 – 84. Die Literatur zu 3Makk ist aus unterschiedlichen Gründen sehr dünn gesät, wie sich bspw. daran zeigt, dass der JSHRZ Teilband hierzu bereits in den 80er Jahren angekündigt war und nach einem relaunch 1998 nach wie vor nicht erschienen ist. 42 Hadas, Maccabees 23. Zur identitätsstärkenden Funktion des 3Makk s. S.R. Johnson, Third Maccabees. Historical Fictions and the Shapping of Jewish Identity in the Hellenistic Period, in: J.-A. Brant/C.W. Hedrick/C. Shea edd., Ancient Fiction. The Matrix of Early Christian and Jewish Narrative, SBL.SS 32, Atlanta 2005, 185 – 97. 43 Literature, 36; vgl. Pervo, Profit 120 f.

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eine gewisse dualistische Weltsicht als auch eine Veränderung des „erotischen“ Parts in eine Verherrlichung eines asketischen Ideals eingetragen wurden. Auch wenn das schriftstellerische Niveau deutlich unter dem der sophistischen Romane bzw. klassisch-hellenistischen Historiographie liegt,44 so kann dies heute nicht mehr direkt als Indiz für die Schichtzugehörigkeit der Verfasser und Adressaten gewertet werden.45 Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass das eigentliche Zielpublikum zumindest über einen gewissen Bildungsstandard und damit verbunden über gewisse Mittel46 verfügte und gleichzeitig ein gewisses Interesse an der Thematik hatte.47 Der populäre Charakter des antiken Romans in Verbindung mit den Anliegen der jeweiligen christlichen Sondergruppierung trug sicher das Seine zur Verbreitung der ActAp bei: In case of the Apocryphal Acts, their popular character is evidenced not only in literary quality but also in their preoccupation with and resort to manifestation of superior power in theological confrontations. The blossom of the Acts during the heyday of the Sophistic ideal romances indicates the similar taste and needs of the audience or even possibly a shared one […]; their needs might have been „fulfilled“ in both ideal romances and Apocryphal Acts but in contrasting terms.48

44 Vgl. C.M. Thomas, Stories without Texts and without Authors. The Problem of Fluidity in Ancient Novelistic Texts and Early Christian Literature, in: R.F. Hock/C.J. Bradley/ J Perkins edd., Ancient Fiction and Early Christian Narration, SBL.SS 6, Atlanta 1998, 273 – 91, 287. 45 Idealisierende Vorstellungen einer beinahe vollständig alphabetisierten und gebildeten Antike (vgl. z. B.: A. Gercke/E. Norden edd., Einleitung in die Altertumswissenschaft I, Leipzig/Berlin 1910, 9) dürften endgültig der Vergangenheit angehören. Die Alphabetisierungsrate dürfte eher gering gewesen sein (vgl. die ausführliche Studie V. Harris, Ancient Literacy, Cambridge 1989), da sie stark an den finanziellen und sozialen Status gekoppelt war, vgl. P. Mìller, „Verstehst du auch, was du liest“? Lesen und Verstehen im Neuen Testament, Darmstadt 1994, 28 ff. 46 Man bedenke nur die Kosten für die einzelnen Manuskripte. 47 Vgl. bspw. E.L. Bowie, The Readership of Greek Novels in the Ancient World, in: J. Tatum ed., Search for the Ancient Novel, Baltimore 1994, 435 – 59; S.A. Stephens, Who read Ancient Novels?, in: Tatum, Search 405 – 18. Ob aufgrund der erotischen Thematik besonders Frauen zum Zielpublikum gehörten, lässt sich nicht zweifelsfrei nachweisen, aber : B. Egger, Zu den Frauenrollen im griechischen Roman: Die Frau als Heldin und Leserin, in: H. Hofmann ed., Groningen Colloquia on the Novel I, Groningen 1988, 33 – 66. Für Frauen als eigtl. Ziel- und evtl. sogar Quellpublikum der ActAp s. S.L. Davies, The Revolt of the Widows. The Social World of Apocryphal Acts, Carbondale 1980, 104 – 9; D.R. MacDonald, The Legend and the Apostle. The Battle for Paul in Story and Canon, Philadelphia 1983, 34 – 53; V. Burrus, Chastity as Autonomy. Women in the Stories of Apocryphal Acts, SWR 23 (1987) 67 f.; J.N. Bremmer, The Apocryphal Acts: Authors, Place, Time and Readership, in: ders. ed., The Apocryphal Acts of Thomas, Studies on the Apocryphal Acts of the Apostels 6, Leuven 2001, 149 – 70, 165 – 9. Zur Kritik daran: J.-D. Kaestli, Fiction Litt¦raire et R¦alit¦ Sociale. Que peut-on savoir de la Place des Femmes dans le Millieu de Production des Actes Apocryphes des Apútres, Apocrypha 1 (1990) 279 – 302; P. Dunn, Women’s Liberation, the Acts of Paul and Other Apocryphal Acts of the Apostles. A Review of Some Recent Interpreters, Apocrypha 4 (1993) 245 – 61. 48 Rhee, Literature, 38.

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Fragt man nun näher nach diesen Bedürfnissen, die hier gestillt werden, so muss man ad hoc die Verbindung zum frühjüdischen Roman herstellen. Hier wie dort wird eine spezielle, sich von der Umwelt unterscheidende Lebensweise bzw. theologische Grundüberzeugung anhand eines idealtypischen „Helden“ dargestellt, die sich trotz aller Widerstände und Bedrohungen durch göttliche Unterstützung durchsetzt. Dieser Erfolg wird in den ActAp besonders als Missionserfolg dargestellt, wodurch die Wirkkraft und Attraktivität ihrer Sicht der Dinge unterstrichen wird. Die Wirkung auf das Selbstverständnis der Adressaten darf daher nicht unterschätzt werden.49

(2) Die „älteren“ Apostelakten Obwohl es sich bei der Gattung „apokryphe Apostelakten“ um ein umfangreicheres Phänomen handelt, konzentriert sich die Erforschung meist auf die bedeutsamen und vermutlich ältesten fünf: ActJoh, ActPl, ActPetr, ActAndr, ActThom.50 Diese begegnen spätestens im vierten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung als Sammlung bei den Manichäern, die ihnen große Bedeutung beimaßen,51 indem sie diese sogar statt der kanonisch gewordenen Apg verwendeten. Auch wenn diese Gruppe in Grundzügen und Bestandteilen sicherlich ins zweite Jahrhundert zurückgeht, so ist es doch schwierig, sie im Einzelnen zu datieren. Sowohl ihr – mit Ausnahme der ActThom – fragmentarischer Charakter als auch die unterschiedlich beantwortete Frage der Interdependenzen komplizieren die isagogische Fragestellung.52 Bevor man also versucht, im Einzelnen zu datieren, gilt es nach ihrem Verhältnis zueinander zu fragen. Alle fünf so genannten „leukianischen“ Apostelakten scheinen einander sehr nahe zu stehen. Bei den ActThom handelt es sich offensichtlich um die jüngste, „ältere“ Apostelakte. Sie dürfte in die erste Hälfte des dritten 49 Rhee, Literature, 39: „… the Acts rejected the traditional social and cultural ideals in favor of new ones, attempted to reshape the established assumptions in light of the new, and represented this attitude as the defining feature of Christian self-definition.“ 50 Zu den jüngeren Apostelakten vgl. A. de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, NTApo II6, 381 – 438; H.J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005, 239 ff. 51 Hier ist besonders auf die „Pilgerpsalmen“ des manichäischen Psalmenbuches zu verweisen, die in ihrer Darstellung der 5 genannten Apostel eindeutig auf das Material der Apostelakten verweisen, s. C.R.C. Alberry, A Manichaean Psalmbook, Stuttgart 1938, 142,17—143,9. 52 Der fragmentarische Charakter und die für die meisten ActAp anzunehmende andauernde und umfangreiche Redaktion machen eine Bestimmung ihrer gegenseitigen Beeinflussung äußerst schwierig. Als Beispiel für den komplexen Entstehungsprozess einer apokryphen Apostelakte vgl. C.M. Thomas, The „Prehistory“ of the Acts of Peter, in: F. Bovon/A. Graham Brock/C.R. Matthews edd., The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999, 39 – 62.

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Jahrhunderts zu datieren sein, näherhin zwischen 220 und 240.53 Dass der Verfasser die ActJoh und die ActAndr gekannt hat, darf eine hohe Wahrscheinlichkeit beanspruchen.54 Aufgrund der Rolle von Mygdonia und Tertia in den ActThom kann auch eine Kenntnis der ActPl angenommen werden, wo Eubula und Artemilla eine ähnliche Funktion erfüllen. Ein Verhältnis zu den ActPetr festzustellen, gestaltet sich aber eher schwierig. Dass die ActAndr von den ActJoh abhängig sind, kann man als common sense bezeichnen.55 Zu den ActPetr stehen die ActAndr – zumindest im Martyriumsabschnitt – ebenfalls in einer sehr engen Beziehung.56 Ein Naheverhältnis zu den ActPl ist eher unklar. Traditionell wurden die ActAndr relativ früh allgemein in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts datiert, insbesondere wegen ihrer Christologie und der kaum erkennbaren Institutionalisierung des Christentums.57 Man wird aus verschiedenen Gründen die Datierung aber eher um das Ende des zweiten Jahrhunderts vornehmen müssen. Dies legt sich einerseits schon aufgrund der Abhängigkeit von den ActPetr nahe. Darüber hinaus gilt es aber noch ein anderes Detail zu berücksichtigen. Bereits bei der Einführung des Apostelschülers Stratokles (ActAndr 1) wird eingeräumt, dass ein Ausscheiden aus dem Militärdienst, um sich der „Philosophie zu widmen“, möglich war. Deutlicher wird das Anliegen des Verfassers in P.Utrecht 158, wo am Abschluss der Passage ein Soldat, der zuerst gegen den Apostel und seine Anhänger stand, seine Uniform und seine Waffe von sich wirft, obwohl der Apostel ihn darauf hinweist, dass er dadurch den Zorn des Kaisers auf sich zieht. Die Spannung zwischen Christ-Sein und Militärdienst begegnet aber in der frühchristlichen Literatur erst am Anfang des dritten Jahrhunderts.59 Diese beiden Apostelakten können daher guten Gewissens als die jüngeren der fünf bezeichnet werden. Etwas schwieriger gestaltet sich die Untersuchung der Beziehung der verbleibenden drei Apostelakten. Die Parallelen zwischen den ActPl und den ActPetr sind nicht in den Hauptteilen (ActPlThcl, Konflikt mit Simon Magus) 53 S. die ausführliche Diskussion bei J.M. Bremmer, The Acts of Thomas: Place, Date and Women, in: ders., The Apocryphal Acts of Thomas 74 – 90, 74 – 8. 54 Zur Kenntnis der ActJoh vgl. z. B.: ActJoh 48 u. ActThom 29 f.; zu ActAndr s. J.M. Prieur ed., Actae Andrae. Praefatio – Commentarius, CChr.SA 5, Turnhout 1989, 392 f.; D.R. MacDonald, Which came First? Intertextual Relationship among the Apocryphal Acts of the Apostles, Semeia 80 (1997) 11 – 41, 35 – 41. 55 Vgl. hierzu E. Juno/J.-D. Kaestli, Acta Iohannis, CChr.SA 2, Turnhout 1983, 698 – 700; Prieur, Acta Andrae 52 f. 394 – 400; ders., Actes de l’–potre Andr¦, CChr.SA 7, Turnhout 1995, 52 f.; P.J. Lalleman, The Acts of Andrew and the Acts of John, in: J.N. Bremmer, Apocryphal Acts of Andrew, Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 5, Leuven 2000, 140 – 8. 56 S. Prieur, Acta Andrae 400 – 3. „Remarquons pour conclure que les APe (ActPetr M.L.), avec les AJ (ActJoh), l’un des deux grands Actes apocryphes qui ont inspire l’auteur des AA (ActAp).“ Prieur, Acta Andrae, 403. 57 Vgl. Prieur, Acta Andrae, 413 f.; ders./K. Sch•ferdiek, Art. Andreasakten, NTApo II6, 107 f. 58 Zu P. Utrecht 1 s. Prieur, Acta Andrae 8.655 – 71. 59 Vgl. insbesondere Tert. Cor. 1; J.N. Bremmer, Man, Magic and Martyrdom in the Acts of Andrew, in ders. ed., Apocryphal Acts of Andrew, 15 – 34, 20.

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am stärksten, sondern in den Abschnitten über ihre Romreisen60 und in den Martyrien. In einem tränenreichen Abschied bricht Paulus von Korinth nach Rom auf. Während in den ActPl die Korinther sich sorgen, wann sie den Apostel wiedersähen, glauben sie in den ActPetr, dass sie Paulus nicht mehr wieder sehen. Textlich relativ nahe kommt es zu einer göttlichen Bestätigung der Befürchtungen. In den ActPl spricht Cleobius vom „Geist erfüllt“ davon, dass Paulus seine Bestimmung erfüllen müsse und in der „Stadt des Todes“ diese Welt verlassen werde. Deutlicher sind hier die ActPetr : In einer Wolkentheophanie wird das Martyrium Pauli – veranlasst durch Nero – angekündigt. Auch beim Besteigen des Schiffes spricht Paulus von der notwendigen Erfüllung dessen, was ihm auferlegt ist, während Petrus von der Notwendigkeit spricht den Feind des Herrn zu besiegen. In beiden Texten begegnen sie dem namentlich genannten Kapitän des Schiffes (ActPl: Artemon, ActPetr : Theon), der von Petrus getauft wurde. Während in der Erzählung um Paulus der Kapitän nur en passant erwähnt wird, entspannt sich um den Kapitän in den ActPetr eine eigene Szene. Er sucht Petrus auf, um ihm von einer Vision zu berichten, in der Jesus dem schlafenden Theon auf dem Wasser wandelnd erscheint und ihm den verehrenswerten und rettenden Petrus ankündigt. Nachdem er Theon unterwiesen hat, tauft er ihn, seine Erwählung wird durch eine Christophanie bestätigt. Auch in ActPl 10 erscheint der übers Wasser wandelnde Jesus einem Schlafenden, hier Paulus. Es entspinnt sich die berühmte Quo-vadis-Szene: Jesus kündigt Paulus seine erneute Kreuzigung an, worauf Paulus mit Entsetzen und Trauer reagiert. Die Quo-vadis-Szene begegnet in ActPetr erst am Beginn der Petrusmartyriums (ActPetr 35). Nach wiederholter Nachfrage reagiert Petrus, der zur Flucht aus Rom überredet werden musste,61 auf die Ankündigung Christi mit Freude, offensichtlich weil er sein eigenes Martyrium darin angekündigt versteht. Besonders an der Position der Quo-vadis-Szene scheiden sich die Geister. Da von einer Kreuzigung die Rede ist, gilt die traditionelle Meinung, dass sie ursprünglich den ActPetr entstammt.62 Jedoch lassen sich einzelne Einwände dagegen ins Feld führen. Erstens ist es natürlich in Bezugnahme auf die paulinische Terminologie, die dem Verfasser der ActPl geläufig gewesen sein dürfte, durchaus möglich, dass Kreuzigung hier als Metapher für das 60 ActPl 9 f; ActPetr 1 – 5. Die Romreise Petri ist nur in Latein in den Actus Vercellenses erhalten, die Romreise Pauli im P. Hamburg. Zu papyrologischen Überlieferung der ActPl vgl. W. Rordorf, Les Actes de Paul sur Papyrus. ProblÀmes li¦s auf P. Michigan inv. 1317 et 3788, in: B.G. Mandilaras ed., Proceedings oft he XVIII International Congress of Papyrology (1986), Athen 1988, 453 – 60. 61 Bedroht durch die Lebensgefahr weigert sich Petrus nichtsdestotrotz zu fliehen (hier durch den im Frühchristentum seltenen t.t. für „desertieren“ dqapete¼ylem, sonst nur noch in ActPl). 62 So kontinuierlich in der Nachfolge C. Schmidts (z. B.: Pq²neir Pa¼kou. Acta Pauli. Nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek, unter Mitarbeit von W. Schubart, Veröffentlichungen der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek 2, Glückstadt/Hamburg 1936, 126 f.) von den meisten Wissenschaftlern vertreten.

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Martyrium dient.63 Auch die unterschiedliche Reaktion auf die Ankündigung könnte richtungsweisend sein. Das Bild des Petrus wirkt in ActPetr bei weitem gesteigerter als das des Paulus in ActPl. Petrus wird als glorreicher Retter prophezeit und erkennt sofort voller Euphorie, dass sein Martyrium bevorstehe, während Paulus dies vorerst nicht zu verstehen scheint. Eine gesteigerte Verehrung und Glorifizierung des „Helden“ kann als Zeichen für ein jüngeres Datum gewertet werden.64 Diesem Zweck dient vermutlich auch die Veränderung der Vision des Schlafenden, ebenso wie der Kunstgriff, Petrus aus Rom hinaus zu bekommen, ohne ihn als Feigling erscheinen zu lassen. Besonders dieser Kunstgriff wirkt wie ein Versuch, die aus anderer Quelle (ActPl?) übernommene Quo-vadis-Szene ins Martyrium zu integrieren. Auch sonst im Martyrium Petri lassen sich Spannungen im mit den ActPl gemeinsamen Material feststellen. Zuerst wäre hier die Begründung des Martyriums zu nennen. Petrus bewegt Konkubinen des „Präfekten“ Agrippa und die Frau des Albinus zur Konversion zu asketischem Leben, was diese beiden zur Handlung gegen Petrus veranlasst. Das Thema der Sexualaskese und der daraus resultierenden Konflikte ist integraler Bestandteil der ActPl (besonders Thekla und Artemilla), während es in den ActPetr nur hier begegnet. In den ActPl spielt Nero im Martyrium des Apostels Paulus eine bedeutende Rolle,65 die in einer Erscheinung des verstorbenen Apostels gipfelt. Eine ähnliche, wenn auch in der Person nicht konkretisierte Erscheinung hat Nero auch in den ActPetr, wo er aber zuvor keine Rolle spielt und daher seine Aversion gegen Petrus und seine Anhänger nachträglich eingetragen wirkt.66 Mit der gebotenen Vorsicht lässt sich also eine Prioriät der ActPl gegenüber den ActPetr behaupten.67 Die Berührungspunkte zwischen den ActPl und den ActJoh sind etwas dünner gesät. Eine erste Parallele findet sich in der Zerstörung eines halben, heidnischen Tempels.68 Die ActPl geben eine Begründung für die partielle Zerstörung: in der unversehrten Hälfte waren Christen gefangen. Die Menge reagiert mit Angst und Entsetzen. In den ActJoh bleibt das Wunder, das zu 63 Christus gleich werden im Leiden: Phil 3,10; Mitgekreuzigt-Sein: Gal 2,19; Röm 6,6; vgl. auch Kol 1,24; MacDonald, Which came First? 17. 64 Vgl. MacDonald, Which came First? 13.17. 65 Zur Christenverfolgung durch Nero und die ActPl vgl. W. Rordorf, Die neronische Christenverfolgung im Spiegel der apokryphen Paulusakten, NTS 28 (1982), 365 – 74. 66 Vgl. MacDonald, Which came First?, 22 – 4. 67 Zu ergänzen ist an dieser Stelle, dass die Zugehörigkeit des MartPetr zum ursprünglichen Bestand der ActPetr durchaus umstritten ist, vgl. die Kontroverse zwischen MacDonald und R.F. Stoops Jr., Peter, Paul and Priority in the Apocryphal Acts, SBL.SP 128 (1992), 225 – 33; ebenso: R.I. Pervo, Egging on the Chickens. A Cowardly Response to Dennis MacDonald and then Some, Semeia 80 (1997), 43 – 56; W. Rordorf, The Relation between the Acts of Peter and the Acts of Paul. State of the Question, in: J.N. Bremmer ed., The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, Studies in the Apocryphal Acts of the Apostles 3, Leuven 1998, 178 – 91. 68 ActPl 5 (im schwer beschädigten P.Heidelberg 37) u. ActJoh 42.

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einer Massenkonversion führt, unbegründet. Jedoch wird die zweite Hälfte in Folge von den Konvertiten eingerissen, wodurch die Betonung der Kooperation der Christen an ihrem Heil, ein Grundanliegen der ActJoh, wieder deutlich wird.69 Nahe stehen einander beide auch in einer ephesinischen „Gefangenenszene“.70 Paulus ist in Gefangenschaft und Artemilla und Eubula suchen ihn zu befreien. Die Herbeiholung eines Schlossers weist er unter Hinweis auf sein Gottvertrauen zurück, worauf er durch einen Jüngling gerettet wird. Johannes und Adronicus suchen das Grab der Drusiana auf, dessen Schlüssel unauffindbar ist, was Johannes darauf hin deutet, dass Drusiana nicht dort sei (vermutlich als Zeichen ihres Todes). Nichtsdestotrotz gehen sie im Vertrauen auf Gott dorthin und auf Johannes’ Befehl öffnet sich die Tür. Auch sie begegnen einem „himmlischen“ Jüngling, der beim Leichnam ist. Wenig später erweckt Johannes sie wieder zum Leben (ActJoh 80). In den ActPl ist in einem verlorenen Stück Artemilla mittlerweile verstorben. Sie wird von dem Jüngling wiedererweckt. Die Suche nach dem Schlüssel wirkt in den ActJoh mit ihrer stark theologisierten Interpretation etwas eigentümlich, während sie in den ActPl inhaltlich kongruent wirkt. Auch die Rolle des Jünglings (meam¸sjor) passt in den ActPl besser, wo ein guter Teil der Wunderhandlungen von ihm bewirkt wird, während er in den ActJoh ohne Funktion bleibt bzw. seine Funktion im Apostel aufgeht.71 Auch hier lässt sich feststellen, dass die Inkonsistenzen in den einander berührenden Stellen am ehesten von einer gesteigerten Glorifizierung des Apostels in den ActJoh herrühren. Es lässt sich also ebenfalls eine Priorität der ActPl annehmen, wenn auch weniger klar wie im vorherigen Fall. Als letztes wären noch die ActPetr und die ActJoh zu vergleichen. Die Menge der Parallelen ist äußerst umfangreich.72 Besonders in Anbetracht der unklaren Theologie der ActPetr, die zwischen „proto-orthodoxer“ und „gnostischer“ Theologie oszilliert,73 muss gefragt werden, ob die in sich schlüssige Theologie der ActJoh hier nicht Pate stand, da die ActPetr sich eigentlich nur in den Parallelstellen zu den ActJoh „gnostisch“ artikulieren.74 Darüber hinaus sollte man noch die Entstehung der ActJoh in mehreren Stufen berücksichtigen.75 Die Parallelen zwischen beiden erstrecken sich über 69 Vgl. P.J. Lalleman, The Acts of John. ATwo-Stage Initiation into Johannine Gnosticism, Studies on the Acts of the Apostles 4, Leuven 1998, 105 70 ActPl 7 (P.Hamburg 3 f.), Act Joh 72 f. 71 Vgl. MacDonald, Which came First? 28: „Surely it is more likely that divine power was shifted from the heavenly youth to the apostle in the Acts of John than that it was shifted from the apostle to the youth in the Acts of Paul.“ 72 S. die Übersicht bei P.J. Lalleman, The Relation between the Acts of John and the Acts of Peter, in: Bremmer, The Apocryphal Acts of Peter 161 – 77, 170 – 7. 73 Besonders die Frage nach der Polymorphie Christi bewegt sich in diesem Bereich. 74 Vgl. C. Schmidt, Die alten Petrusakten im Zusammenhang der apokryphen Apostelliteratur untersucht. Nebst einem neuentdeckten Fragment, TU 24, Leipzig 1903, 90 – 6; Lalleman, Relation 167 f.; ders., ActJoh 106; gegen MacDonald, Which came First?, 28 – 32. 75 Hierzu s. Lalleman, ActJoh 25 ff.

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zumindest zwei sehr wichtige Stufen der ActJoh. Es kann daher als unwahrscheinlich erachtet werden, dass die ActJoh auf den ActPetr basieren, sondern es muss der umgekehrte Fall angenommen werden.76 Ein mögliches Modell der Beziehungen der ActAp untereinander könnte mit aller gebotenen Vorsicht aus dem bisher Behandelten ungefähr wie folgt aussehen:

Eine genaue Datierung der drei älteren Apostelakten gestaltet sich eher schwierig, da aus den einzelnen Texten wenig bis gar keine Indizien abzuleiten sind und daher oft aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit in Kombination mit dem terminus ante datiert wird. Der terminus ante für die ActPl basiert auf einer Anspielung in De Baptismo 17,5 des Tertullian, um die Jahrhundertwende vom zweiten zum dritten Jahrhundert.77 Die vermutliche Auseinandersetzung mit der „großkirchlichen“ Ephesustradition um Johannes, die zumindest bei Irenäus um 180 n. Chr. bereits vorliegt, kann ungefähr zur Datierung der ActJoh führen, indem sie eine Datierung generell in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts denken lässt, ebenso wie die Beziehung zur kanonisch gewordenen Literatur und die eigenwillige Form der Gnosis.78 Aus dem Text der ActPetr lässt sich im Grunde genommen nichts zur Datierung gewinnen. Gelehrte Spekulationen um Namen, institutionelle Details und eventuelle Bezugnahmen zu späterer Literatur können nicht mehr als den

76 Vgl. Lalleman, ActJoh, 106. 77 Quodsi qua Acta Pauli, quae perperam scripta sunt, exemplum Theclae ad licentiam mulierum docendi tinguendique defendant, sciant in Asia presbyterum, qui eam scripturam construxit quasi titulo Pauli de suo cumulans, convictum atque confessum id se amore Pauli fecisse loco decessisse. Hierzu vgl. W. Rordorf, Tertullien et les Actes de Paul (— propos de bapt. 17,5), in: ders., Lex orandi, lex credendi. Gesammelte Aufsätze zum 60. Geburtstag, Fribourg 1993, 475 – 84; A. Hilhorst, Tertullian on the Acts of Paul, in: J.N. Bremmer ed., The Apocryphal Acts of Paul and Thecla, Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 2, Leuven 1996, 150 – 63. Zur weiteren Datierungsdiskussion vgl. J.W. Barrier, The Acts of Paul and Thecla. A critical Introduction and Commentary, WUNT II 270, Tübingen 2009, 23 f. 78 Vgl. Lalleman, ActJoh 268 – 70. Um den terminus ante zu ergänzen: Erste Erwähnung Euseb h.e. 3,25,6.

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generellen Rahmen gegen Ende des zweiten Jahrhunderts umreißen.79 Summa summarum befinden wir uns mit den drei älteren Apostelakten in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Wenn man die Abhängigkeiten voneinander in Rechnung stellt, muss man die ActPl näher an die Mitte rücken und die ActPetr näher ans Ende. Eine frühere bzw. genauere Datierung ist durch nichts angezeigt bzw. nach dem aktuellen Stand nicht möglich. Im Folgenden soll die Interaktion der handlungstragenden Figuren mit der weltlichen Obrigkeit in eben diesen drei älteren Apostelakten,80 die in das zweite Jahrhundert reichen, näher betrachtet werden.

(3) Der Apostel und die Obrigkeit81 Bereits in 3,11 – 17.20 f. der ActPl gerät Paulus erstmals in Konflikt mit der Obrigkeit. Der aufgrund ihrer Entscheidung zur Keuschheit vergraulte Verlobte Theklas, Thamyris, besticht die beiden „Kontrahenten“ des Paulus, Demas und Hermogenes, die vermutlich unterschiedliche (Auferstehungs-) Vorstellungen zu Paulus haben, ihn über Paulus zu informieren. Von ihnen kommt die Idee Paulus dem Statthalter (Bcel¾m) Castellius vorzuführen, damit dieser ihn verderbe (!pokk¼y). Begleitet von einer Volksmenge, !qwºmtoi und dglos¸oi nimmt er Paulus fest, um ihn Castellius vorzuführen. Auch vor dem Statthalter geht es Thamyris noch um Thekla, während Demas und Hermogenes ihm einflüstern, dass er Paulus als Christ denunzieren solle. Auf Aufforderung des Statthalters legt Paulus seine Heilsbotschaft dar und besteht darauf, dass die Verbreitung seiner Offenbarung kein Unrecht sei. Daraufhin wird er für eine gründlichere Befragung in Gewahrsam behalten. Bei einer erneuten Befragung bringt das Volk den Vorwurf der Zauberei vor. Der Statthalter wiederum hört Paulus gerne (Bd¶yr) zu. Während Thekla unter anderem auf Nachdruck ihrer Mutter zum Feuertod verurteilt wird, wird Paulus gegeißelt und aus der Stadt geworfen.82 Ein zweiter Konflikt entspinnt sich um Thekla (ActPl 3,27 – 39). Aus Liebe 79 Vgl. bspw. J.N. Bremmer, Aspects of the Acts of Peter. Women, Magic, Place and Date, in: ders., The Apocryphal Acts of Peter 1 – 20, 16 – 20. Besonders die Abhängigkeit des Martyriums der Perpetua von den ActPetr lässt viel weniger ableiten, als Bremmer annimmt, da die Datierung und Authentizität des Martyrium nach wie vor unklar ist. Die Ersterwähnung fände sich bei Commodian (Carmen apol. 626), dessen Datierung aber ähnlich große Probleme bereitet, vgl. Schneemelcher, Art. Petrusakten, NTApo II6, 238 – 69, 245 f.. 80 Textausgaben: nach wie vor : R.A. Lipsius/M. Bonnet edd., Acta Apostolorum Apocrypha, 4Bde, Hildesheim 1972 (Nachdr. V. Leipzig 1891 – 1903); zusätzlich ActJoh: E. Junod/J.D. Kaestli, Acta Iohannis, 2Bde, CChr.SA 1 f., Turnhout 1983. 81 Es werden in diesem Abschnitt nur kurze Paraphrasen der betreffenden Texte dargestellt, wobei der Fokus stets auf den Berührungen mit der Obrigkeit liegt und andere durchaus wichtige Aspekte entfallen können. 82 Vgl. Apg 13,50; 14,19.

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zu ihr versucht der Syrer Alexander, )mtiow´ym pq_tor,83 mit verschiedenen Mitteln sie zu gewinnen. Nachdem ihm dies misslingt, führt er sie vor den Statthalter, der Thekla zum Tierkampf (eQr hgq¸a) verurteilt. Während sie auf die Vollstreckung wartet, wird sie von Tryphäna, B bas¸kissa (?),84 aufgenommen, die sie wie eine Tochter aufnimmt. Aufgrund ihres ungetrübten Glaubens will Thekla dem Tierkampf nicht zum Opfer fallen. Die Sympathie des Statthalters ist ganz auf ihrer Seite, da er sogar um sie weint. Alexander bleibt hartnäckig und fordert den Einsatz seiner wilden Stiere ein. Traurig stimmt der Statthalter zu (stucm²sar 1p´tqexem). Hierauf fällt Tryphäna in Ohnmacht und es wird angenommen, sie sei verstorben. Die ganze Stadt reagiert mit Furcht und Alexander lässt von dem Vorhaben ab in Angst vor dem Kaiser, der vom Tod seiner Verwandten (succem¶r) erfahren könnte, und fordert die Freilassung Theklas. Nach Befragung durch den Statthalter, in der Thekla ihren Glauben bekennt, beschließt dieser ihre Freilassung („H´jkam tµm toO heoO do¼kgm tµm heoseb/ !pok¼y rlim“). Es folgt eine Massenbekehrung unter den Frauen der Stadt unter besonderer Hervorhebung der Tryphäna. ActPl 7 aus dem Papyrus Hamburg präsentiert eine Szene vor dem Statthalter, Hieronymus, in Ephesus. Paulus wendet sich gegen die Ansprüche weltlicher Macht und gegen die Götzenverehrung. Der Statthalter attestiert dem Paulus, gut gesprochen zu haben, überlässt die Entscheidung aber dem Volk, das den Tierkampf fordert. Aufgrund der Tatsache, dass die Frau des Hieronymus, Artemilla, und die Frau seines Freigelassenen, Eubula, Anhängerinnen des Paulus sind bzw. werden, drängt der Statthalter, dessen Eifersucht und Sorge um sein Ansehen nun an Bedeutung gewinnen, zum Handeln.85 Paulus und sein sich im Laufe des Tierkampfes entwickelnde „Gefährte“, der Löwe, werden im folgenden Kampf durch ein Naturwunder in Form eines Hagelsturms gerettet, der sehr eindrucksvoll auch das Ohr des Hieronymus abschlägt. Paulus verlässt unbeschadet das Amphitheater. Sehr fragmentarisch wird am Schluss noch von einer Hinwendung zu Gott durch den Statthalter, dessen Ohr sich entzündete, berichtet, wodurch er wieder durch einen Jüngling die Heilung erfährt. 83 Zur Beschreibung des Alexander s. M. Kçtzel, Thekla und Alexander – oder: Kleider machen Leute. Dramatische Ouvertüre des Antiochia-Zyklus, in: M. Ebner ed., Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt, SBS 206, Stutgart 2005, 91 – 109, 96 – 100. 84 Zur Figur der Tryphäna als mögliche Patronin der Thekla s. M. Misset-van de Weg, AWealthy Woman named Tryphaena. Patroness of Thecla of Iconium, in: Bremmer, The Apocryphal Acts of Paul 16 – 35. Generell für die Beziehung reicher Frauen zum frühen Christentum s. J.N. Bremmer, Why did Christianity attract Upper-Class Women? In: A. A.R. Bastianensen et al. edd., Fructus centesimus, Dordrecht 1989, 37 – 47. 85 Im Folgenden spielt der oben erwähnte himmlische Jüngling eine wichtige Rolle, ebenso wie die berühmte Szene um den getauften Löwen. Zum getauften Löwen vgl. T. Adamik, The Baptized Lion in the Acts of Paul, in: Bremmer, The Apocryphal Acts of Paul 60 – 74 bzw. zu sprechenden Tieren im Allgemeinen in den ActAp vgl. C.R. Matthews, Articulate Animals. A Multivalent Motif in the Acts of the Apostles, in: Bovon/Graham Brock/Matthews, The Apocryphal Acts 205 – 32.

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Wie kaum anders erwartet verdichtet sich der Konflikt des Paulus mit der Obrigkeit in seinem Martyrium in Rom. Sein Ruf und sein missionarischer Erfolg erreichen auch den Haushalt des Kaisers. Dies wird näher dargestellt durch die Szene um den Mundschenk (oQmowºr) Neros, Patroclus, die der Auferweckung des Eutychus (Apg 20,7 ff.) nachempfunden ist. Wieder beim Kaiser zurück, der vom zwischenzeitlichen Ableben des Patroclus erfahren hat, sprechen beide über seine Wiedererweckung durch Wqistºr YgsoOr b basike»r t_m aQ¾mym, von dem die Zerstörung „aller Reiche“ zu erwarten ist. Neben Patroclus finden sich noch andere „Streiter“ für Christus im kaiserlichen Haushalt. Im Zorn lässt er sie foltern und den Befehl ergehen, dass p²mtar to»r erqisjol´mour Wqistiamo»r ja· stqati¾tar86 WqistoO !vaiqe?shai. Unter den Gefangenen erkennt er Paulus als den „Anführer“, dem er vorwirft, Soldaten in seinem Herrschaftsgebiet abzuwerben. Der Apostel bestätigt das unter Hinweis auf die Heilsbotschaft der Errettung aus dem Feuergericht. Hierauf befiehlt Nero für alle Christen den Feuertod, für Paulus t` mol` Uyla¸ym die Enthauptung. Unter dem Einfluss des „Bösen“ werden viele Christen hingerichtet. Erst auf Betreiben des Volkes stoppt Nero. Vor seiner Enthauptung prophezeit Paulus dem Kaiser seine Auferstehung und eine Erscheinung vor ihm zum Beweis seiner wahren Lehre. Es folgt noch die Bekehrung des Longus und Cestus, deren Rettungsangebot Paulus als Fahnenflucht ablehnt. Seine Enthauptung wird begleitet von spritzender Milch und dem anschließenden Lobpreis der Soldaten. Verwundert und verlegen vernimmt Nero dies (jaje¸mou !jo¼samtor ja¸ 1pi pok» haul²fomtor ja· diapoqoOmtor), wonach ihm Paulus vor vielen Zeugen zur neunten Stunde erscheint und ihm großes, persönliches Unheil prophezeit. Nero reagiert mit Bestürzung und lässt die Gefangenen frei. Die ActJoh beschäftigen sich großteils mit den „Missionreisen“ und besonders der Verkündigung des Johannes, wobei der Apostel im Unterschied zu den anderen Apostelakten nicht den Märtyrertod stirbt. Schon alleine hieraus ergibt sich, dass Kontakte mit der weltlichen Obrigkeit verhältnismäßig selten sind. Auf dem Weg nach Ephesus begegnen der Apostel und seine Begleiter dem Lykomedes, b stqatec¹r87 9ves¸ym, dem er – in einer „Vision“ – angekündigt wurde und dessen Frau er heilen solle. Es entwickelt sich eine langwierige Episode, in der auch Lykomedes vor Kummer stirbt und an deren Ende durch die Fürbitte des Johannes beide leben und der Apostel bei ihnen verweilt (ActJoh 19 – 25), um die nun treuen Anhänger weiter zu unterweisen. Ab 30 dominiert die Handlung einer Massenheilung alter Frauen im „Theater“, der auch der Prokonsul (!mh¼pator) beiwohnen soll. Nun tritt ein weiterer Stratege auf, Andronikos, pq_tor ¥m t_m 9ves¸ym jat’ 1je?mo jaiqoO, der an den Fähigkeiten des Johannes zweifelt und ihn auffordert, 86 Insgesamt dominiert in diesem Abschnitt militärische Nomenklatur. 87 Die konkrete Bedeutung von „Stratege“ kann in dieser Zeit sehr vielschichtig sein und wird sich vermutlich auf ein leider nicht näher definierbares öffentliches Amt beziehen.

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unbekleidet und unter Vermeidung „jenes magischen Namens“ die Wunder zu vollbringen.88 Johannes nimmt die Herausforderung an und hebt zu einer langen Predigt an. An dieser Stelle fehlt ein größeres Textstück, jedoch begegnet Andronikos im weiteren Text plötzlich als Jünger des Apostels. Als Teil des Konfliktes mit Simon Magus ringt Petrus in den ActPetr auch um eine gesellschaftlich hoch gestellte Persönlichkeit, den Senator Marcellus, der – schon zuvor Christ – auf die Seite Simons gezogen wurde und von Petrus wieder gewonnen wird. Dieser Marcellus begegnet immer wieder in der Handlung der ActPetr, wobei er unter anderem sicherlich aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung immer wieder unbeholfen bis fehlgeleitet wirkt.89 Auf dem Höhepunkt des Konfliktes Petri mit Simon Magus erregt die Auseinandersetzung auf dem Forum (23 ff.) auch öffentliches Interresse (concurerunt autem et senatores et praefecti et officia). Das Volk von Rom soll selbst entscheiden, wer im Recht sei. Als Richter wird der Präfekt, Agrippa,90 von Simon mehr oder weniger aufgefordert. Der Präfekt – um Unparteilichkeit bemüht – befiehlt dem Simon einen Jüngling zu töten, dem Petrus ihn wieder zu erwecken. Simon schreitet sofort zur Tat. Unterbrochen wird diese Probe durch die eng hiermit verwobene Episode um die noble Witwe, deren Sohn verstorben ist und von dem sie abhängig war. Sie fleht Petrus an. Er gebietet den Toten zu holen. Sowohl die Witwe als auch die Ausgesandten scheinen bereits an den Gott des Petrus zu glauben. Nun ergreift wieder der Präfekt das Wort, indem er darauf hinweist, dass der tote Jüngling dem Kaiser nahe stehe, er ihn aber ausgewählt habe, weil er auf Petrus und seinen Herrn vertraue (!!). Zur Bekehrung der Sünder und unter Zuhilfenahme des Präfekten wird der Jüngling wieder erweckt. Abschließend wird durch ein Gebet des Petrus auch der andere Tote erweckt und in ein „kirchliches Amt“ (Diakon oder Bischof) berufen. Die Entscheidung im Kampf gegen Simon Magus erfolgt aber durch eine weitere Totenerweckung. Die Mutter eines verstorbenen Senators, Nicostratus,91 der im Senat beliebt war, wird von den Neuigkeiten angezogen und fleht Petrus an, ihn zu erwecken. Nachdem Petrus sie auffordert, ihren 88 Dieser Einwurf des Andronikos trägt ganz apologetische Züge, um den gottberufenen, wundertätigen Apostel von der Magie abzugrenzen, vgl. G. Poupon, L’Accusation de Magie dans les Actes Apocryphes, in: Bovon et al., Les Actes Apocryphes, 71 – 93. 89 Vgl. R. Stoops Jr., Patronage in the Acts of Peter, Semeia 38 (1986), 91 – 100, 86; G. Poupon, Les „Actes de Pierre“ et leur remaniement, ANRW II 25/6 (1988), 4363 – 83, 4374 – 7. 90 Zur Konstruktion des Präfekten Agrippa vgl. die Erwägungen von I. Karasszon, Agrippa, King and Prefect, in: Bremmer, The Apocryphal Acts of Peter, 21 – 8. Aufgrund der Tatsache, dass er auch das Richteramt ausübt, könnte mit Präfekt der praefectus urbi gemeint sein. 91 Dieser Senator wird vermehrt puer genannt. Geht man von einem Mitglied des römischen Senates aus, ist dies beinahe unmöglich, da auch in der Kaiserzeit ein Teil des cursus honorum Vorbedingung war. Sollte der Begriff Senat aber hier einer hellenistischen bouk¶ entsprechen, so ist die Beteiligung an der Arbeit eines solchen Rates bereits in jungen Jahren in dieser Zeit möglich, vgl. M. Kleijwegt, Ancient Youth. The Ambiguity of Youth and the Absence of Adolescence in Greco–Roman Society, Dutch Monographs on Ancient History and Archaeology 8, Amsterdam 1991, 201 ff.

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Glauben zu bekunden, und seine Fähigkeiten erneut auf Christus zurückführt, wird der tote Sohn begleitet von einem Tross senatorum et matronum herbeigetragen. Petrus fordert Simon auf, hierin seine Macht zu erweisen. Das Volk will den Verlierer verbrennen. Nach anfänglichem Zögern wirkt er unter Drohung des Zorns des Volkes eine Scheinanimation. Petrus legt den Betrug offen, der Präfekt beendet die Scheinanimation. Der pekuniäre Aspekt scheint hier nicht unwesentlich:92 Petrus fordert die Mutter auf, die Sklaven freizulassen und zu belohnen. Auch den Witwen soll etwas zugewendet werden. Hierauf erweckt er den Jungen, der durch eine Vision als bekehrt wirkt.93 Petrus hebt nochmals den hinter seinen Taten stehenden Christus hervor. So groß ist sein Erfolg beim Volk, dass sie ihn gottgleich verehren, wodurch sich der Präfekt veranlasst sieht, Petrus aus der Stadt zu verweisen. Der Erfolg bei der Oberschicht und finanzielle Belange sind dann auch Zeichen des Beginns des Martyriums (Senatoren, Ritter, Wohlhabende). Ab 33 kommt wieder der bereits bekannte Präfekt Agrippa ins Spiel. Seine vier Konkubinen schließen sich den Christen an. Die Predigt Petri von der Keuschheit – ein Motiv, das bisher in den ActPetr keine Rolle spielte – überzeugt sie. Dies erregt den Argwohn des Agrippa gegen die Christen. Eine weitere Frau aus höheren Kreisen entschließt sich zur Keuschheit: Xantippe, die Frau des Albinus, Freund des Kaisers. Seine Wut richtet sich gegen Petrus.94 Gemeinsam beschließen die beiden Männer den Tod des Petrus (evqylem aqt¹m, ja· ¢r peq¸eqcom %mdqa !m´kylem). Es folgt die oben beschriebene Quo-vadis-Szene. In Rom zurück blickt Petrus voller Freude auf sein Martyrium. Agrippa verurteilt ihn wegen Gottlosigkeit zur Kreuzigung (j!je?mor di± tµm mºsom aqtoO 1p’ aQt¸ô !heºtgtor 1j´keusem aqt¹m staqyh/mai). Das Martyrium ist bestimmt von einer ausführlichen Abschiedspredigt des Petrus. Der Abschluss des Martyriums bringt erstmals in den ActPetr Nero95, was etwas nachklappert. Er tadelt den Präfekten ob seines vorschnellen Handelns, denn er hätte Petrus härter bestraft, da er allgemein alle Christen vernichten wolle. In einer Vision wird er vor diesem Vorhaben gewarnt und lässt davon ab. Der Konflikt zwischen imperialer Autorität und dem Christentum in den ActPl liegt offen. Bereits die Idee von Demas und Hermogenes, dass das bloße Christ-Sein eine Verurteilung mit sich bringt, zeigt, dass die Situation des Christentums in der Zeit bzw. im Umfeld der Abfassung der ActPl prekär ist. Nichtsdestotrotz wirken die öffentlichen Amtsträger den „ChristInnen“ 92 Es ist von Spenden von tausenden Goldstücken die Rede. 93 Der Wunderwettkampf mit seiner „Anhäufung“ von Totenerweckungen zeigt die enorme Steigerung des aretalogischen Elements in den ActPetr. 94 Pauschal wird in Folge von einem großen Aufruhr in Rom gesprochen, da sich viele der neuen Keuschheit zuwendeten. 95 Nero wird nur einmal zuvor erwähnt am Beginn des überlieferten Textes als Hinweis auf das Martyrium Pauli in einer Audition. ActPetr 1: inter manus Neronis hominis impii et iniqui sub oculis vestris consummabitur.

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wohlgesonnen, hört doch der Statthalter Paulus gerne bzw. trauert doch der Statthalter um Thekla. Sie wirken aber eigentümlich schwach, da ihre Entscheidung stets durch äußeren Druck (Volk, Alexander) geleitet wird. Selbst Hieronymus ist Paulus ja zuerst gegenüber wohlgesonnen, erst die „Eifersucht“ ob der enkratitischen Botschaft bewegt ihn zum Handeln, wofür er aber bestraft wird. Den stärksten Kontrast zwischen Christentum und Imperium bietet aber der Abschnitt über das Martyrium des Paulus. Die apokalptisch motivierte Idee vom Soldatendienst an Christus, der der Herr der Äonen ist und die Reiche der Welt untergehen lässt, zeigt eindeutig, dass die Menschen vor die Alternative gestellt werden, wem sie den Dienst leisten.96 Der apokalyptische Lohn steht gegen die – wie das Wüten Neros eindeutig zeigt – irdische Verfolgung als Christ. Diese Verfolgungssituation ist offenbar insbesondere aufgrund der (sexual)asketischen Orientierung des Christentums, die eine Antithese zu den Moral- und Gesellschaftsvorstellungen dieser Zeit darstellt,97 hinter den ActPl harte Realität. Aufgrund der Betonung göttlichen Beistands und eschatologischer Hoffnung leisten die ActPl einen Beitrag zur Festigung des Selbstbewusstseins ihrer Adressaten. Die ActPl versuchen aber andererseits zu zeigen, dass das Christentum unaufhaltsam auch in die hohen Bereiche der Gesellschaft vordringe, indem sich einerseits ein Statthalter bekehrt und sich andererseits selbst der Kaiser von Christen umgeben findet. Die ActJoh zeigt ein anderes Bild. Weniger die Konflikte prägen das Bild als der große Erfolg und die Souveränität des Apostels. Diesem Aspekt sind auch die wenigen Vertreter der Obrigkeit zugeordnet. Wie selbstverständlich bewegt sich der Apostel in den oberen Strata der Gesellschaft. Zwei Strategen werden seiner Jüngerschaft beigefügt: der eine durch vorherige Erwählung, der andere vom Zweifler bekehrt. Es geht hier offensichtlich vorrangig darum, den Apostel zu verherrlichen und die großen Taten und die Lehre des Apostels zu illustrieren, die selbst in den Häusern der Wohlhabenden und Mächtigen Einzug halten. Eine Gemeinschaft, die sich auf diese Gründungsfigur berufen darf, kann sich „ähnlichen Erfolg“ erhoffen. Ein Konflikt ist an keiner Stelle zu sehen, vielmehr wirkt es so, als ob die „johanneischen Christen“ im Einklang mit ihrer Umwelt leben oder vielleicht aufgrund ihrer fortschreitenden Gnostisierung davon abgerückt ist. Bedenkt man das Ziel des Martyriums und die vermutliche Abhängigkeit 96 Vgl. W. Meeks, The Origins of Christian Morality. The First Two Centuries, New Haven 1993, 167 – 9; J. Bolyki, Events after the Martyrdom. Missionary Transformation of an Apocalyptic Metaphor in Martyrium Pauli, in: Bremmer, The Apocryphal Acts of Paul, 92 – 106, 92. 97 Hierzu vgl. Rhee, Literature, 125 – 43; bes. 143: „The ‘Christian’ rejection of sexuality, marriage, and family in these Acts stand at the core of the ‘Christian’ identity ; and, independent from and transcending the existing social and cultural ties and responsibilities, it re-creates the family of the continent who will hasten both the end of this world and the inauguration of the other world by living like angels.“ Zum Verhältnis von Enkratie und Verfolgung vgl. Burrus, Chastity passim; F. Bovon, Life, 161.

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der ActPetr von den ActPl drängt sich die Vermutung auf, dass auch die Stellung zur weltlichen Obrigkeit eine ähnliche ist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber eine anders gerichtete Nuancierung. Schon das Martyrium Petri zeigt eine andere Stoßrichtung. Es ist kein Konflikt mit dem Imperium, der Petrus ans Kreuz bringt, sondern relativ profan die Eifersucht und der Zorn zurückgewiesener Männer. Die Last der Schuld liegt hier weniger auf der staatlichen Macht allgemein als auf einzelnen. Während die soziale Destabilisierung nahezu das Hauptthema der ActPl ist, begegnet die asketische Dimension nur hier in den ActPetr, um die „Schuldfrage“ am Martyrium zu klären.98 Weder die Frage nach Christus oder Kaiser, noch ein Verfahren, noch eine apologetische Rede begegnen hier.99 Im Großen und Ganzen werden die ActPetr von dem religiösen Wettkampf mit Simon bestimmt,100 in dem die Obrigkeit eine kleine Rolle spielt,101 die zumindest eingangs dem Petrus positiv gegenübersteht.102 Darüber hinaus muss natürlich auch auf die den Petrus nach seiner Umkehr begleitende Figur des Marcellus gedacht werden. Auch wenn man die Bekehrungen in der Oberschicht mit einbezieht, zeigt sich, dass Petrus generell in gutem Einvernehmen mit der Obrigkeit steht, sich wie selbstverständlich in diesem Umfeld bewegt und hier große Missionserfolge feiert. Jedoch sollte man dies nicht so verstehen, dass die Heilsbotschaft des Christentums nicht im Gegensatz zu bspw. dem Herrscherkult steht, wie sich in der Episode um die zerbrochene Kaiserstatue des Marcellus (ActPetr 11) zeigt.103 Das Christentum der ActPetr scheint geprägt von einem innerchristlichen Konflikt – hier repräsentiert durch Simon Magus, der sich offensichtlich besonders um eine gesellschaftlich höher stehende Klientel entzündet. Verfolgungen sind zwar bekannt, dürften aber keine allzu große Rolle spielen. Ganz im Gegenteil sind Vertreter höherer Strata keine Ungewöhnlichkeit, sondern scheinen z. B.: durch die Bezüge zu den finanziellen Möglichkeiten, die vermutlich wohlhabendere Adressaten auch motivieren soll, zum Christentum dieser Zeit zu gehören. Ein direkter Konflikt mit dem Imperium wird aber hieraus nicht abgeleitet. Dies geschieht durch die Eintragung der Enkratie in die ActPetr.

98 Vgl. A. Graham Brock, Political Authority and Cultural Accomodation. Social Diversity in the Acts of Paul and the Acts of Peter, in: Bovon/Graham Brock/Matthews, The Apocryphal Acts, 145 – 69, 163. 99 Vgl. Stoops, Prioriy, 231. 100 A.a.O.: „Simon, rather than Nero, is the great persecutor in the text.“ 101 Auch in den Paulus gewidmeten Eingangskapiteln ist das Einvernehmen mit den Vertretern weltlicher Macht nahezu als gut zu bezeichnen, s. Graham Brock, Authority, 150. 102 Gemeint sind hier das Vertrauen auf Petrus und die Auswahl eines besonderen Jünglings. 103 Ein ausgetriebener Dämon zerstört die Statue, worauf Marcellus Strafe befürchtet. Petrus überzeugt Marcellus, dass er, wenn er von ganzem Herzen glaubt, die Statue durch Besprengung mit Wasser wiederherstellen kann. In Richtung Kaiserkult gedacht wird dieser durch diese Begebenheit eindeutig relativiert, vgl. J. Perkins, The Social World of Peter, in: Tatum, Search, 296 – 307, 298.

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(4) Conclusio Wie sich aus der Untersuchung der Gattung ableiten lässt, zeichnet die ActAp eine Binnenperspektive aus. Sie richten sich nach innen, also an die sich mit dem „Titelhelden“ und der propagierten Lehre identifizierenden ChristInnen. Hierdurch stehen sie in enger Verbindung mit der Situation der jeweiligen Adressaten, in die sie hineinsprechen und in der sie ihr „christliches“ Selbstbewusstsein stärken wollen. Obwohl die Nähe der ActAp zu einander mehrmals festgehalten wurde, lassen sich doch im nicht unbedeutenden Umgang mit der weltlichen Obrigkeit erhebliche Unterschiede feststellen. Diese sind sowohl den verschiedenen Entstehungssituationen als auch dem damit in Beziehung stehenden Selbstverständnis geschuldet.104 Die sexualasketische Haltung ist wohl integraler Bestandteil der Lehre der Gemeinschaft hinter den ActPl. Hieraus resultiert auch ein guter Teil der Konflikte mit der Obrigkeit, wobei diese selbst den Protagonisten meist wohlgesonnen gegenüber tritt. Die große Bedrohung geht dabei entweder vom Volk direkt, was zeigt, wie sehr die Lehre der ActPl den sozialen Gegebenheiten dieser Zeit widerspricht, oder von einzelnen „eifersüchtigen“ Männern aus. Die Vertreter staatlicher Macht geben dem Druck dieser Gegner aber stets nach, was kein sehr schmeichelhaftes Licht auf diese Charaktere wirft. Hierin stehen die ActPl der Apostelgeschichte sehr nahe, in der es ebenfalls die charakterliche Schwäche einzelner Vertreter der römischen Administration ist, die die Situation für die Christen eskalieren lässt.105 Das Bild ändert sich im Martyrium des Apostels.106 Christ-Sein steht zumindest in der Perspektive des Kaisers und damit eigentlich auch in der Sicht der römischen Administration in eindeutigem Gegensatz zum Imperium. Nur einem von beidem kann man offensichtlich „dienen“. Die Bedrohung durch ein Martyrium scheint hier omnipräsent zu sein. In diese Situation hinein wirken die ActPl. Bewahrung der „christlichen“ Identität unter besonderer Betonung der eschatologischen Perspektive steht über dem Martyriumsdruck. In Treue zur im Namen des Apostels überlieferten Lehre besteht die eigentliche Herausforderung, bei der das Eingreifen Gottes zugunsten der Verfolgten spektakulär und unterhaltsam dargestellt und auch den Adressaten hiermit in Aussicht gestellt wird. Im Schicksal des Apostels zeigt sich, dass über das Martyrium hinaus seine Berufung bestehen bleibt und damit auch den „ChristInnen“ zu Seite steht. 104 Graham Brock, Authority, 169: „… the differences in the portrayals of the apostles, their interaction with the other characters, and the attitudes toward accountability to political leadership, conformity to familial and social obligations … indicate that … these texts arise out of perspectives that diverge significantly from one another.“ 105 Vgl. das eingangs erwähnte Pilatusbild; Bond, Pontius Pilate, 161 f. 106 Dies kann durchaus als Hinweis für einen getrennten Entstehungsprozess der ActPl gewertet werden.

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Ein Konflikt mit der imperialen Macht scheint im Hintergrund der ActJoh keine Rolle zu spielen. Würde man aufgrund der in manchen Bereichen sehr stark „gnostischen“ Lehren einen Niederschlag äußeren Drucks vermuten, so wird man enttäuscht. Nur einmal begegnet ein Vertreter des Imperiums ohne weitere Bedeutung. Die bekehrten Strategen dürften nur lokal begrenzt Bedeutung haben. Ihre Bekehrung wirkt völlig unproblematisch, ihre Rolle als Strategen eigentümlich blass. Der Apostel ist ganz Handlungssouverän ohne irgendwelche Konflikte ausfechten bzw. befürchten zu müssen. Die Lehre des Apostels steht im Vordergrund. Tiefere Unterweisung und Verherrlichung des Apostels scheinen hier leitend zu sein. Eine Selbstversicherung und tiefere Unterweisung der „Adressaten“ in dieser Hinsicht dürfte der eigentliche, nach innen gerichtete Selbstzweck der ActJoh sein. Der eigentliche Konflikt im Corpus der ActPetr ist der Kampf mit der „Heterodoxie“ in Person von Simon Magus, d. h. die Auseinandersetzung um die rechte Lehre und – wie sich an Marcellus zeigt – das damit verbundene Klientel. Als Vertreter dieses auch finanziell potenten Klientels treten verschiedene Vertreter der Obrigkeit auf, die von vornherein großes Vertrauen in Petrus haben. So vermag der Apostel alle diese zu überzeugen. Die Gewaltbereitschaft des Volkes wirkt aber im Hintergrund und lässt zumindest eine leichte Bedrohung erahnen. Es ist aber nicht dieser Konflikt, der zum Martyrium führt, sondern die „Rachsucht“ verprellter Liebhaber,107 von denen einer die Obrigkeit repräsentiert und das Urteil fällt. Im Unterschied zu den ActPl besteht kein konkreter Konflikt mit dem Imperium bzw. dem Kaiser. Nichtsdestotrotz wird die Christenfeindlichkeit des Nero abschließend eingetragen, was eventuell eine historische Reminiszenz der neronischen Verfolgung darstellt. In der Auseinandersetzung mit andersdenkenden Strömungen, bei denen es sicherlich auch um direkte Konkurrenz um potentielle „ChristInnen“ geht, dürfte der „Urkonflikt“ des Petrus vor der Öffentlichkeit und im Umfeld oberer gesellschaftlicher Strata als Stütze und bewusstseinsbildend verstanden worden sein. Bereits erfahrene Verfolgungssituationen, das Wissen um das petrinische Martyrium und Einflüsse der ActPl werden zur Bildung des Martyriumsabschnittes geführt haben,108 ohne dahinter konkrete Konfliktsituationen mit der weltlichen Obrigkeit annehmen zu müssen. Unterschiedliche Problemstellungen und Anforderungen bedingen unterschiedliche Ausgestaltungen der schriftlichen Selbstpräsentation der verschiedenen, in den ActAp vertretenen christlichen Denominationen. Die Darstellung der Begegnungen mit der weltlichen Obrigkeit entspricht diesen Bedürfnissen. Der Umgang mit (oft eigentümlich schwachen) Vertretern der 107 Dieser Perspektiven- und Motivwechsel zeigt wieder die Heterogenität der ActPetr. 108 Die „Euphorie“, mit der Petrus seinem Martyrium begegnet, kann aber als Matrix für die Gefahr des Martyriums und die einwilligende Auf-Sich-Nahme des Martyriums gewertet werden und den Weg zu einem gewissen „Martyriumspathos“ weisen.

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staatlichen Gewalt durch die Apostel wirkt durchwegs selbstsicher und souverän und stärkt hierdurch vermutlich das Selbstbewusstsein der sich auf sie berufenden Gruppierungen. Er wird wohl kaum historischen Erinnerungen entsprechen als vielmehr ganz dem Gestaltungswillen der jeweiligen Autoren entsprungen sein, obschon er Aufschlüsse über die Situation der einzelnen Gruppierungen liefern kann.

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IV. Zur frühchristlichen Identität im ersten und zweiten Jahrhundert

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Der alte und der neue Mensch. Systematisch-theologische Erwägungen zur christlichen Anthropologie im Anschluß an den Epheserbrief1 1. Anthropologie im biotechnologischen Zeitalter Wie Wolfhart Pannenberg bereits vor vier Jahrzehnten feststellte, leben wir in einem Zeitalter der Anthropologie. Eine umfassende, interdisziplinäre Wissenschaft vom Menschen sei das Großprojekt der Gegenwart.2 Zugleich stellte er hellsichtig fest, die mit dem Menschen beschäftigten Wissenschaften seien „auf dem besten Wege, im allgemeinen Bewußtsein den Platz einzunehmen, den in früheren Jahrhunderten die Metaphysik innehatte.“3 Nach Ansicht des Philosophen Helmut Plessner, dessen Sicht des Menschen als eines weltoffenen Wesens von Pannenberg intensiv rezipiert worden ist, hat die Anthropologie in der Moderne nicht nur die Metaphysik, sondern auch die Theologie abgelöst, wobei sich freilich trefflich darüber streiten lasse, ob die Anthropologie „ihr Rechtsnachfolger, Platzhalter oder ein von der allmächtigen Zeit eingesetzter Lückenbüßer ist“4. In unserer von der Biotechnologie beherrschten Gegenwart findet das Zeitalter der Anthropologie seine Fortsetzung. Frei nach Karl Marx haben die Philosophen und Theologen in der Vergangenheit den Menschen nur anders interpretiert. Den neuen Biowissenschaften aber kommt es darauf an, ihn zu verändern. Frühere Epochen gingen ebenfalls von der Veränderbarkeit und Veränderungsbedürftigkeit des Menschen aus. Einerseits galt der Mensch als Mikrokosmos, der die geradezu göttliche Vollkommenheit des Makrokosmos abbildete. Andererseits wußten auch frühere Epochen um das Elend des Menschen, seine physische Verletzbarkeit und seine moralische Unvollkommenheit. Die großen Religionen sind davon überzeugt, daß der Mensch nicht nur heilungs-, sondern auch erlösungsbedürftig ist. Neben der Hoffnung auf Erlösung gehört freilich auch die Optimierung von Geist und Körper zu den alten Menschheitsträumen – und Albträumen. Vergangene Zeiten setzten dabei vor allem auf Erziehung und Bildung, auf Religion und Moral oder nach 1 Zuerst erschienen in: ThZ 68, 2012, S. 310 – 333. 2 Vgl. W. Pannenberg, Was ist der Mensch? Die Anthropologie der Gegenwart im Lichte der Theologie, Göttingen 1962 (71985), S. 5. 3 W. Pannenberg, a. a. O. (Anm. 2), S. 5. 4 H. Plessner, Homo absconditus, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 8, hg. v. G. Dux u. a., Frankfurt a.M. 1983, S. 353 – 366, hier S. 354.

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der Aufklärung auf Politik und Sozialtechniken: auf Disziplinierung und biopolitische Kontrolle im Prozeß der Zivilisation, wie sie Michel Foucault analysiert hat,5 auf die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft und auf Umerziehung6 oder, wie im Fall des Nationalsozialismus, auf eine Mischung von ideologischer Gleichschaltung und „Rassenhygiene“. Die eigentliche Bio- oder Lebenswissenschaft war seit der Antike die Ethik, verstanden als Theorie menschlicher Lebensführung. Die modernen „Life sciences“ umfassen dagegen Biologie, Biochemie und molekulare Medizin. Die neuen Anthropotechniken setzen auf die technische Manipulation des menschlichen Körpers und seiner biologischen Beschaffenheit bis hinein in die kleinsten Bausteine, die Zellen, Gene und Moleküle. Wie der Körper wird auch der menschliche Geist zum Objekt biotechnischer Eingriffe. Aus neurobiologischer Sicht ist der Geist eine Systemeigenschaft des Gehirns. Die Verbindung von Genetik bzw. Genomik, Neurobiologie, Informationswissenschaft und Nanotechnik beflügelt Visionen von neuartigen Eingriffen in das menschliche Gehirn, sei es zur Heilung von psychischen oder neurologischen Erkrankungen, sei es zur Optimierung von Intelligenz und Gedächtnisleistungen. Die Optimierung der menschlichen Natur mit Hilfe moderner Medizin und Biotechnologie wird auch als „Enhancement“ bezeichnet, wobei die Grenzen zwischen therapeutischer und nichttherapeutischer Zielsetzung der Medizin immer mehr verschwimmen. Im biotechnologischen Zeitalter mutiert der Mensch vom Homo creatus, der im 20. Jahrhundert vielfach als Homo faber gedeutet wurde, zum Homo fabricatus. Das Bild des Menschen wird zum Entwurf im Sinne eines vom Menschen selbst gewählten und mit technischen Mitteln zu realisierenden Projektes. Zugleich wird der Abgesang auf den überkommenen Humanismus angestimmt, exemplarisch in der Elmauer Rede des Philosophen Peter Sloterdijk.7 Der Übermensch, den Nietzsche heraufkommen sah, soll nach Vorstellung selbsternannter Trans- oder Posthumanisten durch technisches Enhancement geschaffen werden.8 Nach übereinstimmender Auffassung der christlichen Theologie kann man vom Menschen nicht sprechen, ohne zugleich von Gott zu reden, weil die 5 M. Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. 1: Der Wille zum Wissen (stw 716), Frankfurt a.M. 2008; ders., Die Geburt der Biopolitik. Vorlesung am CollÀge de France 1978 – 1979 , hg. v. M. Sennelart, Frankfurt a.M. 2009; ders., Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses (stw 2271), Frankfurt a.M. 2008; ders., Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft (stw 39), Frankfurt a.M. 162005: ders., Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, Frankfurt a.M. 72005. 6 Für den Marxismus siehe exemplarisch E.C. Guevara, Der neue Mensch. Entwürfe für das Leben in der Zukunft, ausgewählt, übertragen u. eingel. von H.-E. Gross, Dortmund 1984. 7 P. Sloterdijk, Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus, Frankfurt a.M. 1999. 8 Zur Einführung in die Debatte siehe O. Krìger, Virtualität und Unsterblichkeit. Die Visionen des Posthumanismus, Freiburg i.Br. 2004; B. Gesang, Perfektionierung des Menschen, Berlin/ New York 2007.

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Bestimmung des Menschen in seinem Zusammensein mit und seinem Gegenübersein zu Gott zu sehen ist. Wahre Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis gehen Hand in Hand, und es ist darum, wie Calvin gelehrt hat, „nicht so einfach zu sagen, welche denn an erster Stelle steht und die andere aus sich heraus bewirkt“9. Das moderne Zeitalter der Anthropologie spaltet die menschliche Selbsterkenntnis von der Gotteserkenntnis ab und setzt auf Techniken der Selbstveränderung und Selbstmanipulation anstelle von Erlösung durch eine transzendente Macht. Es ist der Mensch, der sich nach Ansicht des Sloterdijk-Schülers Marc Jongen berufen fühlt, „die mangelhafte Schöpfung umzugestalten“ und vom Subjekt zum Projekt mutiert.10 Nach Sloterdijk ist der Mensch – im doppelten Sinne des Wortes! – dabei, sich zu übernehmen. Für den Posthumanismus sind die Vorstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen und sein säkulares Pendant, der Begriff der Menschenwürde, nur noch „eine semantische Altlast“11. James D. Watson, der zusammen mit Francis Crick im Jahre 1953 den Aufbau der Chromosomen, das heißt der im Zellkern gespeicherten Erbinformationen, entdeckt und damit die Grundlagen für die Gentechnik geschaffen hat, hält das christliche Menschenbild für einen Störfaktor der Forschung. Außerdem rechtfertige der Glaube an den biblischen Schöpfergott und seine Gebote unnötiges Leiden, das heute durch Gentechnik und Eugenik vermeidbar wäre.12 Der Philosoph Ronald Dworkin hält zwar viele Ängste vor dem eugenischen Mißbrauch der Gentechnik für verständlich. Die Alternative wäre nach seiner Ansicht jedoch „unverantwortliche Feigheit vor dem Unbekannten“13. Im Sinne einer Güterabwägung werde das mögliche Risiko des Mißbrauchs durch die Hoffnung aufgewogen, daß sich die Zahl genetischer Defekte und Mißbildungen senken lasse und möglicherweise wünschenswerte Eigenschaften, wie z. B. die Intelligenz, gesteigert werden könnten.

2. Humanität nach dem Tod Gottes und neutestamentliche Anthropologie Die bioethischen Diskussionen zeigen, wie schwierig es für den Menschen ist, nach dem vermeintlichen Ende des christlichen Gottes menschlich zu bleiben. 9 J. Calvin, Inst. I,1,1 (Übersetzung nach J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion. Institutio Christianae religionis, nach der letzten Ausgabe übers. u. bearb. v. O. Weber, Neukirchen-Vluyn 31984, S. 1). 10 M. Jongen, Der Mensch ist sein eigenes Experiment, Die Zeit, Nr. 33, 9. 8. 2001, S. 31. 11 Ebd. 12 J.D. Watson, Die Ethik des Genoms. Warum wir Gott nicht mehr die Zukunft des Menschen überlassen dürfen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 224, 26. 9. 2000. 13 R. Dworkin, Die falsche Angst, Gott zu spielen, in: Die Zeit, Nr. 38, 16. 9. 1999, S. 15 – 17, hier S. 17.

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Damit soll nicht behauptet werden, daß sich die Idee der Menschenwürde ausschließlich christlich begründen ließe, wohl aber soll auf die prekäre Lage hingewiesen werden, in welche diese Idee gerät, wenn die Sinnhaftigkeit ihrer religiösen Begründbarkeit bestritten wird. Nun sind Humanismus und Christentum, wie Rudolf Bultmann zu Recht erklärt hat, zwei unterschiedliche Grundmöglichkeiten eines menschlichen Selbstverständnisses.14 Sofern sich der Humanismus mit seinem Programm einer Selbstzähmung des Menschen durch Bildung als Heilsprogramm versteht, befindet er sich im Widerspruch zum Christentum und seiner Heilsbotschaft. Unter der theologischen Kategorie des Gesetzes betrachtet, vertritt der Humanismus jedoch durchaus Anliegen, die das Christentum mit ihm teilt und die mit dem Personsein des Menschen zu tun haben. Bultmann spricht von einer fruchtbaren Spannung von Christentum und Humanismus, zwischen denen nicht auf der Ebene der Kulturtheorie, sondern existentiell auf der Ebene des Einzelnen der Ausgleich zu suchen ist. Das Christentum hat jedenfalls keinen Grund, in den Chor jener einzustimmen, die den Humanismus als Schule der Menschenzähmung für gescheitert halten und darüber womöglich noch eine klammheimliche Freude empfinden. Ideen der Menschenzüchtung oder transhumanistische Visionen von einer biotechnologischen Überwindung der menschlichen Gattung, wie wir sie bislang kannten, atmen nicht den Geist, sondern den Ungeist einer Technokratie, welche die menschliche Person zum Verschwinden bringt und das Individuum, um noch einmal mit Bultmann zu sprechen, „zu einem Glied in der Lebensmaschine herabwürdigt“15. Der Abgesang auf den Humanismus wie auf die christliche Tradition ist jedoch vielleicht ein wenig voreilig. Allerdings besteht die Aufgabe, ihr unabgegoltenes Potential und ihre kritische Kraft neu zu entdecken. So irren die neuen Über-Humanisten zum Beispiel in der Annahme, daß der eugenische Einsatz der Gentechnik zur endgültigen Befreiung des Menschen vom Schicksal führe. In Wahrheit führen die Fortschritte auf den Gebieten der medizinischen Genetik, der prädiktiven Medizin und der Reproduktionsmedizin zu neuen Erscheinungsformen des Schicksals. Der christliche Gottesglaube, der im Menschen das Ebenbild Gottes sieht, ist keineswegs eine Variante des Schicksalsglaubens, wie Dworkin unterstellt, sondern hat im Gegenteil, historisch betrachtet, zur Depotenzierung des Schicksals geführt, dem nach antiker Vorstellung selbst die Götter unterworfen waren. Daher hat das neuzeitliche Dementi des christlichen Gottes, für welches die mehrdeutige Formel des Todes Gottes geprägt wurde, keineswegs den Weg zur endgültigen Befreiung des Menschen vom Schicksal geebnet, sondern, wie der Philosoph

14 Vgl. R. Bultmann, Humanismus und Christentum, in: ders., Glauben und Verstehen, Bd. II, Tübingen 1952, S. 133 – 148. 15 R. Bultmann, a. a. O. (Anm. 14), S. 147.

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Odo Marquard argumentiert, zur Wiederkehr des Schicksals, das heißt zum Entstehen neuer Kontingenzen geführt.16 Bedrängend ist diese Entwicklung beispielsweise auf dem Gebiet der prädiktiven Medizin, wo sich die Schere zwischen heute schon möglicher Diagnostik und Prognostik und fehlenden Therapieansätzen weit öffnet. Der Einsatz prädiktiver Untersuchungsmethoden, zum Beispiel in der pränatalen Medizin, kann einerseits der Prophylaxe dienen, andererseits aber immer neue Entscheidungskonflikte heraufbeschwören. Aufgabe der Theologie ist es heute, das Humanitätspotential christlicher Rede von Gott neu zu erschließen. Nicht aus Nostalgie, die einer vormodernen Vergangenheit nachtrauert, sondern „um der Zukunft des Menschen willen ist die Frage nach Gott zu stellen“17. Was aber die Theologie zum anthropologischen und bioethischen Diskurs der Gegenwart beitragen kann, „verdankt sich letztlich ihrer Schriftinterpretation“, wie Eckart Reinmuth beizupflichten ist.18 Nun kennt auch das Neue Testament die Unterscheidung zwischen altem und neuem Menschen. Sie begegnet uns im Kolosser- und im Epheserbrief, hat aber ihren Ursprung schon bei Paulus. Allerdings ist diese im Neuen Testament eine eschatologische Differenz, d. h. um den Hinweis auf die letztgültige Bestimmung und Vollendung des Menschen, die von ihm selbst gerade nicht zu leisten ist. Der alte Mensch aber in seiner Endlichkeit, seiner Unvollkommenheit und Gebrochenheit, in seinem Versagen und seiner Schuld ist es, dem die bedingungslose Zuwendung Gottes gilt und den der Mensch Gottes als seinesgleichen lieben soll. Im Folgenden soll das hermeneutische Potential der neutestamentlichen Texte, die vom alten und vom neuen Menschen sprechen, für die anthropologischen Gegenwartsdiskurse ausgelotet werden. Dies geschieht nicht so, daß neutestamentliche Aussagen unhistorisch als normative Setzungen in heutige Debatten übertragen werden. Wie heutige anthropologische Vorstellungen und Theorien haben auch neutestamentliche Interpretationen des Menschseins einen konstruktionalen Charakter, den es sich bewußt zu machen gilt. Die generelle Ausgangsfrage, „wie und warum Menschsein im Neuen Testament überhaupt thematisch wird“19, soll im Folgenden vor allem an die Anthropologie des Epheserbriefes gerichtet werden. Sodann werden wir uns mit der reformatorischen Rezeptionsgeschichte der neutestamentlichen Unterscheidung zwischen altem und neuem Menschen befassen, um abschließend noch einmal die Frage nach dem heutigen anthropologischen Potential dieser Unterscheidung zu stellen.

16 17 18 19

O. Marquard, Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart 1980, S. 81. E. Reinmuth, Anthropologie im Neuen Testament (UTB 2768), Tübingen 2006, S. 13. Ebd. E. Reinmuth, a. a. O. (Anm. 17), S. 40.

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3. Der alte und der neue Mensch im Epheserbrief Die christliche Unterscheidung zwischen altem und neuem Menschen stammt der Sache nach von Paulus, der selbst allerdings nur vom alten und nicht vom neuen Menschen spricht.20 Die Wendung „neuer Mensch“ (jaim¹r %mhqypor) findet sich erst im deuteropaulinischen Kolosserbrief, der dem Epheserbrief als Vorlage gedient hat. In Kol 3,9 f wie in Eph 4,22 – 24 hat die Rede vom alten und neuen Menschen einen ethischen Sinn. Die Christen sollen den alten Mensch ablegen wie ein Kleid und den neuen anziehen, d. h. in einem neuen Leben wandeln. Die Vorstellung vom Anziehen des neuen Menschen gehört in den Zusammenhang der Taufe. Kol 3,9 f und Eph 4,22 – 24 sind ein Stück Taufparänese.21 Die auf Christus getauft sind, sollen ihren Glauben in einer entsprechenden Lebensführung bewähren. Im Hintergrund der beiden Texte steht Gal 3,27. Paulus formuliert allerdings christologisch: Die auf Christus getauft sind, haben Christus „angezogen“ und sind durch ihren Glauben in Christus Gottes Kinder (Gal 3,26). Wenn Paulus in diesem Zusammenhang wie auch in Röm 6,6 nicht vom neuen Menschen, sondern von Christus und von der „Neuheit des Lebens“ spricht, in der die Glaubenden wandeln sollen, so deshalb, weil er zwischen der gegenwärtigen Existenz der Christen und der noch ausstehenden eschatologischen Vollendung klar unterscheidet. „Der ,neue Mensch‘ wäre für Paulus ja das Abbild des ,himmlischen Menschen‘ Christus, dessen Bild ,wir‘ aber erst als Auferweckte, tragen werden‘ (I Kor 15,49).“22 Dagegen verstehen Eph 4,24 und seine Vorlage Kol 3,10 den neuen Menschen als eine präsentische Größe. Der neue Mensch ist schon jetzt in der Existenz der Glaubenden präsent. Es handelt sich um den nach Gott (Eph 4,24) bzw. nach dem Bilde Gottes (Kol 3,10) „in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24) geschaffenen Menschen. Auch wenn Kol und Eph auf Gen 1,27 anspielen, ist doch in beiden Fällen nicht die urzeitliche Schöpfung, sondern die Neuschöpfung gemeint, die in Christus gegenwärtig ist. Auch dieser Gedanke hat einen paulinischen Hintergrund. Ist jemand in Christus, so ist er nach II Kor 5,17 eine neue Schöpfung (jaimµ jt¸sir). Aber auch wenn nun das Alte vergangen und Neues geworden ist (V. 17b), betont Paulus doch die Differenz zwischen der irdischen Existenz der Glaubenden und der noch ausstehenden eschatologischen Seinsweise, wenn er vom irdischen Haus spricht, das abgebrochen wird und dereinst gegen ein ewiges Haus eingetauscht wird, das im Himmel ist (II Kor 5,1). Auch 20 Röm 6,6. 21 Vgl. R. Schnackenburg, Der Brief an die Epheser (EKK X), Zürich/Köln/Neukirchen-Vluyn 1982, S. 203 f. 22 G. Sellin, Der Brief an die Epheser (KEK 8), Göttingen 2008, S. 363, im Anschluß an E. Stegemann, Alt und Neu bei Paulus und in den Deuteropaulinen (Kol-Eph), EvTh 37, 1977, S. 508 – 536.

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Paulus verwendet in diesem Zusammenhang das Bild vom Kleid. Die Christen sehnen sich danach, mit der himmlischen Behausung überkleidet zu werden, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen werde (II Kor 5,4). Das Unterpfand dieser Hoffnung ist der Heilige Geist (V. 5). Auch wenn Paulus die gläubige Existenz als Leben in Christus bzw. als das Leben Christi in den Glaubenden (Gal 2,20) bezeichnen kann, leben die Christen in der Zeit ihrer irdischen Existenz doch in gewisser Weise „fern vom Herrn“ und wandeln im Glauben, aber noch nicht im Schauen (II Kor 5,6 f). Diese eschatologische Differenz, die bei Paulus als zeitliche ausgesagt wird, wird in Kol 3 und Eph 4 nicht thematisiert. Beide Male ist der neue Mensch eine präsentische Größe. Die Metapher steht in beiden Fällen nicht für Christus, sondern für den neuen Lebenswandel der Getauften, auch wenn zwischen diesem und Christus kraft der Taufe ein innerer Zusammenhang besteht. Eph 4 spielt aber nicht auf die Adam-Christus-Typologie an, die Paulus in Röm 5 verwendet, um den Gegensatz zwischen Tod und Leben, Heil und Unheil, Sünde und Gnade zu beschreiben. Generell ist zu beobachten, daß im Unterschied zu Paulus im Epheserbrief Raumkategorien an die Stelle von Zeitkategorien treten.23 Räumliches Denken herrscht auch in dem Abschnitt Eph 2,11 – 22 vor, der den „Mittelpunkt der theologischen Argumentation des ganzen Briefes“ bildet.24 Die Zugehörigkeit zum Heil wird durch die Unterscheidung zwischen Ferne und Nähe zu Gott und seinem Volk ausgesagt (V. 13.17). Auch in diesem Abschnitt spricht der Verfasser an zentraler Stelle vom „neuen Menschen“ (Eph 2,15), der nun freilich als kollektive Größe zu verstehen ist. In dieser Bedeutung kommt der Begriff jaim¹r %mhqypor im ganzen Neuen Testament überhaupt nur an dieser Stelle vor. Anders als in Eph 4,24 ist mit dem neuen Menschen in Eph 2,15 nicht der neue Lebenswandel der Christen gemeint, sondern die Kirche als Leib Christi, der aus Heiden und Juden eine neue Einheit, „ein drittes Menschen-Genus“25, geschaffen hat. Auch in diesem Fall sind die Bezüge zu Paulus unverkennbar. Das gilt nicht nur für die Metapher vom Leib Christi, sondern auch für den Gedanken, daß „in Christus“ die religiösen und sozialen Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden, Mann und Frau, Sklaven und Freien aufgehoben sind (Gal 3,28). Die enge Verbindung von Taufe, neuem Lebenswandel und eschatologischem Sein der Kirche, die Paulus in Gal 3,27 f herstellt und die auch in Kol 3,5 – 17 gewahrt bleibt,26 ist im Epheserbrief allerdings aufgelöst worden. Eph 4,24 verweist nicht direkt auf Eph 2,11ff zurück. Eine gedankliche Verbindung 23 Vgl. A. Lindemann, Die Aufhebung der Zeit. Geschichtsverständnis und Eschatologie im Epheserbrief (StNT 12), Gütersloh 1975. 24 A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 145. 25 G. Sellin, a. a. O. (Anm. 22), S. 364. 26 Kol 3,11 zitiert Gal 3,28.

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zwischen den beiden Abschnitten und ihrer unterschiedlichen Weise, vom neuen Menschen zu sprechen, wird aber möglicherweise durch Eph 4,1 – 17 hergestellt, wo in einem ebenfalls paränetischen Gedankengang von der Erbauung des Leibes Christi und von der Einheit des Glaubens und dem „vollkommenen Menschen/Mann“ (!mµq t´keior) die Rede ist, zu dem die Christen gelangen sollen. Möglicherweise ist mit !mµq t´keior dasselbe wie mit jaim¹r %mhqypor in Eph 2,15 gemeint.27 Auch wird durch das Wortfeld „schaffen, Schöpfung“ (jt¸feim/jt¸sir) eine sachliche Verbindung hergestellt, wird doch unmittelbar vor Eph 2,11 – 22 in V. 10 die Aussage getroffen, die Christen seien Gottes Werk (po¸gla), geschaffen (jtish´mter) „in Christus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir darin wandeln“. Inhaltlich handelt es sich bei den ethischen Forderungen, die Eph 4,25ff aufstellt und die an den herkömmlichen Stil jüdischer Paränese erinnern, im Grunde „um moralische Selbstverständlichkeiten. Ihren besonderen Klang gewinnen sie dadurch, daß sie nunmehr als Umgangsregeln im Christusleib aufgefaßt werden. Neu ist also die Begründung und der Ort der Forderung.“28 Zwar wird das Wesen des neuen Menschen in Eph 4,24ff nicht eschatologisch, sondern mit Hilfe ethischer Begriffe beschrieben – „Gerechtigkeit“ (dijaios¼mg) meint in V. 24 den rechtschaffenden Lebenswandel29 – aber der neue Mensch als solcher ist keine ethische Forderung, sondern eine schon bestehende Realität. Seine Eigenschaften müssen nicht erst durch ethische Anstrengung erworben werden, sondern „sind ohne menschliches Zutun bereits vorgegeben“30. Andreas Lindemann vermutet eine Annäherung an gnostische Lehren, die das Heil als eine seinshafte Veränderung des Menschen verstehen.31 Eine Beziehung zur Gnosis wird auch für die ekklesiologische Vorstellung vom neuen Menschen in Eph 2,15 intensiv diskutiert. Daß es einen fest geprägten vorchristlichen Urmensch-Erlöser-Mythos gegeben hätte, auf den der Epheserbrief anspielen würde,32 wird seit längerem in Zweifel gezogen.33 Auch ist der Nachweis einer Abhängigkeit des Epheserbriefes von bestimmten, 27 Vgl. R. Schnackenburg, a. a. O. (Anm. 21), S.116; A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 168. 28 H. Conzelmann, Der Brief an die Epheser, in: Die Briefe an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher und Philemon, übers. u. erklärt von J. Becker, H. Conzelmann, G. Friedrich [NTD 8], Göttingen 1976, S. 86 – 124, hier S. 113. Zu den Verbindungen zwischen Eph 4,25ff und Kol 3,8 f siehe R. Schnackenburg, a. a. O. (Anm. 21), S. 210. 29 Vgl. A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 71. 30 A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 73. 31 A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 71. 32 Siehe v. a. H. Schlier, Christus und die Kirche im Epheserbrief (BHTh 6), Tübingen 1930, S. 18ff; ders., Der Brief an die Epheser. Ein Kommentar, Düsseldorf 71971, S. 118 ff. 33 Siehe v. a. C. Colpe, Die religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus (FRLANT 78), Göttingen 1961; P. Pokorny´, Epheserbrief und gnostische Mysterien, ZNW 53, 1962, S. 160 – 194; H.M. Schenke, Der Gott „Mensch“ in der Gnosis. Ein religionsgeschichtlicher Beitrag zur Diskussion über die paulinische Anschauung von der Kirche als Leib Christi, Göttingen 1962.

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insbesondere gnostischen Texten unsicher.34 Lindemann rechnet zwar wie sein Lehrer Hans Conzelmann mit einer gnostischen Textvorlage und einem Erlösermythos, auf den der Epheserbrief anspielt, meint aber, das Entscheidende am gnostischen Denken sei gar nicht ein bestimmter Mythos, sondern ein bestimmtes Welt- und Daseinsverständnis, dessen Züge sich durchaus im Epheserbrief erkennen ließen. Dann sei die Frage, ob der Mythos, auf den der Epheserbrief anspielt, rein gnostisch oder bereits christlich gefärbt sei, zweitrangig. Man könne vielmehr „sogar sagen, daß der Epheserbrief selbst als frühes Zeugnis gnostischen Denkens – wenn auch hier im christlichen Kontext – anzusehen ist“35. Die gegenwärtige Gnosisforschung neigt allerdings mehrheitlich zu der Auffassung, es habe gar keine vorchristliche Gnosis gegeben, sondern diese sei in ihren Anfängen als Teil des „Laboratoriums“ frühchristlicher Theologie zu sehen und erst in einem vielschichtigen Trennungsprozeß aus dem sich großkirchlich verfestigenden Christentum ausgeschieden worden. „Im ,Laboratorium‘ christl[icher] Theol[ogie] experimentierten“ nach Auffassung von Christoph Markschies „gnost[ische] Theologen mit Hypostasierung bestimmter Begriffe sowie einer Pluralisierung des Gottesbegriffs und der Christusfigur, um für das mehrstufige antike Weltbild passende und insofern konkurrenzfähige Theorien des Christentums anbieten zu können.“36 So gesehen kann man in Abwandlung der These Lindemanns erwägen, ob die Vorstellung vom neuen Menschen in Eph 4,15 ihrerseits als ein Schritt auf dem Weg zu einer gnostischen Christologie zu begreifen ist. Allerdings ist auch dann mit Conzelmann, der selbst von der Existenz eines vorchristlichen gnostischen Erlösermythos überzeugt ist, auf die Unterschiede zwischen der Christologie des Epheserbriefes und gnostischer Erlösungslehre hinzuweisen: „In der Gnosis ist der leitende Gedanke, daß Erlöser und Erlöste in der Substanz identisch sind. Erlösung ist nicht freie Tat Gottes, sondern durch mein Sein bedingt; erlöst werden kann, wer den himmlischen Lichtfunken in sich trägt. Der Epheserbrief dagegen betont mit Nachdruck, daß wir keine Himmelswesen sind, sondern als Geschöpfe Gottes auf die Erde gehören (V. 9 f).“37 Gerhard Sellin hält die Gnosisthese für unbegründet und vermutet dagegen in Eph 2,11ff einen hellenistisch-jüdischen Hintergrund. Der Verfasser des Epheserbriefes habe ein proselythentheologisches Modell aufgegriffen und eigenständig ein Christus-Enkomium gebildet, dessen nächste Parallele bei Philo zu finden sei.38 Auch die Redeweise von dem einen neuen Menschen lasse sich mit Philo in Verbindung bringen, der entsprechende Gedanken aus 34 Vgl. R. Schnackenburg, a. a. O. (Anm. 21), S. 116; G. Sellin, a. a. O. (Anm. 22), S. 203 ff. 35 A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 169. 36 Chr. Markschies, Art. Gnosis II. Christentum 2. Kirchengeschichtlich, RGG4 III, Tübingen 2000, Sp. 1049 – 1053, hier Sp. 1052. 37 H. Conzelmann, a. a. O. (Anm. 28), S. 100. 38 G. Sellin, a. a. O. (Anm. 22), S. 206 f.

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pythagoreisch-platonischer Tradition aufgegriffen und entfaltet habe.39 Der „neue Mensch“ sei in Eph 2,15 weder Mythos noch Metapher, sondern eine Synekdoche. Er stehe für eine kollektive Größe und sei doch zugleich das individuelle Beispiel oder Vorbild für einen neuen Menschentyp, der als Christ weder Jude noch Heide, sondern ein Drittes sei.40 Tatsächlich lassen sich der kollektive Aspekt in Eph 2,15 und der individuelle in Eph 4,24 nicht völlig trennen: „Insofern die zum neuen Wandel aufgerufenen einzelnen Christen den ,neuen Menschen‘ ,anziehen‘ sollen, bildet dieser ja einen Typ, ein Genus.“41 Er wird in Eph 4,24 allerdings nicht mit Christus oder der Kirche identifiziert. Strittig ist, inwieweit der Epheserbrief das Verhältnis von Christen und Juden in heilsgeschichtlicher Perspektive beleuchtet. Nach Eph 2,11ff entsteht der „neue Mensch“ ja durch die Überwindung des trennenden Gegensatzes zwischen Heiden und Juden. Nach Eckart Reinmuth löst der Verfasser des Epheserbriefes „ein paulinisches Erbe ein und denkt seine Ansätze weiter“, indem er die Geschichte des Gottes Israels weitererzählt, „der sich die Glaubenden mit ihrer Taufe verbunden haben“42. Mit der Metapher des neuen Menschen werde die geschichtliche Realität des Leibes Christi kosmologisch gedeutet. Sie führe allerdings nicht zur Verwischung der unterschiedlichen Identitäten von Juden und Nichtjuden, sondern beziehe beide auf eine neue Geschichte, nämlich „auf die Geschichte des Handelns Gottes in Jesus Christus und mit ihr auf die Geschichte Gottes mit der Welt“43. Reinmuth liest den Epheserbrief vor diesem Hintergrund im doppelten Wortsinn als „das neutestamentliche Dokument der Ökumene“44 : zum einen als Modell für den Umgang mit Dualismen und Verschiedenheiten im globalen Kontext, zum anderen als Modell für die Ökumene der Kirchen. Allgemein gesprochen werfe der Epheserbrief die anthropologische Frage „nach der Definition und dem Umgang mit Gruppenidentitäten“ auf.45 Es gehe – konkret im Verhältnis von Juden und Heiden – im Epheserbrief „nicht um eine Aufhebung der Differenzen zwischen Menschen, sondern um einen neuen Bezug zu ihnen“46. Dem Textbefund wird eine solche Interpretation des Epheserbriefes aber nur schwerlich gerecht. An der Fortexistenz von Gruppenidentitäten ist der Verfasser doch gar nicht interessiert. Der Friede, welcher Christus ist – wobei hier in kritischer Wendung die Sprache der römischen Kaiserideologie (pax augustana!) aufgegriffen wird –, besteht darin, daß Christus den einst trennenden Zaun zwischen Heiden und Juden niedergerissen hat (Eph 2,14). Daß 39 40 41 42 43 44 45 46

G. Sellin, a. a. O. (Anm. 22), S. 220. Ebd. G. Sellin, a. a. O. (Anm. 22), S. 364. E. Reinmuth, a. a. O. (Anm. 17), S. 255. E. Reinmuth, a. a. O. (Anm. 17), S. 256. E. Reinmuth, a. a. O. (Anm. 17), S. 257. E. Reinmuth, a. a. O. (Anm. 17), S. 258. Ebd.

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die zwischen beiden Gruppen bestehende Feindschaft überwunden ist, wird nicht mit einem friedlichen Neben- und Miteinander der unterschiedlichen Identitäten gleichgesetzt. Vielmehr erklärt der Verfasser, Christus habe durch seinen Kreuzestod die Tora, „das Gesetz der Gebote mit den Satzungen vernichtet (jataqc¶sar)“ (V. 15). Nicht einmal Paulus hat in solch undialektischer Weise die Vernichtung des Gesetzes behauptet, mit dem doch die jüdische Identität steht und fällt. Zumindest in diesem Punkt kann man daher auch nicht einfach von einer Fortentwicklung paulinischer Theologie sprechen, sondern nur eine grundlegenden Widerspruch feststellen.47 Das Thema in Eph 2,11ff ist nicht das aktuelle Verhältnis von Juden und Heiden oder das Zusammenleben von Judenchristen und Heidenchristen in einer Gemeinde, wie es etwa bei Paulus im Galaterbrief oder in Röm 9 – 11 diskutiert wird, sondern der Unterschied zwischen der vorchristlichen und der christlichen Existenz der Adressaten, bei denen es sich um „Heidenchristen“ handelt.48 Der „neue Mensch“ hat als eigenes Genus eine von Juden wie Heiden unterschiedene Identität. Indem alte Identitätsgrenzen überwunden werden, entsteht eine neue Identität, die freilich ihrerseits mit neuen Grenzziehungen, Inklusionen und Exklusionen verbunden ist.49

4. Alter und neuer Mensch bei Luther und Calvin Eine zentrale Rolle spielt die theologische Unterscheidung zwischen altem und neuem Menschen auch für die refomatorische Theologie und ihre Interpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre. Für Calvin war insbesondere der Epheserbrief ein Schlüsseltext, vor allem wegen seiner Erwählungslehre in Eph 1,3 – 14, aber auch wegen seiner ekklesiologischen Aussagen, auf die sich Calvins Ämterlehre beruft, darunter Eph 4,11 f. Sowohl Luther als auch Calvin haben den Epheserbrief allerdings für einen echten Paulusbrief gehalten und ihn im Kontext des gesamten Corpus Paulinum interpretiert. Die exegetisch notierten Unterschiede und Widersprüche zwischen Paulus, Kolosser- und Epheserbrief bleiben unberücksichtig bzw. werden zum Verschwinden gebracht, wenn echte und pseudonyme Paulusbriefe gegenseitig zur Erläuterung herangezogen werden. Dementsprechend werden auch Eph 2,11 – 22 und Eph 4,17 – 24 mit paulinischen Augen gelesen. Diese hermeneutischen Vorentscheidungen gilt es zu beachten, wenn wir nun fragen, wie 47 Vgl. Röm 3,31! A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 172 vermutet, daß sich der Verfasser des Epheserbriefes des Widerspruchs zu Paulus nicht einmal bewußt ist. 48 Vgl. auch A. Lindemann, a. a. O. (Anm. 23), S. 147. 49 Vgl. dazu allgemein U. Kçrtner, Anerkennung, Rechtfertigung und Gerechtigkeit als Kernbegriffe diakonischer Ethik, in: M. Dederich/M.W. Schnell (Hg.), Anerkennung und Gerechtigkeit in Heilpädagogik, Pflegewissenschaft und Medizin. Auf dem Weg zu einer nichtexklusiven Ethik, Bielefeld 2011, S. 47 – 76.

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und in welchem Kontext die anthropologische Unterscheidung von altem und neuem Menschen bei Luther und Calvin thematisch wird. Luther interpretiert diese Unterscheidung im Rahmen seiner Deutung der Taufe im Kleinen und im Großen Katechismus, allerdings ohne dabei den Epheserbrief zu zitieren. In beiden Katechismen wird der „neue Mensch“ dem „alten Adam“ entgegengesetzt. Im Unterschied zum Kolosser- wie zum Epheserbrief unterstellt Luther freilich, daß der Wechsel vom alten zum neuen Menschen nicht als einmaliges Ereignis stattfindet, sondern sich lebenslang und täglich ereignet. Die Taufe mit Wasser bedeutet, wie Luther mit Röm 6,4 begründet50, „daß der alte Adam in uns durch tägliche Reu und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sunden und bösen Lüsten, und wiederumb täglich erauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit für Gott ewiglich lebe“51. Begründet ist diese Interpretation des Schemas von altem und neuem Menschen durch Luthers dynamisches Verständnis der Taufe, wonach das christliche Leben „nichts anders ist denn eine tägliche Taufe, einmal angefangen und immer darin gegangen“52. Diese eröffnet einen lebenslangen Prozeß der Buße. Wiederum ist die Buße, die in der katholischen und orthodoxen Tradition zu den sieben Sakramenten gerechnet und auch von Luther neben Taufe und Abendmahl als drittes Sakrament gerechnet werden kann, ihrem Wesen nach nichts anderes als die täglich vollzogene Taufe, wie der Reformator im Großen Katechismus ausführt. „Denn was heißet Buße anders, denn den alten Menschen mit Ernst angreifen und in eine neues Leben treten? Darümb wenn Du in der Buße lebst, so gehest Du in der Taufe, welche solch neues Leben nicht allein deutet, sondern auch wirkt, anhebt und treibt; denn darin wird geben Gnade, Geist und Kraft, den alten Menschen zu unterdrücken, daß der neue erfurkomme und stark werde.“53 Folglich „ist die Buße nicht anders denn ein Wiedergang und Zutreten zur Taufe, daß man das wiederholet und treibt, so man zuvor angefangen und doch davon gelassen hat“54. Die in der Taufe zugesprochene Sündenvergebung bleibt „noch täglich, solang wir leben, das ist den alten Menschen am Hals tragen“55. Wie Kol 3,8ff und Eph 4,22ff beschreibt Luther den Gegensatz zwischen altem und neuem Menschen in ethischen Begriffen, wenn er im Großen Katechimsus schreibt: „Was ist denn der alte Mensch? Das ist er, so uns angeboren ist von Adam, zornig, hässig, neidisch, unkeusch, geizig, faul, hoffärtig, ja ungläubig, mit allen Lastern besetzt und von Art kein Guts an ihm hat. Wenn wir nu in Christus’ Reich kommen, soll solchs täglich abnehmen, daß wir je 50 51 52 53 54 55

BSLK 517,2 – 7. BSLK 516,32 – 38. BSLK 704,32 – 35. BLSK 706,3 – 12. BSLK 706,22 – 26. BSLK 707,35 – 37.

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länger je milder, gedüldiger, sanftmütiger werden, dem Geiz, Haß, Neid, Hoffart je mehr abbrechen.“56 Der Glaubende ist simul iustus et peccator, iustus in spe, aber peccator in re.57 Diese Formel ist freilich nicht als ein partim – partim, sondern als zweifacher Totalaspekt zu verstehen. Jedoch ist der alte Adam zum Vergehen verurteilt, wogegen der neue Mensch im Wachsen begriffen ist.58 Luther kann daher in Verbindung mit der Taufe auch Stadien auf dem Lebensweg des alten und des neuen Menschen beschreiben: „Ist einer furm Jahr stolz und geizig gewesen, so ist er heuer viel geiziger und stolzer, also daß die Untugend von Jugend auf mit ihm wächset und fortfähret. Ein junges Kind hat kein sonderliche Untugend an sich; wo er aber erwächst, so wird er unzüchtig und unkeusch; kommpt er zu seinem vollen Mannsalter, so gehen die rechten Laster an, je länger je mehr. Darümb gehet der alte Mensch in seiner Natur unaufgehalten, wo man nicht durch der Taufe Kraft wehret und dämpfet, wiederümb, wo Christen sind worden, nimmpt er tägliche abe, solang bis er gar untergehet. Das heißt recht in die Taufe gekrochen und täglich wieder erfürkommen.“59 Der Gedanke der beständigen Buße begegnet uns auch bei Calvin, hier aber mit ausdrücklichen Bezügen auf die einschlägigen Aussagen des Epheserbriefes zum alten und neuen Menschen. 1548 erschien Calvins Epheserkommentar. In der Form der lectio continua hat der Genfer Reformator auch über den Epheserbrief gepredigt. In seiner Institutio beschreibt Calvin die Buße unter Verweis auf Eph 4,23 f und Kol 3,10 „als Wiedergeburt; und der Zielpunkt dieser Wiedergeburt ist allein darin zu suchen, daß das Ebenbild Gottes in uns wiederhergestellt wird, welches durch Adams Übertretung besudelt und so gut wie ausgelöscht war“60. Allerdings kommt diese Erneuerung des Menschen „nicht in einem Augenblick, auch nicht an einem Tag oder in einem einzigen Jahr zur Vollendung; nein, Gott tilgt bei seinen Auserwählten in dauerndem, ja auch langsamem Weiterschreiten die Verderbnisse des Fleisches, er reinigt sie von ihren Befleckungen und weiht sie zu einem Tempel, der ihm heilig sei, erneuert all ihre Sinne zu wahrer Reinheit, damit sie sich in ihrem ganzen Leben in der Buße üben: sie sollen wissen, daß dieser Kriegsdienst erst mit dem Tod sein Ende findet.“61 Allerdings behauptet Calvin: „so

56 BSLK 704,39 – 48. 57 Vgl. M. Luther, WA 2,496,39 – 497,13; WA 39/I,83,18 f; 508,5 – 9; WA 56,70,9 f; 272,17; WA 57,165,12. 58 Vgl. dazu E. Jìngel, Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens. Eine theologische Studie in ökumenischer Absicht, Tübingen 31999, S. 183 ff. 59 BSLK 705, 17 – 32. 60 J. Calvin, Inst. III,3,9 (Übersetzung nach a. a. O. [Anm. 9]; kursiv gesetzte Wörter hier und an anderen Stellen im Original gesperrt). 61 Ebd.

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weit jemand der Ähnlichkeit mit Gott nähergekommen ist, muß man von ihm urteilen, in ihm leuchte Gottes Ebenbild hervor.“62 Das eigentliche Wesen des Ebenbildes Gottes aber ist dem zu entnehmen, was die Bibel über seine Erneuerung durch Christus sagt. Es geht um die Wiederherstellung der durch die Sünde verderbten Natur des Menschen. Christus, der zweite Adam bringt uns „zu wahrer und bleibender Unschuld“ zurück.63 Anthropologisch unterscheidet Calvin in diesem Zusammenhang zwischen Seele und Geist. Paulus stelle in I Kor 15,45 der lebendigen Seele den lebendigmachenden Geist gegenüber, um zu zeigen, „daß in der Wiedergeburt ein reicheres Maß der Gnade liegt“64. Ganz so interpretiert Calvin Eph 2,24 auch in seinem Epheserkommentar.65 Die Forderung aus Kol 3,10 und Eph 4,24, den neuen Menschen anzuziehen, wird unmittelbar zum Begriff der Wiedergeburt in Beziehung gesetzt.66 Es handelt sich dabei um ein pneumatologisch interpretiertes Geschehen, bestand doch schon am Beginn der Schöpfung „das Ebenbild Gottes in der Erleuchtung des Geistes, in der Aufrichtigkeit des Herzens und in der Vollkommenheit des ganzen Menschen“67. An anderer Stelle argumentiert Calvin, daß es sich nicht um die Wiedergeburt des natürlichen Leibes, sondern um diejenige der Seele handele, wobei er Geist und Fleisch einander gegenüberstellt.68 Allerdings steht die Wiedergeburt oder das Erscheinen des neuen Menschen unter einem eschatologischen Vorbehalt: „Eben dieses Ebenbild wird jetzt in den Erwählten, sofern sie aus dem Geist wiedergeboren sind, teilweise wieder sichtbar, seinen vollen Glanz aber wird es im Himmel bekommen!“69 Auch Eph 2,14ff wird von Calvin in seiner Institutio interpretiert, und zwar im Rahmen seiner Ausführungen zum Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament. Während Gott im Alten Testament ein einziges Volk abgesondert und erwählt habe, wurde in Christus gemäß Eph 2,14 – 17 die Scheidewand zwischen Israel und den übrigen Völkern niedergerissen, „so daß sie nun, beide mit Gott versöhnt, auch untereinander zu einem geistlichen Volke zusammenwüchsen“70. Calvin verweist an dieser Stelle neben Eph 2,14ff auf Gal 3,28; 6,15 und Kol 3,11. Die Berufung der Heiden aber sei „ein herrliches Zeichen, das die Überlegenheit des Neuen Testaments über das Alte 62 63 64 65 66 67 68 69 70

Ebd. Inst. I,15,4. Ebd. Johannes Calvins Auslegung der kleinen Paulinischen Briefe, in Gemeinschaft mit H.-J. Barkenings u. a. übers. v. O. Weber, Neukirchen-Vluyn 1963, S. 177 (= Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, Neue Reihe, Bd. 17). Inst. I,15,4. Ebd. Inst. II,3,1, mit Zitat von Eph 4,22 f. Vgl. auch Inst. II,1,9; III,3,8; III,6,4, III,7,1 (jeweils Zitate aus Eph 4,22ff). Inst. I,15,4. Inst. II,11,11.

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deutlich macht“71, wobei dies neue Berufung die Heiden nicht nur den Juden gleichstellte, sondern „es schien, als wären die Juden alle miteinander verstorben und die Heiden an ihre Stelle getreten“72. In seinem Epheserkommentar erklärt Calvin, es sei ein und dieselbe Widergeburt, die Juden und Christen zusammenfüge. „Wenn wir aber durch Christus alle erneuert werden, sollen die Juden nunmehr aufhören, an ihrer früheren Stellung Gefallen zu finden; sie sollen es vielmehr ertragen, daß Christus sowohl in ihnen als in den anderen alles sei, wie es an anderer Stelle [sc. Kol 3,11] heißt“73. Die Aussage in Eph 2,15, Christus habe das Gesetz vernichtet, schwächt Calvin in seinem Epheserkommentar allerdings dahingehend ab, daß Paulus an dieser Stelle nur das Zeremonialgesetz meine; „denn das Sittengesetz ist keine Zwischenwand, die uns von den Juden trennen würde, da es eine Lehre umfaßt, die uns sowohl als den Juden gemeinsam ist“74. Die Wiedergeburt steht bei Calvin in unmittelbarem Zusammenhang mit der Heiligung, bei welcher das Gesetz im Sinne des tertius usus legis als usus in renatis eine positive Rolle spielt. Auch das erklärt, weshalb Calvin den Gegensatz zwischen dem Gesetzesverständnis des Paulus und demjenigen in Eph 2,15 nicht wahrnimmt. Die Heiligung aber bedeutet einen lebenslange Prozeß des Absterbens des alten (mortificatio) und des Lebendigwerdens (vivificatio) bzw. das neue Leben (nova vita) aus dem Glauben.75 Wie bei Luther stellt auch die Taufe bei Calvin das lebenslange Sakrament der Buße dar. „Wenn uns die Buße nun für das ganze Leben anempfohlen wird, so muß auch die Kraft der Taufe bis zu den gleichen Grenzen ausgedehnt werden.“76 Aufgrund seiner platonisierenden Unterscheidung zwischen dem innerlichen Wirken des Heiligen Geistes und den äußeren Mitteln seines Wirkens scheint Calvin vorderhand stärker als Luther zwischen der Wassertaufe als äußerlichem Zeichen und dem innerlichen Geschehen der Wiedergeburt zu unterscheiden. Jedoch betont auch Calvin die lebenslange Bedeutung der Taufe, akzentuiert allerdings etwas anders als Luther, wenn er von der „Reinheit Christi“ spricht, die allezeit in Kraft bleibe. Die Taufe als äußerliche Handlung ist dagegen wie das Abendmahl als Siegel und Bekräftigung des Evangeliums verstanden.77 Übereinstimmend betonen beide Reformatoren aber, daß die Wassertaufe als solche nicht wirkt, wo nicht der Glaube an das durch die Taufe bezeugte Evangelium hinzukommt. Der Sünder empfängt die Vergebung „nicht ohne die Predigt des Evangeliums“78. Nicht die Reue und Zerknirschung, sondern 71 72 73 74 75 76 77 78

Inst. II,11,12. Ebd. J. Calvin, a. a. O. (Anm. 65), S. 135. J. Calvin, a. a. O. (Anm. 65), S. 134. Inst. III,3,8 f; in Verbindung mit der Taufe: Inst. IV,15,5. Inst. IV,15,4. Vgl. Inst. IV,14,1. Inst. IV,15,4.

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der Zuspruch der Sündenvergebung und der Glaube daran machen nach reformatorischem Verständnis das Wesen der Buße aus. Das tägliche Absterben des alten und Auferstehen des neuen Menschen ist daher bei Calvin ebensowenig wie bei Luther eine menschliche Leistung, sondern die von Gott allein gewirkte Rechtfertigung des Sünders allein durch den Glauben in ihrem lebenslangen Vollzug.

5. Neutestamentliche Anthropologie in bioethischen Diskursen der Gegenwart Verfolgt man die bioethischen Debatten über die Zukunft des Menschen und sein biomedizinisches Veränderungspotential, erscheinen die biblische Anthropologie und ihre reformatorischen Lesarten als hoffnungslos antiquiert. Der im Neuen Testament verheißene bzw. mit dem Christusgeschehen Wirklichkeit gewordene neue Mensch weiß sich nicht in der eigenen Hand, sondern in der Hand Gottes, seines Schöpfers. Er soll das werden, was er nach Gottes Willen und Verheißung bereits ist, nämlich ein zur Freiheit befreites Geschöpf, dessen Selbstbestimmung darin ihren Grund hat, von Gott bestimmt zu sein. Der neue Mensch, den es nach Eph 4,24 „anzuziehen“ gilt, kann und muß nicht vom Menschen geschaffen oder erfunden werden, sondern ist eine bereits vorgegebene Wirklichkeit, die es zu ergreifen gilt. Insofern gründet die Aktivität des christlichen Lebenswandels in einer unaufhebbaren Passivität, die bei Paulus im Gedanken der Rechtfertigung des Gottlosen allein aus Gnade und durch den Glauben zum Ausdruck kommt und im Sakrament der Taufe sinnenfällig wird.79 Der Mensch nach dem vermeintlichen Ende des christlichen Gottes sieht sich dagegen herausgefordert, sich allererst zu erfinden, „denn er ,ist‘ nichts anderes als dieses Erfinden“80. Wie die Modernität aus fortlaufenden Modernisierungsschüben besteht, so muß sich auch der Mensch in der technologischen Moderne ständig neu erfinden. Ebenso wie die Entwicklung virtueller Welten sind daher auch Bestrebungen zur biotechnologischen Optimierung und Weiterentwicklung der menschlichen Natur nur konsequent. Die christliche Haltung der Demut und der Dankbarkeit gegenüber Gott, dem Schöpfer, Erhalter und Erneuerer des Lebens erscheint demgegenüber als ein ideologischer Hemmschuh für wissenschaftliche, medizinische und kulturelle Entwicklungen. Vom Neuen Testament her ist jedoch an diese Sicht der menschlichen Entwicklung die Frage zu richten, ob sie nicht auf einer verhängnisvollen Selbst79 Zur Rede vom neuen Menschen im Kontext der Rechtfertigungslehre vgl. auch P. Schwanz, Der neue Mensch. Eine Neuinterpretation der Rechtfertigungslehre (Studien zur systematischen Theologie und Ethik 17), Münster 1998. 80 M. Jongen, a. a. O. (Anm. 10), S. 31.

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täuschung beruht, die höchst inhumane Folgen nach sich ziehen kann. Theologisch gesprochen ist es der alte Mensch, der einen neuen Menschen nach seinem Bilde und seinen Visionen schaffen will und dabei doch nur den Gesetzmäßigkeit der unerlösten Welt verfallen bleibt. Schon die generalisierende Rede von „dem“ Menschen stimmt verdächtig. Politisch und sozialethisch ist doch zu fragen, wer konkret die Subjekte, Institutionen oder selbsternannten Eliten sind, welche „den“ neuen Menschen entwerfen und realisieren wollen. Wollen Menschen dabei lediglich über sich selbst verfügen – oder auch über andere, die sie nach ihrem Bilde und ihren Wunschvorstellungen zu formen wünschen? Und wer gibt Menschen überhaupt das Recht, auf diese Weise über andere, noch dazu über Ungeborene, zu verfügen? Sind alle Versuche oder Phantasien, die menschliche Natur zu optimieren, durch das Prinzip der Autonomie gedeckt? Oder schlägt nicht die Selbstbestimmung, auch die heutzutage proklamierte reproduktive Autonomie, in eine schwer erträgliche Fremdbestimmung für diejenigen um, welche das Objekt solcher Manipulationen sind? Wo liegen die Grenzen zwischen dem ethisch legitimen Wunsch nach Heilung und dem unethischen Wunsch nach Menschenzüchtung? Oder sollte diese Frage tatsächlich keine Relevanz mehr haben? Biopolitik war und ist stets eine Frage der Macht. Bioethische Diskurse, welche den technologischen Fortschritt für ein unbeeinflußbares Menschheitsschicksal halten, bleiben politisch merkwürdig subjektlos. Die Kehrseite der Visionen vom sich selbst biotechnologisch neu erfindenden Menschen ist ein therapeutischer Imperativ,81 der alle Abweichungen von dem, was in einer „salutokorrekten Gesellschaft“82 als normal gilt, dem Zwang zur Korrektur unterwirft. „Wenn die Menschen durch sanitaristische Sozialisationsbedingungen und genetische Merkmalsplanung alle gesund und normiert sind, ist dann noch Gesellschaft, so wie wir glauben, sie zu kennen, möglich? Wenn Abweichungen minimiert werden, gibt es dann noch gesellschaftliche Evolution oder Geschichte? Oder befinden wir uns dann im posthistoire? […] Wenn durch Normierungen die Kontingenzformel für Kommunikation zunehmend eingeschränkt wird, dann ist die Gesellschaft zu einer letzten Ordnung gekommen und damit totalitär.“83 Wie inhuman ein solches Medizin- und Gesellschaftsbild werden kann, zeigen die Medizinverbrechen des 20. Jahrhunderts und die Geschichte der sogenannten „Rassenhygiene“. Wie barmherzig oder unbarmherzig therapeutische Konzepte sind, bemißt sich nicht zuletzt am Umgang mit den Therapieresistenten, den Unheilbaren84. 81 A. Kuhlmann, Politik des Lebens – Politik des Sterbens. Biomedizin in der liberalen Demokratie, Berlin 2001, S. 3. 82 J. Bauch, Krankheit und Gesundheit als gesellschaftliche Konstruktion. Gesundheits- und medizinsoziologische Schriften 1979 – 2003 (Konstanzer Schriften zur Sozialwissenschaft 62), Konstanz 2004, S. 4. 83 J. Bauch, a. a. O. (Anm. 82), S. 11. 84 Siehe dazu K. Dçrner (Hg.), Die Unheilbaren. Was machen Langzeitpatienten mit uns, und was machen wir mit ihnen?, Gütersloh 1983; U. Eibach, Heilung für den ganzen Menschen?

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Aus transhumanistischer Sicht mag der neue Mensch, von dem das Neue Testament spricht, ein hoffnungslos veraltetes Konstrukt sein. Aus biblischer Perspektive ist dagegen zu sagen, daß der neue Mensch des biotechnologischen Zeitalters in Wahrheit noch immer der alte Mensch ist, der nach der Zusage des Evangeliums überwunden werden soll. Die Kluft zwischen Sein und Sollen, welche in der Sprache der Bibel Sünde genannt wird, läßt sich biotechnologisch nicht schließen, sondern bleibt unvermindert bestehen. Nach Sören Kierkegaard ist Sünde im Kern Verzweiflung.85 Der dänische Philosoph unterscheidet zwischen drei Formen der Verzweiflung, nämlich dem Wunsch, verzweifelt man selbst sein zu wollen, dem Wunsch, verzweifelt nicht man selbst sein zu wollen, und der Geistlosigkeit als Ausdruck tiefster Resignation und Selbstaufgabe. Die verschiedenen Formen des medizinischen Enhancement haben es in hohem Maße mit diesen Formen der Verzweiflung zu tun. Man denke nur an das Feld der Ernährung und der diversen Diäten, an Adipositas und Magersucht, an plastische Chirurgie und stimmungsaufhellende Psychopharmaka. Nun besteht die Aufgabe des Menschen stets darin, sein Leben in der Polarität von Freiheit und Schicksal zu führen.86 Das heißt konkret, den eigenen Körper als Gabe und Aufgabe zugleich zu sehen. Theologisch lautet die Frage, in welchen Fällen ein Enhancement im Einklang mit der schöpfungsgemäßen Polarität von Freiheit und Schicksal steht, und in welchen Fällen im Enhancement eine Gestalt sündiger Verzweiflung zu sehen ist, eben des verzweifelten Wunsches, unbedingt so zu bleiben wie man ist und sich damit der Polarität von Form und Dynamik zu widersetzen87, oder aber des verzweifelten Wunsches, ein anderer sein zu wollen. In diesen Fällen öffnet das Enhancement keinen Ausweg aus der Verzweiflung, sondern führt nur immer tiefer in sie hinein. Alle medizinischen Eingriffe befassen sich doch mit der leiblichen Natur des Menschen, die zum Vergehen verurteilt ist. Wenn die Reformatoren unter Berufung auf die neutestamentliche Gegenüberstellung von altem und neuem Menschen urteilen, daß der alte Adam zum Absterben verurteilt ist, so ist dies keineswegs als gnostische Entwertung unserer Leiblichkeit und unserer Sorge für das irdische Wohl des Menschen, konkret: des Mitmenschen, zu verstehen. Auch wenn es in der Geschichte des Christentums Fehlformen einer biologistischen Interpretation der Sünde gegeben hat, muß doch zwischen der physischen Existenz des Menschen und seiner sündigen Existenzweise, die Paulus als fleischlich gesinnt kritisiert, unterschieden werden. Das Wesen des Menschen wird aber auch von einer transhumanistischen Anthropologie verkannt, die glaubt, die Existenzfragen des Menschen durch Manipulationen des menschGanzheitliches Denken als Herausforderung von Theologie und Kirche, Neukirchen-Vluyn 1991, S. 144 ff. 85 Vgl. S. Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode (GW, 24. Abt.), Gütersloh 21982. 86 Vgl. dazu P. Tillich, Systematische Theologie, Bd. I, Stuttgart 51977, S. 214 ff. 87 Vgl. P. Tillich, a. a. O. (Anm. 86), S. 210 ff.

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lichen Körpers lösen zu können, und also Geist und Seele des Menschen mit seinen Hirn- und Körperfunktionen gleichsetzen. Theologisch gesprochen ist es die von unserer biologischen Beschaffenheit unabhängige zuvorkommende und freie Gnade Gottes, welcher der Mensch seine Anerkennung und Rechtfertigung verdankt. An der Anerkenntnis, daß das neue Menschsein nicht von uns zu erfinden, sondern als bereits vorgegebene Daseinsmöglichkeit zu ergreifen ist, hängt die Menschlichkeit des Menschen. Bioethisch relevant ist auch die eschatologische Dimension des Rechtfertigungsglaubens, weil sich aus ihr eine kritische Sicht auf die latente oder offene Gefahr einer soteriologischen Überhöhung der modernen Medizin zur Heilslehre ableiten läßt. Einerseits schließt das Gebot der Nächstenliebe die Verpflichtung zum Heilen ein. Auch die im Neuen Testament geschilderten Heilungswunder Jesu und die alte Denkfigur des Christus medicus stehen dafür.88 Andererseits stehen alle menschlichen Heilungsversuche unter dem eschatologischen Vorbehalt. Eschatologie ist die christliche Lehre vom Reich Gottes bzw. von der Vollendung der Welt durch Gott. Heilung und Heil sind nach dieser Lehre voneinander zu unterscheiden. Andernfalls steht der medizinische Fortschritt in der Gefahr, vom Geist der Utopie zur Barbarei verführt zu werden. Daß auch der im Glauben von Gott gerechtfertigte Mensch Sünder bleibt, ist eine Grundaussage reformatorischer Anthropologie. Der gerechtfertigte Sünder vermag weder sich selbst noch die Welt zu verbessern, weder auf dem Weg der Moral noch durch irgendwelche Formen der Anthropotechnologie.89 Der alte Mensch im biblischen Sinne ist nicht verbesserungs-, sondern vergebungsbedürftig. Das schöpferische Wort der Vergebung aber macht ihn nicht besser, sondern radikal, von Grund auf, neu. So bestünde denn der Beitrag des Christentums zur anthropologischen und gesellschaftspolitischen Diskussion der Gegenwart darin, auf eine Möglichkeit der Kontingenzbewältigung hinzuweisen, die vom Zwang des selbstproduzierten bzw. von anderen verfügten Schicksals befreit. Es ist dies ein Ethos des SeinLassens und der Verschonung, das sich darauf gründet, daß sich der Mensch nicht sich selbst verdankt und in die Welt bringt und daß die Fragmenthaftigkeit seines Daseins auf eine höhere, von ihm selbst nicht zu leistende Vollendung verweist90 In diesem Sinne kann auch christliche Anthropologie sagen, daß noch nicht erschienen ist, was wir sein werden (1Joh 3,2).

88 Vgl. M. Honecker, Christus medicus, KuD 31, 1985, S. 307 – 323; J. Hìbner, Christus medicus. Ein Symbol des Erlösungsgeschehens und ein Modell ärztlichen Handelns, KuD 31, 1985, S. 324 – 335. 89 Vgl. auch E. Reinmuth, a. a. O. (Anm. 17), S. 39. 90 D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. v. Chr. Gremmels, E. Bethge u. R. Bethge in Zusammenarbeit mit I. Tödt (DBW 8), Gütersloh 1998, S. 336.

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„Ein neues ,Geschlecht‘“? Das frühe Christentum auf der Suche nach seiner Identität I. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts schreibt der unbekannte Verfasser einer christlichen Schrift, die Clemens von Alexandrien knapp 100 Jahre später j¶qucla P´tqou („Predigt des Petrus“) nennt und aus der er einige Fragmente zitiert1, die folgenden Worte (Clemens v. Alexandrien, Strom. VI, 5,41,4 – 6 [GCS.Clem.Alex. II, 452,13 – 18]; Frgm. 5, ed. Cambe, 157): (4)¦ste ja· rle?r bs_yr ja· dija_yr lamh\momter $ paqad_dolem rl?m, vuk\sseshe, jaim_r t¹m he¹m di± toO WqistoO seb|lemoi. (5)evqolem c±q 1m ta?r cqava?r jah½r b j}qior k]cei·

(4) „So lernt auch ihr fromm und gerecht, was wir euch überliefert haben, und bewahrt es, indem ihr auf neue Weise Gott durch Christus verehrt. (5)Denn wir haben in den Schriften gefunden, wie der Herr sagt: Qdo» diat_helai rl?m jaimµm diah^jgm, oqw ,Siehe, ich setze euch einen neuen Bund, ¢r dieh]lgm to?r patq\sim rl_m 1m eqei nicht wie ich euren Vätern gesetzt habe Wyq^b. am Berg Horeb.‘ (6)m]am Bl?m di]heto· t± c±q :kk^mym ja· (6)Einen neuen hat er uns gesetzt. Denn Youda_ym pakai\, Ble?r d³ oR jaim_r die Sachen der Griechen und Juden sind aqt¹m tq_t\ c]mei seb|lemoi Wqistiamo_. alt, wir aber sind die ihn auf neue Weise, auf eine dritte Art, verehrenden Christianer.“

1 Griechischer Text und ausführlicher Kommentar: Kerygma Petri. Textus et Commentarius, cura M. Cambe (CChr.SA 15), Turnhout 2003, 157.257 – 280 (hiernach wird im Folgenden zitiert). Vgl. auch J.-C. Fredouille, Le Kerygma Petrou dans le contexte apolog¦tique du IIe siÀcle, in: Quaerite faciem eius semper. Dankesgabe für Albrecht Dihle, hg. v. A. Jördens u. a., Hamburg 2008, 52 – 64. – Eine deutsche Übersetzung der Fragmente gibt W. Schneemelcher, Das Kerygma Petri, in: ders., Neutestamentliche Apokryphen. II. Apostolisches und Verwandtes, Tübingen 51989, 38 – 41. – Die Bezeichnung j¶qucla P´tqou findet sich bei Clemens v. Alexandrien, Strom. I, 29,182,3 (GCS.Clem.Alex. II, 112,3); VI, 6,48,1 (ebd., 456,4); Origenes, Comm. in Joh. 13,17, 104 (SC 222, 86); s. auch Clemens v. Alexandrien, Strom. II, 15,68,2 (GCS.Clem.Alex. II, 149,16); VI, 5,39,1 (ebd., 451,7); VI, 15,128 (ebd., 496,25); Ecl. Proph. 58 (GCS.Clem.Alex. III, 154,15).

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Das frühe Christentum auf der Suche nach seiner Identität

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a) Formgeschichtlich ist der Text als Teil einer Mahnrede identifizierbar, die sich an andere Christen als Adressaten wendet. Clemens bezeichnet den Text als jokov½m toO fgtoul´mou, d. h. – so wörtlich – als „Höhepunkt der Untersuchung“, und gemeint ist wohl: als ,Quintessenz‘ oder ,Zusammenfassung‘ oder ,wesentlicher Gehalt‘2, und es handelt sich möglicherweise auch um das Ende der Schrift.3 Thema ist die Art und Weise der Gottesverehrung. Begründet wird die Aufforderung mit einer Abgrenzung, die sowohl synchronisch als auch diachronisch ausgerichtet ist: Synchronisch werden die intendierten Leser der Mahnrede als „Christianer“ von „Griechen“ und von „Juden“ abgegrenzt. Dabei wird ihre Gottesverehrung als „dritte Art“ (tq¸tom c´mor) der Gottesverehrung neben derjenigen der „Griechen“ und der „Juden“ gezählt. Hier ist also weder von einem ,neuen‘ noch von einem ,dritten Geschlecht‘ die Rede4, sondern lediglich von einer „neuen“ bzw. „dritten Art“ der Gottesverehrung. Diachronisch wird das, was „Griechen und Juden“ kennzeichnet, als „alt“ charakterisiert, während die Art und Weise der christlichen Gottesverehrung als „neu“ ausgegeben wird. Interessant ist auch, dass die Schrift zwar „Predigt des Petrus“ heißt, Petrus aber als Individuum an keiner Stelle in Erscheinung tritt. Es ist vielmehr immer ein kollektives Wir, das als Übermittler und Garant der Tradition auftritt und sich den intendierten Lesern als Autorität präsentiert. Man wird nicht allzu weit in die Irre gehen, wenn man annimmt, dass es der Kreis der zwölf Apostel ist, den der Verfasser hier als pseudepigraphische Autorität aufbietet. b) Wir kennen leider nicht den Inhalt der „Überlieferung“, die die Adressaten der apokryphen Petruspredigt „lernen“ und „bewahren“ sollen, und so können wir auch nicht sagen, was sich der Verfasser konkret unter einer Gottesverehrung „durch Christus“ vorgestellt hat. In dem erhaltenen Fragment ist lediglich die andere Seite überliefert, von der die intendierten Leser der Predigt sich abgrenzen sollen, die Art und Weise der „alten“, der griechischen und der jüdischen Gottesverehrung, wie sie der unbekannte Verfasser seinen Lesern präsentiert. 2 Vgl. H.G. Liddell / R. Scott / H.S. Jones, A Greek English Lexicon, Oxford 91992, 974 s.v. – Es handelt sich um eine Metapher, deren Herkunft und Bedeutung bei Strabo 14,1,28 erläutert wird: Abgeleitet ist die Bezeichnung von der ionischen Stadt Kolophon, die für ihre Reiterei berühmt war. Schlachten, die auf der Kippe standen, seien immer durch das Eingreifen der Reiterei Kolophons entschieden worden. Dann fährt Strabo fort: „Daher stammt auch das Sprichwort ,Er hat Kolophon eingesetzt‘, wenn einer Sache ein sicheres Ende bereitet wurde“ (!v’ ox ja· tµm paqoil_am 1jdoh/mai tµm k]cousam ,t¹m Jokov_ma 1p]hgjem‘ ftam t]kor 1piteh0 b]baiom t` pq\clati). 3 S. auch H. Paulsen, Das Kerygma Petri und die urchristliche Apologetik, in: ders., Zur Literatur und Geschichte des frühen Christentums (WUNT 99), Tübingen 1997, 173 – 209, hier 178 f. 4 Die Übersetzung von W. Schneemelcher ist an dieser Stelle korrekturbedürftig. Wenn es bei ihm heißt „… wir aber sind die Christen, die ihn als drittes Geschlecht auf neue Weise verehren“ (a. a. O., 40 Frgm. 2.d), macht er den von sebºlemoi abhängigen modalen Dativ tq¸t\ c´mei unter der Hand zu einem Nominativ, der als prädikative Näherbestimmung zu Wqistiamo¸ fungiert.

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Demnach sei die Gottesverehrung der Griechen durch „Unkenntnis“ (%cmoia) gekennzeichnet, und darum würden sie Gestalten aus Holz und Steinen etc. verehren. Außerdem verehrten sie Tiere, „bringen den Toten Totes dar, als wären sie Götter“ (mejq± mejqo?r pqosv]qomter ¢r heo?r). Aufs Ganze gesehen „erweisen sie sich Gott gegenüber als undankbar, weil sie dadurch leugnen, dass es ihn gibt“ (!waqistoOsi t` he`, di± to}tym !qmo}lemoi aqt¹m eWmai) (Clemens v. Alexandrien, Strom. VI,5,40,1 – 41,1 [GCS.Clem.Alex. II, 451,18 – 452,7]; Frgm. 3a, ed. Cambe, 154 f; 2.b Schneemelcher). Zur Abgrenzung von der jüdischen Weise der Gottesverehrung wird aufgerufen, weil die Juden zwar den Anspruch erheben, die einzigen zu sein, die Gott kennen (l|moi oQ|lemoi t¹m he¹m cim~sjeim), doch wüssten sie über ihn nicht wirklich Bescheid (oqj 1p¸stamtai). Das könne man daran erkennen, dass sie „Engel und Erzengel, Monat und Mond verehren“ (katqe¼omter !cc´koir ja· !qwacc´koir, lgm· ja· sek¶m,) (Clemens v. Alexandrien, Strom. VI, 5,41,2 [GCS.Clem.Alex. II, 452,9 – 10]; Frgm. 4a, ed. Cambe, 155). Die Fortsetzung macht dann deutlich, dass der Verfasser hierbei in erster Linie an die jüdische Festtags- und Kalenderobservanz denkt.5 c) Darüber hinaus ist noch bemerkenswert, wie der Verfasser die ,Neuheit‘ der christlichen Gottesverehrung legitimiert. Er führt dafür einen Schriftbeweis, indem er die Verheißung des neuen Bundes aus Jer 31,31 – 32 zur Geltung bringt, dabei aber drei charakteristische Veränderungen am Text vornimmt: (a) Während in Jer 31,31 der neue Bund dem „Haus Israel und dem Haus Juda“ verheißen wird, ist es in der Petruspredigt ein offenes „euch“ (rl?m), dem diese Zusage gemacht wird und das es erlaubt, die Verheißung auf die nicht mehr zum „Haus Israel“ und zum „Haus Juda“ gehörenden Christen umzuleiten. Wie in Jer 31,32 wird dieser neue Bund (b) von einem früheren Bund abgesetzt, gegenüber dem er eben „neu“ ist, und das ist hier wie dort der nach Ex 24,1 – 8 am Gottesberg geschlossene Bund, den der Verfasser der Petruspredigt mit Dtn 5,2; 28,69; 1Kön 8,9; 2Chr 5,10 am Horeb lokalisiert. In Jer 31,32 wird dieser Bund demgegenüber durch seine erzählerische Einbettung charakterisiert („der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen“; s. auch Dtn 29,24). Und (c) schließlich bezeichnet der Verfasser der Petruspredigt die Generation des früheren Bundes, die Horeb-Generation also, mit Jer 31,32 als „Väter“ derjenigen, denen Gott nun den neuen Bund geschenkt hat. Das ist das eigentlich Interessanteste an diesem Text, wird hierdurch doch der Neuheitscharakter der Gottesverehrung der „Christianer“ dadurch modifiziert, dass diese in die Kontinuität der Geschichte Israels hineingestellt wer5 „Wenn der Mond nicht scheint, feiern sie den sog. ersten Sabbat nicht, auch feiern sie nicht Neumond, nicht das Fest der ungesäuerten Brote, nicht das (Laubhütten-)Fest und nicht den großen Tag (ja· 1±m lµ sek^mg vam0, s\bbatom oqj %cousi t¹ kec|lemom pq_tom, oqd³ meolgm_am %cousim oute %fula oute 2oqtµm oute lec\kgm Bl]qam) (ebd., 3 – 4 [GCS.Clem.Alex. II, 452,10 – 12])“.

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den. Die „Christianer“ befinden sich nicht in einer Äquidistanz zu „Griechen“ und „Juden“, sondern sie gehören in die Abfolge der Generationen Israels hinein. Konsequenterweise nennt der Text die Christen darum auch nicht ein „neues Geschlecht“, sondern er spricht lediglich von einer neuen Weise der Gottesverehrung. Wie sollten sie auch ein „neues Geschlecht“ sein können, wenn die Reihe ihrer Väter sich bis an den Horeb zurückverfolgen lässt? Wir werden auf diesen Sachverhalt später noch einmal zurückkommen. Im Folgenden möchte ich nun auf zwei Wegen weitergehen, die in gegensätzliche Richtungen führen. Zunächst gehe ich von der Petruspredigt aus in die Zukunft. Dabei möchte ich danach fragen, was aus der Rede vom tq¸tom c´mor im weiteren Verlauf des 2. Jahrhunderts geworden ist.6 Dieser Weg ist relativ kurz, denn es gibt auf ihm nur wenige Stellen, an denen es sich lohnt anzuhalten und Umschau zu halten. Er endet bei Tertullian, und das hat seine guten Gründe. Im Anschluss daran gehe ich in die andere Richtung und Frage nach der Vorgeschichte und den Entstehungszusammenhängen dieser Selbstbezeichnung.

II. 1. Unsere erste Station auf dem Weg in die Zeit nach der Petruspredigt ist der Apologet Aristides von Athen. Über die genaue Entstehungszeit seiner Apologie hat sich bis heute keine Gewissheit gewinnen lassen. Sie ist entweder in die Regierungszeit Hadrians (117 – 138) oder in die des Antoninus Pius (138 – 161) zu datieren.7 Überliefert ist sie nicht nur in griechischer Fassung, sondern auch in syrischen und armenischen Übersetzungen, die z. T. nicht nur 6 Hierzu gibt es vor allem den nach wie vor instruktiven Überblick von A. v. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Leipzig 41924, 259 – 289, zu dem auch ein Exkurs über „Die Beurteilung der Christen als drittes Geschlecht seitens ihrer Gegner“ gehört (281 – 289). Darüber hinaus sind zu nennen: P. Corssen, Die Christen als Tertium Genus, Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur 18 (1915), 158 – 171; Chr. Mohrmann, „Tertium Genus“: Les r¦lations judasme, antiquit¦, christianisme, refl¦t¦es dans la langue des Chr¦tiens, in: dies., Êtudes sur le latin des chr¦tiens IV (SeL 143), Rom 1977, 195 – 210; L. Cracco Ruggini, Pagani, Ebrei, Cristiani: odio sociologico e odio teologico nel mondo antico, in: Gli ebrei nell’alto medioevo I (SSAM 26/1), Spoleto 1980, 15 – 101; E. Peretto, Art. Tertium Genus, Encyclopedia of the Early Church 2 (1992) 818; W. Kinzig, Novitas Christiana. Die Idee des Fortschritts in der Alten Kirche bis Eusebius (FKDG 58), Göttingen 1994, 141 – 171. Der von Kinzig, ebd., 153 angeführte Beleg aus TestLevi 12,6 (ja· Qdo¼ 1ste, t´jma lou, tq¸tg ceme²) ist nicht einschlägig, denn hier ist wie in aramTestLevi Col. e, Zl. 81 (Charles 255) von der dritten „Generation“, d. h. den Urenkeln, die Rede. Eine Wiedergabe von ceme² durch „Art“ wäre sprachlich falsch, und darum ist hier weder ein Bezug „auf die (christlichen) Leser“ (so Kinzig, a. a. O., 153) intendiert, noch gibt es für eine Verknüpfung dieses Textes mit der Dreiteilung in TestLevi 8,11 – 15 eine Grundlage. 7 Vgl. dazu K.-G. Essig, Erwägungen zum geschichtlichen Ort der Apologie des Aristides, ZKG 97 (1986), 163 – 188.

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über die griechisch erhaltenen Texte hinausgehen, sondern auch von ihnen abweichen. Letzteres betrifft auch eine Stelle, die für unser Thema von Bedeutung ist. Nach der griechischen Überlieferung eröffnet der Autor seine Ausführungen „über das menschliche Geschlecht“ (1p· t¹ !mhq¾pimom c´mor) mit der Feststellung, „dass es drei Arten von Menschen (tq¸a c´mg eQs·m !mhq¾pym) in der Welt gibt“. Das seien „die Verehrer der bei euch so genannten Götter“ (oR t_m paq’ rl?m kecol´mym he_m pqosjumgta¸), die „Juden“ (’Iouda?oi) und die „Christen“ (Wqistiamo¸) (2,2)8. In den folgenden Kapiteln wird zunächst ausführlich die irregeleitete Gottesverehrung der Barbaren, Griechen und Ägypter dargestellt (Kap. 3 – 13). Anschließend wird sehr knapp über die Juden gesagt, dass sie zwar mit der Verehrung nur eines Gottes der Wahrheit näher sind als alle anderen Völker, auch hätten sie anerkennenswerte ethische Grundsätze, doch seien sie „von der genauen Erkenntnis abgeirrt“, weil „ihr Kult den Engeln gilt und nicht Gott“, was man wiederum an ihrer Kalenderund Festtagsobservanz erkennen könne sowie an der Praxis des Fastens, der Beschneidung und der Speisegebote (Kap. 14). Es folgt dann noch die Darstellung der Christen (Kap. 15 – 16), in deren Verlauf von ihnen gesagt wird: „Diese Art ist wirklich neu“ (16,4). Im Unterschied zur Petruspredigt ist es hier also nicht lediglich die Weise der christlichen Gottesverehrung, die als „neu“ bezeichnet wird bzw. als „dritte Art“ gilt, sondern die Christen selbst werden als ein c´mor bezeichnet, das von der gleichen Art ist wie die c´mg der Juden und Nichtjuden. Dass der Autor sich zumindest metaphorisch durchaus in den Bereich eines Ethnizitätsdiskurses begibt, kann man daran erkennen, dass er an anderer Stelle feststellt, dass die Christen von Christus „abstammen“: oR d³ Wqistiamo· cemeakocoOmtai !p¹ toO juq¸ou ’IgsoO WqistoO (15,1). – Wenn wir jedoch fragen, woran die Unterscheidung zwischen diesen drei „Arten“ sich orientiert, ist die Nähe zur Petruspredigt nicht zu übersehen: Es ist hier wie dort die Gottesverehrung, die die Differenzen markiert, und diese Gemeinsamkeit erstreckt sich schließlich auch darauf, dass es zwischen Christen und Juden mehr Gemeinsamkeiten gibt als zwischen Christen und Nichtjuden bzw. Heiden.9 2. Unsere nächste Station ist die Schrift an Diognet. Sie ist als Werbeschrift konzipiert, die einem nichtchristlichen Publikum die heos´beia, die Religion

8 Die Verehrer der vielen Götter werden dann noch einmal in drei Gruppen aufgeteilt: Chaldäer, Griechen und Ägypter. – Nach der syrischen und der armenischen Überlieferung werden vier Geschlechter der Menschen unterschieden: Barbaren, Griechen, Juden und Christen. 9 Eine anthropologische Beschreibung der ,Neuheit‘ der Christen findet sich auch bei Clemens Alex., Paed. I, 5,15,2, der zu Sach 9,9 schreibt: „Es genügte nicht, nur ,Fohlen‘ zu sagen, sondern er fügte noch das ,jung‘ (t¹ m´om) hinzu, da er auf das Jungvolk der Menschheit in Christus (tµm 1m Wqist` meoka¸am t/r !mhqypºtgtor) … hinweisen wollte“ (GCS.Clem.Alex. I, 99,4 – 6). Mehr als ein entferntes Seitenstück haben wir in diesem Text aber nicht.

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der Christen vorstellen will. Geschrieben wurde sie vermutlich im letzten Drittel des 2. Jahrhunderts. Schon im Proömium zu Beginn seiner Schrift, in dem der Verfasser den Lesern mitteilt, was sie im Folgenden erwartet, stoßen wir auf dasselbe semantische Feld, dem wir auch schon in der Petruspredigt und bei Aristides begegnet sind: Zum einen haben wir dieselben Konstruktionen von Alterität, denn die heos´beia der Christen wird mit denselben Abgrenzungen versehen: Sie verehren (hqgsje¼eim) Gott so, dass sie „weder die Götter anerkennen, die von den Griechen dafür gehalten werden, noch den Aberglauben der Juden beachten“ (oute to»r molifol´mour rp¹ t_m :kk¶mym heo»r koc¸fomtai oute tµm Youda¸ym deisidailom¸am vuk²ssousi; Diogn. 1,1). Zum anderen – und auch dieses Element ist uns schon bekannt – ist mit Bezug auf die Christen und ihr Ethos von einem jaimºm … c´mor C 1pit¶deula die Rede (ebd.). Man kann das nur sehr schwer übersetzen; vielleicht ist „eine neue Art oder Lebensweise“ am besten. Jedenfalls ist c´mor hier anders als bei Aristides, jedoch genauso wie in der Petruspredigt, nicht anthropologisch zu verstehen, sondern der Begriff bezeichnet hier das Ethos: Es bezeichnet die neue Art der christlichen Gottesverehrung und nicht die Christen als ein eigenständiges menschliches Geschlecht. Dementsprechend wird dann im weiteren Verlauf auch der Inhalt der Schrift als ein „neues Wort“ (kºcor jaimºr) bezeichnet (Diogn. 2,1). Es folgt dann wie in der Petruspredigt und bei Aristides erst der Nachweis, warum die griechische Gottesverehrung falsch ist, und dann, warum dasselbe auch für die Gottesverehrung der Juden gilt. Angeführt werden dabei in beiden Fällen dieselben Gesichtspunkte, die wir schon aus den anderen beiden Texten kennen und die darum nicht noch einmal wiederholt zu werden brauchen. 3. Das war es dann aber auch schon. Nur en passant sei noch auf Irenaeus, Demonstr. 8 hingewiesen, wo es wahrscheinlich in Anknüpfung an Röm 3,29 von Gott heißt, er sei „Gott aller, sowohl der Juden als auch der Heiden wie der Gläubigen“ (omnium Deus, et Iudaeorum et gentium et credentium; SC 406,94). Knapp außerhalb des 2. Jahrhunderts können wir eine Andeutung dieser Tradition bei Clemens v. Alexandrien identifizieren, der in Strom. V,14,98,4 [GCS.Clem.Alex. II, 391,3 – 4] zwar zwischen Juden, Griechen und Christen unterscheidet, sie jedoch nicht c´mg nennt, sondern pokite¸ai, „Lebensweisen“. Darüber hinaus orientiert er sich mit ihrer Zählung nicht an der Chronologie (hiernach wären die Christen die ,dritte‘, weil jüngste pokite¸a), sondern an der Qualität der drei pokite¸ai. Dementsprechend sind dann auch nicht die Christen die dritte, sondern die Griechen; die Christen bilden die erste, weil sie die Besten sind.10 Und wenn wir noch ein Stück weiter ins 10 Clemens überträgt hier Plato, Resp. 415a auf das Verhältnis von Juden, Griechen und Christen. Plato unterscheidet anthropologisch zwischen drei Arten von Bewohnern einer Polis: Denen, die zum Herrschen geeignet sind, habe Gott bei ihrer Geburt Gold beigemischt; sie seien darum die Wertvollsten. Die zu „Helfern“ (1p¸jouqoi) Bestimmten hätten Silber beigemischt bekom-

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3. Jahrhundert hinaufgehen, begegnet uns die Selbstbezeichnung der Christen als tertium genus hominum noch einmal ausdrücklich in der zu Beginn der 40er Jahre entstandenen pseudo-cyprianischen Schrift De Pascha computus11, ohne dass sie allerdings weiter erläutert wird. 4. Einen etwas ausführlicheren Blick müssen wir auf Tertullian werfen. Er nimmt gegenüber den bisher besprochenen Texten eine Sonderstellung ein, und das gleich aus mehreren Gründen: Zum einen begegnet bei ihm die Bezeichnung der Christen als tertium genus hominum, die wir bisher nur ganz vereinzelt nachweisen konnten, vergleichsweise häufig. Zum zweiten ist sie bei ihm nicht christliche Selbstbezeichnung, sondern Fremdbezeichnung, die den Christen von außen, von Seiten der nichtchristlichen Mehrheitsgesellschaft beigelegt wird. Und zum dritten schließlich: Tertullian ist dagegen. Er weist die Bezeichnung tertium genus hominum als für die Christen gänzlich unpassend zurück. Schauen wir uns den Textbefund darum näher an: In seiner im Jahr 197 entstandenen Apologie Ad Nationes stellt Tertullian fest: Plane tertium genus dicimur („allerdings werden wir drittes Geschlecht genannt“; Nat. I, 8,1 [CChr.SL I, 21,26]), und in einer anderen, einige Jahre später (ca. 203/204) entstandenen Schrift berichtet er davon, dass die populi nationum, die „Völker der Heiden“, es lieben, im Zirkus zu skandieren: Usque quo genus tertium? („Wo bleibt das dritte Geschlecht?“; Scorp. 10 [CChr.SL II, 1089,15]), und dass sie damit zum einen die Christen meinen sowie zum anderen die Forderung erheben, diese sollten nun endlich ebenfalls zur Unterhaltung der Zuschauer vorgeführt werden. Tertullian spielt hier also auf die Situation der Verfolgung an. Im weiteren Verlauf bemüht er sich dann intensiv um den Nachweis, dass es für diese Bezeichnung der Christen keinerlei Grundlage geben kann. Dabei erkennt er natürlich, dass sie den Christen auf Grund ihrer religiösen Überzeugung beigelegt wurde und nicht weil sie so etwas wie ein „Volk“ sind: de superstitione tertium genus deputamur, non de natione („aus religiösen Gründen werden wir für das dritte Geschlecht gehalten, nicht weil wir ein Volk sind“; Nat. I, 8,11 [CChr.SL I, 22,26 – 27]), „als gäbe es die Römer, die Juden, und danach die Christen“. Aber was sei dann – so fragt er zurück – mit den Griechen oder gar mit den Ägyptern und deren privata curiosaque religio („merkwürdigen und absonderlichen Religion“ ebd., 8,12)? Und darum: „Wenn schon die, die an dritter Stelle stehen, für so abartig gehalten werden, men; während den Ackerbauern und den übrigen Handarbeitern Eisen und Erz beigemischt worden sei. – Clemens identifiziert dann mit der ,silbernen‘ Gruppe die Juden, die Griechen seien „die dritte“, während die Gruppe der Christen diejenige sei, „der das königliche Gold beigemischt ist: der Heilige Geist“ (Ø b wqus¹r b basikij¹r 1cjatal]lijtai, t¹ ûciom pmeOla [GCS.Clem.Alex. II, 391,4 – 5]). 11 Ps.Cyprian, De pascha computus 17 (CSEL III/3, 248 – 271, hier 265,6 f): Über die drei „Knaben“ im Feuerofen von Dan 3 wird hier erzählt, dass das Feuer sie nicht beschädigt habe, weil sie „vom Sohn Gottes beschützt worden sind“, und zwar in mysterio nostro qui sumus tertium genus hominum.

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wie sind dann die einzuschätzen, die an erster und zweiter Stelle vorausgehen“ (porro si tam monstruosi, qui tertii loci, quales habendi, qui primo et secundo antecedunt; ebd., 8,13 [CChr.SL I, 22,31 – 32])? An diesem Umgang mit der Bezeichnung der Christen als tertium genus hominum kann man zunächst erkennen, dass Tertullian keinerlei Interesse daran hat, die ursprüngliche Intention dieser Bezeichnung – nämlich die Christen und ihre Gottesverehrung von derjenigen der Griechen und Juden zu unterscheiden, wie sie den oben besprochenen und erwähnten Texten gemeinsam war – zur Geltung zu bringen. Obwohl er klar erkennt, dass es die Religion der Christen war, die ihnen die Bezeichnung als tertium genus hominum eingetragen hat, benutzt er gerade diesen Bezug, um ihre Unsinnigkeit zu erweisen. Tertium genus hominum – diese Bezeichnung wird bei Tertullian als Schimpfwort erkennbar, mit dem die Christen verunglimpft wurden, und er tut nichts, um es auf der Linie der anderen Texte – von der Petruspredigt bis hin zu De Pascha computus – in einen Ehrentitel umzudeuten. Vielmehr – mit den Worten von Peter Corssen gesagt – „bemüht sich (Tertullian) unter dem ganzen Aufgebot seiner schillernden Sophistik zu beweisen, daß das Wort in keinem Sinne auf die Christen zutreffe, weder in Beziehung auf ihre Nation, noch auf ihre Religion“12. Dass Tertullian keinerlei Interesse daran hat, den ursprünglichen Bezug der Bezeichnung der Christen und ihrer Gottesverehrung als tertium genus zur Geltung zu bringen, muss nicht bedeuten, dass ihm diese Tradition unbekannt war. Als Grund für seine Zurückhaltung in diesem Punkt ist vielmehr zu veranschlagen, dass diese Bezeichnung im Sprachgebrauch seines kulturellen Kontextes mit einem semantischen Profil versehen war, das sie für den Gebrauch als christliche Selbstbezeichnung gänzlich ungeeignet machte. Dass es sich mit beidem tatsächlich so verhält, können wir einem weiteren Text aus der Rede Ad Nationes entnehmen, in dem Tertullian den tertium-genus-Vorwurf an diejenigen zurückgibt, die die Christen mit ihm verunglimpfen: Habetis et vos tertium genus („Auch ihr habt ein drittes Geschlecht“), schreibt er und fährt dann fort: etsi non de tertio ritu („jedoch nicht im Sinne einer dritten Form der Religionsausübung“), sondern de tertio sexu: „das bezieht sich eher auf Männer und Frauen, die aus Mann und Frau zusammengesetzt sind“ (illud aptius de viro et femina viris et feminis iunctum; Nat. I, 20,4 [CChr.SL I, 39,16 – 17]).13 Im Unterschied zu den vorher besprochenen Texten hat genus hier also sexuelle Bedeutung und bezeichnet jeweils das männliche und weibliche Geschlecht. Eben diesen Bezug hatte schon Cicero an erster Stelle genannt, als er 12 Corssen, Christen (s. Anm. 6), 166. 13 Vgl. hierzu Clemens v. Alexandrien, Paed. II, 10,85,2 (GCS.Clem.Alex. I, 209,24 – 25) über „einige, die von Hermaphroditen fabeln und diese dritte, mannweibliche Natur zwischen der weiblichen und der männlichen einführen“ (timer, 2qlavqod¸tour teqatokocoOmter ja· tq¸tgm ta¼tgm letan» hgke¸ar ja· %qqemor !mdqºcumom jaimotoloOmter v¼sim); vgl. auch schon Aristoteles, Hist. An. 579b15 – 29; Gen. An. 757a3 – 13.

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die Bedeutungsmöglichkeiten des Ausdrucks aufzählt: Hominum genus … in sexu consideratur, virile an muliebre sit („die menschliche Species“ – so will ich mal übersetzen – „wird durch das Geschlecht unterschieden, ob einer männlich oder weiblich ist“; Cicero, Inv. I, 35). Erst danach kommt die Unterscheidung in natione, patria, cognatione, aetate („durch Ethnizität, Staatsangehörigkeit, Herkunft und Alter“; ebd.). Dass es im lateinischen Westen ganz offensichtlich eine sexualisierte Vorstellung vom tertium genus gab, geht auch aus zwei weiteren Texten hervor. Der eine stammt wiederum von Tertullian selbst: In seiner Jugendschrift De virginibus velandis lässt er sich im Anschluss an 1Kor 11,3 über bestimmte christliche Frauen aus, die ihm zu unabhängig waren, und schreibt: Si caput mulieris vir est (das ist die Anknüpfung an 1Kor 11,3), utique et virginis, de qua fit mulier illa quae nupsit, nisi si virgo tertium genus est monstruosum aliquod („Wenn das Haupt der Frau der Mann ist, dann im besonderen Maße auch der Jungfrau, aus der eine Frau wird, die geheiratet hat, es sei denn, die Jungfrau bildet irgendein monströses drittes Geschlecht“ (Tertullian, Virg. Vel. 7,2 [CSEL LXXVI, 89,7 – 10]). Dieser Text weist zwar einen anderen Bezug auf als die anderen Tertullian-Texte, doch gehört er unübersehbar derselben Sinnwelt an wie diese. Das kann man schon an der semantischen Schnittmenge erkennen, die er mit ihnen und mit Cicero, Inv. I, 35 gemeinsam hat. Die außerordentliche semantische Stabilität dieser Bezeichnung wird dann auch noch durch einen relativ späten Text bestätigt: In der Historia Augusta heißt es in der Vita des Severus Alexander (reg. 222 – 235), dieser habe die Eunuchen als das „dritte Geschlecht der Menschen“ bezeichnet, (idem tertium genus hominum eunuchos esse dicebat nec videndum nec in usu habendum a viris, sed vix a feminis nobilibus; Hist. Aug. 23,7 [ed. E. Hohl, Scriptores Historiae Augustae I [BiTeu], Leipzig 51971 = 1997, 268]). Der Ausdruck tertium genus hominum ist mindestens in der Umgebung Tertullians mit dem semantischen Profil der Bezeichnung von – mit den Worten Chr. Mohrmanns gesagt – „aberrations sexuelles“14 (und nur mit dieser Bedeutung) zu einer allgemein verbreiteten Fremdbezeichnung für die Christen geworden.15 Es bedarf keines Nachweises, dass die von Tertullian beschriebene Beschimpfung der Christen als tertium genus hominum von Seiten ihrer nichtchristlichen Umwelt mit der christlichen Selbstbezeichnung als „dritte Art“ der Gottesverehrung in der Petruspredigt oder als „drittes Geschlecht“ bei Aristides und in der Schrift an Diognet „nicht das mindeste zu tun (hat)“16. Die bei Tertullian belegte diskriminierende Fremdbezeichnung gehört demge14 Mohrmann, „Tertium Genus“ (s. Anm. 6), 196. 15 Dieser Teil der These von Corssen, Christen (s. Anm. 6), 166 findet darum auch bei Mohrmann, „Tertium Genus“ (s. Anm. 6), 196 Zustimmung. 16 Corssen, Christen (s. Anm. 6), 171; s. auch Harnack, Mission (s. Anm. 6), 286 Anm. 5 im Widerspruch zu seiner bei Anm. 17 genannten Erklärung; A. Oepke, Das neue Gottesvolk in Schrifttum, Schauspiel, bildende Kunst und Weltgestaltung, Gütersloh 1950, 267 („Richtig wird aber sein, daß … die heidnische Bezeichnung nicht aus christlichen Quellen stammt“).

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genüber in einen ganz anderen Diskurs als die in den anderen Texten gebrauchte Selbstbezeichnung. Beide sind unabhängig voneinander entstanden.17 Hiermit möchte ich es bewenden lassen und vor der jetzt natürlich naheliegenden Frage, welches tatsächliche oder unterstellte Verhalten der Christen es denn gewesen ist, das ihnen diese Bezeichnung eingetragen hat18, abbrechen. 5. Wenn wir an dieser Stelle ein kurzes Zwischenfazit ziehen wollen, können wir sagen: Verglichen mit der Prominenz, die der Bezeichnung der Christen als tertium genus hominum in der exegetischen Literatur teilweise zugeschrieben wird, ist die Zahl der Belege überraschend gering. Wenn wir uns Mühe geben, können wir bis Clemens von Alexandrien einschließlich vier Texte identifizieren, die einigermaßen einschlägig sind. Von ihnen werden die Christen aber nur in einem einzigen in anthropologischer Hinsicht als drittes c´mor !mhq¾pym bezeichnet (Aristides, Apol. 2,2; 15,1). Daneben ist von einer „dritten Art“ und „neuen Weise“ der Gottesverehrung die Rede (Ker. Petr., Frgm. 519 und Diogn. 1,1) sowie von drei pokite¸ai, unter denen die Christen aber nicht zur dritten gehören, sondern zur ersten, weil sie die besten sind (Clemens v. Alexandrien, Strom. V,14,98,4). Hinzu kommt noch, dass dieses Motiv seinen Ort in Schriften ganz unterschiedlichen Charakters hat: In der Petruspredigt steht es innerhalb einer Mahnrede, die sich an Christen wendet und sie auffordert, ihre exklusive Identität auch in einem ebenso exklusiven Ethos abzubilden20. Aristides verwendet es als Bestandteil einer Apologie, 17 Gegen J. Jìthner, Hellenen und Barbaren. Aus der Geschichte des Nationalbewusstseins, Leipzig 1923, 93 f; Harnack, Mission (s. Anm. 6), 287; M. Simon, Verus Israel. A Study of the Relations Between Christians and Jews in the Roman Empire (135 – 425), Oxford 1986, 109. Kinzig, Novitas Christiana (s. Anm. 6), 169 f will Sowohl-als-auch-Kurs steuern: Er hält es für „gut denkbar“, dass in der Fremdbezeichnung der Christen als tertium genus „zwei Strömungen zusammenkamen: die polemische Übernahme der christlichen Selbstbezeichnung in antichristlicher Propaganda sowie die Klassifikation der Christen als tertium genus innerhalb des Rechts“ (170). Dieser Weg ist jedoch nicht gangbar: Eine Übernahme und polemische Umbiegung einer christlichen Selbstbezeichnung setzt ihre weite Verbreitung voraus, die angesichts der schwachen Bezeugung des hier zur Debatte stehenden Ausdrucks mit Sicherheit nicht gegeben war. Es spricht demgegenüber sehr viel mehr dafür, dass die Selbstbezeichnung der Christen und ihrer Gottesverehrung als ,dritte Art‘ lediglich eine literarische Existenz führte und nicht nach außen hin in Erscheinung trat. Hinzu kommt noch, dass es für eine Bezeichnung der Christen als tertium genus in der juristischen Literatur keinerlei Beleg gibt. Und auch wenn Ulpian „eine besondere Vorliebe für Dreierschemata“ hatte (Kinzig, a. a. O., 169; welcher antike Autor hatte das aber nicht?; [vgl. G. Delling, Art. tqe?r jtk., ThWNT 9, 215 – 225]), so besagt das gar nichts, denn seine für den Umgang mit den Christen relevanten Schriften sind erst nach Tertullians Ad Nationes entstanden. Außerdem müsste auch erklärt werden, wie es die Bezeichnung der Christen als tertium genus geschafft haben sollte, von der literarischen Existenz in einer juristischen Schrift in den Zirkus von Karthago zu gelangen. 18 Vgl. hierzu, Corssen, Christen (s. Anm. 6), 168 ff. 19 Ed. Cambe (s. Anm. 1), 157. 20 H. Conzelmann rechnet das Kerygma Petri zwar zu den „Vorformen der Apologetik“ (Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-römischen Zeit

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deren fiktiver Adressat der römische Caesar ist. In der Schrift an Diognet findet es seinen Ort innerhalb eines Logos protreptikos, der vor dem Forum eines nichtchristlichen Publikums für das Christentum werben will. Wir können darum mit guten Gründen die Frage stellen, ob es überhaupt erlaubt ist, so etwas wie eine traditionsgeschichtliche Querverbindung zwischen den Texten zu konstruieren und zu behaupten, dass sie trotz aller Differenzen einen gemeinsamen Sprachgebrauch reflektieren. Die sprachlichen und sachlichen Differenzen zwischen den einzelnen Texten sowie der unterschiedliche literarische Charakter der Schriften, aus denen sie stammen, scheinen nämlich ein ganz anderes Resultat nahe zu legen: dass wir es hier nämlich allenfalls mit analogen, traditionsgeschichtlich aber ganz unabhängig voneinander entstandenen Bemühungen zu tun haben, die den Versuch unternehmen, die Eigenart der christlichen Existenzorientierung in Abgrenzung von den beiden kulturell unmittelbar benachbarten Formen der Religionsausübung zu beschreiben. Das hieße jedoch das Kind mit dem Bade ausschütten, denn trotz aller Unterschiede spricht einiges dafür, mit einem traditionsgeschichtlich vermittelten Zusammenhang zwischen den besprochenen Texten zu rechnen. Es gibt nämlich auch eine Gemeinsamkeit, die alle Texte miteinander verbindet und die zu erkennen gibt, dass sie einen gemeinsamen Ursprung haben. Diese Gemeinsamkeit, die wir an den vorliegenden Texten beobachten können, besteht darin, dass Identität und Alterität in übereinstimmender Weise einander zugeordnet werden: In allen Fällen wird die christliche Identität erstens in Abgrenzung von Griechen und Juden zum Ausdruck gebracht, zweitens ist die Reihenfolge immer gleich: erst die Griechen, dann die Juden, dann die Christen, und drittens steht bei der Darstellung der Griechen immer ihre fehlgeleitete Gottesverehrung im Vordergrund: dass sie als Götter verehren, die keine Götter sind und dass sie das Geschaffene anstelle des Schöpfers verehren, dazu Bilder, die aus vergänglichen Materialien von Menschen hergestellt wurden, dazu Lebewesen usw. Diese Übereinstimmung soll nun zum Ausgangspunkt für die Frage nach der Herkunft und dem Entstehungszusammenhang der Rede von den Christen als einem tertium bzw. novum genus hominum werden.

[BhTh 62], Tübingen 1981, 260), doch ist es gerade die auch in den wenigen Fragmenten erkennbare literarische Form, die diese Schrift von jenen Texten trennt, aus denen wir die sog. ,Apologetik“ konstruieren. Von der apologetischen Kritik der paganen Gottesverehrung, wie sie sich z. B. bei Theophilus, Autolyc. 1,10; 2,2 findet, die Conzelmann „ein klassisches Stück Apologetik in jüdischer Tradition nennt“ (a. a. O., 262 mit Anm. 267), unterscheidet sich KerPetr, Frgm. 3a (ed. Cambe [s. Anm. 1], 153 f [2.b Schneemelcher]) gerade dadurch, dass hier anders als bei Theophilus und in den anderen Apologien Christen als Adressaten vorausgesetzt sind.

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Das frühe Christentum auf der Suche nach seiner Identität

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III. 1. Wenn wir mit der Paarbildung beginnen, die auf der Seite der Alterität konstruiert wird, so verrät uns die eigentlich schon alles. Die Abgrenzung der Christen gerade von ,Griechen‘ und ,Juden“ bzw. von deren jeweiliger Gottesverehrung nimmt ein Paradigma auf, das eine wechselvolle Vorgeschichte hat. Es handelt sich nicht einmal um ein ursprünglich christliches Paradigma, denn mit der Gegenüberstellung von ,Griechen‘ und ,Juden‘ wird ein komplementärer Dualismus fortgeschrieben, der seinen Ursprung im Judentum hat und die gesamte Menschheit aus jüdischer Perspektive in Juden und Nichtjuden aufteilt. Das griechische Pendant war die Einteilung aller Menschen in Griechen und Barbaren21, aber die wird hier gerade nicht benutzt bzw. wie bei Aristides der Unterscheidung zwischen den nichtchristlichen Nichtjuden und Juden nachgeordnet. Diesen Dualismus gibt es bereits im Alten Testament, und er ist dann auch durch die gesamte frühjüdische Literatur hindurch nachzuweisen; auch hier heißen die Nichtjuden schon wie dann auch in der Petruspredigt und in der Schrift an Diognet „Griechen“.22 Diese Perspektive wird im Neuen Testament vor allem von Paulus intensiv rezipiert: Er übernimmt nicht nur diese Perspektive, sondern auch er kann die Nichtjuden „Griechen“ nennen.23 Es gibt aber auch einen charakteristischen Unterschied zwischen den frühjüdischen und den paulinischen Ausformulierungen dieses Dualismus einerseits und seiner Rezeption in den Texten aus dem 2. Jahrhundert andererseits: Anders als hier stehen dort immer die Juden an erster Stelle und die Griechen bzw. Heiden an zweiter. Es gibt keinen Text, in dem das anders wäre. Die Übernahme dieses traditionellen Paradigmas erfolgt nicht unverändert. 21 Diese Unterscheidung ist seit Herodot und Euripides belegt (Herodot 1, praef.; 3,139; 4,12; Euripides, Iph. Aul. 1400 f). Als þkkgmer galten alle Menschen und Völker, die von griechischer Sprache und Kultur bestimmt sind, als b²qbaqoi alle, denen griechische Sprache und Kultur fremd waren; vgl. dazu H. Windisch, Art. b²qbaqor, ThWNT 1 (1933), 544 – 551, hier 545,24ff; W. Speyer / I. Opelt, Barbar, JAC 10 (1967), 251 – 290. Im Neuen Testament begegnet sie in Röm 1,14 sowie in Kol 3,11. 22 Vgl. bereits Hos 8,8 („Israel“ und die ~yIAg) und 9,1 („Israel“ und die ~yMi[; [LXX: kao¸]). Neh 5,8 erwähnt ~ydIWhy., die an ~yIAg „verkauft sind“ (2Esr 15,8: ’Iouda?oi und 5hmg). Esth 8,17; 2Chr 32,17: Der „Gott Israels“ und die „Götter der 5hmg t/r c/r“. Tob 13,3; 1Makk 5,63; 7,23; 3Makk 6,9; Joel 4,2; Ez 4,13; 28,25; TestAss 7,3: „Israel und p²mta t± 5hmg“; Josephus, Ant. 18,257; 19,278 spricht von ’Iouda?oi te … ja· þkkgmer als Bewohnern Alexandriens (s. auch Bell. 1,94; 2,266; 2Makk 4,36). – Vgl. auch Irenaeus, Demonstr. 51: „Denn das Volk der Juden wird in hebräischer Sprache nach dem Vater Jakob, der zuerst auch Israel genannt wurde, Israel genannt, Heiden aber nennt [die Schrift] alle [übrigen] Menschen“. 23 Röm 1,16; 2,9.10; 3,9; 10,12; 1Kor 1,22.24; 10,32; 12,13; Gal 3,28 (s. auch Joh 7,35; Apg 14,1; 16,1.3; 18,4; 19,1; Kol 3,11). Anderenorts spricht er von Youda?oi und 5hmg (Röm 3,29; 9,24; 1Kor 1,23; Gal 2,15), oder von Ysqa¶k und 5hmg (Röm 11,25), in metonymischer Umschreibung von peqitol¶ und !jqobust¸a (Röm 2,26 f; 3,30; 1Kor 7,19; Gal 2,7; 5,6; 6,15; s. auch Eph 2,11; Kol 3,11) oder von peqitol¶ und 5hmg (Röm 15,8 – 9).

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Ich will diesen Sachverhalt einstweilen nur feststellen. Zum Schluss will ich aber noch einmal auf diese Differenz zurückkommen und eine Erklärung vorschlagen. 2. Ist die Aufmerksamkeit einmal dafür geweckt, dass mit der Darstellung der Christen als „drittes“ oder „neues“ c´mor ein ursprünglich jüdisches Paradigma aufgenommen und fortgeschrieben wird, fällt es nicht schwer, an diese Perspektive weitere Elemente anzudocken, die in dieselbe Richtung weisen. An erster Stelle zu nennen ist hier natürlich die Darstellung der „Griechen“. Wenn es z. B. in der Petruspredigt von ihnen heißt, dass sie „Holz und Steine, Erz und Eisen, Gold und Silber zu Gestalten geformt, (als Götter) aufgestellt haben und verehren; außerdem … die Vögel in der Luft und die Schwimmtiere des Meeres, die Kriechtiere der Erde mit den vierfüßigen Tieren des Feldes, Wiesel und Mäuse, Katzen, Hunde und Affen“ (Clemens v. Alexandrien, Strom. VI, 5,40,1 – 2 [GCS.Clem.Alex. II, 451,22 – 452,3]; Frgm. 3a, ed. Cambe, 153 f; 2.b Schneemelcher), dann ist geradezu mit den Händen zu greifen: Hier werden die klassischen jüdischen Stereotypen der Beschreibung der Gottesverehrung der anderen Völker reproduziert. Diese Tradition ist so verbreitet, dass sich der Hinweis auf einzelne Texte erübrigt; wir finden sie von den Quellen des Pentateuch (z. B. Num 33,52) bis hin zur Johannesoffenbarung (z. B. Apk 9,20) – wenn wir uns darauf beschränken, diesen allgemeinen Rahmen abzustecken. Dieselbe Beschreibung paganer Religiosität aus jüdischer Perspektive wiederholt sich dann auch in der Apologie des Aristides (Kap. 3 – 13) und in der Schrift an Diognet (2,2 – 9). Wir können also sagen: Es ist nicht nur die Gegenüberstellung von „Griechen“ und „Juden“, die sich jüdischer Perspektivität verdankt, sondern auch die Wahrnehmung und Darstellung des Unterschieds zwischen jenen und diesen lassen erkennen, dass die Identifikation der Christen und ihrer Gottesverehrung als „dritte Art“ (KerPetr bei Clemens v. Alexandrien, Strom. VI, 5,41,6 [GCS.Clem.Alex. II, 452,18]; Frgm. 5, ed. Cambe, 157; 2.d Schneemelcher) oder „neue Art“ (Aristides, Apol. 16,4; Diogn 1,1) eine jüdische Vorgeschichte hat. 3. Dieser besonderen jüdisch-christlichen Affinität innerhalb des Dreierschemas entspricht auch, was wir schon zu Beginn beobachten konnten: In dem ältesten der drei hier zur Debatte stehenden Texte, der Petruspredigt, wird die neue Art und Weise der christlichen Gottesverehrung nicht nur von der in Jer 31,31 – 32 ausgesprochenen Verheißung des neuen Bundes her legitimiert, sondern auch ausdrücklich und in Veränderung des Jeremia-Textes vom Horeb-Bund abgegrenzt24. Und wenn die Horeb-Generation Israels dann auch noch „eure Väter“ genannt wird, so können wir daran erkennen, dass auch das christliche Identitätsmanagement, das die Petruspredigt betreibt, noch ein Bestandteil des christlich-jüdischen Trennungsprozesses ist.

24 S.o. S. 282 f.

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Das frühe Christentum auf der Suche nach seiner Identität

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IV. 1. Zu einer noch präziseren Standortbestimmung können wir gelangen, wenn wir noch einen kurzen Blick auf die paulinische Bearbeitung des christlichjüdischen Trennungsprozesses werfen. Wir hatten oben gesehen, dass die jüdische Unterscheidung zwischen Israel und den Völkern, die auch unsere tq¸tom-c´mor-Texte rezipieren, in ganz vielfältiger begrifflicher Varianz auch schon in den paulinischen Briefen als Bestandteil eines christlichen Identitätsmanagements rezipiert wird. Wir hatten ebenfalls gesehen, dass bei Paulus die Reihenfolge immer eine andere ist: nicht ,Griechen – Juden‘ wie in den tq¸tom-c´mor-Texten, sondern ,Juden – Griechen‘. Darüber hinaus gibt es aber auch noch eine weitere Differenz, und sie ist es, die uns den Ansatzpunkt für eine weitere Profilierung liefert: Im Unterschied zu den tq¸tom-c´mor-Texten gibt es bei Paulus noch keinen Begriff, mit dem das Duo ,Griechen – Juden‘ bzw. ,Juden – Griechen‘ zu einer Trias erweitert wird, denn die Bezeichnung Wqistiamo¸ kannte Paulus noch nicht.25 Wir könnten m. E. sogar so weit gehen und – rein hypothetisch natürlich – postulieren, dass Paulus diese Bezeichnung durchaus gekannt haben könnte, dass er sie aber nicht benutzt, weil sie ihm nicht ins theologische Konzept passt. Im Unterschied zu unseren tq¸tom-c´mor-Texten ist für Paulus vielmehr charakteristisch, dass überall dort, wo bei ihm zur traditionellen jüdischen Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden etwas Drittes hinzutritt, dieses Dritte nicht einfach die Reihe verlängert, sondern dass es die Unterscheidung aufhebt: Weder peqitol¶ noch !jqobust¸a, sondern „neue Schöpfung“, schreibt er in Gal 6,15. Oder in 5,6: weder peqitol¶ noch !jqobust¸a, sondern „Glaube, der durch Liebe ins Werk gesetzt wird“; oder in 1Kor 10,32: „Juden und Griechen und die Ekklesia Gottes“.26 Dass Paulus die christliche Identität nicht als eine Größe bestimmt, die zu Juden und Heiden 25 Diese Bezeichnung ist im Neuen Testament in Apg 11,26; 26,28; 1Petr 4,16 belegt. Nach Apg 11,26 hat man die Anhänger Jesu erstmals in Antiochien Wqistiamo¸ genannt. Es handelt sich um eine latinisierende Analogiebildung zu Bezeichnungen wie ,Caesariani‘ (z. B. Cicero, Att. 6,8,2) oder ,Pompeiani‘ (z. B. Cicero, Sull. 61) oder ‘Gqydiamo¸ (Mk 3,6; 12,13). Die so Bezeichneten werden damit als Anhänger einer Person namens ,Christus‘ gekennzeichnet. Es handelt sich um eine Fremdbezeichnung, die den ,Christen‘ in Antiochien von außen, und zwar genauer von nichtjüdischer Seite beigelegt wurde, denn nur für sie war ,Christos‘ ein Name (vgl. Sueton, Vit. Caes. Claudius 25,4; Tacitus, Ann. 15,44). Weil für Juden ,Christos‘ kein Eigenname, sondern Messiasbezeichnung war, wäre die Bezeichnung ,Anhänger des Messias‘ für eine andere Gruppe von jüdischer Seite aus schlechterdings undenkbar. Mit der Bezeichnung ,Anhänger des Christus‘ sollten die antiochenischen Christen damit von den Juden unterschieden werden. Zu den weiteren Hintergründen vgl. M. Wolter, Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie, Neukirchen-Vluyn 2011, 33 f. 26 Vgl. auch Röm 1,16 (Jude und Grieche – „jeder, der glaubt“); 10,12 (nicht Jude und Grieche, denn er ist der „Kyrios von allen“); 1Kor 7,19 (nicht Beschneidung, nicht Vorhaut, sondern das Halten der Gebote Gottes); 1Kor 12,13 (Juden oder Griechen – ein Leib); Gal 3,28 (nicht Jude, nicht Grieche – „einer in Christus Jesus“).

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als etwas Drittes hinzutritt, sondern jenseits dieser Unterscheidung angesiedelt werden soll, wird vor allem in 1Kor 1,18 – 25 erkennbar, wo er die Eigenart des Evangeliums als „Wort vom Kreuz“ (V. 18) erklärt: Er unterscheidet hier zwischen zwei Gruppen von Menschen: Auf der einen Seite stehen Menschen, die das Kreuz für eine „Kraft Gottes“ halten, die „glauben“, die „gerettet werden“ und die „berufen sind“ (V. 18b.21.24) – das sind „wir“ (V. 18b). Ihnen stehen auf der anderen Seite Menschen gegenüber, die „ins Verderben gehen“, die das Wort vom Kreuz für eine „Torheit“ halten und für die das Wort vom Kreuz ein „Ärgernis“ ist (V. 18a.23b.c). Das sind, so möchte man sagen, die anderen. – Für unser Thema wichtig ist nun, dass das dreimalige Gegenüber von „Juden“ auf der einen Seite und „Griechen“ bzw. „Heiden“ auf der anderen in V. 23 – 24 quer zu jenem Dualismus steht, denn Juden und Griechen/Heiden finden wir auf beiden Seiten wieder : „Wir verkündigen Christus als Gekreuzigten, für die Juden ein Ärgernis, für die Heiden eine Torheit, für die Berufenen selbst aber – für Juden wie für Griechen – Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“

„Juden“ und „Griechen“ gibt es also sowohl auf der Seite der „Welt“ und der „Torheit“ und unter denen, „die ins Verderben gehen“, als auch auf der anderen Seite: auf der Seite „Gottes“ und der „Weisheit“ und derjenigen, „die gerettet werden“, der „Glaubenden“ und der „Berufenen“. Kriterium ist jeweils, wie die Menschen – egal, ob sie Juden oder Heiden sind – zum „Wort vom Kreuz“ stehen. Paulus lässt hier nicht weniger als eine völlig neue Menschenwelt entstehen, und darum ist unser Text nicht so weit von dem entfernt, was er in Gal 6,15 schreibt: „Nicht Beschneidung gilt noch Unbeschnittenheit, sondern neue Schöpfung“. Paulus geht mit der überkommenen jüdischen Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden also ganz anders um als unsere tq¸tom-c´mor-Texte: Er schreibt sie nicht fort, indem er die Christen hinten dranhängt, sondern er entwickelt ein Konzept von der Wirklichkeit Gottes, in der diese Unterscheidung keine Rolle mehr spielt. „In Christus“ hat Gott vielmehr die gesamte Menschheit neu erschaffen. Wie konsequent Paulus diese ontologische Struktur seiner Theologie durchgezogen hat, kann man auch daran erkennen, wie er mit seiner eigenen jüdischen Identität umgeht: Zweimal, in 2Kor 11,22 und in Phil 3,5, nennt er sich ausdrücklich „Hebräer“, und in beiden Texten gebraucht er diese Bezeichnung als einen archaisierenden Ehrentitel, mit dem er seinen ethnischen Adel betont. Das ist aber nur die eine Seite. Auf der anderen Seite ergibt sich ein ganz anderes Bild: Beide Texte sind nämlich in einen literarischen Zusammenhang eingebettet, in dem Paulus sich von eben dieser Selbstbezeichnung wieder distanziert. In 2Kor 11,16 – 21 schickt er einen Text voraus, der sie als Bestandteil einer Narrenrede bzw. als ein Rühmen „in fleischlicher Weise“ (jat± s²qja; V. 18) bezeichnet und als ein Reden, das „nicht dem Herrn gemäß“ ist (oq jat± j¼qiom; V. 17). Entsprechendes gilt für Phil 3,5: Für Paulus

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gehört der Stolz darauf, „Hebräer von Hebräern“ zu sein (V. 5), zu jenem „Vertrauen auf Fleisch“ (V. 4), auf das diejenigen, die „im Geist Gottes dienen und sich in Christus Jesus rühmen“, gerade verzichten (V. 3). Man kann darum nicht einmal sagen, dass Paulus eine Hierarchie herstellt und seine jüdische Identität der christlichen unterordnet. Das wäre viel zu wenig. Er sieht diese beiden Identitäten vielmehr durch eine kategoriale Differenz voneinander getrennt: Seine so stolz daherkommende Feststellung, „Hebräer (von Hebräern)“ zu sein, bezeichnet für ihn – schaut man genauer hin – immer nur eine Wirklichkeit „nach dem Fleisch“ (jat± s²qja) oder „von Menschen“ (1n !mhq¾pym) (2Kor 11,18; Phil 3,3 – 4; s. auch Röm 2,29; 9,3) und gerade nicht die Wirklichkeit der „neuen Schöpfung“ Gottes, die es nur „in Christus“ gibt (Gal 6,15; s. auch Röm 2,29; 2Kor 11,17; Gal 5,6). 2. Was ergibt sich für unser Verständnis der tq¸tom-c´mor-Texte, wenn wir sie vor dem Hintergrund dieses Befundes interpretieren? Zunächst einmal sicher dies: dass die traditionelle jüdische Unterscheidung zwischen Juden und Griechen nicht wie bei Paulus für aufgehoben erklärt wird, sondern bestehen bleibt und um das c´mor der Christen erweitert wird, findet seine Erklärung darin, dass alle Texte auf den christlich-jüdischen Trennungsprozess als auf einen abgeschlossenen Vorgang zurückblicken. In diesem Sachverhalt wird zum anderen das verständliche Scheitern der christlichen Israelmission erkennbar. Denn wenn das Judentum sich auf die mit dem Christus-Glauben notwendig einhergehende theologische These eingelassen hätte, dass „in Christus“ der Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden aufgehoben ist, wie es Paulus nicht müde wird zu behaupten, hätte es seine Besonderheit, das aus den Völkern erwählte Eigentumsvolk Gottes zu sein, aufgeben müssen. Nur dadurch, dass das Judentum sich in seiner Mehrheit gegen die Botschaft von Jesus Christus entschieden hat, konnte es Judentum bleiben. In dieselbe Richtung weist zum Dritten schließlich die Umkehrung der Reihenfolge von ,Juden–Griechen‘ in den frühjüdischen und neutestamentlichen Texten zu ,Griechen–Juden‘ in den tq¸tom-c´mor-Texten des 2. Jahrhunderts: Wir können sie erklären als eine interpretatio Graeca des ursprünglichen Duals. Die ursprüngliche Reihenfolge auf der Alteritätsseite wird umgedreht, weil es nicht mehr wie noch bei Paulus das jüdische Wirklichkeitsverständnis war, gegenüber dem die christliche Identität expliziert werden musste, sondern die pagane Umwelt der christlichen Gemeinden.27 Die größte 27 Ein Schritt auf diesem Weg ist bereits in Kol 3,11 erkennbar, wo mit der Reihenfolge ,Grieche – Jude‘ begonnen und die Reihe dann durch „Barbar, Skythe“ fortgesetzt wird. Zur Erklärung vgl. E. Schweizer, Der Brief an die Kolosser (EKK), Zürich u. a. / Neukirchen-Vluyn 1976, 150 („Kol 3,11 will nur die alte religiöse Gegenüberstellung modernisieren, vielleicht gerade weil Beschneidung und Unbeschnittenheit nicht mehr aktuell … sind“) und G. Dautzenberg, „Da ist nicht männlich und weiblich“. Zur Interpretation von Gal 3,28, Kairos NF 24 (1982) 181 – 206, hier 200 (das Gegenüber werde jetzt „aus der Perspektive der griechisch sprechenden heidenchristlichen Gemeinde“ formuliert).

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Nähe zu ihrem ursprünglichen Verwendungszusammenhang ist noch im Kerygma Petri zu erkennen. Daraus kann man mit guten Gründen schließen, dass die Texte nicht nur literarisch nicht voneinander abhängig sind, sondern dass sie auch durch keinen innerchristlichen Traditionszusammenhang miteinander verbunden sind. Es handelt sich vielmehr um voneinander unabhängige Fortschreibungen der überkommenen Einteilung der Menschheit in Juden und Nichtjuden (vulgo ,Heiden‘), die das frühe Christentum aus dem Judentum übernommen hat.

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Appendices

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Verzeichnis der Autoren

Hermut Löhr, Prof. Dr., Neutestamentliches Seminar, Evangelisch-Theologische Fakultät, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Markus Öhler, Prof. Dr., Institut für Neutestamentlichen Wissenschaft, Evangelisch-Theologische Fakultät, Universität Wien Jonathan A. Draper, Prof. of New Testament, School of Religion and Theology, University of KwaZulu-Natal Judith Lieu, Lady Margaret’s Prof. of Divinity, School of Divinity, University of Cambridge Paul-Gerhard Klumbies, Prof. für Biblische Wissenschaften unter besonderer Berücksichtigung des Neuen Testaments, Institut für Evangelische Theologie, Universität Kassel Angela Standhartinger, Prof. für Neues Testament, Fachbereich Evangelische Theologie, Philipps-Universität Marburg James D.G. Dunn, Em. Lightfoot Prof. of Divinity, University of Durham Wolfgang Wischmeyer, Prof. Dr., Institut für Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Christliche Kunst, Evangelisch-theologische Fakultät, Universität Wien Ferdinand R. Prostmeyer, Prof. für Neutestamentliche Literatur und Exegese, Theologische Fakultät, Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg Michael Lattke, Em. Prof., Honorary Consultant, School of History, Philosophy, Religion & Classics, University of Queensland Markus Lang, Mag. Dr., Institut für Neutestamentlichen Wissenschaft, Evangelisch-Theologische Fakultät, Universität Wien

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Verzeichnis der Autoren

Ulrich H.J. Körtner, Prof. Dr.Dr.h.c., Institut für Systematische Theologie und Religionswissenschaft, Evangelisch-Theologische Fakultät, Universität Wien Michael Wolter, Prof. Dr., Fachbereich für Neues Testament, EvangelischTheologische Fakultät, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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Autorenregister

Adamik 25185 Aland 1013, 1024, 1026, 104, 10416, 10418, 10419, 10420, 10731, 11038, 11040, 11144, 11350, 21923, 22128, 22133, 22239, 22342, 22345, 22446 Alberry 24451 Alföldy 4273, 4382 Allert 12625 Ameling 1517 Andresen 12412, 12415 Ascough 3747, 3749 Auberger 171, 17111 Ausbüttel 3644, 3746 Bailey 532 Bakker 3641 Balch 1413, 2044, 4172, 4592 Baldwin 68 Baltes 14296, 14298, 14299, 142100 Baltussen 9635 Bardy 9840 Barkenings 27665 Barkûczi 50109 Barnes 9633 Barnikol 1013 Barrier 24977 Bastianensen 25184 Bauch 27982, 27983 Bauckham 71, 2389, 23810, 23811, 23812 Bauer 1013, 1029, 10311, 10528, 12519, 15614, 21923, 22128, 22133, 22239, 22342, 22345, 22446 Baur 10210, 11245, 115, 11560 Becker 27028 Bellinzoni 12625, Benko 1411 Bertram 1808

Best 2148 Bethge 28190 Beutler 3212 Binternagel 20759 Blinzler 2361 Böhm 22551 Bolyki 25596 Bömer 30, 301, 3321, 3322, 3431, 3533, 3539, 4699 Bond 2361, 256105 Bonhoeffer 28190 Bonnet 25080 Borg 171, 1719 Bousset 10210, 10314, 10528 Bovon 12088, 2388, 23813, 24452, 25185, 25388, 25597, 25698 Bowie 1704, 24027, 24347 Bradley 4273, 24344 Brakke 823 Brant 24242 Bremmer 24347,24553, 24555, 24559, 24767, 24872, 24977, 25079, 25184, 25185, 25390, 25596 Brent 17317 Brockelmann 22134 Broer 4168, 4169 Brox 1836, 3962, 4276, 4379, 50111, 1794, 19551 Bultmann 266, 26614, 26615 Burchard 24237, 24238 Burge 53, 56 Burridge 16442 Burrus 24347, 25597 Bury 8612 Calvin 265, 2659, 273, 274, 275, 27560, 276, 27665, 277, 27773, 27774, 278

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Autorenregister

Cambe 2821, 284, 29119, 29220, 294 Campell 44, 4487 Campenhausen 1223, 12416, 12417, 12518, 13668, 144111 Cartledge 4273 Chadwick 19655 Charles 66, 2856 Clarke 23811 Clauss 3314, 3319, 3428, 3430 Collins 16441, 16445 Colpe 27033 Conzelmann 27028, 271, 27137, 29220 Corssen 2856, 289, 28912, 29015, 29016, 29118 Cox 24026 Cracco Ruggini 2856 Crick 265 Cullmann 81, 812 Darbo–Peschanski 20759 Dassmann 2043 Dautzenberg 29727 Davids 3959 Davis 24347 De Aguado 185, 18523 De Andi‚ 8614 De Marguerat 23811 De Saussure 54 Dederich 27349 Delling 29117 Denis 2558 Des Places 14296 Dibelius 22342 Diels–Kranz 20757 Dillon 145115 Dobschütz 23914 Dodd 2660 Donfried 15921, 16128, 16229, 16550, 16757 Dorcey 302, 315, 3210, 3211, 3314, 3316, 3318, 3319, 3320, 3321, 3426, 3427, 3430, 35, 3532, 3533, 3534, 3535, 3536, 3537, 3539, 3642, 3745, 3858, 48105, 50110 Dörner 27984

Dörrie 14296, 14298, 14299, 142100 Draisma 11454 Draper 531,55, 64, 74, 75, 78 Droge 12726, 145, 145114 Dube 531 Duling 63 Dunderberg 1225, 12518, 13667, 13878 Dunn 24347 Dux 2634 Dworkin 265, 26513, 266 Ebel 3643, 3746, 3752, 3857 Ebner 25183 Eck 111, 15, 1518 Edmonson 4273, 4274 Egger 24347 Ehrhard 18421 Eibach 27984 Eliade 56 Elliott 3960, 3962, 40, 4063, 4064, 4067, 4170, 4275, 4484, 4487, 4490, 4591, 4592, 4698, 47100, 48104, 23813 Engberg-Pedersen 4696 Erlemann 316 Ernst 12091 Esler 2364, 2389 Essig 2856 Fallon 13774 Feldmeier 3960, 4065, 4066, 4170, 4275, 4485, 4489 Ferguson 1941 Fischer 1733, 1840 Fleury 1702, 171, 17111, 17113, 17114, 176, 17628 Foerster 12310 Foster 9843, 1013, 11143, 11458, 11563, 11775 Foucault 2645 Frank 2043 Fredouille 2821 Freund 20759 Friedrich 27028 Friesen 303, 4381

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Autorenregister Fröhlich 12414 Fuentes-Utrilla 63 Gadamer 58 Geerlings 24 Geerts 12520 Geffcken 12726, 2153, 21817, 23355 Geldenhuys 11775 Gercke 24345 Gesang 2648 Geyer 1014 Gielen 1415, 2043, 4172, 4275, 4378, 4591 Gildemeister 19655 Glancy 2146, 2252,2253 Glass 53, 57 Goodenough 12728, 13039 Goodspeed 2153, 22551 Goulder 2364 Graham Brock 24452, 25185, 25698, 256101, 257104 Grant 1223, 12416, 12518, 13881, 185, 18524, 186, 18629 Gregory 9843, 1531, 1547, 15511, 15613, 15715, 15817, 15820, 16023, 16551, 16963 Gremmels 28190 Greschat 1014, 1026, 1028, 10312, 10314 Gross 2646 Guevara 2646 Griffin 9633 Hackel 3212, 3538 Hadas 24241, 24242 Hagedorn 21713 Hagen 21167 Hagner 1533, 1547, 15510, 15511, 15612, 15614, 15715, 15817, 15818, 16024 Hameter 3212 Harland 3751, 4699 Harnack 825, 9328, 1011, 1025, 1029, 103, 10311, 104, 10416, 106, 11245, 11349, 11351, 11451, 11452, 115, 11776, 11881, 1224, 1791, 1793, 184, 18422, 185, 186, 193, 19344, 196, 209, 21065, 2856, 29016, 29117

305

Harrill 111, 136, 14, 1413, 1414, 19, 1941, 2045, 2149, 23, 2354, 4483 Harris 21712, 24345 Hauser 13040, 13143, 13250, 13563, 144110 Hayduck 12415, Hays 11458, 11668, 11669, 11671 Heckel 3960, 4169 Hedrick 24242 Heinisch 13039 Heitsch 22550 Hellermann 3749 Hellholm 1735 Helm 12832 Henderson 17114, 17316 Hengel 15612, 16441, 16442, 16445 Hennecke 23355, 23356 Herz 301, 3321, 3322, 3431, 3533, 3539, 4699 Hilgenfeld 115, 11561 Hilhorst 24977 Hill 1548 Hills 23811 Himpel 21610 Hirshman 13039 Hock 24344 Hohl 290 Hoffmann 10313, 11566 Hofmann 24347 Holl 13670, 13880 Holmes 15715 Honecker 28188 Horbury 8611 Horrell 3961, 4063, 4065, 4068, 4171, 4381, 44, 4488, 45, 4591, 4696, 47102, 47103, 22345 Hübner 18, 28188 Humer 3212 Irsigler 19446 Jobes 3959, 4063, 4591 Johnson 2251, 24242 Joly 18 Jonas 1012, 10313 Jones 2832 Jongen 265, 26510, 27880

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Autorenregister

Jörns 4380 Julius 22654 Jüngel 27558 Junod 24026, 24555, 25080 Jüthner 29117 Kaestli 24347, 24555, 25080 Kähler 16340 Kandler 3212 Keck 16442 Kertelge 2364 Kienast 1792 Kierkegaard 280, 28085 Kimmelman 68 King 125, 12520 Kinzig 11245, 2856, 29117 Kippenberg 304 Klauck 316, 24450 Kleijwegt 25391 Klinghardt 113, 114, 11458, 115, 11564, 11565, 11668, 11669, 11670, 11672, 11673, 11775 Kloppenborg 3747, 3749, 9943 Klumbies 10832, 10833, 11041, 11247, 11878, 11879, 11881, 11986, 12193, 12194 Koch 11042, 11879 Koester 12625, 1531, 154, 15510, 15614, 158, 15818, 15921, 15923, 16229, 16231, 16442, 16443, 16548, 16549, 16652 Knox 825, 11458, 11667 Knust 12517 Köhler 15612, 15715, 15817, 15819, 16023, 16230, 18526 Körtner 1837, 1838, 12193, 19553 Kötzel 25183 Köster 12831, 15818 Kraft 104, 10417, 13357, 2166, 22551 Krause 20861 Kremer 3212 Krüger 10311, 2648 Kuhlmann 27981 Kühneweg 1224, 12310, 12416, 12517, 12518, 13668

Labahn 4593 Lalleman 24555, 24869, 24872, 24874, 24875, 24976, 24978 Lamberton 9634 Lampe 16, 1628, 1225, 12412 Landmesser 2155, Lattke 2153, 2154, 2169, 21715, 22549 Layton 12518 Le Boulluec 8610, 8919 Lechner 18, 171, 1718, 17112, 174, 17419 Leutzsch 1837, 1838, 27, 2763, Levi 17522 Levi–Strauss 54 Lidell–Scott 2832 Liebengood 4063 Lieu 847, 859, 9430, 9843, 10833, 1221 Liew 532 Lightfoot 153, 1533, 15614, 195 Lindemann 1732, 10311, 10311, 10421, 10528, 10935, 10937, 11144, 11246, 11351, 11452, 11879, 18527, 26923, 26924, 27027, 27029, 27030, 27031, 271, 27135, 27347, 27348 Link 2155 Lipsius 25080 Liwak 4380 Löhr 1839, 2659, 9738, 1028, 12416, 12517, 13566, 13669, 141, 14195, 17317 Lona 1731, 313, 15612, 15817, 20862, 21167, 21168, 21714 Longenecker 4063 Loofs 2166, 22240, 23356 Lopez-Rodr†gez 63 Lorand D¦szpa 329, 3320 Lüdemann 1224, 1238, 12518, 13565 Luther 273, 274, 275, 27557, 277, 278 Lyman 8613 Luz 16446 Macdonald 111, 2146, 24347, 24554, 24763, 24764, 24766, 24767, 24771, 24774, 24871, 24874 Mach 12517 Mack 314

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Autorenregister Mair 4380 Mandilaras 24660 Marcovich 1410, 1412, 1806, 186, 18630, 188, 189, 196 Markschies 9738, 9842, 1225, 1236, 1238, 1239, 13566, 13669, 13773, 141, 14195, 142100, 142103, 271, 27136 Marjanen 16755 Marquard 267, 26716 Mart†n 18215, 186, 18631, 188, 196, 20963 Martinez 60 Marx 263 Massaux 1532, 15511, 15612, 15715, 15716, 16024, 16230 Matthews 24452, 25185, 25698 Mattingly 21712 May 1013, 1026, 1028, 10311, 10312, 10416, 11039, 11040, 11245 Meeks 112, 15, 1516, 2375, 25596 Meiser 1026, 1028, 10312 Misset–Van de Weg 25184 Mûcsy 50109 Mohrmann 2856, 290, 29014, 29015 Moll 825, 1011, 1025, 1028, 10313, 104, 10422, 10523, 10524, 10525, 10527, 10935, 11143, 11877 Morgan 2388, 24020, 24131 Müller 2456, 2457, 24345 Munier 137, 139 Nagel 2376 Nasrallah 12623, 1715 Nenninger 3210 Nestle–Aland 2044 Neymeyer 1224, 12518 Niederwimmer 2455, 19550 Niehoff 846, 96, 97, 9736, 9737 Nietzsche 264 Norden 13667, 17629, 24345

Öhler Oepke Opelt Ortner

2042, 4593 29016 29321 12520

Osiek 1413, 2044 Otto 11248, 11348, 184, 18420, 185, 186, 189, 191 Overwien 24028 Palmer 3322, 3423, 3424, 3425, 3536 Pannenberg 263, 2632, 2633 Parson 18528 Paulsen 173, 2833 Pausch 1717 Payne Smith 21923, 22134, 22345, 22446 Peretto 2856 Perkins 24344, 256103 Pervo 2388, 24025, 24130, 24243, 24767 Pietsch 14296, 14298, 14299, 142100, Pilhofer 3315, 3747, 3748, 3749, 3750, 3751, 3752, 3853, 3856, 3857, 18111 Plessner 263, 2634 Pokorny´ 3960, 4169, 27033 Popp 4377, 4486 Pouderon–Pierre 21711, 21712, 21713, 22344, 22553 Poupon 25388, 25389 Pratscher 1732, 1735, 1839, 11667, 1549, 15921, 16549, 16960, 1701, 17317, 18632, 18737, 20758, 21168 Prieur 24554, 24555, 24556, 24557, 24558 Prostmeier 4172, 4276, 18110, 18214, 21065, 21167, 21168 Quispel

12310, 13565, 13668

Radl 11878 Rajak 12517 Rebenich 174, 17420, 17527 Reichert 3961 Reinmuth 267, 26717, 26719, 272, 27242, 27243, 27244, 27245, 28189 Rhee 23813, 23915, 24025, 242, 24239, 24348, 24449, 25597 Ritschl 115, 11559 Rizzi 1716, 175, 17521, 17523, 17524, 177, 17731 Robinson 21712

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308

Autorenregister

Rohde 23914, 23915 Roloff 2250 Rordorf 58, 24660, 24765, 24767, 24977 Roth 1013, 11563, 11776 Rudolph 10417 Rousseau 9022 Russell 21167 Rütten 1239, 13668, 13877 Said 54 Sandes 4696 Schäferdiek 2376, 24557 Schelkle 4489 Schenk 11454 Schenke 27033 Schipp 2167 Schlapbach 1719 Schlier 27032 Schmelling 24130 Schmid 9944, 10934, 10936, 11453, 11454, 11455, 11563 Schmidt 1702, 17111, 17113, 17114, 17628, 24662, 24874 Schmithals 11775, 11880 Schnackenburg 2661, 18214, 19242, 19243, 26821, 27027, 27028, 27134 Schneemelcher 2456, 2376, 25079, 2821, 2834, 284, 29220, 294 Schneider 2364 Schnell 27349 Schnelle 4169, 11457, 11987, 12089, 12090 Schöllgen 112, 1415 Schrage 1630 Schröger 4592 Schubert 21167 Schulz 11982, 11985, 12089 Schumacher 135, 3315 Schwanz 27879 Schwartz 2166 Schweizer 29727 Scott 2832 Sedley 9633, 9635 Seeberg 23355 Segal 314

Segovia 532 Sellin 11879, 26822, 26925, 271, 27134, 27138, 27239, 27241 Sennelart 2645 Shea 24242 Sherwin-White 12, 135 Sigismund 3962 Simon 29117 Skarsaune 12831, 13039, 13249 Sloterdijk 264, 2647, 265 Smith 304 Soding 3962, 4170 Sokoloff 22134 Söder 239, 23917 Solin 15, 1519, 1520, 1521, 1522, 1523, 1524, 1525, 1526, 1527, 1629 Speyer 29321 Staley 53, 57 Starr 4696 Stegemann 26822 Stemberger 13774 Stephens 24347 Stoll 3315 Stoneman 2388, 24020, 24131 Stoops 24767, 25389, 25699 Strathmann 1819 Streeter 1534 Stuhlmacher 16442 Stylianopulos 12416, 131, 13147, 13249, 13354, 13355, 13357, 13458, 13459, 144111 Swanson 53, 56, 57 Szaif 22550, 22551 Talbert 24129 Tatum 24347, 256103 Theißen 21064 Thomas 2377, 24344, 24452 Thomassen 1239, 12519, 142103 Thraede 2043 Tillich 28086, 28087 Tischer 20759 Towner 2251 Trobisch 11669 Tröger 2376

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Autorenregister Tuckett 12091, 1531, 1547, 15511, 15715, 15820, 16023, 16229, 16549, 16757, 16858, 16859, 16963 Turner 58, 72 Tyson 11039, 11667, 11776, 11984, 15820 Ulrich

11667

Vaccarella 13357 Van der Watt 59 Van Kooten 2148 Van Unnik 4594 Verheyden 9943 Verweijs 10315 Vetter 3643 Vinzent 113, 824, 10312, 12092, 12193 Volckmar 115, 11562, 11774 Volk 22552 Von Stockhausen 21167 Vona 23355 Walser 3640 Walter 24133 Watson 265, 26512

Weber 3210, 3317, 2659, 27665 Weidemann 4168, 4169 Wengst 2661, 13357 Wenham 1531, 1547 West 531 Whitmarsh 1703, 21167 Wills 241, 24130, 24131, 24237 Windisch 29321 Winter 4594, 4595, 23811 Witherington 4698 Woff 4380, 4485 Wolter 11671 Woodword 21712 Woyke 4172 Wucherfpennig 9739 Young 100, 10046 Yoshiko Reed 8816 Zangenberg 4593 Zeegers 185 Zeegers–Vander Vorst 18525 Zwierlein 123, 1732

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Quellenregister

1. Altes Testament Genesis 1–3 1,1 1,2 1,1 – 2,3 1,26 f 1,27 2,4 – 7 2,7 2,22 3,8 4,9 f 4,18 f 11,10 – 26 14,19 40,9 – 15 40,9 – 13 49,8 – 12 49,11

181. 18213 188 188 181 16754 24. 161. 268 181 16754 16754 190 18112 18112 18212 226 60 62 66 62 f. 66

Exodus 12,7 – 21 20,12 – 17 21,23 – 25 22,22 24,1 – 8 32,7 32,19

14194 226 13983 228 284 13357 13357

Leviticus 19,18 Numeri 33,52

Deuteronomium 4,2 226 4,39 78 5,2 284 5,7 227 5,8 227 10,16 14088 28,69 284 29,24 284 30,4 61 30,6 14088 32,7 – 9 12831 2. Samuel 7 7,12

75 65

1. Könige 8,9 18,20 22,6 22,10 22,12 22,13 22,22

284 19654 19654 19654 19654 19654 19654

2. Könige 6,1 – 7 10,19

13147 19654

226

2. Chronik 5,10 32,17

284 29322

294

Esther 8,17

29322

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311

Quellenregister Psalmen (Zählung nach LXX) 2,7 68 4,10 228 71 84 79,8 – 19 62 79,8 – 13 56 79,8 – 12 74 79,8 61 81 12831 94 12831 117,30 22343 118,30 22343 127,3 59 Sprüche 4,25 6,27 – 29 17,6 Jesaja 1,17 3,9 f 5,1 – 7 5,7 7,14 11,1 27,2 – 6 29,13 52,5 52,7 53 54,1 58,7 66,5 58,9 61,1 f 61,1 66,1 66,5 66,18 66,24

186. 200 186. 200 186

228 12831 56. 60 61. 71 12831 68 56 138. 161 161. 169 163 43 162 228 201. 205 161 163 19445 190 186. 204 161 161

Jeremia (Zählung nach LXX) 2,21 56

2,24 5,10 7,11 12,10 12,11 f 23,5 – 8 31,31 f 33,14 – 26 38,33

194 56 161 60 56 68 284. 294 68 226

Ezechiel 4,13 14,14 – 20 15,1 – 8 17,1 – 10 19,10 – 14 28,25

29322 161 56 56. 64. 68 56 29322

Daniel 3

28811

Hosea 8,8 9,1 9,7 10,1

29322 29322 193 f 56

Joel 1,7 4,2

65 29322

Amos 9,11

65

Micha 4,1 – 8 4,4

63 59

Zefanja 3,4

193 f

Sacharja 9,9

2869

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312 Maleachi 1,12

Quellenregister

12831

2. Frühjüdische Literatur 2.1. Alttestamentliche Apokryphen

Syrischer Baruch 21,3 – 25 110 36 – 40 65 39,7 56. 66 2. Esra 15,8

29322

1. Makkabäer 5,63 7,23

29322 29322

Josef und Asenet 12,1 f 11041

2. Makkabäer 4,36

29322

4. Makkabäer 18,7

3. Makkabäer 6,9

29322

Psalmen Salomos 11,1 16336

Jesus Sirach 24 24,17 24,23 24,27

77 70 70 56

Oden Salomos 11,3 22343 12,3 232 Sapientia Salomonis 5,6 22343 Tobit 4,7 4,15 4,16 13,3

228 227 228 29322

2.2. Pseudepigraphien Aristeasbrief 311 f

84

Aramäisches Levi-Dokument Col. e Zl 81 285

Sibyllinen 4,34 – 39

227

231

Testament Assers 7,3 29322 Testament Levis 12,6 2856 2.3. Qumran 1QH 1,1 – 20 11041 1QM 10,8 – 16 11041 4QpIsab 1,4 – 7 60 4QFlor (174) 1,10 – 13 65 4Q479 65 4Q521 163 11QMelch 2,15 – 24 16336 2.4. Philon Congr 1,56 Decal 1 18 f 32 – 35 46 – 49 48 f 154 175 f

70 13353. 13881 13774 13774 13774 13774 13881 13774

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313

Quellenregister Ebr 40 18634 Fug 152 18634 Heres 14 f 14086 170 14089 Leg Gai 12,20 78 Migr 89 – 92 14193 91 14089 92 14088 Mos 2,25 – 40 12729 2,188 13774 Mut 23 13881 Opif 170 – 172 11041 Plant 126 14086 Somn 2,171 – 173 70 2,172 61 2,190 71 Spec Leg 1,1 13881 1,186 14190 1,271 f 14086 1,304 f 14088 2,42 14089 2,192 – 199 14190 3,82 77 f 4,76 71 2.5. Josephus Bellum Judaicum 1,94 29322 2,118 8611 2,119 – 166 86 2,266 29322 Antiquitates 1,154 – 168=PseuHek II Frg I 11041 3,89 f 13774 12,4,1 – 11 24240 12,11 – 118 12729 12,75 f 69 15,394 f 69 18,257 29322 19,278 29322 20,2,1 – 4,3 24240

Contra Apionem 2,224 12415 2.6. Rabbinische Literatur Babyl. Talmud Ber 57 Chul 90b 92a Suk 49a

59. 66 69 60. 62. 66. 69 f 69

3. Neues Testament Matthäusevangelium 5,3 – 6 16338 5,3 232 5,5 227 5,7 155 5,17 137 f 5,28 185. 198 – 200 5,32 185. 198 – 200 5,39 140 5,43 – 46 168 5,44 185. 202. 204. 227. 232 6,1ff 230 6,3 185. 202. 204. 228 6,12 155 6,20 230 6,24 159 7,2 155 f 7,7 230 7,12 155. 227 7,21 158 7,22 f 167 8,22 228 9,42 157 10,16 158. 16858 10,22 228 10,24 f 26 10,28 168 10,32 158 11,5 163 12,25 137 12,50 159. 16023

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314 13,24 – 30 13,26 f 15,4 – 9 14 14,21 15,4 15,7 16,26 16,27 18,6 f 18,33 18,35 19,6 – 8 19,4 19,8 19,9 19,19 19,21 20,27 21,41 24,21 24,30 24,45 – 51 25,14 – 30 25,35 25,37 25,46 26,13

Quellenregister 27 167 138. 144108 155 157 139 144108 159 230 157 155 155 138 18838 13355. 18838 198 – 200 13352 230 26 61 18838 230 27 27 228 230 229 164

Markusevangelium 1,1 163 2,17 162 3 16445 3,5 196 3,6 29525 3,24 f 137 3,35 159 4,24 156 4,35 – 41 18319 7,22 196 9,24 186 10,3 – 6 138 10,6 18838 10,9 138

10,11 10,19 10,44 11,25 11,32 12,1 – 12 12,13 13,13 14,9 14,21

198 – 200 226 26 155 22129 60 29525 228 163. 16441 158

Lukasevangelium 1,1 – 4 116 1,5 – 2,52 11667 1,26 – 28 190 1,26 – 38 189 1,32 225 1,35 18. 185. 188 f. 225 2,21 200 2,29 26 3 – 23 11667 4,16 – 21 16338 4,18 228 5,36 90 6,20 f 16338 6,27 185. 202. 227 6,28 205 6,31 155. 227 6,32 – 35 168 f 6,36 – 38 156 6,37 f 155 f 6,46 158 7,22 163 9,60 228 10,3 158. 16858 12,4 f 168 12,8 158 12,41 – 46 27 14,14 230 16,10 165 16,13 159. 165 16,15 11453 16,18 185. 198 – 200. 204. 209 17,1 f 157

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315

Quellenregister 17,7 – 10 18,14 19,12 – 27 20,1 – 16 21,27 22,19 f 23,1 – 25 23,46 – 49 23,46 f 23,47 24 24,1 – 11 24,13 – 52 24,34

27 11453 27 60 230 11454 236 11881 118 f 22129 118 11667 11667 22129

Johannesevangelium 1,1 182. 185. 187. 191 1,2 185. 188. 192 1,3 76. 137. 182. 185. 187 f. 191. 19242 1,5 71. 79 1,12 76 1,13 93 1,14 168 1,17 78. 226 1,18 76 1,20 – 26 76 1,46 57 2,1 – 8 595 2,3 f 226 2,21 75 3,7 76 3,16 79. 18736 4 74 6,16 – 21 18319 4,21 75 6,63 76 7,24 226 7,35 29323 7,40 – 42 74 8,32 226 8,33 – 36 26 8,36 22129 10 71

10,16 11,25 f 12 12,31 12,48 – 50 13,16 13,34 14,1 14,25 – 31 15 15,1 – 17 15,1 – 4 15,5 – 12 15,12 15,15 15,16 15,17 15,18 – 27 15,21 17,3 18 f 20,27

78 76 74 237 77 26 228 226 71 53 – 80 75 76 76 228 76 77 228 71 228 22026 237 185 – 187

Apostelgeschichte 1,11 225 2,18 26 3,13 2362 3,17 232 3,19 232 4,27 f 2322 4,29 26 5,41 228 8 238 10,2 14 11,14 14 11,26 225. 29525 13,1 193 13,28 2362 13,50 25082 14,1 29323 14,4 193 14,14 193 14,19 25082 15,20 227

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316

Quellenregister

15,29 16 16,1 16,3 16,15 16,17 16,31 16,34 17,27 17,30 18,4 18,8 19 19,1 20 f 20,7ff 26,28 27 f 27,27 – 44

227 114 29323 29323 14 26 14 14 222 232 29323 14 171 29323 114 252 29525 114 18319

Römerbrief 1,1 – 3 1,1 1,4 1,9 1,16 1,18 – 2,16 1,18 1,19 1,25 2,3 – 11 2,9 2,10 2,15 2,26 f 2,29 3,9 3,29 3,30 3,31 4 5 6,4 6,6

163 25. 16232 16334 16333 16335. 29323. 29526 110 226 226 226 109 29323 29323 226 29323 1222. 297 29323 287. 29323 29323 27347 109. 196 269 274 24763. 268

6,16 6,20 7,6 7,12 8,19 – 39 9 – 11 9,3 9,24 9,30 – 10,9 10,1 – 3 10,1 – 4 10,12 10,15 10,20 11,33 – 35 11,20 11,25 11,36 12,20 13 13,1 – 3 13,7 f 13,9 14,6 15,8 f 15,16 15,19 16,5 16,7 16,8

26 26 1222 107. 141 226 109. 273 297 29323 107 107 109 29323. 29526 163 222 109 186 29323 226 227 205 f 186. 205 186. 203 – 205 13352. 226 229 29323 16232. 16335 16333 14 f 15 15

Galaterbrief 1–2 1,7 – 9 1,6 1,7 1,10 1,11 1,16 2,2 2,4 f 2,5 2,7 2,13 f

94. 11039 94 16335 16333. 35 25 16335 107 16335 94 16335. 226 16335. 29323 94 f

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317

Quellenregister 2,14 2,15 2,19 2,20 3f 3,1 3,15 – 25 3,19 – 25 3,21 3,23 – 26 3,26 3,27 f 3,27 3,28 4,8 4,9 5,6 5,14 5,20 6,15

16335 29323 24763 269 109 16334 10730 107 22129 14191 268 269 268 21. 27 f. 166. 269. 276. 29323. 29525. 29727 227 226 29323. 295. 297 13352 86 276. 29323. 295 – 297

1. Korintherbrief 1,11 15 1,16 14 1,18 – 25 296 1,21 226 1,22 29323 1,23 f 189 1,23 16334. 29323 1,24 189 f. 29323 1,20 18736 4,1 26 5,7 141 7,9 29526 7,19 29323 7,20 – 24 20 7,21 1630 7,22 25 f 8,4 f 227 8,4 – 6 227 8,5 f 11144 8,6 226 9,12 16333

9,19 10,8 10,19 f 10,30 f 10,32 11,2 – 16 11,3 11,19 11,23 – 25 12,3 12,13 14,25 14,33 – 36 15,1 – 5 15,3 – 5 15,45 15,49 16,15 16,19

26 226 227 229 29323 28 290 86 114 29526 27 f. 29323 22129 28 16334 225 276 268 14 14

2. Korintherbrief 2,12 16333 2,17 94 3,6 1222 4,1 – 6 94 4,2 94 4,4 11144. 163 4,5 26 5,1 268 5,4 269 5,5 269 5,6 229. 269 5,8 229 5,17 268 6,15 18736 8,14 228 9,12 228 9,13 16333 10,14 16333 11,2 227 11,7 16232 11,12 – 15 94 f 11,16 – 21 296 11,17 297

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318

Quellenregister

11,18 11,22

297 296

Epheserbrief 1,3 – 14 2,10 2,11 – 22 2,11ff 2,11 2,13 2,14 – 17 2,14ff 2,14 2,15 2,17 2,19 2,24 3,6 4 4,1 – 17 4,1 f 4,2 4,9 f 4,11 f 4,15 4,17 – 22 4,22 – 24 4,22ff 4,22 f 4,23 f 4,24ff 4,24 4,25 4,28 5,3 5,5 5,19 f. 5,21 – 6,9 6,5 – 9 6,5 – 8 6,6 6,9

273 270 269 f. 273 271 – 273 29323 269 276 276 272 141. 269 f. 272 f. 277 269 26 276 16335 269 270 227 232 271 273 271 273 268 274 27668 275 270. 276 268 f. 272. 276. 278 227 228 227 227 229 30 21 42 25 43

Philipperbrief 1,1 1,14 1,23 1,27 2,7 3,4 – 9 3,3 f 3,3 3,4 3,5 3,10 4,3 4,22 Kolosserbrief 1,7 1,15 f 1,16 1,22 1,24 3 3,5 – 17 3,5 3,8ff 3,9 f 3,9 3,10 3,11 3,12 3,16 f 3,18 – 4,1 3,22 – 4,1 3,22 – 25 3,24 3,25 4,1 4,12 4,14 4,15

25 228 15 16333 23 10731 297 297 297 296 f 24763 15 14

15 109 226 109 24763 269 269 227 274 268 227 268. 275 f 21. 28. 26926. 276 f. 29323. 29727 227 229 30 20 42 21 21 43 15. 25 15. 11456 14

1. Thessalonicherbrief 1,9 22026

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319

Quellenregister 2,2 2,8 2,9 2,10 2,13 2,14 3,2 5,18

16232 16232 16232 229 232 39 16333 229

2. Thessalonicherbrief 1,8 16333 1. Timotheusbrief 1,6 232 1,13 232 1,20 15 2,1 f 186 2,2 197 f. 204 – 206. 20760 2,4 226 2,9 4591 3,4 f 22 3,4 197 3,15 26 5,3 228 6,1 f 21 f. 43 6,18 228 6,19 22128. 230 2. Timotheusbrief 2,1 f 203 2,8 163 2,24 25 3,6 14 4,10 15 4,11 11456 4,14 15 4,19 14 4,21 89 5,7 13771 6,1 f 30. 42 Titusbrief 1,1 1,14

26 227

2,6 f 2,7 2,9 f 2,12 2,13 3,1 3,3 3,10

22 197 22. 30. 42 f 229 230 186. 203 – 205 232 8615

Philemonbrief 2 14 24 15. 11456 Hebräerbrief 3,5 f 3,16 5,7 8,10 10,16

2661 26 232 226 226

Jakobusbrief 1,1 1,27 2,8 2,14 – 26 2,15 f

25 228 13352 196 228

1. Petrusbrief 1,1 1,4 1,6 – 9 1,13 – 26 1,14 1,17 1,21 1,22 2,1 2,5 2,7 2,9 2,11 – 17 2,11 2,12 2,13

38. 40. 50 50 50 50 232 50 50. 226 46. 228 39. 8615 47 186. 18735 231 45. 205 38 – 40. 50. 229 43. 50 43

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320

Quellenregister

2,15 f 2,15 2,16 2,17 2,18 – 25 2,18 – 20 2,18 – 3,7 2,18 2,19 f 2,20 2,21 – 25 2,25 2,23 3,1 – 6 3,1 – 4 3,1 f 3,1 3,3 3,8 3,13 – 17 3,15 4,1 – 4 4,1 f 4,3 4,7 4,12 f 4,14 – 16 4,14 4,16 4,17 5,1 – 5 5,1 5,2 f 5,3 5,4 5,6 – 9 5,9 5,10 5,12 5,13 5,14

50 50 26 46. 49 30. 41 – 44. 50 23. 42 41 47 43 43. 50. 232 23. 43. 50 47101 39 45 39 50 47 45 46 39 50 39 50 4595 50 50 39 228 47. 228. 29525 47. 16232 44. 49 50 47101 47 50 50 46. 49 50 46 41 46

2. Petrusbrief 2,2

22343

2,19 3,11

26 21923

1. Johannesbrief 3,2 281 3,17 228 4,7 228 4,11 f 228 3. Johannesbrief 12 15 Judasbrief 1 15

25 232

Apokalypse 1,1 2,20 3,14 9,20 10,17 11,18 15,3 19,2 19,5 21,6 22,3 22,6 22,13

26 227 18838 294 26 26 26 26 26 18838 26 26 18838

4. Patristische Literatur 4.1. Apostolische Väter Didache 1,2 1,3 2,2 f 3,8 4,1 f 4,3 f 4,3 4,5 – 8

227 16962. 228 226 232 23 23 226 23

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321

Quellenregister 4,8 4,9 4,10 f 4,10 4,11 4,13 6,2 f 6,3 8,2 9,2 11 11,3 11,7 – 12 13 15,3 – 4

228 23 23 227 42 226 64 227 16446 58. 68 193 16446 195 193 16446

Barnabas 4,6 – 8 4,12 5,3 19,4 – 11 19,7 20,1 20,2

13357 230 229 226 24. 227 229 228

1. Clemensbrief Subscr 2,4 2,8 8,4 13,2 13,3 14,3 15,2 19,2 20,11 23,3 f 23,4 f 24,5 31,1 34,3 35,5 46,8 55,2

15 46 226 228 153. 155 f 186 207 f 155 18838 230 161 63 155 18838 230 22343 155. 157 f 17

60,2 63,3 65,1

26 16 16

2. Clemensbrief Inscr 1,1 1,3 1,5 2,1 – 3 2,2 2,4 3,1 3,2 3,5 4,2 4,5 5,2 5,4 5,5 5,6 6,1 6,2 6,8 6,9 7,6 8,5 9,5 9,6 9,11 11,1 11,2 11,3 – 5 11,5 f 11,7 12,1 12,2 12,3 – 6 12,6 13,2 13,3 13,4 13,23

15 16960 230 230 162 232 161 f. 165. 226 158. 159f23 161 158. 15923. 16757. 168 15923. 167 158. 16858 15923. 167. 16858 230 229 159. 165. 16549 159. 16023. 16549 161 229 161 162. 165 168 228 159. 16023. 16549 230 161 63 230 230 230 28. 166 166 16652. 53 161 231 f 168 168

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322 14,1 14,2 14,3 15,3 17,4 17,5 18,2 22,2 – 3,7

Quellenregister 161 15921. 161 168 161. 232 161. 230 230 230 16653

Ignatius von Antiochien Eph 1,3 2,1 3,1 6,2 8,2 9 14,1 20,2

15 15 18838 15 187 173 18838 177

Magn 5,2 6,1 13,1

18736 17326. 27 17326

Trall 2,1 – 3 3,1 9,1

17326 17327 210

Röm 4,3

26

Philad Praescr 7,1 8,2 9,2 11,1 Sm 7,2

17326 17326 16446. 211 16446 15

16446

8,1 f 10,1 13,1 13,2

17326 15 15 15

Pol 4,3 8,2

18. 4483 15

Polykarp an die Philipper 14 15 2,1 232 2,3 155 f Martyrium des Polykarp 2,2 229 4 16446 Hirt des Hermas Vis 1,1 16 2,4 26 2,2,6 230 2,3,4 15 2,4,3 15 3,5,1 26 4,1,3 26 23 15818 Mand 1 1,8 5,1 – 6 8,10 9 11,2 11,9 11,16 12,2 12,3,6

17 18 27 18. 46. 232 195 19552 195 194 f 230 16

Sim 2,2 f 5

63 64

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323

Quellenregister 5,3,7 5,3,9 7,6 9,26,4

228 16 16 64

4.2. Neutestamentliche Apokryphen Andreasakten 1 14,1

245 14

Johannesakten 19 – 25 19 30 42 48 72 f 80 129,2

252 26 252 24768 24554 24870 248 28

Kerygma Petri bei Clem Al Strom 2 215. 229. 231 f 3 29220 5 291 Paulusakten 3,11 – 17 3,20 f 3,27 – 39 5 7 9f 41

250 250 250 24768 24870 246 14

Petrusakten 1–5 3 7 11 14,19 23ff 35

246 14 251 256 14 253 246

Petrusapokalypse 11,8 f 24 Philippusakten 5,17 14 6,3 15 44,78 14 Philippusevangelium 110a 26 114 26 119 26 Thomasakten 22 29 f 110,44 139,2 139,3 143,2 146 167,2

28 24554 26 25 26 26 71 26

Thomasevangelium 11,3 f 167 22,1 – 5 166 40 f 64 106,1 167 114 167 144,19 – 36 71 Visio Beati Esdrae B 50a 25 4.3. Kirchenschriftsteller Aristides Apol 2 2,1 f 2,1 2,2 – 4 2,2

1,1 f 217 218 21711 217. 221 f 215. 218 215. 286. 291

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324 2,3 2,4 3 – 13 3–7 3,1 f 3,1 3,2 4f 4,2 4,3 5,1 – 6,1 5,1 5,2 5,3 6,1 f 6,1 6,2 7,1 f 7,1 7,2 8 – 11 8,1 f 8,1 8,2 9,1 – 3 9,1 10,1 – 6 10,2 11,1 – 6 11,7 12 12,1 12,2 f 12,4 f 13 13,1 13,2 – 7 13,2 f 13,4 13,7 14 14,1 f 14,1 14,3 f

Quellenregister 219. 222. 225 215 f. 21711. 222. 225 286. 294 218 224 222. 224 218. 224 218 218. 22235. 224 224 217 224 224 224 218 224 224 218 224 220. 224 218 218 220. 231 224 218 224 218 22241 218 218 218 219. 224 219 219 219 219. 224 219 224 224 224 219. 286 22236 222 219

14,3 14,4 15 – 17 15 f 15,1 f 15,1 15,2

222 224 219. 225 286 222 165. 286. 291 21817. 22235. 225. 231. 233 15,3 – 17,3 215. 225 15,3 – 9 219 15,3 220. 222 – 224. 226. 230 15,4 – 16,2 217 15,4 226 f 15,5 227 15,6 220 f. 227 f 15,8 229 15,9 229. 231 16 219 f 16,1 221. 223 f. 230 16,2 230 16,3 f 231 16,3 2152. 221. 223. 230 f 16,4 223. 231. 286. 294 16,5 231 f 16,6 221. 223 f. 231 17 220. 223 17,1 231 17,2 221. 223 f. 231 f 17,3 221. 223 f. 232 Augustin Civ 15,23

6,9 35

Athenagoras Leg 1,3 – 2,6 35,2

83 1412

35

Barlaam und Josaphat 1,23 21817 2,177 22130 3,15 22132 5,39 22127 7,48 22448

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325

Quellenregister 7,96 7,103 7,118 10,103 11,6 12,164 15,4 15,50 15,84 16,79 17,9 18,18 18,72 18,198 19,8 19,17 f 19,69 21,142 24,20 24,131 24,216 25,67 25,86 25,113 26,112 27 27,14 27,15 27,17 f 27,20 f 27,41 – 50 27,176 – 199 27,231 27,234 27,235 – 245 27,240 f 27,241 f 27,242 f 27,247 f 27,247 27,249 – 262 27,245 f 27,260 27,261

22026 22026 22129 22026 22026 22131 22132 22127 22127 22026 22129 22132 22127 22131 22127 22026 22131 223 22026 22026 22026 223 22130 22026 22026 217. 221. 224 – 233 221 f 21816 21816 222 218 21816 224 222 22236 227 227 227 22238 222 222 22241 22235 233

27,262 f 27,263 – 265 27,265 – 268 27,268 – 270 27,268 2,274 – 277 2,274 27,276 27,277 f 27,278 f 27,279 – 281 27,281 27,281 – 283 27,283 – 285 27,284 f 27,287 f 27,288 f 27,289 f 27,289 27,291 f 27,292 f 27,294 f 27,294 28,57 32,87 32,10 32,32 32,103 f 35,4 35,93 36,26 36,134 36,173 38,69 40,60 139

222. 226 226 226 226 22132 228 228 220 228 229 229 22129. 223. 230 230 231 223 231 f 231 231 223 f 223. 231 232 232 232 22026 22127 22132 22132 22130 22026 22026 22026 22130 22130 22127 22130 22026

Basilius von Cäsarea Spir 76 – 79 18319 Clemens Alexandrinus Strom 3,9,1 16756 3,13,92 16152

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326 5,14,98,4 f 5,14,98,4 6,5,40,1 – 41,1 6,5,40,1 f 6,5,41,2 6,5,41,4 – 6 6,5,41,6 6,16,133 6,16,137 6,16,145 13,92,2 – 93,1

Quellenregister 28810 291 284 294 284 281 294 13881 13881 13881 28

Paed 1,5,15,2 2,10,85,2 3,12,89

286 28913 13881

Commodian Apol

626

4,15,20 4,22,4 5,1,3 5,1,5 5,8,3 5,13,3 5,13,8 5,28,3 f 5,28,13 – 19

Hippolyt von Rom Ref 6,15

9

2376

Irenäus von Lyon Demonstr 8 287

25079

Dialog des Adamantius 1,5 – 6 92 1,6 113 5,14 92 Diognetbrief 1 1,1 2,1 2,2 – 9 11,2 11,4

25 93 25 25 11456 101 97 98 98

215 287. 291. 294 18838. 287 294 187 18838

Epiphanius von Salamis Pan 42,10,2 92 Euseb von Caesarea Chron 17 12832 HE 3,3 2376 3,4,7 11452 3,25 2376 3,25,6 24978 3,39,3 1222 4,3,3 2166

Haer 1 Praef 1,1 – 9 1,3,5 1,8,1 1,8,5 1,12 1,12,1 1,18,1 1,27,2 1,20,1 f 1,31,1 3,1,1 f 3,3,3 f 3,11,7 3,11,9 3,12,6 3,12,12 3,14,3 f 3,14,4 3,16,8 3,21,2 f 3,21,3 f 4,13,1 4,33,7 f 9,4 12,1 15,1 f

87 123. 125 87 100 1238 125 1237 87 87 87 87 88. 11456 89 9123 90 89 88. 8920. 90 91 90 86 88 88 143106 90 100 123 143106

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327

Quellenregister SC

406,49

287

Justin Apol I 1 I 3,4 I 4,3 – 5 I 4,5 – 8 I 4,5 I 5,1 I 5,3 I 7,1 – 4 I 7,3 I 12,1 I 14 – 17 I 14 – 16 I 15,8 I 15,9 I 17,4 I 20,3 I 26 I 26,5 I 26,6 I 31 I 31,1 I 31,5 – 7 I 32 – 52 I 32 I 36,1 – 3 I 46,3 I 53,2 f I 54 I 54,2 f I 47,4 I 55 – 60 I 56 I 58 I 58,1 I 58,2 I 59 f I 60,11 I 66,3 I 67,3 I 68 I 68,2

12621 12623 12623 83 12622 127 127 83 12622 12624 12625 13564 16229 16962 12623 12727 83. 1236 145112 101 84 12728 127. 12830 12934 67 12935. 143 12622. 12727 12833 67. 9327. 1236 129f37 12832 13037 13037 1236 145112 101 9327. 145113 12622 144107. 16127. 165 144107. 16127 13037 12623

II 2,9 – 12 II 10,6 II 12 f II 13,2 – 4 Dial 1,2 2,1 f 2,6 – 8,2 2,6 – 7,2 7,1 7,3 8,2 8,4 9,1 9,2 10 – 30 10,2 11,2 12,3 14,2 f 16,2 17,1 18,2 18,1 19,2 19,5 f 19,5 20,4 22,1 23,4 27,2 27,5 29,2 29,3 31,3 32,1 34,1 35,1 – 6 35,2 35,6 f 36,1 36,5 f 41,1 43 – 47 43,1

1224 12415 12311 123f11. 12727 123 145113 145 123 13040 13041 13771 130 13143 123 13355 144107. 16127. 164 131 134 134 134 83 13357 16127 13458 13357 13458 13357 13357 13458 13356 144 84 144 129 13147 84. 13146. 47 84 13143 145112 f 129 1236 14194 13355 13248

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328 43,3 43,8 44,1 44,2 45,2 f 45,3 46,2 f 46,5 47,1 47,2 47,2 f 48,2 52 – 54 52,3 62,2 63,5 65,2 67 67,1 67,10 68,7 69 f 71 – 73 71,1 f 71,3 72 72,1 73,6 78,10 80 80,4 83 84,3 86,6 92 92,2 92,4 93,1 93,2 93,5 95,1 96,2 100,1 100,2

Quellenregister 13143. 45 12831. 13143 83 131 f 13147 13147. 13250 13144 13143 13147 13563 85 13143. 13876 67 13147 13143 84 144 13355 12831 13250 84 13037 84 84. 12831 12831 12831 14194 84. 13357 83 85. 1236 13876 13143 84 13147 13355 13458 145 132 133. 13771 83 13147 83 16127 165

100,4 101,3 102,5 102,6 103,6 103,8 104,1 105,1 105,5 f 106,1 106,3 f 107,1 110 110,2 110,5 111,3 114,1 117,1 120,4 f 120,6 124,2 – 4 131,1 132,1 137,3 140,2 277,4 Laktanz Inst 1,6 4,18,22

144107 144107 144107 13357 144107 144107 144107 144107 144107 144107 144107 144107 59. 63 83 83 14194 12936. 143 83 f 12831 13038 12831 12831 13357 12831 13876 13876

12728 12831

Macarius Magnes Apocrit 4,20 17525 Origenes Cels 2,27 96 3,44 303 4,41 93 7,42 12415 8,35 146117 Comm Mt 15,14 9841 Papias von Hierapolis 5 (3) 1222

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329

Quellenregister 28,1 (2,1)

195

Paulus Orosius Hist 7,13,4 12832 Pseudo-Cyprian De Pascha 17 28811 Tatian Orat 40

93

Tertullian Apol 47 AdvMarc 1,19 1,20 1,20,1 1,29,9 4,2,2 4,2,4 4,3,2 4,3,2 – 4 4,4 4,4,4 4,4,5 4,5,3 4,5,7 4,33,6 4,36,1 5 5,12,6 Bapt 17,5 Carn Haer 15 17 37,2 44 Nat 1,8,1 1,8,11 1,8,12 1,8,13 1,20,4

93 10733 94 94 91 92 92 94 9429 92 11668 95 93 93 11453 11453 102 95 17 2376 249 19 93 6,2 9124 91 81 9124 92 1,7,14 – 17 1414 288 288 288 289 289

Praes Scorp Val VirgVel

36 2376 10 288 4,2 1237 7,2 290

Theophilus von Antiochia Autol 1,2 180. 193 1,8,2 196 1,10 29220 1,12 183 1,13 180 1,14 180 1,14,1 1806. 185 – 187 1,14,3 1806 1,22 192 2,2 29220 2,2,5 f 195 2,9,1 – 10,1 193 2,10,9 – 28,8 181 2,10,4 f 185 2,10,4 188 2,10,5 189 2,10,9 – 11,7 181 2,12 201 2,14 18319. 208 2,14,2 207 f 2,14,3 – 5 183. 211 2,19,1 181 2,19,3 181 2,12 – 20 181 2,13 f 197 2,13,4 197 2,21,3 190 2,22 182. 187 f. 190 f 2,22,2 – 4 189 2,22,2 189 2,22,3 18940. 191 2,22,4 – 6 185 2,22,5 f 191 2,22,5 187. 190. 192 – 194. 211 2,23 1791 2,28 1791 2,29 f 18112 2,31 1791

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330 2,33,2 3,4,3 – 5,1 3,13 f 3,13,1 3,13,2 – 4 3,13,2 3,13,3 3,13,4 3,13,5 3,14 3,14,1 3,14,2 f 3,14,4 f 3,14,4 3,14,5 3,15,6 3,16 – 28 3,16 – 29 3,19 3,24,2 3,27,3

Quellenregister 1819 1807 197 – 211 206 209 186. 198 – 200. 204 211 185. 198 – 200 186 201 186. 201 185. 201 f 186. 201 197 f. 203 – 206 203 1819 18111. 182 1793 1791 18212 1793

Traditio Apostolica 15 24 16 24 5. Gnost. u. hermet. Literatur Thomasbuch 144,19 – 36

71

Ptolemäus an Flora bei Epiph Pan 3 145 3,1 135 3,2 – 5 136 3,2 13670 3,5 13772. 143105 3,6 f 142102 3,8 – 4,2 137 4,4 13771 4,5 – 9 138 4,11 – 13 138 f 4,11 144108. 109

5,1 – 3 5,1 f 5,2 5,3 5,4 – 7 5,4 5,6 5,7 5,9 5,10 5,10 f 5,11 5,13 f 5,14 5,15 6,1 – 3 6,4 6,5 6,6 7 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 f 7,7 7,8 – 10 7,9 7,10 33,3,3

138 144 140. 14192 142 139 14192 14192. 14192 13771 14192 14086 140 14087 140 141 13771. 141 139 140 f. 14192 141 141 145 141 135. 142 142 12415. 142 142102 142102 14192 143 143104 135 13355

6. Profanliteratur Alexander von Aphrodisias AristMet 59,28 – 60 12415 Alkinoos 27

12415

Apuleius De Deo Socr 132 – 154 12726 De Plat 1,5 12415 1,191 12415

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331

Quellenregister Aristoteles GenAn 757a3 – 13 28913 HistAn 579b15 28913 Poet 9 24021 Cato Agr 83

328. 35

Cicero Att 6,8,2 Inv 1,35 Lael 10,12 Sull 61

29525 290 24021 29525

Demosthenes Ex 54,1 Orat 59, 73,7

1795 1795

Diogenes Laertius 7,4,6 9840 Euripides IphAul 1400 f

29321

Herodot 1 Praef 3,139 4,12

29321 29321 29321

Historia Augusta 23,7 290 Homer Il 2,204 Inschriften AE 1979 61 f CIL III 633 III 7087 VI 242 VI 334 VI 579 VI 597

175

1908 24 – 28 3315 3539 33. 3747 3315 35 3424 3424. 35 3424

VI 543 VI 612 VI 630 – 632 VI 630 VI 631 VI 632 VI 633 VI 636 VI 642 VI 647 VI 671 VI 693 VI 940 VI 950 VI 3713 VI 10231 VIII 24519 VI 31013 X 444 XIV 3456 XIV 4327 IGRR IV 48 Philippi 163/L002 164/L001 165/L003 166/L004

3425 35 35 3539 36 36 3747 3539 3539 3539 f 36 3539 3539 3539 3539 3539 f 3642 3625 3745 50109 3641 3315 148/L682 37 f 37 f 3747 37

Isokrates Orat 1,13,1

1795

Juvenal 6,447

3535

Libanios Ep 89b 296b

1795 1795

Lukian Imag

7,9 f 1795

Maximus von Tyrus Or 11,9 146116 11 142101

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3747

332 12,6

Quellenregister 13984

10,96

226

Numenius von Apameia Acad 1 98 Frg 11 14299 12 14299 15 14299 16 14299 17 14296 18 14299

Plutarch De Defect 417c 12726 De Iside 25 – 26 12726 Plat 1000e 12415 QuaestConv 612e 9840

Platon Epist 1 – 13 3,2 7,4 Krit 50a–54d Nomoi 9,875c 12,957c Polit 293e–309c 300c 309c Resp 415 Tim 17a–27c 28a 29a 28c

12413 12415 12415 12414 12414 12414 12414 12414 12414 28710 14297 14298 14298 12415. 142. 222

Sextus Empiricus 1,16 – 17 86 7,332 86

Plautus Aul 674 f 766

328 328

Plinius der Ältere 15,77 327 Plinius der Jüngere Epist 10,96 f 39. 48106

Properz 4,4,11 f

327

Stoibaeus 3,1,94

1795

Strabon 14,1,28

283

Sueton Caes 45 – 60 Claud 25,4

18212 29525

Tacitus Ann 15,44

29525

Vergil Aen 8,597 – 601 Xenophanes 21B 11 15 23 – 26

327

20757 20757 20757

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