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German Pages 185 [186] Year 2017
Daniel Keppler Fahrerunterstützung bei Seitenwind
Weitere empfehlenswerte Titel Fahrzeugtechnik D. Schramm et al, 2017 ISBN 978-3-486-71620-7, e-ISBN (PDF) 978-3-486-85514-2, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039884-7
Hochleistungsbremsen C. Oger, 2016 ISBN 978-3-11-047103-8
The Fundamentals of Electrical Engineering F. Hüning, 2014 ISBN 978-3-11-034991-7, e-ISBN (PDF) 978-3-11-034990-0, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-030840-2
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Sensor-Technologien, Band 1 M. Wolff, 2016 ISBN 978-3-11-046092-6, e-ISBN 978-3-11-046095-7, e-ISBN (EPUB) 978-3-11-046105-3
Daniel Keppler
Fahrerunterstützung bei Seitenwind
Ein neues fahrdynamisches Assistenzkonzept
Autor Dr. Daniel Keppler Daimler AG Vorentwicklung Lenksysteme Hanns-Klemm Str. 45 71034 Böblingen [email protected]
Von der Fakultät für Maschinenbau der Universität Karlsruhe (TH) mit dem Titel „Neues Konzept für die Fahrerunterstützung bei Seitenwind“ angenommene Dissertation. Tag der mündlichen Prüfung: 29. Juni 2016.
ISBN 978-3-11-054011-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-054205-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-054022-2 Set-ISBN 978-3-11-054206-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Dmitriy Eliseev/Hemera/thinkstock Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
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Für meine liebe Ehefrau Elena, meinen Sohn Jan, meine Tochter Julia, Annie und Lana.
Danksagung Das vorliegende Buch ist im Rahmen meiner Tätigkeit als Doktorand bei der Daimler AG in der Abteilung für Fahrdynamiksysteme entstanden. Mein Dank gebührt all denjenigen, die mich in der Zeit als Doktorand und auch darüber hinaus unterstützt und motiviert und so maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Bretthauer, der die Betreuung meiner Industriepromotion übernommen und mir die notwendige Freiheit bei der Bearbeitung des Themas gegeben hat. Bei Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Ammon bedanke ich mich für die Möglichkeit, ein so spannendes Thema von den ersten Ideen bis zur Serienumsetzung durchführen zu dürfen. Herrn Prof. Dr.-Ing. Kalkkuhl danke ich für die anregenden und fachlich tiefen Diskussionen während dieser Zeit, die wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Herrn Prof. Dr.-Ing. Stiller danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferats. Desweiteren danke ich meinen Kollegen Dr.-Ing. Magnus Rau und Avshalom Suissa, die mich stets unterstützt und motiviert haben. Ein ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern und Schwiegereltern für ihr Verständnis und ihre Hilfe während dieser Zeit. Mein größter Dank gilt meiner lieben Frau Elena, die während dieser Zeit auf einiges an gemeinsamer Freizeit verzichten musste und auch in schwierigen Phasen hinter mir stand. Ohne ihr Verständnis und ihre Unterstützung wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Vielen Dank dafür.
Althengstett, den 11. Mai 2017
DOI 10.1515/9783110542059-203
Inhalt Danksagung | VII Symbolverzeichnis | XIII 1 1.1 1.2 1.3
Einleitung | 1 Bedeutung des Seitenwindes für das Fahrverhalten | 1 Darstellung des Entwicklungsstandes | 1 Ziele und Aufgaben | 6
2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4
Aerodynamik und Fahrdynamik | 8 Seitenwind | 8 Aerodynamik | 13 Fahrdynamik | 25 Kraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn | 25 Einspurmodell | 29 Einseitiger Bremseingriff | 37 Fahrermodell | 46
3 3.1 3.2 3.3 3.4
Werkzeuge | 56 Fahrsimulator | 56 Windkanal | 58 Versuchsfahrzeug | 59 Simulationssoftware | 61
4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6
Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung | 63 Direkt messende Verfahren | 63 Indirekt messende Verfahren | 64 Anemometer | 64 Druckmesssonden | 65 Differenzdruckmesssonde | 67 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 70 Zustandsbeobachter | 73 Reduzierter Zustandsbeobachter | 74 Dead-Beat Beobachter | 75 Erweitertes Seitenwindbeobachterkonzept | 76 Algebraischer Seitenwindbeobachter | 81 Untersuchung der Parameterempfindlichkeit des Seitenwindbeobachters | 83
X | Inhalt
5
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.4.7 5.4.8 5.4.9 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5
Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen | 98 Aktive Fahrwerksysteme | 100 Störgrößenaufschaltung | 101 Eingriffsstrategie | 104 Ausblenden von schwachen Seitenwindstörungen | 105 Ausblenden von stationären bzw. niederfrequenten Seitenwindstörungen | 105 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters | 108 Lenkwinkel und stationäre Querbeschleunigung | 109 Geschwindigkeit | 111 Lenkradwinkelgeschwindigkeit | 111 Differenzschlupf | 111 Übertragungsfunktion von der Querbeschleunigung zur Gierrate | 113 Fahrerbremswunsch | 116 Antriebsmoment | 117 Federwege | 118 Gültigkeitsbestimmung | 119 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 119 Ideales Verhalten | 123 Ideales Verhalten mit Parameterabweichung | 123 Einfluss der Aktordynamik und der Filterung des Beobachters | 124 Stabilität des Gesamtsystems bei Parameterabweichungen | 128 Fahrer im Regelkreis | 131
6 6.1 6.2
Experimentelle Ergebnisse | 137 Ergebnise Fahrversuch | 138 Fahrsimulator | 140
7
Zusammenfassung | 145
A A.1 A.2 A.3 A.4 A.5 A.6
Parameterempfindlichkeit | 149 Fahrzeugmasse m | 149 Fahrzeuggierträgheit J | 150 Schräglaufsteifigkeit an der Vorderachse c V | 152 Schräglaufsteifigkeit an der Hinterachse c H | 153 Seitenwindkrafthebelarm e | 155 Schwerpunktsabstand von der Vorderachse lV | 157
B B.1 B.2
Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 159 Zwischenrechnung für NG | 159 Zwischenrechnung der Substitution von TA und dA | 160
5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2
Inhalt
B.3
Fahrer im Regelkreis | 161
Literatur | 163
| XI
Symbolverzeichnis 13
dreidimensionaler Einsvektor
A A αH αV AMz (s) a aWind ax ay a y,stat asy
Querspantfläche
B B δ,Sˆ W (s) β β̇
Eingangsmatrix
BMz ,Sˆ W (s) B ψ, ˙ Sˆ W (s) C cA cd cf cγ cl cM cN cp c μ,l cP cR cW cY
Systemmatrix Schräglaufwinkel an der Hinterachse Schräglaufwinkel an der Vorderachse Übertragungsfunktion der Aktordynamik vektorielle Fahrzeugbeschleunigung Vektor der Windbeschleunigung Längsbeschleunigung Querbeschleunigung stationäre Querbeschleunigung Querbeschleunigung am Sensor
Beobachterübertragungsfunktion von Lenkwinkel zu Seitenwindkraft Schwimmwinkel Schwimmwinkelgeschwindigkeit Beobachterübertragungsfunktion von Giermoment zu Seitenwindkraft Beobachterübertragungsfunktion von Gierrate zu Seitenwindkraft Ausgangsmatrix Auftriebsbeiwert Druckwiderstandsbeiwert Reibungswiderstandsbeiwert Sturzsteifigkeit Umfangssteifigkeit des Reifens Nickmomentenbeiwert Giermomentenbeiwert Druckbeiwert auf Radlast bezogene Längssteifigkeit des Reifens Bremsenkoeffizient Rollmomentenbeiwert Widerstandsbeiwert Seitenkraftbeiwert
DOI 10.1515/9783110542059-205
XIV | Symbolverzeichnis
D ∆δH ∆δV δH δV ∆y ∆yP dA dB
Durchgangsmatrix Spurwinkeländerung an der Hinterachse Spurwinkeländerung an der Vorderachse Hinterachslenkwinkel Vorderachslenkwinkel Spurabweichung Spurabweichung im Vorausschaupunkt P Dämpfungskonstante von AMz (s) Dämpfungskonstante von GTP (s)
e e EG en et
Störkrafthebelarm
FA,L F δH ψ̇ (s)
aerodynamische Auftriebskraft
Beobachterfehler Eigenlenkgradient Einheitsvektor normal Einheitsvektor tangential
Fahrzeugübertragungsfunktion von Hinterachslenkwinkel zu Gierrate
F δH v y (s)
Fahrzeugübertragungsfunktion von Hinterachslenkwinkel zu Quergeschwindigkeit
F δV ψ̇ (s)
Fahrzeugübertragungsfunktion von Vorderachslenkwinkel zu Gierrate
F δV v y (s)
Fahrzeugübertragungsfunktion von Vorderachslenkwinkel zu Quergeschwindigkeit
F Fy ψ̇ (s)
Fahrzeugübertragungsfunktion von
F Fy v y (s)
Fahrzeugübertragungsfunktion von
äußerer Querkraft zu Gierrate äußerer Querkraft zu Quergeschwindigkeit
FH FH,stat F Mz ψ̇ (s)
Seitenkraft an der Hinterachse des linearen Einspurmodells stationäre Seitenkraft an der Hinterachse Fahrzeugübertragungsfunktion von Giermoment zu Gierrate
F Mz v y (s)
Fahrzeugübertragungsfunktion von Giermoment zu Quergeschwindigkeit
FB FB,i Fl,H Fl,V
Bremskraft Bremskraft am Rad i Reifenlängskraft an der Hinterachse Reifenlängskraft an der Vorderachse
Symbolverzeichnis |
Fq,H Fq,V F SW ψ̇ (s) FV FV,stat FW,L Fx F x,H F x,V Fy F y,H FY,L F y,V Fz g γ G δ, ψ̇ (s) GE (s) GSWA,SW , ψ˙ (s) G SW , ψ̇ (s) G SW , Ŝ W (s)
Reifenquerkraft an der Hinterachse Reifenquerkraft an der Vorderachse Fahrzeugübertragungsfunktion von Seitenwindkraft zu Gierrate Seitenkraft an der Vorderachse des linearen Einspurmodells stationäre Seitenkraft an der Vorderachse aerodynamische Widerstandskraft Längskraft Längskraft an der Hinterachse Längskraft an der Vorderachse Seitenkraft oder äußere Querkraft Seitenkraft an der Hinterachse aerodynamische Seitenkraft Seitenkraft an der Vorderachse Radlast Erdbeschleunigung Sturzwinkel Übertragungsfunktion von Lenkwinkel δV zur Gierrate ψ̇ Übertragungsfunktion des Reifeneinlaufverhaltens Übertragungsfunktion des Seitenwindassistenten (ohne Fahrer) Übertragungsfunktion von realer Seitenwindkraft SW zur Gierrate ψ̇ Übertragungsfunktion von realer Seitenwindkraft SW zur beobachteten Seitenwindkraft Ŝ W
GTP (s)
Tiefpassfilter des Beobachters
h
Höhe
J
Gierträgheitsmoment
k cY k i,j,B Krit kH,Q k ψ,H k ψ,V kV,Q KSW ,Mz (s)
Steigung von cY Nachgiebigkeit des Rades j bezüglich der Bremskraft am Rad i Gültigkeitskriterium Quernachgiebigkeit bezüglich der Seitenkraft an der Hinterachse resultierende Nachgiebigkeit an der Hinterachse resultierende Nachgiebigkeit an der Vorderachse Quernachgiebigkeit bezüglich der Seitenkraft an der Vorderachse Übertragungsfunktion des Störkompensators
XV
XVI | Symbolverzeichnis
l L λ λmax λWP lH lV
Radstand oder charakteristische Länge
m m0 mH MM,L MN,L M ψ,δ ˙ (s) MR,L MR (s) Mz,B Mz,B,H Mz,B,V Mz,stat MSW ,δ (s) μg μmax μv μNutz mV Mz
Masse
N ψ̇ (s) NSWA (s)
Beobachterverstärkung Umfangsschlupf Schlupf an der Stelle, an der die standardisierte Reifenkennlinie ihr Maximum einnimmt Schlupf im Wendepunkt der standardisierten Reifenkennlinie Abstand vom Schwerpunkt zur Hinterachse Abstand vom Schwerpunkt zur Vorderachse
Anfangssteifigkeit der standardisierten Reifenkennlinie Hinterachslast aerodynamisches Nickmoment aerodynamisches Giermoment Fahrerübertragungsfunktion von Gierrate zu Lenkwinkel aerodynamisches Rollmoment Übertragungsfunktion des Fahrers nach McRuer Giermoment durch Bremsen Giermoment durch Bremsen an der Hinterachse Giermoment durch Bremsen an der Vorderachse stationäres Giermoment Fahrerübertragungsfunktion von Seitenwindkraft zu Lenkwinkel Gleitreibwert maximaler Reibwert Reibwertverhältnis ausgenutzter Reibwert Vorderachslast Giermoment Nenner der Fahrzeugübertragungsfunktion Nenner von GSWA,SW , ψ˙ (s)
ω
Raddrehzahl
p p0 pdyn Φ φ φLF
Druck Referenz-Luftdruck dynamischer Druck Kurswinkel Wankwinkel relative Luftfeuchte
Symbolverzeichnis |
Φ̇ p∞ pB pH pQ,H pQ,V pS ψ ψ̇ ψ̇ stat
Kurswinkelgeschwindigkeit stationärer Druck der ungestörten Anströmung Bremsdruck Bremsmomentanteil an der Hinterachse Abstützungsquotient an der Hinterachse Abstützungsquotient an der Vorderachse Sättigungsdampfdruck Gierwinkel Gierrate (Gierwinkelgeschwindigkeit) stationäre Gierrate
pU
Umgebungsluftdruck
RD rdyn ρ0 ρL RL
individuelle Gaskonstante von Wasserdampf
SG sH SB SW,stat sV SW Ŝ W T τ τmax TE θ TA TB TD THP,FW TI TP TT Tu
dynamischer Rollradius Referenz-Luftdichte Luftdichte individuelle Gaskonstante von Luft Schwimmwinkelgradient Spurweite an der Hinterachse Beobachtbarkeitsmatrix stationäre Seitenwindkraft Spurweite an der Vorderachse Seitenwindkraft Beobachtete Seitenwindkraft absolute Temperatur Anströmwinkel Wind maximaler Anströmwinkel Zeitkonstante des Einlaufverhaltens Straßenquerneigung Zeitkonstante von AMz (s) Zeitkonstante von GTP (s) Vorhaltekonstante des Fahrers Hochpasszeitkonstante für das Federwegkriterium Verzögerungskonstante des Fahrers Prädiktionszeit des Fahrers Totzeit des Fahrers Turbulenzgrad
XVII
XVIII | Symbolverzeichnis
u
Eingangsvektor
v φ ϑ v̄ vFzg v∞ vres VM v v vWind vWind vx vy
Geschwindigkeit
WWG wx wy
Wankwinkelgradient
x ξ ξWP
Zustandsvektor
relative Luftfeuchte Temperatur Mittelwert des Geschwindigkeitsvektors Fahrzeuggeschwindigkeit ungestörte Anströmgeschwindigkeit resultierende Geschwindigkeit Verstärkung des Fahrers Schwankungen des Geschwindigkeitsvektors Geschwindigkeitsvektor Vektor der Windgeschwindigkeit Windgeschwindigkeit Längsgeschwindigkeit Quergeschwindigkeit
Windgeschwindigkeit in x-Richtung Windgeschwindigkeit in y-Richtung
verallgemeinerte Schlupfkoordinate Wert von ξ am Wendepunkt
1 Einleitung 1.1 Bedeutung des Seitenwindes für das Fahrverhalten Jeder Kraftfahrzeugführer kennt die Schrecksituation, die durch plötzlichen Seitenwind entstehen kann. Seitenwind kommt meist unerwartet und überraschend, daher ist es für den Fahrer schwierig, sich auf Seitenwind richtig einzustellen. Starke Seitenwindböen können zu einer Gierreaktion und damit zu einem deutlichen Spurversatz führen, den der Fahrer durch einen korrigierenden Lenkeingriff ausgleichen muss. Reagiert der Fahrer zu spät oder auch zu stark, kann es zu kritischen Situationen kommen. (aus [44]).
Die Beschreibung stellt gut dar, worin die Schwierigkeiten des Fahrens bei Seitenwind bestehen. An besonders exponierten Stellen kommt es häufiger zu starken Seitenwindböen, wie z. B. an Brücken oder Tunnelausfahrten an der Küste. An solchen Stellen werden auch Warnhinweise in Form von Schildern angebracht und zusätzlich Tempolimits aufgestellt. Teilweise werden sogar Fahrverbote bei starkem Wind verhängt [23]. Zusätzlich sollen aufgestellte Windsäcke dem Fahrer die Möglichkeit geben, rechtzeitig zu erkennen, dass starker Wind herrscht und er seine Fahrweise entsprechend anpassen sollte. Trotz solcher Hinweise kommt es immer wieder zu teils schweren Unfällen. Laut Berichten des European Road Safety Observatory [45, 46, 47] kam es in den betrachteten Ländern der EU im Zeitraum von 2004 bis 2006 zu 387 Unfällen mit Todesfolge, die auf starken Wind zurückzuführen waren. Starker Seitenwind stellt damit nicht nur ein Komfortproblem dar, sondern auch ein Sicherheitsproblem. Der Seitenwindassistent wurde 2012 erstmals als Serienausstattung des ESPs in der Mercedes-Benz GL-Klasse auf den Markt gebracht und wurde Schritt für Schritt in die nachfolgenden Baureihen integriert. ¹ Zur Entwicklung des Seitenwindassistenten hat die vorliegende Arbeit wesentlich beigetragen.
1.2 Darstellung des Entwicklungsstandes Es gibt zahlreiche Arbeiten, die sich mit dem Einfluss von Seitenwind auf das Fahrverhalten beschäftigen. [91] hat sich bereits in den siebziger Jahren damit auseinandergesetzt, wie im Fahrzeug Wind messtechnisch erfasst werden kann und wie sich natürlicher Seitenwind auf das Fahrer- und Fahrzeugverhalten auswirkt. Er geht dabei auch auf die charakteristischen Eigenschaften von natürlichem Wind ein und stellt Spektren hierzu bereit. Dabei hat er empirisch herausgefunden, dass Windgeschwin1 Dieser Absatz ist abgewandelt aus einer eigenen Veröffentlichung [44] DOI 10.1515/9783110542059-001
2 | 1 Einleitung digkeitsänderungen und Windrichtungsänderungen nicht voneinander abhängen. In seinen Messungen hat er auch einen deutlichen Einfluss der Jahreszeit auf das Leistungsdichtespektrum des Windes festgestellt. [22] leitet in seiner Arbeit eine mathematische Beschreibung des Spektrums von starkem böigem Seitenwind her. Er nutzt hierfür eigene und bereits vorhandene Messungen. Genau wie bei [91] zeigt sich ein deutlicher Abfall des Energieinhalts des Windes für höhere Frequenzen und eine Zunahme mit der gemessenen Höhe. Damit sind die zu erwartenden Seitenwindkräfte für hohe Frequenzen deutlich geringer als für niedrige. Ebenso ist für die Windkräfte zu erwarten, dass diese auf Fahrzeughöhe geringer sind als in der typischen Messhöhe, die mehrere Meter beträgt. In [72] wird ein wahrscheinlichkeitstheoretischer Ansatz zur Bewertung der Seitenwindstabilität von Fahrzeugen beschrieben. Unter anderem stellt [72] fest, dass es kein universelles Modell für die Form von Windböen gibt. [24] geht auf die Windlast durch Seitenwind bei Bussen ein. In der Arbeit von [18] wird beschrieben, wie die allgemeine Seitenwindempfindlichkeit durch die Kompensation mit Hilfe einer Winkelüberlagerungslenkung reduziert werden kann. Dabei wird auf die Problematik der Rückwirkung der Überlagerungslenkung auf den Fahrer eingegangen, die durch das bei der Winkelüberlagerung entstehende Lenkmoment hervorgerufen werden. Eigene Untersuchungen mit aktiven Lenksystemen haben jedoch gezeigt, dass solche Eingriffe unter Umständen irritierend wirken können². Zur Bestimmung der Windgeschwindigkeit und der Windrichtung wird ein Prandtl-Staurohr (vgl. Abs. 4.2.2) verwendet, welches sich durch eine Windfahne selbstständig in Windrichtung ausrichtet. Durch eine Kalibrierung im Windkanal können daraus die auf das Fahrzeug einwirkenden Windkräfte bestimmt werden. Allerdings ergibt sich hier das Problem, dass zusätzliche Sensorik zur Windbestimmung am Fahrzeug angebracht werden muss, welche die Aerodynamik beeinflusst und für einen Serieneinsatz prinzipiell nicht geeignet ist. Als Vorteil wird hervorgehoben, dass auf eine Windstörung bereits reagiert werden kann, bevor eine fahrdynamische Auswirkung am Fahrzeug entsteht. Das ist gleichzeitig auch der entscheidende Nachteil, denn dadurch kann es zu einem Kompensationseingriff kommen, obwohl keine fahrdynamische Auswirkung stattgefunden hätte (vgl. Abs. 4.2). Zusätzlich ist das verwendete aktive System (Überlagerungslenkung) nur als Sonderausstattung verfügbar und schränkt damit eine schnelle Verbreitung des Systems ein. Auch [85] beschäftigt sich mit der Seitenwindkompensation durch eine Störgrößenaufschaltung. Die Seitenwindkraft wird dabei durch ein von ihm entwickeltes Verfahren (vgl. [83]) bestimmt. Dabei wird das Fahrzeug selbst als Druckmesssonde genutzt. Das Fahrzeug muss aber genau wie das von [18] im Windkanal geeicht werden. Damit gelten 2 Ein 2006 selbst durchgeführter Expertenversuch mit 17 Teilnehmern, bei dem verschiedene Fahrwerksysteme verglichen wurden, hat gezeigt, dass das System mit Überlagerungslenkung (4 von 10 Punkten) bzgl. der Fahrerrückwirkung nur halb so gut wie das System mit aktivem Bremseingriff (8 von 10 Punkten) abgeschnitten hat.
1.2 Darstellung des Entwicklungsstandes | 3
auch hier die gleichen Nachteile. Als aktives System wird eine Hinterachslenkung eingesetzt, welche, abgesehen von der Beeinflussung des Schwimmwinkels, keine negative Rückwirkungen auf den Fahrer hat. Insbesondere wird das Handmoment am Lenkrad nicht beeinflusst. Aber auch die aktive Hinterachslenkung stellt eine aufwändige Sonderausstattung dar und ist bis heute ein Nischenprodukt. In der Arbeit von [73] wird auf das Verspannungslenken mit dem aktiven Fahrwerk ABC eingegangen. Unter anderem wird gezeigt, wie die Fahrzeugreaktion durch Seitenwind an einer Seitenwindanlage durch Verspannungslenken kompensiert werden kann. Für die Windbestimmung wird auch dort ein Beobachter eingesetzt. Das Verspannungslenken (vgl. [70]) hat keine Rückwirkung auf den Fahrer und ist damit sehr komfortabel. Allerdings ist hierfür das Aktivfahrwerk ABC als Aktor notwendig. Für die Windkraftbestimmung wird ein Störbeobachter verwendet, womit nur dann ein Eingriff erfolgt, wenn es tatsächlich eine Fahrzeugreaktion auf Seitenwind gibt. In der Arbeit von [53] wird auf die Bewertung der Empfindlichkeit eines Fahrzeugs bei natürlichem böigem Seitenwind eingegangen. Es werden dort Kriterien hergeleitet, die es ermöglichen, das subjektive Empfinden eines Fahrers auf objektive Kriterien abzubilden. Die Kriterien sind jedoch nicht für extreme Einzelereignisse wie starke Seitenwindböen entwickelt worden und wurden daher auch nicht für die Bewertung des Seitenwindassistenten herangezogen. In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, wie die Seitenwindkraft aufgrund der fahrdynamischen Reaktion des Fahrzeugs mit der im Fahrzeug vorhandenen Sensorik bestimmt werden kann. Zur Kompensation soll ein geeignetes aktives System im Fahrzeug verwendet werden, welches eine durchgängige Verbreitung und eine geringe Rückwirkung auf den Fahrer hat. Dabei soll gezeigt werden, wie sich der Regelkreis aus Fahrer, Fahrzeug und Seitenwindassistent verhält und wie der Seitenwindassistent die Fahrsicherheit erhöht. Eine Fahrerunterstützung bei Seitenwind muss – den Seitenwind automatisch und frühzeitig erkennen, – die Fahrzeugreaktion und den Spurversatz deutlich verringern, damit zu späte und zu starke Lenkkorrekturen durch den Fahrer vermieden werden. Prinzipiell gibt es zwei Kategorien von Maßnahmen, um dem Fahrer das Fahren bei Seitenwind zu erleichtern: 1. passive Maßnahmen, 2. aktive Maßnahmen. Die passiven Maßnahmen können weiter unterteilt werden in: 1. Maßnahmen am Fahrzeug, 2. Maßnahmen an den Verkehrswegen. Unter den passiven Maßnahmen am Fahrzeug werden diejenigen Maßnahmen verstanden, die der Fahrzeughersteller bei der Auslegung und Konstruktion eines Fahrzeugs
4 | 1 Einleitung einbringen kann, damit das Fahrzeug auf Seitenwind weniger empfindlich reagiert oder der Fahrer die Auswirkungen des Seitenwindes leichter beherrschen kann. Möglichkeiten sind z. B. eine Vergrößerung des Radstands, eine Verschiebung des aerodynamischen Druckpunktes nach hinten (vgl. [71]) oder eine Erhöhung der Schräglaufsteifigkeiten. Die genannten Möglichkeiten sind allerdings stark eingeschränkt nutzbar. Zum einen wird die Fahrzeugform hauptsächlich vom Design festgelegt, so dass die Einflussnahme über besonders gestaltete aerodynamische Wirkflächen nur in geringem Umfang möglich ist und auch dann meistens für die Optimierung des Luftwiderstandsbeiwertes genutzt wird. Zum anderen werden die fahrdynamischen Parameter oder die Fahrwerkskinematik vor allem für die Gestaltung der quer- und vertikaldynamischen Fahrzeugeigenschaften genutzt. Maßnahmen an Verkehrswegen sind bauliche Maßnahmen zur Abschwächung des Seitenwindes. Häufig werden solche Maßnahmen an besonders gefährdeten Stellen eingesetzt, z. B. Windabweiser an Brücken (vgl. Abb. 1.1). Solche Maßnahmen sind sehr effektiv, da sie der Ursache direkt entgegenwirken. Allerdings können derartige Maßnahmen nicht überall umgesetzt werden und Fahrzeughersteller haben auf solche baulichen Maßnahmen kaum Einfluss. Ein Beispiel für eine Maßnahme an Verkehrswegen ist die Reichenbachtalbrücke auf der A71 in Thüringen (vgl. Abb. 1.1). An dieser Brücke wurde eine Windschutzwand aus Plexiglas-Lamellen errichtet. Seither wird die Brücke bei starkem Wind nicht mehr gesperrt, und die Unfallzahlen sind zurückgegangen (vgl. [59]). Eine gleichartige Lösung wurde für die Zahme-Gera-Brücke, die sich auf dem gleichen Autobahnabschnitt befindet, geprüft und abgelehnt (vgl. [23]). Dort wird abhängig von der Windgeschwindigkeit eine Geschwindigkeitsbegrenzung aktiviert oder die Brücke gesperrt (vgl. [58]):
Abb. 1.1: Foto von der Reichenbachtalbrücke auf der A71 in Thüringen. Auf der linken Seite ist die Windschutz-Wand (blau umrandet) aus Plexiglas-Lamellen zu sehen.
1.2 Darstellung des Entwicklungsstandes | 5
– – –
Ab 13, 9 m/s (50 km/h) wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung aktiv, ab 20, 8 m/s (75 km/h) wird die Brücke für Lastwagen mit Anhänger, PkwGespanne und Wohnmobile gesperrt, ab 35, 5 m/s (127, 8 km/h) wird die Brücke für fünf Stunden für den gesamten Verkehr gesperrt.
Um die genannten Windgeschwindigkeiten besser einordnen zu können, werden sie mit dem für die vorliegende Arbeit verwendeten Seitenwindgebläse verglichen. Das Seitenwindgebläse auf der Versuchsstrecke der Daimler AG in Untertürkheim erzeugt in einem Abstand von ca. 30 m eine Windgeschwindigkeit von ca. 55 km/h und bei einem Abstand von 2 m eine Windgeschwindigkeit von ca. 80 km/h und liegt damit im gleichen Bereich wie die ersten beiden Limitierungsstufen auf der Zahme-Gera-Brücke. Aktive Maßnahmen sind Maßnahmen, die mit im Fahrzeug verfügbaren Systemen, wie z. B. der Lenkung, der durch Seitenwind entstehenden Störung entgegenwirken. Ziel der aktiven Maßnahmen ist es, dem Fahrer bei seiner Fahraufgabe zu helfen. Für eine aktive Unterstützung des Fahrers sind einige Voraussetzungen notwendig: – Seitenwinderkennung, um die Kräfte des Seitenwinds zu bestimmen; – Eingriffskonzept, um den Fahrer bedarfsgerecht zu unterstützen; – aktives System (z. B. Lenkung), um den durch das Eingriffskonzept bestimmten Eingriff umsetzen zu können.
Abb. 1.2: Einteilung von Windereignissen nach Kraft und Dynamik.
6 | 1 Einleitung Für die grundsätzliche Festlegung, bei welchen Windereignissen der Fahrer unterstützt werden soll, wird eine Einteilung nach Kraft und Dynamik vorgenommen (vgl. Abb. 1.2). Windereignisse mit geringer Frequenz, wie dauerhafter Wind, sind für den Fahrer einfach auszugleichen, da er nur konstant gegenlenken muss. Schwache Windereignisse, unabhängig von ihrer Dynamik, führen zu geringen Fahrzeugreaktionen und bedürfen daher keiner Unterstützung. Damit werden die Bereiche mit geringer Windkraft und diejenigen mit geringer Dynamik hier als Komfortbereich bezeichnet. Der Fahrer benötigt hierfür keine Unterstützung. Anders sieht es im Bereich höherer Dynamik und hoher Windkraft aus. Hier kann der Fahrer überrascht werden und zu stark oder auch zu spät reagieren. Dadurch kann es zu großen Spurversätzen und zu kritischen Situationen kommen. Daher ist es sinnvoll, den Fahrer in solchen Situationen zu unterstützen.
1.3 Ziele und Aufgaben Das Ziel der vorliegenden Dissertationsschrift besteht darin, ein neuartiges Konzept zur Unterstützung des Fahrers bei starkem Seitenwind mit den vorhandenen Systemen im Fahrzeug zu realisieren und den Nutzen für den Fahrer nachzuweisen. Dazu sind folgende wissenschaftliche Teilziele zu bearbeiten: – Erweiterung eines geeigneten Fahrzeugmodells, so dass differentielle Bremseingriffe abgebildet werden. – Auswahl eines geeigneten Referenzmessverfahrens für Seitenwind und Erweiterung des Verfahrens für den vorliegenden Anwendungsfall. – Online-Bestimmung der Seitenwindkraft mit im Fahrzeug serienmäßig vorhandener Sensorik. – Herleitung eines Verfahrens zur Unterscheidung von realem Seitenwind von anderen Störungen. – Entwicklung einer Kompensationsstrategie, so dass die fahrdynamischen Auswirkungen von Seitenwindböen kompensiert werden. – Auswahl und Anpassung eines geeigneten Fahrermodells für die theoretische Untersuchung des Gesamtsystems. – Nachweis der Stabilität des gewählten Konzepts im geschlossenen Regelkreis. – Experimenteller Nachweis der Wirksamkeit des Konzepts. Die Kapitel wurden dazu folgendermaßen eingeteilt. In Kapitel 2 werden die Grundlagen der Fahrdynamik und Aerodynamik dargestellt, und es werden die benötigten Modellvorstellungen hergeleitet bzw. erweitert. Das verwendete Fahrzeugmodell wird dort so erweitert, dass der Einfluss von Seitenwind und differentiellen Bremseingriffen abgebildet werden kann. Dort wird auch beschrieben, wie die aerodynamischen Kräfte und Momente am Fahrzeug entstehen und wirken. Zu-
1.3 Ziele und Aufgaben | 7
sätzlich wird das für die Untersuchung des Gesamtsystems notwendige Fahrermodell beschrieben. In Kapitel 3 wird auf die verwendeten Werkzeuge wie Simulation, Fahrsimulator, Windkanal und Versuchsfahrzeug eingegangen. In Kapitel 4 wird die Seitenwinderkennung näher erläutert. Es wird gezeigt, wie Windkräfte messtechnisch erfasst werden können. Insbesondere wird auf den Unterschied und die Vor- und Nachteile von direkt messenden und indirekt messenden Verfahren eingegangen. Anschließend wird auf die Herleitung des verwendeten Seitenwindbeobachters eingegangen. Abschließend wird die Parameterempfindlichkeit des Seitenwindbeobachters analysiert. In Kapitel 5 wird auf die neu entwickelte Kompensationsstrategie eingegangen. Dort wird das Konzept der Störgrößenaufschaltung zur Seitenwindkompensation hergeleitet. Anschließend wird der Regelkreis aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind detailliert diskutiert und analysiert. Insbesondere wird auf die Interaktion mit dem Fahrer und auf dessen Fähigkeiten zum Ausgleich von Seitenwind eingegangen und es wird die Stabilität des Gesamtsystems untersucht. In Kapitel 6 werden anschließend die experimentellen Ergebnisse, die die Wirksamkeit des Seitenwindassistenten belegen, dargestellt und erläutert.
2 Aerodynamik und Fahrdynamik Nachfolgend wird auf die Grundlagen der Aerodynamik und Fahrdynamik eingegangen. Dazu wird gezeigt, wie Seitenwind beschrieben werden kann. Anschließend werden die aerodynamischen Modellvorstellungen hergeleitet, die die Kraft- und Momentenerzeugung am Fahrzeug beschreiben. Im Abschnitt Fahrdynamik wird das Einspurmodell so erweitert, dass die aerodynamischen Kräfte und Momente in der Querdynamik des Fahrzeugs berücksichtigt werden können. Zusätzlich wird der Einfluss des einseitigen Bremseingriffs, der für das neue Seitenwindkompensationskonzept verwendet wird, im Fahrdynamikmodell beschrieben. Abschließend wird das für die Arbeit verwendete Fahrermodell diskutiert.
2.1 Seitenwind Seitenwind ist Wind, der ein Fahrzeug nicht genau in Längsrichtung anströmt, sondern in einer hiervon abweichenden Richtung. Die Schräganströmung entsteht aus der vektoriellen Überlagerung der durch die Fahrgeschwindigkeit entstehenden Eigenanströmung (Fahrtwind) und dem natürlichen Wind. Die Erde erwärmt sich aufgrund der Sonneneinstrahlung an jedem geographischen Ort unterschiedlich. Die dadurch erzeugten Temperaturunterschiede verursachen Druckunterschiede in der Atmosphäre, welche wiederum eine Ausgleichsbewegung der Atmosphäre, die Wind genannt wird, verursachen. Auf der Erde beeinflusst die CoriolisKraft die Richtung der globalen Winde zusätzlich (vgl. [28]). Die Winde können nach [28] grob wie folgt eingeteilt werden: – globale Windsysteme - z. B. Passat, – geostrophische Winde - Winde in großer Höhe, die von der Reibung in Bodennähe nicht beeinflusst werden, – lokale Winde - z. B. See-Land-Wind. Da die Temperaturunterschiede die wesentliche treibende Kraft des natürlichen Windes sind, sind sie stark von der Jahreszeit, der Tageszeit, den lokal unterschiedlichen Temperaturen und den geografischen Bedingungen abhängig. Für die Schräganströmung von Fahrzeugen im normalen Straßenverkehr ist die Überlagerung aus Fahrtwind und natürlichem Wind verantwortlich. Der natürliche Wind wird von der baulichen und natürlichen Umgebung stark beeinflusst, z. B. bei der Ausfahrt aus einem Tunnel. Auch die Abschattung durch andere Fahrzeuge beim Überholen hat einen starken Einfluss auf die Anströmung des Fahrzeugs. Die Fahrzeughöhe eines Pkw ist in der Regel geringer als 2 m, daher ist bei der Pkw-Anströmung der Wind in Bodennähe von Bedeutung. Im Bereich des Bodens gilt die strömungsdynamische Haftbedingung, und damit ist die StrömungsgeschwindigDOI 10.1515/9783110542059-002
2.1 Seitenwind
| 9
keit direkt am Boden Null; das gilt unabhängig von der Anströmgeschwindigkeit der ungestörten Strömung (vgl. [67]). Die Strömungsgeschwindigkeit erhöht sich erst mit zunehmendem Abstand zum Boden, bis sie dann in sehr großer Höhe den Wert der ungestörten Strömung annimmt. Die bodennahe Schicht wird Prandtl-Schicht genannt (vgl. [28]); an diese schließt sich die Ekman-Schicht an. Unter idealisierten Bedingungen kann in der Prandtl-Schicht der höhenabhängige Geschwindigkeitsverlauf berechnet werden. Es ergibt sich dann ein logarithmisches Windprofil [28]: v2 (z2 ) = v1 (z1 )
ln( zz20 ) ln( zz10 )
.
(2.1)
v1 (z1 ) ist die in der Höhe z1 gemessene Windgeschwindigkeit. Für Wettervorhersagen wird die Windgeschwindigkeit in einer Höhe von 10 m gemessen. z0 ist die Rauigkeitslänge, die von der Umgebung abhängig ist, z. B. von Bebauung oder Bepflanzung. v2 (z2 ) ist die in der Höhe z2 zu berechnende Geschwindigkeit. Aus dem formelmäßigen Zusammenhang kann die Bedeutung der Rauigkeitslänge direkt abgelesen werden. Sie ist genau die Höhe, in der die Geschwindigkeit Null ist. In Abb. 2.1 ist der beschriebene Zusammenhang grafisch dargestellt. Obwohl das logarithmische Windprofil nur eine idealisierte Betrachtung ist, verdeutlicht es dennoch den starken Einfluss des umgebenden Landschaftsprofils und der Höhe auf die 2 1.8
Rauigkeitslänge 0,03 m (Ackerland) Rauigkeitslänge 0,1m (Heide)
1.6
Höhe in m
1.4 1.2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0
0
10
20
30 vWind in km/h
40
50
60
Abb. 2.1: Für zwei verschiedene Rauigkeitslängen ist der Verlauf der Windgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Höhe dargestellt. Die Windgeschwindigkeit in 10 m Höhe beträgt für beide Kurven 80 km/h. Deutlich zu sehen ist, dass bei einer größeren Rauigkeitslänge, welche größeren Hindernissen durch Bebauung und Bepflanzung entspricht, die Windgeschwindigkeit schneller über der Höhe abnimmt.
10 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Windgeschwindigkeit. Wird nun noch berücksichtigt, dass sich die ungestörte Windgeschwindigkeit und deren Richtung dauernd ändern und auch das Umgebungsprofil nicht einheitlich ist, so ergibt sich ein sehr komplexes Windgeschwindigkeitsprofil in Bodennähe. Werden weiterhin noch deterministische Hindernisse berücksichtigt, dann kann es nicht nur zu einer Abschwächung des Windes kommen, wie beispielsweise innerhalb eines Waldgebiets, sondern auch zu einer lokalen Verstärkung. Wird der Strömungsquerschnitt verengt, kommt es zu einem Anstieg der Strömungsgeschwindigkeit, da der Massenstrom bei einer inkompressiblen Strömung weiterhin die Kontinuitätsgleichung erfüllen muss (vgl. [67]). Ein Beispiel hierfür ist z. B. eine Dammkrone, an der sich die Stromlinien verdichten und damit die Geschwindigkeit ansteigt (weitere Beispiele finden sich in [36]). Eine weitere wichtige Eigenschaft von Wind ist dessen Böigkeit. Laut Definition ist eine Windböe eine kurzzeitige Abweichung der Windgeschwindigkeit von der mittleren Windgeschwindigkeit von mehr als 5 m/s (vgl. [50]), wobei kurzzeitig wenige Sekunden oder Minuten bedeutet. Die Mittelung der Windgeschwindigkeit erfolgt bei Wetterbeobachtungsdiensten typischerweise in einem Zeitintervall von 10min. Böen werden messtechnisch durch Böenmesser erfasst, die als Druckmesssonden aufgebaut sind (vgl. Abs. 4.2.2). Auch [69] setzt sich in einem Artikel mit dem Thema Böen auseinander. Dort wird ein Ansatz verfolgt, der eine Windböe mit Bezug auf Windenergieanlagen charakterisieren soll. Nach der dortigen Definition ist eine Windböe eine Windgeschwindigkeitsänderung an einem festen Ort von mehr als 3 m/s2 . Eine Windböe wird damit über die Beschleunigung definiert. Eine solche Charakterisierung lässt sich nicht direkt auf das Fahrverhalten bei Seitenwind übertragen, da hierbei eine veränderliche Position und eine veränderliche Richtung nicht berücksichtigt werden. Dennoch liefert sie eine wesentliche Eigenschaft einer Windböe, und zwar die schnelle Änderung der Windgeschwindigkeit. Eine Erweiterung für ein sich bewegendes Fahrzeug und die Berücksichtigung der Richtungsänderung sind folgendermaßen möglich: Wird die das Fahrzeug anströmende, resultierende Windgeschwindigkeit mit vres bezeichnet und der Anströmwinkel mit τ, so ergibt sich der zweidimensionale Vektor der Windgeschwindigkeit in Polarkoordinaten zu vWind = −vres (
sin τ ) = vres et . cos τ
(2.2)
Darin ist et der Einheitsvektor in tangentialer Richtung. Nun wird die Ableitung von vWind gebildet. Da sich sowohl die Geschwindigkeit als auch der Anströmwinkel ändern können, ergibt sich für die Windbeschleunigung aWind = −v̇ res (
sin τ cos τ ) − vres τ̇ ( ) cos τ − sin τ
= v̇ res et + vres τ̇ en .
(2.3) (2.4)
2.1 Seitenwind
| 11
Hierin ist en der Einheitsvektor in normaler Richtung. Da die beiden Vektoren senkrecht zueinander stehen, ist der Betrag |aWind | = √ v̇ 2res + v2res τ̇ 2 .
(2.5)
Damit werden sowohl die Richtungsänderung als auch die Geschwindigkeitsänderung berücksichtigt, und als Bedingung für eine Windböe ergibt sich |aWind | > aB¨oe ,
(2.6)
wobei aB¨oe ein festzulegender Schwellwert ist. In Abb. 2.2 wurde die Berechnungsvorschrift auf eine Vorbeifahrt am Windgebläse auf der Daimler Versuchsstrecke in Untertürkheim angewendet. Zum einen ist in der Darstellung die sehr hohe Windbeschleunigung an sich und zum anderen der hohe Anteil der Normalbeschleunigung am Gesamtbetrag zu sehen. D. h., insbesondere schnelle Richtungsänderungen liefern große Anteile in der Gesamtbeschleunigung. Das beschriebene Verfahren bietet eine Möglichkeit zu bestimmen, ob ein Windereignis im Sinne von Abb. 1.2 eine hohe Dynamik aufweist und damit eine Fahrerunterstützung notwendig ist. Allerdings bietet das Verfahren keine Möglichkeit, die entstehenden Kräfte und die damit zusammenhängende Fahrzeugreaktion abzuschätzen. Wind besteht grundsätzlich aus einer Überlagerung von Strömungsanteilen mit unterschiedlicher Dynamik. Einige davon 35
x
Tangentialbeschleunigung Normalbeschleunigung Gesamtbeschleunigung
30
t y
Windbeschleunigung/in/m/s²
en et vres
25
20
15
10
5
0 5.5
6
6.5 Zeit/in/s
7
7.5
Abb. 2.2: Charakterisierung einer Windböe durch den Betrag der Windbeschleunigung anhand von Messdaten einer Vorbeifahrt am Windgebläse in Untertürkheim mit 130 km/h. Zusätzlich ist die Aufteilung in Normal- und Tangentialbeschleunigung und ein Grenzwert von aB¨oe = 10 m/s2 dargestellt. Zum besseren Verständnis sind in der Skizze auf der rechten Seite die Richtungsvektoren dargestellt.
12 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik tauchen periodisch auf, andere rein stochastisch, und wieder andere sind deterministisch. Wind kann auch in strömungstechnischer Hinsicht in laminare und turbulente Anteile unterschieden werden. Das ist insbesondere deswegen von Bedeutung, weil damit die entstehenden Kräfte an einem umströmten Körper beeinflusst werden. In [37] ist beschrieben, dass natürlicher Wind Grenzschichtcharakter besitzt, also reibungsbehaftet und instationär ist. Auch [91] zeigt, dass der natürliche Wind als Überlagerung aus einem konstanten und einem stochastischen Anteil dargestellt werden kann (vgl. Abb. 2.3). Wird der natürliche Wind über den Reynolds-Ansatz (vgl. [67]) beschrieben, so kann dessen Turbulenzgrad bestimmt werden. Für eine dreidimensionale, instationäre Strömung lauter der Ansatz:
̄ y, z) + v (x, y, z, t), v(x, y, z, t) = v(x,
(2.7)
wobei v(x, y, z, t) der Geschwindigkeitsvektor der Strömung zu einem bestimmten Zeitpunkt t an der Stelle (x, y, z) ist. v(x, y, z, t) wird darin in zwei additive Anteile zerlegt: In den zeitlichen Mittelwert v̄ und die zeitabhängigen Schwankungen v an der Stelle (x, y, z). T
v(x, y, z) =
1 ∫ v(x, y, z, t)dt, T
(2.8)
0
T
1 v (x, y, z) = ∫ v (x, y, z, t)dt = 0. T
(2.9)
0
25
Windgeschwindigkeit (stochastisch) Mittelwert Windgeschwindigkeit (konstant)
Windgeschwindigkeit in km/h
20
15
10
5
0
0
0.5
1
1.5
2
2.5 Zeit in s
3
3.5
4
4.5
5
Abb. 2.3: Darstellung des Seitenwinds als Überlagerung aus konstantem und stochastischem Anteil, basierend auf einer Fahrzeugmessung.
2.2 Aerodynamik | 13
Die Mittelungszeit T wird so groß gewählt, dass eine weitere Erhöhung keine Änderung von v̄ zur Folge hat. Dadurch wird v = 0. Um den Turbulenzgrad zu berechnen, muss noch der quadratische Mittelwert der Schwankungen eingeführt werden: T
2
v (x, y, z) =
1 ∫ v (x, y, z, t) ⋅ v (x, y, z, t)dt. T
(2.10)
0
Der dimensionslose Turbulenzgrad Tu an der Stelle (x, y, z) wird definiert als: Tu = √
1 2 3 v (x,
y, z) ⋅ 13
v(x, y, z) ⋅ v(x, y, z)
,
(2.11)
wobei 13 = (111)T der Einsvektor ist. Damit wird im Prinzip die Varianz in Bezug zum Mittelwert der Strömung gesetzt. Je größer der Turbulenzgrad, um so größer sind die veränderlichen Anteile der Strömung. Die turbulenten Anteile erhöhen den Strömungswiderstand eines Körpers. (vgl. [67]). Dadurch sind die Kräfte in einer Strömung mit hohem Turbulenzgrad größer als bei niedrigem. Eine Bestimmung der Windkraft aus Anströmgeschwindigkeit und Anströmrichtung kann dadurch zu deutlichen Fehlern führen. Im vorigen Abschnitt wurde die Entstehung des Windes sowie die Komplexität der Zusammenhänge dargestellt. So ist der auftretende Seitenwind an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit stark von der Bebauung, der Bepflanzung und dem Landschaftsprofil abhängig. Insbesondere in Bodennähe ist es nicht möglich, im Voraus zu bestimmen, ob zu einer bestimmten Zeit eine starke Windböe auftreten wird. Über die Wettervorhersage ist lediglich eine Gefahrenlage und eine Abschätzung der maximalen Windgeschwindigkeit, welche dann aber nicht direkt auf Bodennähe übertragbar ist vorhersagbar. Des Weiteren wurde eine Definition der Böigkeit des Windes nach Gl. (2.6) eingeführt, welche genutzt werden kann, um zu bestimmen, ob die Dynamik des Windes eine Unterstützung notwendig macht. Da dadurch keine direkte Aussage über die Fahrzeugreaktion gemacht werden kann, kommt sie in der vorliegenden Arbeit nicht weiter zur Anwendung. Von möglichem Nutzen könnte aber eine lokale messtechnische Beurteilung der Gefährlichkeit des Seitenwindes an gefährdeten Stellen sein. Abschließend wurde kurz der Einfluss der Turbulenz auf die Fahrzeuganströmung diskutiert und eine mögliche Beschreibung aufgezeigt. Solche Turbulenzen können aufgrund von Bebauung z. B. durch Brückenpfeiler entstehen und zu starken Verfälschungen bei indirekten Messverfahren führen.
2.2 Aerodynamik Im Folgenden wird auf die aerodynamischen Grundlagen eingegangen, um zu verstehen, wie aerodynamische Kräfte und Momente am Fahrzeug entstehen. Anschließend
14 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik wird gezeigt, wie die aerodynamischen Kräfte und Momente am Fahrzeug mithilfe der aerodynamischen Beiwerte modelliert werden können. Darauf folgend wird auf die Einflussparameter in den aerodynamischen Gleichungen eingegangen. Bei der Entwicklung eines Kraftfahrzeuges spielt die Aerodynamik eine wichtige Rolle. Dabei gibt es grundsätzlich Kompromisse zwischen Design und Aerodynamik, denn eine optimale Aerodynamik eines Fahrzeugs trifft nicht unbedingt den Geschmack des späteren Kunden. Daher arbeiten die Designer sehr eng mit den Aerodynamikern zusammen, damit das Optimum zwischen Design und Aerodynmaik gefunden wird. Dieses Thema soll hier aber nicht weiter vertieft werden. Die Aerodynamik hat starken Einfluss auf verschiedene Bereiche des Fahrzeugs, wie z. B. (vgl. [36]): – Luftwiderstand des Fahrzeugs und damit auf den Kraftstoff-/ Energieverbrauch bei höheren Geschwindigkeiten und auf die Höchstgeschwindigkeit bei gegebener Antriebsleistung, – die aerodynamische Richtungsstabilität, – Windgeräusche, – Verschmutzung des Fahrzeugs, – Kühlung von Motor und Bremsen. Für das Fahrverhalten des Fahrzeugs bei Seitenwind ist die aerodynamische Richtungsstabilität von großer Bedeutung, da dadurch charakterisiert wird, wie sich Kräfte und Momente bei Schräganströmung des Fahrzeugs auswirken. Wird ein Fahrzeug von Luft angeströmt, so entstehen am Fahrzeug Kräfte und Momente. Am bekanntesten ist die entstehende Längskraft, die Luftwiderstand genannt wird. Der Luftwiderstand wird maßgeblich von der Querspantfläche A und dem Luftwiderstandsbeiwert cW beeinflusst. Meistens ist in öffentlichen Diskussionen jedoch nur vom cW -Wert die Rede. So erreicht beispielsweise das E-Klasse Coupé von Mercedes-Benz einen cW -Wert von 0, 24 (vgl. [1]). Für die Luftwiderstandskraft ist aber die Querspantfläche von gleichwertiger Bedeutung. So errechnet sich der Luftwiderstand eines Fahrzeugs bei reiner Längsanströmung zu FW,L =
ρL cW Av2∞ . 2
(2.12)
Hierbei ist ρL (= 1, 251 kg/ m3 bei Normalbedingungen) die Luftdichte, cW der Luftwiderstandsbeiwert, A die Querspantfläche und v∞ die ungestörte Anströmgeschwindigkeit, die im vorliegenden Fall der Fahrzeuglängsgeschwindigkeit entspricht. Die aerodynamischen Kräfte setzen sich aus zwei Anteilen zusammen (vgl. [67]): – Formwiderstand oder Druckwiderstand, der aufgrund der Druckverteilung entlang des umströmten Körpers entsteht, – Reibungswiderstand, der durch die Schubspannungen an der Wand des umströmten Körpers entsteht. Damit setzt sich auch der Luftwiderstandsbeiwert aus dem
2.2 Aerodynamik | 15
c
W
100 km/h 150 km/h
0 ,4 0 ,3 0 ,2 0 ,1 0,0 -0,1 -0.1
-0.2
-80
-60
-40
-20
0
20
40
60
80 t in °
Abb. 2.4: Dargestellt ist der aus Windkanal-Messdaten berechnete cW -Wert über dem Anströmwinkel τ für die Anströmgeschwindigkeiten v∞ = 100 km/h und v∞ = 150 km/h. Deutlich sichtbar ist die starke Abhängigkeit von τ und die Unabhängigkeit von v∞ . Bei dem vermessenen Fahrzeug handelt es sich um ein Versuchsfahrzeug mit auf dem Dach angebrachter zusätzlicher Messtechnik. Daher ist der cW -Wert deutlich höher als bei einem Serienfahrzeug.
– –
Druckwiderstandsbeiwert cd und dem Reibungswiderstandsbeiwert cf
zusammen. Es gilt z. B. für den bereits beschriebenen Luftwiderstandsbeiwert cW = cd + cf . Abhängig von der Form des Körpers kann einer dieser Werte stark dominieren. Bei einer längs angeströmten Platte ist der Druckwiderstand sehr gering und der Reibungswiderstand macht fast den kompletten Gesamtwiderstand aus. Strömt man die Platte jedoch quer an, so kehrt sich das Verhältnis um. Mit sinkendem cW -Wert gewinnt der Reibungsanteil zunehmend an Bedeutung und wird bei der Optimierung der Fahrzeugaerodynamik entsprechend berücksichtigt (vgl. [36]). Im Allgemeinen kann die aerodynamische Kraft, die auf das Fahrzeug wirkt, in drei Komponenten zerlegt werden - in die x-, y- und z-Komponente. Diese werden im weiteren Verlauf wie folgt bezeichnet: – x-Komponente: Widerstandskraft FW,L ¹, – y-Komponente: Seitenkraft FY,L , – z-Komponente: Auftriebskraft FA,L .
1 Das „L“ soll hervorheben, dass die Luftströmung die entsprechenden Kräfte und Momente verursacht.
16 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Das dabei entstehende Moment kann ebenfalls in drei Anteile zerlegt werden - in die Momente um die – x-Achse: Rollmoment MR,L , – y-Achse: Nickmoment MM,L , – z-Achse: Giermoment MN,L . Die Kräfte und Momente, die bei der Anströmung des Fahrzeugs mit Luft entstehen, sind im Allgemeinen abhängig vom Anströmwinkel τ und von der Anströmgeschwindigkeit v∞ . Gleiches gilt für die zugehörigen aerodynamischen Beiwerte, die im Folgenden eingeführt werden. Für den Geschwindigkeitsbereich, der für das Verhalten von Fahrzeugen bei Seitenwind von Interesse ist, kann die Abhängigkeit der aerodynamischen Beiwerte von der Anströmgeschwindigkeit vernachlässigt werden (vgl. Abb. 2.4 und [83]). Werden die Kräfte auf den dynamischen Druck der ungestörten Anströmung und eine charakteristische Fläche ² A bezogen, ergeben sich die aerodynamischen Kraftbeiwerte (vgl. [36] und [67]): 1 ρL v2∞ , 2 F i,L (v∞ , τ) c i (τ) = pdyn (v∞ )A
(2.13)
pdyn (v∞ ) =
mit
iϵ{W, Y, A}.
(2.14)
Die Momente werden zusätzlich auf eine charakteristische Länge l (meistens die Fahrzeuglänge) bezogen: c i (τ) =
M i,L (v∞ , τ) pdyn (v∞ )A l
mit
iϵ{R, M, N}.
(2.15)
Analog werden für die statischen Drücke p i , die im Allgemeinen an jedem Punkt des Fahrzeugs unterschiedlich sind, Beiwerte berechnet (vgl. [67]): cp,i (τ) =
p i (v∞ , τ) − p∞ pdyn (v∞ )
mit
iϵℕ.
(2.16)
Dabei ist p∞ der stationäre Druck der ungestörten Anströmung und i ist der Index des verwendeten Messpunktes am Fahrzeug. Werden die entstehenden Kräfte und Momente bezüglich ihrer Auswirkung auf das Fahrverhalten eines Fahrzeugs analysiert, so ist die aerodynamische Längskraft FW,L vor allem für die erzielbare Höchstgeschwindigkeit und für den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs bei höheren Geschwindigkeiten von Bedeutung. Für die aerodynamische Richtungsstabilität sind hauptsächlich die aerodynamische Seitenkraft FY,L und das aerodynamische Giermoment MN,L von Bedeutung, da sich beide Größen direkt auf die Gier- und Querbewegung des Fahrzeugs 2 Meistens wird die Querspantfläche verwendet. Sie ist die Projektionsfläche des Fahrzeugs in Längsrichtung.
2.2 Aerodynamik | 17
Giermoment− und Seitenkraftbeiwert 2.5 2
cS bei 100 km/h
1.5
cN bei 100 km/h
1 0.5 0 −0.5 −1 −1.5 −2 −2.5 −60
−40
−20
0 τ in °
20
40
60
Abb. 2.5: Dargestellt sind der Seitenkraft- und der Giermomentenbeiwert im Bereich von −70 ° bis 70 ° bei einer Anströmgeschwindigkeit von 100 km/h. Zusätzlich sind die Ausgleichsgeraden dargestellt, die verdeutlichen, dass die Kennlinien für kleine Anströmwinkel linear verlaufen.
auswirken (vgl. Abs. 2.3). In Abb. 2.6 sind die Strömungsverhältnisse am Fahrzeug dargestellt. Die Eigenanströmung, die das Fahrzeug unter dem Schwimmwinkel β mit der Fahrzeuggeschwindigkeit vFzg anströmt, überlagert sich vektoriell mit der Windgeschwindigkeit vWind , die unter dem Winkel τWind auftritt. Es entsteht eine resultierende Anströmung mit der Geschwindigkeit vres und dem Winkel τ zur Fahrzeuglängsachse. Werden die aerodynamischen Gleichungen (2.14) und (2.15) nach der Kraft bzw. dem Moment aufgelöst und vres und τ eingesetzt, so ergeben sich für die aerodynamische Seitenkraft und das aerodynamische Giermoment: 1 ρL AcY (τ)v2res , 2 1 MN,L (vres , τ) = ρL A lcN (τ)v2res . 2 FY,L (vres , τ) =
(2.17) (2.18)
Wird MN,L durch FY,L geteilt, so ergibt sich e(τ) =
MN,L (vres , τ) cN (τ) = l. FY,L (vres , τ) cY (τ)
(2.19)
e(τ) ist der von τ abhängige Störkrafthebelarm, welcher die Entfernung des resultierenden Druckpunkts DP vom Schwerpunkt angibt. Greift die aerodynamische Seitenkraft in diesem Punkt an, dann erzeugt sie gleichzeitig auch das zugehörige Giermoment (vgl. Abb. 2.6). In Abb. 2.5 ist der Verlauf der beiden Beiwerte dargestellt. Für kleine
18 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Winkel können beide Beiwerte linearisiert werden, womit der Störkrafthebelarm e(τ) hierfür konstant wird: MN,L (vres , τ) = eFY,L (vres , τ).
(2.20)
In Abb. 2.7 ist der Störkrafthebelarm in Abhängigkeit von τ dargestellt. Dabei ist der Bereich mit konstantem Wert für e bei kleinen Anströmwinkeln gut zu sehen. Der konstante Wert von e wird bei der in Kap. 4.3 beschriebene Seitenwindkraftbestimmung angenommen. Eine Abweichung hiervon beeinflusst direkt die beobachtete Seitenwindkraft. Für den geschlossenen Regelkreis inklusive der Kompensationsstrategie ist dies jedoch kein Problem, da sowohl bei der Erkennung als auch bei der Kompensation der Störkrafthebelarm auftritt und zwar so, dass sich der Fehler reduziert. Das Problem liegt dann nur noch in der Abweichung zwischen gemessener und beobachteter Seitenwindkraft. Anströmwinkel mit einem Betrag größer als 20 ° sind äußerst selten (vgl. [36]). In Abb. 2.9 ist die Auswertung einer zweistündigen Autobahnfahrt dargestellt. Auch hier ist deutlich zu sehen, dass die Anströmwinkel eher klein sind. Der maximale Anströmwinkel τmax für eine gegebene Fahrzeuggeschwindigkeit und eine gegebene Windgeschwindigkeit lässt sich unter Vernachlässigung von β leicht
vFzg b
vres
t
DP
tWind
e
SP
vWind
Druckpunkt (DP) Schwerpunkt (SP) Abb. 2.6: Anströmverhältnisse am Fahrzeug
FY,L
2.2 Aerodynamik | 19
abschätzen³ (vgl. Abb. 2.8): sin(τmax ) =
vWind , vFzg
(2.21)
vres = √ vFzg 2 − vWind 2 .
(2.22)
Zur Abschätzung der auftretenden Winkel soll folgendes Zahlenbeispiel dienen: – vWind < vFzg , ist für höhere Fahrzeuggeschwindigkeiten meistens erfüllt (wenn nicht, ist τmax = 180 °), – vFzg = 110 km/h, entspricht langsamer Autobahnfahrt, – vWind = 70 km/h, entspricht einer ungestörten Geschwindigkeit in 10 m Höhe von 140 km/h über Ackerland (vgl. Abb. 2.1). Damit ergibt sich nach Gl. (2.21) ein maximaler Anströmwinkel von τmax = 40 °. Um zu verstehen, wie sich die Windseitenkraft in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit ändert, wird im Folgenden ein Wind mit konstanter Geschwindigkeit und einer konstanten Richtung von 90 ° angenommen (für andere Windrichtungen kann eine Aufteilung in die entsprechende Längs- und Querrichtung erfolgen).
Störkrafthebelarm 1
e(τ) in m
0.8
0.6
0.4
0.2
0 −40
−30
−20
−10
0 τ in °
10
20
30
40
Abb. 2.7: Aus Messdaten bestimmte Abhängigkeit des Störkrafthebelarms e von τ. Für das vermessene Fahrzeug ist der Bereich zwischen −20 ° und 20 ° konstant.
3 Die Vernachlässigung von β ist im Normalfahrbereich für Geschwindigkeiten ab 80 km/h zulässig, da die Schwimmwinkel für kleine Querbeschleunigungen klein sind.
20 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik
P
.
P
vres
vWind
t
vFzg
Abb. 2.8: Skizze zur Darstellung der Bestimmung des maximalen Anströmwinkels τ, wobei alle Größen, außer der Windrichtung, konstant gehalten werden. Wird der Punkt P so lange verschoben bis zwischen resultierender Windgeschwindigkeit vres und der Windgeschwindigkeit vWind ein rechter Winkel entsteht, so ist der Betrag des Anströmwinkels τ maximal. 6 gemessen Gaussverteilung
relative Häufigkeit in %
5
4
3
2
1
0 −8
−6
−4
−2 0 2 Anströmwinkel in °
4
6
8
Abb. 2.9: Relative Häufigkeit der Anströmwinkel in 0,1 °-Schritten bei einer zweistündigen Autobahnfahrt. Die Verteilung liegt recht nah an der Gaussverteilung. Allerdings weist sie eine leichte Überhöhung für kleine Anströmwinkel auf, die jedoch sehr viel kleiner ist als z. B. in [36] dargestellt. Die Ursache für die Überhöhung liegt daran, dass auf der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird und damit kleine Anströmwinkel häufiger auftreten. Abhängig von den Windbedingungen und den gefahrenen Kurven ergibt sich eine größere oder kleinere Überhöhung.
2.2 Aerodynamik | 21
Damit wird die resultierende Windgeschwindigkeit vres v2res = vFzg 2 + vWind 2
(2.23)
und für den Anströmwinkel τ ergibt sich sin τ =
vWind . vres
(2.24)
Für Winkel kleiner als 30° kann die Winkelfunktion mit geringen Fehlern linearisiert werden: τ=
vWind . vres
(2.25)
Wird nun Gl. (2.17) für die aerodynamische Seitenkraft verwendet, so kann der darin enthaltene Kraftbeiwert für kleine Winkel linearisiert werden (vgl. Abb. 2.5 und [91]). Damit ergibt sich: FY,L (vres , τ) =
1 ρL A k cY τ v2res , 2
(2.26)
wobei k cY die Steigung des aerodynamischen Seitenkraftbeiwerts cY ist. Mit 2.25 vereinfacht sich diese Gleichung weiter zu: FY,L (vres , vWind ) =
1 ρL A k cY vWind vres . 2
(2.27)
Da vFzg = cos(τ)vres gilt und die Cosinus-Funktion für kleine Winkel mit geringen Fehlern vernachlässigt werden kann, ergibt sich: FY,L (vFzg , vWind ) =
1 ρL A k cY vWind vFzg . 2
(2.28)
Damit ergibt sich eine lineare Abhängigkeit der Windseitenkraft von der resultierenden Anströmgeschwindigkeit. In Abb. 2.10 ist der Zusammenhang für die Vorbeifahrt an einem Windgebläse dargestellt. Trotz der hohen Wahrscheinlichkeit für kleine Anströmwinkel können auch Anströmwinkel deutlich größer als 20 ° auftreten, z. B. bei starkem Seitenwind. Daher dürfen große Anströmwinkel in der Gesamtbetrachtung nicht vernachlässigt werden. Denn auch eine starke Seitenwindböe, die zu einer starken Spurabweichung des Fahrzeugs führen kann, tritt zwar sehr viel seltener auf als z. B. leichte Windstörungen, kann aber zu starken Fahrzeugreaktionen und Irritationen des Fahrers führen. Auch die Luftdichte und die aerodynamischen Beiwerte sind keine allgemeinen Konstanten und werden daher näher analysiert. Die Dichte der Luft hängt von der relativen Luftfeuchte φLF , der Temperatur ϑ und dem Umgebungsluftdruck pU ab. In Abb. 2.11 sind die Abhängigkeiten von den einzelnen Größen über der Temperatur dargestellt.
22 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik
Windseitenkraft über Fahrgeschwindigkeit 3000 Fy,L − linear 2500
Fy,L − real
Fy,L in N
2000
1500
1000
500
0 0
50
100
150
200
250
v in km/h
Abb. 2.10: Windseitenkraftverlauf über der Fahrgeschwindigkeit vFzg bei konstanter Windgeschwindigkeit (55 km/h) und Windrichtung (90 °). Wird mit dem konstanten Anstieg k cY gerechnet, wird die Windseitenkraft für geringe Fahrgeschwindigkeiten bzw. für hohe Anströmwinkel stark verfälscht, da diese Annahme dann nicht mehr gültig ist. Wird der reale Verlauf von cY genutzt, so flacht die Kurve für große Anströmwinkel deutlich ab (gestrichelt).
Die Luftdichte ρL lässt sich mit der folgenden Gleichung bestimmen (vgl [25]): ρL (ϑ, pU , φLF ) =
1 K 273, 15 K + ϑ °C
[
1 1 pU −( − ) pS (ϑ)φLF ] RL RL RD
(2.29)
J mit den individuellen Gaskonstanten von Luft RL = 287, 05 kgK und von Wasserdampf J RD = 461 kgK . Der exakte Wert des Sättigungsdampfdrucks pS kann in Tabellen und Diagrammen abgelesen werden. Für Berechnungen im Bereich von −30 °C < ϑ < 70 °C, welcher auch den interessierenden Bereich im Fahrzeug abdeckt, ist die Näherungsformel nach Magnus (vgl. [81]) hinreichend genau:
pS (ϑ) = 611, 213 Pa ⋅ exp (
17, 5043 ⋅ ϑ ). 241, 2 °C + ϑ
(2.30)
Die Abhängigkeit der Luftdichte von der relativen Luftfeuchte spielt im interessierenden Temperaturbereich nur eine untergeordnete Rolle, wie in Abb. 2.11 zu sehen ist. Für die Normatmosphäre nach DIN 5450 [80] bei T = 288, 15 K, p = 1013, 25 hPa) kg J und bei trockener Luft (RLuft = 287, 05 kgK ) beträgt die Luftdichte ρ = 1, 225 m 3 auf Meereshöhe. Der Umgebungsluftdruck unterliegt großen Schwankungen. Drei Hauptursachen hierfür sind die Wetterlage, die Temperatur und die geographische Höhe (vgl. [50] und [66]). In den mittleren Breiten ist aufgrund der Wetterlage ein Druckbereich von
2.2 Aerodynamik | 23
p=1013,25 hPa, jLF= 0 % p=1013,25 hPa, jLF= 100 % p=1013,25 hPa, jLF= 50 % p=930 hPa, jLF= 100 % p=1060 hPa, jLF= 0 % p=509 hPa, jLF= 0 % (5500 m Höhe)
1.8
1.6
Luftdichte in kg/m3
1.4
1.2
1
0.8
0.6
0.4 −40
−30
−20
−10
0 10 20 Temperatur in ° C
30
40
50
60
Abb. 2.11: Darstellung der Abhängigkeiten der Luftdichte von relativer Luftfeuchtigkeit, Höhe und Temperatur. Während die Luftfeuchtigkeit kaum einen Einfluss auf die Luftdichte hat, sinkt die Luftdichte fast linear mit steigender Temperatur. Auch der Luftdruck und damit die geographische Höhe haben einen starken Einfluss auf die Luftdichte.
930 hPa bis 1060 hPa typisch. Diese beiden Werte sind auch in Abb. 2.11 dargestellt. Die Höhenabhängigkeit des Drucks p(h) kann für eine konstante Temperatur mit der barometrischen Höhenformel berechnet werden [50]: p(h)
=
p0 e
−
ρ0 g p0
h
.
(2.31)
p0 und ρ0 bezeichnen die Referenzwerte in der Ausgangshöhe für Druck und Dichte. Die Höhe wird mit h bezeichnet und die Erdbeschleunigung mit g. Werden als Referenzwerte die oben genannten Werte der Normatmosphäre verwendet, so ergibt sich: p(h)
=
1013, 25 hPa exp(−1, 186 ⋅ 10−4 m−1 ⋅ h).
(2.32)
Damit ist der Druck in einer Höhe von 5500 m circa halb so groß wie auf Meereshöhe. Für ein Verfahren, welches über Druckmessung bzw. über die Messung der resultierenden Anströmgeschwindigkeit und der Anströmrichtung die Windkraft bestimmt, ist es damit sehr wichtig, den Einfluss der Luftdichte mit zu erfassen. Wird der Einfluss der Luftdichte vernachlässigt, so ist der Fehler in die Berechnung der Windkraft direkt proportional zum Fehler in der Luftdichte. Die aerodynamischen Beiwerte werden im Windkanal durch stationäres Anströmen des Fahrzeugs ermittelt. Natürlicher Wind ändert jedoch dauernd seine Richtung
24 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik sowie seine Geschwindigkeit und hat einen wesentlich höheren Turbulenzgrad als die Strömungen im Windkanal. Damit gelten die idealisierten Bedingungen des Windkanals nur noch bedingt. [84] hat die instationären Strömungseffekte bei Seitenwind untersucht. Er hat dabei die Ein- und Ausfahrt in eine stationäre Windanströmung unter unterschiedlichen Anströmwinkeln analysiert. Durch das Einfahren des Fahrzeugs in das stationäre Windfeld kommt es zu einem verzögerten Aufbau der Windseitenkraft und des Windgiermoments. Der stationäre Wert der Seitenwindkraft und des Seitenwindgiermoments wird unabhängig vom Anströmwinkel dann erreicht, wenn das Fahrzeug komplett in das Windfeld eingetaucht ist. Die Seitenwindkraft nimmt dabei linear zu, bis sie ihr Maximum erreicht und fällt dann wieder linear ab, wenn das Fahrzeug aus dem Windfeld herausfährt. Der Aufbau des Seitenwindgiermoments hingegen erreicht nach ungefähr einer halben Fahrzeuglänge über einen nichtlinearen Verlauf ein Maximum und fällt dann auf den stationären Wert ab. Für starke Windböen kam er zum Ergebnis, dass der Effekt auf die fahrdynamischen Auswirkungen vorhanden ist, aber gering bleibt, weil er sich im Wesentlichen auf den instationären Übergang beschränkt. Wird berücksichtigt, dass ein Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h eine Fahrzeuglänge (z. B. 4, 5 m) in ca. 160 ms zurücklegt, dann wird deutlich, dass die Übergangszeit relativ kurz ist. In [37] und [90] werden einige Ursachen und Zusammenhänge hinsichtlich instationärer Beiwerte beschrieben. So kommt es laut [90] aufgrund des unterschiedlich schnellen Druckaufbaus auf der windzu- und windabgewandten Seite zu einem verzögerten Aufbau der stationären Seitenwindkraft. In einer weiteren Arbeit beschäftigt sich [78] mit der instationären Aerodynamik bei Kraftfahrzeugen und der Auswirkung auf das Fahrzeug bei Seitenwind. Er stellt in seinen Untersuchungen fest, dass die instationäre Aerodynamik wie ein zusätzlicher Filter für die Windanregung wirkt. Der Filter kann in bestimmten Frequenzbereichen verstärkend sein. Der Einfluss auf das Fahrzeugverhalten ohne Fahrer ist deutlich sichtbar und erreicht im Bereich der Fahrzeugeigenfrequenz eine Überhöhung von ca. 10 %. Da die Seitenwinderkennung für das in dieser Arbeit neu vorgestellte Kompensationskonzept über einen Beobachter realisiert wird (vgl. Abs. 4.3), wird die Windkraft aufgrund der fahrdynamischen Auswirkung bestimmt. Instationäre Effekte, die Auswirkung auf die Fahrdynamik haben, gehen damit direkt in die beobachtete Seitenwindkraft ein und werden somit berücksichtigt. Dies bietet einen direkten Vorteil im Vergleich zu indirekt messenden Verfahren. Im letzten Abschnitt wurde dargestellt, wie aerodynamische Kräfte und Momente am Fahrzeug durch die Überlagerung der Fahrzeugeigenbewegung und der Windanströmung entstehen. Es wurde gezeigt, dass die resultierenden Anströmwinkel für höhere Fahrzeuggeschwindigkeiten meistens unterhalb von 20 ° und damit im linearen Bereich der typischen Aerodynamikkennfelder liegen. Der große Variationsbereich der Luftdichte wurde detailliert hergeleitet und gezeigt, dass es hierdurch zu größeren Fehlern bei indirekt messenden Verfahren kommen kann. Schließlich wurde noch auf die instationäre Aerodynamik eingegangn, da auch sie ein Problem für indirekt
2.3 Fahrdynamik | 25
messende Verfahren bezüglich der Berechnung der Kräfte und Momente darstellen kann. Jedoch bleibt der Einfluss auf die fahrdynamische Reaktion relativ gering.
2.3 Fahrdynamik Für die Beschreibung des Fahrverhaltens bei Seitenwind sind Modelle notwendig, die die wesentlichen Effekte und Einflüsse ausreichend gut beschreiben. Ein einfaches Modell für die theoretische Analyse des Fahrverhaltens bei Seitenwind, das die Fahrdynamik im Normalfahrbereich ausreichend gut beschreibt, ist das auf [75] basierende Einspurmodell. Es kann um zusätzliche Effekte, wie z. B. die Spurwinkeländerung durch Bremseingriffe, erweitert werden und beschreibt das fahrdynamische Verhalten für kleine Querbeschleunigungen gut. Auch in [63] wird für die Untersuchungen bei Seitenwind ein solches Modell genutzt. Für die weitere Analyse, wie am Fahrsimulator (vgl. Kap. 6), werden komplexere Mehrkörpersimulationsmodelle verwendet.
2.3.1 Kraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn Der Reifen muss Kräfte in Längs-, Quer- und Vertikalrichtung übertragen. Die genauen Zusammenhänge und Modellherleitungen wurden in der Literatur wie z. B. in [8] oder [63] bereits ausgiebig diskutiert und werden im Folgenden nur nach kurz erläutert. Längskraft Wird auf ein mit konstanter Geschwindigkeit frei rollendes Rad eine Bremskraft ausgeübt, so wird die Rotationsgeschwindigkeit verringert und es entsteht der sogenannte Bremsschlupf λ. Umgekehrt gilt für eine Antriebskraft, dass die Rotationsgeschwindigkeit sich erhöht und es entsteht Antriebsschlupf am Rad. Brems- und Antriebsschlupf sind beides Varianten des Umfangsschlupfs, der sich formelmäßig darstellen lässt (vgl. [8]): v − rdyn ω λ= |v∗ |
|v∗ | = v : v > rdyn ω Bremsschlupf { { { { ∗ { |v | = rdyn ω : sonst. Antriebschlupf
(2.33)
Darin ist v die Fahrzeuggeschwindigkeit, ω die Raddrehzahl und rdyn der dynamische Rollradius. Der Fall, dass v∗ = 0 ist, muss separat behandelt werden, was allerdings nur für Fahrzustände nahe des Fahrzeugstillstandes relevant ist. Diese können für die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit vernachlässigt werden, da eine fahrdynamische Auswirkung von Seitenwind erst bei deutlich von 0 abweichenden Geschwindigkeiten relevant ist.
26 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Wird die Längskraft Fx auf die Radlast Fz bezogen, so ergibt sich der ausgenutzte Anteil des Reibwerts zu μNutz =
Fx . Fz
(2.34)
Wird μNutz über dem Umfangsschlupf aufgetragen, so ergibt sich ein typischer Kurvenverlauf, der in Abb. 2.12 dargestellt ist. Für die Simulation von Reifen gibt es je nach Anwendungsfall unterschiedlich detaillierte Modelle. In der Fahrdynamik werden häufig Kennlinienmodelle wie die Magic-Formula [68] verwendet, während für Fahrkomfortuntersuchungen komplexere Modelle wie z. B. FTire [30] zum Einsatz kommen. Einen guten Einblick in die Thematik bietet [5]. Für die Analyse grundlegender fahrdynamischer Eigenschaften können einfachere Modelle wie das von [8] verwendet werden. Darin wird eine standardisierte Kennlinie für das Verhalten von Reifen unter Längskraft hergeleitet, welche durch Austausch entsprechender Parameter auch für Seitenkräfte verwendet werden kann. Dazu wird die Funktion f(ξ) eingeführt mit m0 ξ(1 − ξ )2 + ξ ξ (3 − 2 ξ ) : ξ ≤ 1 { { f(ξ) = { { (ξWP −1)2 +μ v (|ξ |−1)2 : sonst. { sign(ξ) (ξWP −1)2 +(|ξ |−1)2
(2.35)
Für ξ = 1 erreicht die Kurve ihr Maximum, wobei ξ eine verallgemeinerte Schlupfkoordinate darstellt. Über die einzelnen Parameter dieser Funktion kann die Form der Kurve verändert werden. m0 ist die Anfangssteigung der Kurve: m0 =
cl λmax μmax
(2.36)
mit der Umfangssteifigkeit cl , dem Schlupf λmax an der Stelle, an der die Funktion ihr Maximum erreicht, und dem maximalen Reibwert μmax . Über μv wird das Reibwertverhältnis zwischen Gleitreibwert μg und μmax eingestellt: μv =
μg . μmax
(2.37)
Der Parameter ξWP stellt die Position des Wendepunktes der Reifenkennlinie ein: ξWP =
λWP , λmax
worin λWP der Schlupf am Wendepunkt ist. Die Längskraftkennlinie Fx (λ) ergibt sich durch die Substitution ξ = f(ξ) und Multiplikation mit μmax und Fz : Fx (λ) = μmax Fz f (
λ ). λmax μmax
(2.38)
λ λmax μmax
in
(2.39)
2.3 Fahrdynamik | 27
6000 µ=1 µ = 0,6 µ = 0,2
4000
Längskraft Fx in N
2000
0
−2000
−4000
−6000 −60
−40
−20
0 Schlupf λ in %
20
40
60
Abb. 2.12: Beispielhafte Darstellung der Längskraft über Schlupf für μmax = 1, 1, μg = 0, 9, λmax = 10 %, λWP = 25 % und m0 = 3 bei einer Radlast von Fz = 5000 N. Die Basiskurve ist für drei verschiedene maximale Reibwerte μmax dargestellt, wobei das Reibwertverhältnis μv konstant gehalten wird. Dadurch verschiebt sich das Maximum der Kurve mit geringeren maximalen Reibwerten zu niedrigeren Schlupfwerten, wobei die Maxima auf einer Geraden liegen.
Abhängig von den Kraftschlussverhältnissen aufgrund des Fahrbahnzustands, z. B. geschlossene Schneedecke, vereiste Fahrbahn oder trockener Asphalt, ändern sich hauptsächlich der maximale Reibwert und der Gleitreibwert. Die Form der Kurve bleibt aber erhalten. Die μ-Schlupfkurve steigt vom Ursprung aus zuerst linear, wird dann degressiv und erreicht schließlich ihr Maximum. Vom Maximum fällt die Kurve wieder ab, bis sie den Gleitreibwert erreicht. Auf dem Teil der Kurve, der links des Maximums liegt, führt eine Zunahme der Bremskraft zu einer stabilen Raddrehzahl. Wird das Maximum überschritten, so nimmt die Raddrehzahl ohne Änderung der Bremskraft ab, bis das Rad blockiert. Dieser Bereich wird als instabil bezeichnet. Für Radschlupfregelsysteme, wie z. B. ABS und ASR ist das von besonderer Bedeutung (vgl. 2.12), da sie versuchen, nahe am Maximum zu regeln und das Rad nicht zu lange in den instabilen Bereich zu führen (vgl. [20]). Für den Seitenwindassistenten ist der lineare Bereich auf der stabilen Seite der Kurve ausreichend, da er nur in Bereichen mit sehr geringem Schlupf aktiv ist bzw. Bremsmomente erzeugt, die nur zu geringem Schlupf führen. Im linearen Bereich kann die Kurve durch μNutz = c μ,l λ =
cl λ Fz
(2.40)
28 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik beschrieben werden. Dabei ist c μ,l die auf die Vertikalkraft bezogene Längssteifigkeit des Reifens. Für konstante Radlast Fz ergibt sich für die Längskraft Fx : Fx = cl λ.
(2.41)
Seitenkraft Wird auf ein frei rollendes Rad eine Querkraft ausgeübt, so stellt sich der Winkel α zwischen der Längsrichtung des Rades seiner Bewegungsrichtung ein. Der Winkel α wird Schräglaufwinkel genannt. Er wird für eine positive Kraft positiv definiert. Für die Ursachen und Modellvorstellungen, die den Seitenkraftaufbau unter Schräglauf beschreiben, wird auch hier auf die Literatur verwiesen, z. B. [8], [4], [30] oder [68]. Wird die Seitenkraft Fy über dem Schräglaufwinkel aufgetragen, so ergibt sich ein ähnlicher Verlauf wie bei der Kurve für die Längskraft. Das Maximum ist allerdings meistens nur wenig ausgeprägt (vgl. [8]). Auch in Querrichtung lässt sich der Zusammenhang zwischen Kraft und Schräglaufwinkel für kleine Winkel linearisieren: Fy = c α α
(2.42)
mit der Schräglaufsteifigkeit c α und dem Schräglaufwinkel α. Die Seitenkraft baut sich nicht spontan mit dem Schräglaufwinkel auf, sondern weist eine geschwindigkeitsabhängige Zeitdynamik auf. Das Gleiche gilt auch für die vorher beschriebene Längskraft, allerdings sind dort die Zeitkonstanten sehr viel kleiner. Die Ursache liegt an der geschwindigkeitsabhängigen Transportdauer eines Profilelements durch den Reifenlatsch. Ein einfacher Ansatz für die Einlaufdynamik stellt ein geschwindigkeitsabhängiges Tiefpassverhalten 1. Ordnung nach Böhm (vgl. [92]) dar: Ḟ y TE = Fy,stat − Fy .
(2.43)
TE ist die geschwindigkeitsabhängige Einlaufkonstante, die auch über die Einlauflänge lE ausgedrückt werden kann: TE =
lE . v
(2.44)
Als Übertragungsfunktion ergibt sich daraus GE (s) =
1 . 1 + TE s
(2.45)
Typische Werte für die Einlauflänge von Pkws liegen im Bereich von 0, 2 − 0, 7 m (vgl. [17]). Zusätzlich zur Kraftübertragung in Querrichtung durch Schräglauf kann Seitenkraft auch durch Sturz übertragen werden. Diesen Effekt nutzt jeder Motorradfahrer aus, wenn er sich mit dem Motorad in die Kurve legt. Bei zweispurigen Fahrzeugen sind die erzielbaren Sturzwinkel c γ im Vergleich deutlich beschränkter. Für kleine
2.3 Fahrdynamik | 29
Sturzwinkel kann auch dessen Einfluss auf die Seitenkraft als linearer Zusammenhang dargestellt werden. Mit der Sturzwinkelsteifigkeit c γ ergibt sich Fy = −c γ γ.
(2.46)
Die durch Sturz entstehende Seitenkraft beträgt aufgrund ihrer Entstehung bei PkwReifen ca. 1/12 der bei gleichem Winkel entstehenden Kraft unter Schräglauf (vgl. [60]). Für kleine Schräglaufwinkel und Sturzwinkel können die Seitenkräfte aus Schräglauf und Sturz linear überlagert werden (vgl. [63]): Fy = c α α − c γ γ.
(2.47)
2.3.2 Einspurmodell Beim Einspurmodell werden die Räder einer Fahrzeugachse in der Achsmitte zu einem Kraftübertragungselement zusammengefasst. Wank- und Nickdynamik des Fahrzeugs werden in ihrer summarischen Wirkung integriert. Zusätzliche Effekte wie z. B. Rollsteuern können durch Erweiterungen berücksichtigt werden. Mit einem solchen Einspurmodell können sehr ausführliche fahrdynamische Untersuchungen bis in den Grenzbereich hinein durchgeführt werden (vgl. [8], [63], [48]). In Abb. 2.13 ist eine schematische Darstellung des Einspurmodells mit den zugehörigen Kräften, Momenten und Winkeln dargestellt. Die folgende Herleitung des Einspurmodells lehnt sich an [48] an. Kinematik Ein einfacher Weg zur Berechnung der kinematischen Gleichungen für die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen führt über das natürliche Koordinatensystem. Anschließend können die Gleichungen in das Fahrzeugkoordinatensystem transformiert werden. Das Basissystem der natürlichen Koordinaten in der Ebene besteht aus dem tangentialen et und dem normalen en Einheitsvektor (vgl. Abb. 2.13 links). Der Kurswinkel Φ ist der Winkel zwischen der x-Richtung des inertialen Koordinatensystems und et . Er ist gleichzeitig die Summe aus Gierwinkel ψ und Schwimmwinkel β: Φ = ψ + β.
(2.48)
Die Ableitung des Kurswinkels ist dann: Φ̇ = ψ̇ + β.̇
(2.49)
Die Fahrzeuggeschwindigkeit v hat im natürlichen Koordinatensystem nur eine tangentiale Komponente: v = |v| et .
(2.50)
30 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik
𝑑𝑒𝑡
x
𝑒𝑡
𝛿𝑉
𝑑𝜙
𝛼𝑉
𝛽
vV
Fq,V
y v x yy
𝑒𝑛
𝛼𝐻
𝑚𝑣
𝑚𝑣(𝛽 + 𝜓) l
𝛿𝐻 M
𝑚𝑎
lV
Fl,V
𝛽
vH
Fl,H
Fq,H
lH
x y0 y x0 y
Abb. 2.13: Beziehung zwischen natürlichen Koordinaten (et , en ), Fahrzeugkoordinatensystem (x, y) und inertialen Koordinaten (x0 , y0 ) (links). Zusammenhänge des allgemeinen Einspurmodells mit Hinterachslenkung (rechts).
Die Beschleunigung a ergibt sich durch zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit (vgl. [32]): a = |v|̇ et + |v| ė t ̇ n. = |v|̇ et + |v| Φe
(2.51)
Als nächstes werden die Gleichungen in das Fahrzeugkoordinatensystem transformiert. Die Einheitsvektoren sind dann: et = (
cos β ), sin β
(2.52)
en = (
− sin β ). cos β
(2.53)
Werden die Gleichungen (2.52) und (2.53) in Gl.(2.50) eingesetzt, so berechnen sich die Fahrzeuggeschwindigkeiten in x-Richtung v x und in y-Richtung v y zu: v x = |v| cos β,
(2.54)
v y = |v| sin β.
(2.55)
Die zeitlichen Ableitungen der beiden Gleichungen sind dann: v̇ x = |v|̇ cos β − |v| β̇ sin β, v̇ y = |v|̇ sin β + |v| β̇ cos β.
(2.56) (2.57)
2.3 Fahrdynamik | 31
Als nächstes werden die Gleichungen (2.52) und (2.53) in Gl.(2.51) eingesetzt, dann ergeben sich die entsprechenden Beschleunigungen im Fahrzeugkoordinatensystem zu: a x = |v|̇ cos β − |v| (ψ̇ + β)̇ sin β, a y = |v|̇ sin β + |v| (ψ̇ + β)̇ cos β.
(2.58) (2.59)
Die Gleichungen vereinfachen sich weiter, wenn Gl.(2.56) von Gl.(2.58) bzw. Gl.(2.57) von Gl.(2.59) subtrahiert wird: a x = v̇ x − |v| sin β ψ,̇ a y = v̇ y + |v| cos β ψ.̇
(2.60) (2.61)
Mit den Gleichungen (2.54) und (2.55) ergeben sich daraus die kinematischen Gleichungen für Längs- und Querbeschleunigung: a x = v̇ x − v y ψ,̇ a y = v̇ y + v x ψ.̇
(2.62) (2.63)
Für den Schwimmwinkel ergibt sich aus den Gleichungen (2.54) und (2.55): tan(β) =
vy . vx
(2.64)
Kinetik Aus der Skizze des Einspurmodells (Abb.2.13 rechts) können die kinetischen Gleichungen erstellt werden (vgl. [48] oder [63]). Für die Kräfte in x-Richtung des Fahrzeugs gilt: F x,V = Fl,V cos δV − Fq,V sin δV ,
(2.65)
F x,H = Fl,H cos δH − Fq,H sin δH .
(2.66)
Für die Kräfte in y-Richtung an der Vorder- und Hinterachse des Fahrzeugs gilt: F y,V = Fl,V sin δV + Fq,V cos δV ,
(2.67)
F y,H = Fl,H sin δH + Fq,H cos δH ,
(2.68)
wobei Fl,V und Fl,H die Reifenlängskräfte an der Vorder- und Hinterachse sind. Fq,V und Fq,H sind die zugehörigen Reifenquerkräfte. Über den Impuls- und Drallsatz ergeben sich die kinetischen Gleichungen (vgl. [32]) mit der Fahrzeugmasse m, dem Gierträgheitsmoment J, dem Abstand vom Schwerpunkt zur Vorderachse lV und zur Hinterachse lH : ma x = F x,V + F x,H ,
(2.69)
ma y = F y,V + F y,H , J ψ̈ = F y,V lV − F y,H lH .
(2.70) (2.71)
32 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Für die Schräglaufwinkel ergibt sich: tan(δV − αV ) =
v y + lV ψ̇ , vx
tan(δH + αH ) = −
v y − lH ψ̇ . vx
(2.72) (2.73)
Die Seiten- und Längskräfte werden über nichtlineare Kennfelder in Abhängigkeit des Schräglaufwinkels bzw. des Umfangsschlupfs (vgl. Abs. 2.3.1) definiert. Lineares Einspurmodell mit Einlaufdynamik und äußeren Kräften und Momenten Für das Fahrverhalten bei Seitenwind und die Analyse des Konzepts zur Unterstützung bei Seitenwind können weitere Vereinfachungen vorgenommen werden, die auf folgenden Annahmen basieren (vgl. [64]): – Die Fahrgeschwindigkeit ist konstant v = konst. bzw. ändert sich nur langsam und die Längskräfte können vernachlässigt werden. – Die Querbeschleunigung ist klein a y < 4 sm2 für μ = 1, da in diesem Bereich mit einer konstanten Schräglaufsteifigkeit gerechnet werden kann. – Alle auftretenden Winkel sind klein und die Winkelfunktionen können linearisiert werden. Damit kann das Einspurmodell linearisiert werden. Zusätzlich zur Linearisierung werden äußere Kräfte und Momente berücksichtigt, um den Einfluss des Seitenwindes und verschiedener aktiver Systeme zu berücksichtigen (z. B. Bremse und ABC). Zusätzlich wird noch das Reifeneinlaufverhalten nach Gl. (2.44) berücksichtigt. Damit ergeben sich die folgenden Gleichungen: J ψ̈ = FV lV − FH lH + Mz , ̇ x ) = FV + FH + Fy . m(v̇ y + ψv
(2.74) (2.75)
Mz stellt eine Erweiterung um ein äußeres Giermoment und Fy um eine äußere Querkraft dar. Die Querkräfte FV und FH entstehen aufgrund des sich einstellenden Schräglaufwinkels an den Rädern (vgl. Abs. 2.3.1): vy lV − ψ̇ , vx vx vy lH αH = δH − + ψ̇ . vx vx αV = δV −
(2.76) (2.77)
Im Folgenden wird im Laplacebereich (vgl. [88]) weitergerechnet, da dadurch die Berechnung vereinfacht wird. Bei auftretenden Ableitungen werden die Anfangswerte zu Null gesetzt, so dass die Darstellung übersichtlich bleibt. Die Kräfte FV und FH berechnen sich mit dem Einlaufverhalten nach Gl. (2.44) zu: FV (s) = cV αV GE (s),
(2.78)
FH (s) = cH αH GE (s).
(2.79)
2.3 Fahrdynamik | 33
Gierrate in °/s
10 Ohne Einlaufverhalten Einlauflänge 0,25 m Einlauflänge 0,5 m 5
0
0
0.5
1
1.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Phase in °
0
−50
−100
−150
Abb. 2.14: Vergleich des Amplituden- und Phasengangs des Fahrzeugmodells mit und ohne Einlaufverhalten des Reifens. Dargestellt ist der Vergleich bei einer Geschwindigkeit von 110km/h und einer Lenkwinkelanregung von 1°.
cV und cH sind die konstanten Schräglaufsteifigkeiten an der Vorder- und Hinterachse, die sich durch Linearisierung für kleine Schräglaufwinkel ergeben. Nun werden Gl. (2.76) und Gl. (2.77) laplacetransformiert und in Gl. (2.78) bzw. in Gl. (2.79) eingesetzt: v y (s) lV ̇ FV (s) = cV (δV (s) − − ψ(s) (2.80) ) GE (s), vx vx v y (s) lH ̇ FH (s) = cH (δH (s) − + ψ(s) (2.81) ) GE (s). vx vx Werden FV (s) und FH (s) nun in die laplacetransformierten Gleichungen von Impulsund Drallsatz eingesetzt, ergeben sich für den Impulssatz cH lH − cV lV ̇ ̇ m (ψ(s)v ) ψ(s)G x + sv y (s)) = [c V δ V (s) − c H δ H (s)] G E (s) + ( E (s) vx −(
cV + cH ) GE (s)v y (s) + Fy (s) vx
(2.82)
und für den Drallsatz 2
2
cV l + cH lH ̇ ̇ Js ψ(s) = [cV lvδV (s) − cH lH δH (s)] GE (s) − ( V ) ψ(s)G E (s) vx +(
cH lH − cV lV ) v y (s) + Mz (s). vx
(2.83)
34 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik In den Gleichungen (2.82) und (2.83) kann v y (s) nach einigen Umformungen eliminiert werden, und es ergibt sich das Gierübertragungsverhalten des Fahrzeugs, welches aus mehreren Teilübertragungsfunktionen besteht: ̇ ψ(s) = F δV ψ̇ (s)δV (s) + F δH ψ̇ (s)δH (s) + F Mz ψ̇ (s)Mz (s) + F Fy ψ̇ (s)Fy (s).
(2.84)
Darin werden die Teilübertragungsfunktionen jeweils mit einem F gekennzeichnet. Der erste Index gibt die Eingangsgröße an und der zweite die Ausgangsgröße. Damit ist F δV ψ̇ (s) die Teilübertragungsfunktion von Lenkwinkel δV zur Gierrate ψ.̇ Da der Nenner der Gierübertragungsfunktionen immer gleich ist, wird hierfür die Abkürzung N ψ̇ (s) eingeführt: N ψ̇ (s) = mJv2 s2 (1 + TE s)2 + (mκ + σJ) (1 + TE s)vs + mρv2 (1 + TE s) + cV cH (lV + lH )2 .
(2.85)
Damit können die einzelnen Teilübertragungsfunktionen im Folgenden kompakt dargestellt werden: F δV ψ̇ (s) =v cV
m lV v(1 + TE s)s + (lH + lV )cH , N ψ̇ (s)
F δH ψ̇ (s) = − v cH
mlH v(1 + TE s)s + cV (lH + lV ) , N ψ̇ (s)
F Mz ψ̇ (s) =v(1 + TE s) F Fy ψ̇ (s) =
mv(1 + TE s)s + σ , N ψ̇ (s)
vρ(1 + TE s) . N ψ̇ (s)
(2.86) (2.87) (2.88) (2.89)
Zur zusätzlichen Vereinfachung wurden die Abkürzungen σ, ρ und κ eingeführt: σ = cV + cH ,
(2.90)
ρ = cH lH − cV lV ,
(2.91)
κ=
cV l2V
+
cH l2H .
(2.92)
Genauso wie die Gierübertragungsfunktion kann die Übertragungsfunktion der Querv geschwindigkeit v y bzw. des Schwimmwinkels β = vxy hergeleitet werden. Hierzu wird in den Gleichungen (2.82) und (2.83) die Gierrate ψ̇ eliminiert. Nach einigen Umfor-
2.3 Fahrdynamik | 35
Störübertragungsfunktion des Fahrzeugs bei 1000N Seitenwind
Gierrate in °/s
2
1.5
1
0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
Phase in °
50 80km/h 110km/h 140km/h 170km/h 200km/h
0
−50
−100
0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 2.15: Frequenz- und Phasengang der Fahrzeugstörübertragungsfunktion bezüglich der Seitenwindkraft. Im Amplitudendiagramm der Gierrate ist das deutlich ausgeprägte Maximum bei höheren Geschwindigkeiten zu sehen. Das Maximum liegt in der Nähe der Giereigenfrequenz des Fahrzeugs. Da die Dämpfung mit steigender Geschwindigkeit abnimmt, steigt die Höhe des Maximums mit zunehmender Geschwindigkeit (vgl. [64]).
mungen ergeben sich die entsprechenden Teilübertragungsfunktionen: F δV v y (s) =v
(JcV vs − cV lV mv2 ) (1 + TE s) + cH cV lH (lH + lV ) , N ψ̇ (s)
(2.93)
F δH v y (s) =v
(JcH vs + cH lH mv2 ) (1 + TE s) + cH cV lV (lH + lV ) , N ψ̇ (s)
(2.94)
F Mz v y (s) =v(1 + TE s)
−mv2 (1 + TE s) + ρ , N ψ̇ (s)
(2.95)
F Fy v y (s) =v(1 + TE s)
Jv(1 + TE s)s + κ . N ψ̇ (s)
(2.96)
Soll das Einlaufverhalten nicht berücksichtigt werden, so kann TE = 0 gesetzt werden. In Abb. 2.14 ist der Einfluss des Einlaufverhaltens sichtbar. Im Amplitudengang sind nur sehr geringe Unterschiede im Bereich bis 4Hz sichtbar, während beim Phasengang ab 1 Hz erkennbare Unterschiede auftreten. Die Ursache liegt in der geschwindigkeitsabhängigen Filterfrequenz (vgl. Gl. (2.45)), die linear mit der Geschwindigkeit zunimmt.
36 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik
Lenkwinkelübertragungsfunktion bei 1° Vorderachslenkwinkel
Gierrate in °/s
6
4
2
0
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
Phase in °
50 80km/h 110km/h 140km/h 170km/h 200km/h
0
−50
−100
0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 2.16: Frequenz- und Phasengang der Gierübertragungsfunktion bezüglich des Lenkwinkels. Auch hier ist die Erhöhung des Maximums mit steigender Geschwindigkeit in der Nähe der Giereigenfrequenz zu sehen.
Bei der gewählten Geschwindigkeit von 110 km/h beträgt die Eckfrequenz bereits ca. 10 Hz, während sie bei 50 km/h bei ca. 4 Hz liegt und dann einen deutlicheren Einfluss hätte. Da Seitenwind sich fahrdynamisch erst bei höheren Geschwindigkeiten fahrdynamisch auswirkt, kann der Einfluss jedoch vernachlässigt werden. Um den Eingang der Störgröße Seitenwind direkt zu berücksichtigen, wird das Windgiermoment nach Gl. (2.20) berücksichtigt. Damit ergibt sich als Gierübertragungsfunktion bezüglich der Seitenwindkraft SW : F SW ψ̇ (s) = F Mz ψ̇ (s)e + F Fy ψ̇ (s).
(2.97)
Als Gesamtgierübertragungsfunktion folgt daraus: ̇ ψ(s) = F δV ψ̇ (s)δV (s) + F Mz ψ̇ (s)Mz (s) + F SW ψ̇ (s).
(2.98)
Alternativ zur Darstellung des Fahrzeugmodells mit den Schräglaufsteifigkeiten cV und cH können der Eigenlenkgradient EG (vgl. [17]) und der Schwimmwinkelgradient
2.3 Fahrdynamik | 37
SG (vgl. [64]) genutzt werden: lH lH cH − lV cV ρ mV mH − =m =m =m , cV cH cV l lcV cH lcV cH mH lV SG = =m . cH l cH
EG =
(2.99) (2.100)
Darin ist mV die Vorderachslast und mH die Hinterachslast. In Abb. 2.15 ist die Störübertragungsfunktion des Fahrzeugs bezüglich der Seitenwindkraft dargestellt. Das Diagramm wurde auf eine Seitenwindkraft von 1000 N bezogen. Deutlich zu sehen ist, dass mit zunehmender Geschwindigkeit die Überhöhung der Gierrate zunimmt. Damit reagiert das Fahrzeug mit zunehmender Geschwindigkeit empfindlicher auf Seitenwind. Der stationäre Wert ist abhängig von der Geschwindigkeit. In den nachfolgenden Abbildungen sind die Gierübertragungsfunktionen bezüglich des Lenkwinkels Abb.2.16 und bezüglich des Giermoments Abb.2.17 dargestellt. Da die Polstellen der Teilübertragungsfunktionen gleich sind (vgl. Gl. (2.85) und Gl. (2.86)-(2.89)) und sich nur durch die Nullstellen unterscheiden, sind auch die Frequenzund Phasengänge sehr ähnlich. Im aktuellen Abschnitt wurden die Modellgleichungen des Einspurmodells hergeleitet. Anschließend wurde daraus das lineare Einspurmodell abgeleitet, welches für die in den folgenden Kapiteln durchgeführten Untersuchungen verwendet wird. Das Einlaufverhalten und die Auswirkungen auf das Übertragungsverhalten wurden dargestellt, und es wurde gezeigt, dass der Effekt für den betrachteten Geschwindigkeitsbereich bei Seitenwind eine untergeordnete Rolle spielt. Zusätzlich wurden entsprechende Eingänge für äußere Kräfte und Momente vorgesehen, die für die Ankopplung von Seitenwind und einen aktiven Bremseingriff notwendig sind.
2.3.3 Einseitiger Bremseingriff Seit der Einführung des elektronischen Stabilitätsprogramms ESP im Jahre 1995 in der Mercedes S-Klasse hat es sich als Sicherheitssystem sehr schnell etabliert und bis in die kleinsten Fahrzeugtypen verbreitet. Mercedes-Benz stattet bereits seit der A-Klasse (Typ: W168) alle Neufahrzeuge serienmäßig mit ESP aus. Seit dem 1.11.2011 schreibt die EU-Verordnung Nr. 661/2009 [26] eine schrittweise allgemeine ESP-Pflicht für alle Neuwagen vor. Mit ESP ist es möglich, einzelne Räder aktiv zu bremsen und damit gezielt Giermomente zu erzeugen. Damit ist ein Bremseingriff auf einer Fahrzeugseite dazu geeignet, eine Gierbewegung in das Fahrzeug einzuleiten. Ein solcher Bremseingriff kann nicht nur zur fahrdynamischen Stabilisierung genutzt werden, sondern auch für fahrerunterstützende Assistenzsysteme oder zur Kompensation äußerer Störungen, wie z. B. Seitenwind.
38 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik
Giermomentenübertragungsfunktion bei 1000Nm Giermoment
Gierrate in °/s
2 1.5 1 0.5 0
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
Phase in °
50 80km/h 110km/h 140km/h 170km/h 200km/h
0
−50
−100
0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 2.17: Frequenz- und Phasengang der Gierübertragungsfunktion bezüglich des Giermoments. Auch hier ist die Erhöhung des Maximums mit steigender Geschwindigkeit in der Nähe der Giereigenfrequenz zu sehen.
Wird ein Bremsdruck p B an einem Rad eines Fahrzeugs eingestellt, so entsteht eine dazu proportionale Bremskraft F B : FB = pB ⋅ cP ⋅ rdyn .
(2.101)
Dabei ist rdyn der dynamische Rollradius, und cP ist der Bremsenkoeffizient, welcher eine für die jeweilige Bremse spezifische Konstante ist. cP ist vom Reibwert, von den Bremsenwirkflächen (Bremsbelag und Bremsscheibe), vom wirksamen Durchmesser und der wirksamen Fläche abhängig. Der Bremsenkoeffizient ist nur nominal eine Konstante, da insbesondere der Reibwert zwischen den Wirkflächen der Bremse Schwankungen unterliegen kann (z. B. durch Fading oder Verschmutzung), die meistens aber nur temporär auftreten. Der Reibwert zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe liegt typischerweise zwischen μ = 0, 35 − 0, 5 (vgl. [19]). An der Vorderachse wird der Wert normalerweise höher gewählt als an der Hinterachse, da an der Vorderachse aufgrund der Achslastverlagerung beim Bremsen wesentlich größere Bremskräfte abgesetzt werden können als an der Hinterachse. Zusätzlich wird dadurch dafür gesorgt, dass es bei einer Teilbremsung nicht zu einem Blockieren der Hinterräder kommt. Für höhere Verzögerungen verteilt die elektronische Bremskraftverteilung die Bremsmomente
2.3 Fahrdynamik | 39
zwischen Vorder- und Hinterachse so, dass die Hinterachse nicht vor der Vorderachse blockieren kann (vgl. [8], [20], [19]). Bei einer normalen Bremsung auf trockener Straße entsteht am Fahrzeug aufgrund der symmetrischen Bremskräfte nur ein sehr geringes Giermoment. Entstehen aufgrund unterschiedlicher Fahrbahnreibwerte (z. B. „μ -Split“) asymmetrische Bremskräfte, so können hohe Giermomente am Fahrzeug entstehen. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiger Bremseingriff aktiv eingeleitet wird, z. B. durch das ESP zur Fahrzeugstabilisierung (vgl. [39]). Das Giermoment, das bei einer Bremsung auf der stabilen Seite innerhalb des linearen Bereichs der μ-Schlupf-Kurve (Abb. 2.12) entsteht, kann folgendermaßen berechnet werden: Mz,B = Mz,B,V + Mz,B,H 1 = [(FB,VL − FB,VR ) ⋅ sV + (FB,HL − FB,HR ) ⋅ sH ] 2 1 = [∆FB,V ⋅ sV + ∆FB,H ⋅ sH ] . 2
(2.102)
Darin ist Mz,B das durch Bremsen entstehende Giermoment, welches in die Anteile an der Vorderachse Mz,B,V und an der Hinterachse Mz,B,H aufgeteilt werden kann. Die Bremsmomente der einzelnen Räder werden mit F B bezeichnet, und die Differenzbremsmomente mit ∆FB,V an der Vorderachse und mit ∆FB,H an der Hinterachse. sV und sH sind die Spurweiten an der Vorder- und Hinterachse. In Gl. (2.102) wird die Bremskraft positiv angegeben. Ist das Giermoment Mz,B positiv, dann bedeutet das, dass das Fahrzeug eine positive Gierbeschleunigung erfährt und damit eine positive Gierrate aufbaut. Das in Gl. (2.102) berechnete Moment kann direkt als Eingang in die Gierübertragungsfunktion des Fahrzeugmodells genutzt werden (vgl. (2.88)): ̇ ψ(s) = F Mz ψ̇ (s)Mz,B (s).
(2.103)
Durch eine an einem Rad eingeleitete Bremskraft kommt es zusätzlich zum direkt entstehenden Giermoment zu einer Änderung des Spurwinkels am entsprechenden Rad und teilweise auch an den anderen Rädern. Dabei ändern sich auch die Seitenund Vertikalkräfte an den Rädern. Auch hierdurch können Änderungen der Spurwinkel verursacht werden, was an der Elastokinematik der Radaufhängung liegt. Abhängig von der Richtung der Kraft und der Art der Radaufhängung ist die Nachgiebigkeit unterschiedlich stark ausgeprägt. Zusätzlich ergibt sich aufgrund der reinen Kinematik der Radaufhängung eine Änderung des Spurwinkels beim Ein- oder Ausfedern des Rades. Für einen tieferen Einblick in die Thematik wird auf die Literatur wie z. B. [60] oder [34] verwiesen.
40 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Nachfolgend wird auf für das einseitige Bremsen relevante Fahrwerkseffekte eingegangen und gezeigt, wie sie modelliert werden können. Dabei geht es hauptsächlich um Spurwinkeländerungen aufgrund von: – Längskraft, – Seitenkraft, – Einfederung und – Rückstellmomenten. Zur Bestimmung dieser Daten wird teilweise auf Ergebnisse eines FKE-Prüfstandes zurückgegriffen. Die Abkürzung FKE steht für Federung, Kinematik und Elastokinematik. Hierbei handelt sich um ein Prüfstandsverfahren bei dem gezielt Kräfte und Momente auf einzelne Komponenten des Fahrwerks aufgeprägt werden und die resultierenden Änderungen von Winkeln und Wegen gemessen werden. Damit ist es möglich, die Federung, die Kinematik und die Elastokinematik des Fahrwerks gezielt zu vermessen und die zugehörigen Kennfelder zu bestimmen (vgl. [73]). Spurwinkeländerung durch Längskraft In Abb. 2.18 ist das Ergebnis einer Messung an einem FKE-Prüfstand dargestellt. In der Messung wurde am linken Vorderrad mit ansteigender Kraft bis ca. 2000 N gezogen. Auf der y-Achse ist die Spurwinkeländerung aufgetragen, welche im vorliegenden Fall näherungsweise linear approximiert werden kann. Die Steigung der Ausgleichsgeraden beträgt hierfür ca. −0, 05⋅10−3 °/N. Im Allgemeinen ist der Zusammenhang nichtlinear. Für den Seitenwindassistenten ist aufgrund der begrenzten Bremskräfte der lineare Bereich ausreichend. Die Spurwinkeländerung aufgrund von einseitigem Bremsen kann damit folgendermaßen ausgedrückt werden: ∆δ i,j,B = k i,j,B ⋅ FB,i
i, j = {VL, VR, HL, HR}.
(2.104)
k i,j,B ist die Nachgiebigkeit des Rades j bezüglich der Bremskraft am Rad i und gibt an, wie stark sich der Spurwinkel in Abhängigkeit von der Längskraft ändert. Dabei wird unterschieden, ob das Rad in Vorspur (positiv) oder Nachspur (negativ) geht. Es kann angenommen werden, dass – eine Spurwinkeländerung an einem Rad auch eine Änderung des Spurwinkels des gegenüberliegenden Rades der gleichen Achse zur Folge hat, – die Spurwinkeländerungen an der Vorderachse unabhängig von der Hinterachse sind, – und die Spurwinkeländerungen symmetrisch sind: kVL,VL,B = kVL,VL,B und kVL,VR,B = kVR,VL,B . Da eine Spurwinkeländerung in Richtung Nachspur am linken Vorderrad eine Vergrößerung des resultierenden Lenkwinkels verursacht, wird ein positives Giermoment verstärkt. Ändert sich jedoch der Spurwinkel am rechten Vorderrad bei einem positiven
2.3 Fahrdynamik |
0.1 Vorspur
41
linkes1Rad rechtes1Rad
0.08
Spurwinkeländerung1in1°
0.06 0.04 0.02 0 −0.02 −0.04 −0.06 −0.08 Nachspur −0.1
0
0.2
0.4
0.6
0.8 1 1.2 Bremskraft1in1kN
1.4
1.6
1.8
2
Abb. 2.18: Spurwinkeländerung bei simuliertem einseitigem Bremsen am linken Vorderrad an einem FKE-Prüfstand [Quelle: interne Kommunikation]. Deutlich sichtbar ist, dass sich der Spurwinkel am gebremsten Rad ungefähr linear ändert und in Richtung Nachspur geht, während das nicht gebremste Rad quasi unbeeinflusst bleibt. Zusätzlich ist für jedes Rad eine Ausgleichsgerade (strichpunktiert) eingezeichnet. Die Haken am Ende der Kurven sind Artefakte aus der Messung und nicht weiter von Bedeutung.
Giermoment in Richtung Nachspur, so ergibt sich ein abschwächender Effekt. Der genannte Zusammenhang muss über eine Anpassung des Vorzeichens berücksichtigt werden. Da immer nur die Räder einer Fahrzeugseite für die Erzeugung eines Giermoments gebremst werden, kann die Vorzeichenanpassung über das Vorzeichen des Giermoments vorgenommen werden. Zusammen mit den oben genannten Annahmen ergibt sich: Mz,B,V 1 ∆δV = − (kVL,VL,B − kVL,VR,B ) sV 2 2
(2.105)
= k ψ,V Mz,B,V , M z,B,H 1 ∆δH = − (kHL,HL,B − kHL,HR,B ) sH 2 2
(2.106)
= k ψ,H M z,B,H . Damit sind k ψ,V und k ψ,H die resultierenden Nachgiebigkeiten an den Achsen bezüglich des Giermomentanteils an der zugehörigen Achse und ∆δV bzw. ∆δH die zugehörige mittlere Spurwinkeländerung.
42 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Meistens ist der Effekt an der Vorderachse deutlich stärker ausgeprägt als an der Hinterachse. Zusätzlich sind die Giermomente an der Hinterachse bei bremsdruckgleichem Giermoment an der Hinterachse deutlich kleiner als an der Vorderachse. Für den Seitenwindassistenten kann der Effekt an der Hinterachse daher vernachlässigt werden. Zur Berücksichtigung des Effekts im Fahrzeugmodell bzw. im Seitenwindbeobachter werden direkt die Schräglaufwinkel in Gl. (2.76) und (2.77) modifiziert. Eine Berücksichtigung an einer Achse entspricht einer Korrektur des Lenkwinkels an der entsprechenden Achse: vy lV − ψ̇ + ∆δV , vx vx vy lV αH = −δH − + ψ̇ + ∆δH . vx vx αV = δ −
(2.107) (2.108)
Damit wirkt das Giermoment sowohl auf den Drehimpulssatz als auch auf den Impulssatz. Die resultierende Gierreaktion bezüglich des Giermoments durch Bremsen ergibt sich mit den Teilübertragungsfunktionen des Fahrzeugs aus Abs. 2.3.2 zu: ̇ ψ(s) = F Mz ψ̇ (s)Mz,B (s) + k ψ,V F δ ψ̇ (s)Mz,B,V (s) + k ψ,H F δH ψ̇ (s)Mz,B,H (s) = (F Mz ψ̇ (s) + k ψ,VA F δ ψ̇ (s)(1 − pH ) + k ψ,H F δH ψ̇ (s)pH ) Mz,B (s).
(2.109)
pH ist der Anteil des Gesamtgiermoments durch Bremsen an der Hinterachse: pH
=
Mz,B,H . Mz,B
(2.110)
Die zugehörige Gierübertragungsfunktion lautet dann F Mz,B ψ̇ (s)
=
F Mz ψ̇ (s) + k ψ,V F δ ψ̇ (s)(1 − pH ) + F δH ψ̇ (s)pH .
(2.111)
Spurwinkeländerung durch Seitenkraft Genau wie die Änderung der Längskraft eine Spurwinkeländerung verursacht, so verursacht eine geänderte Seitenkraft eine Änderung des Spurwinkels. In Abb. 2.19 ist dargestellt, wie sich die Spurwinkel am linken und rechten Vorderrad ändern, wenn nur am linken Vorderrad in Querrichtung gezogen wird. Eine positive Kraft im Diagramm entspricht einer Kraft, die in einer gefahrenen Linkskurve am Rad entsteht und damit einer positiven Seitenkraft entspricht. Genau wie bei der Spurwinkeländerung durch Längskräfte kann angenommen werden, dass – eine Spurwinkeländerung an einem Rad auch eine Änderung des Spurwinkels des gegenüberliegenden Rades der gleichen Achse zur Folge hat, – die Spurwinkeländerungen an der Vorderachse unabhängig von der Hinterachse sind – und die Spurwinkeländerungen symmetrisch sind.
2.3 Fahrdynamik |
0.5 Vorspur 0.4
43
linkes°Rad rechtes°Rad
Spurwinkeländerung°in°°
0.3 0.2 0.1 0 −0.1 −0.2 −0.3 −0.4 Nachspur −0.5 −4
−3 −2 Rechtskurve
−1
0 1 Längskraft°in°kN
2 3 Linkskurve
4
Abb. 2.19: Messung der Spurwinkeländerung der Vorderräder bei einseitigem Querzug am linken Vorderrad [Quelle: interne Kommunikation]. Die Änderung des Spurwinkels am gezogenen Rad ist deutlich größer als am nicht gezogenen Rad, da nur eine geringe Kopplung zwischen den beiden Rädern besteht. Zusätzlich ist für jedes Rad eine Ausgleichsgerade (strichpunktiert) eingezeichnet.
Damit können die Korrekturwinkel an der Vorderachse ∆δV,Q und Hinterachse ∆δH,Q wie folgt berechnet werden: ∆δV,Q = FV kV,Q ,
(2.112)
∆δH,Q = FH kH,Q .
(2.113)
Darin ist kV,Q die resultierende Quernachgiebigkeit bezüglich der Seitenkraft an der Vorderachse und kH,Q diejenige an der Hinterachse. Da die entstehenden Seitenkräfte aus einem aufgeprägten Giermoment nicht direkt im Fahrzeug gemessen werden, werden diese anhand des Einspurmodells berechnet. Mit dem Impuls- und Drallsatz aus Gl. (2.70) und Gl. (2.71) kann bestimmt werden, welche Seitenkräfte sich an den Achsen bei einem bestimmten Giermoment einstellen: lH Mz J ̈ − + ψ, l l l lV Mz J ̈ FH = ma y + − ψ. l l l FV = ma y
(2.114) (2.115)
Gl. (2.88) stellt die Übertragungsfunktion von Giermoment Mz zu Gierrate ψ̇ dar. Im stationären Zustand ergibt sich mit dem Grenzwertsatz der Laplacetransformation
44 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik (vgl. [88]): ̇ ψ̇ stat = lim ψ̇ = lim ψ(s) t→∞
s→0
= lim F Mz ψ̇ (s)Mz (s) s→0
=
cV + cH Mz,stat . m(cH lH − cV lV ) + cV cH (lV + l2H )
(2.116)
Darin ist Mz,stat der stationäre Wert des Giermoments. Wird nun Gl. (2.99) nach cV und Gl. (2.100) nach cH aufgelöst und in die obige Gleichung eingesetzt, dann ergibt sich: ψ̇ stat =
SGl + EGlV vMz,stat . mlV lH (l + v2 EG)
(2.117)
Wird Gl. (2.117) mit der Geschwindigkeit v multipliziert, so ergibt sich für die stationäre Querbeschleunigung: a y,stat = ψ̇ stat v =
SGl + EGlV v2 Mz,stat . mlV lH (l + v2 EG)
(2.118)
Für den stationären Wert der Gl. (2.114) bzw. Gl. (2.115) gilt: lH Mz − , l l lV Mz = ma y,stat + . l l
FV,stat = ma y,stat
(2.119)
FH,stat
(2.120)
Wird in beide Gleichungen Gl. (2.118) eingesetzt und die Gleichungen dann auf das Giermoment Mz bezogen, ergeben sich die neu eingeführten Abstützungsquotienten pQ,V und pQ,H : FV,stat Mz 1 SGl + EGlV 2 = ( v − 1) , l lV (l + v2 EG) FH,stat pQ,H (v) = Mz 1 SGl + EGlV 2 v + 1) . = ( l lH (l + v2 EG) pQ,V (v) =
(2.121)
(2.122)
In Abb. 2.20 ist der Verlauf der beiden Quotienten über der Fahrgeschwindigkeit dargestellt. Es ist deutlich zu sehen, dass die Giermomentabstützung bei höheren Geschwindigkeiten hauptsächlich an der Hinterachse erfolgt. Die Ursache liegt darin, dass Giermoment und Querbeschleunigung an der Hinterachse das gleiche Vorzeichen haben und sich damit additiv überlagern. An der Vorderachse ist es genau umgekehrt.
2.3 Fahrdynamik | 45
1 pQ,V pQ,H
Abstützungsquotient in 1/m
0.8
0.6
0.4
0.2
0
−0.2
−0.4
0
50
100 150 Geschwindigkeit in km/h
200
250
Abb. 2.20: Verhältnis zwischen Giermoment und Seitenkraft an der Vorder- und Hinterachse mit s2 s2 den Parametern: lV = 1, 65 m, lH = 1.65 m, SG = 0, 2 ° m und EG = 0, 26 ° m . Deutlich zu sehen ist der konstante Abstand zwischen den beiden Kurven und dass sich das Giermoment für hohe Geschwindigkeiten hauptsächlich an der Hinterachse abstützt.
Mit den Abstützungsquotienten ergibt sich damit für die Korrekturwinkel bezüglich der Seitenkräfte: ∆δV,Q (v) = kV,Q pQ,V (v)Mz
(2.123)
∆δH,Q (v) = kH,Q pQ,H (v)Mz .
(2.124)
Für moderne Fahrwerksysteme mit Einzelradaufhängung und Mehrlenkerachsen ist davon auszugehen, dass die Spurwinkeländerungen an der Hinterachse deutlich kleiner sind als an der Vorderachse. Da sich das Giermoment für höhere Geschwindigkeiten hauptsächlich an der Hinterachse abstützt, kann der Effekt an der Vorderachse vernachlässigt werden. Zusätzlich ist die Elastokinematik an der Hinterachse deutlich steifer als an der Vorderachse und daher in den meisten Fällen von untergeordneter Bedeutung. Spurwinkeländerung durch Einfederung Änderungen in den Vertikalkräften führen zu Federungsbewegungen des Fahrzeuges. Aus Komfortgründen sind die Steifigkeiten der Federung wesentlich geringerer als die Längs- und Quersteifigkeiten der Achsen. Daher sind sowohl die kinematische Spurwinkeländerung als auch die elastokinematische Spurwinkeländerung zu berücksichtigen. Da die Einfederungsbewegungen und die Änderung der Radlasten
46 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik aufgrund eines Bremseingriffs des Seitenwindassistenten gering ausfallen, wird das nur vollständigkeitshalber erwähnt, aber nicht weiter betrachtet. Rückstellmomente Die an den Rädern eingeleiteten Kräfte und Momente führen in ihrer Kombination auch zu Momenten, die sich auf die Lenkung übertragen. Grundsätzlich sind die Rückstellmomente nützlich, da sie für einen ordentlichen Lenkungsrücklauf nach Kurvenfahrt sorgen und dem Fahrer Rückmeldung über die aktuelle Fahrsituation geben. Für ein durch Bremsen eingeleitetes Giermoment entsteht insbesondere eine Änderung der Längs- und Querkräfte an den Rädern. Die Längs- und Querkräfte an der Vorderachse wirken über den Nachlauf und den Lenkrollhalbmesser auf das Lenkmoment ein. Hält der Fahrer das Lenkrad nur lose, so kann es, abhängig von der Höhe des Lenkmoments, zu einer Änderung des Lenkwinkels kommen. Modellseitig wird dies direkt über die Eingangsgröße Lenkradwinkel oder Vorderachslenkwinkel berücksichtigt. Allerdings kann es je nach Richtung der Lenkradbewegung zu einer Verstärkung oder Abschwächung der fahrdynamischen Auswirkung des Giermoments kommen. Idealerweise lässt sich ein solcher Effekt bei modernen elektromechanischen Lenkungen über eine zusätzliche Anpassung des Lenkmoments kompensieren. Sturzwinkeländerung Zusätzlich zu den Änderungen der Spurwinkel ergeben sich auch Änderungen in den Sturzwinkeln der Räder (vgl. [60]). Da die entstehenden Kräfte durch Sturzwinkel eher gering sind und für die Modellierung des Seitenwindassistenten eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. Abs. 2.3.1), wurde auf eine Modellierung verzichtet. Es wurde gezeigt, wie durch einen einseitigen Bremseingriff ein Giermoment erzeugt wird und dadurch Änderungen der Spurwinkel aufgrund der Elastokinematik des Fahrwerks entstehen können. Für die einzelnen Effekte wurde die Relevanz für den Seitenwindassistenten analysiert. Für die Einflüsse der Längs- und Seitenkräfte, die durch das Giermoment entstehen, wurden Korrekturwinkel hergeleitet, die zur Korrektur des Fahrdynamikmodells verwendet werden können.
2.4 Fahrermodell Zur Analyse des geschlossenen Regelkreises aus Fahrer, Fahrzeug und Seitenwindassistent wird ein Fahrermodell benötigt, das geeignet ist, das tatsächliche Fahrerverhalten im relevanten Bereich (Normalfahrbereich) gut genug nachzubilden und gleichzeitig einfach genug ist, um eine theoretische Analyse des Systems zu ermöglichen. Der Normalfahrbereich ist der Bereich, in dem der Fahrer überwiegend fährt. Er ist durch geringe Quer- und Längsbeschleunigungen charakterisiert. Im Längs- und Querbeschleunigungs-Diagramm in Abb. 2.21 ist der 99 %-Bereich von realen Fahrten
2.4 Fahrermodell |
47
Abb. 2.21: 99%-Bereich der Längs- und Querbeschleunigung realer Fahrer (angelehnt an [9]). Die Auswertung basiert auf 675000 km Messdaten aus 15 Fahrzeugen, die bei der euroFOT zum Einsatz gekommen sind.
dargestellt, welcher im Prinzip dem Normalfahrbereich entspricht. In [63] wird anstatt Normalfahrbereich der Begriff Normalfahrt verwendet und zusätzlich die Einschränkung auf Situationen ohne Überhol- und Ausweichvorgänge vorgenommen. Damit schränkt sich der Bereich in Abb. 2.21 aber weiter ein. Wird der Begriff Normalfahrbereich auf die Fahrdynamik übertragen, so kann dieser im Prinzip direkt auf den Gültigkeitsbereich des linearen Einspurmodells übertragen werden. In der Literatur gibt es eine Vielzahl an Fahrermodellen, welche teilweise sehr spezifisch an eine bestimmte Fahraufgabe adaptiert sind. So ist das Fahrermodell von [52] für den fahrdynamischen Grenzbereich ausgelegt. Dagegen ist das Fahrermodell von [14] sehr allgemein aufgestellt. Teilweise übernehmen die Fahrermodelle sowohl die Längs- als auch die Querregelung des Fahrzeugs wie z. B. das Modell von [21]. Für die Untersuchung des Fahrerverhaltens bei Seitenwind reicht die Berücksichtigung der Querregelung aus, da die wesentlichen Einflüsse in der Querdynamik stattfinden. [14] geht ausgiebig auf den Fahrer als Regler ein. Das Fahrerverhalten wird dabei in verschiedene Handlungsebenen unterteilt. Bei [14] sind es insgesamt fünf Ebenen, die von einer Vorsteuerungsebene über eine Regelungsebene bis zu einer nicht auf das Fahren bezogene Ebene reichen. Weiterhin ist die Generierung der Sollspur wichtig, da sie vorgibt, wo das Fahrzeug hinfahren und wie es dorthin gelangen soll. Der Fahrer selbst kann dabei relativ frei wählen; so kann er Kurven innen anfahren oder sie auch bei Bedarf schneiden. Sind Spurrillen oder Bahngleise vorhanden, kann er leicht versetzt fahren, um nicht permanent gegen eine Störung regeln zu müssen. Fahrerassistenzsysteme zur Spurregelung orientieren sich jedoch häufig an der Spurmitte als
48 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Sollspur bei freier Fahrt. Das kann sich für einen Fahrer ungewohnt anfühlen, da er häufig eine andere Sollspur gewählt hätte. Die zwei wichtigsten Ebenen für eine Fahrt im Normalfahrbereich (vgl. Abb. 2.21) sind: 1. Antizipatorische⁴ Steuerung - Der Fahrer sieht den Straßenverlauf vor sich und reagiert mit dem dafür notwendigen Lenkwinkel in Form einer Vorsteuerung. 2. Kompensatorische⁵ Regelung - Spurabweichungen aufgrund äußerer Störungen wie z. B. Straßenquerneigung oder Seitenwind werden ausgeregelt. Auf Seitenwind kann der Fahrer nicht durch Vorsteuerung reagieren, denn es ist ihm nicht möglich, die Stärke und die Richtung von natürlichem Seitenwind zu bestimmen. Daher wird im Folgenden der „antizipatorische Steuerungsanteil“ im Fahrermodell vernachlässigt. Der in dieser Arbeit verwendete Regler basiert auf dem in [63] beschriebenen Fahrerregler. Der darin enthaltene Regelungsanteil geht auf die Fahrerübertragungsfunktion von McRuer ([61])zurück: MR (s) =
δV (s) 1 + TD s s(TP −TT ) = VM e . ∆y(s) 1 + TI s
(2.125)
Darin sind:
MR ∆y δV VM TI TD TP TT
Fahrerübertragungsfunktion von Spurabweichung zu Lenkwinkel, Spurabweichung im Schwerpunkt des Fahrzeugs, Vorderachslenkwinkel, Verstärkung des Fahrers, Verzögerungskonstante des Fahrers, Vorhaltekonstante des Fahrers, Prädiktionszeit des Fahrers, Totzeit des Fahrers.
Die Vorhaltekonstante TD wird häufig vernachlässigt, da bereits in TP ein entsprechender Vorhalt enthalten ist. Der Regler ist so beschrieben, dass er die Spurabweichung im Schwerpunkt ∆y des Fahrers als Eingangsgröße verwendet. Die Vorausschau ist in TP enthalten. Durch Umschreiben kann der Regler so formuliert werden, dass die Eingangsgröße die Spurabweichung in der Entfernung lP = TP v x vor dem Fahrzeug ist, die geometrisch aus Abb. 2.22 abgeleitet werden kann: ∆yP = ∆y + v x TP sin (∆ψ) . 4 von lat.: anticipare „vorausnehmen“ 5 von lat.: compensare „ausgleichen“
(2.126)
2.4 Fahrermodell |
49
Abb. 2.22: Geometrische Größen, die als Eingang für das Fahrermodell dienen.
Für kleine Winkel kann der Sinus vernachlässigt werden, so dass ∆yP = ∆y + v x TP ∆ψ.
(2.127)
gilt. Für die Fahrerübertragungsfunktion ergibt sich damit: MR (s) =
δV (s) 1 = VM e−τs . ∆yP (s) 1 + TI s
(2.128)
Durch eine entsprechende Anpassung der Vorausschauzeit TP und einer Anpassung der Verzögerungszeitkonstanten TI des Fahrers kann die Totzeit des Fahrers TT entfallen. Damit kann der Fahrerregler im Zeitbereich durch Einsetzen von Gl. (2.127) in Gl. (2.128) als TI δ̇ + δ = VM (∆y + v x TP ∆ψ)
(2.129)
geschrieben werden. Die folgenden Untersuchungen werden auf Geradeausfahrt beschränkt, weil: – der Fahrer nicht vorsteuernd auf Seitenwind reagieren kann; – ein Vorsteuerungsanteil nur Auswirkungen auf die Folgeregelung (Spurreglung) hätte; – der Fahrer für höhere Geschwindigkeiten überwiegend im niedrigen Querbeschleunigungsbereich fährt (vgl. Abb. 2.21) und auch Autobahnen so gebaut sind, dass bei Richtgeschwindigkeit nur eine geringe Querbeschleunigung entsteht; – die Ergebnisse bei Kurvenfahrt ähnlich ausfallen würden, da der vorliegende Spurregler eine lineare Überlagerung darstellt.
50 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik Der Kurswinkelfehler ∆Φ beschreibt die Fahrtrichtung des Fahrzeugs im Vergleich zur Sollspur: ∆Φ = β + ∆ψ.
(2.130)
Wird die Spurabweichung ∆y abgeleitet, so ergibt sich aus Abb. 2.22 ∆ ẏ = v sin (∆Φ) = v sin (∆ψ + β) .
(2.131)
Da die Sollspur nach obiger Voraussetzung gerade ist, ist die Ableitung des Gierwinkelfehlers ∆ψ gleich der Gierrate: ∆ ψ̇ = ψ.̇
(2.132)
Für kleine Winkel kann die Sinusfunktion linearisiert werden. Das wird dadurch gewährleistet, dass der Fahrer (Spurregler) bzw. später der Seitenwindassistent die Störung kompensiert und das Fahrzeug in der Spur hält. Werden die beiden Gleichungen in die Ableitung von Gl. (2.129) eingesetzt so ergibt sich: ̇ . TI δ̈ + δ̇ = VM (v(ψ + β) + v x TP ψ)
(2.133)
Wird diese Gleichung nochmals abgeleitet und mit den Annahmen, dass v konstant ist und aufgrund kleiner Winkel v x = v gilt, Laplace-transformiert , so ergibt sich: ̇ s2 (TI s + 1) δ(s) = VM (vβ(s)s + v (1 + TP s) ψ(s)) .
(2.134)
Damit hängt der Lenkwinkel des Fahrers nur noch von der Gierrate ψ̇ und der Schwimmwinkelgeschwindigkeit β̇ des Fahrzeugs ab. Nun wird der Schwimmwinkel in der Gleichung eliminiert. Aus Gl. 2.83 für den Drallsatz des Einspurmodells ergibt sich bei Vernachlässigung des Einlaufverhaltens und der Hinterachslenkung: ̇ m (ψ(s)v x + sv y (s)) =c V δ V (s) + (
cV + cH cH lH − cV lV ̇ −( ) ψ(s) ) + Fy (s). vx vx
(2.135)
Nach dem Auflösen nach v y und Einsetzen der Abkürzungen σ und ρ (vgl. (2.90) und (2.91)) ist v y (s) =
̇ + v x cV δ(s) + v x Fy (s) (ρ − m v2x ) ψ(s) . (m v x s + σ)
(2.136)
Wird in Gl. (2.64) der Tangens linearisiert, so ergibt sich: v y (s) . vx
(2.137)
̇ + vcV δ(s) + vFy (s) (ρ − m v2 ) ψ(s) . v(m v s + σ)
(2.138)
β(s) = Damit und mit v x = v wird β schließlich: β(s) =
2.4 Fahrermodell | 51
Der Schwimmwinkel kann nun in Gl. (2.134) ersetzt werden. Zuvor muss das Vorzeichen des Lenkwinkels umgekehrt werden, da die Eliminierung von β erst nach Schließen des Regelkreises möglich ist. δ(s) =
vVM Fy (s) TI mvs3 + (TI σ + mv)s2 + σs + VM vcV +
VM (TP mv2 s2 + (TP σv + ρ)s + σv) ̇ ψ(s) (TI mvs3 + (TI σ + mv)s2 + σs + VM vcV )s
̇ =MFy ,δ (s)Fy (s) + M ψ,δ ˙ (s) ψ(s).
(2.139)
Damit ist der Lenkwinkel des Fahrermodells nur noch von der Gierrate und der Störseitenkraft abhängig. Nach [63] gibt es allgemeine Kriterien des offenen Regelkreises, die für die Einstellung der Parameter des Reglers verwendet werden können. Durch die Auswertung von Fahrversuchen können die Parameter weiter optimiert und somit besser an das individuelle Fahrerregelverhalten angepasst werden. Die Kriterien von [63] lauten: 1. Phasenreserve: 30° < ϕR < 40° 2. Durchtrittsfrequenz: 0, 3Hz < ω2πD < 0, 5Hz
Amplitude in dB
20
0
−20
−40 0.2
0.5
1
1.5
2
2.5
3
4
Phase in °
0 v=80 v=110 v=140 v=170 v=200
−90
−180
−270 0.2
0.5
1 Frequenz in Hz
1.5
2
2.5
3
4
Abb. 2.23: In der Abbildung sind der Frequenz- und Phasengang des offenen Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug dargestellt. Die Schnittfrequenz liegt für alle Geschwindigkeiten nahe 0, 5 Hz. Die Phasenreserve beträgt durchgängig mehr als 30 °. In der Nähe der Eigenfrequenz des Fahrzeugmodells knickt der Amplitudengang weiter ab.
52 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik 3.
Steigung der Amplitudenkennlinie im Bereich von ωc : dB dB −25 Dekade < d|G(jω)| dω ω≈ωD < −15 Dekade
Damit sind die Parameter des Fahrermodells direkt von den Parametern des Fahrzeugs abhängig und entsprechen damit dem normalen Erfahrungshorizont eines realen Fahrers, welcher sich auch innerhalb sehr kurzer Zeit an unterschiedliche Fahrzeuge adaptieren kann. Die oben definierten Bereiche für die Reglereinstellung sind sehr eng und nur als Richtwerte zu verstehen. Sie können bei realen Fahrern deutlich abweichen, insbesondere wenn der Fahrer abgelenkt ist, da seine Reaktionszeit dann deutlich von der normalen abweicht. Wenn bei der Einstellung der Reglerparameter für verschiedene Geschwindigkeiten die Werte aus der obigen Aufzählung nicht eingehalten werden konnten, dann wurde für die folgende Untersuchung des Regelkreises eine Einstellung gewählt, die dem Fahrer eine höhere Grenzfrequenz zutraut und damit eine eher konservative Abschätzung darstellt. In Abb. 2.23 sind die Frequenz- und Phasengänge des Fahrermodells für verschiedene Geschwindigkeiten abgebildet. Mit den gewählten Einstellungen des Fahrermodells wird im Folgenden davon ausgegangen, dass der Fahrer stets bereit ist, die kompensatorische Regelungsaufgabe bei Seitenwind auszuführen. Typischerweise stellt das nicht den Normalfall dar, denn der Fahrer wird durch Seitenwind überrascht und reagiert daher zusätzlich verzögert. Das gilt insbesondere für Seitenwindböen, die plötzlich auftreten. Der Amplitudengang zeigt, dass die Durchtrittsfrequenz im gezeigten Geschwindigkeitsbereich ca. 0, 5 Hz aufweist und damit eher die obere Grenze eines Fahrers darstellt. Die Phasenreserve ist durchgehend höher als 30 ° und nimmt mit
1.5 1 0.5 0 −0.5 −1
0
0.5
1
1.5
2 Zeit in s
2.5
3
Lenkwinkel in ° Gierrate in °/s 3.5 Seitenwind in4 kN
Abb. 2.24: Fahrer- und Fahrzeugreaktion auf eine Seitenwindböe von 1000 N bei 140 km/h Fahrzeuggeschwindigkeit. Zum besseren Vergleich wurden die unterschiedlichen Größen auf eine y-Achse bezogen und anstatt des Lenkradwinkels der Lenkwinkel an der Vorderachse dargestellt.
2.4 Fahrermodell | 53
steigernder Geschwindigkeit zu, da so die Steigung der Kennlinien bei der Durchtrittsfrequenz eingehalten werden konnte. In der Nähe der Eigenfrequenz des Fahrzeugs knickt die Kennlinie aufgrund der Fahrzeugdynamik zusätzlich ab. In Abb. 2.24 ist dargestellt, wie das mit dem Fahrzeug gekoppelte Fahrermodell auf eine sprungförmige Seitenwindböe von 1000 N reagiert. Da der Fahrer verzögert reagiert, steigt die Gierrate des Fahrzeugs und erreicht einen Wert von ca. 1, 2 °/s, bevor sie aufgrund des aufgebauten Lenkwinkels absinkt. Der Fahrer reagiert aber zu stark auf die konstante Windböe, so dass es einen Unterschwinger der Gierrate bis auf ca. 0, 7 °/s gibt. Anschließend reduziert der Fahrer den Lenkwinkel wieder etwas, so dass er die Windböe im stationären Zustand vollständig kompensiert. Ein Ziel des in der vorliegenden Arbeit neu entwickelten Kompensationskonzepts zur Fahrerunterstützung bei Seitenwind ist es, den notwendigen Lenkwinkel des Fahrers zu reduzieren und die Fahrzeugreaktion zu verringern. Wird das Verhalten eines realen Fahrers bei der Fahrt unter stochastischem Seitenwind mit dem des Fahrermodells verglichen, so ergibt sich das in Abb. 2.25 dargestellte Verhalten. Das nach den theoretischen Einstellregeln parametrierte Fahrermodell erreicht durch eine schnellere Lenkreaktion einen deutlich geringeren Spurversatz als der reale Fahrer. Damit zeigt sich, dass das theoretisch eingestellte Fahrermodell werealer Fahrer theoretisches Fahrermodell
Lenkradwinkel in °
15 10 5 0 −5 0
10
20
30
40
50
60
0
10
20
30 Zeit in s
40
50
60
Spurabweichung in m
2 1.5 1 0.5 0 −0.5
Abb. 2.25: Vergleich des theoretisch parametrierten Fahrermodells mit dem Verhalten eines realen Fahrers unter stochastischem Seitenwind. Dargestellt sind Spurabweichung und Lenkradwinkel. Deutlich sichtbar ist, dass das Fahrermodell wesentlich schneller und stärker lenkt und damit einen geringeren Spurversatz erreicht als der reale Fahrer. [Quelle: interne Kommunikation mit Dr. Van Tuan Tran.]
54 | 2 Aerodynamik und Fahrdynamik
realer Fahrer theoretisches Fahrermodell
Lenkradwinkel in °
15 10 5 0 −5 0
10
20
30
40
50
60
0
10
20
30 Zeit in s
40
50
60
Spurabweichung in m
2 1.5 1 0.5 0 −0.5
Abb. 2.26: Vergleich des an den realen Fahrer adaptierten Fahrermodells mit dem Verhalten eines realen Fahrers unter stochastischem Seitenwind. [Quelle: interne Kommunikation mit Dr. Van Tuan Tran.]
sentlich schneller und stärker als ein realer Fahrer reagiert. Dabei stellt sich die Frage, ob das ausgewählte Fahrermodell auch geeignet ist, den realen Fahrer möglichst gut abzubilden. Dazu wurde in einer internen Analyse von Dr. Van Tuan Tran eine Optimierung der Parameter durchgeführt, so dass das Fahrermodell den realen Fahrer möglichst gut repräsentiert. In Abb. 2.26 ist ein Ergebnis der Analyse dargestellt. Es ist zu sehen, dass sowohl der Lenkradwinkelverlauf als auch die Spurabweichung sehr gut zu denen des realen Fahrers passen. Deutlich sichtbar ist, dass sich teilweise Spurversätze von mehr als einem Meter für mehrere Sekunden eingestellt haben, was nur deshalb ohne Problem möglich war, weil der Fahrversuch in einem Fahrsimulator stattgefunden hat. Nur dort besteht die Möglichkeit, reproduzierbar mit verschiedenen Fahrern die gleichen Seitenwindbedingungen darzustellen. In vorigen Abschnitt wurde ein Fahrermodell für die spätere Analyse des neuen Konzepts zu Fahrerunterstützung bei Seitenwind beschrieben. Es wurde gezeigt, wie das Fahrermodell in der vorliegenden Arbeit in eine Beschreibung überführt werden konnte, die nur noch auf Größen des Einspurmodells beruht. Anschließend wurde das Fahrermodell nach theoretischen Einstellregeln parametriert und mit realen Fahrern verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass der theoretische Fahrer deutlich schneller lenkt als der reale Fahrer, aber es konnte auch gezeigt werden, dass die gewählte Struktur es ermöglicht, durch Änderung der Parameter an den realen Fahrer adaptiert zu werden. Der Seitenwindassistent wird in den folgenden Kapiteln dennoch am theo-
2.4 Fahrermodell | 55
retischen Fahrer gemessen, um sicherzustellen, dass er stets eine Verbesserung des Verhaltens mit sich bringt.
3 Werkzeuge Im folgenden Kapitel werden die in den späteren Kapiteln verwendeten Werkzeuge kurz vorgestellt. Dabei handelt es sich um: – den Fahrsimulator, – den Windkanal, – das Versuchsfahrzeug und – die Simulationssoftware.
3.1 Fahrsimulator Der Fahrsimulator der Daimler AG steht in Sindelfingen im Entwicklungszentrum MTC. In Abb. 3.1 ist ein Überblick der wesentlichen Komponenten des Fahrsimulators dargestellt. Der Fahrsimulator wurde für die Experten- und Probandenversuche, die in Kap. 6 näher erläutert werden, angewandt. Er besteht unter anderem aus: – Bewegungssystem, – Dom, – Drehtisch, – Bildsystem. Das Bewegungssystem besteht aus Hexapod und Linearschlitten. Das Hexapod besteht aus sechs elektrisch angetriebenen Zylindern und trägt den Dom. Es ermöglicht die dynamische Bewegung des Doms in alle Raumrichtungen. Der Dom kann damit mit bis zu 10 m/s2 beschleunigt werden, und es wird folgender Bewegungsspielraum ermöglicht (vgl. [77]): – Längsverschiebung: −1, 3 m bis +1, 5 m, – Querverschiebung: −1, 1 m bis +1, 1 m, – Vertikalverschiebung: −1, 0 m bis +1, 0 m, – Gierdrehung: −38 ° bis +38 °, – Nickbewegung: −19 ° bis +24 °, – Wankbewegung: −20 ° bis +20 °. Zur Erweiterung des Bewegungsraumes und zur besseren Darstellung fahrdynamischer Manöver ist das Hexpaod auf einem reibungsarmen Linearschlitten montiert. Er hat eine Länge von 12, 5 m und kann mit bis zu 10 m/s2 beschleunigt werden. In der Kombination aus Hexapod und Linearschlitten sind Fahrdynamikmanöver mit realistischer Bewegungsdarstellung bis in den Grenzbereich hinein möglich. Der Drehteller ermöglicht eine statische Drehung des Doms um 90 °, so dass der Linearschlitten zur Darstellung der Bewegung in Längs- oder Querrichtung genutzt werden kann. Wird der Linearschlitten in Querrichtung genutzt, so werden Brems- und BeschleunigungsDOI 10.1515/9783110542059-003
3.1 Fahrsimulator | 57
Projektoren
Drehteller
Hexapod Linearschlitten
Fahrzeug
Dom
Kontrollzentrum
Abb. 3.1: Bilder des Fahrsimulators der Daimler AG mit Bewegungssystem, Dom und Kontrollzentrum (Fotos: Quelle Daimler AG und vgl. [77]).
vorgänge nur eingeschränkt dargestellt, da der Bewegungsraum hierfür nur gering ist. Um die Längsbeschleunigungen dennoch darstellen zu können, wird der Dom gekippt. Da dieser Vorgang relativ schnell stattfinden muss, ist die dabei auftretende Nickgeschwindigkeit deutlich spürbar und beeinträchtigt die Wahrnehmung. Für die Untersuchungen des Seitenwindassistenten wurde der Fahrsimulator mit Querausrichtung des Linearschlittens genutzt, um die Querdynamik und damit das Seitenwindverhalten des Fahrzeugs möglichst gut darzustellen. Dadurch ergaben sich entsprechende Einschränkungen bei der Darstellung der aktiven Einzelradbremseingriffe. Der Dom besteht aus einer Plattform und einer Kuppel aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK), dadurch werden das Gesamtgewicht reduziert und die Dynamik verbessert, was der Bewegungsdarstellung zugute kommt. In der Kuppel sind das Fahrzeug und das Bildsystem untergebracht. Die Innenwände der Kuppel dienen dabei als 360 ° Projektionsfläche. Die Ansteuerung des Bildsystems und des Bewegungssystems erfolgt aus dem Kontrollzentrum heraus. Dort läuft auch das Fahrdynamiksimulationssystem, welches abhängig vom Lenkradwinkel des Fahrers und der Geschwindigkeit des Fahrzeugs die Bewegungen und Beschleunigungen des Fahrzeugs berechnet, welche dann über das Bewegungssystem eingestellt werden. Gleichzeitig werden auch die Bilder berechnet und über das Bildsystem auf die Kuppelinnenwände projiziert.
58 | 3 Werkzeuge
3.2 Windkanal Ein Windkanal ist eine Versuchseinrichtung zur aerodynamischen Untersuchung eines Fahrzeugs, auf die hier nur kurz eingegangen wird. Vertiefende Informationen können der Literatur entnommen werden (z. B. [36] oder [65]). Im Windkanal können die aerodynamischen Kräfte und Momente, die auf das Fahrzeug wirken, direkt gemessen werden. Um die resultierenden Kräfte und Momente mit Hilfe der aerodynamischen Gleichungen (Gl. (2.14) und Gl. (2.15)) bestimmen zu können, müssen die aerodynamischen Beiwerte bekannt sein. Die Beiwerte werden durch Vermessung des Fahrzeugs im Windkanal bestimmt. Für die aerodynamischen Vermessungen in der vorliegenden Arbeit wurde der Windkanal der Daimler AG in Untertürkheim genutzt. Die technischen Daten können z. B. in [1] nachgeschlagen werden. Der Windkanal ist nach dem Göttinger Prinzip aufgebaut, welches sich dadurch auszeichnet, dass die Luft in einem geschlossenen System zirkuliert. Damit entstehen geringe Verluste und es ist möglich, die Parameter der Strömung gut einzustellen (z. B. Temperatur und Luftdruck). In Abb. 3.2 ist der schematische Aufbau eines solchen Windkanals dargestellt. Das zu vermessende Fahrzeug wird innerhalb der Messstrecke auf der Windkanal-Waage positioniert. Die Waage lässt sich in einem Bereich von ±180 ° drehen, so dass das Fahrzeug unter jedem beliebigen Winkel angeströmt werden kann. Das Gebläse des Windkanals erzeugt die Luftströmung. Sie wird über mehrere Umlenkungen durch Gleichrichter und Siebe von Störungen befreit, so dass eine homogene Strömung entsteht. Über die Düse gelangt der Luftstrom schließlich in die Messstrecke, wo sich das zu vermessende Fahrzeug befindet. Hinter der Messstrecke wird die Luft über einen Diffusor abgesaugt und über weitere Umlenkungen dem Gebläse wieder zugeführt, das Umlenkungen
Windrichtung Gebläse
Gleichrichter Siebe Messstrecke
Düse
Diffusor
Messobjekt
Abb. 3.2: Der große Windkanal der Daimler AG ist nach dem Göttinger Prinzip aufgebaut, welches hier schematisch dargestellt ist (angelehnt an [65]).
3.3 Versuchsfahrzeug | 59
Abb. 3.3: Ein Mercedes-Benz SLK steht im Windkanal auf den ausgefahrenen Kraftaufnehmern der Windkanal-Waage. Deutlich sichtbar ist, dass die Aufstandsfläche der Kraftaufnehmer ungefähr die Größe des Reifenlatschs hat [Quelle: Daimler AG aus [1]].
die Luft wieder beschleunigt. Während des Messvorgangs steht das Fahrzeug auf den vier Kraftaufnehmern der Windkanal-Waage. Die Aufnehmer sind ungefähr so groß wie der Reifenlatsch des Fahrzeugs (Abb. 3.3), um Messfehler aufgrund des Auftriebs gering zu halten (vgl. [65]). Für die Vermessung der aerodynamischen Beiwerte wurde das Fahrzeug mit zwei konstanten Anströmgeschwindigkeiten (v = 100 km/h und v = 150 km/h) in einem Winkelbereich von ±180 ° angeströmt. Der Winkel wurde in einem 5 ° Raster verändert. Die Kräfte und Momente, die mit der Windkanal-Waage gemessen wurden, wurden zu jedem Wertepaar aus Anströmwinkel und Anströmgeschwindigkeit aufgezeichnet. Zusätzlich wurden auch der Luftdruck, die Anströmgeschwindigkeit, der Anströmwinkel und die Luftdichte aufgezeichnet. Mit Hilfe der Gleichungen (2.15) und (2.14) kann daraus der Verlauf der Beiwerte bestimmt werden. Abbildung 2.4 zeigt den Verlauf des cW -Wertes in Abhängigkeit des Anströmwinkels für zwei verschiedene Anströmgeschwindigkeiten im Bereich von ±90 °. Deutlich sichtbar ist die starke Abhängigkeit vom Anströmwinkel τ und die geringe Abhängigkeit von v∞ . In Kapitel 4 wurde ein Verfahren beschrieben, das es ermöglicht, online während der Fahrt die Anströmgeschwindigkeit, den Anströmwinkel und die Windkraft zu bestimmen. Dafür ist eine Eichung des Fahrzeugs im Windkanal die Voraussetzung.
3.3 Versuchsfahrzeug Zusätzlich zu den theoretischen Untersuchungen und den Simulationen wurden auch Versuchsfahrzeuge eingesetzt, um den Seitenwindassistenten unter realen Bedingun-
60 | 3 Werkzeuge
Abb. 3.4: Schematische Darstellung des Versuchsträgers auf Basis eines V221 mit der darin eingebauten Messtechnik.
gen im Fahrzeug entwickeln und testen zu können. Dafür wurde unter anderem ein Versuchsfahrzeug auf Basis der Merecedes S-Klasse vom Typ V221 aufgebaut (Abb. 3.4). Mit ihm wurden die meisten Messungen, die in der vorliegenden Arbeit diskutiert werden, erstellt. Der Versuchsträger wurde mit umfangreicher Zusatzmesstechnik ausgestattet, um die relevanten Messdaten aufzeichnen zu können und für nachfolgende Analysen zur Verfügung zu haben: – Rapid Prototyping System – dSpace Autobox, – Inertialmessplattform – iMAR, – GPS – Racelogic Vbox, – Bremsdrucksensorik, – Messlenkrad, – CAN Messtechnik, – Geschwindigkeit über Grund – Correvit, – Luftdrucksensorik (vgl. Abs. 4.1) . Über den Bedienrechner des Fahrzeugs wird das Simulinkmodell des Seitenwindassistenten erstellt und bearbeitet. In Simulink wurden die Funktionalität und die Anbindung an die Fahrzeugschnittstellen festgelegt. Über den Simulink-Coder und das RTI-Interface von dSpace wird aus dem Simulinkmodell eine ausführbare PPC-Datei erstellt, die auf die Autobox geladen wird und dort in Echtzeit läuft. Über den Bedienrechner können nun Messsignale des Modells oder auch des Fahrzeugs ausgewählt und aufgezeichnet werden. Zusätzlich können Parameter des Modells während der Ausführung verstellt werden.
3.4 Simulationssoftware |
Simulinkmodell
61
dSpace-Autobox
Matlab-Coder
PPC-Datei Echtzeit
Echtzeitcode generieren
Simulink-Coder
• •
• • •
Bedienrechner
Simulinkmodell erstellen Echtzeitcode generieren Autobox bedienen und messen
Abb. 3.5: Darstellung der schematischen Aufbau- und Prozessstruktur zur Generierung des Echtzeitcodes für die Autobox aus dem im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelten Simulinkmodell. Die eigenen Anteile wurden rot hervorgehoben.
3.4 Simulationssoftware Viele Simulationen und Untersuchungen konnten mit den beschriebenen Modellen durchgeführt werden, wie z. B. mit dem in Abs. 2.3.2 beschriebenen Einspurmodell. Für komplexere Untersuchungen wurde auf CASCaDE (Computer Aided Simulation of Car, Driver and Environment) zurückgegriffen (vgl. [74]). Dabei handelt es sich um ein internes Mehrkörpersimulationsmodell der Daimler AG. Für die Untersuchungen des Seitenwindassistenten wurde das CASCaDE-Handling-Modell verwendet, welches aus fünf Massen besteht: – Aufbaumasse, – vier Radmassen. Die Radaufhängungen werden durch Kennlinien der entsprechenden Achskinematik modelliert. Federung und Dämpfung werden ebenfalls über Kennlinien modelliert, können aber auch ersatzweise durch komplexere Modelle beschrieben werden. Weiterhin enthält die Simulation unterschiedlich komplexe Modelle für: – Lenkung, – Antrieb, – Bremse, – Aerodynamik. So kann z. B. für die Bremse ein internes ABS-Regelsystem aktiviert werden. Für die Modellierung der Reifen können empirische Ansätze, wie z. B. das Magic Formula Tyre Model von [68] oder auch physikalische Ansätze wie das Brush and Ring Tyre Model (vgl. [31]) genutzt werden.
62 | 3 Werkzeuge
10 Messung Simulation
Gierrate in °/s
5
0
−5
−10
Lenkradwinkel in °
−15
0
5
10
15
20
25 Lenkradwinkel
40 20 0 −20 −40 0
5
10
15 Zeit in s
20
25
Abb. 3.6: Vergleich zwischen Fahrzeugmessung und CASCaDE-Simulation bei 120 km/h und verschiedenen Lenkradwinkelanregungen.
CASCaDE kann in Simulationsumgebungen wie Matlab/Simulink eingebunden und dort durch neue Funktionen erweitert werden. Es kann auch in Echtzeitumgebungen wie dem Fahrsimulator zum Einsatz kommen, um die Fahrdynamik des zu emulierenden Fahrzeugs nachzubilden. In der vorliegenden Arbeit wurde es für beide Zwecke eingesetzt. In Abb. 3.6 ist ein Vergleich zwischen CASCaDE und einer Fahrzeugmessung dargestellt. Dabei wurden bei einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 120 km/h verschiedene Lenkradwinkelanregungen durchgeführt. Die Fahrzeuggierrate erreicht dabei Werte von bis zu 12 °/s, was bei der vorliegenden Fahrzeuggeschwindigkeit einer Querbeschleunigung von ca. 7 m/s2 entspricht und damit bereits im nichtlinearen Bereich der Reifenkennlinie liegt. Für alle Bereiche ist eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Messung und Simulation zu sehen. Im vorigen Kapitel wurde kurz auf die verwendeten Werkzeuge eingegangen, die für die in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Untersuchungen und Versuche eingesetzt wurden. Für die im nächsten Kapitel beschriebenen Konzepte zur Windkraftbestimmung waren insbesondere das Versuchsfahrzeug und der Windkanal wichtig.
4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung In folgenden Kapitel wird gezeigt, wie aerodynamische Kräfte und Momente im Fahrzeug während der Fahrt bestimmt werden können. Wie in Abs. 2.2 beschrieben wurde, sind für das Fahren unter Seitenwind insbesondere die aerodynamische Seitenkraft FY,L und das aerodynamische Giermoment MN,L von Bedeutung, da beide direkt auf das Fahrverhalten einwirken. Es wird daher besonderer Wert auf deren Bestimmung gelegt. Prinzipiell können die Messverfahren in zwei Arten eingeteilt werden: – direkt messende Verfahren, – indirekt messende Verfahren.
4.1 Direkt messende Verfahren Die Messung im Windkanal ist ein direkt messendes Verfahren, da hier die auf das Fahrzeug wirkenden aerodynamischen Kräfte und Momente direkt gemessen werden können. Auf der Straße gibt es kaum die Möglichkeit ein direkt messendes Verfahren umzusetzen. Es ist zwar vorstellbar, über Kraftmessfelgen [49] oder kraftmessende Radlager (vgl. [33]) die an jedem Rad übertragenen Kräfte und Momente zu bestimmen, aber die Bestimmung der Ursache gestaltet sich schwierig. Außer aerodynamischen Kräften wirken viele weitere Kräfte am Fahrzeug, die verschiedenen Ursprungs sind, wie z. B.: – Kurvenfahrt, – Quergeneigte Straße, – Fahrbahnunebenheiten, – Spurrillen, – Aquaplaning, – Bremsvorgänge. Daher eignet sich solch ein Verfahren höchstens, um auf einer trockenen Straße in sehr gutem Zustand die aerodynamischen Kräfte und Momente aufgrund von Wind zu bestimmen. Schon bei leichter Kurvenfahrt müssten die hierdurch entstehenden Kräfte über ein Fahrzeugmodell separiert werden. Eine weitere direkte Möglichkeit wird in [83] kurz erwähnt und wurde von [82] und [51] untersucht. Dort sollen sehr viele Druckaufnehmer auf dem Fahrzeug platziert und durch Integration über die Drücke die Kraft bestimmt werden. Hier sind aber vor allem zwei Probleme zu erkennen: Zum einen ist es schwierig, sehr viele Druckaufnehmer auf dem Fahrzeug zu platzieren, ohne dabei auch noch die Aerodynamik deutlich zu stören. Zum anderen ist der statische Druck nicht allein für die wirkenden Kräfte
DOI 10.1515/9783110542059-004
64 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung verantwortlich, sondern auch die durch Reibung (Schubspannungen) entstehenden Kräfte spielen eine große Rolle (vgl. Gl. (2.2), [67] und [36]).
4.2 Indirekt messende Verfahren Die indirekten Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass über die Messung anderer Größen ein Zusammenhang zu den tatsächlich wirkenden Kräften hergestellt werden kann. Meistens wird die Abhängigkeit der aerodynamischen Kräfte und Momente von der Anströmrichtung und der Anströmgeschwindigkeit ausgenutzt. Dabei werden bekannte aerodynamische Beiwerte vorausgesetzt, wie sie durch Vermessung im Windkanal erhalten werden können (vgl. Abs. 3.2). Die Verfahren zur Erfassung von Windgeschwindigkeit und Anströmrichtung lassen sich je nach Messprinzip unterteilen in: – mechanische Messverfahren, – thermoelektrische Messverfahren, – druckmessende Verfahren, – akustische Messverfahren, – optische Messverfahren. Auf die verschiedenen Messverfahren zur Bestimmung von Windgeschwindigkeit und Windrichtung soll im Folgenden nur kurz eingegangen werden, um einen Überblick darzustellen. Wichtiger ist die Bewertung der Verfahren auf ihre Eignung im Fahrzeug. Hierfür wurden folgende Kriterien ausgewählt: – geringe Beeinflussung der Aerodynamik des Fahrzeugs, – Messung der Strömungsverhältnisse, die am Fahrzeug auftreten, – Robustheit gegenüber Witterungsverhältnissen, welche auf ein Fahrzeug einwirken (z. B. Temperatur, Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung), – Robustheit gegenüber auf das Fahrzeug einwirkenden Kräften und Momenten (Erschütterungen).
4.2.1 Anemometer Messgeräte zur direkten Bestimmung der Windgeschwindigkeit werden Anemometer¹ genannt. Anemometer können rein mechanisch, wie das Kreuzschalenanemometer, ausgeführt sein oder auch mit Ultraschall- oder Lasermessverfahren arbeiten. Einen guten Überblick über den Aufbau und die Funktionsweise von Anemometern kann [65] oder [91] entnommen werden.
1 Abgeleitet aus dem griechischen Wort „anemos“ was auf deutsch „Wind“ heißt.
4.2 Indirekt messende Verfahren |
65
In [62] werden verschiedene Verfahren zur Windmessung beschrieben und bezüglich ihrer Eignung zur Messung von Wind und insbesondere von Seitenwind analysiert. Ein einzelnes Anemometer hat typischerweise eine Vorzugsrichtung bei der Windgeschwindigkeitsmessung, d. h. es misst nur eine Komponente der Windgeschwindigkeit. Um den Betrag der Windgeschwindigkeit zu messen, muss es zum Wind hin ausgerichtet werden. Ein Sonderfall in dieser Hinsicht ist das Kreuzschalenanemometer, das häufig für die Messung von Windgeschwindigkeiten bei Wettermessstationen zum Einsatz kommt, da es keine Vorzugsrichtung hat. Zur Messung der Windrichtung wird es meist mit einer Windfahne kombiniert, die sich mit dem Wind ausrichtet. Werden zwei Anemometer kombiniert, so dass diese senkrecht zueinander stehen, kann aus den beiden Komponenten die relativ zum Anemometer herrschende Anströmrichtung bestimmt werden. Wird angenommen, dass die eine Richtung in x-Richtung zeigt und die zweite in y-Richtung, so ergibt sich aus einer einfachen geometrischen Betrachtung für den Anströmwinkel τ: wx tan τ = , (4.1) wy wobei w x die Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung ist und w y in y-Richtung. Die resultierende Windgeschwindigkeit wres ergibt sich zu: wres = √ w2x + w2y .
(4.2)
Damit ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Messung von Windgeschwindigkeit und Windrichtung: 1. Ausrichtung eines Anemometers in den Wind zur Messung der Windgeschwindigkeit und Messung des Winkels über die Ausrichtvorrichtung (z. B. Windfahne) 2. Kombination zweier senkrecht zueinander ausgerichteter Anemometer und Bestimmung von Geschwindigkeit und Richtung aus den beiden Geschwindigkeiten. Hierbei ist die zweite Methode vorzuziehen, da die mechanische Ausrichtung in den Wind relativ träge ist und zum Überschwingen aufgrund der Massenträgheit neigt (vgl. [62]). Zusätzlich ist eine Lösung ohne bewegliche Teile vorteilhaft. Unter Verwendung der aerodynamischen Gleichungen (2.14) und (2.15) können die Kräfte und Momente bei bekannten Beiwerten aus der Anströmrichtung und der Anströmgeschwindigkeit berechnet werden.
4.2.2 Druckmesssonden Druckmessverfahren zur Geschwindigkeitsbestimmung basieren auf der Bernoulligleichung [67]: p1 +
1 ρ L u21 = pdyn + pstat = pges = konstant, . 2
(4.3)
66 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung d. h., wird der statische Druck pstat gemessen und vom Gesamtdruck pges abgezogen, ergibt sich der dynamische Druck pdyn . Daraus kann dann direkt die Geschwindigkeit u1 zu u1 = √
2 (pges − pstat ) ρL
(4.4)
berechnet werden. Ein Messinstrument, das nach diesem Prinzip arbeitet und direkt die Differenz aus statischem Druck und Gesamtdruck bestimmt, ist das Prandtl-Staurohr. Es kommt bis heute standardmäßig an Flugzeugen zum Einsatz. Soll ein Prandtl-Staurohr zur Messung der Windgeschwindigkeit eingesetzt werden, muss es in den Wind gedreht werden. Dazu können eine drehbare Lagerung und eine Windfahne verwendet werden. Eine entsprechende optimierte Variante hat [18] für seine Versuche eingesetzt. In der Arbeit von [91] werden verschiedene Messverfahren ausführlich beschrieben und auf ihre Eignung zur Messung von Windgeschwindigkeit und Windrichtung und damit zur Bestimmung der wirkenden Kräfte im Fahrzeug geprüft. Die ausgewählte Messtechnik musste auf dem Dach installiert werden und dort genügend Abstand vom Fahrzeugdach haben, damit es nicht zu unerwünschten Störungen der Strömung kommt. In [18] wird die Windmessvorrichtung auf Basis des Prandtl-Staurohrs nah am Dach des Autos installiert. Damit muss das Fahrzeug im Windkanal kalibriert werden, um auf die freie Anströmung zurückschließen zu können. Allgemein gilt für alle Verfahren, die größere aerodynamische Abweichungen am Fahrzeug hervorrufen, dass diese im Windkanal kalibriert werden müssen, wenn auf die wirkenden Kräfte geschlossen werden soll. Für einen Serieneinsatz im Fahrzeug sind die vorgenannten Messverfahren aus verschiedenen Gründen nicht geeignet: – Die Messtechnik ist über dem Dach des Fahrzeugs installiert, damit werden nicht unbedingt die Anströmverhältnisse am Fahrzeug widergespiegelt. So kann das Fahrzeug durch ein anderes abgeschattet werden, die Messtechnik jedoch nicht. – Aufgrund der Messtechnik wird die Aerodynamik des Fahrzeugs verändert und damit auch das Fahrverhalten gegenüber Seitenwind. – Die Sensorik ist nicht für den Dauereinsatz am Fahrzeug geeignet, da diese empfindlich gegen hohe Temperaturschwankungen und Witterungseinflüsse wie Regen oder Schnee ist. Auch die Lebensdauer ist aufgrund des direkten Witterungseinflusses begrenzt. – Sich ändernde aerodynamische Verhältnisse des Fahrzeuges, wie sie z. B. durch Dachaufbauten (Fahrräder, Dachgepäckboxen) entstehen, können nicht erfasst werden. – Das Design des Fahrzeugs kann durch die Messtechnik stark beeinflusst werden. – Die zusätzliche Sensorik bringt erhöhte Kosten ins Fahrzeug, wobei speziell hierfür eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen die Entscheidung bestimmt.
4.2 Indirekt messende Verfahren |
67
4.2.3 Differenzdruckmesssonde Ein weiteres Verfahren, das zur Messung von Windgeschwindigkeit, Anströmwinkel und damit auch der Windkraft geeignet ist, ist das von [83] entwickelte Verfahren. Es wird ausführlich in der Arbeit von [62] dargestellt und gegenüber anderen Verfahren bewertet. Es basiert auf der Messung von mindestens zwei Differenzdrücken am Fahrzeug. Aufgrund der guten Dynamik und der einfachen Integration ins Fahrzeug wurde dieses Verfahren für die vorliegende Arbeit verwendet. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass es die Aerodynamik des Serienfahrzeugs so gut wie überhaupt nicht beeinflusst. Die grundlegende Idee hinter dem Messverfahren ist, dass sich an einem Fahrzeug, das unter einem Anströmwinkel τ von der Luft angeströmt wird, unterschiedliche Drücke zwischen rechter und linker Seite am Fahrzeug einstellen. Diese Druckdifferenz wiederum steht in direktem Zusammenhang mit der Seitenwindkraft, die auf das Fahrzeug wirkt. Das Messverfahren geht von folgenden, in der Realität meist gut erfüllten, Grundannahmen aus [83]: – Der Druck, der in Bereichen mit stationärer und homogener Anströmung entsteht, gilt im Mittel auch für Bereiche mit instationärer und inhomogener Anströmung. – Das Fahrzeug befindet sich in einer stationären und homogenen Luftströmung. – Die aerodynamischen Druckbeiwerte, Momentenbeiwerte und Kraftbeiwerte hängen nur in geringem Umfang von der Reynolds-Zahl ab. – Die Lage des Fahrzeugs relativ zur Fahrbahn wird durch die Luftströmung im verwendeten Messbereich nicht oder nur sehr gering beeinflusst. – Der Quotient aus den Differenzdruckbeiwerten ist im interessierenden Messbereich eine monotone Funktion. Unter den vorgenannten Voraussetzungen kann die Windkraft aus der Messung von mindestens zwei Differenzdrücken am Fahrzeug bestimmt werden. In der Arbeit von [62] wird gezeigt, dass das Verfahren mit fünf Drucksensoren (S-System) oder auch mit zwei Differenzdrucksensoren (T-System) arbeiten kann. Die beiden Verfahren liefern gleichwertige Ergebnisse, wobei das S-System geringfügig besser ist. Da der ungestörte statische Druck (Ruhedruck oder auch Gesamtdruck) am Fahrzeug schwierig messbar ist und anstatt zweier Sensoren fünf benötigt werden, wird für die vorliegenden Arbeit dem System mit zwei Differenzdrucksensoren der Vorzug gegeben. Für die beiden Differenzdrucksensoren werden vier Messstellen an einer geeigneten Stelle des Fahrzeugs benötigt. Als sehr gute Position für die Druckmessstellen hat sich der Stoßfänger des Fahrzeugs während des Fahrzeugaufbaus aufgrund folgender Gegebenheiten herausgestellt: – Ausreichende Entfernung von der Fahrbahn, – Bei Abschattung sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch das Fahrzeug abgeschattet ist, – Einfache mechanische und elektrische Integration, – Leichte Austauschbarkeit zu anderen Fahrzeugen.
68 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung
Differenzdruckeichkurve Dp in mbar
10 5 0
- 100 - 80
ECU
- 60
- 40 - 20
0
20
40
Anströmwinkel in °
60
80
100 Dp13
Dp24
Abb. 4.1: Fahrzeug mit schematischer Darstellung der Einbaulage der Druckmessstellen im Stoßfänger und deren Verbindung zum Rapidprototyping Steuergerät (links). Beispielhafte Auswertung einer Differenzdruckmessung. Werden die beiden rot markierten Differenzdrücke gemessen, so kann aus den Differenzdruckeichkurven der zugehörige Anströmwinkel abgelesen werden (mit rotem Strich markiert) (rechts). [Foto: Quelle Daimler AG]
Zwei Druckmessstellen werden an der Vorderseite der Stoßstange integriert und zwei an den Seitenwangen (vgl. Abb. 4.1). Die Druckmessstellen werden über Kreuz mit den Differenzdrucksensoren verbunden und über einen Messverstärker in das Rapidprototyping Steuergerät im Fahrzeug eingelesen. Das so ausgerüstete Fahrzeug wird im Windkanal vermessen, um die aerodynamischen Beiwerte zu bestimmen und die Differenzdrucksensoren zu kalibrieren. Nach Gl. (2.16) gilt für die Druckbeiwerte cp,i (τ) =
p j (τ) − p∞ . pdyn
(4.5)
Da keine absoluten Drücke, sondern nur Druckdifferenzen gemessen werden, werden die c p -Werte an zwei Stellen voneinander abgezogen, so dass die Druckdifferenz folgendermaßen auftaucht: cp,j−i (τ) = cp,j (τ) − cp,i (τ) = 2
pj (τ) − p i (τ) ρv2res
=2
p j−i (τ) ρv2res
.
(4.6)
Zusätzlich fällt der Ruhedruck p∞ , der im Fahrzeug nicht messtechnisch erfasst wird aus der Gleichung heraus. Aus den Differenzdruckbeiwerten cp,j−i (τ) wird der Quotient gebildet: f(τ) j−n = i−m
cp,j−n (τ) p j−n (τ) = . cp,i−m (τ) p i−m (τ)
(4.7)
Damit wird die Funktion f(τ) j−n von der Anströmgeschwindigkeit vres unabhängig. Im i−m Bereich von ca. ±70 ° ist f(τ) j−n monoton. Daher kann die Funktion in dem Bereich i−m invertiert und daraus direkt der Anströmwinkel τ bestimmt werden (Abb. 4.2). Für die
4.2 Indirekt messende Verfahren |
69
0 cp,23/cp,14 −2
cp,14/cp,23
−4 −100
−80
−60
−40
−20
0
20
40
60
80
100
2 cp14
1
cp23
0 −1 −2 −100
−80
−60
−40
−20
0
20
40
Anströmwinkel t in °
60
80
100
Abb. 4.2: Typischer Verlauf der Quotienten der Differenzdruckbeiwerte (oben) und der Differenzdruckbeiwerte (unten) über dem Anströmwinkel τ. Nach [83] werden nur die beiden Quotientenäste benutzt, die bei τ = 0 ° anfangen. Zusätzlich ist das in der vorliegenden Arbeit erweiterte Verfahren eingezeichnet. Dabei wurden die verwendeten Werte der Quotienten mit roten Kreisen markiert. Deutlich zu sehen ist der erweiterte Messbereich, der sich in diesem Beispiel bis ca. ±100 ° erstreckt.
Nutzung im Fahrzeug ist der genannte Messbereich normalerweise ausreichend, da es nur sehr selten zu Anströmwinkeln von größer als 20 ° kommt (vgl. [36]). In Abb. 4.2 ist der Verlauf der beiden gemessenen Differenzdrücke in Abhängigkeit des Anströmwinkels dargestellt. Damit sieht das Messverfahren zur Bestimmung der Seitenwindkraft und des Anströmwinkels mit zwei Differenzdrucksensoren wie folgt aus [83]: 1. Messung zweier Differenzdrücke p1−4 und p2−3 am Fahrzeug. 2. Bestimmung des Vorzeichens von τ:
3.
p1−4 ≥ p2−3 ⇒ τ
positiv,
(4.8)
p1−4 < p2−3 ⇒ τ
negativ.
(4.9)
−1 Bestimmung des Anströmwinkels aus f(τ)−1 2−3 für positive τ A und f(τ A ) 1−4 für nega1−4
2−3
tive τ. 4. Bestimmung der Anströmgeschwindigkeit aus Gl. (4.6). 5. Berechnung der resultierenden Kräfte und Momente am Fahrzeug aus Gl. (2.14) und Gl. (2.15).
70 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung In der Arbeit von [83] wird das Verfahren auf den Bereich des streng monotonen Quotienten der Differenzdruckbeiwerte beschränkt. Dadurch kann durch eine Fallunterscheidung und die Invertierung einer Funktion der Anströmwinkel direkt bestimmt werden. Das hat zur Folge, dass der nutzbare Winkelbereich des Verfahrens weiter als notwendig eingeschränkt wird. Aufgrund des typischen Verlaufs der Differenzdruckbeiwertkennlinie kommt es beim Nulldurchgang zu einer Polstelle des Quotienten, welche die Invertierung der Funktion an dieser Stelle unmöglich macht. Eine Möglichkeit, das Verfahren zu erweitern, ist die Nutzung beider Quotienten aus [83], die dort nur für die Unterscheidung zwischen positiven und negativen Anströmwinkeln genutzt werden. Zusätzlich ist ein weiteres Kriterium notwendig, um zu bestimmen, in welchem Bereich welcher Quotient für die Berechnung genutzt werden soll. Damit das gelingt, muss dafür gesorgt werden, dass die Umschaltung rechtzeitig vor der Polstelle geschieht; ansonsten ist die Auswahl relativ frei. Im vorliegenden Fall wurde das Minimum des Divisors verwendet, da es sich relativ einfach bestimmen lässt und genügend weit von der Polstelle entfernt liegt. Damit wird das Verfahren von [83] in der vorliegenden Dissertation folgendermaßen erweitert: – Für positive τ wird das Minimum von cp,2−3 bestimmt und der Quotient f(τ) 2−3 mit 1−4 qmin,1 bezeichnet: −1 2−3 < 1 ist τ = f(τ) 2−3 ; – Für qmin,1 < f(τ) 1−4 – –
1−4
Für alle anderen Werte wird τ = f(τ)−1 1−4 verwendet. 2−3
Für negative τ A wird das Minimum von cp,1−4 bestimmt und der Quotient f(τ) 1−4 2−3 mit qmin,2 bezeichnet: – Für qmin,2 < f(τ) 1−4 < 1 ist τ = f(τ)−1 1−4 ; 2−3 –
2−3
Für alle anderen Werte wird τ = f(τ)−1 2−3 verwendet. 1−4
In Abb. 4.2 sind die Zusammenhänge nochmals veranschaulicht. Während im Verfahren nach [83] nur die beiden Quotientenäste, die bei τ = 0 ° beginnen, verwendet werden, ist der maximale Winkel auf ca. ±70 ° beschränkt. Für die Erweiterung wurden die beiden zusätzlichen Äste verwendet. Rot umkreist sind die Punkte der Quotienten für negative Anströmwinkel, die für die Erweiterung des Verfahrens verwendet werden. Damit konnte der Messbereich auf ±100 ° erweitert werden. Eine weitere Verbesserung könnte die Nutzung sämtlicher Punkte der Quotientenkurven ergeben, welche in der vorliegenden Arbeit aber nicht untersucht wurde, da der erweiterte Messbereich ausreichend war.
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der aerodynamischen Kräfte bietet ein Zustandsbeobachter (vgl. [55], [5], [6], [7]). Er basiert auf der Idee, dem realen System ein
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 71
4 Simulation Messung
3
Gierrate in °/s
2 1 0 −1 −2 −3 −4 0
2
4
6
8
10
12
14
Zeit in s
Abb. 4.3: Vergleich zwischen gemessener und simulierter Gierrate bei einem doppelten Spurwechsel und v = 140 km/h. Modell und Messung stimmen gut überein.
Modell mit den relevanten Zuständen parallel zu schalten. Abweichungen zwischen Modell und realem System werden durch die Rückführung der Abweichung korrigiert. Im Folgenden Abschnitt soll das Prinzip des Beobachters dargestellt und die Herleitung des Störbeobachters des Seitenwindassistenten beschrieben werden. Im Allgemeinen kann jede Art der Rekonstruktion einer nicht direkt messbaren Größe als Beobachter interpretiert werden. Basis für einen Beobachter ist ein Modell des Systems. Für den Seitenwindbeobachter wird hierfür das in Kap. 2 hergeleitete Fahrzeugmodell verwendet. Wird das Fahrzeugmodell dem realen System parallelgeschaltet und mit den gemessenen Eingangsgrößen versorgt, so ergibt sich der zeitliche Verlauf der Gierrate. Aufgrund äußerer Störungen und Abweichungen zwischen Modellparametern und den realen Parametern des Fahrzeugs gibt es immer Abweichungen zwischen Modellgierrate und Fahrzeuggierrate. In Abb. 4.3 ist ein einfacher doppelter Spurwechsel im Vergleich zwischen Modell und Messung dargestellt. Bei der Messung wurde darauf geachtet, dass die äußeren Störungen, wie z. B. Windgeschwindigkeit, gering waren. Eine gute Übereinstimmung ist sichtbar, da das Fahrzeugmodell das tatsächliche Fahrzeugverhalten gut abbildet. Die leichten Abweichungen, die sichtbar sind, werden hauptsächlich durch nicht modellierte Effekte bzw. Parameterungenauigkeiten verursacht. In Abb. 4.4 ist eine Vorbeifahrt am Seitenwindgebläse in Untertürkheim dargestellt. Dabei wurde das Lenkrad in der Geradeausstellung festgehalten. Deutlich sichtbar ist nun die Abweichung zwischen Modellgierrate und gemessener Gierrate. Die Ursache liegt in der
72 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung großen nicht modellierten Störung. Während die Parallelschaltung des Modells zur Messung unter dem Ausschluss äußerer Störungen gute Ergebnisse liefert (vgl. Abb. 4.3), ergibt die gleiche Anordnung bei einer starken äußeren Störung kaum noch Übereinstimmung. Damit lässt sich die Parallelschaltung eines Modells zum realen System wie folgt bewerten: Vorteile: + Einfacher Aufbau. Nachteile: − Störungen werden nicht berücksichtigt. − Die Strecke muss stabil sein. − Die Dynamik ist durch die Eigenbewegung im System vorgegeben und nicht beeinflussbar. Durch die Verwendung eines Zustandsbeobachters können die genannten Nachteile beseitigt werden. Der Zustandsbeobachter wurde zuerst in [54] hergeleitet und wird daher häufig auch als Luenberger-Beobachter bezeichnet. Zusätzlich zur Parallelschal4 Simulation Messung
3
Gierrate in ° /s
2 1 0 −1 −2
Windgebläse
−3 −4
0
0.5
1
1.5
2 Zeit in s
2.5
3
3.5
4
Abb. 4.4: Vergleich zwischen gemessener und simulierter Gierrate bei einer Vorbeifahrt am Seitenwindgebläse mit v = 120 km/h. Der Bereich der abweichenden Gierrate ist farblich markiert und der Wind wurde schematisch durch Pfeile am Windgebläse dargestellt. Modell und Messung weichen im Bereich des Gebläses deutlich voneinander ab, weil die Störung nicht modelliert ist.
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 73
tung kommt hierbei eine Rückführung der Differenz von Modellausgang und realem System auf die Zustände zum Einsatz (vgl. Abb.4.5).
4.3.1 Zustandsbeobachter Als Basis dient ein allgemeines lineares Zustandsraummodell der Form (vgl. [56], [87]): ẋ = Ax + Bu, y = Cx + Du,
(4.10)
mit der Systemmatrix A, der Eingangsmatrix B, der Ausgangsmatrix C, der Durchgangsmatrix D, dem Zustandsvektor x, dem Eingangsvektor u und dem Ausgangsvektor y. Für die Ableitung des Beobachters wird der Durchgriff vernachlässigt, da dieser durch eine einfache Ausgangstransformation y = ỹ + Du berücksichtigt werden kann. Als Beobachter ergibt sich dann (vgl. [56], [87]): ̂ ẋ̂ = A x̂ + Bu + L(y − y), ŷ = C x.̂
(4.11)
L ist die Beobachterverstärkung und spiegelt wider, wie stark eine Zustandskorrektur aufgrund der Abweichung zwischen Messung und Modell durchgeführt wird. Mit ̂ werden die veränderlichen Größen des dem realen Prozess parallel geschalteten Modells gekennzeichnet. Wird das System etwas umgestellt, so ist ersichtlich, dass y ein zusätzlicher Eingang in das System ist und sich aufgrund der Rückführung eine neue
𝑦 L
𝑢
B
+
+ −
𝑦
𝑥 𝑥
C
A
Modell Abb. 4.5: Struktur des Zustandsbeobachters [Foto: Quelle Daimler AG].
74 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung Systemdynamik ergibt (vgl. [56], [87]): ẋ̂ = (A − LC)x̂ + Bu + Ly.
(4.12)
Hierbei gelten folgenden Annahmen: – L muss so gewählt werden, dass A − LC stabil ist und demnach nur negative Eigenwerte aufweisen darf. – Die Pole müssen links der dominierende Pole des zu beobachtenden Systems liegen. – Im Vergleich zu einem Regler ist die Stellenergie kein begrenzendes Element. Somit könnten die Pole beliebig weit links platziert werden. Durch eine zu hohe Verstärkung wird aber zunehmend das Messrauschen verstärkt und stellt damit eine Limitierung dar. Als Fehlergleichung ergibt sich mit e = x − x:̂ ė = (A − LC)e.
(4.13)
Damit geht der Beobachtungsfehler für das vorausgesetzte stabile Verhalten von A − LC asymptotisch gegen Null. Der Beobachter in der hier beschriebenen Form führt eine komplette Zustandsrekonstruktion durch, d. h. alle Zustandsgrößen werden rekonstruiert. Sollen nur die nicht messbaren Zustandsgrößen rekonstruiert werden, kann ein reduzierter Beobachter angewendet werden.
4.3.2 Reduzierter Zustandsbeobachter Bei der Darstellung des reduzierten Beobachters wird von einem Zustandsraummodell in Sensorkoordinaten ausgegangen, welches durch eine einfache Transformation erreichbar ist und die Beschreibung vereinfacht. Werden die messbaren Zustände mit y und die nicht messbaren mit x bezeichnet, ergibt sich für das Zustandsraummodell (vgl. [56]): (
ẏ A11 )=( ẋ A21 y = ( C1
A12 y B1 )( )+( ) u, A22 x B2 0 )(
y ). x
(4.14) (4.15)
Mit ȳ = ẏ − A11 y − B1 u
(4.16)
ergibt sich aus der ersten Zeile von Gl. (4.14) die reduzierte Ausgabegleichung: ȳ = A12 x.
(4.17)
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 75
Aus der zweiten Zeile von Gl. (4.14) ergibt sich für den reduzierten Beobachter: ẋ̂ = A22 x̂ + A21 y + B2 u + L (ȳ − y)̂̄ = A22 x̂ + A21 y + B2 u + L (ẏ − A11 y − B1 u − A12 x)̂ .
(4.18)
Mit x̄ = x − Ly
(4.19)
kann die Ableitung ẏ vermieden werden, und es ergibt sich für den reduzierten Beobachter ̇ x̂̄ = (A22 − LA12 ) x̂̄ + [(A21 − LA11 ) + (A22 − LA12 ) L] y + (B2 − LB1 ) u,
(4.20)
x̂ = x̄ + Ly.
(4.21)
Ist das System vollständig beobachtbar (vgl. [88], [56]), so kann der Beobachter durch die Platzierung der Pole von A22 − LA12 eingestellt und somit L festgelegt werden. Aus Gl. (4.21) ist ersichtlich, dass die Messwerte direkten Durchgriff auf den beobachteten Wert x̂ haben. Dadurch ist bei der Initialisierung darauf zu achten, ̂ dass die Startwerte x(0) in Abhängigkeit von y(0) festgelegt werden. Ist dies nicht möglich, sollten die Pole des Beobachters nicht zu weit links gewählt werden (vgl. [56]). 4.3.3 Dead-Beat Beobachter Analog zum Dead-Beat Regler bzw. Regler mit endlicher Einstellzeit (vgl. [56], [11]) kann auch ein Beobachter mit derartigen Eigenschaften entworfen werden. Der Dead-Beat Beobachter ist nur im Diskreten realisierbar und hat keine Entsprechung im Kontinuierlichen. Sowohl der Beobachter als auch der Regler weisen die Eigenschaft auf, dass sie nach n Schritten, wobei n die Systemordnung ist, ihren stationären Endwert erreichen. Beim Regler kann das eine sehr hohe Stellenergie bedingen, insbesondere wenn die Abtastzeit sehr klein gewählt wird. Außerdem ist ein solcher Regler parameterempfindlich, was seinen Einsatz zusätzlich einschränkt. Im Falle des Beobachters spielt die Stellenergie keine Rolle. Daher wird er im Folgenden kurz beschrieben werden. Das Zustandsraummodell im diskreten Fall lautet (vgl. [11]): x k+1 = Ax k + Bu k , y k = Cx k .
(4.22) (4.23)
Der Beobachter hat hierfür die Form (vgl. [11]): x̂ k+1 = (A − LC)x̂ k + Bu k + Ly k , ŷ k = C x̂ k .
(4.24) (4.25)
Das charakteristische Polynom berechnet sich aus der Determinante von A − LC − Ez,
(4.26)
76 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung wobei E die n-dimensionale Einheitsmatrix darstellt. Für den Dead-Beat Beobachter wird die Polvorgabe so gewählt, dass sämtliche Pole im Ursprung liegen. Die Berechnung der Matrix L erfolgt durch det (A − LC − Ez) = z n ,
(4.27)
wobei det () die Determinante kennzeichnet. Eine weitere Möglichkeit für die Zustandsbeobachtung ist das Kalmanfilter. Strukturell ist das Kalmanfilter sehr ähnlich aufgebaut wie der Luenberger-Beobachter. Für seine Herleitung werden jedoch stochastische Betrachtungsweisen genutzt (vgl. [11]). Auch für nichtlineare Systeme können Beobachter eingesetzt werden (vgl. [5], [89]): – Nichtlinearer Luenberger-Beobachter, – Highgain-Beobachter, – Erweitertes Kalmanfilter, – Sliding Mode Beobachter, – Beobachter nach Kontraktionsprinzip, – Algebraischer Beobachter. Für die Beobachtung von Seitenwind als Störgröße sind lineare Methoden ausreichend, daher wird auf die nichtlinearen Beobachter nicht näher eingegangen.
4.3.4 Erweitertes Seitenwindbeobachterkonzept Im Folgenden Abschnitt wird auf Basis des zuvor allgemein dargestellten Prinzips eines Beobachters der Seitenwindbeobachter berechnet. Basis ist das lineare Einspurmodell (vgl. Kap. 2.3.2). Der Beobachter basiert auf dem Patent [40], in welchem der Beobachter für einen kompensierenden Lenkeingriff genutzt wird. Die Erweiterung in der vorliegenden Arbeit beruht auf der Berücksichtigung des einseitigen Bremseingriffs, welcher für die Kompensation genutzt werden soll. Es wird gezeigt, wie hierfür nur die serienmäßig im Fahrzeug vorhandene Messtechnik verwendet wird. Folgende Messgrößen sind im Fahrzeug serienmäßig verfügbar: – Querbeschleunigung (Sensor) asy , – Gierrate ψ,̇ – – –
Vorderachs- und Hinterachslenkwinkel² δV und δH , Fahrzeuggeschwindigkeit (wird aus den gemessenen Raddrehzahlen berechnet) v, Giermoment durch Bremse (wird aus den gemessenen Bremsdrücken berechnet) Mz .
2 Eine Hinterachslenkung ist meist nicht serienmäßig vorhanden, aber wenn sie verfügbar ist, dann ist auch der zugehörige Lenkwinkel verfügbar.
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 77
Abb. 4.6: Skizze der Zusammenhänge zwischen Fahrbahnquerneigung θ, Fahrzeugwankwinkel φ und der vom Sensor gemessenen Querbeschleunigung asy .
Zusätzlich zur Störgröße Seitenwind ist auch die Fahrbahnquerneigung θ als bedeutende äußere Störung zu nennen. Zusätzlich hat auch der Wankwinkel φ einen Einfluss, der berücksichtigt wird. In Abb. 4.6 sind die Zusammenhänge grafisch dargestellt. Im Folgenden werden daraus die zugehörigen Gleichungen abgeleitet. Der Querbeschleunigungssensor asy misst zusätzlich zur Querbeschleunigung a y die gravitativen Beschleunigungsanteile, die aufgrund der Straßenquerneigung und dem Wankwinkel des Fahrzeugs entstehen. Die gravitativen Anteile werden summarisch in aneig zusammengefasst. Werden der Wankwinkel mit φ, die Straßenquerneigung mit θ und die Erdbeschleunigung mit g bezeichnet, so ergibt sich daraus: asy = a y cos(φ + θ) + g sin(φ + θ).
(4.28)
Für kleine Winkel kann die Sinusfunktion linearisiert und die Cosinusfunktion vernachlässigt werden. Damit vereinfacht sich die Gleichung zu: asy = a y + g(φ + θ).
(4.29)
Der Wankwinkel φ kann entweder gemessen werden z. B. über die Differenz von Federwegen zwischen linker und rechter Seite des Fahrzeugs oder für kleine Querbeschleunigungen über einen linearen Zusammenhang zwischen asy und φ abgeschätzt werden (vgl. [2], [64]): φ ≈ WWG asy ,
(4.30)
wobei WWG der neu eingeführte Wankwinkelgradient ist und angibt, um wie viel Grad das Fahrzeug pro 1 m/s2 Querbeschleunigung wankt. Der WWG wurde für die verwendeten Versuchsfahrzeuge aus Messungen bestimmt. Für eines der verwendeten Versuchsfahrzeuge lag der WWG bei 0, 4°s2 /m. Wird in Gl. (4.29) φ durch Gl. (4.30) ersetzt, dann ergibt sich: asy = a y + g(WWGasy + θ).
(4.31)
a y = a∗y − gθ,
(4.32)
Auflösen nach a y ergibt:
78 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung mit der Abkürzung a∗y = (1 − g WWG)asy . Nun wird noch die Windkraft SW = FY,L und das Windgiermoment eSW = MN,L auf Basis von Gl. (2.20) eingeführt. Damit ergibt sich mit den Gleichungen des linearen Einspurmodells aus Abs. 2.3.2: ma y = FV + FH + SW + Fy − gθ, J ψ̈ = lV FV − lH FH + eSW + Mz .
(4.33) (4.34)
Wird in die erste der beiden Gleichungen die Gl. (4.32) eingesetzt, dann entfällt die Straßenquerneigung aus der Gleichung: ma∗y = FV + FH + SW + Fy .
(4.35)
Mit den Gleichungen (2.76) und (2.77) für die Schräglaufwinkel und den Gleichungen (2.78) und (2.79) für die Seitenkräfte bei vernachlässigtem Einlaufverhalten (vgl. Abb. 2.14) werden Impuls- und Drallsatz zu: σ ρ ̇ ψ − v y + SW + Fy , vx vx κ ρ J ψ̈ = lV cV δV + lH cH δH − ψ̇ + v y + eSW + Mz , vx vx
ma∗y = cV δV − cH δH +
(4.36) (4.37)
wobei wieder die Abkürzungen σ, ρ und κ aus den Gleichungen (2.90)-(2.92) angewendet wurden: σ = cV + cH , ρ = cH lH − cV lV , κ = cV l2V + cH l2H . Durch Multiplikation des Impulssatzes mit ρ und Addition des mit σ multiplizierten Drallsatzes kann v y eliminiert werden: cH cV l cH cV l2 ̇ mρ ∗ ρ 1 ψ− ψ̈ = (δV − δH ) − a + Fy + Mz σJ σvJ Jσ y Jσ J +
ρ ( σ + e)
J
SW .
(4.38)
SW stellt darin die nicht messbare Störgröße Seitenwindkraft dar. Da für sie kein Modell vorhanden ist, wird für den Störbeobachter als Störgrößenmodell der Ansatz einer konstanten Störung angenommen (vgl. [57]): Ṡ W = 0.
(4.39)
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 79
Als Modell mit Störgröße ergibt sich damit: (
cV l2 ψ̈ − cHσvJ = ) ( Ṡ W 0
+(
ρ ψ̇ ( σ + e) )( ) SW 0
− mρ Jσ 0
cH cV l σJ
y=( 1
1 J
0
0 )(
δV − δH a∗y )( ), Fy 0 Mz 1 J
ρ Jσ
0
ψ̇ ). SW
(4.40)
(4.41)
Zur Prüfung der Beobachtbarkeit wird das Kriterium von Kalman (vgl. [56], [57]) angewendet, welches für ein System zweiter Ordnung wie folgt lautet: SB = (
C ). CA
(4.42)
Nach Einsetzen lautet die Beobachtbarkeitsmatrix SB : SB = (
1 H cV − cσJv
1 J
0 ). ρ ( σ + e)
(4.43)
Damit ist die Beobachtbarkeit gewährleistet, wenn −
ρ ≠ e σ
(4.44)
gilt. Für untersteuernde Fahrzeuge und für positive Werte von e ist die Bedingung immer erfüllt, was die übliche Auslegung eines Pkw widerspiegelt. Damit ist das System im Prinzip nur in einem singulären Punkt nicht beobachtbar, welcher praktisch nicht von Bedeutung ist. Die Bedeutung der Beobachtbarkeitsbedingung soll aber auch aus fahrdynamischer Sicht betrachtet werden. Werden die fahrdynamischen Gleichungen (2.88) und (2.89) des Einspurmodells aus Abs. 2.3.2 verwendet, dann ergibt sich: ̇ ψ(s) = (F Fy ψ̇ (s) + F Mz ψ̇ (s)e)SW (s) = v(1 + TE s) (
ρ + [mv(1 + TE s)s + σ] e ) SW (s). N ψ̇ (s)
(4.45)
Wird darin für den Störkrafthebelarm e der Wert eingesetzt, für den die Seitenwindkraft nicht beobachtbar ist e = − σρ , dann folgt daraus weiterhin: [mv(1 + TE s)s] ̇ ψ(s) = v(1 + TE s) ( ) SW (s). N ψ̇ (s)
(4.46)
Hier ist sichtbar, dass im Zähler nur noch dynamische Anteile auftauchen, also Anteile, die mit s multipliziert werden. Damit wird der Ausgang im stationären Zustand zu 0. Das
80 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung kann auch mit Hilfe des Grenzwertsatzes der Laplace-Transformation nachgerechnet werden (vgl. [88]): [mv(1 + TE s)s] ψ̇ stat = lim ψ̇ = lim v(1 + TE s) ( ) SW (s) = 0. t→∞ s→0 N ψ̇ (s)
(4.47)
Somit gibt die Stelle, an der die Seitenwindkraft nicht beobachtbar ist, gerade die Länge des Störkrafthebelarms an, die notwendig ist, dass das Fahrzeug den Seitenwind stationär selbst kompensiert. Weiter folgt daraus, dass für ein solches Fahrzeug eine Seitenwindassistenzfunktion, wie sie in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, nicht notwendig wäre. Nun kann der Störbeobachter aus den Gleichungen (4.40) und (4.41) berechnet werden (vgl. [56], [57]): (
̂ cV l2 ψ̈ − cHσvJ − l1 = ) ( ̂Ṡ −l 2 W +(
cH cV l σJ
0
− mρ Jσ 0
1 J
ρ ̂ l1 ( σ + e) ψ̇ )( )+( ) ψ,̇ l2 0 Ŝ W ρ Jσ
0
δV − δH asy )( ). Fy 0 Mz 1 J
(4.48)
Darin sind l1 und l2 die Elemente des Rückführvektors des Beobachters. Mit ihnen können die Pole und damit die Dynamik des Beobachters eingestellt werden. Die mit ̂ gekennzeichneten Werte bezeichnen beobachtete Größen und werden dadurch von den gemessenen Größen unterschieden. Das Referenzmodell des Beobachters wurde anhand von Messungen, die aus fahrdynamischen Manövern gewonnen wurden, parametriert. Hierzu wurden vor allem die Manöver Sinuslenken, Lenkwinkelsprung und einfache Spurwechsel verwendet (vgl. [64], [34], [76]). Um den Gültigkeitsbereich des Modells nicht zu verletzen, wurden die Fahrmanöver innerhalb des Normalfahrbereichs gefahren, und damit wurden nur geringe Querbeschleunigungen erreicht. Zur Überprüfung der Funktionalität des Beobachters werden die Simulation und Messungen aus Vorbeifahrten an einer Seitenwindanlage verwendet. In Abb. 4.7 ist ein Vergleich zwischen beobachteter Seitenwindkraft durch den Seitenwindbeobachter und gemessener Kraft durch Winddrucksensorik dargestellt. Die dargestellte Messung wurde mit 120 km/h gefahren. Die ersten 4 s zeigen der Bereich den Anfahrt ohne Seitenwind. Kurz danach taucht das Fahrzeug in das Windfeld der Windanlage ein, und sowohl Referenzmesstechnik, als auch der Seitenwindbeobachter erreichen im Plateau einen Wert von ca. 1400 N. Bei ungefähr 6 s verlässt das Fahrzeug den Bereich des Windfeldes wieder. Es ist gut zu sehen, dass Beobachtung und Messung stationär und dynamisch gut übereinstimmen, wobei der Beobachter ein hochfrequentes Rauschen aufweist. Die Ursache dafür liegt direkt im Prinzip des Beobachters. Da sich Fahrbahnanregungen und sonstige Störungen direkt auf die Fahrdynamiksensorik auswirken können, sind diese auch direkt in der beobachteten
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 81
1500 Seitenwindbeobachter Winddrucksensorik
Seitenwindkraft in N
1000
500
0
−500
0
1
2
3 Zeit in s
4
5
6
Abb. 4.7: Vergleich von Seitenwindbeobachter und Winddrucksensorik bezüglich der Seitenwindkraft bei einer Vorbeifahrt am Seitenwindgebläse mit v = 120 km/h.
Kraft sichtbar. Um solche Störungen unter bestimmten Umständen nicht fälschlich auf Seitenwind zurückzuführen, wird in Abs 5.4 ausführlich auf in der vorliegenden Arbeit neu entwickelte Verfahren eingegangen um, sie zu erkennen.
4.3.5 Algebraischer Seitenwindbeobachter Werden die Fahrzeugmodellgleichungen direkt nach der Störung umgestellt und die dabei entstehenden Ableitungen als Eingänge verwendet, so ergibt sich ein algebraischer Beobachter für die Seitenwindkraft. Hierzu kann direkt die Modellgleichung (4.38) aus dem vorherigen Abschnitt verwendet werden. Wird die Gleichung nach SW aufgelöst und durch Ŝ W ersetzt, um zu kennzeichnen, dass es sich um eine beobachtete Größe handelt, dann ergibt sich: Ŝ W =
1 cH cV l cH cV l2 ̇ (δH − δV ) + ψ + Jσ ψ̈ − mρa∗y − σMz − ρFy ] . [ eσ + ρ σJ σvJ
(4.49)
Darin ist als zusätzliche Größe die Gierbeschleunigung ψ̈ notwendig. ψ̈ kann entweder direkt messtechnisch erfasst oder über einen Filter bestimmt werden. Ein mögliches messtechnisches Verfahren besteht aus zwei im Fahrzeug verbauten Querbeschleunigungssensoren: a y,1 − a y,2 ψ̈ = . d
(4.50)
82 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung Darin sind a y,1 und a y,2 die beiden gemessenen Querbeschleunigungen und d der Abstand in Fahrzeuglängsrichtung zwischen den beiden Sensoren. Werden für die Untersuchungen des offenen und geschlossenen Regelkreises mit Fahrer, Fahrzeugmodell und Seitenwindassistent die Fahrbahnquerneigung und der Wankwinkel vernachlässigt, dann können die Berechnungen im Folgenden direkt auf einem Seitenwindbeobachter erfolgen, der direkt auf der Fahrzeuggierrate aufsetzt. Dadurch werden keine wesentlichen Details vernachlässigt, da die genannten Effekte im Fahrzeug über die Verwendung der gemessenen Querbeschleunigung berücksichtigt und korrigiert werden. Die zusätzliche Ableitung der Gierrate ist unproblematisch, da sie direkt aus dem Fahrzeugmodell berechnet wird und nicht aus einer verrauschten Messgröße bestimmt wird. Da die Eingangsgröße des Fahrers der Lenkwinkel ist und der kompensierende Eingriff des Seitenwindassistenten über das Bremsmoment erfolgt, werden im Folgenden die nicht verwendeten Eingänge wie z. B. Hinterachslenkwinkel δH vernachlässigt. Damit ergibt sich aus Gl. (2.98): ̇ ψ(s) =
(emvs + eσ + ρ)v SW (s) Jmv2 s2 + (Jσv + κmv)s + mρv2 + cH cV l2 (cV lV mvs + cH cV l)v + δV (s) Jmv2 s2 + (Jσv + κmv)s + mρv2 + cH cV l2 v(msv + σ) + Mz (s) Jmv2 s2 + (Jσv + κmv)s + mρv2 + cH cV l2
=FSW , ψ˙ (s)SW (s) + F δ, ψ˙ (s)δV (s) + FMz , ψ˙ (s)Mz (s),
(4.51)
wobei die Teilübertragungsfunktionen von Seitenwindkraft zu Gierrate mit FSW , ψ˙ (s), von Vorderachslenkwinkel zu Gierrate mit F δ, ψ˙ (s), von Giermoment zu Gierrate mit FMz , ψ˙ (s) abgekürzt sind und l = lV + lH der Radstand des Fahrzeugs ist. Da die Seitenwindkraft die interessierende Größe ist, wird nach ihr aufgelöst, und sie wird im Folgenden mit Ŝ W bezeichnet, da sie eine beobachtete Größe darstellt. Nach einigen Umformungen ergibt sich die Übertragungsfunktion des Beobachters im Kontinuierlichen: Jmv2 s2 + (Jvσ + mvκ) s + mv2 ρ + cH cV l2 ̇ ψ(s) Ŝ W (s) = v (emvs + eσ + ρ) cV lV mvs + cH cV l − δV (s) emvs + eσ + ρ mvs + σ Mz (s) − emvs + eσ + ρ ̇ =B ˙ ˆ (s)ψ(s) + B ˆ (s)δV (s) + B ˆ (s)Mz (s), ψ,SW
δ,SW
Mz ,SW
(4.52)
wobei die Teilübertragungsfunktionen von Gierrate zu geschätzter Seitenwindkraft mit B ψ, ˙ Sˆ W (s), von Vorderachslenkwinkel zu geschätzter Seitenwindkraft mit B δ,Sˆ W (s) und von Giermoment zu geschätzter Seitenwindkraft mit BMz ,Sˆ W (s) abgekürzt wurden.
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 83
Da der Zählergrad bei B ψ, ˙ Sˆ W (s) um Eins größer ist als der Nennergrad, ist die Übertragungsfunktion so nicht realisierbar und muss durch die Ergänzung eines zusätzlichen dynamischen Gliedes im Nenner erweitert werden. Die für die Weiterverarbeitung der gemessenen Eingangssignale notwendige Filterung reicht bereits aus, um die Realisierbarkeit zu gewährleisten. Werden nun die entsprechenden Ableitungen der Signale als Eingänge verwendet, so ergibt sich der auf der gemessenen Gierrate beruhende algebraische Seitenwindbeobachter: Ŝ W (s) =
1 ⃛ ̈ + (Jvσ + mvκ) ψ(s) [Jmv2 ψ(s) ve (msv + σ + ρ) ̇ + (mv2 ρ + cH cV l) ⋅ ψ(s) − mcV lV v2 δ̇ V (s) + cH vρδV (s) −msv2 Ṁ z (s) + vσMz (s)] .
(4.53)
Für die weitere Analyse wird davon ausgegangen, dass die Ableitungen der Eingangssignale vorhanden sind, welche entweder direkt messtechnisch erfasst oder über entsprechende Filter realisiert werden können.
4.3.6 Untersuchung der Parameterempfindlichkeit des Seitenwindbeobachters Für die Analyse der Parameterempfindlichkeit wird im Folgenden der Beobachter im Kontinuierlichen aus Gl. (4.52) verwendet. Stimmt das Fahrzeugmodell des Beobachters exakt mit dem realen Fahrzeug überein, so entspricht die beobachtete Seitenwindkraft der realen Kraft. Durch Einsetzen von Gl. (4.51) in Gl. (4.52) kann der Nachweis geführt werden: Ŝ W = SW .
(4.54)
Das bedeutet, dass bei der Verwendung der beobachteten Seitenwindkraft für eine Störgrößenaufschaltung das gleiche Verhalten resultiert wie bei der Aufschaltung der gemessenen Größe (vgl. Abs. 5.5). Normalerweise stimmt das Modell nicht genau mit dem Fahrzeug überein, denn – das Fahrzeugmodell ist nur eine Näherung an das reale Fahrzeugverhalten, – die Parameter wie Masse oder Schräglaufsteifigkeit können sich ändern und – die Parameter können nicht exakt bestimmt werden. Um den Einfluss der Parameterungenauigkeiten zu bestimmen, wird eine Sensitivitätsanalyse bezüglich der wichtigsten Parameter durchgeführt. Die Parameter sind – Trägheit J, – Masse m, – Schräglaufsteifigkeiten cV und cH ,
84 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung – –
Windkrafthebelarm e, Schwerpunktsabstand von der Vorderachse lV .
Zusätzlich zum formelmäßigen Zusammenhang wird zu jedem Parameter ein beispielhaftes Diagramm zur Parameterempfindlichkeit dargestellt. Dabei wird von einer Grundparametrierung des Fahrzeugs von – m = 2000 kg, – J = 4000 kgm2 , – l = 3, 16 m, – lV = 1, 6 m, – cV = 110000 N/rad, – cH = 220000 N/rad ausgegangen. Dabei spiegeln die Werte nur beispielhaft das Verhalten eines bestimmten Fahrzeugs wider. Basis für die Analyse der Parameterempfindlichkeit sind der Beobachter nach Gl. (4.52) und das zugehörige Fahrzeugmodell nach Gl. (4.51), wobei jeweils die Übertragungsfunktionen für das Giermoment vernachlässigt werden, da es erst beim aktiven Kompensationseingriff durch einseitiges Bremsen entsteht und in Kap. 5 detailliert betrachtet wird: ̇ ψ(s) = FSW , ψ˙ (s)SW (s) + F δ, ψ˙ (s)δV (s),
(4.55)
̇ Ŝ W (s) = B ψ, ˙ Sˆ W (s) ψ(s) + B δ,Sˆ W (s)δ V (s).
(4.56)
Wird in den Gleichungen der Lenkwinkel δV eliminiert, ergibt sich: Ŝ W (s) = (B ψ, ˙ Sˆ W (s) +
B δ,Sˆ W (s) F δ, ψ˙ (s)
̇ − ) ψ(s)
B δ,Sˆ W (s)FSW , ψ˙ (s) F δ, ψ˙ (s)
SW (s).
(4.57)
Für die Analyse der Parameterempfindlichkeit werden im Folgenden die Auswirkungen der unterschiedlichen Parameter auf die beobachtete Seitenwindkraft untersucht. Fahrzeugmasse Zur Untersuchung der Parameterempfindlichkeit der Fahrzeugmasse wird in Gl. (4.57) die Masse m in den Übertragungsfunktionen des Fahrzeugs durch mF ersetzt, während sie in den Beobachterübertragungsfunktionen nicht geändert wird. Für die weitere Rechnung wird die Abweichung zwischen Fahrzeugparameter mF und Beobachter m mit ∆m = m − mF bezeichnet. Nach einigen Umformungen (vgl. Anh. A.1) ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [
+
lV vs el V mv2 s2 + c H elvs − ] ∆m SW (s) lV m F vs + c H l v (emvs + eσ + ρ) (l V m F vs + c H l) ρJvs2 + (κ − c V l V l)c H ls + ρc H lv ̇ ∆m ψ(s), v (emvs + eσ + ρ) (l V m F vs + c H l)
(4.58)
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 85
d. h., der Fehler bezüglich der Gierrate und der realen Seitenwindkraft ist proportional zur Abweichung in der angenommenen Masse. Zusätzlich taucht der abweichende Parameter mF in den Nennern auf und bewirkt damit bei einer Erhöhung im Vergleich zu m eine Verringerung der beobachteten Seitenwindkraft. Mit Hilfe der Grenzwertsätze der Laplacetransformation (vgl. [88]) kann das stationäre Verhalten untersucht werden. Bezüglich Seitenwindkraft ergibt sich mit der Bedingung ψ̇ = 0 für den Betrag von ∆SW als stationärer Wert: lim ∆ Ŝ W (s)ψ(s)=0 =0. ̇
s→0
(4.59)
Für hohe Frequenzen wird der Grenzwert des Amplitudengangs berechnet (vgl. [88]). Hierfür wird s = jω in der Laplacetransformation gesetzt. Für hohe Frequenzen ergibt sich damit (vgl. Anh. A.1 Gl. (A.1)): lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 (4.60) =0. ̇ ω→∞ Sowohl stationär als auch für hohe Frequenzen verschwindet der Fehler aufgrund von realem Seitenwind. Dazwischen kommt es aufgrund der Übertragungsfunktion Gl. (4.58) zu einem dynamischen Übergang. Für die Grenzwertbetrachtung aufgrund der Gierrate ergibt sich stationär: lim ∆ Ŝ W (s)S
s→0
W (s)=0
=
ρ v∆m F ψ̇ stat , σe + ρ
(4.61)
wobei ψ̇ stat der stationäre Wert der Gierrate des Fahrzeugs ist. Für hohe Frequenzen wird wieder s = jω gesetzt, und damit nähert sich die Amplitude dem folgenden Wert (vgl. Anh. A.1 Gl. (A.2)): ρ ̇ lim ∆ Ŝ W (ω)S (ω)=0 = J∆m F ψ(∞) (4.62) . ω→∞ W veml V m F Stationär bleibt damit bezüglich der Gierrate ein mit der Geschwindigkeit zunehmender Fehler, wohingegen das Verhalten für hohe Frequenzen umgekehrt proportional zur Geschwindigkeit ist. In Abb. 4.8 ist der Amplitudengang der Änderung der beobachteten Seitenwindkraft für ∆m = −200 kg dargestellt. Insbesondere ist sichtbar, dass ein Fehler in der angenommenen Masse bezüglich der realen Seitenwindkraft kaum Auswirkungen hat, da der Fehler trotz einer Änderung von 200 kg weniger als 10 N beträgt. Das Maximum des Seitenwindkraftfehlers bezüglich der realen Seitenwindkraft verschiebt sich mit der Eigenkreisfrequenz des Fahrzeugmodells, welche sich mit steigender Fahrzeuggeschwindigkeit verringert. Fahrzeuggierträgheit Das Vorgehen für die Trägheit entspricht dem für die Masse und wird auch für die nachfolgenden Parameter beibehalten. Hier wird J variiert und durch J F in Gl. (4.57)
86 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate
Kraft in N
150 v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
100
50
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
3.5
4
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind 8
Kraft in N
6 4 2 0 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
Abb. 4.8: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆ Ŝ W aufgrund einer Erhöhung der Fahrzeugmasse um 200 kg. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
ersetzt. Für die weitere Rechnung wird die Abweichung zwischen Fahrzeugparameter JF und Beobachter J mit ∆J = J − JF bezeichnet. Nach einigen Umformungen (vgl. Anh. A.2) ergibt sich:
∆ Ŝ W (s) =
mvs2 + σs ̇ ∆J ψ(s). emvs + eσ + ρ
(4.63)
Damit gibt es keinen Fehler in Bezug auf die reale Seitenwindkraft. Der Fehler ist nur von der Gierrate und dem Fehler ∆J in der Gierträgheit abhängig. Für die Grenzwertbetrachtung muss daher nur der aus der Gierrate resultierende Anteil betrachtet werden: lim ∆ Ŝ W (s) =0.
s→0
(4.64)
Damit ist der stationäre Fehler aufgrund der Gierrate Null. Für hohe Frequenzen existiert der Grenzwert nicht, da die Funktion stetig anwächst (vgl. Abb. 4.9). Daher wird die Ableitung des Amplitudengangs betrachtet (vgl. Anh. A.2 Gl. (A.4)): d 1 ̇ lim ∆ Ŝ W (ω) = ∆J ψ(∞) (4.65) . ω→∞ dω e
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 87
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate 400
Kraft in N
300 200 100 0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind 1 0.5 Kraft in N
4 v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
0 −0.5 −1 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 4.9: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer Erhöhung der Fahrzeugträgheit um 400 kg m2 . Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
Damit nimmt der Fehler mit zunehmender Frequenz zu und nähert sich einer Geraden als Asymptote. Die Ursache für den linearen Anstieg liegt am differenzierenden Verhalten der Übertragungsfunktion (vgl. Abs. 4.3.5). Bei der tatsächlichen Umsetzung des Beobachters wird ein Filter eingeführt (vgl. 5.5.3), der die Realisierbarkeit sicherstellt und gleichzeitig das differenzierende Verhalten eliminiert und damit den Fehler für höhere Frequenzen beschränkt. In Abb. 4.9 ist der Amplitudengang der Änderung der beobachteten Seitenwindkraft für ∆J = −400 kg m2 dargestellt. Deutlich ist ein ungefähr linearer Zusammenhang zwischen Anregungsfrequenz der Gierrate und Seitenwindkraftfehler zu sehen. Zusätzlich ist sichtbar, dass die Fahrzeuggeschwindigkeit kaum Einfluss hat, da die Kennlinien sehr dicht beieinander liegen. Schräglaufsteifigkeit an der Vorderachse Hier wird cV variiert und durch cV,F in Gl. (4.52) ersetzt. Für die weitere Rechnung wird die Abweichung zwischen Fahrzeugparameter cV,F und Beobachter cV mit ∆cV =
88 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung cV − cV,F bezeichnet. Nach einigen Umformungen (vgl. Anh. A.3) ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [ −
cV (lV − e) 1 + ] ∆cV SW (s) cV,F cV,F (emvs + σe + ρ) Jmvs2 + (cH l2H m + JcH )s + cH lH mv ̇ ∆cV ψ(s) cV,F (emvs + σe + ρ)
(4.66)
Werden die Grenzwerte der einzelnen Anteile betrachtet, so ergibt sich stationär bezüglich der Seitenwindkraft: cH (e + lH ) lim ∆ Ŝ W (s)ψ(s)=0 = ∆cV SW,stat , (4.67) ̇ s→0 cV,F (σe + ρ) wobei SW,stat die stationäre Seitenwindkraft darstellt, die am Fahrzeug angreift. Für hohe Frequenzen wird s durch jω ersetzt und es ergibt sich (vgl. Anh. A.3 Gl. (A.6)): 1 . lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 = ∆c S (∞) (4.68) V W ̇ c ω→∞ V,F Sowohl stationär als auch für hohe Frequenzen nimmt der Fehler aufgrund von realem Seitenwind einen geschwindigkeitsunabhängigen Wert an. Für die Grenzwertbetrachtung aufgrund der Gierrate ergibt sich stationär: lim ∆ Ŝ W (s)S
s→0
W (s)=0
=
cH lH mv ∆cV ψ̇ stat , cV,F (σe + ρ)
(4.69)
d. h., es gibt einen stationären Fehler bezüglich der Gierrate, welcher proportional zur Geschwindigkeit ist. Wie für die Betrachtung der Gierträgheit im vorherigen Abschnitt existiert auch für cV kein Grenzwert für hohe Frequenzen. Daher wird auch für cV die Ableitung des Amplitudengangs betrachtet (vgl. Anh. A.3). Nach Gl. (A.7) gilt: d J ̇ = ∆ Ŝ W (ω) ∆c ψ(∞) lim (4.70) . V ω→∞ dω ec SW (ω)=0 V,F Damit nähert sich der Fehler mit zunehmender Frequenz einer Geraden als Asymptote (vgl. Abb. 4.10). Die Ursache für den linearen Anstieg liegt am differenzierenden Verhalten der Übertragungsfunktion (vgl. Abs. 4.3.5). Bei der tatsächlichen Umsetzung des Beobachters wird ein Filter eingeführt (vgl. 5.5.3), der die Realisierbarkeit sicherstellt und gleichzeitig das differenzierende Verhalten eliminiert und damit den Fehler für höhere Frequenzen beschränkt. In Abb. 4.10 ist der Amplitudengang der Änderung der beobachteten Seitenwindkraft für ∆cV = −11000 N/rad dargestellt. Im oberen Teil der Abbildung ist der mit der Geschwindigkeit anwachsende stationäre Fehler bezüglich der Fahrzeuggierrate zu sehen. Anschließend wird durch die Filterwirkung des Nenners der Fehler reduziert, danach überwiegt das differenzierende Verhalten des Zählers und der Fehler steigt wieder an. Der Fehler bezüglich der Seitenwindkraft ist stationär unabhängig von der Geschwindigkeit. Daher fangen alle Amplitudengänge im gleichen Punkt an. Mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit verringert sich die Zeitkonstante des Nenners, womit eine stärke Filterwirkung für höhere Geschwindigkeiten eintritt. Deswegen fallen die Amplitudengänge für höhere Geschwindigkeiten schneller ab als für niedrige.
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 89
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate
Kraft in N
300
200
100
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind
Kraft in N
105 v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
100
95
90 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 4.10: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer Erhöhung der Schräglaufsteifigkeit an der Vorderachse um 11000 N/rad. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
Schräglaufsteifigkeit an der Hinterachse Hier wird cH variiert und durch cH,F in Gl. (4.52) ersetzt. Für die weitere Rechnung wird die Abweichung zwischen Fahrzeugparameter cH,F und Beobachter cH mit ∆cH = cH − cH,F bezeichnet. Nach einigen Umformungen (vgl. Anh. A.4) ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [ +
l (e + lH )(lV mvs + cH l) − ] ∆c H SW (s) lV mvs + cH,F l (lV mvs + cH,F l)(emvs + σe + ρ) 1 ̇ ∆c H ψ(s) (lV mvs + cH,F l)(emvs + σe + ρ)
⋅ [(l2H lV m2 − JlH m)vs2 + (lH lV m2 v2 + lH lV mcV l − JcV l)s +cV llV mv] .
(4.71)
Werden die Grenzwerte der einzelnen Anteile betrachtet, so ergibt sich stationär bezüglich der Seitenwindkraft: cV (e − lV ) lim ∆ Ŝ W (s)ψ(s)=0 = ∆cH SW,stat . (4.72) ̇ s→0 cH,F (σe + ρ) Damit nimmt der Fehler aufgrund von realem Seitenwind einen geschwindigkeitsunabhängigen stationären Wert ein. Für hohe Frequenzen wird s durch jω ersetzt und es
90 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung ergibt sich (vgl. Anh. A.3 Gl. (A.9)):
=0. lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 ̇
(4.73)
ω→∞
Der Fehler ist aufgrund der Struktur von Gl. (4.72) deutlich kleiner als für cV . Für sehr hohe Frequenzen geht der Wert gegen Null. Für die Grenzwertbetrachtung aufgrund der Gierrate ergibt sich stationär: lim ∆ Ŝ W (s)S
s→0
W (s)=0
=
cV lV mv ∆cH ψ̇ stat . cH,F (σe + ρ)
(4.74)
Damit stellt sich für die Gierrate stationär ein geschwindigkeitsabhängiger Fehler ein. Für hohe Frequenzen wird s durch jω ersetzt und es ergibt sich (vgl. Anh. A.4 Gl. (A.10)): l2 lV m − JlH ̇ . lim ∆ Ŝ W (ω)S (ω)=0 = H ∆cH ψ(∞) (4.75) ω→∞ W elV mv Im Vergleich zu cV fällt er jedoch asymptotisch gegen einen konstanten geschwindigkeitsabhängigen Fehler ab. In Abb. 4.11 ist der Amplitudengang der Änderung der beobachteten Seitenwindkraft für ∆cH = −22000 N/rad dargestellt. Darin ist der mit der Geschwindigkeit steigende stationäre Seitenwindkraftfehler bezüglich der Gierrate zu sehen. Das Maximum
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate
v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
200
Kraft in N
150 100 50 0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
3.5
4
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind
Kraft in N
15
10
5
0 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
Abb. 4.11: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer Erhöhung der Schräglaufsteifigkeit an der Hinterachse um 22000 N/rad. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 91
verschiebt sich aufgrund der mit der Geschwindigkeit sinkenden Eigenfrequenz zu niedrigeren Frequenzen. Da gleichzeitig mit der Geschwindigkeit auch die Dämpfung sinkt, ist die Überhöhung des Maximums mit steigender Geschwindigkeit erhöht. Für den Seitenwindkraftfehler bezüglich der Seitenwindkraft ist der stationäre Wert unabhängig von der Geschwindigkeit. Genau wie bei der Gierrate verschiebt sich aus dem gleichen Grund das Maximum mit steigender Geschwindigkeit zu niedrigeren Frequenzen. Seitenwindkrafthebelarm Hier wird e variiert und durch e F in Gl. (4.52) ersetzt. Für die weitere Rechnung wird die Abweichung zwischen Fahrzeugparameter eF und Beobachter e mit ∆e = e − eF bezeichnet. Nach einigen Umformungen (vgl. Anh. A.5) ergibt sich:
∆ Ŝ W (s) = −
mvs + σ ∆eSW (s). emvs + σe + ρ
(4.76)
Die Gierrate hat damit keinen Einfluss auf den Fehler in der beobachteten Seitenwindkraft. Der Einfluss durch die reale Seitenwindkraft ist direkt proportional zum Fehler im Hebelarm. Werden die Grenzwerte der einzelnen Anteile betrachtet, so ergibt sich stationär bezüglich der Seitenwindkraft: lim ∆ Ŝ W (s)ψ(s)=0 = ̇
s→0
σ ∆eSW,stat . σe + ρ
(4.77)
Damit nimmt der Fehler aufgrund von realem Seitenwind einen geschwindigkeitsunabhängigen stationären Wert ein. Für hohe Frequenzen wird s durch jω ersetzt und es ergibt sich (vgl. Anh. A.5 Gl. (A.12)): 1 = ∆eSW (∞) . lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 (4.78) ̇ ω→∞ e Der Fehler in der Seitenwindkraft beginnt stationär bei einem geschwindigkeitsunabhängigen Wert und läuft für hohe Frequenzen wiederum gegen einen geschwindigkeitsunabhängigen Grenzwert. In Abb. 4.12 ist der Amplitudengang der Änderung der beobachteten Seitenwindkraft für ∆e = −0, 2 m dargestellt. Darin ist zu sehen, dass der Seitenwindkraftfehler unabhängig von der Gierrate Null ist. In Bezug zur Seitenwindkraft ist der stationäre Wert unabhängig von der Geschwindigkeit und strebt für hohe Geschwindigkeiten gegen einen geschwindigkeitsunabhängigen Endwert. Schwerpunktsabstand von der Vorderachse Hier wird lV variiert und durch lV,F in Gl. (4.52) ersetzt. Für die weitere Rechnung wird die Abweichung zwischen Fahrzeugparameter lV,F und Beobachter lV mit ∆lV = lV − lV,F
92 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung
SeitenwindkraftfehlerFbeiF2F° /sFGierrate
KraftFinFN
1 0.5 0 −0.5 −1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
SeitenwindkraftfehlerFbeiF1000FNFRealwind
vF=F80Fkm/h vF=F110Fkm/h vF=F140Fkm/h 3.5 vF=F170Fkm/h 4 vF=F200Fkm/h
KraftFinFN
200 180 160 140 120
0
0.5
1
1.5
2 2.5 FrequenzFinFHz
3
3.5
4
Abb. 4.12: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer Erhöhung des Hebelarms um 0, 2 m. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
bezeichnet. Nach einigen Umformungen (vgl. Anh. A.6) ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [ +
mvs (σlV mv)s + cH lσ + ] ∆lV SW (s) lV,F mvs + cH l (emvs + σe + ρ)(lV,F mvs + cH l) 1 ̇ ∆lV ψ(s) (emvs + σe + ρ)(lV,F mvs + cH l)
⋅ [(m2 σlV,F vs2 + mcH lσs) ∆lV − Jm2 v2 s3 + (mσl2V,F − cH l2 m − Jσ)mvs2 +(−cH lm2 v2 − m(−2σcH llV,F + cH l2 (2cH + cV )))s − σcH lmv] .
(4.79)
Sowohl für die Seitenwindkraft als auch für die Gierrate ist der Fehler in der Seitenwindkraft direkt von ∆lV abhängig. Werden die Grenzwerte der einzelnen Anteile betrachtet, so ergibt sich stationär bezüglich der Seitenwindkraft: lim ∆ Ŝ W (s)ψ(s)=0 = ̇
s→0
σ ∆lV SW,stat . σe + ρ
(4.80)
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 93
Damit ist der stationäre Fehler unabhängig von der Geschwindigkeit. Für hohe Frequenzen wird s durch jω ersetzt und es ergibt sich (vgl. Anh. A.6 Gl. (A.14)): 1 = (4.81) lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 ∆lV SW (∞) . ̇ ω→∞ lV,F Auch für hohe Frequenzen strebt der Verlauf gegen einen geschwindigkeitsunabhängigen Wert. Für die Grenzwertbetrachtung aufgrund der Gierrate ergibt sich stationär: σmv lim ∆ Ŝ W (s)S (s)=0 = ∆lV ψ̇ stat . (4.82) W s→0 σe + ρ Damit ist der stationäre Wert proportional zur Geschwindigkeit. Wie für die Betrachtung der Gierträgheit im vorherigen Abschnitt existiert auch für lV kein Grenzwert für hohe Frequenzen. Daher wird auch für lV die Ableitung des Amplitudengangs betrachtet (vgl. Anh. A.6). Nach Gl. (A.15) gilt: d = J ∆l ψ(∞) ̇ . lim ∆ Ŝ W (ω) (4.83) V ω→∞ dt SW (ω)=0 elV,F Damit nähert sich der Fehler mit zunehmender Frequenz einer Geraden als Asymptote (vgl. Abb. 4.13). Die Ursache für den linearen Anstieg liegt am differenzierenden Verhalten der Übertragungsfunktion (vgl. Abs. 4.3.5). Bei der tatsächlichen Umsetzung des Beobachters wird ein Filter eingeführt (vgl. 5.5.3), der die Realisierbarkeit sicherstellt und gleichzeitig das differenzierende Verhalten eliminiert und damit den Fehler für höhere Frequenzen beschränkt. In Abb. 4.13 ist der Amplitudengang der Änderung der beobachteten Seitenwindkraft für ∆lV = −0, 1 m dargestellt. Darin ist der mit der Geschwindigkeit steigende stationäre Seitenwindkraftfehler bezüglich der Gierrate zu sehen. Des Weiteren ist für hohe Frequenzen die Annäherung an die asymptotische Gerade zu sehen. Für den Seitenwindkraftfehler bezüglich der Seitenwindkraft ist der stationäre Wert unabhängig von der Geschwindigkeit. Das Maximum verschiebt sich aufgrund der mit der Geschwindigkeit sinkenden Eigenfrequenz zu niedrigeren Frequenzen. Kombination verschiedener Parameterfehler In den vorherigen Abschnitten wurden die einzelnen Parameterfehler hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Seitenwinderkennung dargestellt. Da Parameterfehler bzw. -unsicherheiten meistens nicht isoliert, sondern in Kombination auftreten, werden hier beispielhaft zwei typische Varianten dargestellt: 1. Beladung eines ansonsten unveränderten Fahrzeugs, 2. Änderung der Bereifung. Beladung eines ansonsten unveränderten Fahrzeugs Die Beladung ändert sich häufig von Fahrt zu Fahrt. Sie kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern sie hat gleichzeitig Einfluss auf andere Parameter, denn
94 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate
Kraft in N
300
200
100
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind 70
Kraft in N
4 v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
65
60
55 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 4.13: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer Verschiebung des Schwerpunkts in Richtung Hinterachse um 0, 1 m. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
– – –
sie verschiebt den Schwerpunkt und ändert damit den Hebelarm e und den Hebelarm lV , sie verändert die Radlasten und damit die Schräglaufsteifigkeiten cV und cH , sie verändert das Gierträgheitsmoment J und die Masse m.
Im linearen Einspurmodell haben die Änderung der Schwerpunktlage und die Veränderung der Masse keinen Einfluss auf den Eigenlenkgradient und den Schwimmwinkelgradient, da sich cV und cH entsprechend anpassen. Lediglich durch das geänderte Trägheitsmoment ergeben sich Änderungen der Dynamik. Im Vergleich zum realen Fahrzeug muss beachtet werden, dass sich die Schräglaufsteifigkeiten zwar im Allgemeinen mit einer erhöhten Radlast auch erhöhen, dieses Verhalten aber abhängig vom Reifen nichtlinear ist und typischerweise degressiv verläuft [73]. In Abb. 4.14 ist dargestellt, wie sich eine kombinierte Änderung verschiedener Parameter aufgrund einer Erhöhung der Beladung um 300 kg auswirkt. Deutlich sichtbar ist, dass trotz der Kombination aus mehreren einzelnen Parameterfehlern ein relativ geringer Gesamtfehler im Vergleich zu den einzeln beschriebenen Auswirkungen entsteht. Das liegt vor allem daran, dass sich das Fahrzeug durch eine Beladung innerhalb der erlaubten Grenzen nur mäßig in seinen fahrdynamischen Eigenschaften
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 95
ändert: – – – – – –
∆cV = 10000 N/rad, ∆cH = −10000 N/rad, ∆J = −300 kgm2 , ∆m = −300 kg, ∆lV = −0, 18 m, ∆e = −0, 18 m.
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate
Kraft in N
300
200
100
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind 180
v = 80 km/h 3.5 v = 1104 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
Kraft in N
160 140 120 100 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 4.14: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer kombinierten Änderung mehrerer Parameter. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
Der Verlauf für den Seitenwindkraftfehler zeigt, dass stationär kein Fehler auftritt. Im weiteren Verlauf zeigen die Kurven für die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, dass der Fehler mit der Geschwindigkeit zunimmt. Der Wendepunkt der Kurven verschiebt sich mit steigender Geschwindigkeit zu niedrigeren Frequenzen, was an der mit der Geschwindigkeit sinkenden Eigenfrequenz liegt. Die Grundform der Kurven bleibt für alle Geschwindigkeiten erhalten, auch wenn die Abbildung für 80 km/h scheinbar eine Umkehrung zeigt. Für hohe Frequenzen näheren sich alle Kurven einer asymptotischen Gerade, die wieder auf den in den vorigen Abschnitten beschriebenen differenzierenden Anteil zurückzuführen ist. Bei der in einem folgenden Kapitel beschriebenen
96 | 4 Modifizierte Verfahren zur Windkraftbestimmung Umsetzung wird jedoch ein Filter eingeführt, der den Fehler für höhere Frequenzen beschränkt. Für den Seitenwindkraftfehler bezüglich der realen Seitenwindkraft stellt sich ein stationärer Fehler ein. Mit steigender Frequenz nimmt der Fehler für alle Geschwindigkeiten zu und strebt einem konstanten Endwert entgegen. Auch hier ist aufgrund der mit der Geschwindigkeit sinkenden Eigenfrequenz eine Erhöhung des Fehlers für höhere Geschwindigkeiten bei niedrigeren Frequenzen zu sehen. Änderung der Bereifung Nutzen sich die Reifen mit der Zeit ab, wird von Sommer- auf Winterreifen gewechselt oder ein anderes Fabrikat gewählt, so kann das direkt einen Einfluss auf das fahrdynamische Verhalten haben. Dadurch sind insbesondere die Schräglaufsteifigkeiten cV und cH betroffen: – ∆cV = −10000 N/rad, – ∆cH = 10000 N/rad. Mit der gewählten Parameteränderung wird der Eigenlenkgradient nach Gl. (2.99) von 0, 25 °s2 /m auf 0, 19 °s2 /m reduziert. Das bedeutet, dass sich das Fahrzeug deutlich weniger untersteuernd verhält. Dadurch kommt es besonders durch eine querdynamische Anregung der Gierrate zu größeren Fehlern bei der Seitenwindkraftbeobachtung, wie in Abb. 4.15 deutlich zu sehen ist. Im Vergleich zum Fall mit zusätzlicher Beladung ist gerade für geringe Frequenzen eine erhöhte Abweichung zu sehen. Ansonsten ähnelt das Verhalten sehr stark dem in Abs. 4.3.6 beschriebenen Verhalten bei einer Änderung von cV . Das liegt daran, dass der Fehler aufgrund von cV deutlich größer ist, als der von cH , was bereits in den entsprechenden Abschnitten erläutert wurde. Insgesamt ist der Fehler durch kombinierte Parameterfehler ein ausschlaggebender Anteil für die Trennschärfe zwischen realer Seitenwindkraft und fehlerhaft bestimmter Seitenwindkraft. Die vorgestellten Ergebnisse zur Parameterempfindlichkeit zeigen jedoch, dass der Seitenwindkraftfehler für die typischen Parameterabweichungen klein genug ist, um starke Seitenwindböen erkennen zu können. In Abs. 5.4 wird nochmals auf das Thema eingegangen. Im aktuellen Kapitel wurde ausführlich auf die Möglichkeiten zur Windkraftbestimmung eingegangen. Die Verfahren wurden dazu in direkt und indirekt messende Verfahren unterteilt. Das Messverfahren über Differenzdruckmesssonden wurde dabei besonders hervorgehoben, da es auch das Referenzverfahren für den Seitenwindassistenten war. Dafür wurde in der vorliegenden Arbeit eine Erweiterung des Verfahrens vorgenommen, so dass der nutzbare Messbereich deutlich vergrößert werden konnte. Anschließend wurde ausführlich auf die Seitenwindkraftbestimmung durch Zustandsbeobachter eingegangen. Dabei konnte gezeigt werden, dass die mit dem ESP im Fahrzeug vorhandene Seriensensorik ausreicht, um die Seitenwindkraft zu beobachten. Der Beobachter wurde zusätzlich für die Rückführung der beim Bremsen
4.3 Windkraftbestimmung durch Beobachter | 97
Seitenwindkraftfehler bei 2 °/s Gierrate
Kraft in N
300
200
100
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
Seitenwindkraftfehler bei 1000 N Realwind 110
Kraft in N
4
100
90
80 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 4.15: Änderung der beobachteten Seitenwindkraft aufgrund einer geänderten Bereifung. Dargestellt ist der Verlauf über der Anregungsfrequenz für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
entstehenden Giermomente erweitert, so dass er für den Seitenwindassistenten mit einseitigen Bremseingriffen verwendet werden konnte. Das Kapitel wurde mit der ausführlichen Diskussion der durch Parameterfehler entstehenden Seitwindkraftfehler des Beobachters abgeschlossen.
5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen Bisher wurde beschrieben, wie Seitenwind erfasst werden kann und wie er sich auf das Fahrverhalten auswirkt. In folgenden Kapitel wird dargestellt, wie durch einen aktiven Fahrwerkseingriff die Fahrsicherheit erhöht werden kann, indem der durch eine starke Windböe verursachte Spurversatz reduziert wird. Für das Kompensationskonzept besteht die Möglichkeit, eine Steuerung (engl. feedforward control), eine Regelung (engl. feedback control) oder eine Kombination aus beiden zu nutzen. Im Folgenden soll die Theorie hierzu erläutert (vgl. right citeLun04, [88], [27]) und anschließend gezeigt werden, welches Verfahren ausgewählt wird. Dazu werden einige grundlegende Eigenschaften von Steuerung und Regelung gegenübergestellt: Steuerung – Offene Wirkkette (Steuerkette), keine Rückkopplung; – Wirkt nur den in der Steuerung berücksichtigten Störgrößen entgegen; – Kann nicht instabil werden, wenn die Regelstrecke selbst stabil ist; – Es kann einer Störung (abhängig vom Eingang) entgegengewirkt werden, bevor sie sich am Ausgang der Regelstrecke auswirkt. Regelung – Geschlossene Wirkkette (Regelkreis), Rückkopplung; – Wirkt verschiedenen Störungen mittels des geschlossenen Regelkreises entgegen; – Kann aufgrund des geschlossenen Regelkreises instabil werden. In Abb. 5.1 ist die Struktur einer Steuerung und einer Regelung anhand eines Beispiels zur Seitenwindkompensation dargestellt. Als Regelung ist eine Gierratenregelung über den Lenkwinkel dargestellt. Für die Steuerung wurde das Schema von [85] zur Seitenwindkompensation über eine aktive Hinterachslenkung ausgewählt. Eine Steuerung bietet sich an, wenn die Störung gemessen werden kann. Dann kann aus der gemessenen Störung über die Invertierung des Systems eine Kompensation berechnet werden, was den Vorteil hat, dass nicht erst darauf gewartet werden muss, bis sich eine Auswirkung aufgrund der Störung im System einstellt. Die Störung kann somit sehr schnell ausgeglichen werden. Gleichzeitig besteht der Nachteil, dass die Kompensation nur so gut ist wie das Modell der Regelstrecke. Unsicherheiten im Modell wirken sich auf die Qualität der Störgrößenaufschaltung aus. Daraus folgt auch der zweite Nachteil, denn wenn eine Störung gemessen wird, die sich gar nicht auf das System auswirkt, dann wird fälschlicherweise eine Kompensation eingeleitet. Das kann der Fall sein, wenn die Windkraft nicht direkt am Fahrzeug bestimmt wird, sonDOI 10.1515/9783110542059-005
5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen | 99
𝑆W Fahrzeug F𝑆
𝑊𝜓
Steuerung
𝜓Soll + -
Regler
𝛿H
F𝛿 𝜓 𝐻
𝛿
+
𝜓
F𝛿𝜓
Abb. 5.1: Regelung im Vergleich zur Steuerung. Beim Regler wird die Sollgierrate vorgegeben und über den Regler eingeregelt. Bei der Steuerung wird die gemessene Störung direkt über eine Steuerung in einen Stelleingriff umgerechnet.
dern an einer anderen Stelle, wie durch ein Anemometer auf dem Dach. Dann kann es vorkommen, dass das Fahrzeug im Windschatten eines anderen Fahrzeugs ist, die Sensorik aber eine Windböe misst und somit eine fehlerhafte Kompensation einleitet. Des Weiteren wird für ein solches Verfahren Zusatzsensorik, wie sie in Kap. 4 vorgestellt wurde, benötigt, um die Störung zu messen. Bei der von [85] entwickelten Seitenwindkompensation wurde zur Kompensation eine Steuerung eingesetzt. Die Störung wurde über das in Abs. 4.2.3 beschriebene Verfahren von [83] bestimmt. Die daraus bestimmte Seitenwindkraft wurde in einen notwendigen Korrekturwinkel für die Hinterachslenkung umgerechnet und eingestellt. Damit wurde die Auswirkung des Seitenwindes kompensiert. Auch in der Arbeit von [18] oder [12] wird eine Steuerung genutzt, um die Auswirkung von Seitenwind zu kompensieren. Bei [18] wird hierfür eine Winkelüberlagerungslenkung genutzt. Eine Regelung reagiert erst auf eine Störung, wenn sie sich bereits auf die Regelstrecke auswirkt. Damit findet die Kompensation immer etwas später statt als bei einer Störgrößenaufschaltung, aber sie kann dafür stationär genau arbeiten und ist gegenüber Modellfehlern robust. Eine mögliche Führungsgröße für ein Fahrzeug ist die Gierrate. Über sie kann der Fahrer die Spur, auf der er fahren möchte, einregeln. In der Patentanmeldung von [15] bzw. [16] wird ein Verfahren beschrieben, welches eine Gierratenregelung für den Betrieb des Fahrzeugs nutzt. Dabei wird über den Lenkradwinkel eine Sollgierrate bestimmt, die über die Vorderachslenkung eingestellt wird. In kritischen Situationen wird die Gierratenregelung auf Bremse und Lenkung aufgeteilt, um das Fahrzeug zu stabilisieren und den zur Verfügung stehenden Kraftschluss optimal auszunutzen. Da das System eine sehr hohe Dynamik und Fahrdynamiksensorik
100 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen mit geringem Offset besitzt, werden auch Störungen wie Seitenwind oder Querablaufen sehr gut ausgeglichen. Aus der Literatur (vgl. [27], [56] oder [35]) ist die Kombination aus Regler und Störbeobachter bekannt. Sie zählt zu den etablierten Verfahren in der Regelungstechnik. Der Regler kann die Folgeregelung übernehmen und über den Störbeobachter können Störungen kompensiert werden, was dann zu einer Verbesserung der Dynamik führt. In einem vom Fahrer selbst geführten Fahrzeug ist der Fahrer bereits als Regler zur Spurhaltung aktiv und führt damit sein Fahrzeug dem Fahrbahnverlauf nach. Auch ein automatisierter Fahrer, der beispielsweise für eine hochautomatisierte (vgl. [13])oder autonome Fahrfunktion zum Einsatz kommt, ist als Spurregler aktiv und hält das Fahrzeug in seiner Spur. Die Spurhaltung ist typischerweise komfortabel ausgelegt. Das bedeutet, dass die Spurregelung eher niederfrequent ist und schnelle Änderungen nur unzureichend kompensieren kann. Damit ist es sinnvoll, auch hier die Kombination von Regler und Störbeobachter zu nutzen und dessen Vorteile zur Dynamikverbesserung im Sinne einer Störgrößenaufschaltung einzusetzen. In Abs. 4.3.6 wurde gezeigt, dass bei einem idealen Störbeobachter die beobachtete Seitenwindkraft mit der realen übereinstimmt. Damit bietet sich eine Störgrößenaufschaltung zur Seitenwindkompensation an. Die Kompensationsstrategie sieht damit wie folgt aus: – Seitenwinderkennung und Bestimmung der Seitenwindkraft durch einen Störbeobachter; – Störgrößenaufschaltung über ein geeignetes aktives System.
5.1 Aktive Fahrwerksysteme Der Fahrer kann durch die Nutzung unterschiedlicher aktiver Fahrwerksysteme bei Seitenwind unterstützt werden. Durch den modularen Aufbau des Seitenwindassistenten kann er mit jedem aktiven Fahrwerksystem realisiert werden. Dazu muss die berechnete Störgröße auf eine aktorspezifische Sollgröße umgerechnet werden. Die aktiven Systeme sind aufgrund ihrer spezifischen Dynamik, ihrer Verfügbarkeit in Fahrzeugen und ihrer Rückwirkung auf den Fahrer unterschiedlich gut für die Seitenwindkompensation geeignet. Daher ist in Abb. 5.2 eine kurze Gegenüberstellung der aktiven Systeme dargestellt. Da die elektrische Servolenkung (EPS) und das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) inzwischen zum Serienumfang der meisten Fahrzeuge gehören, ist die Verfügbarkeit hoch (+). Für Systeme, die teilweise nur in den oberen Fahrzeugklassen zum Einsatz kommen, und dort auch nur als Sonderausstattung, wurde die Verfügbarkeit entsprechend niedrig (o bzw. -) bewertet. Bei der Dynamik sind prinzipiell alle Systeme gut geeignet. Beim ESP ist zu unterscheiden, ob es als high-end System aufgebaut ist und so sehr hohe Dynamiken
5.2 Störgrößenaufschaltung |
EPS
ESP
ABC
TV
ÜL
HAL
Verfügbarkeit
+
+
o
-
-
-
Dynamik
+
o/+
+
+
+
+
Rückwirkung
-
o
+
+
-
o
101
Abb. 5.2: Gegenüberstellung verschiedener aktiver Systeme bezüglich der Verfügbarkeit in den Fahrzeugen, Systemdynamik und der Rückwirkung auf den Fahrer (EPS - Electric Power Steering, ESP - Electronic Stability Program, ABC - Active Body Control, TV - Torque Vectoring, ÜL - Überlagerungslenkung, HAL - Hinterachslenkung). Ein Pluszeichen bedeutet darin eine hohe Verfügbarkeit, eine hohe Dynamik und eine geringe Rückwirkung.
erreicht oder ob es sich um ein konventionelles System mit geringerer Dynamik handelt (vgl. [19]). Während Systeme wie das ABC und Torque-Vectoring (TV) quasi für den Fahrer nicht spürbar eingreifen können, sind Eingriffe in die Lenkung direkt vom Fahrer spürbar und werden häufig negativ bewertet. Dem komfortablen Eingriff eines ABC-Systems stehen dessen begrenzte Kraftwirkung aufgrund der Abhängigkeit von der Vorspur gegenüber (vgl. [73]), wohingegen ein aktiver Bremseingriff über das ESP das gesamte fahrdynamische Potential ausnutzen kann. Dafür muss er aber auch aufrgund der ISO26262 (vgl. [94]) entsprechend gut gegen Fehler abgesichert werden muss. In der vorliegenden Arbeit wurde als aktives System das ESP ausgewählt. Die Gründe hierfür sind: – Durchgängige Verfügbarkeit in den Fahrzeugen; – geringe Rückwirkung auf den Fahrer; – entkoppelt vom Fahrer bzw. nicht direkt beeinflussbar durch den Fahrer.
5.2 Störgrößenaufschaltung Im Folgenden wird die für die vorliegende Arbeit entwickelte Kompensationsstrategie ausführlich diskutiert. Das Verfahren wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit zum Patent angemeldet (vgl. [10]). Folgende Punkte wurden dabei berücksichtigt: – Die Störung wird nicht gemessen, sondern über den Störgrößenbeobachter auf Basis der Fahrdynamiksensoren des Fahrzeugs bestimmt. Da sich ein aktiver Stelleingriff und auch äußere Störungen auf die gleichen Signale auswirken, ist die Störgrößenaufschaltung prinzipiell ein geschlossener Regelkreis, welcher so auszulegen ist, dass er nicht instabil wird. – Die gemessene Gierrate und Querbeschleunigung können Offsets enthalten, die sich direkt auf die beobachtete Windkraft auswirken.
102 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen – – –
Der Fahrer kann niederfrequente Windstörungen auch mit hoher Amplitude leicht selbst ausgleichen. Windstörungen mit kleiner Amplitude wirken sich kaum auf den Spurversatz und die Fahrsicherheit aus. Beobachterfehler aufgrund von Parameterfehlern und Modellunsicherheiten müssen gering sein, d. h. sie müssen unterhalb der fahrzeugabhängigen Eingriffschwelle (vgl. Abs. 5.3.1) liegen. Ein Wert von 500 N hat sich in Fahrversuchen als sinnvoll erwiesen (vgl. Abb. 4.7).
Zur Realisierung der Störgrößenaufschaltung wird ein Kompensator KSW ,Mz (s) bestimmt, der die Auswirkung der Störung möglichst gut kompensiert. Für die Herleitung wird der Einfluss des Fahrers in Gl. (2.98) vernachlässigt, da nur der Anteil, der aufgrund der Störung entsteht, ausgeglichen werden muss. Damit ergibt sich für einen kompensierenden Eingriff über ein Giermoment Mz für die Fahrzeuggierrate: ̇ ψ(s) = FSW , ψ˙ (s)SW (s) + FMz , ψ˙ (s)Mz (s).
(5.1)
Für die Berechnung des Kompensators ergibt sich (vgl. [27]): ̇ ψ(s) = 0 = SW (s) (FSW , ψ˙ (s) − KSW ,Mz (s)FMz , ψ˙ (s)) .
(5.2)
Daraus folgt mit FSW , ψ˙ (s) und FMz , ψ˙ (s) aus Gl. (4.51): KSW ,Mz (s) = FSW , ψ˙ (s)FMz , ψ˙ (s)−1 =
(emvs + eσ + ρ)v (msv + σ)v
= (e +
ρ ). mv s + σ
(5.3)
Der ideale Störkompensator besteht damit aus einer Kombination eines proportionalen und eines tiefpassgefilterten Anteils 1. Ordnung. Die Grenzfrequenz des dynamischen Anteils lässt sich daraus leicht bestimmen (vgl. [88]: f =
ω σ = . 2π 2πmv
(5.4)
Ändert sich sowohl die Amplitude als auch die Phase des idealen Störkompensators nur innerhalb akzeptabler Grenzen über der Frequenz innerhalb des relevanten Frequenzbereichs, so kann auch eine statische Aufschaltung verwendet werden. Was akzeptabel ist, ist individuell vom Fahrzeug und der angestrebten Kompensationsgüte abhängig und nicht allgemein zu beantworten. In Abb. 5.3 wird der Frequenz- und Phasengang des idealen Störkompensators dargestellt. Darin ist deutlich zu sehen, dass, wie in Gl. (5.4) beschrieben, die Grenzfrequenz mit wachsender Geschwindigkeit abnimmt. Außerdem nimmt die Verstärkung im dargestellten Beispiel über der Frequenz um ca.
5.2 Störgrößenaufschaltung |
103
Störkompensator
Verstärkung
2 1.5 1 0.5 0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
Phase in °
150 v = 80 km/h v = 110 km/h v = 140 km/h v = 170 km/h v = 200 km/h
100 50 0 0
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
3.5
4
Abb. 5.3: Frequenz- und Phasengang des idealen Störkompensators für einen Geschwindigkeitsbereich von 80 km/h bis 200 km/h.
30 % ab, wohingegen sich die Phase kaum über der Frequenz ändert. Der statische Störkompensator lautet: KSW ,Mz (s)stat = (e +
ρ ). σ
(5.5)
Er kompensiert die Störung im betrachteten Fall stationär, bewirkt aber aufgrund des abfallenden Amplitudengangs bei höheren Frequenzen eine Überkompensation. Bisher wurde die Dynamik des aktiven Stellsystems nicht berücksichtigt, d. h., es wurde davon ausgegangen, dass es sehr schnell ist. Je nachdem, welches aktive System zum Einsatz kommt, ist das mehr oder weniger der Fall. Da in der vorliegenden Arbeit insbesondere der aktive Bremseingriff behandelt wird, muss die Dynamik des Bremssystems berücksichtigt werden. Je nach verwendetem Bremssystem (vgl. [19]) kann die Dynamik stark variieren. Die elektrohydraulischen Bremssysteme können beispielsweise sehr hohe Druckdynamiken erreichen, welche bei bis zu 1000 bar/s beim Druckaufbaugradient liegen können. Durch die zusätzliche Verwendung eines Druckspeichers können sehr geringe Verzugszeiten erreicht werden. Aktuelle Bremssysteme bauen den Bremsdruck mit deutlich weniger Dynamik auf. Hier sind bei Standardsystemen Werte von einigen hundert bar pro Sekunde möglich. Auch die Bremssysteme entwickeln sich im Hinblick auf die Anforderungen neuer Assistenzsysteme bezüglich der Dynamik weiter (vgl. [3]). Da der Bremsdruckaufbau durch eine Kombination aus
104 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen Mechanik und Hydraulik entsteht, lässt sich das System gut mit einem Tiefpassfilter 2. Ordnung modellieren. Je nach eingesetztem Bremssystem variieren die Parameter des Bremsdynamikmodells und müssen entsprechend angepasst werden. Der Kompensator kann auch weitere dynamische Elemente, die sich im System befinden, kompensieren. Das limitierende Element hierfür bildet jedoch das aktive System selbst. Aufgrund der Verzögerung des aktiven Bremssystems kann es vorteilhaft sein, anstatt mit dem idealen Kompensator mit dem stationären zu arbeiten, da so die Verzögerung etwas besser ausgeglichen werden kann.
5.3 Eingriffsstrategie In Abb. 1.2 ist schematisch dargestellt, dass der Fahrer hauptsächlich mit starken dynamischen Windstörungen Probleme hat und insbesondere dort durch eine Assistenzfunktion unterstützt werden sollte. Das wird zusätzlich durch die Analyse des Fahrers im Vergleich zum passiven Fahrzeug in Abb. 5.4 untermauert. Es ist erkennbar, dass der Fahrer nur Windstörungen mit geringer Dynamik gut ausgleichen kann. Im
v=140km/h Lenkradwinkel in °
15 Fixed Control Fahrer 10
5
0
0.2
0.5
1
1.5
2
2.5
3
4
Gierrate in °/s
6 Fixed Control Fahrer 4
2
0
0.2
0.5
1
1.5
2 2.5 Frequenz in Hz
3
4
Abb. 5.4: Vergleich von Fahrer- und Fahrzeugreaktion bei festgehaltenem Lenkrad (Fixed Control) und regelndem Fahrer, der versucht, die Reaktion des Fahrzeugs durch Lenken zu kompensieren (Fahrer). Die Fahrzeuggeschwindigkeit beträgt 140 km/h bei einer Windgeschwindigkeit von 55 km/h.
5.3 Eingriffsstrategie |
105
dargestellten Fall verbessert der Fahrer die Fahrzeugreaktion bis ca. 0, 4 Hz, danach verschlechtert er die Gierreaktion im Vergleich zum festgehaltenen Lenkrad. Solange der Eingriff der Assistenzfunktion direkt spürbar ist, wie z. B. durch Lenkeingriffe, muss er auf die Fähigkeiten des Fahrers abgestimmt werden, damit der Eingriff den Fahrer nicht irritiert. Während einer automatisierten Fahrt ist der Fahrer nicht mehr im Regelkreis, dann ist ein Kompensationseingriff über die Lenkung sinnvoll. Der Unterstützungsbedarf des Fahrers ist gering bei – stationärem Seitenwind, da der Fahrer hier genügend Reaktionszeit hat und nur einen konstanten Winkel aufbringen muss. – schwachem Seitenwind, da dann die Fahrzeugreaktion gering ausfällt. Der Unterstützungsbedarf des Fahrers ist jedoch hoch bei – starkem dynamischem Seitenwind, da die Fahrzeugreaktion groß ist und der Fahrer zu langsam in seiner Reaktion ist.
5.3.1 Ausblenden von schwachen Seitenwindstörungen Das Ausblenden von schwachen Windböen erfolgt aus zwei Hauptgründen: – geringe Windkräfte haben nur eine geringe fahrdynamische Auswirkung und bedürfen daher keiner Unterstützung; – durch Modellungenauigkeiten, Parameterfehler und Sensorrauschen weicht die beobachtete Seitenwindkraft von der realen ab, was zu Eingriffen führen kann, obwohl kein Seitenwind vorhanden ist. Für das in der vorliegenden Arbeit neu entwickelte Kompensationskonzept wird die Seitenwindkraft durch den erweiterten Seitenwindbeobachter bestimmt. Die dadurch bestimmte Seitenwindkraft kann direkt als Maß für die Entscheidung über die Stärke der Störung genutzt werden: ̂ SW > SW,Lim .
(5.6)
Die Eingriffsschwelle SW,Lim kann z. B. anhand der Spurabweichung und der Gierreaktion des Fahrzeugs bei der Vorbeifahrt an einer Seitenwindanlage festgelegt werden.
5.3.2 Ausblenden von stationären bzw. niederfrequenten Seitenwindstörungen Niederfrequente Störungen können durch eine entsprechende Filterung über einen Hochpass aus dem Seitenwindsignal herausgefiltert werden: GHP (s) = 1 −
1 . 1 + sTHP
(5.7)
106 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen Darin ist THP die Zeitkonstante des Hochpasses, welcher zusätzlich für weitere Funktionen genutzt werden kann (vgl. [42]) : – Beseitigung von Offsets innerhalb des Seitenwindkraftsignals, – Gestaltung des Eingriffs und der Übergabe an den Fahrer. In jedem Sensorsignal sind Offsets vorhanden. Abhängig von der eingesetzten Sensorik können sie sehr klein ausfallen und müssen dann nicht mehr weiter betrachtet werden. Typischerweise werden die Offsets von Fahrdynamiksensoren durch Algorithmen in ESP und Lenkung bestimmt und korrigiert, was aber nie vollständig gelingt. Daher hat die beobachtete Seitenwindkraft immer einen Offset, welcher durch einen Hochpass beseitigt werden kann. Für die Gestaltung des Seitenwindeingriffs wird die Zeitkonstante des Hochpasses THP während des Eingriffs angepasst. Dabei werden drei Phasen unterschieden: 1. Eine kleine Zeitkonstante zur Beseitigung von Offsets und niederfrequenten Anteilen: THP < 1 s. 2. Eine hohe Zeitkonstante bzw. ein Deaktivieren des Hochpasses während des Eingriffs für eine bestimmte Zeit, in der der Fahrer vollständig unterstützt wird: THP >> 10 s. 3. Eine mittlere Zeitkonstante zur Übergabe an den Fahrer, so dass dieser genügend Zeit hat, den Eingriff zu übernehmen: 1 s < THP < 10 s. Die genannten Werte sind Erfahrungswerte aus den durchgeführten Fahrversuchen und der Umsetzung in der Serienfunktion des Seitenwindassistenten. In Abb. 5.5 sind drei Funktionen des Hochpasses dargestellt, die insbesondere bei einer langen Windböe bzw. beim Übergang in einen stationären Seitenwind zum Tragen kommen. In Phase 1 ist eine konstante Seitenwindkraft vorhanden. Der Hochpass filtert diese als Offset relativ schnell weg. In Phase 2 steigt die Seitenwindkraft auf einen konstanten Wert von 1200 N an, welcher nun zu einem Eingriff des Seitenwindassistenten führen würde und damit den Hochpass für ein gewisse Zeit anhält bzw. die Zeitkonstante auf einen hohem Wert setzt. In Phase 3 wird vom Assistenzeingriff wieder an den Fahrer übergeben. Dazu wird eine mittlere Zeitkonstante gewählt, so dass der Fahrer genügend Zeit hat, um selbst gegenzulenken. Am Ende der Phase 3 unterschreitet der Seitenwind die Schwelle zum Abschalten des Eingriffs, und dann wirkt wieder die Zeitkonstante aus Phase 1. Beschrieben wurde, dass bei langen Störungen nicht dauerhaft eingegriffen wird, was zwei Hauptgründe hat: 1. Durch die genannten Sensoroffsets kann nicht grundsätzlich entschieden werden, ob ein dauerhafter konstanter Seitenwind vorliegt. 2. Das aktive System Bremse ist aufgrund von Verschleiß, aufgebrachter Verzögerung und Energieeffizienz nicht geeignet, um dauerhaft einen Eingriff durchzuführen.
5.3 Eingriffsstrategie |
1400
107
beobachteteNSeitenwindkraftNohneNHochpass beobachteteNSeitenwindkraftNmitNHochpass
SeitenwindkraftNinNN
1200 1000
2
800
3
600 400
1
200 0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
ZeitNinNs Abb. 5.5: Gezeigt werden drei Funktionen des Hochpasses anhand einer langen Windböe. (1) Beseitigung eines Offsets. (2) Deaktivierung des Hochpasses während des Eingriffs. (3) Übergabe an den Fahrer mit einer Zeitkonstante von 2s. Die drei Phasen sind jeweils grau umrandet.
Durch die Umschaltung des Hochpasses kommt es zu einem linearen, aber zeitvarianten Verhalten des Systems, welches sich mit linearen Methoden untersuchen lässt, denn – niederfrequente Störungen werden an sich ausgefiltert. Es kommt also erst gar nicht zum Eingriff. – sobald es zum Eingriff kommt, wird der Hochpass deaktiviert und der Eingriff verhält sich, als ob kein Hochpass vorhanden wäre. Der hier beschriebene Hochpass stellt lediglich eine Ausgestaltung eines Formfilters für den Eingriff dar. Abhängig vom aktiven System und der zur Verfügung stehenden Sensorik kann er auch komplett entfallen, denn: – ist die Fahrdynamiksensorik offsetfrei, muss er nicht durch einen Hochpass beseitigt werden. – ist das aktive System geeignet, dauerhaft aktiv zu sein, muss die Unterstützung nicht zeitlich beschränkt werden.
108 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen
5.4 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters Es gibt verschiedene Ursachen, die zu Fehlern in der Seitenwindbeobachtung führen: – Modellfehler sind Fehler, die aufgrund von Vereinfachungen bei der Modellierung zustande kommen, d. h., das Einspurmodell kann das Fahrverhalten des Fahrzeugs nicht exakt nachbilden. – Parameterfehler sind Fehler, die aufgrund nicht genau bekannter Einstellwerte des Modells zustande kommen, z. B. ist die Masse des Fahrzeugs aufgrund der unbekannten Zuladung variabel und kann damit zu einer Abweichung führen (vgl. Abs. 4.3.6) – Fehler aufgrund äußerer Störungen. Da der Seitenwindbeobachter im Wesentlichen Giermomente am Fahrzeug detektiert, kann nicht unterschieden werden, ob es sich um Wind oder um anderen Störungen, wie z. B. Spurrillen, handelt. Im Abs. 4.3.6 wurde die Parameterempfindlichkeit ausführlich diskutiert und gezeigt, wie sich Parameterabweichungen auf die Seitenwindbeobachtung auswirken. Parameterfehler können verringert werden, indem Parameterschätzverfahren eingesetzt werden. Für den Seitenwindassistenten wurde der Eigenlenkgradient EG über einen rekursiven Least-Square Schätzer bestimmt (vgl. [86], [38]) und damit die Güte des Seitenwindbeobachters verbessert. Die Parameterschätzung wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht weiter vertieft und hierfür auf die entsprechende Literatur verwiesen. Eine gute Einführung findet sich in [86], [38], [11] und [79]. Eine Arbeit die sich mit der Identifikation von Fahrzeugparametern beschäftigt, ist z. B. [96]. Die Auswirkung von Modellfehlern lässt sich dadurch einschränken, indem das Modell nur innerhalb seines Gültigkeitsbereichs betrieben wird. Fehler aufgrund äußerer Störungen können verringert werden, indem sie in ihrer Wirkung durch geeignete Verfahren von Seitenwind unterschieden werden. So ist z. B. ein Giermoment aufgrund von Fahrbahnanregungen durch Federwegsensorik detektierbar. In diesem Abschnitt werden speziell Modellfehler und Fehler, die von äußeren Störungen verursacht werden, behandelt. Nachfolgend werden die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Methoden beschrieben, die zum einen dafür sorgen, dass das Modell nur innerhalb seiner Gültigkeitsgrenzen betrieben wird und zum anderen Seitenwind von anderen äußeren Störungen unterschieden wird. Der in Abs. 4.3 beschriebene Seitenwindbeobachter bestimmt hauptsächlich Giermomente, die durch äußere Störungen hervorgerufen werden, wie z. B. Seitenwind. Er ist jedoch nicht darauf beschränkt, sondern er bestimmt prinzipiell alle Giermomentstörungen, die durch am Fahrzeug angreifende Kräfte verursacht werden. Zur Trennung der Seitenwindstörung von anderen Störungen wird versucht herauszufinden, was die Störung verursacht hat. Sind andere Möglichkeiten ausgeschlossen, dann wird davon ausgegangen, dass es sich um eine Windstörung handelt oder von einer solchen nicht unterscheidbar ist.
5.4 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters |
109
Störgiermomente können über die Längs-, Quer- und Vertikaldynamik des Fahrzeugs entstehen, und es bedarf einer genauen Analyse der Ursachen, um ein Kriterium für die jeweilige Störung zu finden. Im Folgenden werden verschiedene Kriterien zur Bestimmung der Ursache einer Giermomentstörung hergeleitet. Die verwendeten Kriterien lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen und sind in Tabelle 5.1 dargestellt. Ihr Einfluss wird im Folgenden betrachtet. Tab. 5.1: Kategorien der Plausibilisierungen der Seitenwindbeobachtung. längsdynamisch
querdynamisch
vertikaldynamisch
heuristisch
Differenzschlupf
stationäres a y
Federwege
Geschwindigkeit
Fahrerbremswunsch
Übertragungsfunktion von a y zu ψ̇
Antriebsmoment
Lenkwinkel
Lenkwinkelgeschwindigkeit
5.4.1 Lenkwinkel und stationäre Querbeschleunigung Der Lenkwinkel δV ist eine Eingangsgröße des Referenzmodells des Störbeobachters. Damit der Beobachter die korrekte Seitenwindstörung ermitteln kann, muss das Referenzmodell im ungestörten Zustand so gut wie möglich zur Fahrdynamik des Fahrzeugs passen. Da als Referenzmodell ein lineares Einspurmodell zum Einsatz kommt, kann das Modell nur im linearen Bereich des Fahrzeugs gültige Werte liefern. Der lineare Bereich erstreckt sich bei einem Reibwert von μ = 1 maximal bis zu einer Querbeschleunigung von a y = 4 m/s2 (vgl. [64]). Damit das Modell sicher im linearen Bereich liegt und auch bei geringeren Reibwerten seine Gültigkeit nicht verliert, wird der Bereich über ein Lenkwinkelkriterium und ein Kriterium für die stationäre Querbeschleunigung eingeschränkt. Die stationäre Querbeschleunigung kann wie folgt berechnet werden [64]: a y,stat =
v2 δV . 1 + EGv2
(5.8)
Ist a y,stat kleiner als ein Grenzwert a y,stat,max , dann wird das entsprechende Einzelkriterium auf Eins gesetzt, und der beobachtete Seitenwind ist bezüglich des Kriteriums Krita y,stat gültig: Krita y,stat = {
1 0
: :
a y,stat < a y,stat,max sonst.
(5.9)
110 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen
30 δa ,stat y
δmax
25
δa ,stat,lim Lenkradwinkel in °
y
20
15
10
5
0 0
50
100 150 Geschwindigkeit in km/h
200
250
Abb. 5.6: Beispielhafte Darstellung der resultierenden Lenkwinkelbegrenzung über der Geschwindigkeit, zur besseren Interpretation auf Lenkradwinkel umgerechnet.
Bei kleinen Geschwindigkeiten lässt dieses Kriterium große Lenkwinkel zu bis der Grenzwert überschritten wird. Für größere Lenkwinkel passt das Referenzmodell nicht mehr gut genug zum Fahrzeug, da nicht modellierte Effekte deutlich zum Tragen kommen. Daher wird die Gültigkeit des Modells zusätzlich über den Lenkwinkel begrenzt: Kritδ = {
1 0
: :
|δV | < δV,max sonst.
(5.10)
In Abb. 5.6 sind beide Kriterien beispielhaft dargestellt, wobei zur besseren Interpretation der Lenkradwinkel anstatt des Vorderachslenkwinkels δV dargestellt wurde. Deutlich zu sehen ist, dass im Bereich kleiner Geschwindigkeiten die Lenkwinkelbegrenzung limitierend ist und im Bereich höherer Geschwindigkeiten das Kriterium für die stationäre Querbeschleunigung. Die rote Linie zeigt den Grenzwert der stationären Querbeschleunigung für hohe Geschwindigkeiten, der sich aus Gl. (5.8) berechnen lässt. Dazu wird die Gleichung nach δV umgestellt und der Grenzwert berechnet: (EGv2 + 1) v→∞ v2 1 = lim a y,stat,max (EG 2 ) = a y,stat,max EG. v→∞ v
lim δV = lim a y,stat,max
v→∞
(5.11)
5.4 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters | 111
5.4.2 Geschwindigkeit Die Fahrzeuggeschwindigkeit geht als quasistationärer Parameter v in das Referenzmodell ein. Bei kleinen Geschwindigkeiten wirken sich Seitenwindstörungen nur sehr gering auf das Fahrzeugverhalten aus, und Fahrbahnstörungen führen zu größeren Modellabweichungen und zu großen Giermomenten. Daher wird eine Begrenzung der Geschwindigkeit eingeführt: Kritv = {
1 0
: :
|v| > vmin sonst.
(5.12)
5.4.3 Lenkradwinkelgeschwindigkeit Schnelle Lenkbewegungen verursachen größere dynamische Fehler in der Seitenwindbeobachtung, da das dynamische Fahrzeugverhalten nur vereinfacht modelliert wurde. Außerdem sind schnelle Lenkbewegungen ein Indiz dafür, dass der Fahrer dynamisch aktiv ist, und er soll dabei nicht irritiert werden. Durch ein entsprechendes Kriterium wird eine zu hohe Lenkwinkelgeschwindigkeit ausgeschlossen: 1 : δ̇ V < δ̇ V,max Kritδ̇ V = { (5.13) 0 : sonst. 5.4.4 Differenzschlupf Aus den in Abs. 2.3.1 dargestellten Zusammenhängen ist ersichtlich, dass eine Änderung des Schlupfs immer eine Änderung der Längskraft zur Folge hat. Sind die Änderungen auf der rechten und linken Fahrzeugseite unterschiedlich, so entsteht ein Giermoment M z um die Fahrzeughochachse: sV sH Mz = (F x,VR − F x,VL ) + (F x,HR − F x,HL ) . (5.14) 2 2 Dabei ist sV die Spurweite an der Vorderachse und sH die Spurweite an der Hinterachse. Mit F x werden die Längskräfte der einzelnen Räder bezeichnet. Wenn das Giermoment exakt bestimmt werden kann, ist es möglich, den Seitenwindbeobachter damit zu korrigieren. Längskräfte, die durch äußere Störungen wie z. B. durch Fahrbahnanregungen entstehen, sind im Allgemeinen nicht direkt berechenbar. Dennoch können mit den Radschlüpfen Kriterien gebildet werden, welche es erlauben, Giermomente, die aus ihnen entstehen, zu erkennen. Abhängig von den berechneten Radschlüpfen kann die Gültigkeit der Seitenwindbeobachtung festgelegt werden. Im Folgenden werden hierfür zwei Kriterien verwendet: – Differenzschlupf an der Vorderachse, – Differenzschlupf an der Hinterachse. Differenzschlupf an der Vorderachse Differenzschlupf an einer nicht angetriebenen Achse (hier: Vorderachse) kann verschiedene Ursachen haben:
112 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen – – –
Aufschwimmen eines der Räder bei Aquaplaning; Anregung der Räder durch Straßenunebenheiten; Unterschiedlich starkes Abbremsen der Räder z.B während einer ABS-Regelung.
Zur Schlupfberechnung wird eine Referenzgeschwindigkeit für das Fahrzeug benötigt. Hierzu werden die Radgeschwindigkeiten in den Schwerpunkt transformiert und gemittelt. Da bei vielen Fahrzeugen unterschiedliche Bereifungen zwischen Vorderachse und Hinterachse erlaubt sind (Mischbereifung), kann es zu deutlichen Unterschieden bei den dynamischen Rollradien und damit zu Fehlern bei der Schlupfberechnung kommen. Um das zu vermeiden, werden für die Vorder- und Hinterachse jeweils eine separate Referenzgeschwindigkeit berechnet, die nur auf Basis der Räder der jeweiligen Achse bestimmt werden. Das ist deshalb erlaubt, weil nur Differenzen der Schlüpfe an der jeweiligen Achse von Interesse sind, aber nicht der absolute Wert. Die Referenzgeschwindigkeit auf Basis der Raddrehzahlen an der Vorderachse berechnet sich somit zu (vgl. [48]): vVL,S + vVR,S , 2 ωVL rdyn − sin δ(v y + ψl̇ V ) sV = + ψ̇ , cos δ 2 ωVR rdyn − sin δ(v y + ψl̇ V ) s V − ψ̇ . = cos δ 2
vref,VA,S =
(5.15)
vVL,S
(5.16)
vVR,S
(5.17)
Für v x >> v y und kleine Lenkwinkel δ vereinfacht sich das weiter zu: vref,VA,S =
ωVL rdyn + ωVR rdyn . 2
(5.18)
Für kleine Schlüpfe und höhere Geschwindigkeiten kann der Unterschied zwischen Antriebsschlupf und Bremsschlupf entfallen, da die betragsmäßigen Unterschiede gering sind. Hier wird die Definition des Bremsschlupfes nach Gl. (2.33) für beide Fälle verwendet. Dabei wird im Falle von Antriebsschlupf betragsmäßig ein zu hoher Schlupfwert berechnet, was grundsätzlich zu einer konservativeren Bewertung führt. Der Schlupf für die beiden Vorderräder berechnet sich damit zu: vVL − rdyn ωVL vref,VA,S − ψ̇ s2V − rdyn ωVL = vVL vref,VA,S − ψ̇ s2V rdyn ωVL =1− , vref,VA,S − ψ̇ sV
λVL =
(5.19)
2
vVR − rdyn ωVR vref,VA,S + ψ̇ s2V − rdyn ωVR = vVR vref,VA,S + ψ̇ s2V rdyn ωVR =1− . vref,VA,S + ψ̇ s2V
λVR =
(5.20)
5.4 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters | 113
Der Differenzschlupf an der Vorderachse berechnet sich damit wie folgt: ∆λVA = λVL − λVR rdyn ωVR −rdyn ωVL + . = vref,VA,S − ψ̇ s2V vref,VA,S + ψ̇ s2V
(5.21)
Hieraus wird Kriterium bezüglich des Differenzschlupfs an der Vorderachse: Krit∆λVA = {
1 0
: :
|∆λVA | < ∆λVA,max sonst.
(5.22)
Differenzschlupf an der Hinterachse Der Differenzschlupf an einer angetriebenen Achse (hier: Hinterachse) kann die gleichen Ursachen haben wie der an einer nicht angetriebenen Achse. Zusätzlich gibt es den Fall, dass aufgrund des Antriebs unterschiedlich große Schlupfwerte an dieser Achse zustande kommen. Das geschieht z. B. wegen unterschiedlicher Reibwerte zwischen rechter und linker Seite. Der Differenzschlupf an der Hinterachse lässt sich analog zur Berechnung an der Vorderachse durchführen. Zusätzlich wird die Rechnung dadurch vereinfacht, dass die Hinterachse im vorliegenden Fall nicht gelenkt wird. Damit ergibt sich (vgl. [48]): vHL,S + vHR,S , 2 ω HL rdyn =1− , v ref,HA,S − ψ̇ s2H ω HR rdyn =1− . v ref,HA,S + ψ̇ s H
vref,HA,S = λHL λHR
(5.23) (5.24) (5.25)
2
Damit ergibt sich der Differenzschlupf an der Hinterachse zu ∆λHA = λHL − λHR =
ωHR rdyn vref,HA,S +
ψ̇ s2H
−
ωHL rdyn
vref,HA,S − ψ̇ s2H
.
(5.26)
Hieraus ergibt sich analog zur nicht angetriebenen Achse das Kriterium für die angetriebene Achse: Krit∆λHA = {
1 0
: :
|∆λHA | < ∆λHA,max sonst.
(5.27)
5.4.5 Übertragungsfunktion von der Querbeschleunigung zur Gierrate Die Seitenwinderkennung mittels Beobachter wurde im Fahrzeug mit Seriensensorik umgesetzt. Diese Sensorik ist im Normalfall nur einfach vorhanden. Daher müssen Plausibilisierungen der Sensorsignale durchgeführt werden, um mögliche Sensorfehler zu erkennen oder für die Funktion unzulässige Fahrzustände auszuschließen. Des Weiteren ist das verwendete Fahrzeugmodell ein zweidimensionales Modell, welches
114 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen nur Translationen und Rotationen innerhalb des x,y-Koordinatensystems kennt. Die Bewegungen des realen Fahrzeugs finden aber in einer dreidimensionalen Welt mit Rotationen um drei Achsen und Translationen in drei Raumrichtungen statt. Ein Fahrzustand, in dem kein Kompensationseingriff durchgeführt werden soll, ist z. B. eine Fahrt durch eine Steilkurve. Bei der Fahrt durch eine Steilkurve passen Gierrate und Querbeschleunigung nicht in der vom Einspurmodell berechneten Weise zueinander, da hier die Bewegung des realen Fahrzeugs in der dreidimensionalen realen Welt stattfindet und sich nicht fehlerfrei in der verwendeten zweidimensionalen Modellwelt abbilden lässt. Fährt z. B. ein Fahrzeug mit 200 km/h durch eine Steilkurve mit 31 ° Querneigung und einem Radius von 600 m, so geschieht das querbeschleunigungsfrei, da sich die Zentrifugalkraft und die Hangabtriebskraft kompensieren. Um solche und andere Fälle, bei denen Querbeschleunigung und Gierrate nicht zueinander passen, auszuschließen, wird im Folgenden eine modellgestützte Plausibilisierung hergeleitet, welche auch unter [43] zum Patent angemeldet wurde. Als Basis dienen Impuls- und Drallsatz des linearen Einspurmodells ohne Einlaufverhalten GE (s)) = 1, welche in Abs. 2.3.2 ausführlich erläutert wurden. Da für die Gültigkeit des linearen Einspurmodells kleine Winkel vorausgesetzt wurden (vgl. Abs. 2.3.2), kann v x = v gesetzt werden: ̇ (β̇ + ψ)vm = FV + FH + SW − mgθ, ̈ J ψ = FV lV − FH lH + eSW .
(5.28) (5.29)
Zusätzlich wird die Schräglaufwinkel-Seitenkraft-Beziehung aus Gl. (2.81) an der Hinterachse verwendet: ψ̇ (5.30) FH = αH cH = (−β + lH ) cH . v Wird Gl. (5.28) nach FV umgestellt und FV und FH in den Drallsatz eingesetzt, so ergibt sich ψ̇ ̇ J ψ̈ = (ψ̇ + β)mvl (5.31) V + gml V θ + (β − l H ) c H l + (e − l V )S W , v wobei l = lV + lH der Radstand des Fahrzeugs ist. Wie in Abs. 4.3.4 ausführlich gezeigt wurde, enthält das gemessene und wankwinkelkorrigierte Querbeschleunigungssignal a∗y (vgl. Gl. (4.32)) die Straßenquerneigung: ̇ + gθ. a∗y = (β̇ + ψ)v
(5.32)
Durch Umstellen nach β̇ und einmaliges Ableiten ergeben sich die beiden Gleichungen: β̇ = β̈ =
a∗y − gθ v ȧ ∗y − g θ̇ v
− ψ,̇
(5.33)
− ψ.̈
(5.34)
5.4 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters | 115
Nun wird Gl. (5.31) abgeleitet: ψ̈ ̈ ̇ ̇ ̇ J ψ⃛ = (ψ̈ + β)mvl V + gml V θ + ( β − l H ) c H l + (e − l V ) S W . v
(5.35)
Durch Einsetzen der Gleichungen für β̇ und β̈ wird die Gleichung unabhängig von β: lH cH l ̈ ψ + lcH ψ̇ = v cH l gθ lV m ȧ ∗y + a∗y + (e − lV )Ṡ W − cH l . v v J ψ⃛ +
(5.36)
Daraus ergibt sich nach Laplacetransformation der Gleichung¹:
(
J cH l
s2 +
lH mlV 1 e − lV g ̇ s + 1) ψ(s) =( s + ) a∗y (s) + sSW (s) − θ(s). v lcH v l cH v
(5.37)
Werden die äußeren Störungen Ṡ W und θ vernachlässigt, kann die Übertragungsfunktion Ga∗y , ψ˙ (s) von a∗y zur Modellgierrate ψ̇ Modell bestimmt werden: ψ̇ Modell =
J cH l
1 v
mlV lcH s
+
s2
lH v s
+
+1
a∗y = Ga∗y , ψ˙ a∗y .
(5.38)
Die so aus der Querbeschleunigung berechnete Gierrate kann nun mit der gemessenen Gierrate verglichen werden. Hierfür muss ein Toleranzband um die Modellgierrate gelegt werden, da es aus mehreren Gründen zu Abweichungen kommen kann: – Modellfehler, – Parameterfehler, – Variation der Fahrzeugparameter, – äußere Störungen wie z. B. Seitenwind und Straßenquerneigung. Im Toleranzband werden nun die zuvor vernachlässigte Straßenquerneigung θ und der Seitenwindkraftgradient Ṡ W durch eine maximale Straßenquerneigung und einen maximalen Kraftgradienten berücksichtigt. Zusätzlich werden Sensoroffsets von Gierrate und Querbeschleunigung berücksichtigt. Weitere unbekannte Modell- und Parameterfehler werden durch eine zusätzliche Aufweitung des Toleranzbandes durch die gleichen Parameter wie die Offsets berücksichtigt. Die Höhe der Aufweitung muss fahrzeugspezifisch im Fahrversuch ermittelt werden. In Abb. 5.7 ist ein Beispiel aller Toleranzbänder dargestellt. Der zeitliche Windkraftgradient Ṡ W ist geschwindigkeitsabhängig. Um zu einer geschwindigkeitsunabhängigen Größe zu gelangen, wird Ṡ W durch die Geschwindigkeit
1 Die Laplacetransformation wird hier in Bezug auf a∗y , ψ,̇ Sw und θ berechnet.
116 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen v geteilt: ∆SW =
Ṡ W . v
(5.39)
Wird der Einfluss des Seitenwindkraftgradienten auf die Gierrate nach Gl. (5.37) berücksichtigt, dann ergibt sich als Toleranzband aufgrund von Seitenwind: e − lV ∆ ψ̇ SW = ∆SW,max v lcH
(5.40)
mit dem wegbezogenen maximalen Seitenwindgradienten ∆SW,max . Der maximal zulässige Sensoroffset für die Querbeschleunigung und der maximal zulässige Wert für die Straßenquerneigung lassen sich ineinander umrechnen (vgl. Abs. 4.3.4). Daher wird die Straßenquerneigung durch eine Anpassung des Querbeschleunigungsoffsets berücksichtigt. Mit den maximal zulässigen Werten für den Querbeschleunigungsoffset a y,Offset,max ergibt sich: a y,Offset,max . ∆ ψ̇ ay = v
(5.41)
Der maximale Gierratenoffset ψ̇ Offset,max kann direkt additiv berücksichtigt werden, da die Ausgangsgröße eine Gierrate ist. Damit ergibt sich unter Berücksichtigung der drei aufgezeigten Anteile: ∆ ψ̇ = ∆ ψ̇ SW + ∆ ψ̇ ay + ψ̇ Offset,max e − lV a y,Offset,max ̇ + ψOffset,max . = ∆SW,max v + lcH v
(5.42)
In Abb. 5.7 sind die verschiedenen Anteile über der Geschwindigkeit grafisch dargestellt. Wird ∆ ψ̇ zur Modellgierrate addiert, so ergibt sich die obere Grenze für eine plausible gemessene Gierrate; wird sie abgezogen, so ergibt sich die untere Grenze. Damit ist die gemessene Gierrate so lange sie zwischen oberer und unterer Grenze liegt gültig. Als Kriterium Krita y , ψ̇ kann daraus Folgendes abgeleitet werden: Krita y , ψ̇ = {
1 0
: :
ψ̇ Modell − ∆ ψ̇ < ψ̇ < ψ̇ Modell + ∆ ψ̇ sonst.
(5.43)
5.4.6 Fahrerbremswunsch Tritt der Fahrer auf die Bremse, so wird der Bremswunsch des Fahrers über die Bremsanlage des Fahrzeugs in eine Verzögerung umgesetzt. Überschreitet der FahrerbremsFahrer Fahrer wunsch MBrems,soll eine definierte Schwelle MBrems,max , wird das zugehörige Kriterium
5.4 Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters | 117
3.5 Toleranzband Seitenwind Toleranzband ay−Offset
3
Toleranzband Gierratenoffset Toleranzband Summe
∆ Gierrate in °/s
2.5
2
1.5
1
0.5
0 40
60
80
100
120 140 160 180 Geschwindigkeit in km/h
200
220
240
Abb. 5.7: Darstellung der Breite des Toleranzbandes um die Modellgierrate mit den einzelnen Anteilen.
KritBrems auf 0 gesetzt. Hierfür werden für den Seitenwindassistenten folgende Hauptgründe angeführt: – Die Bremsung durch den Fahrer hat eine höhere Priorität als die Seitenwindkompensation. – Ein aktiver Bremsdruckaufbau kann zu einem Pulsieren des Bremspedals führen und den Fahrer irritieren. – Die Längsdynamik ist im Modell nicht berücksichtigt, und es kann dadurch zu Abweichungen in der beobachteten Seitenwindkraft kommen. Für den Fahrerbremswunsch wurde folgendes Kriterium festgelegt: KritBrems = {
1 0
: :
Fahrer Fahrer MBrems,soll < MBrems,max sonst.
(5.44)
5.4.7 Antriebsmoment Wird das Fahrzeug stark beschleunigt, so kann es in Abhängigkeit von den Kraftschlussverhältnissen der Fahrbahn zu einem Giermoment um die Hochachse kommen. Daher wird auch für den Fall, dass das Antriebsmoment MAntrieb größer als eine Schwelle
118 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen MAntrieb,max ist, ein zugehöriges Kriterium KritAntrieb definiert: KritAntrieb = {
1 0
: :
|MAntrieb | < MAntrieb,max sonst.
(5.45)
Zur Abschätzung des Antriebsmoments werden das Motorkennfeld und die aktuelle Gesamtübersetzung zwischen Motor und angetriebener Achse verwendet. Mit dem stationären Motormoment MMotor,stat und der effektiven Übersetzung zwischen Motor und Rad iMotor,Rad kann MAntrieb = 2iMotor,Rad MMotor,stat
(5.46)
berechnet werden. 5.4.8 Federwege Auch Anregungen in vertikaler Richtung können zu Giermomenten am Fahrzeug führen. Einige Gründe hierfür sind (vgl. [73] oder [60]): – Sturz- und Spurwinkeländerung durch Einfederbewegung eines oder mehrerer Räder, – Änderung der Radaufstandskraft. Die Winkel- und Kraftänderungen sind nur mit großem Aufwand messbar, aber die Einfederbewegung kann über die vorhandene Federwegsensorik direkt gemessen werden. Daraus können dann weitere Kriterien zur Plausibilisierung des Seitenwindbeobachters abgeleitet werden, welche verschiedene Ursachen berücksichtigen: – Änderung des Federwegs der einzelnen Räder, – Änderung des Wankwinkels, – Änderung der Verspannung des Fahrzeugs. Für die Weiterverarbeitung werden die einzelnen Federwege z i durch einen Hochpass mit der Zeitkonstanten THP,FW gefiltert, so dass sich stationäre dauerhafte Änderungen nicht auswirken: z i,HP (s) =
THP,FW s z i (s) 1 + THP,FW s
i = {VL, VR, HL, HR}.
(5.47)
Die so gefilterten Federwege werden mit einem aus Fahrversuchen bestimmten Grenzwert verglichen und in einem Federwegkriterium bewertet: { 1 KritFederweg = { { 0
:
∏ (z i,HP < z i,HP,max )
:
sonst.
i
(5.48)
5.5 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 119
5.4.9 Gültigkeitsbestimmung Aus den vorher beschriebenen Einzelkriterien für die Gültigkeit der beobachteten Seitenwindkraft wird eine Gesamtgültigkeit berechnet, indem die Einzelkriterien logisch durch den Und-Operator verknüpft werden. Im vorliegenden Fall entspricht das direkt der Multiplikation der einzelnen Kriterien: n
KritSW = ∏ (Kriti ) ,
(5.49)
i=1
wobei im vorliegenden Fall n = 9 ist. Der Seitenwindassistent darf nur dann aktiv werden, wenn alle Einzelkriterien gültig sind und damit KritSW = 1 wird. Zusätzlich muss die Eingriffsschwelle SW,Lim (vgl. Abs. 5.3) von der beobachteten Seitenwindkraft Ŝ W überschritten werden. Unter bestimmten Umständen kann es dazu kommen, dass eine Seitenwindkraft geschätzt wird, die zwar oberhalb der Eingriffsschwelle liegt, aber KritSW erst danach gültig wird. In solchen Fällen darf es nicht zu einem Eingriff des Seitenwindassistenten kommen. Die Aktivierung des Seitenwindassistenten wird über einen Zustandsautomaten gesteuert, der in Tabelle 5.2 in Form einer Wahrheitstabelle dargestellt ist. Die erste Spalte zeigt den Wert von KritSW zum Zeitpunkt k an, und die zweite Spalte den Wert einen Zeitschritt früher. In der dritten Spalte ist SchwelleSW (k) zum Zeitpunkt k dargestellt. Ist der Wert 1, dann ist die beobachtete Seitenwindkraft Ŝ W größer als der Schwellwert SW,Lim , ansonsten ist der Wert 0. In Spalte vier ist SchwelleSW (k − 1) dargestellt, welche den Wert einen Zeitschritt früher darstellt. In Spalte fünf ist schließlich das Aktivierungssignal aktiv(k − 1) zum Zeitschritt k − 1 dargestellt, welches anzeigt, ob bereits ein aktiver Eingriff vorliegt. In Spalte sechs ist dann das Aktivierungssignal zum aktuellen Zeitpunkt k dargestellt, welches angibt, ob der Eingriff aufrechterhalten werden aktiv(k) = 1 oder ob er beendet werden soll aktiv(k) = 0.
5.5 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind Im Folgenden Abschnitt wird beschrieben, wie sich der aktive Eingriff des Seitenwindassistenten auf den gesamten Regelkreis aus Fahrer und Fahrzeug auswirkt. Hierfür wird zuerst diskutiert, wie sich die Seitenwindkompensation auf das Fahrverhalten an sich auswirkt. Anschließend wird zusätzlich der Fahrer im Regelkreis berücksichtigt. In Abb. 5.8 ist die Systemstruktur des Seitenwindassistenten dargestellt. Die beiden Eingänge Lenkwinkel δ und Seitenwindkraft SW werden dabei berücksichtigt. Zusätzlich ist kMz als Faktor für die Rückführung des Giermoments in den Beobachter aufgenommen. Damit lässt sich eine evtl. vorhandene Abweichung zwischen Soll- und Istgiermoment auf ihre Auswirkung im Gesamtsystem untersuchen.
120 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen
KritSW (k)
KritSW (k − 1)
SchwelleSW (k)
SchwelleSW (k − 1)
aktiv(k − 1)
aktiv(k)
Tab. 5.2: Wahrheitstabelle des Zustandsautomaten zur Aktivierung eines Eingriffs des Seitenwindassistenten.
0
0
1
1
1
1
0
1
1
1
1
1
1
0
1
0
0
1
1
0
1
0
1
1
1
0
1
1
1
1
1
1
1
0
0
1
1
1
1
0
1
1
1
1
1
1
0
1
1
1
1
1
1
1
Zusätzlich muss das dynamische Übertragungsverhalten von Sollgiermoment zu Istgiermoment berücksichtigt werden. Das Übertragungsverhalten bildet damit im Wesentlichen die Dynamik der Bremse vom Sollbremsmoment bis zum Istbremsmoment ab. Darin sind eine Verzugszeit, die Druckaufbaudynamik und die Entstehung der Kraft an der Bremsscheibe enthalten. Das Übertragungsverhalten lässt sich durch ein Tiefpassverhalten 2. Ordnung approximieren und wird als Übertragungsfunktion AMz (s) eingeführt: AMz (s) =
1 . 2 2 1 + 2dMz TMz s + TMz s
(5.50)
Darin ist dMz die Dämpfung und TMz die Zeitkonstante des Übertragungsverhaltens. Über kMz kann ein Unterschied zwischen dem Giermoment, das am Fahrzeug angreift, und dem, welches der Beobachter berücksichtigt, eingestellt werden. Gründe hierfür sind die Reibwertstreuungen zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe, welche viele Ursachen haben können. Im Folgenden sind einige Beispiele für einen geänderten Reibwert enthalten (vgl. [19]): – Streuungen in der Herstellung , – Verschmutzung in der Kontaktfläche durch Wasser, Staub oder Streusalz,
5.5 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 121
𝑆W Fahrzeug
𝛿 F𝑆
𝑊𝜓
B𝛿𝑆
W
B𝜓𝑆
W
𝑆W -K𝑆 +
W 𝑀z
+
F𝛿𝜓
SWA 𝑀z,soll
A𝑀
z
k𝑀
z
𝜓
F𝑀 𝜓 z
B𝑀 𝑆
z W
𝑀z Abb. 5.8: Systemstruktur des Seitenwindassistenten mit Beobachter und Kompensator.
– –
Bremsenfading aufgrund hoher Temperatur durch mehrfache starke Beanspruchung der Bremse, Dauerhafte Umwandlung des Materialgefüges aufgrund hoher thermischer Belastung.
In den meisten Fällen verringert sich der Reibwert hierdurch. Aus der in Abb. 5.8 dargestellten Struktur des Seitenwindassistenten ohne Fahrereinfluss können die zugehörigen Übertragungsfunktionen direkt abgeleitet werden. Als Zwischenschritt wird als Schnittstellengröße zwischen Beobachter und Fahrzeugmodell die Größe Mz verwendet. Damit ergibt sich (vgl. auch Abs. 4.3.5): ̇ ψ(s) = F δ, ψ˙ (s)δ(s) + FMz , ψ˙ (s)kMz Mz (s) + FSW , ψ˙ (s)SW (s), ̇ Ŝ W (s) = B δ,Sˆ W (s)δ(s) + BMz ,Sˆ W (s)Mz (s) + B ψ, ˙ Sˆ W (s) ψ(s),
(5.51) (5.52)
wobei Mz (s) = AMz (s)Mz,soll (s) ist. In der Übertragungsfunktion des Beobachters kann zusätzlich eine Signalfilterung berücksichtigt werden, welche in Abb. 5.8 zur besseren Übersichtlichkeit nicht dargestellt wurde. Die Filterung wirkt direkt auf Ŝ W und kann durch eine einfache Substitution berücksichtigt werden: Ŝ W,f (s) = GTP (s)Ŝ W (s),
(5.53)
wobei Ŝ W,f (s) den mit dem Tiefpass GTP (s) gefilterten Beobachterwert darstellt: GTP (s) =
1 , 1 + 2dB TB s + TB2 s2
(5.54)
122 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen wobei dB die Dämpfung und TB die Zeitkonstante des Filters sind. Mit dem Störkompensator KSW ,Mz (s) aus Gl. (5.3) werden daraus die für die weitere Analyse wichtigsten Übertragungsfunktionen des Systems berechnet: – G SW , Ŝ W (s) ist die Übertragungsfunktion von realer Seitenwindkraft SW zur beobachteten Seitenwindkraft Ŝ W , wobei δV = 0 ist. Sie stellt dar, wie sich der aktive Bremseingriff auf die beobachtete Seitenwindkraft auswirkt. – G SW , ψ̇ (s) ist die Übertragungsfunktion von realer Seitenwindkraft SW zur Gierrate ψ,̇ wobei δV = 0 ist. Sie ermöglicht die Analyse der Wirksamkeit des Seitenwindas–
sistenten. G δ, ψ̇ (s) ist die Übertragungsfunktion von Lenkwinkel δV zur Gierrate ψ,̇ wobei SW = 0 ist. Sie zeigt an wie sich das Fahrverhalten des Fahrzeugs während eines Seitenwindeingriffs verändert, der aufgrund von fehlerhaft beobachtetem Seitenwind entsteht.
Aus Abb. 5.8 kann die Gleichung für die Übertragungsfunktion von Ŝ W zu Mz abgelesen werden: Mz (s) = −KSW ,Mz (s)AMz (s)Ŝ W (s).
(5.55)
Wird in Gl. (5.52) Mz durch Gl. (5.55) ersetzt und δV = 0 gesetzt, dann ergibt sich: ̇ Ŝ W (s) = −AMz (s)BMz ,Sˆ W (s)KSW ,Mz (s)Ŝ W (s) + B ψ, ˙ Sˆ W (s) ψ(s).
(5.56)
Durch Umstellen nach ψ̇ wird daraus: ̇ ψ(s) =
(1 + AMz (s)BMz ,Sˆ W (s)KSW ,Mz (s)) Ŝ W (s) B ψ, ˙ Sˆ W (s)
.
(5.57)
Damit kann schließlich ψ̇ aus Gl. (5.51) eliminiert und G SW , Ŝ W (s) berechnet werden: G SW , Ŝ W (s) =
B ψ, ˙ Sˆ W (s)F SW , ψ˙ (s)
.
1 + (BMz ,Sˆ W (s) + kMz B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)) A Mz (s)K SW ,Mz (s)
(5.58)
Wird der beobachtete Seitenwind aus Gl. (5.52) in den Kompensator aus Gl. (5.55) eingesetzt und δV = 0 gesetzt, so ergibt sich: ̇ Mz (s) = − (BMz ,Sˆ W (s)Mz (s) + B ψ, ˙ Sˆ W (s) ψ(s)) K SW ,Mz (s)A Mz (s).
(5.59)
Durch Umstellen nach Mz wird daraus: Mz (s) = −
B ψ, ˙ Sˆ W (s)K SW ,Mz (s)A Mz (s) AMz (s)BMz ,Sˆ W (s)KSW ,Mz (s) + 1
̇ ψ(s).
(5.60)
Damit kann Mz aus Gl. (5.51) eliminiert werden, und G SW , ψ̇ (s) wird: G SW , ψ̇ (s) =
FSW , ψ˙ (s) (1 + AMz (s)BMz ,Sˆ W (s)KSW ,Mz (s)) 1 + (BMz ,Sˆ W (s) + kMz B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)) A Mz (s)K SW ,Mz (s)
.
(5.61)
5.5 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 123
Wird der beobachtete Seitenwind aus Gl. (5.52) in den Kompensator aus Gl. (5.55) eingesetzt und SW = 0 gesetzt, so ergibt sich: ̇ Mz (s) = − (BMz ,Sˆ W (s)Mz (s) + B δ,Sˆ W (s)δ(s) + B ψ, ˙ Sˆ W (s) ψ(s)) K SW ,Mz (s)A Mz (s).
(5.62)
Durch Umstellen nach Mz wird daraus: Mz (s) = −
̇ B δ,Sˆ W (s)δ(s) + B ψ, ˙ Sˆ W (s) ψ(s) AMz (s)BMz ,Sˆ W (s)KSW ,Mz (s) + 1
KSW ,Mz (s)AMz (s).
(5.63)
Damit kann Mz aus Gl. (5.51) eliminiert werden, und G δ, ψ̇ (s) wird: G δ, ψ̇ (s) =
F δ, ψ˙ (s) + (BMz ,Sˆ W (s)F δ, ψ˙ (s) − kMz B δ,Sˆ W (s)FMz , ψ˙ (s)) AMz (s)KSW ,Mz (s) 1 + (BMz ,Sˆ W (s) + kMz B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)) A Mz (s)K SW ,Mz (s)
.
(5.64)
Im Folgenden wird der geschlossene Regelkreis ohne Fahrer näher untersucht.
5.5.1 Ideales Verhalten Stimmen die Parameter von Beobachter und Fahrzeug exakt überein und werden die Dynamik der Aktorik sowie die Filterung des Beobachters vernachlässigt, ergibt sich als Ergebnis die ideale Störkompensation: – Die Seitenwindbeobachtung weist keinen Fehler auf Ŝ W = SW . – Die Seitenwindstörung wird vollständig kompensiert ψ̇ = 0. – Die Übertragungsfunktion von Lenkwinkel zu Gierrate ändert sich nicht G δ, ψ̇ (s) = F δ, ψ˙ (s).
5.5.2 Ideales Verhalten mit Parameterabweichung Wie in Abs. 4.3.6 gezeigt wurde, führen Parameterfehler zu Abweichungen der beobachteten Seitenwindkraft. Das trifft natürlich auch im Falle des geschlossenen Regelkreises zu. Hier soll dargestellt werden, wie sich Parameterfehler im Fahrverhalten des Fahrzeugs im Bezug auf Lenkwinkel und Seitenwind auswirken. Genau wie im vorigen Abschnitt werden die Aktordynamik (AMz (s) = 1), kMz = 1 und die Filterung im Beobachter vernachlässigt, wodurch das grundsätzliche Verhalten besser bestimmt werden kann. Wie in Gl. (4.52) gezeigt wurde, ist: BMz ,Sˆ W (s) = −
(mvs + σ) . (emvs + eσ + ρ)
(5.65)
Außerdem ist KSW ,Mz (s) laut Gl. (5.3): KSW ,Mz (s) = (e +
ρ emvs + eσ + ρ )=( ). mv s + σ mv s + σ
(5.66)
124 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen Damit ist KSW ,Mz (s) genau der negative Kehrwert von BMz ,Sˆ W (s) und es gilt KSW ,Mz (s) ⋅ BMz ,Sˆ W (s) = −1. Dadurch wird der Zähler von Gl. (5.61) zu Null und damit auch die gesamte Übertragungsfunktion G SW , ψ̇ (s) = 0, d. h. trotz vorhandener Parameterfehler wird die Seitenwindstörung vollständig kompensiert. Mit der gleichen Begründung kürzt sich die Gl. (5.64) zu G δ, ψ̇ (s) =
=
=
F δ, ψ˙ (s) + (BMz ,Sˆ W (s)F δ, ψ˙ (s) − B δ,Sˆ W (s)FMz , ψ˙ (s)) KSW ,Mz (s) 1 + (BMz ,Sˆ W (s) + B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)) K SW ,Mz (s) F δ, ψ˙ (s) + (−F δ, ψ˙ (s) − B δ,Sˆ W (s)FMz , ψ˙ (s)KSW ,Mz (s)) 1 + (−1 + B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)K SW ,Mz (s)) −B δ,Sˆ W (s)FMz , ψ˙ (s)KSW ,Mz (s) B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)K SW ,Mz (s)
=−
B δ,Sˆ W (s)
B ψ, ˙ Sˆ W (s)
.
(5.67)
Da die Nenner von B δ,Sˆ W (s) und von B ψ, ˙ Sˆ W (s) gleich sind (vgl. Gl. (4.52)), ist: G δ, ψ̇ (s) =
Jmv2 s2
mcV lV v2 s + cH cV vl . + (Jvσ + mvκ) s + mv2 ρ + cH cV l2
(5.68)
Damit wird dem Fahrzeug das Verhalten des Fahrzeugmodells trotz vorhandener Parameterfehler aufgeprägt, und das Fahrzeug verhält sich wie das modellierte Fahrzeug. Für den Fahrer ändert sich damit das Übertragungsverhalten des Fahrzeugs während eines aktiven Eingriffs.
5.5.3 Einfluss der Aktordynamik und der Filterung des Beobachters Bisher wurde das Verhalten ohne Berücksichtigung der Aktordynamik und ohne Filterung des Beobachters untersucht. Im Folgenden werden beide Einflüsse berücksichtigt. Im ersten Schritt wird wieder angenommen, dass die Parameter exakt bekannt sind. Sowohl für die Aktordynamik als auch für die Filterung des Beobachters wird ein Tiefpassfilter zweiter Ordnung verwendet, welche in Gl. (5.50) und Gl. (5.54) dargestellt sind. Die Aktordynamik ist in Gl. (5.58) bereits berücksichtigt. Die Filterung kann, wie in Abs. 5.5 erwähnt, durch Multiplikation der Beobachterteilübertragungsfunktionen mit der ausgewählten Filterübertragungsfunktion berücksichtigt werden. Damit ergibt sich: B ψ, ˙ Sˆ W (s)F SW , ψ˙ (s)G TP (s) . (5.69) G SW , Ŝ W (s) = 1 + (BMz ,Sˆ W (s) + kMz B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)) G TP (s)A Mz (s)K SW ,Mz (s) Um die Gleichung zu vereinfachen, werden die Teilübertragungsfunktionen des Störbeobachters aus Gl. (4.52) und des Fahrzeugmodells aus Gl. (4.51) bezüglich des Zählers
5.5 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 125
und des Nenners verglichen. Dabei fällt auf, dass Zählerterme des Fahrzeugmodells als Nennerterme im Beobachter auftauchen. Werden die Übertragungsfunktionen des Fahrzeugmodells in Zähler und Nenner aufgespalten, dann ergeben sich: FSW , ψ˙ (s) = F δ, ψ˙ (s) = FMz , ψ˙ (s) =
ZSW , ψ˙ (s) NF (s) Z δ, ψ˙ (s)
, NF (s) ZMz , ψ˙ (s) NF (s)
,
(5.70) (5.71)
.
(5.72)
Für den Beobachter ergeben sich durch Vergleich mit dem Fahrzeugmodell: B ψ, ˙ Sˆ W (s) =
NF (s) , ZSW , ψ˙ (s)
B δ,Sˆ W (s) = − BMz ,Sˆ W (s) = −
(5.73)
Z δ, ψ˙ (s) ZSW , ψ˙ (s) ZMz , ψ˙ (s) ZSW , ψ˙ (s)
,
(5.74)
.
(5.75)
Aus Abs. 5.5.2 ist bekannt, dass KSW ,Mz (s)BMz ,Sˆ W (s) = −1 gilt. Damit kann der Störkompensator auch dargestellt werden als: KSW ,Mz (s) =
ZSW , ψ˙ (s) ZMz , ψ˙ (s)
.
(5.76)
Nach Einsetzen in Gl. 5.69 wird damit: G SW , Ŝ W (s) =
NF (s) ZSW , ψ˙ (s) ZSW , ψ˙ (s) NF (s) G TP (s)
1 + ( Z NF (s) ˙ (s) SW , ψ
ZMz , ψ˙ (s) NF (s) k Mz
−
ZSW , ψ˙ (s) ZMz , ψ˙ (s) ZSW , ψ˙ (s) ) G TP (s)A Mz (s) ZMz , ψ˙ (s)
.
(5.77)
Durch Kürzen und Ausmultiplizieren ergibt sich für die Seitenwindbeobachtung: G SW , Ŝ W (s) =
GTP (s) . (kMz − 1) GTP (s)AMz (s) + 1
(5.78)
Stationär wird damit: 1 Ŝ W (s) = SW (s). kMz
(5.79)
Dadurch wird, abhängig vom Giermomentfaktor, der Seitenwind zu hoch oder zu niedrig geschätzt. Ist kMz = 1, so wird aus G SW , Ŝ W (s): G SW , Ŝ W (s) =GTP (s).
(5.80)
126 | 5 Neue Kompensationsstrategie zum Ausgleich von Seitenwindstörungen Damit liefert der Seitenwindbeobachter den tiefpassgefilterten Wert der realen Seitenwindkraft und ist stationär genau. Beim Lenkverhalten ergibt sich aufgrund der exakten Parameter keine Veränderung, da beim Lenken kein fehlerhafter Seitenwind geschätzt wird und es somit auch nicht zu einem Eingriff kommt. Damit ist: G δ, ψ̇ (s) =F δ, ψ˙ (s).
(5.81)
Für die Gierreaktion auf Seitenwind ergibt sich aus Gl. (5.61) nach Berücksichtigung der Filterung des Beobachters: G SW , ψ̇ (s) =
FSW , ψ˙ (s) (1 + AMz (s)BMz ,Sˆ W (s)GTP (s)KSW ,Mz (s)) 1 + (BMz ,Sˆ W (s) + kMz B ψ, ˙ Sˆ W (s)F Mz , ψ˙ (s)) A Mz (s)K SW ,Mz (s)
.
(5.82)
.
(5.83)
Nach Einsetzen der Zähler- und Nennerterme: G SW , ψ̇ (s) =
ZSW , ψ˙ (s) NF (s) Z
˙
Z
(s)
SW , ψ
(s)
1 + (− Z Mz ,ψ˙ (s) + kMz Z NF (s) ˙ (s) SW , ψ
˙
Z
˙
(s)
(1 − AMz (s) Z Mz ,ψ˙ (s) GTP (s) ZSW ,ψ˙ (s) ) SW , ψ
Mz , ψ
ZSW , ψ˙ (s) ZMz , ψ˙ (s) NF (s) ) A Mz (s) ZMz , ψ˙ (s)
Nach Kürzen und Ausmultiplizieren wird daraus: G SW , ψ̇ (s) =
1 − AMz (s)GTP (s) F ˙ (s). 1 + AMz (s)GTP (s) (kMz − 1) SW , ψ
(5.84)
Ist das System stabil, so kann das stationäre Verhalten direkt über den Zähler bestimmt werden. Da AMz (s) und GTP (s) stationär den Wert Eins annehmen, ist der stationäre Wert von G SW , ψ̇ (s) Null. Damit wird eine Seitenwindstörung unter Berücksichtigung von Aktor- und Filterdynamik stationär kompensiert. Wichtig ist nun noch, die Stabilität des Gesamtsystems zu bestimmen. Da die drei Übertragungsfunktionen aus Gl. (5.58), Gl. (5.61) und Gl. (5.64) alle den gleichen Nenner aufweisen, ist es ausreichend, die Stabilität einer der Übertragungsfunktionen nachzuweisen. Da die Übertragungsfunktion des Fahrzeugs grundsätzlich als stabil anzunehmen ist, genau so wie die Aktordynamik und die Filterung des Beobachters, genügt es, die Stabilität von 1 − AMz (s)GTP (s) 1 + AMz (s)GTP (s) (kMz − 1)
(5.85)
ausgehend von Gl. (5.84) nachzuweisen. Nach Einsetzen der Übertragungsfunktionen ergibt sich für den Nenner (vgl. Zwischenrechnung in Anhang B.1): NG (s) =(TA 2 s2 + 2TA dA s + 1)(TB 2 s2 + 2BdB s + 1) + kMz − 1 =TA 2 TB 2 s4 + 2TA TB (TA dB + TB dA ) s3 + (TA 2 + TB 2 + 4TA TB dA dB ) s2 + 2 (TA dA + TB dB ) s + kMz .
(5.86)
Für die Stabilität müssen alle Wurzeln von NG einen negativen Realteil aufweisen. Wird das Hurwitz-Kriterium (vgl. [88], [27], [55]) auf NG (s) angewendet, so müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:
5.5 Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind | 127
1. 2. 3.
a i > 0 für i = 0..4, a3 a2 − a1 a4 > 0, a3 a2 a1 − a23 a0 − a4 a21 > 0.
Bedingung 1 ist direkt erfüllt, da alle Parameter TA , TB , dA , dB und kMz größer als Null sind. Aus Bedingung 2 ergibt sich: a3 a2 − a1 a4 = 8TA 3 TB 2 dA dB 2 + 8TA 2 TB 3 dA 2 dB + 2TA 4 TB dB + 2TA TB 4 dA
> 0. (5.87)
Aufgrund der positiven Parameter ist auch sie immer erfüllt. Aus Bedingung 3 ergibt sich durch Umstellung nach kMz : kMz
glSwD:=SwD=(J*m*v^2*s^2+(m*v*kappa+J*v*sigma)*s+m*v^2*rho +ch*cv*l^2)/Nbeo*psip-(m*cv*lv*v^2*s+ch*cv*v*l)/Nbeo*delta:
Abkürzungen zur Reduzierung der Länge der Gleichungen > sigma:=cv+ch: rho:=ch*lh-cv*lv: kappa:=cv*lv^2+ch*lh^2:
Fahrzeugmodellgleichung
> glFzg:=psip=((e*m*s*v+ch*e+ch*lh+cv*e-cv*lv)*v*Sw + (cv*lv*m*s*v+ch*cv*l)*v*delta) /(J*m*s^2*v^2+ch*lh^2*m*s*v+cv*lv^2*m*s*v+ch*lh*m*v^2 -cv*lv*m*v^2+J*ch*s*v+J*cv*s*v+ch*cv*l^2):
Ersetzen von m durch mF in der Fahrzeugmodellgleichung > glFzg1:=subs(m=mF,glFzg):
glFzg1 nach Lenkwinkel auflösen > glDelta:=solve(glFzg1,delta):
glDelta in glSwD einsetzen und damit delta eliminieren > gl5:=subs(delta=glDelta, glSwD):
Nur Einfluss aus der realen Seitenwindkraft betrachten, dazu psip=0 setzen > gl_1Sw:=subs(psip=0, gl5):
Umformungen, um Gleichungen zu verkürzen und zu vereinfachen > Z_SW:=subs({mF=m-Delta}, numer(rhs(gl_1Sw))): #Nur im Zähler ersetzen > Z_SW_0:=subs(Delta=0,Z_SW): #Delta=0 > Z_SW_Delta:=collect(simplify(Z_SW-Z_SW_0), {Delta,Sw,s}): > N_SW:=simplify(denom(rhs(gl_1Sw))): > gl_SW_1 :=collect(subs(m=mF+Delta,simplify(Z_SW_0/N_SW)),Delta): > gl_SW_2 := Z_SW_Delta/N_SW:
So umformen, dass die Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆SW = Ŝ W − SW ausgegeben wird > gl_DeltaSW:=simplify(collect(gl_SW_1 + gl_SW_2-Sw, {Sw, Delta,s})):
Nur Einfluss aus der Fahrzeuggierrate betrachten, dazu Sw=0 setzen DOI 10.1515/9783110542059-008
150 | A Parameterempfindlichkeit
> gl7:=numer(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Umformen und versuchen, in der Gleichung die Differenz m-mF zu finden > gl8:=collect(algsubs(m-mF=Delta,gl7), {Delta,psip, v,s, J}): > gl9:=simplify()gl8/denom(subs(Sw=0,rhs(gl5)))):
Aus gl9 und gl_DeltaSW ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [
+
el V mv2 s2 + c H elvs lV vs − ] ∆m SW (s) (lV m F vs + c H l v (emvs + eσ + ρ) (l V m F vs + c H l) ρJvs2 + (κ − c V l V l)c H ls + ρc H lv ̇ ∆m ψ(s). v (emvs + eσ + ρ) (l V m F vs + c H l)
Für die Grenzwert bei hohen Frequenzen bezüglich der Seitenwindkraft und der Gierrate ergeben sich mit Maple: Maple Code-Listing: Grenzwert bzgl. Seitenwindkraft bei hohen Frequenzen > gl_LimSwD:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl_DeltaSW), omega=infinity)));
Grenzwert bzgl. Gierrate bei hohen Frequenzen > gl_LimPsip:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl9), omega=infinity)));
Damit ist der Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft für hohe Frequenzen nach gl_LimSwD: =0. lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 (A.1) ̇ ω→∞ Damit ist der Grenzwert bezüglich der Gierrate für hohe Frequenzen nach gl_LimPsip: ρ ̇ J∆m F ψ(∞) lim ∆ Ŝ W (ω)S (ω)=0 = (A.2) .. ω→∞ W veml V m F
A.2 Fahrzeuggierträgheit J Zurücksetzen der Maple-Umgebung > restart;
Gleichung für den Seitenwindbeobachter (SwD) > glSwD:=SwD=(J*m*v^2*s^2+(m*v*kappa+J*v*sigma)*s+m*v^2*rho +ch*cv*l^2)/Nbeo*psip-(m*cv*lv*v^2*s+ch*cv*v*l)/Nbeo*delta:
Abkürzungen zur Reduzierung der Länge der Gleichungen > sigma:=cv+ch: rho:=ch*lh-cv*lv: kappa:=cv*lv^2+ch*lh^2:
Fahrzeugmodellgleichung
> glFzg:=psip=((e*m*s*v+ch*e+ch*lh+cv*e-cv*lv)*v*Sw +
A.2 Fahrzeuggierträgheit J
| 151
(cv*lv*m*s*v+ch*cv*l)*v*delta) /(J*m*s^2*v^2+ch*lh^2*m*s*v+cv*lv^2*m*s*v+ch*lh*m*v^2 -cv*lv*m*v^2+J*ch*s*v+J*cv*s*v+ch*cv*l^2):
Ersetzen von m durch JF in der Fahrzeugmodellgleichung > glFzg1:=subs(J=JF,glFzg):
glFzg1 nach Lenkwinkel auflösen > glDelta:=solve(glFzg1,delta):
glDelta in glSwD einsetzen und damit delta eliminieren > gl5:=subs(delta=glDelta, glSwD):
Nur Einfluss aus der realen Seitenwindkraft betrachten, dazu psip=0 setzen > gl_1Sw:=subs(psip=0, gl5):
Umformungen, um Gleichungen zu verkürzen und zu vereinfachen > Z_SW:=subs({JF=J-Delta}, numer(rhs(gl_1Sw))): #Nur im Zähler ersetzen > Z_SW_0:=subs(Delta=0,Z_SW): #Delta=0 > Z_SW_Delta:=collect(simplify(Z_SW-Z_SW_0), {Delta,Sw,s}): > N_SW:=simplify(denom(rhs(gl_1Sw))): > gl_SW_1 :=collect(subs(J=JF+Delta,simplify(Z_SW_0/N_SW)),Delta): > gl_SW_2 := Z_SW_Delta/N_SW:
So umformen, dass die Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆SW = Ŝ W − SW ausgegeben wird > gl_DeltaSW:=collect(gl_SW_1 + gl_SW_2-Sw, {Sw, Delta,s}):
Nur Einflusses aus der Fahrzeuggierrate betrachten, dazu Sw=0 setzen > gl7:=numer(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Umformn und versuchen, in der Gleichung die Differenz J-JF zu finden > gl8:=collect(algsubs(J-JF=Delta,gl7), {Delta,psip, v,s, J}): > gl9:=gl8/denom(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Aus gl9 und gl_DeltaSW ergibt sich:
∆ Ŝ W (s) =
mvs2 + σs ̇ ∆J ψ(s). emvs + eσ + ρ
(A.3)
∆ Ŝ W (s) ist damit unabhängig von SW (s). Für die Ableitung des Amplitudengangs wird darin s durch jω ersetzt und anschließend die Ableitung nach ω gebildet. In Maple kann das wie folgt berechnet werden: Ableitung des Amplitudengangs nach omega (d/domega) > gl10:=diff(subs(s=I*omega,gl9),omega):
Der Grenzwert für hohe Frequenzen
> gl11:=simplify(abs(limit(gl10, omega=infinity))): Aus gl11 ergibt sich:
1 d ̇ lim ∆ Ŝ W (ω) = ∆J ψ(ω) . ω→∞ dω e
(A.4)
152 | A Parameterempfindlichkeit
A.3 Schräglaufsteifigkeit an der Vorderachse c V Maple Code-Listing: Zurücksetzen der Maple-Umgebung > restart;
Gleichung für Seitenwindbeobachter (SwD) > glSwD:=SwD=(J*m*v^2*s^2+(m*v*kappa+J*v*sigma)*s+m*v^2*rho +ch*cv*l^2)/Nbeo*psip-(m*cv*lv*v^2*s+ch*cv*v*l)/Nbeo*delta:
Abkürzungen zur Reduzierung der Länge der Gleichungen > sigma:=cv+ch: rho:=ch*lh-cv*lv: kappa:=cv*lv^2+ch*lh^2:
Fahrzeugmodellgleichung
> glFzg:=psip=((e*m*s*v+ch*e+ch*lh+cv*e-cv*lv)*v*Sw + (cv*lv*m*s*v+ch*cv*l)*v*delta) /(J*m*s^2*v^2+ch*lh^2*m*s*v+cv*lv^2*m*s*v+ch*lh*m*v^2 -cv*lv*m*v^2+J*ch*s*v+J*cv*s*v+ch*cv*l^2):
Ersetzen von cv durch cvF in der Fahrzeugmodellgleichung > glFzg1:=subs(cv=cvF,glFzg):
glFzg1 nach Lenkwinkel auflösen > glDelta:=solve(glFzg1,delta):
glDelta in glSwD einsetzen und damit delta eliminieren > gl5:=subs(delta=glDelta, glSwD):
Nur Einfluss aus der realen Seitenwindkraft betrachten, dazu psip=0 setzen > gl_1Sw:=subs(psip=0, gl5):
Umformungen, um Gleichungen zu verkürzen und zu vereinfachen > Z_SW:=subs({cvF=cv-Delta}, numer(rhs(gl_1Sw))): #Nur im Zähler ersetzen > Z_SW_0:=subs(Delta=0,Z_SW): #Delta=0 > Z_SW_Delta:=collect(simplify(Z_SW-Z_SW_0), {Delta,Sw,s}): > N_SW:=simplify(denom(rhs(gl_1Sw))): > gl_SW_1 :=collect(subs(cv=cvF+Delta,simplify(Z_SW_0/N_SW)),Delta): > gl_SW_2 := Z_SW_Delta/N_SW:
So umformen, dass die Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆SW = Ŝ W − SW ausgegeben wird > gl_DeltaSW:=simplify(collect(gl_SW_1 + gl_SW_2-Sw, {Sw, Delta,s})):
Nur Einfluss aus der Fahrzeuggierrate betrachten, dazu Sw=0 setzen > gl7:=numer(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Umformen und versuchen, in der Gleichung die Differenz cv-cvF zu finden > gl8:=collect(algsubs(cv-cvF=Delta,gl7), {Delta,psip, v,s, J}): > gl9:=simplify()gl8/denom(subs(Sw=0,rhs(gl5)))):.
A.4 Schräglaufsteifigkeit an der Hinterachse c H
| 153
Aus gl9 und gl_DeltaSW ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [ −
cV (lV − e) 1 + ] ∆cV SW (s) cV,F cV,F (emvs + σe + ρ) Jmvs2 + (cH l2H m + JcH )s + cH lH mv ̇ ∆cV ψ(s). cV,F (emvs + σe + ρ)
(A.5)
Für den Grenzwert für hohe Frequenzen bezüglich der Seitenwindkraft ergibt sich mit Maple: Maple Code-Listing: Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft bei hohen Frequenzen > gl_LimSwD:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl_DeltaSW), omega=infinity)));
Damit ist der Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft für hohe Frequenzen: 1 = lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 ∆cV SW (∞) . ̇ ω→∞ cV,F
(A.6)
Für die Grenzwerte der Ableitungen des Amplitudengangs nach ω für hohe Frequenzen ergeben sich mit Maple: Maple Code-Listing: Ableitung des Amplitudengangs nach omega (d/domega) bezüglich des Anteils aus psip > glPsip1:=diff(subs(s=I*omega,gl9),omega):
Der Grenzwert für hohe Frequenzen
> glPsip2:=simplify(abs(limit(glPsip1, omega=infinity))):
Ableitung des Amplitudengangs nach omega (d/domega) bezüglich des Anteils aus Sw > glSw1:=diff(subs(s=I*omega,gl_DeltaSW),omega):
Der Grenzwert für hohe Frequenzen
> glSw2:=simplify(abs(limit(glSw1, omega=infinity))):
Der Grenzwert der Ableitung bezüglich der Gierrate ist nach glPsip2: d J ̇ = lim ∆ Ŝ W (ω) ∆cV ψ(∞) . ω→∞ dω SW (ω)=0 ecV,F
A.4 Schräglaufsteifigkeit an der Hinterachse c H Maple Code-Listing: Zurücksetzen der Maple-Umgebung
(A.7)
154 | A Parameterempfindlichkeit
> restart;
Gleichung für Seitenwindbeobachter (SwD) > glSwD:=SwD=(J*m*v^2*s^2+(m*v*kappa+J*v*sigma)*s+m*v^2*rho +ch*cv*l^2)/Nbeo*psip-(m*cv*lv*v^2*s+ch*cv*v*l)/Nbeo*delta:
Abkürzungen zur Reduzierung der Länge der Gleichungen > sigma:=cv+ch: rho:=ch*lh-cv*lv: kappa:=cv*lv^2+ch*lh^2:
Fahrzeugmodellgleichung
> glFzg:=psip=((e*m*s*v+ch*e+ch*lh+cv*e-cv*lv)*v*Sw + (cv*lv*m*s*v+ch*cv*l)*v*delta) /(J*m*s^2*v^2+ch*lh^2*m*s*v+cv*lv^2*m*s*v+ch*lh*m*v^2 -cv*lv*m*v^2+J*ch*s*v+J*cv*s*v+ch*cv*l^2):
Ersetzen von ch durch chF in der Fahrzeugmodellgleichung > glFzg1:=subs(ch=chF,glFzg):
glFzg1 nach Lenkwinkel auflösen > glDelta:=solve(glFzg1,delta):
glDelta in glSwD einsetzen und damit delta eliminieren > gl5:=subs(delta=glDelta, glSwD):
Nur Einflusses aus der realen Seitenwindkraft betrachten, dazu psip=0 setzen > gl_1Sw:=subs(psip=0, gl5):
Umformungen um Gleichungen zur verkürzen und zu vereinfachen > Z_SW:=subs({chF=ch-Delta}, numer(rhs(gl_1Sw))): #Nur im Zähler ersetzen > Z_SW_0:=subs(Delta=0,Z_SW): #Delta=0 > Z_SW_Delta:=collect(simplify(Z_SW-Z_SW_0), {Delta,Sw,s}): > N_SW:=simplify(denom(rhs(gl_1Sw))): > gl_SW_1 :=collect(subs(ch=chF+Delta,simplify(Z_SW_0/N_SW)),Delta): > gl_SW_2 := Z_SW_Delta/N_SW:
So umformen, dass die Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆SW = Ŝ W − SW ausgegeben wird > gl_DeltaSW:=simplify(collect(gl_SW_1 + gl_SW_2-Sw, {Sw, Delta,s})):
Nur Einflusses aus der Fahrzeuggierrate betrachten, dazu Sw=0 setzen > gl7:=numer(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Umformungen und versuchen in der Gleichung die Differenz ch-chF zu finden > gl8:=collect(algsubs(ch-chF=Delta,gl7), {Delta,psip, v,s, J}): > gl9:=simplify()gl8/denom(subs(Sw=0,rhs(gl5)))):
A.5 Seitenwindkrafthebelarm e
| 155
Aus gl9 und gl_DeltaSW ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [ +
(e + lH )(lV mvs + cH l) l − ] ∆c H SW (s) lV mvs + cH,F l (lV mvs + cH,F l)(emvs + σe + ρ) 1 ̇ ∆c H ψ(s) (lV mvs + cH,F l)(emvs + σe + ρ)
⋅ [(l2H lV m2 − JlH m)vs2 + (lH lV m2 v2 + lH lV mcV l − JcV l)s +cV llV mv] .
(A.8)
Für den Grenzwert für hohe Frequenzen bezüglich der Seitenwindkraft und Gierrate ergibt sich mit Maple: Maple Code-Listing: Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft bei hohen Frequenzen > gl_LimSwD:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl_DeltaSW), omega=infinity)));
Grenzwert bezüglich der Gierrate bei hohen Frequenzen
> gl_LimPsip:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl9), omega=infinity)));
Damit ist der Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft für hohe Frequenzen nach gl_LimSwD: =0. lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 ̇
(A.9)
ω→∞
und der Grenzwert bezüglich der Gierrate für hohe Frequenzen nach gl_LimPsip: l2 lV m − JlH ̇ ∆cH ψ(∞) lim ∆ Ŝ W (ω)S (ω)=0 = H ω→∞ W elV mv
A.5 Seitenwindkrafthebelarm e Maple Code-Listing: Zurücksetzen der Maple-Umgebung > restart;
Gleichung für Seitenwindbeobachter (SwD) > glSwD:=SwD=(J*m*v^2*s^2+(m*v*kappa+J*v*sigma)*s+m*v^2*rho +ch*cv*l^2)/Nbeo*psip-(m*cv*lv*v^2*s+ch*cv*v*l)/Nbeo*delta:
Abkürzungen zur Reduzierung der Länge der Gleichungen > sigma:=cv+ch: rho:=ch*lh-cv*lv: kappa:=cv*lv^2+ch*lh^2:
Fahrzeugmodellgleichung
> glFzg:=psip=((e*m*s*v+ch*e+ch*lh+cv*e-cv*lv)*v*Sw +
(A.10)
156 | A Parameterempfindlichkeit
(cv*lv*m*s*v+ch*cv*l)*v*delta) /(J*m*s^2*v^2+ch*lh^2*m*s*v+cv*lv^2*m*s*v+ch*lh*m*v^2 -cv*lv*m*v^2+J*ch*s*v+J*cv*s*v+ch*cv*l^2):
Ersetzen von e durch eF in der Fahrzeugmodellgleichung > glFzg1:=subs(e=eF,glFzg):
glFzg1 nach Lenkwinkel auflösen > glDelta:=solve(glFzg1,delta):
glDelta in glSwD einsetzen und damit delta eliminieren > gl5:=subs(delta=glDelta, glSwD):
Nur Einflusses aus der realen Seitenwindkraft betrachten, dazu psip=0 setzen > gl_1Sw:=subs(psip=0, gl5):
Umformungen um Gleichungen zur verkürzen und zu vereinfachen > Z_SW:=subs({eF=e-Delta}, numer(rhs(gl_1Sw))): #Nur im Zähler ersetzen > Z_SW_0:=subs(Delta=0,Z_SW): #Delta=0 > Z_SW_Delta:=collect(simplify(Z_SW-Z_SW_0), {Delta,Sw,s}): > N_SW:=simplify(denom(rhs(gl_1Sw))): > gl_SW_1 :=collect(subs(e=eF+Delta,simplify(Z_SW_0/N_SW)),Delta): > gl_SW_2 := Z_SW_Delta/N_SW:
So umformen, dass die Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆SW = Ŝ W − SW ausgegeben wird > gl_DeltaSW:=simplify(collect(gl_SW_1 + gl_SW_2-Sw, {Sw, Delta,s})):
Nur Einflusses aus der Fahrzeuggierrate betrachten, dazu Sw=0 setzen > gl7:=numer(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Umformungen und versuchen in der Gleichung die Differenz e-eF zu finden > gl8:=collect(algsubs(e-eF=Delta,gl7), {Delta,psip, v,s, J}): > gl9:=simplify()gl8/denom(subs(Sw=0,rhs(gl5)))):
Aus gl9 und gl_DeltaSW ergibt sich:
∆ Ŝ W (s) = −
mvs + σ ∆eSW (s) emvs + σe + ρ
(A.11)
Für den Grenzwert für hohe Frequenzen bezüglich der Seitenwindkraft und Gierrate ergibt sich mit Maple: Maple Code-Listing: Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft bei hohen Frequenzen > gl_LimSwD:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl_DeltaSW), omega=infinity)));
Damit ist der Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft für hohe Frequenzen nach gl_LimSwD: 1 = ∆eSW (∞) . lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 ̇ e
ω→∞
(A.12)
A.6 Schwerpunktsabstand von der Vorderachse lV
| 157
A.6 Schwerpunktsabstand von der Vorderachse lV Maple Code-Listing: Zurücksetzen der Maple-Umgebung > restart;
Gleichung für Seitenwindbeobachter (SwD) > glSwD:=SwD=(J*m*v^2*s^2+(m*v*kappa+J*v*sigma)*s+m*v^2*rho +ch*cv*l^2)/Nbeo*psip-(m*cv*lv*v^2*s+ch*cv*v*l)/Nbeo*delta:
Abkürzungen zur Reduzierung der Länge der Gleichungen > sigma:=cv+ch: rho:=ch*lh-cv*lv: kappa:=cv*lv^2+ch*lh^2:
Fahrzeugmodellgleichung
> glFzg:=psip=((e*m*s*v+ch*e+ch*lh+cv*e-cv*lv)*v*Sw + (cv*lv*m*s*v+ch*cv*l)*v*delta) /(J*m*s^2*v^2+ch*lh^2*m*s*v+cv*lv^2*m*s*v+ch*lh*m*v^2 -cv*lv*m*v^2+J*ch*s*v+J*cv*s*v+ch*cv*l^2):
Ersetzen von lv durch lvF in der Fahrzeugmodellgleichung > glFzg1:=subs(lv=lvF,glFzg):
glFzg1 nach Lenkwinkel auflösen > glDelta:=solve(glFzg1,delta):
glDelta in glSwD einsetzen und damit delta eliminieren > gl5:=subs(delta=glDelta, glSwD):
Nur Einflusses aus der realen Seitenwindkraft betrachten, dazu psip=0 setzen > gl_1Sw:=subs(psip=0, gl5):
Umformungen um Gleichungen zur verkürzen und zu vereinfachen > Z_SW:=subs({lvF=lv-Delta}, numer(rhs(gl_1Sw))): #Nur im Zähler ersetzen > Z_SW_0:=subs(Delta=0,Z_SW): #Delta=0 > Z_SW_Delta:=collect(simplify(Z_SW-Z_SW_0), {Delta,Sw,s}): > N_SW:=simplify(denom(rhs(gl_1Sw))): > gl_SW_1 :=collect(subs(lv=lvF+Delta,simplify(Z_SW_0/N_SW)),Delta): > gl_SW_2 := Z_SW_Delta/N_SW:
So umformen, dass die Änderung der beobachteten Seitenwindkraft ∆SW = Ŝ W − SW ausgegeben wird > gl_DeltaSW:=simplify(collect(gl_SW_1 + gl_SW_2-Sw, {Sw, Delta,s})):
Nur Einflusses aus der Fahrzeuggierrate betrachten, dazu Sw=0 setzen > gl7:=numer(subs(Sw=0,rhs(gl5))):
Umformungen und versuchen in der Gleichung die Differenz lv-lvF zu finden > gl8:=collect(algsubs(lv-lvF=Delta,gl7), {Delta,psip, v,s, J}): > gl9:=simplify()gl8/denom(subs(Sw=0,rhs(gl5)))):
158 | A Parameterempfindlichkeit Aus gl9 und gl_DeltaSW ergibt sich: ∆ Ŝ W (s) = [ +
(σlV mv)s + cH lσ mvs + ] ∆lV SW (s) lV,F mvs + cH l (emvs + σe + ρ)(lV,F mvs + cH l) 1 ̇ ∆lV ψ(s) (emvs + σe + ρ)(lV,F mvs + cH l)
⋅ [(m2 σlV,F vs2 + mcH lσs) ∆lV − Jm2 v2 s3 + (mσl2V,F − cH l2 m − Jσ)mvs2 +(−cH lm2 v2 − m(−2σcH llV,F + cH l2 (2cH + cV )))s − σcH lmv] .
(A.13)
Für den Grenzwert für hohe Frequenzen bezüglich der Seitenwindkraft ergibt sich mit Maple: Maple Code-Listing: Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft bei hohen Frequenzen > gl_LimSwD:=simplify(abs(limit(subs(s=I+omega,gl_DeltaSW), omega=infinity)));
Damit ist der Grenzwert bezüglich der Seitenwindkraft für hohe Frequenzen nach gl_LimSwD: 1 = ∆lV SW (∞) . lim ∆ Ŝ W (ω)ψ(ω)=0 (A.14) ̇ ω→∞ lV,F Für die Grenzwerte der Ableitungen des Amplitudengangs nach ω für hohe Frequenzen ergeben sich mit Maple: Maple Code-Listing: Ableitung des Amplitudengangs nach omega (d/domega) bezüglich des Anteils aus psip > glPsip1:=diff(subs(s=I*omega,gl9),omega):
Der Grenzwert für hohe Frequenzen
> glPsip2:=simplify(abs(limit(glPsip1, omega=infinity))):
Ableitung des Amplitudengangs nach omega (d/domega) bezüglich des Anteils aus Sw > glSw1:=diff(subs(s=I*omega,gl_DeltaSW),omega):
Der Grenzwert für hohe Frequenzen
> glSw2:=simplify(abs(limit(glSw1, omega=infinity))):
Der Grenzwert der Ableitung bezüglich der Gierrate ist nach glPsip2: d = J ∆l ψ(∞) ̇ . lim ∆ Ŝ W (ω) V ω→∞ dt SW (ω)=0 elV,F
(A.15)
B Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind B.1 Zwischenrechnung für NG Für die Übertragungsfunktion aus Gl. (5.85) wird die Zwischenrechnung als Basis für den Stabilitätsnachweis angegeben: 1 − AMz (s)GTP (s) . 1 + AMz (s)GTP (s) (kMz − 1)
(B.1)
Laut Gl. (5.50) ist: AMz (s) =
1 1 + 2dMz TMz s +
2 2 TMz s
=
1 , NAMz (s)
wobei NAMz (s) für den Nenner von AMz (s) steht. Und nach Gl. (5.54) ist: GTP (s) =
1 1 = , 2 2 NGTP (s) 1 + 2dB TB s + TB s
wobei NGTP (s) für den Nenner von GTP (s) steht. Werden AMz (s) und GTP (s) in Gl. (B.1) eingesetzt, dann ergibt sich: − NA
Mz
1+
1 (s) NGTP (s)
+1
kMz −1 NAMz (s) NGTP (s)
.
Daraus wird im nächsten Schritt: −1+NAMz (s) NGTP (s) NAMz (s) NGTP (s) NAMz (s) NGTP (s)+kMz −1 NAMz (s) NGTP (s)
.
Nach Kürzen folgt daraus: −1 + NAMz (s) NGTP (s) . NAMz (s) NGTP (s) + kMz − 1 Der Nenner der Gleichung ist: NG (s) = NAMz (s) NGTP (s) + kMz − 1. Darin werden die Nenner von AMz (s) und GTP (s) wieder ausgeschrieben: 2 2 NG (s) = (1 + 2dMz TMz s + TMz s ) (1 + 2dB TB s + TB2 s2 ) + kMz − 1.
Durch Ausmultiplizieren ergibt sich: NG (s) =TA 2 TB 2 s4 + 2TA TB (TA dB + TB dA ) s3 + (TA 2 + TB 2 + 4TA TB dA dB ) s2 + 2 (TA dA + TB dB ) s + kMz . DOI 10.1515/9783110542059-009
160 | B Analyse des Regelkreises aus Fahrer und Fahrzeug bei Seitenwind
B.2 Zwischenrechnung der Substitution von TA und dA Ausgehend von Gl. (5.88) werden im Folgenden die Umformungen für die Vereinfachung der Gleichung dargestellt: kMz