Eheschutz und Lebenspartnerschaft: Eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Lebenspartnerschaftsrechts im Lichte des Art. 6 GG [1 ed.] 9783428524389, 9783428124381

Nach Art. 6 I GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. In der vorliegenden Untersu

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German Pages 790 Year 2007

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Eheschutz und Lebenspartnerschaft: Eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Lebenspartnerschaftsrechts im Lichte des Art. 6 GG [1 ed.]
 9783428524389, 9783428124381

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1077

Eheschutz und Lebenspartnerschaft Eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Lebenspartnerschaftsrechts im Lichte des Art. 6 GG Von Marc Schüffner

Duncker & Humblot · Berlin

MARC SCHÜFFNER

Eheschutz und Lebenspartnerschaft

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1077

Eheschutz und Lebenspartnerschaft Eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Lebenspartnerschaftsrechts im Lichte des Art. 6 GG

Von Marc Schüffner

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12438-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern in Liebe und Dankbarkeit

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation im Juni 2006 beim Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin eingereicht. Für die Drucklegung konnten Literatur und Rechtsprechung noch bis April 2007 berücksichtigt werden. Überdies habe ich an einigen Stellen knappe Hinweise auf die infolge der Föderalismusreform I geänderte Fassung des Art. 84 GG und die Änderungen des SGB II und SGB XII, welche die Lebenspartnerschaft betreffen, eingefügt. Mein erster Dank gilt meinem verehrten Lehrer, Herrn Universitätsprofessor Dr. Helge Sodan, für die gewissenhafte und zugleich wohlwollende Betreuung der Arbeit. Seine gewinnbringenden Anregungen und die vielfältigen engagierten Diskussionen mit ihm haben mein Rechtsverständnis nachhaltig geprägt. Darüber hinaus habe ich die ausgezeichnete kompetente und freundliche Atmosphäre an seinem Lehrstuhl auch als sein wissenschaftlicher Mitarbeiter immer sehr geschätzt. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner Herrn Universitätsprofessor Dr. Markus Heintzen für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dankbar bin ich auch für die nützlichen Hinweise meiner Freunde, der Rechtsanwälte Matthias Pohl, Cornelia Seibeld und Marc Wesser, meiner Schwester Daria und meines Vaters, die jeweils Teile der Arbeit sorgfältig zur Korrektur gelesen haben. Besonders danke ich Beatrice Freund, die mir die mühevolle und zeitintensive Formatierung des Manuskripts vollständig abgenommen hat und ohne deren zuverlässige Hilfe ich diese Arbeit nicht hätte bewältigen können. Schließlich bedanke ich mich auch bei der Hanns-Seidel-Stiftung für die ideelle und materielle Förderung im Rahmen eines Promotionsstipendiums sowie bei Herrn Dr. Florian R. Simon (LL. M.) vom Verlag Duncker & Humblot für die Bereitschaft, diese Untersuchung in die Reihe „Schriften zum Öffentlichen Recht“ aufzunehmen. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern, Helga und Peter Schüffner, denen ich in großer Liebe und Dankbarkeit verbunden bin. Berlin, im April 2007

Marc Schüffner

Inhaltsübersicht 1. Kapitel Thematische Einführung A. Der Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 39

B. Demographische Befunde zur Entwicklung der Zahl der Eheschließungen und von verschieden- und gleichgeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften – Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Historiographischer Überblick über die rechtliche Beurteilung von homosexuellen Lebensgemeinschaften in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

D. Theologische Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aus christlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

2. Kapitel Verfassungskonformität einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

122

A. Einfachgesetzliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 B. Art. 6 I GG als verfassungsrechtliches Fundament des Ehebegriffs . . . . . . . . 125

3. Kapitel Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Konstituierung und Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft

203

A. Maßstab des Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage für die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch auf institutionelle Gleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens . . . . . . 386

10

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

419

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit: Die Aufteilung der Regelungsmaterie des Gesetzesvorhabens in das LPartDisBG und das LPartGErgG während des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 B. Materielle Verfassungsmäßigkeit der Regelungselemente der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 5. Kapitel Zusammenfassung der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung

733

A. Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 B. Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 C. Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 D. Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Thematische Einführung A. Der Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 39

B. Demographische Befunde zur Entwicklung der Zahl der Eheschließungen und von verschieden- und gleichgeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften – Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I.

Demographische Befunde zur Ehe und zu verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

Demographische Befunde zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

C. Historiographischer Überblick über die rechtliche Beurteilung von homosexuellen Lebensgemeinschaften in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

II.

I.

Die rechtliche Einordnung der Homosexualität bis zur Entstehung des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen im römischen Recht

50

2. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen im vorchristlich-germanischen Recht und im germanischen Stammesrecht . . . . . . . . . . . 52 3. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen vom gemeinen Recht bis zur Konstituierung des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.

54

Rechtsgeschichtlicher Überblick über die Entwicklung des strafrechtlichen Unwerturteils gegenüber homosexuellem Verhalten seit Konstituierung des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Die Entwicklung im Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Die Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik . . . .

III.

61

Verzögerter Wandel – Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Beurteilung gleich- und verschiedengeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaften durch die Rechtsprechung vor Konstituierung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

3. Die eheähnliche Gemeinschaft und die Abgrenzung zur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

12

Inhaltsverzeichnis

D. Theologische Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aus christlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Evangelische Kirche in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Römisch-katholische Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Heiliger Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Bischofskonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der europäische Grundrechtsschutz und seine Auswirkungen auf die rechtliche Gestaltung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das allgemeine Verhältnis der Rechtswirkungen zwischen europäischem und deutschem Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entschließungen des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrecht der Eheschließungsfreiheit und Familiengründung . . . . a) Recht auf Eheschließung und Familiengründung nach Art. 12 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf Eheschließung und Familiengründung nach Art. 9 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewährleistungsfunktionen der grundrechtlichen Eheschließungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtliche Konsequenzen für die Annahme eines ehelichen Merkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundrechtliches Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diskriminierungsverbot nach Art. 21 I GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ermächtigung zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung nach Art. 13 I EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbeziehung der Merkmale des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung in das grundrechtliche Diskriminierungsverbot . . . e) Rechtliche Konsequenzen für die Annahme eines ehelichen Merkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens . . . . . . . . . . . . . . a) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 I EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRCh . . . c) Folgerungen aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens für die rechtliche Strukturierung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Recht der Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Bestimmungen der Bundesländer zum Schutz von Ehe und Familie und zum Schutz Homosexueller vor Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68 68 70 71 73 75

75 75 81 82 82 84 84 85 87 87 88

88 89 90 92 92 95

96 97 97

97

Inhaltsverzeichnis

III.

IV.

V.

2. Die Registrierungsmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in Hamburg vor Inkrafttreten des LPartDisBG . . . Gescheiterte und aktuelle Gesetzesinitiativen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Deutschen Bundestag zur institutionellen Verankerung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzgebungsverfahren und inhaltlicher Überblick über das LPartDisBG und LPartGErgG sowie das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das abstrakte Normenkontrollverfahren und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich des LPartDisBG vor dem Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

101

101

108

115

2. Kapitel Verfassungskonformität einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

122

A. Einfachgesetzliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 B. Art. 6 I GG als verfassungsrechtliches Fundament des Ehebegriffs . . . . . . . . I. Verhältnis von verfassungsrechtlichem und einfachgesetzlichem Ehebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grammatische Auslegung des Begriffs der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Ehe im allgemeinen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff der Ehe im juristischen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Historisch-Genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung der historisch-genetischen Methode für die Auslegung des Ehebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historischer Entwicklungszusammenhang des verfassungsrechtlichen Eheschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Normgenese des Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionale Typologie und Rechtsbegriff der Ehe – ein Gegensatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reproduktivität als ein Funktionstypus der Ehe . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff der Familie in Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der systematische Konnex von Ehe und Familie in Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ehe und Familie als personell unterscheidbare Rechtsinstitute in einem gemeinsamen verfassungsrechtlichen Normkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 127 128 131 133 134 134 135 137 141 142 142 148 148 150

150

14

Inhaltsverzeichnis

V.

VI.

bb) Verantwortungsgemeinschaft und Reproduktivität als typologisches Substrat der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Personale Konstellationen ohne Konnex zwischen Ehe und Familie als mögliches Argument gegen die Annahme einer typologischen Reproduktivität der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kinderlose Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eltern-Kind-Gemeinschaften ohne miteinander verheiratete biologische Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Familienpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vormundschaft und Pflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Stiefkindadoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Sorgerecht nach § 9 LPartG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Reproduktionstechnische Verfahren . . . . . . . . . . . . . dd) Ehe als exklusives Substrat jeder Familie? . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teleologisches Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freiheitsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Individuelle und soziale Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Typologisches Substrat der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Geschlechtsgemeinschaft als Kern ehelicher Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Individuell-mikrosoziales Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überindividuell-makrosoziales Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Heterosexualität als verfassungsrechtliches Leitbild? . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis der verschiedenen teleologischen Perspektiven der Ehe zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Modifikationen der ehelichen Grundstruktur durch Verfassungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen und Grenzen des Verfassungswandels . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis von Normprogramm und Normbereich . . . . . . . . b) Die Voraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neue Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Langfristigkeit des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenzen des Verfassungswandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit eines Verfassungswandels bei durch Institutsgarantien abgesicherten Sozialtatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Bedeutung der sozialen und rechtlichen Veränderungen in den Bereichen Ehe und Homosexualität für einen möglichen Verfassungswandel des Ehebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veränderungen im Bereich der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderungen im Bereich der Homosexualität . . . . . . . . . . . . . .

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196 196 197

Inhaltsverzeichnis c) Rechtliche Veränderungen im Bereich der Schnittmenge von Ehe und Homosexualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung der Veränderungen für einen möglichen Verfassungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neue Tatbestände? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wortbedeutung der Ehe als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wegfall der spezifisch homosexualitätsbezogenen Strafbarkeit und die Konstituierung von TSG und Eingetragener Lebenspartnerschaft als Elemente des Verfassungswandels? 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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197 198 199 200

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3. Kapitel Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Konstituierung und Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft A. Maßstab des Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Simultaneität von Ehe und Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis zwischen Eheschließungsfreiheit und Institutsgarantie der Ehe bei Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zwischen der Eheschließungsfreiheit und der freien Entfaltung der Person sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis der grundrechtlichen Schutzbereiche . . . . . . . . . . bb) Verhältnis der grundrechtlichen Einschränkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 2 I GG als gegenüber Art. 6 I GG schwächeres Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grundrechtsverzicht als relevante dogmatische Figur für die grundrechtliche Verhältnisbestimmung? . . . . . . (a) Verfassungsrechtliche Möglichkeit des Grundrechtsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfassungsrechtliche Möglichkeit des Verzichts auf die Eheschließungsfreiheit bei Begründung einer Lebenspartnerschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit als negative Eheschließungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung der getroffenen grundrechtlichen Aussagen auf das Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtliche Perspektive des Ehegatten, der zusätzlich noch eine Lebenspartnerschaft führen will . . . . . . . . . . . . . .

203 204 205 207 207

210 210 211 211 212 213

215 219 219 220

16

Inhaltsverzeichnis

II.

bb) Grundrechtliche Perspektive desjenigen Ehegatten, dessen Ehegatte zusätzlich noch eine Lebenspartnerschaft führen will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundrechtliche Perspektive des Lebenspartners, der zusätzlich noch eine Ehe führen will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Grundrechtliche Perspektive desjenigen Lebenspartners, dessen Lebenspartner zusätzlich noch eine Ehe führen will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche Priorität als Kriterium für Ehe oder Lebenspartnerschaft a) Bereitschaft eines Lebenspartners zur Eheschließung ohne vorherige Aufhebung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bereitschaft eines Ehegatten zur Begründung einer Lebenspartnerschaft ohne vorherige Auflösung der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzlicher Vorrang der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundsätzlicher Vorrang der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zur Diskussion und deren rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung der Institutsgarantie der Ehe . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis zwischen der verfassungsrechtlichen Institutsgarantie und der einfachgesetzlichen Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis zwischen der Institutsgarantie und dem Abwehrrecht des Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Institutsgarantie als Singulargarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschiedengeschlechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Singularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortbedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Historische Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Institutsgarantie als Gewährleistung der institutsimmanenten Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Institutioneller Konkurrenzschutz durch Institutsgarantien – Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Einrichtungsgarantien und der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Institutsgarantie der Privatautonomie, Art. 2 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Einrichtungsgarantien der Presse- und Rundfunkfreiheit, Art. 5 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . .

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221 221 221 222 225 225 225 226 229 229 230 233 235 237 238 238 241 241 241 242 244 244

246 247 248

Inhaltsverzeichnis

III.

(cc) Institutionelle Garantie der wissenschaftlichen Hochschule und ihrer akademischen Selbstverwaltung, Art. 5 III GG . . . . . . . . . . . . (dd) Institutionelle Garantie des Religionsunterrichts, Art. 7 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Institutionelle Garantie der Privatschule, Art. 7 IV GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ff) Einrichtungsgarantie der Tarifautonomie als Konkretisierung der Koalitionsfreiheit, Art. 9 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (gg) Institutsgarantien des Eigentums- und Erbrechts, Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (hh) Institutionelle Garantie der deutschen Staatsangehörigkeit, Art. 16 I GG . . . . . . . . . . . . . . . (ii) Institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 II GG . . . . . . . . . . . (jj) Institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums und seiner hergebrachten Grundsätze, Art. 33 IV, V GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (kk) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Konservierung des einfachgesetzlichen ehelichen Normenkomplexes durch den institutionellen Schutz des materiellen Kerngehalts der Ehe? . . . . . . . . . . . . (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teleologischer Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektive Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die wertentscheidende Grundsatznorm zugunsten der Ehe in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Terminologische Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Binnendifferenzierung der verfassungsrechtlichen Wirkung der Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Förderpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Einordnung der staatlichen Pflichtentypik bei Art. 6 I GG in das System der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertentscheidung für Ehe und Familie als Ausdruck der Genese des Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 119 WRV . . . . . . .

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252 256 258

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280 286 286 287 288 288 288 289 290 290 290 291 293 294 294 294 294

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Inhaltsverzeichnis bb) Die dogmatische Schutzwirkung des besonderen Schutzes für Ehe und Familie in den Beratungen des Parlamentarischen Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verlauf der Beratungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Strukturierung der Diskussionsschwerpunkte . . . . . . . . . c) Systematik der objektiven Wertentscheidung für Ehe und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besondere und allgemeine Schutzverpflichtung . . . . . . . . . . bb) Primäre und sekundäre Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konnex von Förderpflicht und Benachteiligungsverbot . . . . dd) Staatlicher Gestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zusammenhang zwischen Wertentscheidung und subjektivem Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gestaltungsspielraum als Folge der Verbindung zwischen Wertentscheidung und subjektivem Grundrecht d) Teleologische Deutung der Wertentscheidung für Ehe und Familie als institutionelle Konkretisierung der staatssichernden Verfassungserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzpflicht als Freiheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Primäre Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sekundäre Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzpflicht als doppelte Verfassungserwartung . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das institutionelle Verhältnis zwischen der Ehe und anderen institutionalisierten Lebensgemeinschaften im Lichte der objektiven Wertentscheidung des Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Konnex zwischen Institutsgarantie und Wertentscheidung aa) Wertentscheidung als institutionelle Ausgestaltungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen der grundrechtlichen Wertentscheidung auf ein Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Selektionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tradierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Abbildungswirkung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung zugunsten bestimmter Rechtsinstitute in der gesamten Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Abbildung der Wertentscheidung im institutionellen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortbedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konturierungsansätze bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bezugsrahmen der Bedeutung der Ehe . . . . . . . . . . . . . . (2) Bezugsrahmen der Abgrenzung der Ehe zu anderen Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (3) Verfassungsrechtliche Abstufung des Schutzsubstrats zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Soziale Bedeutung der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Differenzierte Schutztypik zugunsten von Ehe und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Familienbezug als Differenzierungskriterium . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abbildungsgebot als Konkretisierung der systematischen Strukturierung der Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergleichsmaßstab des Benachteiligungsverbots: Erhaltung des relationalen Minimums . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleichsmaßstab des Fördergebotes: Bevorzugung von Ehe und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vergleichsgruppenbildung als methodologische Voraussetzung jeder Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Förderung als Besserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Problematik der Argumentation mit einer fehlenden Schädigung der Ehe im Lichte der Förderungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Staatliche Verpflichtung zur Bevorzugung der Ehe gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ehe und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als aliud? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Problematik einer personalen Abgrenzung des Personenkreises bei Ehe und Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Die methodische Problematik des argumentum e silentio legis bei Art. 6 I GG . . . . . . . . (cc) Die Lebensgemeinschaft als Gemeinsamkeit zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Die familiale Potentialität als Unterschied zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausgestaltungsbegrenzung trotz Relationalität des Förderungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kein aktives Bekämpfungsgebot für Lebensgemeinschaften außerhalb von Ehe und Familie . . (d) Kein Institutionalisierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . (e) Terminologische Bezeichnung der verfassungsrechtlichen Sperrwirkung der Ausgestaltung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (4) Kriterien für die inhaltliche Konturierung des Abbildungsgebotes im Rahmen der institutionellen Ausgestaltung eines einfachgesetzlichen Rechtsinstituts . . (a) Ehebezogene Regelungen zur Förderung der Familiengründung und -stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . (b) Statusbegründende Regelungen des Eherechts . . . . (c) Regelungen zur Stabilisierung einer Verantwortungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Unzulänglichkeit einer quantitativen Perspektive der normativen Annäherung einer institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft an die Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Unzulänglichkeit eines Kriteriums der Intensität staatlicher Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Unzulänglichkeit einer ausschließlich fiskalpolitischen Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Systematischer Vergleich der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten familienrechtlicher Institute auf der Grundlage der Wertentscheidung des Art. 6 I GG mit anderen institutionell bezogenen Wertentscheidungen (a) Förderpflicht für wissenschaftliche Hochschulen nach Art. 5 III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Förderpflicht von Privatschulen nach Art. 7 IV GG dd) Institutionelle Fundierung der doppelten Verfassungserwartung als teleologischer Impuls der Wertentscheidung zugunsten der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erhöhung der Eheschließungsbereitschaft . . . . . . . . . . . . (a) Institutionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die doppelte Verfassungserwartung: Eheschließung und Familiengründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Institutionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage für die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als möglicher Schutzgegenstand der Eheschließungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben, als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die dogmatische Verankerung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die allgemeine Handlungsfreiheit als Anspruchsgrundlage? . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis V. VI.

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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Anspruchsgrundlage? . . . . . . . 382 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch auf institutionelle Gleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens . . . . I. Der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften von der Ehe im Licht des Gleichheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch aus Art. 3 III 1 GG auf Zugang gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 3 III GG und Art. 3 I GG b) Geschlecht als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vergleichsgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschlechtsimmanente Vergleichsgruppen: Mann und Mann sowie Frau und Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschlechter als Vergleichsgruppen: Mann und Frau . . . . . d) Art. 6 I GG als gegenüber Art. 3 III 1 GG speziellere Norm . 2. Anspruch aus Art. 3 I GG auf Zugang gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschlechtsimmanente Vergleichsgruppen: Mann und Mann sowie Frau und Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschlechter als Vergleichsgruppen: Mann und Frau . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Ausschluss der nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft von einem Rechtsinstitut für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 3 III 1 GG als Anspruchsgrundlage für die Öffnung des Rechtsinstituts auch für nichteheliche verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichsgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschlechtsimmanente Vergleichsgruppen: Mann und Mann sowie Frau und Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschlechter als Vergleichsgruppen: Mann und Frau . . . . . b) Art. 6 I GG als gegenüber Art. 3 III 1 GG speziellere Verfassungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 3 I GG als Zugangsanspruch nichtehelicher verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Gleichheitssatz als möglicher Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgestaltungsangleichung zwischen der Ehe und der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 3 III 1 GG als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichsgruppen: Ehepartner und Mitglied einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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397 397 397 398 400

402 405

405 405 405 406

22

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

bb) Geschlechtsbezogenheit der Differenzierung . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichsgruppen: Ehepartner und Mitglied einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ohne rechtliche Bindung . . c) Vergleichsgruppen: Ehepartner und Mitglied eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . 2. Art. 3 I GG als möglicher Gleichstellungsanspruch der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruch auf Institutionalisierung nach Art. 3 I GG? . . . . . . . . . b) Anspruch auf ehegleiche Ausgestaltung des Rechtsinstituts nach Art. 3 I GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Möglicher Anspruch aus Art. 3 I GG auf Übernahme ehebezogener Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ohne institutionelle Bindung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglicher Anspruch auf Gleichbehandlung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ohne institutionellen Bezug? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Kapitel Die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts A. Formelle Verfassungsmäßigkeit: Die Aufteilung der Regelungsmaterie des Gesetzesvorhabens in das LPartDisBG und das LPartGErgG während des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliche Verfassungskonformität der Aufteilung einer Regelungsmaterie in mehrere Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Volkssouveränität als Ausgangspunkt zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Aufteilung in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzgeberischen Möglichkeit, Gesetzesvorhaben in mehrere Gesetze aufzuteilen . . . . . . . . . . . . . . . a) Willkürliche Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zerstörung der Sinneinheit der Regelungsmaterie . . . . . . . . . . . . c) Zerstörung der Sinneinheit des Regelungsvorhabens als Willkür d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die verfassungsrechtliche Problematik der Einordnung als aktive oder reaktive Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesinitiative der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II.

Die Verfassungsmäßigkeit der Aufteilung in LPartDisBG und LPartGErgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Diskussion über die Qualifizierung der Aufteilung des Gesetzesvorhabens als aktiv oder reaktiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verweis von Normen des LPartDisBG auf einzelne Behörden und die daraus folgende Diskussion über die Zulässigkeit einer Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Berichtigung von Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG . . . . . . . . . aa) Möglichkeit und Grenzen der Berichtigung unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungsdogmatische Begründung der Möglichkeit, offenbare Unrichtigkeiten zu berichtigen . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsrechtliche Grenzen der Berichtigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 122 III 2 GOBT als einfachgesetzliche Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Überlegungen . . . . . . . bb) Zulässigkeit und Begründetheit des Berichtigungsverfahrens bei Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Verweisungen im LPartDisBG auf Behörden als mögliche Verfahrensregelungen i. S. v. Art. 84 I GG . . . . . . . . . . 3. Die Problematik einer möglichen Sinneinheit zwischen LPartDisBG und LPartGErgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis der Unterhaltspflicht zu ihrer steuerlichen Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die fehlende Behördenkonkretisierung bei der Eintragung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Sinneinheit von LPartDisBG und LPartGErgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung: Voraussetzungen für die Aufteilung einer Regelungsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit der Regelungselemente der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Freiheitsrechtlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 6 I GG intendiert keine summarische Gesamtbetrachtung der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konstituierung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das zeitliche Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft . . . . . . . 4. Registrierung und zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Registrierung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit des Standesbeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lebenspartnerschaftsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Namensrecht und Angehörigenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Namensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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b) Angehörigenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Familienangehöriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schwägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltsrechtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lebenspartnerschaftsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionale Grundlage des Unterhaltsrechts . . . . . . . . . . . . . (1) Lebensgemeinschaft als Verantwortungsgemeinschaft (2) Lebensgemeinschaft als potentielle Familie . . . . . . . . . . bb) Die Sperrwirkung des besonderen Schutzes der Ehe für die Ausgestaltung des Unterhaltsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterhaltsanspruch bei Getrenntleben der Lebenspartner . . . . . . c) Unterhaltsanspruch nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft . . aa) Regelungsgeschichte des nachpartnerschaftlichen Unterhaltsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten der Ehe als Ausgestaltungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Förderverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ehestatus als dogmatische Grundlage einer unterhaltsrechtlichen Ausgestaltungsgrenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Güterrecht und Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mögliche Verletzung des besonderen Eheschutzes nach Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mögliche Verletzung der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mögliche Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eintritt des Lebenspartners in das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters, § 563 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Schlüsselgewalt“, § 1357 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Familienpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Stellung der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 I GG . . (a) Grundrechtsträgerschaft der Pflegeeltern . . . . . . . . . (b) Der ungestörte soziale Kontakt der Eltern zu ihren Kindern als Gewährleistungsinhalt des Art. 6 I GG

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Inhaltsverzeichnis (c) Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 I GG durch Herausgabe des Kindes an die leiblichen Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . (2) Das Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gewährleistungsinhalt des Elternrechts . . . . . . . . . . (c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in das Elternrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundrechtliches Fundament eines Rechts des Kindes auf Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG als mögliches Grundrecht des Kindes auf die Gewährleistung der familialen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 I GG als familialer Kontaktschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Schutz des Familienverbandes durch die Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Schutz des Familienverbandes durch ein subjektives Abwehrrecht des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes gemäß Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG als subjektives Abwehrrecht des Kindes gegen Eingriffe des Staates in den Bestand der Familie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das grundrechtliche Verhältnis zwischen dem Recht des Kindes und dem Elternrecht bei der Familienpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Das Recht des Kindes auf Familieneinheit als mögliches Abwehrrecht gegen die Integration in eine Familienpflege durch Lebenspartner? . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Elternrecht der leiblichen Eltern nach Art. 6 II 1 GG im Fall der Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Adoption nach Einwilligung der leiblichen Eltern . . . . (a) Verfassungsrechtliche Bedeutung der Einwilligung (b) Das Kindeswohl als weiteres Element der Ausübung des Elternrechts bei der freiwilligen Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Adoption gegen den Willen der leiblichen Eltern (3) Die Stiefkindadoption als besondere Problemkonstellation des Elternrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Sozialpsychologische Bedenken gegen die Stiefkindadoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (b) Rechtliche Bedenken gegen die Stiefkindadoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Adoption durch Lebenspartner als denkbare Gefährdung des Kindeswohls und damit Verletzung des Elternrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mögliche Auswirkungen der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner auf das Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Stiefkindadoption durch den Lebenspartner . . cc) Das Recht der natürlichen Eltern auf sozialen Kontakt zu ihren Kindern aufgrund des besonderen Schutzes der Familie nach Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Grundrecht des Kindes auf Herstellung der familialen Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Institutsgarantie der Familie nach Art. 6 I GG als Schutz des Eltern-Kind-Verhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sorgerecht in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes und bei Gefahr im Verzug, § 9 LPartG . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie, Art. 6 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Elternrecht, Art. 6 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils . . . (a) Eingriff in den Schutzbereich durch § 9 LPartG? (b) § 9 LPartG im Interesse des Kindeswohls? . . . . . . (2) Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils . . . . cc) Recht des Kindes auf Erziehung durch die Eltern als Bestandteil des Familienschutzes nach Art. 6 I GG . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgegenstand des lebenspartnerschaftlichen Erbrechts . b) Verfassungsmäßigkeit der erbrechtlichen Stellung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strukturelemente der Institutsgarantie des Erbrechts, Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Privaterbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verwandtenerbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortbedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verfassungssystematischer Kontext der Erbrechtsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Teleologische Einordnung des Erbrechts als Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis bb) Das Pflichtteilsrecht als verfassungsmäßige Ausgestaltung des Erbrechts nach Art. 14 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungsrechtliche Beurteilung der Übernahme des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für die Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Ansicht des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesetzliches Erbrecht für Lebenspartner . . . . . . . . (b) Pflichtteilsanspruch für Lebenspartner . . . . . . . . . . dd) Das Grundrecht der Verwandten des Lebenspartners, kraft Erbfolge Eigentum zu erwerben, gemäß Art. 14 I 1 GG . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes, § 41 Nr. 2a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Prozesskostenhilfe, § 115 I 3 Nr. 2 ZPO, sowie pfändungsrechtliche Vorschriften, §§ 850c I 2, 850d I 1, II b), 850i I 1, 863 I 1 ZPO c) Empfangsberechtigung bei der Ersatzzustellung, § 178 I ZPO d) Zeugnisverweigerungsrecht, § 383 I Nr. 2a ZPO . . . . . . . . . . . . e) Lebenspartnerschaftssachen, § 661 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Straf- und Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der grundrechtliche Einfluss des Art. 6 I GG im Straf- und Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Angehörigen, § 11 I Nr. 1 a) StGB . . . . . . . . . . . . . . c) Strafantragsberechtigte und Rücknahme des Antrags, §§ 77 II 1; 77d II 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes, § 22 Nr. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen, § 52 I Nr. 2a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Weitere strafprozessuale Verfahrensnormen, §§ 149 I 1, 361 II, 395 II Nr. 1, 404 II 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ehegattensplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsvorhaben bezüglich der Lebenspartnerschaft . . . bb) Verfassungsrechtliche Begründung des Ehegattensplittings cc) Sperrwirkung des verfassungsrechtlichen Eheschutzes für die gesetzliche Übertragung des Ehegattensplittings auf die Lebenspartnerschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ehegattensplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (2) Fiktionales Unterhaltsplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerrechtliche Gleichbehandlung der Unterhaltsleistungen zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe bei Trennung und Scheidung bzw. Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erbschaft- und schenkungsteuerliche Gleichbehandlung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsvorhaben bezüglich der Lebenspartnerschaft . . . . bb) Verfassungsrechtliche Bewertung des dargestellten Regelungsvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Tatbestände der Ausdehnung der steuerrechtlichen Privilegierung der Ehe auf die Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . aa) Abzugsfähigkeit realer Unterhaltsleistungen . . . . . . . . . . . . . bb) Vorwegabzug von Vorsorgeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Grunderwerbsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gleichbehandlung von blinden Lebenspartnern und Eheleuten im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Angleichung der steuerrechtlichen Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft, um eine Besserstellung der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe zu vermeiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Sozialrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenund Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzlich Pflichtversicherte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Äquivalenzprinzip als konkretisierter Prüfungsmaßstab der Angemessenheit einer Regelung zur personellen Erweiterung der Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als ein weiteres Element der Angemessenheit einer Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Berufsausübungsfreiheit als Wettbewerbsfreiheit, Art. 12 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . .

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652 654 654 655 655 656

Inhaltsverzeichnis

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(2) Eigentumsfreiheit als Schutz von Substanz und Ertrag der Wirtschaftseinheit, Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . 658 (a) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 (b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . 660 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 b) Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft im Unfallversicherungsrecht bei pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmern, Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeistern sowie selbständig tätigen Küstenschiffern und -fischern . . . . . . . . . . . . 661 aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einbeziehung von Ehegatten in die Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662 (1) Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des landwirtschaftlichen Unternehmers nach Art. 2 I GG . . . . . 663 (2) Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des mitarbeitenden Ehegatten nach Art. 2 I GG . . . . . . . . . . . . 666 bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erweiterung der ehebezogenen Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 c) Einbeziehung des Lebenspartners in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung . . . . . . . 669 aa) Grundsätzliche Vereinbarkeit einer rechtlichen Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft in der Hinterbliebenenversorgung mit dem verfassungsrechtlichen Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe aus Art. 6 I GG . . . . . . . 670 bb) Vereinbarkeit erhöhter Beitragszahlungen mit der allgemeinen Handlungsfreiheit der Pflichtversicherten nach Art. 2 I GG bei der gesetzlichen Rentenversicherung . . . . 675 (1) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 (2) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 (a) Regelungszweck sowie Geeignetheit und Erforderlichkeit der beitragspflichtigen Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung . . . . . . . . . . . 676 (b) Äquivalenzprinzip als konkretisierter Prüfungsmaßstab der Angemessenheit einer Regelung zur personellen Erweiterung der Pflichtversicherung . . 676 (c) Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als ein weiterer Maßstab der Angemessenheit eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit . . . . 679

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Inhaltsverzeichnis cc) Vereinbarkeit erhöhter Beitragszahlungen des Arbeitgebers und des Unternehmers mit seiner Berufs- und Eigentumsfreiheit, Artt. 12 I, 14 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Berufsausübungsfreiheit als Wettbewerbsfreiheit, Art. 12 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 I 1 GG als Schutz von Substanz und Ertrag der Wirtschaftseinheit . . . . . . dd) Verfassungskonformität der regelungstechnischen Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in den Ehebegriff bei der Hinterbliebenenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft bei der Arbeitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Regelungen des SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft angesichts des Verbots, die Ehe zu benachteiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft angesichts der Verpflichtung, die Ehe zu fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regelungen des SGB II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in das Sozialhilferecht . . f) Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in die durch das Bundesversorgungsgesetz gewährleistete Versorgung . . . . . . . . . . . . . 15. Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausländerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Familiennachzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entwicklung der einfachgesetzlichen Gleichstellung der formalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe beim Familiennachzug . . . . . . . (2) Die Förderverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie gemäß Art. 6 I GG als verfassungsrechtliche Grundlage der Ermessensentscheidung des Familiennachzugs von Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG als verfassungsrechtliches Gleichstellungsverbot von Ehe und Lebenspartnerschaft im Nachzugsrecht? . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderer Ausweisungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatsangehörigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgeschichte der beamtenrechtlichen Einordnung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsmäßigkeit der eingeschränkten Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . aa) Finanzieller Nachteilsausgleich im Beamtenrecht . . . . . . . . .

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699 703 705 708 708 711 711

Inhaltsverzeichnis

II.

bb) Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft in der Bundeslaufbahnverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft beim beamtenrechtlichen Versorgungssystem und im Besoldungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichheitsrechtlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung der Lebenspartnerschaft auf Lebensgemeinschaften zweier Personen gleichen Geschlechts, die nicht miteinander verwandt oder verschwistert sein dürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschlechtsbezogenheit als Differenzierungskriterium – Art. 3 III 1 GG als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sexuelle Orientierung als Differenzierungskriterium – Art. 3 I GG als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Exklusivität“ der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schon bestehende rechtliche Absicherung für Verwandte vor Inkrafttreten des LPartDisBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zeugnisverweigerungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erb- und Pflichtteilsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Lebenspartnerschaftliche Rechtsgestaltung im Vergleich zur Gestaltung von Verwandtschafts- und Geschwisterverhältnissen im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gleichheitsrechtlicher Anspruch auf Angleichung der bestehenden lebenspartnerschaftlichen Rechtsstruktur an die Ehe? . . . . . . . . . . . . 3. Angleichung der Rechtslage der lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft an die eheähnliche Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Kapitel Zusammenfassung der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung

733

A. Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 B. Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 C. Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 D. Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782

Abkürzungsverzeichnis und Zitierhinweis Abg. Abl. Abl. EG Abl. EU AcP a. F. AFG AfP AG AGLPartG AöR ATGV AufenthG AusglV AuslG AUV BAföG BAG BAT BayObLG BayObLGZ BayVBl. BayVerfGH BayVGH BB BBesG BBG Bd. BDG BErzGG BFH BFHE BFH/NV BGB

Abgeordnete(r) Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Amtsgericht Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Auslandstrennungsgeldverordnung Aufenthaltsgesetz Ausgleichsrentenverordnung Ausländergesetz Auslandsumzugskostenverordnung Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung Bundesarbeitsgericht Bundes-Angestelltentarif Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Band Bundesdisziplinargesetz Bundeserziehungsgeldgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis und Zitierhinweis BGBl. BGH BGHSt BGHZ BLV BRKG BRRG BSG BSGE BSHG BStBl. BT-Drucks. Buchst. BUKG BVerfG BVErfGE BVerfGG BVG Can. CCC CIC DB DEuFamR DGVZ DJT DÖD DÖV DR DRiZ DStR DStZ DtZ DVBl. EFG EG EGBGB EGMR EheRG EheSchlRG Einf. Einl. EKD

Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeslaufbahnverordnung Bundesreisekostengesetz Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Drucksache des Deutschen Bundestages Buchstabe Bundesumzugskostengesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesversorgungsgesetz Canon Constitutio Criminalis Carolina Codex Iuris Canonici Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsches und Europäisches Familienrecht (Zeitschrift) Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung Deutscher Juristentag Der Öffentliche Dienst (Zeitschrift) Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Decisions and reports Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts Eheschließungsrechtsgesetz Einführung Einleitung Evangelische Kirche in Deutschland

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34 EKMR ELPSchG EMRK ErbStG ESchG EStG EU EuGH EuGRZ EUV EZAR FamNamRG FamRZ FG FPR FR FuR GBl. GE GewArch. GG ggf. GGO GK-AufenthG GK-AuslR GK-SGB III

Abkürzungsverzeichnis und Zitierhinweis

Europäische Kommission für Menschenrechte Eingetragene Lebenspartnerschaften-Gesetz Europäische Konvention für Menschenrechte Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Embryonenschutzgesetz Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte Zeitschrift Vertrag über die Europäische Union Entscheidungssammlung zum Ausländer- und Asylrecht Familiennamenrechtsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht Familie Partnerschaft Recht (Zeitschrift) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Familie und Recht (Zeitschrift) Gesetzblatt Das Grundeigentum (Zeitschrift) Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsrecht (GK SGB III) GK-SGB VI Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch VI – Gesetzliche Rentenversicherung GOBT Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union GrEStG Grunderwerbsteuergesetz GRG Gesundheits-Reformgesetz GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt GVBl. LSA Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Gv. NRW Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen GVOBl. Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern HbVerfR Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Ernst Benda, Werner Maihofer und Hans-Jochen Vogel HmbGVBl. Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt HmbLPartAusfG Lebenspartnerschaftsausführungsgesetz (Hamburg) Hs. Halbsatz

Abkürzungsverzeichnis und Zitierhinweis HStR InfAuslR i. S. d. i. S. v. i. V. m. JA JöR JR Jura JuS KG KindPrax KJ KritV LG LPart-AG LPartDisBG LPartG LPartG-E LPartGErgG LPartÜG LVerfGE MDR MindNamÄndG m. w. N. n. Chr. n. F. NJ NJ (DDR) NJW NJW-RR NVwZ NVwZ-RR NZA NZS OGSt OLG OVG

35

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof Informationsbrief Ausländerrecht (Zeitschrift) im Sinne der/des/dieser/dieses im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Kammergericht Kindschaftsrechtliche Praxis (Zeitschrift) Kritische Justiz (Zeitschrift) Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landgericht Lebenspartnerschafts-Ausführungsgesetz Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften Lebenspartnerschaftsgesetz Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Monatsschrift für Deutsches Recht Minderheiten-Namensänderungsgesetz mit weiteren Nachweisen nach Christus neue Fassung Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Justiz: Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Entscheidungen des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik in Strafsachen Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht

36 PR PR-Drucks. PStG RGBl. RGRK RGSt RJD Rn. RuStAG RVO SG SGb sog. SozR Sp. StAG StÄG StAZ StGB StGB-DDR StPO StrRG st. Rspr. StuW SUrlV TGV ThürVBl. TSG TVG Überbl. VAHRG VersR VerwArchiv VGH VVDStRL WM WohnGG WRV WuV

Abkürzungsverzeichnis und Zitierhinweis Parlamentarischer Rat Drucksache des Parlamentarischen Rates Personenstandsgesetz Reichsgesetzblatt Das Bürgerliche Gesetzbuch. Kommentar, hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Reports of judgements and decisions Randnummer Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Reichsversicherungsordnung Sozialgericht Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) so genannte Sozialrecht. Rechtsprechung und Schrifttum, bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts Spalte(n) Staatsangehörigkeitsgesetz Strafrechtsänderungsgesetz Das Standesamt (Zeitschrift) Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Strafprozessordnung Gesetz zur Reform des Strafrechts ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Sonderurlaubsverordnung Trennungsgeldverordnung Thüringer Verwaltungsblätter Transsexuellengesetz Tarifvertragsgesetz Überblick Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wohngeldgesetz Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis und Zitierhinweis z. B. ZBR ZEuS ZEV ZfR ZPO ZRP z. T. ZTR ZustRG

37

zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Rechtssoziologie Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes Zustellungsreformgesetz

Zitierhinweis: Die in den Fußnoten zu Autoren enthaltenen Hinweise auf andere Fußnoten beziehen sich auf dasselbe Kapitel.

1. Kapitel

Thematische Einführung A. Der Untersuchungsgegenstand Wer von der Lebenspartnerschaft sprechen will, darf vom verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe nicht schweigen. Als im Jahr 2001 durch das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“1 (LPartDisBG) mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in die Rechtsordnung eingeführt wurde, betrat der Gesetzgeber in mehrfacher Hinsicht rechtliches Neuland: Bis zu diesem Zeitpunkt standen mit dem Verlöbnis und der Ehe personale Institute des Familienrechts nämlich nur Lebensgemeinschaften von Mann und Frau offen. Lebensverbindungen von Personen des gleichen Geschlechts wurden auf einfachgesetzlicher Ebene normativ ausdrücklich gar nicht berücksichtigt. Davon gänzlich verschieden war die Regelungssituation für Ehe und Familie: Sie sind die überkommenen zentralen Rechtsinstitute des im BGB geregelten Familienrechts und außerdem in einer Vielzahl von Lebensbereichen gesetzlich verankert. Art. 6 I GG statuiert zudem, dass beide Rechtsinstitute unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Angesichts dieser rechtlichen Situation war es nahe liegend, dass bei der rechtspolitischen Diskussion um eine institutionelle Integration der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in die Rechtsordnung schnell das einfachgesetzliche und verfassungsrechtliche Verhältnis zur Ehe und zu deren grundgesetzlichem Schutz in den Mittelpunkt geriet. Als besondere verfassungsrechtliche Akzentuierung der Diskussion trat außerdem ein gleichheitsrechtlicher Maßstab hinzu, der als gleichermaßen komprimiertes wie öffentlichkeitswirksames Schlagwort von der „Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften“ sogar Eingang in den Namen des Gesetzes fand, das die Lebenspartnerschaft als Rechtsinstitut konstituierte. In dieser Diskussion, die zu den kontroversesten der letzten Jahre im Staats- und Familienrecht gehört, standen und stehen sich zwei diametral 1

BGBl. I, S. 266.

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1. Kap.: Thematische Einführung

entgegengesetzte Meinungsgruppen gegenüber, deren jeweiliger dogmatischer Ausgangspunkt die verfassungsrechtliche Verhältnisbestimmung von gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft und Ehe ist: Zum einen wird vertreten, die Lebenspartnerschaft müsse bzw. könne sich möglichst eng an die Rechtsgestalt der Ehe anlehnen oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften stünde sogar der Zugang zur Ehe selbst offen. Die Gegenposition dazu zieht den grundgesetzlichen Schutz der Ehe heran, um eine verfassungsrechtlich zwingende Differenzierung zwischen der Ausgestaltung der Ehe und einem Rechtsinstitut für Personen des gleichen Geschlechts zu begründen. Teilweise wird mit diesem Argument sogar schon dessen institutionelle Konstituierung als verfassungswidrig abgelehnt. Da die konkrete rechtliche Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft entscheidend von den politischen Konstellationen in Bundestag und Bundesrat abhängt, ist wegen der rechtspolitischen Differenzen das ursprüngliche Regelungsvorhaben bisher nicht vollständig realisiert worden. Die verfassungsrechtliche Diskussion ist deshalb nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 zum LPartDisBG abgeschlossen, sondern wird im politischen und rechtswissenschaftlichen Bereich unvermindert fortgeführt.2 Zu ihr will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten. In ihrem ersten Kapitel wird in die Grundthematik des Untersuchungsgegenstandes eingeführt. Dazu gehört zunächst ein Überblick über die demographischen Befunde zur Entwicklung der Zahl der Eheschließungen und der nichtehelichen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Daran schließen sich ein rechtshistorischer Abriss über die rechtliche Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften sowie eine Zusammenfassung der Stellungnahmen der christlichen Kirchen zu dieser Thematik an. Darauffolgend wird die aktuelle Rechtslage mit Bezug zum Europarecht und dem Recht der Bundesländer dargestellt. Dazu gehört auch die Beschreibung des Gesetzgebungsverfahrens zum Zustandekommen des LPartDisBG – einschließlich der vorhergehenden gescheiterten Gesetzgebungsentwürfe – und des anschließenden abstrakten Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht die verfassungsrechtliche Frage, ob gleichgeschlechtlichen Paaren der Weg zur Ehe offen steht und inwieweit das Grundgesetz einen entsprechenden legislativen Gestaltungs2 Vgl. nur den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 1.2.2006 „Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vollenden“, BT-Drucks. 16/497, den Antrag der Fraktion der FDP vom 8.2.2006 „Gleiche Rechte gleiche Pflichten – Benachteiligungen von Lebenspartnerschaften abbauen“, BT-Drucks. 16/565, sowie die „Entschließung des Europäischen Parlaments zur Homophobie in Europa“ vom 18.1.2006, P6_TA(2006)0018.

B. Demographische Befunde

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spielraum begrenzt. Hierbei wird insbesondere der systematische Bezug zum besonderen Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 I GG herausgearbeitet. Einen Schwerpunkt der systematischen Auslegung dieser Norm bildet die Analyse eines möglichen ehelichen Wesenselements der Reproduktivität aus typologischer Perspektive. Abschließend wird untersucht, inwieweit ein etwaiger Verfassungswandel Auswirkungen auf eine Zugangsbegrenzung für bestimme Personenverbindungen bei der Ehe haben könnte. Das dritte Kapitel der Untersuchung erörtert den verfassungsrechtlich vorgegebenen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Konstituierung und Ausgestaltung eines Rechtsinstituts gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Dort werden die verschiedenen grundrechtsdogmatischen Ebenen des Art. 6 I GG als wichtigster verfassungsrechtlicher Maßstab ausführlich beschrieben, dem die Konstituierung und Ausgestaltung eines solchen Rechtsinstituts genügen muss. Außerdem werden die allgemeine Handlungsfreiheit, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und der Gleichheitssatz als Begrenzungen des legislativen Spielraums herangezogen. Im vierten Kapitel wird das konkrete Regelungssystem der Eingetragenen Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich analysiert. Der erste Abschnitt behandelt zunächst im Rahmen der umstrittenen formellen Verfassungsmäßigkeit des LPartDisBG die Frage, inwieweit eine Aufspaltung des Regelungsvorhabens während des Gesetzgebungsverfahrens in mehrere Einzelgesetze verfassungskonform war. Im zweiten Abschnitt wird die materielle Verfassungsmäßigkeit der wesentlichen einfachgesetzlichen Regelungselemente des Lebenspartnerschaftsrechts geprüft. Die Erörterung folgt hierbei – getrennt nach sachlichen Regelungsbereichen – einem freiheits- und einem gleichheitsrechtlichen Maßstab. Im fünften Kapitel findet sich die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.

B. Demographische Befunde zur Entwicklung der Zahl der Eheschließungen und von verschieden- und gleichgeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften – Unterschiede und Gemeinsamkeiten Die verfassungsrechtliche Analyse der Konstituierung und Gestaltung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gewinnt eine umfassendere Perspektive, wenn zunächst in einem Überblick die sozio-demographische Dimension ehelicher und nichtehelicher Lebensgemeinschaften dargestellt wird. Dazu gehört insbesondere eine realistische Ein-

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1. Kap.: Thematische Einführung

schätzung der Größenordnung von langfristigen Veränderungen auf diesem Gebiet. In der im engeren Sinne rechtspolitischen, aber auch in der staatsrechtlichen Diskussion dient nämlich der Verweis auf echte oder vermeintliche soziale Prozesse als Argumentationsbasis für die vorgebliche Notwendigkeit, die Rechtsordnung entsprechend zu interpretieren, sie umzugestalten und einer selbstkonstruierten „Realität“ anzupassen.

I. Demographische Befunde zur Ehe und zu verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften Die sozio-strukturellen Veränderungen im Bereich von Ehe und Familie sind vielfältig und verstärken sich in ihrer Entwicklungstendenz nun schon über einen langen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, ohne dass eine Entwicklungsumkehr auf mittelfristige Sicht erkennbar wäre. In der Bundesrepublik lebten nach dem Ergebnis des Mikrozensus im Jahr 2005 etwa 18,9 Millionen Ehepaare.3 Die Zahl der Eheschließungen sinkt sowohl in absoluter Hinsicht als auch im Vergleich zur Bevölkerungsentwicklung. Wurden 1950 in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR insgesamt noch 750.452 Ehen geschlossen, verminderte sich die Zahl – mit Ausnahme einer nur kurzfristigen gegenläufigen Entwicklung in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts – im Verlauf von fünfzig Jahren drastisch (1960: 689.028, 1970: 575.233, 1980: 496.603, 1990: 516.388, 2000: 418.550). Im Jahr 2005 wurden nur noch 388.461 Eheschließungen registriert.4 Wenn man die Zahlen getrennt nach dem früheren Bundesgebiet und dem Gebiet der DDR vergleicht, ist auffallend, dass die Rückgänge in absoluter Hinsicht bis 1990 zwar beide Staaten gleichzeitig, aber in unterschiedlichem Ausmaßen betrafen: Während die Eheschließungen in der Bundesrepublik zwischen 1950 und 1990 um etwas über zwanzig Prozent zurückgingen (1950: 535.708; 1960: 521.445; 1970: 444.510; 1980: 362.408; 1990: 414.475), sank die Zahl der Eheschließungen in der DDR im Vergleichszeitraum um mehr als die Hälfte (1950: 214.744; 1960: 167.583; 1970: 130.723; 1980: 134.195; 1990: 101.913).5 Nach der Wiedervereinigung halbierte sich diese Zahl quasi innerhalb eines Jahres in den neuen Ländern und Berlin (Ost) nochmals, stieg in den darauf folgenden Jahren zwar leicht an, um allerdings in den letzten Jahren abermals zu sin3 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2006 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 47. 4 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 28. Dabei handelt es sich um ein vorläufiges Ergebnis. 5 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2004 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 49 f.

B. Demographische Befunde

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ken (1991: 50.529, 1995: 54.184, 2000: 58.713, 2002: 50.610).6 Die Dramatik der Veränderungen wird deutlich, wenn man das relative Verhältnis der Zahl der Eheschließungen zur Einwohnerzahl untersucht: Betrug der Quotient der Eheschließungen je tausend Einwohner in Gesamtdeutschland 1950 noch 11,0, so sank er in den nächsten Jahrzehnten um mehr als die Hälfte (1960: 9,5; 1970: 7,4; 1980: 6,3; 1990: 6,5; 2000: 5,1). Er stagniert seit einigen Jahren auf niedrigem Niveau (2002: 4,8; 2003: 4,6; 2004: 4,8).7 Dabei ist auffallend, dass bei dieser Verhältniszahl die neuen Bundesländer mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg unterdurchschnittlich abschneiden.8 Die Zahl der gerichtlichen Ehelösungen nimmt dagegen sowohl absolut und damit auch im Verhältnis zur Zahl der Eheschließungen zu: Wurden 1995 170.000 Ehen für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden, so stiegen diese Zahlen im Jahr 2000 auf 194.630 und 2004 auf 214.062.9 Umgekehrt zur abnehmenden Zahl der Eheschließungen steigt die Zahl der Personen, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, kontinuierlich an. 2005 bestanden etwa 2,4 Millionen nichteheliche Lebensgemeinschaften, während es 1996 etwa 1,8 Millionen waren.10 Vergleicht man die Zahl der ehelichen und der nichtehelichen Lebensgemeinschaften, so überwiegt der Anteil der Ehen immer noch bei weitem – mit allerdings abnehmender Tendenz. Über 11% aller Paare waren danach im Jahr 2005 nichteheliche Lebensgemeinschaften. Aus dem Mikrozensus ergibt sich ferner der Befund, dass die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern nicht nur zunimmt, sondern auch einen immer größer werdenden Anteil der nichtehelichen Lebensgemeinschaften insgesamt ausmacht. In etwa einem Drittel von ihnen leben Kinder.11 Bei der demographischen Einschätzung der Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Partner teilweise später noch heiraten – insbesondere dann, wenn Kinder vorhanden sind. In die6 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 1994 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 75; dass. (Fn. 5), S. 50. Die Zahl von 2002 bezieht sich auf die neuen Länder ohne Berlin (Ost). 7 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 50. 8 Unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielten 2004 folgende Länder: Brandenburg 4,4; Bremen 4,4; Sachsen-Anhalt 4,3; Thüringen 4,1; Hamburg 3,9; Sachsen 3,9; Berlin 3,7. 9 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 56. Zum Vergleich die Zahl der Eheschließungen für die Jahre 2000: 418.550, und 2004: 395.992. 10 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 47. 11 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 47: Verhältnis der Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften ohne Kinder zur Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern in tausend 1996: 1.295 : 506; 2005: 1.647 : 770.

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1. Kap.: Thematische Einführung

sen Fällen wird mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Ehe gewissermaßen antizipiert.12 In Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. Nach einem Höchststand Mitte der sechziger Jahre (1965: 1.325.386) sank die Zahl der Geburten in den folgenden Jahrzehnten um fast die Hälfte ab (2004: 705.622).13 Hierbei ist für die neuen Länder und Berlin (Ost) eine ähnlich dramatische Entwicklung wie bei den Eheschließungen zu beobachten: Wurden 1990 noch 178.476 Kinder lebend geboren, waren es 1991 nur noch 107.769. Nach einem leichten Anstieg ab Mitte der neunziger Jahre bis zum Jahr 2000 sinkt die Geburtenzahl seitdem wieder.14 Bei der Geburt der Kinder sind deren Eltern noch immer im weit überwiegenden Maße miteinander verheiratet. Der Anteil der nichtehelich geborenen Kinder nimmt allerdings kontinuierlich zu.15 Aus den dargelegten statistischen Befunden ist abzulesen, dass der empirisch belegbare tradierte enge Zusammenhang zwischen Ehe und Familie nach wie vor stabil ist, sich aber langsam abschwächt.16

II. Demographische Befunde zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Die demographische Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland steht vor dem methodischen Grundproblem einer unzulänglichen Datenbasis. Die Zahl homosexueller Personen und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung kann nur geschätzt werden. Ob die Ergebnisse von Umfragen unter Homosexuellen repräsentativ sind, muss deshalb offen bleiben. Ebenso schwierig ist die statistische Absicherung der Annahmen von demographischen Unterschieden oder Zusammenhängen zwischen verschiedenen homo- und heterosexuellen Vergleichs12 Rosemarie Nave-Herz, Partnerschaft – Ehe – Familie, in: zur debatte 2/2001, S. 17 (18); Detlef Merten, Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaften unter dem Grundgesetz, in: Freiheit und Eigentum. Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee und Helmut Lecheler, 1999, S. 615 (628). 13 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 53; dass. (Fn. 5), S. 49. 14 Statistisches Bundesamt (Fn. 5), S. 50: 2000: 111.267; 2004: 98.884. Die letzte Zahl bezieht sich auf die Geburten in den neuen Ländern ohne Berlin (Ost), vgl. Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 50. 15 Statistisches Bundesamt (Fn. 3), S. 50: Verhältnis der Zahl der Lebendgeborenen insgesamt zur Zahl der nichtehelich geborenen Kinder in tausend: 1950: 1.116 : 117; 1960: 1.261 : 95; 1970: 1.047 : 75; 1980: 865 : 102; 1990: 905 : 138; 2000: 767 : 180; 2004: 706 : 197. 16 Siehe auch Peter J. Tettinger, Der grundgesetzlich gewährleistete besondere Schutz von Ehe und Familie, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), S. 117 (125 f.).

B. Demographische Befunde

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gruppen. Den Ergebnissen kann bei umfangreichem Datenmaterial aber zumindest hinsichtlich ihrer Größenordnung in begrenztem Umfang eine gewisse Plausibilität zukommen, wenn mehrere von ihnen übereinstimmend in dieselbe Richtung weisen oder sich aus ihnen ein widerspruchsfreies Gesamtbild ergibt.17 Die Schätzungen des Anteils der Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung reichen von zwei bis dreißig Prozent und differieren je nach Befragungsmethode, der Größe des befragten Personenkreises und den jeder Untersuchung zugrunde liegenden Kriterien für die Beschreibung einer Person als homosexuell.18 Versteht man unter einem Homosexuellen eine Person, die ausschließlich oder weit überwiegend Sexualkontakte zu Menschen des gleichen Geschlechts pflegt, so kann man aufgrund des vorliegenden Datenmaterials jeweils zumindest die anteiligen Größenordnungen eingrenzen: Es ist danach als Untergrenze von einem Anteil von zwei bis sechs Prozent Homosexueller an der Gesamtbevölkerung auszugehen. Die Obergrenze bildet ein Anteil acht bis zehn Prozent männlicher und sechs bis acht Prozent weiblicher Homosexueller an der Gesamtbevölkerung.19 Angesichts der unsicheren Datenlage erfasst der Mikrozensus nur Ober- und Untergrenzen der Zahl der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Danach gab es 2005 in der Bundesrepublik Deutschland mit insgesamt steigender Tendenz mindestens 60.000 und höchstens 173.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.20 Seit dem 1. August 2001 ist die Begründung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften durch gleichgeschlechtliche Paare möglich. Ihre Zahl wird nicht bundeseinheitlich erfasst und ist deshalb nicht präzise festzustellen. In der Literatur werden sehr unterschiedliche Größenordnungen genannt: Zum einen werden für das Jahr 2004 eine Zahl von etwa 5.000 und zum anderen ein Bereich von zwischen 12.500 und 14.000 Lebenspartnerschaften ange17

Ariane Sickert, Die lebenspartnerschaftliche Familie, 2005, S. 40 f.; H. P. Buba/ L. A. Vaskovics, Ziele und Forschungsdesign, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von dens., 2001, S. 25 (31 f.); Stefan Baas./H. P. Buba, Zum Stand der Forschung, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 329; Nave-Herz (Fn. 12), S. 17 (18), jeweils m. w. N. 18 Anne Röthel, Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, hrsg. von Rainer Hausmann und Gerhard Hohloch, 2. Aufl., 2004, Rn. 3; Martin Dannecker, Sexualwissenschaftliches Gutachten zur Homosexualität, in: Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, hrsg. von Jürgen Basedow u. a., 2000, S. 335 (335 ff.); Jörg Wegner, Die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, in: ZfR 1995, S. 170 (171 f.), jeweils m. w. N. 19 Wegner (Fn. 18), S. 170 (172). 20 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leben in Deutschland, 2006, S. 34.

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1. Kap.: Thematische Einführung

geben, die in überwiegendem Maße von männlichen Paaren begründet worden waren.21 Die bisher umfassendste Befragung von Homosexuellen zu ihrer sozialen Situation und ihren Ansichten über ihre Homosexualität sowie den Umgang mit ihr in der Bundesrepublik wurde im Jahr 2000 im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz von Buba und Vaskovics unter dem Titel „Benachteiligung von gleichgeschlechtlich orientierten Personen und Paaren“22 durchgeführt.23 Die Ergebnisse der Auswertung hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wurden mit Ergebnissen früherer Befragungen von in verschiedengeschlechtlichen Lebensformen – nichteheliche Lebensgemeinschaften und junge Ehepaare – lebenden Personen verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.24 Danach leben etwa ein Drittel der befragten Homosexuellen in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft und etwa zehn Prozent planen dies in unmittelbarer Zukunft. Ein knappes weiteres Drittel hat eine verbindliche Beziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner, ohne mit ihm zusammen zu wohnen.25 Vergleicht man die Partnerbindung zwischen homo- und heterosexuellen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren, so ist auffällig, dass bei beiden Gruppen etwa siebzig Prozent eine feste Beziehung zu einem Partner haben, aber mehr als doppelt so viele Heterosexuelle mit ihren Partnern zusammen leben wie Homosexuelle.26 Keine Aussage trifft die Studie zu Häufigkeit und Zeitpunkt eines Abbruchs der Beziehung zum Partner. Andere Untersuchungen legen die Schlussfolgerung nahe, dass zu21 Dagmar Kaiser, Die eingetragene Lebenspartnerschaft – Status und Personenstand, in: StAZ 2006, S. 65 (73); Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Einf., Rn. 39. 22 Mit der Verwendung des rechtlich wenig neutralen Begriffs der „Benachteiligung“ im Titel der Studie und als Teil der Überschrift in den Fragebögen setzen sich die Autoren der Kritik aus, dass die Studie eine Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen belegen soll, die schon vor Kenntnis ihrer Ergebnisse implizit im Forschungsdesign angenommen wird. 23 Ausgewertet wurde ein Teilsample von 581 Fragebögen gleichgeschlechtlich orientierter Personen, die von etwa 2.900 zurückgesandten Fragebögen zuerst eingegangen waren, vgl. Buba/Vaskovics (Fn. 17), S. 25 (29). 24 Buba/Vaskovics (Fn. 17), S. 25 (34). 25 H. P. Buba/D. Becker, Sexuelle Identität und Lebenslage, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 35 (50 ff., 59 f.). Andere Studien zeigen vergleichbare Größenordnungen, vgl. Wegner (Fn. 18), S. 170 (173) m. w. N. 26 Buba/Becker (Fn. 25), S. 35 (55). Die Begründungsansätze für diesen Unterschied reichen von der stärkeren gesellschaftlichen Akzeptanz heterosexueller Lebensformen über eine wegen der schwierigeren sexuellen Identitätsfindung verzögerte Partnerbindung Homosexueller bis zu unterschiedlichen Partnerschaftsvorstellungen Homo- und Heterosexueller; siehe auch Wegner (Fn. 18), S. 170 (175).

B. Demographische Befunde

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mindest die Beziehungen jüngerer männlicher Homosexueller deutlich kurzlebiger sind als diejenigen von Heterosexuellen der gleichen Altersstufe.27 Mit zunehmendem Alter werden allerdings die Beziehungen Homosexueller im Durchschnitt zeitlich beständiger.28 Der Umstand, eine feste gleichgeschlechtliche Beziehung oder sogar Lebensgemeinschaft zu führen, ist aber insbesondere bei männlichen Homosexuellen nicht gleichbedeutend mit sexueller Monogamie.29 Vielmehr steigt der Anteil derjenigen männlichen Homosexuellen, die in einer festen Beziehung leben und gleichzeitig daneben noch lose sexuelle Kontakte zu Dritten unterhalten, mit der Dauer der Beziehung signifikant an.30 Hinsichtlich der Beziehungsvorstellungen und -ressourcen ergibt die Stichprobe eine weitgehende Ähnlichkeit zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften, teilweise auch zu Ehepaaren. Die Selbsteinschätzung gleichgeschlechtlicher Paare hinsichtlich der Stabilität und Konfliktfähigkeit ihrer Beziehung sowie die Bereitschaft zu gegenseitiger Verantwortungsübernahme übertrifft dabei sogar leicht die der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften.31 Das ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass diese Beziehungen auch tatsächlich stabiler sind. Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei der Regelung des Zusammenlebens und der sozialen Sicherung: Es weist hinsichtlich der privatautonomen Gestaltung und der gegenseitigen finanziellen Unterstützung ebenfalls Ähnlichkeiten zwischen gleichgeschlechtlichen und unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paaren auf. Nach den demoskopischen Ergebnissen sind Vereinbarungen zur eigenverantwortlichen Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Partnern bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften sogar häufiger als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren, die nicht verheiratet sind.32 27 Vgl. Röthel (Fn. 18), Rn. 5; Nave-Herz (Fn. 12), S. 17 (18); Wegner (Fn. 18), S. 170 (173 f.). 28 Stefan Baas/H. P. Buba, Zum Stand der Forschung, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 329 (334); Wegner (Fn. 18), S. 170 (174). 29 Karlheinz Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, 2. Aufl., 2004, Rn. 68; Johann Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, 2002, S. 64 f.; Nave-Herz (Fn. 12), S. 17 (18); Dannecker (Fn. 18), S. 335 (343 f.); Wegner (Fn. 18), S. 170 (177). 30 Baas/Buba (Fn. 28), S. 329 (334, 337 f.); Dannecker (Fn. 18), S. 335 (344 f.). Teilweise wird geschätzt, dass bei 75% der länger als fünf Jahre bestehenden Beziehungen auch sexuelle Kontakte zu Dritten vorkommen. 31 H. P. Buba/D. Becker, Ausgewählte Aspekte gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 61 (75 ff.). 32 Buba/Becker (Fn. 31), S. 61 (83 ff.); siehe auch Wegner (Fn. 18), S. 170 (176 f.). Dieser Unterschied kann seine Ursache darin haben, dass zum Unter-

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1. Kap.: Thematische Einführung

Insgesamt scheint die Umfrage eine generelle Unterscheidung der Lebensgemeinschaften nach ihrer geschlechtsspezifischen Konnotation zu widerlegen und die rechtliche Gleichbehandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu intendieren. Diese Schlussfolgerung ist allerdings aus mehreren Gründen problematisch: Erstens ist die Repräsentativität der Befragungsergebnisse – wie oben ausgeführt – unklar. Daneben liegt die Vermutung nahe, dass das Interesse an der Befragungsthematik bei überdurchschnittlich gebildeten Personen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, besonders groß ist und sie sich deshalb überproportional an der Befragung beteiligt haben.33 Zweitens liegen auch bei der Befragung verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften oftmals nur Ergebnisse für die nichtehelichen Lebensgemeinschaften, nicht aber für die Ehepaare vor.34 Bei letzteren besteht aber naturgemäß ein großes Interesse an gegenseitiger rechtlicher Bindung und Verantwortungsübernahme, während dies bei Angehörigen nichtehelicher Lebensgemeinschaften, denen die Ehe offen steht, ohne dass sie dieses Rechtsinstitut (bisher) gewählt hätten, insgesamt in weit geringerem Maße der Fall ist. Dieser quantitativ bedeutende Faktor der verheirateten Ehepaare müsste bei einer realistischen demoskopischen Einschätzung verschiedengeschlechtlicher Paare weitaus stärker berücksichtigt werden. Ein Gesamtvergleich gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ist bedingt durch die beschriebenen demoskopischen Verzerrungen deshalb erschwert. Trotz der genannten demoskopische Defizite der Untersuchung kann man ihr als Auswertungsergebnis bei aller Zurückhaltung aber zumindest entnehmen, dass es zwischen einem Teil der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften einerseits und jüngeren Ehepaaren ohne Kinder oder stabilen nichtehelichen Lebensgemeinschaften andererseits hinsichtlich ihrer sozialen Ausprägung und ihrer Interessenlage mehr sozial relevante Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Eine demographisch besonders schwer zu erfassende Situation stellt die Elternschaft von Homosexuellen dar. Schon die quantitative Größenordnung suchungszeitpunkt die privatautonome Vereinbarung bei gleichgeschlechtlichen Paaren die einzige Möglichkeit der rechtsverbindlichen Gestaltung ihrer Beziehung war, während verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der Weg zur Ehe offen steht. 33 Vgl. L. A. Vaskovics, Zusammenfassung und Diskussion, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 245 (246). Buba/Becker (Fn. 25), S. 35 (51), gehen allerdings nicht von einer Verzerrung des Befragungsergebnisses hinsichtlich des Anteils der verbindlichen Partnerschaften aus. 34 Dies gilt etwa für die Fragen nach der Unterstützungsbereitschaft in Partnerschaften oder der (Selbst)-Einschätzung von Dauerhaftigkeit und Stabilität der geführten Beziehung, vgl. dazu Buba/Becker (Fn. 31), S. 61 (79).

B. Demographische Befunde

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ist unklar. Die sehr unsicheren Schätzungen reichen bis zu einer Zahl von zwei Millionen biologischer Eltern mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, von denen die Mehrheit lesbische Mütter sind.35 Die Zahl dürfte jedoch weit darunter liegen. Der Mikrozensus weist für das Jahr 2004 die Zahl von etwa 11.500 Kindern auf, die gemeinsam mit gleichgeschlechtlichen Paaren leben.36 Der Großteil der Kinder entstammt einer früheren heterosexuellen und oftmals sogar ehelichen Beziehung; nur ein kleiner Anteil ist auf die Insemination durch eine Samenspende zurückzuführen.37 Aus der oben dargestellten Studie von Buba und Vaskovics ergibt sich, dass etwa die Hälfte der befragten homosexuellen Eltern in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, die andere Hälfte in einer festen Beziehung ohne gemeinsame Wohnung lebt. Alleinstehende gleichgeschlechtlich orientierte Eltern gibt es danach kaum.38 Für die Zukunft wird zwar nicht mit einer Zunahme der Zahl von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern gerechnet.39 Verschiedene Untersuchungen haben aber ergeben, dass viele Homosexuelle einen zumindest latenten Kinderwunsch haben, der bei einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit verstärkt realisiert werden könnte.40

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Sickert (Fn. 17), S. 32; Baas/Buba (Fn. 28), S. 329 (339 f.); H. Weiß, Elternschaft, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 223 (226); Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, Lesben und Schwule mit Kindern – Kinder homosexueller Eltern, 1997, S. 10, jeweils m. w. N. 36 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Leben und Arbeiten in Deutschland, 2005, S. 22. 37 Sickert (Fn. 17), S. 34; Karlheinz Muscheler, Die Eingetragene Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht, in: Jura 2004, S. 217 (219); Nave-Herz (Fn. 12), S. 17 (18); Weiß (Fn. 35), S. 223 (225 f.); Dannecker (Fn. 18), S. 335 (345); Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport (Fn. 35), S. 10 f. 38 Weiß (Fn. 35), S. 223 (225 f.). 39 Bernd Eggen, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften – Kontinuität im Wandel intimer und familialer Lebensformen, in: FPR 2001, S. 444 (448) m. w. N. Die Prognosebasis ist allerdings sehr unzuverlässig; in anderen europäischen Ländern ist eine geringe Zunahme von registrierten Partnerschaften mit Kindern zu verzeichnen. 40 Sickert (Fn. 17), S. 34; Dannecker (Fn. 18), S. 335 (346).

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1. Kap.: Thematische Einführung

C. Historiographischer Überblick über die rechtliche Beurteilung von homosexuellen Lebensgemeinschaften in Deutschland I. Die rechtliche Einordnung der Homosexualität bis zur Entstehung des StGB Das Verhältnis der Rechtsordnung zu homosexuellen Handlungen war schon seit römischer Zeit bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts durch das Strafrecht geprägt. Die Entwicklung der strafrechtlichen Beurteilung der Homosexualität ist dabei unter dem Einfluss christlicher Moralvorstellungen zunächst sowohl durch eine immer mehr fortschreitende tatbestandliche Erweiterung als auch durch eine Verschärfung des Strafmaßes gekennzeichnet. Mit der Aufklärung gewinnen insbesondere hinsichtlich der strafrechtlichen Sanktionen wieder zurückhaltendere Maßstäbe die Oberhand, ohne dass die Strafbarkeit selbst in Frage gestellt wurde. 1. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen im römischen Recht Im antiken Griechenland waren homoerotische Beziehungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts, insbesondere zwischen Männern und Knaben, nicht mit dem Odium sittlicher Verwerflichkeit belegt. Sie wurden zwar vereinzelt – etwa von Platon – durchaus kritisch gesehen, strafbar waren sie aber nicht.41 Das änderte sich im römischen Recht. Erstmals wurden im ersten Jahrhundert v. Chr. mit der „Lex Scantinia“ bestimmte homosexuelle Handlungen im Sinne eines „stuprum cum masculo“ unter Strafe gestellt. Die tatbestandliche Reichweite wie auch das Strafmaß sind nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. Teilweise wird eine Beschränkung des Tatbestands auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie mit der Verhängung von Geldstrafen ein verhältnismäßig geringes Strafmaß für Taten angenommen, die überdies wahrscheinlich nicht streng verfolgt wurden.42 Ab dem Jahre 18 n. Chr. galten dann die von Augustus erlassenen Bestimmungen der 41

Elke Hartmann, Homosexualität, in: Der neue Pauly – Enzyklopädie der Antike, hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Bd. 5, 1998, Sp. 704 f. 42 Stefan Kappe, Die Fabrikation des Abnormen, in: KJ 1991, S. 205 (206); Günther Gollner, Homosexualität, 1974, S. 126; Jürgen Baumann, Paragraph 175, 1968, S. 24; Magnus Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, 1914, S. 791 f.

C. Historiographischer Überblick

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„Lex Julia de adulteriis coercendis“. In der Literatur besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass dieses Gesetz nicht generell die Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen statuieren, sondern nur den Schutz männlicher Kinder und Jugendlicher vor Verführung oder Vergewaltigung durch männliche Erwachsene garantieren sollte.43 Das Strafmaß wurde allerdings drastisch erhöht und die deliktische Vollendung der Tat mit dem Tode sowie hälftigem Vermögenseinzug bestraft.44 Eine nochmalige Ausweitung, diesmal in tatbestandlicher Hinsicht, erfuhr die Strafbarkeit dann im dritten Jahrhundert n. Chr., indem die Bestimmung der „Lex Julia“ erweiternd auf homosexuelle Handlungen zwischen männlichen Erwachsenen ausgedehnt und erstmals strafrechtlich gegen männliche Prostitution vorgegangen wurde.45 Mit dem verstärkten Einfluss des Christentums ging der Erlass von Strafnormen einher, die erstmals ausdrücklich homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen bestraften. Im Jahre 326 n. Chr. erließ Kaiser Konstantin ein entsprechendes Gesetz, das diejenigen Männer bestrafte, die beim Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann die Rolle der Frau eingenommen hatten.46 390 n. Chr. wurde dann durch die Kaiser Valentinian, Theodosius und Arcadius mit einem weiteren Gesetz auch derjenige mit dem Verbrennungstod bestraft, der den Körper eines Mannes „wie den einer Frau beim Verkehr mit dem anderen Geschlecht gebraucht“. Als tatbestandliche Handlung galt dabei wie schon im vorchristlichen römischen Recht nur der Geschlechtsverkehr.47 Schließlich erließ Justinian zu den in den Institutiones und den Digesten des Corpus Iuris Civilis festgehaltenen Bestimmungen der Lex Julia im Jahre 538 n. Chr. und 544 n. Chr. zwei Novellen (Nr. 77 und 141). Auf der einen Seite wurde erstmals die männliche Homosexualität insgesamt unter Bezugnahme auf Stellen des Alten und Neuen Testaments scharf verurteilt und als Strafgrund theozentrisch die Verhinderung des durch homosexuelle Handlungen heraufbeschworenen göttlichen 43 Gollner (Fn. 42), S. 127; Baumann (Fn. 42), S. 24; Hirschfeld (Fn. 42), S. 793 ff.; Paul Johann Anselm von Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, hrsg. von C. J. A. Mittermaier, 14. Aufl., 1847 (Neudruck 1973), § 467, S. 738; zurückhaltender Kappe (Fn. 42), S. 205 (206). 44 Gollner (Fn. 42), S. 127; Baumann (Fn. 42), S. 24; Hirschfeld (Fn. 42), S. 794 f. 45 Gollner (Fn. 42), S. 127 f.; Baumann (Fn. 42), S. 25; Hirschfeld (Fn. 42), S. 804. 46 Der Normwortlaut ist abgedruckt bei Baumann (Fn. 42), S. 25, Fn. 31. Vgl. dazu auch Gollner (Fn. 42), S. 129; Hirschfeld (Fn. 42), S. 828 f. 47 Gollner (Fn. 42), S. 129; Hirschfeld (Fn. 42), S. 829. Unklar ist, ob das Gesetz nur die passive oder zusätzlich auch die aktive Rolle beim Geschlechtsverkehr bestrafen wollte. Ersteres nimmt Kappe (Fn. 42), S. 205 (206), an.

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1. Kap.: Thematische Einführung

Zornes gesehen.48 Auf der anderen Seite betonen beide Novellen aber die Möglichkeit zu Umkehr und Buße, bevor eine Bestrafung erfolgte.49 2. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen im vorchristlich-germanischen Recht und im germanischen Stammesrecht Die älteste Darstellung, die mit der Bestrafung von Männern aufgrund homosexueller Handlungen in Verbindung gebracht wird, stammt von Tacitus.50 Ein Teil des Schrifttums nimmt an, dass es sich bei den mit dem Tode durch Versenken im Sumpf bestraften „corpore infames“ um diejenigen Homosexuellen gehandelt hat, die beim Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann die Rolle der Frau übernommen hatten.51 Andere sehen in den Hingerichteten vor allem weibliche Schamanen.52 Auch in einer Reihe von germanischen Stammesrechten finden sich Bestimmungen, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen. Die Leges Visigothorum bestraften den mit einem anderen Mann vorgenommenen passiven analen Geschlechtsverkehr mit der Kastration.53 Auch die Lex Salica, das friesische Recht, das Sendrecht und das alte norwegische Recht sahen die Bestrafung dieser Handlungen – ebenso wie die der Sodomie – vor.54 Als Strafen kamen neben der Kastration auch die Verbrennung und das Versenken im Sumpf bzw. das Eingraben bei lebendigem Leib in Betracht. Als weitere Rechtsfolge wurden die Bestraften friedlos. Dies war Konsequenz der Einordnung der bestraften Handlungen als „Neidlingswerk“ eines als körperlich oder seelisch minderwertig betrachteten Täters.55 Über das tie48 Baumann (Fn. 42), S. 25. Dabei wird insbesondere auf die biblische Geschichte des Untergangs von Sodom und Gomorrha Bezug genommen. 49 Gollner (Fn. 42), S. 129 ff. 50 Tacitus, Germania, 12, 1. 51 Gollner (Fn. 42), S. 139; vgl. auch Gustav Radbruch, Elegantiae Juris Criminalis, 2. Aufl., 1950, S. 2: Todesstrafe für Päderastie wegen ihrer „Unmännlichkeit“. Darauf könnte auch die von Karl von Amira, Die germanischen Todesstrafen, 1922, S. 191 f., getroffene Feststellung hindeuten, dass die in den Stammesrechten für Vergehen von Frauen verhängte Todesstrafe des Lebendigbegrabens rechtshistorisch mit der des Versenkens im Sumpf verwandt ist. Nach Hirschfeld (Fn. 42), S. 818 f., sind dagegen bei Tacitus nicht spezifisch homosexuelle, sondern allgemein ehebrecherische Handlungen gemeint. 52 Kappe (Fn. 42), S. 205 (205 f.). 53 Documenta Germaniae Historica, Leges Visigothorum III, 5, 4 u. 7. Siehe auch Gollner (Fn. 42), S. 140 f.; Hirschfeld (Fn. 42), S. 830. 54 Gollner (Fn. 42), S. 140; Baumann (Fn. 42), S. 26. 55 Ausführlich zur rechtshistorischen Einordnung der einzelnen Strafen Gollner (Fn. 42), S. 140 ff.

C. Historiographischer Überblick

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fere Motiv für die Statuierung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen besteht keine Einigkeit: Teilweise wird es als Wunsch gedeutet, durch Bestrafung die verletzte Fruchtbarkeit der Gemeinschaft magisch wiederherzustellen.56 Andere sehen den Strafgrund in der durch homosexuelle Handlungen intendierten Verletzung der Geschlechterrollen.57 Weitere Stimmen in der Literatur ordnen die Tat auch als strafwürdiges, weil vermeintlich feiges, unmännliches und die Wehrkraft beschädigendes Kriegsverbrechen ein58 oder halten die soziale Reinhaltung für den primären Strafzweck.59 Letztlich müssen sich diese Interpretationen nicht zwingend ausschließen, sondern können sich ergänzen. Die im germanischen Recht anzutreffende Einordnung homosexueller Handlungen als strafbares Unrecht korrespondiert mit der eindeutigen Ablehnung der Homosexualität durch die Kirche. Ihr Urteil verstärkte und verfestigte zugleich die staatliche Charakterisierung praktizierter Homosexualität als Straftat. Schon seit dem vierten Jahrhundert verurteilten kirchliche Synoden ausdrücklich homosexuelle Handlungen als schwer sündhaft sowie mit der Exkommunikation bedroht und verlangten darüber hinaus die Bestrafung der Täter (Ancyra 358 n. Chr., Toledo 693 n. Chr., Paris 829 n. Chr., Reims 1049 n. Chr., London 1102 n. Chr.; Synode und Reichstag von Neapolis 1120 n. Chr.).60 Aufgrund dieser Beschlüsse wurden auch weltliche Gesetze erlassen: So wurden im 7. Jahrhundert in zwei auf König Egica zurückgehenden Gesetzen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt und mit Kastration sowie Desintegration des Täters aus dem Familienverband bestraft.61 Die Möglichkeit der Buße trat ganz in den Hintergrund. Verschiedene Kapitulariensammlungen aus dem 8. Jahrhundert bestraften gleichgeschlechtliche Handlungen mit dem Verbrennungstod.62 Konzil und Reichstag von Neapolis erließen ebenfalls eigene Strafbestimmungen mit 56 Bernhard Rehfeldt, Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942, S. 161 f., insbesondere hinsichtlich der bei Tacitus beschriebenen Hinrichtungsart des Versenkens im Sumpf. 57 Gollner (Fn. 42), S. 143 f. 58 Kappe (Fn. 42), S. 205 (215); Gollner (Fn. 42), S. 145 f.; Radbruch (Fn. 51), S. 2. 59 v. Amira (Fn. 51), S. 67: „Durch die öffentliche Todesstrafe wollte die Gesellschaft so energisch als möglich ausmerzen, was aus ihrer Art geschlagen war. Die öffentliche Todesstrafe entsprang also dem Trieb zur Reinhaltung der Rasse (. . .)“. Noch weitergehend Rudolf Klare, Homosexualität und Strafrecht, 1937, S. 12, der in nationalsozialistischer Diktion behauptet, dass die „Einstellung zur Homosexualität rassisch bedingt“ sei. 60 Gollner (Fn. 42), S. 147 ff.; Baumann (Fn. 42), S. 28; Hirschfeld (Fn. 42), S. 830. 61 Gollner (Fn. 42), S. 148 f. 62 Kappe (Fn. 42), S. 205 (207 f.); Gollner (Fn. 42), S. 147, 149 f.

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1. Kap.: Thematische Einführung

der Androhung des Verbrennungstodes. Dort wurde der Möglichkeit, dieser Strafe durch Bußprozeduren zu entgehen, allerdings ein größerer Raum eingeräumt als in den Gesetzen von Egica.63 3. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen vom gemeinen Recht bis zur Konstituierung des StGB Die aus dem 13. Jahrhundert stammenden Rechtssammlungen des Sachsenspiegels (um 1230 n. Chr.) und des Schwabenspiegels (um 1275 n. Chr.) enthielten selbst keine ausdrücklichen Bestimmungen über homosexuelle Handlungen.64 Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass praktizierte Homosexualität zu dieser Zeit straflos gewesen sei. Vielmehr erfolgte eine Bestrafung dort wahrscheinlich nach der kirchlichen Rechtsordnung, die – wie oben beschrieben – homosexuelle Handlungen einmütig verurteilt und für strafbar erklärt hatte.65 Im 16. Jahrhundert finden sich in der Bambergensis (1507 n. Chr.) und der daran anknüpfenden Constitutio Criminalis Carolina (CCC, 1532 n. Chr.) schließlich wieder entsprechende Strafnormen. Art. 116 CCC lautete: „Straff der unkeusch, so wider die natur beschicht. Item so eyn mensch mit eynem vihe, mann mit mann, weib mit weib, unkeusch treiben, die haben auch das Leben verwürckt und man soll sie der gemeynen gewonheyt nach mit dem fewer vom leben zum todt richten.“ Die Todesstrafe durch Verbrennung sollte danach sowohl für Sodomie als auch für homosexuelle Handlungen von Männern und Frauen verhängt werden. Eine tatbestandliche Konkretisierung des strafrechtlich relevanten Verhaltens lässt sich dem Wortlaut selbst nicht entnehmen; die tatbestandliche Bedeutung ist deshalb in der Literatur umstritten geblieben: Nach einer Ansicht sollte der Tatbestand nur beischlafähnliche Handlungen im Sinne des Geschlechtsverkehrs,66 nach anderer weitergehender Auffassung unter Bezug auf das kanonische Recht alle denkbaren Sexualpraktiken zwischen Personen gleichen Geschlechts – also etwa auch die Masturbation – erfassen.67 Eine Reihe von partikularen Strafgesetzen nahm in der folgenden Zeit die durch die Carolina statuierte Strafbarkeit ebenfalls auf.68 Hinsicht63

Gollner (Fn. 42), S. 150 f. In einer späteren Glosse zum Sachsenspiegel wird allerdings als Strafe für homosexuelle Handlungen die Friedlosigkeit und im dem auf den Schwabenspiegel zurückgehenden Land- und Stadtrechtslehrbuch des Rupprecht von Freising (1228 n. Chr.) die Todesstrafe ausgesprochen; vgl. dazu Gollner (Fn. 42), S. 152; Baumann (Fn. 42), S. 28; Hirschfeld (Fn. 42), S. 823. 65 Gollner (Fn. 42), S. 152. 66 v. Feuerbach (Fn. 43), § 468, S. 740; vgl. aber Hirschfeld (Fn. 42), S. 831 f. 67 Gollner (Fn. 42), S. 152 ff.; Klare (Fn. 59), S. 50. 64

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lich des Strafmaßes ist aber zu konstatieren, dass die Todesstrafe für diese Delikte im Verlauf der folgenden Jahrhunderte immer seltener verhängt und zu Beginn des 19. Jahrhunderts – bedingt durch die einschlägigen partikularrechtlichen Normen – schließlich praktisch ausnahmslos auch bei schwereren Verfehlungen durch eine mehrjährige Zuchthausstrafe ersetzt wurde.69 Diese Entwicklung beruht in erster Linie auf der sich durchsetzenden philosophischen Strömung der Aufklärung, die auch das Verhältnis von Strafrecht und Sexualität tangierte und die Perspektive eher auf trieb- und anlagebedingte Ursachen der Homosexualität richtete oder zur Begründung ihrer Strafbarkeit auf säkular-gesellschaftliche Argumente abstellte.70 In dieser Zeit schränkten eine Reihe von Strafgesetzen deutscher Staaten in unterschiedlicher Weise auch die Reichweite der Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens ein: So wurde die Strafverfolgung nicht qualifizierter homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen von einem Strafantrag (Württemberg 1839; Braunschweig 1840) oder anderen Bedingungen abhängig gemacht (Baden 1845/51: Erregung eines öffentlichen Ärgernisses bzw. öffentliche Beschwerden) oder die Strafbarkeit sogar abgeschafft (Bayern 1813; Hannover 1840).71 Andere Rechtsordnungen gingen nicht so weit: In den §§ 1069–1072 des „Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten“ von 1794 wurden homosexuelle Handlungen mit Zuchthausstrafe und anschließender Verbannung geahndet, auch wenn der Tatbestand selbst – im Vergleich zum gemeinen Recht – dort eher restriktiv auf beischlafähnliche Handlungen beschränkt blieb.72 § 143 des Preußischen Strafgesetzbuches vom 14. April 1851 stellte die „widernatürliche Unzucht“ unter Strafe.73 68

Baumann (Fn. 42), S. 29; Hirschfeld (Fn. 42), S. 831 f. Gollner (Fn. 42), S. 155; Baumann (Fn. 42), S. 36 f. 70 Kappe (Fn. 42), S. 205 (209 f.); Baumann (Fn. 42), S. 30 ff. Ein illustratives Beispiel für die Vermischung ganz unterschiedlicher Argumentationsstränge ist die Begründung der Strafbarkeit bei v. Feuerbach (Fn. 43), § 467, S. 738: Einerseits konstatiert er, ohne nähere Ausführungen dazu zu machen, einen hohen „Grad an Verworfenheit, welchen dieses Laster voraussetzt“. Auf der anderen Seite führt er aber gleichzeitig auch staatsbezogen-funktionale Begründungen an: „(. . .) die aus demselben [dem Laster] entspringende Verachtung der Ehe, welche Entvölkerung, Schwächung und zuletzt Auflösung des Staates zur Folge haben müsste (. . .); endlich die körperliche und geistige Entnervung, welche einen so Entarteten für die Zwecke des Staats unfähig macht.“ 71 Gollner (Fn. 42), S. 160; Baumann (Fn. 42), S. 37 f.; Hirschfeld (Fn. 42), S. 836. 72 Gollner (Fn. 42), S. 156; Baumann (Fn. 42), S. 37. 73 „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Thieren mit Menschen verübt wird, ist mit Gefängnis von 6 Monaten bis zu 4 Jahren, sowie mit zeitiger Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte zu bestrafen.“ Abgedruckt bei Gollner (Fn. 42), S. 179, Fn. 1, und Baumann (Fn. 42), S. 38. 69

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1. Kap.: Thematische Einführung

§ 175 des Strafgesetzbuches des Norddeutschen Bundes von 1870 übernahm schließlich unverändert den Wortlaut des § 143.

II. Rechtsgeschichtlicher Überblick über die Entwicklung des strafrechtlichen Unwerturteils gegenüber homosexuellem Verhalten seit Konstituierung des StGB 1. Die Entwicklung im Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland Mit der Einführung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 5. Mai 187174 knüpfte der Gesetzgeber inhaltlich im Wesentlichen an § 143 des Preußischen Strafgesetzbuches an und veränderte nur das Strafmaß. Homosexuelle Handlungen wurden als „widernatürliche Unzucht“ durch § 175 StGB nunmehr reichsweit strafrechtlichen Sanktionen unterworfen.75 Die inkriminierte Handlung wurde in Anlehnung an die Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals vom Reichsgericht als die Vornahme „beischlafähnlicher Handlungen“ im oder am Körper eines Mannes ausgelegt.76 Diese eher restriktive Interpretation war einer bedenklichen tatbestandlichen Unschärfe des Begriffs der „widernatürlichen Unzucht“ geschuldet und konnte deshalb keinen stringenten Maßstab für sowohl erweiternde als auch einschränkende Auslegungen bieten.77 Durch Artikel 6 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 28. Juni 193578 wurde die durch § 175 StGB statuierte Strafbarkeit auf alle sexuellen Handlungen zwischen Männern ausgedehnt.79 Außerdem wurde durch Art. 6 Nr. 2 ein neuer § 175a in das StGB eingefügt, der für Unzucht zwischen Männern unter Anwendung von Nötigungsmitteln oder unter Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses, durch Verführung eines Minderjährigen sowie für gewerbliche Unzucht eine Zuchthausstrafe bis zu 74

RGBl. I, S. 127. „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ 76 RGSt 1, 395 (396 f.); 70, 277 (278 ff.); 71, 281 (282 f.). 77 Ausführliche Darstellung der Entwicklung der immer mehr einer erweiternden Auslegung zuneigenden Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals und des Reichsgerichts bei Gollner (Fn. 42), S. 179 ff., Fn. 1, und Baumann (Fn. 42), S. 40 ff. 78 RGBl. I, S. 839. 79 „(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.“ 75

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zehn Jahren vorsah. Vom Reichsgericht wurde schließlich auch die Beschränkung des Tatbestandes auf beischlafähnliche Handlungen aufgegeben, weil die Neufassung des § 175 StGB nunmehr „jede Art von Unzucht zwischen Männern unter Strafe“ gestellt habe. Dies wurde mit dem Wegfall des Attributs „widernatürlich“ bei der Unzucht und der Ersetzung des Tatbestandsmerkmals „zwischen Männern“ durch das Merkmal „mit einem Mann“ in der novellierten Fassung des § 175 StGB begründet. Zur Tatbestandsverwirklichung genüge es, „dass die – auf die Erregung oder Befriedigung der eigenen oder fremden Geschlechtslust gerichtete – Handlung des Täters geeignet ist, das allgemeine Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen, und daß dabei der Täter den Körper des anderen Mannes als Mittel benutzt, Wollust zu erregen oder zu befriedigen.“ Dies wurde bei einem „‚Zungenkuß‘ bei gleichzeitigen Bewegungen des Unterkörpers wie in dem Anfassen des Geschlechtsteils (. . .) auch über den Kleidern“ bejaht.80 Das vom Reichsgericht neu postulierte Tatbestandsmerkmal der Eignung, das „allgemeine Scham- und Sittlichkeitsgefühl“ zu verletzen, und der dadurch intendierte subjektive Beurteilungsmaßstab zeigen eindrucksvoll die kaum konturierbare Reichweite des Tatbestands und seine Kollision mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Der 1935 neu gefasste Straftatbestand des § 175 StGB wurde aber auch nach 1945 unverändert beibehalten. Der Bundesgerichtshof hat die erweiterte Auslegung des Tatbestands mit dem Argument gebilligt, die Fassung des § 175 StGB von 1935 enthalte keine „Verwirklichung nationalsozialistischer Ziele oder Gedanken.“81 Eine enge Auslegung würde „sich zu weit vom Wortlaut des § 175 StGB entfernen“, wiewohl der Einzelfall die Möglichkeit eröffne, die Unzüchtigkeit einer sexuellen Handlung gegenüber Minderjährigen eher zu bejahen als bei der gleichen Handlung unter Erwachsenen.82 Aus dem Begriff des „Unzuchttreibens“ wurde zwar einschränkend abgeleitet, dass die tatbestandliche Handlung eine „gewisse Stärke und Dauer“ umfassen müsse.83 Die extensive Auslegung des Tatbestands und der Verzicht auf die Tatbestandsvoraussetzung einer „beischlafähnlichen Handlung“ führte aber dazu, dass schon die Selbstbefriedigung ohne Berührung eines anderen Mannes als tatbestandsmäßig gewertet wurde, sofern der Täter „eine Beziehung zwischen dem eigenen unzüchtigen Treiben und dem Körper des anderen Mannes schafft, dessen Körper auf diese Weise an dem gesamten unzüchtigen Vorhaben teilhaben läßt und so in Mitleidenschaft zieht.“84 Der kursorische Überblick über diese Recht80 81 82 83

RGSt 70, 224 (225). BGHSt 1, 80 (81 f.). BGHSt 1, 83 (83 f.). BGHSt 1, 293 (295 f.).

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1. Kap.: Thematische Einführung

sprechung lässt die Bemühungen erkennen, gleichzeitig sowohl der erheblichen Reichweite des Tatbestands gerecht zu werden als auch seiner nur schwer begrenzbaren uferlosen Ausdehnung zu begegnen. Angesichts der aus dem weit gefassten Tatbestand des § 175 StGB resultierenden Schwierigkeiten, dafür einen präzisen Maßstab zu finden, wird man kaum konstatieren können, dass diesen Bemühungen Erfolg beschieden war. Das Bundesverfassungsgericht hat trotz dieser normimmanenten Problematik die Fassungen der §§ 175, 175a StGB durch Urteil vom 10. Mai 1957 für mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten.85 Die Beschränkung der Strafbarkeit auf homosexuelle Handlungen von Männern verstoße nicht gegen den in Art. 3 II, III GG festgehaltenen Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Der Erste Senat zieht zur Begründung dieser Feststellung anthropologische Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Sexualität als Differenzierungskriterien für die geschlechtsverschiedene strafrechtliche Bewertung der Homosexualität heran, die er durch Bezugnahme auf Äußerungen von Sachverständigen während des Verfahrens zu untermauern sucht. Zu ihnen gehört aus Sicht des Gerichts die unterschiedliche quantitative Verbreitung von Homosexualität bei Männern und Frauen, ein vermeintlich bei Männern ausgeprägteres Potential, zu homosexuellen Handlungen verführt zu werden sowie Sexualität auf die Triebbefriedigung zu reduzieren, aber auch die unterschiedliche Beschaffenheit der primären Geschlechtsmerkmale bei Mann und Frau.86 Eine Verletzung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 I GG liege ebenfalls nicht vor, weil die „gleichgeschlechtliche Betätigung (. . .) eindeutig gegen das Sittengesetz“ verstoße.87 Insofern legitimiert nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts das Sittengesetz als Schranke von Art. 2 I GG einen Eingriff durch § 175 StGB in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Überdies sei auch die in § 175a StGB statuierte Höchststrafe von zehn Jahren Zuchthaus verfassungsgemäß und trage kein „nationalsozialistisches Gepräge“, weil eine Mindeststrafe von drei Monaten bei mildernden Umständen vorgesehen sei. Der weite Strafrahmen ermögliche in jedem Einzelfall eine angemessene Bestrafung und verletze nicht das Rechtsstaatsprinzip.88 Schließlich sei das in Art. 8 I EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens nicht verletzt, weil Art. 8 II EMRK Eingriffe rechtfertige, 84

BGHSt 4, 323 (325); BGHSt 1, 107 (110), schon für die Selbstbefriedigung bei gleichzeitiger Berührung eines anderen Mannes. 85 BVerfGE 6, 389. 86 BVerfGE 6, 389 (424 ff.). 87 BVerfGE 6, 389 (434). 88 BVerfGE 6, 389 (439).

C. Historiographischer Überblick

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die in einer demokratischen Gesellschaft zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig seien. Dies wird vom Gericht hier bejaht.89 Der Bestimmtheitsgrundsatz spielte in der Entscheidung keine Rolle. 1969 wurden durch Art. 1 Nr. 52 des 1. StrRG vom 25. Juni 196990 die §§ 175, 175a StGB grundlegend umgestaltet. § 175 StGB stellte fortan nur noch homosexuelle Handlungen in einigen bisher in § 175a StGB aufgeführten Fällen unter Strafe.91 Die generelle Strafbarkeit der homosexuellen Betätigung männlicher Erwachsener entfiel. § 175a StGB selbst wurde gestrichen. Die fortan geltende Straflosigkeit von homosexuellen Handlungen Erwachsener wurde zum einen mit der häufigen Irreversibilität ihrer homosexuellen Prägung begründet. Es könne „nicht Aufgabe des Strafrechts sein, ihnen geschlechtliche Enthaltsamkeit auch insoweit aufzuerlegen, als es sich um freiwillige sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen handelt.“ Das Verhältnis zwischen der geringen Zahl von verfolgten Taten und der hohen Dunkelziffer führe überdies zu einer „ungleichen Behandlung“. Zum anderen gehe von der Homosexualität auch „keine werbende Wirkung“ auf heterosexuelle Erwachsene aus. Die Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen die ausgeübte Homosexualität straffrei sei, zeigten schließlich, dass dort die Bedeutung von Ehe und Familie nicht beeinträchtigt werde.92 Die gegen diese Vorschrift ebenfalls geltend gemachten Bedenken, die Nichtberücksichtigung von weiblichen homosexuellen Handlungen verstoße gegen Art. 3 I, II GG, sind vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 2. Oktober 1973 mit Hinweis auf die in seiner Entscheidung vom 10. Mai 1957 zur „qualitativen Unvergleichbarkeit der männlichen und weiblichen Homosexualität gerade im Hinblick auf die Gefährdung Jugendlicher“ dargelegten Aussagen zurückgewiesen worden.93 89

BVerfGE 6, 389 (441). BGBl. I, S. 645. 91 „(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft 1. ein Mann über achtzehn Jahre, der mit einem Mann unter einundzwanzig Jahren Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, 2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen, 3. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist der Versuch strafbar. (3) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gesetz von Strafe absehen.“ 92 Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform vom 23.4.1969, BT-Drucks. V/4094, S. 30 f. 90

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1. Kap.: Thematische Einführung

Kurze Zeit später wurde § 175 StGB durch Art. 1 Nr. 16 des 4. StrRG vom 23. November 197394 erneut geändert. Fortan wurden nur noch sexuelle Handlungen zwischen einem männlichen Erwachsenen und einem männlichen Minderjährigen unter achtzehn Jahren unter Strafe gestellt.95 Die gesonderte strafrechtliche Erfassung der männlichen Prostitution entfiel. Die Neufassung dieser Bestimmung war ganz auf den Jugendschutz ausgerichtet: Männliche Jugendliche sollten davor bewahrt werden, durch homosexuelle Handlungen eine entsprechende Prägung zu erfahren.96 Schließlich ist nach mehreren erfolglosen Initiativen der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen sowie der Gruppe PDS/Linke Liste97 der § 175 StGB durch Art. 1 des 29. StÄG vom 31. Mai 199498 gestrichen und mit § 182 StGB a. F., der die Verführung unter sechzehn Jahre alter Mädchen durch einen Mann bestrafte, zu einer neuen einheitlichen Regelung des § 182 StGB n. F. zusammengefasst worden. Diese Norm bestraft nunmehr den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen unter sechzehn Jahren und unterscheidet nicht zwischen homo- und heterosexuellen Handlungen. Als Begründung für den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung wurden von ihr neuere sozialpsychologische und sexualwissenschaftliche Erkenntnisse angeführt, die ergeben hätten, dass bis zum 14. Lebensjahr die körperliche Reife i. d. R. abgeschlossen sei und ab dem 16. Lebensjahr die Jugendlichen im sexuellen Bereich regelmäßig eigenverantwortlich zu handeln in der Lage seien. „Unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes der Persönlichkeit eines normal entwickelten Jugendlichen ist die Annahme gerechtfertigt, dass einvernehmliche homo- und heterosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Jugendlichen über 16 Jahre nicht zu Fehlentwicklungen führen.“ Im Übrigen seien der § 175 StGB aus kriminologischer Sicht mit etwa hundert Verurteilungen, der § 182 a. F. StGB mit etwa zehn im Jahr von geringer Bedeutung.99 93

BVerfGE 36, 41 (45). BGBl. I, S. 1725. 95 „(1) Ein Mann über achtzehn Jahre, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter achtzehn Jahren vornimmt oder von einem Mann unter achtzehn Jahren an sich vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn 1. der Täter zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahr alt war oder 2. bei Berücksichtigung des Verhaltens desjenigen, gegen den die Tat sich richtet, das Unrecht der Tat gering ist.“ 96 Heinrich Wilhelm Laufhütte, in: Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, hrsg. von Hans-Heinrich Jescheck u. a., 4. Band, 10. Aufl., 1988, § 175 StGB Rn. 1. 97 Eine Übersicht über diese Gesetzesinitiativen enthält die Begründung des 29. StÄG, BT-Drucks. 12/4584, S. 4 f. 98 BGBl. I, S. 1168. 94

C. Historiographischer Überblick

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Der Homosexualität kommt seit der Streichung des § 175 StGB keine eigenständige strafrechtliche Relevanz mehr zu. 2. Die Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik Die strafrechtliche Beurteilung der Homosexualität in der DDR durchlief drei Phasen, deren normative Gestaltung jeweils ähnliche Entwicklungstendenzen in der Bundesrepublik Deutschland antizipierte. Zunächst behielt in der DDR das StGB mit seinen überkommenen Strafvorschriften im Wesentlichen seine Rechtswirksamkeit. Die in den ersten Jahren der DDR vorgenommenen Veränderungen des Textkorpus waren indes nicht das Ergebnis eines parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens. Vielmehr wurde die erste Textausgabe des Strafgesetzbuches 1951 aufgrund von Beratungen des Ministeriums der Justiz mit dem Obersten Gericht und der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR erstellt.100 § 175 StGB stand aber schon zuvor im Mittelpunkt eines Strafverfahrens vor dem Obersten Gericht der DDR. Dessen dritter Strafsenat hielt in einem Urteil vom 28. März 1950 – anders als der Bundesgerichtshof – die durch Gesetz vom 28. Juni 1935 neugefasste Bestimmung des § 175 StGB für nationalsozialistisch geprägt und deshalb nicht mehr anwendbar. Die tatbestandliche Erweiterung des § 175 StGB sei erfolgt, weil die vom Nationalsozialismus „geförderten Männerbünde mehr Gelegenheit für gleichgeschlechtliche Betätigung unter Männern boten“ und weil eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen den § 175 StGB zudem als Diffamierungsinstrument vor allem gegen katholische Geistliche und abtrünnige Nationalsozialisten eingesetzt werden sollte. Das Oberste Gericht der DDR wandte deshalb die ursprüngliche Fassung des § 175 StGB an, wie sie seit der Konstituierung des StGB im Jahre 1871 bis zu deren Änderung am 28. Juni 1935 bestanden hatte.101 Das Gericht übernahm ebenso wie die spärliche strafrechtliche Literatur der DDR zu dieser Thematik auch die tradierten und schon vom Reichsgericht entwickelten Auslegungsgrundsätze, die auf das tatbestandliche Vorliegen einer beischlafähnlichen Handlung abstellten.102 Die erste Textausgabe des für 99 BT-Drucks. 12/4584, S. 6 f. Allerdings geht die Begründung des Gesetzentwurfs nicht näher auf die Problematik einer möglichen Diskriminierung und Stigmatisierung jugendlicher Homosexueller durch Dritte mit möglicherweise daraus folgenden Entwicklungsstörungen ein, obwohl sie dort als rechtspolitische Begründung des § 175 auf S. 4 ausdrücklich genannt wird. 100 Ministerium der Justiz der DDR (Hrsg.), Strafgesetzbuch und andere Strafgesetze, 1951, Vorbemerkung, S. 5 f. 101 OGSt 1, 190 (191). 102 OGSt 1, 190 (191); Manfred Dressler/Udo Naundorf, Verbrechen gegen die Person, Heft 2, in: Materialien zum Strafrecht Besonderer Teil, hrsg. von der Aka-

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1. Kap.: Thematische Einführung

die DDR geltenden StGB enthielt deshalb auch nur die älteste Fassung des § 175 StGB. § 175a StGB blieb dagegen unverändert bestehen.103 Im Rahmen der Begründung der Strafbarkeit wurde zwar in der Literatur auf die Verfolgung von Homosexuellen in der Zeit des Nationalsozialismus hingewiesen, aber zugleich erklärt, dass „homosexuelle Betätigungen, und zwar besonders dann, wenn sie gegenüber Jugendlichen vorgenommen werden, eine so erhebliche Gefahr für die Gesellschaft dar(stellen), dass der Staat der Arbeiter und Bauern im Interesse der Gewährleistung gesunder, sauberer geschlechtlicher Beziehungen zwischen den Bürgern auf die Bekämpfung derartiger unzüchtiger Handlungen auch mit den Mitteln des Strafrechts nicht verzichten kann.“104 Worin genau diese Gefahr für die Gesellschaft aus kommunistischer Sicht bestand, wurde nicht ausgeführt. Erst das gänzlich neu konzipierte „Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 22. Januar 1968105 löste das alte StGB ab. Die Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen wurde dort aufgegeben und durch eine Jugendschutzvorschrift im Rahmen des vierten Kapitels des neuen StGB-DDR („Straftaten gegen Jugend und Familie“) ersetzt. Unter der für die §§ 149–151 StGB-DDR gewählten gesetzlichen Überschrift „Sexueller Missbrauch von Jugendlichen“ stellte § 151 StGB-DDR nur noch die Vornahme sexueller Handlungen eines Erwachsenen mit einem gleichgeschlechtlichen Jugendlichen unter Strafe.106 Mit der Statuierung dieses strafrechtlichen Unwerturteils sollte die sittliche und sexuelle Entwicklung Jugendlicher vor einer Beeinträchtigung geschützt werden.107 „Gleichgeschlechtliche Handlungen sind geeignet, die Herausbildung sexual-ethischer Normen und Wertvorstellungen und die normale sexuelle Entwicklung junger Menschen zu beeinträchtigen und die Aufnahme von Partnerbeziehungen zum anderen Geschlecht zu erschweren oder zu verhindern.“108 demie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR und dem Ministerium der Justiz der DDR, 1955, S. 162. 103 Ministerium der Justiz der DDR (Fn. 100), §§ 175, 175a mit Anmerkung, S. 87 f. 104 Dressler/Naundorf (Fn. 102), S. 161. 105 GBl. I, S. 1. 106 „Ein Erwachsener, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.“ 107 Oberstes Gericht der DDR, NJ (DDR) 1968, S. 568 (569). 108 Ministerium der Justiz/Akademie der Rechts- und Staatswissenschaft der DDR (Hrsg.), Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik, 5. Aufl., 1987, § 151 StGB Nr. 1; vgl. auch Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin/Akademie der Rechts- und Staatswissenschaft der DDR (Hrsg.), Strafrecht Besonderer Teil, 1981, S. 118.

C. Historiographischer Überblick

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Sexuelle Handlungen zwischen einem Erwachsenen und Jugendlichen verschiedenen Geschlechts wurden nach den §§ 149, 150 StGB-DDR dagegen nur unter qualifizierten Bedingungen109 und regelmäßig auch nur bei jugendlichen Tatopfern im Alter bis zu sechzehn Jahren bestraft. Die einzige Ausnahme von dieser Altersgrenze enthielt § 150 II StGB-DDR. Danach wurde unter den Bedingungen des § 150 I StGB-DDR auch der Geschlechtsverkehr zwischen einem Erwachsenen und einem sechzehn bis achtzehn Jahre alten Jugendlichen bestraft. Aus einem Vergleich der in §§ 149, 150 StGB-DDR einerseits und in § 151 StGB-DDR andererseits geregelten unterschiedlichen Schutzaltersstufen wird deutlich, dass homosexuelle Handlungen gegenüber heterosexuellen als schwerwiegendere Beeinträchtigung bewertet wurden. Schließlich wurde der § 151 StGB-DDR durch das 5. Strafrechtsänderungsgesetz vom 14. Dezember 1988110, das zum 1. Juli 1989 in Kraft trat, ersatzlos gestrichen. In der gleichzeitig beschlossenen Neufassung der Strafvorschriften über den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen in den §§ 149, 150 StGB-DDR fiel außerdem das Tatbestandsmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit zwischen Täter und Opfer weg. Zwischen homound heterosexuellen Handlungen unterschied das Strafrecht der DDR seit dieser Zeit mithin nicht mehr. Durch diese Gleichbehandlung wurde die bundesrepublikanische Entwicklung vorweg genommen.

III. Verzögerter Wandel – Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Beurteilung gleich- und verschiedengeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaften durch die Rechtsprechung vor Konstituierung der Lebenspartnerschaft Es liegt nicht fern, den im Verlauf der bundesrepublikanischen Rechtsentwicklung immer mehr fortschreitenden Rückzug des Strafrechts aus dem Bereich der Beurteilung der Homosexualität als Indikator für den langsamen Wandel der gesellschaftlichen Auffassungen zur Homosexualität insgesamt anzusehen. Diese Veränderungen fanden auch schon vor der Einführung der Lebenspartnerschaft Eingang in die Rechtsordnung.

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§ 149: Ausnutzung der moralischen Unreife des Jugendlichen durch Geschenke, Versprechen von Vorteilen oder in ähnlicher Weise; § 150: Anvertrautsein des Jugendlichen zur Erziehung oder Ausbildung oder Inobhutnahme. 110 GBl. I, S. 335.

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1. Kap.: Thematische Einführung

1. Mietrecht § 549 II BGB a. F.111 regelte die Gebrauchsüberlassung eines Teils des Wohnraums durch den Mieter an einen Dritten bzw. den Mitgebrauch des Wohnraums durch diesen. Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses konnte der Mieter nach § 549 II 1, 1. Hs. BGB a. F. vom Vermieter die Erlaubnis dazu verlangen. Dies galt gemäß § 549 II 1, 2. Hs. BGB a. F. jedoch nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorlag, der Wohnraum übermäßig belegt worden wäre oder sonst dem Vermieter die Überlassung nicht zugemutet werden konnte. Als berechtigt wird ein Interesse an der Gebrauchsüberlassung dann angesehen, wenn es von nicht ganz unerheblichem Gewicht ist und mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Letzteres ist der Fall, wenn durch die Gebrauchsüberlassung die Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mieters nach Art. 2 I i. V. m. 1 I GG nicht überschritten werden und insbesondere das Sittengesetz nicht verletzt ist.112 In diesem Zusammenhang hatte die Rechtsprechung die sittliche Anstößigkeit des Zusammenlebens in einer Lebensgemeinschaft mit einem verschieden-113 oder einem gleichgeschlechtlichen114 Partner verneint und ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 549 II 1 BGB a. F. bejaht.115 In solchen Situationen war außerdem regelmäßig die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum für den Vermieter auch zumutbar.116 Zwischen nichtehelichen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bestanden mithin aus der Perspektive des § 549 II BGB a. F. keine Unterschiede. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften partizipierten dort an der zunehmenden Toleranz gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die ihren rechtlichen Ausdruck in der beschriebenen Auslegung des § 549 II BGB a. F. gefunden hatte. Da der in § 549 II BGB a. F. niedergelegte Normwortlaut durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001117 in § 553 BGB n. F. nahezu unverändert übernommen worden ist, gelten die dargelegten Grundsätze auch für die Auslegung dieser 111 Der Norminhalt von § 549 II BGB a. F. findet sich nunmehr in § 553 BGB n. F. wieder. 112 BGHZ 92, 213 (219). 113 OLG Hamm, NJW 1992, S. 513 (514); LG Aachen, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1989, S. 372. 114 Vgl. LG München, NJW-RR 1991, S. 1112. 115 BVerfG, NJW 1990, S. 1593 (1594); BGHZ 92, 213 (219 f.) m. w. N.; LG Berlin, GE 1988, S. 143; GE 1991, S. 571. 116 OLG Hamm, NJW 1992, S. 513 (514 f.); LG Aachen, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1989, S. 372 (372 f.). Ausnahmsweise kann aber eine Unzumutbarkeit der Gebrauchsüberlassung gleichwohl vorliegen, vgl. LG Aachen, NJW 1992, S. 2897. 117 BGBl. I, S. 1149.

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Norm.118 Ob nach der Konstituierung der Lebenspartnerschaft der eingetragene Lebenspartner eines Mieters darüber hinaus nunmehr gar keiner Erlaubnis des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung bedarf, weil er nicht „Dritter“ i. S. d. §§ 540 I 1, 553 I BGB n. F., sondern gemäß § 11 I LPartG Familienangehöriger des Mieters ist,119 ist zweifelhaft. Dagegen spricht, dass die Einbeziehung von Ehegatten und Familienangehörigen in die erlaubnisfreie Gebrauchsüberlassung Ausdruck der besonderen staatlichen Schutzverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie ist und sich Lebenspartnerschaften nicht auf Art. 6 I GG berufen können.120 2. Erbrecht Neben dem Mietrecht war das Erbrecht derjenige Rechtsbereich des Zivilrechts, in dem die seit den achtziger Jahren zunehmende sittlich neutrale Einordnung gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens durch die Gerichte am deutlichsten zum Ausdruck kam: So wurde das Zusammenleben mit einem Lebensgefährten des gleichen Geschlechts nicht mehr als ein Fall des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ i. S. d. § 2333 Nr. 5 BGB angesehen, der die Pflichtteilsentziehung rechtfertigen könne.121 Das OLG Frankfurt am Main verneinte zudem die pauschale Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung eines gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten und legte dabei den gleichen Beurteilungsmaßstab wie bei einer heterosexuellen Beziehung zugrunde.122 Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht blieb diesem Personenkreis aber mangels Normierung versagt. 3. Die eheähnliche Gemeinschaft und die Abgrenzung zur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Der Einfluss des Wandels der Beurteilung nichtehelicher Lebensgemeinschaften auf die rechtliche Einordnung von gleichgeschlechtlichen Lebens118 BGHZ 157, 1 (5 ff.); vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Mietrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 14/4553, S. 49. 119 So Walter Weidenkaff, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 540 BGB Rn. 5; Paul Jendrek, in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. I, 11. Aufl., 2004, § 540 BGB Rn. 6. 120 So wohl auch BGHZ 157, 1 (5): „Daher ist zunächst jede Person, die nicht Partei des Mietvertrages ist, ‚Dritter‘ im Sinne des § 540 BGB; hiervon ausgenommen sind nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ebenso wie schon unter der Geltung des § 549 BGB a. F. die Familie des Mieters wegen ihrer engen, unter dem Schutz der Verfassung (Art. 6 GG) stehenden persönlichen Beziehung und – mit Rücksicht auf ihren nur kurzen Aufenthalt – Besucher des Mieters.“ 121 OLG Hamburg, NJW 1988, S. 977 (978). 122 OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1995, S. 265 (266).

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1. Kap.: Thematische Einführung

formen vor Konstituierung der Lebenspartnerschaft darf allerdings nicht überschätzt werden. Dies wird insbesondere an der bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich fehlenden oder nur unvollständigen Integration der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in den Typus der eheähnlichen Gemeinschaft deutlich. Mit der immer größer werdenden Zahl der Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau, die vorübergehend oder auch endgültig miteinander keine Ehe eingehen wollten, wurde auch die Frage nach der Einordnung dieser Gemeinschaften in die Rechtsordnung in zunehmendem Maße virulent. Mit besonderer Eindringlichkeit stellte sich für die Rechtsprechung die Frage, ob Bestimmungen, die de lege lata nur Eheleute oder Familienangehörige berücksichtigten, auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragen werden sollten. Generell wurde dies wegen des fehlenden rechtlichen Bindungswillens der Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften und der Verschiedenartigkeit der sozialen Erscheinungsformen dieser Gemeinschaften verneint. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildeten allerdings die eheähnlichen Gemeinschaften. Dabei handelt es sich um Lebensgemeinschaften von Mann und Frau, die eine mit der Ehe vergleichbare und über eine bloße Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehende innere Bindung ihrer Mitglieder aufweisen, welche eine gegenseitige Verantwortungs- und Einstehenspflicht konstituiert, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und auf Dauer angelegt ist.123 Auf diesen Typus der nichtehelichen Lebensgemeinschaften wurden einzelne zivilrechtliche Bestimmungen richterrechtlich seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts angewandt, obwohl sie dort normativ nicht ausdrücklich erwähnt worden waren: Dazu gehörte die in § 1093 II BGB vorgesehene Möglichkeit, den geschlechtsverschiedenen Lebensgefährten des Berechtigten im Rahmen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit des Wohnungsrechts in die Wohnung aufzunehmen,124 die Haftungsbegrenzung in § 1359 BGB125 oder die Verpflichtung des Erben nach § 1969 I BGB.126 Praktisch am bedeutsamsten war das in § 569a II 1 BGB a. F. geregelte Eintrittsrecht eines Familienangehörigen in das Mietverhältnis, mit dem der verstorbene Mieter einen 123

Für 137 IIa AFG a. F.: BVerfGE 87, 234 (264); BSGE 63, 120 (123); für § 122 BSHG a. F.: BVerwGE 98, 195 (198); vgl. auch BVerfG, NJW 1999, S. 1622, zu § 52 I Nr. 1, 2 StPO. 124 BGHZ 84, 36. 125 OLG Oldenburg, NJW 1986, S. 2259; vgl. auch OLG Karlsruhe, FamRZ 1992, S. 940 (941). 126 Wolfgang Edenhofer, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 1969 BGB Rn. 1 m. w. N. Das OLG Düsseldorf, NJW 1983, S. 1566 (1566 f.), wendet die Norm sogar unmittelbar auf die eheähnliche Gemeinschaft an.

C. Historiographischer Überblick

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gemeinsamen Hausstand geführt hatte.127 Der Bundesgerichtshof wandte diese Norm analog auf Angehörige einer eheähnlichen Gemeinschaft an: „Das Vertrauen in die Aufrechterhaltung des bisherigen Mittelpunktes der Lebens- und Wirtschaftsführung ist für den überlebenden Partner einer lange Zeit andauernden und durch das gegenseitige Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens gekennzeichneten ‚eheähnlichen Gemeinschaft‘ (. . .) nicht weniger schutzwürdig als bei dem – nach einhelliger Auffassung ganz weit zu ziehenden – Kreis sonstiger Familienangehöriger.“128 Auch der Gesetzgeber berücksichtigte in einzelnen Bestimmungen die eheähnliche Gemeinschaft. Dies galt für die sozialrechtlichen Regelungen der § 137 IIa AFG a. F.129, § 122 S. 1 BSHG a. F.130 und §§ 5 II 5, 6 III 2, 12 I BErzGG, mit denen bei der Prüfung der Bedürftigkeit nicht nur die Vermögenssituation des in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Antragsstellers, sondern auch die seines Lebensgefährten in den Blick genommen wurde. Von dieser Rechtsentwicklung wurde die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft indes nicht eindeutig erfasst. Zwar stellte der Bundesfinanzhof 1991 fest, dass das Zusammenleben homosexueller Menschen der Lebensführung einer eheähnlichen Gemeinschaft entspreche und sich deshalb daraus für den Einzelnen auch eine sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsleistung ergeben könne, die steuerlich zu berücksichtigen sei.131 Auch waren einige Fachgerichte hinsichtlich der analogen Anwendung des § 569a II 1 BGB a. F. der Ansicht, wegen der Interessenähnlichkeit mit verschiedengeschlechtlichen eheähnlichen Gemeinschaften müssten dort auch dauerhafte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Berücksichtigung finden.132 Von den Bundesgerichten wurden allerdings die Eheähnlichkeit gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften und deren Einbeziehung in den jeweiligen Regelungskreis verneint. Dies betraf sowohl das Eintrittsrecht des überlebenden Partners in den Mietvertrag133 als auch die sozialrechtlichen Be127 § 559a II 1 BGB a. F. lautete: „Wird in dem Wohnraum ein gemeinsamer Hausstand mit einem oder mehreren anderen Familienangehörigen geführt, so treten diese mit dem Tode des Mieters in das Mietverhältnis ein.“ 128 BGHZ 121, 116 (123); vgl. dazu auch BVerfG, NJW 1990, S. 1593 (1594). 129 Nach Einordnung des Arbeitsförderungsrechts in das Sozialgesetzbuch seit dem 1.1.1998 nunmehr § 193 II SGB III, vgl. BGBl. 1997 I, S. 720. 130 Nach Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch nunmehr § 20 S. 1 SGB XII. 131 BFHE 164, 82 (83). 132 LG Hannover, FamRZ 1993, S. 547 (548); AG Berlin-Wedding, NJW-RR 1994, S. 524 (525). 133 BGHZ 121, 116 (124): „Gleichgeschlechtliche und ihrer Art nach nur vorübergehend angelegte Partnerschaften scheiden damit von vornherein aus.“

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1. Kap.: Thematische Einführung

stimmungen.134 Diese definitorische Abgrenzung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften von der eheähnlichen Gemeinschaft wurde in Teilen der Literatur als verfassungswidriger Verstoß gegen Art. 3 I GG beurteilt. Der allgemeine Gleichheitssatz verlange, dass auch gleichgeschlechtliche Personenverbindungen in dieser Hinsicht wie verschiedengeschlechtliche behandelt werden müssten.135 Eine weitergehende Integration der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in die Rechtsordnung erfolgte jedoch zunächst nicht. Man kann in diesem Zusammenhang von einem sich in der richterlichen Auslegung niederschlagenden verzögerten Auffassungswandel sprechen, der zwar die verschiedengeschlechtliche eheähnliche Gemeinschaft, aber nur unvollständig die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft erfasst hatte. Weil sowohl die Bereitschaft als auch die Möglichkeit zu judikativer Analogiebildung an ihre Grenze gekommen waren, wurde aus rechtspolitischer Perspektive ein legislativer Handlungsbedarf erzeugt, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Verantwortungsgemeinschaften verstärkt normativ in der Rechtsordnung zu berücksichtigen.

D. Theologische Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aus christlicher Perspektive Sowohl die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) als auch die römisch-katholische Kirche haben anlässlich der legislativen Bestrebungen, ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu konstituieren, ausführlich zum Verhältnis von Ehen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Stellung bezogen. Ihr religiöses Fundament ist dabei die christlich-biblische Einordnung der Ehe und von homosexuellen Handlungen.

I. Evangelische Kirche in Deutschland Schon seit den achtziger Jahren wurde in einzelnen Landeskirchen der EKD die Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften 134

Für § 137 IIa AFG a. F.: BVerfGE 87, 234 (264); BSGE 63, 120 (123). Anne Röthel, Nichteheliche Lebensgemeinschaften – Neue Rechtsfragen und Regelungsaufgaben im In- und Ausland, in: ZRP 1999, S. 511 (517 f.); Thorsten Kingreen, Die verfassungsrechtliche Stellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Spannungsfeld zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten, 1995, S. 60; Klaus Schumacher, Zum gesetzlichen Regelungsbedarf für nichteheliche Lebensgemeinschaften, in: FamRZ 1994, S. 857 (860). 135

D. Theologische Einordnung

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kontrovers diskutiert.136 Dieses theologische Problemfeld bezog sich primär auf den innerkirchlichen Bereich und berührte noch nicht den juristischen Horizont des säkularen Rechts. Mit dem rechtlichen Verhältnis von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft befasste sich die Evangelische Kirche in Deutschland erstmals anlässlich der im Dezember 1999 erfolgten Veröffentlichung des „Rohentwurf(s) eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Sexualität: Lebenspartnerschaften“137 durch das Bundesministerium der Justiz. In einer Stellungnahme des Kirchenamtes der EKD wird zunächst die schon in früheren Äußerungen dargelegte Ansicht betont, „dass es keine biblischen Aussagen gibt, die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen – im Gegenteil.“ Denjenigen Homosexuellen, die nicht das „Charisma sexueller Enthaltsamkeit“ besäßen, sei gleichwohl „zu einer vom Liebesgebot her gestalteten und damit ethisch verantworteten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu raten“, für die Kriterien wie „Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit, Verbindlichkeit, Dauer und Partnerschaftlichkeit“ gelten, die auch bei der Ehe zu finden seien.138 Wesentlicher Unterschied zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft sei aber die Funktion von Ehe und Familie als „Lebensraum für die Geburt und Erziehung der Kinder“. Die Ehe „schließt die Offenheit für die Geburt von Kindern (. . .) ein und stellt den Lebensraum bereit, in dem Kinder aufwachsen und sich auf die vielfältigen Herausforderungen des Lebens vorbereiten können. Auch für den Fortbestand eines Gemeinwesens ist es wichtig, dass Kinder geboren werden und in stabilen Beziehungen aufwachsen können.“ Eine Institutionalisierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften dürfe nicht zur Aushöhlung des Schutzes von Ehe und Familie führen, indem ein „anderes, konkurrierendes Leitbild für das auf Dauer angelegte Zusammenleben etabliert wird oder die Mittel zur sozial- und steuerrechtlichen Förderung von Ehe und Familie – bei gleich bleibender Höhe, aber Verteilung auf einen größeren Personenkreis – faktisch vermindert werden.“139 Das spreche aber nicht dagegen, rechtliche Regelungen für einen Personenkreis zu schaffen, der die Lebensform der Ehe nicht wähle. Auch die etwaige Sündhaftigkeit praktizierter Homosexualität schließe diese Möglichkeit nicht aus, weil kein Mensch ohne 136 Dazu Siegfried Keil, Zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aus der Perspektive evangelischer Theologie und Kirche in Europa, in: Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, hrsg. von Jürgen Basedow u. a., 2000, S. 309 (317 ff.). 137 Abgedruckt bei Achim Gernot Wächtler, Die politische Forderung nach der „gleichgeschlechtlichen Ehe“ und deren rechtliche Umsetzung in deutsches Recht, 2000, S. 155 ff. 138 Evangelische Kirche in Deutschland, Verläßlichkeit und Verantwortung stärken, 2000, S. 3. 139 Evangelische Kirche in Deutschland (Fn. 138), S. 4.

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1. Kap.: Thematische Einführung

Sünde sei.140 Das Rechtsinstitut der Ehe dürfe zwar nicht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geöffnet werden. Möglich sei aber eine Rechtsgestaltung, die diese Gemeinschaften stabilisiere, den jeweils schwächeren Partner schütze und nur die „gravierenden, nicht durch Sachgründe gestützten Ungleichbehandlungen gegenüber der Ehe“ beseitige. Der Gesetzgeber habe nach Auffassung der Evangelischen Kirche in Deutschland grundsätzlich einen Gestaltungsspielraum, ob er für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ein neues familienrechtliches Institut konstituieren oder die Möglichkeit der privatautonomen Gestaltung durch Vertrag – etwa durch dessen notarielle Beurkundung – ausbauen wolle. Wenn ein solches Rechtsinstitut eingeführt würde, müsse ein „Abstand zur Ehe“ bestehen.141 Vor dem vorstehend gezeichneten Hintergrund findet der „Rohentwurf“ keine Zustimmung. Er sei „nicht in der Lage, die Bedenken hinsichtlich einer Verwechselbarkeit mit der Ehe auszuräumen oder zu vermindern.“ Die EKD benennt anschließend aber Regelungsbereiche, in denen die Interessen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften berücksichtigt werden könnten. Dazu gehöre das Eintrittsrecht des Lebenspartners in den Mietvertrag beim Tod des Mieters, die Errichtung gemeinschaftlicher Testamente sowie die Einräumung von Zeugnisverweigerungs- und Besuchsrechten. „Sozialund steuerrechtliche Regelungen, die ihren Grund auch oder nur im möglichen Vorhandensein von Kindern haben, sollten auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht übertragen werden.“ Das schließe die Berücksichtung von Verantwortungsgemeinschaften in anderen Bereichen des Sozial- und Steuerrechts aber nicht aus. Eine Übertragung der Regelungssystematik komme dagegen bei der gemeinschaftlichen Adoption nicht in Betracht. Insgesamt ist es aus Sicht der EKD „durchaus vertretbar, sich für rechtliche Regelungen einzusetzen, die geeignet sind, Lebenspartnerschaften als Verantwortungsgemeinschaften zu festigen.“142

II. Römisch-katholische Kirche Die Auffassungen der römisch-katholischen Kirche zur moraltheologischen Beurteilung der Homosexualität und zur Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind eindeutig. Der Heilige Stuhl hat zu beiden Themenkomplexen mehrfach Stellung genommen; die Deutsche Bischofskonferenz hat sich ebenfalls speziell zur Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft in Deutschland zu Wort gemeldet. 140

Evangelische Kirche in Deutschland (Fn. 138), S. 5 f. Evangelische Kirche in Deutschland (Fn. 138), S. 7. 142 Evangelische Kirche in Deutschland (Fn. 138), S. 7 f.; zu den einzelnen rechtlichen Möglichkeiten aus protestantischer Sicht auch Keil (Fn. 136), S. 309 (326 f.). 141

D. Theologische Einordnung

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1. Heiliger Stuhl In den Stellungnahmen des kirchlichen Lehramtes wird zwischen der objektiv sittlich ungeordneten, aber noch nicht sündhaften homosexuellen Neigung und ihrer Ausübung durch homosexuelle Handlungen unterschieden. Die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen Fragen der Sexualethik „Persona humana“ vom 29. Dezember 1975 weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich die rigoristische Auffassung zurück, „dass alle, die an dieser Abnormität leiden,143 sich aus diesem Grund schon in persönlicher Schuld befinden“. Homosexuelle Handlungen werden unter Verweis auf verschiedene Textstellen in Briefen des Apostels Paulus (Röm 1, 24–27; 1 Kor 6, 10; 1 Tim 1, 10) verurteilt: „Denn nach der objektiven sittlichen Ordnung sind homosexuelle Verbindungen Handlungen, die ihrer notwendigen und wesentlichen Zuordnung beraubt werden.“ Sie seien „ihrer inneren Natur nach nicht in Ordnung und niemals auf irgendeine Weise zu billigen.“144 Der „Katechismus der katholischen Kirche“ von 1997 geht im Rahmen der Erläuterungen zum sechsten Gebot („Du sollst nicht die Ehe brechen.“) ebenfalls auf die Homosexualität ein. Er behält die Unterscheidung zwischen homosexuellen Neigungen und Handlungen unter Verweis auf die Erklärung der Glaubenskongregation bei und ruft gleichzeitig zur Achtung gegenüber Homosexuellen auf.145 Homosexuelle Handlungen „verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“146 Schließlich hat die Kongregation für die Glaubenslehre am 3. Juni 2003 „Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen“ veröffentlicht. Zunächst wird unter Bezug auf die Schöpfungsordnung dargelegt, dass die sakramentale Ehe nur der verschiedengeschlechtlichen Personenverbindung offen steht.147 Anschließend schärft die Kongregation die oben dargelegten mo143

Im lateinischen Originaltext: qui ista deformitate laborent. Heinrich Denzinger/Peter Hünermann (Hrsg.), Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 40. Aufl., 2004, Rn. 4583. 145 Katholische Kirche, Katechismus der katholischen Kirche, 2003, Rn. 2358. 146 Katholische Kirche (Fn. 145), Rn. 2357. 147 Kongregation für die Glaubenslehre, Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen vom 3. Juni 2003, Nr. 2 f.; vgl. auch Can. 1055 § 1 CIC 1983: „Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben.“ 144

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1. Kap.: Thematische Einführung

raltheologischen Grundsätze erneut ein, indem sie homosexuelle Beziehungen als Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz darstellt.148 Der Hauptteil der Erklärung besteht aus einer Kompilation unterschiedlicher Argumentationsstränge149 gegen die institutionelle Anerkennung und Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe. Ihre Bezeichnung als „rationale Argumente“ soll verdeutlichen, dass sie sich inhaltlich nicht nur auf die Heilige Schrift oder die kirchliche Tradition beziehen, sondern auf auch für Nichtchristen nachvollziehbare Überlegungen stützen. Ihre Überzeugungskraft soll dadurch augenscheinlich auch in der rechtspolitischen Diskussion verstärkt werden. „In Bezug auf die rechte Vernunft“ werden zwei Argumente gegen die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften angeführt: Zum einen wäre der Legalisierung150 dieser Gemeinschaften die gleichzeitige Vernachlässigung der staatlichen Schutz- und Förderverpflichtung zugunsten der Ehe immanent. Zum anderen würde das soziale Leitbild von Ehe und Familie durch ein plurales Lebensformenmodell ersetzt; dies „würde deshalb dazu führen, dass das Verständnis der Menschen für einige sittliche Grundwerte verdunkelt und die eheliche Institution entwertet würde.“151 „In biologischer und anthropologischer Hinsicht“ betont die Erklärung die fehlende Reproduktionsfähigkeit gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften: „Sie sind nicht in der Lage, auf angemessene Weise die Fortpflanzung und den Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten.“ Außerdem werden die entwicklungspsychologischen Probleme von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen aufwachsen, hervorgehoben.152 „In sozialer Hinsicht“ führe die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe zu deren Strukturveränderung. Damit würde der Zusammenhang zwischen Ehe und Familie aufgehoben. Dies könne weder mit dem Grundsatz des Diskriminierungsverbots noch mit dem Gedanken der menschlichen Autonomie begründet werden, die nicht zu einer qualifizierten staatlichen Anerkennung verpflichte. Eine Differenzierung sei nur dann unannehmbar, wenn sie der Gerechtigkeit wider148

Kongregation für die Glaubenslehre (Fn. 147), Nr. 4 „In Bezug auf die rechte Vernunft“; „in biologischer und anthropologischer Hinsicht“; „in sozialer Hinsicht“; „in rechtlicher Hinsicht“. 150 Der in der Erklärung verwandte Begriff der „Legalisierung“ ist missverständlich. Damit ist nicht die Aufhebung eines etwaigen strafrechtlichen Verbots homosexueller Handlungen gemeint, sondern die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Zur strafrechtlichen Problematik äußert sich die Erklärung nicht. 151 Kongregation für die Glaubenslehre (Fn. 147), Nr. 6. 152 Kongregation für die Glaubenslehre (Fn. 147), Nr. 7. 149

D. Theologische Einordnung

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spreche. „Wenn man den Lebensformen, die weder ehelich sind noch sein können, das soziale und rechtliche Statut der Ehe nicht zuerkennt, widerspricht dies nicht der Gerechtigkeit, sondern wird im Gegenteil von ihr gefordert.“153 „Weil die Ehepaare die Aufgabe haben, die Folge der Generationen zu garantieren“, und dies homosexuelle Gemeinschaften nicht leisten könnten, bedürften diese auch „in rechtlicher Hinsicht“ keiner „spezifischen Aufmerksamkeit von Seiten der Rechtsordnung, da sie nicht die genannte Aufgabe für das Gemeinwohl besitzen.“154 Zusammenfassend lässt sich als durchgehende Argumentationslinie gegen die rechtliche Institutionalisierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften die – im Gegensatz zur Ehe – typischerweise fehlende Reproduktionsmöglichkeit bei diesen Lebensformen beschreiben. Katholische Abgeordnete sind nach der Erklärung der Glaubenskongregation verpflichtet, gegen entsprechende Gesetzesentwürfe zu „Gunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften“ zu votieren.155 2. Deutsche Bischofskonferenz Die Stellungnahmen der Deutschen Bischofskonferenz zur Einführung der Lebenspartnerschaft in Deutschland beruhen auf den dargelegten Grundaussagen des kirchlichen Lehramtes. Zunächst hatte sich die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Jahr 2000 mit dem justizministeriellen „Rohentwurf“ des LPartDisBG beschäftigt. Als Grundvoraussetzungen für rechtliche Regelungen werden in einer Erklärung genannt, dass „das geltende Recht und privatrechtliche Regelungen nicht ausreichen und diese Regelungen mit der Rechts- und Werteordnung der Verfassung übereinstimmen.“ Als Regelungsmaßstab wird von einer doppelten Funktion der Ehe ausgegangen, die zum einen auf das Wohl der Ehegatten selbst, zum anderen auf die „Weitergabe des Lebens“ angelegt sei. Der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie sei deshalb auch im Interesse der Gesamtgesellschaft. Eine Annäherung oder Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe sei abzulehnen. „Daher kann man die Begriffe, Rechtsfiguren und Denkmuster des Eheund Familienrechts – selbst wenn sie modifiziert werden – nicht auf die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften übertragen.“156 153 154 155 156

Kongregation für die Glaubenslehre (Fn. 147), Nr. 8. Kongregation für die Glaubenslehre (Fn. 147), Nr. 9. Kongregation für die Glaubenslehre (Fn. 147), Nr. 10. Deutsche Bischofskonferenz, Pressemitteilung Nr. 14 v. 16.3.2000, S. 3 f.

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1. Kap.: Thematische Einführung

Nachdem der „Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ am 4. Juli 2000 in den Deutschen Bundestag eingebracht worden war,157 nahm zu ihm im gleichen Jahr die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz Stellung. Der Gesetzentwurf wurde von ihr abgelehnt, weil sich die in ihm enthaltenen Regelungen der Lebenspartnerschaft stark an der Ehe orientierten. Namentlich genannt werden die Begründung der Lebenspartnerschaft auf dem Standesamt, die Möglichkeit des gemeinsamen Partnerschaftsnamens, die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zu den Angehörigen des Lebenspartners und die Aufhebung der Lebenspartnerschaft vor dem Familiengericht. Die Gleichstellung bringe ein „unzureichendes, reduziertes Eheverständnis zum Ausdruck“ und leiste ihm Vorschub. Der Entwurf stelle Ungleiches gleich. Nur die Ehe diene „dem Erhalt der Gesellschaft durch die Weitergabe des Lebens, die Sorge für die Kinder und ihre Erziehung zu verantwortlichen und selbstbewußten Persönlichkeiten“. Sie sei „besonders auch deshalb verfassungsrechtlich geschützt, weil sie eine rechtliche Absicherung der Partner bei der Gründung einer Familie mit gemeinsamen Kindern ermöglichen soll. Der Ehe ist daher in enger Verknüpfung mit der Familie eine Ausnahmestellung gegenüber allen anderen Formen von Lebenspartnerschaften eingeräumt.“ Der Gesetzentwurf sei deshalb „in der derzeitigen Form für die katholische Kirche unannehmbar.“158 Das die Verfassungsmäßigkeit des LPartDisBG bestätigende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002159 wurde von der Deutschen Bischofskonferenz „mit großem Bedauern zur Kenntnis“ genommen. Es leiste „einer Verkennung der herausragenden Bedeutung der Ehe für den Einzelnen und das Gemeinwesen Vorschub“ und relativiere den „qualitativen Unterschied zwischen Ehe und anderen Lebensgemeinschaften“. Damit bringe es eine „dramatische Verschiebung des Wertebewußtseins zum Ausdruck.“ Die verfassungsrechtlich gebotene Förderung der Ehe müsse „mehr bedeuten als nur die Vermeidung einer Benachteiligung. Der besondere Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG zielt auf die Sicherung dieser Lebensform auch im Interesse der Gesamtgesellschaft, weil in ihr die nächste Generation heranwächst, auf die alle angewiesen sind.“160

157

BT-Drucks. 14/3751. Deutsche Bischofskonferenz, Pressemitteilung Nr. 49 v. 29.9.2000, S. 6 f. 159 BVerfGE 105, 313. Ausführlich zum Inhalt des Urteils unten 1. Kapitel D. V., S. 115 ff. 160 Deutsche Bischofskonferenz, Pressemitteilung Nr. 52 v. 17.7.2002, S. 1. 158

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland I. Der europäische Grundrechtsschutz und seine Auswirkungen auf die rechtliche Gestaltung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in Deutschland Zur Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in die deutsche Rechtsordnung gehört auch die europäische Perspektive. Ehe und Familie sind Rechtsformen, die durch das Grundrechtssystem der Europäischen Union geschützt werden. Das eheliche Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit und das Verhältnis von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft war schon vor der Konstituierung des deutschen Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft mehrmals Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Mit diesem Rechtskomplex hatte sich außerdem auch das Europäische Parlament befasst. Um die Bedeutung des Einflusses des Europarechts auf die deutsche Rechtsordnung zu erfassen, werden zunächst kurz die allgemeinen grundrechtsdogmatischen Interdependenzen zwischen den Ebenen des europäischen und deutschen Grundrechtsschutzes erläutert. Danach folgt unter dem Blickwinkel der rechtlichen Konsequenzen für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft die Darstellung der Entschließungen des Europäischen Parlaments und der europäischen Grundrechte, soweit sie Ehe und Familie sowie das Diskriminierungsverbot betreffen. 1. Das allgemeine Verhältnis der Rechtswirkungen zwischen europäischem und deutschem Grundrechtsschutz Die Reichweite der Schutzwirkung europäischer Grundrechte ist aus zwei Gründen geringer, als man zunächst annehmen könnte: Zum einen ist der Fortgang der dogmatischen Entwicklung einer Grundrechtsordnung der EU vor allem hinsichtlich ihrer Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten angesichts des ungewissen Inkrafttretens der EU-Verfassung unklar. Dies zeigt sich am gleichzeitigen Bestehen mehrerer kodifizierter Grundrechtskataloge nebeneinander und deren dogmatisch wenig prägnantem Verhältnis zum Gesamtsystem der EU-Grundrechtsordnung. Zum anderen überlässt die grundrechtliche Systematik auf europäischer Ebene gerade im Bereich von Ehe und Familie den Einzelstaaten einen großen Gestaltungsspielraum. Nach Art. 6 II EUV achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gewährleistet

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1. Kap.: Thematische Einführung

sind und wie sie sich aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Einen eigenen verbindlichen Katalog der Grundrechte enthält der EUV nicht. Zur Konturierung von Zahl, Art und Umfang der europäischen Grundrechtsgewährleistungen werden als Rechtserkenntnisquellen der Auslegung und Konkretisierung einer Grundrechtsordnung der EU sowohl die in der EMRK enthaltenen Grundrechte als auch die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen herangezogen.161 Die Grundrechtsordnung der EU ist deshalb mangels eigenständiger Kodifikation erst durch Auslegung mit Hilfe der Rechtserkenntnisquellen zu ermitteln. Sie ist weder mit den in der EMRK statuierten Grundrechten noch mit den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten vollständig identisch.162 Auf europäischer Ebene sind die Europäische Union, die Europäischen Gemeinschaften und ihre jeweiligen Organe an die Grundrechte der Europäischen Union gebunden.163 Die Bindung der Mitgliedstaaten durch die EU-Grundrechtsordnung ist auf den Bereich der Umsetzung und Vollziehung des europäischen Gemeinschaftsrechts sowie der Einschränkung der Grundfreiheiten beschränkt.164 Einzelstaatliche Bestimmungen ohne Bezug 161 Thorsten Kingreen, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 3. Aufl., 2007, Art. 6 EUV Rn. 33; Hans-Michael Wolffgang, in: Carl Otto Lenz/ Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., 2006, Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 9 ff.; Dirk Ehlers, § 14: Allgemeine Lehren, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, hrsg. von dems., 2. Aufl., 2005, Rn. 8; Christian Walter, § 1: Geschichte und Entwicklung der europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, hrsg. von Dirk Ehlers, 2. Aufl., 2005, Rn. 25; Bengt Beutler, in: Hans von der Groeben/Jürgen Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., 2003, Art. 6 EUV Rn. 44; Jürgen Kühling, Grundrechte, in: Europäisches Verfassungsrecht, hrsg. von Armin von Bogdandy, 2003, S. 583 (589). 162 Hinsichtlich der Zuordnung der europäischen Grundrechtsgewährleistungen zum Topos des Verfassungsrechts instruktiv Markus Heintzen, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht in der Europäischen Union, in: Europarecht 32 (1997), S. 1 (9 ff.). 163 Meinhard Hilf/Frank Schorkopf, in: Eberhard Grabitz/Meinhard Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 6 EUV Rn. 58; Hans-Werner Rengeling/ Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, 2004, Rn. 267 ff.; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 47; Kühling (Fn. 161), S. 583 (606); Siegfried Magiera, Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, in: DÖV 2000, S. 1017 (1021). Einschränkend Anna Große Wentrup, Die europäische Grundrechtecharta im Spannungsfeld der Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten, 2003, S. 30 ff. m. w. N., nach der nur die europäischen Gemeinschaften und ihre Organe – nicht aber die Europäische Union selbst – Grundrechtsverpflichtete sind. 164 Wolffgang (Fn. 161), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 17 f.; Ehlers (Fn. 161), Rn. 15, 32; Walter (Fn. 161), Rn. 33; Hilf/Schorkopf (Fn. 163), Art. 6 EUV Rn. 69; Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 304 ff.; Annette Wallrab, Die Verpflichteten der Ge-

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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zum Gemeinschaftsrecht werden von der EU-Grundrechtsordnung nicht erfasst und unterliegen ausschließlich den Prüfungsmaßstäben des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts.165 Die Begrenzung des Wirkungskreises der europäischen Grundrechte korrespondiert mit dem vom Bundesverfassungsgericht statuierten Verzicht auf die Prüfung der Verletzung deutscher Grundrechte bei der Anwendung von europäischem Gemeinschaftsrecht, solange die Schutzintensität der europäischen Grundrechte „dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist.“166 Die europäischen Grundrechte kommen hinsichtlich Ehe und Familie mithin überhaupt nur dann als Prüfungsmaßstab in Frage, wenn das Gemeinschaftsrecht der EU betroffen ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass dem Gemeinschaftsrecht ein genereller Vorrang gegenüber dem Grundgesetz zukommt.167 Vielmehr kann das Gemeinschaftsrecht die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte deutscher Grundrechtsträger berühren. Solange ein komplementärer europäischer Grundrechtsschutz besteht, „übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in einem ‚Kooperationsverhältnis‘ meinschaftsgrundrechte, 2004, S. 73 f., 129 f., 146 f.; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 68; Große Wentrup (Fn. 163), S. 49 ff.; Kühling (Fn. 161), S. 583 (609 f.); Werner Schaller, Die EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten der Gemeinschaftsgrundrechte, 2003, S. 36 ff.; Johannes Cirkel, Die Bindungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, 2000, S. 175 ff.; Magiera (Fn. 163), S. 1017 (1021). Bei der Umsetzung von Richtlinien, die einen Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers eröffnen, sind grundsätzlich die Grundrechte des jeweiligen Mitgliedstaates Prüfungsmaßstab. Karl Korinek, Zur Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes im System des nationalen und europäischen Schutzes der Grund- und Menschenrechte, in: Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel. Festschrift für Peter Badura zum siebzigsten Geburtstag, hrsg. von Michael Brenner u. a., 2004, S. 1099 (1104 ff.), spricht sich weitergehend dafür aus, diesen ausschließlichen Maßstab des einzelstaatlichen Grundrechtsschutzes auch auf die Fälle des mittelbaren Vollzugs und der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu erstrecken. 165 EuGH v. 11.07.1985, Verb. Rs. 60/84 u. 61/84, Cinéthèque, Slg. 1985, S. 2618, Nr. 26; EuGH v. 30.09.1987, Rs. 12/86, Demirel, Slg. 1987, S. 3747, Nr. 28; EuGH v. 18.06.1991, Rs. C-260/89, ERT, Slg. 1991, S. 2951, Nr. 42; Hans D. Jarass, EU-Grundrechte, 2005, § 4 Rn. 11; Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 327; Cirkel (Fn. 164), S. 135 f. 166 BVerfGE 73, 339 (387); 89, 155 (174 f.); 102, 147 (162 ff.). In diesem Sinne wirkt nach Art. 23 I 1 GG die Bundesrepublik Deutschland bei der „Entwicklung der Europäischen Union mit, die (. . .) einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.“ Vgl. dagegen die frühere Rspr. in BVerfGE 37, 271 (285). Dort wurden umgekehrt die Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab des Gemeinschaftsrechts statuiert, solange kein vergleichbarer Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene bestünde. 167 Helge Sodan/Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 2. Aufl., 2007, § 5 Rn. 17.

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1. Kap.: Thematische Einführung

zum Europäischen Gerichtshof aus, in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards (. . .) beschränken kann.“168 Aus einem gerichtlichen Kooperationsverhältnis lässt sich kein allgemeiner Regelungsvorrang des Gemeinschaftsrechts ableiten, zumal das Bundesverfassungsgericht selbst nach seinem Verständnis zur Sicherung „der unabdingbaren Grundrechtsstandards“ und damit zur Anwendung des grundgesetzlichen Prüfungsmaßstabs bei Unterschreitung des gemeinschaftsgrundrechtlichen Schutzniveaus berufen ist. Das gilt in jedem Fall dann, wenn das europäische Sekundärrecht die primärrechtlichen Regelungen über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht in grober Weise verletzt und dies durch den EuGH nicht gerügt wird.169 In Art. 6 II EUV wird ausdrücklich auf die in der EMRK gewährleisteten Grundrechte Bezug genommen. Den in der EMRK genannten Grundrechten kommt keine unmittelbare Rechtswirksamkeit im Rahmen der EU-Grundrechtsordnung zu.170 Die EMRK kann als Rechtserkenntnisquelle aber zur Auslegung und Konturierung der europäischen Grundrechte herangezogen werden.171 Auch ihre Einwirkungsmöglichkeit auf die deutsche Rechtsordnung ist sowohl auch aus der Sicht der EMRK selbst als auch des deutschen Verfassungsrechts von begrenztem Umfang: Erstens statuiert Art. 53 EMRK ein grundrechtliches Günstigkeitsprinzip: Danach ist die Konvention „nicht so auszulegen, als beschränke oder beeinträchtige sie Menschenrechte und Grundfreiheiten, die in den Gesetzen einer Hohen Vertragspartei oder in einer anderen Übereinkunft, deren Vertragspartei sie ist, anerkannt werden.“ Die EMRK will mithin nur einen grundrechtlichen Mindeststandard sichern; die Konstituierung eines weitergehenden grundrechtlichen Schutzbereichs durch das nationale Recht ist durch sie nicht ausgeschlossen.172 Zweitens entfaltet die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag in der Normenhierarchie 168

BVerfGE 89, 155 (175). Markus Heintzen, Die „Herrschaft“ über die Europäischen Gemeinschaftsverträge – Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof auf Konfliktkurs?, in: AöR 119 (1994), S. 564 (586 f.). 170 Ehlers (Fn. 161), Rn. 14; Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 168 f.; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 62; Schaller (Fn. 164), S. 122 f., 127 f. 171 Ehlers (Fn. 161), Rn. 13; Jarass (Fn. 165), § 2 Rn. 21; Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 249; Schaller (Fn. 164), S. 123 ff. 172 Jens Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., 2006, Art. 53 EMRK Rn. 2; Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., 2005, § 2 Rn. 14 f.; Anne Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, § 2 I 1, S. 10; vgl. auch Jochen A. Frowein/Wolfgang Peukert, in: dies. (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 60 EMRK a. F. 169

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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der deutschen Rechtsordnung aus grundgesetzlicher Sicht wegen Art. 59 II GG nur die Rechtsbindungswirkung eines einfachen Bundesgesetzes.173 Sie steht damit nach ihrem Rang unter der deutschen Verfassung. Der Inhalt der EMRK fließt allerdings im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung in die Interpretation der im Grundgesetz enthaltenen Grundrechte mit ein, sofern dies nicht zur Einschränkung oder Minderung des grundgesetzlichen Grundrechtsschutzes führt.174 Neben der EMRK existiert mit der am 7. Dezember 2000 unterzeichneten „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ (GRCh) ein weiterer kodifizierter Grundrechtskatalog. Über ihr grundrechtsdogmatisches Verhältnis zu der in Art. 6 II EUV normierten Grundrechtsordnung der EU besteht keine Einigkeit: Teilweise wird ihr inhaltliches Substrat als Bestandteil der „Verfassungsüberlieferungen“ i. S. v. Art. 6 II EUV angesehen.175 Gegen diese Einordnung spricht aber, dass die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen sich auf eine Übereinstimmung von bestimmten Bereichen der nationalstaatlichen Grundrechtsordnungen beziehen, mithin zunächst von einer einzelstaatlichen Perspektive ausgehen und erst danach die Übereinstimmung zwischen den Mitgliedstaaten konturieren. Die in der Grundrechtscharta deklarierten Grundrechte sind aber keinesfalls auch gleichzeitig Bestandteile aller nationalen Grundrechtsordnungen.176 Die Charta ist deshalb nicht rechtsverbindlich, solange sie nicht in die Gemeinschaftsverträge inkorporiert ist. Ein Bürger kann sich deshalb nicht ausschließlich auf eine Verletzung der in der Charta genannten Grundrechte berufen, sondern ist weiterhin auf die in Art. 6 II EUV genannte Grundrechtsordnung verwiesen.177 Die Charta entfaltet gleichwohl ihre Wirkung als konkretisierende Bestätigung der EU-Grundrechtsordnung und kann zu ihrer Auslegung herangezogen werden.178 Für die Frage der institutionellen Struktur der Ehe 173

BVerfGE 74, 358 (370); 82, 106 (120); 111, 307 (316 f.). BVerfGE 74, 358 (370); 83, 119 (128); 111, 307 (317); Meyer-Ladewig (Fn. 172), Einl., Rn. 29; Grabenwarter (Fn. 172), § 3 Rn. 6; Carl Otto Lenz, „An die Gewährleistungen der Konvention gebunden“, in: Europa und seine Verfassung. Festschrift für Martin Zuleeg zum siebzigsten Geburtstag, hrsg. von Charlotte Gaitinides u. a., 2005, S. 234 (238 f.); Peters (Fn. 172), S. 3 f.; Schaller (Fn. 164), S. 141 f. 175 Vgl. Martin Borowsky, in: Jürgen Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl., 2006, Vorbem. zu Kapitel VII GRCh Rn. 4; Wolffgang (Fn. 161), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 14; Ehlers (Fn. 161), Rn. 17. 176 Vgl. nur etwa die in Kapitel IV („Solidarität“) der Grundrechtscharta statuierten Rechte, die keine grundrechtliche Entsprechung im Grundgesetz finden. 177 Sodan/Ziekow (Fn. 167), § 5 Rn. 18; Thomas Wölfl, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft – Das Recht in Deutschland und dem europäischen Ausland, 2004, Bd. II, S. 766. 178 So auch Meyer-Ladewig (Fn. 172), Einl., Rn. 50; Christian Calliess, § 20: Die Europäische Grundrechts-Charta, in: Europäische Grundrechte und Grundfrei174

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1. Kap.: Thematische Einführung

und deren Verhältnis zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften spielt der Grad der Verbindlichkeit der GRCh eine eher untergeordnete Rolle, weil die dort beschriebenen Grundrechte als Erkenntnisinstrumentarium zur Auslegung der Grundrechtsordnung der EU zumindest nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben dürfen. Nach Art. 51 I 1 GRCh gilt die Charta für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Diese Norm kodifiziert erstmalig den schon dargestellten notwendigen Bezug des Prüfungsmaßstabs der europäischen Grundrechte zur Materie des Gemeinschaftsrechts. In Art. 52 III GRCh wird außerdem festgelegt, dass Grundrechte der Charta, die den Grundrechten der EMRK entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. Das schließt nicht aus, dass das Recht der Union einen weitergehenden Schutz gewähren kann. Zwar entfalten diese Normen wegen der fehlenden Rechtsverbindlichkeit der Charta keine unmittelbare Rechtswirkung; die Bestimmungen führten aber auch bei ihrer Wirksamkeit nicht zu einer Änderung des Status von Ehe und Familie im deutschen oder europäischen Recht. Aus den bisherigen Darlegungen wird deutlich, dass der europäischen Grundrechtsordnung eine unmittelbare Rechtswirkung nur im Bereich des europäischen Gemeinschaftsrechts zukommt. Wenn Regelungen nicht in diesen Bereich fallen, ist ausschließlich das nationale Verfassungsrecht der Prüfungsmaßstab. Die in der EMRK niedergelegten Grundrechte können als Rechtserkenntnisquelle der EU-Grundrechtsordnung und bei der völkerrechtsfreundlichen Auslegung der deutschen Grundrechte herangezogen werden. Trotz fehlender Rechtsverbindlichkeit ist die Grundrechte-Charta eine weitere Auslegungshilfe für die materielle inhaltliche Beschreibung der Grundrechtsordnung der Union.

heiten, hrsg. von Dirk Ehlers, 2. Aufl., 2005, Rn. 34; Jarass (Fn. 165), § 2 Rn. 4 f.; Hilf/Schorkopf (Fn. 163), Art. 6 EUV Rn. 46, 66; Ingolf Pernice/Franz C. Mayer, in: Eberhard Grabitz/Meinhard Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 4, 27; Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 222 ff.; Wölfl (Fn. 177), S. 773 f.; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 44, 104; Kühling (Fn. 161), S. 583 (593 f.); Peters (Fn. 172), S. 31; Christoph Grabenwarter, Die Charta der Grundrechte für die Europäische Union, in: DVBl. 2001, S. 1 (11); noch zurückhaltender Thomas Schmitz, Die EU-Grundrechtecharta aus grundrechtsdogmatischer und grundrechtstheoretischer Sicht, in: JZ 2001, S. 833 (835), nach dem der EuGH die Charta „allenfalls subsidiär als nachgeordnete Orientierungshilfe heranziehen“ dürfe.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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2. Entschließungen des Europäischen Parlaments Schon Mitte der neunziger Jahre beschäftigte sich das Europäische Parlament mit der Frage des Zugangs gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe. Am 8. Februar 1994 fasste es eine „Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG“.179 Nach Auffassung des Europäischen Parlaments sei die EG „zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ohne Ansehen der sexuellen Orientierung einer Person in allen bereits verabschiedeten und zukünftig zu verabschiedenden Rechtsvorschriften verpflichtet“.180 Unter Nr. 14 der Entschließung wurde die Europäische Kommission aufgefordert, den Entwurf einer „Empfehlung betreffend gleiche Rechte für Schwule und Lesben“ vorzulegen, in der auch auf die Beseitigung näher beschriebener „Mißstände“ hingewirkt werden sollte. Als „Mißstand“ wird auch die „Nichtzulassung von homosexuellen Paaren zur Eheschließung oder entsprechenden rechtlichen Regelungen und Vorenthalten der vollen Rechte und Vorteile, wie sie sich aus Eheschließungen ergeben, und der amtlichen Eintragung der Lebensgemeinschaft“ aufgeführt.181 Da das Europäische Parlament keine Kompetenz zur Auslegung europäischer Rechtsvorschriften besitzt, war die Entschließung rechtlich nicht verbindlich.182 Eine Empfehlung der Europäischen Kommission mit dem von der Mehrheit des Europäischen Parlaments intendierten Inhalt wurde in der Folgezeit nicht verabschiedet. In jüngerer Zeit befasste sich das Europäische Parlament in einer „Entschließung des Europäischen Parlaments zur Homophobie in Europa“ vom 18. Januar 2006 erneut mit der Thematik.183 Neben verschiedenen Forderungen zur strafrechtlichen Bekämpfung von Gewalt gegen Homosexuelle forderte das Europaparlament in Nr. 11 der Entschließung „die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Rechtsvorschriften zu verabschieden, die der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partner in den Bereichen Erbrecht, Eigentumsregelung, Mietrecht, Ruhegehalt, Steuern, soziale Sicherheit usw. ein Ende setzen.“ Angesichts des schon in der ersten Entschließung zum Ausdruck gebrachten Verständnisses von Diskriminierung ist davon auszugehen, 179

Abl. EG 1994, C 61, S. 40. Nr. 2 der Entschließung, Abl. EG 1994, C 61, S. 41. 181 Abl. EG 1994, C 61, S. 42. 182 Braun (Fn. 29), S. 43 m. w. N.; Wächtler (Fn. 137), S. 71. Das konzediert auch Philipp C. Räther, Der Schutz gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in Europa, 2003, S. 121, der aber angesichts der „Einheit der Rechtsordnung“ dennoch eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der „Rechtsauffassung dieses Organs“ annimmt. Zur demokratischen Legitimation des Europäischen Parlaments durch Art. 23 I 1 GG Markus Heintzen, Die Legitimation des Europäischen Parlaments, in: ZEuS 2000, S. 377 (379, 383 f.). 183 P6_TA(2006)0018. 180

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dass die Mehrheit des Europäischen Parlaments mit der Terminologie der Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften deren Teilhabe an ehebezogenen Privilegien in diesen Bereichen meint. Auch diese Entschließung ist nicht rechtsverbindlich und verpflichtet die Mitgliedstaaten deshalb zu keinen legislativen Aktivitäten. 3. Grundrecht der Eheschließungsfreiheit und Familiengründung Das Recht, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen, ist sowohl in der EMRK als auch in der GRCh geschützt. Aus Wortlaut und systematischem Aufbau des Grundrechts ergeben sich auch Schlussfolgerungen für die Frage, ob gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in dieses Grundrecht einbezogen werden können. a) Recht auf Eheschließung und Familiengründung nach Art. 12 EMRK Gemäß Art. 12 EMRK haben „Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter (. . .) das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“ Unter der Ehe im Sinne dieser Norm wird von der Rechtsprechung des EGMR ausschließlich die Verbindung von Mann und Frau verstanden. Dies wird unter Bezug auf den Normwortlaut, der von „Männern und Frauen“ spricht, mit der Schutzfunktion der Ehe als „Basis der Familie“ begründet.184 Dem hat sich die Literatur weitgehend angeschlossen.185 Dies 184 EGMR v. 17.10.1986, Serie A, Bd. 106, Nr. 49 – Rees/Vereinigtes Königreich: „Article 12 is mainly concerned to protect marriage as the basis of family“; gleichlautende Formulierungen auch bei EGMR v. 27.9.1990, Serie A, Bd. 184, Nr. 43 – Cossey/Vereinigtes Königreich; EGMR v. 30.7.1998, RJD 1998-V, Nr. 66 – Sheffield u. Horsham/Vereinigtes Königreich. 185 Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 100 XIV 3 a, S. 635 f.; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 59; Jarass (Fn. 165), § 14 Rn. 5; Wölfl (Fn. 177), S. 744 f.; Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 12 EMRK Rn. 3; Marina Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2003, Rn. 6; Joachim Henkel, Verbesserung der Lage von Schwulen und Lesben, in: Pflicht und Verantwortung. Festschrift zum 75. Geburtstag von Claus Arndt, hrsg. von Bernd M. Kraske, 2002, S. 77 (90); Andreas Zimmermann, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und das Grundgesetz, in: Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger, hrsg. von Hans-Joachim Cremer u. a., 2002, S. 645 (652); Tettinger (Fn. 16), S. 117 (133); Michaela Wittinger, Familien und Frauen im regionalen Menschenrechtsschutz, 1999, S. 44; Jörg Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 281 f.; Jochen A. Frowein, in: ders./Wolfgang Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 12 EMRK Rn. 2. Vgl. auch Irene Fahrenhorst, Familienrecht und Europäische

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schließt allerdings nicht aus, dass als Kriterien der Zuordnung einer Person als Mann oder Frau vom nationalen Gesetzgeber auch andere Merkmale als das biologische Geschlecht herangezogen werden können.186 Der EGMR konstatiert in dieser Hinsicht ein zweifachen Bedeutungswandel: Zum einen sei die Ehe seit der Verabschiedung der EMRK größeren sozialen Veränderungen ausgesetzt.187 Zum anderen ergebe sich vor allem bei der Beurteilung der Transsexualität ein tief greifender Wandel der Einstellung von Wissenschaft und Gesellschaft, die nunmehr neben dem biologischen Geschlecht („sex“) beispielsweise auch die autonome oder soziale geschlechtliche Zuschreibung („gender“) bei der Einordnung als Mann oder Frau berücksichtige und die Transsexualität als sozial und rechtlich relevantes Phänomen wahrnehme.188 Die Möglichkeit der größeren Variabilität der Einzelstaaten bei der Geschlechterbestimmung ändert aber nichts daran, dass auch nach diesem Maßstab die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft nicht dem Schutzbereich von Art. 12 EMRK unterfällt, da die Ehe nach wie vor nur der Verbindung von Mann und Frau offen steht. Zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bezüglich eines eigenen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften kann Art. 12 EMRK überdies keine Aussage treffen, weil diese Regelung nur das Abwehrrecht der Eheschließungs- und Familiengründungsfreiheit und keine verbindliche Wertaussage zur Bedeutung der Rechtsinstitute innerhalb der Rechtsordnung enthält.189 Schließlich ist auch die oben beschriebene normhierarchische Unterordnung der EMRK unter die deutsche Verfassung zu berücksichtigen.190 Aus Art. 12 EMRK ergibt sich danach für die deutsche Rechtsordnung weder ein Zugangsrecht Menschenrechtskonvention, 1994, S. 208 ff., die insbesondere die „universelle“ Ablehnung gleichgeschlechtlicher „Ehen“ durch die „Wertvorstellungen weiter Kreise der Bevölkerung“ betont. Dies intendiere ein „besonders großes Ermessen“ der „nationalen Organe“ in Fragen der Moral, dem ein „enges Ermessen aufgrund der Fundamentalität des Rechtsgutes der Eheschließungsfreiheit“ gegenüberstehe. Art. 12 EMRK könne die Entscheidung der Einzelstaaten nicht antizipieren und gewähre deshalb kein Recht auf Eheschließung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften; kritisch Räther (Fn. 182), S. 257 ff. 186 EGMR v. 11.7.2002, RJD 2002-VI, Nr. 100 – Goodwin/Vereinigtes Königreich; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 60; zurückhaltend dagegen noch Frowein (Fn. 185), Art. 12 EMRK Rn. 5. 187 EGMR v. 11.7.2002, RJD 2002-VI, Nr. 100 – Goodwin/Vereinigtes Königreich. In diesem Zusammenhang wird dort auch auf § 9 GRCh hingewiesen, der den ausdrücklichen Bezug auf „Männer und Frauen“ nicht mehr enthält. 188 EGMR v. 11.7.2002, RJD 2002-VI, Nr. 100 – Goodwin/Vereinigtes Königreich. 189 Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 58, weist auf diesen Unterschied zu Art. 6 I GG hin. 190 Vgl. oben 1. Kapitel E. I. 1., S. 75 ff.

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1. Kap.: Thematische Einführung

gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe noch ein Maßstab für ihre einfachgesetzliche Einordnung.191 b) Recht auf Eheschließung und Familiengründung nach Art. 9 GRCh Auch in der GRCh findet sich jeweils ein Ehe und Familie betreffendes Grundrecht. Art. 9 GRCh statuiert: „Das Recht, eine Ehe einzugehen und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.“ Die sachlichen Schutzbereiche von Art. 12 EMRK und Art. 9 GRCh weisen mit der Regelung von Eheschließungs- und Familiengründungsfreiheit in einer gemeinsamen Norm und dem Verweis auf das nationale Recht eine hohe inhaltliche Übereinstimmung auf. Im Gegensatz zu Art. 12 EMRK ist allerdings bei Art. 9 GRCh der ausdrückliche Hinweis auf „Männer und Frauen“ als Grundrechtsträger nicht enthalten. Die Erläuterung des Konventspräsidiums192 zu Art. 9 GRCh macht dementsprechend deutlich, dass sich diese Norm auf Art. 12 EMRK stützt, aber erweiternd auch Fälle erfasst, „in denen nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften andere Formen als die Heirat zur Gründung einer Familie anerkannt werden.“193 In vergleichbarer Weise wird Art. 9 GRCh auch in der Erläuterung zu Art. 52 GRCh im Rahmen eines Katalogs derjenigen Artikel der Grundrechtscharta genannt, die die gleiche Bedeutung wie die entsprechenden Artikel der EMRK haben, deren Tragweite aber umfassender ist.194 c) Gewährleistungsfunktionen der grundrechtlichen Eheschließungsfreiheit Die Eheschließungs- und Familiengründungsfreiheit ist wegen ihres Bezugs zu Art. 12 EMRK und Art. 9 GRCh ein europäisches Gemeinschafts191 Siehe auch Luzius Wildhaber, in Wolfram Karl (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 8 EMRK Rn. 151; Wellenhofer-Klein (Fn. 185), Rn. 6; Peters (Fn. 172), S. 168; Risse (Fn. 185), S. 281 f. 192 Diese vom Präsidium des Grundrechte-Konvents in eigener Verantwortung formulierten Erläuterungen besitzen keine rechtlich bindende Wirkung, sondern dienen der inhaltlichen Verdeutlichung der Charta, vgl. Kingreen (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 40 f.; Borowsky (Fn. 175), Art. 52 GRCh Rn. 47b; Wolffgang (Fn. 161), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 6; Rudolf Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Anh. 1, S. 999, Fn. 1. 193 Präsidium des Konvents, Grundrechte-Charta der Europäischen Union, in: EuGRZ 2000, S. 559 (561). 194 Präsidium des Konvents (Fn. 193), S. 559 (569): „Artikel 9 deckt Artikel 12 EMRK ab, aber sein Anwendungsbereich kann auf andere Formen der Eheschließung ausgedehnt werden, wenn die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften diese vorsehen.“

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

grundrecht i. S. v. Art. 6 II EUV.195 Neben der gewährleistung steht als weitere Schutzfunktion Ehe und Familie, die beide Rechtsinstitute vor hebung oder Umgestaltung ihrer Wesensmerkmale

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subjektiven Grundrechtsdie Institutsgarantie von der institutionellen Aufsichert.196

d) Rechtliche Konsequenzen für die Annahme eines ehelichen Merkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit Im Primärrecht findet sich keine ausdrückliche Definition, die Aussagen darüber trifft, welche spezifischen Strukturmerkmale die Ehe kennzeichnen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht davon aus, dass als Ehe die Verbindung von Mann und Frau anzusehen ist.197 Für diese Auffassung werden zwei Argumentslinien herangezogen. Zum einen wird auf die Auslegung des Art. 12 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Bezug genommen, nach der die Ehe nur Mann und Frau offen steht.198 Zum anderen wird darauf verwiesen, „dass der Begriff ‚Ehe‘ nach in allen Mitgliedstaaten geltender Definition eine Lebensgemeinschaft zweier Personen verschiedenen Geschlechts bezeichnet.“199 Ob eine institutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft wie eine Ehe behandelt werden könnte, hat der EuGH bisher offen gelassen.200 195 Kingreen (Fn. 161), Art. 9 GRCh Rn. 4; Wolffgang (Fn. 161), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 32; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 82; wohl ablehnend Frank Schorkopf, § 15: Würde des Menschen, Persönlichkeits- und Kommunikationsgrundrechte, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, hrsg. von Dirk Ehlers, 2. Aufl., 2005, Rn. 37. 196 Norbert Bernsdorff, in: Jürgen Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl., 2006, Art. 9 GRCh Rn. 14; Schmitz (Fn. 178), S. 833 (841, Fn. 77). 197 EuGH v. 17.2.1998, C-249/96, Grant, Slg. 1998, I-621; EuGH v. 31.5.2001, C-122/99P u. C-125/99P, D u. Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319, Rn. 34; zustimmend Kingreen (Fn. 161), Art. 9 GRCh Rn. 5; Wolffgang (Fn. 161), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 32. 198 EuGH, C-249/96, Grant, Slg. 1998, I-621, Rn. 34; dagegen kritisch Räther (Fn. 182), S. 259 ff. 199 EuGH, C-122/99P u. C-125/99P, D u. Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319, Nr. 34. 200 EuGH, C-122/99P u. C-125/99P, D u. Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319, Nr. 35 f. Der EuGH zieht in dieser Entscheidung als Argument auch die „große Verschiedenartigkeit“ der rechtlichen Gestaltung von Rechtsinstituten für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten heran, die sich zudem auch von der Ausgestaltung der Ehe unterscheide. Dieser Hinweis legt nahe, in diesem Bereich nicht von einer „gemeinsamen Verfassungsüberlieferung“ der Mitgliedstaaten sprechen zu können. Vgl. auch schon EuGH, C-249/96, Grant, Slg. 1998, I-621, Rn. 35 f., der hinsichtlich einer Gleichstellung der gleichge-

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1. Kap.: Thematische Einführung

Das Konventspräsidium hat sich demgegenüber in seiner Erläuterung zu Art. 9 GRCh ausdrücklich zur Problematik des ehelichen Strukturmerkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit geäußert: „Durch diesen Artikel wird es weder untersagt noch vorgeschrieben, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts den Status der Ehe zu verleihen.“201 Diese Aussage ist angesichts des Wortlauts und der Systematik des Art. 9 GRCh, der auf die „einzelstaatlichen Gesetze, welche die Ausübung dieser Rechte regeln“, verweist, und keine ausdrücklich geschlechtsbezogene Formulierung des Kreises der Grundrechtsberechtigten mehr enthält, durchaus folgerichtig. Hinsichtlich des einzelstaatlichen Regelungsspielraums korrespondiert Art. 9 GRCh mit Art. 12 EMRK, der ebenfalls die Regelung der Grundrechtsausübung durch die „innerstaatlichen Gesetze“ einräumt. Die Literatur ist sich allerdings nicht einig, welcher Gestaltungsspielraum sich aus dem den Einzelstaaten eingeräumten Regelungsvorbehalt ergibt, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften den „Status der Ehe“ zu verleihen. Teilweise wird darunter verstanden, dass ein Mitgliedstaat diesen den Zugang zum Rechtsinstitut der Ehe gewähren könne.202 Andere Stimmen sehen darin nur einen Verweis auf die Möglichkeit, ein eigenes Rechtsinstitut für Personen des gleichen Geschlechts zu schaffen, das in seiner Rechte- und Pflichtenstruktur derjenigen der Ehe gleicht. Der Zugang zur Ehe selbst bliebe diesem Personenkreis danach aber weiterhin verschlossen.203 Für die letztgenannte Ansicht spricht entscheidend ihre Kohärenz schlechtlichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe oder einer verschiedengeschlechtlichen „festen nichtehelichen Bindung“ auf den nationalen Gesetzgeber verweist. 201 Präsidium des Konvents (Fn. 193), S. 559 (561); kritisch Peter J. Tettinger, in: ders./Klaus Stern, (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 9 GRCh Rn. 17; ders./Jörg Geerlings, Der Schutz von Ehe und Familie in Europa nach der Rechtsprechung von EuGH und EGMR, in: Die Europäische Grundrechte-Charta im wertenden Verfassungsvergleich, hrsg. von Klaus Stern und Peter J. Tettinger, 2005, S. 125 (132 f.). 202 Bernsdorff (Fn. 192), Art. 9 GRCh, Rn. 16; Wölfl (Fn. 177), S. 780; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV, Rn. 135; Christiane Freytag, Lebenspartnerschaftsgesetz, Eheschutzgebot und Differenzierungsverbot, in: DÖV 2002, S. 445 (451); Grabenwarter (Fn. 178), S. 1 (4): „Aufweichung gegenüber schärfer konturierten Garantien in nicht wenigen nationalen Verfassungen“; wohl auch Tettinger (Fn. 201), Art. 9 GRCh Rn. 17, ders., Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: NJW 2001, S. 1010 (1012), der kritisch Ehe und Familie durch Art. 9 GRCh nahezu völlig der gesetzgeberischen Beliebigkeit der Mitgliedstaaten überantwortet sieht. 203 So Jarass (Fn. 165), § 14 Rn. 5; Wolffgang (Fn. 161), Anh. zu Art. 6 EUV Rn. 33; wohl auch Kingreen (Fn. 161), Art. 9 GRCh Rn. 5 („einen der Ehe vergleichbaren verfassungsrechtlichen Schutz“), Stern (Fn. 185), § 100 XIV 5 a, S. 646 f., und Calliess (Fn. 178), Rn. 7, nach dem Art. 9 GRCh ermögliche, „andere Formen als die Ehe als Rahmen für Familiengründung und Lebensführung, bis hin zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, anzuerkennen.“ Diese und die Ehe sind für ihn institutionell mithin nicht identisch. Ähnlich sieht dies auch Claudia Rijsbergen,

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mit den bisher vom EuGH entwickelten Aussagen zur Eheschließungsfreiheit. Ein in dieser Richtung interpretierter Art. 9 GRCh fügt sich außerdem widerspruchsfrei in die oben dargelegte Auslegung der Ehe i. S. d. Art. 12 EMRK als Rechtserkenntnisquelle jedes europäischen Grundrechts ein.204 Insofern ist die Annahme nahe liegend, dass – wegen der Verweise auf nationales Recht – das europäische Primärrecht keine Aussage darüber trifft, ob der grundrechtliche Schutz der Ehe eine Sperrwirkung für die Konstituierung und ehegleiche Ausgestaltung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften entfaltet. Vielmehr ist eine solche Regelung nur am Maßstab des nationalen Rechts zu messen. 4. Grundrechtliches Diskriminierungsverbot Im Rahmen des Schutzes vor Diskriminierung enthalten sowohl die EMRK als auch die GRCh Bestimmungen, die einen Bezug zur rechtlichen Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aufweisen könnten.205 a) Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK Nach Art. 14 EMRK ist der „Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten (. . .) ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts (. . .) oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.“ Die in Art. 14 EMRK genannten Diskriminierungsmerkmale haben Beispielscharakter und sind nicht abschließend („oder eines sonstigen Status“).206 Der Diskriminierungsschutz bezieht sich allerdings nach dem Normwortlaut nur auf die Gewährleistung anderer Rechte der EMRK und entfaltet keinen autonomen Anspruch auf Gleichbehandlung.207 Auf den institutionellen ZuDer besondere Schutz von Ehe und Familie, 2005, S. 115 f. Unklar Rengeling/ Szczekalla (Fn. 163), Rn. 666, die in diesem Zusammenhang nur auf das „Stichwort ‚Homo-Ehe‘“ verweisen. 204 Jarass (Fn. 165), § 14 Rn. 5; siehe dazu auch Tettinger (Fn. 201), Art. 9 GRCh Rn. 18. 205 Vgl. etwa Cirkel (Fn. 164), S. 209, der unter Bezugnahme auf die europäischen Diskriminierungsverbote die Frage aufwirft, ob gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht zukünftig an den Ehepartnern eingeräumten Privilegierungen partizipieren müssten. 206 Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 14 EMRK Rn. 11; Grabenwarter (Fn. 172), § 26 Rn. 7; Peters (Fn. 172), S. 216; Wolfgang Peukert, in: Jochen A. Frowein/Wolfgang Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 14 EMRK Rn. 25. 207 Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 14 EMRK Rn. 5; Wölfl (Fn. 177), S. 746 f.; Peters (Fn. 172), S. 213; Peukert (Fn. 206), Art. 14 EMRK Rn. 3. Rüdiger Wolfrum, Das Verbot der Diskriminierung gemäß den internationalen Menschenrechtsabkommen, in: Europa und seine Verfassung. Festschrift für Martin Zuleeg zum 70. Ge-

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gang zur Ehe i. S. v. Art. 12 EMRK kann der Schutz vor Benachteiligung aufgrund des Geschlechts aber keine Auswirkungen haben, weil Art. 12 EMRK ausdrücklich auf „Männer und Frauen“ als Zugangsberechtigte verweist und das eheliche Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit dort eigenständig geregelt ist. Art. 12 stellt insofern eine gegenüber Art. 14 EMRK speziellere Regelung dar. Dementsprechend hat der EGMR in seinen Entscheidungen zur Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe entweder Art. 14 gar nicht angesprochen208 oder ihn als eigenständigen Prüfungsmaßstab verneint.209 b) Diskriminierungsverbot nach Art. 21 I GRCh Art. 21 I GRCh führt im Rahmen von siebzehn namentlich genannten verbotenen Diskriminierungsmerkmalen neben dem Geschlecht ausdrücklich auch die „sexuelle Ausrichtung“ auf.210 Die dort beschriebenen Diskriminierungsmerkmale haben – wie schon bei Art. 14 EMRK – ebenfalls nur Beispielscharakter.211 Die Erläuterung von Art. 21 GRCh stellt die inhaltliche Anlehnung des ersten Absatzes dieser Norm an Art. 13 EGV und Art. 14 EMRK heraus. „Soweit er mit Artikel 14 EMRK zusammenfällt, findet er gemäß diesem Artikel Anwendung.“212 c) Ermächtigung zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung nach Art. 13 I EGV Art. 13 I EGV ermächtigt den Rat unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des EGV, „im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anburtstag, hrsg. von Charlotte Gaitinides u. a., 2005, S. 385 (386), weist aber darauf hin, dass diese Akzessorietät schon dann gewahrt wird, wenn der Sachverhalt „in den Regelungsbereich eines oder mehrerer Konventionsrechte fällt“. 208 EGMR v. 17.10.1986, Serie A, Bd. 106, Rees/Vereinigtes Königreich; EGMR v. 27.9.1990, Serie A, Bd. 184, Cossey/Vereinigtes Königreich; EGMR v. 30.7.1998, RJD 1998-V, Sheffield u. Horsham/Vereinigtes Königreich. 209 EGMR v. 11.7.2002, RJD 2002-VI, Nr. 108 – Goodwin/Vereinigtes Königreich. 210 Art. 21 I GRCh lautet: „Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts (. . .) oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.“ 211 Arg. e „insbesondere“; vgl. Sven Hölscheidt, in: Jürgen Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl., 2006, Art. 21 GRCh Rn. 32; Michael Sachs, in: Peter J. Tettinger/Klaus Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 21 GRCh Rn. 23; Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 902; Wölfl (Fn. 177), S. 782. 212 Präsidium des Konvents (Fn. 193), S. 559 (563).

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hörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen (zu) treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, (. . .) oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“. Diese Vorschrift ist selbst kein Grundrecht, sondern eine Kompetenzzuweisungsnorm an den Rat.213 Die drei bisher aufgrund von Art. 13 I EGV erlassenen Richtlinien tangieren thematisch den Bereich von Ehe und Familie nicht. Sie beschäftigen sich vielmehr mit dem Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft,214 der Weltanschauung, Behinderung, des Alters und der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf215 sowie der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.216 d) Einbeziehung der Merkmale des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung in das grundrechtliche Diskriminierungsverbot Das grundrechtliche Diskriminierungsverbot umfasst das Geschlechtsmerkmal. Es wird sowohl in Art. 14 EMRK, Art. 9 GRCh und Art. 13 EGV genannt. Überdies ist die ausdrückliche Erwähnung der sexuellen Ausrichtung als verbotenem Diskriminierungstatbestand in Art. 13 I EGV wie auch in Art. 21 I GRCh ein Hinweis darauf, dass dieses Merkmal in den Regelungsbereich des grundrechtlichen Gleichheitssatzes im Rahmen von Art. 6 II EUV einbezogen werden muss.217 Art. 14 EMRK versperrt sich dieser Auffassung nicht, weil diese Norm für die Einbeziehung wei213 Kingreen (Fn. 161), Art. 13 EGV Rn. 1; Christoph Grabenwarter, in: Eberhard Grabitz/Meinhard Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 13 EGV Rn. 6; Carl Otto Lenz, in: ders./Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.), EU- und EGVertrag, 4. Aufl., 2006, Art. 13 EGV Rn. 24; Geiger (Fn. 192), Art. 13 EGV Rn. 4; Räther (Fn. 182), S. 220; Martin Zuleeg, in: Hans von der Groeben/Jürgen Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., 2003, Art. 13 EGV Rn. 2, 5; Cirkel (Fn. 164), S. 207. 214 Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000, Abl. EG L 180/22. 215 Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000, Abl. EG L 303/16. 216 Richtlinie 2004/113/EG vom 13. Dezember 2004, Abl. EU L 373/37. Eine weitere (Antidiskriminierungs)-Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen bezieht sich auf Art. 141 III EGV als Ermächtigungsgrundlage und nicht auf Art. 13 EGV, vgl. Abl. EG L 269/15. 217 Geiger (Fn. 192), Art. 13 EGV Rn. 3; Cirkel (Fn. 164), S. 208 f. Für Kingreen (Fn. 161), Art. 13 EGV Rn. 1, hat dagegen die bloße Erwähnung der Diskriminierungstatbestände in Art. 13 EGV wegen ihres kompetentiellen Charakters noch keine Bedeutung für die europäischen Grundrechte i. S. v. Art. 6 II EUV.

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terer Diskriminierungstatbestände offen ist. Damit besteht ein europäischer Gleichheitssatz, der sowohl die Differenzierung aufgrund des Geschlechts als auch der sexuellen Ausrichtung untersagt und eine entsprechend merkmalsbezogene Diskriminierung verbietet. e) Rechtliche Konsequenzen für die Annahme eines ehelichen Merkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit Es stellt sich nun die Frage, welche rechtlichen Auswirkungen dieses merkmalsbezogene Diskriminierungsverbot auf die Annahme der Verschiedengeschlechtlichkeit als ehelichem Strukturmerkmal und auf das Regelungsverhältnis der Ehe zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften hat. Die Rechtsprechung des EuGH zur Nichtanwendung des Gleichheitsgebots bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gibt für die Beantwortung der Frage tragfähige Hinweise: In einem entschiedenen Fall beanspruchte eine Arbeitnehmerin für ihre Lebensgefährtin eine Fahrtvergünstigung, die nach dem Arbeitsvertrag nur den Arbeitnehmern, ihren Ehepartnern oder Lebensgefährten des anderen Geschlechts, die seit mindestens zwei Jahren eine „ernsthafte Beziehung“ führen, und den jeweiligen Angehörigen zustehen sollte.218 Im zweiten Fall erstrebte ein Mitglied einer Lebenspartnerschaft nach schwedischem Recht die Zuerkennung einer nur für Eheleute vorgesehenen Haushaltszulage.219 Der EuGH entschied in beiden Fällen, dass eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtsmerkmals nicht in Frage komme, weil die Gewährung der Fahrtvergünstigung bzw. Haushaltszulage nicht davon abhängig sei, ob der Anspruchsinhaber ein Mann oder eine Frau wäre.220 Das Gericht stellt mithin darauf ab, ob das Geschlecht des Grundrechtsträgers selbst Anknüpfungspunkt einer (grundsätzlich verbotenen) Differenzierung ist. Welches Geschlecht der jeweilige Partner besitzt, ist beim Diskriminierungsmerkmal des Geschlechts bedeutungslos. Übertragen auf den Zugang zur Ehe folgt daraus nur, dass jedem Mann und jeder Frau die Ehe offen stehen muss, also das Kernsubstrat der Eheschließungsfreiheit. Das eheliche Wesensmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit wird damit nicht tangiert, weil sowohl der Mann wie auch die Frau heiraten können. Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt damit nicht vor.221 218

EuGH v. 17.2.1998, C-249/96, Grant, Slg. 1998, I-621. EuGH v. 31.5.2001, C-122/99P u. C-125/99P, D u. Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319. 220 EuGH, C-249/96, Grant, Slg. 1998, I-621, Nr. 27 f.; EuGH, C-122/99P u. C-125/99P, D u. Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319, Nr. 46. 219

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Der EuGH hielt die sexuelle Ausrichtung als Differenzierungskriterium ebenfalls für nicht einschlägig, weil der Anspruch auf die Haushaltszulage „auch nicht vom Geschlecht des Partners abhängt, sondern von der Rechtsnatur der Bindungen, die zwischen ihm und dem Beamten bestehen.“222 Anders als beim Merkmal des Geschlechts ist die Perspektive bei der sexuellen Ausrichtung nicht auf den Grundrechtsträger allein, sondern auf die personale Verbindung zum Sexualpartner, also auf das Geschlecht beider Personen, gerichtet. Das Merkmal der sexuellen Ausrichtung betrifft deshalb nicht nur, aber auch homosexuelle Paare.223 Der EuGH trennt nun aber in seiner Entscheidung die Ebene der sexuellen Ausrichtung als diejenige des partnerbezogenen Geschlechts von der Ebene der „Rechtsnatur der Bindungen“, mithin für das institutionelle Gefüge von Ehe und Lebenspartnerschaft. Für diese Ebene misst er dem Merkmal der sexuellen Ausrichtung keine Aussagekraft zu. Dieses Ergebnis überzeugt auch deshalb, weil es in Übereinstimmung mit der oben dargestellten grundrechtlichen Konkretisierung der Eheschließungsfreiheit und der Beschränkung der Ehe auf verschiedengeschlechtliche Gemeinschaften steht. Die Befürchtung, der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung lasse sich zur Beseitigung des ehelichen Wesensmerkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit instrumentalisieren,224 ist angesichts einiger Stellungnahmen in der Literatur zwar nicht gänzlich unbegründet.225 221 Auch Fahrenhorst (Fn. 185), S. 210, hinsichtlich einer Verletzung von Art. 14 EMRK; kritisch dagegen Räther (Fn. 182), S. 180 ff. m. w. N. Nach ihm liegt eine doppelte Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts vor, weil hier sowohl Männer zu Frauen ungleichbehandelt werden, die einen Mann heiraten können als auch Frauen zu Männern, die eine Frau heiraten können, vgl. dazu auch unten 3. Kapitel C. I. 1. c) bb), S. 391 ff. 222 EuGH, C-122/99P u. C-125/99P, D u. Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319, Nr. 47. 223 Hölscheidt (Fn. 211), Art. 21 GRCh Rn. 34; Zuleeg (Fn. 213), Art. 13 EGV Rn. 7. Letzterer betont zugleich, dass zur sexuellen Ausrichtung auch „die Ausübung sexueller Praktiken sowie die Betrachtung und Anbringung sexueller Darstellungen“ gehören. 224 So Tettinger (Fn. 202), S. 1010 (1012 f.); ders./Geerlings (Fn. 201), S. 125 (133 f.). 225 Ein anschauliches Beispiel dafür sind widersprüchliche Aussagen bezüglich des Verhältnisses von Art. 21 GRCh zum ehelichen Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit in demselben Kommentar. Während Hölscheidt (Fn. 211), Art. 21 GRCh Rn. 34, der Ansicht ist, es sei „nicht ersichtlich, wieso dieses Diskriminierungsverbot dazu beitragen soll, den Weg in eine ‚Homosexuellen-Ehe‘ vorzuzeichnen“, sieht Bernsdorff (Fn. 196), Art. 9 GRCh Rn. 16, dort sehr wohl einen Zusammenhang: „Weil das Phänomen der Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts ohne Rückgriff auf die sexuelle Ausrichtung nicht fassbar ist, steht Art. 9 in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1.“ Vgl. auch Martin Borowsky, Wertkonflikte in der Europäischen Union –

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1. Kap.: Thematische Einführung

Ihr kann aber mit einer Auslegung dieses Diskriminierungsmerkmals im Lichte der bisherigen Rechtsprechung zur EU-Grundrechtsordnung entgegengewirkt werden, die an der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe festhält und die Berücksichtung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften den nationalen Rechtsordnungen überlässt. Aus dem europäischen Diskriminierungsschutz vor Differenzierungen aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung lässt sich deshalb nicht ableiten, dass gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der Zugang zur Ehe gewährt oder ein eigenes Rechtsinstitut mit ehegleichen oder -ähnlichen Rechten zur Verfügung gestellt werden muss.226 5. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens Im Privat- und Familienbereich des Menschen ist seine Möglichkeit zu individueller Selbstbestimmung besonders ausgeprägt. Auf europäischer Ebene wird dieser Freiheitsraum deshalb grundrechtlich geschützt. Es drängt sich die Frage auf, ob auch Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften an dieser Grundrechtsgewährleistung partizipieren können und ob diese einen Beurteilungsmaßstab für die Konstituierung eines eigenen Rechtsinstituts für jenen Personenkreis darstellt. a) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 I EMRK Art. 8 I EMRK normiert vier verschiedene Bereiche als schutzbereichsspezifische Gewährleistungen des Grundrechts: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Eine Problemskizze, in: Freiheit, Sicherheit und Recht. Festschrift für Jürgen Meyer zum 70. Geburtstag, hrsg. von Hans-Jörg Derra, 2006, S. 49 (60), für den sich die Frage stellt, „ob so nicht doch die Tür zu einer europaweiten Anerkennung der Homosexuellenehe aufgestoßen ist, zumindest in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 der Charta (. . .)“. Für Räther (Fn. 182), S. 196 ff., ist in diesem Sinne das Merkmal der sexuellen Ausrichtung ein Unterfall des Geschlechtsmerkmals. Die Ungleichbehandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Paare diene der Konservierung der traditionellen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau und befördere die „Zwangsheterosexualität“ der Gesellschaft. Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 670, sind der Ansicht, dass Art. 9 GRCh „vielleicht (. . .) eine Möglichkeit der – schrittweisen – Weiterentwicklung“ im Sinne einer Gleichbehandlung zwischen Ehen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufgrund des geschlechtsbezogenen Diskriminierungsverbots biete. Nach Johannes Wasmuth, Zur Verfassungsmäßigkeit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: Der Staat 2002, S. 47 (63), ist „der Gesetzgeber gehalten, für auf Lebensdauer angelegte gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein Rechtsinstitut zu schaffen, das demjenigen der Ehe grundsätzlich inhaltsgleich ist.“ 226 Jarass (Fn. 165), § 25 Rn. 23.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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Korrespondenz.“ Für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind vor allem die Achtung des Privat- und des Familienlebens von Bedeutung. Das Recht auf Achtung des Privatlebens schützt den zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit notwendigen Bereich.227 Dazu gehört auch die sexuelle Selbstbestimmung.228 Auf den durch Art. 8 I EMRK gewährleisteten Schutz der sexuellen Selbstbestimmung können sich auch homosexuelle Personen berufen.229 Die durch nationale Gesetze statuierte Strafbarkeit der Wahl eines homosexuellen Partners verletzt mithin dieses subjektive Recht und ist auch nicht durch Art. 8 II EMRK gerechtfertigt.230 Dem Recht auf Achtung des Privatlebens unterfällt der Wunsch nach einer Änderung des eigenen Geschlechts, der durch einzelstaatliche Rechtsnormen nicht gänzlich untersagt oder vereitelt werden darf, sondern durch entsprechende Regelungen rechtlich anerkannt werden muss.231 Problematischer als beim Recht auf Achtung des Privatlebens ist die Zuordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zum persönlichen 227

EGMR v. 1.7.1980, DR 21, 116 f. – Deklerck; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 6; Fahrenhorst (Fn. 185), S. 112. 228 EGMR v. 22.10.1981, Serie A Bd. 45, Nr. 41 – Dudgeon; EGMR v. 26.10.1988, Serie A Bd. 142, Nr. 38 – Norris; Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 8 EMRK Rn. 7; Robert Uerpmann-Wittzack, § 3: Höchstpersönliche Rechte und Diskriminierungsverbot, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, hrsg. von Dirk Ehlers, 2. Aufl., 2005, Rn. 8; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 8; Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 142; Peters (Fn. 172), S. 157 f. 229 EGMR v. 12.6.2003, NJW 2004, S. 2505 (2507, Nr. 69) – van Kück/Deutschland; EGMR v. 27.9.1999, NJW 2000, S. 2089 (2090, Nr. 71) – Smith u. Grady/ Vereinigtes Königreich; Stern (Fn. 185), § 100 XIV 3 b, S. 638; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 8; Jarass (Fn. 165), § 12 Rn. 8; Uerpmann-Wittzack (Fn. 228), Rn. 8, 10; Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 142 ff.; Wölfl (Fn. 177), S. 734; Wellenhofer-Klein (Fn. 185), Rn. 6; Volker Beck, Die verfassungsrechtliche Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: NJW 2001, S. 1894 (1895); Anne Klein, Für die Verfassungskonformität des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: FPR 2001, S. 434; Gerhard Robbers, Eingetragene Lebenspartnerschaften, in: JZ 2001, S. 779 (781); Wittinger (Fn. 185), S. 42. 230 EGMR v. 22.10.1981, Serie A Bd. 45, Nr. 41 – Dudgeon/Vereingtes Königreich; EGMR v. 26.10.1988, Serie A Bd. 142, Nr. 38 – Norris/Irland; Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 8 EMRK Rn. 7; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 8; Wölfl (Fn. 177), S. 734 ff.; Peters (Fn. 172), S. 159; Wölfl (Fn. 177), S. 734 ff.; Frowein (Fn. 185), Art. 8 EMRK Rn. 12. 231 EGMR v. 12.6.2003, NJW 2004, S. 2505 (2507, Nr. 69) – van Kück/Deutschland; EGMR v. 11.7.2002, RJD 2002-VI, Nr. 93. – Goodwin/Vereinigtes Königreich; vgl. aber davor EGMR v. 17.10.1986, Serie A, Bd. 106, Nr. 37 – Rees/ Vereinigtes Königreich; EGMR v. 27.9.1990, Serie A, Bd. 184, Nr. 36 – Cossey/ Vereinigtes Königreich; EGMR v. 30.7.1998, RJD 1998-V, Nr. 61 – Sheffield u. Horsham/Vereinigtes Königreich; Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 8 EMRK Rn. 8; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 8; Jarass (Fn. 165), § 12 Rn. 16; Peters (Fn. 172), S. 157 f.; Frowein (Fn. 185), Art. 8 EMRK Rn. 10.

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1. Kap.: Thematische Einführung

Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens. Gegen eine solche Einordnung könnte der Begriff der Familie als Schutzgegenstand der spezifischen Grundrechtsgewährleistung des Familienlebens sprechen, wenn man die Familie als Gemeinschaft mit Kindern definierte.232 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften leben regelmäßig nicht mit Kindern zusammen und könnten nach dieser Auffassung folglich kein Familienleben realisieren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich auch Ehepaare ohne Kinder auf Art. 8 I EMRK berufen können.233 Die Reichweite des Schutzbereichs wird im Hinblick auf das Familienleben nach der Perspektive des tatsächlichen Bestehens von familialen Bindungen im Sinne einer engen persönlichen Beziehung konturiert.234 Daraus folgt, dass auch nichteheliche Lebensgemeinschaften ein Familienleben i. S. d. Art. 8 I EMRK führen können, wenn ihr tatsächliches Verhältnis eine für Ehepaare typische Bindungsintensität aufweist.235 Dies könnte dafür sprechen, auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens einzubeziehen, wenn ihr tatsächliches Zusammenleben und ihre Bindungsintensität mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vergleichbar sind.236 Der Subsumtion gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften unter den Begriff des „Familienlebens“ kann allerdings zu Recht Skepsis entgegengebracht werden. Diese Auslegung entfernt sich nämlich nicht nur deutlich von der eigentlichen Bedeutung des Wortes „Familie“, 232 So wohl Tettinger (Fn. 16), S. 117 (136); Risse (Fn. 185), S. 283; Frowein (Fn. 185), Art. 8 EMRK Rn. 15. Sieghart Ott, Die Begriffe „Ehe und Familie“ in Art. 6 I GG, in: NJW 1998, S. 117 (118), hält vergleichbar die Abstammungsgemeinschaft für eine Voraussetzung des Familienbegriffs in Art. 8 I EMRK. 233 Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 349; Wölfl (Fn. 177), S. 739; Fahrenhorst (Fn. 185), S. 101. 234 EGMR v. 13.6.1979, Serie A, Bd. 31, Nr. 31 – Marckx/Belgien; EGMR v. 18.12.1986, Serie A, Bd. 112, Nr. 55 – Johnston u. a./Irland; EGMR v. 26.5.1994, Serie A, Bd. 290, Nr. 44 – Keegan/Irland; EGMR v. 13.7.2000, RJD 2000-VIII, Nr. 43 – Elsholz/Deutschland; EGMR v. 12.7.2001, RJD 2001-VII, Nr. 150 – K. u. T./Finnland; Meyer-Ladewig (Fn. 172), Art. 8 EMRK Rn. 18; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 16; Uerpmann-Wittzack (Fn. 228), Rn. 9; Wölfl (Fn. 177); Fahrenhorst (Fn. 185), S. 101 f., vgl. auch Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 343, der aber einschränkend als weitere Voraussetzung das Bestehen der Blutsverwandtschaft, der Eheschließung oder Adoption annimmt. 235 Schon EKMR v. 14.7.1977, EuGRZ 1977, S. 497 (499) – X. u. Y./Schweiz; EGMR v. 26.5.1994, Serie A, Bd. 290, Nr. 44 – Keegan/Irland; EGMR v. 13.7.2000, RJD 2000-VIII, Nr. 43 – Elsholz/Deutschland; Stern (Fn. 185), § 100 XIV 3 b, S. 637 f.; Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 16; Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 386; Fahrenhorst (Fn. 185), S. 109; skeptisch Risse (Fn. 185), S. 283. 236 So Grabenwarter (Fn. 172), § 22 Rn. 16; ähnlich Uerpmann-Wittzack (Fn. 228), Rn. 10, der dies jedenfalls dann bejaht, „wenn in einer solchen Beziehung Kinder aufwachsen“. Wittinger (Fn. 185), S. 43 ff., hält eine Einbeziehung mittels „evolutiver Auslegung“ zumindest in der Zukunft nicht für ausgeschlossen.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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das auf Kinder zumindest angelegt ist. Während die Einbeziehung von kinderlosen Ehen und verschiedengeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaften noch insofern nachvollziehbar ist, als diese Sozialformen regelmäßig das Entwicklungspotential zur Gemeinschaft mit Kindern besitzen, so ist dies bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften nicht der Fall. Der grundrechtliche Schutz privater Selbstbestimmung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wird überdies schon durch das ebenfalls in Art. 8 I EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens gewährleistet. Um ihre Selbstbestimmung im Privatbereich zu schützen, bedarf es deshalb der erweiternden Auslegung des Familienbegriffs nicht. Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften können sich deshalb nicht auf das in Art. 8 I EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens berufen.237 b) Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRCh Die Formulierung des Art. 7 GRCh weicht von derjenigen des Art. 8 I EMRK nur insoweit ab, als die durch Art. 8 I EMRK geschützte „Korrespondenz“ in Art. 7 GRCh durch das der technischen Entwicklung angemessenere Wort „Kommunikation“ ersetzt wird:238 „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“ Die Identität von Wortlaut und Schutzrichtung bei Art. 8 I EMRK und Art. 7 GRCh spricht dafür, hinsichtlich des Rechts auf Achtung des Privatlebens eine übereinstimmende spezifische Schutzbereichsbestimmung anzunehmen.239 Die der privaten Entfaltung dienenden nichtöffentlichen Lebensbereiche einer Person sind damit Schutzgegenstand des Privatlebens i. S. d. Art. 7 GRCh.240 Entsprechend fällt darunter auch die Sphäre sexueller Selbstbestimmung. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften können sich mithin auf das Recht auf Achtung des Privatlebens berufen. Die inhaltliche Übereinstimmung von Art. 8 I EMRK und Art. 7 GRCh bezieht sich auch auf das Recht auf Achtung des Familienlebens.241 Daraus ergibt sich eine Kongruenz des Kreises der Grundrechtsberechtigten, die 237 Jarass (Fn. 165), § 12 Rn. 21; Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 151; Wölfl (Fn. 177), S. 740, 743; Peters (Fn. 172), S. 162; Risse (Fn. 185), S. 283; Fahrenhorst (Fn. 185), S. 110; vgl. auch EGMR v. 22.10.1981, Serie A Bd. 45, Nr. 41 – Dudgeon/Vereinigtes Königreich; EGMR v. 26.10.1988, Serie A Bd. 142, Nr. 38 – Norris/Irland. 238 Rengeling/Szczekalla (Fn. 163), Rn. 655. 239 Kingreen (Fn. 161), Art. 7 GRCh Rn. 2; Tettinger (Fn. 201), Art. 7 GRCh Rn. 1 f.; Jarass (Fn. 165), § 12 Rn. 2; Wölfl (Fn. 177), S. 776. 240 Vgl. Bernsdorff (Fn. 196), Art. 7 GRCh Rn. 19; Tettinger (Fn. 201), Art. 7 GRCh Rn. 10. 241 Wölfl (Fn. 177), S. 776; Beutler (Fn. 161), Art. 6 EUV Rn. 132.

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1. Kap.: Thematische Einführung

dazu führt, dass Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften für sich nicht das in Art. 7 GRCh normierte Recht auf Achtung des Familienlebens in Anspruch nehmen können. c) Folgerungen aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens für die rechtliche Strukturierung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Das Recht auf Achtung des Privatlebens in Art. 8 I EMRK und Art. 7 GRCh schützt alle nichtöffentlichen Bereiche privater Lebensgestaltung. Darunter fällt auch die Sexualität. Die Grundrechtsträger dürfen deshalb staatlicherseits nicht daran gehindert werden, mit einer Person gleichen Geschlechts eine Lebensgemeinschaft einzugehen und diese fortzuführen. Das Grundrecht besitzt insofern eine individualitätsbezogene Dimension, weil es den Freiheitsbereich des Einzelnen sichert. Dazu tritt die interpersonale Dimension dieses Grundrechts, weil zum geschützten Freiheitsraum auch die Beziehung des Grundrechtsträgers zu anderen Personen gehört.242 Weitere rechtliche Verpflichtungen, die sich nicht aus diesen beiden Perspektiven der Freiheitsgewährleistung ableiten lassen, ergeben sich aus dem Grundrecht aber nicht. Die Übertragung einer bestimmten Rechtsform oder von einzelnen mit ihr verbundenen Regelungen auf den eigenen Lebensbereich gehört in keinem Fall zur Freiheit privater Lebensgestaltung. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass neben dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ein eigenständiges europäisches Grundrecht der Eheschließungsfreiheit existiert, das in Art. 12 EMRK und Art. 9 GRCh normiert ist. Wegen des engeren Bezugs dieses Grundrechts zur Eheschließung steht es in diesem spezifischen Bereich zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in einem Spezialitätsverhältnis.243 Wenn schon das speziellere Grundrecht gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften keinen Zugang zur Ehe eröffnet,244 dann kann dies beim allgemeineren Grundrecht auf Achtung des Privatlebens erst recht nicht der Fall sein. Es besteht deshalb aufgrund dieses Grundrechts weder eine Rechtspflicht zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder zur Konstituierung eines eigenen Rechtsinstituts für sie noch für ihre rechtliche Gleichbehandlung mit der Ehe.245 242 Kingreen (Fn. 161), Art. 7 GRCh Rn. 4; Uerpmann-Wittzack (Fn. 228), Rn. 5 f. Siehe auch Peters (Fn. 172), S. 159: „Anspruch auf Achtung der zwischenmenschlichen Beziehungen“. 243 Fahrenhorst (Fn. 185), S. 210. 244 Vgl. oben 1. Kapitel E. I. 3., S. 82 ff. 245 Siehe auch Tettinger (Fn. 201), Art. 7 GRCh Rn. 25; Uerpmann-Wittzack (Fn. 227), Rn. 11; Wildhaber (Fn. 191), Art. 8 EMRK Rn. 151.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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6. Ergebnis Grundsätzlich entfaltet die europäische Grundrechtsordnung eine Rechtswirkung nur bei der Anwendung des europäischen Gemeinschaftsrechts. Die Ehe steht als institutionelles Substrat des europäischen Grundrechts der Eheschließungsfreiheit nur verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften offen. Dem Grundrecht ist kein eigener Maßstab für die rechtliche Strukturierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu entnehmen; diese ist einzelstaatlichen Regelungen überlassen. Der europäische Gleichheitssatz ist weder durch das eheliche Wesensmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit noch durch die Differenzierung zwischen der Ehe und der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in der Rechtsordnung berührt, weil nach den Maßstäben des EuGH weder eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts noch aufgrund der sexuellen Ausrichtung vorliegt. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder können sich nur auf das Recht auf Achtung ihres Privatlebens, nicht aber des Familienlebens berufen. Das Grundrecht trifft zur Rechtsstruktur der Ehe aber keine Aussage. Aus den europäischen Grundrechten lassen sich deshalb insgesamt eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder eine grundrechtliche Verpflichtung zur rechtlichen Angleichung nicht herleiten.

II. Das Recht der Bundesländer 1. Verfassungsrechtliche Bestimmungen der Bundesländer zum Schutz von Ehe und Familie und zum Schutz Homosexueller vor Diskriminierung Ehe und Familie werden nicht nur durch Art. 6 I des Grundgesetzes geschützt. Vielmehr enthalten auch die Verfassungen fast aller Bundesländer Bestimmungen, die beiden Rechtsinstituten auch auf Länderebene verfassungsrechtlichen Schutz gewähren. Diese Normen können nach ihrer Regelungstechnik in zwei Gruppen unterteilt werden: Die eine zeichnet sich dadurch aus, dass durch eine Inkorporationsregelung die Grundrechte des Grundgesetzes unmittelbare Rechtswirksamkeit auch für die jeweilige Landesverfassung entfalten,246 die andere dadurch, dass die Verfassungen eigene Schutzvorschriften für Ehe und Familie enthalten. 246 Die für diese Rezeptionsklausel verwandte Formulierung lautet regelmäßig: „Die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte sind Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Recht.“ Etwaige geringe Abweichungen in den jeweiligen Formulierungen betreffen nicht die Grundaussage der Rezeption der im Grundgesetz enthaltenen Grundrechte durch die jeweiligen Länderverfassungen.

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1. Kap.: Thematische Einführung

Zur ersten Gruppe gehören die Verfassungen von Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.247 Der durch Art. 6 I GG garantierte besondere Schutz von Ehe und Familie gilt in diesen Ländern unmittelbar. Zur zweiten Gruppe gehören mit Ausnahme von Hamburg und Schleswig-Holstein die übrigen Bundesländer. Die Nordrhein-Westfälische Verfassung ist die einzige Landesverfassung, in der sich neben der grundrechtlichen Inkorporationsklausel zusätzlich noch eine eigene Schutzvorschrift für Ehe und Familie befindet. Die Verfassungen von Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen enthalten die auch von Art. 6 I GG verwandte Formulierung eines „besonderen Schutzes“ für beide Rechtsinstitute.248 In den Verfassungen von Brandenburg und Bremen wird zwar auf die Formulierung eines besonderen Schutzes verzichtet, dafür findet sich in ihnen aber eine ausdrückliche Doppelverpflichtung des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern.249 In den einschlägigen Verfassungsnormen von Bremen und Hessen werden beide Rechtsinstitute darüber hinaus als „Grundlage des Gemeinschaftslebens“ bzw. in Nordrhein-Westfalen als „Grundlage der menschlichen Gesellschaft“ bezeichnet. Noch weitergehend und an naturrechtliche Vorstellungen angelehnt ist die Formulierung in Art. 124 I der Verfassung des Freistaates Bayern.250 Die Landesverfassungen von Hamburg und Schleswig-Holstein enthalten dagegen weder eine Inkorporationsnorm noch statuieren sie eigene Grundrechte. Lebensgemeinschaften außerhalb von Ehe und Familie werden in den meisten Landesverfassungen nicht erwähnt. Nur in den Landesverfassungen von Berlin und Brandenburg finden sich Schutzbestimmungen für „andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften“, deren Aussagen aber zwei unterschiedliche verfassungsrechtliche Perspektiven intendieren: Während die Verfassung von Berlin nur den spezifischen Schutz dieser Gemeinschaf247 Art. 2 I Verfassung des Landes Baden-Württemberg; Art. 5 III Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern; Art. 3 II Niedersächsische Verfassung; Art. 4 I Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. 248 Art. 124 I Verfassung des Freistaates Bayern; Art. 12 I Verfassung von Berlin; Art. 4 Verfassung des Landes Hessen; Art. 5 I Verfassung des Landes NordrheinWestfalen; Art. 25 I Verfassung für Rheinland-Pfalz; Art. 22 Verfassung des Saarlandes; Art. 22 I Verfassung des Freistaates Sachsen; Art. 24 I Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt; Art. 17 I Verfassung des Freistaates Thüringen. 249 Art. 21 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen; Art. 26 I 1 Verfassung des Landes Brandenburg. 250 „Ehe und Familie sind die natürliche und sittliche Grundlage der menschlichen Gemeinschaft und stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.“

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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ten vor „Diskriminierung“ normiert,251 statuiert die Brandenburger Verfassung in allgemeinerer Form deren „Schutzbedürftigkeit“252 und kommt damit in ihrer Formulierung der Schutzaussage zugunsten von Ehe und Familie nahe.253 In der Mehrheit der Länderverfassungen ist ein mit Art. 3 III GG vergleichbarer besonderer Gleichheitssatz enthalten, der die Diskriminierung eines Menschen aufgrund besonderer und in der Verfassung niedergelegter Merkmale untersagt.254 Für die gleichheitsrechtliche Beurteilung der Berücksichtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Rechtsordnung können zwei Merkmale relevant werden: das Geschlecht und die sexuelle Orientierung. Das Merkmal des Geschlechts ist ausdrücklich auch in Art. 3 III GG erwähnt. Alle Verfassungen der Länder, die einen besonderen Gleichheitssatz normiert haben, berücksichtigen ebenfalls dieses Merkmal.255 Darüber hinaus wird in den gleichheitsrechtlichen Verfassungsnormen von Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen auch der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der „sexuellen Identität“ erwähnt. Dieses Merkmal enthält der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 III GG nicht. Aus dem Überblick über die einschlägigen Regelungen der Länderverfassungen zu Ehe und Familie wird deutlich, dass sich ihre Schutzausrichtung und -intensität grundsätzlich nicht von derjenigen des in Art. 6 I GG 251

Art. 12 II Verfassung von Berlin: „Andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften haben Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung.“ 252 Art. 26 II Verfassung des Landes Brandenburg: „Die Schutzbedürftigkeit anderer auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaften wird anerkannt.“ 253 Gunnar Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 244, 254 ff., 265 ff., und Johannes Dietlein, Der Schutz nichtehelicher Lebensgemeinschaften in den Verfassungen und Verfassungsentwürfen der neuen Länder, in: DtZ 1993, S. 136 (140 f.), halten Art. 26 II der Verfassung des Landes Brandenburg für einen Verstoß gegen die objektive Wertentscheidung des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe. Die brandenburgische Verfassungsnorm wird danach von Art. 6 I GG derogiert. Für die Verfassungsmäßigkeit dagegen Herbert Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Aufl., 2006, § 4 Rn. 9, und Risse (Fn. 185), S. 278 ff. 254 Der besondere Gleichheitssatz ist in den Verfassungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein nicht eigenständig normiert worden. In BadenWürttemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen gilt Art. 3 III GG aufgrund der Inkorporationsklausel allerdings unmittelbar. 255 Art. 10 II Verfassung von Berlin; Art. 12 II Verfassung des Landes Brandenburg; Art. 2 II Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen; Art. 1 Verfassung des Landes Hessen; Art. 3 III 1 Niedersächsische Verfassung; Art. 12 II Verfassung des Saarlandes; Art. 18 III Verfassung des Freistaates Sachsen; Art. 7 III Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt; Art. 2 III Verfassung des Freistaates Thüringen.

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1. Kap.: Thematische Einführung

statuierten grundgesetzlichen Schutzes beider Rechtsinstitute unterscheidet. Allerdings gehen hinsichtlich des Schutzes vor Diskriminierung einige Landesverfassungen mit der Berücksichtigung der „sexuellen Orientierung“ über die von Art. 3 III GG erfassten Merkmale hinaus. Der gleichheitsrechtliche Schutz des Grundgesetzes bleibt insoweit hinter demjenigen der entsprechenden Landesverfassungen zurück. Diese Divergenz zwischen Bundes- und Landesgrundrecht ist aber für die Verfassungsmäßigkeit von formellen Gesetzen des Bundes nicht von Relevanz, weil der Bundesgesetzgeber nur Verfassungsrecht des Bundes zu beachten hat.256 Zwar bleiben nach Art. 142 GG Bestimmungen der Landesverfassungen ungeachtet der Vorschrift des Art. 31 GG insoweit in Kraft, als sie in Übereinstimmung mit den Artt. 1 bis 18 GG Grundrechte gewährleisten. Eine Übereinstimmung zwischen Bundes- und Landesgrundrechten liegt dann vor, wenn sich ihre Gewährleistungsbereiche nicht widersprechen. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Landesgrundrecht einen weitergehenden Schutz als das entsprechende Bundesgrundrecht enthält, weil das jeweils enger gefasste Grundrecht nur eine grundrechtliche Mindestgarantie darstellt und keinen Normbefehl enthält, einen weitergehenden Grundrechtsschutz zu unterlassen.257 Verletzt aber das im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung zustande gekommene Bundesgesetz ein im Grundgesetz statuiertes Grundrecht nicht, scheidet ein dazu komplementäres Landesgrundrecht mit einem im Vergleich zu jenem weiter gefassten Gewährleistungsbereich wegen Art. 31 GG als Beurteilungsmaßstab aus. Das einfache Bundesrecht widerspricht in einem solchen Fall dem Landesgrundrecht und geht letzterem vor.258 Das Familienrecht fällt als Bestandteil des bürgerlichen Rechts gemäß Art. 74 I Nr. 1 GG in den Bereich der konkurrierenden Gesetz256 BVerfGE 96, 345 (365); Ute Sacksofsky, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 142 Rn. 74; Jost Pietzcker, § 99: Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht, in: HStR IV, 2. Aufl., 1999, Rn. 56. 257 BVerfGE 96, 345 (365); Sodan/Ziekow (Fn. 167), § 21 Rn. 3; Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 142 Rn. 3; Axel von Campenhausen, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 3, Art. 142 Rn. 7; Sacksofsky (Fn. 155), Art. 142 Rn. 40; Peter M. Huber, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 142 Rn. 9; Philip Kunig, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl., 2003, Art. 142 Rn. 7; Risse (Fn. 185), S. 175 ff.; Theodor Maunz, in: ders./Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 142 Rn. 14. 258 BVerfGE 1, 264 (281); 96, 345 (365 f.); Sodan/Ziekow (Fn. 167), § 21 Rn. 3; v. Campenhausen (Fn. 257), Art. 142 Rn. 8; Sacksofsky (Fn. 256), Art. 142 Rn. 41, 50, 74; Huber (Fn. 257), Art. 142 Rn. 12; Kunig (Fn. 257), Art. 142 Rn. 8; Erhard Denninger, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von dems. u. a., 3. Aufl., Art. 142 Rn. 3; Maunz (Fn. 257), Art. 142 Rn. 3.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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gebungskompetenz. Von ihr hat in diesem Bereich der Bund i. S. v. Art. 72 GG abschließend Gebrauch gemacht. Daraus ergibt sich, dass das Merkmal der sexuellen Orientierung als landesgrundrechtlicher Prüfungsmaßstab für die familienrechtliche Berücksichtigung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften nicht in Frage kommen kann, wenn die entsprechenden Regelungen der gleichheitsrechtlichen Prüfung am Maßstab des Art. 3 GG stand halten.259 2. Die Registrierungsmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in Hamburg vor Inkrafttreten des LPartDisBG Am 14. April 1999 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft ein „Gesetz über die Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“.260 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften konnten sich danach in einem „Partnerschaftsbuch“ registrieren lassen. Wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Familienrecht waren mit der Eintragung keine weiteren Rechtsfolgen verbunden, so dass die Intention des Gesetzes ausschließlich auf den rechtspolitischen Symbolgehalt abzielte.

III. Gescheiterte und aktuelle Gesetzesinitiativen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Deutschen Bundestag zur institutionellen Verankerung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in der Rechtsordnung Vor der Einführung des Rechtsinstituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahre 2001 durch das LPartDisBG waren im Deutschen Bundestag schon mehrere Gesetzesinitiativen gescheitert, die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gesetzlich normierte Rechte und Pflichten zuerkennen wollten, welche bis dahin ausschließlich für Ehepartner galten. Die erste und gleichzeitig inhaltlich auch weitgehendste legislative Initiative, welche die Berücksichtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Rechtsordnung anstrebte, ging von der Fraktion Die Grünen gegen Ende der 11. Legislaturperiode aus. Am 9. Juli 1990 wurde von ihr ein Antrag zur „Abschaffung der rechtlichen Diskriminierung von homosexuellen Männern“ in das Parlament eingebracht, in dem der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern sollte, „den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Abschaffung der rechtlichen Diskriminierung von Schwu259 260

Auch Risse (Fn. 185), S. 177 ff. HmbGVBl. I, S. 69.

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1. Kap.: Thematische Einführung

len vorzulegen, das die rechtlichen Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Orientierung für Schwule in allen Lebensbereichen beseitigt.“261 Von gleichgeschlechtlich orientierten Frauen war im gesamten Antrag nicht die Rede. Er sah hinsichtlich der Institutionalisierung der Lebensgemeinschaft zwischen Männern eine Änderung des § 1353 I 1 BGB und der im EheG geregelten Voraussetzungen der Eheschließung in dem Sinne vor, dass „es gleichgeschlechtlichen Partnern, die das wünschen, freisteht, die Ehe wie auch andere bestehende oder noch vom Gesetzgeber zu schaffende rechtlich geregelte Formen der Lebensgemeinschaft einzugehen.“262 Daneben wurde im Antrag eine Vielzahl von gesetzgeberischen Aktivitäten gefordert, die von einer Ergänzung des Art. 3 III GG um den Tatbestand der „sexuellen Orientierung“ über die gesetzliche Zulassung der Adoption durch Homosexuelle bis zu einer etwaigen Ergänzung der §§ 130, 131 StGB um die Tatbestände des „antischwulen Hasses“ und der „antischwulen Hetze“ reichten. Wegen der Neuwahl des Deutschen Bundestages am 2. Dezember 1990 konnte dieser Antrag wegen des Grundsatzes der sachlichen Diskontinuität des Parlaments nicht mehr abschließend beraten werden. In der 13. Legislaturperiode wurde am 24. Oktober 1995 von der gleichen Fraktion zur Thematik der institutionellen Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften erstmals ein eigener Gesetzentwurf eingebracht. Der Entwurf eines „Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ beschränkte sich auf die schon 1990 vorgeschlagene Neufassung des § 1353 I 1 BGB, wobei diesmal auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften von Frauen Berücksichtigung fanden. Die Norm sollte so geändert werden, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einen Zugang zur Ehe bekommen hätten.263 Als gesetzliche „Alternative“ hierzu schlug Bündnis 90/Die Grünen in einer Vorbemerkung zu diesem Gesetzentwurf schon damals die „Schaffung eines mit der Ehe gleichwertigen Ersatzinstitutes für gleichgeschlechtliche Paare (‚Eingetragene Partnerschaft‘) nach skandinavischem Vorbild“ vor, ohne dass der Entwurf selbst konkrete Rechtsnormen enthielt. Am 14. März 1997 brachte Bündnis 90/Die Grünen einen weiteren Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der auch die Rechtsstellung der gleich261

BT-Drucks. 11/7197. BT-Drucks. 11/7197, S. 2. 263 BT-Drucks. 13/2728. § 1353 I 1 BGB sollte danach wie folgt lauten: „Die Ehe wird zwischen Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Die einfachgesetzliche Einbeziehung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in das Rechtsinstitut der Ehe, die sich im Gegensatz zu verschiedengeschlechtlichen Paaren nicht auf Art. 6 I GG berufen können, ist wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Institutsgarantie der Ehe verfassungsrechtlich bedenklich, vgl. ausführlich unten 2. Kapitel B., S. 125 ff. 262

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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geschlechtlichen Lebensgemeinschaften betraf. Im „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften (Nichteheliche-Lebensgemeinschaften-Gesetz – NeLgG)“ sollte die „nichteheliche Lebensgemeinschaft“ mit einer gesetzlich normierten Rechtsstruktur ausgestattet werden.264 Dazu gehörten für ihre Mitglieder die Zuerkennung des Status als Familienangehörige, ein gesetzliches Erbrecht neben den Verwandten zweiter Ordnung und den Großeltern, ein Strafantragsrecht nach § 77 II StPO sowie verschiedene steuerrechtliche Privilegierungen nach §§ 10 I EStG, 15 I, 16 I ErbStG. Die Statuierung einer generellen Unterhaltsverpflichtung wurde ausdrücklich abgelehnt und nur ausnahmsweise dann angenommen, wenn es nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft grob unbillig gewesen wäre, Unterhalt zu versagen. Als nichteheliche Lebensgemeinschaften im Sinne des Gesetzentwurfs wurden solche zwischen Personen sowohl gleichen wie verschiedenen Geschlechts angesehen.265 Ebenfalls noch in der 13. Legislaturperiode wurde die Fraktion der SPD hinsichtlich der Verankerung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Rechtsordnung aktiv. Art. 8 ihres am 9. März 1998 in den Bundestag eingebrachten Entwurfs eines „Gesetzes zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes des Artikels 3 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgesetz)“ sah mit der Konstituierung der „Lebenspartnerschaft“ ein eigenes Rechtsinstitut für zwei Personen des gleichen Geschlechts vor.266 Die Lebenspartner wären gemäß Art. 8 § 1 II des Entwurfs einander zur Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft verpflichtet gewesen und hätten nach § 2 einen gemeinsamen Partnerschaftsnamen führen können. Die Vorschriften über Ehe (§§ 1353–1588 BGB) und Verlöbnis (§§ 1297–1299, 1301 f. BGB) sollten Anwendung finden, soweit im Gesetz selbst nichts anderes bestimmt sei. Derselbe Grundsatz sollte für Regelungen, die Rechtsfolgen an den Tatbestand der Ehe knüpfen, und das Ehegesetz gelten. Eher restriktiv behandelte der Gesetzentwurf die kindschaftsrechtliche Stellung der Lebenspartner: Die Vorschriften über die Annahme als Kind (§§ 1741 ff. BGB) sollten ausdrücklich keine Anwendung finden und die Sorge über das nichteheliche Kind sollte nicht von beiden Partnern gemeinsam ausgeübt werden dürfen. Regelungen über Pflege- und Stiefelternschaft wären davon nach Art. 8 § 3 III 2 des Entwurfs aber ausdrücklich unberührt geblieben. Im Verhältnis zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wurde die Nichtigkeit des später begründeten Rechtsinstituts statuiert. 264

BT-Drucks. 13/7228. Nach Peter Badura, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 6 Rn. 57, verletzt dieser Entwurf Art. 6 I GG. Dagegen sieht Thomas Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 98, keine Verstöße gegen Art. 2 I GG und 6 I GG. 266 BT-Drucks. 13/10081. 265

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1. Kap.: Thematische Einführung

Alle dargestellten und während der 13. Legislaturperiode eingebrachten Gesetzesvorlagen wurden nach der ersten Lesung im Plenum jeweils zur weiteren Beratung in den Rechtsausschuss überwiesen. Zu einer weiteren Befassung mit ihnen durch das Plenum des Bundestages kam es bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr. In der 14. Legislaturperiode kulminierten die legislativen Initiativen zur Konstituierung eines eigenen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Erstmalig brachte die Fraktion der FDP am 23. Juni 1999 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag ein.267 Ihr Gesetz „zur Regelung der Rechtsverhältnisse Eingetragener Lebenspartnerschaften (EingetrageneLebenspartnerschaften-Gesetz – ELPSchG)“ sah die Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft durch die schriftliche und notariell beurkundete gegenseitige Erklärung von zwei nicht verheirateten und in keiner anderen Eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Personen des gleichen Geschlechts vor, „dauerhaft füreinander einstehen zu wollen.“ Mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft sollten nach diesem Gesetzentwurf eine Reihe von Rechtwirkungen verbunden sein: Neben dem Recht, einen gemeinsamen Partnerschaftsnamen zu führen, sollte die in § 1363 BGB geregelte Zugewinngemeinschaft und der Zugewinnausgleich im Todesfall nach § 1371 BGB auf die Lebenspartnerschaft übertragen werden. Der Entwurf sah vor, die bisher nur bei Eheleuten relevante Eigentumsvermutung des § 1362 BGB auch auf Lebenspartner zu erstrecken. Eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung während der Lebenspartnerschaft sollte nicht eingeführt werden; dafür wäre dem ehemaligen Lebenspartner bei Einführung eines § 1588d BGB ein nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch zuerkannt worden, „solange von ihm aus schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt (. . .) grob unbillig wäre.“ Detaillierte kindschaftsrechtliche Regelungen wies der Gesetzentwurf nicht auf; § 1588c II BGB überließ dem Richter bei Trennung und Auflösung die Entscheidung über die Rechtsverhältnisse zwischen den Lebenspartnern „nach billigem Ermessen, das auch die Belange der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder (. . .) berücksichtigt“. In den Kreis der Antragsberechtigten nach § 77 II StGB sollten die Lebenspartner ebenso einbezogen werden wie in den Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten nach § 52 StPO und der zur Nebenklage Befugten nach § 395 StPO. Steuerrechtlich sah der Gesetzentwurf eine Einbeziehung in die Privilegierungen der §§ 13 I Nr. 4a, 15 I, 16 I Nr. 1, 17 ErbStG vor. Lebenspartner sollten auch beim Familienzuschlag nach § 40 BBesG berücksichtigt und im Ausländerrecht Ehegatten gleichgestellt werden. 267

BT-Drucks. 14/1259.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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Die Begründung zum Gesetzentwurf betonte ausdrücklich, dass der Lebenspartnerschaft „kein dem Rechtsinstitut der Ehe vergleichbarer und zu ihm in Konkurrenz tretender Status verliehen“ werden sollte. Die Bestimmungen seien vielmehr „nur für einige ausgewählte Gebiete“ entworfen und „bieten dem Gesetzgeber die Möglichkeit, weitere Regelungsbereiche einzubeziehen“. Dies müsse jedoch „behutsam“ geschehen, „ohne das innere Gefüge der Rechtsgebiete, die in die punktuelle Gleichstellung einbezogen werden, anzutasten“.268 Flankiert wurde dieser Gesetzentwurf zur Konstituierung eines eigenständigen Rechtsinstituts durch einen weiteren Entwurf der Fraktion der FDP vom 27. Januar 1999, der ausschließlich die Modifikation des § 569a BGB a. F. betraf.269 Der Entwurf beabsichtigte, das bisher ehegattenbezogene Eintrittsrecht in den Mietvertrag auf „Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Hausstand führen (Haushaltsangehörige)“ auszudehnen. Einen ähnlichen Vorschlag hatte schon die Fraktion der PDS am 22. Januar 1999 mit ihrem „Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Wohnung nach Todesfall der Mieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters“ gemacht.270 Nach ihr sollte das Eintrittsrecht für Personen gelten, die in dem Wohnraum einen gemeinsamen „Hausstand“ führten. Die Gesetzentwürfe der Fraktionen von FDP und PDS wurden sowohl vom Rechtsausschuss271 als auch in zweiter Lesung vom Plenum des Deutschen Bundestages272 mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen wurde das inhaltlich deutlich weitergehendere „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“ (LPartDisBG) und das „Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz – LPart268 Vgl. BT-Drucks. 14/1259, S. 9. Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Einl., Rn. 10, hält dieses Modell für eine „‚Ehe light‘, die das Leitbild der Ehe beeinträchtigen könne.“ Ebenso Rauscher (Fn. 265), Rn. 99. 269 BT-Drucks. 14/326. 270 BT-Drucks. 14/308. 271 BT-Drucks. 14/4545, S. 3. 272 Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Plenarprotokoll 14/131, S. 12630: Gegen den Entwurf des ELPSchG der Fraktion der FDP stimmten – bei Enthaltung einer CDU-Abgeordneten – die Mitglieder aller anderen Fraktionen. Der Entwurf der FDP zum Eintrittsrecht des überlebenden „Hausangehörigen“ in den Mietvertrag wurde bei Enthaltung der CDU/CSU von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt. Auch der ähnlich gelagerte Gesetzentwurf der PDS fand keine Mehrheit: Gegen ihn stimmten SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, die FDP enthielt sich.

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1. Kap.: Thematische Einführung

GErgG)“ beschlossen. Auf beide Gesetze wird im folgenden Abschnitt IV. näher eingegangen. Die Fraktion der FDP brachte am 11. Februar 2004 erneut eine Gesetzesvorlage zur Lebenspartnerschaft in den Deutschen Bundestag ein.273 Dieser ging in seiner Intention, die Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts der Ehe anzunähern, nicht nur über die bisher von der FDP vorgelegten Entwürfe, sondern auch über das verabschiedete LPartDisBG deutlich hinaus. Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes (Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz – LPartGErgG)“274 sollten „alle wesentlichen Bereiche“ geregelt werden, „die das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht erfasst und die zum Abbau von Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Paaren zwingend erforderlich sind.“275 Es gäbe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 zum LPartDisBG „rechtlich keinen Grund, gleichgeschlechtlichen Paaren wesentliche Rechte, die Ehepartnern gewährt werden, zu versagen.“276 Der Entwurf sah – wie schon der LPartG-E – die Begründung der Lebenspartnerschaft gegenüber dem Standesbeamten und die Einführung eines Lebenspartnerschaftsbuches vor. Sowohl die gemeinsame Adoption eines Kindes durch beide Lebenspartner als auch die Stiefkindadoption durch einen der Lebenspartner sollte ermöglicht worden. Nach dem Entwurf wäre die Lebenspartnerschaft auch im Beamten- und Ausländerrecht sowie bei einigen Leistungsgesetzen der Ehe gleichgestellt worden.277 Die Gleichbehandlung von Ehe- und Lebenspartnern hätte auch das Grunderwerbsteuergesetz und das ErbStG betroffen. Im Einkommensteuerrecht war die Einführung eines fiktionalen Unterhaltssplittings für Lebenspartner und die Gleichbehandlung bei den übrigen ehebezogenen Freibeträgen vorgesehen. Das Gesetz hätte der Zustimmung durch den Bundesrat bedurft, weil die Regelung der Zuständigkeit des Standesbeamten ein Verwaltungsverfahren i. S. v. Art. 84 I GG278 betrifft und auch die vorgeschlagenen Änderungen der beamten-, steuer- und sozialrechtlichen Normen selbst zustimmungspflichtig sind.279 273

BT-Drucks. 15/2477. Zur besseren Unterscheidung dieses Entwurfs von dem gleichnamigen, vom Bundestag aber verabschiedeten LPartGErgG wird hier die Abkürzung LPartGErgG/ FDP verwandt. 275 So die Begründung des Entwurfs, BT-Drucks. 15/2477, S. 1. 276 BT-Drucks. 15/2477, S. 15. 277 Zu letzteren zählten etwa Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, BaföG, BSHG, Unterhaltsvorschussgesetz und das WohnGG. 278 Die bis zum 31. August 2006 geltende Fassung des Art. 84 I GG lautete: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.“ 279 Vgl. BT-Drucks. 15/2477, S. 16. 274

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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Nachdem die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem „Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“ (LPartÜG) im gleichen Jahr ebenfalls einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hatten, lehnte der Rechtsausschuss den Entwurf der FDP gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen ebenso ab280 wie auch in zweiter Lesung das Plenum des Bundestages.281 In der 16. Legislaturperiode brachte am 1. Februar 2006 die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag mit dem aussagekräftigen Titel „Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vollenden“ in den Deutschen Bundestag ein.282 Danach soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, „kurzfristig ein Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsrechts vorzulegen, der die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe vollendet.“ Der Antrag sieht vor, insbesondere die Privilegierungen der Ehe in den Bereichen des Steuer- und des Beamtenrechts auch auf Lebenspartner auszudehnen. Lebenspartner sollen in allen Bundesländern ihre Lebenspartnerschaft vor dem Standesbeamten begründen können. Ihnen soll außerdem die gemeinschaftliche Adoption ermöglicht werden. Im gleichen Jahr folgte der von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Entwurf eines „Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetzes“, der den Antragsinhalt normativ umsetzte.283 Eine Woche nach dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen brachte die Fraktion der FDP einen Antrag mit dem Titel „Gleiche Rechte gleiche Pflichten – Benachteiligung von Lebenspartnerschaften abbauen“ in den Bundestag ein.284 Die Intention beider Anträge ist ähnlich: Zwar wird nicht unmittelbar eine vollständige Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft gefordert, sondern nur die Vorlage eines Gesetzesentwurfs, der das „Verhältnis von Rechten und Pflichten“ bei der Lebenspartnerschaft „ausgewogen“ gestalten soll. Aus der ausführlichen Darstellung der vermeintlich ungerechtfertigten Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wird allerdings deutlich, dass faktisch eine Gleichbehandlung von Ehepaaren und Lebenspartnern beabsichtigt ist. Für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht existiert ein entsprechender Gesetzentwurf der FDP, in dem die ehegattenbezogenen Regelungen auf Lebenspartner ausgedehnt werden.285 280

BT-Drucks. 15/4052, S. 2 f. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Plenarprotokoll 14/136, S. 12491. 282 BT-Drucks. 16/497. 283 BT-Drucks. 16/3423. 284 BT-Drucks. 16/565. 285 BT-Drucks. 16/2087. 281

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1. Kap.: Thematische Einführung

Über die Anträge und Gesetzentwürfe der Fraktionen der FDP und des Bündnis 90/Die Grünen hat der Bundestag noch nicht abschließend entschieden, Angesichts der Zustimmungsbedürftigkeit der Gesetzgebungsmaterie durch den Bundesrat ist das Inkrafttreten der entsprechenden Gesetze aber eher unwahrscheinlich.

IV. Gesetzgebungsverfahren und inhaltlicher Überblick über das LPartDisBG und LPartGErgG sowie das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Sowohl das LPartDisBG als auch das LPartGErgG gingen aus dem von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 4. Juli 2000 in den Deutschen Bundestag eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ hervor.286 Mit diesem Gesetzentwurf sollte ein Rechtsinstitut ausschließlich für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit der Bezeichnung „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ konstituiert werden. In der Begründung des Entwurfs wird die gesetzlich normierte gegenseitige Unterhaltsverpflichtung als Ausprägung der gegenseitigen „Fürsorge, Unterstützung und Verantwortung“ hervorgehoben. Der Entwurf sehe „zugleich Folgeregelungen vor, die im Hinblick auf die vorgeschlagene neue familienrechtliche Rechtsstellung der Lebenspartner in anderen Rechtsgebieten erforderlich werden, insbesondere im Sozial-, Steuer-, Beamten- und Ausländerrecht.“287 Der als Artikelgesetz abgefasste LPartG-E kann in zwei wesentliche Regelungsschwerpunkte unterteilt werden: der Konstituierung der Lebenspartnerschaft und deren Implementierung in bisher ausschließlich ehebezogene Vorschriften. In Art. 1 wurde das „Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ normiert, das Bestimmungen zur Begründung, den Rechtswirkungen und der Aufhebung des neuen Rechtsinstituts enthielt. Außerdem wurden dort die Rechtsfolgen beim Getrenntleben der Lebenspartner geregelt. Art. 2 enthielt verschiedene Änderungen des BGB, in Art. 3 waren Änderungen von 112 weiteren Gesetzen und Verordnungen vorgesehen. Die Artt. 4 und 5 enthielten Schlussbestimmungen zur Änderungsermächtigung von durch den LPartG-E modifizierten Verordnungen und zum Inkrafttreten des Gesetzes. Die wichtigsten Regelungen des Gesetzentwurfs betrafen Voraussetzungen und Rechtswirkungen, die unmittelbar mit der Eingetragenen Lebenspartner286 BT-Drucks. 14/3751. Im Folgenden wird hier für diesen Gesetzentwurf die Abkürzung LPartG-E verwandt. 287 BT-Drucks. 14/3751, S. 1.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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schaft einhergehen sollten. Die Lebenspartnerschaft sollte danach von zwei Personen gleichen Geschlechts vor dem Standesbeamten begründet werden (Art. 1 § 1 LPartG-E). Die Verpflichtung zur gegenseitigen Fürsorge und Unterstützung und die Statuierung einer Verantwortungsgemeinschaft (§ 2) wurden ebenso geregelt wie die Verpflichtung zum gegenseitigen Unterhalt (§ 5). § 3 sah für die Lebenspartner die Möglichkeit vor, einen gemeinsamen Namen zu wählen. Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Einordnung der Lebenspartnerschaft sollten die Lebenspartner nach § 6 I vor Begründung der Lebenspartnerschaft eine Erklärung abgeben. Sie hätten dort entweder mitteilen können, dass zwischen ihnen eine Ausgleichsgemeinschaft gemäß § 6 II vereinbart worden war, oder sie hätten alternativ eine eigenständige Regelung in einem notariell beurkundeten Lebenspartnerschaftsvertrag treffen und eine Ausfertigung dem Standesbeamten überreichen müssen. Dem Lebenspartner eines Elternteils wurde gemäß § 9 ein sorgerechtliches Mitentscheidungsrecht über Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes und ein Notsorgerecht eingeräumt. Ein Adoptionsrecht bestand nach dem Entwurf dagegen nicht. § 10 statuierte ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht für den überlebenden Lebenspartner, § 11 den Status als Familienangehöriger des Lebenspartners und Schwager seiner Verwandten. §§ 12–14 regelten die Unterhaltsverpflichtung, Hausratsverteilung und Wohnungszuweisung beim Getrenntleben der Lebenspartner. In den §§ 15–19 wurden Bestimmungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft einschließlich der grundsätzlichen Verpflichtung zu nachpartnerschaftlichem Unterhalt getroffen. Die wichtigste Änderung des BGB in Art. 2 LPartG-E enthielt ein Eintrittsrecht des überlebenden Lebenspartners in den Mietvertrag. Die in Art. 3 vorgesehenen Änderungen einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen betraf – mit Ausnahme des Adoptionsrechts – alle Regelungsbereiche, in denen bisher die Ehe berücksichtigt worden war. Dort sollte die Lebenspartnerschaft mit der Ehe entweder gleichgestellt oder – etwa beim Ehegattensplitting – ihr zumindest angenährt werden. Die in der rechtswissenschaftlichen Diskussion am Gesetzesvorhaben geübte Kritik288 tangierte drei Bereiche: Erstens wurde die rechtspolitische Notwendigkeit einer solcherart umfassenden Annäherung zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe in Zweifel gezogen. Der Umfang dieser Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in die bisher nur der Ehe vorbehaltenen Regelungsbereiche lässt tatsächlich zumindest Skepsis hinsichtlich der Folgerichtigkeit der oben dargelegten Begründung für diese Änderungen aufkommen, die sich auf die mit der 288 Auf die diesbezüglichen Stimmen der Literatur wird detailliert im 4. Kapitel dieser Untersuchung im Rahmen der Darstellung der einzelnen Rechtsbereiche des Lebenspartnerschaftsrechts eingegangen.

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1. Kap.: Thematische Einführung

Konstituierung der Lebenspartnerschaft vermeintlich „erforderlichen“ Folgeregelungen stützte. Die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften macht es jedenfalls nicht rechtspolitisch zwingend erforderlich, mit Ausnahme des Adoptionsrechts alle eherelevanten Bereiche in ähnlicher Weise zu regeln. Das gilt auch dann, wenn man die rhetorisch geschickt gewählte Formulierung des rechtspolitischen Ziels der „Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften“ berücksichtigt. Die gleichheitsrechtliche Grundlage dieser Diskriminierungsformel beinhaltet nämlich ein Perspektivenwechsel: Es wird nicht mehr akzeptiert, dass die Rechtsordnung unter den verschiedenen gemeinsamen Lebensformen Erwachsener gerade die Ehe privilegiert; vielmehr wird umgekehrt diese Privilegierung als zumindest teilweise gesetzliche Benachteiligung („Diskriminierung“) von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gedeutet und damit eine Beteiligung an den bisher exklusiv ehebezogenen Regelungen intendiert, um nach diesem Verständnis die Diskriminierung zu beenden oder sie zumindest abzubauen. Zweitens ist der Hintergrund dieser rechtspolitischen Diskussion letztlich ein Dissens hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Stellung der Ehe. Hält man die Ehe nur für verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften zugänglich und darüber hinaus für ein Rechtsinstitut, dessen verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 6 I GG eine im Vergleich zu anderen Lebensgemeinschaften exklusive Stellung in der Rechtsordnung induziert, dann verletzt eine vollständige Gleichstellung die Grenzen des legislativen Gestaltungsspielraums. In diesem Sinne haben eine Reihe von rechtswissenschaftlichen Stimmen den LPartG-E für verfassungswidrig gehalten, weil dort nach ihrer Ansicht die Eingetragene Lebenspartnerschaft zu stark der Regelungsstruktur der Ehe angenährt ist. Schließlich sind drittens auch auf einfachgesetzlicher Ebene sowohl die Regelungstechnik als auch der -inhalt einer Reihe von im LPartG-E vorgesehenen Normen kritisiert worden. Ersteres betrifft etwa die irritierende doppelte Bezeichnung des Gesamtgesetzes und seines Art. 1 als „Lebenspartnerschaftsgesetz“ oder die Verwendung vom Eherecht abweichender Begriffe für den gleichen Inhalt.289 Hinsichtlich des Regelungsinhalts lautet der Hauptvorwurf, dass wesentliche Bestimmungen des Lebenspartnerschaftsrechts zwar regelmäßig den entsprechenden eherechtlichen Normen ähnlich seien, etwaige Regelungsunterschiede aber oftmals wenig sachgerecht und deshalb willkürlich sowie kaum nachvollziehbar seien. Bei der Beratung des LPartG-E, des FDP-Entwurfs des ELPSchG und der Gesetzesentwürfe von FDP und PDS zur Einbeziehung des gleichge289 Beispielsweise die Bezeichnung „Ausgleichsgemeinschaft“ bei der Lebenspartnerschaft für den Begriff der „Zugewinngemeinschaft“ bei der Ehe.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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schlechtlichen Lebensgefährten des Mieters in den Mietvertrag im Todesfall zeichnete sich im Rechtsausschuss des Bundestages ab, dass die Fraktion von CDU/CSU die vorliegenden Gesetzesentwürfe ablehnen würde.290 Zwar besaßen CDU und CSU weder dort noch im Plenum eine Mehrheit und hätten eine Verabschiedung der Gesetze nicht verhindern können. Es lag jedoch nahe, dass bei gleich bleibender Haltung dieser Parteien diejenigen Bundesländer, an deren Regierungen sie zu damaliger Zeit beteiligt waren, dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen würden. Wegen der Zustimmungspflichtigkeit von Teilen des LPartG-E hätte dann das gesamte Gesetz nicht in Kraft treten können, weil diese Länder die Mehrheit im Bundesrat stellten. Der Rechtsausschuss empfahl deshalb mehrheitlich mit den Stimmen seiner Mitglieder aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Regelungsmaterie des LPartG-E in zwei selbständige Gesetze zu teilen: das LPartGDisBG und das LPartGErgG.291 Ersteres sollte die Bestimmungen des LPartG-E enthalten, die für ihr Inkrafttreten nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurften, letzteres alle übrigen Rechtsnormen.292 Die ursprüngliche Gliederung des LPartG-E wurde auch für das LPartDisBG beibehalten. Die kritisierte Doppelbezeichnung des Gesamtgesetzes und des Art. 1 LPartG-E als „Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG“ wurde aufgegeben und nunmehr nur noch der das neue Rechtsinstitut unmittelbar betreffende Art. 1 als „Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG“ bezeichnet. Die in Art. 1 enthaltenen Regelungen des LPartG-E wurden mit einigen Ausnahmen im Wesentlichen unverändert als Art. 1 des LPartDisBG übernommen. Allerdings wurden in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses fast alle Hinweise auf den Standesbeamten entfernt und durch die Bezeichnung „zuständige Behörde“ ersetzt.293 Eine Nr. 4 wurde in § 1 IV ergänzend eingefügt, nach der eine Lebenspartnerschaft nicht wirksam be290

Vgl. zum ablehnenden Abstimmungsverhalten der Fraktion von CDU/CSU den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4550, S. 2 ff., sowie die Rede des rechtspolitischen Sprechers der Fraktion, Norbert Geis MdB, im Plenum anlässlich der zweiten Lesung der Gesetzentwürfe, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Plenarprotokoll 14/131, S. 12612 ff. 291 BT-Drucks. 14/4545, Anlage 1 (LPartDisBG) und Anlage 2 (LPartGErgG). 292 Zur Verfassungsmäßigkeit einer solchen Aufspaltung der Regelungsmaterie ausführlich unten 4. Kapitel A., S. 419 ff. 293 Einzige Ausnahme bleibt die Übernahme der auf den Standesbeamten verweisenden Normen des Art. 1 § 3 III, IV LPartG-E als Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG durch den Rechtsausschuss. Diese Bestimmungen sind auch bis zur Schlussabstimmung im Plenum des Bundestages nicht mehr modifiziert worden. Schließlich wurden die entsprechenden Verweise auf den Standesbeamten erst im Berichtigungsverfahren entfernt. Zur verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme unten 4. Kapitel A. II., S. 434 ff.

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1. Kap.: Thematische Einführung

gründet werden kann, wenn die Lebenspartner bei ihrer Begründung einig sind, keine Verpflichtungen zur Lebensgemeinschaft eingehen zu wollen. In § 2 wurde zusätzlich eine Verpflichtung zur „gemeinsamen Lebensgestaltung“ normiert, in § 6 III die Vermögenstrennung für den Fall der Unwirksamkeit der Erklärung über den Vermögensstand eingefügt. § 10 I 3 sichert dem überlebenden Lebenspartner bei gleicher gesetzlicher Erbberechtigung neben Verwandten erster Ordnung die zum lebenspartnerschaftlichen Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Geschenke zur Begründung der Lebenspartnerschaft als Voraus nur zu, soweit er ihn zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. § 10 VI 2 wurde insofern ergänzt, als die Vorschriften des BGB über den Pflichtteil mit der Maßgabe entsprechend gelten, dass der Lebenspartner wie ein Ehegatte zu behandeln ist. Es wurde in § 15 IV klargestellt, dass Erklärungen der Lebenspartner nach § 15 II Nr. 1 und 2, III LPartG zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft nur persönlich und nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden dürfen. Zum nachpartnerschaftlichen Unterhalt wurde in § 16 III eine Rangordnung der Unterhaltsansprüche eingefügt. Auch der die Änderungen des BGB enthaltene Art. 2 blieb im Rahmen des LPartDisBG fast unverändert. Die einzige relevante Änderung betraf die Einführung eines neuen Herausgabeanspruchs des Schenkers gegen den Beschenkten nach § 528 I 1 BGB n. F., wenn der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und seine gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen. In diesem Falle sollte er die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verlangen können. Außerdem wurde eine haftungsrechtliche Gleichbehandlung des Lebenspartners des Bedürftigen mit einem Ehegatten in § 1608 S. 4 BGB eingefügt. In Art. 3 LPartDisBG wurden nunmehr nur die Gesetze aufgenommen, deren Ergänzung der Bundesrat nicht zustimmen musste. Umgekehrt wurden Gesetze, die zustimmungspflichtige Rechtsgebiete berührten, aus dem Art. 3 ausgegliedert und Bestandteil des LPartGErgG: Dies galt insbesondere für das gesamte Ausländer- und Asylrecht, das Beamtenrecht, das Gewerberecht, das Steuerrecht, einige Leistungsgesetze zur Ausbildungsförderung sowie für verschiedene Ausbildungs- und Prüfungsordnungen. In das LPartGErgG wurden außerdem auch einzelne sozialversicherungsrechtliche Normen integriert.294 Beide Gesetze wurden mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Rechtsausschuss295 und in zweiter und dritter 294 295

Vgl. im Einzelnen BT-Drucks. 14/4545, Anlage 2, S. 69 ff. BT-Drucks. 14/4545, S. 3.

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

113

Lesung auch im Plenum des Deutschen Bundestages296 beschlossen. Das LPartDisBG wurde, nachdem der Bundesrat in seiner 757. Sitzung am 1. Dezember 2000 den Vermittlungsausschuss nicht angerufen und auch die Zustimmungsbedürftigkeit dieses Gesetzes nicht festgestellt hatte,297 vom Bundespräsidenten am 16. Februar 2001 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.298 Es trat zum 1. August 2001 in Kraft. Dem LPartGErgG stimmte der Bundesrat dagegen erwartungsgemäß nicht zu.299 Daraufhin wurde von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 5. Dezember 2000 beantragt, dass der Bundestag beschließen solle, dass dazu die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt werde.300 Das anschließende Vermittlungsverfahren wurde in der 14. Legislaturperiode nicht mehr beendet. Zum Zeitpunkt der Konstituierung der Lebenspartnerschaft wurden mithin nur die im LPartDisBG enthaltenen Bestimmungen zu normativen Bestandteilen der Rechtsordnung. Am 29. Juni 2004 brachten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine neue Gesetzesvorlage zur Modifikation der Rechte- und Pflichtenstruktur der Lebenspartnerschaft in den Deutschen Bundestag ein.301 Der „Entwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“ enthielt vier Regelungsschwerpunkte, deren normativer Gestaltung – ebenso wie der zuvor eingebrachte Entwurf des LPartGErgG/FDP – die Intention der Gleichstellung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft zugrunde lag. Das wird aus den Ausführungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum „Problem und Ziel“ im Rahmen des Entwurfs deutlich: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 (BVerfGE 105, 313) die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Künstliche Unterscheidungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft sollen beseitigt werden.“302 Erstens sollten die güter- und unterhaltsrechtlichen Regelungen sowie die Bestimmungen über die Voraussetzungen einer Aufhebung der Lebenspart296 Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Plenarprotokoll 14/131, S. 12629 f. Gegen das LPartDisBG und LPartGErgG stimmten die Fraktionen von CDU/CSU und FDP sowie einige Abgeordnete der PDS bei mehrheitlicher Enthaltung der PDS-Fraktion und eines Abgeordneten der FDP. 297 Siehe Verhandlungen des Bundesrates 2000, Stenographische Berichte, 757. Sitzung, S. 551. 298 BGBl. I, S. 266. 299 Verhandlungen des Bundesrates 2000, Stenographische Berichte, 757. Sitzung, S. 551, sowie BT-Drucks. 14/4875. 300 BT-Drucks. 14/4878. 301 BT-Drucks. 15/3445. 302 BT-Drucks. 15/3445, S. 1.

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1. Kap.: Thematische Einführung

nerschaft den vergleichbaren Normen des Eherechts nahezu vollständig angeglichen werden. Dazu gehörte auch die Einführung eines Versorgungsausgleichs für Lebenspartner. Außerdem sollten gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Zugang zum Verlöbnis erhalten. Zweitens sollte mit dem Gesetzentwurf die Stiefkindadoption durch einen Lebenspartner ermöglicht werden; die gemeinsame Adoption eines Kindes durch beide Lebenspartner blieb dagegen ausgeschlossen. Drittens sah der Entwurf auch die Gleichstellung der Lebenspartner mit Ehepartnern in der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Lebenspartnern wurde im SGB VI ein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente eingeräumt und die Möglichkeit des Rentensplittings eröffnet. In die Witwen und Witwern nach dem Bundesversorgungsgesetz zustehenden Ansprüche sollten ebenfalls hinterbliebene Lebenspartner einbezogen werden. Viertens sah der Art. 5 des Entwurfs die Änderung von weiteren 36 Gesetzen und Verordnungen vor. Diese Änderungen waren überwiegend Folgeregelungen der geplanten Einbeziehung der Lebenspartner in die Regelungssystematik hinterbliebenenrechtlicher Ansprüche oder der Einführung des Versorgungsausgleichs für Lebenspartner und des Verlöbnisses für gleichgeschlechtliche Paare. Teilweise betrafen sie aber auch einige beamtenrechtliche Gesetze und bestimmte Berufsordnungen, in denen die Lebenspartner den Ehegatten gleichgestellt wurden. Durch die vorgeschlagenen Änderungen waren die Länder nicht betroffen. Der Gesetzentwurf bedurfte im Gegensatz zum von der Fraktion der FDP vorgelegten Entwurf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Der Rechtsausschuss sprach sich am 27. Oktober 2004 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die CDU/CSU für die Annahme des modifizierten Gesetzentwurfs von SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus.303 Dieser Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen wurde am 29. Oktober 2004 vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion beschlossen.304 Im Bundesrat fand sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des beschlossenen „Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“ (LPartÜG) keine Mehrheit.305 Das Gesetz wurde am 15. Dezember vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.306

303

BT-Drucks. 15/4052, S. 2 f. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Plenarprotokoll 14/136, S. 12491. 305 Verhandlungen des Bundesrates 2004, Stenographische Berichte, 806. Sitzung, S. 602. 306 BGBl. 2004 I, S. 3396. 304

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

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V. Das abstrakte Normenkontrollverfahren und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich des LPartDisBG vor dem Bundesverfassungsgericht Die Sächsische Staatsregierung, die Regierung des Freistaates Thüringen und die Bayerische Staatsregierung beantragten nach der Verabschiedung des LPartDisBG durch den Bundestag beim Bundesverfassungsgericht, dieses Gesetz im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens nach Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Sie machten dabei sowohl formelle als auch materielle Verfassungsverstöße geltend.307 Das Gesetz sei zum einen schon verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Trennung des ursprünglichen Gesetzesvorhabens in jeweils ein zustimmungspflichtiges und ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz sei rechtsmissbräuchlich, weil Bestimmungen im LPartDisBG entweder ohne die entsprechenden Regelungen des LPartGErgG nicht vollziehbar seien oder eine materielle Sinneinheit mit diesen bildeten. Beispielhaft wurde die Statuierung einer Unterhaltsverpflichtung ohne eine gleichzeitige steuerrechtliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen und die im LPartDisBG fehlende Konkretisierung der Behördenzuständigkeit bei der Begründung der Lebenspartnerschaft angeführt. Daraus folge die Zustimmungsbedürftigkeit dieser Bestimmungen des LPartDisBG. Diese ergebe sich ferner aus dem Umstand, dass der in Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG enthaltene Verweis auf den Standesbeamten nicht im Berichtigungsverfahren vor der Ausfertigung und Verkündigung des Gesetzes hätte korrigiert werden dürfen. Materiell rügten die Antragssteller zum anderen primär die Verletzung des in Art. 6 I GG normierten besonderen Schutzes der Ehe durch die Konstituierung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die Rechte- und Pflichtenstruktur der Lebenspartnerschaft und der Ehe ähnelten sich in vielen Rechtsbereichen. Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe ergäbe sich aber ein den Gesetzgeber verpflichtendes Gebot, die privilegierte Rechtsstellung der Ehe zu wahren. Daraus folge ein Verbot, anderen Rechtsformen die gleiche oder eine ähnliche Stellung wie der Ehe einzuräumen. Die Einführung eines Sorgerechts in Angelegenheiten des täglichen Lebens für den Lebenspartner greife in verfassungswidriger Weise in das Elternrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils nach Art. 6 II 1 GG ein. Überdies verstoße die Einräumung eines gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für Lebenspartner gegen die in Art. 14 I GG geschützte Erbrechts307

Vgl. dazu BVerfGE 105, 313 (318 ff.).

116

1. Kap.: Thematische Einführung

garantie. Schließlich sei der Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verletzt, weil die Eingetragene Lebenspartnerschaft nur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und nicht auch anderen verschiedengeschlechtlichen Verantwortungsgemeinschaften wie etwa Geschwistern oder anderen Verwandten offen stehe. Die Bayerische und die Sächsische Staatsregierung beantragten beim Bundesverfassungsgericht darüber hinaus auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG. Ihr Begehren ging dahin, das LPartDisBG bis zur Entscheidung über die Normenkontrollanträge nicht in Kraft treten zu lassen, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Die mit dem Gesetz einhergehende grundlegende Umgestaltung des Familienrechts sei so schwerwiegend, dass sie auch nicht für einen begrenzten Zeitraum Bestand haben dürfe, um bei einem positiven Ausgang des Normenkontrollverfahrens wieder rückgängig gemacht zu werden. Weder sei es vor einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes den einzelnen Ländern zuzumuten, gesetzlich eine konkrete Behörde für die Begründung der Lebenspartnerschaft festzulegen, noch bestünde dazu für sie eine Gesetzgebungskompetenz. Schließlich entstünden Rechtsunsicherheiten für Lebenspartner und betroffene Dritte, wenn das Gesetz zunächst in Kraft trete, später aber vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werde. Dem stünde kein gleich wichtiges öffentliches oder privates Interesse am sofortigen Inkrafttreten des LPartDisBG gegenüber.308 Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Urteil vom 18. Juli 2001 mit fünf zu drei Stimmen abgelehnt. Alle Mitglieder des Senats hielten die Normenkontrollanträge für zulässig und nicht offensichtlich unbegründet.309 Bei offenem Ausgang des dem einstweiligen Rechtsschutz zugrunde liegenden Verfahrens wird eine Abwägung zwischen den Folgen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren später aber erfolgreich wäre, und den Folgen bei Erlass der einstweiligen Anordnung, aber späterer Unbegründetheit des Hauptsacheverfahrens vorgenommen.310 An die Folgenabwägung ist wegen des Prinzips der Gewal308

Siehe auch BVerfGE 104, 51 (52 ff.). BVerfGE 104, 51 (56, 61). 310 BVerfGE 3, 41 (44), st. Rspr.; aus der neueren Rechtsprechung: 80, 74 (79); 80, 360 (364); 81, 53 (54 f.); 82, 310 (313); 82, 353 (363); 85, 94 (95 f.); 85, 167 (171 f.); 86, 390 (395); 88, 169 (172); 88, 173 (179 f.); 91, 70 (75); 91, 320 (326); 91, 328 (332); 92, 126 (129 f.); 93, 181 (186 f.); 94, 334 (347); 98, 139 (144); 99, 57 (66); 104, 23 (28); 104, 51 (55); 106, 51 (60 f.); 106, 253 (261); 108, 34 (42); 108, 45 (49); 108, 238 (246). Aus der Literatur: Sodan/Ziekow (Fn. 167), § 57 Rn. 15; Jörg Berkemann, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens/Franz-Wilhelm Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., 2005, § 32 Rn. 241 ff.; Karin 309

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

117

tenteilung ein besonders strenger Maßstab anzulegen, wenn die einstweilige Anordnung darauf gerichtet sein soll, ein förmliches Gesetz außer Vollzug zu setzen.311 Die Senatsmehrheit ging bei der im Zusammenhang mit dem LPartDisBG vorgenommenen Abwägung davon aus, dass die Folgen bei einem Inkrafttreten und der etwaigen späteren Aufhebung des LPartDisBG nicht so nachteilig seien wie beim Erlass der einstweiligen Anordnung und der späteren verfassungsgerichtlichen Feststellung, dass das Gesetz verfassungskonform sei:312 Das Gesetz sei vollziehbar, weil die Länder in diesem Fall die Gesetzgebungskompetenz zur gesetzlichen Statuierung einer Behörde zur Begründung der Lebenspartnerschaft besäßen und eine länderdifferenzierte Behördenzuordnung in der Praxis nicht zu einer mangelnden Publizität des neuen Rechtsinstituts führen werde. Im Falle der Nichtigkeit des LPartDisBG nach seinem Inkrafttreten könnten darüber hinaus die Rechtsfolgen zwischen den Lebenspartnern und Dritten rückabgewickelt werden, soweit dies tatsächlich möglich sei. Die hierbei entstehenden Schwierigkeiten seien nicht größer als in anderen Fällen der Überprüfung von Gesetzen durch ein abstraktes Normenkontrollverfahren. Die Nachteile, die dadurch entstünden, dass bestimmte Rechtsfolgen für Lebenspartner – wie beim Erbrecht, der Einbürgerung und dem Zeugnisverweigerungsrecht – irreversibel wären, seien jedenfalls nicht schwerwiegender als die Nachteile, die Lebenspartner in Kauf nehmen müssten, wenn ihnen diese Rechte zunächst verwehrt würden, bei erfolglosem Normenkontrollverfahren aber später gewährt werden müssten. Die Nachteile bei Erlass einer einstweiligen Anordnung würden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Gesetzes eindeutig überwiegen, weil die Lebenspartner alle Rechte, die ihnen der Gesetzgeber ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens zuerkennen wolle, bis zur Entscheidung über die Normenkontrollanträge unwiderruflich verlören. Dieser mögliche Rechtsverlust sei umso bedeutender, als der Gesetzgeber Personen erstmals Rechte zuerkenne, die ihnen zu einer besseren Entfaltung ihrer Persönlichkeit verhelfen und die zum Abbau langdauernder Diskriminierungen führen sollten.313 Graßhof, in: Theodor Maunz/Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein/Herbert Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 32 Rn. 91 f.; Christian von Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., 1991, § 18 Rn. 21. 311 BVerfGE 3, 41 (44), st. Rspr.; aus der neueren Rechtsprechung: 81, 53 (54); 82, 310 (313); 82, 353 (363); 83, 162 (171); 85, 167 (171); 86, 390 (395); 91, 70 (75); 91, 83 (92); 91, 252 (258); 91, 320 (326); 91, 328 (332); 93, 181 (186); 94, 334 (347 f.); 96, 120 (129); 99, 57 (66); 104, 23 (27); 104, 51 (55); 106, 351 (355); 108, 34 (41); 108, 45 (48). Aus der Literatur: Berkemann (Fn. 310), § 32 Rn. 174 ff.; Graßhof (Fn. 310), § 32 Rn. 139; v. Pestalozza (Fn. 310), § 18 Rn. 18. 312 BVerfGE 104, 51 (56 ff.).

118

1. Kap.: Thematische Einführung

Die aus dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Papier, der Richterin Haas und dem Richter Steiner bestehende Senatsminderheit hielt dagegen in ihrer abweichenden Meinung die Nachteile, die durch die Ablehnung der einstweiligen Anordnung und eine spätere Feststellung der Nichtigkeit des LPartDisBG entstehen, für „eindeutig schwerer“ wiegend als die Nachteile beim Hinausschieben des Inkrafttretens:314 Die Rechtswirkungen des Gesetzes seien für die Rechtsbeziehungen der Lebenspartner untereinander und zu Dritten so vielgestaltig,315 dass eine Rückabwicklung „mit erheblichen Schwierigkeiten und unabsehbaren Folgen für den Rechtsverkehr verbunden“ wäre. „Die Rechtssicherheit wäre hierdurch – was die Senatsmehrheit verkennt – in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt.“316 Demgegenüber fielen die durch ein Hinausschieben des Inkrafttretens entstehenden Nachteile weniger ins Gewicht, weil gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften eine Reihe der bei der Lebenspartnerschaft vorgesehenen Rechte und Pflichten auch privatautonom vereinbaren könnten und gesicherte Rechtspositionen den zukünftigen Lebenspartnern nicht entzogen würden. Am 17. Juli 2002 wurde schließlich vom Ersten Senat mit wiederum fünf gegen drei Stimmen das LPartDisBG für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.317 Der Senat stimmte darin überein, dass das LPartDisBG formell verfassungsgemäß sei.318 Es enthalte keine Regelungen des Verwaltungsverfahrens, die gemäß Art. 84 I GG der Zustimmung des Bundesrates bedürften. Die Streichung des Verweises auf den Standesbeamten in der vom Bundestag beschlossenen Fassung des Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG sei im Rahmen des Berichtigungsverfahrens vor der Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes zulässig gewesen und könne deshalb eine Zustimmungspflichtigkeit ebenfalls nicht begründen. Auch die Aufteilung der ursprünglichen Regelungsmaterie in jeweils ein zustimmungsbedürftiges und ein zustimmungsfreies Gesetz sei nicht willkürlich. Weder erlitten die Länder dadurch 313 BVerfGE 104, 51 (60). Die Senatsmehrheit übernimmt damit schon in diesem Urteil unkritisch die legislative Perspektive der „Beendigung der Diskriminierung“ durch die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. 314 BVerfGE 104, 51 (61 ff.). 315 In BVerfGE 104, 51 (62), verweist die Senatsminderheit hierbei auch auf die in Art. 3 LPartDisBG vorgesehenen Rechtsänderungen und nennt – wohl mit Sinn für subtile Ironie – unter anderem auch ausdrücklich das „Bundeskleingartengesetz, das Milch- und Margarinegesetz sowie das Fahrlehrergesetz“. 316 BVerfGE 104, 51 (62). 317 BVerfGE 105, 313. 318 BVerfGE 105, 313 (331 ff.).

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

119

einen legislativen Kompetenzverlust noch seien die isolierten Regelungen des LPartDisBG nicht vollziehbar, unverständlich oder zu unbestimmt. Die Mehrheit der Mitglieder des Ersten Senats hielt dieses Gesetz auch für materiell mit der Verfassung vereinbar.319 Den Hauptschwerpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung bildete dabei die Analyse des besonderen Schutzes der Ehe in Art. 6 I GG mit seinen drei Wirkungsebenen der Eheschließungsfreiheit, der Institutsgarantie und der objektiven Wertentscheidung. Zwar habe der Gesetzgeber die Möglichkeit und die rechtlichen Konsequenzen einer Eheschließung bei bestehender Lebenspartnerschaft nicht normativ geregelt. Diese Lücke sei deshalb insofern verfassungskonform zu schließen, als ein gleichzeitiges Bestehen von Ehe und Lebenspartnerschaft wegen des ehelichen Wesensmerkmales der „personellen Exklusivität“ ausgeschlossen sei. Ob das Bestehen einer Lebenspartnerschaft als Ehehindernis normiert werde oder alternativ die Eheschließung zur Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft ex nunc führe, sei dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überlassen.320 Auch die Institutsgarantie der Ehe sei durch die Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht tangiert, weil die verfassungsrechtlich geschützte rechtliche Grundstruktur der Ehe nach Einführung der Lebenspartnerschaft unverändert bestehen bleibe.321 Die objektive Wertentscheidung zugunsten der Ehe sei ebenfalls nicht verletzt. Aus der von der Wertentscheidung abgeleiteten staatlichen Förderverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie ergäbe sich nämlich nicht die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Ehe besser zu stellen als die Lebenspartnerschaft. Begründet wird dies mit der fehlenden institutionellen Vergleichbarkeit von Ehe und Lebenspartnerschaft. Letztere sei ein „aliud zur Ehe“, weil zu ihr nur gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Zugang fänden, denen die Ehe versperrt sei.322 Außerdem sei weder der besondere noch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt:323 Die durch Art. 3 III 1 GG geschützte Gleichheit von Mann und Frau werde durch die Lebenspartnerschaft nicht berührt, da Männer und Frauen den gleichen Zugang zu diesem Rechtsinstitut erhielten. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liege nicht vor, da zwischen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und anderen Einstandsgemeinschaften Unterschiede von solchem Gewicht bestünden, die eine Begrenzung der Lebenspartnerschaft auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften rechtfer319 320 321 322 323

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

105, 105, 105, 105, 105,

313 313 313 313 313

(342 ff.). (343 f.). (346). (346 ff.). (351 ff.).

120

1. Kap.: Thematische Einführung

tigten: Diese besäßen nämlich im Gegensatz zu verwandtschaftlichen Gemeinschaften einen „exklusiven“ Charakter, der „keine weitere Beziehung gleicher Art“ zuließe. Außerdem seien Verwandten schon bestimmte Rechte eingeräumt, die gleichgeschlechtliche Lebensverbindungen erst durch die Lebenspartnerschaft erhielten. Das lebenspartnerschaftliche Sorgerecht in Angelegenheiten des täglichen Lebens verletze nicht das Elternrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils aus Art. 6 II 1 GG:324 Die isolierte Zuweisung des Sorgerechts an eine dritte Person könne sein Elternrecht nämlich nicht mehr verletzen, wenn ihm zuvor schon in rechtmäßiger Weise kein Sorgerecht zugeordnet worden war. Schließlich verstoße der Gesetzgeber mit der Konstituierung eines gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechtes für Lebenspartner nicht gegen Art. 14 I 1 GG:325 Die Testierfreiheit des verstorbenen Lebenspartners sei nicht berührt, weil ein als umfassende Verantwortungsgemeinschaft konstituiertes Rechtsinstitut wie die Lebenspartnerschaft auch die normative Statuierung erbrechtlicher Rechtsfolgen für ihre Mitglieder innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums beinhalten könne. Auch das Erbrecht etwaiger sonstiger Erbberechtigter werde nicht tangiert, weil ein zusätzlich normiertes gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht allenfalls die Höhe des Erbes beeinflusse. Diese sei durch Art. 14 I 1 GG aber nicht verfassungsrechtlich geschützt. Dagegen hielten die Richter Haas, Papier und Steiner das LPartDisBG entgegen der Senatsmehrheit für unvereinbar mit Art. 6 I GG. Für Papier ergibt sich aus der Institutsgarantie der Ehe der verfassungsrechtliche Schutz ihrer wesentlichen Strukturmerkmale, zu denen auch die Verschiedengeschlechtlichkeit gehöre. „Schafft der Gesetzgeber, wenn auch unter anderem Namen, eine rechtsförmlich ausgestaltete Partnerschaft zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Personen, die im Übrigen in Rechten und Pflichten der Ehe entspricht, so missachtet er hierdurch ein wesentliches, ihm durch Art. 6 Abs. 1 GG vorgegebenes Strukturprinzip.“326 Eine dazu inhaltlich kongruente Argumentation verwendet auch Haas in ihrer abweichenden Meinung.327 Sie ist darüber hinaus der Auffassung, dass der Ausschluss des Zugangs zum Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft für Geschwister und Verwandte gerader Linie gegen Art. 3 I GG verstieße, weil etwaige Unterschiede, die dieser rechtlichen Differenzierung zwischen ihnen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zugrunde liegen 324 325 326 327

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

105, 105, 105, 105,

313 313 313 313

(353 f.). (355 f.). (358). (360 ff.).

E. Aktuelle Rechtslage in Deutschland

121

könnten, nicht erkennbar seien.328 Zum einen sei die verfassungsrechtliche Ableitung und Verankerung des von der Senatsmehrheit postulierten Exklusivitätsgrundsatzes gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften unklar. Zum anderen sei der Hinweis auf die schon jetzt für Geschwister und Verwandte gesetzlich eingeräumten rechtlichen Möglichkeiten als Begründung für vermeintliche Gleichstellung von Lebenspartnern ungenau, weil diese Rechte deutlich weniger umfassend ausgestaltet seien als die den Lebenspartnern nach dem LPartDisBG zustehenden.

328

Vgl. BVerfGE 105, 313 (363 ff.).

2. Kapitel

Verfassungskonformität einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? Verfassungspolitisches Ziel der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft war nach Auffassung der Mehrheit des Deutschen Bundestages der Abbau der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sei es notwendig, ein eigenes familienrechtliches Institut zu konstituieren, das einen gesicherten Rechtsrahmen für das auf Dauer angelegte Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare unter Einbeziehung ihrer gleichgeschlechtlichen Identität biete.1 Dabei wird in der Begründung des LPartG-E darauf hingewiesen, dass sich das neue Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Ehe unterscheide, weil nur letztere unter dem Schutz des Art. 6 GG stehe. Verfassungsdogmatischer Hintergrund dieser Auffassung ist die Beschränkung des Zugangs der Ehe ausschließlich auf verschiedengeschlechtliche Personenverbindungen. Die Ehe böte damit keinen rechtlichen Rahmen für gleichgeschlechtliche Paare. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auslegung der Ehe in einer Kammerentscheidung vom 4. Oktober 1993 bestätigt, dabei aber offen gelassen, ob der Gesetzgeber wegen Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG und Art. 3 I GG verpflichtet sei, gleichgeschlechtlichen Paaren eine rechtliche Absicherung zur Verfügung stellen.2 Die Einführung eines neuen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare wäre allerdings nach den verfassungspolitischen Prämissen der Intention der Mehrheit des Bundestages dann überflüssig, wenn – entgegen der Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts – die Öffnung des Rechtsinstituts der Ehe für solche Paare verfassungskonform wäre. Voraussetzung einer verfassungsrechtlichen Prüfung der rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher Paare ist daher zunächst die eingehende Darstellung des Strukturmerkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe.

1

So die Begründung des LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 1, und der Mehrheit des Rechtsausschusses in ihrem Bericht zum Gesetzesvorhaben, BT-Drucks. 14/4550, S. 3. 2 BVerfG, NJW 1993, S. 3058 (3058 f.).

A. Einfachgesetzliche Rechtslage

123

A. Einfachgesetzliche Rechtslage Das einfachgesetzliche Recht trifft unmittelbar keine Aussage zu der Frage, ob die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften offen steht. Verschiedene einfachgesetzliche Regelungen weisen allerdings darauf hin, dass der Gesetzgeber die Ehe als ein nur Mann und Frau offenstehendes Rechtsinstitut versteht. Aus seinem Schweigen bezüglich einer darüber hinausgehenden Erweiterung auf gleichgeschlechtliche Personenverbindungen kann man schließen, dass er diese erweiternde Auslegung gerade nicht teilt (argumentum e silentio). So wird hinsichtlich der ehelichen Namensgestaltung in § 1355 II BGB normiert, dass zum Ehenamen der Geburtsname des Mannes oder der Frau bestimmt werden kann. In § 1362 I 1 BGB wird zugunsten der Gläubiger des Mannes oder der Frau vermutet, dass die sich im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. § 1363 II BGB statuiert, dass im Rahmen der Zugewinngemeinschaft das Vermögen des Mannes und das der Frau nicht gemeinschaftliches Vermögen wird. Falls ein Ehegatte einen Vertrag ohne Genehmigung des anderen mit einem Dritten schließt, der weiß, dass der Vertragspartner verheiratet ist, so kann dieser nach § 1366 II 2 BGB den Vertrag bis zur Genehmigung durch den Ehegatten nur widerrufen, wenn der Mann oder die Frau als Vertragspartner wahrheitswidrig behauptet hatte, der Ehegatte habe eingewilligt. Bei Vereinbarung einer Gütergemeinschaft werden gemäß § 1416 I 1 BGB die Vermögen des Mannes und der Frau gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten. In § 1421 S. 1 BGB wird auf die Vereinbarung über die Verwaltung des Gesamtgutes durch den Mann oder die Frau verwiesen, nach § 1459 I BGB können sich die Gläubiger des Mannes oder der Frau aus dem Gesamtgut befriedigen. Die Kosten der Ausstattung eines nicht gemeinschaftlichen Kindes fallen nach § 1466 BGB im Verhältnis der Ehegatten zueinander entweder dem Vater oder der Mutter des Kindes zur Last. Die genannten Normen des BGB erwähnen hier ausdrücklich und ausschließlich die personale Verbindung von Mann und Frau als Ehegatten. Diesem Umstand ist für die Bezogenheit der Ehe auf nur verschiedengeschlechtliche Paare jede Aussagekraft abgesprochen worden, da diese Normen nur die Rechtsfolgen, nicht aber die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung regelten und sie zudem aus teleologischer Sicht auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt werden könnten.3 3 Roland Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, 1996, S. 70; ders./Christian Meier, Gleichgeschlechtliche Ehen schon nach geltendem Recht?, in: StAZ 1993, S. 210 (212).

124 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Zwar ist zu konzedieren, dass der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Personenverbindungen bei der normativen Regelung der materiellen Voraussetzungen für die Eheschließung, also etwa als Eheverbot i. S. d. §§ 1306 ff. BGB oder Ehehindernis wie bei §§ 1309 f. BGB, nicht ausdrücklich erwähnt wird, und sich die vorstehend genannten eherechtlichen Normen in der Tat mit den verschiedenen Rechtswirkungen, nicht aber explizit mit den Voraussetzungen der Eheschließung beschäftigen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass nicht aus den getroffenen Regelungen die vom Gesetzgeber vorausgesetzten Wesensmerkmale der Ehe erkannt werden könnten. Vielmehr enthalten die in den normierten rechtlichen Wirkungen der Ehe aufscheinenden Strukturmerkmale einen zumindest indiziellen Bezug zu den Voraussetzungen der Eheschließung. Eine Unterscheidung, die nur darauf abstellt, an welcher Stelle des Gesetzes – ob bei den ausdrücklich geregelten Voraussetzungen oder bei den Rechtswirkungen eines Rechtsinstituts – deren Strukturmerkmale erwähnt werden, ist zu pauschal und berücksichtigt nicht, dass die Wesensmerkmale eines Rechtsinstituts auch Einfluss auf dessen Regelungsvoraussetzungen haben. Auch das Argument, die im BGB getroffenen Bestimmungen seien teleologisch nicht zwingend auf verschiedengeschlechtliche Paare beschränkt, ist nicht überzeugend. So wird teilweise etwa die Einfügung des Begriffs der Verantwortungsgemeinschaft neben der ehelichen Lebensgemeinschaft in § 1353 I 2 BGB durch das EheschlRG vom 4. Mai 19984 als Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare verstanden, weil auch diese füreinander Verantwortung tragen könnten.5 Diese Ergänzung hatte aber vor allem eine konturierende Funktion, die ein Wesensmerkmal der Ehe betonen und nicht ihr Struktursubstrat modifizieren sollte.6 Selbst wenn man die Richtigkeit der Grundargumentation teleologischer Gleichförmigkeit unterstellt, so bedeutet dies nicht, dass die im BGB ausschließlich im Zusammenhang mit der Ehe erwähnten Personenverbindungen von Mann und Frau bedeutungslos sind. Gerade die auf die verschiedenen Bereiche des Eherechts verteilten Normen, in denen nur Mann und Frau erwähnt werden, weisen darauf hin, dass der Gesetzgeber wie selbstverständlich von der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau als einem Merkmal der Ehe ausgegangen ist. Ansonsten wäre nicht zu erklären, warum der Gesetzgeber sich nur auf die Erwähnung von Mann und Frau beschränkte und eine personale Erweiterung nicht schon in den Wortlaut des BGB aufgenommen hätte. Da das 4

BGBl. I, S. 833. So die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Rechtsausschuss des Bundestages, BT-Drucks. 13/9416, S. 26. 6 Heinz Hübner/Reinhard Voppel, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, § 1360 BGB Rn. 27; siehe auch die Fraktion der CDU/CSU im Rechtsausschuss, BT-Drucks. 13/9416, S. 26. 5

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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BGB aber im Gegenteil an keiner Stelle gleichgeschlechtliche Personenverbindungen, sondern nur eheliche Verbindungen zwischen Mann und Frau erwähnt, ist dies ein weiteres Argument für die Anerkennung der Verschiedengeschlechtlichkeit als einfachgesetzliches Strukturmerkmal der Ehe.7

B. Art. 6 I GG als verfassungsrechtliches Fundament des Ehebegriffs I. Verhältnis von verfassungsrechtlichem und einfachgesetzlichem Ehebegriff Das Grundgesetz enthält keine ausdrückliche Definition der Ehe. Art. 6 I GG normiert, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, ohne diese Rechtsbegriffe schon im Verfassungstext selbst zu erläutern. Der einfachgesetzliche und der verfassungsrechtliche Begriff der Ehe sind voneinander nicht unabhängig. Die verfassungsrechtlich geschützte Ehe enthält eine grundrechtliche Einrichtungsgarantie, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechtsinstituts beachten muss. Die Einrichtungsgarantie schützt die verfassungsmäßig vorgegebenen Strukturprinzipien der Ehe, deren Veränderung durch einfaches Gesetzesrecht unzulässig ist. Verfassungsdogmatischer Grund dieser Sperrwirkung ist die Verbindung der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz vom Vorrang der Verfassung. Bei letzterem gewinnt die Bindung des Gesetzgebers an die unmittelbar geltenden Grundrechte nach Art. 1 III GG besondere Bedeutung. Der objektiv-rechtliche Schutz der Ehe steht dabei nicht beziehungslos neben der abwehrrechtlichen Dimension des Eheschutzes. Vielmehr verstärkt die Verfassungsgarantie auch die Funktion des Art. 6 GG als Abwehrrecht, indem sie den sachlichen Schutzbereich strukturell-funktionell stabilisiert.8 Insofern umfasst eine begriffliche Klärung des verfassungsrechtlichen 7

Der personenstandsrechtliche Regelungen des Familienbuchs betreffende § 13 II PStG a. F. enthielt ebenfalls einen Hinweis auf Mann und Frau als Ehegatten. § 13 II PStG a. F. wurde zwar durch Art. 2 Nr. 12 EheSchlRG gestrichen. Mit der ersatzlosen Streichung sollten Regelungen für die standesamtliche Zuständigkeit, das Familienbuch zu führen, modifiziert werden. Eine Abkehr von den Strukturmerkmalen der Ehe war nicht intendiert, vgl. Berthold Gaaz, in: Reinhard Hepting/Berthold Gaaz, Personenstandsrecht mit Eherecht und internationalem Privatrecht, Bd. 1, § 13 PStG Rn. 4. 8 Vgl. Klaus Stern, § 109: Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 52.

126 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Ehebegriffs das Grundrecht in seiner gesamten Mehrdimensionalität. Der Begriff der Ehe kann deshalb in Art. 6 I GG nur einheitlich verwandt werden und bietet wegen der Einrichtungsgarantie keinen Raum für sich widersprechende Strukturmerkmale. Der verfassungsrechtliche Ehebegriff wirkt sich wegen des Prinzips des gesetzlichen Vorrangs auf die einfachgesetzliche Definition der Ehe aus. Der grundrechtliche Schutz eines Rechtsinstituts durch eine verfassungsrechtliche Garantie enthält strukturelle Vorgaben für den legislativen Spielraum bei der institutionellen Ausgestaltung. Eine Einrichtungsgarantie, deren Sicherungsfunktion auf der Ebene des Verfassungsrechts verbliebe, wäre wirkungslos. Der Gesetzgeber hat daher bei der Ausgestaltung der Ehe die strukturellen Vorgaben der Ehegarantie zu beachten.9 Das schließt nicht aus, dass der Ehebegriff des vorkonstitutionellen einfachgesetzlichen Rechts mit dem des Grundgesetzes übereinstimmt. Im Gegenteil: Weil das institutionelle Substrat der Ehe schon vor Inkrafttreten des Grundgesetzes existent war, besteht gerade keine Wesensdifferenz zwischen einfach- und verfassungsrechtlichem Rechtsinstitut, sondern eine grundlegende strukturelle Identität.10 Dieser Einfluss der verfassungsrechtlichen Begriffsbestimmung wird durch die grundrechtliche Ausstrahlungswirkung für die Verwendung von Begriffen auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts bekräftigt. Neben der durch die Einrichtungsgarantie festgelegten Charakteristik der Ehe wirkt sich die objektiv-rechtliche Dimension insofern auf die Auslegung von nicht explizit definierten Begriffen aus, als diese nur im Lichte der Grundrechte – und keinesfalls im Gegensatz zu ihnen – ausgelegt werden dürfen. Insofern wirken die Grundrechte auf die Auslegung von im einfachen Gesetzesrecht vorkommenden Rechtsbegriffen nicht nur im Verhältnis des einzelnen Grundrechtsträgers zum Staat, sondern auch zwischen den einzelnen Grundrechtsträgern ein.11 Dies muss dann erst recht bei der 9 BVerfGE 31, 58 (69 f.), weist darüber hinaus die Gegenansicht zurück, nach der die bürgerlich-rechtliche Definition der Ehe Maßstab des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs sein müsse. Genau umgekehrt verhält es sich – den Begründungsansatz des gesetzlichen Vorrangs erwähnt das Gericht allerdings nicht explizit. Vgl. auch Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 100 III 1, S. 368 ff., Gunther Dietrich Gade, Der rechtliche Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, in: Verwaltungsrundschau 2002, S. 397 (398), und Helmut Lecheler, § 133: Schutz von Ehe und Familie, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 17. 10 BVerfGE 10, 59 (66); 31, 58 (69). 11 Die grundrechtliche Ausstrahlung auf das Privatrecht, insbesondere durch die Generalklauseln des Zivilrechts, ist ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 7, 198 (205 ff.); 24, 278 (281 f.); 32, 305 (318); 34, 269 (280). Zwar handelt es sich beim Rechtsinstitut der Ehe nicht um eine klassische

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Verwendung der gleichen Begriffe im Verfassungs- und einfachgesetzlichen Recht gelten. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Ehebegriffs hat demnach direkte Auswirkungen auf die Definition der Ehe im Zivilrecht: Wenn sich aus der Auslegung des Art. 6 GG ergäbe, dass sich auch gleichgeschlechtliche Personenverbindungen auf den grundrechtlichen Schutz dieser Norm berufen könnten, wäre wegen der oben dargelegten Grundsätze eine davon abweichende Strukturbestimmung der Ehe im einfachen Recht verfassungswidrig. Eine verfassungskonforme Auslegung der Ehe im Zivilrecht käme dann zum Ergebnis, dass eine Eheschließung auch zwischen gleichgeschlechtlichen Personen möglich wäre.

II. Grammatische Auslegung des Begriffs der Ehe Die verfassungsrechtliche Beschreibung der Strukturmerkmale der Ehe muss mit ihrer Wortbedeutung beginnen. Der Wortsinn von Rechtsbegriffen ist nämlich der hermeneutische Rahmen für ihre systematische Analyse, weil die sprachliche Ebene überhaupt erst die Möglichkeit einer Auslegung eröffnet. Sie begrenzt diese zugleich, denn die Auslegung eines Rechtsbegriffs gegen den Wortsinn ist nur unter den engen Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung möglich.12 Bei dieser grammatischen Auslegung ist zwischen einer begriffliche Auslegung nach der allgemeinen Wortbedeutung und nach der rechtlichen Bedeutung zu unterscheiden.13 Zwar stehen beide sprachlichen Ebenen nicht unabhängig nebeneinander, sondern bedingen und ergänzen sich. Trotzdem können Begriffe in der Rechtssprache andere Bedeutungen besitzen als in der Alltagssprache. Ob dies gerade für überkommene Begriffe wie die Ehe gilt, die einerseits in der allgemeinen Sprache tief verwurzelt und regelmäßig ohne bewusste Reflektion gebraucht werden, aber andererseits als Rechtsinstitut privatrechtlich eingehend systematisiert sind, bedarf einer genaueren Untersuchung. Eine hinsichtlich seiner strukturellen Ausprägung unterschiedliche Verwendung dieses Rechtsbegriffs in der Alltagssprache ist zumindest theoretisch denkbar. Generalklausel, der Grundgedanke einer Ausstrahlung von Art. 6 I GG auf die einfachgesetzlich nicht ausdrücklich definierte Ehe lässt sich aber auch hier fruchtbar machen. 12 Helge Sodan/Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 2. Aufl., 2007, § 2 Rn. 6; Friedrich Müller/Ralf Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, 9. Aufl., 2004, Rn. 310 f.; Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 143 f. 13 Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 141 f.

128 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

1. Der Begriff der Ehe im allgemeinen Sprachgebrauch Die etymologische Herkunft des Begriffs der Ehe weist auf die Verschiedengeschlechtlichkeit als Strukturmerkmal hin. Das Wort Ehe hat sich aus dem westgermanischen Wort (mittelhochdeutsch) „e“, „ewe“ im 13. Jahrhundert bzw. (althochdeutsch, altfriesisch) „ewa“ schon im 8. Jahrhundert oder (altenglisch) „ae(w)“ entwickelt, das zunächst im umfassenden Sinn „Recht“ bzw. „Gesetz“ bedeutete.14 Daraus hat sich dann in der althochdeutschen und altenglischen Sprache die Bedeutung der Ehe als personale Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau entwickelt, die sich im Neuhochdeutschen allein durchgesetzt hat.15 Schon seit etwa 1000 n. Chr. bezeichnet die Ehe die soziale Institution der Verbindung von Mann und Frau, die durch bis in die Gegenwart bestehende Strukturmerkmale geprägt ist.16 Es ist zwar umstritten, ob der Begriff in der mittelhochdeutschen Sprache auch die Bedeutung von „Ewigkeit“ i. S. v. „unvordenklichen Zeiten“ hat oder er eher mit dem altindischen Wortstamm von „evah“ verwandt ist und damit „Lauf, Gang, Gewohnheit, Sitte“ bedeutet. Trotzdem kann festgehalten werden, dass die etymologische Rückführung des Ehebegriffs primär auf eine rechtlich konstituierte Gemeinschaft hinweist, deren zeitliche Dimension grundsätzlich unbegrenzt ist. Die Verschiedengeschlechtlichkeit als exklusives, die Gleichgeschlechtlichkeit also ausschließendes Strukturmerkmal wird dabei zunächst nicht explizit angesprochen. Andererseits deutet aber die linguistische Entwicklung des Ehebegriffs schon in mittelhochdeutscher Zeit an, dass als Begriffskern die Verschiedengeschlechtlichkeit gesehen wird. Dass der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Personenverbindungen von der Zugangsberechtigung zur Ehe nicht ausdrücklich normativ festgeschrieben wurde, ist von geringer Relevanz für die sprachliche Festlegung auf bestimmte Strukturmerkmale, weil schon die mittelalterliche Ehe hinsichtlich ihres Ranges als soziale Institution innerhalb der durch Sippen und in karolingischer Zeit durch die Hausgemeinschaft geprägten Gesellschaft nur als Personenverbindung zwischen Mann und Frau denkbar war. Insofern ist es aufschlussreich, dass hinsichtlich anderer Strukturmerkmale der verfassungsrechtlich geschützten Ehe – insbesondere ihrer exklusiven Lebensgemeinschaft17 sowie deren Unauflöslichkeit18 – Differenzen im Vergleich zur rechtlichen Ausgestaltung der mittelalterlichen Ehe bestehen, nicht aber 14

Gerhard Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995, S. 95. Duden, Das Herkunftswörterbuch, Bd. 7, 3. Aufl., 2001, S. 170. 16 Paul Mikat, Ehe, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hrsg. von Adalbert Erler u. a., Bd. I, 1971, Sp. 809. 17 Mikat (Fn. 16), Sp. 810. 18 Mikat (Fn. 16), Sp. 825 f. 15

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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hinsichtlich der Geschlechtsverschiedenheit. Der Zusammenhang mit der Fortpflanzungsfunktion wird dadurch deutlich, dass bei der als häufigste Eheform vorkommenden „Muntehe“ die Unfruchtbarkeit der Frau ein Scheidungsgrund war.19 Auch unter dem Aspekt der Etymologie sind also der Ehe seit dem Mittelalter bestimmte Strukturmerkmale eigen, zu denen die Verschiedengeschlechtlichkeit gehört.20 Der etymologische Befund muss zwar nicht mit dem begrifflichen Sprachgebrauch zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes übereinstimmen. Der Begriff der Ehe ist allerdings unzweifelhaft in dieser Zeit als Synonym für die grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau verwandt worden. Der ursprüngliche Sprachgebrauch deutet deshalb auf die Verschiedengeschlechtlichkeit als eheliches Strukturmerkmal hin. Es ist problematisch, bei einer an die Wortbedeutung anknüpfenden Auslegung den gegenwärtigen Sprachgebrauch zum Maßstab zu nehmen.21 Dies liegt daran, dass die sprachliche Verwendung von Begriffen in Rechtsnormen inzident an die Entstehungszeit dieser Norm gebunden ist und vom damaligen, mit dem Rechtsbegriff verbundenen sprachlichen Verständnis abhängt. Nur wenn ein Begriff nicht durch eine bestimmte Bedeutung zu seiner Entstehungszeit festgelegt ist, kann der gegenwärtige Sprachgebrauch als Auslegungskriterium herangezogen werden.22 Das ist bei der Ehe nicht der Fall, da eine konkrete sprachliche Verwendung im Sinne einer Verschiedengeschlechtlichkeit als Typusmerkmal Ende der vierziger Jahre durchaus vorlag. Selbst wenn man den aktuellen Sprachgebrauch heranzieht, wird man eine tief greifende sprachliche Veränderung, die es nahe legt, auf die Verschiedengeschlechtlichkeit als Begriffsmerkmal der Ehe zu verzichten, nicht konstatieren können. Zwar wird eine solche Veränderung vereinzelt mit dem Hinweis auf die Verwendung von Begriffen wie „Homo-Ehe“ und „gleichgeschlechtliche Ehe“ für die Eingetragene Lebenspartnerschaft in den Medien und im allgemeinen Sprachgebrauch bejaht oder zumindest für denkbar gehalten.23 Gegen diese Schlussfolgerung spricht aber, dass in diesen Fällen die be19

Mikat (Fn. 16), Sp. 825. Das übersieht Schimmel (Fn. 3), S. 78. 21 Hinsichtlich der Auslegung des Ehebegriffs ebenfalls skeptisch Kai Möller, Der Ehebegriff des Grundgesetzes und die gleichgeschlechtliche Ehe, in: DÖV 2005, S. 64 (65 ff.). 22 Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 144 f. Die Problematik wird in den einschlägigen Monographien von Achim Gernot Wächtler, Die politische Forderung nach der „gleichgeschlechtlichen Ehe“ und deren rechtliche Umsetzung im deutschen Recht, 2000, S. 90 ff., und Schimmel (Fn. 3), S. 75 ff., nicht angesprochen, bei letzterem erfolgt aber ohne nähere Begründung eine entsprechende Unterteilung. 20

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griffliche Kennzeichnung der Ehe regelmäßig im Zusammenhang mit weiteren Attributen wie „Homo-“ oder „gleichgeschlechtlich“ erfolgt. Das weist darauf hin, dass eine (vermutlich oft auch unbewusste) sprachliche Differenzierung zwischen dieser Art von Lebensgemeinschaft und der umfassenden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau als Ehe im Rechtssinne vorgenommen wird. Die Verschiedengeschlechtlichkeit ist also bei Verwendung dieser Begriffe in der Gegenwart ein entscheidendes strukturelles Merkmal der Ehe. Dies wird bei den lexikalischen Beschreibungen des Begriffs der Ehe noch deutlicher: Diese erwähnen ausdrücklich die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe.24 Teilweise wird die eindeutige begriffliche Verfestigung der Verschiedengeschlechtlichkeit als Ehemerkmal mit dem Hinweis auf demoskopische Ergebnisse in Frage gestellt, nach denen sich eine beträchtliche Zahl der Befragten für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ausspricht.25 Neben den allgemeinen Problemen demoskopischer Untersuchungen wie der Größe der Befragungsbasis, der exakten Formulierung der Fragestellung und der grundsätzlichen Frage, ob punktuell-kurzfristige demoskopische Umfragen überhaupt ein geeignetes Instrumentarium bilden, um langfristige Bedeutungsänderungen von Begriffen zu belegen, ist die Forderung nach einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in der Zukunft noch kein Indiz dafür, dass sich die traditionelle Bedeutung des Begriffs in der Gegenwart schon geändert hat. Die Umfragen zeigen also eher im Gegenteil, dass die traditionelle Begriffsbedeutung der Ehe von der Mehrheit der Bevölkerung noch geteilt wird. Die allgemeinsprachliche Verwendung des Ehebegriffs geht nach wie vor von der Verschiedengeschlechtlichkeit aus.26 23

Wächtler (Fn. 22), S. 91; Schimmel (Fn. 3), S. 76. Für Jörg Wegner, Die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, in: ZfR 1995, S. 170 (186), ist die Verwendung des Begriffs „Homo-Ehe“ zumindest ein Indiz für die „zunehmende Erosion des herkömmlichen Eheverständnisses“. 24 Vgl. die Beschreibung des Begriffs „Ehe“ in Brockhaus – Enzyklopädie, Bd. 7, 21. Aufl., 2006, S. 490, und Meyers Großes Taschenlexikon in 26 Bänden, Bd. 5, 9. Aufl., 2003, S. 1646. Schimmel (Fn. 3), S. 77, schließt aus der Tatsache, dass in den betreffenden Lexika auch polygame Ehen genannt werden, die keine Ehen im deutschen Rechtssinne sind, dass der Begriff der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften offen sei. Genau die gegenteilige Schlussfolgerung ist zutreffend: Die Artikel in den Lexika erwähnen die Verschiedengeschlechtlichkeit ausdrücklich als Merkmal der Ehe, der Sprachgebrauch ist in dieser Hinsicht also keinesfalls „offen“. 25 So bei Herbert Trimbach/Annette Webert, Ist die Homo-Ehe noch verfassungswidrig?, in: NJ 1998, S. 63 (64). 26 Auch Claudia Rijsbergen, Der besondere Schutz von Ehe und Familie, 2005, S. 135; Ina Maria Lindenberg/Lars Micker, Die Vereinbarkeit des Lebenspartner-

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2. Der Begriff der Ehe im juristischen Sprachgebrauch Die juristische Dimension des Ehebegriffs ist vom allgemeinen Sprachgebrauch nicht zu trennen. Zwar ist es durchaus möglich, dass im Alltag verwandte Begriffe in der juristischen Fachsprache eine gänzlich andere oder hinsichtlich ihrer definitorischen Merkmale zumindest anders akzentuierte Bedeutung haben, so dass zwischen der juristischen und der allgemeinen Sprachbedeutung deutlich differenziert werden muss.27 Bei der Definition des Ehebegriffs ist von einer unterschiedlichen Verwendung bezüglich der Geschlechtsverschiedenheit als Strukturmerkmal allerdings nicht auszugehen. Ursache dafür ist die schon dargestellte Tatsache, dass die Ehe als soziale Institution schon vor einer Kodifizierung des deutschen Verfassungsrechts bestand. Der Verfassungsgeber hat die Ehe als gesellschaftlichen Tatbestand der Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau „vorgefunden“ und sie insoweit in das Verfassungsrecht übernommen.28 Mit der Übernahme der Ehe in das Verfassungsrecht wurden mithin sowohl der sprachliche Begriff selbst als auch der soziale Tatbestand der Ehe in das Verfassungsrecht integriert und damit rechtlich strukturiert. Damit wurde gleichzeitig sowohl eine Verfestigung als auch eine Flexibilisierung der sozialen Institution erreicht: Die Wortbedeutung bedingt nämlich einerseits, dass die Strukturmerkmale der Ehe nicht beliebig variabel, sondern an die mit dem Begriff bezeichnete soziale Institution gekoppelt sind. Andererseits steht aber der Wortgebrauch einer Flexibilisierung der Definitionskriterien der Ehe nicht entgegen, wenn sich der Sprachgebrauch zugleich mit der Bedeutung der sozialen Institution ändert. Der juristische Gebrauch des Begriffes der Ehe ist damit sowohl bewahrend als auch für Veränderungen offen. Voraussetzung für letzteres ist aber in jedem Fall eine Veränderung der sozialen und sprachlichen Bedeutung. schaftsgesetzes mit Art. 6 Abs. 1 GG, in: DÖV 2003, S. 707 (710); Gade (Fn. 9), S. 397 (401); Günther Krings, Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare, in: ZRP 2000, S. 409 (410); ähnlich Karlheinz Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, 2. Aufl., 2004, Rn. 93, für den Begriff der „Hochzeit“; vgl. auch Wegner (Fn. 23), S. 170 (186), der zwar konzediert, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit „gegenwärtig noch“ im allgemeinen Sprachgebrauch als eheliches Strukturmerkmal verwandt wird, trotzdem aber kein „klares Ergebnis“ der am Wortsinn orientierten Auslegung erkennen kann. 27 In diesen Fällen geht der juristische dem allgemeinen Sprachgebrauch vor. Vgl. mit Beispielen Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 142 f. 28 BVerfGE 62, 323 (330); 115, 1 (18); Peter Badura, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Art. 6 Rn. 27; Detlef Merten, Eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften unter dem Grundgesetz, in: Freiheit und Eigentum. Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee und Helmut Lecheler, 1999, S. 615 (622).

132 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Dadurch ist zu erklären, dass sowohl im einfachgesetzlichen Recht als auch im deutschen Verfassungsrecht zu keiner Zeit eine Legaldefinition der Ehe bestanden hat oder gefordert wurde. Der allgemeine und der juristische Sprachgebrauch sind in diesem Fall deckungsgleich, so dass auf eine gesetzliche Definition stets verzichtet werden konnte. Sowohl im einfachen Recht als auch in der Verfassung wird der Begriff der Ehe ausschließlich als Bezeichnung für eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau verwandt. In der Rechtsprechung ist dies bisher nur in einem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 1992 in Zweifel gezogen worden, in dem in Bezug auf die grammatische Auslegung des Ehebegriffs die These aufgestellt wurde, dass dessen Wortbedeutung nicht eindeutig sei, da der Begriff nicht legaldefiniert werde.29 Diese gerichtliche Entscheidung ist aber in der Rechtsprechung isoliert geblieben und in der Berufungsinstanz aufgehoben worden.30 Die ständige Rechtsprechung betont stattdessen ausdrücklich, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit konstitutives Merkmal der Ehe ist.31 Eine fehlende Legaldefinition wird – wie im vorliegenden Untersuchungsgang auch – mit der bisher selbstverständlichen Verwendung dieses historisch tradierten Begriffs erklärt, der die Verschiedengeschlechtlichkeit als begrifflichen Bestandteil inhärent enthält.32 In der Literatur wurde in den neunziger Jahren und auch in jüngerer Zeit vereinzelt der Ehebegriff als für gleichgeschlechtliche Gemeinschaften offen stehend verwandt.33 Angesichts der rechtswissenschaftlichen Diskussion um die Einführung des Rechtsinstituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist andererseits wieder eine genaue begriffliche Differenzierung zwischen der Ehe und allen anderen Lebensgemeinschaften zu beobachten, die selbst von denjenigen 29

AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941). LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1998. 31 BVerfGE 10, 59 (66); 49, 286 (300); 53, 224 (225); 62, 323 (330); 105, 313 (342); 112, 50 (65); BVerfG, NJW 1993, S. 3058; BayObLG, NJW 1993, S. 1996 (1997); LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1998; LG Gießen, NJW 1993, S. 942; LG Köln, NJW 1993, S. 1997. 32 So BayObLG, NJW 1993, S. 1996 (1997); LG Gießen, NJW 1993, S. 942. LG Köln, NJW 1993, S. 1997, verweist darüber hinaus auf die deckungsgleiche Verwendung des Begriffs im allgemeinen und im juristischen Sprachgebrauch. 33 Möller (Fn. 21), S. 64 (70); Schimmel (Fn. 3), S. 78; ders./Meier (Fn. 3), S. 210 (214); Wegner (Fn. 23), S. 170 (185 ff.); Stefan Reiß, Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule?, in: KJ 1994, S. 98; Manfred Bruns/Volker Beck, Das Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit, in: MDR 1991, S. 832 (834). Trimbach/Webert (Fn. 25), S. 53, verwenden auch ohne Anführungszeichen o. ä. den Begriff der „Homo-Ehe“. 30

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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geübt wird, die die Verfassungskonformität der Lebenspartnerschaft bejahen.34 Ursache dieser erneuten begrifflichen Differenzierung ist wohl, dass auch die Befürworter einer rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe durch die Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht mehr auf den verfassungspolitischen Weg verwiesen sind, die Ehe für diese Lebensgemeinschaften öffnen zu müssen, sondern durch die Übernahme von bisher der Ehe vorbehaltenen Regelungen ein vergleichbares Gleichstellungsziel erreichen können. Insofern hat sich die strukturelle Konturierung der Ehe als ausschließlich verschiedengeschlechtliche Personenverbindung im juristischen Sprachgebrauch im Laufe der Diskussion eher noch verstärkt.35 Auch im juristischen Sprachgebrauch wird daher die Ehe nahezu ausschließlich für Personenverbindungen von Mann und Frau verwandt. 3. Ergebnis Schon aus der Wortbedeutung des Ehebegriffs ergibt sich die Verschiedengeschlechtlichkeit als Strukturmerkmal der Ehe.36

34

Etwa Volker Beck, Die verfassungsrechtliche Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: NJW 2001, S. 1894 (1898); Gerhard Robbers, Eingetragene Lebenspartnerschaften, in: JZ 2001, S. 779 (781); Stephan Stüber, Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften als „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ mit der Ehe verfassungsgemäß?, in: KJ 2000, S. 594 (596). 35 Auf diese durch die Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts entstehende Problematik aus Sicht der Befürworter einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wies schon Wegner (Fn. 23), S. 170 (191), hin: Die „Verabschiedung eines solchen Gesetzes (würde) dennoch die Ungleichheit von Homo- und Heterosexualität wiederum festschreiben“. Ähnlich auch Möller (Fn. 21), S. 64 (71), für die Lebenspartnerschaft. 36 So im Schrifttum auch Krings (Fn. 26), S. 409 (410); Ingo von Münch, Antidiskriminierungsgesetz – notwendig oder überflüssig? in: NJW 1999, S. 260 (261); Klaus Louven, Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare, in: ZRP 1993, S. 12; Axel von Campenhausen, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: VVDStRL 45 (1986), S. 7 (16 f.); Reinhold Zippelius, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: DÖV 1986, S. 805 (806). Dietrich Pirson, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 6 I Rn. 1, hält dagegen die Auslegung des Ehebegriffs wegen der vielgestaltigen sozialen Veränderungen der Ehe im Laufe der Geschichte für unergiebig. Diese Veränderungen betrafen aber zu keinem Zeitpunkt die Verschiedengeschlechtlichkeit als Strukturmerkmal.

134 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

III. Historisch-Genetische Auslegung 1. Die Bedeutung der historisch-genetischen Methode für die Auslegung des Ehebegriffs Die Auslegung eines Rechtsbegriffs darf bei der Analyse seiner Wortbedeutung nicht stehen bleiben. Die Wortbedeutung begrenzt die Interpretation einer Rechtsnorm, entbindet aber nicht von der Aufgabe, den Rechtsbegriff in seinem Normengefüge darzustellen, um so dessen Strukturmerkmale präzise beschreiben zu können. Voraussetzung dafür ist die Untersuchung sowohl des historischen Entwicklungszusammenhangs einer Norm als auch der Normgenese.37 Rechtssätze und -begriffe sind immer an einen bestimmten historischen Kontext gebunden. Die Bedeutung der historischen Auslegung für die Untersuchung der ehelichen Strukturmerkmale wird jedoch von mehreren Stimmen dahingehend relativiert, dass ihr ein Gegenwartsbezug abgesprochen wird.38 Diese Ansicht kann sich zwar darauf berufen, dass jeder Rechtsnorm ein Bezug zur Gegenwart inhärent ist.39 Allerdings berücksichtigt sie nicht ausreichend genug die Reziprozität dieses Zusammenhangs: Die Auslegung von Rechtsnormen wird nicht nur durch die Gegenwart bestimmt, sondern umgekehrt beeinflusst der rechtliche Kontext auch die Gegenwart und sogar zukünftige Entwicklungen. Dies gilt erst recht für Regelungen des Verfassungsrechts, die den Rahmen für die einfachrechtliche Normierung bilden und denen damit eine gegenüber einfachgesetzlichem Recht gesteigerte rechtliche Stabilität zukommt. Jeder Rechtsnorm wohnt also ein retardierendes Moment inne, das sich auf die Rechtswirkung des Normensubstrats bezieht. Den untrennbaren Konnex zwischen der historischen Normierung und dieser Wirkung für die Gegenwart kann aber derjenige nicht erhellen, der die historische Regelungsabsicht nicht oder nur am Rande zur Auslegung heranzieht. Der Zusammenhang zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Institut der Ehe und deren Einbindung in bestimmte historische gesellschaftliche Strukturen leuchtet schon auf den ersten Blick ein, da die Ehe selbst Bestandteil dieser Strukturen ist. Andererseits werden durch den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe diese Wesensmerkmale aber auch insofern 37 Zur Differenzierung zwischen historischer und genetischer Auslegung näher Sodan/Ziekow (Fn. 12), § 2 Rn. 8 ff. 38 Möller (Fn. 21), S. 64 (66 f.); Sieghart Ott, Die Begriffe „Ehe und Familie“ in Art. 6 I GG, in: NJW 1998, S. 117. 39 Nach BVerfGE 34, 269 (288), steht die Rechtsnorm deshalb „ständig im Kontext der sozialen Verhältnisse und der gesellschaftlich-politischen Anschauungen, auf die sie wirken soll“.

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perpetuiert, als deren Entfernung oder Veränderung ohne Verfassungsänderung des Art. 6 I GG nicht möglich ist. Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe spiegelt damit die Rechtswirkung auf die Gegenwart durch historische Normierung so deutlich wider wie kaum ein anderes Rechtsinstitut. Die Auslegung muss deshalb den in der Norm zutage tretenden objektivierten Willen des Gesetzgebers berücksichtigen, ohne die historische Regelungsabsicht aus dem Blickfeld zu verlieren.40 2. Historischer Entwicklungszusammenhang des verfassungsrechtlichen Eheschutzes Die mit dem Inkrafttreten des BGB rechtswirksamen familienrechtlichen Bestimmungen, welche die Strukturen der zivilrechtlichen Ehe beschrieben, weisen nicht auf eine institutionelle Offenheit der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften hin. Eine Norm, die dies explizit ausschloss, fehlte zwar zur Zeit der Entstehung des BGB ebenso wie in der Gegenwart. Jedoch wurden in einer Reihe von Bestimmungen nur der Ehemann und die Ehefrau genannt, etwa in § 1274 BGB a. F., nach dem die Ehefrau ausnahmslos den Familiennamen des Ehemannes erhielt. Grund für diese Regelung war für den Gesetzgeber die „natürliche Ordnung des Verhältnisses“, aus der hervorgehe, dass dem Ehemann die Entscheidung in gemeinschaftlichen Eheangelegenheiten zustünde. Aus seiner Stellung ergebe sich auch, dass die Ehefrau seinen Familiennamen erhalte.41 Man kann deshalb folgern, dass eine aus zwei Männern oder zwei Frauen bestehende Ehe innerhalb dieses Normengefüges systemwidrig gewesen wäre und kein Raum für eine diesbezügliche Regelung verbleibt. In den Gesetzgebungsmaterialien ist dies ausdrücklich formuliert und die Ehe von ihrem „Wesen“ her als verschiedengeschlechtlich definiert worden.42 Der Gesetzgeber ging daher bei Einführung des BGB wie selbstverständlich von der Ehe als verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaft aus.43 Dieses durch vorkonstitutionelles Gesetz tradierte Bild der bürgerlichen Ehe, das die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau versteht, hatte der Verfassungsgeber vor Augen, als er die Weimarer Reichsverfas40

Vgl. BVerfGE 1, 299 (275); LVerfGE 12, 15 (21 f.). Benno Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 4, 1899, S. 59. 42 Mugdan (Fn. 41), S. 27: „Daß eine Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts auch rechtlich nicht möglich ist, folgt aus dem Begriffe der Ehe und ist deshalb im Gesetz nicht besonders auszusprechen, auch dann nicht, wenn das Gesetz sich die Aufgabe stellt, die Nichtigkeitsgründe erschöpfend zu regeln.“ 43 Auch Schimmel (Fn. 3), S. 93; ders./Meier (Fn. 3), S. 210 (212). 41

136 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

sung schuf. Art. 6 I GG war nämlich nicht ohne jedes verfassungsrechtliche Vorbild. Nach Art. 119 I 1 WRV stand die Ehe „als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besondern Schutz der Verfassung“. Durch die Erwähnung der Ehe in der Verfassung sollte vorrangig das Strukturmerkmal der Monogamie gegen Angriffe geschützt werden, um sich damit auch vom kommunistischen Familienmodell abzugrenzen.44 Art. 119 I 2 WRV enthielt einen ausdrücklichen Bezug zu „beiden Geschlechter(n)“, auf deren Gleichberechtigung die Ehe beruhe. Die Weimarer Reichsverfassung verstand die Ehe darüber hinaus auch als Fortpflanzungsgemeinschaft, die den Bestand und damit die Zukunft der Nation sicherstellt. Dafür spricht die Beschreibung der Ehe als „Grundlage des Familienlebens“, die einen Bezug der Ehe zur Gemeinschaft mit Kindern herstellt, und vor allem deren Konnex mit dem Ziel der „Vermehrung der Nation“. Die Weimarer Reichsverfassung ging daher von der Verschiedengeschlechtlichkeit als Merkmal der verfassungsrechtlich geschützten Ehe aus. Es erstaunt angesichts der Implementierung der Ehe in der WRV auf den ersten Blick nicht wenig, dass im Entwurf des Herrenchiemseer Verfassungskonvents sowohl die Ehe selbst als auch daran anknüpfende Regelungen nicht erwähnt wurden.45 Den Grund dafür zu erkennen, ist nur unter Bezugnahme auf die späteren Diskussionen in den Ausschüssen des Parlamentarischen Rates über die Einfügung eines entsprechenden Passus möglich. Darin wird deutlich, dass Grundrechte bei der Normierung des Grundgesetzes angesichts seines provisorischen Charakters zwar aufgenommen, auf darüber hinaus gehende Programmsätze jeder Art aber verzichtet werden sollte. Die nach dem damaligen Stand der verfassungsrechtlichen Dogmatik so verstandene Konturenlosigkeit eines verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe, der sich außerdem nicht auf ein Individuum, sondern eine Gemeinschaft bezog, war wohl der Hauptgrund für die Nichtaufnahme einer entsprechenden Bestimmung in den Entwurf.46 Für die Annahme, eine mög44 Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. Aufl., 1933, Art. 119 WRV, S. 559, der die „monogamische Ehe in bewußter und gewollter Ablehnung gewisser kommunistischer Lehren unter den besonderen Schutz der Verfassung“ gestellt sieht; vgl. auch Friedrich Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, 1934, S. 110; Alfred Wieruszowki, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hrsg. von Hans Carl Nipperdey, Bd. II, 1930, Art. 119 WRV, S. 74. 45 Werner Matz, Art. 6, in: JöR 1 (1951), S. 92 (93). 46 So weist der Abg. Walter Menzel (SPD) anlässlich der ersten Debatte über eine mögliche Aufnahme der Ehe in das Grundgesetz im Ausschuss für Grundsatzfragen am 4.12.1948 darauf hin, dass man sich bisher „absichtlich auf die klassischen Grundrechte beschränkt“ hätte, weil man „keine echte Verfassung machen“

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

137

liche Veränderung der Strukturmerkmale der Ehe oder der Ansichten über deren soziologische Bedeutung sei die Ursache für die Nichterwähnung gewesen, gibt es dagegen keine Anhaltspunkte. 3. Normgenese des Art. 6 I GG Die sich aus der Erwähnung nur weniger Individualgrundrechte im Entwurf ergebende Problematik, die soziale Dimension von Grundrechten zu vernachlässigen, ist in der Öffentlichkeit und im Parlamentarischen Rat selbst erkannt und kritisiert worden. Insbesondere wurde moniert, dass Grundrechte, welche die „Gemeinschaft und Gesellschaft“ beträfen, fast völlig fehlten.47 Auf Antrag der Fraktion der CDU sollte dann ein entsprechender Passus eingefügt werden, der explizit die Ehe als „Lebensgemeinschaft von Mann und Frau“ bezeichnete.48 Zwar verzichtete dieser Entwurf auf die Beschreibung der ehelichen Bedeutung für die gesamte Gesellschaft und das deutsche Volk, war allerdings hinsichtlich der Festschreibung der Verschiedengeschlechtlichkeit als eheliches Strukturmerkmal so deutlich wie nur irgend möglich und beließ es bei der Darstellung des Zusammenhangs zwischen Ehe und Familie, wodurch die Fortpflanzungsfunktion noch einmal implizit angesprochen wurde.49 könne. Er befürchte, „die Grundlagen unseres Ausgangspunktes von damals“ zu verlassen, „wenn wir jetzt diese Probleme mit anschneiden“, siehe Parlamentarischer Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, hrsg. vom Deutschen Bundestag/Bundesarchiv, Bd. 5/II, 1993, S. 806. Und der Abg. Theodor Heuss (FDP), der spätere erste Bundespräsident, merkte an, dass diese Bereiche „in die Formgesetzgebung nicht“ hineinpassten, die „wir gesucht haben, aus diesen Artikeln unmittelbare wirkungsvolle Rechtsfolgen herauszuholen“, vgl. PR, Bd. 5/II, S. 808. Siehe auch Stern (Fn. 9), § 100 II 3, S. 364. 47 So das Sekretariat des Parlamentarischen Rates in einer Ausarbeitung über Probleme aus der Arbeit der Fachausschüsse, in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 821, Fn. 30, in der ausdrücklich die „Familie“ erwähnt wird. Dass dann die Ehe gemeinsam mit der Familie in den Verfassungstext eingefügt wurde, zeigt deutlich den inneren Zusammenhang beider Rechtsinstitute. 48 Der Wortlaut der vorgeschlagenen Fassung lautete: „Die Ehe als die rechtmäßige Form der dauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und die sich aus ihr entfaltende Familie sowie die aus der Ehe und der Zugehörigkeit zur Familie fließenden Rechte stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung.“, PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 806. 49 Die Behauptung von Rijsbergen (Fn. 26), S. 39, Hanna-Maria Uhlenbrock, Gesetzliche Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften in Deutschland und Frankreich, 2005, S. 44, Ariane Sickert, Die lebenspartnerschaftliche Familie, 2005, S. 176, 180 f., Christiane Freytag, Lebenspartnerschaftsgesetz, Eheschutzgebot und Differenzierungsverbot, in: DÖV 2002, S. 445 (450), Johannes Wasmuth, Zur Verfassungsmäßigkeit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: Der Staat 2002, S. 46 (59), Martin Burgi, Schützt das Grundgesetz die Ehe vor der Konkurrenz anderer Lebensgemeinschaften?, in: Der Staat 2000, S. 487 (499), Stüber

138 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Bei der ersten Debatte darüber im Ausschuss für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates am 23. November 1948 wurde von den Ausschussmitgliedern der CDU und FDP auf die Statuierung der Ehe als Menschenrecht in Art. 14 der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verwiesen,50 während die Mitglieder der SPD die vermeintliche Unschärfe eines solchen Grundrechts als justitiables Recht herausstellten.51 Diesem Vorwurf begegneten die Befürworter einer Aufnahme des Ehegrundrechts mit dessen inhaltlicher Nähe zum Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit52 sowie mit dem Hinweis auf den institutionellen Schutz der Ehe vor einfachgesetzlicher Aufhebung oder Strukturveränderung schon in der WRV.53 Ein ähnlicher Diskussionsstand lässt sich auch in der zweiten Debatte zu dieser Thematik am 4. Dezember 1948 ausmachen.54 Die Verschiedengeschlechtlichkeit als Strukturmerkmal wurde nirgends explizit angesprochen oder gar infrage gestellt. Im Gegenteil scheint sie und die damit verbundene Fortpflanzungsfunktion als Ehemerkmal indirekt vereinzelt in den Debatten auf.55 Die Monogamie der Ehe wird dagegen abgrenzend zum Konkubinat in der Debatte stärker betont.56 Hauptdiskussionspunkt neben der dogmatischen Einordnung dieses möglichen Grundrechts war aber die Frage der verfassungsrechtlichen Stellung nichtehelicher Kinder, so dass sich auch die SPD mit der inhaltlichen Aussage des Eheschutzes einverstanden erklärte.57 Der Vorschlag des Grundsatzausschusses, die Ehe als rechtmäßige Form der fortdauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau in einem Art. 7a (Fn. 34), S. 594 (598), Wegner (Fn. 23), S. 170 (187), und Eva Marie von Münch, § 9: Ehe und Familie, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 8, die spätere Formulierung in Art. 6 I GG sei eine „ausdrückliche Abkehr von der funktionalistischen Wendung des Art. 119 WRV“ (Freytag, Sickert) im Sinne einer verfassungsrechtlichen Absage an die reproduktive Funktion der Ehe, ist deshalb nicht zutreffend. Eine Diskussion über eine vermeintliche Abgrenzung zu Art. 119 I WRV hat im Parlamentarischen Rat zu keiner Zeit stattgefunden. 50 Hermann von Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 642, und Heuss (FDP), in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 645. 51 Ludwig Bergsträsser (SPD), in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 643. 52 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 645. 53 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 643. 54 PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 805 ff. 55 So etwa, wenn Heuss (FDP) von der „traditionell-biologischen“ Seite der Ehe spricht, in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 808. 56 Insbesondere von v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 826 f. 57 Beispielhaft etwa die Aussage von Menzel (SPD): „Wir bestreiten nicht die materielle Richtigkeit dieser Sätze, sondern nur die systematische Einordnung.“, in: PR (Fn. 46), Bd. 5/II, S. 823.

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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unter den besonderen Schutz der Verfassung zu stellen, fand in der 1. Lesung des Hauptausschusses vom 10. Dezember 1948 die Zustimmung.58 Der allgemeine Redaktionsausschuss wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es eines Hinweises auf die rechtmäßige Lebensgemeinschaft von Mann und Frau nicht bedürfe, wenn die Ehe als solche unter den besonderen Schutz des Staates gestellt würde, und schlug deshalb vor, diese Definition der Ehe zu streichen.59 Ihm schien die erläuternde Beschreibung der Ehe wegen deren Selbstverständlichkeit wohl sprachlich redundant. In der 2. Lesung des Hauptausschusses am 25. Januar 1949 wurde nach Ablehnung eines Antrags der SPD, der die Situation des unehelichen Kindes ganz in den Mittelpunkt des Artikels stellen und auf den ausdrücklichen Schutz der Ehe verzichten wollte,60 der besondere Schutz von Ehe und Familie ohne weitere erläuternde Legaldefinitionen vereinbart.61 Daran änderte sich in den verschiedenen Sitzungen bis auf eine nur numerische Verschiebung von Art. 7a I zu Art. 6 I nichts mehr, so dass in der zweiten und letzten Lesung des Plenums des Parlamentarischen Rates die Rechtsinstitute Ehe und Familie als unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehend statuiert wurden.62 Diese Fassung des Art. 6 I GG ist bis zum heutigen Tage unverändert geblieben. Die Genese dieser Bestimmung ergibt, dass eine Diskussion über gleichgeschlechtliche Gemeinschaften nicht stattgefunden hat. Aus diesem Umstand wird deshalb die zumindest prinzipielle Offenheit der Ehe für diese Gemeinschaften gefolgert und dies mit dem Hinweis auf den erst 1994 vollständig gestrichenen § 175 StGB zu untermauern versucht, der zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes die Geschlechtsgemeinschaft zwischen männlichen Homosexuellen unter Strafe stellte. Es sei deshalb für den Parlamentarischen Rat unvorstellbar gewesen, ein strafbewehrtes Verhalten verfassungsrechtlich zu schützen.63 Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen, weil sie die Rangordnung gesetzlicher Bestimmungen unberücksichtigt lässt. Der Verfassungs58 Parlamentarischer Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, hrsg. vom Deutschen Bundestag/Bundesarchiv, Bd. 7, 1995, S. 93. 59 PR (Fn. 58), Bd. 7, S. 138. 60 W. Matz (Fn. 45), S. 92 (98). 61 PR (Fn. 58), Bd. 7, S. 209. 62 PR (Fn. 58), Bd. 7, S. 572. 63 Bruns/Beck (Fn. 33), S. 832 (833), bei denen diese Argumentation in der Literatur zum ersten Mal anklingt, sowie Möller (Fn. 21), S. 64 (66 f.), und Schimmel (Fn. 3), S. 100. Vgl. auch die ähnliche Argumentation von Rijsbergen (Fn. 26), S. 127, und Sickert (Fn. 49), S. 176, die annehmen, angesichts der Strafbarkeit der Homoxualität sei das Phänomen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften vom Parlamentarischen Rat nicht thematisiert worden.

140 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

geber hätte zumindest theoretisch nämlich sehr wohl der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft verfassungsrechtlichen Schutz gewähren können.64 Wegen des Vorrangs des Verfassungsrechts vor dem einfachgesetzlichen Recht wäre die Bestimmung des § 175 StGB in diesem Fall nichtig gewesen. Die in § 175 StGB statuierte Strafbarkeit mag allenfalls ein Hinweis darauf sein, dass der Gesetzgeber der Homosexualität keinen gemeinschaftsfördernden Charakter zuerkannte; einen Bezug zur verfassungsrechtlichen Diskussion über die Ehe besitzt sie nicht. Dass der Parlamentarische Rat in der Tat nicht daran dachte, gleichgeschlechtliche Gemeinschaften verfassungsrechtlich zu schützen, liegt weniger an strafrechtlichen Bestimmungen als am damals in der verfassungsrechtlichen Diskussion unbestrittenen Zusammenhang zwischen Ehe und Familie. Schon die Formulierungsvorschläge der ersten Entwürfe enthielten – unabhängig von der Legaldefinition der Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau – zu keiner Zeit nur sie als Rechtsinstitut, sondern immer auch die Familie. Der Zusammenhang zwischen beiden Gemeinschaftsformen ist deshalb ein eindrucksvolles Beispiel für das damals noch unbestrittene Verständnis der Konnexität beider Rechtsinstitute.65 Dieses Verständnis deckt sich insoweit mit dem tradierten christlichen Bild der Ehe als sittlichpersonaler Gemeinschaft von Mann und Frau, das für die große Mehrheit des Parlamentarischen Rates selbstverständlich war und nicht in Frage gestellt wurde.66 64 Kerstin Strick, Gleichgeschlechtliche Partnerschaft – Vom Straftatbestand zum Status?, in: DeuFamR 2000, S. 82 (84); Wächtler (Fn. 22), S. 96; Walter Pauly, Sperrwirkungen des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs, in: NJW 1997, S. 1955, Fn. 6. 65 Vgl. auch Rijsbergen (Fn. 26), S. 134; Gregor Kirchhof, Der besondere Schutz der Familie in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, in: AöR 129 (2004), S. 542 (552, Fn. 42); Burkhard Kämper, Eingetragene Lebenspartnerschaft und kirchlicher Dienst, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Stefan Muckel, 2003, S. 401 (408); Andreas Zimmermann, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und das Grundgesetz, in: Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger, hrsg. von Hans-Joachim Cremer u. a., 2002, S. 645 (650 f.). Nicht nachvollziehbar ist daher die Ansicht, der Verfassungsgeber hätte hinsichtlich der strukturellen Vorgaben von Ehe und Familie keine eindeutigen Vorgaben gemacht, so bei Stüber (Fn. 34), S. 594 (598), und dems., in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Einl., Rn. 54. Die Wesensmerkmale wurden deshalb nicht eigens normiert, weil sie selbstverständlich waren. Mit der Diskussion in den Ausschüssen des Parlamentarischen Rates hat dies nichts zu tun, da dort nur über die dogmatische Einordnung des Eheschutzes, nicht aber über die Struktur der Ehe gestritten wurde. 66 Auch Rijsbergen (Fn. 26), S. 129; Günther Krings, Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine rechtliche Ordnung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: FPR 2001, S. 7 (8); v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (14). Zippelius (Fn. 36), S. 805

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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Die begrifflich-strukturelle Herkunft der Ehe aus der christlich-abendländischen Vorstellungswelt ist kein Widerspruch zu der Feststellung, dass die im BGB konturierte „bürgerliche“ Ehe dem Verständnis des Parlamentarischen Rates zugrunde lag. Soweit es hinsichtlich der Beschreibung der Ehestruktur Differenzen zwischen der „christlichen“ und der „verweltlichten“ Ehe gibt,67 betreffen diese nicht die Verschiedengeschlechtlichkeit. Zwar hätte sich der Parlamentarische Rat als Verfassungsgeber über das durch vorkonstitutionelles einfachgesetzliches Recht gegebene Bild der Ehe hinwegsetzen können. Dass er es nicht getan hat, spricht ebenfalls für die Annahme eines überkommenen Ehebegriffs, das der Verfassung nach Vorstellung des Parlamentarischen Rates implementiert war.68 Soweit Widerstand gegen die Erwähnung der Ehe im Verfassungstext erkennbar ist, berührte das nicht die Strukturmerkmale der Ehe, sondern die unklare dogmatische Einordnung als Grundrecht. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 6 I GG ergibt sich deshalb, dass der Parlamentarische Rat die Ehe als Geschlechtsgemeinschaft zwischen Mann und Frau verstanden hat. 4. Ergebnis Sowohl nach historischer als auch nach genetischer Auslegung bestehen keine Zweifel, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit ein Wesensmerkmal der Ehe im deutschen Verfassungsrecht ist. (807), bezieht sich auf die „kulturelle Tradition“; inhaltlich ist wohl dasselbe gemeint, da das christliche Menschenbild zum Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes Teil dieser kulturellen Tradition war. 67 Die beiden wichtigsten Unterschiede zum römisch-katholischen Kirchenrechtsverständnis der Ehe sind zum einen die dort in Can. 1141 CIC ausdrücklich statuierte Unauflöslichkeit der Ehe, die mit Ausnahme des in Can. 1143 ff. CIC geregelten „Privilegium Paulinum“ keine weiteren Einschränkungen dieses Grundsatzes kennt, und die Unwirksamkeit der Ehe bei physischer Unfähigkeit zum Geschlechtsverkehr. Die Evangelische Kirche kennt diese Unterschiede nicht. 68 BayObLG, NJW 1993, S. 1196 (1997); LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1998; LG Köln, NJW 1993, S. 1997; Bodo Pieroth/Thorsten Kingreen, Funktionen des Ehegrundrechts am Beispiel des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: KritV 2002, S. 219 (220); Peter J. Tettinger, Der grundgesetzlich gewährleistete besondere Schutz von Ehe und Familie, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), S. 117 (129, 133); Hans-Martin Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl., 1999, Rn. 924; Louven (Fn. 36), S. 12; Siegfried Willutzki, Die Zulässigkeit der gleichgeschlechtlichen Eheschließung, in: MDR 1993, S. 117. Selbst ein Teil der die Öffnung der Ehe befürwortenden oder ihr zumindest nicht ablehnend gegenüberstehenden Stimmen konzediert dies, indem vom „traditionellen verfassungsrechtlichen Ehebegriff“ o. ä. gesprochen wird, vgl. AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941); Beck (Fn. 34), S. 1894 (1897); Trimbach/Webert (Fn. 25), S. 63 (64).

142 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

IV. Systematische Auslegung Die Bedeutung und Struktur eines Rechtsbegriffs erschließt sich nicht nur aus seiner sprachlichen oder etymologischen Definition, sondern aus dem normierten Kontext, in dem der Begriff verwandt wird. Dabei ist der Bezug zwischen Norm und Begriff wechselseitig: Einerseits verdeutlicht nur die Interpretation der die Norm beinhaltenden Rechtsbegriffe den Inhalt eines Rechtssatzes. Andererseits ist diese Analyse nur möglich, wenn der Zusammenhang zu anderen Rechtsbegriffen gesehen wird und bei ihrer Auslegung Bedeutung erlangt.69 1. Funktionale Typologie und Rechtsbegriff der Ehe – ein Gegensatz? Vorstehend ist gezeigt worden, dass sowohl die Wortbedeutung als auch der historische Verwendungszusammenhang der Bezeichnung „Ehe“ darauf hinweisen, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit der Nupturienten ein notwendiges Strukturmerkmal dieses Rechtsinstituts ist. Aus verfassungssystematischer Perspektive bietet sich zur Klärung des Verhältnisses von Ehe und Verschiedengeschlechtlichkeit der Rückgriff auf die Lehre vom Typus an. Die Dynamik der typologischen Interpretation des Rechts beruht auf der Schwierigkeit, Begriffe mit ihren Merkmalen so zu fassen, dass sie nur diejenigen realen Erscheinungsformen umfassen, die nach der ratio legis gemeint sind.70 Weil Typen gesetzlich exakt definierte Merkmale fehlen oder diese unvollständig sind, sind sie einer Subsumtion nur schwer zugänglich.71 Den Typus zeichnet somit eine Offenheit der für ihn charakteristischen Merkmale aus.72 Er ist durch die Anzahl von Erscheinungsformen ge69

Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 145 f., nennen dieses gegenseitige interpretatorische Abhängigkeitsverhältnis den „hermeneutischen Zirkel“ bei der Auslegung des Bedeutungszusammenhangs. 70 Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 43. Nach Detlef Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 47 f., kann eine typologische Beschreibung der Realität eine „wesentlich größere Merkmalsfülle“ verwenden als ein abstrakter Begriff; ähnlich Gustav Wachter, Wesensmerkmale der arbeitnehmerähnlichen Person, 1980, S. 118. Vgl. auch Lerke Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, S. 101 ff., zur Verwendung von unbestimmten abstrakten Begriffen. 71 Hans-Martin Pawlowski, Einführung in die Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., 2000, Rn. 226; ders. (Fn. 68), Rn. 148; Karlheinz Rode, Begriffliche und typologische Gesetzesinterpretation, in: JR 1968, S. 401 (405). 72 Helge Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 64; Reinhold Zippelius, Recht und Gerechtigkeit in

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prägt, die nicht alle gleichzeitig vorliegen müssen, aber doch häufig, eben typischerweise, vorliegen. Dabei wird im rechtswissenschaftlichen Bereich zwischen dem empirischen „Durchschnitts- oder Häufigkeitstypus“, der die quantitative Verbreitung einer bestimmten Erscheinungsform beschreibt, dem „normativen Realtypus“ und dem „rechtlichen Strukturtypus“ unterschieden.73 Beim „normativen Realtypus“ wird auf der Grundlage eines vorgefundenen empirischen Befundes eine normative Zuordnung einzelner Realelemente zu einem Gesamterscheinungsbild vorgenommen. Diesem Gesamterscheinungsbild liegt mithin ein empirischer Typus zugrunde. Mit dem „normativen Realtypus“ ist der „rechtliche Strukturtypus“ rechtsmethodisch insofern verwandt, als bei beiden die normative Rechtsgestalt für die Typusbestimmung eine maßgebliche Rolle spielt. Der Unterschied zwischen beiden Typenarten besteht darin, dass bei der Konstituierung eines „normativen Realtypus“ außerrechtliche empirische Erscheinungsformen herangezogen werden müssen, während der „rechtliche Strukturtypus“ seine Konturen ausschließlich aus dem Rechtsleben selbst gewinnt oder sogar abstraktes „Produkt der Rechtswissenschaft“74 ist. Für jeden Typus ist charakteristisch, dass er durch Induktion beschrieben wird.75 Welche Merkmale noch zu ihm zu zählen sind und welche nicht mehr, ergibt sich aus einem dem Typus zugrunde liegenden „konstitutiven Wertungsgesichtspunkt“.76 Dem Typus steht der „abstrakt-allgemeine Begriff“ bzw. der „Klassenbegriff“ gegenüber, der aus einer präzise festgelegten Anzahl von subsumtionsfähigen Merkmalen besteht.77 Der abstrakte Begriff kann auf ein bestimmtes Erscheinungsbild immer dann angewandt werden, wenn die Begriffsmerkmale vollständig erfüllt sind und der Begriff darüber hinaus eine komparative und beispielhafte Zuordnung weiterer Merkmale nicht mehr verlangt. Zum besseren Verständnis der Unterscheider offenen Gesellschaft, 1994, S. 385 ff.; Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 44; Wachter (Fn. 70), S. 113 ff.; Leenen (Fn. 70), S. 34 ff.; Rode (Fn. 71), S. 401 (405). 73 Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 293 ff.; siehe auch Philippe Mastronardi, Juristisches Denken, 2001, Rn. 812 f.; Pawlowski (Fn. 71), Rn. 228; ders. (Fn. 68), Rn. 150; Zippelius (Fn. 72), S. 388 ff.; Leenen (Fn. 70), S. 86 f. 74 Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 295. 75 Mastronardi (Fn. 73), Rn. 813; Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 42. 76 Leenen (Fn. 70), S. 43 ff., 108 ff.; Wachter (Fn. 70), S. 116. 77 Sodan (Fn. 72), S. 64 f.; Carl G. Hempel/Paul Oppenheim, Der Typusbegriff im Lichte der Neuen Logik, 1936, S. 5. Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 42 ff., 264 f., 290, weisen aber zugleich darauf hin, dass zwischen ihnen kein „starrer Gegensatz“ bestehen muss; ähnlich Leenen (Fn. 70), S. 36 ff., der den Typus vom „Begriffskern“ abgrenzt und den „Begriffshof“ für typologisches Denken durchaus zugänglich hält; vgl. auch Andreas Feser, Das Recht im juristischen Denken, 1996, S. 56 ff., 66; Zippelius (Fn. 72), S. 387; Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 545 ff.; Wachter (Fn. 70), S. 128 ff.; Rode (Fn. 71), S. 401 (407)

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dung zwischen einem Typus und einem abstrakten Begriff sind in der Literatur als schlagwortartige Abgrenzungsformeln deshalb auch komparative Wendungen wie „mehr oder weniger“ für ersteren und alternative Zuordnungen wie „entweder – oder“ für letzteren vorgeschlagen worden.78 Die Entscheidung der Frage, ob die Ehe im verfassungsrechtlichen Sinne methodologisch ein Typusbegriff oder ein abstrakter Begriff ist, hat erstens die ambivalente Verwobenheit der konkreten Rechtsgestalt der Ehe mit ihrer jeweiligen sozialen Realität in Vergangenheit und Gegenwart zu berücksichtigen. Die Rechtsordnung nimmt nämlich einerseits vorgefundene Lebensformen in ihren Regelungsbereich auf. Andererseits wird die Ausgestaltung des Eherechts mittel- und langfristig durch die empirische Entwicklung von Gestaltungsformen der Ehe und anderer Lebensgemeinschaften beeinflusst. Insofern besitzt das Recht hier eine deskriptive Funktion. Zugleich beeinflusst die rechtliche Ausgestaltung des Familienrechts wiederum die Häufigkeit und das konkrete Erscheinungsbild sozialer Tatbestände in diesem Rechtsbereich. Das Recht wirkt insoweit normativ. Zweitens ist gerade dem Rechtsinstitut der Ehe eine Gestaltungsvariabilität inhärent, die als Ehegestaltungsfreiheit auch grundrechtlichen Schutz nach Art. 6 I GG genießt. Konkrete Gestalt und Funktion der Ehe können erheblich differieren, je nach der zwischen den Ehepartnern vereinbarten konkreten Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe und bei der Betreuung von Kindern. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen der ehelichen Rechtsstruktur und der empirisch erfassbaren tatsächlichen Gestaltung der Ehe als sozialer Lebensform mit ihrer immanenten funktionalen Variabilität spricht deshalb dafür, die Ehe als normativen Realtypus einzuordnen.79 Gegen diese Beschreibung der Ehe als Typusbegriff steht aber, dass die empirisch erfassbare Variabilität der konkreten Ehegestaltung nicht auch auf die wesentlichen rechtlichen Strukturmerkmale der Ehe einwirkt und diese deshalb selbst als variabel konstituiert.80 Die wesentlichen ehelichen Strukturmerkmale des deutschen Rechts zeichnen sich nämlich gerade aus 78 Mastronardi (Fn. 73), Rn. 793; Sodan (Fn. 72), S. 64 f.; Feser (Fn. 77), S. 55 ff., 66; Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 42; Leenen (Fn. 70), S. 34 ff.; Rode (Fn. 71), S. 401 (405); Joh’s Erich Heyde, Typus, in: Studium Generale 1952, S. 235 (244); Hempel/Oppenheim (Fn. 77), S. 21 ff.; skeptisch gegenüber dieser Zuordnung Rolf Wank, Die juristische Begriffsbildung, 1985, S. 126 f. 79 Ähnlich wohl auch Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Einf., Rn. 118, ders. (Fn. 34), S. 594 (598), der die damalige Einordnung der Ehe als Typusbegriff durch den Verfassungsgeber wegen ihres reproduktiven Elementes für legitim hält, nunmehr aber einen Funktionswandel dieses Rechtsinstitutes annimmt. 80 Das wird auch von Lindenberg/Micker (Fn. 26), S. 707 (713), gesehen. Trotzdem bezeichnen sie die Ehe ohne weitere Begründung als „Typusbegriff“.

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historischer Perspektive – wie für das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit gezeigt – im Gegenteil durch eine bemerkenswerte Konstanz aus. Die konkrete einfachgesetzliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Ehe unterliegt mithin Veränderungen, während dies auf die Kernelemente der Ehe nicht in gleicher Weise zutrifft. Diese Merkmale des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs dürfen deshalb nicht mit der konkreten Ausgestaltung durch die einfachgesetzliche Rechtsordnung gleichgesetzt werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass wegen der umfassenden Rechtswirkungen, die mit dem Eingehen einer Ehe für die Ehepartner verbunden sind, das Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Sinne einer formwirksamen Publizität groß ist. Die Rechtssicherheit als Element des Rechtsstaatsprinzips steht einer extensiven Verwendung von Typusbegriffen aber entgegen und intendiert eher die rechtliche Fokussierung auf abstrakte Begriffe.81 Die mit dem Typusbegriff verbundene pragmatische Zuordnung sozialer Tatbestände zum Ehebegriff im Sinne eines an der Formel „mehr oder weniger“ orientierten deskriptiv-normativen Maßstabs widerspricht deshalb dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit diametral, weil der Entscheidungsmaßstab, ob eine Ehe vorläge, nicht klar umrissen wäre und im Streitfall oftmals die Gerichte bemüht werden müssten. Schließlich ist auch die verfassungsrechtliche Bedeutung eines Rechtsinstituts davon abhängig, dass eine klare Zuordnung sozialer Entitäten zu diesem Institut möglich ist. Eine gänzlich „offene“ und damit unpräzise Rechtsstruktur ermöglicht zwar zunächst eine flexible Rechtsanwendung, führt aber mittelfristig immer zu einem institutionellen Bedeutungsverlust, weil die normative Prägekraft dieser Institution selbst nachlässt. Die Ehe ist deshalb ein abstrakt-allgemeiner verfassungsrechtlicher Begriff mit einer bestimmten Anzahl von wesentlichen Strukturmerkmalen, die alle gemeinsam vorliegen müssen, damit man im konkreten Fall von einer Ehe i. S. d. Art. 6 I GG sprechen kann. Die Einordnung der Ehe als abstrakter Rechtsbegriff des deutschen Verfassungsrechts bedeutet aber noch nicht, dass für eine typologisch geprägte Analyse dieses Rechtsinstituts kein Raum mehr verbleibt: Zum einen ist die Einordnung der Ehe als Typusbegriff in einem anderen rechtlichen Kontext – etwa im internationalen Privatrecht – keinesfalls ausgeschlossen.82 Aber auch im Verfassungsrecht selbst kann die Methodik der Typisierung auf die Ehe angewandt werden: Trotz subsumtionsfähiger Wesensmerkmale der Ehe kann sich ein Typisierungsmuster nämlich auf die funktionale Beschrei81

Sodan (Fn. 72), S. 65. Dazu instruktiv Thomas Alexander Brandt, Die Adoption durch eingetragene Lebenspartner im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2004, S. 59 ff. 82

146 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

bung der Ehe beziehen. Auf dieser leitbildlichen Ebene ist auch eine Zuordnung als „normativer Realtypus“ denkbar. Der Verfassungsgeber hat insofern eine oder mehrere Grundfunktionen der ehelichen Lebensgemeinschaft vorgefunden, die zwar nicht ausschließlich, aber doch typischerweise die meisten Ehen charakterisieren. Diesem deskriptiven Element hat er durch die Aufnahme des zugrunde liegenden Rechtsinstituts mit seinen Strukturelementen in die Verfassung ein normatives Element hinzugefügt. Das normative Bindeglied zwischen der funktionalen Typisierung und dem abstrakten Rechtsbegriff der Ehe ist die Institutsgarantie: Das Regelungssubstrat der Institutsgarantien im Grundgesetz, zu denen Ehe und Familie gehören, besitzt nicht nur einen individuellen, sondern auch einen generalisierend-typologischen Charakter. Die Einrichtungsgarantien sind Ergebnis des objektiv-rechtlichen Gehalts der Grundrechte.83 Durch sie wird die subjektiv-rechtliche Bedeutungsebene der Grundrechte nicht verdrängt, sondern im Gegenteil verstärkt, weil eine verfassungsrechtliche Stabilisierung des Rechtsinstituts gleichzeitig auch eine Verfestigung des grundrechtlichen Schutzbereichs, auf den sich der einzelne Grundrechtsträger berufen kann, bedeutet.84 Notwendige Voraussetzung dafür ist, die generell geltenden Strukturen der jeweiligen Garantie herauszuarbeiten und – gleichsam unabhängig vom Einzelfall – einen Funktionstypus des Rechtsinstituts zu analysieren, dem verfassungsrechtlicher Schutz zukommt.85 Die typisierende Beschreibung der Funktion von durch Einrichtungsgarantien geschützten Rechtsinstituten ist alternativlos, wenn man ihre verfassungsrechtliche Schutzwirkung nicht entscheidend destabilisieren will. Ohne eine Generalisierung wäre nämlich eine über den individuellen Fall hinaus gehende Wirkung für den Schutzbereich des Grundrechtes nicht zu erreichen. Dessen Stabilisierung setzt voraus, dass der Kern eines verfassungsrechtlich garantierten Rechtsinstituts selbst Bestand hat und nicht fortwährend verschieden interpretiert werden kann. Durch die von der Institutsgarantie intendierte Bildung von Typenmerkmalen aus einer Vielzahl individueller Erscheinungsformen eines Rechtsinstituts – und damit durch eine Abstraktion – kann der konkrete Einzelfall in den Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts eingeordnet werden. Rechtsmethodisch liegt diesem Verhältnis der grundrechtlichen Bedeutungsebenen für die systematische Einordnung von verfassungsrechtlichen Institutsgarantien folglich ein hermeneutischer 83 Stern (Fn. 8), Rn. 51. Zu der dogmatischen Struktur von Einrichtungsgarantien und deren historischer Entwicklung eingehend ders., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 68. 84 Stern (Fn. 8), Rn. 52; ders. (Fn. 83), § 68 III 4, S. 795. 85 Stern (Fn. 8), Rn. 54: „Herausgearbeitet werden müssen jene Bestandteile, die struktur- und typusbestimmend sind, die der betreffenden Einrichtung das spezifische Gepräge geben, die das charakteristische Erscheinungsbild präsentieren.“

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Zirkel zugrunde. Insofern muss nicht jeder individuelle Fall der Typusfunktion entsprechen. Die verfassungsrechtliche Schutzaussage der Institutsgarantie umfasst nur den typologischen Kern des Rechtsinstituts.86 Indem die Ehe mit ihren Wesensmerkmalen als Rechtsinstitut grundrechtlich geschützt und durch die Institutsgarantie vor einfachgesetzlicher Veränderung gesichert wird, richtet die Verfassung zugleich eine Grenze einfachgesetzlicher Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts auf. Die Institutsgarantie wirkt damit auf die gesamte Familienrechtsordnung normativ ein, belässt dem Gesetzgeber aber innerhalb der Strukturmerkmale einen großen Ausgestaltungsspielraum.87 Der funktionale Maßstab des Typus („mehr oder weniger“) wird dadurch zum strukturmerkmalsgeprägten Maßstab des abstrakten Begriffs („entweder – oder“) transformiert.88 Der abstrakte Rechtsbegriff und der funktionsorientierte Typus der Ehe kennzeichnen insofern zwei verschiedene Seiten desselben Rechtsinstituts: Während die Wesensmerkmale der Ehe im Sinne eines abstrakten Begriffs feststehen und deshalb eine präzise Einordnung von Lebensgemeinschaften als Ehe oder Nicht-Ehe möglich ist, betrifft die Zuordnung als typische Ehe die dahinter liegende Seite der Funktion dieses Rechtsinstituts. Diese Funktionstypisierung erleichtert auf der anderen Seite wiederum die Beschreibung der wesentlichen Strukturmerkmale der Ehe.89 Die funktionale Typusbeschreibung ist deshalb zugleich Grundlage und Vorstufe der Begriffsbildung.90 Der abs86 Die parallele Wertung nehmen Peter Badura, Staatsrecht, 3. Aufl., 2003, D Rn. 92, und Klaus Stern, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 28 Rn. 65, für die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch Art. 28 II GG vor, nach denen nur ihr „Wesensgehalt“ verfassungsrechtlichen Schutz genießt. 87 Damit wird gerade bei der Ehe der Gefahr der Petrifizierung eines gesamten Rechtsbereichs entgegengewirkt, vgl. Helmut Quaritsch, Institutionelle Garantie, in: Evangelisches Staatslexikon, hrsg. von Roman Herzog u. a., Bd. 1, 3. Aufl., 1987, Sp. 1352. 88 Allgemein Feser (Fn. 77), S. 66: „Denn mit der Verwendung auch eines Typus im Tatbestand einer Rechtsnorm wird aus seinem typologischen ‚mehr oder minder‘ ein begriffliches ‚entweder – oder‘.“ Ähnlich Rode (Fn. 71), S. 401 (407); Hans J. Wolff, Typen im Recht und in der Rechtswissenschaft, in: Studium Generale 1952, S. 195 (200). Leenen (Fn. 70), S. 109, bejaht das Vorliegen eines abstrakten Begriffs bei einer Überlagerung von verschiedenen Wertungen, die „den Objektsbereich in der einen oder anderen Weise festzulegen trachten“. Diese Wertung wäre hier die auf eine besondere Merkmalsstabilität angewiesene Institutsgarantie, um ihre Schutzwirkung entfalten zu können. 89 Ähnlich auch Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 313 f., bei der Beschreibung des systematischen Verhältnisses zwischen einem „funktionsbestimmten“ und einem „abstrakten“ Begriff. Zum funktionsbestimmten Begriff auch Wank (Fn. 78), S. 79, 152, bei dem dieser Terminus den dogmatischen Anwendungsbereich der Typenlehre fast ganz verdrängt. 90 Vgl. allgemein Mastronardi (Fn. 73), Rn. 810; Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 44.

148 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

trakte Rechtsbegriff und die funktionale Typologie der Ehe schließen sich nach diesem Verständnis nicht aus, sondern ergänzen sich.91 2. Die Reproduktivität als ein Funktionstypus der Ehe Die dargelegte Möglichkeit, aus der funktionalen Typuszuordnung der Ehe Rückschlüsse auf bestimmte Strukturmerkmale des Rechtsinstituts zu ziehen, ist rechtsmethodisch auch für die Frage gewinnbringend, ob die Verschiedengeschlechtlichkeit zu diesen Wesensmerkmalen gehört. Wenn die Verfassung nahe legt, dass zu den typischen Funktionen der Ehe die Reproduktivität zu zählen ist, dann ist die begriffsimmanente Festlegung der grundgesetzlichen Ehe auf die Verschiedengeschlechtlichkeit nur folgerichtig. Einen systematischen Hinweis auf die typologische Einordnung der Ehe als potentielle Reproduktionsgemeinschaft gibt die Erwähnung der Rechtsinstitute von Ehe und Familie in Art. 6 I GG. a) Der Begriff der Familie in Art. 6 I GG Art. 6 I GG statuiert nicht nur den besonderen staatlichen Schutz der Ehe, sondern auch den der Familie. Die Verwendung dieser beiden Rechtsbegriffe als verfassungsrechtliche Schutzobjekte deutet zunächst darauf hin, dass beide Begriffe inhaltlich nicht identisch sind. Dies ist sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum fast ausnahmslos unstrittig. Dagegen wird in der Literatur teilweise sehr kontrovers diskutiert, welche personalen Konstellationen im Einzelnen zur Familie i. S. d. Art. 6 I GG gerechnet werden können und welche nicht. Als gemeinsame Überzeugung hat sich dabei – unterstützt durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung – herauskristallisiert, dass zur Familie in jedem Fall die Gemeinschaft von Eltern mit ihren Kindern gehört und ihren Kernbestand bildet.92 Diese Gemeinschaft wird primär durch die Abstammung 91

Mastronardi (Fn. 73), Rn. 810. Für verschiedene Konstellationen der Eltern-Kind-Gemeinschaft: BVerfGE 10, 59 (66); 18, 97 (105); 25, 167 (196); 45, 104 (123); 48, 327 (339); 57, 170 (178); 80, 81 (90); Sodan/Ziekow (Fn. 12), § 34 Rn. 3; Herbert Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Aufl., 2006, § 4 Rn. 3; Stern (Fn. 9), § 100 III 3 c, S. 395 ff.; Badura (Fn. 28), Art. 6 Rn. 60; ders., Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung (Art. 6 Abs. 1 GG), in: Bitburger Gespräche 2001, S. 86; Gerhard Robbers, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 6 Rn. 77; Sickert (Fn. 49), S. 192 ff.; Rolf Gröschner, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 6 Rn. 67; Martin Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 92

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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geprägt, ausschließlich soziale oder rechtliche Zuordnungen familialer Gemeinschaften sind aber ebenfalls möglich. Eine notwendige Bedingung für die Definition einer Gemeinschaft als Familie ist in jedem Fall das Vorhandensein von Kindern.93 In dieser Voraussetzung unterscheidet sich die Familie von der Ehe. Bei allen sonstigen Differenzen in der rechtswissenschaftlichen Diskussion hinsichtlich der Wesensmerkmale der Ehe gibt es keine Ansicht, die eine Ehe nur dann als vorliegend ansieht, wenn eine Gemeinschaft mit Kindern besteht. Insofern beschreibt die Ehe aus personaler Perspektive die horizontale Dimension einer Lebensgemeinschaft, während die Familie sich auch auf die folgende Generation erstreckt. Die Meinung, auch die kinderlose Ehe sei eine Familie,94 ist vereinzelt geblieben und läuft auf eine erschwerte strukturelle Abgrenzung zwischen Ehe und Familie hinaus. Das Gleiche gilt für die Auffassung, eine Gemeinschaft von Kindern mit ihren nicht verheirateten Eltern sei eine Ehe.95 Die Konsequenz daraus wäre eine begriffliche Tautologie beider Rechtsinstitute in Art. 6 I GG. Eine solche ist dem Grundgesetz und zumal dem Abschnitt, der die Grundrechte behandelt, fremd.

2004, Art. 6 Rn. 9; G. Kirchhof (Fn. 65), S. 542 (549 ff.); Udo Di Fabio, Der Schutz von Ehe und Familie: Verfassungsentscheidung für die vitale Gesellschaft, in: NJW 2003, S. 993 (994); Arnulf Schmitt-Kammler, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 6 Rn. 15 f.; Lecheler (Fn. 9), Rn. 42; Krings (Fn. 66), S. 7 (8 f.); Dagmar Coester-Waltjen, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 6 Rn. 11; E. M. v. Münch (Fn. 49), Rn. 14. 93 Für die Anerkennung der Gemeinschaft von Lebenspartern mit Kindern als Familie i. S. d. Art. 6 I GG Grziwotz (Fn. 92), § 4 Rn. 3, und Sickert (Fn. 49), S. 198 f.; wohl auch Stern (Fn. 9), § 100 III 3 c, S. 402. Vgl. ferner Rijsbergen (Fn. 26), S. 190 ff., 194, die einen durch Verfassungswandel erweiterten Familienbegriff annimmt. 94 So Klaus Seidel, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, § 1589 BGB Rn. 6; Pirson (Fn. 36), Art. 6 I Rn. 22; dagegen Pauly (Fn. 64), S. 1955; Matthias Pechstein, Familiengerechtigkeit als Gestaltungsgebot für die staatliche Ordnung, 1994, S. 100; Franz Klein, Ehe und Familie im Steuerrecht als verfassungsrechtliches Problem, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, hrsg. von Walther Fürst u. a., Bd. 1, 1987, S. 773 (774). Damit verwandt ist auch die Ansicht, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder seien eine „Familie“ i. S. d. Art. 6 I GG. Zu diesem Fehlschluss lädt die missverständliche Formulierung von Anne Klein, Für die Verfassungskonformität des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: FPR 2001, S. 434 (435), ein, die gegenseitige Übernahme von Verantwortung erfolge „im Rahmen familialer Fürsorge“. 95 Dagegen BVerfGE 112, 50 (65).

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b) Der systematische Konnex von Ehe und Familie in Art. 6 I GG aa) Ehe und Familie als personell unterscheidbare Rechtsinstitute in einem gemeinsamen verfassungsrechtlichen Normkontext Der unterschiedliche Begriffsinhalt von Ehe und Familie wird argumentativ für die Auffassung verwandt, es gäbe zwischen diesen beiden Rechtsinstituten gar keinen materiellen verfassungsrechtlichen Zusammenhang.96 An dieser These ist zutreffend, dass das Bestehen einer konkreten Familie nicht von dem einer Ehe und umgekehrt das einer konkreten Ehe nicht vom gleichzeitigen Bestehen einer Familie abhängt. Ehe und Familie müssen deshalb im individuell-konkreten Fall nicht notwendigerweise institutionell miteinander verwoben sein. Sie können auf der individuellen Ebene jeweils auch ohne das andere Rechtsinstitut existieren. Der konkrete Einzelfall allein spricht aber weder für noch gegen eine Einordnung der Reproduktivität als typisierte Ehefunktion. Ein normativer Realtypus beschränkt sich nämlich gerade nicht auf den Einzelfall, sondern kann nur bejaht werden, wenn in der Mehrzahl der Fälle eine bestimmte Erscheinungsform vorliegt. Umgekehrt ist die Annahme einer bestimmten typologischen Zuordnung unzutreffend, wenn sie nicht (mehr) typischerweise, d.h. in der Mehrzahl der Fälle, mit der Realität übereinstimmt. Um den systematischen Zusammenhang zwischen den durch Art. 6 I GG geschützten Rechtsinstituten der Ehe und Familie zu beleuchten, ist zunächst zu berücksichtigen, dass der verfassungsrechtliche Schutz des Grundgesetzes von Anfang an beiden Instituten gleichzeitig, also Ehe und Familie, galt und die Regelung dieses Schutzes in einer Verfassungsnorm erfolgt. Die weiteren Absätze von Art. 6 GG beschäftigen sich zudem mit den Elternrechten und der Stellung des nichtehelichen Kindes sowie dem verfassungsrechtlichen Schutz der Mutter, also mit dem thematischen Bereich des Verhältnisses von Eltern und Kindern. Der inhaltliche Zusammenhang dieser Regelungen zur Familie, deren Kern die Eltern-Kind-Gemeinschaft ist, liegt auf der Hand. Es wäre grundrechtssystematisch nicht nachvollziehbar, wenn der Verfassungsgeber in einer Norm Regelungen zu einem thematischen Komplex träfe, der inhaltlich durch eine Institutsgarantie verfassungsrechtlich abgesichert wäre und eine weitere Institutsgarantie in derselben Norm gar keinen Zusammenhang mit dem übrigen Regelungssubstrat besäße.97 96 Beck (Fn. 34), S. 1894 (1897 f.); Manfred Bruns, Art. 6 I GG und gesetzliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, in: ZRP 1996, S. 6 (6 f.); zumindest für die Gegenwart auch Stüber (Fn. 79), Einf., Rn. 118; Stefan Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 552, 578. 97 Auch Tettinger (Fn. 68), S. 117 (131 ff.).

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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Dies wird beim Vergleich mit Art. 14 I 1 GG besonders deutlich. Diese Norm ist die einzige grundgesetzliche Regelung, die neben Art. 6 I GG ebenfalls zwei (privatrechtliche) Institutsgarantien enthält.98 Die sachliche Beziehung zwischen Eigentum und Erbrecht ist insofern gegeben, als das Eigentum des Erblassers in die Hand des Erben übergehen soll und sich damit die aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Verfügungsbefugnis des Erblassers über dessen Tod hinaus erstreckt.99 Art. 14 I GG stellt mithin einen sachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Institutsgarantien her. Übertragen auf Art. 6 I GG bedeutet dies, dass beide Institutsgarantien sich dort funktional ebenfalls aufeinander beziehen. bb) Verantwortungsgemeinschaft und Reproduktivität als typologisches Substrat der Ehe Fraglich ist nun, welches verbindende Element zwischen Ehe und Familie besteht und wie dieses konturiert ist. Für die Antwort sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Denkansätze möglich, die jeweils verschiedene gemeinsame Aspekte der beiden Rechtsinstitute akzentuieren. Zum einen könnte man den spezifischen Charakter beider Institute als soziale und rechtliche Gemeinschaften von Menschen betonen. Diese Typisierung ergibt sich schon aus dem Vergleich der beiden gesellschaftlichen Realitäten von Ehe und Familie sowie ihren daraus folgenden rechtlichen Definitionen. Ehe und Familie ist unbestritten gemeinsam, dass sie soziale Rechtsgemeinschaften sind. Es ist daher durchaus eine Sichtweise denkbar, die diese Gemeinsamkeit für die einzige zwischen beiden Rechtsinstituten hält. Gegen diesen Ansatz, der ausschließlich die Stabilisierung einer menschlichen Sozialgemeinschaft als Schutzfunktion des Art. 6 I GG ansieht, sprechen jedoch gewichtige systematische Gründe: Im Mittelpunkt des Regelungskomplexes des gesamten Art. 6 GG steht die Familie. Es ist deshalb systematisch wenig nachvollziehbar, warum die Ehe als das erste in Art. 6 I GG genannte Rechtsinstitut sachlich mit dieser Thematik nichts zu tun haben soll, aber dann trotzdem gerade in Art. 6 GG normiert worden ist. Hinzu kommt, dass in Art. 6 I GG zunächst die Ehe, erst dann die Familie, aber dennoch beide Rechtsinstitute gemeinsam genannt werden. Dass es 98 In der Weimarer Reichsverfassung waren das Eigentum (Art. 153) und das Erbrecht (Art. 154) noch in getrennten Normen geregelt. Die Zusammenfassung in Art. 14 GG spricht also auch für den vom Parlamentarischen Rat gesehenen Konnex zwischen beiden Rechtsinstituten. 99 Stern (Fn. 83), § 68 IV 9, S. 829 f.

152 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

sich dabei um eine zufällige Reihenfolge handeln könnte, ist angesichts der anderen im Grundgesetz verankerten Institutsgarantien und ihrer Stellung innerhalb des Normengefüges nicht einleuchtend: Bei Art. 14 I 1 GG wird zunächst das Eigentum und erst dann ein weiterer institutseigener Aspekt dieser Thematik, die Eigentumsübertragung nach dem Tod durch das Erbrecht, genannt. Die Garantie des Eigentums wird durch die Garantie des Erbrechts weiter entfaltet und gestützt. Die Reihenfolge der Nennung von Ehe und Familie spricht somit auch bei Art. 6 I GG dafür, dass die Familie – aus typologischer Sicht – eine sowohl verfassungsdogmatische als auch rechtstatsächliche Entfaltung des Rechtsinstituts der Ehe darstellen soll. Dieser letztgenannte Ansatz ist die zweite denkbare Antwort auf die Frage, welche Art von systematischer Verbindung es zwischen Ehe und Familie geben könnte. Eine Akzentuierung, die den Typus der Ehe als auf die Familie hindeutend und umgekehrt die Familie als die Ehe entfaltend beschreibt, hat systematisch den Vorzug, dass danach der gesamte Art. 6 GG einen thematisch konsistenten Regelungskomplex enthält und die dem ersten Absatz nachfolgenden Absätze wiederum grundrechtliche Entfaltungen der beiden Rechtsinstitute des Art. 6 I GG sind. Die vorgenommene sachlich-systematische Verbindung zwischen der Familie und der auf sie hingeordneten Ehe wird angesichts der rechtstatsächlichen Lebenssituation noch einleuchtender: Trotz deutlicher soziologischer Veränderungen seit Ende der sechziger Jahre, sowohl hinsichtlich der absoluten Zahl von Eheschließungen und Geburten und damit der Erweiterung der Ehe zur Familie als auch hinsichtlich des quantitativen Verhältnisses zwischen den geschlossenen Ehen und den nichtehelich geborenen Kindern, besteht zwischen der Ehe und der Geburt von Kindern ein sich zwar abschwächender, aber dennoch weiterhin enger Zusammenhang.100 Für eine typisierende Betrachtung des Strukturkerns der Ehe ist es nicht erforderlich, dass alle Ehen ein bestimmtes Merkmal aufweisen. Es ist ausreichend, wenn die strukturellen Essentialia bei einer großen Mehrheit der Ehen zu beobachten sind, um sie zum Wesenskern der Ehe zu zählen. Auch die statistisch erfassbaren Beobachtungen der soziologischen Entwicklung der Ehe können deshalb nicht die Folgerung widerlegen, dass die Offenheit der Ehe für die Familie zum Substrat der Ehe gehört. Im Gegenteil belegen sie dies nach wie vor. Aus der typologischen Offenheit der Ehe für die Gemeinschaft mit Kindern kann man nach dem beschriebenen rechtsmethodologischen Konnex zwischen Typus und abstraktem Begriff schließen, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit ein wesentliches Strukturmerkmal der Ehe ist. 100

Vgl. oben 1. Kapitel B. I., S. 42 ff.

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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cc) Personale Konstellationen ohne Konnex zwischen Ehe und Familie als mögliches Argument gegen die Annahme einer typologischen Reproduktivität der Ehe Diesem Ergebnis wird nun das den systematischen Grundansatz der Verbindung von Ehe und Familie berührende Argument entgegengehalten, es seien personale Konstellationen denkbar, bei denen dieser Zusammenhang gerade nicht bestünde.101 Diese Ansicht knüpft an jeweils dem einen oder dem anderen verfassungsrechtlich garantierten Rechtsinstitut des Art. 6 I GG an. (1) Kinderlose Ehen Zum einen wird in Bezug auf die Ehe angeführt, dass eine größere Zahl von Ehen kinderlos sei.102 Die Ursachen können dabei sowohl in der bewussten Entscheidung gegen die Geburt von Kindern als auch in der ungewollten Kinderlosigkeit beispielsweise durch alters- oder krankheitsbedingte Unfruchtbarkeit oder Impotenz liegen. In diesen Fällen liegt weder ein Ehehindernis noch ein Eheanfechtungsgrund vor, so dass Ehen zwischen diesbezüglich disponierten Nupturienten sowohl geschlossen werden können als auch Bestand haben.103 Der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 6 I GG gilt daher auch denjenigen Ehen, in denen ein oder beide Ehepartner nicht fortpflanzungsfähig sind.104 Diese Ehen unterscheiden sich rechtlich folglich nicht von denjenigen Ehen zwischen Ehepartnern, bei denen die Geburt von Kindern möglich ist und angestrebt wird. Ersteren ist aber gemeinsam, dass sie sich nicht mehr in Richtung auf eine Familiengemeinschaft mit Kindern entwickeln können, ein Konnex zwischen Ehe und Familie bei ihnen also gerade nicht besteht. Die denkbare Schlussfolgerung, dass durch diese Fälle die Annahme einer grundsätzlichen Offenheit der Ehe für Kinder und damit eine Beziehung 101

Etwa Möller (Fn. 21), S. 64 (69 f.); Uhlenbrock (Fn. 49), S. 43 f.; Freytag (Fn. 49), S. 445 (450 f.); Schimmel (Fn. 3), S. 100 ff.; ders./Meier (Fn. 3), S. 210 (212). 102 Stüber (Fn. 79), Einf., Rn. 118; Möller (Fn. 21), S. 64 (69 f.); Sickert (Fn. 49), S. 179; Marina Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2003, Rn. 27; Wegner (Fn. 23), S. 170 (187). 103 Das unterscheidet die bürgerlich-rechtliche Ehe von der kanonisch-sakramental geschlossenen Ehe des katholischen Kirchenrechts. Nach Can. 1084 § 1 CIC macht eine der römisch-katholischen Ehe vorausgehende dauernde Unfähigkeit zum Geschlechtsverkehr von Mann oder Frau die Ehe ungültig (die Unfruchtbarkeit als solche allerdings nicht, vgl. Can. 1084 § 3 CIC). Durch Art. 6 I GG ist nur die säkulare „Zivil-Ehe“ geschützt, vgl. Wasmuth (Fn. 49), S. 47 (60). 104 BVerfGE 49, 286 (300).

154 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

zur Familie widerlegt werde, verwechselt undifferenziert die Argumentationsebenen: Neben der schon dargelegten quantitativen Dimension dieser Fälle ist schon der argumentative Schluss von einem Einzelfall auf das typologische Substrat eines Rechtsinstituts und damit auf eine abstrakte Regelungsebene verfehlt. Die einzelne konkrete Ehe ohne Kinder sagt nämlich nichts darüber aus, ob es sich dabei sowohl in quantitativer als auch in systematischer Hinsicht um den Regelfall oder um eine Ausnahme von der Regel handelt. Die funktionale Einordnung eines sozialen Tatbestandes wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der Rechtsrealität im Einzelfall Zuordnungsdevianzen zu beobachten sind. Ansonsten wäre nahezu jede Normgebung als notwendig abstrakter Rechtsgeltungsbefehl per se wegen möglicher konkreter Abweichungen unmöglich. (2) Eltern-Kind-Gemeinschaften ohne miteinander verheiratete biologische Eltern Zum anderen kann auf diejenigen Lebensgemeinschaften von nicht miteinander verheirateten Eltern mit ihren Kindern verwiesen werden, also auf bestehende Familien, ohne dass gleichzeitig eine Ehe die Basis dieser Familien ist. Auch wenn man berücksichtigen muss, dass eine größere Zahl dieser Eltern erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit heiraten, so kann dennoch nicht übersehen werden, dass die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit Kindern stark zugenommen hat. In diesen Fällen besteht kein systematischer Zusammenhang zwischen den Familien und dem Rechtsinstitut der Ehe. Mit diesen Lebensgemeinschaften sind diejenigen Fälle verwandt, in denen gleichgeschlechtliche Paare in einer Gemeinschaft mit Kindern leben. Allerdings ist hier schon die rechtliche Zuordnung des Kindes zur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft problematisch und muss differenziert erörtert werden. (a) Familienpflege Die elterliche Sorge für das Kind umfasst nach § 1626 I 2 BGB die Sorge um die Person des Kindes und sein Vermögen. Es ist allerdings möglich, dass diese Sorge tatsächlich andere Personen als die Eltern wahrnehmen. Bei der Familienpflege über einen längeren Zeitraum ist die Pflegeperson nach § 1688 I 1 BGB berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie in diesem Bereich den elterlichen Sorgerechtsinhaber zu vertreten. Das umfassende Sorgerecht der Eltern kann dort überdies gemäß § 1630 III BGB eingeschränkt werden. Diese Norm ermächtigt das Familiengericht, auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angele-

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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genheiten der elterlichen Sorge auf letztere nach Ermessen des Gerichts zu übertragen, wenn die Eltern das Kind längere Zeit in Familienpflege geben. Wenn das Kind dort längere Zeit lebt und die leiblichen Eltern es von der Pflegeperson wegnehmen wollen, so kann das Familiengericht nach § 1632 IV BGB wegen des Kindeswohles zudem den Verbleib des Kindes bei der Pflegeperson anordnen. Zugunsten des Kindes räumt daher die Rechtsordnung in bestimmten Fällen der Familienpflege die Priorität gegenüber der Eltern-Kind-Beziehung ein. Der Begriff der Familienpflege ist im BGB selbst nicht definiert. Ihr Regelungszweck ist die rechtliche Absicherung einer kontinuierlichen Betreuungsmöglichkeit für ein Kind, das über eine längere Zeit nicht bei seinen biologischen Eltern lebt. Durch das fehlende Näheverhältnis zu den Eltern können sich für das Kind möglicherweise Defizite in seiner Entwicklung ergeben. Sie sollen bestmöglich durch die Familienpflege kompensiert werden. Daraus folgt für die Familienpflege, dass die persönliche Beziehung zwischen dem Kind und der Pflegeperson das entscheidende Kriterium für ihr Vorliegen ist. Je enger dieses Verhältnis ist und je mehr es der Gemeinschaftsbeziehung innerhalb einer Familie entspricht, desto eher wird man von einer Familienpflege sprechen können.105 Familienpflege besteht mithin darin, dass ein Kind außerhalb des Elternhauses durch mindestens eine Pflegeperson in familienähnlichen Verhältnissen wie in Ausübung elterlicher Sorge betreut wird.106 Das Sorgerecht kann danach grundsätzlich bei den Eltern verbleiben, auch wenn die Kindessorge faktisch von der Pflegeperson übernommen wird. Der Maßstab der Familienpflege ist daher primär ein Element des verfassungsrechtlichen Familienbegriffs, nämlich der engen Beziehung der Pflegeperson zum Kind. Wenn eine solche enge Beziehung sich in einem längeren Zeitraum entwickelt, kann dies wegen der großen faktischen Ähnlichkeit zur Familie i. S. d. Art. 6 I GG sogar dazu führen, dass die Pflegeeltern-Kind-Beziehung den verfassungsrechtlichen Schutz von Art. 6 I GG genießt.107 Die Frage, ob auch in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebende Personen zu Pflegepersonen bestellt werden können, kann daher nicht allein mit einem Verweis auf den Begriff der Familienpflege und der Auslegung des in Art. 6 I GG geschützten Rechtsinstituts der Familie beantwortet werden, sondern ergibt sich aus dem charakteristischen und konstitutiven Merkmal des familienrechtlichen Instituts der Familienpflege. 105 Lore Maria Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2002, § 1630 BGB Rn. 39. 106 BayObLGZ 1984, 98; Thomas Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 1127. 107 BVerfGE 68, 176 (187); BayObLG, NJW 1988, S. 2381 (2383); siehe näher unten 4. Kapitel B. I. 9. a), S. 519 ff.

156 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Wenn es dabei auf den Aufbau eines Näheverhältnisses zwischen der Pflegeperson und dem Kind als entscheidender Voraussetzung für die Bejahung der Qualifizierung als Pflegeperson ankommt, ist zum einen danach zu fragen, ob dies dem in einer Lebenspartnerschaft lebenden Menschen grundsätzlich ebenso möglich ist wie einer verheirateten Person. Daran bestehen keine Zweifel. Das Empathievermögen eines Erwachsenen und seine Fähigkeit, eine enge Beziehung zu Kindern aufzubauen, hängen nicht von seiner sexuellen Orientierung ab. Zum anderen muss aber auch der Zweck der Familienpflege berücksichtigt werden, Erziehungsdefizite der natürlichen Eltern auszugleichen. Wenn die potentiellen Pflegeeltern dieser Anforderung nicht genügen, weil sich aus ihrem Zusammenleben mit dem Kind neue entwicklungspsychologische Schwierigkeiten für letzteres ergeben können, sind sie für Aufgaben in der Familienpflege ungeeignet. Das Kindeswohl steht deshalb im Mittelpunkt der Familienpflege. Bei der Erziehung von Kindern durch gleichgeschlechtlich orientierte Personen wird teilweise angenommen, dass Probleme bei der Entwicklung eines geschlechtsbezogenen Selbstbildes der Minderjährigen auftreten können. Andere empirische Forschungen haben dagegen keine relevanten Entwicklungsdifferenzen bei der Familienpflege durch homosexuelle oder heterosexuelle Personen ergeben. Ein einheitlicher Befund, der zu einer typusbestimmten Schlussfolgerung über die Geeignetheit bzw. Ungeeignetheit von gleichgeschlechtlich orientierten Erwachsenen als Bezugspersonen von Kindern führt, liegt mithin nicht vor.108 Das spricht dafür, eine Entscheidung darüber im Einzelfall zu treffen und keine generalisierende Regelung vorzunehmen, die de lege lata auch nicht normiert worden ist. Zu berücksichtigen ist insgesamt auch die – im Gegensatz zur Adoption – grundsätzliche zeitliche Begrenzung der Sorge im Rahmen der Familienpflege sowie der den natürlichen Eltern verbleibende und durch § 1630 III BGB konkretisierte sorgerechtliche Spielraum, der eine Sorgerechtsübertragung auf die Pflegeperson gegen ihren Willen nicht zulässt. Dadurch, dass bei der Familienpflege die rechtliche Beziehung des Kindes zu den natürlichen Eltern bestehen bleibt, ist sein Wohl nicht gänzlich vom Verhalten der Pflegeperson abhängig. Die Maßstäbe der Beurteilung der Geeignetheit als Pflegeperson können deshalb nicht so streng sein wie bei der Auswahl von Adoptiveltern. Eine Bestellung von gleichgeschlechtlich orientierten oder auch in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebenden Erwachsenen als Pflegepersonen ist daher im Einzelfall möglich.109 108

Hinsichtlich des Forschungsstandes siehe unten 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (c), S. 159 ff. 109 Siehe auch Stüber (Fn. 79), Einf., Rn. 59. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 9. b), S. 539 ff.

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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Weil aber der Begriff der Pflegefamilie nur einen Teilbereich des verfassungsrechtlichen Familienbegriffes als Regeltypus abbildet, kann aus der zulässigen Bestellung von gleichgeschlechtlich orientierten Pflegepersonen nicht geschlossen werden, die Hypothese einer typologischen Offenheit der Ehe zur Familie sei systematisch unzutreffend. Dies würde selbst dann gelten, wenn es in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebende Pflegepersonen und ihnen anvertraute Pflegekinder in größerer Zahl gäbe. Auch wenn das Verhältnis zwischen der Pflegeperson und dem Kind im Einzelfall dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie in Art. 6 I GG unterfallen kann, so ist dies nicht nur eine quantitative, sondern auch eine im Vergleich zur Familie als umfassende Eltern-Kind-Gemeinschaft qualitative Ausnahme, weil die Familienpflege als gesetzlich gestaltetes Rechtsverhältnis generell nur ein Substitut für das (gestörte) soziale Verhältnis zwischen den natürlichen Eltern und ihren Kindern ist. Sind die Probleme, die zur Bestellung einer Pflegeperson geführt haben, beseitigt und vermag die Reintegration des Kindes in die Elterngemeinschaft im konkreten Fall das Kindeswohl zu fördern, entfällt der Grund für die Familienpflege. Diese ist deshalb auf die Rückkehr des Kindes in die umfassende Gemeinschaft mit den Eltern angelegt.110 Sie ist also der eigentlichen Eltern-Kind-Beziehung auch im einfachgesetzlichen Recht grundsätzlich nachrangig, so dass sich eine inhaltlich undifferenzierte Vermischung zwischen beiden verbietet. Daraus folgt, dass aus typologischer Sicht die Familienpflege der ElternKind-Gemeinschaft als Regelungskern der verfassungsrechtlich geschützten Familie nicht widerspricht. Dann kann aber die Zulassung von gleichgeschlechtlich orientierten Pflegepersonen kein Argument gegen die typusbezogene Offenheit der Ehe für die Familie sein. (b) Vormundschaft und Pflegschaft Vormundschaft und Pflegschaft gehören beide zu den Fürsorgeverhältnissen für Minderjährige, die bei einer Funktionsstörung der Familiengemeinschaft der natürlichen Eltern zu ihrem Kind realisiert werden können. Ein Minderjähriger erhält nach § 1773 I BGB einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind. Der Vormund besitzt gemäß § 1793 I BGB ein umfassendes Sorge- und Vertretungsrecht für den Minderjährigen. Den Eltern des Mündels kommt dabei das Recht zur Benen110 EGMR (Große Kammer), FamRZ 2002, S. 305; EGMR (4. Kammer), FamRZ 2000, S. 1353; Uwe Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, Einf. v. § 1626 BGB Rn. 11; Rauscher (Fn. 106), Rn. 1129.

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nung des Vormunds gemäß § 1776 I BGB zu, das nur unter den engen Voraussetzungen des § 1778 BGB übergangen werden kann. Durch diesen bestimmenden Einfluss der natürlichen Eltern kommt das Substitutsverhältnis der Vormundschaft und damit deren Nachrangigkeit gegenüber der Gemeinschaft der leiblichen Eltern mit ihren Kindern zum Ausdruck. Bei der Vormundschaft soll nach § 1775 S. 2 BGB grundsätzlich nur ein Vormund für das Mündel bestellt werden. Das Vormundschaftsgericht kann nach § 1775 S. 1 BGB allerdings auch ein Ehepaar gemeinschaftlich zu Vormündern bestellen. Die Bestellung von Lebenspartnern als Vormünder erfordert deshalb besondere Gründe und ist regelungssystematisch die Ausnahme. Das Institut der Vormundschaft spricht wegen dieser Präferenz von Ehepaaren gegenüber anderen Lebensgemeinschaften und angesichts des Substitutsverhältnisses zur Eltern-Kind-Gemeinschaft nicht gegen die typologische Zuordnung der Ehe zum Rechtsinstitut der Familie. Bei der Pflegschaft mit ihren gesetzlich in den §§ 1909 ff. BGB festgelegten Arten wird – anders als bei der Vormundschaft – nicht das gesamte Sorgerecht auf den Pfleger übertragen, sondern nur die Sorge für bestimmte einzelne Angelegenheiten, vgl. § 1630 I BGB. Von der Familienpflege unterscheidet sich die Pflegschaft dadurch, dass bei ersterer gar keine Sorgerechtsübertragung stattgefunden haben muss. Bei Minderjährigen kommt hierbei primär die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 I BGB in Betracht, die angeordnet werden kann, wenn die Eltern oder der Vormund an der Besorgung von Angelegenheiten einer Person, die unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft steht, verhindert sind. Schon an der gesetzlichen Bezeichnung dieser Art der Pflegschaft und an den normativen Voraussetzungen ihrer Anordnung wird deutlich, dass der Pfleger hier eine gegenüber dem eigentlich Sorgeberechtigten nachrangige Position einnimmt. Zwar besteht wegen § 1916 BGB kein der Vormundschaft entsprechendes Benennungsrecht der Eltern, um Interessenkollisionen ausschließen. Die Bestellung von Verwandten und die Berücksichtigung des elterlichen Willens bleibt dabei allerdings grundsätzlich vorrangiges Ziel, das sein verfassungsrechtliches Fundament im durch Art. 6 I, II GG statuierten Schutz der Familie und im Vorrang der Eltern bei der Verantwortung für das Kind findet.111 Als Pfleger kann auch die in einer Lebenspartnerschaft lebende Person vom Vormundschaftsgericht ausgewählt werden. Wegen der beschriebenen Nachrangigkeit des Ergänzungspflegers gegenüber den Eltern bzw. dem Vormund liegt keine Durchbrechung des typologischen Zusammenhangs zwischen Ehe und Familie vor. 111

BVerfGE 33, 236 (238 f.).

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(c) Adoption Nach § 1754 I BGB erlangt ein Kind, das von einem Ehepaar angenommen wird, die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten, in allen anderen Fällen der Adoption wird es gemäß § 1754 II BGB Kind nur des Annehmenden. Die bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes erlöschen nach § 1755 BGB. Die genannten Bestimmungen statuieren also eine grundsätzlich vollständige rechtliche Gleichstellung des adoptierten Kindes mit der Rechtsstellung eines leiblichen Kindes. Das Kind wird durch die Annahme mithin Mitglied der Gemeinschaft von Eltern mit ihren Kindern, also Teil einer Familie i. S. d. Art. 6 I GG.112 Wenn nun gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Adoption von Kindern rechtlich möglich wäre, könnte dies dagegen sprechen, eine typologisch-systematische Verknüpfung von Ehe und Familie anzunehmen. Durch die Einführung des Rechtsinstitutes der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit den sie konturierenden Bestimmungen hat sich trotz Übernahme einer Reihe von eherechtlichen Regelungen in einigen familienrechtlichen Bereichen zumindest die institutionelle Abgrenzung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zur Ehe hinsichtlich der Rechtsformen de lege lata eher noch verstärkt. Dazu gehört auch der Themenkomplex der Adoption: Sowohl im LPartDisBG als auch im LPartGErgG ist die gemeinschaftliche Adoption durch die Mitglieder einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht vorgesehen. Damit bleibt § 1741 II 1 BGB die relevante Vorschrift, nach der eine unverheiratete Person ein Kind nur allein (und nicht mit dem Lebenspartner zusammen) annehmen kann. Es besteht – neben der Stiefkindadoption113 – deshalb nur die theoretische Möglichkeit eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners, als Einzelner das Kind zu adoptieren.114 Diese Rechtslage stimmt insofern mit der im Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern vom 24. April 1967115 den Unterzeichnerstaaten auferlegten Verpflichtung zu einer entsprechenden Rechtsgestaltung überein. Nach Art. 6 I des Übereinkommens darf die Rechtsordnung die Adoption eines Kindes nur zwei miteinander verheirateten Personen 112

BVerfGE 18, 97 (105 f.); 80, 81 (90 f.). Siehe ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 9. b) bb) (3), S. 547 ff. 114 Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 14/4550, S. 6; Stüber (Fn. 79), Einf., Rn. 68; Muscheler (Fn. 26), Rn. 422 f.; Nina Dethloff, Die eingetragene Lebenspartnerschaft – Ein neues familienrechtliches Institut, in: NJW 2001, S. 2598 (2602); Dagmar Kaiser, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, in: JZ 2001, S. 617 (624); Thomas Meyer/Andrea Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, 2001, S. 25. 115 BGBl. 1980 II, S. 1094. 113

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oder einer Person allein gestatten. Da die Bundesrepublik Deutschland dieses Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert hat, ist die gesetzliche Einführung der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner nicht möglich, solange sie an diesem Übereinkommen festhält. Aus der für Lebenspartner nur eingeschränkten Adoptionsmöglichkeit wird vereinzelt weitergehend geschlossen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgehe, dass auch die Adoption durch einen einzelnen in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebenden Partner dem Wohl des Kindes nicht diene.116 Das Kindeswohl ist nämlich nach § 1741 I 1 BGB die primäre und unverzichtbare Voraussetzung für eine Adoption. Eine Adoption durch Lebenspartner, die keine Stiefkindadoption ist, wäre daher nach dieser Ansicht in der Bundesrepublik nicht möglich. Ob allein § 1741 II 1 BGB als argumentative Normenbasis dieser Ansicht die Schlussfolgerung schon zulässt, kann man allerdings bezweifeln, denn die Einzeladoption ist nach der gesetzgeberischen Regelung in dieser Norm ausdrücklich als zulässige Adoptionsmöglichkeit vorgesehen und nicht etwa untersagt. Durch das LPartÜG ist überdies in § 9 VI 1 LPartG n. F. die Einwilligung des nicht adoptierenden Lebenspartners als Voraussetzung der Kindesannahme durch den anderen Lebenspartner allein ausdrücklich normiert worden. Wenn der Gesetzgeber diese Konstellation regelt, ist davon auszugehen, dass sie rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Allerdings übersteigt die Nachfrage nach zu adoptierenden Kindern die Zahl der jährlich durchgeführten Adoptionen bei weitem, so dass angesichts der aus § 1741 II 2 BGB abzuleitenden vorrangigen gemeinschaftlichen Adoption durch Eheleute faktisch eine Einzeladoption durch eine in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebende Person äußerst selten sein wird.117 § 1741 I BGB stellt das Kindeswohl in den Mittelpunkt der adoptionsrechtlichen Bestimmungen. Das Adoptionskind soll durch die Adoption die bestmöglichen Chancen auf eine gute körperliche, geistige und seelische Entwicklung haben, indem es das Gefühl der Geborgenheit durch ungestörte Zugehörigkeit zu seiner (neuen) Familie erfährt.118 Eine unabdingbare Voraussetzung für diese Entwicklung ist eine stabile Sozialbeziehung mit den Adoptionseltern. Ausdruck und Sicherungsfunktion dieser Stabilität soll als Idealtypus der Eltern-Kind-Beziehung ein rechtlicher Rahmen zwischen den Eltern selbst sein, der zwar im Einzelfall gelöst werden kann, aber doch eine größere Verbindlichkeit auch gegenüber dem Kind sichert als eine Be116 Hans-Ulrich Maurer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 8, 4. Aufl., 2002, § 1741 BGB Rn. 27. 117 Muscheler (Fn. 26), Rn. 423; ders., Die Eingetragene Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht, in: Jura 2004, S. 217 (220). 118 BVerfGE 24, 119 (149).

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ziehung zwischen den Eltern ohne institutionelle Prägung. Eine gemeinschaftliche Adoption ohne diesen rechtlichen Rahmen widerspricht daher dem Kindeswohl, so dass dafür eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft – ebenso wie eine verschiedengeschlechtliche – ohne institutionelle Bindung im Regelfall nicht in Frage kommt. Die Voraussetzung einer rechtlichen Bindung erfüllen aber gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, die eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet haben, so dass hinsichtlich dieses Aspektes keine Bedenken mehr für das Kindeswohl vorliegen können. Ein weiterer Problemkreis ist deshalb in den Vordergrund der Diskussion getreten, der auch nach Einführung der Lebenspartnerschaft nichts von seiner Relevanz verloren hat. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob das Kindeswohl dann beeinträchtigt werden könnte, wenn nicht ein Mann und eine Frau als Adoptiveltern die Funktion der leiblichen Eltern übernehmen, sondern ein gleichgeschlechtliches Paar. In den Materialien zur Entstehung des LPartDisBG findet sich keine Begründung, warum der Gesetzgeber das gemeinschaftliche Adoptionsrecht nicht auf die eingetragenen Lebenspartner ausgeweitet hat, wohl aber die in diesem Zusammenhang paradox anmutende Versicherung, dass die Nichtergänzung des § 1741 BGB keine Negativaussage über die Erziehungsfähigkeit gleichgeschlechtlicher Personen intendiere.119 Die Verweigerung der gemeinschaftlichen Adoption zugunsten des Kindeswohles könnte mit einer Gefahr von pädophilen Übergriffen auf Kinder durch gleichgeschlechtliche Adoptiveltern begründet werden.120 Unabhängig von der Tatsache, dass in der Realität eine pädophile Veranlagung auch bei heterosexuellen und verheirateten Personen vorkommt, und von der Frage, wie verbreitet diese Veranlagung bei Homosexuellen ist,121 steht das 119 Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 14/4550, S. 6. Rainer Kemper, Ehe und Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: FPR 2001, S. 449 (454), vermutet deshalb wohl zu Recht, dass das Motiv für die Mehrheit des Rechtsausschusses primär in der Rücksichtnahme auf Emotionen in der Bevölkerung zu sehen ist. Zur Erziehungsfähigkeit von Homosexuellen Juliane Pätzold, Die gemeinschaftliche Adoption Minderjähriger durch eingetragene Lebenspartner, in: FPR 2005, S. 269 (270 f.). 120 Johann Braun, „Ein neues familienrechtliches Institut“, in: JZ 2002, S. 23 (30), deutet dies zumindest an, wenn er ausführt, dass Kinder in (verschiedengeschlechtlich verstandener) Ehe und Familie am besten vor dem sexuellem Zugriff Erwachsener geschützt würden. 121 Wassilios E. Fthenakis, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und kindliche Entwicklung, in: Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, hrsg. von Jürgen Basedow u. a., 2000, S. 351 (380), bezieht sich auf Untersuchungen, nach denen in der Mehrzahl der Fälle Heterosexuelle zum Täterkreis gehören und in über 90% Mädchen zu Opfern sexuellen Missbrauchs wurden; ähnlich Pätzold (Fn. 118), S. 269 (270); Manfred Bruns, Erwiderung auf Johann Braun: „Ein neues familienrechtliches Institut“, in: JZ 2001, S. 291 (292 f.); dagegen aber

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Kindeswohl bei jeder Adoption im Vordergrund. Personen mit erkannter pädophiler Veranlagung können daher im Rahmen des Adoptionsverfahrens als für das Kindeswohl ungeeignet abgelehnt werden, und zwar unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Folglich ist dies kein tragfähiger Grund, um ausnahmslos allen in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebenden Personen die gemeinschaftliche Adoption zu verwehren. Ein weiteres mögliches Motiv für die Verhinderung einer gemeinschaftlichen Adoption ist die Befürchtung, dass entwicklungspsychologische Schäden bei denjenigen Kindern eintreten könnten, die in Elterngemeinschaften ausschließlich mit Personen eines Geschlechts lebten. Hinter dieser möglichen Gefährdung des Kindeswohles steht die Vorstellung, dass für ein kindgemäßes Heranwachsen der intensive Umgang mit Personen beider Geschlechter optimal ist, damit das Kind die geschlechtlichen Identitäten des Menschen auch in gleichem Maße kennen lernen kann. Das wäre bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht in ähnlicher Intensität möglich wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren, allerdings auch nicht bei allein stehenden Personen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung von Vater und Mutter für die Erziehung von Kindern mehrmals ausdrücklich bestätigt, ohne dass es in den entschiedenen Fällen ausdrücklich um die Abgrenzung zu gleichgeschlechtlichen Erziehungsgemeinschaften ging.122 Hinsichtlich möglicher psychologischer Folgen für die Erziehung durch Personen nur eines Geschlechts werden mehrere Konsequenzen für die Entwicklung der kindlichen und jugendlichen Identität beim Zusammenleben mit Eltern aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufgeführt: Zum einen könnte man vermuten, dass in diesen Fällen die Wahrscheinlichkeit einer Störung der sexuellen Entwicklung steigt. Dafür gibt es aber bisher keine empirischen Anhaltspunkte.123 Ob sonstige psychische Störungen in erhöhmit Hinweis auf die polizeiliche Kriminalstatistik Johann Braun, Schlusswort, in: JZ 2002, S. 294 (295). 122 BVerfGE 56, 363 (384): „Die Erziehung und Betreuung eines minderjährigen Kindes durch Mutter und Vater innerhalb einer harmonischen Gemeinschaft gewährleistet aber am ehesten, dass das Kind zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gesellschaft heranwächst, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht.“ Mit ähnlichen Formulierungen BVerfGE 75, 201 (219); 79, 51 (63 f.); instruktiv auch Matthias Jestaedt, Staatliche Rollen in der Eltern-Kind-Beziehung, in: DVBl. 1997, S. 693. 123 Wilfried Griebel/Wassilios E. Fthenakis, Problematische Adoptionsformen. Adoption in der Lebenspartnerschaft aus psychologischer Sicht, in: Harald Paulitz (Hrsg.), Adoption, 2. Aufl., 2006, S. 169 (177); Sickert (Fn. 49), S. 36; Nina Dethloff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, in: Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 18.10.2004, S. 70 (75); dies. (Fn. 114), S. 2598 (2602); Muscheler (Fn. 26), Rn. 412; Stefan C. Saar, in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., 2004, Bd. II, § 1741 BGB Rn. 29; Wellenhofer-Klein (Fn. 102),

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tem Maße auftreten, ist empirisch nicht eindeutig feststellbar.124 Die damit verwandte Hypothese, dass Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufwachsen, später selbst eher zur Homosexualität neigten,125 kann ebenfalls nicht eindeutig empirisch bestätigt werden.126 Allerdings belegen verschiedene Untersuchungen, dass eine soziale Stigmatisierung und Diskriminierung von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Erwachsener aufwachsen, durch andere gleichaltrige Kinder und Jugendliche stattfindet, die sich etwa in abfälligen Äußerungen und Ausgrenzungsversuchen konkretisiert. Diese Stigmatisierung und Diskriminierung wird von den betroffenen Kindern deutlich wahrgenommen. Sie entwickeln deshalb aus Angst, selbst ausgegrenzt zu werden, entsprechende Vermeidungsstrategien, indem sie etwa Dritten gegenüber nicht so offen mit der Partnerschaft der gleichgeschlechtlichen „Eltern“ umgehen wie die mit Vater und Mutter lebenden Kinder.127 Es bleibt in den UnterRn. 193; Stefan Baas/Hanspeter Buba, Zum Stand der Forschung, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von H. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 329 (340); Gerhard Schomburg, Die kindschaftsrechtlichen Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: KindPrax 2001, S. 103 (104); Fthenakis (Fn. 121), S. 351 (381 f.); Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, Lesben und Schwule mit Kindern – Kinder homosexueller Eltern, 1997, S. 24 ff. Christl Ruth Vonholdt, Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zum Entwurf des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts (BT-Drucks. 15/3445), in: Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 18.10.2004, S. 86 (91 f.), weist allerdings darauf hin, dass eine Reihe von Studien wegen ihrer problematischen Repräsentativität als seriöse Argumentationsgrundlage ausscheiden. 124 Eher bejahend Vonholdt (Fn. 123), S. 86 (94 f.); verneinend Sickert (Fn. 49), S. 36. 125 So Herbert Tröndle, Ideologie statt Jugendschutz?, in: ZRP 1992, S. 297 (298) mit Hinweis auf Stimmen der praktischen Psychologie, welche die These von einer Prägung der sexuellen Orientierung ausschließlich in der frühkindlichen Phase für zu einseitig halten; vgl. auch Vonholdt (Fn. 123), S. 86 (93). 126 Verneinend Pätzold (Fn. 119), S. 269 (270); Sickert (Fn. 49), S. 36; Dethloff (Fn. 123), S. 70 (75); dies. (Fn. 114), S. 2598 (2602); Muscheler (Fn. 26), Rn. 412; Saar (Fn. 123), § 1741 BGB Rn. 29; Wellenhofer-Klein (Fn. 102), Rn. 192; Baas/ Buba (Fn. 123), S. 329 (340); Hartmut A. G. Bosinski, Rechtssicherheit für homosexuelle Paare – Angriff auf Ehe und Familie?, in: zur debatte 2/2001, S. 16; Rosemarie Nave-Herz, Partnerschaft – Ehe – Familie, in: zur debatte 2/2001, S. 17 (18); Robbers (Fn. 34), S. 779 (782); Schomburg (Fn. 123), S. 103 (104); Fthenakis (Fn. 121), S. 351 (384); Jörg Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 338; Trimbach/Webert (Fn. 25), S. 63 (66); Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport (Fn. 123), S. 25 ff. Vgl. aber auch Johann Braun, Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, 2002, S. 74, der darauf hinweist, dass die sexuelle Orientierung „Resultat eines Entwicklungsprozesses (ist), in dem unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen können“. 127 Griebel/Fthenakis (Fn. 123), S. 169 (177 f.); H. Weiß, Elternschaft, in: Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, hrsg. von

164 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

suchungen offen, ob die emotionalen Belastungen dieser Kinder als besonders schwerwiegend oder gar als irreparabel für die weitere Entwicklung zu qualifizieren sind. Es kommt allerdings auch nicht darauf an, dass eine diesbezügliche Gefährdung des Kindeswohles mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wissenschaftlich nachgewiesen werden kann. Der Gesetzgeber hat nämlich bei der Ausgestaltung des Adoptionsrechts einen großen Regelungs- und Prognosespielraum, den er auch dazu nutzen kann, schon bei der Möglichkeit einer Gefährdung des Kindeswohles die gemeinschaftliche Adoption nur für Ehepaare vorzusehen. Dieses Ergebnis korrespondiert mit dem Befund, dass wegen des Vorrangs des Kindeswohls auch kein grundrechtlich gesicherter Anspruch von Erwachsenen, gleichgültig welche sexuelle Orientierung diese besitzen, auf die Adoption eines Kindes besteht. Die gesetzgeberische Möglichkeit, Ehepaare bei der Adoption zu bevorzugen, ist darin begründet, dass der geringen Zahl von zur Adoption freigegebenen Kindern eine große Zahl von überwiegend verheirateten Adoptionsbewerbern gegenübersteht128 und jede möglicherweise auftretende typische Gefährdung schon durch eine gesetzliche Auswahlentscheidung verhindert werden kann. Es liegt daher hier eine verfassungsrechtlich zulässige Typologisierung innerhalb des Adoptionsrechts vor, die rechtlich stabile verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften anderen Lebensgemeinschaften gegenüber präferiert und zusätzlich innerhalb der bevorzugten Vergleichsgruppe die Untersuchung jedes Falls hinsichtlich des Kindeswohls erfordert. Der Einwand, eine mögliche soziale Stigmatisierung des Kindes läge primär am faktischen Bestehen einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, in der das Kind lebe, und nicht an deren Rechtsbeziehung zum Kind,129 ist zunächst einleuchtend, berücksichtigt aber nicht die Leitfunktion rechtlicher Normierung. Die Einräumung eines gemeinschaftlichen Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Lebenspartner würde nicht nur die bisher schon bestehenden Gemeinschaften gleichgeschlechtlich orientierter Personen mit Kindern rechtlich verfestigen, sondern auch die EntsteH. P. Buba und L. A. Vaskovics, 2001, S. 223 (227 ff.); Fthenakis (Fn. 121), S. 351 (385 ff.); Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport (Fn. 123), S. 17, 30 f.; vgl. auch Pätzold (Fn. 119), S. 269 (271); Muscheler (Fn. 26), Rn. 413; Saar (Fn. 123), § 1741 BGB Rn. 29; Helge Sodan, Schriftliche Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts (BT-Drucks. 15/3445), in: Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 18.10.2004, S. 82 (84 f.); Wellenhofer-Klein (Fn. 102), Rn. 195; NaveHerz (Fn. 126), S. 17 (18). 128 Auf ein zur Adoption freigegebenes Kleinkind kommen durchschnittlich etwa zehn Adoptionsbewerber, vgl. Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport (Fn. 123), S. 44. 129 So Sickert (Fn. 49), S. 208; Dethloff (Fn. 114), S. 2598 (2602).

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hung weiterer Lebenspartner-Kind-Gemeinschaften unterstützen. Gerade weil gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften auf natürlichem Weg kinderlos bleiben müssen und es zu wenige adoptionsgeeignete Kinder gibt, wäre die Adoption für jene die einzige Möglichkeit zu einer vollständigen gemeinschaftlichen Sorge für das Kind. Dann aber folgte aus der Bereitstellung einer Regelungsmöglichkeit auch deren zunehmende Realisierung, die sich als Gefahr für das Kindeswohl auswirken könnte. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beziehungsstabilität gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften geringer ausgeprägt ist als bei Eheleuten. Die positive Entwicklung von Kindern wird auch durch stabile Beziehungen ihrer Eltern gefördert. Eine im Vergleich zur Ehe gesteigerte Wahrscheinlichkeit des Scheiterns der Lebenspartnerschaft erhöht umgekehrt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung des Kindeswohls. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern bei der gemeinschaftlichen Adoption eines Kindes ist deshalb ein Indikator für den im Vergleich zur Lebenspartnerschaft institutionell engeren Konnex der Ehe zur Familie. Eine grundsätzlich mögliche Einzeladoption durch in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebende Personen ist in der Realität selten, so dass diese Konstellation kein durchgreifendes Gegenargument gegen die Verschiedengeschlechtlichkeit als Wesensmerkmal der Ehe darstellt. (d) Stiefkindadoption Auch die in § 1755 II BGB geregelte Möglichkeit eines Ehegatten, das (aus einer anderen Beziehung stammende) leibliche Kind des Ehepartners zu adoptieren mit der Rechtsfolge, dass das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu dem anderen Elternteil erlischt (sog. Stiefkindadoption), war im LPartDisBG und LPartGErgG ursprünglich ausdrücklich nicht vorgesehen. Nach einfachgesetzlichem Recht war eine Stiefkindadoption bis zum 1. Januar 2005 für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften auch nicht möglich.130 Mit Inkrafttreten des LPartÜG und der Neuregelung des § 9 VII LPartG steht sie seit diesem Zeitpunkt auch Lebenspartnern offen. Die Erweiterung der Stiefkindadoption auf Lebenspartner begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem besonderen Schutz von 130 Stüber (Fn. 79), Einf., Rn. 58; Sickert (Fn. 49), S. 203 f.; Meyer/Mittelstädt (Fn. 114), S. 25. Teilweise wurde auch bei den befürwortenden Stimmen zum LPartG die Anwendung der Stiefkindadoption auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mangels Regelungsnotwendigkeit grundsätzlich abgelehnt, etwa von Muscheler (Fn. 26), Rn. 426.

166 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Ehe und Familie in Art. 6 I GG, dem Elternrecht aus Art. 6 II 1 GG und einem denkbaren verfassungsrechtlichen Anspruch des Kindes auf eine Rechtsbeziehung zu beiden leiblichen Eltern.131 Für die an dieser Stelle zu untersuchende Problematik, ob einfachgesetzliche Bestimmungen die Ehe als einziges Rechtsinstitut mit einer inhärenten familialen Potentialität in Frage stellen, gibt die Stiefkindadoption nichts her: Das rechtlich strukturierte Eltern-Kind-Verhältnis zu einem Elternteil besteht dort regelmäßig schon vor der Begründung der Lebenspartnerschaft, weil es in einer verschiedengeschlechtlichen Beziehung gezeugt worden ist und ein sorgeberechtigter Elternteil erst später eine gleichgeschlechtliche Beziehung zu einer dritten Person eingegangen ist. Mit der Stiefkindadoption wird der bisher nicht umfassend sorgeberechtigte Lebenspartner in dieses Verhältnis integriert und gleichzeitig der andere Elternteil durch Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses zum Kind desintegriert. Zudem stellt diese Möglichkeit angesichts der mit der Stiefkindadoption durch Lebenspartner für das Kindeswohl verbundenen Probleme im Vergleich zur Regeladoption eher die Ausnahme dar. Die adoptionsrechtlichen Regelungen widerlegen also die typologische Verbindung von Ehe und Familie nicht. (e) Sorgerecht nach § 9 LPartG Gemäß § 9 I 1 LPartDisBG hat der Lebenspartner eines sorgeberechtigten Elternteils, die beide zusammen eine Eingetragene Lebenspartnerschaft bilden, im Einvernehmen mit diesem die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. Dieses – in Abgrenzung zum eigentlichen, die Personen- und Vermögenssorge für das Kind umfassenden Sorgerecht des § 1626 I BGB – so genannte „kleine Sorgerecht“ soll der tatsächlichen Situation des gemeinsamen Zusammenlebens, in der auch der nichtsorgeberechtigte Lebenspartner in einer Sozialgemeinschaft mit dem Kind lebt und entsprechende Erziehungsaufgaben übernimmt, in rechtlicher Hinsicht Rechnung tragen.132 Schon durch die Abgrenzung zum eigentlichen Sorgerecht als Regelfall der Eltern-Kind-Beziehung wird aber deutlich, dass für eine Typisierung des Zusammenhangs zwischen Ehe und Familie das Sorgerecht nach § 9 LPartG nur insoweit von Bedeutung ist, als durch die Abstufung des Sorgerechts die aus § 1626a BGB abzuleitende Hervorhebung des gesetzlich vorgesehenen gemeinsamen Sorgerechts von miteinander verheirateten Eltern eher noch betont wird. Der typologische Konnex zwischen der Ehe und der Familie wird dadurch deutlich sichtbar. 131 132

Dazu ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 9. b) bb) (3), S. 547 ff. Begründung des LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 39.

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(f) Reproduktionstechnische Verfahren Der Zusammenhang zwischen Ehe und Familie wäre dann zweifelhaft, wenn es gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften rechtlich möglich wäre, mittels zugelassener reproduktionstechnischer Verfahren Kinder zu zeugen und dadurch den Status als Eltern zu erlangen. Dies wird insbesondere bei Lebensgemeinschaften von Frauen relevant, da durch reproduktionstechnische Verfahren die weibliche Eizelle mit dem männlichen Samen eines Dritten entweder vor oder nach Einführung in den Uterus der Frau befruchtet werden kann. Diese Insemination wird homolog genannt, wenn die Frau, der die Eizelle gehört, mit dem Samenspender verheiratet ist, und heterolog, wenn sie dies nicht ist. Als begrenzende einfachgesetzliche Regelung existiert nur § 9 Nr. 1 ESchG. Dort wird die Strafbarkeit der künstlichen Insemination statuiert, wenn sie nicht von einem Arzt vorgenommen wird. Allerdings statuieren die für Ärzte verbindlichen standesrechtlichen „Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ in Nr. 3.2.3, dass grundsätzlich nur die Samen des Ehepartners verwandt werden dürfen, also ausschließlich eine homologe Insemination erlaubt ist. Die Bestimmung untersagt die Anwendung dieser Methoden bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen ausdrücklich, während sie bei nicht verheirateten Paaren in stabiler Partnerschaft nach vorheriger Beratung durch die bei den Ärztekammern eingerichteten Kommissionen durchgeführt werden darf.133 Zur Begründung wird im Anhang zu diesen Richtlinien ausdrücklich auf den in Art. 6 I GG verankerten Schutz von Ehe und Familie abgestellt und ausgeführt, dass die Verfassung davon ausgehe, „dass eine Familie auf der Basis einer Ehe begründet wird und dadurch ihren rechtlichen und sittlichen Zusammenhalt findet.“ Der Anhang enthält außerdem die Feststellung, dass es sich im Hinblick auf das Kindeswohl verbiete, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften den Kinderwunsch zu erfüllen.134 In Nr. 4.5. der Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass eine Nichtbeachtung dieser Bestimmungen durch den Arzt berufsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen kann. Zwar könnten verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen, diesen Themenkomplex in einer nur standesrechtlich relevanten Richtlinie und 133 Die Richtlinien sind abgedruckt bei Adolf Laufs/Wilhelm Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., 2002, Anhang zu § 129. 134 Der Anhang der Richtlinien findet sich ebenfalls bei Laufs/Uhlenbruck (Fn. 133), Anhang zu § 129. Muscheler (Fn. 26), Rn. 429, hält die Problematik einer möglichen Anfechtung der Vaterschaft bei Auseinanderfallen des „genetischen“ und des „sozialen“ Vaters für den eigentlichen Grund dieser Bestimmung. Das zu ihrer Begründung im Anhang ausdrücklich aufgeführte Kindeswohl erwähnt er nicht.

168 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

nicht in einem formellen Gesetz zu regeln. Dem Grundrecht der auch die ärztliche Tätigkeit umfassenden Berufsfreiheit kommt nämlich wegen seines Zusammenhangs mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein hoher verfassungsrechtlicher Wert zu, dessen Beschränkung durch bestimmte Gemeinschaftsinteressen wegen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips primär der Gesetzgeber regeln muss. Dieser Verpflichtung darf er sich nicht beliebig entziehen.135 Es ist daher nicht unproblematisch, wenn außerhalb des ESchG kein weiteres Gesetz die Rechtsfragen der Fortpflanzungmedizin regelt. Allerdings ist für die vorliegende Untersuchung in erster Linie relevant, dass die bisherigen Regelungen den systematischen Zusammenhang zwischen der Ehe und der die Eltern-Kind-Gemeinschaft umfassenden Familie stringent bestätigen und nicht beeinträchtigen. Die Reproduktionsmedizin hat nach diesen Regelungen den Konnex zwischen Ehe und Familie zu beachten. Auch wird man auch bei einer späteren Ausweitung der zulässigen heterologen Insemination auf insbesondere weibliche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften noch nicht automatisch davon ausgehen müssen, dass die typologische Charakteristik der Ehe als Potential der Familie nicht mehr aufrechterhalten werden kann, weil die Zahl der durch die Reproduktionsmedizin entstehenden Kinder überschaubar bliebe. Insgesamt ist daher durch die Reproduktionsmedizin die typische Bezogenheit der Ehe auf die Familie nicht in Frage gestellt. dd) Ehe als exklusives Substrat jeder Familie? Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Zusammenhang zwischen Ehe und Familie geht noch über das hier durch systematische Auslegung des Art. 6 GG gefundene Ergebnis, welches die Ehe als in ihrem typologischen Kern potentiell für die Familie offen beschreibt, hinaus. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist die Ehe sogar ausschließlich die legitime Grundlage einer vollständigen Familiengemeinschaft und anthropologisch-soziale Voraussetzung für die bestmögliche Entwicklung von Kindern.136 Mag dieser angenommene exklusive Zusammenhang zwischen beiden Rechtsinstituten auch vom familienrechtlichen Bild einer rechtlichen Vorrangstellung von in einer Ehe geborenen gegenüber nichtehelichen Kindern bestimmt und angesichts der gesetzlichen Reformen des BGB, die diese Ungleichbehandlung beseitigt haben, in der Gegenwart 135 136

Vgl. BVerfGE 33, 125 (158 f.). BVerfGE 25, 167 (196); 76, 1 (51).

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nicht mehr aufrecht zu halten sein, so zeigt die Rechtsprechung jedenfalls deutlich, dass Ehe und Familie als aufeinander bezogen gesehen werden. Auch in der gegenwärtigen rechtswissenschaftlichen Literatur wird vereinzelt die Bezeichnung einer Eltern-Kind-Gemeinschaft als verfassungsrechtlich von Art. 6 I GG geschützte Familie davon abhängig gemacht, dass die Eltern miteinander verheiratet sind.137 Begründet wird dies mit der für die Kindererziehung aus entwicklungspsychologischer Sicht notwendigen Stabilität dieser Rechtsgemeinschaft der Eltern.138 Allerdings bleibt fraglich, ob dies nicht schon dann gewährleistet ist, wenn die Ehe nur als Typenkern der Familie – also als ihr Regelfall – definiert und nicht in jedem denkbaren Fall als ihr exklusives Merkmal verstanden wird. Dafür könnte auch sprechen, dass im Einzelfall Konstellationen denkbar sind, in denen die Eltern hinsichtlich der Kindererziehung einen mit Ehepaaren vergleichbaren oder sogar noch stärkeren sozialpsychologischen Stabilitätsrahmen bieten, ohne miteinander verheiratet zu sein. In diesen Fällen leuchtet nicht ein, warum ihnen der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 6 I GG als Familie nicht zustehen sollte. Um das enge Verhältnis zwischen Ehe und Familie zu verdeutlichen, ist es daher ausreichend, wenn die Ehe als typologisches, aber nicht notwendigerweise als exklusives Merkmal der Familie definiert wird.139 ee) Ergebnis Das durch Art. 6 I GG verfassungsrechtlich garantierte Rechtsinstitut der Ehe ist nach systematischer Betrachtung der typologische Kern des ebenfalls durch Art. 6 I GG geschützten Rechtsinstituts der Familie, ohne dass beide Rechtsinstitute inhaltlich deckungsgleich sein müssen. Andere Modelle des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern bzw. sorgeberechtigten Personen und den Kindern stehen dazu in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Wegen der Familienbezogenheit der Ehe können deshalb nach der grundgesetzlichen Systematik nur Mann und Frau einander heiraten.

V. Teleologisches Auslegungsergebnis Um die wesentlichen Strukturmerkmale des Rechtsinstituts der Ehe zu erfassen, reicht ein Blick auf den gesetzgeberischen Impetus der Normsetzung 137

Lecheler (Fn. 9), Rn. 42. Lecheler (Fn. 9), Rn. 44. 139 In diese Richtung geht Stern (Fn. 9), § 100 III 3 c, S. 399, der die Ausübung „spezifischer familiärer Verantwortlichkeit“ als Voraussetzung der Einordnung einer Gemeinschaft als Familie ansieht und der Beschränkung des Familienbegriffs auf die eheliche Familie deshalb ausdrücklich widerspricht. 138

170 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

zur Zeit seiner Entstehung nicht aus. Die Normierung knüpft an einen sozialen Regelungstatbestand an, dessen Substrat auch für die Zukunft perpetuiert werden soll. Im Laufe der Zeit ist es allerdings möglich, dass sich im Kontext mit anderen Rechtsnormen und bei neu auftretenden Problemen in der Rechtsanwendung ein neu akzentuierter und aktualisierter Sinnzusammenhang der Normsetzung erkennen lässt, der das vom historischen Verfassungs- bzw. Gesetzgeber mit der Normierung verbundene Ziel ergänzt. Jede Norm besitzt damit einen objektiven Regelungszweck.140 Er konkretisiert sich in der Analyse der Normsystematik mit der Bedeutung des Wortlauts als äußerster Auslegungsgrenze. Daraus folgt, dass die teleologische Einordnung einer Norm nicht unabhängig von der grammatischen, historischen und systematischen Auslegung erfolgen darf, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass das subjektive Normverständnis des Auslegenden – methodisch regelwidrig – als alleiniger Maßstab für den objektiven Regelungszweck der Norm herangezogen wird. Die teleologische Untersuchung ist deshalb nicht eine eigenständige Auslegungsmethode neben der grammatischen, historisch-genetischen und systematischen Auslegung, sondern setzt diese erst voraus. Sie ist schon zusammenfassendes Auslegungsergebnis. Die teleologische Einordnung behält aber ihre Bedeutung insofern, als sie die aus der vorgenommen Auslegung gewonnenen Erkenntnisse zu strukturieren und zu präzisieren vermag.141 Bei der Ehe besteht dieser Zusammenhang zunächst einmal in der normativen Implementierung eines im Kern bestandsfesten sozialen Tatbestands, dann aber auch in deren Einbettung in ein wertegebundenes Gesamtsystem der Verfassung, das nur bestimmte Tatbestände unter ihren Schutz stellt. Wer die Strukturmerkmale der Ehe präzise erfassen will, kommt deshalb nicht umhin, die Frage zu beantworten, warum das Grundgesetz unter einer Vielzahl von personalen Gemeinschaften gerade Ehe und Familie besonders schützt. Wird die Funktion der Ehe in der Gesamtrechtsordnung deutlich, werden damit zugleich ihre Strukturmerkmale ebenso einleuchtend sein wie 140 BVerfGE 34, 269 (288 f.); Larenz/Canaris (Fn. 12), S. 154. Für eine gegenwartsbezogene teleologische Analyse spricht nach Zippelius (Fn. 36), S. 805 (807), außerdem, dass die Wirksamkeit einer Norm jederzeit von der gegenwärtig durch die Staatsorgane ausgeübten Volkssouveränität abhängt. 141 Sodan/Ziekow (Fn. 12), § 2 Rn. 19; Helge Sodan, Methoden der Verfassungsinterpretation in der verfassungsgerichtlichen Judikatur, in: Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre, Bd. I, hrsg. von Otto Depenheuer u. a., 2004, S. 11 (28); ders., Unabhängigkeit und Methodik von Verfassungsrechtsprechung, in: Wechsel und Kontinuität im Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, hrsg. von Helge Sodan, 2001, S. 21 (24); Müller/Christensen (Fn. 12), Rn. 364; Ekkehart Stein, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Einl. II, Rn. 11, 93; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1995, § 2 Rn. 68.

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der Grund für ihren verfassungsrechtlichen Schutz in Art. 6 I GG. Bei dieser Untersuchung ist der Rückgriff auf das schon im Rahmen der systematischen Auslegung dargestellte methodologische Instrumentarium der typologischen Zuordnung hilfreich.142 In diesem Sinne können drei größere typologische Funktionskomplexe der Ehe unterschieden werden, die einerseits miteinander in Verbindung stehen, andererseits aber jeweils auch einen eigenständigen Bedeutungsgehalt besitzen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren Entscheidungen mit ihnen beschäftigt. 1. Freiheitsausübung Angesichts der systematischen Einordnung der ehelichen Institutsgarantie des Art. 6 I GG in den grundgesetzlichen Regelungsbereich der Grundrechte und ihrer historisch gewachsenen primären Funktion als Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen ist es einleuchtend, dass die verfassungsrechtlich geschützte Ehe einen Bereich bildet, in dem die freie Entfaltung der miteinander verheirateten Personen nicht nur möglich ist, sondern der ihr erst ihre Existenzberechtigung verleiht.143 Die Ehe konstituiert damit einen Raum der Privatheit, deren Kern weder durch den Staat noch durch Dritte angetastet werden darf. Die hinsichtlich ihres jeweiligen Schutzbereichs einschlägigen Grundrechte – und damit auch Art. 6 I GG – sind thematische Ausprägungen des insofern subsidiären Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit i. S. d. Art. 2 I GG. Letzteres schützt jedes Tun oder Unterlassen, sofern es nicht vom Schutzbereich eines anderen Freiheitsrechts erfasst ist.144 Den Institutsgarantien kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil sie dem einzelnen Grundrechtsträger einen über seine Eigenschaft als dem Staat gegenüberstehendes Individuum hinausweisenden Entfaltungsraum zuweisen. Damit erhalten die von Institutsgarantien geprägten Grundrechte einen 142 Für Leenen (Fn. 70), S. 190 ff., ist im Rahmen begrifflicher Rechtsanwendung primär die teleologische Norminterpretation der Raum für typologische Gesichtspunkte. 143 In BVerfGE 76, 1 (45); 105, 313 (350), wird die Ehe als „Freiheitsraum“ bezeichnet. Vgl. auch Martin Burgi, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 Rn. 38 f.; ders. (Fn. 49), S. 487 (499 f.); Freytag (Fn. 49), S. 445 (450); Josef Isensee, § 115: Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 189; HansMartin Pawlowski, Zur Einführung gesetzlicher Regelungen für eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebensgemeinschaften, in: JZ 2000, S. 765; v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (14). 144 Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art 2 Rn. 3.

172 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

mehrdimensionalen Raum der Freiheitsausübung, weil sie einen sozialen Bereich der grundrechtlichen Entfaltung zur Verfügung stellen und in besonderer Weise verfassungsrechtlich absichern. Aus einer isolierten Perspektive der freiheitsgewährenden Dimension der Ehe wird vereinzelt bestritten, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit eines ihrer Strukturmerkmale ist.145 Die grundrechtlich geschützte Freiheitsentfaltung ist in der Tat gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften genauso möglich und für diese ebenso existenznotwendig wie für verschiedengeschlechtliche Paare, denen die Ehe offen steht. Die Entscheidung, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben, ist durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG verfassungsrechtlich geschützt und damit für den Einzelnen eine rechtlich zulässige Möglichkeit seiner personalen Freiheitsausübung.146 Stellte man daher allein auf die mit der Ehe verbundene und durch sie gesicherte Freiheitsentfaltung ab, so bestünden keine Bedenken, sie auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu öffnen. 2. Individuelle und soziale Stabilisierung Die Entfaltung personaler Freiheit in der Ehe erschöpft sich nicht in ihrer Ausübung durch den Einzelnen, sondern ist wegen des Charakters der Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen zwei Menschen auch auf die Freiheitsentfaltung des Ehegatten hin angelegt. Die Freiheitsentfaltung in einer Gemeinschaft kann per se nur gemeinsam erfolgen, so dass sich schon aus ihrer Natur die dialogische Begegnung zwischen den Ehegatten als eine ihrer Existenzvoraussetzungen ergibt.147 Die aufeinander bezogene Freiheitsausübung beider Ehegatten wird umso umfassender sein können, je mehr sie über eine nur gegenwärtige Grundrechtsentfaltung hinaus auch in der Zukunft gesichert ist. Voraussetzung dafür ist zum einen ein rechtlich konstituierter institutioneller Rahmen, der dieser Lebensgemeinschaft zur Verfügung gestellt wird, um ihrem kontinuierlichen Weiterbestehen die staatliche Anerkennung zu verleihen und sie damit selbst für die Zukunft zu sichern. Durch eine rechtlich statuierte Ver145 Etwa von AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941); Bruns (Fn. 96), S. 6 (7); Bruns/Beck (Fn. 33), S. 832 (834). 146 Ausführlich unten 3. Kapitel B. II., III., S. 374 ff. 147 Vgl. dazu Paul Mikat, Ethische Strukturen der Ehe in unserer Zeit – Zur Normierungsfrage im Kontext des abendländischen Eheverständnisses, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 21 (1986), S. 9 (34): „Ehe (ist) zunächst und primär Gestaltungsraum freier Selbstentfaltung und mündiger Verantwortungsfreiheit, sie ist wesenhaft sittlich-personale Lebensgemeinschaft als Geschlechtsgemeinschaft.“

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bindlichkeit der Lebensgemeinschaft soll damit auch die Bindung zwischen den Mitgliedern dieser Lebensgemeinschaft verstärkt werden.148 Zum anderen bliebe aber der institutionelle Rahmen auf eine rein formale öffentlichen Publizitätsperspektive beschränkt, wenn an ihn nicht auch Rechtsfolgen geknüpft werden, die den Bestand der Lebensgemeinschaft auf Dauer sichern. Dazu gehört insbesondere an zentraler Stelle die in § 1360 BGB geregelte Verpflichtung zum Unterhalt des Ehepartners. Erst dadurch, dass auch in finanzieller Hinsicht die Ehegatten eine Lebens-, mithin Unterhaltsgemeinschaft bilden, wird ihnen eine wirksame Freiheitsausübung ermöglicht. Die Ehe soll also den Bestand der einzelnen Lebensgemeinschaft stabilisieren, indem sie die rechtlich sanktionierte Verantwortungsübernahme füreinander fordert und normiert. Die Ehe ist somit eine Verantwortungsgemeinschaft.149 Durch sie erschließt sich allerdings noch eine über die mikrosoziale Perspektive der einzelnen Ehe hinausgehende Dimension der Stabilisierung. Indem die umfassenden Lebensgemeinschaften als Ehen rechtlich anerkannt und in ihrem Bestand gesichert werden, wird gleichzeitig auch der Staat entlastet, in gleicher oder zumindest ähnlicher Weise wie ein Ehegatte Verantwortung für den Einzelnen zu übernehmen. Eine Überforderung des Staates in vor allem finanzieller Hinsicht wird so verhindert. Darüber hinaus erhält die staatliche Gemeinschaft dadurch einen im Vergleich zur ehelichen Lebensgemeinschaft subsidiären Rang hinsichtlich der Verantwortungsübernahme füreinander.150 Die Subsidiarität des Staates dient insofern der Freiheitsentfaltung des Einzelnen in der Lebensgemeinschaft, weil der Staat zwar den Spielraum dieser Verantwortungsübernahme gesetzlich regeln muss und auch geregelt hat, nicht jedoch jede einzelne Interaktion. 148 Heinhard Steiger, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: VVDStRL 45 (1986), S. 55 (76 f.), hält diese gemeinsame Entfaltung personaler Subjektivität für den eigentlichen Grund für den Schutz von Ehe und Familie. Umso erstaunlicher ist es, dass er auf S. 79 für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften „weder Notwendigkeit noch Raum“ sieht, weil doch die „Subjektivierung“ ihres Lebensbereiches grundsätzlich auch diesen Paaren möglich ist. Vgl. auch Lecheler (Fn. 9), Rn. 24, der die „personal-sittliche Gemeinschaft“ der Ehe mit der „Selbstverpflichtung des Willens zu gegenseitiger Anerkennung, Achtung und Sorge füreinander“ in den Vordergrund stellt, aber in Rn. 19 die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Verbindungen wegen der „naturrechtlichen Tradition“ und des „Rechtsbewußtseins der Bürger“ ablehnt; skeptisch gegenüber einer Überbetonung der Subjektivität in der Ehe Mikat (Fn. 147), S. 9 (37). 149 Siehe auch Uhlenbrock (Fn. 49), S. 42; Burgi (Fn. 143), Art. 6 Rn. 39; ders. (Fn. 49), S. 487 (499 f.); Pirson (Fn. 36), Art. 6 I Rn. 34; Steiger (Fn. 148), S. 55 (68). Damit einher geht der rechtliche Schutz des schwächeren Ehepartners, so Zippelius (Fn. 36), S. 805 (808). 150 Auch Freytag (Fn. 49), S. 445 (451); Burgi (Fn. 49), S. 487 (499).

174 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Indem der Staat den rechtlichen Rahmen für stabile Lebensgemeinschaften schafft, stabilisiert er auch sich selbst.151 Damit wirkt sich die Stabilisierungsfunktion der Ehe auf zwei Ebenen gleichzeitig aus: Durch das Rechtsinstitut der Ehe wird einerseits die einzelne Lebensgemeinschaft in ihrem Bestand gesichert, andererseits wird dadurch auch der Staat stabilisiert, weil er als subsidiärer Verantwortungsträger hinter den primären der ehelichen Lebensgemeinschaft zurücktritt und so von der Erfüllung ihn überfordernder Aufgaben entlastet wird. In der Diskussion um das Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe und die Lebenspartnerschaft rekurrieren diejenigen, die für eine Gleichbehandlung beider Rechtsinstitute oder sogar für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften eintreten, besonders auf dieses Element der ehelichen Zielsetzung.152 Die Verschiedengeschlechtlichkeit ist in der Tat kein tragfähiger Maßstab für die prinzipielle Möglichkeit, eine Lebensgemeinschaft oder eine daraus folgende rechtlich statuierte Fürsorgegemeinschaft einzugehen. Sowohl verschiedenals auch gleichgeschlechtliche Paare sind anthropologisch grundsätzlich dazu imstande, eine solche zu bilden. Zwar unterscheiden sich gleichgeschlechtliche Beziehungen im Durchschnitt hinsichtlich der Beziehungsdauer und der sexuellen Monogamie von verschiedengeschlechtlichen.153 Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass Homosexuelle typologisch keine Verantwortungsgemeinschaften bilden könnten, weil sich der empirische Befund bisher nur auf solche Beziehungen bezogen haben kann, die keine rechtliche Absicherung erfahren haben. Insofern ist der Hinweis auf eine kürzere Beziehungsdauer wenig ergiebig für die Frage, ob nur verschiedengeschlechtliche Paare eine solche Verantwortung füreinander eingehen können. Stellt man also ausschließlich auf diese Zielsetzung der Ehe ab, so ist die prinzipielle Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Paare, sie zu verfolgen, zu konstatieren. Die Stabilisierungsfunktion der Ehe könnte deshalb theoretisch auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zugute kommen.154 151

Burgi (Fn. 143), Art. 6 Rn. 39. So etwa Beck (Fn. 34), S. 1894 (1898); Stüber (Fn. 65), Einl., Rn. 118; ders. (Fn. 34), S. 594 (598); Strick (Fn. 64), S. 82 (88 f.); Trimbach/Webert (Fn. 25), S. 63 (66); Bruns (Fn. 96), S. 6 (7). 153 Siehe oben 1. Kapitel B. II, S. 44 ff. 154 Uhlenbrock (Fn. 49), S. 42 f.; Freytag (Fn. 49), S. 445 (450 f.); Robbers (Fn. 34), S. 779 (781 f.); ders., Das deutsche „Lebenspartnerschaftsgesetz“, in: zur Debatte 2/2001, S. 21; A. Klein (Fn. 94), S. 434 (435), die fast durchweg die Argumentation von Robbers übernimmt; Strick (Fn. 64), S. 82 (88 ff.). 152

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

175

3. Typologisches Substrat der Familie Neben der Freiheitsausübung und der stabilisierenden Verantwortungsgemeinschaft wird der Ehe in Rechtsprechung und Literatur noch eine weitere teleologische Bestimmung zugesprochen, die in neuerer Zeit allerdings vereinzelt schon grundsätzlich bestritten155 oder der in teleologischer Hinsicht zumindest geringere Priorität156 eingeräumt wird. a) Die Geschlechtsgemeinschaft als Kern ehelicher Lebensgemeinschaft Die Ehe ist eine Lebensgemeinschaft. Ihr charakteristisches Merkmal ist, dass sich diese Gemeinschaft auf alle Bereiche des partnerschaftlichen Zusammenlebens erstreckt, mithin auch auf den sexuellen Bereich. Daraus folgt, dass zur Ehe typischerweise die Geschlechtsgemeinschaft gezählt wird.157 § 1353 I BGB statuiert darüber hinaus sogar die Verpflichtung der Ehegatten zu dieser Lebensgemeinschaft.158 Zur Realisierung der Geschlechtsgemeinschaft sind sowohl verschiedenals auch gleichgeschlechtliche Paare fähig. Aus ihr allein kann daher eine Herleitung der Verschiedengeschlechtlichkeit als eheliches Strukturmerkmal noch nicht erfolgen, sondern sie kann nur ihr Ausgangspunkt sein. Das entscheidende Argument bezieht sich auf die typischerweise mit dieser dauer155 So bei Beck (Fn. 34), S. 1894 (1897), und Trimbach/Webert (Fn. 25), S. 63 (66), unter Hinweis auf die im Vergleich zu Art. 119 WRV geänderte Fassung des Art. 6 I GG; vgl. auch Steiger (Fn. 148), S. 55 (60), der die Zeugung nicht mehr für einen notwendigen Ehezweck hält. 156 Zum Beispiel Uhlenbrock (Fn. 49), S. 42 ff.; Freytag (Fn. 49), S. 445 (450); Stüber (Fn. 34), S. 594 (598), auch mit dem Hinweis auf den Normtextvergleich von Art. 119 WRV und Art. 6 I GG; Pawlowski (Fn. 68), Rn. 924 ff., der aber die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe mit dem nach Wegfall des § 175 StGB a. F. problematischen Hinweis auf den gesetzlichen Vorrang der Hetero- vor der Homosexualität trotzdem bejaht; E. M. v. Münch (Fn. 49), Rn. 8. Auch Merten (Fn. 28), S. 615 (622 f.), hält die Kinderzeugung zwar für ein „charakteristisches, aber nicht essentielles“ Merkmal der Ehe. 157 BGH, NJW 1967, S. 1078 (1079); Gerd Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 1353 BGB Rn. 7. 158 BGH, NJW 1967, S. 1078 (1079); Brudermüller (Fn. 157), § 1353 BGB Rn. 7; kritisch Hans-Martin Pawlowski, Die „Bürgerliche Ehe“ als Organisation, 1983, S. 48 f.; grundsätzlich skeptisch gegenüber der Annahme eines Verpflichtungscharakters von § 1353 BGB Martin Lipp, Die eherechtlichen Pflichten und ihre Verletzung – ein Beitrag zur Fortbildung des persönlichen Eherechts, 1988, S. 44 ff. Steiger (Fn. 148), S. 55 (59 f.), schließt daraus, dass es ein einheitliches Ehebild nicht mehr gebe und die Ehe der subjektiven Gestaltung der Ehegatten obliege. Letzteres ist zwar zutreffend, schließt aber trotzdem nicht aus, dass typischerweise mit der Ehe verbundene funktionale Zielsetzungen bestehen können.

176 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

haften Geschlechtsgemeinschaft verbundenen Folgen: Aus einer fortdauernden, auf einen lebenslangen Zeitraum angelegten Geschlechtsgemeinschaft zwischen Mann und Frau können auf natürlichem Weg Kinder entstehen, aus einer gleichgeschlechtlichen Sexualgemeinschaft nicht.159 Dieser typologische Unterschied zwischen verschieden- und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft ist damit der Maßstab für ihre differenzierte teleologische Bestimmung und der daraus folgenden unterschiedlichen rechtlichen Einordnung. b) Individuell-mikrosoziales Moment In der Fortpflanzung und der Weitergabe des Lebens liegt ein existentielles anthropologisches Grundbedürfnis des Menschen, das zur Bildung einer sowohl in quantitativer wie qualitativer Dimension im Vergleich zur Ehe noch umfassenderen Gemeinschaft – der durch Art. 6 I GG geschützten Familie – führt. In dieser kann der Mensch seine selbstbestimmte Erfüllung, aber auch Geborgenheit und Schutz finden. Außerdem wird durch die Weitergabe des Lebens in gewisser Weise die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau auch in zeitlicher Hinsicht perpetuiert. Die eigenen Kinder sind nach dem Verständnis vieler Eltern die Grundlage der Transformation eigener personaler Individualität über den eigenen Tod hinaus, indem in den Kindern auch die Eltern selbst sich weitergeben. Die Lebensgemeinschaft als Fortpflanzungsgemeinschaft ist deshalb zunächst aus individueller und mikrosozialer Perspektive der Partner rechtlich schützenswert. Der rechtlich denkbare größtmögliche Schutz besteht nun darin, diese Art der Lebensgemeinschaft im Hinblick auf die Familie auch verfassungsrechtlich als Rechtsinstitut vor Eingriffen in ihren Kern zu bewahren. Das bedeutet aber zugleich, dass nur die verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft dem Schutz unterfallen kann, weil nur bei dieser der spezifisch familiale Bereich der ehelichen Zweckbestimmung gegeben ist. Die Ehe als verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft wird geschützt, weil sie „potentielle Familie“ ist.160 159

Das konzediert sogar Bruns (Fn. 121), S. 291. Rijsbergen (Fn. 26), S. 144 f.; Kämper (Fn. 65), S. 401 (409); Schmitt-Kammler (Fn. 92), Art. 6 Rn. 6, 15; Reiner Tillmanns, Art. 6 I; 3 I, III GG: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: JA 2003, S. 934 (936); Braun (Fn. 126), S. 185 f., 195 f.; Gerd Roellecke, Kommen Kinder aus der Klinik?, in: NJW 2002, S. 2539; Paul Kirchhof, Lebenspartnerschaftsgesetze und Grundgesetz, in: FPR 2001, S. 436 (437 f.); ders., Ehe und Familie als Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft, in: Stimmen der Zeit 1999, S. 507 (508); Jens Schulte, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in der tarifpolitischen Praxis, in: DB 2001, S. 1832; Krings (Fn. 26), S. 409 (410); Rauscher (Fn. 106), Rn. 38; Pauly (Fn. 64), S. 1955; Klaus Schumacher, Zum gesetzlichen Regelungsbedarf für nichteheliche Lebensgemeinschaften, in: FamRZ 1994, S. 857 (858); Louven (Fn. 36), S. 12 (13); 160

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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c) Überindividuell-makrosoziales Moment Neben die individuell-mikrosoziale Konzeption der Ehe als Fortpflanzungsgemeinschaft tritt eine weitere finale Bestimmung, die sich aus der typologischen Verbindung zwischen der Ehe und der potentiell daraus entstehenden Familie ergibt: Weil zumindest die Möglichkeit besteht, dass sich aus der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau eine Familie entwickelt, besitzt das Rechtsinstitut der Ehe eine überindividuelle und makrosoziale Dimension, die über die Perspektive der einzelnen Ehegatten hinausgeht. Diese Dimension berührt auf verschiedenste Weise staatliche Interessen. Zum einen tritt wiederum das Verhältnis zwischen der staatlichen Gemeinschaft und der Verantwortung des Einzelnen für diejenigen in den Vordergrund, die mit ihm in einer engen Gemeinschaft leben. Wenn dazu Kinder gehören, ergibt sich schon aus sozialanthropologischer Sicht, dass grundsätzlich den Eltern die primäre Verantwortung für diese obliegt, weil sie ihnen durch Zeugung und Geburt das Leben geschenkt haben und ihnen dadurch emotional regelmäßig am nächsten stehen. Im Verfassungsrecht ist diesem Gedanken durch Art. 6 II GG und in § 1601 BGB durch Statuierung einer Unterhaltsverpflichtung für Verwandte in gerader Linie Rechnung getragen worden. Damit korrespondiert das in § 1626 I BGB geregelte elterliche Sorgerecht für minderjährige Kinder. Die Eltern übernehmen damit die Funktion der primären Erziehung der Kinder. Wie schon bei der Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau wird auch bei der Familie der Staat von der ihn schon in finanzieller Hinsicht überfordernden Aufgabe entlastet, für die Kinder Verantwortung in der Weise zu übernehmen, wie dies die Mitglieder der Lebensgemeinschaft selbst können. Dem Staat ist damit durch die Verfassung selbst insoweit eine subsidiäre Bedeutung als Verantwortungsträger zugewiesen. Zum anderen trägt die Geburt von Kindern dazu bei, das weitere Bestehen des Volkes zu sichern, von dessen Souveränitätsausübung sich nach Art. 20 II 1 GG die staatliche Gewalt ableitet. Durch Kinder wird darüber hinaus die bestehende demographische Entwicklung mit einem Überschuss der Sterbefälle im Vergleich zur Zahl der Geburten und den daraus entstehenden bekannten schwerwiegenden Folgen für die sozialen Sicherungssysteme gemildert. Insofern erscheint dieser Aspekt auch als Fortführung der noch in Art. 119 I WRV ausdrücklich genannten teleologischen Einordnung der Ehe als „Grundlage der Erhaltung und Vermehrung der Nation“.161 v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (15, 18); Mikat (Fn. 147), S. 9 (44 f.). Gröschner (Fn. 92), Art. 6 Rn. 31, und Gade (Fn. 9), S. 397 (401), stellen vergleichbar auf die „generelle Fortpflanzungsfähigkeit“ ab. 161 BayObLG, NJW 1993, S. 1996 (1997); LG Münster, StAZ 1993, S. 320; Robbers (Fn. 92), Art. 6 Rn. 46; Christian Burkiczak, Die „eingetragene Lebenspart-

178 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

Die soziale Bedeutung der Familie lässt auch Rückschlüsse auf diejenige der Ehe zu. Die Ehe ist als Typus einerseits zeitlich der Familie vorgelagert und damit die institutionalisierte Basis für die Fortpflanzung, mithin eine antizipierte Grundlage der Erweiterung zur Familie. Andererseits besteht die Ehe auch dann fort, wenn aus ihr eine Familie erwachsen ist. Sie bildet deshalb zugleich den institutionellen Kern der Gemeinschaft von Eltern mit ihren Kindern und somit sowohl das soziale als auch das rechtliche Fundament dieser Verantwortungsgemeinschaft. Die Ehe besitzt im Hinblick auf die Familie also zugleich eine katalytisch-dynamisierende wie auch eine konservierende Funktion. Damit hat sie als typologischer Faktor für die Entstehung und die kontinuierliche Existenz der Familie eine wichtige Bedeutung, die sich in ihrer teleologischen Einordnung und daraus folgend in ihrer rechtlichen Strukturierung als verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft widerspiegelt. Der Ehe kommt deshalb gerade im Hinblick auf die institutionell-rechtliche Absicherung der Familie eine besondere Relevanz zu, die sich wegen ihrer Stabilität positiv auf die kontinuierliche Entwicklung von Kindern auswirkt. Diese teleologische Einordnung ist die Grundlage der verfassungsgerichtlichen Sichtweise der Ehe.162 Ihr Blick ist bei der definitorischen Annäherung an die Ehe vor allem auf den Zusammenhang zum Rechtsinstitut der Familie gerichtet. Wenn die Ehe ebenso wie die Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“ gesehen wird,163 so negiert diese Bezeichnung die Begrenzung der ehelichen Perspektive auf die Einzelfamilie und lenkt den nerschaft“ vor dem Bundesverfassungsgericht, in: ThürVBl. 2003, S. 7 (10); Tillmanns (Fn. 160), S. 934 (936); Braun (Fn. 126), S. 56 f.; ders., Gleichgeschlechtliche Partnerschaft und Ehe, in: ZRP 2001, S. 14 (16); Dieter C. Umbach, in: ders./ Thomas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2002, Art. 6 Rn. 59; Zimmermann (Fn. 65), S. 645 (653); Roellecke (Fn. 160), S. 2539 (2539 f.); Kaiser (Fn. 114), S. 617 (624), Krings (Fn. 66), S. 7 (10); Uwe Diederichsen, Homosexuelle – von Gesetzes wegen?, in: NJW 2000, S. 1841 (1842); Willutzki (Fn. 68), S. 117 (118). v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (15), spricht von der „originären Stätte gesellschaftlicher Reproduktion und kultureller Einübung der Nachkommenschaft“. Burgi (Fn. 143), Art. 6 Rn. 38, sieht in diesem Aspekt ohne nähere Begründung keinen eigenständigen Legitimationsgrund der Ehe, konzediert aber, dass mit der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der Ehe auch ein Beitrag zur Bevölkerungspolitik geleistet werde. 162 Siehe BVerfG, NJW 1993, S. 3058; auch BVerwGE 100, 287 (294). Im Schrifttum: Rijsbergen (Fn. 26), S. 53; Badura (Fn. 28), Art. 6 Rn. 42; Friedhelm Hufen, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: JuS 2003, S. 85; Lindenberg/Micker (Fn. 26), S. 707 (710); Tillmanns (Fn. 160), S. 934 (936); Braun (Fn. 126), S. 185, 195 f.; Gade (Fn. 9), S. 397 (403); Tettinger (Fn. 68), S. 117 (138); Burgi (Fn. 49), S. 487 (500); Pawlowski (Fn. 143), S. 765; P. Kirchhof (Fn. 160), in: Stimmen der Zeit 1999, S. 507 (508); ders., Ehe und Familie im staatlichen und kirchlichen Steuerrecht, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 21 (1986), S. 117 (137); Pauly (Fn. 64), S. 1955.

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

179

Blick auf die Bedeutung der ehelichen Fortpflanzungsgemeinschaft für den Staat als funktionales Moment. Es ist bei einer sprachlichen Analyse des vom Bundesverfassungsgericht verwandten Begriffstopos auffallend, dass die Bezeichnung als „Keimzelle“ im Singular für zwei Rechtsinstitute, Ehe und Familie, gebraucht wird. Das deutet darauf hin, dass Ehe und Familie als Bestandteile derselben sozialen Entfaltungsgemeinschaft und damit inhaltlich-teleologisch als aufeinander bezogen gesehen werden. Diese teleologische Perspektive leuchtet ein, wenn die Ehe nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung sogar als exklusives Fundament der vollständigen Regelfamilie gesehen wird.164 Indem die Ehe also zur prototypischen „Keimzelle der Familie“ wird, ist sie zugleich ein antizipierter Typus der Familie und folglich eine „Keimzelle des Staates“ selbst.165 Der Bezug zum vom Bundesverfassungsgericht für Ehe und Familie gebrauchten Begriff der „Keimzelle“ wird paradoxerweise von einigen Stimmen in der Literatur aufgenommen, die den funktionalen Zusammenhang beider Rechtsinstitute bezweifeln.166 Dabei dient dort als Grundlage dieser Begriffsverwendung die skizzierte teleologische Einordnung der Ehe als Gemeinschaft zweier Menschen, die in familienrechtlichen Regelungen konkretisierte Verantwortung füreinander übernehmen. Verantwortungsgemeinschaften dieser Art ähneln im Hinblick auf die Übernahme rechtlicher Verpflichtungen, die sich etwa auch in finanzieller Hinsicht auswirken können, insoweit der staatlichen Solidargemeinschaft mit vergleichbaren Verpflichtungen, die mit den sozialrechtlichen Ansprüchen des Einzelnen gegenüber staatlichen Einrichtungen korrelieren. Insofern ist es bei allen Unterschieden in ihrer rechtlichen Ausgestaltung zutreffend, Ehe und Familie als kleinste, 163

So BVerfGE 6, 55 (71). BVerfGE 24, 119 (149), verwendet den Begriff der „Keimzelle“ für die Familie und BVerfGE 76, 1 (51), statuiert, dass die Ehe „alleinige Grundlage einer vollständigen Familiengemeinschaft“ ist. 164 Die kontradiktorische Gegenüberstellung eines (abgelehnten) Familienbezugs und des freiheitskonkretisierenden Eigenwertes der Ehe als Motive ihres verfassungsrechtlichen Schutzes bei F. Klein (Fn. 94), S. 773 (775 f.), ist nicht zwingend. Vielmehr können sich beide teleologischen Einordnungen ergänzen, ohne in Widerspruch zu geraten. 165 Braun (Fn. 120), S. 23 (25), spricht von der „Urform der Gattung“ als „Keimzelle der Gesellschaft“; auch ders. (Fn. 126), S. 185, 195; Tillmanns (Fn. 160), S. 934 (936); Johannes Dietlein, Der Schutz nichtehelicher Lebensgemeinschaften in den Verfassungen und Verfassungsentwürfen der neuen Länder, in: DtZ 1993, S. 136 (140). 166 Schimmel (Fn. 3), S. 148; ders./Meier (Fn. 3), S. 210 (212). Wächtler (Fn. 22), S. 102, hält den Topos der „Keimzelle“ ebenfalls auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften übertragbar, auch wenn er die funktionale Verbindung zwischen den Rechtsinstituten in Art. 6 I GG durchaus bejaht.

180 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

rechtlich verfasste Solidargemeinschaften anzusehen, die Bestandteile der umfassenderen staatlichen Verantwortungsgemeinschaft sind. Dies gilt für die in Ehe und Familie praktizierte Einübung in ein sozialanthropologisch uneigennütziges und verantwortliches Verhalten dem Nächsten (in Ehe und Familie) gegenüber, auf die auch eine Gesellschaft im interpersonalen Umgang miteinander angewiesen ist. Allerdings vertieft diese Auslegung nur eine Akzentuierung des bundesverfassungsgerichtlichen Begriffstopos und lässt deren inhaltlichen Hauptschwerpunkt der „Keimfunktion“ außer Acht. Nach der Wortbedeutung steht der Begriff des Keimens für „sich entwickeln“ bzw. „zu wachsen beginnen“.167 Damit wird eine dynamische Potentialität beschrieben, die bei der Ehe noch dadurch unterstrichen wird, dass die Familie in Art. 6 I GG ebenfalls genannt wird und beide Rechtsinstitute vom Bundesverfassungsgericht als „Keimzelle“ bezeichnet werden. Der Aspekt der Entwicklungsmöglichkeit der Ehe wird daher am anschaulichsten als potentieller Typuskern der Familie und damit auch der staatlichen Gemeinschaft beschrieben. Insofern ist die Verwendung des Begriffs „Keimzelle“ für Verantwortungsgemeinschaften aller Art nicht gänzlich unzutreffend, aber terminologisch nicht erschöpfend. Die Verwendung dieser Bezeichnung durch das Bundesverfassungsgericht für Ehe und Familie weist über den Typus der bloßen Verantwortungsgemeinschaft hinaus auf die reproduktive Funktion beider Rechtsinstitute hin.168 Soweit die Ansicht vertreten wird, eine bevölkerungspolitisch relevante teleologische Bestimmung der Ehe könne gegen die in Art. 1 GG geschützte Menschenwürde verstoßen, weil sie die individuelle Ehe staatlich induzierten Motiven unterstelle,169 wird verkannt, dass eine rechtliche Verpflichtung der Ehepartner zur Kinderzeugung weder generell noch im Einzelfall besteht.170 Vielmehr handelt es sich bei einer angenommenen potentiellen Offenheit der Ehe für die Familiengründung um eine (staatlicherseits 167

Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Bd. 10, 3. Aufl., 2002, S. 523. Aus der Sicht der Befürworter einer Öffnung der Ehe ist es deshalb auch terminologisch konsequenter, wenn sie die Verantwortungsgemeinschaft als „Baustein der Gesellschaft“ bezeichnen, so bei Sickert (Fn. 49), S. 182; Stüber (Fn. 65), Einl., Rn. 60; ders. (Fn. 34), S. 594 (598); Beck (Fn. 34), S. 1894 (1898); Bruns (Fn. 96), S. 6 (7). Dieser Begriff verzichtet auf eine implizierte Entfaltungsmöglichkeit, wird aber vom Bundesverfassungsgericht nicht verwandt. 169 Schimmel (Fn. 3), S. 145; ebenfalls kritisch Möller (Fn. 21), S. 64 (69); Thomas Wölfl, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft – Das Recht in Deutschland und dem europäischen Ausland, Bd. I, 2004, S. 194 f. 170 Wenn nach BVerfGE 49, 286 (300), Zeugungs- und Gebärfähigkeit keine Voraussetzungen der Eheschließung sind, gilt dies erst recht für eine Verpflichtung zur Kinderzeugung. 168

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nicht durchsetzbare) Verfassungserwartung aufgrund einer auf der historischen Erfahrung basierenden typologischen Einordnung dieses sozialen Tatbestands.171 Insofern haben Bedenken, der einzelne Ehegatte werde dadurch zum Objekt staatlichen Handels, keine tragfähige Grundlage. Ähnlich ist das Argument zu beurteilen, wenn schon steuerrechtliche Regelungen mit dem Ziel, bestimmte Aufgabenverteilungen zwischen den Ehegatten zu fördern, die durch Art. 6 I GG garantierte Freiheitssphäre der einzelnen Ehegatten beeinträchtigten, dann müsse dies erst recht für „bevölkerungspolitische Maßnahmen“ gelten.172 Hier wird die Tätigkeitsschwelle staatlichen Handelns durch eine typologisch-funktionale Einordnung der Ehe überbewertet und damit falsch gewichtet. Aus dem Umstand, dass der Ehe eine Entwicklungspotentialität zur Familie zugesprochen wird, folgt nicht automatisch, dass sich die einzelne Ehe zu einer Familie mit Kindern entwickeln muss oder eine entsprechende Rechtspflicht dazu besteht. Das ergibt sich schon aus der Wortbedeutung des Begriffes „Möglichkeit“, der den Faktor der vergeblichen oder gar nicht erst begonnenen Realisierung impliziert. Wenn der Zusammenhang zwischen diesen Rechtsinstituten als gesellschaftlich und staatlich relevanter Impuls eingeordnet wird, kann dies nicht per se als staatliches Handeln oder gar als „bevölkerungspolitische Maßnahme“ qualifiziert werden. Eine – mit einer steuerrechtlichen Bestimmung vergleichbare – Regelung, welche die Ehe berührt, liegt dadurch nicht vor. Eine gesellschafts- oder staatsbezogene teleologische Einordnung, die der einzelnen Ehe den selbstbestimmten Freiheitsraum zu ihrer Gestaltung belässt, ist kein Eingriff in die Ehegestaltungsfreiheit.173 4. Heterosexualität als verfassungsrechtliches Leitbild? Neben diesen beschriebenen drei teleologischen Zuordnungen wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur als weitergehende teleologische Bestim171 Isensee (Fn. 143), Rn. 189; zur Dogmatik der Verfassungserwartung eingehend Rn. 163 ff. m. w. N. Vgl. auch Wolfgang Zeidler, Ehe und Familie, in: HbVerfR, 1. Aufl., 1983, S. 555 (592), der allerdings auf S. 595 wegen der „zunehmenden Verbreitung der kinderlosen Ehe“ diese Erwartung in der Gegenwart nicht mehr für angemessen und die Ehe deshalb auch nicht mehr für förderungswürdig hält. Diese Ansicht dürfte verfassungsrechtlich allerdings mit der Wertentscheidung des Grundgesetzes für die Ehe ohne eine entsprechende Verfassungsänderung nicht in Einklang zu bringen sein. 172 So Schimmel (Fn. 3), S. 145, und Roellecke, Bevölkerungsrückgang und Bevölkerungsexplosion als juristische Probleme, in: ZRP 1989, S. 21 (24). 173 Roellecke ist selbst der Ansicht, dass der Schutz des Art. 6 I GG auch der Förderung von Ehe und Familie dient. Diese Förderung kommt aber mittelbar auch der Allgemeinheit zugute. Das gilt gerade für die Kinderzeugung und damit für die Entstehung der Familie.

182 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

mung der Ehe vertreten, dass mit ihr ein Leitbild der Heterosexualität im Grundgesetz verankert und verfassungsrechtlich geschützt sei.174 Dagegen kann man schon einwenden, dass theoretisch beide Ehepartner homosexuell orientiert sein können. Denn personenstandsrechtlich kommt es bei der Eheschließung nicht auf deren sexuelle Orientierung, sondern auf das Geschlecht an. Allerdings ist – wie beschrieben – substantieller Kern der Ehe die Lebensgemeinschaft, zu der auch die Geschlechtsgemeinschaft gehört. Eine Ehe, in der aufgrund der sexuellen Orientierung der Ehepartner diese Gemeinschaft ausgeschlossen bleibt, verfehlt ihre Grundfunktion. Deshalb ist es aus der Perspektive einer typenmäßigen Beschreibung zutreffend, der Ehe als Geschlechtsgemeinschaft regelmäßig auch deren heterosexuelle Realisierung zuzuordnen. Allerdings bleibt dann weiter zu fragen, warum das Grundgesetz gerade die geschlechtsverschiedene Sexualität unter ihren besonderen, in Art. 6 I GG statuierten verfassungsrechtlichen Schutz stellte. Das wird auch von den Befürwortern einer leitbildlichen Verankerung der Heterosexualität nicht näher begründet. Ein Begründungsansatz könnte darin liegen, dass mit einer möglichen Verankerung der Heterosexualität in der Verfassung die quantitative Verbreitung homosexueller Dispositionen in der Bevölkerung vermindert werden solle. Abgesehen von der sich aufdrängenden Frage nach einer verfassungspolitisch sinnvollen Begründung für dieses Regelungsziel, wird zu Recht kritisiert, dass eine solche Vorstellung nicht berücksichtigt, dass die gleichgeschlechtliche Orientierung nicht durch verfassungsrechtliche Vorgaben beeinflussbar, sondern Ergebnis einer komplexen psychisch-physiologischen Entwicklung ist.175 Insofern ist der verfassungsrechtliche Schutz einer bestimmten sexuellen Orientierung ein untaugliches Instrumentarium zur Verdrängung der Homosexualität. Die naheliegendste Erklärung ist stattdessen, dass die ausgeübte Heterosexualität typische Bedingung der Kinderzeugung mit den schon beschriebenen positiven Folgen für Eltern und die staatliche Gemeinschaft ist. Dann aber ist die Heterosexualität nur Grundvoraussetzung für den familialen Bezug der Ehe und deren Reproduktivität damit der eigentliche verfassungs174

Robbers (Fn. 92), Art. 6 Rn. 47; Rauscher (Fn. 106), Rn. 38. Vgl. aber Robbers (Fn. 34), S. 779 (782), und ders. (Fn. 154), S. 21, der in Bezug auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften der verfassungsrechtlichen Leitbildfunktion gar keine bzw. nur geringe Bedeutung beimisst. 175 Huster (Fn. 96), S. 606 (Fn. 497); A. Klein (Fn. 94), S. 434; Robbers (Fn. 34), S. 779 (782); Michael Sachs, Rechtsförmliche Lebenspartnerschaften für Menschen gleichen Geschlechts – Verfassungsgebot oder Verfassungsverstoß?, in: JR 2001, S. 45 (49).

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rechtliche Schutzzweck.176 Daraus folgt, dass zwar die Heterosexualität als conditio sine qua non der ehelichen Entfaltungspotentialität zur Familie anzusehen ist, sie aber letztlich nur eine besondere Ausprägung und Akzentuierung des teleologischen Grundmusters der ehelichen Offenheit für die Familie darstellt. Deshalb ist es aus der Sicht teleologischer Systematik näher liegender, die leitbildliche Verfassungsvorstellung von Heterosexualität dort zu verankern und sie nicht als eigenständiges teleologisches Hauptmotiv für den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe anzusehen. Diese Einordnung der Sexualität in die Erweiterungspotentialität der Ehe zur Familie ließe sich zudem mit den Stimmen aus der Literatur vereinbaren, die die Annahme eines sexualorientierten Leitbildes mit dem sittlich-moralischen Neutralitätscharakter der Verfassung für unvereinbar halten.177 5. Verhältnis der verschiedenen teleologischen Perspektiven der Ehe zueinander Wenn die Ehe demnach ein antizipiertes typologisches Substrat der Familie ist, stellt sich die Frage, wie das Verhältnis dieser teleologischen Einordnung zu den beschriebenen Charakterisierungen der Ehe als Freiheits- und Stabilitätsgemeinschaft ist, und weitergehend, ob ihr ein Vorrang hinsichtlich der teleologischen Bedeutung zukommt. Zunächst ist festzuhalten, dass der Konnex zwischen Ehe und Familie nicht im inhaltlichen Widerspruch zur Funktion der Ehe als Ort selbstgestalteter Freiheitsausübung der Ehegatten und auch nicht zur Bezeichnung als stabilisierende Verantwortungsgemeinschaft steht. Im Rahmen der Institutsgarantie bilden alle drei Zielsetzungen – Freiheitsausübung, Verantwortungsübernahme und Reproduktivität – unterschiedliche Bereiche der Institutionalisierung ab. Jedes Rechtsinstitut soll die Freiheitsausübung des Einzelnen sicherstellen und besitzt durch seine verfassungsrechtliche Garantie ein stabilisierendes Element für das mit ihm verbundene Sozialgefüge. Allerdings sind die verschiedenen Zweckbestimmungen der Ehe nicht gänzlich unabhängig voneinander. Durch den interinstitutionellen Zusammenhang zwischen Ehe und Familie werden die übrigen Zielfunktionen der Ehe erst vollständig entfaltet. Die selbstbestimmte und damit freiheitskonkretisierende Gestaltung einer Lebensgemeinschaft durch ihre Mitglieder bedarf zu ihrer Ermöglichung nicht per se eines institutionellen Rah176 Auf diesen funktional verstandenen Wert von Ehe und Familie stellen Braun (Fn. 126), S. 67 ff., sowie Tettinger (Fn. 68), S. 117 (170), ab, wenn sie von der leitbildlichen Herausstellung dieser Rechtsinstitute in der Verfassung ausgehen. 177 So Sickert (Fn. 49), S. 177 f., und Huster (Fn. 96), S. 610, der allerdings außerdem auch den reproduktiven Bezug zwischen Ehe und Familie ablehnt.

184 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

mens; der Schutz durch Art. 2 I GG wäre dafür ausreichend. Wenn die Freiheitsgestaltung einer Lebensgemeinschaft institutionell – und noch dazu auf verfassungsrechtlicher Ebene – geschützt wird, dann deshalb, weil dieser Schutz eine Bedeutung für das durch die Verfassung bewahrte staatliche Gesamtgefüge hat. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Verfassung implizit eine wiederum typologisch zu verstehende Erwartung zu entnehmen ist, in welcher Weise sich die Freiheitsausübung einer solcherart geschützten Lebensgemeinschaft konkretisieren und langfristig entwickeln wird. Das deutet darauf hin, dass schon beim Schutz der Ehe als Freiheitsraum ihre zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten verfassungsrechtlich eine Rolle spielen. Dies wird noch deutlicher bei der zweiten finalen Einordnung der Ehe als stabilisierende Verantwortungsgemeinschaft. Wenn durch eine verfassungsrechtlich verankerte Institutsgarantie eine Lebensgemeinschaft als Verantwortungsgemeinschaft stabilisiert werden soll, dann ist darin nicht nur eine diese Sozialtatbestände konservierende Zielsetzung zu sehen. Verfassungsrechtliche Institutsgarantien enthalten darüber hinaus immer eine auf die Zukunft gerichtete dynamische Entfaltungspotentialität. Bei der Ehe ist dies die typenmäßige Entwicklung zur Familie. Indem sich die Ehe zur Familie weiterentwickelt, stabilisiert sie damit zugleich die gesellschaftlichen Sozialstrukturen.178 Die ehelichen Funktionsbestimmungen der Stabilitätswirkung und der Entfaltungsmöglichkeit zur Familie beeinflussen sich somit gegenseitig. Damit weisen die ehelichen Zielsetzungen der Freiheitsausübung und der Verantwortungsgemeinschaft neben den ihnen verbleibenden Eigenbereichen zugleich über sich hinaus auf die teleologisch vorgesehene Entwicklung zur Familie hin. Daraus lässt sich ableiten, dass der Funktion der Ehe als potentielle Familie ein gewisser Vorrang gegenüber den anderen Zielsetzungen der Ehe zukommt, weil sie als einzige Funktion das unmittelbare Entfaltungspotential zu einem anderen Rechtsinstitut enthält. Damit kommt im Konnex von Ehe und Familie am ehesten der dynamisch-zukunftsträchtige Typenkern des Rechtsinstituts zum Ausdruck. Aus der teleologischen Bestimmung der Ehe in ihrem Bezug zur Familie ergibt sich, dass sie als Typus nicht auf eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft übertragen werden kann. Die verschiedenen Konstellationen, in denen Lebensgemeinschaften dieser Art den Mittelpunkt von Familien bilden können, sind kein tragfähiges Gegenargument: Ihnen ist gemeinsam, dass sie in quantitativer Hinsicht einen geringen Anteil der Familien ausmachen und damit als Argumentationsbasis gegen eine Typologisierung der Ehe wenig geeignet sind. Außerdem ist die rechtliche Perspektive in diesen Ausnahmesituationen primär auf das potentiell gefährdete Wohl des einzel178

v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (18).

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nen Kindes gerichtet, so dass ein institutioneller Zusammenhang zwischen der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft und der Familie gar nicht in den Blick kommen kann. Damit können aber diese Fälle auch nicht herangezogen werden, um den angenommenen Zusammenhang zwischen Ehe und Familie zu erschüttern. Die Ehe steht damit aus teleologischer Sicht nur der Verbindung von Mann und Frau offen.

VI. Mögliche Modifikationen der ehelichen Grundstruktur durch Verfassungswandel Nach dem bisherigen Untersuchungsgang kann festgehalten werden, dass eine typologische Auslegung des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs nach den tradierten Auslegungsmethoden ergibt, dass die Ehe nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen steht. In der verfassungsrechtlichen Literatur gibt es nun vereinzelt Stimmen, die diesem mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmenden Auslegungsergebnis179 zwar dadurch Rechnung tragen, dass sie ihre Relevanz für die Vergangenheit nicht in Abrede stellen, ihre Geltung für die Gegenwart aber bestreiten. Begründet wird dies mit tief greifenden sozio-strukturellen Umbrüchen im Bereich der Ehe sowie der veränderten rechtlichen Einordnung der Homosexualität. Beide Faktoren beeinflussen nach dieser Ansicht auch die verfassungsrechtliche Definition der Ehe dahingehend, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit kein unverzichtbares eheliches Strukturmerkmal mehr sei und mithin gleichgeschlechtliche Paare in der Gegenwart von der Eheschließung nicht generell ausgeschlossen werden dürften.180 179 Vgl. etwa BVerfGE 10,59 (66); 49, 286 (300); 53, 224 (244); 62, 323 (330); 76, 1 (50); 105, 313 (345); 112, 50 (65); 115, 1 (19); BVerfG, NJW 1993, S. 3058. 180 Strick (Fn. 64), S. 82 (84); Ott (Fn. 38), S. 117 (117 f.); Trimbach/Webert (Fn. 25), S. 63 (64 f.); Bruns (Fn. 96), S. 6 (7); ders./Beck (Fn. 33), S. 832 (833 f.); Schimmel (Fn. 3), S. 111 ff., insb. S. 131; Wegner (Fn. 23), S. 170 (188 ff.); ausdrücklich offenlassend, aber zur Annahme eines modifizierten Ehebegriffs neigend Beck (Fn. 34), S. 1894 (1898). Dominique Jakob, Homosexuelle Paare zwischen Gleichstellung und Abstandsgebot, in: Jura 2003, S. 762 (770), erkennt hinsichtlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum LPartDisBG ebenfalls einen Verfassungswandel; Alexander Lüderitz/Nina Dethloff, Familienrecht, 28. Aufl., 2007, § 1 Rn. 18, sehen angesichts der Gleichstellungsbestrebungen die „unterschiedliche Begrifflichkeit des einfachen Rechts für (. . .) die verfassungsrechtlich verbürgte vorgefundene außerrechtliche Lebensordnung schon bald an Bedeutung verlieren.“

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Die Befürworter dieser Auffassung denken dabei nicht, wie man zunächst erwarten könnte, an eine Implementierung einer grundgesetzlichen Legaldefinition der Ehe durch eine Verfassungsänderung des Art. 6 I GG. Wegen der hohen formellen Hürden des Art. 79 GG dürfte dieser Weg angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat und der politischen Auffassungen der Mehrheit ihrer Mitglieder zu Ehe und Familie zumindest mittelfristig ausscheiden. Stattdessen wird von ihnen das im staatsrechtlichen Schrifttum beschriebene und auch verfassungsgerichtlich grundsätzlich sanktionierte Phänomen des Verfassungswandels ohne ausdrückliche Textänderung des Grundgesetzes herangezogen. 1. Voraussetzungen und Grenzen des Verfassungswandels Auf den ersten Blick scheint die Möglichkeit eines inhaltlichen Bedeutungswandels einer Verfassungsnorm ohne deren ausdrückliche Normänderung durch das nach Art. 79 GG vorgegebene Verfahren sowohl dem Sinn und Zweck dieses Verfahrens als auch dem aus dem Bestimmtheitsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Normenklarheit zu widersprechen. Durch die in Art. 79 GG statuierten Voraussetzungen mit den erforderlichen qualifizierten Mehrheiten für eine Verfassungsänderung soll sichergestellt werden, dass diese von einer breiten Mehrheit von Bundestag und Bundesrat getragen wird. Gleichzeitig wird dadurch die zeitliche und inhaltliche Bestandskraft der Verfassung, der als Grundlage des positiven Rechts auch wegen § 78 BVerfGG besondere Bedeutung zukommt, gewährleistet. Zudem könnte die Inhaltsänderung einer Norm ohne Verfassungsänderung, die bei Streitigkeiten um die Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht konkretisiert werden müsste, gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen, weil Verfassungsänderungen nach Art. 79 GG ausdrücklich der Legislative vorbehalten sind und mithin nur die parlamentarisch verfasste verfassungsändernde Gewalt zur Normsetzung in diesem Bereich befugt ist.181 Andererseits beziehen Rechtsnormen ihre Gestaltungskraft nicht nur dadurch, dass sie den jeweiligen Rechtssatzbefehl in der Wirklichkeit normativ abbilden und perpetuieren, sondern auch durch den sinnvollen Umgang mit sich grundlegend verändernden Strukturen der sozialen oder kulturellen Realität. Gerade durch letzteres zeigt sich, welche langfristige Wirksamkeit Rechtssätze entfalten können, wenn sie einerseits durch ihr Normengefüge rechtstatsächlich Einfluss nehmen, gleichzeitig aber nicht schon bei jeder 181 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Anmerkungen zum Begriff des Verfassungswandels, in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, hrsg. von Peter Badura und Rupert Scholz, 1993, S. 3 (12).

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Wirklichkeitsveränderung automatisch an rechtsgestaltendem Einfluss verlieren. Voraussetzung dafür ist eine grundsätzliche Offenheit der Verfassung für Veränderungen, die Impulse flexibel aufnehmen und auf sie dynamisch reagieren kann, ohne freilich zugleich ihre inhaltliche Normsubstanz aufzugeben.182 Diese Ambivalenz ist bei Verfassungsregelungen besonders groß, weil sie regelmäßig einen gewissen Abstraktionsgrad aufweisen und deshalb konkretisierungsbedürftig sind. Das gilt weniger für normierte Verfahrensbeschreibungen in der Verfassung, aber umso eher für grundrechtliche Formulierungen, die eine Vielzahl verschiedener Fallkonstellationen umschreiben und erfassen sollen.183 Bei der definitorischen Annäherung an den Begriff des Verfassungswandels muss zwischen der Auslegung und Interpretation von Verfassungsnormen, deren jeweiliger Normbereich mit seinem Aussagekern in einem inhaltlichen Bezug zur Realität steht, und einem staatspolitisch induzierten Verfassungswandel unterschieden werden. Beide Konstellationen sind typisierte Formen des Verfassungswandels. a) Das Verhältnis von Normprogramm und Normbereich Der Verfassungswandel durch Verfassungsinterpretation ist geprägt durch eine inhaltlich veränderte Wechselbeziehung zwischen dem Normbereich mit seiner Regelaussage und der Wirklichkeit. Wirklichkeit und Rechtsnorm sind nämlich nicht unabhängig voneinander, sondern stehen sich in einem interaktiven Verhältnis gegenüber. Eine Norm umfasst sowohl den eigentlichen Aussagekern, das Normprogramm, als auch einen Bereich der Wirklichkeit, auf den sich das Normprogramm bezieht, den Normbereich.184 Wenn sich dieser von der Norm umfasste Teilbereich der Wirklichkeit ändert, folgt daraus nicht zugleich eine Änderung des Rechtssatzsubstrats der Norm. Vielmehr gilt das Normprogramm weiterhin, allerdings mit einer dogmatisch neu akzentuierten Anwendung auf den veränderten Realitäts182 Bodo Pieroth, Geschichte des Grundgesetzes, in: Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit im Wechselspiel, hrsg. von dems., 2000, S. 11 (24); Brun-Otto Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, S. 265 f., 276. Siehe auch Peter Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl., 1983, S. 213 ff., nach dem sogar der Wesensgehalt der Grundrechte i. S. v. Art. 19 II GG einem Verfassungswandel unterworfen sein kann. Problematisch bleibt dann allerdings die Möglichkeit einer Rechtssicherheit vermittelnden Grenze dieses Wandels. 183 Pieroth (Fn. 182), S. 11 (25); Häberle (Fn. 182), S. 214. Als Beispiel etwa BVerfGE 57, 295 (320 ff.): Danach verpflichtet die Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG den Gesetzgeber, rechtliche Regelungen für deren Ausgestaltung zu treffen. Diese Regelungen müssten auch mögliche tatsächliche Veränderungen der Situation des Rundfunks in der Zukunft flexibel aufnehmen können. 184 Wegweisend Müller/Christensen (Fn. 12), Rn. 230 ff., 485 ff.

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bereich. Diese Anpassung geschieht durch die herkömmliche Auslegung. Das heißt aber zugleich, dass der in der Norm statuierte Kerngehalt der Regelungsaussage nicht in einer inhaltlichen Abhängigkeit zur Realität steht und bloße „Rechtsfolge“ der Wirklichkeit ist, sondern auch selbst auf diese einwirken kann.185 Nur wenn durch die veränderte Wirklichkeit ein unüberbrückbarer Spannungsbogen entsteht, der zur Desintegration der Verfassung selbst führt und der auch durch die klassische Auslegungsmethodik nicht mehr aufgehoben wird, kann eine Änderung des Normenbereichs und damit ein verfassungspolitischer Verfassungswandel in Erwägung gezogen werden.186 Es ist schon fraglich, welche Fälle dafür überhaupt in Betracht kommen; in der Verfassungspraxis der Bundesrepublik ist bisher noch kein Verfassungswandel dieser Art konstatiert worden. Ungeschriebene Prämisse dieser verfassungsdogmatischen Konstruktion ist jedenfalls die Möglichkeit einer einseitigen inhaltlichen Prägung von Rechtsnormen durch die Wirklichkeit selbst. Damit wird sie aber der Funktion der Verfassung als normative Instanz nicht gerecht und verliert den Blick für das interaktive Verhältnis von Norm und Realität. Pointiert formuliert: Die Realität selbst würde damit zur Verfassung. Dies hätte zur Konsequenz, dass zugleich das verfassungsimmanente Ziel der machtstaatlichen Begrenzung der Staatsgewalt durch eine sie bindende Normsetzung aufgegeben würde.187 Dieser Ansatz entspricht aus den genannten Gründen daher nicht dem Bild des Grundgesetzes als normativer Rechtsordnung und ist abzulehnen.188 b) Die Voraussetzungen im Einzelnen Um die beschriebene Spannung zwischen konservierender und dynamisierender Normengeltung im Verfassungsrecht nicht durch die unbegrenzte Annahme der Möglichkeit eines Verfassungswandels einseitig in eine der beiden Richtungen zu verlagern, müssen deshalb mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, um einen zulässigen Verfassungswandel in den Grenzen der Verfassung selbst bejahen zu können: 185

Ähnlich v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (48), der darauf hinweist, dass „Tatsächlichkeiten der normativen Kraft entbehren“. 186 Böckenförde (Fn. 181), S. 3 (13 f.), hält diese Konstellation für den eigentlichen Verfassungswandel. Vgl. auch Wölfl (Fn. 169), S. 139 f. 187 Konrad Hesse, Grenzen der Verfassungswandlung, in: Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Horst Ehmke u. a., 1973, S. 123 (134). 188 Auch Heinrich Amadeus Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, 2000, S. 86; Böckenförde (Fn. 181), S. 3 (13 f.); Bryde (Fn. 182), S. 262, mit dem Hinweis auf das Gebot der „Verläßlichkeit der Verfassung“.

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aa) Neue Tatbestände Zunächst müssen in einem bestimmten Regelungsbereich neue Tatbestände entstehen.189 Diese dürfen bei der Normsetzung nicht vorausgesehen worden sein, denn dann könnte sich der Regelungsgehalt gerade auf die zukünftigen Veränderungen in dem Sinne erstreckt haben, als der Normbefehl in unveränderter Form auch für sie gelten solle. Dadurch käme in zulässiger Weise die konservierende Funktion des Rechts zum Ausdruck. Außerdem bestünde zusätzlich die Möglichkeit, dass bestimmte Normen schon aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades, aber auch wegen ihrer Zweckbestimmung schon final auf einfachrechtliche Konkretisierungen angelegt sind und deren Verfassungsmäßigkeit durch bloße Auslegung der Verfassungsnorm beurteilt werden kann. In diesem Fall wäre die Annahme eines Verfassungswandels überflüssig.190 Möglich ist ferner, dass sich der inhaltliche Bezug schon bestehender Tatbestände in ihrem Umfeld durch die Gesamtentwicklung anderer Faktoren verändert.191 Diese Veränderungen müssen sich dabei nicht auf den sozio-strukturellen Bereich beschränken. Es ist denkbar, dass sich die grundsätzlichen Anschauungen und materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen so stark verändert haben, dass von einem Verfassungswandel ausgegangen werden kann.192 Diese Fallgruppe weist allerdings mehrere verfassungssystematische Probleme auf, so dass sie nur mit größter Zurückhaltung anzunehmen ist: Erstens besteht schon die Ausgangsschwierigkeit, von welcher überprüfbaren Grundlage aus auf einen solchen Vorstellungswandel geschlossen werden kann. Demoskopische oder andere empirisch nachprüfbare Materialien können nicht ohne weiteres herangezogen werden. Ähnliches gilt für die Entwicklung von Diskussionen in der rechtswissenschaftlichen Literatur. Zwar kann die intensive Problematisierung bestimmter Fragestellungen ein 189

Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh einen Verfassungswandel grundsätzlich für möglich gehalten, ihn aber im konkreten Fall verneint: BVerfGE 2, 380 (401), für die Problematik der Erstreckung des Art. 14 GG auf vermögenswerte Positionen des öffentlichen Rechts; BVerfGE 3, 407 (422), für das Problem, ob das Baurecht als Gesamtmaterie kompetentiell durch den Bund geregelt werden kann. 190 Wolff (Fn. 188), S. 99 f.; Böckenförde (Fn. 181), S. 3 (7 f.); Peter Badura, § 160: Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: HStR VII, 1992, Rn. 13. 191 BVerfGE 2, 380 (401); 3, 407 (422). 192 BVerfGE 34, 269 (288 f.), bejaht einen Vorstellungswandel für die Frage, ob bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch ein Schadensersatzanspruch in Geld bestehen kann und diese Annahme gegen die Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG verstößt; siehe auch Wolff (Fn. 188), S. 105, 108.

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Indikator für Veränderungen juristischer Perspektiven sein, sie muss es jedoch nicht. Eine sachgerechte Einordnung solcher Debatten gelingt erfahrungsgemäß erst längere Zeit, nachdem sie begonnen wurden. Angesichts der methodischen Fragwürdigkeit, etwa die Quantität von Beiträgen für eine bestimmte Ansicht zum Maßstab für Anschauungsveränderungen in der Literatur zu erheben,193 und des komplexen Beziehungsgeflechts zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und juristischer Literatur, scheidet eine isolierte Berufung auf letztere für die Annahme eines Anschauungswandels aus. Zweitens kann die inhaltliche Fortentwicklung einfachgesetzlicher Normierung bestimmter Themenfelder nicht ohne weiteres als Beleg für einen Anschauungswandel gedeutet werden.194 Damit würde nämlich rechtsmethodisch von einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung auf eine verfassungsrechtliche Inhaltsbestimmung grundgesetzlicher Regelungen geschlossen werden. Dieser Schluss wäre aber angesichts der Normenhierarchie zwischen einfachgesetzlichem Recht und Verfassungsrecht nicht zulässig, zumal wegen der weniger strengen formellen Voraussetzungen zur Änderung einfachen Gesetzesrechts die Gefahr der Umgehung des Art. 79 GG besonders signifikant ist.195 Die rechtliche Regelung bestimmter Lebensbereiche in einem bestimmten Sinn ist allerdings nicht ohne jeden indiziellen Belang für die Annahme einer Veränderung grundlegender Vorstellungen und Einstellungen in der Bevölkerung, weil jede rechtliche Normierung mittelbar auch Ergebnis der Willensbildung des Volkes ist. Diese Feststellung korrespondiert mit dem verfassungsdogmatischen Grundgedanken, der in der Verfassung die grundlegenden Wert- und Strukturvorstellungen verkörpert sieht, die in der einfachgesetzlichen Normierung zum Ausdruck kommen.196 Die methodische Voraussetzung für die sachgerechte Analyse einer solchermaßen normierten Grundeinstellung ist allerdings, dass sich diese aus einer Gesamtbetrachtung der mit der rechtlichen Normierung des Themenbereichs verbundenen teleologischen Leitlinien ergeben muss.197 193 Johann Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, 2002, S. 34; Walter Leisner, „Werteverlust“, „Wertewandel“ und Verfassungsrecht, in: JZ 2001, S. 313 (314). 194 Diese Problematik berücksichtigt Wolff (Fn. 188), S. 101, nicht hinreichend. 195 Häberle (Fn. 182), S. 220 f., versucht dieser Gefahr dadurch zu entgehen, dass ein Verfassungswandel im Rahmen der Gesetzgebung nur im Nachhinein konstatiert, nicht aber vom Gesetzgeber bewusst angestrebt werden darf. 196 Peter Lerche, Stiller Verfassungswandel als aktuelles Politikum, in: Festgabe für Theodor Maunz zum 70. Geburtstag am 1. September 1971, hrsg. von Hans Spanner u. a., S. 285 (286): Die Verfassung sei in weiten Teilen „Konzentrat jener unterverfassungsgesetzlicher Vorstellungen, die zu rechtsverbindlicher Stärke gelangt sind.“ 197 Deshalb ist es nicht ausreichend, wie Bryde (Fn. 182), S. 292 ff., als Voraussetzung eines Verfassungswandels primär den in einem offenen Diskurs gewonnenen

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Wenn sich die einfachgesetzlichen Bestimmungen in der Regelung von Detailfragen erschöpfen oder eine klare teleologische Systematik im geregelten Sachbereich nicht erkennbar ist, wäre es willkürlich und verfehlt, daraus auf eine Grundeinstellung des Souveräns oder gar eine Veränderung derselben zu schließen. bb) Langfristigkeit des Wandels Wegen der beschriebenen verfassungsrechtlichen Tragweite der Annahme eines Verfassungswandels versteht es sich von selbst, dass es sich in jedem Fall um bedeutende und langfristige, d.h. auch weit in die Zukunft reichende Struktur- oder Anschauungsveränderungen handeln muss, weil ansonsten schon die hergebrachte Auslegungsmethodik für die Verfassungsinterpretation ausreicht. Die Auffassung, schon bei kurzfristigen Veränderungen einen Verfassungswandel für möglich zu halten, widerspricht nicht nur dem strukturstabilisierenden Charakter der Verfassung,198 sondern verwischt insbesondere bei einfachgesetzlichen Neuregelungen auch die Unterscheidbarkeit zwischen einfachem Gesetzesrecht und Verfassungsrecht mit deren unterschiedlich hohen Anforderungen für Änderungen. cc) Grenzen des Verfassungswandels Eine Grenzlinie für den Bezug zu einem Verfassungswandel bei der Auslegung einer Rechtsnorm ist zunächst primär die Wortbedeutung des Normtextes,199 sekundär dessen systematischer Zusammenhang zur Gesamtverfassung.200 Sie ergibt sich aus dem rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheitsprinzip für Rechtsnormen und ist Ausdruck einer Auslegung auf der Basis eines Rechtstextes, der nicht aus isoliert nebeneinander stehenden Regelungen besteht, sondern einen gemeinsamen systematischen Grundhorizont aufweist. Die Textstruktur ist daher nebst ihrer systematischen Einbettung in den Regelungskontext überhaupt erst die Voraussetzung für eine Auslegung. Durch einen etwaigen Verfassungswandel kann sie mithin nicht entfallen. Konsens über eine inhaltliche Neuausrichtung der Norm anzusehen. Es bleibt nicht nur wiederum fraglich, nach welchen Kriterien dieser Konsens definiert wird, sondern auch, welche konkrete Rolle die ratio der Verfassungsnorm dabei spielt und warum bei einem weit reichenden Konsens die jeweilige Verfassungsnorm nicht durch Textänderung nach Art. 79 GG entsprechend angepasst werden kann. 198 So zu Recht Lerche (Fn. 196), S. 285 (292). 199 Krings (Fn. 26), S. 409 (410). 200 Hesse (Fn. 187), S. 123 (139); Zippelius (Fn. 36), S. 805 (806 f.). Bryde (Fn. 182), S. 270, hält den Normtext allein zwar für eine „besonders wichtige, aber keine unübersteigbare Grenze für Auslegung und Rechtsfortbildung“; vgl. auch Müller/Christensen (Fn. 12), Rn. 310 f.

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Die bedeutsamste Einschränkung der Annahme eines Verfassungswandels ergibt sich aus der aufgezeigten Problematik des möglichen Verstoßes gegen Gewaltenteilungs- und Bestimmtheitsprinzip: Die teleologische Grundlinie des Rechtssatzsubstrats der jeweiligen Verfassungsnorm kann auch durch einen Verfassungswandel nicht verändert werden und bleibt bis zu einer möglichen formellen Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG in Geltung.201 Behielte man diese Grenzlinie nicht bei, könnte jede Verfassungsbestimmung ihren unmittelbaren Rechtsgeltungsbefehl – gerade auch gegenüber dem einfachgesetzlichen Recht – einbüßen. Eine Beschädigung des gesamten Rechtssystems wäre die Folge, weil unklar bliebe, wer darüber entscheidet, in welchem Fall welche Rechtsnorm verbindlich wäre. Insofern kann ein Verfassungswandel zwar die Neuakzentuierung einer Verfassungsnorm, aber keine Änderung ihres Kerninhalts bewirken. Die äußersten Grenzen von Auslegung und zulässigem Verfassungswandel sind insoweit identisch. 2. Möglichkeit eines Verfassungswandels bei durch Institutsgarantien abgesicherten Sozialtatbeständen Die durch das Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützten Rechtsinstitute scheinen sich prinzipiell für den oben beschriebenen Verfassungswandel besonders zu eignen. Das liegt daran, dass sie – anders als verfahrensrechtliche oder kompetentielle Bestimmungen der Verfassung – i. d. R. Tatbestände des sozialen Lebens und damit empirisch deutlich konturierte Ausschnitte der Realität in einen normativen Bezug setzen. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass sich bei einer langfristigen und schwerwiegenden Veränderung dieser sozialen Wirklichkeit gleichzeitig auch der sie enthaltene Normbereich des verfassungsrechtlichen Schutzes ändert. Dies könnte im besonderen Maße auch für das Rechtsinstitut der Ehe gelten, weil die Ehe als soziale Institution schon lange vor Inkrafttreten des gegenwärtig geltenden verfassungs- und einfachrechtlichen Normenbestands existierte. Daraus könnte man folgern, dass insoweit alle Normen mit Bezug zur Ehe diesen sozialen Tatbestand rechtlich beschreiben, bei einer rechtstatsächlichen Veränderung seiner Grundelemente oder Zielfunktionen aber ins Leere liefen, wenn nicht der Verfassungswandel eine flexible Anpassung der Norm ermöglichte.202 201

Gunnar Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 140 ff.; Pieroth (Fn. 182), S. 11 (26). 202 Vgl. Stefanie Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, 1999, S. 281 f. Wenig überzeugend Rijsbergen (Fn. 26), S. 50, die sogar die „völlige Abschaffung“ der Ehe für verfassungsrechtlich möglich hält. Das scheidet schon wegen Art. 19 II GG aus.

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Für Überlegungen dieser Art scheint auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung Anlass zu geben. So werden die ehelichen Strukturprinzipien „zunächst aus der außerrechtlichen Lebensordnung“ bestimmt, weil die Ehe „von Alters her überkommen und in ihrem Kern unverändert geblieben“ sei.203 Das Bundesverfassungsgericht konstatiert aber zugleich, dass der Ehe „das Bild der ‚verweltlichten‘ bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde“ liege, da die verfassungsrechtliche Institutsgarantie sie „nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht“, gewährleiste.204 Mit dieser Feststellung wird zwar die These von der normprägenden Wirksamkeit der sozialen Realität insofern relativiert, als sogar umgekehrt die grundlegende Strukturierung des Sozialtatbestands der Ehe durch das einfachgesetzliche Recht behauptet wird. Allerdings könnte diese These durchaus mit der Ansicht in Einklang gebracht werden, die Ehe sei für einen Verfassungswandel grundsätzlich besonders geeignet. Dies wäre dann möglich, wenn man das einfachgesetzliche Recht mit seinen im Vergleich zum Verfassungsrecht deutlich niedrigeren formellen Anforderungen als Ausdruck sowohl strukturierender sozialer Realität als auch herrschender gesellschaftlicher Grundanschauungen verstünde. Grundlegenderen Änderungen des Eherechts, welche die Grundstrukturen der Ehe oder ihre damit verbundenen Zielvorstellungen beträfen, käme dann die Funktion eines Indikators für die Veränderung grundlegender Vorstellungen vom Bild der Ehe zu. Dieser dadurch zum Ausdruck kommende Wandel wäre dann der Bezugspunkt für einen Verfassungswandel durch eine neuakzentuierte Auslegung der Ehe in Art. 6 I GG. Diese verfassungsdogmatische Skizzierung des möglichen Verfassungswandels im Kernbereich der Strukturmerkmale von Ehe und Familie überzeugt aus mehreren Gründen aber nicht: Ein durch einfachgesetzliche Veränderung indizierter Verfassungswandel läuft darauf hinaus, dass die rechtliche Konturierung der Ehe allein dem einfachgesetzlichen Recht überlassen bliebe. Das aber würde nicht nur die aus Artt. 1 III, 20 III GG folgende Normenhierarchie zwischen dem Grundgesetz und dem einfachgesetzlichen formellen Recht umkehren, sondern sogar darüber hinausgehend zu der paradox anmutenden Situation führen, dass ein nur einfachgesetzlich strukturiertes Rechtsinstitut verfassungsrecht203

BVerfGE 10, 59 (66). Steiger (Fn. 148), S. 55 (68), ist dagegen gegenüber der Annahme einer „Vorgegebenheit“ der Ehe wegen deren fortschreitender „Subjektivierung“ skeptisch. 204 BVerfGE 53, 224 (245). Für Schmitt-Kammler (Fn. 92), Art. 6 Rn. 3, Ott (Fn. 38), S. 117 (118), und Bruns (Fn. 96), S. 6 (7), ist dies der Ansatzpunkt eines möglichen Verfassungswandels.

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lichen Schutz genösse. Dieser verfassungsgerichtliche Schutz wäre aber auf der anderen Seite gleichzeitig inhaltsleer und bliebe ohne Substanz, weil durch einfachgesetzliche Veränderungen ein Verfassungswandel erzeugt werden könnte und damit die formellen Voraussetzungen des Art. 79 GG nicht beachtet werden müssten. Durch die Änderung einfachgesetzlichen Rechts änderte man gleichzeitig die Verfassung. Dies wäre aber schon wegen Art. 79 GG systemwidrig. Diese Konzeption leidet daher an unlösbaren inneren Widersprüchen.205 Die Grundproblematik des Verfassungswandels tritt beim Rechtsinstitut der Ehe besonders deutlich zutage. Ein Grundrecht, dessen Normbereich nicht schon verfassungsrechtlich vorgegeben ist und nur einfachgesetzlich vollständig definiert wird, kann keine verfassungsrechtliche Schutzwirkung entfalten. Gerade die grundrechtliche Norm hat auch eine wirklichkeitsprägende Gestaltungswirkung und wird nicht nur einseitig von der sozialen Realität geprägt.206 Diese normative Funktion kulminiert bei den Institutsgarantien. Diese sind nämlich gerade deshalb auf verfassungsrechtlicher Ebene angesiedelt, weil sie damit den durch sie rechtlich strukturierten Tatbeständen in ihren Grundelementen besonderen Schutz vor Veränderungen vermitteln.207 Eine wirksame funktionale Zielsetzung von Institutsgarantien ist gar nicht anders denkbar als final auf die verfassungsrechtliche Absicherung bestimmter rechtlich geprägter Tatbestände gerichtet. Die Institutsgarantie bliebe funktionslos, wenn die durch sie festgehaltene Rechtsstruktur ohne Verfassungsänderung geändert werden könnte.208 Institutsgarantien sind für strukturelle Grundveränderungen deshalb nicht in besonderer Weise offen, sondern wegen ihrer verfassungsrechtlichen Funktion im Gegenteil besonders bestandsfest. Die verfassungsrechtlichen Strukturbeschreibungen der Ehe können dabei weder aus einfachgesetzlichem Wandel noch aus einer Veränderung sozialer Realitäten, sondern nur durch die Anwendung tradierter verfassungsrechtlicher Auslegungsmethodik gewonnen werden. Die dargelegten verfassungsgerichtlichen Umschreibungen der ehelichen Institutsgarantie in Art. 6 I GG bestätigen diesen Befund. 205

Kleffmann (Fn. 201), S. 239 f. Stern (Fn. 83), § 68 II 4, S. 787 f., geht noch darüber hinaus, indem er alle durch Grundrechte geschützten Sozialtatbestände für bloße „Folgen“ der Grundrechtsbestimmungen hält. 207 Josef Isensee, § 111: Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 136; Stern (Fn. 83), § 68 II 4, S. 790; ders. (Fn. 8), Rn. 54. 208 Sandra Obermeyer, Die Institutsgarantie – Eine „gelungene Kunstschöpfung der Wissenschaft“?, in: KritV 2003, S. 142 (162), steht dagegen der konservierenden Funktion der Institutsgarantie kritisch gegenüber. Bei ihr wird allerdings nicht deutlich, in welcher normativen Form sich ein angenommener Verfassungswandel auf die rechtliche Strukturierung der Ehe auszuwirken vermag. 206

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So bleibt die Auslegung der ehelichen Grundstrukturen im Rahmen der Institutsgarantie nicht bei der Beschreibung der außerrechtlichen Realität stehen, sondern bezieht auch die Wertungsmuster anderer grundgesetzlicher Normen mit ein und entwickelt dadurch besondere strukturelle Akzentuierungen der Ehe.209 Die verfassungsgerichtlichen Hinweise auf das „weltliche“ Ehebild, das durch rechtlich normierte Grundanschauungen geprägt sei, sind nur im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Entscheidungsgegenstand zu verstehen. Es ging dabei um Fragen der rechtlichen Ausgestaltung der Voraussetzungen einer Ehescheidung und deren Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der prinzipiell lebenslangen Dauer einer Ehe. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei gleichzeitiger Wahrung dieses Grundsatzes betont und die staatliche Ehe des Grundgesetzes von der kirchlichen abgegrenzt. Keinesfalls wollte es aber damit die Wesensmerkmale der Ehe, die durch die Institutsgarantie des Art. 6 I GG gesichert werden, in die Hände des Gesetzgebers legen.210 Der Hinweis auf die bürgerlich-rechtliche Normierung der Ehe verdeutlicht die in ihrer historischen Entwicklung kaum zu trennende Verbindung von rechtlicher Strukturierung und gesellschaftlichem Tatbestand. Die „außerrechtliche Lebensordnung“ ist mithin nicht frei von rechtlicher Prägung. Die Verschiedengeschlechtlichkeit gehört zum Struktursubstrat der durch die Institutsgarantie verfassungsrechtlich abgesicherten Ehe. Wegen der beschriebenen retardierenden Funktion von Institutsgarantien unterliegt sie deshalb einem etwaigen Verfassungswandel durch Veränderung gesellschaftlicher Tatbestände oder einfachgesetzlicher Regelungen nicht.211 209 BVerfGE 10, 59 (66 f.), hinsichtlich der Gleichberechtigung von Mann und Frau innerhalb der Ehe. 210 So betont BVerfGE 53, 224 (245), ausdrücklich, dass die durch Art. 6 I GG gewährleisteten Strukturprinzipien „der Verfügungsgewalt des Gesetzgebers entzogen sind“. 211 BayObLG, NJW 1993, 1996, S. 1997; LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1998 (1999). Auch Gröschner (Fn. 92), Art. 6 Rn. 44, Fn. 151; Burkiczak (Fn. 161), S. 7 (8); Krings (Fn. 66), S. 7 (9); Anna Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 280 f.; Tettinger (Fn. 68), S. 117 (16 f.). Ähnlich Burgi (Fn. 49), S. 487 (492), Louven (Fn. 36), S. 12 (13), und Zippelius (Fn. 36), S. 805 (808), ohne aber die Institutsgarantie als dogmatischen Hintergrund explizit zu benennen; skeptisch gegenüber einem Verfassungswandel des Rechtsinstituts der Ehe auch Sachs (Fn. 175), S. 45, und Coester-Waltjen (Fn. 92), Art. 6 Rn. 2 („weniger angezeigt“). Steiger (Fn. 148), S. 55 (76 f., 91), hält einen Verfassungswandel zwar prinzipiell für möglich, betont aber die Stabilisierungsfunktion der Institutsgarantie für Ehe und Familie. Huster (Fn. 96), S. 602, verneint ebenfalls eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wegen der Institutsgarantie, obwohl er den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Ehe und Familie bestreitet.

196 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

3. Verfassungsrechtliche Bedeutung der sozialen und rechtlichen Veränderungen in den Bereichen Ehe und Homosexualität für einen möglichen Verfassungswandel des Ehebegriffs Die sozialen und rechtlichen Veränderungen in den für diesen Untersuchungsgang relevanten Bereichen Ehe und Homosexualität sind seit Inkrafttreten des Grundgesetzes augenfällig. a) Veränderungen im Bereich der Ehe Oben sind die weit reichenden und langfristigen sozio-demographischen Veränderungen bei Ehe und Familie ausführlich dargelegt worden.212 Dieser Befund wird bestätigt durch eine wahrnehmbare Veränderung in der Motivstruktur der Bevölkerung, eine Ehe einzugehen. Stand in früherer Zeit die Versorgungsfunktion des Einzelnen durch die Eheschließung und vor allem durch die sich aus ihr entwickelnde Familie im Vordergrund, ist diese Dominanz zugunsten einer lebenskonzeptionellen Pluralisierung, die auch die Ehe betrifft, gewichen.213 Emotional-subjektive Motive wie Zuneigung, Liebe usw. nehmen in der Gegenwart einen deutlich breiteren Raum bei der Bereitschaft zur Eheschließung ein als in früheren Zeiten und sind damit ein mögliches Erklärungsmoment für die Zunahme der Ehescheidungen bei Veränderungen dieser subjektiven Motivation des Einzelnen.214 Gleichzeitig haben sich die ethischen Einstellungen eines großen Teils der Bevölkerung zum Verhältnis von Ehe und Sexualität gewandelt: War zu früherer Zeit der Geschlechtsverkehr vor und außerhalb der Ehe angesichts ihres christlich geprägten kulturellen Hintergrunds mit dem Odium der moralisch-sittlichen Minderwertigkeit behaftet, so ist dieses Verdikt in der Gegenwart zumindest in den westlichen Industriestaaten weitgehend durch eine Pluralisierung der Anschauungen abgelöst worden.215 In rechtlicher Hinsicht hatte diese Entwicklung auch schon vor der Konstituierung der Lebenspartnerschaft Einfluss auf die Rechtsordnung. Durch 212

1. Kapitel B. I., S. 42 ff. LG Osnabrück, StAZ 1993, S. 219, und LG Münster, StAZ 1993, S. 320, sprechen insoweit von einem „Konsenszerfall“ über Sinn und Zweck der Ehe, betonen aber, dass sich dies nicht auf das eheliche Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit bezieht. 214 Für Schimmel (Fn. 3), S. 114 ff., ist diese Pluralisierung oder – weitergehend – der angenommene Wegfall einer einheitlichen Ehekonzeption das sichtbarste Zeichen eines angenommenen Verfassungswandels. 215 W. Leisner (Fn. 193), S. 313 (317), sieht darin einen positiven Wertewandel zu einem umfassenderen Freiheitsverständnis in diesem Bereich. 213

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

197

die Berücksichtigung der (verschiedengeschlechtlichen) eheähnlichen Gemeinschaft in einzelnen Gesetzen und durch die analoge Anwendung ehebezogener Vorschriften seitens der höchstrichterlichen Rechtsprechung war eine auf diese Bereiche begrenzte partielle Gleichstellung mit der Ehe erreicht worden.216 b) Veränderungen im Bereich der Homosexualität Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der Homosexualität ist die beschriebene Veränderung der strafrechtlichen Bewertung homosexueller Handlungen männlicher Erwachsener signifikant. Sie reicht von der uneingeschränkten Einordnung als Straftat über eine kontinuierliche tatbestandliche Abschwächung bis zur legislativen Aufgabe eines spezifisch strafrechtlichen Unwerturteils durch Umwandlung in ein Jugendschutzdelikt, bei dem die sexuelle Ausrichtung keine Bedeutung mehr besitzt.217 Daran zeigt sich nicht nur die Tendenz des Rückzugs des Strafrechts aus dem Bereich der freiwillig ausgeübten Sexualität sowie der Trennung der Bereiche des Strafrechts und einer religiös konnotierten Sexualmoral. Auch die rechtspolitische Entwicklungstendenz hin zur rechtlichen Gleichbehandlung von Homo- und Heterosexualität wird deutlich. Schließlich schafft die Straflosigkeit der Homosexualität hierfür und weitergehend für die Konstituierung eines eigenen Rechtsinstituts der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft überhaupt erst die einfachgesetzliche Grundvoraussetzung. c) Rechtliche Veränderungen im Bereich der Schnittmenge von Ehe und Homosexualität Wie dargestellt, wurden im Privatrecht vereinzelt gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in ehebezogene Normen einbezogen, mit den verschiedengeschlechtlichen eheähnlichen Gemeinschaften aber nicht gleichgestellt.218 Das Bundesverfassungsgericht hatte 1978 in einem Beschluss dargelegt, dass eine transsexuelle Person wegen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I i. V. m. 1 I GG einen Anspruch darauf habe, ihr Geschlecht im Geburtenbuch berichtigen zu lassen, wenn der Transsexualismus irreversibel und eine entsprechende geschlechtsanpassende Operation durchgeführt worden sei.219 Transsexuelle sind Menschen, die zwar mit den 216 217 218 219

Dazu oben 1. Kapitel C. III. 3., S. 65 ff. Ausführlich 1. Kapitel C. II. 1., S. 56 ff. 1. Kapitel C. III., S. 63 ff. BVerfGE 49, 286 (298).

198 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

eindeutig einem Geschlecht zuzuordnenden körperlichen Merkmalen geboren wurden, sich jedoch psychisch unwiderruflich dem anderen Geschlecht angehörig fühlen. Insofern ist dieser Fall nicht mit der Homosexualität identisch, weil dort im Regelfall die eigene körperliche Identität vom einzelnen Homosexuellen – im Gegensatz zum Transsexuellen – akzeptiert wird. In Folge dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber 1980 das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) verabschiedet, in dessen § 8 die vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen Voraussetzungen für die Feststellung der neuen Geschlechtsangehörigkeit niedergelegt waren. Nach § 8 I TSG musste sich die betreffende Person nicht nur dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und eine geschlechtsverändernde Operation an ihr durchgeführt worden sein, sondern auch seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, sowie dauernd fortpflanzungsunfähig gewesen sein. 1993 hat der Vorschlag, den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 I GG auch auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften außerhalb von Ehe und Familie auszudehnen, noch nicht einmal die einfache Mehrheit in der Gemeinsamen Verfassungskommission gefunden.220 Durch das LPartDisBG ist im Jahr 2001 erstmals ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt worden. d) Bedeutung der Veränderungen für einen möglichen Verfassungswandel Die Institutsgarantie des Art. 6 I GG lässt wegen ihrer strukturkonservierenden Funktion hinsichtlich des ehelichen Merkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit einen verfassungsrechtlich bedeutsamen Wandel des Ehebegriffs nicht zu. Fraglich ist, ob die aufgezeigten sozio-strukturellen und rechtlichen Veränderungen überhaupt zu einem anderen Ergebnis führten, wenn man die Ehe als für einen Verfassungswandel offen ansähe. Auf der einen Seite ist eine im Vergleich zur Entstehungszeit des Grundgesetzes quantitativ geringere Bedeutung der Ehe und insbesondere auch ihres familiären Bezugs bei der rechtlichen Einordnung von Lebensgemeinschaften zu konstatieren. Auf der anderen Seite ist die Entwicklung in der rechtlichen Beurteilung der Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vom Straftatbestand zur anerkannten institutionellen Integration in das deutsche Rechtssystem innerhalb von nur drei Jahrzehnten beachtlich und dürfte in der jüngeren rechtshistorischen Entwicklung ohne 220

BT-Drucks. 12/6000, S. 55 ff.

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

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Beispiel sein. Damit kann allerdings ein Verfassungswandel noch nicht bejaht werden.221 aa) Neue Tatbestände? Es ist schon problematisch, ob es sich bei den aufgezeigten Veränderungen wirklich um neue Tatbestände handelt.222 Kriterium dafür ist primär nicht die Frage, ob es Veränderungen in dieser Dimension schon zur Entstehungszeit des Grundgesetzes gab, sondern, ob sie vor dem Wertungshorizont des Art. 6 I GG nicht vorgesehen sind. Nichteheliche Lebensgemeinschaften existierten auch schon zur Zeit der Statuierung des besonderen Schutzes der Ehe in Art. 6 I GG.223 Trotzdem hat der Verfassungsgeber nur die Ehe als besondere Form der rechtlichen Bindung von Mann und Frau verfassungsrechtlich geschützt, um – wie gezeigt – damit die Voraussetzung der typologischen Erweiterung zur Familie zu schaffen. Es wird nicht deutlich, warum sich dieses Ziel durch die Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften geändert haben sollte, zumal auch in der Gegenwart der quantitative Anteil der ehelichen Geburten deutlich überwiegt.224 Daran ändert sich nichts, wenn man die beschriebene Veränderung der gesamtgesellschaftlichen Motivlage zur Eheschließung berücksichtigt. Eine personal-pluralistische Ehekonzeption, die unterschiedliche Motive der einzelnen Lebensgemeinschaften in Rechnung stellt und akzeptiert, ist nicht automatisch gleichbedeutend mit einem typologisch relevanten Verzicht der Ehegatten auf Kinder. Dagegen sprechen die vorliegenden empirischen Erhebungen, die einen Zusammenhang zwischen der Eheschließung und der Zeugung von Kindern belegen. Außerdem folgt aus der zunehmenden Variabilität der Lebenskonzeptionen, dass sich diese beim Einzelnen im Verlauf der Ehe oder bei einer erneuten Eheschließung grundlegend verändern können. Der bei einer Eheschließung vorhandene Wille, keine Kinder zu 221

Bruns (Fn. 96), S. 6 (7), ist insofern inkonsequent, als er wegen einer vermeintlich veränderten teleologischen Einordnung der Ehe deren Öffnung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften bejaht, von dieser Öffnung aber zugleich erhofft, dass es zu einer Änderung des Eheverständnisses i. d. S. kommt, dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme. Entweder es liegt schon ein entsprechender Wandel vor oder noch nicht – beides zusammen ist gleichzeitig nicht möglich. 222 Skeptisch auch Braun (Fn. 126), S. 194. 223 Auch Pieroth/Kingreen (Fn. 68), S. 219 (222); Tettinger (Fn. 68), S. 117 (147). 224 Das deutet auch Tettinger (Fn. 68), S. 117 (147), an. Anders Huster (Fn. 96), S. 552 ff., 577 ff., der die Sichtweise der auf die Familie angelegten Ehe als „Beschwörung eines ethischen Ideals“ (S. 552) bezeichnet. Die Möglichkeit einer Typologisierung des Ehebegriffs wird auf S. 553 f. zwar kurz erwähnt, aber ohne Begründung abgelehnt.

200 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

bekommen, muss daher mittel- und langfristig nicht konstant bleiben. Dies gilt erst recht dann, wenn man auch außerpersonale Faktoren berücksichtigt, die entsprechende Einstellungsveränderungen auslösen können, wie etwa verbesserte finanzielle Hilfen für Eltern. Eine Flexibilisierung von Einstellungsmustern bedeutet also nicht zugleich, dass eine inhaltliche Beziehung zwischen institutionalisierten sozialen Tatbeständen nicht mehr angenommen werden kann. Der typologische Bezug zwischen Ehe und Familie ist nach wie vor auch bei veränderten Vorstellungen über die Ehe gegeben. bb) Wortbedeutung der Ehe als Grenze Die Wortbedeutung der Ehe umfasst sowohl im juristischen als auch im außerjuristischen Sprachgebrauch nach wie vor nur verschiedengeschlechtliche Paare. Insofern spricht das entsprechende Textverständnis gegen die Annahme eines Verfassungswandels.225 cc) Wegfall der spezifisch homosexualitätsbezogenen Strafbarkeit und die Konstituierung von TSG und Eingetragener Lebenspartnerschaft als Elemente des Verfassungswandels? Der Wegfall der Einordnung homosexueller Handlungen als strafbares Unrecht ist sicherlich Ausdruck einer veränderten sittlich-wertbezogenen Einstellung des Gesetzgebers zur Homosexualität.226 Insofern ist es zutreffend, auf dieser Ebene von einem tief greifenden kontinuierlichen Einstellungswandel zu sprechen.227 Allerdings betrifft der verfassungsrechtliche Bezug der Ehe einen völlig anderen Bedeutungshorizont, nämlich ihre typologisch verstandene Hinordnung zur Familie. Diese finale Bestimmung ist inhaltlich von der strafrechtlichen Beurteilung der Homosexualität insofern völlig verschieden, als sie der Homosexualität nicht aus ethisch-moralischer, sondern aus verfassungsrechtlicher Sicht die typologische Funktionsbeziehung zur Familie abspricht. Auch die dargestellten denkbaren Möglichkeiten der Erweiterung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu Gemeinschaften mit Kindern lassen keinen anderen Schluss zu, weil sie einerseits quantitativ nur ein sehr geringes Ausmaß annehmen und andererseits gesetzlich stark eingeschränkt oder sogar unzulässig sind. Aus die225 LG Köln, NJW 1993, S. 1997; Lindenberg/Micker (Fn. 26), S. 707 (710); Gade (Fn. 9), S. 397 (401); Krings (Fn. 26), S. 409 (410). 226 Für Beck (Fn. 34), S. 1894 (1898), ist dies ein Argument dafür, die Frage des Verfassungswandels offen zu halten. 227 Wegner (Fn. 23), S. 170 (189).

B. Art. 6 I GG als Fundament des Ehebegriffs

201

ser rechtlichen Beschränkung kann ein tief greifender Einstellungswandel nicht abgeleitet werden. Daran hat auch weder die Verabschiedung des TSG noch die Einführung des LPartDisBG etwas geändert. Vereinzelt wird das TSG herangezogen, um ein verändertes gesetzgeberisches Bild von der Ehe als nicht nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehend zu belegen.228 In Wirklichkeit widerspricht das TSG diesem ehelichen Strukturmerkmal nicht, sondern bestätigt es sogar. Nach § 10 I TSG richten sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, wenn rechtskräftig festgestellt wurde, dass die betreffende Person als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Die bisherige Geschlechtszugehörigkeit ist von diesem Zeitpunkt an ohne Bedeutung für die Eheschließung, d.h., diese Personen können nur Personen des anderen Geschlechts heiraten. Nach wie vor sind daher auch in den Fällen des TSG nur Ehen zwischen Mann und Frau möglich.229 Dadurch, dass im LPartDisBG ausdrücklich ein neues Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gesetzlich konstituiert und nicht etwa die Ehe für diese geöffnet worden ist, ist in rechtsinstitutsvergleichender Hinsicht gerade die institutionelle Exklusivität der Ehe als nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehend besonders herausgehoben worden.230 Der Gesetzgeber hat nämlich die Ehe gerade nicht für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur familiären Erweiterung im Vergleich zur Ehe bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bewusst eingeschränkt sind, so dass die grundgesetzliche teleologische Bestimmung der Ehe bestehen bleibt. 228 AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941). Wiederum Beck (Fn. 34), S. 1894 (1898), der ähnlich wie Muscheler (Fn. 26), Rn. 37, in Anlehnung an eine Formulierung in BVerfGE 49, 286 (300), von der möglichen Eheschließung eines männlichen Transsexuellen mit einem Mann spricht. Dies ist missverständlich, weil es sich bei diesem Transsexuellen nach Feststellung seiner geänderten geschlechtlichen Identität wegen § 10 I TSG juristisch nicht mehr um einen Mann, sondern um eine Frau handelt, vgl. auch BayObLG, NJW 1993, S. 1996 (1997), und Willutzki (Fn. 68), S. 117. 229 LG Köln, NJW 1993, S. 1997; LG Münster, StAZ 1993, S. 320; Robbers (Fn. 92), Art. 6 Rn. 46; Umbach (Fn. 161), Art. 6 Rn. 59. Auch Schimmel (Fn. 3), S. 129, ist der Ansicht, dass eine „abweichende rechtliche Bewertung“ der Eheschließung eines Transsexuellen und einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft „möglich“ ist. Schmitt-Kammler (Fn. 92), Art. 6 Rn. 6, hält die Eheschließungsfähigkeit Transsexueller dagegen für einen „nicht unproblematischen Sonderfall“. 230 Schulte (Fn. 160), S. 1832; vgl. auch Robbers (Fn. 154), S. 21, für die Problematik von in anderen Ländern geschlossenen Lebenspartnerschaften und deren rechtlicher Einordnung in der Bundesrepublik.

202 2. Kap.: Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften?

4. Ergebnis Die Institutsgarantie des Art. 6 I GG sichert die herkömmlichen Strukturmerkmale der Ehe, zu denen auch die Verschiedengeschlechtlichkeit gehört, gegen ein verändertes Verfassungsverständnis ohne eine ausdrückliche Verfassungsänderung ab. Trotz bedeutender rechtlicher und soziologischer Veränderungen in den Bereichen Ehe und Homosexualität besteht ein Kontinuum in der funktionalen Einordnung der verschiedengeschlechtlichen Ehe, die sich von nichtehelichen verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften abgrenzt. Die dargestellten Veränderungen lassen deshalb nicht auf einen diesbezüglichen Verfassungswandel schließen.231

VII. Gesamtergebnis Wesentliches Strukturmerkmal der Ehe ist sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart die Verschiedengeschlechtlichkeit. Gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften steht die Ehe daher nicht offen.

231

BVerfG, NJW 1993, S. 3058; LG Gießen, NJW 1993, S. 942; Rijsbergen (Fn. 26), S. 179 f., 184 f.; Stern (Fn. 9), § 100 III 2 a, S. 373 f.; Badura (Fn. 28), Art. 6 Rn. 58; ders. (Fn. 92), S. 86 (91); Robbers (Fn. 92), Art. 6 Rn. 47; ders. (Fn. 34), S. 779 (781); Wölfl (Fn. 169), S. 142 f.; Meinhard Forkert, Eingetragene Lebenspartnerschaften im deutschen IPR: Art. 17b EGBGB, 2003, S. 22; Lindenberg/Micker (Fn. 26), S. 707 (710); Gade (Fn. 9), S. 397 (401); Dominique Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, 2002, S. 225; Pieroth/Kingreen (Fn. 68), S. 219 (222); Krings (Fn. 26), S. 409 (410); Rauscher (Fn. 106), Rn. 38; Sachs (Fn. 175), S. 45; Schulte (Fn. 160), S. 1832; Burgi (Fn. 49), S. 487 (492); Coester-Waltjen (Fn. 92), Art. 6 Rn. 9; Wächtler (Fn. 22), S. 124 f.; Merten (Fn. 28), S. 615 (627 f.); Pauly (Fn. 64), S. 1955 (1956); v. Campenhausen (Fn. 36), S. 7 (49). Inkonsequent Strick (Fn. 64), S. 82 (83), die einen Verfassungswandel verneint, aber dennoch eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und damit eine relevante Strukturveränderung der Ehe annimmt.

3. Kapitel

Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Konstituierung und Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft Nach dem bisherigen Untersuchungsergebnis, das insoweit mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur übereinstimmt, kommt eine einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nicht in Frage. Hinsichtlich der normativen Strukturierung solcher Lebensgemeinschaften waren deshalb noch drei mögliche Positionen denkbar: Es bestand erstens die Möglichkeit, an die faktisch bestehenden Lebensgemeinschaften zwischen Personen des gleichen Geschlechts gar keine besonderen Rechtswirkungen zu knüpfen. Die Mitglieder solcher Gemeinschaften hätten im Rahmen der Privatautonomie bestimmte zivilrechtlich relevante Regelungen für ihre Lebensgemeinschaft – wie etwa die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung – durch Vertrag treffen können. Eine solche Lebensgemeinschaft hätte sich in ihren rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten grundsätzlich nicht vom Rechtsverhältnis zwischen zwei beliebigen geschäftsfähigen natürlichen Personen unterschieden. Die zweite gesetzgeberische Handlungsalternative bestand in der rechtlichen Annäherung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften an nichteheliche Lebensgemeinschaften. Die Zuordnung als „eheähnliche Gemeinschaft“ war allerdings wegen deren Bezugs zur Ehe versperrt.1 Hinzu kommt, dass sich gleichgeschlechtliche und nicht verheiratete verschiedengeschlechtliche Paare hinsichtlich ihres Bindungswillens deutlich unterscheiden: Für verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften ist charakteristisch, dass deren Mitglieder zumindest gegenwärtig nicht heiraten wollen, obwohl sie dies könnten. Sie gehen somit miteinander aus den unterschiedlichsten Gründen bewusst keine besonderen rechtlichen Bindungen ein. Daraus folgt, dass man gegen den Grundimpetus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verstieße, wenn man ihr eheähnliche Rechte und die damit korrespondierenden Verpflichtungen zuerkennen würde und 1

Vgl. insoweit 1. Kapitel C. III. 3., S. 65 ff.

204

3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

damit verbunden ihre Rechtsbeziehung umfassend normativ regelte. Gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist dagegen verfassungsrechtlich der Weg zur Ehe verwehrt, so dass sich bei ihnen die Frage nach dem Willen zur rechtlichen Bindung gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften, denen die Ehe offen steht und die aber nicht heiraten wollen, in gesteigertem Maße stellt. Die rechtspolitische Alternative der freiwilligen rechtlichen Bindung durch eine Institutionalisierung – und nicht nur durch Vertrag – liegt deshalb bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften näher als bei verschiedengeschlechtlichen. Die dritte Möglichkeit des gesetzgeberischen Handelns war mithin die gesetzliche Normierung von Rechtsfolgen, auf die sich Personen berufen können, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben. Je weitergehender und umfassender diese Rechtswirkungen sind, desto deutlicher tritt das Bedürfnis nach einer staatlich festgehaltenen formellen Publizität der einzelnen Lebensgemeinschaft zutage, weil nur dadurch die aus dem bloßen faktischen Bestand einer solchen Gemeinschaft folgenden Rechtsunsicherheiten beseitigt werden können. Eine normative Institutionalisierung dieser Lebensgemeinschaften, an die die gesetzlich geregelten Rechtsfolgen anknüpfen, bot sich deshalb rechtspolitisch an. Da die Ehe selbst und auch das Verlöbnis wegen seines vorläufigen Charakters nicht für die dauerhafte Bindung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in Frage kamen, musste im Rahmen dieser gesetzgeberischen Möglichkeit ein neues familienrechtliches Rechtsinstitut gesetzlich konstituiert werden. Der Gesetzgeber ist diesen Weg im LPartDisBG mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft gegangen.

A. Maßstab des Art. 6 I GG Obwohl die Ehe als Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht zur Verfügung steht und sich die Eingetragene Lebenspartnerschaft sowohl durch ihre gesetzliche Normierung als auch durch die Gleichgeschlechtlichkeit von der nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft unterscheidet, steht die Frage im Raum, wie sich aus verfassungsrechtlicher Perspektive der Schutz von Ehe und Familie auf den legislativen Spielraum für die Konstituierung anderer familienrechtlicher Rechtsinstitute auswirkt. Wegen des bei Ehe und Lebenspartnerschaft prinzipiell vergleichbaren Bindungswillens stellt sich daran anknüpfend das Problem, ob die mit dem jeweiligen Rechtsinstitut gesetzlich verbundenen Rechtsfolgen aus verfassungsrechtlicher Sicht ähnlich ausgestaltet werden dürfen. Es wäre theoretisch sogar denkbar, dass der Gesetzgeber einem solchen Rechtsinstitut

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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weitergehendere Rechte zuordnete als der Ehe. Zu untersuchen bleibt, welchen Gestaltungsrahmen Art. 6 I GG der Legislative vorgibt.

I. Abwehrrecht Art. 6 I GG besitzt wie alle Grundrechte eine abwehrrechtliche Funktion, welche die Grundrechtsträger in ihrer Grundrechtsausübung vor staatlichen Eingriffen schützt. Die Freiheit des Einzelnen, die Ehe mit einer anderen verschiedengeschlechtlichen Person seiner Wahl einzugehen und die eheliche Lebensführung frei und selbstbestimmt zu gestalten, erfährt grundrechtlichen Schutz.2 Auf den ersten Blick mag der Eindruck entstehen, dass diese abwehrrechtliche Funktion mit ihrem Schutzbereich durch die Einführung eines neuen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften thematisch nicht berührt ist: Die Eheschließungsfreiheit des einzelnen Nupturienten scheint durch die Konstituierung eines Rechtsinstituts für Lebensgemeinschaften, denen die Eheschließung gerade nicht möglich ist, nicht gefährdet zu sein.3 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als soziales Phänomen bedrohen weder die Eheschließungsfreiheit von in verschieden2 Eheschließungsfreiheit: BVerfGE 31, 58 (68 f.), 36, 146 (161); Ehegestaltungsfreiheit: BVerfGE 10, 59 (84 f.); 61, 319 (347); 68, 256 (268); 80, 81 (92); 99, 216 (231); 103, 89 (101). Aus der Literatur: Helge Sodan/Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 2. Aufl., 2007, § 34 Rn. 3; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 100 IV 4 a, S. 408 ff.; Gerhard Robbers, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., 2005, Art. 6 Rn. 51, 75; Arnulf SchmittKammler, in: Michael Sachs (Hrsg.), 3. Aufl., 2003, Art. 6 Rn. 23, 26; Martin Burgi, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 Rn. 24; Helmut Lecheler, § 133: Schutz von Ehe und Familie, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 71, 77; Dagmar Coester-Waltjen, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 6 Rn. 20; Dietrich Pirson, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 6 I Rn. 91, 94. Daneben ist streitig, ob sich aus Art. 6 I GG auch ein verfassungsrechtlich verankertes Recht auf die Ehescheidung ergibt: Dafür Helge Sodan/Jan Ziekow, § 34 Rn. 3; Gerhard Robbers, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Art. 6 Rn. 62, Martin Burgi, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Art. 6 Rn. 24; Dagmar Coester-Waltjen, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Art. 6 Rn. 20; dagegen Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 100 IV 4 d, S. 416; Arnulf Schmitt-Kammler, in: Michael Sachs (Hrsg.), Art. 6 Rn. 23; Helmut Lecheler, § 133: Schutz von Ehe und Familie, Rn. 74. 3 So Andreas Zimmermann, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und das Grundgesetz, in: Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger, hrsg. von Hans-Joachim Cremer u. a., 2002, S. 645 (654); Stefanie Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, 1999, S. 282.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

geschlechtlichen Lebensgemeinschaften lebenden Personen noch das Ehegestaltungsrecht von Eheleuten. Fraglich ist daher, warum diese Beurteilung anders ausfallen sollte, wenn gleichgeschlechtlichen Paaren normierte Rechte zuerkannt und ihnen für deren Ausübung ein Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt würde. Dieser Gedankengang verkennt allerdings die Rolle des Gesetzgebers als Normgeber, der für die Konstituierung und Ausgestaltung von Instituten des Familienrechts verantwortlich ist. Dadurch tritt er nicht nur in ein Regelungsverhältnis zu den Lebensgemeinschaften, denen dieses Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt wird, sondern auch zur Ehe, weil er das Verhältnis zwischen dem neuen Rechtsinstitut und der Ehe bestimmen muss. Wenn sich daher aus der Konstituierung oder Ausgestaltung eines neuen Rechtsinstituts Einschränkungen für die Eheschließungsfreiheit des Einzelnen ergeben, z. B. als mögliches Eheverbot oder -hindernis, ist das Grundrecht des Art. 6 I GG in seiner abwehrrechtlichen Dimension gegen Eingriffe des Staates betroffen, der für entsprechende Regelungen die legislative Verantwortung trägt. Um das Regelungsverhältnis zwischen der Ehe und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften auszugestalten, sind vier verschiedene gesetzgeberische Varianten denkbar: Zum einen könnte der Gesetzgeber beide Rechtsinstitute für dieselben Personen zeitlich simultan zur Verfügung stellen. Damit ist nicht gemeint, dass eine Person mit einer bestimmten anderen Person des gleichen Geschlechts sowohl in einer Ehe als auch in einer Lebenspartnerschaft leben könnte. Dies wäre verfassungsrechtlich nicht möglich, weil – wie gezeigt – die Verschiedengeschlechtlichkeit unverzichtbares eheliches Strukturmerkmal ist und damit bei entsprechender Regelung ein Verstoß gegen die Institutsgarantie vorläge. Bedeutung könnte eine simultane Institutionalisierung aber für diejenigen haben, die gleichzeitig zwar schon mit einer Person des anderen Geschlechts verheiratet sind, aber nunmehr auch mit einer dritten Person des gleichen Geschlechts in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft leben wollen oder – umgekehrt – die zunächst eine Lebenspartnerschaft eingegangen waren, nun aber eine dritte Person des anderen Geschlechts heiraten wollen, ohne dass die schon bestehende Lebenspartnerschaft aufgelöst würde.4 Theoretisch wären nach diesem Ansatz sogar mehrkettige Personenverbindungen denkbar, die jeweils alle gleichzeitig Ehen und Lebenspartnerschaften führen könnten. 4 In Betracht kämen etwa bisexuell orientierte Menschen oder diejenigen, die zunächst in einer Ehe, ggf. sogar mit Kindern, gelebt haben und sich erst zu einem späteren Zeitpunkt über ihre homosexuelle Orientierung bewusst werden. Sie müssten sich in diesem Fall nicht scheiden lassen, um eine Lebenspartnerschaft mit einer Person des gleichen Geschlechts einzugehen.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Zweitens könnte der Gesetzgeber ein zeitbezogenes Kriterium einführen, wie es schon für das Verhältnis verschiedener Ehen derselben Personen besteht. Eine verheiratete Person kann nach § 1306 BGB nicht eine zweite Ehe eingehen, solange die erste Ehe noch Bestand hat. Aus der zeitlich zuerst geschlossenen und bestehenden Ehe ergibt sich somit ein Verbot, eine zweite Ehe einzugehen. Diesen Prioritätsgrundsatz könnte man auch auf das Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft anwenden: Wenn eine Ehe geschlossen wurde, wäre eine gleichzeitige Lebenspartnerschaft von einer der verheirateten Personen mit einer dritten Person nicht mehr möglich; umgekehrt könnte eine Ehe dann nicht eingegangen werden, wenn einer der Nupturienten schon in einer Lebenspartnerschaft lebt. Das bestehende Rechtsinstitut, das sich die Person zuerst gewählt hätte, hinderte mithin die spätere Wahl eines zweiten familienrechtlichen Instituts. Die dritte und vierte Variante besteht im jeweiligen grundsätzlichen Vorrang eines der beiden Rechtsinstitute. Es wäre zumindest denkbar, dass bei schon bestehender Ehe und gleichzeitigem Eingehen einer Lebenspartnerschaft letztere den Vorrang bekäme und die Eheschließung ex nunc nichtig wäre. Umgekehrt bestünde die Regelungsmöglichkeit, beim Bestehen einer Lebenspartnerschaft und späterer Eheschließung mit einer dritten Person der Ehe den Vorrang einzuräumen und die Lebenspartnerschaft ab diesem Zeitpunkt für nichtig zu erklären. Es bedarf der Untersuchung des verfassungsrechtlichen Eheschutzes, um die Frage zu beantworten, ob der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für eine der vier beschriebenen Varianten einen breiten Spielraum besitzt oder ob dieser durch verfassungsrechtliche Vorgaben eingeschränkt ist. 1. Simultaneität von Ehe und Lebenspartnerschaft a) Das Verhältnis zwischen Eheschließungsfreiheit und Institutsgarantie der Ehe bei Art. 6 I GG Ließe der Gesetzgeber eine Eheschließung von Personen gesetzlich zu, die schon eine Lebenspartnerschaft begründet haben, oder ermöglichte er umgekehrt verheirateten Personen die Begründung einer Lebenspartnerschaft, so schiene die Eheschließungsfreiheit zunächst gewahrt. Eine Person könnte jederzeit die Ehe eingehen, unabhängig von ihrer rechtsinstitutionellen Bindung durch eine Lebenspartnerschaft.5 Die Ehe bestünde in diesem Fall gleichzeitig neben der Lebenspartnerschaft. 5 Dieser Lösung scheinen Ina Maria Lindenberg/Lars Micker, Die Vereinbarkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes mit Art. 6 Abs. 1 GG, in: DÖV 2003, S. 707 (709), zuzuneigen, allerdings ohne näher zu begründen, ob die Ehe dann simultan

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Eine solche rechtliche Gestaltung würde allerdings dem grundrechtlichen Binnenverhältnis zwischen der Eheschließungsfreiheit und der Institutsgarantie der Ehe nicht gerecht. Die Eheschließungsfreiheit umfasst das Recht auf Eingehung einer Ehe. Als Ehe i. S. v. Art. 6 I GG kommt nur das bestimmte Strukturmerkmale umfassende und durch die Institutsgarantie gerade in diesen Merkmalen geschützte Rechtsinstitut in Betracht. Die Institutsgarantie verstärkt durch ihre institutionelle Strukturabsicherung der Ehe mithin den Schutz des subjektiven Rechts auf Eheschließung. Das Grundrecht positiv auszuüben, also eine Ehe einzugehen, ist deshalb gleichbedeutend mit der Bejahung der in bestimmter Weise verfassungsrechtlich konturierten Ehe des Grundgesetzes. Die Eheschließungsfreiheit umfasst folglich nicht den Zugang zu einem Rechtsinstitut, das auch nur in einem bestimmten Merkmal von der durch die Institutsgarantie festgehaltenen Grundstruktur der Ehe abweicht. Daraus ergibt sich, dass die Eheschließungsfreiheit auf die durch die Institutsgarantie in bestimmten Wesensmerkmalen geschützte Ehe abzielt. Zu diesen Strukturmerkmalen gehört die Einehe, die im einfachgesetzlichen Recht im § 1306 BGB als Verbot der Doppelehe ihren Niederschlag gefunden hat. Die Monogamie als Verbindung nur eines Mannes mit nur einer Frau ist vor ihrem jüdisch-christlichen kulturellen Hintergrund ein überkommener Bestandteil der Ehe. Sie wird daher durch die Institutsgarantie der grundgesetzlichen Ehe verfassungsrechtlich geschützt.6 Das in § 1306 BGB statuierte Verbot der Doppelehe ist somit auch nicht ein gesetzlich geregelter Eingriff des Staates in das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit, sondern reflexiver Ausdruck der ehelichen Institutsgarantie als Schutzverstärkung des Abwehrrechts, die den Schutzbereich dieses Grundrechts erst konturierend umschreibt. Eine Simultaneität von zwei Ehen ist daher nicht möglich und keine Ausprägung der Eheschließungsfreiheit; umgekehrt ist das einfachgesetzliche Verbot der Doppelehe keine Verletzung dieses Grundrechts.7 zur Lebenspartnerschaft geführt werden kann oder letztere mit der Eheschließung ex nunc nichtig ist. Siehe auch Marina Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2003, Rn. 101, die ein gleichzeitiges Bestehen von Ehe und Lebenspartnerschaft vor der Einführung eines Ehehindernisses der Lebenspartnerschaft für verfassungskonform hielt. 6 BVerfGE 10, 59 (66); 29, 166 (176); 31, 58 (69); 62, 323 (330); 76, 1 (41 f.); OVG Münster, FamRZ 1997, S. 1147 (1149); Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte, 22. Aufl., 2006, Rn. 664; Stern (Fn. 2), § 100 III 2 e, S. 389; Robbers (Fn. 2), Art. 6 Rn. 42; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 7; Coester-Waltjen (Fn. 2), Art. 6 Rn. 8. 7 Thorsten Kingreen, Die verfassungsrechtliche Stellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Spannungsfeld zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten, 1995, S. 85.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Diese Grundsätze können in einer parallelen Wertung für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Möglichkeit des gleichzeitigen Bestehens einer Ehe und einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft übernommen werden. Dagegen spricht zwar zunächst, dass es sich bei der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich nicht um eine Ehe handelt, so dass das Prinzip der Einehe formal gewahrt bliebe, wenn eine verheiratete Person gleichzeitig mit einer anderen Person in einer Lebenspartnerschaft verbunden wäre. Die Einehe ist allerdings sowohl angesichts ihrer kulturellen Tradition als auch ihrer teleologischen Bestimmung ein bestimmendes Tatbestandsmerkmal der Ehe, weil die durch eine Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft mit den daraus folgenden rechtlichen Verpflichtungen der Ehegatten entstehende innere Bindung der Ehegatten exklusiven Charakter besitzt und das Eingehen einer anderen Personengemeinschaft gleicher Art und Intensität durch einen der Ehepartner ausschließt.8 Diese Folgerung lässt sich auch der verfassungsgerichtlichen Definition der (verschiedengeschlechtlichen) eheähnlichen Gemeinschaft entnehmen, die danach neben der eheähnlichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich keine weitere personale Lebensgemeinschaft zulässt.9 Um das zeitliche Verhältnis zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft zu bestimmen, ist ausgehend von dieser Definition ein doppelter Erst-RechtSchluss sowohl in Richtung Ehe als auch in Richtung Lebenspartnerschaft zu ziehen: Wenn schon eine eheähnliche Lebensgemeinschaft aus Mann und Frau, denen die Eheschließung grundsätzlich möglich ist und die aber nicht heiraten wollen, andere Bindungsgemeinschaften gleicher Art ausschließt, dann muss dies erst recht für die Ehe mit ihrer gesetzlich formalisierten Bindung gelten. Und wenn schon eine weitere eheähnliche Bindung mit einer dritten Person wegen der sie ausschließenden schon bestehenden Lebensgemeinschaft nicht möglich ist, dann gilt dies erst recht für die formellere und rechtlich verpflichtendere Bindung eines Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft. Ihr Bestehen neben der Ehe wäre erst recht unmöglich. Insofern muss das durch die Institutsgarantie verfestigte und geschützte Merkmal der Einehe im Hinblick auf neue Partnerschaftsmodelle ergänzt und präzisiert werden, als auch alle anderen gleichzeitigen rechtsinstitutionellen Bindungen vergleichbarer Art mit der bestehenden Ehe unvereinbar sind. Aus dem Verbot der Doppelehe folgt deshalb, dass ein gleichzeitiges Bestehen von Lebenspartnerschaft und Ehe gegen die Institutsgarantie des Art. 6 I GG verstößt und nicht von der Eheschließungsfreiheit umfasst ist.10 8 Rainer Kemper, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: FPR 2002, S. 585. 9 BVerfGE 87, 234 (264).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

b) Das Verhältnis zwischen der Eheschließungsfreiheit und der freien Entfaltung der Person sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Lebenspartnerschaft kann sich hinsichtlich ihres verfassungsrechtlichen Bezugs nicht auf Art. 6 I GG berufen, weil durch ihn nur Ehen geschützt werden. In Betracht kommt aber als grundrechtlicher Schutzbereich die freie Entfaltung der Person nach Art. 2 I GG sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG.11 Darunter fällt auch das Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben. Um die Möglichkeit der zeitlichen Parallelität von Ehe und Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich einzuordnen, muss das Verhältnis der die jeweilige Lebensgemeinschaft tragenden Grundrechte zueinander bestimmt werden. aa) Verhältnis der grundrechtlichen Schutzbereiche Art. 2 I GG gewährleistet umfassend die allgemeine Handlungsfreiheit, also die Möglichkeit, alle Handlungen zu tun oder zu unterlassen, die man tun oder unterlassen will. Im Verhältnis zu den benannten Freiheitsrechten des Grundgesetzes ist Art. 2 I GG folglich ein Auffangtatbestand, d.h., die im Einzelfall einschlägigen Freiheitsrechte besitzen als speziellere Grundrechte Vorrang.12 Mithin geht der Schutzbereich des Art. 6 I GG 10 Gunther Dietrich Gade, Der rechtliche Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, in: Verwaltungsrundschau 2002, S. 397 (402); Michael Sachs, Rechtsförmliche Lebenspartnerschaften für Menschen des gleichen Geschlechts – Verfassungsgebot oder Verfassungsverstoß?, in: JR 2001, S. 45 (48); auch Rupert Scholz/Arnd Uhle, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ und Grundgesetz, in: NJW 2001, S. 393 (398), ohne allerdings die Eheschließungsfreiheit als Begründungsansatz zu erwähnen. Kemper (Fn. 8), S. 585, verortet das Problem verfassungsdogmatisch primär bei der Institutsgarantie. Daran ist richtig, dass die Ehe i. S. d. Art. 6 I GG mit ihrem Strukturmerkmal der Monogamie durch die Institutsgarantie verfassungsrechtlich bewahrt wird. Sie steht allerdings in einem affirmativen Konnex zur Eheschließungsfreiheit, in deren Zentrum sich das Rechtsinstitut der Ehe mit seinen Wesensmerkmalen befindet, so dass Beschränkungen des Zugangs zur Ehe in erster Linie das Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe berühren. 11 Näher dazu unten 3. Kapitel B., S. 372 ff. 12 Stern (Fn. 2), § 104 VII 2, S. 979 ff.; Christian Starck, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., 2005, Art. 2 Rn. 51; Dietrich Murswiek, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 2 Rn. 137; Udo Di Fabio, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 2 I Rn. 21 m. w. N. aus der Rspr; Hans-Uwe Erichsen, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 25; Wolfram Höfling, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 2 Rn. 56; Philip Kunig, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 2 Rn. 12.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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hinsichtlich der Ehe dem allgemeiner gefassten der allgemeinen Handlungsfreiheit vor.13 bb) Verhältnis der grundrechtlichen Einschränkungsmöglichkeiten Die allgemeine Handlungsfreiheit des Grundrechtsträgers wird unter anderem durch die in Art. 2 I GG aufgeführte verfassungsmäßige Ordnung eingeschränkt, zu der die gesamte formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmende Rechtsordnung gehört.14 Daraus ergibt sich, dass alle Verfassungsnormen integrale Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung sein müssen, wenn sogar das verfassungsgemäße einfachgesetzliche Recht zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. v. Art. 2 I GG gehört. Zu den Verfassungsnormen zählen auch die Grundrechte. Die Eheschließungsfreiheit des Art. 6 I GG kann daher das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit einschränken. Umgekehrt ist dies nicht möglich. Art. 6 I GG besitzt keinen derart ausgestalteten Gesetzesvorbehalt, sondern ist nur verfassungsimmanent einschränkbar.15 Dazu gehören im Kollisionsfall Grundrechte Dritter sowie andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtspositionen.16 Art. 2 I GG kann aus grundrechtssystematischer Sicht die Eheschließungsfreiheit nicht einschränken, weil die Spezialität von Art. 6 I GG ins Leere liefe, wenn Art. 2 I GG wiederum als eine Begrenzung des Grundrechts auf Eheschließung verstanden würde.17 Die grundrechtliche Schutzintensität des Art. 2 I GG ist wegen seiner leichteren Einschränkungsmöglichkeit daher deutlich geringer als die des Art. 6 I GG. (1) Art. 2 I GG als gegenüber Art. 6 I GG schwächeres Grundrecht Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG erweist sich folglich als das im Verhältnis zur Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 I GG „schwächere“ Grundrecht: Auf den Schutzbereich bezogen verdrängt der speziellere Art. 6 I GG die Handlungsfreiheit desselben Grundrechtsträgers dann, wenn thematisch der Zugang zur Ehe betroffen ist, die – wie ausgeführt – 13

BVerfG, NJW 1993, S. 3058; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 68. BVerfGE 6, 32 (41) („Elfes-Urteil“), st. Rspr.; Stern (Fn. 2), § 104 V 3, S. 951 ff.; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 25; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 89; Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 39; Erichsen (Fn. 12), Rn. 31; Höfling (Fn. 12), Art. 2 Rn. 67; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 22. 15 BVerfGE 24, 119 (135); 31, 58 (68 f.). 16 Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 21; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 28. 17 Im Ergebnis Christiane Freytag, Lebenspartnerschaftsgesetz, Eheschutzgebot und Differenzierungsverbot, in: DÖV 2002, S. 445 (447), mit dem etwas pauschalen Hinweis auf den Vorrang der Ehe. 14

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

andere simultan geführte institutionelle Lebensgemeinschaften ausschließt. Geht es um die kollidierenden Grundrechte verschiedener Grundrechtsträger aus Artt. 2 I und 6 I GG, so kann die Eheschließungsfreiheit als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit einer anderen Person rechtfertigen. (2) Grundrechtsverzicht als relevante dogmatische Figur für die grundrechtliche Verhältnisbestimmung? Die bisher vorgenommene verfassungsrechtliche Einordnung des Verhältnisses von Eheschließungsfreiheit und allgemeiner Handlungsfreiheit könnte eine andere Akzentuierung erhalten, wenn hier die verfassungsdogmatische Konstruktion des Grundrechtsverzichts eine Rolle spielt.18 Unter einem Grundrechtsverzicht versteht man die freiwillige Entscheidung, auf die Ausübung bestimmter grundrechtlicher Befugnisse zu verzichten.19 Um eine präzise dogmatische Beschreibung des Grundrechtsverzichts zu ermöglichen, darf er nicht mit dem bloßen Unterlassen einer aktiven grundrechtlichen Betätigung verwechselt werden. Zum Grundrechtsverzicht gehört stets ein zumindest konkludentes Handeln, in dem zum Ausdruck kommt, dass der Grundrechtsträger auf die Ausübung grundrechtlicher Positionen verzichtet und sich damit selbst bindet.20 18

Bejahend Meinhard Forkert, Eingetragene Lebenspartnerschaften im deutschen IPR: Art. 17b EGBGB, 2003, S. 26 f.; Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Einl., Rn. 45. 19 Jost Pietzker, in: Die Rechtsfigur des Grundrechtsverzichts, in: Der Staat 1978, S. 527 (531). Gemeint ist also nicht der wegen Art. 1 II GG unzulässige Verzicht auf Grundrechte in ihrer Gesamtheit, vgl. Albert Bleckmann, Probleme des Grundrechtsverzichts, in: JZ 1988, S. 57 (58); Günter Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, in: AöR 81 (1956), S. 117 (153). Michael Malorny, Der Grundrechtsverzicht, in: JA 1974, S. 475 (476 f.), bezeichnet diesen abgrenzend zum „Grundrechtsausübungsverzicht“ als den „Grundrechtsverzicht im eigentlichen Sinn“, nimmt aber wegen Art. 1 II GG dessen Unzulässigkeit an; ähnlich auch Detlef Merten, Der Grundrechtsverzicht, in: Recht im Pluralismus. Festschrift für Walter Schmitt Glaeser zum 70. Geburtstag, hrsg. von Hans-Detlef Horn, 2003, S. 53 (56 f., 72 f.), hinsichtlich des Verzichts auf die „Grundrechtsfähigkeit schlechthin oder auf die Fähigkeit, Träger eines bestimmten Grundrechts zu sein“. Kritisch zur Abgrenzung zwischen Grundrechtsverzicht und Grundrechtsausübungsverzicht Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 86 II 2, S. 903 f., und Gerd Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung. Festschrift für Willi Geiger zum 65. Geburtstag, hrsg. von Gerhard Leibholz u. a., 1974, S. 173 (185). 20 Michael Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Vor Art. 1 Rn. 54; Ingo von Münch, in: ders./Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Vorb. Art. 1–19 Rn. 62; Stern (Fn. 19), § 86 II 2, S. 905; Sturm (Fn. 19), S. 173 (185 f.).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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(a) Verfassungsrechtliche Möglichkeit des Grundrechtsverzichts Ob ein Grundrechtsverzicht verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist, ist umstritten.21 Gegen die Zulässigkeit sind Bedenken vor allem hinsichtlich Art. 19 II GG sowie des Gesetzmäßigkeitsprinzips geltend gemacht worden, nach denen staatliche Eingriffe in grundrechtliche Positionen eines gesetzlich festgelegten Maßstabs bedürften und nicht dem einzelnen Grundrechtsträger überlassen bleiben könnten.22 Auch wird unter Hinweis auf den Gemeinwohlbezug jeder Grundrechtsausübung eine Verfügungsbefugnis des Grundrechtsberechtigten im Sinne eines Verzichts generell verneint.23 Einigkeit besteht im (wohl wenig praxisrelevanten) Fall des Totalverzichts: Soweit der Verzicht auf ein Grundrecht schlechthin in seiner Substanz in Betracht gezogen wird, ist ein Totalverzicht wegen der in Art. 19 II GG statuierten Kerngewährleistung der Grundrechte und ihrer Unveräußerlichkeit nach Art. 1 II GG verfassungswidrig.24 Für die zumindest grundsätzliche verfassungsrechtliche Möglichkeit des partiellen Grundrechtsverzichts spricht, dass es zur freiheitsgewährenden Dimension der Grundrechte gehört, die grundgesetzlich zugeordnete Freiheit in verbindlich zum Ausdruck gebrachter Weise auch nicht zu gebrauchen.25 Es ist nämlich widersprüchlich, mit der Einräumung von Freiheit als konkretisiertem Ausdruck menschlicher Selbstbestimmung in jedem Fall gleichzeitig auch eine Verpflichtung zum Freiheitsgebrauch anzunehmen.26 Exemplarisch wird dies an der durch Art. 2 I GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit deutlich, deren Schutzbereich jedwedes aktives Tun, aber auch jedes Unterlassen umfasst. Damit erkennt das Grundgesetz die Bedeu21 Eingehend Gerhard Spieß, Der Grundrechtsverzicht, 1997, S. 29 ff., und Stern (Fn. 19), § 86 I, S. 887 ff. 22 Etwa Gerd Koch, Ein Beitrag zur Lehre vom Verzicht auf die Grundrechte, 1983, S. 183. 23 Sturm (Fn. 19), S. 173 (192, 197 f.). 24 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 23 Rn. 19; Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Vorb. vor Art. 1 Rn. 36; Starck (Fn. 12), Art. 1 Rn. 301; Horst Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Vorb. Rn. 131; Merten (Fn. 19), S. 53 (73); Sachs (Fn. 20), Vor Art. 1 Rn. 52; I. v. Münch (Fn. 20), Rn. 63; Albert Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl., 1997, § 15 Rn. 23; Stern (Fn. 19), § 86 II 6, S. 915; Helmut Quaritsch, Der Verzicht im Verwaltungsrecht und auf Grundrechte, in: Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, hrsg. von Peter Selmer und Ingo von Münch, 1987, S. 407 (410); Malorny (Fn. 19), S. 475 (477 f.); Dürig (Fn. 19), S. 117 (153). 25 So auch Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 23 Rn. 19; Peter Lerche, § 122: Grundrechtsschranken, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 45; Dürig (Fn. 19), S. 117 (152). 26 Merten (Fn. 19), S. 53 (59); Gerhard Robbers, Der Grundrechtsverzicht, in: JuS 1985, S. 925 (927).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

tung des Unterlassens für die Freiheitsausübung an. Wenn aber schon das bloße Unterlassen eine Betätigung grundrechtlicher Freiheit ist, dann erst recht der bewusste aktive Verzicht auf die Ausübung positiver Verhaltensfreiheit. Daraus ergibt sich, dass ein bewusster Verzicht auf eingeräumte Grundrechtspositionen jedenfalls nicht generell der Grundrechtssystematik und ihrer dogmatischen Verankerung als Freiheitsgewährleistung widersprechen kann.27 Als weitere dogmatische Fundierung dieses Gedankens kommt auch das in Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht.28 Es umfasst den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen, zu der auch gehört, diese nach eigener Entscheidung zu gestalten.29 Im Vordergrund steht somit die zu schützende freiheitliche Selbstbestimmung des Einzelnen in seinem persönlichen Lebensbereich, die sich sowohl aus seiner Menschenwürde als auch aus dem Recht zur freien Entfaltung ergibt. Zur selbstbestimmten Autonomie kann denklogisch auch gehören, auf die grundrechtliche Ausübung bestimmter Rechtspositionen bewusst und verbindlich zu verzichten. Einer Entscheidung, ob sich ein Grundrechtsträger bei einem solchen Grundrechtsverzicht primär auf den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen kann, bedarf es nicht, weil beide Grundrechte die selbstbestimmte Freiheitsausübung gewährleisten und sie sich in der verfassungsdogmatischen Fundierung der Problematik von Voraussetzungen und Grenzen des Grundrechtsverzichts nicht widersprechen. Allerdings zeigt die Verortung des Art. 2 I GG im System der Grundrechte, dass das Grundgesetz nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit als Freiheitsgewährleistung sichert, sondern sich diese Freiheit inhaltlich zunächst in den übrigen Grundrechten konkretisiert. Diese spezielleren benannten 27 Merten (Fn. 19), S. 53 (59, 63); Bleckmann (Fn. 24), § 15 Rn. 27 f.; ders. (Fn. 19), S. 57 (58 ff.); Quaritsch (Fn. 24), S. 407 (410); Malorny (Fn. 19), S. 475 (478); Knut Frieß, Der Verzicht auf Grundrechte, 1969, S. 146, 150; ähnlich Starck (Fn. 2), Art. 1 Rn. 300, und Knut Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 29, die den Grundrechtsverzicht für einen Bestandteil der Einwilligungsfreiheit halten, welche von Art. 2 I GG geschützt sei. 28 Reinhold Zippelius/Thomas Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl., 2005, § 19 V 2, S. 194 f.; Reinhold Zippelius, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 1 Rn. 120 f.; Stern (Fn. 19), § 86 II 4, S. 907; Spieß (Fn. 21), S. 90. 29 Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 173; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 69 f.; Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 147 ff.; Walter Schmitt Glaeser, § 129: Schutz der Privatsphäre, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 30; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 32 f.; Detlef Merten, Eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften unter dem Grundgesetz. Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee und Helmut Lecheler, 1999, S. 615 (617).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Grundrechte sind zwar Ausdruck grundrechtlicher Freiheitsgewährung, umfassen aber ganz unterschiedliche Rechtsgüter. Insofern laden die unterschiedlichen Schutzgüter der Grundrechte und ihre unterschiedliche strukturelle Konturierung dazu ein, bei der Frage der Zulässigkeit eines Grundrechtsverzichts nach den einzelnen Grundrechten zu differenzieren.30 (b) Verfassungsrechtliche Möglichkeit des Verzichts auf die Eheschließungsfreiheit bei Begründung einer Lebenspartnerschaft? Der mögliche Grundrechtsverzicht könnte für das verfassungsrechtliche Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft relevant sein, wenn man das Eingehen einer Lebenspartnerschaft als gleichzeitigen Verzicht auf das in Art. 6 I GG normierte Grundrecht der Eheschließungsfreiheit auffasst. Dieser Verzicht bliebe solange wirksam, wie die Lebenspartnerschaft bestünde. Daraus ergäbe sich, dass eine Ehe von einem Grundrechtsträger dann nicht eingegangen werden könnte, wenn er oder sein designierter Ehegatte noch in einer bestehenden Lebenspartnerschaft lebte. Auf den ersten Blick scheint diese Konstruktion überzeugend zur Lösung der Problematik des Bestehens von Ehe und Lebenspartnerschaft beizutragen. Allerdings geht sie von der Prämisse aus, dass ein Grundrechtsträger auf sein Grundrecht der Eheschließungsfreiheit überhaupt verzichten kann. Dies ist aber wegen der grundrechtssystematischen Konturierung des Art. 6 I GG problematisch: Teilweise wird gegen die Annahme eines automatischen Verzichts auf die Eheschließungsfreiheit bei Abschluss einer Lebenspartnerschaft vorgebracht, dass der Grundrechtsverzicht nur bei einer möglichen Einwilligung gegenüber dem staatlichen Eingriff in Frage komme, nicht jedoch auf lange Dauer und mittelbar gegenüber Dritten.31 Letzteres sei aber der Fall, wenn es um die Eheschließung zwischen natürlichen Personen ginge. Diese Argumentation vermag, soweit sie auf die grundrechtliche Verhältnisbestimmung zwischen dem Grundrechtsberechtigten und einem Dritten abstellt, nicht zu überzeugen. Es geht bei dieser Problematik durchaus um das Staat-Bürger-Verhältnis: Dem Gesetzgeber bleibt es unbeschadet der verfassungsrechtlichen Vorgaben überlassen, die Einzelheiten der Voraussetzungen einer Eheschließung einfachgesetzlich zu regeln.32 Wenn er nun ein Ehehindernis der Lebenspartnerschaft mit dem Argument normiert, durch die Be30 Stern (Fn. 19), § 86 II 5, S. 911 f.; Robbers (Fn. 26), S. 925 (927); Pietzker (Fn. 19), S. 527 (542). 31 Sachs (Fn. 10), S. 45 (48). 32 BVerfGE 31, 58 (69); 36, 146 (161 f.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

gründung einer Lebenspartnerschaft hätte der Grundrechtsträger auf seine Eheschließungsfreiheit verzichtet, würde er durch seine Regelung zumindest den Schutzbereich der Eheschließungsfreiheit des potentiellen Ehegatten, der nicht in einer Lebenspartnerschaft lebte, berühren. Damit läge aber ein Eingriff des Staates in Grundrechte des Einzelnen und nicht nur eine interpersonale Beziehung zwischen Privatpersonen vor. Aus der staatlichen Regelungsbefugnis für die Voraussetzungen der Ehe ergibt sich folglich das potentielle Vorliegen eines Grundrechtskonflikts durch einen möglichen staatlichen Eingriff in die Eheschließungsfreiheit eines der Beteiligten. Allerdings ist die der gerade geschilderten Argumentation zugrunde liegende dogmatische Perspektive, das grundrechtliche Verhältnis der potentiellen Nupturienten in den Blick zu nehmen, durchaus gewinnbringend. Ein möglicher Grundrechtsverzicht des in einer Lebenspartnerschaft lebenden Grundrechtsträgers bedeutet nämlich zugleich einen teilweisen Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit derjenigen Person, die den Lebenspartner heiraten möchte. Die Eheschließungsfreiheit umfasst das Recht zur selbstbestimmten Wahl des verschiedengeschlechtlichen Ehepartners. Dieses Recht würde in Bezug auf die Wahl von in Lebenspartnerschaften lebenden Personen aber von vornherein eingeschränkt, ohne dass auch derjenige Grundrechtsberechtigte, der mit der in einer Lebenspartnerschaft lebenden Person die Ehe eingehen möchte, dem zugestimmt hätte. Ein Grundrechtsverzicht, der gleichzeitig den Verzicht auf die umfassende Grundrechtsausübung einer anderen Person bedeutet, ist deshalb nicht nur wegen der mangelnden Verfügungsbefugnis über Grundrechte anderer problematisch, sondern auch, weil es an der Freiwilligkeit des Verzichts durch diese andere Person fehlt. Die Einschränkung der Ausübung der Eheschließungsfreiheit kann nicht mit einer ähnlichen Begründung wie die zum Verbot der Doppelehe gerechtfertigt werden, weil diese eine Konsequenz der Institutsgarantie der Ehe ist. Die Lebenspartnerschaft kann diese institutionelle Fundierung im Grundgesetz aber gerade nicht für sich in Anspruch nehmen. Ein Grundrechtsverzicht, der einen weiteren, diesmal aber unfreiwilligen Grundrechtsverzicht einer anderen Person zur Folge hätte, widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht dieser Person. Er ist daher nicht verfassungskonform. Auch die angeführte Dauer des möglichen Grundrechtsverzichts ist nicht ohne Belang für die Beurteilung seiner Zulässigkeit. Gerade wenn man die selbstbestimmte Freiheit des Einzelnen zu eigenständigem Handeln als dogmatische Grundlage eines möglichen Grundrechtsverzichts ansieht, ergibt sich eine Konsequenz für die zeitliche Dimension der Selbstbindung durch den Verzicht: Der Verzicht kann dann als Freiheitsgebrauch verstanden werden, wenn sich diese getroffene Entscheidung auch in zukünftigen Situatio-

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nen zumindest potentiell aktualisiert, d.h., der Grundrechtsberechtigte auch in der Zukunft auf die Grundrechtsausübung verzichtete. Je länger der Zeitraum des Grundrechtsverzichts ist, umso diffiziler ist es, dies zu prognostizieren. Im Gegenteil wird man annehmen müssen, dass die Wahrscheinlichkeit von sich gänzlich verändernden situativen Bedingungen mit der vergehenden Zeit proportional steigt. Mit ihr wächst gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit dafür, das betreffende Grundrecht irgendwann doch noch ausüben zu wollen und darauf nicht mehr zu verzichten. Daraus folgt, dass eine Selbstbindung durch Verzicht je eher als Freiheitsausübung verstanden werden kann, je geringer der Zeitraum dieser Bindung ist. Ein zeitlich unbefristeter und irreversibler Verzicht auf die Grundrechtsausübung ist daher kein Ausdruck freiheitlicher Selbstbestimmung mehr.33 Insofern ist der dauernde Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht zulässig.34 Eine Lebenspartnerschaft wird aber für unbestimmte Zeit eingegangen, regelmäßig wird von den Lebenspartnern eine lange, ggf. sogar eine lebenslange Zeitdauer beabsichtigt sein. Schon aus diesem Grund liegt ein der Verfassung gemäßer Grundrechtsverzicht hier nicht vor. Der Einwand, bei der Eheschließung werde vergleichbar auf grundsätzlich lebenslang angelegte Dauer auf weitere Eheschließungen verzichtet, greift nicht, weil – wie gezeigt – die Einehe verfassungsrechtliches Wesensmerkmal der Ehe und damit eine zulässige institutionelle Konturierung der abwehrrechtlichen Eheschließungsfreiheit ist. Ehe und Lebenspartnerschaft sind insoweit nicht vergleichbar. Auch die Konkretisierung der aus Art. 6 I GG abgeleiteten grundrechtlichen Wirkungen stellt ein Hindernis für die Annahme eines Grundrechtsverzichts dar. Zum einen erschöpft sich Art. 6 I GG nicht in der Abwehrfunktion gegenüber staatlichen Eingriffen in die Eheschließungsfreiheit, sondern besitzt mit der Institutsgarantie und der allgemeinen verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie eine objektivrechtliche Dimension, die die gesamte Rechtsordnung prägt. Zwar haben alle aus dem Grundrecht ableitbaren Rechtswirkungen einen eigenständigen inhaltlichen Kernbereich. Das heißt jedoch nicht, dass man diese in vollständig autonome Regelungsbereiche mit jeweils voneinander unabhängigen Rechtsfolgen aufteilen kann. Vielmehr bleibt ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen subjektiv- und objektiv-rechtlicher Gewährleistung des Grundrechts bestehen. Beide grundrechtsimmanenten Wirkungsebenen bedingen sich typischerweise gegenseitig: Die abwehrrechtliche Eheschlie33 I. v. Münch (Fn. 20), Rn. 63; Dürig (Fn. 19), S. 117 (153). Die Dauer des Verzichts ist auch bei Jarass (Fn. 24), Vorb. vor Art. 1 Rn. 36, und Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 139, ein Kriterium zur Beurteilung seiner Zulässigkeit. 34 Ähnlich Amelung (Fn. 27), S. 40, der nur einen vorübergehenden Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit für zulässig hält.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

ßungsfreiheit kann nicht vollständig erschlossen werden, wenn die Ehe als institutionelles Ziel dieser Freiheit in ihren wesentlichen Grundstrukturen nicht verfassungsrechtlich garantiert und ihr Schutz darüber hinaus eine die gesamte Rechtsordnung betreffende Verpflichtung ist. Umgekehrt ist eine institutionelle Stabilisierung ohne ein dem Rechtsinstitut zugrunde liegendes subjektives Recht des Grundrechtsträgers dem grundrechtlichen Teil des Grundgesetzes systemfremd. Es handelt sich deshalb bei Art. 6 I GG um ein einheitliches Grundrecht. Ein partieller Verzicht auf nur einen Wirkungstyp dieses Grundrechts, also auf einen Teil von ihm, ist deswegen nicht vorstellbar. Der Verzicht auf das gesamte Grundrecht aus Art. 6 I GG kommt danach nicht in Betracht, weil der einzelne Grundrechtsträger auf die der gesamten Rechtsordnung verfassungsrechtlich zugrunde liegende objektiv-rechtliche Seite des Grundrechts nicht verzichten kann. Diese bei Art. 6 I GG besonders stark ausgeprägte Dimension besitzt nämlich durch die Institutsgarantie und Wertentscheidung zugunsten der Ehe eine die gesamte Grundrechtsnorm prägende Charakteristik, die deshalb nicht zur Disposition des einzelnen Grundrechtsträgers steht. Die Normstruktur des Art. 6 I GG spricht also ebenfalls gegen einen möglichen Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit.35 Mit dieser Argumentation zusammenhängend wird das durch Art. 6 I GG geschützte „öffentliche Interesse“ betont und die zentrale gesellschaftliche Bedeutung von Ehe und Familie hervorgehoben.36 Diese Argumentation ist zwar zutreffend, beruht aber auf der Rechtswirkung von Art. 6 I GG, insbesondere auf der Wertentscheidung für Ehe und Familie. Die Zurückführung dieses Arguments auf die erörterte grundrechtliche Fundierung ist deshalb dogmatisch präziser als die Verwendung wenig transparenter Begriffe. Die dogmatische Konstruktion eines Verzichts auf die Eheschließungsfreiheit bei Eingehen einer Lebenspartnerschaft ist deshalb aus den genannten Gründen nicht weiterführend und abzulehnen. 35

Dreier (Fn. 24), Vorb. Rn. 133, unter Bezug auf die Institutsgarantie der Ehe. Dieser Ansatz findet sich auch angedeutet bei Spieß (Fn. 21), S. 190, ohne dass aber dort die daraus folgende Konsequenz der Verneinung eines entsprechenden Grundrechtsverzichts gezogen wird. Nach Stern (Fn. 2), § 100 IV 4 b, S. 414, nivelliert die Annahme eines selten bewusst vorgenommenen Verzichts auf die Eheschließungsfreiheit durch die Lebenspartner zudem den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe. Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl., 2002, Vorb. vor Art. 1 Rn. 36, hielt Art. 6 GG ohne nähere Begründung ebenfalls für „eher verzichtsfeindlich“. In den beiden nachfolgenden Auflagen fehlt der ausdrückliche Hinweis auf Art. 6 GG allerdings. 36 BVerwGE 14, 21 (30), im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit von beamtenrechtlichen „Zölibatsklauseln“.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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cc) Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit als negative Eheschließungsfreiheit? Teilweise wird das problematische Konstrukt des Grundrechtsverzichts dadurch zu umgehen versucht, dass man das Phänomen unter eine negative Eheschließungsfreiheit subsumiert. Darunter soll auch die Freiheit fallen, keine Ehe einzugehen.37 Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass – wie erwähnt – die bloße Nichtausübung eines Grundrechts noch keinen Verzicht darauf darstellt, weil es an der für ihn notwendigen verbindlichen Erklärung fehlt.38 Man kann sich zudem fragen, ob es eine negative Eheschließungsfreiheit im Sinne eines Rechts, nicht zu heiraten, nach Art. 6 I GG überhaupt geben kann. Die institutionelle Absicherung der Ehe als vom Willen des Einzelnen unabhängige objektiv-rechtliche Gewährleistung in Art. 6 I GG spricht eher dagegen, aus diesem Grundrecht auch die Nichtwahlmöglichkeit der Ehe durch den Einzelnen abzuleiten. Es liegt deshalb näher, hierfür Art. 2 I GG statt Art. 6 I GG heranzuziehen.39 Außerdem wird bei einigen Freiheitsrechten wie etwa der Glaubens- oder Meinungsfreiheit als negative Grundrechtsausübung nicht primär die Nichtausübung der positiv gewährten Freiheitsgewährleistungen verstanden, sondern der Schutz vor aufgedrängten und nicht gewollten Freiheitsausübungen bestimmter Art durch andere. Das trifft aber nicht den Kern der Problematik eines jeweils freiwilligen Abschlusses von Ehe oder Lebenspartnerschaft. In diesem Fall bleibt die präzise Abgrenzung zwischen einem Verzicht auf die Ausübung bestimmter Grundrechtspositionen und der Ausübung einer negativen grundrechtlichen Gewährleistung unklar. Ein Verzicht auf die Grundrechtsausübung kommt aus dogmatischer Sicht deshalb grundsätzlich der hier untersuchten Konstellation schon näher. Dieser ist verfassungsrechtlich aber – wie gezeigt – bei Art. 6 I GG nicht zulässig. c) Anwendung der getroffenen grundrechtlichen Aussagen auf das Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft Da sich die einzelnen Grundrechtsträger in den verschiedenen personell möglichen Konstellationen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft auf je37 Freytag (Fn. 17), S. 445 (447), die zur Begründung alternativ Art. 6 I und 2 I GG anführt; vgl. auch Merten (Fn. 19), S. 53 (55). 38 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 23 Rn. 19; I. v. Münch (Fn. 20), Rn. 62. 39 BVerfGE 56, 363 (384); Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 68; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 23; Eckart Koch, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, Einl. vor § 1297 BGB, Rn. 200; a. A. Stern (Fn. 2), § 100 IV 4 c, S. 415, Robbers (Fn. 2), Art. 6 Rn. 57, Merten (Fn. 29), S. 615 (616 ff.), und Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 24, die Art. 6 I GG heranziehen.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

weils unterschiedliche Grundrechte berufen können, ist eine differenzierte Darstellung der einzelnen Personenverbindungen notwendig.

aa) Grundrechtliche Perspektive des Ehegatten, der zusätzlich noch eine Lebenspartnerschaft führen will Das aus Art. 2 I GG abgeleitete Recht, eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft einzugehen, wird vom Eheschließungsrecht nach Art. 6 I GG überlagert, das ein gleichzeitiges Bestehen dieser institutionalisierten Lebensgemeinschaft ausschließt. Art. 2 I GG tritt als subsidiär hinter das insoweit speziellere und schutzintensivere Recht auf Eingehung einer Ehe gemäß Art. 6 I GG zurück, von dem der Ehegatte Gebrauch gemacht hat. Der Ehegatte kann folglich nicht beide Rechte, Art. 2 I GG und Art. 6 I GG, zur gleichen Zeit geltend machen.

bb) Grundrechtliche Perspektive desjenigen Ehegatten, dessen Ehegatte zusätzlich noch eine Lebenspartnerschaft führen will Dieses Ergebnis wird durch die grundrechtliche Perspektive des anderen Ehegatten noch deutlicher. Aus Art. 6 I GG ergibt sich, dass der Einzelne ein Grundrecht auf die Eingehung einer andere Lebensgemeinschaften gleicher Art ausschließenden Ehe besitzt. Selbst wenn man dem Ehepartner also ein Recht auf eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft nach Art. 2 I GG zubilligt, würde es in diesem Fall durch das in Art. 6 I statuierte Eheschließungsrecht des anderen Ehegatten, das wegen der Institutsgarantie auf die Ehe unter gleichzeitigem Ausschluss anderer institutionalisierter umfassender Lebensgemeinschaften gerichtet ist, verfassungsgemäß eingeschränkt. cc) Grundrechtliche Perspektive des Lebenspartners, der zusätzlich noch eine Ehe führen will Auch bei der umgekehrten Konstellation kommt es zu ähnlichen verfassungsrechtlichen Ergebnissen. Art. 6 I GG überlagert in diesem Fall Art. 2 I GG. Das Eheschließungsrecht steht dem Lebenspartner folglich zwar grundsätzlich zu, umfasst aber nur die Ehe unter Ausschluss anderer institutionalisierter Lebensgemeinschaften. Ein gleichzeitiges Bestehen von Ehe und Lebenspartnerschaft scheidet daher aus der grundrechtsbezogenen Sicht des heiratswilligen Lebenspartners aus.

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dd) Grundrechtliche Perspektive desjenigen Lebenspartners, dessen Lebenspartner zusätzlich noch eine Ehe führen will Dem Lebenspartner steht zwar das Recht auf die Lebensgemeinschaft mit seinem Lebenspartner aus Art. 2 I GG zu. Dieses Recht wird aber durch das Eheschließungsrecht des anderen Lebenspartners aus Art. 6 I GG eingeschränkt, das die gleichzeitige Lebenspartnerschaft nicht zulässt. d) Zwischenergebnis Insgesamt lässt sich daher in allen Konstellationen die Aussage treffen, dass eine zeitliche Parallelität zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wegen des grundrechtlichen Verhältnisses zwischen Art. 2 I GG und Art. 6 I GG nicht möglich ist. 2. Zeitliche Priorität als Kriterium für Ehe oder Lebenspartnerschaft Das aus dem Eherecht bekannte Verbot der Doppelehe nach § 1306 BGB verankert das verfassungsrechtliche eheliche Strukturmerkmal der monogamen Einehe im einfachgesetzlichen Recht. Diejenige institutionalisierte Form der Lebensgemeinschaft in ihrem Bestand zu bevorzugen, die zuerst eingegangen wurde, hätte zunächst den Vorteil, dass dieses Prinzip für das Verhältnis aller institutionalisierten Lebensgemeinschaften zueinander übernommen werden könnte.40 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Alternative wird mit einem Ehe und Lebenspartnerschaft vergleichenden Argument begründet: Wenn sich ein Ehegatte auf einen Partner festlegen müsse und danach keine weitere Ehe bei Bestehen der ersten eingehen könne, sei ähnliches auch für einen Lebenspartner zumutbar.41 Vergleichbar ist das Argument, beide Arten von institutionellen Lebensgemeinschaften seien typologisch exklusive Paarbeziehungen, so dass die jeweils zuerst geschlossene ein Hindernis für das Eingehen einer zweiten institutionellen Lebensgemeinschaft sei.42 Allerdings berücksichtigt dieses Prioritätsprinzip 40 Volker Beck, Die verfassungsrechtliche Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: NJW 2001, S. 1894 (1900); auch Johannes Wasmuth, Zur Verfassungsmäßigkeit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: Der Staat 2002, S. 47 (54 f.), der eine Ergänzung des § 1306 BGB allerdings nicht für verfassungsrechtlich geboten hält, sondern sie nur aus nicht näher bezeichneten „rechtspolitischen Gründen“ empfiehlt. 41 Bodo Pieroth/Thorsten Kingreen, Funktionen des Ehegrundrechts am Beispiel des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: KritV 2002, S. 219 (223). 42 Stephan Stüber, Lebenspartnerschaft – viele offene Fragen, in: NJW 2003, S. 2721; Beck (Fn. 40), S. 1894 (1900); Nina Dethloff, Die eingetragene Le-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

noch nicht das grundrechtliche Verhältnis beider Rechtsinstitute, sondern behandelt Ehe und Lebenspartnerschaft in dieser Frage gleich. Grundrechte, auf die sich einerseits die Lebenspartner, andererseits die Ehegatten berufen können, sind aber hinsichtlich ihrer Schutzintensität nicht gleichwertig. Eine differenzierte Darstellung der möglichen Konstellationen soll dies illustrieren: a) Bereitschaft eines Lebenspartners zur Eheschließung ohne vorherige Aufhebung der Lebenspartnerschaft Von einigen Stimmen in der Literatur ist eine Lösung dieser Problematik durch den Bezug auf die fehlende Lebensgemeinschaft vorgeschlagen worden: Nach § 1353 I 2 BGB sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Die Ehe kann nachträglich gemäß § 1314 II Nr. 5 BGB aufgehoben werden, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung zu einer solchen Lebensgemeinschaft begründen wollten. Steht dieser Umstand für den Standesbeamten schon bei der Eheschließung fest, so muss er wegen § 1310 I 2, 2. Hs. BGB seine Mitwirkung an dieser verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 II BGB aufhebbar wäre. Die Ehe könnte mithin nicht wirksam geschlossen werden. Gleiches gelte – so wird argumentiert – auch bei bestehender Lebenspartnerschaft. Die Mitwirkung an einer Eheschließung müsse der Standesbeamte verweigern, weil wegen der nicht aufgehobenen Lebenspartnerschaft offensichtlich wäre, dass die dadurch gebundene Person keine eheliche Lebensgemeinschaft begründen wolle.43 Dahinter steht der Gedanke, dass mit der Lebenspartnerschaft schon eine exklusive Lebensgemeinschaft besteht und gleichzeitig keine zweite möglich ist. Es ist fraglich, ob diese Prämisse nicht zu kurz greift. Zwar wird regelmäßig die Lebenspartnerschaft auch eine Lebensgemeinschaft sein: § 2 LPartG normiert auch mit § 1353 I 2 BGB im ganzen vergleichbare Verpflichtungen,44 und die Begründung einer Lebenspartnerschaft ist zudem benspartnerschaft – Ein neues familienrechtliches Institut, in: NJW 2001, S. 2598 (2599). 43 Freytag (Fn. 17), S. 445 (447); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1900); Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 44. 44 Dafür spricht schon die gesetzeseigene amtliche Überschrift dieser Norm: „Partnerschaftliche Lebensgemeinschaft“. Sie bleibt aber hinter der umfassender normierten ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der Verpflichtung zur Geschlechtsgemeinschaft und zur häuslichen Gemeinschaft, zurück, vgl. Alexander Lüderitz/Nina Dethloff, Familienrecht, 28. Aufl., 2007, § 7 Rn. 20; Dagmar Kaiser, Die eingetragene Lebenspartnerschaft – Status und Personenstand,

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nach § 1 II Nr. 4 LPartG nicht möglich, wenn die Lebenspartner zu diesem Zeitpunkt diese Verpflichtungen nicht eingehen wollen. Allerdings ist die Lebenspartnerschaft zumindest faktisch auch ohne tatsächlich bestehende Lebensgemeinschaft im Sinne einer gemeinsamen Verantwortungs- und Lebensgestaltungsgemeinschaft denkbar. Den zumindest von einem Lebenspartner zum Ausdruck gebrachten Willen, eine Ehe einzugehen, könnte man zudem als Indiz dafür werten, dass eine lebenspartnerschaftliche Lebensgemeinschaft gerade nicht mehr besteht. Es fehlt also schon an der von § 1310 I 2 BGB geforderten Offenkundigkeit des W'illens eines Lebenspartners, mit der Ehe keine Lebensgemeinschaft einzugehen. Die Offenkundigkeit ist nämlich nur dann gegeben, wenn eindeutige und widerspruchsfreie Umstände vorliegen, die für einen möglichen Aufhebungsgrund i. S. v. § 1314 II Nr. 5 BGB sprechen.45 Widerspruchsfreie Umstände zur Beurteilung des Willens der Nupturienten bestehen aber bei einer zuvor begründeten Lebenspartnerschaft gerade nicht.46 Jedenfalls darf der Standesbeamte einen bestimmten Willen nicht generell unterstellen, sondern muss eine einzelfallorientierte Prüfung vornehmen. Diese Prüfung darf aber wegen der in Art. 6 I GG geschützten Freiheit, eine Ehe aus in die Selbstbestimmung des Einzelnen gelegten Motiven einzugehen, nicht soweit führen, dass der Standesbeamte diese Beweggründe zur Eheschließung ausforscht und bewertet.47 Vielmehr wird eine teleologische Reduktion des § 1314 BGB dahingehend vorgenommen, dass zusätzlich ein von der Rechtsordnung nicht hinnehmbarer Missbrauch der Eheschließungsform vorliegen muss.48 Dies wird man beim Bestehen einer Lebenspartnerschaft nicht allgemein sagen können. Bei schon bestehender Lebenspartnerschaft kommt ein generelles Ehehindernis nach §§ 1310 I 2, 1314 II Nr. 5 BGB daher nicht in Betracht.49 Zur Lösung der Problematik muss die grundrechtliche Konstellation zwischen den beteiligten Personen herangezogen werden: Der Lebenspartner besitzt nach wie vor das Recht auf Eingehung einer Ehe nach Art. 6 I GG. Bei einer unterstellten Anwendung des Prioritätsprinin: StAZ 2006, S. 65 (67); dies., Das Lebenspartnerschaftsgesetz, in: JZ 2001, S. 617; Ariane Sickert, Die lebenspartnerschaftliche Familie, 2005, S. 69; Wellenhofer-Klein (Fn. 5), Rn. 107, 109. 45 Dierk Müller-Gindullis, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, § 1310 BGB Rn. 18. 46 Siehe Sickert (Fn. 44), S. 64. 47 Diethelm Klippel, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, § 1314 BGB Rn. 75. 48 Klippel (Fn. 47), § 1314 BGB Rn. 76; vgl. auch Reinhard Hepting, Das Eheschließungsrecht nach der Reform, in: FamRZ 1998, S. 713 (722), der vor allem die sog. „Aufenthaltsehen“ im Blick hat. 49 Das konzediert auch Freytag (Fn. 17), S. 445 (447).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

zips würde sich für diese Person die Lebenspartnerschaft als Eheverbot darstellen. Nach dem bisherigen Untersuchungsgang ist aber im Hinblick auf denselben Grundrechtsträger Art. 6 I GG gegenüber Art. 2 I GG vorrangig bzw. hinsichtlich unterschiedlicher Grundrechtsträger Art. 2 I GG durch Art. 6 I GG eingeschränkt. Die Eheschließungsfreiheit ist „elementarer Bestandteil der durch die Grundrechte gesicherten freien persönlichen Existenz des Menschen.“50 Bei der Aufstellung von Eheverboten und Ehehindernissen hat der Gesetzgeber sich deshalb äußerste Zurückhaltung aufzuerlegen.51 Sie sind nur dann angebracht, wenn „einleuchtende Sachgründe, die sich aus Wesen und Gestalt der den heutigen Auffassungen entsprechenden Ehe ergeben und ihrerseits aus einem das Institut der Ehe im Sinne der Verfassung bestimmenden Strukturprinzip oder Strukturelement erwachsen, dies erfordern.“52 Die personale Exklusivität der Lebensgemeinschaft ist zwar Strukturelement der Ehe und durch die Institutsgarantie geschützt; diese kann aber auch durch eine andere Regelungssystematik, die Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft ex nunc, geschützt werden, so dass ein „einleuchtender Sachgrund“ im Sinne eines zwingenden Grundes gerade für diese rechtstechnische Lösung des Eheverbots angesichts der großen Bedeutung des Eheschließungsrechts nicht besteht. Aus dieser Bedeutung ergibt sich ferner, dass Art. 2 I GG mit seiner geringer ausgeprägten Schutzdichte nicht als Begründungsmaßstab für ein Eheverbot herangezogen werden kann. Daraus folgt, dass eine ausschließlich durch Art. 2 I GG abgesicherte Lebensgemeinschaft keine Einschränkung der Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 I GG ermöglicht.53 Eine zeitliche Priorität der Lebenspartnerschaft als Hindernis für eine nachfolgende Eheschließung verstößt daher gegen die Eheschließungsfreiheit. Ein Grundrechtsverzicht auf die Eheschließungsfreiheit beim Eingehen der Lebenspartnerschaft kommt aus den o. g. Gründen ebenfalls nicht in Betracht. 50

BVerfGE 36, 146 (162). BVerfGE 36, 146 (163); Gerd Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, Vorb. v. § 1306 BGB Rn. 1; Stern (Fn. 2), § 100 IV 4 b, S. 414; Freytag (Fn. 17), S. 445 (447); Lecheler (Fn. 2), Rn. 71; Sachs (Fn. 10), S. 45 (48). 52 BVerfGE 36, 146 (163). Dieser „einleuchtende Sachgrund“ wird bezüglich des im damaligen § 4 II EheG enthaltenen Ehevebots einer (auch nur einmaligen) „Geschlechtsgemeinschaft“ eines Nupturienten mit einem Eltern- oder Großelternteil oder dem Kind des anderen Nupturienten verneint. 53 Diesen Gedanken macht schon BVerfGE 36, 146 (165), fruchtbar: „Konkubinate, auch wenn sie, wie hier, jahrelang bestanden haben, können keinen verfassungsrechtlichen Schutz beanspruchen, welcher der Begründung einer den gesetzlichen Formen entsprechenden Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG entgegenstünde.“ Vgl. auch Gade (Fn. 10), S. 397 (402). 51

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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b) Bereitschaft eines Ehegatten zur Begründung einer Lebenspartnerschaft ohne vorherige Auflösung der Ehe Angesichts der vorgenommenen grundrechtlichen Wertungen muss diese Konstellation anders beurteilt werden. Art. 6 I GG genießt einen grundrechtlichen Vorrang vor Art. 2 I GG. Dem entspräche die Anwendung eines Prioritätskriteriums zugunsten der zuerst geschlossenen Ehe. Ihr Bestehen zöge somit ein Verbot, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, nach sich. 3. Grundsätzlicher Vorrang der Lebenspartnerschaft Nach der bisherigen Analyse widerspricht die Annahme eines grundsätzlichen Vorrangs der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe deren verfassungsrechtlichen Schutz gemäß Art. 6 I GG. Die Mitglieder der Lebenspartnerschaft können sich nämlich nur auf den insoweit schwächeren Schutz des Art. 2 I GG berufen. Ein allgemeiner Vorrang der Lebenspartnerschaft ist daher abzulehnen. 4. Grundsätzlicher Vorrang der Ehe Es entspricht dem beschriebenen grundrechtlichen Verhältnis zwischen der freien Entfaltung der Person und der Eheschließungsfreiheit, wenn letzterer ein grundsätzlicher Vorrang eingeräumt wird. Diese verfassungsrechtliche Prämisse führt dazu, dass der wirksame Bestand einer Ehe als Verbot bzw. Hindernis ausgestaltet werden kann, eine Lebenspartnerschaft einzugehen. In der umgekehrten Konstellation – des vorherigen Bestehens einer Lebenspartnerschaft – muss die Lebenspartnerschaft hinter die zu schließende Ehe zurücktreten. Dies könnte durch die Einfügung einer Norm erreicht werden, die die Eheschließung als Grund für die Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft ex nunc statuiert.54 Ein simultanes Weiterbestehen beider Rechtsinstitute ist – wie gezeigt – verfassungsrechtlich nicht möglich.55 54 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 5; Anne Röthel, Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, hrsg. von Rainer Hausmann und Gerhard Hohloch, 2. Aufl., 2004, Rn. 27; Freytag (Fn. 17), S. 445 (447); Gade (Fn. 10), S. 397 (402); Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (224); Gerhard Robbers, Eingetragene Lebenspartnerschaften, in: JZ 2001, S. 779 (785); Sachs (Fn. 10), S. 45 (48); Dieter Schwab, Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: FamRZ 2001, S. 385 (389). 55 Sachs (Fn. 10), S. 45 (48); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (398); im Ergebnis auch Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (224), aber nur wegen der „Vermeidung von praktischen Problemen“, die durch die gleichzeitige Existenz beider Rechtsinstitute entstehen könnten.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

5. Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zur Diskussion und deren rechtliche Würdigung Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung zum LPartDisBG mit dem zeitlichen Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft befasst und insbesondere Ausführungen zu der Konstellation gemacht, dass ein Mitglied einer bestehenden Lebenspartnerschaft die Ehe einzugehen beabsichtigt. Als verfassungsrechtliche Grundlage betonte das Gericht die lebensgemeinschaftliche „personelle Exklusivität“ der Ehe und hielt das gleichzeitige Bestehen einer „rechtsverbindlichen Partnerschaft“ für mit dem „Schutz der Ehe“ unvereinbar.56 Diese Prämisse impliziert, auch wenn es in dem Urteil selbst nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, dass eine Simultaneität beider Rechtsinstitute verfassungswidrig wäre und stimmt insofern mit dem vorliegenden Untersuchungsergebnis überein. Auf eine bestimmte regelungssystematische Rechtsfolge legte sich der Erste Senat allerdings nicht fest. Vielmehr beschrieb er mehrere Alternativen, die getroffene verfassungsrechtliche Bewertung zu konkretisieren: Zunächst wurde auf die Möglichkeit des Standesbeamten verwiesen, die Mitwirkung an der Eheschließung gemäß §§ 1310 I 2 i. V. m. 1314 II Nr. 5 BGB zu verweigern, wenn der ernsthafte Wille zur Eheschließung wegen bestehender Lebenspartnerschaft fehle.57 Dann folgte die Darstellung der beiden grundlegenden Regelungsmöglichkeiten: Zum einen nannte der Senat die Möglichkeit der Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft ab dem Zeitpunkt einer Eheschließung. Die Beeinträchtigung des Lebenspartners durch die automatische Aufhebung sei „angesichts der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG noch hinnehmbar.“58 Zum anderen nahm die mögliche Statuierung eines Ehehindernisses der bestehenden Lebenspartnerschaft breiteren Raum in der Begründung des Gerichts ein: Dieses Ehehindernis sei mit der Eheschließungsfreiheit vereinbar, „weil es seinen sachlichen Grund gerade im Wesen und in der Gestalt der Ehe fände“. Mit Bezug auf das Verbot der Doppelehe in § 1306 BGB war das Gericht der Ansicht, dass die Exklusivität der Ehe auch geschützt wer56

BVerfGE 105, 313 (343). BVerfGE 105, 313 (343). Für eine langfristige Lösung dürfte diese Möglichkeit wegen der oben geschilderten Problematik daher nicht in Betracht kommen. Dies scheint auch der erkennende Senat so zu sehen, sonst hätte er die weiteren Regelungsalternativen nicht in den Mittelpunkt seiner diesbezüglichen Erörterung gestellt; vgl. auch Rolf Gröschner, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 6 Rn. 48, Fn. 158. 58 BVerfGE 105, 313 (343). 57

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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den könne, indem diejenigen keinen Zugang zu ihr bekämen, die sich schon vorher an einen Lebenspartner gebunden hätten.59 Dass der Senat diese Alternative für die gegenüber der Annahme einer Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft vorzugswürdigere hielt, kann man aus seiner Bemerkung, dass dem Schutz des Vertrauens des Lebenspartners in die Bestandskraft der gewählten Rechtsform so genüge getan werde, und dem Hinweis auf die „tief greifenden Folgen, die eine Auflösung oder Beendigung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft für das persönliche Leben sowie die wirtschaftliche Situation der einzelnen Betroffenen nach sich zieht“,60 schließen. Das Bundesverfassungsgericht ließ ausdrücklich offen, ob die Statuierung eines Ehehindernisses mittels richterlicher Rechtsfortbildung erreicht werden könne oder einer gesetzlichen Grundlage bedürfte. Mit Blick auf die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen der beschriebenen Möglichkeiten empfahl es dem Gesetzgeber indirekt, sich für eine der beiden Varianten zu entscheiden und diese gesetzlich zu regeln.61 Der Gesetzgeber hat sich schließlich mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen LPartÜG für die Statuierung eines Eheverbots der Lebenspartnerschaft entschieden. § 1306 BGB wurde dahingehend ergänzt, dass eine Ehe nicht geschlossen werden darf, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen und einer dritten Person eine Lebenspartnerschaft besteht. Zwar hatte sich der Erste Senat zuvor nicht eindeutig festgelegt, ob die Regelungsgestaltung der Konstellation der beabsichtigten Eheschließung bei gleichzeitigem Bestehen einer Lebenspartnerschaft noch Bestandteil richterlicher Rechtsfortbildung sein kann. Dagegen sprechen aber die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Sie wiegen umso schwerer, je mehr die richterrechtlich getroffenen Regelungen Grundrechte berühren und je stärker der Schutzbereich dieser betroffenen Grundrechte vor staatlichen Eingriffen durch die Verfassung geschützt wird. Wenn schon gesetzlich normierte Bestimmungen 59 BVerfGE 105, 313 (344); grundsätzlich zustimmend Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 5, Thomas Wölfl, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft – Das Recht in Deutschland und dem europäischen Ausland, 2004, Bd. I, S. 404 f., und Forkert (Fn. 18), S. 26 f., die diesen Weg mittels verfassungskonformer Auslegung für möglich halten, sowie Joachim Gernhuber/Dagmar Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., 2006, § 5 Rn. 23, Fn. 48, und Sickert (Fn. 44), S. 151 f. 60 BVerfGE 105, 313 (344). 61 BVerfGE 105, 313 (344). Christian Burkiczak, Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ vor dem Bundesverfassungsgericht, in: ThürVBl. 2003, S. 7 (8), kritisiert in diesem Zusammenhang, dass nach der Entscheidung bis zum Erlass einer entsprechenden gesetzlichen Regelung unklar bliebe, welchen Weg die zuständige Behörde wählen müsse, und deshalb die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsanwendung bestünde.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

hohe Hürden überwinden müssen, um den damit verbundenen Eingriff in das Grundrecht als verfassungsgemäß zu charakterisieren, muss dies erst recht für richterrechtlich entwickelte Lösungen ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage gelten, weil der Judikative eine Normsetzungskompetenz im Rahmen der Gewaltenteilung typischerweise nicht zugewiesen ist. Insbesondere bei Annahme eines Ehehindernisses durch die bestehende Lebenspartnerschaft ist mit der Eheschließungsfreiheit ein Grundrecht berührt, das nur verfassungsimmanente Schranken aufweist, mithin zu der Gruppe von Grundrechten gehört, deren Schutz vor Eingriffen am stärksten ausgeprägt ist. Alle drei beteiligten Grundrechtsträger, der eheschließungswillige Lebenspartner, der andere Lebenspartner und der eheschließungsbereite Dritte, müssen die sich für sie ergebenden grundrechtlichen Konsequenzen klar erkennen können. Eine Regelung durch Gesetz war deshalb geboten.62 Die vom Bundesverfassungsgericht präferierte und dann durch den Gesetzgeber realisierte Lösung, ein Ehehindernis der Lebenspartnerschaft zu statuieren, ist allerdings vor dem Hintergrund der oben beschriebenen grundrechtlichen Konstellation problematisch. In diesem Fall wird nämlich die nur verfassungsimmanent einschränkbare Eheschließungsfreiheit zugunsten der die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft umfassenden allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG beschnitten, die von allen Grundrechten den schwächsten Schutz vor Eingriffen aufweist. Der Verweis auf das Verbot der Doppelehe in § 1306 BGB ist aus grundrechtlicher Perspektive wenig zielführend: Erstens stehen sich mit der Eheschließungsfreiheit dort die gleichen Grundrechte gegenüber, die nur von verschiedenen Grundrechtsträgern geltend gemacht werden, und zweitens bezieht sich die Eheschließungsfreiheit auf die personale Exklusivität nur der ehelichen Lebensgemeinschaft, nicht aber anderer Lebensgemeinschaften. Es ist paradox, wenn mit Bezug auf die personale Exklusivität der Ehe gerade die Eheschließungsfreiheit zugunsten einer grundrechtlich weniger geschützten nichtehelichen Lebensgemeinschaft – der Eingetragenen Lebenspartnerschaft – zurücktreten müsste und damit faktisch primär die personale Exklusivität der Lebenspartnerschaft geschützt wird. Deshalb ist dem Senat nicht zuzustimmen, wenn er postuliert, dass in die Eheschließungsfreiheit durch die Einführung eines Ehehindernisses der Lebenspartnerschaft nicht in verfassungswidriger Weise eingegriffen wird.63 Der vom Gericht zuerst erörterten Alternative der Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft bei Eheschließung ist daher der Vorzug zu geben, weil 62

Auch Röthel (Fn. 54), Rn. 27; Stüber (Fn. 42), S. 2721 (2721 f.), zumindest bei der Einführung des Ehehindernisses der Lebenspartnerschaft. 63 Auch Peter A. Windel, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: JR 2003, S. 152 (153); Gade (Fn. 10), S. 397 (402).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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sie keinen Eingriff in die Eheschließungsfreiheit darstellt. Die entsprechenden Rechtsfolgen für die Lebenspartner wären auch vorhersehbar, weil sie die gleichen wären wie bei Aufhebung einer Lebenspartnerschaft nach §§ 15 ff. LPartG.64 6. Ergebnis Aus dem Vorrang der Eheschließungsfreiheit des Art. 6 I GG gegenüber dem Recht auf Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nach Art. 2 I GG ergibt sich im Kollisionsfall ein institutioneller Vorrang der Ehe gegenüber der Lebenspartnerschaft. Dieser kommt dadurch zum Ausdruck, dass die bestehende Ehe ein Verbot konstituiert, zusätzlich eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Bei schon bestehender Lebenspartnerschaft muss diese zugunsten der eingegangenen Ehe aufgelöst werden. Über die Problematik der möglichen zeitlichen Parallelität von Ehe und Lebenspartnerschaft bei teilweiser Personenidentität hinaus ist das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit nicht einschlägig. Es wird als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen nicht berührt, weil jeder Grundrechtsberechtigte auch bei Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit einer Person des anderen Geschlechts eine Ehe schließen und sie nach seinen Vorstellungen führen kann.65

II. Institutsgarantie Die Institutsgarantie66 des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe steht gemeinsam mit der objektiven Wertentscheidung für sie im Mittelpunkt der Dis64 Schwab (Fn. 54), S. 385 (389); anders Dieter Leipold, Die neue Lebenspartnerschaft aus erbrechtlicher Sicht, insbesondere bei zusätzlicher Eheschließung, in: ZEV 2001, S. 218 (224), der von der Annahme ausgeht, dass geregelte Rechtsfolgen für diesen Fall nicht existieren. 65 Sickert (Fn. 44), S. 151; Forkert (Fn. 18), S. 21; Freytag (Fn. 17), S. 445 (446); Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (223); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (53); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1899); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (396); Martin Burgi, Schützt das Grundgesetz die Ehe vor der Konkurrenz anderer Lebensgemeinschaften?, in: Der Staat 2000, S. 487 (495). 66 Nach der herkömmlichen, durch Carl Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, 2. Aufl., 1973, S. 140 (149, 160 ff.), erfolgten definitorischen Umschreibung, die sich durchgesetzt hat, bezeichnet der Begriff der Institutsgarantie die verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für Rechtsinstitute des Privatrechts. Institutionelle Garantien betreffen Institutionen des öffentlichen Rechts. Der Oberbegriff für beide Ausformungen ist die von Friedrich Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, 1934, S. 2, 106 f., entwickelte Bezeichnung als Einrichtungsgarantie, vgl. Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 23 Rn. 27,

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

kussion um die Frage der verfassungsrechtlichen Beurteilung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Die Institutsgarantie steht dabei nicht isoliert neben den anderen Grundrechtsgewährleistungen, sondern erhält von ihnen inhaltliche Impulse für ihre eigene grundrechtsdogmatische Umschreibung. 1. Historische Entwicklung der Institutsgarantie der Ehe Die grundlegende dogmatische Entwicklung der verfassungsrechtlichen Figur der institutionellen Garantien und der Institutsgarantien durch Carl Schmitt und – an ihn anknüpfend – durch Friedrich Klein war eine Antwort auf ein großes Problem der Grundrechtsdogmatik zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung. Diese enthielt einen Katalog von Grundrechten, die schon als dem einzelnen Grundrechtsträger zustehende subjektive Rechte verstanden wurden. Allerdings waren diese Grundrechte durch einfachgesetzliches Recht beliebig einschränkbar, so dass ihr jeweiliger Schutzbereich keinen wirkungsvollen Schutz vor staatlichen Maßnahmen bot. Eine mit Art. 1 III GG vergleichbare Regelung der Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte fehlte ebenso wie eine grundrechtliche Wesensgehaltsgarantie, die schließlich später im Grundgesetz in Art. 19 II GG statuiert wurde. Die Einrichtungsgarantien sollten dem Gesetzgeber nun für die institutionell geprägten Grundrechte eine äußerste Grenze aufzeigen, die er bei in den Schutzbereich eingreifenden Normierungen beachten müsste. Die Rechtseinrichtung selbst war nach der Auffassung Schmitts durch das jeweilige Grundrecht verfassungsrechtlich geschützt; ihre Existenz sollte durch die einfache Gesetzgebung nicht angetastet werden dürfen. Die Ehe ist schon sogleich mit dieser dogmatischen Entwicklung der Lehre von den Einrichtungsgarantien in der Weimarer Zeit zu den geschützten Rechtsinstituten gezählt worden.67 Schmitt hat dabei als Grund für die institutionelle Sicherung angeführt, dass jede verfassungseigene Garantie eine „Garantie der überlieferten typischen Art und Weise einer Normierung“ sei.68 Matthias Herdegen, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 1 III Rn. 18, und Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 68 II, S. 776 ff. 67 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 9. Aufl., 2003, S. 171; ders. (Fn. 66), S. 140 (152); F. Klein (Fn. 66), S. 77 ff., 109 f.; Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. Aufl., Berlin 1933, Art. 119 WRV, S. 559 f.; Ernst Rudolf Huber, Bedeutungswandel der Grundrechte, in: AöR 62 (1933), S. 1 (50); Gustav Boehmer, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hrsg. von Hans Carl Nipperdey, Bd. III, 1930, Art. 154 WRV, S. 255 f.; Alfred Wieruszowski, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hrsg. von Hans Carl Nipperdey, Bd. II, 1930, Art. 119 WRV, S. 76. 68 Schmitt (Fn. 66), S. 140 (166).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Dabei wurde allerdings die Reichweite der Institutsgarantie der Ehe nicht als in dem Sinne unbeschränkt gesehen, dass sämtliche familienrechtlichen Normen Elemente dieser verfassungsrechtlichen Garantie sein sollten. Es bestand vielmehr Einigkeit darüber, dass durch die Einbeziehung der Rechtsinstitute in die Verfassung deren einfachrechtliche vollständige Abschaffung verhindert werden sollte. Darüber hinaus sollte die Verfassungsgarantie aber weitergehend auch davor schützen, dass der Gesetzgeber die Wesensmerkmale des jeweiligen Rechtsinstitutes verändert.69 Trotz dieser Aufteilung in zwei verschiedene Fallgruppen stand die Stabilisierung der Wesensmerkmale in einem engen systematischen Konnex mit dem Schutz vor vollständiger Institutsabschaffung, weil dort nur die grundlegendsten Strukturmerkmale als Minimalsubstrat des Rechtsinstituts durch die Verfassungsgarantie bewahrt werden sollten, nicht jedoch generell alle einfachgesetzlichen Regelungen, welche die Rechtsinstitute ausgestalteten. Das Verhältnis zwischen der Institutsgarantie und dem subjektiven Recht des Einzelnen war noch in der zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung bestehenden Lehre von einer deutlichen Trennung in jeweils grundsätzlich voneinander unabhängige Regelungsbereiche geprägt.70 Zur Begründung dafür wurde auf das Verhältnis von Staat und Rechtsinstitut verwiesen: Echte Grundrechte seien Ausdruck konkretisierter Freiheit des Einzelnen. Rechtsinstitute könnten aber innerhalb des Staatsgefüges die Qualität grundsätzlich unbegrenzter Freiheit aus sich heraus nicht aufweisen, so dass ihnen durch die Verfassung zwar subjektive Rechte, nicht jedoch Grundrechte zugewiesen würden.71 Die Möglichkeit, die Institutsgarantie über die reine verfassungsrechtliche Bestandssicherung hinaus auch als subjektives Recht auszulegen, wurde also nicht grundsätzlich verworfen. Wenn der Zweck von Institutsgarantien nämlich als Schutzverstärkung des selbstgestalteten Freiheitsraumes des Einzelnen gesehen wird,72 liegt es nahe, einen Zusammenhang zum subjektiven Recht anzunehmen. In der Literatur der damaligen Zeit wurde die Subjektivierung der Institutsgarantie von der grund69

Anschütz (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 559, spricht in diesem Zusammenhang von den „überlieferten Grundzügen“ der Ehe, Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 76, von den „ihren ethischen und kulturellen Grundinhalt kennzeichnenden Merkmalen“. Vgl. auch F. Klein (Fn. 66), S. 112 ff.; Boehmer (Fn. 67), Art. 154 WRV, S. 254. 70 Für die Ehe charakteristisch etwa Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 73 f., der den Schutz des „Gemeinschaftslebens“ im Vordergrund sieht und deshalb die Zuerkennung eines individuellen subjektiven Rechts verneint. 71 Schmitt (Fn. 67), S. 173. 72 Aus seiner „Verfassungslehre“ weiterentwickelt von Schmitt (Fn. 66), S. 140 (167, 169), der die Gefahren einerseits der Vermischung von Freiheitsraum und Rechtsinstitut, andererseits der dogmatischen Ablösung der Institutsgarantie vom subjektiven Recht durchaus sieht.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

rechtssystematischen Einbettung der einzelnen Institutsgarantie abhängig gemacht und danach differenziert entweder eine Zuordnung zum subjektiven Recht bejaht oder verneint.73 Das Grundgesetz hat wie die Weimarer Reichsverfassung die Ehe als verfassungseigene Institutsgarantie konstituiert. In der Lehre haben sich hinsichtlich der allgemeinen dogmatischen Einordnung dieser Garantien zwei gegensätzliche Entwicklungstendenzen herauskristallisiert: Die eine nimmt den zur Institutsgarantie in der Weimarer Reichsverfassung entwickelten Ansatz auf und sieht Institutsgarantien als Schutzverstärkung des Abwehrrechts.74 Ihre in den wesentlichen Strukturelementen vor Abschaffung oder radikaler Veränderung geschützte Existenz ist danach Ausdruck des individuellen Freiheitsschutzes durch die Verfassung vor staatlichen Eingriffen. Subjektives Recht und Institutsgarantie sind demnach nicht identisch, sondern haben eigenständige Regelungsbereiche. Sie wirken nur insofern zusammen, als die Institutsgarantie den Zugang zum subjektiven Recht sichert. Der zweite Ansatz steht dazu im kontradiktorischen Gegensatz. Er nimmt die Institution, nicht den Freiheitsraum des Einzelnen als Ausgangspunkt und leitet von jener die grundrechtliche Freiheitsentfaltung durch die Zuordnung von Abwehrrechten erst ab.75 Die Freiheit wird dabei „institutionalisiert“ und ist von ihr kaum noch dogmatisch präzise zu trennen; sie wird durch den Staat garantiert und nicht mehr gegen ihn. Nach diesem Ansatz besitzt also die Institution bzw. die sie schützende Garantie – nicht das Grundrecht i. S. d. Abwehrrechts – für die durch die Verfassung geschützte Freiheitsgestaltung die primäre Bedeutung. Teilweise wird in der Literatur auch die Ansicht vertreten, die Institutsgarantien seien als verfassungsdogmatisches Konstitut wegen der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG und der in Art. 1 III GG statuierten Bindung der Legislative an die Verfassung unter der Herrschaft des Grundgesetzes überflüssig geworden.76 Im Hinblick auf Art. 6 I GG spricht allerdings gegen diese Auffassung, dass die Ehe selbst und mithin ihre Struktur73 Etwa bei Schmitt (Fn. 67), S. 170, oder Anschütz (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 520, der dies aber für die Ehe auf S. 560 ausschließt. 74 Herdegen (Fn. 66), Art. 1 III Rn. 17; Starck (Fn. 12), Art. 1 Rn. 175; I. v. Münch (Fn. 20), Rn. 24; Klaus Stern, § 109: Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 54; ders. (Fn. 66), § 68 III 4, S. 795. 75 Peter Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl., 1983, S. 122 ff., der die „institutionelle Seite der Grundrechte“ als verfassungsdogmatische Grundkonzeption entwickelt hat; für die Wissenschaftsfreiheit Kay Hailbronner, Freiheit von Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, 1979, S. 78 ff.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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merkmale Ausdruck rechtlicher Konkretisierung durch Normierung sind. Die Möglichkeit der Grundrechtsausübung ist deshalb mit dem Bestehen des Rechtsinstituts untrennbar verbunden. Dessen verfassungsrechtliche Garantie verstärkt mithin den institutionellen Schutz des Abwehrrechts durch die Verfassung. Insofern ist sie auch angesichts der Wesensgehaltsgarantie nicht redundant.77 2. Das Verhältnis zwischen der verfassungsrechtlichen Institutsgarantie und der einfachgesetzlichen Ausgestaltung Die Ehe wird sowohl in der Verfassung als auch im einfachgesetzlichen Recht erwähnt. Es stellt sich die deshalb Frage, ob zur Beschreibung ihrer strukturellen Umrisse auch das einfachgesetzliche Recht herangezogen werden kann. Um eine dogmatisch präzise Verhältnisbestimmung zwischen der Institutsgarantie und dem einfachgesetzlichen Recht vorzunehmen, müssen aus systematischer Perspektive verschiedene Zeitabschnitte in den Blick genommen werden: Der erste Abschnitt betrifft den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung und des Grundgesetzes mit dem in Art. 119 I 1 WRV und Art. 6 I GG implementierten Rechtsinstitut der Ehe. Vom Bundesverfassungsgericht ist zunächst zur Begriffsbestimmung der Ehe auf die außerrechtliche Lebensordnung Bezug genommen worden.78 Für die Ehe ist dieser Verweis auf den ersten Blick durchaus ergiebig, weil sie als eine durch bestimmte Kernelemente konstituierte Sozialform schon vor jeder gesetzgeberischen Ausgestaltung existierte. Das bedeutet jedoch nicht, dass das einfachgesetzliche Recht zu diesem Zeitpunkt keine Bedeutung bei der strukturorientierten Beschreibung der Ehe besaß. Es ist wenig realitätsnahe, wenn man zwischen außerrechtlicher Lebensordnung und gesetzlicher Rechtsordnung strikt trennt. Beide Bereiche beeinflussen sich gegenseitig, zum einen durch die normative Durchdringung sozialer Lebensrealität, zum anderen durch mögliche Modifikationen gesetzlicher Regelungen aufgrund sich verändernder sozialer Verhältnisse. Insofern ist die Ehe ein durch Recht geprägter Sozialtatbestand. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Ehe war deshalb auch mit konstitutiv für das Bild, das dem Verfassungsgeber bei der Implementierung der Ehe vor Augen stand, weil 76 Zweifelnd etwa Sandra Obermeyer, Die Institutsgarantie – Eine „gelungene Kunstschöpfung der Wissenschaft“?, in: KritV 2003, S. 142 (162); Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (227). 77 Das räumen im Ergebnis auch Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (227), ein; vgl. auch Sickert (Fn. 44), S. 160. 78 BVerfGE 10, 59 (66).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

sich die soziale Lebensrealität und die einfachgesetzlichen Bestimmungen zur Ehe nicht widersprachen, sondern übereinstimmten. Ihre wesentlichen Merkmale konnten daher durch die normative Ausgestaltung im einfachgesetzlichen Recht deutlich werden.79 Eine Grundvoraussetzung für die Wirkung der Institutsgarantie war deshalb, dass durch einfachgesetzliche Regelungen die Kernelemente der geschützten Rechtsinstitute konturiert wurden.80 Der zweite Abschnitt bezieht sich auf den Zeitraum von der Implementierung der Ehe in die Weimarer Reichsverfassung und das Grundgesetz bis in die Gegenwart. Durch die Übernahme der Ehe als Rechtsinstitut mit Verfassungsrang und einer auch aus dem einfachen Recht gewonnenen Bestimmung ihrer Definitionsmerkmale hat sich nunmehr das Bild der Ehe auf Verfassungsebene verfestigt. Das hat Auswirkungen auf das Verhältnis zum einfachen Recht: Der Umstand, dass zur Strukturierung der Ehe das einfache Recht herangezogen werden konnte, bedeutet nämlich nicht zugleich, dass in der Gegenwart durch Veränderungen auf einfachgesetzlicher Ebene die durch die Institutsgarantie geschützten Wesensmerkmale der Ehe verändert werden können. Dies würde die Normenhierarchie zwischen Verfassungsrecht und einfachgesetzlichem Recht vielmehr in ihr Gegenteil verkehren.81 Es ist daher nicht widersprüchlich, wenn einerseits die einfachgesetzliche Ausgestaltung als Maßstab für die Konturierung des verfassungsrechtlichen Rechtsinstitutes herangezogen wurde, andererseits aber die Verankerung der Institutsgarantie im Grundgesetz der Maßstab ist, an dem sich einfachgesetzliche Regelungen verfassungsrechtlich messen lassen müssen. Das durch das einfachgesetzliche Recht konstituierte Strukturbild der Ehe ist nämlich – wie gezeigt – deutlich älter als das Grundgesetz. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, das die Ehe als vom Verfassungsgeber „vorgefunden“ oder „vorgegeben“ bezeichnet,82 hat deshalb durchaus seine Berechtigung. Daraus ergibt sich zugleich, dass mit der Übernahme dieses tradierten Rechtsinstitutes in die Verfassung eine verfassungsrechtliche Konservierung seiner Strukturmerkmale stattgefunden hat, die nur durch eine Verfassungsänderung modifiziert werden kann. Eine einfachgesetzliche Veränderung der in den Verfassungsrang erhobenen wesentlichen ehelichen Strukturmerkmale ist seitdem nicht mehr möglich. Die In79 In BVerfGE 31, 58 (69), wird ausdrücklich konstatiert, dass das „hergebrachte bürgerliche Recht weitgehend mit den Strukturbestimmungen (der Ehe)“ übereinstimmt. 80 Kingreen (Fn. 7), S. 84, der allerdings nicht nach Zeitabschnitten differenziert und von einem „komplizierten Geflecht zwischen Verfassungs- und einfachen Recht“ spricht. 81 So auch BVerfGE 31, 58 (69 f.). 82 BVerfGE 53, 224 (245); 62, 323 (330).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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stitutsgarantie gewinnt so dem einfachgesetzlichen Recht gegenüber ein eigenständiges Gewicht. 3. Das Verhältnis zwischen der Institutsgarantie und dem Abwehrrecht des Art. 6 I GG Wie vorstehend dargestellt, haben sich bei der grundsätzlichen Beurteilung der Beziehung zwischen Institutsgarantie und Abwehrrecht zwei sich diametral gegenüber stehende Ansichten herausgebildet, die entweder die Bedeutung der subjektiv- oder der objektiv-rechtlichen Seite des jeweiligen Grundrechts betonen. Um eine dogmatisch fundierte Entscheidung treffen zu können, ist eine Analyse des Zusammenspiels beider Grundrechtsgewährleistungen notwendig, weil nur so Bedeutung und Gewicht der jeweiligen Grundrechtsentfaltung innerhalb des jeweiligen Grundrechts ermittelt werden können. Der grundrechtliche Gehalt des Art. 6 I GG beschränkt sich nicht darauf, staatliche Eingriffe in die Eheschließungs- und -gestaltungsfreiheit abzuwehren. Diese abwehrrechtliche Dimension nimmt nämlich Bezug auf zwei Sozialtatbestände – Ehe und Familie –, durch deren Gewährleistung verfassungswidrigen Eingriffen des Staates überhaupt erst entgegengetreten werden kann.83 Ob Maßnahmen die Freiheitsgewährleistung des Art. 6 I GG berühren, kann nur dann entschieden werden, wenn die Rechtsinstitute selbst durch die Verfassung geschützt sind und ihre Wesensmerkmale feststehen. Es wäre nämlich unmöglich, die Freiheit, eine Ehe einzugehen und diese selbstbestimmt zu gestalten, abzusichern, ohne dass zuvor klargestellt würde, was eine Ehe aus der Sicht des Grundgesetzes überhaupt ist und wie ihre Definitionsmerkmale im Einzelnen aussehen. Durch eine einfachgesetzliche Veränderung oder sogar Abschaffung dieser Tatbestände würde gleichzeitig das auf sie bezogene Abwehrrecht ebenfalls verändert bzw. abgeschafft. Das grundrechtsdogmatische Verhältnis zwischen der Existenz der in Art. 6 I GG genannten Sozialtatbestände und dem Abwehrrecht ist daher ein wechselseitiges:84 Die Implementierung dieser sozialen Institutionen in die grundrechtliche Freiheitsgewährleistung bewirkt zum einen ihre rechtliche Stabilisierung als verfassungsmäßig gewährleistete Rechtsinstitute. Zum anderen stabilisiert diese Verfassungsgarantie aber auch das Abwehrrecht, weil dieses sonst seines institutionellen Substrates, das im Mittel83 Obermeyer (Fn. 76), S. 142 (151); dies., Die Kritik am Lebenspartnerschaftsgesetz auf dem Prüfstand, in: JuS 2003, S. 1143 (1143 f.). 84 Sowohl Stern (Fn. 74), Rn. 52, ders. (Fn. 66), § 68 III 4, S. 795, als Vertreter der „klassischen“ Grundrechtsdogmatik als auch Häberle (Fn. 75), S. 123, aus der „institutionellen“ Grundrechtsperspektive, können dem zustimmen.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

punkt des Schutzes vor Eingriffen steht, beraubt wäre und sein Schutzbereich selbst konturenlos bliebe.85 Aus dieser Verhältnisbestimmung von Abwehrrecht und Institutsgarantie ergibt sich ihre jeweilige Bedeutung: Diesbezügliche dogmatische Fehlschlüsse haben ihre tiefere Ursache in der mangelnden präzisen Differenzierung zwischen dem Rechtsinstitut als solchem und seiner verfassungsrechtlichen Sicherung durch die Institutsgarantie. Im Zentrum des Art. 6 I GG stehen zwar die Rechtsinstitute von Ehe und Familie als sozial-anthropologische Lebensformen und gleichzeitig normativ konstituierte Regelungskomplexe. Das bedeutet aber nicht, dass damit auch die entsprechenden institutionellen Garantien im Mittelpunkt des Grundrechts stünden. Ehe und Familie sind nämlich typologisch als selbstgewählte und selbstgestaltete Lebensformen trotz der mit ihr einhergehenden Bindungen Bereiche unmittelbar erfahrbarer Freiheit. Diese Freiheit wird in Art. 6 I GG zwar durch die Rechtsinstitute von Ehe und Familie konkretisiert, aber nicht erst durch deren institutionelle Absicherung in der Verfassung konstituiert.86 Aus der Perspektive des Art. 6 I GG als Einzelgrundrecht sind die Strukturgebilde von Ehe und Familie in der Tat konditional für die Ausübung der grundrechtlichen Freiheit in diesem spezifischen Bereich menschlicher Gestaltungsmöglichkeit. Ohne diese Institute könnte dort eine Freiheitsbetätigung nicht stattfinden. Aus grundrechtlicher Perspektive ist aber entscheidend, dass die Freiheitsbetätigung überhaupt realisiert wird und diese – auch, aber eben nicht nur durch Einrichtungsgarantien – verfassungsrechtlich gesichert ist. Die Freiheitsgestaltung ist auch deshalb grundrechtsdogmatisch dem Abwehrrecht zuzuordnen, weil es den im Vergleich zur Institutsgarantie stärkeren personalen Bezug besitzt. Die Verfassung gibt dem Grundrechtsberechtigten nämlich mit dem subjektiven Abwehrrecht eine unmittelbare, ihm zu seiner Verfügung stehende Grundrechtsgewährleistung in die Hand. Von seiner freien Entscheidung ist die diesbezügliche grundrechtliche Aktualisierung abhängig; personale Freiheit und grundrechtliche Freiheitsgewährleistung sind somit untrennbar verbunden.87 Aus dieser Sicht ist folglich bei Art. 6 I GG der Eheschließungs- und Ehegestaltungsfreiheit als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe und nicht 85

Wölfl (Fn. 59), S. 130. Das übersieht Johannes Dietlein, Der Schutz nichtehelicher Lebensgemeinschaften in den Verfassungen und Verfassungsentwürfen der neuen Länder, in: DtZ 1993, S. 136 (138), wenn er von der Existenz der Ehe „als logische ‚Vorstufe‘ zu jeder subjektiven Berechtigung“ auf die Institutsgarantie schließt. 87 Den Konnex zwischen Freiheitsentfaltung und Abwehrrecht betonen allgemein für alle Grundrechte Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 22 Rn. 3 ff., und Helge Sodan, Verfassungsrechtsprechung im Wandel – am Beispiel der Berufsfreiheit, in: NJW 2003, S. 257; ders., Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, in: DÖV 2000, S. 361 (363). 86

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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der Institutsgarantie eine engere innere Bindung an die grundrechtliche Freiheitsgewährleistung eigen. Die Institutsgarantie verstärkt zwar den Schutz der Ehe auf verfassungsrechtlicher Ebene, indem sie das Rechtsinstitut der Umgestaltung durch den Gesetzgeber entzieht und damit die Freiheitsausübung in diesem Bereich flankierend sichert. Die Institutsgarantie ist aber nicht mit der grundrechtlichen Freiheitsgestaltung selbst identisch. Beides darf nicht verwechselt werden: Das Rechtsinstitut der Ehe ist bei Art. 6 I GG die Bedingung freiheitlicher Betätigung, ihre verfassungsrechtliche Garantie deren Schutzverstärkung. Im Zentrum des Grundrechts steht aber – wie bei allen anderen Grundrechten auch – die Freiheitsbetätigung. Ihrer Konkretisierung im Abwehrrecht kommt deshalb die primäre und mithin eine entscheidendere Bedeutung innerhalb des Art. 6 I GG zu als der dazu affirmativen Institutsgarantie. 4. Die Institutsgarantie als Singulargarantie Nach dem bisher Gesagten steht zweierlei fest: Erstens schützt die in Art. 6 I GG verankerte Institutsgarantie nur die Ehe und die Familie mit ihren herkömmlichen Strukturmerkmalen als Rechtsinstitute. Andere Lebensgemeinschaften werden von ihr nicht umfasst. Insofern kann man die Institutsgarantien des Art. 6 I GG auch als Singulargarantien bezeichnen. Zweitens bewirkt dieser verfassungsrechtliche Schutz, dass die wesentlichen Strukturmerkmale der Ehe der normativen Beseitigung, aber auch der Veränderung durch den Gesetzgeber entzogen sind.88 Damit ist aber noch nicht geklärt, ob sich aus der Institutsgarantie auch ein verfassungsrechtliches Verbot gegenüber dem Gesetzgeber ergibt, auf einfachgesetzlicher Ebene weitere mit der Ehe vergleichbare Rechtsinstitute zu konstituieren, ohne dass gleichzeitig Regelungen, die die strukturelle Ausgestaltung der Ehe betreffen, unmittelbar aufgehoben oder verändert werden. Wenn die Institutsgarantie in erster Linie als Schutzverstärkung des Abwehrrechts verstanden werden kann, dann ergibt sich daraus das Verhältnis des einzelnen Grundrechtsberechtigten zum Staat, der potentiell in das Grundrecht eingreifen kann. Diese zweipolige Beziehung passt aber nicht auf die geschilderte Problematik: Bei ihr geht es um die Einführung eines (neuen) Rechtsinstituts auf einfachgesetzlicher Ebene für einen Kreis von potentiellen Grundrechtsträgern, die zwar Zugang zur Grundrechtsgewährleistung des Art. 6 I GG haben, aber wegen ihrer homosexuellen Orientierung davon faktisch nur in seltenen Fällen Gebrauch machen. Um eine konzise Antwort auf die Frage zu finden, inwieweit hier die Institutsgarantie 88 Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (396); Boehmer (Fn. 67), Art. 154 WRV, S. 257, am Beispiel der Veränderung der Einehe in eine polygame „Ehe“.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

überhaupt berührt oder sogar in verfassungswidriger Weise verletzt wird, muss die Reichweite der Institutsgarantie präzise konturiert werden. a) Reichweite Schon seit der frühesten dogmatischen Entwicklung der Institutsgarantie ist ihre Verletzung für den Fall bejaht worden, dass das geschützte Rechtsinstitut durch die einfache Gesetzgebung beseitigt wird.89 Dieser Fall liegt bei der Einführung eines neuen Rechtsinstituts (wie der Eingetragenen Lebenspartnerschaft) nicht vor, weil die verfassungsrechtlich geschützte Ehe nach wie vor existiert. Die Schutzwirkung der Institutsgarantie war aber zu keiner Zeit nur auf die Abwehr von Bestrebungen beschränkt, das Rechtsinstitut einfachgesetzlich vollständig abzuschaffen. Die verfassungsrechtliche Absicherung durch die Institutsgarantie liefe nämlich bei einer strikten Begrenzung dieser Wirkung ins Leere, wenn zwar das Rechtsinstitut einfachgesetzlich nicht vollständig aufgehoben, aber einzelne Merkmale so umgestaltet würden, dass sich die Struktur der geschützten Einrichtung wesentlich veränderte. Ein Rechtsinstitut wird aus der Summe von bestimmten Wesensmerkmalen konstituiert. Diese Merkmale, und nicht primär die bloße Namensbezeichnung des Rechtsinstituts, prägen seine normative Charakteristik im Rahmen der Verfassung. Die Bezeichnung eines Rechtsinstituts ist nur das Kennzeichen für eine spezifische Rechtsstruktur. Daraus folgt, dass ein bloßer Namensschutz eines Rechtsinstituts durch seine verfassungsrechtliche Garantie nicht gewollt sein kann und zu kurz greift, weil er das inhaltliche Substrat des Rechtsinstituts gar nicht schützen könnte. Vielmehr muss die Sicherung der Institutsgarantie auch die durch Auslegung ermittelten Merkmale des Rechtsinstituts auf Verfassungsebene umfassen.90 Die Verfassungsgarantie schützt daher sowohl das Rechtsinstitut als ganzes als auch seine wesentlichen Strukturelemente.91 b) Grenzen Die Institutsgarantie bezieht sich auf ein präzise strukturiertes Rechtsinstitut. Das bedeutet, dass eine Beeinträchtigung der Garantie nur dann an89

Boehmer (Fn. 67), Art. 154 WRV, S. 254, für das Erbrecht. Schon Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 76, spricht vom Schutz vor „Beseitigung derjenigen Bedingungen, deren Versagen Aufgabe und Zweck der Ehe vereiteln würde“. 91 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 9; Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397); Edzard Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, S. 41 f. 90

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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genommen werden kann, wenn das Rechtsinstitut selbst mit seinen konkreten Wesensmerkmalen durch einfachgesetzliche Regelungen des Staates berührt wird. Begriffe wie „Aushöhlung“92 und „Denaturierung“ scheinen nahe zu legen, dass sie sich auf die Bestimmung inhaltlich-wertbezogener Programmsätze beziehen. Das würde allerdings der Einordnung der Institutsgarantie als zwar durchaus wertebezogener, aber primär institutionell verstandener Kategorie des Verfassungsrechts nicht gerecht.93 Außerdem sind Begriffe dieser Art als Prüfungsmaßstab für Verstöße gegen die Institutsgarantie zu unbestimmt. Sie sind als Kategorien im Zusammenhang mit der Institutsgarantie nur dann brauchbar, wenn sie sich auf das Rechtsinstitut selbst und seine Strukturmerkmale beziehen.94 Daraus folgt, dass ein Rechtsinstitut dann „ausgehöhlt“ oder „denaturiert“ wird, wenn einzelne es konstituierende Merkmale vom Gesetzgeber verändert werden.95 Ein neuerer Ansatz zur Bestimmung der verfassungswidrigen Wesensveränderung des Rechtsinstituts nimmt die beschriebene Funktion der Institutsgarantie auf, die Sicherung personaler Autonomie zu schützen. Er unterscheidet danach zwischen den am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messenden Eingriffen, die nicht den institutsbezogenen Schutz der Freiheitsentfaltung des Einzelnen zum gesetzgeberischen Ziel haben, und den zulässigen, diesen Schutz ausgestaltenden gesetzgeberischen Maßnahmen.96 Diese Differenzierung hat den Vorzug, auch funktional-systematische Einordnungen des Rechtsinstituts bei der Frage der Zuordnung zum ausgestaltenden oder eingreifenden Regelungskreis zu berücksichtigen. Zum methodischen Problem kann dabei allerdings eine zuweilen diffizile inhaltliche Beurteilung von Regelungsvorhaben werden, die sich von einer strukturorientierten Analyse zu weit entfernt und sich den programmatischen Bezügen der objektiven Wertentscheidung annähert.97 Die beiden verfassungs92 BVerfGE 79, 127 (148), bezüglich der kommunalen Selbstverwaltungsautonomie des Art. 28 II GG: vgl. dazu näher unten 3. Kapitel A. II. 4. b) bb) (3) (b) (ii), S. 274 ff. 93 Die dogmatische Kontinuität dieser staatsrechtlichen Konstruktion erklärt sich nämlich mit ihrer institutionellen Prägung. Teilweise wird der Begriff der „Aushöhlung“ wegen dessen Missverständlichkeit auch als verfassungsrechtlich sinnvoller Terminus ganz verworfen, vgl. Freytag (Fn. 17), S. 445 (448); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1899). 94 Häberle (Fn. 75), S. 124, bezieht die Beurteilung der Möglichkeit einer Verletzung der Institutsgarantie im Ergebnis auch auf das jeweils einschlägige Grundrecht. 95 Alle Beispiele im früheren Schrifttum waren deshalb ausschließlich darauf bezogen, dass durch einfachgesetzliche Normen einzelne Strukturmerkmale unmittelbar modifiziert werden, vgl. Boehmer (Fn. 67), Art. 154 WRV, S. 257. SchmidtJortzig (Fn. 91), S. 46, hält wegen der sonst bestehenden Gefahr der institutionellen Erstarrung eine restriktive Begrenzung dieser Merkmale für notwendig. 96 Ute Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 435 ff.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

dogmatischen Konstitute sind nach diesem Ansatz nicht leicht zu trennen, weil sich nach ihm ihre Rechtswirkungen überschneiden. Der autonome Gestaltungsbereich des Grundrechtsberechtigten ist auch Ausgangspunkt einer weiteren grundrechtlichen Sicht auf die Institutsgarantie der Ehe. Eine staatliche Maßnahme sei dann kein verfassungswidriger Verstoß gegen die Institutsgarantie, wenn sie dazu diente, einen möglichen Missbrauch des Rechtsinstituts durch den Grundrechtsträger abzuwehren.98 Da die Rechtsinstitute Ausdruck personaler Selbstbestimmung seien, sind sie danach nicht beeinträchtigt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, um diese Freiheit zu erhalten. Grundprämisse dieser Ansicht ist die These, dass der Missbrauch niemals Ausdruck legitim ausgeübter Freiheitsgestaltung sein kann. Neben der sich aufdrängenden Fragestellung, bei welchen konkreten Fallgestaltungen man überhaupt von einem solchen Missbrauch von Freiheit sprechen kann,99 liegt die axiomatische Grundproblematik dieses Ansatzes darin, einen Maßstab für die Beurteilung dieses Missbrauchs aus einer institutionellen Perspektive entwickeln zu müssen. Da dies ohne einen Rückgriff auf das Abwehrrecht kaum gelingen kann,100 weil es dem einzelnen Grundrechtsinhaber einen Freiheitsraum als subjektives Recht gegenüber dem Staat überhaupt erst ermöglicht, verschwimmt die dogmatisch deutliche Trennung zwischen dem Rechtsinstitut, seiner verfassungsrechtlichen Garantie und dem Freiheitsrecht und entwickelt sich zu einem inhaltlich fast deckungsgleichen Topos der Freiheitsentfaltung im Grundrechtsbereich. Die mangelnde präzise Abgrenzung bildet dann aber ein Einfallstor für politisch motivierte Gesetzgebungsakte jeder Art, so dass der Freiheitsschutz durch die Institutsgarantie nicht – wie von diesem Ansatz ursprünglich beabsichtigt – stärker, sondern eher schwächer ausgeprägt ist. Die deutliche Trennung der Rechtswirkungen zwischen Institutsgarantie und Abwehrrecht wird dem Schutz der Freiheitsentfaltung deshalb besser gerecht als die eben dargestellte Konzeption. 97 Das wird besonders deutlich bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Deren Gestaltung soll nach Mager (Fn. 96), S. 453, nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich sein, wenn keine normative Änderung des Eherechts vorläge. Wann dies der Fall ist, lässt sie offen. Ein aus der Institutsgarantie entwickelter präziser Prüfungsmaßstab lässt sich daraus nur schwer entwickeln. 98 Häberle (Fn. 75), S. 119 f. 99 Im Hinblick auf Art. 6 I GG sind sicherlich am praxisrelevantesten diejenigen Ehen, die ausschließlich zur Erlangung von ausländer- oder asylverfahrensrechtlichen Vorteilen eingegangen wurden, sog. „Scheinehen“. Fraglich bleibt dabei aber, ob – wie der Ansatz Häberles nahe zu legen scheint – zu ihrer Bekämpfung Eingriffe in die Institutsgarantie erlaubt sind und wie diese konkret aussähen. 100 Selbst Häberle (Fn. 75), S. 119, bezieht sich dabei trotz seiner stark auf den institutionellen Aspekt der Grundrechte gerichteten Sichtweise auf das „Wechselverhältnis zwischen den subjektiven Rechten und den objektiven Lebensverhältnissen“.

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Zu überprüfen bleibt, ob der verfassungsrechtliche Schutz des Rechtsinstituts der Ehe mit seinen Strukturmerkmalen dadurch ausgehöhlt wird, dass einzelne Wesenselemente durch die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften beseitigt oder verändert werden. aa) Verschiedengeschlechtlichkeit Das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit gehört zu den wesentlichen Strukturmerkmalen der Ehe. Durch die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wird dieses Merkmal aber nicht modifiziert, weil die Ehe nach wie vor nur Personenverbindungen von Mann und Frau offen steht. Eine Aushöhlung allein dieses Institutsmerkmals der Ehe liegt daher nicht vor, wenn auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ein eigenes Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt wird. bb) Singularität Die Ehe wird allerdings dahingehend relativiert, dass nun auch ein weiteres, allerdings nur einfachgesetzlich konstituiertes Rechtsinstitut mit einem im Vergleich zur Ehe abgewandelten Strukturmerkmal – der Gleichgeschlechtlichkeit – besteht. Damit ist ihre bisherige faktische Exklusivität als einzige institutionalisierte Geschlechtsgemeinschaft hinfällig. Fraglich ist nun, ob dieser Modus der Exklusivität zum wesentlichen Kernbestandteil der Ehe gehört. (1) Wortbedeutung Aus dem Wortstamm wird man eine Exklusivität der Ehe als eigenes Institutsmerkmal nicht ableiten können, weil die etymologische Herkunft des Ehebegriffs keine Aussagen zur Frage der singulären Normierung von Geschlechtsgemeinschaften trifft. Auch der juristische Sprachgebrauch kann dazu wenig beitragen. Die Ehe und das Verlöbnis zwischen Mann und Frau waren zwar vor der Einführung der Lebenspartnerschaft die einzigen Formen der freiwillig gesuchten Lebensgemeinschaft, denen vom Gesetzgeber eigene Rechtsinstitute zur Verfügung gestellt wurden. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass dies schon wegen der Begriffsverwendung der Ehe im Rechtsleben verfassungsrechtlich zwingend notwendig wäre. Vielmehr zeigt gerade das Beispiel der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, dass die Ehe als Rechtsbegriff die Konstituierung eines weiteren Rechtsinstituts mit einem anderen Namen nicht

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

hindert. Die Bezeichnungen „Ehe“ und „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ stehen für verschiedene Rechtsinstitute, die normativ klar umrissen sind und von der Rechtswissenschaft auch separat verwandt werden. Beide Begriffe beziehen sich deshalb auf einen jeweils abgegrenzten Regelungsradius, so dass weder eine Verwechselungsgefahr besteht noch eine Rechtsinstitutsbezeichnung die andere verdrängen kann. Der außerjuristische Sprachgebrauch bestätigt, dass sich aus dem Begriff der Ehe noch nicht ihre Exklusivität ergibt. Die in der Öffentlichkeit oftmals verwendete Konnotation der „Homo-Ehe“ deutet zwar auf eine sprachliche Binnendifferenzierung zur eigentlichen (verschiedengeschlechtlichen) Ehe im Rechtssinne hin, die im allgemeinen Sprachgebrauch ohne einen entsprechenden Konnex verwendet wird. Trotzdem wird der Grundbegriff der Ehe von Teilen der Öffentlichkeit für beide Rechtsinstitute verwandt. Die grammatische Auslegung ergibt folglich keine Hinweise, die auf eine exklusive Singularität der verschiedengeschlechtlichen Ehe hindeuten. (2) Historische Genese In Art. 119 I 1 WRV ist die Ehe erwähnt. Ihre verfassungsrechtlich geschützten Merkmale stimmen insofern mit dem überkommenen Ehebegriff überein. Zwar wird in der entsprechenden Kommentarliteratur betont, dass die Ehe die „legitime“ Form der Geschlechtsgemeinschaft zur „Erhaltung und Vermehrung der Nation“ i. S. v. Art. 119 I 1 WRV sei.101 Dieses Ergebnis wird aber nicht aus der Untersuchung der Wesensmerkmale der Ehe, sondern aus ihrer programmatisch-teleologischen Einbettung in den Zusammenhang mit bevölkerungspolitisch relevanten Zielen gewonnen. Soweit ausdrücklich auf die Reichweite des Schutzes der Institutsgarantie eingegangen wird, finden sich zwar Aussagen, nach denen die Ehe die einzige Quelle der Legitimität sei, die allerdings durch die Begrenzung auf die „auf diesen Gebieten sich auswirkenden Rechtsfolgen“ beschränkt bleibt.102 Damit ist auch nach dieser Ansicht nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber ein neues Rechtsinstitut einführt, soweit durch seine Ausgestaltung die thematisch einschlägige Verbindungslinie zwischen Ehe und Familie nicht berührt wird. Das schon dargelegte Motiv der Ablehnung des kommunistischen Familienmodells als Grund für den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe spricht ebenfalls dafür, dass diese primär vor ihrer Beseitigung ge101

Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 75. Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 79, meint damit die Ehe als „legitime Grundlage des Familienlebens“ und spricht sich deshalb gegen die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern aus. 102

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schützt werden sollte und nicht vor der Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Auch bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates ist über die institutionelle Struktur der Ehe debattiert worden. Dabei wurde ausdrücklich auf die Verfassungsgarantie der Ehe in Art. 119 I WRV und die damit verbundene Schutzfunktion Bezug genommen.103 Wenngleich auch dort bei der Diskussion die Abgrenzung gegenüber dem sowjetischen Ehemodell eine Rolle spielte,104 stand doch die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit des „besonderen Schutzes“ der Ehe im Vordergrund. Bei diesen Erörterungen wurde die Sicherung der Strukturmerkmale der Ehe – also die klassische Funktion der Institutsgarantie – betont.105 Es ist zwar zu konzedieren, dass über den rechtlichen Verbindlichkeitsgrad von Art. 6 I GG während des gesamten Entstehungsprozesses keine vertiefte dogmatische Klarheit gewonnen wurde.106 Dieser Umstand spricht deshalb erst recht gegen die Annahme einer negativen institutionellen Sperrwirkung gerade der Institutsgarantie gegenüber der Entstehung neuer Rechtsinstitute. Aus der historischen Auslegung des Art. 6 I GG folgt demnach nicht, dass die Exklusivität zum Strukturmerkmal der Ehe gehört. 103 Hermann von Mangoldt (CDU), Ausschuss für Grundsatzfragen, 24. Sitzung v. 23.11.1948, in: Parlamentarischer Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, hrsg. vom Deutschen Bundestag/Bundesarchiv, Bd. 5/II, 1993, S. 643, 645; ders., Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Dr. von Mangoldt über den Abschnitt I. Die Grundrechte, in: Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 1948/49, S. 5 (9): „Damit war in Anlehnung an die Regelung, die in Weimar für die Ehe getroffen war, klar zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtsinstitute der Ehe und Familie unter verfassungsrechtlichem Schutz stehen sollten, d.h., in ihren für die abendländische Kulturwelt kennzeichnenden Grundzügen nur durch verfassungsänderndes Gesetz geändert werden können.“ Helene Weber (CDU), Ausschuss für Grundsatzfragen, 29. Sitzung v. 4.12.1948, in: PR, Bd. 5/II, S. 806: „Schutz der Ehe und Familie hat auch schon in der Weimarer Verfassung gestanden und wir sind der Meinung, daß der Schutz der Ehe und Familie als Grundlage des Gemeinschaftslebens auch in dieser Verfassung stehen sollte.“ 104 v. Mangoldt (CDU), Ausschuss für Grundsatzfragen, 24. Sitzung v. 23.11.1948, in: PR, Bd. 5/II, S. 643; Werner Matz, JöR 1 (1951), S. 93. 105 Adolf Süsterhenn (CDU) und v. Mangoldt (CDU), Ausschuss für Grundsatzfragen, 29. Sitzung v. 4.12.1948, in: PR, Bd. 5/II, S. 827. 106 So sah der Allgemeine Redaktionsausschuss in seiner Stellungnahme v. 13.12.1948, in: Parlamentarischer Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, hrsg. vom Deutschen Bundestag/Bundesarchiv, Bd. 7, 1995, S. 138, im Eheschutz „nur programmatische Bedeutung“ im Sinne einer „Richtlinie“ bzw. „Auslegungsvorschrift“, also ohne eigenständige institutsgebundene Schutzkraft. Hier ist allerdings die verfassungsdogmatische Entwicklung der objektiven Wertentscheidung zum ersten Mal angedeutet.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(3) Systematische Einordnung (a) Institutsgarantie als Gewährleistung der institutsimmanenten Merkmale Die systematische Einordung der Ehe ergab nach dem bisherigen Untersuchungsgang einen typusbestimmten Zusammenhang mit der durch Kinder gekennzeichneten Familie. Die Verschiedengeschlechtlichkeit ist daher eheliches Strukturmerkmal. Der Hauptunterschied zwischen der möglichen exklusiven Singularität als normierter Geschlechtsgemeinschaft und den klassischen Strukturmerkmalen der Ehe wie der Verschiedengeschlechtlichkeit oder der Monogamie liegt darin, dass letztere ausschließlich eine Binnenstrukturierung der Ehe vornehmen und keine unmittelbare Aussage hinsichtlich ihrer Außenbeziehung zu anderen Rechtsinstituten enthalten. Zwar ist es durchaus möglich, dass sich mittelbar rechtliche Konsequenzen für die Außengestaltung aus einem einzelnen Strukturmerkmal der Ehe ergeben: So folgt aus dem Prinzip der Einehe, dass eine weitere Ehe desselben Personenkreises gleichzeitig nicht möglich ist. Damit ist die exklusive Singularität der ehelichen Lebensgemeinschaft an eine zumindest teilweise bestehende personale Identität gekoppelt und betrifft nicht – wie beim Verhältnis der Ehe zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften – einen unterschiedlichen Personenkreis von Zugangsberechtigten. Ebenfalls folgt aus der Summe von Strukturmerkmalen, die das Rechtsinstitut ausmachen, zwingend, dass ein institutionelles Gefüge, das in einem oder in mehreren dieser Wesensmerkmale davon abweicht, nicht mehr genau dieses Rechtsinstitut darstellt und mithin auch nicht mit dem Namen dieses Instituts bezeichnet werden darf. Als prägnantestes Beispiel lässt sich im Rahmen dieses Untersuchungsganges das die Ehe prägende Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit anführen: Nachdem das Bundesverfassungsgericht gegen vereinzelte Zweifel in Rechtsprechung und Literatur bestätigt hatte, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit nach wie vor ein notwendiges Strukturmerkmal der Ehe ist,107 war dem Gesetzgeber der Weg verbaut, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Ehe als Rechtsinstitut zur Verfügung zu stellen und er war darauf verwiesen, ein neues Rechtsinstitut zu konstituieren. Der definitorischen Strukturierung eines Rechtsinstituts kommt deshalb eine Abgrenzungsfunktion zu anderen Rechtsinstituten zu. Das bedeutet aber nicht, dass sich darüber hinaus aus der Institutsgarantie eine wertende Aussage zum Verhältnis dieser Rechtsinstitute in der Rechtsordnung ableiten lässt. 107 BVerfG, NJW 1993, S. 1358. Zur Verschiedengeschlechtlichkeit als Strukturmerkmal der Ehe siehe ausführlich oben 2. Kapitel, S. 122 ff.

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Diese Feststellung ermöglicht eine präzise Differenzierung zwischen dem Rechtsinstitut, seiner Garantie in der Verfassung und der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zu Gunsten des Rechtsinstituts: Die Institutsgarantie stellt das Rechtsinstitut unter den Schutz der Verfassung. Dazu gehören nicht nur die Einrichtung in seiner Gesamtheit, sondern auch alle sie konstituierenden Merkmale. Die verfassungsrechtliche Garantie kann sich nur auf solche Elemente beziehen, die zweifelsfrei das Rechtsinstitut ausmachen. Es ist methodisch deshalb nicht möglich, dass die Institutsgarantie zu einem weiteren Strukturmerkmal führt, welches ohne Garantie nicht Bestandteil des Rechtsinstituts wäre. Wäre man dieser Ansicht, würde die dogmatische Differenzierung zwischen Rechtsinstitut und Garantie unpräzise. Eine Institutsgarantie kann nicht mehr schützen als das Rechtsinstitut und seine Merkmale. Die Frage der Bedeutung und des Gewichts des Rechtsinstituts der Ehe innerhalb der Gesamtverfassung und damit auch für das externe Verhältnis zu nicht von Art. 6 I GG erfassten Personenkonstellationen ist daher keine Frage des institutionellen Schutzes dieses Rechtsinstituts, sondern eine Frage der Wertentscheidung der Verfassung zugunsten eines bestimmten Rechtsinstituts.108 Gerade ein Teil der Befürworter der verfassungsrechtlichen Differenzierungsverpflichtung zwischen der Ehe und einer institutionell verankerten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft argumentiert vor dem dogmatischen Hintergrund einer nicht näher unterschiedenen Regelungswirkung von Institutsgarantie und objektiver Wertentscheidung.109 Die Ursache für diese nicht selten unterlassene Differenzierung zwischen den verschiedenen Regelungsebenen des Art. 6 I GG liegt darin, dass eine dogmatische Abgrenzung als schwierig, wenn nicht gar als unmöglich empfunden wird.110 Das ist aber nicht zwingend der Fall. Eine differenzierte Wahrnehmung der in Art. 6 I GG enthaltenen Grundrechtsfunktionen kann 108 Angedeutet bei Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (710), Wasmuth (Fn. 40), S. 46 (54), und Burgi (Fn. 65), S. 487 (495 f.), freilich ohne Herausarbeitung des entscheidenden dogmatischen Differenzierungskriteriums in Innen- und Außenverhältnis; deutlicher Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 30, und Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (228, 231), welche die Institutsgarantie „zweipolig“ auf das Verhältnis zwischen Staat und Grundrechtsträger und die objektive Wertentscheidung „dreipolig“ auf das zwischen Staat, Grundrechtsträger und anderen Lebensgemeinschaften als der Ehe beziehen. 109 Peter Badura, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 6 Rn. 58d; Johann Braun, Das Lebenspartnerschaftsgesetz auf dem Prüfstand – BVerfG, NJW 2002, 2543, in: JuS 2003, S. 21; Günther Krings, Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare, in: ZRP 2000, S. 409 (411); Pirson (Fn. 2), Art. 6 I Rn. 131. 110 Braun (Fn. 109), S. 21, konstatiert, dass sie „nicht in jeder Beziehung trennscharf auseinander zu halten“ seien, Krings (Fn. 109), S. 409 (411), spricht von einer „engen Verknüpfung“.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

dahingehen, dass sich die Institutsgarantie auf die Gewährleistung der inneren Strukturierung der Ehe und die Wertentscheidung der Verfassung auf die institutionelle Verhältnisbestimmung nach außen im System der Gesamtverfassung bezieht. Die Funktion der Institutsgarantie ist in diesem Fall auf die konservierend-strukturorientierte Wirklichkeitsebene der Ehe bezogen, während die objektive Wertentscheidung einen aus der Verfassung abgeleiteten dynamisch-wertenden Bezug der Ehe im Gesamtsystem der Rechtsordnung beinhaltet.111 Dazu steht nicht im Widerspruch, dass Wertentscheidung und Institutsgarantie in einem von der Literatur differenziert akzentuierten, teilweise auch konträren wechselseitigen Verhältnis gesehen werden: Die eine Sichtweise betont, dass sich aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Rechtsinstituts auch die Wertentscheidung der Gesamtverfassung zu seinen Gunsten ergäbe,112 die andere hält die Institutsgarantie für eine Konkretisierung und damit für eine institutionelle Konsequenz der Wertentscheidung der Verfassung für bestimmte Rechtsinstitute.113 Nach beiden Ansichten ist aber dadurch ein wie oben skizzierter differenzierter und zugleich dogmatisch präziser Anwendungsbereich beider Ausformungen des Art. 6 I GG nicht ausgeschlossen. (b) Institutioneller Konkurrenzschutz durch Institutsgarantien – Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Einrichtungsgarantien und der Ehe Für die Problematik, ob allein schon die grundgesetzliche Garantie der Ehe ein dogmatisch hinreichender Grund für die Annahme eines Wertungsunterschiedes zu anderen familienrechtlichen Instituten auf einfachgesetzlicher Ebene ist oder sogar deren normative Konstituierung verhindern kann, ist ein Vergleich mit ähnlichen Konstellationen anderer Einrichtungsgarantien hilfreich. Dabei ist die Frage, ob es sich bei diesen um institutionelle Garantien oder Institutsgarantien handelt, von untergeordneter Bedeutung. Grundsätzlich ist nämlich bei beiden Formen der Einrichtungsgarantie die Konstellation denkbar, dass neben der verfassungsrechtlich garantierten Institution eine weitere, aber nur einfachgesetzlich konstituierte Einrichtung geschaffen wird, die in bestimmten Merkmalen mit der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsform übereinstimmt. 111

In diesem Sinne generalisierend auch Schmidt-Jortzig (Fn. 91), S. 27. Schmidt-Jortzig (Fn. 91), S. 66 f., der den Institutsgarantien eine „ausgleichende Rolle bei Balancestörungen“ zuerkennt und deshalb deren Funktion wegen ihres ursprünglich doch eher strukturorientierten Grundansatzes wohl überschätzt. 113 Etwa Stern (Fn. 74), Rn. 51. 112

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(aa) Institutsgarantie der Privatautonomie, Art. 2 I GG Die Privatautonomie ist die rechtliche Grundlage selbstbestimmter Teilnahme am Rechtsverkehr. Als Ausdruck freiheitlicher Selbstbestimmung wird sie deshalb abwehrrechtlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG vor staatlichen Eingriffen geschützt.114 Daneben ist sie aber auch ein objektiv-rechtlicher Verfassungsmaßstab, der hinsichtlich der Reichweite eigener Entscheidungen durch Selbstbindung zu beachten ist.115 Obwohl das Bundesverfassungsgericht dafür selbst nicht ausdrücklich die Terminologie einer Einrichtungsgarantie verwendet, wurde in der Literatur teilweise eine Institutsgarantie der Privatautonomie angenommen.116 Für einen Vergleich mit der Institutsgarantie der Ehe hinsichtlich eines institutionellen Konkurrenzschutzes besteht allerdings keine substantielle Grundlage: Zwar ist die Privatautonomie nicht unbegrenzt gewährleistet und bedarf zu ihrer Realisierung in der Rechtsordnung der einfachgesetzlichen Ausgestaltung.117 Beides sind typische Merkmale für Institutsgarantien. Insofern ist eine grundrechtsdogmatische Parallele zum Schutz der Ehe gegeben. Für die Privatautonomie ist aber gerade nicht eine vom Grundgesetz vorgegebene Strukturierung im Sinne eines institutionellen Organisationsgebildes charakteristisch, weil dies der Selbstordnungspotentialität als Ausdruck freiheitlicher Selbstbestimmung durch die Grundrechtsberechtigten widerspricht. Deshalb ist es grundrechtssystematisch nicht möglich, merkmalsverwandte Strukturgebilde zur Privatautonomie als Konkurrenzmodell zu bilden. Vielmehr ist Grundlage einer grundrechtlichen Wirkungsbegrenzung primär die grundrechtlich gleichgewichtige Privatautonomie anderer.118 Damit unterfällt eine Lösung dieser Grundrechtskollisionen dem Modell der praktischen Konkordanz und nicht einem etwaigen Konkurrenzschutz vor anderen Regelungsmodellen auf nur einfachgesetzlicher Ebene. 114 BVerfGE 95, 267 (303); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 27 Rn. 3; Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 2 Rn. 4; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 145; Horst Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 2 I Rn. 38; Murswieck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 54; Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 106; Erichsen (Fn. 12), Rn. 56; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 16. 115 BVerfGE 81, 242 (255); 89, 214 (231); Dreier (Fn. 114), Art. 2 I Rn. 63; Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 108, 111 f.; Erichsen (Fn. 12), Rn. 58. 116 Das gilt insbesondere für die staatsrechtliche Literatur zu Art. 152 WRV, vgl. Boehmer (Fn. 67), S. 256. Für die Privatautonomie im Rahmen des Art. 2 I GG wird sie allerdings unter Hinweis auf ihre fehlende Verdichtung zu einem Normenkomplex und die nicht vorhandene Kompetenzgarantie mehrheitlich abgelehnt, siehe Mager (Fn. 96), S. 459 f. m. w. N. 117 BVerfGE 81, 242 (254 ff.); 89, 214 (231); Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 145; Erichsen (Fn. 12), Rn. 57. 118 Vgl. BVerfGE 89, 214 (232).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(bb) Einrichtungsgarantien der Presse- und Rundfunkfreiheit, Art. 5 I 2 GG Presse- und Rundfunkfreiheit schützen als Abwehrrechte alle wesensmäßig mit der Presse- oder Rundfunkarbeit zusammenhängenden Tätigkeiten.119 Voraussetzung dafür ist deshalb als jeweiliges Kommunikationsmedium dieser Grundrechtsbetätigungen die Existenz von Presse und Rundfunk als soziale und rechtlich strukturierte Organisationseinheiten. Die abwehrrechtliche Funktion des betreffenden Grundrechts bedarf mithin eines institutionellen Gefüges, um ihre Schutzwirkung entfalten zu können. Ob diese institutionelle Prägung des Grundrechts zur Annahme einer Einrichtungsgarantie der freien Presse und des Rundfunks führt, ist umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen mit unterschiedlicher Terminologie statuiert, dass die „freie Presse“ als Institut durch Art. 5 I GG geschützt sei.120 Teilweise ist in der Literatur daraus abgeleitet worden, dass eine entsprechende Einrichtungsgarantie bestünde.121 Diese schütze die freie und privatwirtschaftlich organisierte Presse vor der Überführung in eine Staatspresse und konstituiere damit die generelle Staatsfrei119 Presse: BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260); 20, 162 (176); 50, 234 (240); 66, 116 (133); 107, 299 (329). Dort wird die klassische Formel verwandt, dass die Pressefreiheit „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht oder Meinung“ reiche; siehe auch Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 32 Rn. 15; Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 5 Rn. 27; Stern (Fn. 2), § 109 II 1, S. 1531 ff.; Christian Starck, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 5 Rn. 62; Christoph Kannengießer, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 5 Rn. 13; Helmuth Schulze-Fielitz, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 5 I, II Rn. 95; Rudolf Wendt, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 5 Rn. 33; Roman Herzog, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 5 I, II Rn. 135. Rundfunk: BVerfGE 77, 65 (74); 91, 125 (134 f.), 107, 299 (329); Sodan/ Ziekow (Fn. 2), § 32 Rn. 20; Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Art. 5 Rn. 39; Stern (Fn. 2), § 110 III 1, S. 1678 f.; Starck, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/ Christian Starck (Hrsg.), Art. 5 Rn. 104, 107; Schulze-Fielitz, in: Horst Dreier (Hrsg.), Art. 5 I, II Rn. 105; Wendt, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Art. 5 Rn. 33; Herzog, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Art. 5 I, II Rn. 202. Die sachlichen Schutzbereiche von Presse- und Rundfunkfreiheit sind insofern grundsätzlich deckungsgleich. 120 BVerfGE 20, 162 (175); 50, 234 (240): „Institut ‚Freie Presse‘“; vgl. auch BVerfGE 10, 118 (121): „Institutionelle Sicherung der Presse“; 36, 193 (204); 66, 116 (133): Schutz der „institutionellen Eigenständigkeit“ der Presse; 80, 124 (133): Garantie der „Freiheitlichkeit des Pressewesens“. 121 Kannengießer (Fn. 119), Art. 5 Rn. 11; Herbert Bethge, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 5 Rn. 72.

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heit der Presse.122 Andere Stimmen in der Literatur haben die Annahme einer solchen Garantie mit der Begründung abgelehnt, die freie Presse sei primär eine sozialwissenschaftlich definierte Organisationseinheit, die keiner rechtlichen Ausgestaltung – wie sie für die Einrichtungsgarantien typisch sind – bedürfe.123 Als institutionalisierter Bestandteil des Schutzbereichs sei sie in erster Linie der organisatorische Kern der abwehrrechtlichen Dimension des Grundrechts. Auch wenn man das Bestehen einer Institutsgarantie der freien Presse bejaht, gibt dies für einen systematischen Vergleich mit der Schutzwirkung der Institutsgarantie der Ehe dogmatisch wenig her: Einen Konkurrenzschutz vor Medien außerhalb des Pressebereichs kann die Garantie der freien Presse nicht vermitteln. Das ergibt sich schon aus der ebenfalls verfassungsrechtlich abgesicherten Rundfunkfreiheit, deren institutionelle Grundlage ein Medium außerhalb der Presse ist, sowie aus der Möglichkeit, dass bestimmte Erscheinungsformen moderner Massenmedien weder dem Bereich der Presse noch dem des Rundfunks zugeordnet werden können, gleichwohl aber unbestritten verfassungsrechtlich zulässig sind.124 Insofern scheidet die freie Presse als institutioneller Maßstab für die Ehe aus. Hinsichtlich des Rundfunks zeigen sich andere Akzente. Das Bundesverfassungsgericht hat den freien Rundfunk als durch die Verfassung garantierte Organisation, mithin als „Medium und Faktor“ der Rundfunkfreiheit angesehen.125 Über diesen mit der freien Presse in funktionaler Hinsicht vergleichbaren institutionellen Status hinaus hat das Gericht aber – insofern systematisch kongruent mit anderen Einrichtungsgarantien – bezüglich der Rundfunkfreiheit eine Ausgestaltungsbefugnis und -verpflichtung in materieller, organisatorischer und verfahrensmäßiger Hinsicht angenommen.126 122

Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 72. Mager (Fn. 96), S. 255 f.; Herzog (Fn. 119), Art. 5 I, II Rn. 12 f.; Stern (Fn. 66), § 68 V 3, S. 838 f.; scharf ablehnend Martin Bullinger, § 142: Freiheit von Presse, Rundfunk, Film, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 81 („freiheitsgefährdend“, „Verfälschung der demokratischen Funktion der Presse“); dem Institutionenbegriff der Presse ebenfalls kritisch gegenüberstehend Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 11, 13; Elke Fiebig, Ansätze zu einem institutionellen Verständnis der Pressefreiheit, in: AfP 1995, S. 459 (463 f.) m. w. N. Insgesamt zurückhaltend Jarass (Fn. 119), Art. 5 Rn. 23, der betont, dass das Bundesverfassungsgericht die objektivrechtlichen Gehalte der Pressefreiheit „früher als Garantie des Instituts ‚Freie Presse‘ umschrieben“ habe. 124 Z. B. private E-Mails oder Chats, vgl. Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 90b. 125 BVerfGE 12, 205 (260 ff.); 31, 314 (326); 57, 295 (320); 74, 297 (323). 126 BVerfGE 57, 295 (320); 73, 118 (153); 83, 238 (296); ähnlich auch BVerfGE 74, 297 (323 f.); 87, 181 (197 f.); zustimmend Jarass (Fn. 119), Art. 5 Rn. 31; Schulze-Fielitz (Fn. 119), Art. 5 I, II Rn. 232; Kannengießer (Fn. 119), Art. 5 Rn. 19; Wolfgang Hoffmann-Riem, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz 123

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Um die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten, bestünde ein öffentlicher Auftrag zur Grundversorgung der Bevölkerung.127 Aus diesem Grundversorgungsauftrag ergebe sich die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als durch die Rundfunkfreiheit garantierte Institution, weil nur dieser wegen der begrenzten terrestrischen Sende- und Empfangsmöglichkeiten sowie der programmlichen und finanziellen Unabhängigkeit und Pluralität eine Erreichbarkeit der ganzen Bevölkerung sicherstellen könne.128 Der öffentlichrechtliche Rundfunk sei mithin von einer aus der Rundfunkfreiheit abgeleiteten verfassungsrechtlichen Bestands- und Entwicklungsgarantie umfasst.129 Damit verdichtet sich die institutionelle Existenz des Rundfunks in der Verfassung insofern, als ihr eine strukturorientierte Vorgabe der Organisation des Rundfunks entnommen wird, die der Gesetzgeber zu beachten hat. Deshalb kann hier mit größerer Berechtigung als bei der freien Presse von einer Einrichtungsgarantie gesprochen werden, wenn man die Prämisse der institutionellen Verbindung von Grundversorgung und öffentlich-rechtlichem Rundfunk teilt.130 Allerdings zeigt sich am Beispiel der verfassungsrechtlichen Stellung des öffentlichen Rundfunks, dass die Annahme seiner grundgesetzlichen Garantie die Existenz des privaten Rundfunks nicht hindert. Im Gegenteil ist der Programmauftrag des öffentlichen Rundfunks zur Grundversorgung als Konkretisierung der Rundfunkfreiheit integraler Bestandteil des dualen Rundfunksystems, also des Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk. Private Rundfunkanstalten sind als programmgestaltende Institutionen deshalb Träger der Rundfunkfreiheit, wenn der Gesetzgeber für sie eine normative Grundlage im Rahmen der dualen Rundfunkfür die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art 5 I, II Rn. 156 ff., 175; ders., § 7: Kommunikations- und Medienfreiheit, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 34. 127 BVerfGE 73, 118 (157 ff.); 74, 297 (324 ff.); 83, 238 (297 ff.); 87, 181 (199). 128 BVerfGE 83, 238 (297 f.); zustimmend Schulze-Fielitz (Fn. 119), Art. 5 I, II Rn. 254; Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 104 f. 129 BVerfGE 83, 238 (315). 130 Im Ergebnis Mager (Fn. 96), S. 263 f.; kritisch Wendt (Fn. 119), Art. 5 Rn. 54a, der die Rundfunkfreiheit ausschließlich als subjektives Recht wahrnimmt; ähnlich Herzog (Fn. 119), Art. 5 I, II Rn. 12 ff., der die Annahme einer institutionellen Garantie auch hier ablehnt, weil die Einrichtungen allein der „soziologischen Breitenwirkung“ des (subjektiven) Grundrechts geschuldet seien. Stern (Fn. 66), § 68 V 3, S. 843 ff., lehnt eine institutionelle Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem Hinweis ab, dass der Grundversorgungsauftrag nicht zwingend nur von diesem erfüllt werden könne. Bei einer Veränderung der technischen und organisatorischen Bedingungen müsse die verfassungsrechtliche Situation anders beurteilt werden; der institutionelle Kern der Rundfunkfreiheit sei deshalb nicht automatisch der öffentlich-rechtliche Rundfunk; vgl. i. d. S. auch Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 123.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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ordnung geschaffen hat.131 Daraus ergibt sich, dass eine mögliche institutionelle Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwar seine Existenz selbst zu schützen vermag, nicht jedoch Konkurrenz verhindert. Die Konkurrenz um Hörer und Zuschauer und damit eine verbreiterte Meinungsvielfalt ist gerade das Ziel des dualen Rundfunksystems. Hinsichtlich des Verhältnisses dieser dogmatischen Konzeption zur Institutsgarantie der Ehe kann man deshalb zwei mögliche Positionen vertreten: Zum einen könnte man eine institutionelle Parallelität der Vergleichsgruppen von privatem Rundfunk und nur einfachgesetzlich konstituierten familienrechtlichen Institutionen verneinen, weil letztere sich nur auf Art. 2 I GG berufen können, erstere aber auch vom abwehrrechtlichen Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfasst sind. Die normative Grundrechtsrangordnung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk ist deshalb nicht so unterschiedlich wie die zwischen der Ehe und anderen lebensgemeinschaftlichen Institutionen. Überträgt man diese institutionelle Konzeption trotzdem konsequent auf die Institutsgarantie der Ehe, so wird man zum anderen konstatieren müssen, dass in diesem Fall auch sie keinen absoluten Konkurrenzschutz vermitteln, sondern nur die Existenz der Ehe mit ihren wesentlichen Strukturmerkmalen selbst schützen kann. Unabhängig davon, welcher der beiden Alternativen man folgt, so ist in jedem Fall ausgeschlossen, dass die mögliche institutionelle Garantie des öffentlichen Rundfunks einen dogmatischen Hinweis auf den Ausschluss von Rechtsinstituten aus der Rechtsordnung durch Einrichtungsgarantien im Sinne einer institutionellen Singularität gibt. Nun kann man allerdings einwenden, dass eine Verfassungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwar keinen absoluten Konkurrenzschutz vor anderen Rundfunkeinrichtungen vermittelt, ein indirekter relationaler Schutz im Sinne einer Bevorzugung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aber dennoch besteht. Als Beispiel kann etwa die Finanzierung durch ein Gebührensystem angeführt werden, das wegen der Sicherung des Programmauftrags und damit der existentiellen Berechtigung des öffentlichrechtlichen Rundfunks verfassungsrechtlich zulässig ist.132 Wenn man diese Wertung auf die Institutsgarantie der Ehe anwendet, könnte sich schon aus der Institutsgarantie die Privilegierung der Ehe gegenüber anderen institutionellen Lebensgemeinschaften ergeben. Allerdings ist fraglich, ob man bei 131 BVerfGE 73, 118 (183); 95, 220 (234); 97, 298 (310 ff.): Alle drei Entscheidungen betonen die „Programmfreiheit“ als grundrechtlichen Kern der Rundfunkfreiheit. Auf jene könnten sich auch die privaten Programmveranstalter berufen; somit müsse die Rundfunkfreiheit auch für die dieses Programm veranstaltenden privaten Rundfunkanstalten gelten. Vgl. auch Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 110; Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 111; Wendt (Fn. 119), Art. 5 Rn. 49. 132 Siehe dazu BVerfGE 87, 181 (198 ff.); 90, 60 (90 f.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

einer Gesamtbetrachtung des Verhältnisses von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk wirklich von einer Bevorzugung des ersteren sprechen kann. Bestimmten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorteilhafteren Regelungen stehen nachteiligere gegenüber: So ist beispielsweise die Schaltung von Werbung nach zwanzig Uhr – anders als beim privaten Rundfunk – nicht erlaubt.133 Die Anforderungen an die binnenplurale Organisation und Ausgewogenheit der Programmgestaltung sind beim öffentlichrechtlichen Rundfunk deutlich höher.134 Etwaige einzelne Privilegierungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erklären sich aus seinem Auftrag der Grundversorgung.135 Diese spezifischen Ausprägungen der verfassungsgerichtlich interpretierten Rundfunkfreiheit sind im Vergleich mit anderen Grundrechten einzigartig und lassen sich daher nicht auf Art. 6 I GG übertragen. (cc) Institutionelle Garantie der wissenschaftlichen Hochschule und ihrer akademischen Selbstverwaltung, Art. 5 III GG Nach Art. 5 III GG 1 sind Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Ausdrücklich wird die wissenschaftliche Hochschule als Organisationskomplex dort nicht genannt. Der Streit darüber, ob sie und (nachfolgend) ihre Selbstverwaltungsautonomie grundrechtsdogmatisch als institutionelle Garantien eingeordnet werden können und wie in diesem Fall deren Gewährleistungsreichweite zu bestimmen ist, gehört im Rahmen der Thematik der Einrichtungsgarantien zu den kontroversesten Diskussionen in der staatsrechtlichen Literatur.136 133 Die diesbezügliche Privilegierung des privaten Rundfunks ist nach Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 162, eine Kompensation dafür, dass dieser keinen Anteil an der Rundfunkgebühr erhält. 134 Vgl. Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 129 ff., 150; Herzog (Fn. 119), Art. 5 I, II Rn. 238a. 135 Herzog (Fn. 119), Art. 5 I, II Rn. 238a, geht sogar noch weiter, indem er den Zusammenhang zwischen Grundversorgung und öffentlich-rechtlichem Rundfunk weniger für einen verfassungsrechtlichen, sondern eher für einen faktischen hält. Wenn man diese Argumentation fortführte, gäbe es erst recht keine verfassungsrechtliche Privilegierung bestimmter Rundfunkeinrichtungen, so dass daraus für Einrichtungsgarantien allgemein keine exklusive Stellung gegenüber anderen einfachgesetzlichen Instituten abgeleitet werden könnte. 136 Die Verfassungsrechtslage in den Ländern ist insofern anders, als die meisten Landesverfassungen die Garantie der Hochschule und ihrer Autonomie ausdrücklich enthalten, vgl. Brandenburg: Art. 32; Baden-Württemberg: Art. 20; Nordrhein-Westfalen: Art. 16 I; Niedersachsen: Art. 5 II, III; Hessen: Art. 60; Mecklenburg-Vorpommern: Art. 16 III als „Soll-Vorschrift“; Sachsen-Anhalt: Art. 31; Thüringen: Art. 28 I; nur die Garantie der akademischen Selbstverwaltung: Bayern: Art. 138 II 1, Rheinland-Pfalz: Art. 39 I 1, Saarland: Art. 33 II 1, Sachsen: Art. 33 II.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

253

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage offen gelassen und sich nicht ausdrücklich für oder gegen die Annahme einer institutionellen Garantie ausgesprochen. In seinen Entscheidungen finden sich aber durchaus Anhaltspunkte für eine institutionenbezogene Sichtweise, die über die ausschließlich subjektiv-abwehrrechtliche Perspektive hinausgeht. So wird eine aus Art. 5 III GG abgeleitete, grundrechtsverstärkende „objektive Wertordnung“ herangezogen, um die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zu begründen, durch organisatorische Regelungen das wissenschaftliche Selbstbestimmungsrecht der Grundrechtsträger des Art. 5 III GG zu sichern.137 Art. 5 III GG werde dann verletzt, wenn durch eine organisatorische Gestaltung die Gefahr der Funktionsunfähigkeit des Wissenschaftsbetriebes oder der Beeinträchtigung des Freiheitsraumes für die Ausübung des Grundrechts entstünde.138 Die Herleitung einer bestimmten Organisationsform für die Wissenschaftsausübung wird aber abgelehnt.139 Vielmehr sei nur das organisatorische Minimum zur Gewährleistung eines freiheitlichen Wissenschaftsbetriebes geschützt.140 Das Schrifttum bejaht überwiegend eine diesbezügliche institutionelle Garantie.141 Die wissenschaftlichen Hochschulen und die Freiheit ihrer 137 BVerfGE 35, 79 (114 f.); 85, 360 (384); 88, 129 (136 f.); 93, 85 (95). In BVerfGE 35, 79 (122, 124), und 93, 85 (95), findet sich auch die an die Einrichtungsgarantie erinnernde Terminologie eines unantastbaren „Kernbereichs“. 138 BVerfGE 35, 79 (124). 139 BVerfGE 35, 79 (116 ff.); Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 383; Michael Fehling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 5 III Rn. 34; Kannengießer (Fn. 119), Art. 5 Rn. 30; Ingolf Pernice, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 57; Erhard Denninger, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von dems. u. a., 3. Aufl., Art. 5 III Rn. 60; Thomas Oppermann, § 145: Freiheit von Forschung und Lehre, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 19, 51; Rupert Scholz, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 5 III Rn. 134, 170. 140 BVerfGE 15, 256 (264); auch Scholz (Fn. 139), Art. 5 III Rn. 134; ähnlich Kannengießer (Fn. 119), Art. 5 Rn. 30; ablehnend wegen der Gefahr einer ungerechtfertigten Privilegierung der Universität Gerd Roellecke, Wissenschaftsfreiheit als institutionelle Garantie? in: JZ 1969, S. 726 (732 f.). 141 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 9; Pernice (Fn. 139), Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 21; Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 202a: „organisationsrechtliche Institutionengarantie“; Oppermann (Fn. 139), Rn. 18; Ernst-Joachim Meusel, Außeruniversitäre Forschung in der Verfassung, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, hrsg. von Christian Flämig u. a., Bd. II, 2. Aufl., 1996, S. 1235 (1262 ff.); ders., Grundprobleme des Rechts der außeruniversitären „staatlichen“ Forschung, 1982, S. 36 f.; Helmuth Schulze-Fielitz, § 27: Freiheit der Wissenschaft, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 8; Stern (Fn. 66), § 68 IV 4, S. 808 ff. m. w. N., insbesondere S. 811; Hailbronner (Fn. 75), S. 78 ff.; Scholz (Fn. 139), Art. 5 III Rn. 133; skeptisch Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 382 (Fn. 285); Fehling (Fn. 139), Art. 5 III Rn. 32; Otto Kimminich, Hochschule im Grundrechtssystem, in: Handbuch des Wissenschafts-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Selbstverwaltung sind danach wissenschaftliche Organisationsmodelle, die institutionalisierte Bedingungen zur Ausübung der Wissenschaftsfreiheit darstellen. Der Staat sichert durch ihren verfassungsrechtlichen Schutz die entsprechende Grundrechtsausübung.142 Wenn man die wissenschaftlichen Hochschulen für durch Art. 5 III GG institutionell garantiert hält, ergibt sich daraus, dass Hochschulen ohne einen wissenschaftlichen Anspruch nicht dieser institutionellen Garantie unterfallen können.143 Einrichtungsgarantien stehen – wie dargelegt – in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit dem jeweils einschlägigen Freiheitsrecht.144 Art. 5 III GG schützt Wissenschaft, Forschung und Lehre. Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheit ist das Lehrpersonal an Hochschulen nur dann, wenn diesen Hochschulen die Aufgaben von Forschung und Lehre normativ zugewiesen sind.145 Wenn die Organisationsgebilde nicht den Zweck haben, als Einrichtungen für gerade diese Grundrechtsausübungen bereit zu stehen, können sie als Institution nicht durch diejenige Norm des Grundgesetzes geschützt sein, die gleichzeitig die Grundrechtsbetätigung gewährleistet. Das bedeutet, dass sich etwa Fachhochschulen oder Pädagogische Hochschulen, die in ihrer Satzung keine wissenschaftliche rechts, hrsg. von Christian Flämig u. a., Bd. I, 2. Aufl., 1996, S. 121 (128 f.). Jarass (Fn. 119), Art. 5 Rn. 118, und Kannengießer (Fn. 119), Art. 5 Rn. 30, sehen hierin (ausschließlich) eine „wertentscheidende Grundsatznorm“, ohne die institutionelle Garantie terminologisch zu verwenden; ablehnend auch Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 72, und Hans-Heinrich Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1993, S. 272 ff., weil die Universität in Art. 5 III GG nicht ausdrücklich erwähnt sei, sowie Hans-Werner Laubinger, Beamten- und korporationsrechtlicher Status der Professoren, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, hrsg. von Christian Flämig u. a., Bd. I, 1982, S. 401 (411); Roellecke (Fn. 140), S. 726 (727 ff.). 142 Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 202a. 143 Anders als außeruniversitäre Wissenschaftseinrichtungen, vgl. Jarass (Fn. 119), Art. 5 Rn. 125; Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 623; Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 401; Oppermann (Fn. 139), Rn. 59 f.; Scholz (Fn. 139), Art. 5 III Rn. 125; Claus Dieter Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 1994, S. 135 f., 362 f.; modifizierend Meusel (Fn. 141), Außeruniversitäre Forschung in der Verfassung, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, hrsg. von Christian Flämig u. a., Bd. II, 2. Aufl., 1996, S. 1235 (1262 f., 1266 f.), und ders. (Fn. 141), Grundprobleme des Rechts der außeruniversitären „staatlichen“ Forschung, S. 47, der eine Einrichtungsgarantie für staatliche außeruniversitäre Wissenschaftseinrichtungen dann annimmt, wenn ihnen wissenschaftlicheAufgaben mit autonomer Gestaltungsfreiheit zugewiesen sind. 144 Auch Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 382; anders Hailbronner (Fn. 75), S. 79, der die Einrichtungsgarantie als Ausgangspunkt nimmt und von ihr Inhalt und Reichweite des Freiheitsrechts ableitet. 145 BayVerfGH, BayVBl. 1997, S. 207; BVerwG, NVwZ 1987, S. 681; VGH Baden-Württemberg, DVBl. 1986, S. 626 (629); Jarass (Fn. 119), Art. 5 Rn. 124; Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 355 f.; Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 207; Scholz (Fn. 139), Art. 5 III Rn. 106; angedeutet bei Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 623.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Zielsetzung aufweisen und sich ausschließlich auf die Vermittlung von Fachkenntnissen oder die Berufsvorbereitung beschränken, nicht auf den institutionellen Schutz des Art. 5 III GG berufen können.146 Die Tatsache, dass dieser Hochschultyp nicht von der institutionellen Garantie des Art. 5 III GG umfasst ist, bedeutet jedoch noch nicht, dass die Gründung und der Betrieb dieser Hochschulen verfassungswidrig wäre. Die Einrichtungsgarantie der wissenschaftlichen Hochschule beschränkt sich darauf, ihre Existenz verfassungsrechtlich zu sichern, ohne dass dieses Auswirkungen auf andere verwandte Institutionen hätte, die in einigen Merkmalen mit wissenschaftlichen Hochschulen übereinstimmen. Sie ist insofern ein Indikator für die Annahme, dass Einrichtungsgarantien gerade keinen Schutz vor anderen Rechtsinstituten vermitteln. Auch die institutionelle Garantie der Hochschulautonomie ist kein tragfähiges Gegenbeispiel. Zwar ist zu konzedieren, dass sie insoweit konträre Organisationsstrukturen ausschließt, welche die Selbstorganisation der wissenschaftlichen Hochschule gefährden oder sogar verhindern. In gewisser Weise wirkt sie deshalb konkurrenzschützend. Der Betrieb einer Universität ohne jede Selbstverwaltungsautonomie ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, weil dort eine freiheitliche Wissenschaftstätigkeit nicht mehr möglich ist. Entscheidend ist aber das verfassungsdogmatische Verhältnis der beiden möglichen institutionellen Garantien der wissenschaftlichen Hochschule und ihrer Autonomie: Beide Einrichtungsgarantien stehen nicht gleichberechtigt nebeneinander. Letztere ist von der Verfassungsgarantie der wissenschaftlichen Hochschule abgeleitet und somit ihr untergeordnet, weil ohne wissenschaftliche Hochschule auch nicht deren Autonomie erforderlich ist. Die Selbstverwaltung ist kein Selbstzweck, sondern auf die wissenschaftliche Hochschule zur Ermöglichung freier Wissenschaftsausübung bezogen. Sie gewährt also nur innerhalb der institutionell garantierten Hochschule selbst Schutz vor anderen Organisationsmodellen, die die Autonomie der wissenschaftlichen Hochschule nicht achten. Sie hat aber keinen Einfluss auf 146 Starck (Fn. 119), Art. 5 Rn. 356. Offengelassen durch BVerfGE 61, 210 (242 ff.); 64, 323 (354 ff.), wobei dort der unterschiedlich enge Wissenschaftsbezug von wissenschaftlichen Hochschulen und Fachhochschulen und den jeweils dort tätigen Hochschullehrern deutlich akzentuiert, aber auch konzediert wird, dass wissenschaftliche Forschungsarbeit im Einzelfall an Fachhochschulen durchaus möglich ist. Hartmut Krüger, Grundtypen der Hochschule, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts, hrsg. von Christian Flämig u. a., Bd. I, 2. Aufl., 1996, S. 207 (220 f.), steht einem Grundrechtsschutz von Fachhochschulen eher ablehnend gegenüber; a. A. Gerhard Haag, Die Fachhochschule, 1979, S. 172 ff. wegen gleicher Strukturprinzipien von Universitäten und Fachhochschulen, Denninger (Fn. 139), Art. 5 III Rn. 30, wegen der „Gestaltungsfreiheit“ und des „Kritikspielraums“ im Rahmen der Lehrtätigkeit von Fachhochschulprofessoren, die sich daher generell auf Art. 5 III GG berufen könnten; ähnlich ohne nähere Begründung Oppermann (Fn. 139), Rn. 38.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Hochschulen, die selbst nicht dem institutionellen Schutz des Art. 5 III GG unterfallen, sondern nur einfachgesetzlich konstituiert sind. Übertragen auf das institutionelle Verhältnis zwischen der durch die Institutsgarantie des Art. 6 I GG geschützten Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften bedeutet dies, dass die aus Art. 5 III GG abgeleiteten institutionellen Garantien der wissenschaftlichen Hochschule und ihrer Selbstverwaltung die allgemeine verfassungsdogmatische Reichweite von Einrichtungsgarantien aufzeigen: Sie entfalten ihre existenzsichernde Schutzwirkung nur für die gesamte Institution (wissenschaftliche Hochschule) oder innerhalb dieser Institution (universitäre Autonomie), aber nicht im Verhältnis zu merkmalsähnlichen Einrichtungen, die durch die Verfassung nicht institutionell garantiert sind. Das spricht dafür, eine Verletzung der Institutsgarantie der Ehe durch die Konstituierung anderer einfachgesetzlicher Rechtsinstitute für andere Lebensgemeinschaften in systematisch-vergleichender Hinsicht abzulehnen. (dd) Institutionelle Garantie des Religionsunterrichts, Art. 7 III GG Die Feststellung des Art. 7 III 1 GG, dass in den öffentlichen Schulen – mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen – der Religionsunterricht ein ordentliches Lehrfach ist, beinhaltet eine institutionelle Garantie des Religionsunterrichts.147 Weil diese Garantie aber nicht die Einführung eines Ersatzunterrichts verhindern könne, schütze in ähnlicher Weise die Institutsgarantie der Ehe nicht vor der Konstituierung von mit der Ehe in bestimmten Merkmalen vergleichbaren Rechtsinstituten.148 Der zwischen diesen Einrichtungsgarantien149 gezogene Vergleich muss jedoch, um nicht missverstanden zu werden, in die grundrechtsdogmatische 147 Peter Badura, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 7 Rn. 69; Gerhard Robbers, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 7 Rn. 119; Martin Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 7 Rn. 28; Arnulf Schmitt-Kammler, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 7 Rn. 43; Alexander Hollerbach, § 140: Freiheit kirchlichen Wirkens, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 34; Ulfried Hemmrich, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 7 Rn. 23; Peter Glotz/Klaus Faber, § 28: Grundgesetz und Bildungswesen, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 19; Stern (Fn. 66), § 68 IV 3 b, S. 799 f.; a. A. Mager (Fn. 96), S. 472, die die Garantie des Religionsunterrichts nur für eine staatsgerichtete Kompetenzgarantie hält. 148 Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (229). 149 Bei der Garantie des Religionsunterrichts in Art. 7 III GG handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Schutzgut, also um eine institutionelle Garantie, während die Verfassungsgarantie der Ehe eine privatrechtsbezogene Institutsgarantie ist. Die-

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Systematik des Art. 7 III GG eingebunden werden: Soweit unter „Ersatzunterricht“ die Einführung eines Lehrfaches verstanden wird, das den Religionsunterricht für alle Schüler vollständig ersetzt und selbst ordentliches Lehrfach würde, wäre dies mit Art. 7 III GG grundsätzlich nicht zu vereinbaren, weil dadurch der verfassungsmäßig garantierte Bestand des Religionsunterrichts aufgehoben würde.150 Auch die Auffassung, Religionsunterricht sei als ein Lehrfach anzusehen, das unter Verzicht auf Glaubenserziehung neben anderen Inhalten religionskundliches Wissen lehre, ist angesichts der institutionellen Garantie des Religionsunterrichts nicht haltbar. Das charakteristische Merkmal des Religionsunterrichts ist gerade die bekenntnishafte Vermittlung von Glaubensüberzeugungen mit einem verbindlichen Wahrheitsanspruch.151 Ansonsten wäre eine durch Art. 7 II GG ermöglichte Abmeldung vom Religionsunterricht unverständlich, wenn sich der Religionsunterricht auf die Vermittlung „neutraler“ ethisch-religionswissenschaftlicher Kenntnisse aus säkularer Perspektive beschränken könnte. Ein Ersatzunterricht im Sinne eines generellen Ersatzes des Religionsunterrichts durch ein anderes Fach verstößt gegen die Institutsgarantie. Sie vermittelt somit einen Konkurrenzschutz im Sinne einer Sicherung des Faches vor seiner Abschaffung oder Ersetzung durch andere Unterrichtsfächer. Eine andere grundrechtsdogmatische Beurteilung muss allerdings dann vorgenommen werden, wenn eine Abmeldung i. S. d. Art. 7 II GG vom Religionsunterricht erfolgt ist. In dieser Konstellation bleibt der Religionsunterricht für alle anderen Schüler ordentliches Lehrfach und damit auch seine institutionelle Garantie unangetastet. Diese Verfassungsgarantie findet ihre Grenze aber in der durch Art. 4 I GG geschützten negativen Glaubensfreiheit, auf der die Grundrechtsausübung in Art. 7 II GG beruht. Nur in diesem Fall ist ein verpflichtender Ersatzunterricht keine Verletzung der Verfassungsgarantie, weil der institutionelle Raum für den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach durch ihn nicht angetastet wird152 und für ser Unterschied ist allerdings in Bezug auf die Problematik einer konkurrenzschützenden Funktion dieser Rechtskonstruktion ohne entscheidende Bedeutung. 150 Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 137. Auf die kontrovers diskutierte Frage der territorialen Reichweite des Art. 7 II GG im Lichte des Art. 141 GG soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. etwa Arnd Uhle, Die Verfassungsgarantie des Religionsunterrichts und ihre territoriale Reichweite, in: DÖV 1997, S. 409 ff. m. w. N. 151 Badura (Fn. 147), Art. 7 Rn. 70 f.; Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 155; Hollerbach (Fn. 147), Rn. 37; Hemmrich (Fn. 147), Art. 7 Rn. 24; Uhle (Fn. 150), S. 409 (412). 152 Das Gleiche gilt auch für die Einführung eines weiteren Unterrichtsfaches wie Ethik o.ä. für alle Schüler neben dem weiterhin stattfindenden Religionsunterricht, vgl. Badura (Fn. 147), Art. 7 Rn. 79; Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 138 f.; SchmittKammler (Fn. 147), Art. 7 Rn. 54. Der Religionsunterricht bliebe in diesem Fall in

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

alle anderen Schüler weiterhin verpflichtend ist, soweit sie selbst bzw. ihre Erziehungsberechtigten nicht auch von ihrer Abmeldebefugnis Gebrauch machen.153 Dass im konkreten Fall der Religionsunterricht für den einzelnen Schüler kein Lehrfach mehr ist, ist mithin nur Konsequenz der Verschränkung von Art. 7 II und III GG, also das Ergebnis grundrechtlich konkretisierter Freiheit. Die Vergleichbarkeit mit Art. 6 I GG hinsichtlich der funktionalen Bedeutung der Institutsgarantie als möglichem Konkurrenzschutz ist hier in der Tat gegeben: Nur für diejenigen Personen, die nicht die Ehe eingehen wollen, kommen andere familienrechtliche Rechtsinstitute in Frage, die keinen institutionellen Verfassungsschutz genießen. Insoweit korrespondiert die Reichweite der Verfassungsgarantie eines Rechtsinstituts mit der inhaltlichen Reichweite seiner Strukturmerkmale. Ihre unmittelbare Grenze ist in diesem Fall die Grundrechtsausübung des Art. 2 I GG, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft und nicht in einer Ehe leben zu wollen. Wenn schon der Religionsunterricht als grundsätzlich ordentliches und zur Teilnahme verpflichtendes Lehrfach, dessen Verpflichtungscharakter für den Einzelnen nur durch die Abwahl als Grundrechtsausübung des Art. 7 II GG entfällt, keinen absoluten Konkurrenzschutz zu anderen, in bestimmten Merkmalen ähnlichen Unterrichtsfächern vermittelt, muss dies erst recht für ein Rechtsinstitut wie die Ehe gelten, das vom Einzelnen überhaupt erst durch positive Grundrechtsausübung gewählt werden muss. (ee) Institutionelle Garantie der Privatschule, Art. 7 IV GG Das Recht, Privatschulen zu errichten und zu betreiben, ist ein klassisches subjektives Abwehrrecht. Daneben enthält Art. 7 IV 1 GG – insoweit wiederum ähnlich dem Art. 6 I GG – auch eine Einrichtungsgarantie: die der Privatschule.154 Ein Verstoß gegen die Verfassungsgarantie liegt aber nicht vor, wenn neben einer bestehenden Privatschule eine öffentliche gleichem Ausmaß bestehen wie vor der Einführung eines solchen Faches, so dass eine Verletzung der Institutsgarantie hier nicht vorläge. 153 Ob in der Einführung eines verpflichtenden Ersatzfaches für diejenigen Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, dagegen ein Verstoß gegen Art. 7 II GG oder die Neutralitätspflicht des Staates zu sehen ist, ist in der Literatur umstritten, vgl. Schmitt-Kammler (Fn. 147), Art. 7 Rn. 54 m. w. N. 154 BVerfGE 6, 309 (355); 75, 40 (61); 90, 107 (114); 112, 74 (83); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 35 Rn. 9; Badura (Fn. 147), Art. 7 Rn. 34; Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 7 Rn. 18; Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 174; Rolf Gröschner, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 7 Rn. 22, 98; Hofmann (Fn. 147), Art. 7 Rn. 40; Mager (Fn. 96), S. 292, 470; Schmitt-Kammler (Fn. 147), Art. 7 Rn. 61; Hemmrich (Fn. 147), Art. 7 Rn. 35; Stern (Fn. 66), § 68 IV 3 c, S. 801 f.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Schule errichtet wird, selbst wenn dies zu einer möglichen wirtschaftlichen Existenzgefährdung dieser Privatschule führt.155 Vereinzelt ist dieser Umstand als Indiz dafür angeführt worden, dass die Einrichtungsgarantie hier einen Konkurrenzschutz vor anderen vergleichbaren Rechtsinstitutionen – den öffentlichen Schulen – nicht vermittle. Vergleichbar bewirke die Institutsgarantie der Ehe ebenfalls keinen Schutz vor der Konstituierung der Lebenspartnerschaft.156 Dafür könnte in der Tat der Umstand sprechen, dass bei Art. 7 IV GG eine institutionelle Konkurrenz sogar um den Preis der Existenzbedrohung eines verfassungsrechtlich garantierten Rechtsinstituts für zulässig gehalten wird. Wenn die institutionelle Garantie also selbst vor einer Existenzgefährdung durch andere Rechtsinstitute nicht zu schützen vermag, müsste nach dieser Prämisse zumindest eine grundsätzliche Konkurrenz zwischen Rechtsinstituten auch ohne Bestandsgefährdung verfassungsrechtlich möglich sein (arg. a maiore ad minus). Diese Argumentation verkennt aber im Hinblick auf die konkurrierenden Rechtsträger und ihren verfassungsrechtlichen Status die Vergleichbarkeit der Verfassungsgewährleistungen von Ehe und Privatschule: Zunächst erfasst man die für verfassungsrechtlich unbedenklich gehaltene Konkurrenzsituation zwischen privater und öffentlicher Schule auch in unmittelbarer räumlicher Nähe unzureichend, wenn man daraus ableitet, dass bei einer durch die Konkurrenz entstehenden Bestandsgefährdung einer Privatschule automatisch das abstrakte Rechtsinstitut der Privatschule gefährdet wird. Der Entscheidungsgegenstand des Bundesverfassungsgerichts157 bezog sich auf den Bestand einer konkreten Privatschule. Deren Gefährdung lässt aber nach wie vor Raum für die Existenz anderer Privatschulen. Die Einrichtungsgarantie des Art. 7 IV GG vermittelt nur einen allgemeinen Spielraum zur Errichtung und zum Betrieb von Privatschulen, nicht jedoch eine Existenzgarantie für jede einzelne Privatschule. Die Garantie der Privatschule ist gewahrt, wenn nicht Privatschulen schlechthin und systematisch in ihrem Bestand gefährdet werden.158 Dagegen sind die Konstellationen im Verhältnis von Ehe und institutionalisierter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft einerseits und beim verfassungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstand der Existenzbedrohung der Privatschule andererseits hinsichtlich der konkreten Gefährdung des individualisierten Schutzgegenstands gänzlich verschieden: Diejenigen, die in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Gefährdung des Rechtsinstituts der Ehe sehen, machen 155 BVerfGE 37, 314 (319); Pieroth (Fn. 154), Art. 7 Rn. 29; Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 183; Gröschner (Fn. 154), Art. 7 Rn. 100; Schmitt-Kammler (Fn. 147), Art. 7 Rn. 62; Hemmrich (Fn. 147), Art. 7 Rn. 45. 156 So Sickert (Fn. 44), S. 161; Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (229). 157 BVerfGE 37, 314 ff. 158 BVerfGE 112, 74 (84); Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 182 f.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

nicht geltend, dass damit eine einzelne Ehe gefährdet wird, sondern sehen eine Gefährdung der Ehe als abstraktes Rechtsinstitut. Die Fallkonstellation ist deshalb perspektivisch genau umgekehrt zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Argumentation, die Privatschulgarantie vermittele eine Garantie jeder einzelnen Privatschule. Zu Art. 6 I GG bestehen darüber hinaus verfassungsdogmatisch deutliche Unterschiede: In Art. 6 I GG wird neben der Familie nur die Ehe verfassungsrechtlich geschützt. Deren Konkurrenzverhältnis besteht deshalb nur zu anderen einfachgesetzlich konstituierten Rechtsinstituten. Die Ehe als Rechtsinstitut des Verfassungsrechts steht deshalb in der Normenhierarchie über den nur einfachgesetzlich normierten familienrechtlichen Instituten. Außerdem konkurrieren dort ausschließlich Rechtsinstitute des Privatrechts, während es hier um das Verhältnis zwischen der Privatschule und staatlich betriebenen öffentlichen Schulen geht. Die Einrichtungsgarantie der Privatschule bewirkt deshalb keine Einschränkung der staatlichen Organisationsgewalt im Schulwesen.159 Dies wird besonders deutlich durch den in Art. 7 IV 2 GG statuierten staatlichen Genehmigungsvorbehalt für Privatschulen, die öffentliche Schulen ersetzen sollen, und durch die staatliche Schulaufsicht über Privatschulen gemäß Art. 7 I GG. Die staatliche Schulaufsicht wird wegen ihres den Staat verpflichtenden und nicht nur ermächtigenden Charakters auch als institutionelle Garantie bezeichnet,160 teilweise wird deswegen auch die öffentliche Schule als institutionell garantiert angesehen.161 Der typologische Regelfall ist jedenfalls nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die öffentliche Schule und – trotz Einrichtungsgarantie – nicht die Privatschule, die den Ausnahmevorbehalt konkretisiert.162 Die an der öffentlichen Schule gewährte Schulbildung ist mithin der Maßstab zur Erteilung von Genehmigungen nach Art. 7 IV 2 GG. Die institutionelle Garantie des Art. 7 IV GG enthält deshalb keine Bevorzugungspflicht von Privatschulen gegenüber öffentlichen Schulen.163 Der verfassungsrechtliche Status der mit der Privatschule konkurrierenden öffentlichen Schule ist danach insgesamt deutlich stärker als derjenige der Rechtsinstitute, die potentiell mit der Ehe „konkurrieren“.164 Dieses spezifische grundgesetzliche Verhältnis zwischen staatlich ausgeübter Hoheitsbefugnis und der 159

BVerfGE 27, 195 (200 f.); 37, 314 (319); Robbers (Fn. 147), Art. 7 Rn. 182. Mager (Fn. 96), S. 289; Stern (Fn. 66), § 68 IV 3 a, S. 798 f. 161 Gröschner (Fn. 154), Art. 7 Rn. 22; Ingo Richter, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 7 Rn. 70. 162 BVerfGE 27, 195 (207); Gröschner (Fn. 154), Art. 7 Rn. 100; Schmitt-Kammler (Fn. 147), Art. 7 Rn. 61; Oppermann, § 135: Schule und berufliche Ausbildung, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 12. 163 Schmitt-Kammler (Fn. 147), Art. 7 Rn. 61. 160

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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durch die institutionelle Garantie geschützten Privatschule ist im Grundgesetz einzigartig und deshalb nicht schematisch auf das Verhältnis zwischen der verfassungsrechtlich garantierten Ehe und anderen einfachgesetzlichen Privatrechtsinstituten übertragbar. Insgesamt ist daher die Vergleichbarkeit des institutionellen Bezuges der durch die Verfassungsgarantie abgesicherten Rechtsinstitute zu anderen Einrichtungen zwischen Art. 7 IV GG und Art. 6 I GG nicht gegeben. (ff) Einrichtungsgarantie der Tarifautonomie als Konkretisierung der Koalitionsfreiheit, Art. 9 III GG Art. 9 III GG verbürgt als subjektives Abwehrrecht die Koalitionsfreiheit gegen staatliche Eingriffe. Darunter wird sowohl das Recht verstanden, sich als Individuum einer Koalition anzuschließen (individuelle Koalitionsfreiheit), aber auch sich als Koalition i. S. d. Art. 9 III GG für die dort genannten Ziele zu betätigen (kollektive Koalitionsfreiheit).165 Ob darüber hinaus die Tarifautonomie, also der Freiheitsbereich des Tarifvertragssystems, als Konkretisierung koalitionärer Betätigung durch eine Einrichtungsgarantie verfassungsrechtlich geschützt wird, ist umstritten.166 Zwei Argumentationsfiguren werden dafür angeführt: Zum einen bewirke der Abschluss des Tarifvertrages eine rechtliche Bindung nicht nur der ihn abschließenden Koalitionen, sondern nach §§ 3 I 164

Letztere besitzen nämlich gar keinen spezifisch institutionellen Verfassungsstatus, sondern nur eine Absicherung über Art. 2 I GG. 165 BVerfGE 19, 303 (312); 28, 295 (304); 50, 290 (367); 84, 212 (224); 93, 352 (357); Johannes Dietlein, in: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 112 IV 3 a, S. 2016; Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 9 Rn. 36 ff.; Winfried Kluth, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9 III Rn. 9; Hartmut Bauer, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 9 Rn. 81 f.; Michael Kittner/Dagmar Schiek, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 9 Rn. 84; Wolfgang Löwer, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 9 Rn. 57; Helge Sodan (Fn. 87), DÖV 2000, S. 361 (365); ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Tarifautonomie, in: JZ 1998, S. 421 (422); Rupert Scholz, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 9 Rn. 169 f. 166 Für die Annahme einer Einrichtungsgarantie Kluth (Fn. 165), Art. 9 III Rn. 8, 83; Christoph Kannengießer, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Vorb. v. Art. 1 Rn. 2a. Dagegen betont Sodan (Fn. 165), JZ 1998, S. 421 (422), den Bezug der Tarifautonomie zum Abwehrrecht und erwähnt keine Einrichtungsgarantie. Letzteres gilt auch für Markus Heintzen, Die einzelgrundrechtlichen Konkretisierungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: DVBl. 2004, S. 721 (725 f.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

i. V. m. 4 I TVG auch aller ihrer Mitglieder. Damit entfalte der Tarifvertrag eine normative Bindungswirkung, zu der nur eine Institutsgarantie ermächtigen könne.167 Zum anderen ermögliche ein gesetzlich ausgestaltetes Tarifvertragssystem die Wahrnehmung der grundrechtlichen Koalitionsfreiheit überhaupt erst. Die Notwendigkeit, das Tarifvertragssystem bereit zu stellen und normativ auszufüllen, sei deshalb mit den anderen klassischen Institutsgarantien wie etwa der Ehe durchaus vergleichbar und spreche dafür, hier ebenfalls eine Institutsgarantie anzunehmen.168 In der übrigen Literatur besteht schon Streit darüber, ob in diesem Fall eine institutionelle Garantie oder eine Institutsgarantie angenommen werden kann. Eine institutionelle Garantie wird vorwiegend abgelehnt, weil die der Tarifautonomie zugrunde liegende Koalition nicht öffentlich-rechtlicher, sondern vereins-, mithin privatrechtlicher Natur sei.169 Aber auch das Vorliegen einer Institutsgarantie wird bei Art. 9 III GG überwiegend verneint: Dabei wird der Grundgedanke der konditionalen Beziehung des Rechtsinstituts zum Freiheitsrecht argumentativ weitergeführt. Die Koalitionstätigkeit ist danach – anders als bei Ehe oder Familie – nicht erst institutionelle Bedingung der Grundrechtsausübung, sondern nur abgeleitete Konkretisierung der subjektiven Grundrechtsbetätigung selbst. Mit anderen Worten: Die Betätigung als Koalition wird schon durch den Schutzbereich des subjektiven Abwehrrechts gewährleistet. Die Tarifautonomie ist in diesem Fall eine zwar in der sozialstaatlichen Praxis bedeutsame, aber grundrechtsdogmatisch nur funktionale Konkretisierung des Abwehrrechts, und kein eigenständiger und von diesem subjektiven Recht in seiner grundrechtlichen Wirkung getrennter institutionalisierter Bereich mit einem von der Verfassung vorgegebenen Normenkomplex.170 Das Substrat dieses Abwehrrechts wird wirksam durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG geschützt und bedarf keines spezifisch ausgeprägten Institutionen167

Michael Kemper, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 9 Rn. 138 f.; ders., Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), 1990, S. 67 ff. 168 M. Kemper (Fn. 167), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9 Rn. 138; ders. (Fn. 167), Bestimmung des Schutzbereichs, S. 81 ff.; ähnlich Kluth (Fn. 165), Art. 9 III Rn. 8, 83, und Mager (Fn. 96), S. 462, allerdings ohne direkten Bezug zur Ehe. 169 Löwer (Fn. 165), Art. 9 Rn. 57; ähnlich Kluth (Fn. 165), Art. 9 III Rn. 8; M. Kemper (Fn. 167), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9 Rn. 226; Mager (Fn. 96), S. 464 f. 170 Rupert Scholz, § 151: Koalitionsfreiheit, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 76 f.; ders. (Fn. 165), Art. 9 Rn. 173, 298 f., hinsichtlich der funktionalen Einordnung der Tarifautonomie als „Koalitionsmittel“ im Rahmen des Abwehrrechts; Stern (Fn. 66), § 68 V 7, S. 851 f., hinsichtlich des fehlenden Normkomplexes.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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schutzes in der Verfassung. Eine Institutsgarantie der Tarifautonomie liegt daher nicht vor.171 Dieses Ergebnis steht mit den durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommenen grundrechtsdogmatischen Entfaltungen des Art. 9 III GG in Übereinstimmung: Das Bundesverfassungsgericht verwendet – anders als bei Ehe, Familie, Eigentum und Erbrecht – dort den Begriff der Einrichtungs- oder Institutsgarantie nicht. Stattdessen zählt insbesondere die frühere Rechtsprechung die Tarifautonomie zum „verfassungsrechtlich geschützte(n) Kernbereich“ des Art. 9 III GG.172 Wenn der Zweck von Koalitionen, die Interessen von Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmern durch die Gestaltung von Löhnen und Arbeitsbedingungen wahrzunehmen, nicht gefährdet werden solle, dann müsse auch das Tarifvertragssystem verfassungsrechtlich geschützt sein.173 Zugleich werden aber die Ausgestaltungsspielräume, die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehen, betont.174 In jüngerer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht, um grundrechtsdogmatische Missverständnisse zu vermeiden, ausdrücklich konstatiert, dass die begriffliche Verwendung des Topos vom „Kernbereich“ nicht bedeute, dass nur der „Bereich des Unerlässlichen“ von Art. 9 III GG geschützt werde. Vielmehr sei die Grenze zur verfassungswidrigen Verletzung des Art. 9 III GG dort überschritten, wo einschränkende Regelungen nicht zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten seien.175 Damit werden deutliche Anklänge an ein Verständnis kenntlich, das den Kernbereich des Art. 9 III GG bei allem institutionellen Bezug systematisch eher als Eingriffsschranke des subjektiven Abwehrrechts und nicht als Institutsgarantie einordnet.176 171 Löwer (Fn. 165), Art. 9 Rn. 57. Nach Bauer (Fn. 165), Art. 9 Rn. 102, bringt die Annahme einer Einrichtungsgarantie wegen der Ausgestaltungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten durch den Gesetzgeber „kaum zusätzlichen Erkenntnisgewinn“. Terminologisch unentschieden Jarass (Fn. 165), Art. 9 Rn. 30, bei dem sich die Formulierung „objektive Entscheidung bzw. eine Institutsgarantie, insbesondere für den Kernbestand des Tarifvertragsystems“, findet. 172 BVerfGE 4, 96 (106); 38, 281 (305); 44, 322 (340 f.); 50, 290 (368); auch BVerfGE 18, 18 (26), ohne allerdings den Begriff des „Kernbereichs“ zu verwenden. 173 BVerfGE 4, 96 (106); 18, 18 (26); 38, 281 (306). In BVerfGE 4, 96 (108), spricht das Bundesverfassungsgericht sogar von der „Institution eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems“, in BVerfGE 38, 271 (305), von der „institutionellen und funktionellen Garantie“ der Koalitionen. Damit wird allerdings noch nicht ausgesagt, dass es sich bei der Tarifautonomie um eine Einrichtungsgarantie handelt. 174 BVerfGE 4, 96 (108 f.); 28, 295 (306); 44, 322 (341 f.); 50, 290 (368); 84, 212 (228); 93, 352 (359); auch Jarass (Fn. 165), Art. 9 Rn. 47; Scholz (Fn. 170), HStR VI, Rn. 77; ders. (Fn. 165), Art. 9 Rn. 300. 175 BVerfGE 28, 295 (306); 50, 290 (369); 93, 352 (359).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Einige Stimmen in der Literatur führen Art. 9 III GG nun als Beispiel dafür an, dass selbst bei unterstellter Institutsgarantie der Tarifautonomie weitere Modelle koalitionärer oder koalitionsähnlicher Tätigkeit möglich seien. Daran könne man erkennen, dass die Einrichtungsgarantie kein Hindernis für die Etablierung anderer Rechtsformen als die verfassungsmäßig garantierte sei.177 Dabei werden drei vom Bundesverfassungsgericht als mit Art. 9 III GG vereinbar beurteilte Fallkonstellationen herangezogen, deren Vergleichbarkeit mit dem Verhältnis der Ehe zu anderen institutionalisierten Lebensgemeinschaften nur z. T. überzeugt. Erstens wird auf die für verfassungsgemäß gehaltenen Heimarbeitsausschüsse hingewiesen.178 Dabei handelt es sich nach § 4 I, II Heimarbeitsgesetz um paritätisch besetzte Vertretungen von Gewerbetreibenden und in Heimarbeit Beschäftigten. Diese können – soweit die Voraussetzungen für den Abschluss eines Tarifvertrages nicht vorliegen – die Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß §§ 18 f. Heimarbeitsgesetz verbindlich festlegen. Das institutionelle Verhältnis zwischen diesen Heimarbeitsausschüssen und dem Tarifvertragssystem ist nicht mit dem Verhältnis zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften identisch, denen eine institutionelle Absicherung zur Verfügung gestellt wird: Die Heimarbeitsausschüsse können nur dort gebildet werden, wo ein Tarifvertrag wegen des Fehlens von Tarifparteien nicht abgeschlossen werden kann. In institutioneller Hinsicht ist die Tarifautonomie als Rechtsinstitut somit gar nicht einschlägig. Die Ehe steht dagegen grundsätzlich allen Personen offen und ist als Rechtsinstitut von deren Wahl abhängig. Die Problematik der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft als Rechtsinstitut stellt sich dadurch, dass diejenigen, die wegen der Strukturvorgaben der Ehe nicht heiraten wollen, dies von den gesetzlichen Voraussetzungen her aber könnten, trotzdem eine weitgehend ähnliche oder sogar identische Bindungswirkung wie bei der Ehe anstreben. Bei der Tarifautonomie und den Heimarbeitsausschüssen ist es genau umgekehrt: Hier können die im Bereich der Heimarbeit tätigen Gewerbetreibenden und Beschäftigten mangels Tarifparteien keinen Tarifvertrag abschließen, weil bei ihnen selbst die Voraussetzungen dazu nicht vorliegen. Sie haben also schon wegen ihrer Verfasstheit keine Möglichkeit, das Tarifvertragssystem zu wählen. Nur für diesen Fall sieht das Heimarbeitsgesetz eine institutionelle Absicherung vor. Der Hauptunterschied zwischen Ehe und Tarifautonomie liegt hier mit Blick auf die Zugangsberechtigung zum 176 Vgl. dazu Heintzen (Fn. 166), S. 721 (725 f.), der den unantastbaren Kernbereich der Tarifautonomie als Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ansieht und damit einen systematischen Konnex zum Abwehrrecht impliziert. Ähnlich Scholz (Fn. 170), Rn. 78, unter Verweis auf BVerfGE 84, 212 (228). 177 Sickert (Fn. 44), S. 161; Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (229). 178 BVerfGE 34, 307 (317).

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Rechtsinstitut also darin, dass der Geltungsbereich der Tarifautonomie sehr viel kleiner ist als der Kreis der zur Ehe Zugangsberechtigten. Hier können grundsätzlich alle unverheirateten Personen das Rechtsinstitut in Anspruch nehmen, dort nur solche, die als Tarifparteien qualifiziert sind. Eine Vergleichbarkeit ist wegen dieses unterschiedlich großen Zugangsbereichs aus systematischer Sicht deshalb kaum möglich. Auch die zweite angeführte Konstellation vermag als Vergleichsmaßstab zur Ehe nicht zu überzeugen. Dort ging es um die Verfassungsmäßigkeit der betrieblichen Mitbestimmung als weiterem Instrumentarium zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen neben der Tarifautonomie. Letztere habe keinen Ausschließlichkeitscharakter.179 Hier ist der institutionelle Vergleich mit der Ehe methodologisch problematisch, wenn man sich Sinn und Zweck der Koalitionsfreiheit und ihrer verfassungsrechtlichen Konkretisierung als Tarifvertragssystem sowie deren Verhältnis zur staatlichen Regelungsbefugnis vergegenwärtigt: Das Grundgesetz will den Tarifparteien mit der Erwähnung der Koalitionsfreiheit in Art. 9 III GG und seiner verfassungsrechtlichen Absicherung einen Freiheitsraum sichern, der dem direkten staatlichen Zugriff entzogen ist.180 Innerhalb dieses Freiheitsraumes sollen die Beteiligten über die konkreten Möglichkeiten, wie Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen im Einzelnen gefördert werden können, selbst bestimmen können.181 Die Tarifautonomie ist eine dieser Gestaltungsoptionen, sogar eine unverzichtbare, aber nicht die einzige. Sie ist eine Konkretisierung der mit bestimmten verfassungsrechtlichen Zielvorstellungen verbundenen Koalitionsfreiheit, aber sie ist nicht mit der Koalitionsfreiheit selbst identisch. Der verfassungsrechtlich abgesicherte Freiheitsraum umfasst noch weitere Optionen zur Erreichung der grundgesetzlichen Intention. Deshalb ist es wegen dieser teleologischen Einbindung des Art. 9 III GG durchaus nachvollziehbar, dass neben der Tarifautonomie gleichzeitig ein anderer Regelungskomplex in verfassungsgemäßer Weise bestehen kann, der diesen Freiheitsraum ebenfalls sichert. Diese Konstellation unterscheidet sich von derjenigen bei der Ehe: Die Ehe ist zwar auch Ausdruck gestalteter Freiheit. Anders als bei der Tarifautonomie ist die Alternative zu ihr aber nicht der staatliche Zugriff durch einfachgesetzliche Regelung, sondern die Beliebigkeit partnerschaftlichen Zusammenlebens mit den entsprechenden negativen gesellschaftlichen und demographischen Folgen. Entscheidend ist außerdem, dass Ehe und Familie schon den spezifischen grundgesetzlichen Freiheitsraum des Art. 6 I GG darstellen, sie mit ihm also identisch sind. Das ist bei der Tarifautonomie im Verhältnis zu Art. 9 III GG nicht 179

BVerfGE 50, 290 (371). BVerfGE 28, 295 (304); 34, 307 (316 f.); 38, 281 (303); 44, 322 (340); 50, 290 (371). 181 So ausdrücklich BVerfGE 50, 290 (371). 180

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der Fall. Die institutionellen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der abgesicherten Freiheitsbereiche sind mithin zwischen Artt. 6 I und 9 III GG nicht vergleichbar. Die dritte angeführte Entscheidung betraf die Verfassungsmäßigkeit der Konstituierung von sog. „Arbeitnehmerkammern“ als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer durch die Länder Bremen und Saarland. Diesen Kammern waren zwar bestimmte Aufgabenfelder zugewiesen worden, die von den Gewerkschaften betreut wurden. Entscheidend war jedoch, dass sie nicht in das Tarifvertragssystem eingebunden, zum Abschluss von Tarifverträgen – anders als die Gewerkschaften – also nicht befugt waren. Da diese Befugnis den Kernbereich des Art. 9 III GG ausmache, sei dieser nur dann verletzt, wenn die Gewerkschaften in dieser spezifischen Tätigkeit durch die Arbeitnehmerkammern gefährdet würden. Dies sei nicht der Fall.182 Diese Konstellation unterscheidet sich in institutsvergleichender Hinsicht von den beiden vorhergehend referierten dadurch, dass sich hier zwei Organisationskomplexe gegenüberstehen, von denen einer primär in einem verfassungsrechtlich abgesicherten Bereich mit institutionellem Bezug – der Tarifautonomie – tätig ist, der andere nicht. Es geht hier also nicht nur um die Entfaltung verschiedener Tätigkeitsoptionen innerhalb eines geschützten Freiheitsraumes – wie im Fall der Mitbestimmung – und auch nicht um die normative Anwendung tarifvertragsähnlicher Regelungen in einem Bereich, in dem per se die dort Tätigen keinen Zugang zum Tarifvertragssystem haben können – wie im Fall der Heimarbeit. Wenn das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen die Tarifautonomie deshalb verneint, weil sie durch die auf diesem Gebiet gar nicht tätigen Arbeitnehmerkammern nicht gefährdet wird, könnten diese Grundsätze bei Annahme einer Institutsgarantie der Tarifautonomie auch auf das institutionelle Verhältnis der Ehe zu anderen Lebensgemeinschaften übertragen werden. Nach dem bisherigen Untersuchungsgang gehört die Verschiedengeschlechtlichkeit deshalb zum Strukturkern der Ehe und wird durch die Institutsgarantie verfassungsrechtlich vor einfachgesetzlichen Regelungen geschützt, weil sie typologisch auch eine Fortpflanzungsgemeinschaft ist. Wenn diese potentielle Familie durch ein anderes institutionelles Konstitut auf einfachgesetzlicher Ebene nicht gefährdet werden kann, weil dieses einfachgesetzliche Rechtsinstitut einen davon wesentlich verschiedenen funktionalen Strukturkern aufweist, dann kann die Institutsgarantie der Ehe nicht verletzt sein. Die Institutsgarantie kann nicht mehr schützen als das Rechtsinstitut selbst. Eine Übertragung der Prinzipien, nach denen die Reichweite dieses institutsbezogenen Kerns der Tarifautonomie bestimmt wurde, auf 182

BVerfGE 38, 281 (305 ff.).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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das Verhältnis zwischen der Institutsgarantie der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften ist also unter der Prämisse möglich, dass es sich bei der Tarifautonomie um eine Einrichtungsgarantie handelt. Insgesamt ist ein Vergleich der Artt. 9 III und 6 I GG daher in institutioneller Hinsicht nur dann sinnvoll, wenn man die Tarifautonomie von einer Verfassungsgarantie geschützt sieht. In diesem Fall wäre der verfassungsrechtliche Maßstab des ausschließlich strukturbezogenen Schutzes dieser Garantie der Tarifautonomie ohne einen absoluten oder relativen Konkurrenzschutz auf die Ehe übertragbar. (gg) Institutsgarantien des Eigentums- und Erbrechts, Art. 14 I 1 GG Die verfassungsrechtliche Garantie von Eigentum und Erbrecht könnte man auf den ersten Blick als Beleg für die Auffassung heranziehen, dass die Institutsgarantie die inhaltliche Reichweite der durch sie geschützten Rechtsgüter mitbestimmt. Bei einer Analogie zu Art. 6 I GG müssten dann auch die institutionellen Merkmale der Ehe und deren Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten von der Institutsgarantie zumindest mitbeeinflusst werden. Dieses Argument ist bei genauerer Untersuchung des Art. 14 I GG jedoch nicht überzeugend: Herkömmlicherweise wird bei der Gewährleistung des Eigentumsrechts zwischen dem Schutz normativ begründeter Rechte vor staatlichen Eingriffen und dem Schutz vor einer verfassungswidrigen staatlichen Ausgestaltung des Eigentumssubstrats differenziert. Ersterer ist der funktionale Kern der Individualgarantie, letzterer der der Institutsgarantie des Eigentums.183 183 BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (389); 26, 215 (222); 50, 290 (339); 58, 300 (339); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 42 Rn. 3 f.; Dietlein (Fn. 165), § 113 I 3 a, b, S. 2137 ff.; Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 14 Rn. 4, 34; Otto Depenheuer, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 14 Rn. 16 ff., 91 f.; Joachim Wieland, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 14 Rn. 125; Mager (Fn. 96), S. 458 f.; Rudolf Wendt, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 14 Rn. 9 f.; Hans-Jürgen Papier, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 1, 11 ff.; Walter Leisner, § 149: Eigentum, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 12; ders., Eigentum, 1996, S. 87 ff.; Peter Badura, § 10: Eigentum, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 32; Dirk Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, in: VVDStRL 51 (1992), S. 211 (216); Stern (Fn. 66), § 68 IV 9, S. 829; kritisch Brun-Otto Bryde, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 14 Rn. 32, Ansgar Grochtmann, Art. 14 GG – Rechtsfragen der Eigentumsdogmatik, 2000, S. 102 f., wegen der behaupteten grundrechtsdogmatischen Entbehrlichkeit der Institutsgarantie angesichts des Art. 19 II GG im Gegensatz zur WRV; Hans-Jürgen Papier, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Art. 14 Rn. 39; Otto Depenheuer, Zwischen Verfassung und Gesetz, in: Freiheit und Eigentum. Fest-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Die Institutsgarantie bietet danach dem Privateigentum insofern wirksamen verfassungsrechtlichen Schutz, als Sachbereiche, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung i. S. d. Art. 14 I 1 GG gehören, nicht der Privatrechtsordnung entzogen werden dürfen.184 Die Verfassungsgarantie des Eigentums schützt wie jede Einrichtungsgarantie dadurch dieses Rechtsinstitut vor seiner vollständigen Beseitigung, aber auch vor der normativen Veränderung seiner wesentlichen Grundstrukturen.185 Indem die Institutsgarantie die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Ausgestaltungsbefugnis aufzeigt, thematisiert sie zugleich das institutionelle Verhältnis zwischen dem Bereich der eigentumsbezogenen privatautonomen Freiheitsgestaltung und dem staatlichen Zugriff auf diesen Bereich durch die Möglichkeit normativer Ausgestaltung. Die institutionelle Außenabgrenzung des Eigentums Privater vom staatlichen Bereich durch die Institutsgarantie ist also Bestandteil der Definitionszuschreibung, welche Strukturmerkmale dieses Rechtsinstitut aufweisen soll. Diese Strukturmerkmale stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem staatlichen Zugriffsrecht: Ein Verzicht auf bestimmte Merkmale hätte zur Folge, dass auf die nunmehr aus dem Freiheitsbereich der Verfassungsgarantie ausgesonderte Vermögenspositionen unmittelbar der Staat Zugang hätte und sich diese einverleiben könnte. Eine Herausnahme von vermögenswerten Gegenständen aus der Privatrechtsordnung kann zwar im Einzelfall bei deren besonderer Widmung für einen öffentlichen Zweck – etwa die Sicherung überragender Gemeinwohlbelange oder die Gefahrenabwehr – keinen Verstoß gegen die Institutsgarantie des Eigentums darstellen, wenn diese Zweckbindung den Ausschluss der privaten Verfügungsbefugnis erfordert.186 Daraus kann man dann aber schließen, dass ohne diese Eigentumsgarantie die Freiheitssphäre des Einzelnen erst recht als Regelfall und nicht mehr als besondere Ausnahschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee und Helmut Lecheler, 1999, S. 277 (283 ff.), wegen des unklaren Verhältnisses einfachgesetzlicher Ausgestaltung des Rechtsinstituts zum Gesetzesvorrang der Verfassung; ähnlich skeptisch Jan-Reinard Sieckmann, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rn. 85; Helmut Rittstieg, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 14/15 Rn. 50 f. 184 BVerfGE 24, 367 (389); 58, 300 (339); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 42 Rn. 4; Dietlein (Fn. 165), § 113 I 3 b, S. 2138 f.; Jarass (Fn. 183), Art. 14 Rn. 4; Depenheuer (Fn. 183), Art. 14 Rn. 17, 91 f.; Wieland (Fn. 183), Art. 14 Rn. 176; Wendt (Fn. 183), Art. 14 Rn. 10; Papier (Fn. 183), Art. 14 Rn. 13, 11 ff.; W. Leisner (Fn. 183), Eigentum, S. 27; Badura (Fn. 183), Rn. 33. 185 Badura (Fn. 183), Rn. 33, erwähnt ausdrücklich die vergleichbare Schutzwirkung bei Art. 6 I GG. 186 BVerfGE 24, 367 (388 ff.); 58, 300 (339); vgl. auch BVerfGE 61, 82 (108 f.): „Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater.“

A. Maßstab des Art. 6 I GG

269

mesituation durch den staatlich-öffentlichen Raum im vermögensrelevanten Bereich absorbiert würde. Dem Eigentum kommt daher eine exklusive institutionelle Bedeutung zu, weil neben ihm – und dem in Art. 14 I GG genannten Erbrecht – verfassungsrechtlich kein weiteres Rechtsinstitut in der staatsfreien Sphäre mit Vermögensbezug denkbar ist, das diesen Freiheitsbereich erst konstituiert. In dieser Hinsicht besteht deshalb eine begrenzte grundrechtssystematische Parallelität zum Verhältnis der staatlichen zur privaten Schule: Zwar sind die Schwierigkeiten bei der institutionellen Bestimmung der privaten Schule im Vergleich zum grundrechtlichen Eigentumsrecht deutlich geringer. Ohne eine Privatschulgarantie im Grundgesetz wäre jedoch – ähnlich wie beim Eigentum – ein Zugriff des Staates auf den Bereich des Schulwesens in Form eines staatlichen Schulmonopols verfassungsrechtlich möglich, allenfalls wäre die Gründung von Privatschulen auf einfachgesetzlicher Ebene denkbar. Beim fehlenden Verfassungsschutz von Strukturelementen des Privateigentums wäre die Zuordnung dieser Elemente zum staatlichen Bereich ebenfalls die mittelbare Folge der gesetzlichen Strukturierung des Eigentums durch den Staat. Ähnliches gilt für das in Art. 14 I 1 GG als Institutsgarantie gewährleistete187 private Erbrecht. Der Staat bekäme im Erbfall ohne den verfassungsrechtlichen Schutz des Privaterbrechts eine Zugriffsmöglichkeit auf die Erbmasse. Insofern besteht in der Perpetuierung des Eigentums des Erblassers zum Erben ein enger definitorischer Zusammenhang zwischen dem Eigentums- und dem Erbrecht:188 Würde die speziellere Institutsgarantie des Erbrechts fehlen, wären die Rechte des Erblassers, zu vererben, und die Rechte des Erben nach dem Erbfall durch die Garantie des Eigentumsrechts ebenso verfassungsrechtlich geschützt.189 187 BVerfGE 19, 202 (206); 91, 346 (358); Dietlein (Fn. 165), § 113 XI 3, S. 2323 f.; Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 42 Rn. 14; Depenheuer (Fn. 183), Art. 14 Rn. 514; Martin Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 14 Rn. 33; Wieland (Fn. 183), Art. 14 Rn. 65; Mager (Fn. 96), S. 459; Wendt (Fn. 183), Art. 14 Rn. 195; Papier (Fn. 183), Art. 14 Rn. 299; Walter Leisner, § 150: Erbrecht, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 8; ders. (Fn. 183), Eigentum, S. 168 f.; Bryde (Fn. 183), Art. 14 Rn. 46; Sieckmann (Fn. 183), Art. 14 Rn. 216; Badura (Fn. 183), Rn. 29; Stern (Fn. 66), § 68 IV 9, S. 829. 188 BVerfGE 91, 346 (358); Dietlein (Fn. 165), § 113 I 3, S. 2135 f.; Depenheuer (Fn. 183), Art. 14 Rn. 515; Hofmann (Fn. 187), Art. 14 Rn. 33; Wieland (Fn. 183), Art. 14 Rn. 65; Mager (Fn. 96), S. 459; Wendt (Fn. 183), Art. 14 Rn. 193; W. Leisner (Fn. 187), Rn. 1; ders. (Fn. 183), Eigentum, S. 165; Rittstieg (Fn. 183), Art. 14/15 Rn. 141; Badura (Fn. 183), Rn. 29; Stern (Fn. 66), § 68 IV 9, S. 829 f. 189 Bryde (Fn. 183), Art. 14 Rn. 45. Dagegen halten Dietlein (Fn. 165), § 113 I 3, S. 2136, und W. Leisner (Fn. 187), Rn. 2, eine Beschränkung des Eigentumsrechts auf die Lebenszeit bei hypothetischem Wegfall der Erbrechtsgarantie für möglich.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Im Gegensatz zu den in Art. 14 I 1 GG aufgeführten Rechtsinstituten ist die verfassungsrechtliche Situation der Ehe nicht von diesem korrelierenden Verhältnis privater Freiheitsgestaltung zum staatlichen Zugriffsrecht geprägt. Der institutionelle Regelungskreis der Ehe würde nicht zugunsten des staatlichen Machtbereichs verringert, wenn die singuläre Exklusivität kein eheliches Strukturmerkmal wäre. Dafür ist primär der elektive Charakter der Ehe verantwortlich, der dem Einzelnen mit der Ehe einen spezifischen Freiheitsraum mit einer engen personalen Bindung bereitstellt, ohne dass die Ehe von jedem Grundrechtsträger als Einrichtung gewählt werden muss. Das Eigentumsrecht ist dagegen so unmittelbar mit dem Freiheitsbereich des Einzelnen verbunden, dass man es als freiheitskonstituierendes Rechtsinstitut bezeichnen kann.190 Ohne das Recht auf Eigentum würde der Mensch in vermögensrechtlicher Hinsicht zum Objekt staatlichen Einflusses.191 Diese freiheitskonstitutive Bedeutung des Eigentums hat zur Folge, dass sich – anders als bei der Ehe – der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums vom einfachgesetzlichen des Privatrechts unterscheidet. Das durch Art. 14 I GG geschützte Eigentum ist weiter gefasst als der sachenrechtliche Eigentumsbegriff.192 Insofern sind die Institutsgarantien von Eigentums- und Erbrecht einerseits und der Ehe andererseits weder in ihrer institutionellen Verhältnisbestimmung zur staatlichen Zugriffsmöglichkeit noch zum einfachgesetzlichen Recht vergleichbar.193 Eine Übertragbarkeit strukturbildender Elemente scheidet daher aus. 190 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339); 78, 58 (73); 93, 121 (140 f.); 98, 17 (35); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 42 Rn. 2; Dietlein (Fn. 165), § 113 I 2, S. 2128 ff.; Depenheuer (Fn. 183), Art. 14 Rn. 11; ders. (Fn. 183), Zwischen Verfassung und Gesetz, S. 277 (278 f.); Wieland (Fn. 183), Art. 14 Rn. 25; W. Leisner (Fn. 183), § 149: Eigentum, Rn. 21; ders. (Fn. 183), Eigentum, S. 1 ff., 22 ff.; Ehlers (Fn. 183), S. 211 (216); Badura (Fn. 183), Rn. 34; zu weitgehend Rittstieg (Fn. 183), Art. 14/15 Rn. 51, der den verfassungsrechtlichen Schutz der Eigentumsformen von deren Optimierungspotentialität der „Freiheit für alle“ abhängig machen will. 191 Dietlein (Fn. 165), § 113 I 3 b, S. 2131 f.; Bryde (Fn. 183), Art. 14 Rn. 3; vgl. auch W. Leisner (Fn. 183), Eigentum, S. 13: „Eigentum als Mittel zur Entfaltung der Menschenwürde“. 192 BVerfGE 83, 201 (209); 89, 1 (6): Unter den Eigentumsbegriff fallen danach „grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“. Depenheuer (Fn. 183), Art. 14 Rn. 112 ff.; Wieland (Fn. 183), Art. 14 Rn. 39; Wendt (Fn. 183), Art. 14 Rn. 22 f.; Papier (Fn. 183), Art. 14 Rn. 55; Bryde (Fn. 183), Art. 14 Rn. 11: alle vermögenswerten Rechte jedenfalls des Privatrechts. Wegen der umstrittenen Zuordnung verschiedener vermögenswerter Positionen zu Art. 14 I GG geht Papier (Fn. 183), Art. 14 Rn. 39, sogar von mehreren Einrichtungsgarantien im Rahmen der Eigentumsgarantie aus; dagegen aber Rittstieg (Fn. 183), Art. 14/15 Rn. 50.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

271

(hh) Institutionelle Garantie der deutschen Staatsangehörigkeit, Art. 16 I GG Ohne Staatsangehörigkeit ist die Ausübung hoheitlicher Staatsgewalt nicht möglich, weil die Konstituierung eines abgrenzbaren Staatsvolkes als beständigem Träger der Volkssouveränität ohne sie nicht gelingen kann. Die in Art. 16 I GG erwähnte deutsche Staatsangehörigkeit ist deshalb durch eine institutionelle Garantie geschützt.194 Vereinzelt ist darüber hinaus angenommen worden, zu dieser Verfassungsgarantie gehöre auch die Bestandssicherung wesentlicher herkömmlicher materieller Strukturprinzipien des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts, insbesondere das Abstammungsprinzip (Ius sanguinis) sowie der Grundsatz der Einzelstaatlichkeit.195 Als Grund wird die sonst bestehende Gefahr einer institutionellen Absicherung ohne dazugehörendem materiellen Substrat und damit ein bloß formaler und letztlich ungenügender institutioneller Schutz der Staatsangehörigkeit angeführt. Das Ius sanguinis verhindere wegen seiner auf die Homogenität des Staatsvolkes abzielenden Wirkung besser als das Ius soli schon präventiv die Entstehung konfliktträchtiger Mehrstaatlichkeit.196 193 Dogmatisch ähnlich ist bei Art. 14 I und Art. 6 I GG stattdessen die funktionale Zuordnung der Institutsgarantien zum jeweiligen Abwehrrecht als institutionelle Sicherung und Stärkung des Freiheitsgebrauchs, vgl. BVerfGE 24, 367 (389); Depenheuer (Fn. 183), Art. 14 Rn. 91; Wendt (Fn. 183), Art. 14 Rn. 12; Papier (Fn. 183), Art. 14 Rn. 15; W. Leisner (Fn. 183), § 149: Eigentum, Rn. 15; ders. (Fn. 183), Eigentum, S. 89; Bryde (Fn. 183), Art. 14 Rn. 33; Stern (Fn. 66), § 68 IV 9, S. 829; Dietlein (Fn. 165), § 113 III 1 c, S. 2176 f. Daraus allein ergibt sich aber noch nicht eine institutionell exklusive Stellung der Institutsgarantie gegenüber der Konstituierung merkmalsverwandter einfachgesetzlicher Rechtsinstitute. 194 Michael Sachs, in: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 101 III 1 a, S. 708 ff.; Andreas Zimmermann/Christian Tams, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 16 Rn. 54; Jörn Axel Kämmerer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer u. a., Art. 16 Rn. 29; Johannes Masing, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 16 Rn. 77; Friedrich E. Schnapp, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 16 Rn. 6; Stern (Fn. 66), § 68 IV 5, S. 814; zweifelnd Ulrich Becker, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 16 Rn. 17. 195 Rupert Scholz/Arnd Uhle, Staatsangehörigkeit und Grundgesetz, in: NJW 1999, S. 1510 (1511 f.); Burkhardt Ziemske, Die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Grundgesetz, 1995, S. 289 ff.; zurückhaltender Albert Bleckmann, Anwartschaft auf die deutsche Staatsangehörigkeit?, in: NJW 1990, S. 1397 (1399), nach dem der Gesetzgeber „das ius-soli-Prinzip nur einführen darf, wenn er weitere Garantien für die Integration in den deutschen Kulturverband vorsieht.“ Insgesamt zweifelnd, ob ein Übergang zu diesem Prinzip verfassungsrechtlich zulässig ist, BVerfGE 37, 217 (249). 196 Ziemske (Fn. 195), S. 291 f.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Zwar ist es durchaus zutreffend, dass seit Bestehen eines deutschen Nationalstaates das Abstammungsprinzip und das grundsätzliche Verbot der mehrfachen Staatsangehörigkeit zu den Grundprinzipien des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts gehören. Allerdings sind gesetzlich normierte Durchbrechungen des Grundsatzes der Einstaatlichkeit in einer Reihe von Fällen in Rechtsprechung und Literatur unbeanstandet geblieben.197 Außerdem hat es auch in neuerer Zeit, insbesondere im Zusammenhang mit der seit Jahrzehnten stattfindenden Zuwanderung und der damit einhergehenden Geburt von Kindern nichtdeutscher Staatsangehöriger in Deutschland, durchaus weitere normative Modifikationen dieser Prinzipien gegeben, etwa §§ 4 III, 29 StAG. Auch die Möglichkeit der Einbürgerung von Ausländern nach §§ 8, 9 und 14 StAG spricht schließlich dafür, bei einer solchen Breite der gesetzlichen Regelungsmöglichkeiten nicht von einem über den Wortlaut des Art. 16 I GG hinausgehenden institutionell garantierten Regelungskern von Staatsangehörigkeitsprinzipien auszugehen. Im Gegenteil ist der Wirkungsschutz einer institutionellen Garantie umso eher gefährdet, je weniger normativ verfestigt sich die durch sie garantierten Rechtsstrukturen darstellen. Deshalb kann bei diesen Prinzipien – anders als bei der Staatsangehörigkeit selbst – nicht von historisch vorgefundenen oder seit längster Zeit bestehenden Rechtsstrukturen, die mit den anderen behandelten Einrichtungen vergleichbar wären, gesprochen werden. Insoweit sind diese Prinzipien des Staatsangehörigkeitsrechts nicht generell von der Verfassungsgarantie umfasst und unterliegen einem weitgehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.198 Es wird nun von Pieroth/Kingreen vertreten, dass selbst wenn man das Abstammungsprinzip und das Verbot der Mehrstaatlichkeit für von der institutionellen Garantie umfasste Prinzipien hielte, die Einführung „von Elementen des Ius soli“ dann zulässig wäre, wenn weiterhin auch das Ius sanguinis als Möglichkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs bestünde. Insofern hindere auch Art. 16 I GG die Einführung konkurrierender Prinzipien nicht. Damit könne diese institutionelle Garantie als weiteres Beispiel für den fehlenden Konkurrenzschutz von Einrichtungsgarantien herangezogen werden.199 Diese Ansicht kann sich zwar auf diejenigen Vertreter stützen, die 197

Im Einzelnen siehe Ziemske (Fn. 195), S. 295 ff. Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 16 Rn. 1 f.; Sachs (Fn. 194), § 101 III 1 b, S. 711 f.; Zimmermann/Tams (Fn. 194), Art. 16 Rn. 54; Becker (Fn. 194), Art. 16 Rn. 18; Kämmerer (Fn. 194), Art. 16 Rn. 30; Masing (Fn. 194), Art. 16 Rn. 77; Juliane Kokott, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 16 Rn. 1a; Schnapp (Fn. 194), Art. 16 Rn. 6; Albrecht Randelzhofer, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 16 Rn. 65 f. 199 Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (229). 198

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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das Ius sanguinis für einen Bestandteil der institutionellen Garantie der Staatsangehörigkeit halten. Allerdings wird von diesen ausdrücklich festgehalten, dass entsprechende Regelungen wie etwa eine vorgeschlagene Einbürgerungszusicherung für die in Deutschland geborenen Kinder, deren Eltern vor Vollendung ihres 7. Lebensjahres ihren rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, nur einen Ausnahmefall darstellen und die dominierende Exklusivität des Abstammungsprinzips eher sogar bestätigen.200 Insoweit läge ein zwar nicht absoluter, aber zumindest abgestufter Konkurrenzschutz durchaus vor.201 Das Beispiel ist auch deshalb problematisch, weil beim Staatsangehörigkeitsrecht die Frage, ob jemand die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben kann, nach bestimmten Zuordnungsprinzipien entschieden wird. Legt man nun die referierte Auffassung von Pieroth/Kingreen zugrunde, dann wäre trotz eines unterstellten institutionellen Schutzes für eines dieser Prinzipien die Einführung eines anderen gegenteiligen Prinzips – in welchem Umfang auch immer – verfassungskonform. Damit wäre die Modifikation des institutionellen Schutzobjekts selbst verfassungsgemäß. Bei einer vergleichbaren verfassungsdogmatischen Perspektive dieses Ansatzes auf die Ehe führte dies dazu, dass gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Ehe zur Verfügung stehen müsste, weil die Modifikation des Strukturmerkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit nicht zu einer Verletzung der Institutsgarantie der Ehe führen könnte. Vergleichbares müsste auch für alle anderen Wesensmerkmale der Ehe gelten. Die abgrenzbare Strukturierung der Ehe würde damit im Ergebnis gefährdet und die institutionellen Konturen des Rechtsinstituts wären nicht mehr nachvollziehbar. Die alternative Möglichkeit besteht darin, eine Gleichrangigkeit der institutionellen Verbindung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und der Ehe im Hinblick auf ihre Ausgestaltung wegen der Institutsgarantie des Art. 6 I GG abzulehnen. Dann läge allerdings ein Wertungsmuster für das Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten vor, dessen Reichweite sich allein durch die Institutsgarantie nicht bestimmen ließe. In jedem Falle würden die institutionellen Wesenselemente der Ehe, die überhaupt erst Voraussetzung der Institutsgarantie sind, unpräziser. Das Beispiel des Art. 16 I GG eignet sich deshalb nicht für eine Übertragbarkeit auf Art. 6 I GG.

200

Scholz/Uhle (Fn. 195), S. 1510 (1516). Deshalb ist dieses Beispiel kein überzeugender Beleg für die Aussage von Pieroth/Kingreen, die Einrichtungsgarantien besäßen überhaupt keine Schutzwirkung vor ähnlichen Rechtsinstituten. 201

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(ii) Institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 II GG In Art. 28 II GG wird die Selbstverwaltung der Gemeinden institutionell garantiert.202 Im Schrifttum wird dabei zwischen unterschiedlichen Elementen mit institutionellem Bezug differenziert, die von der Verfassungsgarantie umfasst werden: Zum einen besteht eine „Rechtssubjektsgarantie“, die sich auf die Gemeinde als institutionelles Rechtssubjekt bezieht.203 Ohne die Existenz von gemeindlichen Gebietskörperschaften besitzt eine kommunale Selbstverwaltung keine institutionelle Grundlage, weil staatliches Handeln grundsätzlich immer eines institutionellen Rahmens bedarf. Die kommunale Selbstverwaltung selbst wird deshalb durch eine (objektive) „Rechtsinstitutionengarantie“ verfassungsrechtlich geschützt.204 Um diese Schutzwirkung auch judiziell wirksam werden zu lassen, besteht als dritte Garantieebene 202 BVerfGE 1, 167 (173) [noch als erwägenswerte Möglichkeit angesehen]; 38, 258 (278); 50, 50; 56, 298 (312) [hier ausdrücklich als „institutionelle Garantie“ bezeichnet]; 59, 216 (226); 79, 127 (143); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 8 Rn. 41; Horst Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 2006, Art. 28 Rn. 99; Eberhard Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: Besonderes Verwaltungsrecht, hrsg. von dems., 13. Aufl., 2005, Rn. 9; Peter J. Tettinger, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 2, Art. 28 Rn. 127; Michael Nierhaus, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 28 Rn. 33 ff.; Klaus Vogelsang, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 28 Rn. 91; Wolfgang Löwer, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 28 Rn. 39; Günter Püttner, § 107: Kommunale Selbstverwaltung, in: HStR IV, 2. Aufl., 1999, Rn. 11; Theodor Maunz, in: ders./Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 29 Rn. 45; Thomas Clemens, Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie, in: NVwZ 1990, S. 834 (834 f.); Friedrich Schoch, Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: VerwArchiv 81 (1990), S. 18 (26 ff.); Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., 1984, § 12 II 4, S. 408 f.; a. A. Markus Kenntner, Zehn Jahre nach „Rastede“, in: DÖV 1998, S. 701 (706), Hartmut Maurer, Verfassungsrechtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung, in: DVBl. 1995, S. 1037 (1041 f.), für die Art. 28 II GG keine institutionelle Garantie, sondern ausschließlich ein subjektives Recht darstellt. 203 Dreier (Fn. 202), Art. 28 Rn. 100 f.; Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 28 Rn. 11; Schmidt-Aßmann (Fn. 202), Rn. 10 ff.; Tettinger (Fn. 202), Art. 28 Rn. 155; Mager (Fn. 96), S. 334 f.; Nierhaus (Fn. 202), Art. 28 Rn. 35; Vogelsang (Fn. 202), Art. 28 Rn. 95 ff.; Löwer (Fn. 202), Art. 28 Rn. 42 ff.; Maunz (Fn. 202), Art. 29 Rn. 54; Stern (Fn. 202), § 12 II 4, S. 409. 204 Dreier (Fn. 202), Art. 28 Rn. 102; Pieroth (Fn. 203), Art. 28 Rn. 11; SchmidtAßmann (Fn. 202), Rn. 13 ff.; Tettinger (Fn. 202), Art. 28 Rn. 156; Mager (Fn. 96), S. 335 ff.; Nierhaus (Fn. 202), Art. 28 Rn. 38; Vogelsang (Fn. 202), Art. 28 Rn. 98 ff.; Löwer (Fn. 202), Art. 28 Rn. 45 ff.; Maunz (Fn. 202), Art. 29 Rn. 54; Stern (Fn. 202), § 12 II 4, S. 409.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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die (subjektive) „Rechtsstellungsgarantie“ der Gemeinde zur Geltendmachung der ihr durch Art. 28 II 1 GG zugewiesenen Rechte, die ihren Ausdruck etwa in der Kommunalverfassungsbeschwerde des Art. 93 I Nr. 4b GG findet.205 Ein Vergleich dieser Einrichtungsgarantie mit der Institutsgarantie der Ehe scheidet aus verfassungssystematischer Perspektive in erster Linie nicht etwa wegen dieser differenzierten Garantiestruktur, die in Art. 6 I GG keine Entsprechung findet, aus. Diese bezieht sich nämlich vor allem auf das institutionell-strukturelle Internum der Einrichtung und berührt ihre Konstituierung als verfassungsrechtlich geschützte Institution als solche nicht. Beiden Einrichtungsgarantien ist nämlich ungeachtet ihrer unterschiedlichen Strukturierung gemeinsam, dass sie sich auf Institutionen beziehen, deren Substrat im Gesamtsystem des Grundgesetzes vor einfachgesetzlicher Beseitigung oder Modifizierung geschützt werden soll. Die Übertragbarkeit des strukturellen Wirkungsbereichs der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auf die Institutsgarantie der Ehe ist allerdings wegen der differenzierten Bedeutung der Verfassungsgarantien in System des Grundgesetzes problematisch: Das unterschiedliche Gewicht der beiden Einrichtungsgarantien wird besonders deutlich in der Frage der institutionellen Kompensation dieser Einrichtungen bei der hypothetisch gedachten Konstellation des Wegfalls der Verfassungsgarantien. Wenn man als gedankliches Experiment einmal davon ausginge, dass die Einrichtungsgarantie des Art. 28 II GG nicht existierte und eine gemeindliche Selbstverwaltung gesetzlich nicht zugelassen würde, müssten die von der Kommunalverwaltung übernommenen Aufgaben von einer Zentralverwaltung (etwa des jeweiligen Bundeslandes) und ihren Organen erfüllt werden. Die Verwaltung durch die Länder, die somit die entstandene Lücke füllen würde, kann sich aber ihrerseits in Artt. 30, 83 GG auf eine Grundlage in der Verfassung berufen. Bei Art. 6 I GG wäre dies nicht der Fall: Würde man Art. 6 I GG streichen, würden Rechtsformen für Lebensgemeinschaften nur noch auf einfachgesetzlicher Ebene institutionell konstituiert werden können.206 Der Unterschied zu Art. 6 I besteht deshalb nicht nur darin, dass dort Rechtsinstitute des Privatrechts geschützt werden, sondern vor allem in der Tatsache, dass familienrechtliche Institute außerhalb von Ehe und Familie 205

Dreier (Fn. 202), Art. 28 Rn. 103 ff.; Pieroth (Fn. 203), Art. 28 Rn. 11; Schmidt-Aßmann (Fn. 202), Rn. 24; Tettinger (Fn. 202), Art. 28 Rn. 157 f.; Mager (Fn. 96), S. 347; Nierhaus (Fn. 202), Art. 28 Rn. 39; Vogelsang (Fn. 202), Art. 28 Rn. 126; Löwer (Fn. 202), Art. 28 Rn. 41; Maunz (Fn. 202), Art. 29 Rn. 54; Stern (Fn. 202), § 12 II 4, S. 408 f. 206 Zur Frage, ob sich ein Anspruch auf die institutionelle Konstituierung von Rechtsinstituten für Lebensgemeinschaften aus Art. 2 I GG herleiten lässt, vgl. unten 3. Kapitel B., S. 372 ff.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

gar keinen institutionellen Verfassungsstatus besitzen. Mit anderen Worten: Die normativen Rangebenen der jeweils „konkurrierenden“ Einrichtungen sind verschieden. Eine Kompensation von Ehe und Familie durch andere Einrichtungen mit Verfassungsrang wäre bei ihrem Wegfall – anders als bei Art. 28 II GG – nicht möglich. Eine Übertragung des auf die Einrichtungsgarantie bezogenen Vergleichsmaßstabs stößt deshalb aus grundrechtsdogmatischer Sicht auf methodisch kaum überwindbare Schwierigkeiten. Wenn man sich über dieses Problem hinwegsetzt und trotzdem die Schutzwirkung beider Einrichtungsgarantien vergleicht, muss zunächst der Blick auf den Topos des institutionellen „Kernbereichs“ gelenkt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Terminologie verwandt, um den Schutzgehalt der institutionellen Garantie des Art. 28 II GG zu bestimmen. Damit hat es verdeutlicht, dass von ihr nur ein enger institutioneller Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung geschützt ist. Es hat sich deshalb auf eine konkrete Strukturierung dieses Kernbereichs im Sinne einer enumerativen Aufzählung von Wesensmerkmalen nicht eingelassen; Ausgangspunkt ist vielmehr die Allzuständigkeit innerhalb des gemeindlichen Wirkungskreises.207 Damit ist die gemeindliche Befugnis gemeint, die nicht schon einem anderen Rechtsträger zugewiesenen kommunalen Angelegenheiten selbst zu regeln.208 Um den Umfang des unantastbaren Kerns dieses universellen Wirkungsbereichs näher zu konturieren, wird in der Judikatur die sog. Subtraktionsmethode angewandt, nach der eine Verletzung des Kernbereichs durch Beseitigung oder „schleichende Aushöhlung“209 erst dann vorliegt, wenn die Selbstverwaltung der Gemeinde nach einem einfachgesetzlichen Entzug bestimmter Aufgabenzuständigkeiten grundlegend gestört und nicht mehr funktionstüchtig ist.210 Diese Methodik läuft auf einen Strukturschutz des institutionellen Minimums hinaus.211 Ihre Ineffektivität ist daher in der Literatur häufig kritisiert worden,212 ohne dass anderen grif207

BVerfGE 79, 127 (127 Ls. 2, 148). Vgl. BVerfGE 79, 127 (151 f.); 83, 363 (381); 91, 228 (239); Dreier (Fn. 202), Art. 28 Rn. 110 ff.; Pieroth (Fn. 203), Art. 28 Rn. 12 ff.; Schmidt-Aßmann (Fn. 202), Rn. 18; Tettinger (Fn. 202), Art. 28 Rn. 168, 192; Nierhaus (Fn. 202), Art. 28 Rn. 42, 49; Vogelsang (Fn. 202), Art. 28 Rn. 99, 106; Löwer (Fn. 202), Art. 28 Rn. 49; Maunz (Fn. 202), Art. 29 Rn. 60; Clemens (Fn. 202), S. 834 (837); Stern (Fn. 202), § 12 II 4, S. 412 f. 209 Dieser Begriff wird in BVerfGE 79, 127 (148), explizit benutzt; ähnlich auch schon BVerfGE 22, 180 (205). 210 BVerfGE 79, 127 (148); BVerwGE 6, 19 (25); 6, 342 (345). Im Ergebnis vergleichbar BVerfGE 91, 228 (239): Der Kernbereich schütze die organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Gemeinde vor ihrer „Erstickung“. 211 BVerfGE 79, 127 (148); Löwer (Fn. 202), Art. 28 Rn. 34. 212 Kritisch sogar BVerfGE 79, 127 (148); Dreier (Fn. 202), Art. 28 Rn. 125 (Substraktionsmethode „untauglich“); Nierhaus (Fn. 202), Art. 28 Rn. 50 f.; Vogel208

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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figen Formeln bisher der Durchbruch in der Staatsrechtslehre oder der verfassungsgerichtlichen Praxis gelang. Mit der fehlenden Strukturierung der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne von Wesensmerkmalen213 tritt ein weiterer schwerwiegender Unterschied zur Ehe zutage: Die Ehe ist durch einzelne abgrenzbare Strukturmerkmale gekennzeichnet, die gerade ihr Wesen ausmachen. Der Subtraktionsgrundsatz kann deshalb als abstraktes Prinzip auf das Verhältnis der Ehe zu anderen institutionalisierten Lebensgemeinschaften nicht angewandt werden, weil die Ehe als institutionelle Form von der Wahl durch die Nupturienten abhängig ist. Bei Art. 28 II GG gibt es eine entsprechende Wahl der kommunalen Selbstverwaltung nicht. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass sich die Einrichtungsgarantien sowohl in ihrer institutionellen Bedeutung im Verhältnis zu konkurrierenden Institutionen als auch in ihrer inneren Systematisierung deutlich unterscheiden und eine Übertragung der Wirkungssystematik deshalb ausscheidet. (jj) Institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums und seiner hergebrachten Grundsätze, Art. 33 IV, V GG Nach Art. 33 IV GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis stehen. Dieses besondere öffentlich-rechtliche Treueverhältnis ist das charakteristische Wesensmerkmal des Beamtenverhältnisses. Art. 33 IV GG enthält mithin eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums.214 Dessen innere Gesang (Fn. 202), Art. 28 Rn. 142; Löwer (Fn. 202), Art. 28 Rn. 48; Püttner (Fn. 202), Rn. 20; Kenntner (Fn. 202), S. 701 (706); Schoch (Fn. 202), S. 18 (31 f.); SchmidtJortzig (Fn. 91), S. 40 („Salamitaktik“); vgl. auch Stern (Fn. 202), § 12 II 4, S. 416 f., der sich für ein qualitatives Verständnis des Kernbereichs ausspricht, für das „Geschichte und verbleibender eigener Gestaltungsbereich“ eine Rolle spielten. 213 Auch wenn in BVerfGE 83, 361 (381), von „überkommenen identitätsstiftenden Merkmalen“ gesprochen wird, so wird durch den dort gleichzeitig vorgenommenen Bezug zu „historischen und regionalen Erscheinungsformen“ deutlich, dass es nicht um einen Kanon von präzisen Strukturmerkmalen geht, aus deren Summierung sich die Institution der kommunalen Selbstverwaltung ergibt. Das erkennt auch Clemens (Fn. 202), S. 834 (837), an, der eine begrenzte Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers grundsätzlich auch für den Kernbereich annimmt. 214 Johannes Masing, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 2006, Art. 33 Rn. 71, 94; Monika Jachmann, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 2, Art. 33 Rn. 29; Philip Kunig, Das Recht des Öffentlichen Dienstes, in: Besonderes Verwaltungsrecht, hrsg. von Eberhard Schmidt-Aßmann, 13. Aufl., 2005, Rn. 30; ders., in: Ingo von Münch/Philip Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl.,

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

stalt wird durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Art. 33 V GG ebenfalls institutionell garantiert.215 Das Bundesverfassungsgericht fasst diese Garantieebenen zusammen und leitet sie ausschließlich aus Art. 33 V GG ab, weil das Berufsbeamtentum nur in einem Kernbestand von Strukturprinzipien verfassungsrechtlich geschützt werde.216 Damit sind die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gemeint.217 Über die Reichweite und die Einzelheiten dieser Einrichtungsgarantien, die zum größten Teil durch eine kasuistisch anmutende Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts bestimmt sind, wird in der Literatur kontrovers diskutiert.218 Für einen Vergleich mit der Institutsgarantie der Ehe sind die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aber kaum ergiebig, weil sie sich systematisch auf die Struktur des Beamtenverhältnisses selbst beziehen. Eine Einrichtungsgarantie, die sich ausschließlich auf die immanente Systematisierung von Strukturmerkmalen einer bestimmten Rechtsinstitution bezieht, eignet sich kaum für einen Vergleich mit der Garantie eines anderen Rechtsinstituts, weil sie ohne das Beamtenverhältnis selbst gar kein institutionelles Fundament hätte. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sind mit dem Beamten2001, Art. 33 Rn. 39; Rüdiger Sannwald, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 33 Rn. 103; Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 33 Rn. 45; Manfred Wichmann, Allgemeines Beamtenrecht, in: Öffentliches Dienstrecht, hrsg. von Ferdinand Wind u. a., 5. Aufl., 2002, Rn. 22; Helmut Lecheler, § 72: Der öffentliche Dienst, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, Rn. 21; Josef Isensee, § 32: Öffentlicher Dienst, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 51; a. A. Henning Zwirner, Politische Treuepflicht des Beamten, 1987, S. 193 f., der in Art. 33 IV GG einen bloßen beamtenbezogenen Funktionsvorbehalt im Rahmen der öffentlichen Aufgabenerfüllung sieht. 215 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 47 Rn. 5; Masing (Fn. 214), Art. 33 Rn. 71, 94; Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 33 Rn. 43; Jachmann (Fn. 214), Art. 33 Rn. 40 f.; Kunig (Fn. 214), Das Recht des Öffentlichen Dienstes, Rn. 30, 37; ders. (Fn. 214), Grundgesetz-Kommentar, Art. 33 Rn. 53; Sannwald (Fn. 214), Art. 33 Rn. 116; Battis (Fn. 214), Art. 33 Rn. 65; Wichmann (Fn. 214), Rn. 22; Isensee (Fn. 214), Rn. 51; Stern (Fn. 202), § 11 III 4, S. 353 f.; a. A. Zwirner (Fn. 214), S. 194: Gegenstand nur „sachgemäße Erledigung der in Art. 33 IV GG genannten Aufgaben“. 216 BVerfGE 3, 58 (137); 3, 288 (334); 8, 332 (343); 9, 268 (285 f.); 11, 203 (215), 43, 242 (278); 52, 303 (335); 56, 146 (162); 62, 374 (382); 63, 323 (351); 70, 68 (79); 107, 218 (236 f.). Pieroth (Fn. 215), Art. 33 Rn. 43, Helmut Lecheler, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 Rn. 88, und Stern (Fn. 202), § 11 III 4, S. 350 ff., beziehen sich ebenfalls ausschließlich auf Art. 33 V GG. 217 Isensee (Fn. 214), Rn. 63. 218 Vgl. Jachmann (Fn. 214), Art. 33 Rn. 44 ff., und Stern (Fn. 214), § 11 III 4, S. 355 ff. m. w. N. aus der einschlägigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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verhältnis deshalb untrennbar verknüpft, so dass die Frage, aus welchem Absatz von Art. 33 GG die Einrichtungsgarantie abgeleitet werden kann, von sekundärer Bedeutung ist.219 Interessanter ist die Frage, ob das Beamtenverhältnis als institutionell geschützte Einrichtung selbst Exklusivitätscharakter in dem Sinne besitzt, dass eine Zuweisung von Aufgaben an nichtverfassungsrechtlich garantierte Organisationsgebilde, die aber dennoch in bestimmten Merkmalen mit dem Berufsbeamtentum übereinstimmen, grundrechtsdogmatisch nicht möglich ist. Die Frage zu stellen, heißt, sie zu verneinen.220 Das ergibt sich schon aus der ausnahmeoffenen Formulierung221 des Art. 33 IV GG, nach der die ständige Aufgabenübertragung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel Beamten zu übertragen ist. Diese Feststellung ist der Ausgangspunkt zweier denkbarer kontradiktorischer Ableitungen für den Vergleich mit der Institutsgarantie der Ehe in Art. 6 I GG: Im Normtext des Art. 6 I GG ist ein Funktionsvorbehalt wie in Art. 33 IV GG nicht enthalten. Daraus könnte man entweder schließen, dass die Annahme einer andere einfachgesetzliche Rechtsinstitute ausschließenden Institutsgarantie der Ehe erst recht abzulehnen sei, wenn schon das Beamtenverhältnis – trotz eines ausdrücklichen Funktionsvorbehalts – keine solche exklusive Stellung im öffentlichen Dienst besitze. Die schon konstatierte einfachgesetzliche Anpassungsbereitschaft dieses Funktionsvorbehalts könnte dagegen aber auch dafür sprechen, dass beim Beamtenverhältnis eine institutionell konkurrenzschützende Exklusivität von vornherein in der Verfassung nicht konstituiert werden sollte, während dies wegen der andersgearteten Formulierung des „besonderen Schutzes“ in Art. 6 I GG, der nur Ehe und Familie, aber keine weiteren 219 Die institutionellen Garantien des Berufsbeamtentums und seiner hergebrachten Grundsätze werden deshalb in Rechtsprechung und Literatur entweder als „Verbindung“ bzw. „Ergänzung“ von Art. 33 IV und V GG gesehen oder sogar nur aus Art. 33 V GG abgeleitet; vgl. dazu Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 47 Rn. 5; Masing (Fn. 214), Art. 33 Rn. 71, 94; Mager (Fn. 96), S. 352 ff., und Detlef Merten, Das Berufsbeamtentum als Element deutscher Rechtsstaatlichkeit, in: ZBR 1999, S. 1 (2). Nach Theodor Maunz, in: ders./Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 33 Rn. 32, betrifft Art. 33 V G das „‚Wie‘ der Ausgestaltung der Beamtenverhältnisse“. A. A. nur Rudolf Summer, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums – ein Torso, in: ZBR 1992, S. 1 (5), für den ausschließlich Art. 33 IV GG die primäre normative Verankerung darstellt. 220 Selbst im Regelungsbereich des Funktionsvorbehalts ist der Einsatz nicht verbeamteter Angehöriger des öffentlichen Dienstes möglich, wenn auch als begründete Ausnahme, vgl. BVerfGE 9, 268 (284); 88, 103 (114); Masing (Fn. 214), Art. 33 Rn. 70; Pieroth (Fn. 215), Art. 33 Rn. 42; Jachmann (Fn. 214), Art. 33 Rn. 37; Mager (Fn. 96), S. 353; Lecheler (Fn. 216), Art. 33 Rn. 56; ders. (Fn. 214), Rn. 25; Maunz (Fn. 219), Art. 33 Rn. 42. 221 Battis (Fn. 214), Art. 33 Rn. 58: „erheblicher Spielraum“; Maunz (Fn. 219), Art. 33 Rn. 40: „sehr elastisch“.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

institutionellen „Ausnahmen“ erwähnt, von der Ehe nicht in gleichem Maße gesagt werden könne. Jedenfalls ist die in Art. 33 IV GG selbst ausdrücklich vorgenommene Zweiteilung des öffentlichen Dienstes und damit die Anerkennung eines öffentlichen Dienstverhältnisses außerhalb des Beamtenstatus verfassungssystematisch ein diametraler Unterschied zur ausschließlichen Erwähnung von Ehe und Familie. Einen ausdrücklichen institutionellen Vergleichsmaßstab wie in Art. 33 IV GG zwischen den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen gibt es in Art. 6 I GG jedoch nicht. Die Übertragung dieses Maßstabes auf das Verhältnis zwischen der Ehe und anderen einfachgesetzlichen institutionalisierten Lebensgemeinschaften scheidet daher aus. (kk) Zwischenergebnis Der Vergleich der Schutzwirkung verschiedener im Grundgesetz erwähnter Institutionen, die in der Literatur als von Einrichtungsgarantien umfasst angesehen werden, mit der Institutsgarantie der Ehe ergibt daher folgendes: Eine Reihe dieser angenommenen Einrichtungsgarantien ist für einen solchen Vergleich methodisch ungeeignet (Privatautonomie, Art. 2 I GG; Presse und Rundfunk, Art. 5 I 2 GG; Privatschule, Art. 7 IV GG; Eigentum und Erbrecht, Art. 14 GG; deutsche Staatsangehörigkeit, Art. 16 GG; Kommunale Selbstverwaltung, Art. 28 II GG; Berufsbeamtentum, Art. 33 IV, V GG). Andere weisen als systematische Gemeinsamkeit auf, dass ihnen ein absoluter oder relationaler Schutz vor der Konstituierung einfachgesetzlicher merkmalsverwandter Rechtsinstitute nicht zukommt (wissenschaftliche Hochschule und deren Selbstverwaltungsautonomie, Art. 5 III GG; Religionsunterricht, Art. 7 III GG; Tarifautonomie, Art. 9 III GG). Eine spezifische Schutzwirkung dieser Art weist keine Einrichtungsgarantie auf. (c) Konservierung des einfachgesetzlichen ehelichen Normenkomplexes durch den institutionellen Schutz des materiellen Kerngehalts der Ehe? In der Literatur finden sich Stimmen, die aus der Garantie des Rechtsinstituts der Ehe ableiten, dass ihr materieller Kerngehalt durch die Gesetzgebung nicht angetastet werden dürfe.222 Dieser Kerngehalt bezieht sich dabei bei einigen Vertretern nicht nur auf die wesentliche Strukturierung der Ehe selbst, sondern wird weiterführend dahingehend verstanden, dass der einfachgesetzliche eherechtliche Normenkomplex zumindest nicht vollstän222 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 9; Johann Braun, „Ein neues familienrechtliches Institut“, in: JZ 2002, S. 23 (26); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397). Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (8), sieht ähnlich den „Inhalt der Ehe“ geschützt.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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dig auf andere Lebensgemeinschaften, auch nicht durch institutskonstituierende Gesetze, übertragen werden dürfe.223 Durch die Einführung eines – bis auf die Verschiedengeschlechtlichkeit der Nupturienten – ehegleichen neuen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften würde das Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit ohne ausdrückliche Verfassungsänderung einfachgesetzlich beseitigt. In die gleiche Richtung weisen auch die abweichenden Meinungen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier224 und der Richterin Evelyn Haas225 zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002. Dort schließen sich beide zunächst der klassischen verfassungsdogmatischen Interpretation des Art. 6 I GG als grundrechtliches Abwehrecht, Institutsgarantie von Ehe und Familie sowie objektiver Wertentscheidung zu Gunsten dieser Rechtsinstitute an. Im Hinblick auf das Verhältnis gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe wird von ihnen dabei die verfassungsgerichtliche Garantie der wesentlichen Strukturprinzipien der Ehe, zu denen auch die Verschiedengeschlechtlichkeit gehöre, in den Mittelpunkt der Erörterungen gerückt. Eingriffe des Staates würden durch das grundrechtliche Abwehrrecht erfasst. Teleologische Leitlinie der Institutsgarantie ist nach Papier und Haas dagegen nicht in erster Linie der Schutz vor staatlichen Eingriffen, sondern die verfassungsrechtliche Stabilisierung der die Ehe konstituierenden Merkmale. Wegen des Normenvorrangs der Verfassung gegenüber dem einfachgesetzlichen Recht wirkt die Institutsgarantie danach für den einfachgesetzlichen Ehebegriff bindend. Diese Bindungswirkung wird als so weitreichend angesehen, dass das Wesensmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe dann verletzt sei, wenn der Gesetzgeber ein einfachgesetzliches Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften konstituiere, welches im Hinblick auf die Rechte- und Pflichtentypik der Ehe vergleichbar ausgestaltet sei. Durch die Institutsgarantie würden nämlich nicht nur der Name des Rechtsinstituts, sondern auch seine Strukturmerkmale vor staatlichen Dispositionsakten geschützt.226 Die abweichenden Meinungen halten deshalb die durch das 223 Martin Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 6 Rn. 20; Gade (Fn. 10), S. 397 (402 f.); wohl auch Stern (Fn. 2), § 100 IV 5 a, S. 422 f., und § 100 VI 2 b, S. 486 f. Thomas Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 38, spricht vom Zugang zu vergleichbaren Regelungen „in vollem Umfang“, Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397), von „eherechtlichen Regelungen in ihrer Gesamtheit“, Walter Pauly, Sperrwirkungen des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs, in: NJW 1997, S. 1955 (1956), von „inhaltsgleicher Reproduktion“. Letzterer leitet dann auch konsequent ein angenommenes Schutzabstandsgebot zwischen der Ehe und anderen institutionalisierten Lebensgemeinschaften ausschließlich aus der Institutsgarantie ab. 224 BVerfGE 105, 313 (357 ff.). 225 BVerfGE 105, 313 (360 ff.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

LPartDisBG geschaffene Eingetragene Lebenspartnerschaft für nicht mit der in Art. 6 I GG enthaltenen Institutsgarantie der Ehe vereinbar. In beiden Ansichten werden darüber hinaus jeweils aber auch unterschiedliche Akzentuierungen dieser Verfassungsproblematik deutlich: Papier sieht die möglichen rechtspolitischen Konsequenzen der verfassungsdogmatischen Prämisse, nach der Art. 6 I GG sich als verfassungsrechtlicher Maßstab für gleichgeschlechtliche Paare schon deshalb nicht heranziehen lasse, weil ihr Regelungsgegenstand die Ehe und gerade nicht diese Art von Lebensgemeinschaft sei: Eine einfachgesetzliche rechtliche Gleichbehandlung der institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und der Ehe sei damit ohne jede Einschränkung möglich.227 Es ist darüber hinaus auffallend, dass sich Papier in seinen Ausführungen insgesamt einer wertenden Stellungnahme zur teleologischen Einordnung der Ehe enthält. Seine Argumentation basiert primär auf der funktionsbezogenen Analyse der Institutsgarantie als verfassungsrechtlichem Rahmen für die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Ehe. Die objektive Wertentscheidung zugunsten der Ehe spielt deshalb folgerichtig in seinen Überlegungen zum Rechtsinstitut der Ehe bis auf die knappe Erwähnung als dogmatischer Bestandteil des Art. 6 I GG keine Rolle. Dagegen bettet Haas ihre Ausführungen zur Institutsgarantie in eine teleologische Bestimmung der Ehe ein. Sie betont den Zusammenhang zwischen den beiden in Art. 6 I GG erwähnten Rechtsinstituten Ehe und Familie als ehelicher Stabilisierungsgemeinschaft für Kinder und sieht daher die Ehe als „potentiell angelegte Elternschaft“.228 Haas bleibt nicht bei dieser mikrosozialen Perspektivbestimmung der Ehe stehen, sondern erblickt in ihr einen Beitrag zur „Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft“.229 Die funktionale Zuordnung der Ehe ist bei Haas deshalb von ihrer individuellen und gesamtgesellschaftlichen Bedeutung als Teil einer „Lebensordnung“230 geprägt. Das daraus für dieses Rechtsinstitut folgende Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit werde verfassungsrechtlich noch durch das 226 Der Grundgedanke dieser bildhaften Kritik, bei denjenigen, die eine Exklusivität der Ehe auf einfachgesetzlicher Ebene nicht aus der Institutsgarantie ableiteten, würde diese zu einem bloßen Schutz des „Namens“ des Rechtsinstituts herabsinken, stammt von Pauly (Fn. 223), S. 1955 (1956). Er wird auch von Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (8), und Gade (Fn. 10), S. 397 (402 f.), aufgegriffen. 227 BVErfGE 105, 313 (359). Haas äußert sich zu dieser Konsequenz nicht ausdrücklich. 228 BVerfGE 105, 313 (360). 229 Das kann man indirekt aus ihrer Bemerkung folgern, dass die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft gerade keinen Beitrag dazu leisten könne, vgl. BVerfGE 105, 313 (362). 230 So Haas, in BVerfGE 105, 313 (360), mit Hinweis auf BVerfGE 6, 55 (72).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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aus der objektiven Wertentscheidung abgeleitete Fördergebot zugunsten der Ehe verstärkt. Weil der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft schon per se dieses Element fehle, das die verfassungsrechtliche Förderung der Ehe rechtfertige, dürfe sie nicht den identischen oder einen vergleichbaren einfachgesetzlichen Rechtsrahmen wie die Ehe erhalten.231 Diese Schlussfolgerung wird nach Haas noch durch das verfassungssystematische Argument der Singularität der grundgesetzlichen Garantie für Personengemeinschaften untermauert, die bei Ehe und Familie auf Verfassungsebene einzigartig sei und die große Bedeutung dieser Rechtsinstitute für die Gesamtverfassung vermittele.232 Der Hauptakzent der Argumentation von Haas liegt daher weniger auf einer funktionalen Deutung der Institutsgarantie, wie sie Papier vornimmt, sondern vor allem auf der objektiven Wertentscheidung als verfassungsrechtlichem Maßstab für die Beurteilung der rechtlichen Gleichstellung institutionalisierter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe. Der beiden abweichenden Meinungen zugrunde liegende Grundgedanke von der verfassungsdogmatischen Reichweite der Institutsgarantie als Gestaltungsbegrenzung anderer einfachgesetzlicher Rechtsinstitute kann zunächst die daran anknüpfende Frage entgegengehalten werden, wie weitgehend dieses Verbot der normativen Annäherung institutionalisierter Personengemeinschaften an die Ehe sein soll?233 Einzelne Normen, die auf die Ehe Bezug nehmen, werden nämlich sogar auf die nur in geringem Maße gesetzlich fixierten nichtehelichen Lebensgemeinschaften angewandt,234 so dass dieses Übertragungspotential in verfassungsrechtlich zulässiger Weise doch in einem weit umfangreicheren Maße für ein neu geschaffenes einfachgesetzliches Rechtsinstitut des Familienrechts gegeben sein könnte. Aus diesem Ansatz müsste sich außerdem wegen der sonst auftretenden Rechtsunsicherheit ein Kriterium dafür entnehmen lassen, wann eine noch verfassungsrechtlich mögliche Übernahme von einzelnen Regelungen des Eherechts vorliegt und wann diese in eine verfassungswidrige Kopie der Ehe umschlägt. Ein solcher Maßstab lässt sich aus der Institutsgarantie selbst aber nicht entwickeln, weil unklar bleibt, welche konkreten Möglichkeiten der rechtlichen Annäherung aus einer angenommenen singulären Bestands231

BVerfGE 105, 313 (362). Gegen die grundsätzliche Einführung eines institutionellen Rahmens für diese Lebensgemeinschaften hat sie allerdings keine verfassungsrechtlichen Einwände, vgl. BVerfGE 105, 313 (359 f.). Papier erörtert diese Frage gar nicht. 232 BVerfGE 105, 313 (361). 233 Sowohl Papier, BVerfGE 105, 313 (358 f.), als auch Haas, BVerfGE 105, 313 (360, 362), werfen der Senatsmehrheit vor, dies in ihrer Entscheidung nicht ausreichend geprüft zu haben. 234 Darauf weisen Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (231), zu Recht hin.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

sicherung des materiellen Kernbereichs der Ehe eigentlich abgeleitet werden können: Wäre schon die Konstituierung eines Rechtsinstituts neben der Ehe untersagt oder nur die genaue Abbildung des Eherechts im Rahmen dieses neuen Instituts? Die Institutsgarantie kann keine dogmatisch befriedigenden Antworten liefern, weil deren Funktion primär in der institutsimmanenten Konservierung der Strukturelemente des Rechtsinstituts besteht.235 Das dogmatische Fundament dieser Unschärfe ist deshalb die vorgenommene Ausrichtung der Institutsgarantie auf ein Außenverhältnis zu anderen einfachgesetzlichen Rechtsinstituten. Eine genauere Untersuchung dieses Außenverhältnisses kann aber im Rahmen der Institutsgarantie nicht mehr erfolgen, weil hierfür der grundrechtsdogmatische Maßstab fehlt. Der Schlüssel dazu liegt in der objektiven Wertentscheidung für Ehe und Familie, nicht in der Institutsgarantie. Insofern ist die Argumentation von Haas zwar verständlich, weil sie mit Hilfe der Wertentscheidung die teleologische Fundierung der Ehe als entscheidendes Kriterium für deren Exklusivität in der Rechtsordnung heranziehen kann. Der damit verbundene Vorteil, nunmehr zwar die verfassungsrechtliche Bedeutung der Ehe von der anderer institutionalisierter Lebensgemeinschaften im Hinblick auf die Reproduktionsfunktion – zumindest abstrakt – abgrenzen zu können, wird durch die Schwierigkeit, Institutsgarantie und objektive Wertentscheidung in ihren grundrechtlichen Wirkungen jetzt noch zu unterscheiden, aber mehr als aufgewogen. Soweit die Meinung, die eine institutionelle Exklusivität der Ehe aus der Institutsgarantie ableitet, auf Anmerkungen des Bundesverfassungsgerichts zurückgreift,236 wonach ein Verstoß gegen die Institutsgarantie dann vorliege, wenn das der Verfassung zugrunde liegende Bild von Ehe und Familie beeinträchtigt werde,237 handelt es sich bei dieser Bezugnahme um einen Zirkelschluss: Nach dieser Ansicht folgt erst aus der Institutsgarantie das „Bild“ der Ehe, so dass die Institutsgarantie gleichzeitig sowohl dieses Bild konstituiert als es auch gegen Beeinträchtigungen schützt. Die verfassungsrechtliche Garantie eines Rechtsinstituts kann aber nicht gleichzeitig dessen 235 Die von Papier und Haas in diesem Zusammenhang vorgenommene funktionale Zuordnung der grundrechtlichen Wirkungen des Abwehrrechts als Schutz vor staatlichen Eingriffen ist ergänzungsbedürftig: Auch einfachgesetzliche Veränderungen von Strukturmerkmalen der Ehe sind Eingriffe des Staates, vor denen die Institutsgarantie – und nicht das Abwehrrecht – schützt. Genau dies nehmen ja beide beim LPartDisBG gerade an. Das Abwehrrecht schützt die Eheschließungs- und -gestaltungsfreiheit. Die Institutsgarantie steht nicht gänzlich unabhängig neben diesem, sondern in einem engen affirmativen Zusammenhang, vgl. oben 3. Kapitel A. II. 3., S. 235 ff. 236 Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397). 237 BVerfGE 76, 1 (49); 80, 81 (92).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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definitorische Umschreibung beinhalten. Außerdem ergibt eine genauere Exegese der in Rede stehenden Urteile, die das Aufenthaltsrecht von ausländischen Adoptivkindern bzw. Ehegatten in Deutschland betreffen, dass dort nicht nur eine Beeinträchtigung dieses „Bildes“ verneint wurde, sondern jeweils im Mittelpunkt der Erörterungen die objektive Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie – also die Bedeutung beider Rechtsinstitute für die Gesamtverfassung – stand. Ein Verständnis des Sprachgebrauchs vom „der Verfassung zugrunde liegenden Bild von Ehe und Familie“ in dem Sinne, dass damit die aus der Institutsgarantie abgeleitete Exklusivität beider Rechtsinstitute gemeint sei, kann den Urteilen deshalb nicht entnommen werden. Vielmehr verwendet das Bundesverfassungsgericht zwar auch den Begriff des „Normenkerns des Ehe- und Familienrechts“238 oder „Ordnungskerns“239 als materiellen Schutzgehalt der Institutsgarantie, versteht ihn aber im Sinne des Schutzes von „Strukturprinzipien“240 der Ehe.241 Damit verdeutlicht es den institutsimmanenten institutionellen Bezug der Garantie der Ehe in Art. 6 I GG, der durch die Einbeziehung eines Außenverhältnisses des Rechtsinstituts dogmatisch unpräzise würde.242 Die Mehrheit des Ersten Senats beschäftigt sich in ihrem Urteil zum LPartDisBG deshalb auch nur äußerst knapp mit der Institutsgarantie.243 Sie stellt fest, dass eine Änderung der Strukturprinzipien der Ehe durch die Konstituierung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht erfolgt sei, weil dieses Rechtsinstitut die Ehe gar nicht betreffe. Die Institutsgarantie schütze ausschließlich die Ehe, aus ihr könnten deshalb keine Aussagen zum Verhältnis zu einfachgesetzlichen Rechtsinstituten entnommen werden.244 Diese Ausführungen sind im Ergebnis dogmatisch nachvollziehbar, 238

BVerfGE 6, 55 (72). BVerfGE 10, 59 (66). 240 BVerfGE 53, 224 (245); 62, 323 (330). 241 Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 27; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 30. 242 In BVerfGE 6, 55 (72), betont das Gericht ausdrücklich einschränkend und in Abgrenzung zur objektiven Wertentscheidung, dass die Institutsgarantie die Ehe „lediglich in ihrer wesentlichen Struktur“ sichere und deshalb ihre Rechtswirkung „nur darin besteht, einen Normenkern des Ehe- und Familienrechts verfassungsrechtlich zu gewährleisten“. Der Bezug von Haas, BVerfGE 105, 313 (360), auf die durch die Institutsgarantie gesicherte „Lebensordnung“ wird durch das pejorative Attribut „lediglich“ insofern als Argument für eine Exklusivitätssicherung der Ehe durch die Institutsgarantie entwertet. Zudem definieren frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE 10, 59 (66); 53, 224 (245); 62, 323 (330)], die Strukturmerkmale der Ehe explizit. Eine „exklusive Singularität“ oder ein vergleichbares Strukturelement wird dabei nicht genannt. 243 Kritisch angemerkt von Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (9). 244 BVerfGE 105, 315 (346). 239

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

auch wenn sie eine ausdrückliche Abgrenzung der Institutsgarantie zur objektiven Wertentscheidung zugunsten der Ehe nicht enthalten. Hinter ihnen steht die verfassungssystematische Differenzierung zwischen den verschiedenen Regelungsebenen des Art. 6 I GG und damit sowohl die Begrenzung der Institutsgarantie auf einen stringenten Strukturschutz der Ehe als auch deren Bezug zum Abwehrrecht des Art. 6 I GG. Die mehrheitlich vom Ersten Senat im Urteil vom 17. Juli 2002 zur Institutsgarantie getroffenen Anmerkungen überzeugen deshalb aus systematischer Sicht eher als die abweichenden Meinungen dazu. (d) Ergebnis Aus dem systematischen Verhältnis des Rechtsinstituts, seiner verfassungsrechtlichen Garantie und der Wertentscheidung des Grundgesetzes ergibt sich, dass eine institutionelle Exklusivität, welche die Konstituierung anderer Rechtsinstitute ausschlösse, kein eheliches Strukturmerkmal ist und dieses auch nicht aus der Institutsgarantie folgt. (4) Teleologischer Bezug Die auf der Grundlage von Wortbedeutung und historisch-genetischer Auslegung getroffene systematische Abgrenzung zwischen Institutsgarantie und Wertentscheidung fließt in die Ermittlung von Sinn und Zweck der Garantie bestimmter Rechtsinstitute im Grundgesetz ein. Er besteht in erster Linie im Bestandsschutz des Rechtsinstituts selbst, während sich aus der objektiven Wertentscheidung seine verfassungsimmanente Bedeutung mit den daraus folgenden verfassungsrechtlichen Verpflichtungen des Gesetzgebers ergeben. Aus der Aufgabe, den Schutz des Rechtsinstituts zu gewährleisten, folgt als Konsequenz, dass neben der Familie in Art. 6 I GG nur die Ehe mit ihren vorgefundenen Wesensmerkmalen verfassungsrechtlich stabilisiert werden soll. Dazu ist es nicht erforderlich, dass das gesamte Familienrecht unter den Schutz der Verfassung gestellt wird. Dies würde dem staatsrechtlichen Grundsatz widersprechen, dass die Verfassung nur den Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums vorgeben und diesen nicht etwa ersetzen soll. Es wäre zudem in der Gesetzgebungspraxis kaum praktikabel.245 Außerdem spricht der skizzierte teleologische Zusammenhang zwischen der Institutsgarantie und dem Abwehrrecht ebenfalls dafür, die Strukturen der Ehe eng zu begrenzen und nicht auf die Verhältnisbestimmung zu ande245 Schmidt-Jortzig (Fn. 91), S. 37, spricht i. d. S. von einer „Sprödigkeit“, die dann dem Rechtsinstitut anhaftete.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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ren Rechtsinstituten auszudehnen. Die Institutsgarantie soll auf verfassungsrechtlicher Ebene die Ausübung des Grundrechts auf Eheschließung und freie Ehegestaltung durch die Grundrechtsträger gegen Störungen durch staatliche Eingriffe absichern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es nicht notwendig, die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers im Hinblick auf die Einführung eines anderen Rechtsinstituts im Familienrecht zu beschränken. Dies wäre für die institutionelle Schutzintensität des ehelichen Abwehrrechts sogar ungünstig, weil bei einer solchen dynamischen Ausweitung der Definitionsmerkmale der Ehe mit nicht festgelegter Reichweite das in ihrem Zentrum stehende Rechtsinstitut an abgrenzungsfähigen Konturen verlöre. In diesem Fall könnte auch eine in der Verfassung enthaltene Garantie ihre Schutzwirkung nur noch unzureichend entfalten. Aus dem Sinn und Zweck der Institutsgarantie ergibt sich demnach eine Begrenzung der Strukturmerkmale der Ehe auf solche, die sich nicht unmittelbar auf das Verhältnis zu einfachgesetzlich konstituierten Rechtsinstituten beziehen. (5) Ergebnis Die exklusive Singularität als einzige institutionalisierte Geschlechtsgemeinschaft gehört nicht zu den Wesensmerkmalen des Rechtsinstituts der Ehe.246 Daraus folgt, dass die Einführung eines einfachgesetzlichen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften das Rechtsinstitut der Ehe mit seinen Strukturmerkmalen nicht beseitigt oder verändert.247 Die Ehe steht weiterhin nur Mann und Frau offen. Ein Institutionalisierungsverbot für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ergibt sich daraus nicht. 246 Hanna-Maria Uhlenbrock, Gesetzliche Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften in Deutschland und Frankreich, 2005, S. 37; Wölfl (Fn. 59), S. 406 f.; Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (54); auch Robbers (Fn. 2), Art. 6 Rn. 48; ders. (Fn. 54), S. 779 (782); ders., Das deutsche „Lebenspartnerschaftsgesetz“, in: zur debatte 2/2001, S. 21; Anne Klein, Für die Verfassungskonformität des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: FPR 2001, S. 434 (435). Bei Klein und Robbers wird allerdings nicht klar, ob sie dieses Ergebnis aus der Institutsgarantie, der Wertentscheidung oder einer Zusammenschau beider Grundrechtsentfaltungen ableiten. 247 Sickert (Fn. 44), S. 163 ff.; Uhlenbrock (Fn. 246), S. 36 f.; Karlheinz Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, 2. Aufl., 2004, Rn. 43; Forkert (Fn. 19), S. 23 f.; Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (710); Mager (Fn. 96), S. 453; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 32; ders. (Fn. 65), S. 487 (495 f.); Freytag (Fn. 17), S. 445 (448); Stefan Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 597; Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (232); Zimmermann (Fn. 3), S. 645 (654 f.); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1899); Sachs (Fn. 10), S. 45 (48); Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 47; Coester-Waltjen (Fn. 2), Art. 6 Rn. 9.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

c) Ergebnis Die in Art. 6 I GG statuierte Institutsgarantie der Ehe wird durch die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften auf einfachgesetzlicher Ebene nicht verletzt.

III. Objektive Wertentscheidung Weder die abwehrrechtliche Funktion des Art. 6 I GG noch die Institutsgarantie der Ehe können als tragfähige Argumente gegen die einfachgesetzliche Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften herangezogen werden. Weiterhin liefern beide grundrechtsdogmatischen Ausprägungen des Art. 6 I GG keinen verfassungsrechtlichen Maßstab für die Frage, wie eng sich die inhaltliche Gestaltung dieses Rechtsinstitutes an die normative Ausgestaltung der Ehe anlehnen kann. Jede diesbezügliche Regelung muss sich dabei jedoch an der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Art. 6 I GG in seiner umfassenden Schutzwirkung messen lassen. Zu dieser gehören nicht nur Abwehrrecht und Institutsgarantie, sondern auch die objektive Wertentscheidung zugunsten der Ehe. 1. Die wertentscheidende Grundsatznorm zugunsten der Ehe in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh die objektiv-rechtliche Dimension des Art. 6 I GG betont248 und neben dem Abwehrrecht und der Institutsgarantie eine dritte Ausprägung dieser Verfassungsnorm entwickelt: Art. 6 I GG wird als wertentscheidende Grundsatznorm zugunsten von Ehe und Familie gesehen. In der Rechtsprechung des Gerichts zu familienrechtlichen Problemstellungen hat eine immer stärkere dogmatische Binnendifferenzierung dieser objektiven Wertentscheidung stattgefunden. Sie übertrifft in ihrer Bedeutung als Argumentationsmaßstab die beiden anderen Ausprägungen des Art. 6 I GG erheblich,249 obwohl sie nicht das Maß an rechtlicher Verbindlichkeit aufweist wie das Abwehrrecht und die Institutsgarantie.250 248 Erstmalig erwähnt als „Grundsatznorm“, „verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts“ und „wertentscheidende Grundsatznorm“ in BVerfGE 6, 55 (71 f., 76). 249 Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 30, Fn. 122: „in der Rspr. des Gerichts überragende Bedeutung“. 250 BVerfGE 80, 81 (92 f.).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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a) Terminologische Bezeichnung Das Bundesverfassungsgericht hat für sie nie nur eine exakte Bezeichnung einheitlich verwandt, sondern verschiedene Termini gebraucht. In Bezug auf Art. 6 I GG wird von ihm am häufigsten der Begriff der „wertentscheidenden Grundsatznorm“ benutzt.251 Es findet sich aber in der Rechtsprechung auch der schon in der ersten thematisch einschlägigen Entscheidung verwandte Begriff der „verbindlichen Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts“.252 Eine weitere terminologische Alternative spricht von einer „Grundsatznorm“ für das gesamte Ehe und Familie betreffende Recht.253 Den beiden zuerst genannten Formulierungen gemeinsam ist die Betonung des „Wertes“ der Ehe im Sinne einer großen rechtlichen, aber auch sozialen Bedeutung dieses Rechtsinstituts, welche ihr nach der Verfassung zukommen soll.254 Der begriffliche Kontext der beiden letztgenannten terminologischen Bezeichnungen betont etwas stärker als der Terminus der „wertentscheidenden Grundsatznorm“ die normative Verbindlichkeit der Schutzaussage des Art. 6 I GG zugunsten von Ehe und Familie für die gesamte Rechtsordnung. Zwischen den verschiedenen Bezeichnungen besteht aber ansonsten kein weiterer sachlicher Unterschied, zumal sie schon zu Beginn der dogmatischen Entwicklung der Wertentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht in derselben Entscheidung nebeneinander verwandt wurden.255 Eine Ansicht, die dem Bundesverfassungsgericht nur wegen seiner terminologischen Verwendung unterstellt, es wolle einen bestimmten Ansatz der Wertephilosophie begrifflich verankern,256 ist deshalb verfehlt.257 251 BVerfGE 6, 55 (71, 76); 24, 119 (135); 31, 58 (67); 51, 386 (396 f.); 62, 323 (329); 76, 1 (49); 80, 81 (92 f.); 87, 1 (35); 103, 242 (257 f.); 108, 351 (363); 112, 332 (352). 252 BVerfGE 6, 55 (72); 22, 93 (98); 61, 18 (25); 105, 313 (346); 107, 205 (212 f.). 253 BVerfGE 53, 224 (248); 55, 114 (126). 254 Lecheler (Fn. 2), Rn. 58, ist deshalb der Auffassung, Art. 6 I GG werde „in dieser Funktion seinem Gegenstand am ehesten gerecht, weil hier unmittelbar der Wertgehalt dieser Einrichtungen angesprochen wird.“ 255 Vgl. BVerfGE 6, 55 (71 f.). 256 Helmut Goerlich, Werteordnung und Grundgesetz, 1973, S. 137, 172, verweist darauf, dass der Topos der „Werteordnung“ keinen inneren Bezug zur Wertphilosophie Lockes und Kants aufweist, sondern durch Unbestimmtheit charakterisiert ist. 257 Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 30: „die terminologische Fassung des Phänomens ist demgegenüber zweitrangig“; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 34; Kingreen (Fn. 7), S. 113: „Die uneinheitliche Terminologie bedeutet freilich keine Vielfalt in der Sache“; vgl. auch Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (56 f.); Hans D. Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 110 (1985), S. 363 (367).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Vielmehr soll damit die über eine ausschließlich abwehrrechtlich verstandene Funktion hinausgehende objektiv-rechtliche Wirkung der Grundrechte betont werden.258 b) Binnendifferenzierung der verfassungsrechtlichen Wirkung der Wertentscheidung Das Bundesverfassungsgericht hat aus der Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie mehrere Rechtswirkungen abgeleitet: aa) Schutzpflicht Nach Art. 6 I GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates. Damit ist nicht nur die jedem Grundrecht zukommende abwehrrechtliche Wirkung umschrieben, welche die jeweils thematisch einschlägige und grundrechtlich gefasste spezifische Ausprägung der Handlungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen schützt. Wenn nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der besondere Schutz von Ehe und Familie die gesamte Rechtsordnung prägt, muss dies auch Auswirkungen auf das Verhältnis des Grundrechtsträgers zum Staat im Vergleich zu Dritten haben, die diese grundrechtliche Freiheitsbetätigung bedrohen. Ehe und Familie als wichtige Rechtsgüter können sich effektiv nicht ausschließlich selbst gegen Eingriffe dieser Art schützen. Der Staat ist danach wegen der Wertentscheidung zu ihren Gunsten verpflichtet, Ehe und Familie auch vor den Eingriffen Dritter zu schützen.259 bb) Förderpflicht Das Bundesverfassungsgericht entnimmt der Wertentscheidung des Art. 6 I GG neben dieser Schutzwirkung gegen Eingriffe Dritter noch weitere bedeutsame Rechtsfolgen für das Dreiecksverhältnis der in Art. 6 I GG genannten Rechtsinstitute zum Staat und zu anderen Personalgemeinschaften. Dazu gehört die Verpflichtung des Staates, Ehe und Familie zu fördern.260 258 Josef Isensee, § 111: Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 81; Kingreen (Fn. 7), S. 113. Wolfram Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 211 f., zieht daraus den Schluss, dass ein Rekurs des Bundesverfassungsgerichts auf den Wertgehalt von Art. 6 I GG für die dogmatische Ableitung von Förderverpflichtung und Benachteiligungsverbot nicht notwendig sei und bloß deskriptiven Charakter für das Ergebnis grammatischer und historisch-genetischer Auslegung besäße. 259 BVerfGE 6, 55 (76); 28, 324 (347); 32, 260 (267); 87, 1 (35); 103, 242 (257 f.).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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cc) Benachteiligungsverbot Wenn der Staat wegen Art. 6 I GG zur Förderung dieser Rechtsinstitute verpflichtet ist, dann dürfen diese erst recht nicht benachteiligt werden. Aus der Förderungsverpflichtung ergibt sich somit bezogen auf die Ehe als Minus das Verbot, sie gegenüber anderen Rechtsgemeinschaften zu benachteiligen.261 Eine Benachteiligung liegt auch dann vor, wenn die Ehe als personale Verbindung zwar nicht unmittelbar schlechter behandelt wird als die Vergleichsgruppe, sie aber der Anknüpfungspunkt für eine Benachteiligung des individuellen Ehepartners ist.262 Ehegatten dürfen deshalb nicht gegenüber Ledigen benachteiligt werden.263 Analysiert man die diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wird ein zweistufiger Prüfungsaufbau des Benachteiligungsverbots erkennbar: Zunächst wird ermittelt, ob überhaupt ein Nachteil für Ehe oder Familie bzw. deren Mitglieder besteht. Verfassungsrechtlicher Prüfungsrahmen ist dabei immer ein Vergleich zwischen diesen Rechtsinstituten und einer Vergleichsgruppe. Das Benachteiligungsverbot ist deshalb als ein gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG besonderer Gleichheitssatz für den thematisch einschlägigen Komplex von Ehe und Familie zu verstehen.264 Die Einschätzung, was als gesetzlicher „Nachteil“ i. S. d. Wertentscheidung zugunsten der Ehe qualifiziert werden muss, ist nämlich nicht dem gesetzgeberischen Spielraum überlassen, sondern unterliegt einer Grundprämisse, die die verfassungsgerichtliche Nachprüfbarkeit überhaupt erst ermöglicht: Nachteilig ist eine Regelung dann, wenn sie gegenüber der Vergleichsregelung des anderen Rechtsinstituts ein quantitatives oder qualitatives Minus aufweist. Umgekehrt ist eine Regelung des Eherechts dann 260 BVerfGE 6, 55 (76); 28, 324 (347); 32, 260 (267); 48, 346 (366); 82, 60 (81); 87, 1 (35); 103, 242 (257 f.); 105, 313 (346); 107, 205 (213); 108, 351 (363). 261 BVerfGE 6, 55 (76); 13, 290 (299); 28, 324 (347); 32, 260 (267); 99, 216 (232); 105, 313 (346); 107, 205 (215); 109, 96 (125). 262 BVerfGE 76, 1 (72); 99, 216 (232). 263 BVerfGE 9, 237 (247); 28, 324 (347); 32, 260 (267); 47, 1 (19); 69, 188 (205); 75, 361 (366); 99, 216 (232); 107, 205 (215); 114, 316 (333). 264 Vgl. BVerfGE 114, 316 (333); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 7; Stern (Fn. 2), § 100 XIII 2, S. 621 f.; Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 31; Christian Starck, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 3 Rn. 301; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 40 f.; ders. (Fn. 65), S. 487 (497); Freytag (Fn. 17), S. 445 (448); Pieroth/ Kingreen (Fn. 41), S. 219 (232); Merten (Fn. 29), S. 615 (620); ablehnend dagegen Kingreen (Fn. 7), S. 212 ff., der in Art. 6 I GG „keine dem Gleichheitsziel spezifisch verpflichteten Gehalte“, sondern dort lediglich die „allen Freiheitsrechten immanenten Gleichheitsaussagen“ sieht.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

kein Nachteil, wenn sie gegenüber den nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine Privilegierung bedeutet oder der Bestimmung für nichteheliche Lebensgemeinschaften inhaltlich ähnlich ist. Ohne einen Vergleich der die Lebensgemeinschaften betreffenden Regelungen ist die Überprüfung einer Benachteiligung folglich nicht möglich. Benachteiligung ist mithin die ökonomische oder rechtliche Schlechterstellung gegenüber der Vergleichsgruppe. Eine Benachteiligung kann dabei grundsätzlich durch zwei alternative gesetzliche Regelungstechniken geschehen: Entweder wird eine die Ehe direkt betreffende Bestimmung erlassen bzw. so verändert, dass die Ehe unmittelbar benachteiligt wird. Gesetzlicher Ansatzpunkt zur Veränderung des Vergleichsmaßstabs ist in diesem Fall die Ehe mit ihren Bestimmungen selbst. Der Gesetzgeber kann aber auch am Regelungskreis des einfachgesetzlichen nichtehelichen Rechtsinstituts ansetzen und eine Norm erlassen, die diese nichteheliche Lebensgemeinschaft gegenüber der Ehe privilegiert. Zur Benachteiligung kann mithin gehören, einen der Vergleichsgruppe gewährten Vorteil den in Art. 6 I GG geschützten Rechtsinstituten bzw. ihren Mitgliedern nicht zu gewähren.265 Bei der Beurteilung der Frage, ob ein echter Nachteil für Ehe oder Familie vorliegt, darf allerdings nicht nur der durch die Regelung erfolgte einzelne Nachteil berücksichtigt werden. Vielmehr ist auch ein eventuell mit derselben Regelung oder zumindest dem Regelungskomplex verbundener Vorteil zu beachten, so dass in diesem Fall eine Gesamtsummierung von Vorteil und Nachteil erfolgen muss. Wenn sich danach Vorteil und Nachteil in etwa ausgleichen, liegt nach der Rechtsprechung keine Benachteiligung vor.266 Diese eher quantitative Betrachtungsweise, die einen normativen Vergleich des „mehr“ und „weniger“ zwischen den einzelnen Regelungsgruppen zieht, wird aber erst dann zu einer qualitativen, wenn zusätzlich Sinn und Zweck der in Rede stehenden Regelung berücksichtigt werden. Von einer Benachteiligung kann nur dann gesprochen werden, wenn der Schlechterstellung von Ehe oder Familie eine sachliche Rechtfertigung fehlt. Damit ist nicht gemeint, dass in diesem Fall das gesetzgeberische Motiv der Regelung die Abwertung der Ehe oder Familie sein muss.267 Vielmehr reicht es aus, dass sachlich gerechtfertigte Gründe für die Ungleichbehandlung nicht vorliegen, sie mithin als „willkürlich“ erscheint.268 Eine Regelung, die an 265

BVerfGE 12, 151 (167); 13, 290 (299); 14, 34 (40 f.); 99, 216 (232). BVerfGE 11, 50 (58 ff.); 12, 151 (167 f.); 15, 328 (333); 75, 361 (366 f.); 107, 205 (215 f.). 267 Vgl. BVerfGE 14, 34 (39). 268 Dieses Attribut wird in BVerfGE 14, 34 (39), benutzt. 266

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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besondere bei Ehe oder Familie gegebene soziale Tatbestände anknüpft, ist deshalb keine Benachteiligung, auch wenn andere Lebensgemeinschaften als Vergleichsgruppe dieser Regelung nicht unterfallen.269 Eine Benachteiligung liegt also nur dann vor, wenn sich erstens für eines oder beide der in Art. 6 I GG genannten Rechtsinstitute eine Regelung bei quantitativer Betrachtung insgesamt als nachteilig erweist und zweitens kumulativ dieser Nachteil nicht durch bestimmte Formen der natürlichen Ausprägung von Ehe oder Familie bedingt ist, d.h., doch sachlich gerechtfertigt ist. dd) Ausstrahlungswirkung Als weitere Rechtswirkung der Wertentscheidung wird eine Ausstrahlung des Art. 6 I GG auf die einfachgesetzliche Rechtsordnung angenommen. Diese konkretisiert sich in der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zugunsten von Ehe und Familie, beispielsweise bei Generalklauseln.270 Für die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit einer institutionellen Strukturierung ist diese intendierte Wirkung der Wertentscheidung zwar von Bedeutung, weil sie auch der Schaffung neuen Gesetzesrechts Grenzen setzen kann.271 Allerdings setzt diese verfassungsrechtliche Wirkung auf das einfache Recht die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Rechtsstruktur voraus. Das bedeutet, dass die Prüfung eines Verstoßes gegen die Schutz- und Förderverpflichtung im Rahmen der Wertentscheidung vorrangig ist gegenüber der Gestaltungsbegrenzung als Konkretisierung der Ausstrahlung der Wertentscheidung. Die Schutz- und Förderverpflichtung ist die dogmatische Voraussetzung der Ausstrahlungswirkung auf das einfache Recht und deshalb der zentrale Maßstab dieser Untersuchung.272 269

BVerfGE 14, 34 (39); 17, 210 (217, 219 f.); 22, 100 (104 f.); 24, 104 (109); 32, 260 (267 f.); 78, 128 (130); 87, 234 (256); BVerfG, FamRZ 1998, S. 893 f. Dies gilt natürlich auch im umgekehrten Fall, wenn sich aus der besonderen sozialen, ökonomischen oder rechtlichen Situation von Ledigen in bestimmter Hinsicht deren Bevorzugung gegenüber Ehepartnern oder Familienangehörigen ergibt. 270 BVerfGE 22, 93 (98). Für Merten (Fn. 29), S. 615 (619), ist ohne weitere Begründung nur dieser Aspekt Ausdruck der Wertentscheidung des Art. 6 I GG, nicht jedoch die zuvor behandelten Rechtswirkungen. Jedenfalls müssen die Schutz- und Förderverpflichtungen sowie das Benachteiligungsverbot dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Grundrechts zugerechnet werden, da sie eindeutig nicht zum Abwehrrecht gehören. 271 Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (57); Stern (Fn. 66), § 69 III 4, S. 927. 272 Vgl. Freytag (Fn. 17), S. 445 (451), die einen engen Zusammenhang zwischen der grundrechtlichen Einordnung der Wertentscheidung und der Ausstrahlungswirkung annimmt. Das ist zwar grundsätzlich zutreffend, berührt aber nicht die dogmatische Eigenständigkeit der auch aus der Wertentscheidung abgeleiteten verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung zugunsten der Grundrechte.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

2. Dogmatische Einordnung der staatlichen Pflichtentypik bei Art. 6 I GG in das System der Grundrechte Die vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten staatlichen Schutzund Förderungspflichten zugunsten von Ehe und Familie sind von ihm und der Literatur mit mehreren Argumentationslinien untermauert worden.273 a) Wortlaut Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass der Staat zum besonderen Schutz von Ehe und Familie verpflichtet ist. Die „weite Formulierung“ dieser Norm ist ein Indiz für deren über die ausschließlich abwehrrechtliche Grundrechtsfunktion hinausgehende Wirkung auf die gesamte Rechtsordnung.274 Die explizite Statuierung eines Schutzes für bestimmte Rechtsgüter findet sich im Grundrechtsteil des Grundgesetzes nur noch für die Menschenwürde in Art. 1 I 2 GG275 und die Mutter in Art. 6 IV GG. Alle anderen Rechtsgüter enthalten – unabhängig von ihrer Bedeutsamkeit für den Einzelnen im System der Grundrechte – eine solche Schutzformel nicht. b) Wertentscheidung für Ehe und Familie als Ausdruck der Genese des Art. 6 I GG aa) Der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 119 WRV Schon in Art. 119 I 1 WRV wurde ein besonderer Schutz der Verfassung für die Ehe „als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation“ normiert. In Art. 119 II 1 WRV waren gesondert die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie als Staatsaufgaben statuiert. Ein besonderer Anspruch auf „ausgleichende Fürsorge“ wurde nach Art. 119 II 2 WRV kinderreichen Familien zuerkannt. Ergänzend konstituierte Art. 119 III WRV einen Anspruch auf staatlichen Schutz und Fürsorge für die „Mutterschaft“. Obwohl Ehe und Familie hier als Schutzgüter – anders als bei Art. 6 I GG – formal noch in getrennten Ab273 BVerfGE 6, 55 (72 ff.), ist die erste Entscheidung zu Art. 6 I GG als Grundsatznorm. Die dort entwickelten dogmatischen Strukturen prägen die gesamte Rechtsprechung zu Ehe und Familie bis in die Gegenwart. Sie kann deshalb als eine „Leit-Entscheidung“ zu dieser Thematik bezeichnet werden. 274 BVerfGE 6, 55 (72); ähnlich Stern (Fn. 2), § 100 IV 6, S. 428; Mager (Fn. 96), S. 425. 275 In BVerfGE 49, 89 (142), wird deshalb ausdrücklich auf Art. 1 I 2 GG als Begründung der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht hingewiesen; vgl. auch Isensee (Fn. 258), Rn. 80.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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sätzen behandelt wurden, ergibt schon der erste Überblick eine auffallende Ähnlichkeit mit der oben beschriebenen Struktur der Wirkungsreichweite der Wertentscheidung des Art. 6 I GG: Durch den in Art. 119 I 1 WRV statuierten funktionalen Zusammenhang zwischen der Ehe einerseits und der Familie sowie der demographischen Bestandsentwicklung des deutschen Volkes andererseits wurden diese Rechtsinstitute mit dem besonderen Schutz der Ehe verknüpft. Diese staatliche Schutzverpflichtung entfaltete sich in Art. 119 II WRV sogar ausdrücklich für die Familie als staatliche Förderpflicht.276 Daraus folgt bei Berücksichtigung des vorstehend beschriebenen Funktionszusammenhangs von Ehe und Familie im Umkehrschluss als Konsequenz, dass mit der Förderung der Familie ebenfalls die Ehe „als Grundlage des Familienlebens“ gefördert werden sollte. Diese Förderungsverpflichtung ist somit der deutlichste Hinweis auf einen objektivrechtlichen Gehalt des Art. 119 WRV, der über die von der Staatsrechtslehre entwickelte Institutsgarantie hinausgeht. Das staatsrechtliche Schrifttum bestätigt diesen Befund. So wurde die thematische Eingliederung von Ehe und Familie in den Grundrechtsteil der Weimarer Reichsverfassung sogar in Frage gestellt, weil Art. 119 WRV keine subjektiven Rechte vermittele, sondern sich ausschließlich auf das „Gemeinschaftsleben“ bezöge.277 Damit wurde dieser Norm letztlich unter Verneinung ihres abwehrrechtlichen Charakters ausschließlich ein objektivrechtlicher Gehalt zugesprochen. Dieser enthielt nicht etwa nur bloße Programmsätze, sondern entfaltete unmittelbar bindende Rechtswirkung.278 Das Schutz- und Fördergebot bezog sich dabei nicht etwa nur auf die Familie, sondern immer auch auf die Ehe als einzig legitime Grundlage des Familienlebens.279 Den engen grundrechtsdogmatischen Wirkungszusammenhang zwischen beiden Einrichtungen stellte die Weimarer Staatsrechtsliteratur zu 276 Allerdings ist dieser Bestimmung nur eine unverbindliche programmatische Bedeutung zuerkannt worden, vgl. Ludwig Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 1932, Art. 119 WRV, S. 471. 277 Wieruszowski (Fn. 67), S. 73 f.; Schmitt (Fn. 67), S. 169, für das Recht auf Fürsorge im Rahmen des Art. 119 WRV: „Seiner logischen und juristischen Struktur nach steht ein solches Recht in einem Gegensatz zu den echten Grund- und Freiheitsrechten, und es ist daher irreführend, hier unterschiedslos von ‚Grundrechten‘ zu sprechen.“ Ders. (Fn. 67), S. 173, für die Familie: „Die Familie als solche hat kein Grundrecht im echten Sinne, ebenso wenig ihr Mitglied als solches. Sie kann nur als Einrichtung verfassungsgesetzlich geschützt werden.“ 278 Carl Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten, in: ders. (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, 2. Aufl., 1973, S. 181 (226); Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 74. Insofern ist die im Verlauf der Beratungen des Parlamentarischen Rates aufgeworfene Frage nach der grundsätzlichen Bindungswirkung des besonderen Schutzes ein Rückfall hinter den Diskussionsstand der Dogmatik der Weimarer Reichsverfassung, auch wenn der Umfang dieser Bindungswirkung sicherlich noch der dogmatischen Klärung bedurfte.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

keiner Zeit in Frage.280 Allerdings muss eingeräumt werden, dass eine detaillierte Systematisierung dieses objektiv-rechtlichen Gehalts der Schutzwirkung noch nicht erfolgte. Teilweise beschränkte das Schrifttum diesen auf die Funktion der Institutsgarantie,281 wobei es bei deren Schutzwirkung zwar primär auf die Wesensmerkmale der Ehe abstellte,282 aber doch auch Ansätze für eine erweiternde Interpretation erkennen ließ.283 Ein Beseitigungsverbot bezogen auf die „Bedingungen“ für „Aufgabe und Zweck der Ehe“ ist dem Benachteiligungsverbot der grundgesetzlichen Wertentscheidung als Konkretisierung der Schutzpflicht und Konsequenz der Förderungsverpflichtung in systematischer Hinsicht durchaus ähnlich. Die These, die damalige Literatur hätte in Art. 119 I WRV ausschließlich die Verfassungsgarantie der Ehe und ansonsten nur einen unverbindlichen Programmsatz gesehen,284 ist angesichts dieser von Teilen des Schrifttums vorgenommenen Erweiterung der Institutsgarantie zumindest verkürzt, auch wenn ein dogmatisch stringente Benachteiligungs- und Fördersystematik in der Tat noch nicht bestand. Carl Schmitt hat die Bedeutung der Grundrechte für die gesamte Rechtsordnung ebenfalls hervorgehoben. In Bezug auf die Gewährleistung des Eigentums in Art. 153 I 1 WRV spricht er von der „Anerkennung eines Prinzips, weil es keinen bürgerlichen Rechtsstaat ohne Privateigentum geben kann und die Weimarer Verfassung eine bürgerlich-rechtstaatliche Verfassung sein will.“285 Dieser Ansatz kommt der Konzeption einer Wertent279 Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 73; dagegen wohl Anschütz (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 200, der Art. 119 I 1 WRV als „eine negative Richtlinie für die Gesetzgebung“ bezeichnet, „der übrige Inhalt des Artikels“ sei dagegen „ein positiver“. Diese Trennung der Rechtswirkung nach den Absätzen leuchtet angesichts der engen inhaltlichen Verbindung von Ehe und Familie, die Art. 119 I 1 WRV selbst zieht, nicht ganz ein. 280 Angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 119 I 1 WRV, der eine direkte funktionale Verbindung zwischen Ehe und Familie enthält, ist die Annahme eines engen Konnexes zwischen beiden Rechtsinstituten nahe liegend. 281 So bei Gebhard (Fn. 276), Art. 119 WRV, S. 470: „Abs. 1 S. 1 ist keine mit unmittelbar verbindlicher Kraft ausgestattete Rechtsnorm, aber gleichwohl nicht ohne rechtliche Bedeutung.“ Es folgt ein Verweis auf die Institutsgarantie der Ehe. 282 Schmitt (Fn. 67), S. 171; Anschütz (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 200; Gebhard (Fn. 276), Art. 119 WRV, S. 470; Boehmer (Fn. 67), Art. 124 WRV, S. 255 ff. 283 Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 76: „Eine Beseitigung derjenigen Bedingungen, deren Versagen Aufgabe und Zweck der Ehe vereiteln würde, könnte nur im erschwerten Wege verfassungsändernder Gesetzgebung (Art. 76) erfolgen.“ Die Schutzwirkung geht hier über die wesensimmanenten Strukturmerkmale der Ehe hinaus und erfasst auch die „Bedingungen“ für „Aufgabe und Zweck der Ehe“, nimmt damit also eine Perspektive mit einem Bezug zur Bedeutung der Ehe in der Gesamtrechtsordnung ein. 284 So Kingreen (Fn. 7), S. 45.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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scheidung für die gesamte Rechtsordnung nahe und ließe sich auch auf die Ehe übertragen. Schmitt geht dabei noch weiter, indem er die Aufhebung eines Einzelgrundrechts für eine Aufhebung der Gesamtverfassung und damit für unzulässig hält, weil jedes Grundrecht wesentlicher und untrennbarer Bestandteil der Verfassung sei.286 Wenn die grundrechtliche Wirkung auf die Gesamtverfassung von ihm als so stark eingeschätzt wird, um wie viel stärker müsste sie sich dann auf die einfachgesetzliche Rechtsordnung auswirken?287 Konsequent spricht Schmitt deshalb von einer Regulierungsfunktion, die dem Schutz der Ehe zukomme. Diese auf alle Normen des zweiten Hauptteils der Weimarer Reichsverfassung ausgedehnte Funktion sieht er darin, dass jene „Grundriß für eine zu entwerfende Gesetzgebung“ und „Regulatoren“ seien, „auf welche sich die etwa nötigen Revisionen und Erweiterungen des bereits Bestehenden gründen müssen.“288 Insgesamt wird das Bemühen deutlich, die Grundrechtssystematik von einer ausschließlich individuellen Staat-Bürger-Perspektive zu lösen und sie auch im Hinblick auf die Gesamtrechtsordnung zu entfalten. Zwar wurde in der Literatur für Art. 119 I 2, II, III WRV im Rahmen des Fürsorgegebotes angenommen, dass es noch kein subjektives Recht verleihe, sondern dieses erst einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung bedürfe.289 Allerdings war die Frage der Bindungswirkung des Verfassungsrechts mit der Zuordnung eines subjektiven Rechts nicht identisch. Man konnte ersteres bejahen und letzteres verneinen.290 Den dogmatischen Schritt zum klassisch grundrechtlichen und damit insbesondere abwehrrechtlichen Gehalt des Eheschutzes hat erst der Parlamentarische Rat in seinen Beratungen gewagt, ohne die Schutzwirkung der Institutsgarantie und die Ansätze eines objektiv-rechtlichen Gehalts der Norm aufzugeben.

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Schmitt (Fn. 67), S. 172. Schmitt (Fn. 67), S. 177. Mit dieser dogmatisch innovativen Auffassung antizipiert er Art. 19 II GG. 287 Ähnlich auch Schmitt (Fn. 278), S. 181 (191 f.): Grundrechte als „(. . .) für die gesamte staatliche Ordnung und jeden einzelnen Betätigungszweig maßgebende Gesamtentscheidung, deren Sicherung und Ausführung der Staat (government) zu dienen hat.“ Er zweifelt allerdings auf S. 194 ff. daran, ob die Weimarer Reichverfassung wirklich eine solche durchgehend konsistente Grundentscheidung beinhaltet. Der Schutz der Ehe wird von ihm aber auf S. 198 explizit als Ausdruck eines „sozial-konservativen Gesamtergebnis(ses)“ erwähnt. 288 Schmitt (Fn. 278), S. 181 (226, 228). 289 Anschütz (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 188, 200; ähnlich Gebhard (Fn. 276), Art. 119 WRV, S. 471, für den diese Absätze nur unverbindlich programmatische Bedeutung besitzen. 290 Wie etwa bei Wieruszowski (Fn. 67), Art. 119 WRV, S. 73 f.; Schmitt (Fn. 67), S. 173, für die „Familie“. 286

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

bb) Die dogmatische Schutzwirkung des besonderen Schutzes für Ehe und Familie in den Beratungen des Parlamentarischen Rates Ein wichtiger Abschnitt des bisherigen Untersuchungsgangs befasste sich mit der Beschreibung der Entstehungsgeschichte des Art. 6 I GG im Rahmen der Beratungen des Parlamentarischen Rates. Wie dort herausgearbeitet wurde, besteht kein Zweifel, dass während dieser Diskussionen als Ehe im Sinne des Art. 6 I GG immer die umfassende Lebensgemeinschaft von Mann und Frau gemeint war. Gleichzeitig stellt sich allerdings die Frage, ob der Verfassungsgeber mit dieser Norm eine über die abwehrrechtliche Funktion hinausgehende verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie intendiert hatte. Im Gegensatz zu den Strukturmerkmalen der Ehe waren nämlich die mit der Statuierung eines besonderen Schutzes verbundenen verfassungsdogmatischen Implikationen der eigentliche Diskussionspunkt im Verlauf der Beratungen. (1) Verlauf der Beratungen In der 24. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 23. November 1948, der sich erstmals mit dem neu eingebrachten Vorschlag der CDU/CSU auf Aufnahme eines besonderen Schutzes für Ehe und Familie beschäftigte, wurde kritisiert, dass eine solche Bestimmung nur deklaratorische Bedeutung hätte.291 Diesem Einwand ist allerdings vom Ausschussvorsitzenden von Mangoldt (CDU) die enge historische Kontinuität dieses Vorschlags zu Art. 119 I WRV entgegengehalten worden. Gesetze, die „die Grundsätze der Verfassung über die Ehe und Familie abändern wollten“, hätten danach „verfassungsändernden Charakter“ haben müssen.292 Ob dieser Schutz in einer neuen Verfassung „unter die sozialen Ordnungen eingereiht“ oder „unter den allgemeinen Grundrechten“ normiert werde, sei „nicht ohne weiteres ausgemacht“. Beides sei möglich.293 Im Zusammenhang mit der Frage einer verfassungsrechtlich festgeschriebenen Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder wurde von ihm mehrmals ausdrücklich betont, dass alle Verfassungsnormen unmittelbar geltendes und verbindliches Recht darstellen sollten.294 Ein verfassungsrechtlich fundierter 291 Bergsträsser (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 643: „Das ist eine Deklaration. Wie wollen Sie daraus ein klagbares Recht herleiten?“ 292 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 643. 293 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 645. 294 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 644: „Wir wollen hier keine Programmsätze aufstellen, sondern jeder Satz unseres Katalogs soll unmittelbar geltendes Recht sein (. . .) Was wir hier niederlegen wollen, soll unmittelbar gel-

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und wirksamer Schutz für Ehe und Familie wurde auch aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus gefordert.295 Bergsträsser (SPD), der in der Diskussion der vorgeschlagenen Schutzformulierung für Ehe und Familie grundsätzlich kritisch gegenüberstand, formulierte deshalb als zweiten Kritikpunkt, dass diese „zu sehr ins allgemeine“ ginge. Er betonte, dass die Textvorschläge der anderen Grundrechte dagegen „so konkret wie möglich“ seien.296 Aus diesen Beiträgen werden schon in diesem frühen Stadium der Diskussion die zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen verfassungsdogmatischen Folgerungen deutlich, die die Mitglieder des Parlamentarischen Rates aus der vorgeschlagenen Statuierung eines besonderen Schutzes zogen: Während der die Ausschussmehrheit repräsentierende Vorsitzende von Mangoldt durchaus eine Bindungswirkung der „Grundsätze der Verfassung“ für den Gesetzgeber bejahte, zeigten sich bei der SPD Zweifel über die grundrechtliche Einordnung dieser Formulierung. Auf der einen Seite wurde ihre vermeintlich bloß deklaratorische Wirkung, auf der anderen Seite ihre im Vergleich zu den anderen Grundrechtsnormen größere Abstraktheit herausgestellt. Das letztgenannte Argument hat allerdings zur Prämisse, dass der Schutz für Ehe und Familie aus systematischer Sicht in den Grundrechtsteil gehört. Es beschränkt sich daher eher auf die Kritik an der konkreten Formulierung dieses Normentwurfs. In der 29. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 4. Dezember 1948 wurde die verfassungsdogmatische Einordnung einer möglichen Schutzwirkung für Ehe und Familie wiederum kontrovers diskutiert. Das schon beschriebene Argument, ein solcher Schutz gehöre nicht in den Grundrechtsteil der neuen Verfassung, wurde nun durch den Verweis auf den provisorischen Charakter des Grundgesetzes zu fundieren versucht. Man müsse sich deshalb auf die „klassischen Grundrechte“ beschränken.297 Dieser These wurde nicht nur entgegnet, dass auch die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen Ehe und Familie behandele,298 sondern tendes Recht sein.“ Mit diesem Argument lehnte er auch die Aufnahme einer Formulierung zur Förderung der sozialen Gleichstellung nichtehelicher Kinder in die Verfassung ab. 295 Wilhelm Heile (DP), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 645: „In Weimar stand man unter dem Eindruck, dass man die Familie unter den Schutz des Staates stellen musste. Inzwischen haben wir erlebt, wie sehr der Staat der Nazi [sic!] die Grundlagen der Familie zerrüttet hat. Ich halte den Schutz der Ehe und Familie nicht für eine Deklamation, sondern im Hinblick auf das, was wir erlebt haben, für eine Notwendigkeit.“ 296 Bergsträsser (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 643. 297 Menzel (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 806. 298 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5 II, S. 807.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

auch, dass sich der provisorische Charakter ausschließlich auf das Staatsgebiet, nicht aber auf den eigentlichen Inhalt einer Verfassung beziehe.299 Aber auch die vermeintliche mangelnde Rechtsverbindlichkeit einer Schutzformulierung wurde gegen ihre Statuierung wiederum vorgebracht.300 Von Mangoldt (CDU) betonte demgegenüber noch einmal, dass in den Katalog der Grundrechte „nur die Menschen- und Freiheitsrechte“ aufgenommen werden sollten.301 Damit machte er deutlich, dass die Konsequenz einer Implementierung des Schutzes von Ehe und Familie in diesen Teil des Grundgesetzes die unmittelbare Rechtsgeltung dieses Schutzes wäre.302 Man kann deshalb konstatieren, dass die Kontroverse im Grundsatzausschuss weniger um die Frage geführt wurde, ob überhaupt ein verfassungsmäßiger Schutz von Ehe und Familie eingeführt, sondern ob dieser Bestandteil des Grundrechtsteils werden sollte.303 In der folgenden Diskussion wurde dann die verfassungsrechtliche Schutzwirkung präzisiert: Unter Bezugnahme auf die Kommentierung des Art. 119 I GG bei Anschütz wies von Mangoldt darauf hin, dass „die grundlegenden Sätze (. . .) über Ehe und Familie einen gewissen verfassungsrechtlichen Schutz genießen.“304 Süsterhenn (CDU) konkretisierte diese Ansicht mit der Feststellung, „die Institutionen sollen so erhalten bleiben, wie sie in ihren überlieferten Grundzügen vorhanden sind.“305 Diese scheint auf den ersten Blick vor allem die Schutzwirkung von Abwehrrecht und Institutsgarantie zu bezeichnen, nicht aber weitergehende 299

Süsterhenn (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 807. Bergsträsser (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 810: „(. . .) dann sind diese Artikel von den ersten Artikeln sehr verschieden, indem sie nicht das geben, worauf wir größten Wert gelegt haben, nämlich Formulierungen, die ein wirklich anwendbares bindendes Recht geben können, sondern sie entwickeln sich zu reinen Deklarationen, ich möchte sagen Deklamationen. Das sind Programme, aber nichts Positives.“ Ähnlich Heuss (FDP), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 808 f., der allerdings auch zum Ausdruck bringt, dass die FDP den Vorschlag von CDU/CSU wegen dessen Bezug zur Menschenrechtserklärung der UN trotzdem akzeptieren würde; zweifelnd auch Fritz Eberhard (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 812, 820: „das gehört nicht hierher“. 301 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 814. 302 Vgl. auch v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 827: „Es soll unmittelbar geltendes Recht sein.“ 303 Menzel (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 823: „Wir bestreiten nicht die materielle Richtigkeit dieser Sätze, sondern nur die systematische Einordnung.“ Er ist dort explizit der Auffassung, dass die Ehe „in das Grundgesetz“ hineingehöre. 304 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 826. Die von ihm vorgenommene Differenzierung zwischen den Formulierungen „Schutz der Verfassung“ und „Schutz des Staates“, der keine Rechtsverbindlichkeit zukomme, ist wenig nachvollziehbar und wird auch nicht begründet. Der Schutz des Staates würde ja auch in diesem Fall durch die Verfassung statuiert; er hätte deshalb ebenso wie die erste Formulierung Verfassungsrang und bände den Gesetzgeber. 305 Süsterhenn (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 827. 300

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dogmatische Konsequenzen im Sinne einer Wertentscheidung für die gesamte Rechtsordnung zu rechtfertigen.306 Dafür könnte sprechen, dass sich aus damaliger Sicht angesichts des kurzen Zeitabstands zum Nationalsozialismus das Gefährdungspotential für die Institution der Ehe primär aus der Richtung eines frontalen staatlichen Angriffs des Gesetzgebers auf die Eheschließungsfreiheit und die institutionellen Strukturmerkmale der Ehe definieren ließ.307 Allerdings stand auch aus dieser Sicht nach dem beschriebenen Diskussionsstand nicht in erster Linie die Gefährdungsrichtung, sondern die Stabilisierung der Ehe durch die Verfassung im Vordergrund. Die aus systematischer Sicht dargelegte Konkretisierung der Wertentscheidung ist mit diesem Motiv nicht nur vereinbar, sondern effektuiert es. Ohne eine Förderung und ein gleichzeitig bestehendes Benachteilungsverbot der Ehe wäre sie vor Gefährdungen weniger wirkungsvoll geschützt. In der ersten Lesung des Hauptausschusses vom 7. Dezember 1948 schlug die Fraktion der SPD zunächst eine Abänderung des Entwurfs der Norm vor. Sie sollte danach lauten: „Ehe, Familie und Kind genießen den Schutz der Verfassung.“308 Die Diskussion konzentrierte sich in dieser Sitzung wesentlich auf die Stellung des nichtehelichen Kindes. Mit elf zu zehn Stimmen wurde in Art. 7a I an der Statuierung eines besonderen Schutzes für die „Ehe als die rechtmäßige Form der fortdauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und die mit ihr gegebene Familie sowie die aus der Ehe und der Zugehörigkeit zur Familie erwachsenden Rechte und Pflichten“ durch die Verfassung festgehalten. In der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 13. Dezember 1948 zum Art. 7a, der in seinem Absatz 1 den besonderen Schutz von Ehe und Familie, in Absatz 2 den Anspruch der Mutter auf staatlichen Schutz und Fürsorge statuierte und im Absatz 3 einen Gesetzgebungsauftrag zur Schaffung gleicher Lebensbedingungen für eheliche und uneheliche Kinder enthielt, findet sich nochmals das schon beschriebene Argument der mangelnden Rechtswirksamkeit dieser Normierung. Ansonsten wurden im Formulierungsvorschlag des Redaktionsausschusses die konkretisierenden Umschreibungen der Ehe ebenso entfernt wie die Beschrei306 Süsterhenn (CDU) beschränkt den Schutzgehalt wohl tatsächlich auf Abwehrrecht und Institutsgarantie. Dafür spricht seine knappe Antwort „Das ist die einzige Rechtsfolge“ auf die Bemerkung von Reinhold Maier (FDP), dass „wenn etwa der Bundestag mit Mehrheit die jetzige Institution der Ehe aufheben wollte, dann dieses Gesetz eine Verfassungsänderung bedeutete“, vgl. PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 827. 307 Wie etwa das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ v. 15.9.1935, RGBl. I, 1146. 308 Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 1948/49, S. 241. Bergsträsser (SPD) bemerkt dazu, dass der Satz im Entwurf „etwas kürzer gefaßt“ werden solle. Inhaltliche Differenzen über den besonderen Schutz wurden an dieser Stelle nicht vorgetragen.

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bung der „Rechten und Pflichten“ und der Begriff der „Verfassung“ durch den der „staatlichen Ordnung“ ersetzt.309 Die zunächst veröffentlichte Stellungnahme des Redaktionsausschusses wurde später allerdings insoweit entscheidend berichtigt, als sich die Kritik an der rechtlichen Unverbindlichkeit nur auf den dritten Absatz, der die unehelichen Kinder betraf, aber nicht mehr – wie ursprünglich dargestellt – auf den gesamten Artikel beziehen sollte.310 Der Ausschuss für Grundsatzfragen beschäftigte sich in der folgenden 31. Sitzung vom 16. Dezember 1948 mit Eingaben zum Verfassungsentwurf. Zum Themenbereich von Ehe und Familie wurde vor allem die Eingabe des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, des Erzbischofs von Köln, Josef Kardinal Frings, diskutiert. Dieser hatte die Implementierung eines besonderen Schutzes für Ehe und Familie „als die dem Menschen nächstliegenden Lebensgemeinschaften“ in die Verfassung gefordert.311 Der Grundsatzausschuss war sich einig, dass diese Forderung durch den auf der letzten Hauptausschusssitzung am 7. Dezember 1948 verabschiedeten Art. 7a I erfüllt worden sei.312 Auf die Stellungnahme des Redaktionsausschusses ging der Ausschuss für Grundsatzfragen nicht ein, sondern machte sich auf seiner 32. Sitzung vom 11. Januar 1949 einen Vorschlag des Deutschen Sprachvereins zu Art. 7a I zu Eigen. Danach sollte Art. 7 a I nunmehr lauten: „Die Ehe ist die rechtmäßige Form der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Sie bildet die Grundlage der Familie. Ehe und Familie und die damit verbundenen Rechte und Pflichten stehen unter dem Schutze des Staates.“ Von Mangoldt betonte ausdrücklich, dass kein inhaltlicher Unterschied zwischen dem „Schutz der Verfassung“ und dem „besonderen Schutz der Verfassung“ bestünde.313 309 PR (Fn. 106), Bd. 7, S. 138: „Art. 7a hat nur programmatische Bedeutung. Er stellt grundsätzlich nur Richtlinien für den Gesetzgeber auf und hat darüber hinaus nur den Charakter einer Auslegungsvorschrift für die rechtsanwendenden Instanzen. Damit wird der Grundsatz durchbrochen, in den Grundrechtsteil nur unmittelbar geltendes Recht aufzunehmen.“ Vgl. auch Werner Matz, Art. 6, in: JöR 1 (1951), S. 92 (97 f.). 310 PR-Drucks. Nr. 394 vom 18.12.1948, S. 3. Vgl. auch den Hinweis in BVerfGE 6, 55 (75), der die unberichtigte Darstellung bei Matz (Fn. 309), S. 92 (97 f.), ausdrücklich für unzutreffend erklärt. 311 PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 903 (Fn. 75). 312 Helene Weber (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 905: „Eine Reihe der Forderungen, die Forderungen betreffend die Ehe und die Familie sowie betreffend die Kirche, sind in der letzten Hauptausschußsitzung angenommen worden.“; v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 905: „Alles was darin steht, ist gewährleistet.“ 313 PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 935: „Inhaltlich ist es genau dasselbe, aber in der Formulierung besser.“ Gemeint war damit die Formulierung des Deutschen Sprachvereins, in der auf den „besonderen“ Schutz verzichtet wurde.

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In der zweiten Lesung des Hauptausschusses (43. Sitzung) vom 18. Januar 1949 standen wiederum Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Stellung des unehelichen Kindes im Mittelpunkt der Diskussion um Ehe und Familie. Greve (SPD) lenkte gegen deren Ende den Blick auf den Schutz von Ehe und Familie in der Textfassung des Grundsatzausschusses und brachte nochmals das Argument der vermeintlich fehlenden unmittelbaren Rechtswirkung einer solchen Bestimmung in der Verfassung vor.314 Er stellte den Antrag, diesen Absatz zu streichen oder bei dessen Ablehnung zumindest die Fassung des Redaktionsausschusses zu übernehmen. Der Antrag auf Streichung wurde mit elf zu zehn Stimmen abgelehnt, der hilfsweise gestellte Antrag mit zwölf zu neun Stimmen angenommen. Damit lautete Art. 7 a I nunmehr: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Im Rahmen der dritten Lesung anlässlich der 47. Sitzung des Hauptausschusses am 8. Februar 1949315 wurde diese Textfassung ebenso wie in der vierten Lesung316 nicht mehr modifiziert. Seit der Verkündung des Grundgesetzes besteht diese Textfassung als Art. 6 I GG bis heute unverändert fort. (2) Strukturierung der Diskussionsschwerpunkte Den Diskussionsverlauf hinsichtlich der grundrechtsdogmatischen Auswirkungen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie zusammenfassend sind folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: Erstens bestand zu Beginn der Beratungen kein allgemeiner Konsens zwischen allen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates über die systematische Konzeption des Grundrechtsschutzes innerhalb der zu schaffenden Verfassung.317 Dies zu erwarten wäre allerdings illusorisch gewesen, denn zum 314 Otto Heinrich Greve (SPD), in: PR (Fn. 308), S. 554; vgl. auch Matz (Fn. 309), S. 92 (98). In BVerfGE 6, 55 (75), wird allerdings bezogen auf diese Äußerung darauf hingewiesen, dass die Ansichten eines einzelnen Abgeordneten keinesfalls mit dem gesetzgeberischen Willen identisch sind und im übrigen die Beiläufigkeit dieser Äußerung dafür spreche, dass sich Greve selbst noch keine endgültige Meinung dazu gebildet habe. 315 PR (Fn. 308), S. 615. 316 57. Sitzung des Hauptausschusses vom 5. Mai 1949, vgl. PR (Fn. 308), S. 759 f. 317 Axel v. Campenhausen, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: VVDStRL 45 (1986), S. 7 (34), der allerdings auch anmerkt, dass es „deutscher Rechtstradition“ entsprochen habe, „Ehe und Familie auf mancherlei Weise zu fördern.“ Weitergehend Heinhard Steiger, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: VVDStRL 45 (1986), S. 55 (84), der die Entstehungsgeschichte gegen eine unterstellte Absicht des Verfassungsgebers ins Feld führt, eine Förderungsverpflichtung zu konstituieren.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

einen wies die Entwicklung der Grundrechtsdogmatik zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung, an die der Parlamentarische Rat anknüpfte, selbst auch keine gleichmäßige Kontinuität auf, sondern war von Kontroversen und Entwicklungsschüben – wie etwa der bahnbrechenden Konzeption der Einrichtungsgarantien – geprägt. Zum anderen war für die Mitglieder eine Rezeption der Weimarer Verfassungsdogmatik nur vor dem Hintergrund der Missbrauchserfahrungen durch den totalitären Nationalsozialismus denkbar: Die negativen Erfahrungen und Bruchstellen, an denen sich gerade die grundrechtliche Schutzwirkung der Weimarer Verfassung als zu schwach erwiesen hatte, mussten bei der Verfassungsgebung genauso berücksichtigt werden wie die damals aktuelle Abgrenzung gegenüber dem sich formierenden Gesellschaftssystem kommunistischer Prägung in der Sowjetisch Besetzten Zone. Insofern konnte der Parlamentarische Rat den verfassungssystematischen Diskussionsstand der Weimarer Staatsrechtslehre nicht nahtlos auf die neue Verfassung übertragen, sondern war für neue verfassungsdogmatische Entwicklungen offen. Dazu bedurfte es einer Klarstellung der wesentlichen Grundsätze der grundrechtlichen Rechtswirkung, aber nicht schon einer detailliert vorgegebenen Grundrechtssystematik. Zweitens kann man konstatieren, dass über diese Grundsätze in der Frage des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie trotz aller Einzelkontroversen im Verlauf der Diskussion im Parlamentarischen Rat eine weitgehende Einigkeit erzielt wurde. Zwar bezweifelten einzelne Mitglieder bis zum Schluss, dass dem Schutz von Ehe und Familie überhaupt irgendeine Rechtswirkung zukommen könnte. Diese Zweifel wurden aber während der Diskussionen in den Ausschüssen immer verhaltener geäußert und wichen der vor allem durch von Mangoldt energisch vorgetragenen Erkenntnis, dass alle Bestimmungen der Verfassung, insbesondere aber die Grundrechte, unmittelbare Rechtswirkung entfalteten und gerade darum der Schutz von Ehe und Familie in den Grundrechtsteil gehöre.318 Der Schwerpunkt der Diskussion innerhalb dieses Themenkreises hat sich deshalb relativ schnell vom besonderen Schutz von Ehe und Familie zur Frage der rechtlichen Bindungskraft einer verfassungsmäßig festgeschriebenen Förderungsverpflichtung zur sozialen Gleichstellung nichtehelicher Kinder verlagert.319 Die fehlende Darstellung der entsprechenden Kontroversen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum LPartDisBG vermisst Peter J. Tettinger, Kein Ruhmesblatt für „Hüter der Verfassung“, in: JZ 2002, S. 1146 (1149). 318 Peter J. Tettinger, Der grundgesetzlich gewährleistete besondere Schutz von Ehe und Familie in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), S. 117 (129). Auch wenn v. Mangoldt (CDU) zum Schluss der vom Parlamentarischen Rat verabschiedeten Fassung des Redaktionsausschusses selbst skeptisch gegenüberstand, so ist sein Beitrag zur verfassungsdogmatischen Konturierung eines Schutzes der Ehe während des gesamten Diskussionsverlaufs nicht hoch genug einzuschätzen.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Drittens wurden bei den Beratungen auch die inhaltlichen Umrisse dieser Grundsätze sichtbar. Neben dem nie ausdrücklich diskutierten, aber von allen vorausgesetzten Eheverständnis mit seinen traditionellen Strukturmerkmalen wurden bei der Schutzwirkung vor allem die schon aus der Weimarer Verfassungsdogmatik bekannte abwehrrechtliche Perspektive sowie der durch die Institutsgarantie bewirkte institutionelle Schutz betont. Die später von der verfassungsgerichtlichen Judikatur vorgenommene Systematisierung der objektiv-rechtlichen Wirkung des besonderen Schutzes im Sinne einer objektiven Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie lag den Beratungen selbst noch nicht in detaillierter Form zugrunde. Ansätze dazu waren aber durchaus vorhanden: In den Diskussionen wurde sowohl die verfassungsrechtliche, aber auch die große soziale Bedeutung sichtbar, die Ehe und Familie im Rahmen des Gesellschaftssystems nach dem Willen aller an der Diskussion beteiligten Mitglieder des Parlamentarischen Rates zukommen sollte. Dies spricht für eine Deutung der Schutzformulierung, die über den gewissermaßen rein „passiven“ Schutz vor direkten staatlichen Eingriffen des Gesetzgebers hinausgeht und auch einen aktiven Schutz im Sinne einer Förderung dieser Institute durch den Gesetzgeber einbezieht, um die Unterminierung der Stellung von Ehe und Familie im Staatsgefüge zu verhindern. Für diese Interpretation lassen sich die mehrmals wiederholten eindringlichen Hinweise auf die unmittelbare Rechtsgeltung dieses besonderen Schutzes bei Implementierung im Grundrechtsteil anführen. Der dogmatische Schritt zu einer Auslegung, die diese Rechtsverbindlichkeit der Verfassungsnorm für die gesamte Rechtsordnung betont und deren Bedeutung systematisch als Wertentscheidung oder Grundsatznorm entfaltet, liegt nahe. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der gerade vom Bundesverfassungsgericht herausgehobenen dogmatischen Kontinuität des Art. 6 I GG zu Art. 119 I WRV im Blick auf eine Wertentscheidung der Verfassung.320 Man wird deshalb insgesamt nicht nur – wie das Bundesverfassungsgericht – in der Negation formulieren können, dass keine Anhaltspunkte für eine dogmatische Inhaltsveränderung der Weimarer verfassungsrechtlichen Gewährleistung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie durch den Parlamentarischen Rat erkennbar sind. Darüber hinaus ist positiv zu konstatieren, dass sich in den Diskussionen der Ausschüsse grundlegende Ansätze für eine entsprechende inhaltliche Kontinuität der Schutzwirkung mit einer noch präziseren Betonung der unmittelbaren Rechtsgeltung dieses Schutzes als zur Weimarer Zeit finden. Die historische Genese des Art. 6 I GG bestätigt deshalb die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Systematisierung 319

Diese Verschiebung des Diskussionsschwerpunkts ist deshalb entgegen Krings (Fn. 109), S. 409 (411), kein Anzeichen dafür, dass im Parlamentarischen Rat zur Bedeutung des Art. 6 I GG keine Aussage getroffen worden sei. 320 Vgl. dazu BVerfGE 6, 55 (73 f.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

des objektiv-rechtlichen Gehalts des besonderen Schutzes von Ehe und Familie als Wertentscheidung mit allgemeiner Schutzwirkung gegen Eingriffe Dritter sowie staatlicher Förderverpflichtung und Benachteiligungsverbot. c) Systematik der objektiven Wertentscheidung für Ehe und Familie aa) Besondere und allgemeine Schutzverpflichtung Die außergewöhnliche grundgesetzliche Formulierung eines „besonderen Schutzes“ für Ehe und Familie hat im Schrifttum auch zu einer Klassifizierung der Pflichtentypik des Art. 6 I GG als „besonderem Schutzauftrag“ geführt.321 Dessen dogmatische Spezifik liegt neben der ausdrücklichen Formulierung einer Schutzpflicht durch das Grundgesetz in einer Zusammenfassung mehrerer institutsbezogener Rechtswirkungen – Förderungsverpflichtung und Benachteiligungsverbot – in einer Norm.322 Daneben hat das Bundesverfassungsgericht aber – unabhängig von einer expliziten Festschreibung im Verfassungstext – für jedes Grundrecht eine objektive Wertentscheidung und eine sie konkretisierende allgemeine Schutzverpflichtung des Staates angenommen.323 Insofern erweist sich das Argument des Bundesverfassungsgerichts, eine staatliche Schutzverpflichtung für Ehe und Familie ergebe sich auch aus seiner Stellung im Grundrechtsteil der Verfassung,324 als ausgesprochen bedeutsam. Es antizipiert damit die spätere Generalisierung des Schutzpflichtgedankens für den Art. 6 I GG. Für die dogmatische Begründung dieser Schutzwirkung aller Grundrechte wurden in der Literatur325 mehrere Ansätze entwickelt: Zum einen wird die Schutzverpflichtung mit der Effektivität der Grundrechtsbetätigung begründet, die nur durch staatlichen Schutz gewährleistet 321 Stern (Fn. 66), § 69 IV 3, S. 934; ähnlich ders. (Fn. 2), § 100 IV 6 a, S. 429; Krings (Fn. 109), S. 409 (411). 322 Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 17. Für Georg Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 196, hat bei Art. 6 I GG der „Begriff des Schützens eine völlig andere Bedeutung“ als der Schutz eines Rechtsgutes vor Dritten. Daran ist zutreffend, dass dort primäre und sekundäre Schutzpflichten unterschieden werden müssen. Ein Zusammenhang zwischen beiden Ausprägungen besteht aber dennoch, vgl. unten 3. Kapitel A. III. 2. c) bb), S. 309 f. 323 Eine Übersicht über die diesbezügliche verfassungsgerichtliche Rechtsprechung findet sich bei Jarass (Fn. 257), S. 363 (369 ff.). Siehe auch Sodan (Fn. 165), S. 421 (424): „Die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat, sondern auch objektive Wertentscheidungen.“ 324 BVerfGE 6, 55 (72). 325 Stern (Fn. 66), § 69 IV 5, S. 947, weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht selbst sich an keiner Stelle um eine solche vertiefte Begründung bemüht hat.

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werden könne. Grundrechte sind danach nur in einem Verfassungsstaat denkbar, der gleichzeitig eine staatlich garantierte „Friedensordnung“ ist.326 Josef Isensee hat in diesem Zusammenhang pointiert vom „Grundrecht auf Sicherheit“ gesprochen, das der Unversehrtheit der grundrechtlichen Schutzgüter diene und vom Staat selbst gewährleistet werde.327 Mit ähnlichem verfassungsdogmatischen Akzent wird ergänzend vorgetragen, dass dies besonders deutlich durch die in Art. 1 III GG ausgesprochene Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte als unmittelbar geltendem Recht zum Ausdruck komme.328 Für eine solche Interpretation dieser Norm spricht, dass die Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte einen weitergehenden Aussagegehalt haben muss als die bloße Statuierung eines Vorrangs der Verfassung vor dem einfachen Gesetzesrecht. Eine grundrechtliche Bindung des Staates ist folglich nur dann umfassend freiheitssichernd, wenn sie den durch die Grundrechte geschaffenen Freiheitsraum vor den Eingriffen Dritter schützt. Ein anderer, in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelter Ansatz, der die Schutzverpflichtung als Kehrseite eines allgemeinen Teilhabe- und Leistungsanspruchs interpretiert,329 sprengt dagegen das klassische grundrechtliche System: Die abwehrrechtliche Funktion der Grund326 Isensee (Fn. 258), Rn. 31; Johannes Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 21 ff.; Stern (Fn. 66), § 69 IV 5, S. 946; Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 414 f.; Hermes (Fn. 322), S. 197 ff., der den personal-autonomen Gehalt der Grundrechte betont und daraus dessen Sicherung durch staatliche Schutzpflichten entwickelt; ähnlich Gerhard Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 195: „In diesem Sinne bilden Grundrechte heute das Wertezentrum der staatlich verfaßten Gesellschaft.“ Cremer (Fn. 258), S. 258 ff., leitet entstehungsgeschichtlich eine allgemeine Schutzpflichtfunktion aus einem „Grundrecht auf Sicherheit“ ab, das „verfassungstextlich an die Einzelgrundrechte rückgebunden wird.“ (S. 264). 327 Josef Isensee (Fn. 258), Rn. 83 f.; ders., Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 33 ff. 328 Stern (Fn. 66), § 69 IV 5, S. 948 f. Robbers (Fn. 326), S. 188 ff., macht zusätzlich auch Art. 1 I 2 GG und den Vertrauensschutz des Einzelnen auf Übernahme der staatlichen Verantwortung für die Grundrechtsgüter als Begründung einer staatlichen Schutzverpflichtung fruchtbar; zu Art. 1 I 2 GG in diesem Zusammenhang auch Dietlein (Fn. 326), S. 66 f.; Hermes (Fn. 322), S. 194 ff. 329 Otfried Seewald, Gesundheit als Grundrecht, 1982, S. 77 ff., 87, der aus Art. 1 I 2 GG eine leistungsrechtliche Dimension jedes Grundrechts zum Schutz ihres Menschenwürdekerns ableitet; Alexander Roßnagel, Grundrechte und Kernkraftwerke, 1979, S. 51 f.; Wolfgang Loschelder, Staatliche Regelungsbefugnis und Toleranz im Immissionsschutzrecht zwischen Privaten, in: ZBR 1977, S. 337 (339 f.); Rupert Scholz, Nichtraucher contra Raucher, in: JuS 1976, S. 232 (234); einschränkend nur bei „Grundrechtsgefährdung“ Christian Sailer, Subjektives Recht und Umweltschutz, in: DVBl. 1976, S. 521 (529). Letzterer trifft sich in dieser Einschränkung insofern wieder mit der Konzeption der Schutzpflicht als Sicherungsaufgabe der Freiheitsbetätigung, vgl. Isensee (Fn. 258), Rn. 92.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

rechte tritt ganz in den Hintergrund,330 sowohl Schutzbereichs- als auch Schrankensystematik verlieren ihren grundrechtlichen Anknüpfungspunkt und werden zu spezifischen Tatbestandsmerkmalen von „Anspruchsgrundlagen“. Außerdem kann damit zwar die Förderverpflichtung, nicht aber die Schutzwirkung gegenüber Eingriffen Dritter begründet werden.331 Diese Argumentation ist deshalb systematisch weniger überzeugend. Das verfassungsdogmatische Gegenstück zu ihr ist schließlich ein dritter Ansatz, der die abwehrrechtliche Dimension als grundrechtliche Ausgangsbasis der Schutzpflicht ganz in den Vordergrund stellt.332 Ein Eingriff Dritter in den Schutzbereich des Grundrechtsberechtigten wird dabei nicht etwa ausschließlich diesem privaten Dritten, sondern dem Staat zugerechnet.333 Wenn der Staat einen Eingriff nicht verhindere, dann erlaube oder dulde er ihn zumindest. In jedem Fall ginge damit die ungeschriebene Statuierung einer Duldungspflicht gegenüber dem Grundrechtsträger durch den Staat einher. Diese müsse sich folglich am Abwehrrecht messen lassen. Die Problematik dieses Ansatzes liegt vor allem im Verhältnis zwischen dem Staat und dem Freiheitsbereich des Einzelnen.334 Obwohl mit dem Abwehrrecht der Freiheitsraum auf den ersten Blick im Mittelpunkt dieser Theorie steht, rückt bei genauerer Analyse der Staat in ihr Zentrum. Wenn jedes grundrechtsrelevante Handeln Privater gleichzeitig staatliches Handeln bzw. Unterlassen ist, dann wird Freiheit nur durch den Staat gewährt und ermöglicht. Die Freiheit ist danach letzten Endes nur staatliche Freiheit, nicht Freiheit vom Staat. Dieses Verständnis wird aber wiederum der in Art. 1 III GG ausgesprochenen Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte nicht gerecht, sondern kehrt sie um in die Bindung der Grundrechte an die Staatsgewalt. Die Konsequenz ist, dass die Schrankensystematik der Grundrechte kein Anwendungsfeld mehr findet und überflüssig wird. Schließlich fehlt eine konsistente dogmatische Begründung für das zugrunde liegende Axiom der Zurechnung jedes privaten Handelns zur Sphäre des Staates.335 Letztlich bleibt die Differenzierung zwischen der abwehrrechtlichen Dimen330 Kritisch Dietrich Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 124 f. 331 Auf letzteres weist Stern (Fn. 66), § 69 IV 5, S. 948, hin. 332 Dietrich Murswiek § 112: Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 20, Fn. 41; ders., Zur Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflichten für den Umweltschutz, in: WuV 1986, S. 179 (183); ders. (Fn. 330), S. 91 ff., 104 ff. 333 Murswiek (Fn. 332), in: WuV 1986, S. 179 (182); ders. (Fn. 330), S. 91 f., 95, 107. 334 Isensee (Fn. 258), Rn. 119. Dietlein (Fn. 326), S. 46 ff., hält die Auferlegung von Duldungspflichten gegenüber Privaten bei staatlichem Nichthandeln für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen „Nichtschädigungsgebot“. 335 Stern (Fn. 66), § 69 IV 5, S. 947 f.; Alexy (Fn. 326), S. 417 ff.

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sion und dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Grundrechts notwendig, um die staatliche Schutzpflicht grundrechtsdogmatisch zu verankern.336 bb) Primäre und sekundäre Schutzpflicht In den Formulierungen der Judikatur zur staatlichen Schutz- und Förderverpflichtung für Ehe und Familie stehen sowohl die Schutz- als auch die Förderpflicht für die genannten Rechtsgüter nebeneinander. Dies könnte zu der Schlussfolgerung verleiten, beide Verpflichtungen bestünden unabhängig voneinander und seien gleichrangig.337 Daran ist zutreffend, dass sie grundsätzlich unterschiedliche Konstellationen betreffen: Bei der Schutzverpflichtung verhindert der Staat ein Eingreifen Dritter, bei den anderen Ausprägungen der Wertentscheidung, insbesondere der Förderpflicht und dem Benachteiligungsverbot, dienen private Dritte nur als Maßstab für ein eigenes Handeln oder Unterlassen des Staates, handeln aber nicht selbst.338 Dieser unterschiedliche Adressatenkreis hebt allerdings die typologische Nachrangigkeit der Förderpflicht und des Benachteiligungsverbots gegenüber der Schutzpflicht nicht auf. Vielmehr kann pointiert von einer grundrechtsdogmatischen „Nachrangigkeitskette“ gesprochen werden: Der sich im Abwehrrecht konstituierende Freiheitsbereich des Grundrechts ist vorrangig.339 Um den Gebrauch dieses Freiheitsbereichs zu effektuieren, ist der Staat zum Schutz des Grundrechts verpflichtet (erste Stufe der Nachrangigkeit). Einen wirksamen Schutz kann der Staat aber nur dadurch effektiv gewährleisten, 336 Hermes (Fn. 322), S. 72 f., bemerkt dementsprechend auch, dass dieser Ansatz über die abwehrrechtliche Dimension hinaus geht, indem er Handlungspflichten des Staates statuiert. 337 Vgl. Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (232), die postulieren, die Wertentscheidung habe „mit dem klassischen Fall der Schutzpflicht nichts zu tun“; ähnlich schon Thorsten Kingreen, Das Grundrecht von Ehe und Familie (Art. 6 I GG), in: Jura 1997, S. 401 (405). 338 Für Kingreen (Fn. 7), S. 119 f., ist es dagegen zwar „grundsätzlich nicht falsch“, Art. 6 I GG auch als staatliche Schutzpflicht anzusehen. Er hält aber die unterschiedlichen Regelungskreise mit dem Schutzpflichtgedanken für unvereinbar. Diese Ansicht unterschätzt aus funktionaler Perspektive die Schutzwirkung der Förderverpflichtung und des Benachteiligungsverbotes für den Freiheitsraum effektiver Grundrechtsausübung. 339 Isensee (Fn. 258), Rn. 32 f., hält dagegen die Schutzpflicht für die physische Sicherheit des Bürgers wegen deren älteren Ursprungs für vorrangig gegenüber dem Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Dies ist beim von ihm zugrunde gelegten und chronologisch orientierten Maßstab des Beginns der historischen Entwicklung einer Schutzpflichtausprägung zutreffend. Aus Sicht der Freiheitsgewährleistung bleibt dieser Maßstab aber fragwürdig, weil eine Schutzpflicht ohne Abwehrrecht kein Kriterium für das zulässige Maß der Freiheitsbeeinträchtigung durch den Staat liefert; vgl. dazu auch Robbers (Fn. 326), S. 148 ff.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

dass er selbst den Freiheitsbereich bzw. die in ihm inkorporierten Institutionen fördert und vor Benachteiligung schützt (zweite Stufe der Nachrangigkeit). Insofern ist es durchaus berechtigt, wenn in der Literatur von einer primären und einer sekundären Schutzpflicht die Rede ist und mit letzterer die Förderpflicht bzw. das Benachteiligungsverbot gemeint ist.340 cc) Konnex von Förderpflicht und Benachteiligungsverbot Innerhalb dieser sekundären Schutzverpflichtung differenzieren sowohl Rechtsprechung als auch Literatur zwischen Förderpflicht und Benachteiligungsverbot. Wie dargestellt unterscheidet sich der Adressatenkreis von primärer und sekundärer Schutzverpflichtung. Insofern ist die schon in der Formulierung der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Grundsatznorm des Art. 6 I GG angelegte Strukturierung systematisch missverständlich.341 Die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Differenzierung in positive Handlungs- und negative Unterlassenspflichten durch den Staat ist zwar grundsätzlich methodisch konsistent. Es besteht allerdings bei dieser Perspektive die Gefahr, den Konnex zwischen Förderpflicht und Benachteiligungsverbot zu verdecken, bei dem der Staat direkt Ehe und Familie gegenübersteht und ihnen gegenüber handeln muss bzw. nicht handeln darf. Die Verpflichtung zur Förderung von Ehe und Familie steht deshalb mit dem Benachteiligungsverbot in einem inneren Zusammenhang.342 Das den Untersuchungsgegenstand betreffende verfas340

Stern (Fn. 66), § 69 IV 5, S. 949. Murswiek (Fn. 332), in: WuV 1986, S. 179 (181), verwendet die gleiche Terminologie mit einer anderen Systematik: Für ihn ist die primäre Schutzpflicht die Pflicht des Staates, Grundrechtsbeeinträchtigungen Dritter grundsätzlich als rechtswidrig zu kennzeichnen; als sekundäre Schutzpflichten bezeichnet er die daraus erwachsenen Pflichten des Staates, Maßnahmen gegen diese Grundrechtsbeeinträchtigungen zu ergreifen. Diese Systematik hat für sich, dass sie sich einheitlich auf den gleichen Adressaten – den Staat – im Rechtskreis Staat-Bürger-Dritter bezieht. Ihr Nachteil liegt im Ansatz Murswieks, die Schutzpflichten ausschließlich über die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte zu erschließen. Die Konstruktion einer primären Schutzpflicht in seinem Sinne ist nämlich überflüssig, wenn man Schutzpflichten generell aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte ableitet. 341 BVerfGE 6, 55 (76): „Der in Art. 6 Abs. 1 GG statuierte besondere Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie umschließt zweierlei: positiv die Aufgabe für den Staat, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren, sondern auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern, negativ das Verbot für den Staat selbst, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen.“ Vgl. auch mit fast identischen Formulierungen BVerfGE 28, 324 (347); 32, 260 (267). 342 Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 30: „spiegelbildlich“. Merten (Fn. 29), S. 615 (619), sieht ohne nähere Begründung zwischen Benachteiligungsverbot und Förderverpflichtung zusätzlich ein Rangverhältnis: Ersteres stehe „auf der ersten

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sungsrechtliche Verhältnis zwischen der Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wird deshalb präziser durch den dogmatischen Konnex zwischen Förderpflicht und Benachteiligungsverbot der Ehe erfasst, weil die einfachgesetzliche Konstituierung neuer Rechtsinstitute ein staatliches Handeln durch die Gesetzgebung und keine Aktivität privater Dritter voraussetzt. dd) Staatlicher Gestaltungsspielraum (1) Zusammenhang zwischen Wertentscheidung und subjektivem Grundrecht Die dem Staat die beschriebenen Rechtspflichten auferlegende Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie ist die Konkretisierung des objektiv-rechtlichen Gehalts von Art. 6 I GG. Grundrechte selbst sind zwar primär Abwehrrechte gegen staatliches Handeln und gewähren dem Grundrechtsberechtigten grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegen den Staat.343 Die verfassungsrechtliche Wirkung der objektiven Wertentscheidung ist aber nicht gänzlich abgelöst vom subjektiven Grundrecht, sondern steht mit ihm in einem inhaltlichen Zusammenhang. Der durch Grundrechte konkretisierte Freiheitsraum bedarf zu seiner Entfaltung staatlicher Hilfe. Der objektiv-rechtliche Gehalt des Grundrechts sichert die Grundrechtsausübung, indem er sie vor den Eingriffen Dritter schützt und darüber hinaus den Staat zur Förderung des grundrechtlichen Institutionensubstrats verpflichtet bzw. dessen Benachteiligung durch den Staat verbietet. Damit bezieht sich die Wertentscheidung nicht ausschließlich auf den individuellen Grundrechtsträger, sondern auf die allgemeine Bedeutung der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter für die staatliche Rechtsordnung. Dazu gehört Stufe“, letztere auf der zweiten. Diese Einordnung ist nur dann nachvollziehbar, wenn dem passiven Verbot, in bestimmter Weise zu handeln, ein höheres Gewicht eingeräumt wird als der Verpflichtung zum aktiven Handeln des Staates. Weitergehende dogmatische Konsequenzen sind aber nicht ersichtlich. Dies gilt nicht für den darüber hinausgehenden Ansatz von Huster (Fn. 247), S. 596, und – in der Tendenz vergleichbar – Stephan Stüber, Vom Gebot, die Ehe zu fördern, in: FPR 2006, S. 117 (117 f.), nach dem sich die Förderverpflichtung „tendenziell auf eine Beachtung des Benachteiligungsverbots“ reduziert. Weil danach kein Raum mehr für das Fördergebot verbliebe, stünde die Wertentscheidung zugunsten der Ehe einer rechtlichen Nivellierung aller Lebensformen nicht entgegen. Damit kann aber nicht begründet werden, warum die verfassungsgerichtliche Dogmatik zu Art. 6 I GG von ihrem Beginn an eine Förderverpflichtung annimmt und welche dogmatischen Konsequenzen sich aus ihr ergeben. 343 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 11. Zu Begründung und Reichweite von grundrechtlichen Teilhabe- und Leistungsrechten instruktiv Murswiek (Fn. 332), § 112: Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

auch eine auf die Zukunft gerichtete Perspektive, die das verfassungsrechtliche Gewicht des Rechtsgutes für nachfolgende Generationen berücksichtigt.344 Der dogmatische Ursprung der Wertentscheidung ist das subjektive Abwehrrecht.345 Der objektiv-rechtliche Gehalt transzendiert insofern das grundrechtliche Schutzsubstrat von der Ebene der Individualität auf die Ebene der Staats- und Gesellschaftsordnung. (2) Gestaltungsspielraum als Folge der Verbindung zwischen Wertentscheidung und subjektivem Grundrecht Weil ein originärer Konnex zwischen dem Grundrecht und seinem objektiven Gehalt besteht und das Grundrecht als Abwehrrecht allein keine Leistungsansprüche gegenüber dem Staat vermittelt, muss der objektive Gehalt des Grundrechts einen Regelungsauftrag an den Staat enthalten, wenn die Schutz- und Förderwirkung dem Grundrecht effektiv zugute kommen soll. Das Prinzip der Nichtinanspruchnahme des Staates durch die subjektiv-rechtliche Grundrechtsgeltung würde allerdings in ihr vollständiges Gegenteil verkehrt, wenn dem Staat über den objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte ganz bestimmte und detailliert konkretisierte Handlungspflichten auferlegt würden. Einen präzisen verfassungsrechtlichen Maßstab für die Bestimmung der Reichweite solcher Konkretisierungen geben die Grundrechte selbst nicht her.346 In welcher konkreten Form der Staat seinen Verpflichtungen nachkommt, bleibt deshalb grundsätzlich ihm überlassen. Er besitzt insofern einen breiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, der vom Bundesverfassungsgericht oftmals herausgehoben wurde.347 Es hat in diesem Zusammenhang die Formulierung geprägt, kon344

Isensee (Fn. 258), Rn. 95. Vgl. BVerfGE 7, 198 (205): „prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte“ durch die „objektive Werteordnung“ und Sodan (Fn. 87), S. 361 (364). 346 So auch Sailer (Fn. 329), S. 521 (529 f.). 347 BVerfGE 11, 105 (126); 21, 1 (6); 23, 258 (264); 39, 316 (326); 43, 108 (123 f.); 48, 346 (366); 55, 114 (127); 62, 323 (333); 76, 1 (51); 82, 60 (81 f.); 87, 1 (35 f.); 97, 332 (349); 103, 271 (291); 107, 205 (213). Aus der Literatur auch Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 11; Stern (Fn. 2), § 100 IV 6 a, S. 430 ff., und § 100 V 3 b, S. 452 f.; Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 67; Hofmann (Fn. 223), Art. 6 Rn. 10; Gregor Kirchhof, Der besondere Schutz der Familie in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, in: AöR 129 (2004), S. 542 (578 f.); Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, S. 257; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 31; Freytag (Fn. 17), S. 445 (448); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (58); Lecheler (Fn. 2), Rn. 50; Isensee (Fn. 258), Rn. 162; Robbers (Fn. 54), S. 779 (783); ders. (Fn. 246), S. 21 (22); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397); Burgi (Fn. 65), S. 487 (497); Merten (Fn. 29), S. 615 (620). 345

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krete Ansprüche stünden unter dem „Vorbehalt des Möglichen“.348 Vergleichbares gilt für den Handlungsspielraum der Exekutive.349 Konkrete Ansprüche des einzelnen Grundrechtsträgers gegen den Staat bestehen deshalb nicht. Der skizzierte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers steht allerdings nicht in seinem Belieben, sondern wegen des hohen Ranges von Ehe und Familie im Grundgesetz und ihres personalen Bezuges trotz der im Vergleich zu Abwehrrecht und Institutsgarantie geringeren dogmatischen Verbindlichkeit der Wertentscheidung unter erhöhter verfassungsgerichtlicher Kontrolle.350 Der Aspekt der dogmatischen Gewichtung der Verfassungsrechtsgüter im Hinblick auf ihre zukunftssichernde Bedeutung setzt dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die Förderung von Ehe und Familie Grenzen: Bedingt durch die seit Jahren sinkende Zahl der Geburten in Deutschland und die absehbaren demographischen Folgen verstärkt sich die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Förderung von Ehe und Familie. Der Gestaltungsspielraum verengt sich dadurch insoweit, als in dieser Situation die staatlichen Anstrengungen zu ihrer Unterstützung größer sein müssen als im Fall eines Geburtenüberschusses.351 Diese Begrenzung hat Auswirkungen auf die institutionelle Priorität der Förderung: Sie kommt denjenigen Institutionen zu, die der geschilderten demographischen Problematik entgegenwirken und die im Grundgesetz genannt sind: Ehe und Familie.352 Dadurch trägt der Staat selbst dazu bei, sich seinen Gestaltungsspielraum zu erhalten und ihn in seiner ursprünglichen Größe wiederzugewinnen. d) Teleologische Deutung der Wertentscheidung für Ehe und Familie als institutionelle Konkretisierung der staatssichernden Verfassungserwartung Aus den bisherigen Ausführungen zur dogmatischen Verankerung der Wertentscheidung des Art. 6 I GG lässt sich als Auslegungsergebnis eine Schnittmenge aus zwei unterschiedlichen, sich aber nicht widersprechenden, sondern ergänzenden teleologischen Perspektiven konturieren: 348

BVerfGE 82, 60 (81); 87, 1 (35 f.); 99, 332 (349); 103, 242 (259). BVerfGE 61, 18 (27). 350 BVerfGE 76, 1 (51), für Ehe und Familie; BVerfGE 80, 81 (93 f.), bezüglich der Familie. 351 Stern (Fn. 2), § 100 V 3 a, S. 453; Udo Di Fabio, Der Schutz von Ehe und Familie: Verfassungsentscheidung für die vitale Gesellschaft, in: NJW 2003, S. 993 (997). 352 Stern (Fn. 2), § 100 V 3 a, S. 453; Di Fabio (Fn. 351), S. 993 (997). 349

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aa) Schutzpflicht als Freiheitsschutz Schutzpflicht heißt Freiheitsschutz. Die Konzeption einer Schutzpflicht als Ausprägung des objektiv-rechtlichen Gehalts eines Grundrechts ist die Reaktion auf zwei potentielle Gefährdungslagen für den jedem Grundrecht immanenten Freiheitsraum. (1) Primäre Schutzpflicht Die primäre Schutzpflicht schützt die effektive Grundrechtsausübung vor dem Eingreifen Dritter. Ihr kommt damit im Hinblick auf den grundrechtlich konkretisierten Freiheitsbereich sowohl eine sichernde als auch eine erweiternde Funktion zu. Der Freiheitsraum selbst wird zum einen durch die Schutzpflicht gegen die private Angriffsseite hin abgesichert. Ohne sie wäre die Freiheitsbetätigung oftmals stark eingeschränkt oder sogar faktisch unmöglich, weil das von Dritten ausgehende Gefahrenpotential bei den meisten Grundrechten sowohl aus abstrakter als auch rechtstatsächlicher Perspektive grundsätzlich nicht geringer ist als das des Staates.353 Durch die freiheitssichernde Schutzwirkung wird die grundrechtliche Freiheitsaussage gleichzeitig aber auch erweitert: Wenn mit der Annahme einer Schutzpflicht für die Grundrechtsbetätigung der Staat zur Freiheitssicherung in die Pflicht genommen wird, ändert sich der Status des grundrechtsbezogenen einfachgesetzlichen Rechts. Es ist nun nicht nur ausschließlich potentiell freiheitsgefährdend, dem mit der abwehrrechtlichen Dimension des Grundrechts begegnet werden kann, sondern auch eine die Schutzpflicht konkretisierende Freiheitssicherung. Allerdings wird man konzedieren müssen, dass sich die Gefährdungssituation bezüglich der durch Art. 6 I GG geschützten Ehe und Familie anders darstellt als bei den meisten anderen Grundrechten. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Eheschließungs- und -gestaltungsfreiheit durch private Dritte ist zwar denkbar, aber die Ausnahme gegenüber Grundrechtsgefährdungen durch das Handeln des Staates. Ursache dafür ist die in der vorliegenden Untersuchung herausgearbeitete Charakteristik der Ehe als Rechtskonstitut. Weil der Staat durch Verfassung und einfachgesetzliche Normierung die Grundsätze dieses Konstituts rechtlich vorgibt und das Rechtsinstitut nach diesen Vorgaben gesetzlich ausgestaltet, ist er die potentiell größere Gefahr für die entsprechende Grundrechtsausübung. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen der Ehe und anderen institutionell abgesicherten Lebensgemeinschaften. Diese mögen zwar Dritte in dem Sinne sein, dass sie weder zur Sphäre des Staates 353 Besonders anschaulich ist diese Bedrohungslage beim in Art. 2 II GG garantierten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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noch zu derjenigen der Grundrechtsberechtigten des Art. 6 I GG gehören. Sie sind als einfachgesetzliche Rechtsinstitute aber überhaupt nur denkbar als durch staatlichen Gesetzgebungsakt konstituiert. Für diese Konstituierung ist der Staat verantwortlich. Ihm wird eine eventuelle Gefährdungslage zugerechnet, weil er sie geschaffen hat. Die primäre Schutzpflicht spielt daher beim Schutz von Ehe und Familie aus teleologischer Sicht nur eine untergeordnete Rolle. (2) Sekundäre Schutzpflicht Die Bedrohung von Ehe und Familie kann nicht nur aus der Richtung des direkten gesetzgeberischen Eingriffs in deren Schutzbereich oder der Gefährdung durch Dritte kommen, sondern ist auch denkbar als relationale Abschwächung der Einrichtungen selbst. Dieser Konstellation liegen drei verfassungsrechtliche Prämissen zugrunde: Erstens ist jede Verfassung die rechtliche Grundlegung des Staatssystems. Die Darstellung und Normierung der Wesensmerkmale des Staates, seiner grundlegenden politischen Organisationsprinzipien und seiner strukturellen Grundausrichtung ist Aufgabe der Verfassung. Zweitens haben die in einer Verfassung genannten Einrichtungen dort nicht grundlos oder willkürlich ihren Platz gefunden, sondern sind Ausdruck einer staatsstrukturierenden Grundentscheidung des Verfassungsgebers, die vom einfachgesetzlichen Recht geachtet werden muss. Anders wären sonst das Prinzip des Normenvorrangs der Verfassung und die qualifizierten formellen und materiellen Anforderungen an eine Änderung von Verfassungsnormen nicht zu erklären. Schließlich stehen drittens die Verfassungsinstitute nicht isoliert neben-, sondern in systemischer Relation zueinander, weil sie alle Ausdruck der gleichen verfassungsrechtlichen Grundprinzipien sind, die sich ergänzen, aber nicht widersprechen können. Daraus folgt, dass bei einer Veränderung dieser verfassungsrechtlich vorgegebenen Relation die Verfassung eine retardierende Sperrwirkung entfaltet. Sie kann in institutioneller Hinsicht nämlich nur durch verfassungsänderndes Gesetz modifiziert werden. Um diese aus der Verfassung abgeleitete Relation zwischen den Institutionen zu erhalten, ist der Staat verpflichtet, diese zu fördern und nicht zu benachteiligen. Er muss das Verhältnis der Einrichtungen zueinander gewissermaßen in einem durch die Verfassung vorgegebenen institutionellen Gleichgewicht halten. Damit fördert er zugleich auch einen Raum institutionell geprägter Freiheit, weil die mit Grundrechten verbundenen Institutionen strukturelle Verdichtungen des jeweiligen freiheitlichen Grundrechtssubstrats sind. Hier hat deshalb die

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

sekundäre Schutzpflicht mit der institutsbezogenen Förderpflicht und dem Benachteiligungsverbot ihren teleologischen Platz. bb) Schutzpflicht als doppelte Verfassungserwartung Dass zu den charakteristischen teleologischen Merkmalen einer Schutzpflicht in jedem Fall auch die Erhaltung des zu schützenden Gegenstands gehört, ergibt sich schon aus der Wortbedeutung des Schutzbegriffs, der nichts anderes als „Verteidigung“ bzw. „Bewahrung“ meint. Der grundrechtlichen Schutzpflicht ist deshalb ein konservierendes Element eigen. Diese Funktion bezieht sich – wie gezeigt – auf den grundrechtlich verbürgten Freiheitsraum, der mit dem Schutz der Einrichtung zugleich gesichert wird und der der eigentliche teleologische Bezugspunkt jedes Grundrechtsschutzes durch den Staat ist. Beim Schutz der Ehe kommt allerdings noch ein weiteres Element hinzu: Hier wird nicht nur die dem Grundrecht innewohnende Freiheit des einzelnen Grundrechtsberechtigten geschützt, sondern auch die Stabilität des Verfassungssystems selbst. Durch die staatliche Förderung sollen die Realisierungschancen von Verfassungserwartungen erhöht werden.354 Bei Art. 6 I GG steht dabei die typologische Konnexität zwischen zwei Rechtsinstituten, Ehe und Familie, im Mittelpunkt. Durch die institutionelle Ausgestaltung der Ehe impliziert das Grundgesetz eine doppelte Verfassungserwartung an den Grundrechtsträger: Zum einen setzt es seine generelle Bereitschaft voraus, die Ehe einzugehen und sich somit an das Rechtsinstitut zu binden, es zu „nutzen“.355 Zum anderen erhofft es als typische Konstellation die zukünftige Erweiterung der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Familie.356 Letztere soll wiederum in ihrem Bestand durch die weiterhin existierende Ehe gefestigt werden. Diese nahezu symbiotische Beziehung zwischen Ehe und Familie besitzt aus teleologischer Sicht nicht nur interpersonale Aspekte, die sowohl die durch die Ehe gewährte Freiheitsverwirklichung, die Verantwortungsgemeinschaft und die soziale Basis zur Kindererziehung mit umfasst, sondern auch einen staatserhaltenden Gesichtspunkt. Indem durch die Ehe die Basis einer stabilen Familienstruktur geschaffen werden soll, wird der Fortbestand des Trägers aller staatlichen Souveränität i. S. v. Art. 20 II 1 GG – das deutsche Volk – gesichert. Der dagegen denkbare Einwand, dazu benötige man keine Förderung der Ehe, weil durch die Schutzpflichtkonzeption auch die in Art. 6 I GG genannte Familie gefördert 354 Josef Isensee, § 115: Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 262. 355 Isensee (Fn. 354), Rn. 177. 356 Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (58 f.).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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werde, verkennt nicht nur, dass die aus der Ehe hervorgegangene Familie nicht nur typischerweise stabilere bestandssichernde Strukturen aufweist, sondern auch, dass die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Verfassungserwartung auf Nachkommenschaft mit der Eheschließung steigt. Insofern ist es aus dieser Sicht nicht nur legitim, sondern geboten, die Ehe zu fördern und ihre Benachteiligung verfassungsrechtlich zu untersagen. Die sekundäre Schutzpflicht mit ihrer Förderverpflichtung und dem Benachteiligungsverbot zugunsten der Ehe sichert deshalb den Bestand der Staatlichkeit für die Zukunft ab. e) Zwischenergebnis Der Wortlaut des Art. 6 I GG normiert ausdrücklich eine Schutzverpflichtung des Staates gegenüber Ehe und Familie, die auch eine Förderpflicht und ein entsprechendes Benachteiligungsverbot umfasst. Ansätze für die Konzeption einer Bindungswirkung der Wertentscheidung werden sowohl in der Literatur zur Weimarer Reichsverfassung als auch bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates sichtbar. Die systematische Analyse hat gezeigt, dass sich die staatliche Schutzverpflichtung in den jedem Grundrecht zukommenden objektiv-rechtlichen Gehalt einordnen lässt. Dieser stellt sich als die gesamte Rechtsordnung bindende verfassungsrechtliche Wertentscheidung dar. Als teleologisches Auslegungsergebnis lässt sich festhalten, dass die Schutzverpflichtung zugunsten der Ehe nicht nur der personalen Freiheitsbetätigung, sondern auch der Verbesserung der Realisierungschance einer doppelten Verfassungserwartung dient: sich als eheliche Lebensgemeinschaft zu konstituieren und zu einer Familie zu erweitern. 3. Das institutionelle Verhältnis zwischen der Ehe und anderen institutionalisierten Lebensgemeinschaften im Lichte der objektiven Wertentscheidung des Art. 6 I GG Die Institutsgarantie der Ehe trifft allein keine verfassungsrechtliche Aussage zum Verhältnis der Ehe zu anderen einfachgesetzlich konstituierten Lebensgemeinschaften. Zu untersuchen bleibt nun, ob die Wertentscheidung zugunsten der Ehe und die sie konkretisierende Schutzpflicht verfassungssystematische Aussagen zu dieser institutionellen Verhältnisbestimmung zulassen. a) Der Konnex zwischen Institutsgarantie und Wertentscheidung Institutsgarantie und Wertentscheidung unterscheiden sich in ihrer verfassungsrechtlichen Wirkung. Während die Institutsgarantie sich auf den

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

unmittelbaren verfassungsrechtlichen Strukturschutz des Rechtsinstituts beschränkt, ist für die Wertentscheidung die Entfaltung ihrer Rechtswirkung auf die gesamte Rechtsordnung charakteristisch. Das bedeutet, dass die Institutsgarantie einen passiven Schutz vor dem Eingriff des Gesetzgebers, dagegen insbesondere die aus der Wertentscheidung hervorgehende Förderverpflichtung einen aktiven Handlungsauftrag an den Staat vermittelt. Trotz dieser differenzierten Wirkungsreichweite von Institutsgarantie und Wertentscheidung verbindet beide Gewährleistungen ein dogmatischer Konnex auf mehreren Ebenen:357 aa) Wertentscheidung als institutionelle Ausgestaltungsverpflichtung Die erste Ebene ist der grundrechtsdogmatische Bezugspunkt bei der Begründung der Wertentscheidung. In der Literatur wird darauf verwiesen, dass es die Aufgabe des Staates im Rahmen von Institutsgarantien sei, diese gesetzlich auszugestalten, um die autonome Inanspruchnahme zum Freiheitsgebrauch durch den Grundrechtsberechtigten zu ermöglichen. Diese Garantenstellung komme dem Staat nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht zu.358 Den Staat trifft insofern eine Förderungsverpflichtung, weil er gleichzeitig die Befugnis, aber damit auch die Verpflichtung zur gesetzlichen Ausgestaltung des Rechtsinstituts besitzt. Diese Begründung ist einsichtig, weil sie den freiheitsdienenden Charakter der Institutsgarantie in ihren Mittelpunkt stellt und die Schutzpflicht als Instrument der Freiheitssicherung begreift. Indem dieser Ansatz sich aber auf die Institutsgarantie beschränkt, kann er nicht erklären, wieso nicht nur den Grundrechten, die eine Einrichtungsgarantie enthalten, sondern jedem Grundrecht vom Bundesverfassungsgericht eine grundsatznormbezogene Wertentscheidung zugesprochen wird. Zur umfassenderen Einordnung dieser Wertentscheidung muss deshalb der Schritt von der Freiheitsgewährleistung durch die Institutsgarantie zur Freiheitsgewährleistung durch die Gesamtheit der Grundrechte, die nur der Staat effektiv zu schützen vermag, gewagt werden. Diese dogmatische Akzentuierung hat den Vorzug, dass man damit dem Missverständnis ausweicht, erst der Staat konstituiere die durch die Institutsgarantie institutionell gefasste Freiheit.359 357 In der Literatur wird teilweise zur Begründung eines Differenzierungsgebotes zwischen der Ehe und anderen familienrechtlichen Rechtsinstituten unspezifisch auf das „Zusammenspiel von Institutsgarantie und Wertentscheidung des Art. 6 I GG“ verwiesen, so etwa bei Krings (Fn. 109), S. 409 (412). Zum Teil wird im Schrifttum auch nur auf die Institutsgarantie abgestellt, ohne die Wertentscheidung zu bemühen, so bei Pauly (Fn. 223), S. 1955 (1956). 358 Mager (Fn. 96), S. 425 f.

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bb) Auswirkungen der grundrechtlichen Wertentscheidung auf ein Rechtsinstitut Die zweite Ebene bezieht sich auf das skizzierte Verständnis der Wertentscheidung als Abbildung der institutionellen Grundentscheidung der Verfassung. Wenn sich der Verfassungsgeber entschließt, bestimmte institutionell geprägte Formen des rechtlichen oder sozialen Lebens unter den Schutz der Verfassung zu stellen, so hat diese Entscheidung nicht nur für das unter den Schutz der Verfassung gestellte Rechtsinstitut, sondern für die gesamte Rechtsordnung verfassungsrechtliche Auswirkungen. Eine solche Entscheidung ist im Hinblick auf einen institutionellen Vergleichsmaßstab immer mehrdimensional: (1) Selektionsfunktion Mit jeder Institutsgarantie wird nur ein bestimmtes Rechtsinstitut unter den Schutz der Verfassung gestellt. Es ist damit aber keineswegs gleichzeitig impliziert, dass im jeweiligen thematisch einschlägigen Bereich der Rechtsordnung zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung nur dieses eine Rechtsinstitut existiert. Vielmehr ist es möglich, dass andere merkmalsverwandte Rechtsinstitute bestehen, die aber nicht verfassungsrechtlich geschützt werden sollen. Am Beispiel der Ehe wird dies besonders anschaulich: In den Schutz von Ehe und Familie ist das Verlöbnis nicht miteinbezogen worden, obwohl es zur Zeit der Beratungen des Parlamentarischen Rates als einfachgesetzliches, in §§ 1297 ff. BGB geregeltes Rechtsinstitut bestand. Über die Gründe, warum dies nicht geschehen sollte, wurde nicht diskutiert; entsprechende Forderungen wurden auch nicht erhoben. Vermutlich sprach auch schon damals die im Vergleich zu Ehe und Familie deutlich geringere rechtliche und soziale Bedeutung des Verlöbnisses gegen einen verfassungsrechtlichen Schutz, zumal das Verlöbnis als Eheversprechen einen auf das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsinstitut der Ehe hinführenden Status besitzt.360 Daraus folgt seine institutionelle Vorläufigkeit, die ein verringertes Schutzbedürfnis rechtfertigt. 359 Mager (Fn. 96), S. 426, befördert dieses Missverständnis durch ihre Formulierung von der „an sich staatlichen Aufgabe“, die durch die Institutsgarantie in die „autonome Erledigung“ gelegt werde. Da sie aber bei den Einrichtungsgarantien gerade die freiheitsdienende Funktion betont, dürfte von ihr damit gemeint sein, dass nicht die Freiheitskonstituierung, sondern der Freiheitsschutz staatliche Aufgabe ist. 360 Brudermüller (Fn. 51), Einf. v. § 1297 BGB Rn. 1.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Die Entscheidung darüber, welches Rechtsinstitut verfassungsrechtlich geschützt werden soll, ist deshalb immer selektiv. Der Verfassungsgeber hebt bestimmte Einrichtungen auf die Ebene des Verfassungsrechts, andere belässt er auf der einfachgesetzlichen Ebene. Die normenhierarchische Differenzierung zwischen verschiedenen Rechtseinrichtungen wird noch deutlicher durch einen Vergleich zwischen den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsinstituten und merkmalsverwandten sozialen Lebensformen. Ein in der Gegenwart verbreitetes Beispiel dafür ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, die durch eine fehlende und vor dem Staat dokumentierte grundsätzlich lebenslange Bindungsbereitschaft gekennzeichnet ist. Diese Lebensgemeinschaften mögen zwar ebenfalls grundrechtlichen Schutz genießen, als Institution durch die Verfassung geschützt sind sie nicht. Daraus ergibt sich, dass schon für jede institutionelle Normierung selbst, die notwendigerweise immer mit einer möglicherweise auch ungeschriebenen oder vorausgesetzten Merkmalsbildung einhergeht, die typologische Abgrenzung zu davon abweichenden Formen charakteristisch ist. (2) Tradierungsfunktion Mit jeder gesetzlichen Konstituierung eines Rechtsinstituts wird auch ein sozialer Tatbestand stabilisiert. Durch die normative Verfestigung mit dem damit einhergehenden Rechtsgeltungsanspruch ist die entsprechende Institution dem sozialen Wandel nicht mehr in der gleichen Weise ausgeliefert wie andere Sozialformen, die sich nicht auf Rechtsnormen berufen können. Natürlich ist das Recht stetigen Veränderungen entweder durch veränderte Gesetzesinterpretation oder Gesetzgebung unterworfen. Die retardierende Wirkung ist bei normativ konstituierten Instituten nur ungleich stärker, weil zum sozialen Wandel hier noch ein ausdrücklicher und zumindest mehrheitlicher Einstellungswandel des Gesetzgebers oder der Judikative hinzukommen muss, damit sich Veränderungen auch normativ auswirken können. Solange dies nicht geschieht, bleibt die Existenz der Institution mit ihren grundlegenden Strukturmerkmalen vom Wandel rechtlich nicht erfasst. Diese Wirkung ist bei der Normierung auf Verfassungsebene wegen der erhöhten Anforderungen an eine entsprechende Rechtsänderung am stärksten.361 Die selektive Grundentscheidung der Verfassungsgebung, nur bestimmten Rechtsinstituten verfassungsrechtlichen Schutz zu gewähren, wird damit über den Zeitpunkt der Verfassungsgebung hinaus tradiert. Eine Änderung dieser durch die Verfassungsnorm stabilisierten Grundentscheidung ist nur durch Veränderung der das Rechtsinstitut tragenden Verfassungsbestimmung möglich. 361

Schmitt (Fn. 278), S. 181 (227).

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(3) Abbildungswirkung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung zugunsten bestimmter Rechtsinstitute in der gesamten Rechtsordnung Die Schutzwirkung der Institutsgarantie bezieht sich zunächst auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Strukturmerkmale des Rechtsinstituts selbst. Die Auswahlentscheidung, welche Rechtsinstitute in der Verfassung geschützt werden sollen, und deren Tradierung durch die in dieser Beziehung unveränderte Fortgeltung der Verfassung hat allerdings dogmatische Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Institutsgarantie und Wertentscheidung: Durch die institutionelle Implementierung bestimmter Rechtsinstitute in das Grundgesetz, verbunden mit der Verpflichtung, diese vor Eingriffen Dritter zu schützen, sie zu fördern und nicht zu benachteiligen, trifft der Verfassungsgeber zwei Aussagen zugleich: Erstens sollen die in das Grundgesetz aufgenommenen Rechtsinstitute Anteil an der Schutzwirkung der Verfassung erhalten (Institutsgarantie). Zweitens soll sich die Bedeutung, um deretwegen gerade diese Rechtsinstitute vom Schutz der Verfassung umfasst werden, nicht nur auf Verfassungsebene, sondern in der gesamten Rechtsordnung widerspiegeln (Wertentscheidung). Institutsgarantie und Wertentscheidung sind folglich beide dogmatische Konkretisierungen der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung, ein bestimmtes Rechtsinstitut zu schützen. Während die Institutsgarantie sich auf den strukturorientierten Schutz vor gesetzgeberischen Eingriffen konzentriert, stellt die Wertentscheidung die mit dieser Entscheidung verfassungsrechtlich anerkannte Bedeutung des Instituts für die Gesamtrechtsordnung heraus. Die auf verfassungsrechtlicher Ebene getroffene Wertentscheidung zugunsten des Rechtsinstituts muss sich somit in der gesamten Rechtsordnung abbilden. b) Verfassungsrechtliche Abbildung der Wertentscheidung im institutionellen Verhältnis Es liegt nahe, die Abbildung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Schutzes bestimmter Rechtsinstitute in der Rechtsordnung auf deren institutionelles Verhältnis zu nicht gleichermaßen geschützten Rechtsinstituten zu beziehen. Die Frage drängt sich auf, welche Kriterien für die Bestimmung einer verfassungsrechtlich zulässigen institutionellen Abbildung der Wertentscheidung auf einfachgesetzlicher Ebene herangezogen werden können. aa) Wortbedeutung Aus der etymologischen Bedeutung des Schutzbegriffs lässt sich wenig für die Herausbildung inhaltlicher Konturen einer Abbildung der verfas-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

sungsrechtlichen Grundentscheidung in der einfachen Rechtsordnung gewinnen. Das mittelhochdeutsche Substantiv „schuz“ meint die „Umdämmung, Aufstauung des Wassers“, das Verb „schützen“ ist ein Synonym für „dämmen, stauen, hindern“.362 Zusammen mit dem seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlichen Begriffspaar „Schutz und Schirm“, das die Verpflichtung des Lehnsherren gegenüber dem Vasallen bezeichnete,363 kommt hier die auch heute gebräuchliche Wortbedeutung des „Schutzes“ i. S. v. „Sicherung“ oder „Verteidigung“ bzw. „Abwehr“ zum Ausdruck. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Schutz über die rein defensive Abwehr gegen Angriffe von außen364 hinausgeht und auch eine Förderungsverpflichtung beinhaltet, wie sie im mittelalterlichen Lehensverhältnis zum Ausdruck kommt.365 Der Begriff trifft allerdings keine implizite Aussage darüber, in welcher Weise ihr der Schutzverpflichtete nachkommen muss. Etwas aussagekräftiger könnte in dieser Hinsicht die attributivische Verwendung der Formulierung „besonderer Schutz“ sein. Dadurch wird die Schutzfunktion zumindest auf der begrifflichen Ebene verstärkt und herausgehoben, denn ein besonderer Schutz impliziert eine im Vergleich zum normaltypischen Schutz akzentuierte Andersartigkeit der Schutzwirkung.366 Diese Formulierung ist im Grundgesetz einzigartig und somit in der Tat etwas „Besonderes“. Nur noch in Art. 1 I 2 GG und in Art. 20a GG wird der Begriff des Schützens im Grundgesetz erwähnt: Art. 20a GG kann hier au362

Gerhard Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995, S. 362 f. Ruth Schmidt-Wiegand, Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 2002, S. 301. 364 Übertragen auf den grundgesetzlichen Schutz der Ehe wäre das ein Eingriff in die abwehrrechtliche Dimension des Art. 6 I GG oder die Institutsgarantie der Ehe. 365 Das Lehen selbst ist als Gabe des Lehnsherren an den Vasallen zu dessen Nutzung in gewisser Weise eine materielle Förderung des Vasallen im Rahmen des Lehnsverhältnisses, vgl. Schmidt-Wiegand (Fn. 363), S. 219 f. 366 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 12; Stern (Fn. 2), § 100 V 3, S. 446; G. Kirchhof (Fn. 347), S. 542 (555 f., 559 f.); Uhle (Fn. 347), S. 257; Braun (Fn. 109), S. 21 (22); Burkhard Kämper, Eingetragene Lebenspartnerschaft und kirchlicher Dienst, in: Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat. Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Stefan Muckel, 2003, S. 401 (408); Reiner Tillmanns, Art. 6 I; 3 I, III GG: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: JA 2003, S. 934 (935); Tettinger (Fn. 317), S. 1146 (1148); ders. (Fn. 318), S. 117 (130); Günther Krings, Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine rechtliche Ordnung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: FPR 2001, S. 7 (10); ders. (Fn. 109), S. 409 (411); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397); Gunnar Kleffmann, Ehe und andere Lebensgemeinschaften nach Landes- und Bundesverfassungsrecht, 2000, S. 236; Pauly (Fn. 223), S. 1955 (1956). Claudia Rijsbergen, Der besondere Schutz von Ehe und Familie, 2005, S. 38, 136, Sickert (Fn. 44), S. 174, Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (711), Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 51, und Burgi (Fn. 65), S. 487 (502), weisen allerdings darauf hin, dass nur nach der Wortbedeutung „besonderer Schutz“ noch nicht „bevorzugter Schutz“ heißen muss. 363

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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ßer Betracht bleiben, weil es sich bei ihm nicht um ein Grundrecht, sondern um eine Staatszielbestimmung handelt.367 Die Menschenwürde zu achten und zu schützen ist nach Art. 1 I 2 GG Aufgabe aller staatlichen Gewalt. Die Schutzfunktion des Art. 1 I 2 GG wird sprachlich nicht näher qualifiziert und es findet sich dort keine Verwendung des Wortes „besonders“. Die ungewöhnliche Formulierung des Art. 6 I GG gibt in der Literatur zu vergleichenden Erörterungen zum Schutzinhalt eines möglichen Abbildungsgebotes der Wertentscheidung mit ganz unterschiedlichen und teilweise entgegengesetzten Ergebnissen Anlass.368 Die dazu vertretenen Ansichten sind in erster Linie die Konsequenzen der jeweils vorgenommenen Vergleichsgruppenbildung. Dabei stehen sich zwei grundlegende Auslegungsvarianten gegenüber: Zum einen kann man den „besonderen Schutz“ des Art. 6 I GG mit den übrigen unbenannten staatlichen Schutzverpflichtungen für jedes Grundrecht vergleichen und daraus folgern, dass die Schutzfunktion für Ehe und Familie „besonders“, mithin stärker sein muss als bei den anderen Grundrechten. Nahe liegend ist auch ein Vergleich zwischen den Formulierungen in Art. 6 I GG und Art. 1 I 2 GG. Hier sind zwei kontradiktorische Folgerungen hinsichtlich des Schutzgegenstandes in Art. 1 I 2 GG möglich, je nachdem auf welcher sprachlichen Ebene der Vergleich ansetzt: Nimmt man als Grundlage die Tatsache, dass nur in diesen beiden Normen des Grundgesetzes eine Schutzverpflichtung explizit erwähnt ist, so kann dies ein Hinweis auf die „besondere“ Bedeutung des auf Ehe und Familie bezogenen Schutzes sein.369 Das unterstreicht die grundrechtlich überragende Bedeutung der Menschenwürde, zu der mit der ähnlichen Formulierung in Art. 6 I GG ein direkter Konnex hergestellt zu werden scheint. Wenn die Grundrechte inhaltliche Konkretisierungen der Menschenwürde sind und sich nur bei die367 G. Kirchhof (Fn. 347), S. 542 (544, Fn. 5), m. w. N. Nach Dietrich Murswieck, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 20a Rn. 21, beeinträchtigt Art. 20a GG die grundrechtlichen Schutzpflichten nicht, weil letztere präziser gefasst seien und ein subjektives Recht vermittelten. 368 Für Freytag (Fn. 17), S. 445 (449), liegt die „besondere“ Hervorhebung des Schutzes in Art. 6 I GG nur darin begründet, dass dort „persönlichkeitsbezogenere, intimere“ Schutzgüter normiert seien als etwa beim „Eigentum, dem Erbrecht oder der freien Presse“. Dieser enge Persönlichkeitsbezug kann allerdings auch wieder für einen verstärkten qualifizierteren Schutz gegenüber den Schutzverpflichtungen anderer Grundrechte sprechen. Sickert (Fn. 44), S. 175, und Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (56), sehen die „Besonderheit“ bei Art. 6 I GG dagegen in der Annahme einer Schutz- und Förderverpflichtung. Diese besäßen andere Grundrechte nicht. Letztere Behauptung ist allerdings in ihrer Ausschließlichkeit so nicht zutreffend, vgl. oben 3. Kapitel A. III. 2. c) aa), S. 306 ff. 369 So das Sondervotum von Haas, BVerfGE 105, 313 (361); ebenso Gade (Fn. 10), S. 397 (403); Paul Kirchhof, Lebenspartnerschaftsgesetze und Grundgesetz, in: FPR 2001, S. 436 (438).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

ser sowie bei Ehe und Familie ein ausdrücklich statuierter Schutzauftrag findet, legt der Normtext nahe, eine vergleichbar herausgehobene, jedenfalls größere Bedeutung dieser Rechtsinstitute im Vergleich zu den anderen grundrechtlichen Schutzgütern anzunehmen. Die entgegengesetzte Folgerung könnte man aber aus der bei Art. 1 I 2 GG fehlenden Beifügung des „besonderen“ Schutzes ziehen. Wenn schon bei der Menschenwürde als wichtigstem Schutzgegenstand des Grundgesetzes kein „besonderer“ Schutzauftrag vorliegt, dann kann dies erst recht nicht bei Rechtsgütern der Fall sein, die nicht den gleichen grundrechtlichen Rang der Menschenwürde besitzen.370 Dagegen könnte man aber wiederum einwenden, dass ein solcher Erst-recht-Schluss methodisch nicht zulässig sei, weil die Menschenwürde – anders als Ehe und Familie – kein institutionelles Substrat besitzt und deren Vergleichbarkeit mit diesen Rechtsinstituten deshalb schon grundsätzlich nicht gegeben wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Mehrheitsentscheidung zur Frage der „Besonderheit“ des verfassungsrechtlichen Eheschutzes keine Vergleiche zu anderen Normen des Grundgesetzes gezogen, sondern konstatiert, dass der besondere Schutz des Art. 6 I GG darin bestehe, dass neben der Familie nur die Ehe als Rechtsinstitut dem Schutz der Verfassung unterfiele, andere Lebensformen aber nicht.371 Diese Ansicht vermag allerdings aus der ausschließlich grammatischen Perspektive die Spezifik dieser Norm wenig zu erhellen: Die allgemeine staatliche Schutzverpflichtung für die in den Schutzbereichen der jeweiligen Grundrechtsnormen genannten Rechtsgüter impliziert doch gerade, dass nur diese Rechtsgüter durch die Verfassung geschützt werden sollen, nicht jedoch diejenigen, die dort nicht ausdrücklich genannt werden.372 Mit der Statuierung einer allgemeinen grundrechtlichen Schutzverpflichtung ist der besondere Wortlaut des Art. 6 I GG deshalb nicht erklärbar. Allerdings verlässt die Mehrheit des Ersten Senats in ihrer Entscheidung auch sogleich die Ebene des Wortlauts und wendet sich historischen sowie systematisch-teleologischen Argumenten zu. 370 Ähnlich Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 52; zweifelnd in diesem Zusammenhang auch Tettinger (Fn. 318), S. 178: „Auf der anderen Seite ist jedoch die Menschenwürde der höchste Wert. Soll ihr Schutz nicht so intensiv sein wie bei Ehe und Familie?“ Rijsbergen (Fn. 366), S. 137 f., und Freytag (Fn. 17), S. 445 (450), verwerfen eine allerdings so von niemandem vertretene Ansicht, der Schutz des Art. 6 I GG gehe über den Schutz der Menschenwürde hinaus. 371 BVerfGE 105, 313 (348). 372 Tettinger (Fn. 317), S. 1146 (1148). Die Besonderheit könnte hier höchstens darin liegen, dass – anders als bei den anderen in der Verfassung genannten Rechtsinstituten wie etwa dem Eigentum oder Erbrecht – es mit Ehe und Familie merkmalsverwandte Sozialtatbestände gibt, die nicht als Rechtsinstitute verfassungsrechtlich geschützt sind.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Eine ausschließlich sprachliche Untersuchung der Formulierung des Art. 6 I GG zeigt mithin die Ergebnisoffenheit in Bezug auf ein Abbildungsgebot der grundgesetzlichen Wertentscheidung für Ehe und Familie in der Rechtsordnung. Sie allein liefert keine zwingenden Kriterien nur für eine bestimmte Konturierung dieser Grundsatznorm,373 ist aber ein Indikator für einen gegenüber anderen Rechtsinstituten verstärkten grundrechtlichen Schutz beider Rechtsinstitute. bb) Konturierungsansätze bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates Aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates lassen sich durchaus verfassungsdogmatische Ansätze für eine Interpretation des Art. 6 I GG im Sinne einer rechtlich verbindlichen und über Abwehrrecht und Institutsgarantie hinausgehenden Grundsatznorm entnehmen. Dies hat ihren Niederschlag in der Diskussion im Ausschuss für Grundsatzfragen mit der ausdrücklichen und dort auch ganz unstrittig gebliebenen Betonung der Bedeutung der Ehe für den Einzelnen wie für die Gesellschaft gefunden.374 (1) Bezugsrahmen der Bedeutung der Ehe Bei den Beratungen des Ausschusses für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates ist die Bedeutung der Ehe in ihren Wirkungsebenen durchaus differenziert dargestellt worden, ohne dass während der Diskussion eine eingehende Systematisierung erfolgt wäre. Man kann dabei sowohl eine mehr individuelle als auch eine mehr gesellschaftsbezogene Einordnung der Ehe herausarbeiten, ohne dass sich beide Aspekte gegenseitig ausschließen: Nach der einen sollte ihr Schutz vor allem wegen des engen Bezugs zum Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit erfolgen.375 Von Man373 Ebenso Rijsbergen (Fn. 366), S. 38; Sickert (Fn. 44), S. 174 f.; Uhlenbrock (Fn. 246), S. 41 f.; Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (711); Freytag (Fn. 17), S. 445 (449). 374 Die eingängige Formulierung von Burgi (Fn. 65), S. 487 (499), es sei „in diesem Bereich über Dogmatik, nicht über Werte gestritten“ worden, ist deshalb durchaus zutreffend. Die Schlussfolgerung, die Entstehungsgeschichte des Art. 6 I GG biete deshalb „wenig Hilfe“ für eine institutionelle Bestimmung des besonderen Schutzes der Ehe, ist allerdings wenig überzeugend. Gerade weil im Parlamentarischen Rat eine unbestrittene Übereinstimmung über die grundlegende Bedeutung der Ehe für Verfassung und Gesellschaft bestand, ist auch die dogmatische Einordnung des besonderen Schutzes der Ehe aus historischer Sicht möglich. 375 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 645: „Zur Entfaltung der Persönlichkeit gehört auch die Entfaltung in Ehe und Familie. Dieses Wirken in Ehe und Familie gehört zum wichtigsten, was den Menschen angeht. Es wäre schon

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

goldt interpretiert hier den verfassungsrechtlichen Ehe- und Familienschutz als thematische und institutionelle Konkretisierung der grundrechtlich geschützten individuellen Freiheitsbetätigung des einzelnen Grundrechtsträgers und rückt Ehe und Familie in deren Zentrum. Daneben wird die verfassungsrechtliche Relevanz der Ehe aber auch vor ihrem sozialen Hintergrund thematisiert. Wiederum hat der Ausschussvorsitzende von Mangoldt pointiert auch diesen Aspekt des Eheschutzes unter Hinweis auf Art. 119 I WRV benannt.376 Ihm ist allerdings insofern widersprochen worden, als es neben Ehe und Familie noch weitere Grundlagen der menschlichen Gesellschaft gebe.377 Trotzdem ist die besondere Bedeutung von Ehe und Familie selbst von kommunistischer Seite nicht in Frage gestellt worden.378 Eine sowohl die individuell-freiheitsentfaltende wie auch die soziale Fundierung der Ehe zusammenfassende Position lässt sich aus dem in der Diskussion getroffenen Verweis auf den Nationalsozialismus und dessen negativer Haltung zur Familie entnehmen.379 Zwar finden sich keine ausdrücklichen Ausführungen zur nationalsozialistischen Familienpolitik. Man wird aber die antisemitisch motivierten staatlichen Eingriffe des Nationalsozialismus in die Eheschließungsfreiheit als auch in die eheliche und familiäre Gestaltungsfreiheit ebenso darunter fassen können wie den dadurch bedingten institutionellen Bedeutungsverlust von Ehe und Familie insgesamt als gut, der Ehe und Familie darüber hinaus einen besonderen verfassungsmäßigen Schutz zu gewährleisten.“ Vgl. auch ders., in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 814: „Ich darf vielleicht darauf hinweisen, daß wir bewußt in allen Bestimmungen uns immer wieder an den Art. 1 erinnert haben, in dem wir gesagt haben, wir nehmen nur die Menschen- und Freiheitsrechte auf.“ Ders., in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 832: „(. . .) der zweite Artikel enthält das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, da gehört er [der Artikel zum Schutz von Ehe und Familie] in gewissem Sinne dazu.“ 376 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 826: „Ehe und Familie sind die Grundlage der menschlichen Gesellschaft.“ Ähnlich Helene Wessel (Zentrum), in: PR (Fn. 308), S. 240, in der 21. Sitzung des Hauptsauschusses v. 7.12.1948: „Ehe und Familie (als) die Träger des Staates“. 377 Greve (SPD), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 826: „(. . .) wenngleich ich nicht sagen will, daß es nicht zutreffend sei, Ehe und Familie sind die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft. Das sind aber auch noch andere als Ehe und Familie, (. . .)“ Er spricht sich deshalb dafür aus, eine ausschließlich Ehe und Familie als „Grundlage der menschlichen Gesellschaft“ definierende Norm zugunsten des von CDU/CSU vorgeschlagenen bloßen verfassungsrechtlichen Schutzes dieser Rechtsinstitute fallen zu lassen. 378 Heinz Renner (KPD), in: PR (Fn. 308), S. 243: „Von der linken Seite dieses Hauses ist kein Wort gefallen gegen die Sonderstellung der Familie und der Ehe, die hier in Absatz 1 enthalten ist.“ 379 Vgl. Heile (DP), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 645; Heuss (FDP), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 834: „Es ist mir da zuviel gesagt, aber ich verstehe diesen Satz als Abwehrhaltung gegenüber der Nazizeit.“

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staatlich geachtete Gemeinschaften zugunsten einer selektiven Förderung nur der vom Staat für legitim gehaltenen Ehen und der Instrumentalisierung von Kindern auch gegen den Willen der Eltern für staatliche Zwecke.380 Wie man am Beispiel der Diskussionsbeiträge von Mangoldts sieht, widersprechen sich die verschiedenen Perspektiven der Bedeutung der Ehe im Verfassungssystem keinesfalls, sondern sie ergänzen sich vielmehr. Sie sind – wie das grundrechtliche System des Grundgesetzes überhaupt – die Konsequenz einer neu akzentuierten Rezeption der entsprechenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung unter Berücksichtigung der nationalsozialistischen Unrechtserfahrung. (2) Bezugsrahmen der Abgrenzung der Ehe zu anderen Lebensgemeinschaften Im Verlauf der Beratungen des Grundsatzausschusses zur einschlägigen Thematik von Ehe und Familie war in seiner 29. Sitzung vom 4. Dezember 1948 – wenn auch nur ansatzweise – auch die Abgrenzung der Ehe zu anderen Lebensgemeinschaften ein Diskussionspunkt. Von Mangoldt hatte zunächst den Abschnitt aus dem Kommentar von Anschütz zu Art. 119 I WRV vorgelesen, in dem die Ehe „in bewußter und gewollter Ablehnung gewisser kommunistischer Lehren“ als unter dem Schutz der (Weimarer) Verfassung stehend beschrieben wird.381 Bei der Erörterung des Vorschlags von CDU/ CSU, die Ehe als „rechtmäßige Form der dauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau“ verfassungsrechtlich zu schützen, erwähnt er ausdrücklich das „Konkubinat“, welches nicht geschützt werde.382 Auch auf der 21. Sitzung des Hauptausschusses vom 7. Dezember 1948 wird von Vertretern der CDU auf diese „rechtmäßige Form“ hingewiesen und ausdrücklich ein Zusammenhang zu Art. 119 I WRV hergestellt.383 Der Allgemeine Redaktionsausschuss hat sich in seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 1948 für eine Streichung der Bezeichnung der Ehe als „rechtmäßi380

Letzteres erwähnt Heuss (FDP), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 835, bezüglich des Elternrechts auf Erziehung: „Ich habe an sich Verständnis dafür als Abwehr dieser Nazizeit, wo die Kinder in die Organisationen hineingezwängt worden sind.“ 381 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 826. 382 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 827: „Es wird gesagt, daß die Ehe als die rechtmäßige Form der dauernden Lebensgemeinschaft unter dem Schutze der Verfassung steht, aber nicht das Konkubinat. In dem Schutz der rechtmäßigen Form der dauernden Lebensgemeinschaft liegt, daß die Ehe geschützt ist.“ 383 Weber (CDU), in: PR (Fn. 308), S. 240: „Ich glaube, ich brauche nicht näher auszuführen – darin waren sich ja alle einig –, daß die Ehe als rechtmäßige Form der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und daß auch die Familie unter dem besonderen Schutz der Verfassung stehen sollen. Dieser Grundsatz war schon in der Weimarer Verfassung verankert.“

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ger Form“ im Textentwurf mit der Begründung ausgesprochen, dieser Hinweis sei überflüssig, „wenn die Ehe als solche unter den besonderen Schutz des Staates gestellt wird.“384 Mit diesen Hinweisen verbinden sich zwei Aussagen zur Frage der Abgrenzung der Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften: Erstens ist mit dem Konkubinat bewusst die rechtlich unverbindliche Lebensgemeinschaft aus dem Schutzbereich des Ehegrundrechts herausgehalten worden.385 Darauf deutet der Bezug zur Kommentierung von Anschütz auf die Abwehr der „kommunistischen Lehren“ hin, mit der das ungebundene Zusammenleben von Mann und Frau als gesellschaftlichem Idealtypus der Anfangsjahre der Sowjetunion sowie die damit einhergehende staatliche Erlaubnispflicht für Eheschließung und Familiengründung abgelehnt wurde.386 Zweitens lässt die Formulierung offen, in welchem Sinne die Bezeichnung der Ehe als „rechtmäßige Form“ zu verstehen ist: Man könnte sie als weiteren Beleg für die Ablehnung werten, der Lebensgemeinschaft ohne rechtlichen Bindungswillen einen verfassungsrechtlichen Schutz zuzuerkennen. „Rechtmäßig“ wäre eine Lebensgemeinschaft nach dieser Interpretation dann, wenn sie rechtlich verbindlich wäre. Man könnte aber andererseits die „Rechtmäßigkeit“ auch als moralische Legitimität einer Lebensgemeinschaft verstehen.387 Da der Begriff der „rechtmäßigen Form der dauernden Lebensgemeinschaft“ aber explizit auf „Mann und Frau“ als verschiedengeschlechtliche Personenverbindung Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang auch der Begriff des „Konkubinats“ verwandt wird, ist die Übertragbarkeit dieser Formulierung auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand aus historischer Perspektive fraglich: Zum einen könnte er für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht gelten,388 zum anderen könnte ein eventueller mit der Lebensgemeinschaft verbundener sittlicher Makel auch ein Ausfluss der Kritik an mangelnder Bindungsbereitschaft 384

PR (Fn. 106), Bd. 7, S. 138. Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 55. 386 v. Mangoldt (CDU), in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 643: „Bei unserer starken Berührung mit dem Osten und dessen Gesetzen würde es sich vielleicht doch empfehlen, ähnliche Sätze wie der Entwurf der Vereinten Nationen in unser Grundgesetz aufzunehmen, vor allem das Recht zur Eheschließung und das Recht zur Gründung einer Familie. In Rußland liegen die Verhältnisse doch wesentlich anders.“ Heuss (FDP) entgegnet: „Diese Dinge sind in Rußland wieder in Ordnung gebracht.“ 387 Darauf deutet die kritische Bemerkung von Heuss, in: PR (Fn. 103), Bd. 5/II, S. 808, hin: „. . . während wir hier mehr eine moralische Sache aussprechen, oder eine traditionell-biologische . . .“ Nach seinem „Gefühl“ hätte man deshalb den besonderen Eheschutz nicht verfassungsrechtlich verankern sollen. 388 So Sickert (Fn. 44), S. 175 f.; Muscheler (Fn. 247), Rn. 44; Lindenberg/ Micker (Fn. 5), S. 707 (712); Freytag (Fn. 17), S. 445 (449). 385

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sein, die bei einer institutionellen Normierung gerade nicht mehr gegeben wäre.389 Für letzteres spricht die Bezeichnung der ehelichen Lebensgemeinschaft als „dauernde Lebensgemeinschaft“, die sich von der nichtehelichen Lebensgemeinschaft von Mann und Frau abgrenzt. Beide Interpretationen der Formulierung der „rechtmäßigen Form“ würden sich aber jedenfalls vor dem ethisch-moralischen Zeithintergrund der Entstehung des Grundgesetzes insofern ergänzen, als alle Lebensgemeinschaften Unverheirateter – zumindest mit sexuellem Bezug – im Vergleich zur Ehe ein sittlich niedrigerer Rang zuerkannt wurde, wenn sie nicht sogar als sittlich verwerflich galten.390 Eine stärkere rechtliche Verbindlichkeit kam ihnen schon aus diesem Grunde nicht zu. Insofern ist die Problematik der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Auslegung des Begriffs der „rechtmäßigen Form der dauernden Lebensgemeinschaft“ aus historischer Perspektive für die Frage der Abgrenzung zu anderen Lebensgemeinschaften von untergeordneter Bedeutung, weil diese nach jeder Interpretationsmöglichkeit durch die Verfassung bewusst nicht institutionell geschützt werden sollten. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ist in seiner Mehrheitsentscheidung der Ansicht, die Erwähnung eines besonderen Schutzes sei aus historischer Sicht kein Indiz für einen verstärkten Schutz von Ehe und Familie. Es nimmt dabei vor allem auf Äußerungen des Vorsitzenden des Grundsatzausschusses von Mangoldt während der 31. Sitzung Bezug, der eine Inhaltsänderung der Norm durch den Wegfall des Attributs „besonders“ verneint hatte.391 Dagegen ist allerdings zu Recht zunächst eingewandt worden, dass der Kontext dieser Äußerung eine völlig andere Textgrundlage als die Formulierung des Art. 6 I GG war.392 Der Vorschlag, das Wort „besonderen“ zu streichen, wurde gewissermaßen kompensiert durch Formulierungen zum engen Verhältnis von Ehe und Familie. Entscheidend spricht gegen die Deutung des Bundesverfassungsgerichts eine andere Überlegung: Von Mangoldt selbst war bei der Verabschiedung des Art. 6 I GG durch das Plenum des Parlamentarischen Rates der Auffassung, dass diese Norm nach der Formulierung des Redaktionsausschusses letztlich kaum mehr als eine Deklaration sei. Außerdem äußerte er Zweifel, 389 Siehe Sickert (Fn. 44), S. 176. Verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften stand zu jeder Zeit die Ehe als Rechtsinstitut zur Verfügung. Die Situation ist damit hinsichtlich der Bindungsbereitschaft bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften nicht vergleichbar, weil diese sich bis zur Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft institutionell gar nicht binden konnten. 390 Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (9, Fn. 55), verweist in diesem Zusammenhang auf BVerfGE 6, 389 (434). Nach dieser Entscheidung verstößt die „gleichgeschlechtliche Betätigung“ gegen das Sittengesetz. 391 BVerfGE 105, 313 (349). 392 Tettinger (Fn. 317), S. 1146 (1149).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

ob der verabschiedeten Fassung die Absicht zugrunde lag, die Anerkennung der Ehe als der rechtmäßigen Form der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und als Grundlage der Familie zu umgehen.393 Diese Ansicht vertrat er angesichts einer Textfassung, die den besonderen Schutz von Ehe und Familie ausdrücklich enthielt. Es gibt dem Diskussionsverlauf eine tragische Note, dass ausgerechnet derjenige, der sich während der gesamten Beratungen zum Grundgesetz für den Schutz von Ehe und Familie sowie für dessen unmittelbare Rechtsgeltung eingesetzt hatte, bei der Verabschiedung des Art. 6 I GG seine Vorstellungen nicht verwirklicht sah. Seine These von der rechtlichen Verbindlichkeit des besonderen Schutzes nahm schließlich Rechtswirkungen des Art. 6 I GG vorweg, die später vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der verbindlichen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie für das gesamte Recht statuiert worden sind. Seine Kritik an der verabschiedeten Fassung des Art. 6 I GG wurde damit letztlich obsolet. Wenn sich die Ansicht von Mangoldts in diesem Punkt als zutreffende Entfaltung der Schutzwirkung des Art. 6 I GG durchgesetzt hat, wäre dies prinzipiell auch für die andere Schlussfolgerung möglich, die Ehe wegen ihres engen Zusammenhangs zur Familie unter den Lebensformen hervorzuheben. Zumindest kann nicht einerseits die Äußerung über die scheinbar mangelnde Verbindlichkeit der Schutzfunktion als Beleg für die damalige dogmatische Indifferenz herangezogen werden, auf die ein Abstandsgebot nicht gestützt werden könne,394 während andererseits aber nicht berücksichtigt wird, dass die dogmatische Prämisse von Mangoldts durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts durchaus rezipiert worden ist. Die Beurteilung des Art. 6 I GG durch von Mangoldt kann nicht gleichzeitig für berechtigt oder für unzutreffend gehalten werden. Wenn sie für berechtigt gehalten wird, dann kann nicht zugleich an der Annahme einer verbindlichen Wertentscheidung festgehalten werden. Wenn sie für unberechtigt gehalten wird, ist es fragwürdig, sie als Grundlage der eigenen Argumentation aus historischer Perspektive heranzuziehen. Insofern verhält sich die Mehrheit des Ersten Senats hier widersprüchlich. (3) Verfassungsrechtliche Abstufung des Schutzsubstrats zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften in der Rechtsordnung Die Diskussionsleitlinien während der Ausschussberatungen des Parlamentarischen Rates zur verfassungsrechtlichen Singularität der Ehe konzentrier393 v. Mangoldt (CDU), Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Dr. von Mangoldt über den Abschnitt I. Die Grundrechte, in: Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1948/49, S. 5 (9). 394 So aber BVerfGE 105, 313 (351).

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ten sich mithin auf zwei Bezugsrahmen: Erstens wurde die institutionelle Bedeutung der Ehe herausgehoben und damit sowohl die Grundlage für die spätere grundrechtsdogmatische Entfaltung des Art. 6 I GG durch das Bundesverfassungsgericht wie auch für die mehrdimensionale teleologische Einordnung der Ehe gelegt. Zweitens betonten die Ausschussmitglieder die Rechtsverbindlichkeit der Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften. Aus beiden Bezugsrahmen ergeben sich aus historischer Sicht als Schnittpunkte Konturen für das institutionelle Verhältnis zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften: (a) Soziale Bedeutung der Ehe Aus der institutionellen Bedeutung der Ehe sowohl für den einzelnen Grundrechtsträger als auch für die soziale Gemeinschaft ergibt sich, dass der Aspekt verfassungsrechtlicher Freiheitsentfaltung vom Parlamentarischen Rat nicht isoliert, sondern immer in einem Zusammenhang mit der sozialen Relevanz dieser Lebensgemeinschaft gesehen wurde. Es wäre deshalb aus der historischen Perspektive verfehlt, die grundrechtliche Konkretisierung der freien Entfaltung der Person als ausschließlichen Maßstab der Beurteilung des Verhältnisses zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften heranzuziehen. In diesem Fall wäre die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft im gleichen Maße Ausdruck personaler Freiheitsgestaltung wie die Ehe. Der sozialen Bedeutung der Ehe als eine der „Grundlagen der Gesellschaft“ würde diese Gleichsetzung aber nicht gerecht und der eigentliche Bedeutungsunterschied zwischen gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen und der Ehe – die familiare Potentialität letzterer – dadurch verwischt. Der enge Zusammenhang zwischen Ehe und Familie ist die mit dem historischen Bezug zu Art. 119 I WRV geradezu unbestrittene verfassungsrechtliche Grundprämisse der damaligen Beratungen. Insofern war diese skizzierte Bedeutung der Ehe für den Parlamentarischen Rat nicht mit denen anderer Lebensgemeinschaften vergleichbar. (b) Differenzierte Schutztypik zugunsten von Ehe und Familie Daraus ergab sich als Konsequenz eine differenzierte institutionelle Schutztypik dieser Lebensgemeinschaften. Sie bezog sich einmal auf die Frage ihrer Einbeziehung in den Schutz des Grundgesetzes: Mit der exklusiven Implementierung nur von Ehe und Familie in den Art. 6 I GG ist diese Frage vom Parlamentarischen Rat eindeutig entschieden worden. Nur diese familialen Gemeinschaften sollten wegen ihrer Bedeutung auf dieser Ebene institutionell geschützt werden, alle anderen nicht. Auf der anderen Seite wird durch den vorstehend skizzierten Bezugsrahmen der Abgrenzung

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

der Ehe zu den nichtehelichen Lebensgemeinschaften deutlich, dass für den Parlamentarischen Rat die institutionelle Rechtsverbindlichkeit einer Lebensgemeinschaft ein weiteres Kriterium für die Verhältnisbestimmung zur Ehe war. Neben dem Verlöbnis, der Ehe und der Familie existierte damals auf privatrechtlicher Ebene kein weiteres familienrechtliches Rechtsinstitut. Überträgt man den im Diskussionsverlauf zutage getretenen Willen, als verfassungsrechtliches Differenzierungskriterium zwischen Ehe und Lebensgemeinschaft anderer Art („Konkubinat“) auch deren institutionelle Stabilisierung durch eine normative Rechtsstruktur heranzuziehen, so wäre nach Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften dieses Abgrenzungskriterium entfallen. Es hätte seinen berechtigten Platz nur noch im Verhältnis zwischen der Ehe und der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft, deren typologisches Charakteristikum die mangelnde institutionelle Bindungsbereitschaft ist. Der Bezugsrahmen, in dessen Mittelpunkt die verbindliche Ehe als Abgrenzung zur unverbindlichen Lebensgemeinschaft steht, vermag nicht zu begründen, warum allein schon die Konstituierung neuer Rechtsinstitute gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe verstoßen soll. Deshalb ist nach den Maßstäben des Parlamentarischen Rates nicht schon die einfachgesetzliche Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Verletzung des verfassungsrechtlichen Gestaltungsverbots anzusehen. Die Ausgestaltung eines solchen Rechtsinstituts begegnet allerdings vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe Grenzen. Diese ergeben sich aus der Kulmination zweier auch im Parlamentarischen Rat angeführten Argumentationstopoi: Erstens wurde in den Diskussionen deutlich, dass der Ehe im Vergleich zu allen anderen Lebensgemeinschaften hinsichtlich ihrer Funktionen und der Bedeutung für das verfassungsrechtlich zu gestaltende Gesellschaftssystem eine einzigartige Rolle zukommen sollte. Und zweitens kam – wenn auch zunächst durchaus kontrovers diskutiert – der Wille zum Ausdruck, der mit dem Schutz verbundenen Bedeutung der Ehe eine unmittelbare Rechtsgeltung für die einfache Rechtsordnung zuzuerkennen und nicht nur einen programmatisch-unverbindlichen Charakter dieser Schutzerklärung anzunehmen. Berücksichtigt man diese beiden Leitmaßstäbe zugleich, liegt es nahe, von einer nach der Bedeutung der Lebensgemeinschaften abgestuften Schutztypik auszugehen.395 Eine undifferenzierte Gleichbehandlung aller Rechtsinstitute einschließlich der Ehe in der Rechtsordnung 395 Uhle (Fn. 347), S. 257 f.; Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (397 f.); Kleffmann (Fn. 366), S. 235 f.; G. Kirchhof (Fn. 347), S. 542 (556 f.), für die Familie; anders Windel (Fn. 63), S. 152 (153), der der Ansicht ist, die historisch-genetische Auslegung sei bei der Bestimmung des Verhältnisses von Ehe und Lebenspartnerschaft nicht zielführend.

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würde diesen kumulierten verfassungsrechtlichen Ansätzen des Parlamentarischen Rates aus historischer Perspektive genauso wenig gerecht wie die gegenteilige Annahme, die Konstituierung von Rechtsinstituten außerhalb der Ehe sei gänzlich ausgeschlossen. (c) Familienbezug als Differenzierungskriterium Das Differenzierungskriterium bei der institutionellen Ausgestaltung einfachgesetzlicher Rechtsinstitute des Familienrechts war nach der verfassungsrechtlichen Einordnung der Ehe im Verlauf der Diskussion in den Ausschüssen deren Bezug zur Familie. Der dargelegte Konnex zwischen Ehe und Familie gibt der Ehe ein spezifisches und mit keinem anderen Rechtsinstitut ohne eine solche familiale Entwicklungsmöglichkeit vergleichbares staatsperpetuierendes Gewicht. Die undifferenzierte Übertragung von gesetzlichen Ausgestaltungen der Ehe, die sich auf diese Verfassungserwartung beziehen, auf neu konstituierte Rechtsinstitute verstößt gegen die verfassungsrechtliche Grundkonzeption des Schutzes der Ehe durch den Parlamentarischen Rat und wäre von ihm nicht gebilligt worden. (4) Zwischenergebnis Aus der historischen Perspektive des Parlamentarischen Rates und seiner verfassungsrechtlichen Maßstäbe für Ehe und Familie ergeben sich Ansätze eines Abbildungsgebots für alle familienrechtlichen Rechtsinstitute: Die institutionell singuläre Bedeutung der Ehe mit ihrem Bezug zur Familie muss sich in der gesamten Rechtsordnung widerspiegeln. Ein Konstituierungsverbot für neue Rechtsinstitute kann aus den im Haupt-, Grundsatz- und Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rates diskutierten verfassungsrechtlichen Ansätzen allerdings nicht abgeleitet werden. cc) Abbildungsgebot als Konkretisierung der systematischen Strukturierung der Wertentscheidung Die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten von Ehe und Familie konkretisiert sich in einer primären und einer sekundären Schutzverpflichtung. Der Primärschutz trifft keine Aussage über die institutionelle Gestaltung der Ehe, weil er sie ausschließlich gegen den Eingriff Privater, nicht aber gegenüber gesetzlicher Strukturierung zu schützen vermag. Leitlinien für eine normative Ausgestaltung stellt mithin nur die sekundäre Schutzverpflichtung bereit, die sich als staatliche Förderpflicht verbunden mit einem Benachteiligungsverbot manifestiert.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(1) Vergleichsmaßstab des Benachteiligungsverbots: Erhaltung des relationalen Minimums Das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot untersagt der Gesetzgebung, die Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften schlechter zu stellen. Das setzt eine Vergleichsgruppenbildung zwischen dem die Ehe und das nichteheliche Rechtsinstitut betreffenden Regelungsgegenstand voraus. Nur wenn dieser Vergleich zu Lasten der Ehe ausfällt, ist das Benachteiligungsverbot berührt.396 Es konkretisiert folglich die verfassungsrechtliche Pflicht, ein Minimum des ehelichen Regelungskreises zu erhalten. Dieser Minimalstandard ist relational in der Weise zu bestimmen, als die Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften nicht schlechter gestellt werden darf.397 Das Benachteiligungsverbot markiert deshalb die durch die Verfassung vorgegebene relative Untergrenze der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers. Als verfassungsrechtlicher Maßstab für die Frage der Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Gemeinschaften scheidet das Benachteiligungsverbot daher von vornherein aus: Zwar verliert die Ehe mit der Einführung eines weiteren familienrechtlichen Rechtsinstituts, das anders als das Verlöbnis nicht nur einen der Ehe vorgelagerten Charakter besitzt, dadurch faktisch ihre bisher exklusive institutionelle Stellung in der Rechtsordnung.398 Damit ergibt sich für die Ehe aber noch keine Benachteiligung, weil sie durch die Konstituierung des neuen Rechtsinstituts selbst noch nicht schlechter gestellt wird als dieses. Durch die institutionelle Konstituierung verändert sich nur die der Ehe gegenüberstehende Vergleichsgruppe, die zur Überprüfung des Benachteiligungsverbots gebildet werden muss: Statt ausschließlich die Regelungen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, denen gleichgeschlechtliche Gemeinschaften ohne einen institutionellen Rahmen bisher unterworfen waren, dienen nunmehr auch die eigens normierten rechtsinstitutsbezogenen Bestimmungen als Vergleichsgruppe. Eine Benachteiligung der Ehe ist das allein noch nicht. Für die Ausgestaltung eines solchen Rechtsinstituts ergibt sich damit die Konsequenz, dass eine Benachteiligung der Ehe nur dann vorliegt, wenn ein Vergleich der die Ehe und ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Gemeinschaften betreffenden Regelungen ergibt, dass Eheleute schlechter als Mitglieder dieses Rechtsinstituts behandelt werden. Das Benachteiligungs396

3. Kapitel A. III. 1. b) cc), S. 291 ff. Vgl. dazu auch Kingreen (Fn. 7), S. 121 ff.; Jarass (Fn. 257), S. 363 (374 f.). 398 Bei Andreas von Arnauld/Julia Platter, Die Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: Jura 2002, S. 411 (414), wird dieser Befund deshalb auch als Argument für die Ansicht wiedergegeben, es läge ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor. 397

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verbot gestattet deshalb nicht nur eine normative Annäherung, sondern sogar eine vollständige Gleichbehandlung dieses Rechtsinstituts mit der Ehe. Die Bedeutung des Wortes „Benachteiligung“ setzt insofern der Auslegung dieses Begriffs Grenzen: Die Benachteiligung eines Rechtsinstituts gegenüber einem anderen impliziert ein durch die Regelungsstruktur bedingtes rechtliches Defizit des benachteiligten Rechtsinstituts und gerade keine Gleichbehandlung. Mit dem Benachteiligungsverbot der Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie kann eine privilegierte Rechtsstellung der Ehe gegenüber einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Gemeinschaften deshalb nicht begründet werden.399 Die Mehrheit des Ersten Senats hat diese Argumentation im Ergebnis aufgenommen, wenn sie knapp feststellt, dass eine Schlechterstellung der Ehe durch die Konstituierung und Ausgestaltung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht erfolgt sei. Dahinter steht allerdings ein weitergehender Argumentationsansatz, um eine Benachteiligung der Ehe gegenüber der Eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verneinen. Dieser wird an der Bemerkung des Gerichts deutlich, der Ehe drohten keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.400 Die zugrunde liegende Prämisse setzt somit schon auf formaler Ebene bei den unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen zu beiden Rechtsinstituten an. Dies hätte zur Konsequenz, dass auch eine hypothetische rechtliche oder ökonomische Schlechterstellung der Ehe gegenüber der Eingetragenen Lebenspartnerschaft keine Benachteiligung der Ehe wäre, weil nach dieser Ansicht beide Rechtsinstitute keine legitimen Vergleichsgruppen bilden könnten. Diese Ansicht berücksichtigt nicht, dass das Verbot der Benachteiligung von Ehepaaren auch gegenüber Ledigen gilt.401 Wenn schon Einzelpersonen, die keine Lebensgemeinschaft bilden, als Vergleichsgruppe herangezogen werden dürfen, dann muss das Gleiche erst recht auch für Angehörige institutionalisierter Gemeinschaften gelten. Die Ehe als Rechtsinstitut unterscheidet sich durch bestimmte Strukturelemente von jeder Art der Nichtehe. Deshalb wird das aus der Wertentscheidung der Verfassung nur 399 Im Ergebnis ebenso Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (714); Freytag (Fn. 17), S. 445 (448); Dominique Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, 2002, S. 227; Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (233); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (57 f.); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1900); Manfred Bruns, Art. 6 I GG und gesetzliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, in: ZRP 1996, S. 6 (8). 400 BVerfGE 105, 313 (347). 401 Vgl. oben 3. Kapitel A. III. 1. b) cc), S. 291 ff.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

für Ehe und Familie abgeleitete Benachteiligungsverbot inhaltlich entleert, wenn man argumentiert, dass die Ehe nicht durch ein formal von der Ehe unterschiedenes nichteheliches Institut Einbußen erleiden könnte. Der Ansatz der Senatsmehrheit geht deshalb aus systematischer Sicht über das zutreffende Ergebnis hinaus, keine Benachteiligung der Ehe durch die Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts anzunehmen. Eine stringente typologische Vergleichsgruppenbildung als Voraussetzung einer Benachteiligung ist danach kaum mehr möglich. (2) Vergleichsmaßstab des Fördergebotes: Bevorzugung von Ehe und Familie (a) Vergleichsgruppenbildung als methodologische Voraussetzung jeder Förderung Auch wenn das Benachteiligungsverbot als verfassungsrechtlicher Maßstab für ein Abbildungsgebot der exklusiv in der Verfassung geschützten Ehe und Familie im einfachgesetzlichen Recht nicht in Betracht kommt, muss berücksichtigt werden, dass das Verbot der Benachteiligung der Ehe nur der systematisch zwingende Umkehrschluss des Fördergebotes zugunsten der Ehe ist.402 Zwischen der Förderverpflichtung und dem Benachteiligungsgebot besteht ein Zusammenhang nicht nur hinsichtlich des Handlungsverpflichteten – dem Staat – sondern auch bezüglich der Regelungssystematik: Um beurteilen zu können, ob der Staat seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachkommt, die Ehe zu fördern, ist es zunächst notwendig, eine Vergleichsgruppe zu bilden. Da es bei der Förderung der Ehe um eine in institutionelle Form gekleidete Lebensgemeinschaft geht, ist es nahe liegend, die rechtliche Einordnung anderer Lebensgemeinschaften als Vergleichsgruppe zu wählen. Der verbindliche Inhalt der institutionellen Förderung mit seinen Grundaussagen muss sich dabei wiederum an der Bedeutung des Begriffs „Förderung“ messen lassen. Etwas zu fördern bedeutet dabei immer ein verstärktes Handeln dem Förderungsgegenstand gegenüber.403 Das heißt nicht, dass sich auf ihn alle Aktivitäten konzentrieren müssen und nicht auch Bestimmungen denkbar sind, die sowohl dem Förderungsgegenstand als auch der Vergleichsgruppe, also allen Handlungsadressaten zugleich dienen.404 Wenn aber alle institutsbezogenen 402

Siehe 3. Kapitel A. III. 1. b) cc), S. 291 ff. Sondervotum von Haas, BVerfGE 105, 313 (361): „Förderung bedeutet Zuwendung über das normale Maß hinaus, damit also Privilegierung der Ehe.“ 404 Herbert Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 3. Aufl., 1999, § 4 Rn. 17, der daraus aber ableitet, dass eine rechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe verfassungsrechtlich möglich wäre. 403

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Handlungen des Staates nicht nur den verfassungsrechtlich zu Fördernden, sondern auch die anderen Objekte der Vergleichsgruppe in gleicher Weise betreffen und insofern gleich behandeln, kann von einer spezifischen Förderung nur eines der Adressaten keine Rede mehr sein.405 Übertragen auf die Förderung der Ehe bedeutet dies, dass sie dann nicht stattfindet, wenn die institutionell einschlägigen gesetzgeberischen Aktivitäten auf dem Gebiet des Familienrechts in gleicher Weise auch andere Lebensgemeinschaften betreffen.406 Insofern lässt sich die bisweilen in der Literatur vertretene Meinung, die Förderverpflichtung des Staates gegenüber der Ehe sei nur als Verhältnisbestimmung zwischen Ehe und Staat und nicht auch in einem dreipoligen Verhältnis zwischen der Ehe, einem weiteren Rechtsinstitut als Adressatenkreis staatlicher Maßnahmen und dem Staat selbst denkbar,407 nicht aufrechterhalten. Die Vertreter dieser Ansicht stehen nicht nur vor dem Problem, in diesem Fall eine vollständige Trennung der Rechtswirkungen zwischen dem Benachteiligungsverbot als besonderem Gleichheitssatz und dem Förderungsgebot annehmen zu müssen. Ihnen fehlt darüber hinaus ein stringenter grundrechtsdogmatischer Maßstab, der als Kriterium für die Lösung der Frage herangezogen werden könnte, in welchen Fällen eine Verletzung des Förderungsgebotes anzunehmen ist.408 Ohne die Bildung einer Vergleichsgruppe ist dies nicht möglich.409 Auch bestimmte Urteile des Bundesverfassungsgerichts vor seiner Entscheidung zum LPartDisBG, die zur Fundierung dieser Argumentation 405 Pointiert Rainer Kemper, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: FPR 2002, S. 585 (586): „Etwas, das allen zusteht, ist keine Förderung mehr.“ 406 Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (58), scheint diese Prämisse zu teilen, wenn er meint, das LPartDisBG übernehme die Aktivitäten zugunsten der Ehe „lediglich ausschnittsweise“ und deshalb sei die Förderverpflichtung nicht verletzt. Eine vollständige Übertragung eherechtlicher Regelungen wäre danach wohl ein entsprechender Verstoß. Dies sieht überraschenderweise auch Huster (Fn. 247), S. 611, so, obwohl er dem Fördergebot eine praktische Relevanz abspricht. Außerdem wird bei ihm nicht deutlich, welche Bereiche der Ausgestaltung der Ehe nicht auf andere Lebensgemeinschaften übertragen werden dürfen, weil er den ehelichen Funktionsbezug zur Familie ausdrücklich ablehnt. 407 Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (233). 408 Auch Freytag (Fn. 17), S. 445 (448 f.), behauptet nur, dass die Förderpflicht „absolut zu verwirklichen ist“. Welches Kriterium dafür – gerade auch angesichts des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums – heranzuziehen wäre, benennt sie nicht. 409 Deshalb konstruieren Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (234 ff.), auch ein vom Fördergebot vermeintlich unabhängiges Differenzierungsgebot mit einer dann doch vorgenommenen Vergleichsgruppenbildung zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

herangezogen werden,410 sind wenig tragfähig, weil diesen Entscheidungen thematisch gar kein institutioneller Vergleich zugrunde gelegt sein konnte:411 In der einen ging es um die Verfassungskonformität der steuerlichen Zusammenveranlagung eines Ehepaars im Rahmen der progressiven Besteuerung des einzelnen Steuerpflichtigen,412 in der das Förderungsgebot der Ehe gar keine Rolle spielte. In anderen stand die Frage im Mittelpunkt, ob die Zeiten der Kindererziehung wegen Art. 6 I GG vollständig im Rahmen der Sozialversicherung berücksichtigt werden müssten,413 oder es ging um Voraussetzungen der Zahlung von Kindergeld.414 In diesen Entscheidungen war zum einen die Ehe als Rechtsinstitut thematisch gar nicht einschlägig, sondern ausschließlich die Familie. Zum anderen wird vom Bundesverfassungsgericht betont, dass die Familienförderung nur unter Berücksichtigung der anderen Gemeinwohlbelange stattfinde.415 Dies gilt auch für die Förderung der Ehe.416 Für das Gericht steht deshalb als Prämisse außer Frage, dass grundsätzlich die staatliche Förderung von Ehe und Familie verfassungsrechtlich geboten ist. Es statuiert in seinen Entscheidungen zwar, dass diese Förderung nicht absoluten Vorrang gegenüber anderen Gemeinwohlbelangen habe. Eine Förderung von Familien kann aber grundsätzlich nichts anderes heißen, als sie gegenüber Nichtfamilien anders, d.h. besser behandelt werden. Insoweit ist hier auch hier die Vergleichsgruppenbildung indiziert. Bei institutionell normierten Gebilden ist dieser Vergleich noch leichter möglich, weil Gemeinsamkeiten und Unterschiede rechtlich vorstrukturiert und damit leichter normativ erfassbar sind. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum betrifft also grundsätzlich nur das „Wie“, nicht das „Ob“ dieser differenzierten Förderungsverpflichtung.

410 Etwa BVerfGE 6, 55 ff.; 87, 1 ff., von Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (233, Fn. 74, 76), oder BVerfGE 23, 258 ff.; 55, 114 ff., von Freytag (Fn. 17), S. 445 (448). 411 Das konzediert auch Freytag (Fn. 17), S. 445 (448): „Gegenstand der Entscheidungen war letztlich immer nur die Frage der Benachteiligung von Ehegatten, niemals die Frage der rechtlichen Gleichbehandlung anderer Lebenspartnerschaften.“ Etwas allgemeiner formuliert auch Sachs (Fn. 10), S. 45 (48): „zu entsprechenden Überlegungen (bestand) kein Anlaß“. 412 In BVerfGE 6, 55 (82), wurde diese Regelung wegen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot der Ehe für verfassungswidrig erklärt. 413 Nach BVerfGE 87, 1, ist das nicht der Fall. 414 BVerfGE 23, 258. 415 BVerfGE 23, 258 (264); 87, 1 (35 f.). 416 BVerfGE 55, 114 (127). In diesem Urteil ging es um die Frage, ob einer Witwe bei Eingehung einer dritten Ehe eine Heiratsabfindung und nach Auflösung dieser Ehe Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ihres ersten Ehemannes zu zahlen ist. Die Ablehnung dieser Ansprüche verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen die Verpflichtung zur Förderung der Ehe.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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(b) Förderung als Besserstellung Die Förderung der Ehe darf sich nicht nur auf die gesetzgeberische Handlungsebene beschränken, sondern umfasst auch den Erfolg der Förderungshandlung. Das ergibt sich schon aus der allgemeinen Grundrechtssystematik, nach der Eingriffe in Grundrechte auch dann vorliegen können, wenn sie nicht intendiert sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die verfassungsrechtliche Förderungsverpflichtung nicht schon dann erfüllt ist, wenn der Ehe Förderungsbestrebungen zuteil werden, die sich aber in der Rechtsrealität nicht positiv zu ihren Gunsten auswirken. In diesem Fall fände wiederum ausschließlich eine faktische Gleichbehandlung zwischen Ehepaaren und nichtverheirateten Personen statt. Zur Förderung gehört also nicht nur die institutionelle Stabilisierung der Ehe, die auch schon durch die verfassungsrechtliche Institutsgarantie gegeben ist. Ziel der Förderung und damit ihr angestrebter Erfolg ist auch, die Realisierungschance der beschriebenen doppelten Verfassungserwartung zu erhöhen, also die Eheschließung und die Weiterentwicklung der Ehe zur Familie gesetzlich zu fördern. Dazu reicht ein bloß passiver Rechtsformenschutz gegen Eingriffe des Staates oder privater Dritter nicht aus. Gefördert wird die Ehe am effektivsten dadurch, dass sie einfachgesetzlich so ausgestaltet wird, dass sie als Institution für die Nupturienten attraktiv ist. Das ist nicht der Fall, wenn sich für diese aus der Eheschließung keine rechtlich relevanten Vorteile im Vergleich zum bisherigen Zustand oder zu anderen institutionalisierten Bindungen ergeben. Die Ehe muss mithin gesetzlich privilegiert werden. Gegen die Annahme einer solchen relationalen Verpflichtung ist „ein allgemeines Grundprinzip christlich-abendländischen Gerechtigkeitsdenkens“ ins Feld geführt worden. Es verbiete, über die eigene Besserstellung hinaus die Schlechterstellung anderer verlangen zu können.417 Diese These ist allerdings hier schon nicht einschlägig, weil es bei der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe nicht darum geht, ob die Eheleute einen Anspruch im Sinne eines subjektiven Rechts auf Differenzierung zwischen den institutionalisierten Lebensgemeinschaften besitzen. Außerdem liegt keine aktive Schlechterstellung durch gesetzgeberische Maßnahmen vor, sondern im äußersten Fall eine passive Sperrwirkung für die Gleichstellung bestimmter Rechtsinstitute mit Ehe und Familie. Schließlich ist die Besserstellung einer Vergleichsgruppe gegenüber einer anderen methodisch zwingend damit verbunden, dass letztere gegenüber ersterer schlechter gestellt ist. Auch wegen Art. 3 I GG ist die Privilegierung eines Vergleichsgegenstands mit einem damit verbundenen geringeren Gewicht eines ande417

Freytag (Fn. 17), S. 445 (451); ähnlich Rijsbergen (Fn. 366), S. 40.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

ren verfassungsgemäß und gerade Ausdruck des Gerechtigkeitsdenkens, wenn ein verfassungskonformes Differenzierungskriterium vorliegt. (c) Die Problematik der Argumentation mit einer fehlenden Schädigung der Ehe im Lichte der Förderungsverpflichtung Deshalb trifft ein in der Diskussion oft angeführtes Argument nicht den Kern dieses aus der Förderverpflichtung abgeleiteten differenzierten Abbildungsgebotes der Verfassung: Wegen der unterschiedlichen personalen Zugangsberechtigungen für die Rechtsinstitute von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft könne die eheähnliche Ausgestaltung von letzterem der Ehe selbst nicht „schaden“.418 Zunächst ist dagegen schon eingewandt worden, das Argument stelle auf den Schaden für die konkrete Ehe ab, obwohl es doch um eine abstrakt-institutionelle Perspektive gehe.419 Allerdings könnte das Argument auch auf dieser Ebene eingesetzt werden, indem man einen abstrakten Schaden für das Rechtsinstitut der Ehe als solches erst recht bestreitet. Entscheidend spricht gegen diese Argumentation, dass die Feststellung eines „Schadens“ für die Ehe, also einer Verschlechterung ihrer Rechtsposition gegenüber dem bisherigen Zustand, allenfalls im Rahmen des Benachteiligungsverbotes relevant wird, nicht aber für die Verpflichtung zur Förderung der Ehe.420 Zwar stehen – wie festgestellt – Benachteiligungsverbot und Förderungsgebot in einem dogmatischen Konnex. Beide Rechtswirkungen der Wertentscheidung sind aber nicht identisch, sondern besitzen einen eigenständigen, wenn auch systematisch miteinander verbundenen Wirkungskreis. Das zunächst einleuchtende Argument basiert also auf einer Vermischung der inhaltlichen Voraussetzungen dieser beiden verfassungsrechtlichen Begrenzungen des gesetzgeberischen Spielraums. Die Förderungsverpflichtung verlangt die differenzierte Bevorzugung der Ehe, nicht den Nachweis eines institutionellen Schadens für sie.

418 So Rijsbergen (Fn. 366), S. 32; Joachim Henkel, Verbesserung der Lage von Schwulen und Lesben, in: Pflicht und Verantwortung. Festschrift zum 75. Geburtstag von Claus Arndt, hrsg. von Bernd M. Kraske, 2002, S. 77 (80); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (65). 419 Braun (Fn. 222), S. 23 (26). 420 Das verkennt auch BVerfGE 105, 313 (351), wenn es im Rahmen des Fördergebotes ausführt, es sei „nicht erkennbar, dass sie [andere Personenkonstellationen als die Verbindung von Mann und Frau] das Gefüge dieses Instituts [der Ehe] beschädigen könnten.“

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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(3) Staatliche Verpflichtung zur Bevorzugung der Ehe gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften? Die Bevorzugung der Ehe gilt zunächst für das Verhältnis zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften von Mann und Frau. Diese Personenverbindungen könnten, wenn sie es wollten, die Ehe eingehen. Wenn sie dies aber bewusst (noch) nicht tun, ist diese Entscheidung vom Staat zu respektieren. Eine Übertragung der ehelichen Rechte-Pflichten-Typik durch die Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts und die institutionelle Einbindung dieser Lebensgemeinschaften gegen ihren Willen verstieße schon gegen das entsprechende Abwehrrecht.421 Auch wenn die institutionelle Neukonstituierung mit einer Wahlmöglichkeit verbunden würde, wäre sie verfassungswidrig, wenn das neue Rechtsinstitut ehegleich ausgestaltet wäre. In diesem Fall würde die Ehe nicht mehr bevorzugt werden, mithin läge eine Verletzung des aus der Wertentscheidung abgeleiteten Fördergebots der Ehe vor.422 (a) Ehe und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als aliud? Die umstrittenste Frage in diesem Zusammenhang ist nun, ob dieses Privilegierungsgebot auch zwischen der Ehe und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gilt. Deren Beantwortung hängt entscheidend davon ab, ob es methodisch zulässig ist, ggf. institutionell konstituierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Vergleichsgruppe zur Ehe heranzuziehen. Dies wird von der Mehrheit des Ersten Senats mit dem Argument verneint, der Kreis der Zugangsberechtigten zu einer solchen Lebensgemeinschaft sei gänzlich von dem der Ehe verschieden, die Eingetragene Lebenspartnerschaft sei mithin ein „aliud“ zur Ehe.423 Diese Prämisse, die 421 v. Campenhausen (Fn. 317), S. 7 (19 f.); Reinhold Zippelius, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: DÖV 1986, S. 805 (809). 422 Stern (Fn. 2), § 100 VI 1 c, S. 478 ff.; Forkert (Fn. 19), S. 31; v. Campenhausen (Fn. 317), S. 7 (19 f.); Steiger (Fn. 317), S. 55 (78 f.); Zippelius (Fn. 421), S. 805 (808 f.). Das sieht auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 105, 313 (350 f.), ähnlich, wenn ein neu konstituiertes Rechtsinstitut mit der Ehe „austauschbar“ wäre. Gemeint ist damit wohl der Fall, dass der Kreis der Zugangsberechtigten zu beiden Rechtsinstituten identisch ist. Vgl. auch Achim Gernot Wächtler, Die politische Forderung nach der „gleichgeschlechtlichen Ehe“ und deren rechtliche Umsetzung im deutschen Recht, 2000, S. 146; skeptisch dagegen Roland Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, 1996, S. 132. 423 BVerfGE 105, 313 (350 f.). Aus der Literatur ähnlich: Lüderitz/Dethloff (Fn. 44), § 1 Rn. 22, § 7 Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 59), § 5 Rn. 23; Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Auf., 2006, Einf., Rn. 20; Forkert (Fn. 19), S. 29; Henkel (Fn. 418), S. 77 (80); Huster (Fn. 247), S. 612 f.; Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (239); Wasmuth

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

in den Ausführungen zum Benachteiligungsverbot nur implizit anklang, wird im Rahmen des Fördergebotes nun explizit ausgesprochen. An dieser Ansicht ist zum einen zutreffend, dass sich schon auf formaler Ebene Ehe und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft durch die unterschiedliche Kombination des Geschlechts bei der Personenverbindung unterscheiden: Während die Ehe der Personenverbindung von Mann und Frau offen steht, ist die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft durch eine Personenverbindung des gleichen Geschlechts gekennzeichnet. Zum anderen werden auch faktisch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur diejenigen ein neu konstituiertes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Rechtsform wählen, zwischen denen eine homosexuelle Geschlechtsgemeinschaft besteht. Die Ehe ist gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften als Rechtsinstitut versperrt,424 sie steht nur Mann und Frau zur Verfügung. Auch der Zweck der Förderung der Ehe, einen institutionell gebundenen Beitrag zur Realisierung der Verfassungserwartungen zu leisten, zu heiraten und sich als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zur Familie zu erweitern, entfällt bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften als typologisches Kriterium, weil sich diese auf natürlichem Weg nicht fortpflanzen können und andere Wege zur familiären Erweiterung rechtlich nur sehr eingeschränkt möglich sind.425 Daraus könnte man folgern, dass das Fördergebot im relationalen Verhältnis nur die Ehe und andere verschiedengeschlechtliche Personenverbindungen betrifft, nicht jedoch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Ein Privilegierungsgebot zugunsten der Ehe würde sich demnach nur zwischen Lebensgemeinschaften von Mann und Frau auswirken. Diese Argumentation berücksichtigt allerdings die typologischen Gemeinsamkeiten zwischen der Ehe und einer institutionellen Rechtsform für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu wenig. (aa) Die Problematik einer personalen Abgrenzung des Personenkreises bei Ehe und Lebenspartnerschaft Johann Braun hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die anthropologische Grundprämisse einer Distinktion von zwei sich nicht überschneidenden Kreisen von zugangsberechtigten Lebensgemeinschaften zu den Rechtsinstituten die entwicklungspsychologische Ansicht ist, die geschlechtliche (Fn. 40), S. 47 (65); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1899 f.); Wächtler (Fn. 422), S. 146 f.; Heun (Fn. 3), S. 275 ff.; Jörg Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 303 f.; Argument auch bei v. Arnauld/Platter (Fn. 398), S. 411 (414). 424 Vgl. 2. Kapitel, S. 122 ff. 425 Siehe 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc), S. 153 ff.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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Orientierung des einzelnen Menschen stehe zumindest mit der Pubertät fest und könne sich ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht mehr verändern.426 Bisexuelle Personen und diejenigen Fälle, in denen sich eine zunächst verheiratete Person, die auch schon Kinder gezeugt haben kann, im Lebensverlauf für eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft entscheidet, zeigen aber beispielhaft, dass die Annahme einer ausnahmslosen Trennung in zwei unterschiedliche Personenkreise mit jeweils feststehenden Geschlechtsidentitäten die Realität nicht vollständig widerspiegelt.427 Allerdings ist bei der Zuordnung institutioneller Rechtsformen zu bestimmten Personenverbindungen eine typisierende Betrachtung nicht nur verfassungskonform, sondern auch notwendig. Wenn diese Typusbestimmung Voraussetzung für eine sachgerechte funktionale Zuordnung der Rechtsinstitute gerade im Hinblick auf die Entwicklungspotentialität zur Familie ist, dann kann auch die Zusammenfassung bestimmter Geschlechtsidentitäten in Grundtypen nicht bedenklich sein. Es ist insoweit zulässig, bei der Typusbildung etwaige Ausnahmefälle nicht zu berücksichtigen. (bb) Die methodische Problematik des argumentum e silentio legis bei Art. 6 I GG Aus rechtsmethodischer Sicht operiert die Ansicht, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften würden wegen ihrer Andersartigkeit vom Förderund damit vom Privilegierungsgebot zugunsten der Ehe nicht erfasst, mit dem unausgesprochenen Argument eines vermeintlichen Schweigens der Verfassungsvorschrift des Art. 6 I GG zur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Weil in Art. 6 I GG nur die Rechtsinstitute von Ehe und Familie genannt sind, trifft nach dieser Argumentation die Norm nur für diese Gemeinschaften und ihre verschiedengeschlechtlichen Lebensformvarianten 426 Johann Braun, Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, 2002, S. 72 ff.; ders. (Fn. 109), S. 21 (23 f.); auch Wölfl (Fn. 59), S. 343 ff.; Huster (Fn. 247), S. 606 (Fn. 497). Die Kritik an dieser Annahme Brauns von Obermeyer (Fn. 83), S. 1143 (1144), die eine eindeutige sexuelle Orientierung nur zum Zeitpunkt der Wahl des Rechtsinstituts für ausreichend hält, berücksichtigt dessen institutionelle Funktion nicht ausreichend. Die Ehe ist in ihrer familialen Potentialität auf Kinder ausgerichtet und verträgt damit keine typusrelevante Variabilität der sexuellen Orientierung der Ehegatten. Ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, dessen funktionstypisches Substrat die Stabilisierung der Lebensgemeinschaft als Verantwortungsgemeinschaft ist, kann seinen Funktionszweck nur erfüllen, wenn die Lebensgemeinschaft typischerweise längerfristig besteht. Voraussetzung dafür ist aber eine feststehende sexuelle Orientierung, weil ansonsten die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Lebensgemeinschaft bei einem Wechsel der sexuellen Identität einer Person zerbricht. 427 Braun (Fn. 426), S. 73 f. Das räumt auch Schimmel (Fn. 422), S. 133, Fn. 435, ein.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

eine verfassungsrechtliche Aussage, nicht jedoch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. An dieser Schlussfolgerung erstaunt, dass – ausgehend vom verfassungsrechtlichen Normbefund – nicht das näher liegende argumentum e silentio legis gewählt wird. Wenn eine Rechtsnorm nicht ausdrücklich eine bestimmte Erscheinungsform anspricht, eine andere ihr ähnelnde aber schon, ist die Annahme keinesfalls zwingend, der Normgeber hätte zur ersteren keine Aussage getroffen. Vielmehr ist die Schlussfolgerung erlaubt, er wolle gerade durch sein Schweigen zum Ausdruck bringen, dass dieser Tatbestand anders bewertet und damit auch anders rechtlich ausgestaltet werden muss als der in der Norm geregelte. Voraussetzung dafür ist, dass beide in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen. Bezüglich des systematischen Verhältnisses zwischen der Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften bedeutet dies, dass durch die ausschließliche Erwähnung von Ehe und Familie in Art. 6 I GG ein verfassungsrechtlicher Grundmaßstab für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft vorgegeben sein kann. Zwischen der Ehe und der institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft müssen dann zum einen soviel Gemeinsamkeiten bestehen, dass die Rechtsformen als dem gleichen Regelungskreis der Verfassung zugehörig erkannt werden können. Sie müssen zum anderen aber auch wesensmäßige Unterschiede aufweisen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. (cc) Die Lebensgemeinschaft als Gemeinsamkeit zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft Die bedeutendste Gemeinsamkeit zwischen der Ehe und einer gleichgeschlechtlichen Personenverbindung ist, dass es sich typologisch bei beiden um Lebensgemeinschaften handelt.428 Nur in diesem Fall besteht überhaupt ein Bedürfnis nach einer verbindlichen Rechtsform mit einer ausgestalteten Regelungsstruktur. Aus dieser zunächst primär anthropologischen Charakteristik als Lebensgemeinschaft lassen sich weitere Gemeinsamkeiten ableiten, die verfassungsrechtlich relevant sind. Dazu gehören – mit einer entscheidenden Ausnahme – die teleologischen Einordnungen der Ehe und ihres Schutzes durch die Verfassung, von denen aus grundrechtsdogmatischer Sicht auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften erfasst werden:429 Unabhängig von 428

Wölfl (Fn. 59), S. 349 f.; Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (235); Robbers (Fn. 54), S. 779 (781). 429 Diese werden allerdings nur durch Art. 2 I GG geschützt, nicht durch Art. 6 I GG.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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der Geschlechtsidentität der Personenverbindung bestehen dort die typusrelevanten Merkmale der selbstbestimmten Freiheitsverwirklichung und der interpersonalen Verantwortungsgemeinschaft.430 Beide Arten der Lebensgemeinschaft erfüllen damit sowohl eine für den einzelnen Grundrechtsträger als auch für die soziale Gemeinschaft relevante und in dieser Hinsicht durchaus vergleichbare Funktion. (dd) Die familiale Potentialität als Unterschied zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft Die entscheidende Wesensdifferenz zwischen den beiden Lebensgemeinschaftsformen liegt in der nur der Ehe als Rechtsform gegebenen typologischen Entwicklungspotentialität zur Familie. Nur deshalb sind Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der Verfassung gestellt.431 Die Verfassung unterscheidet folglich nach einem funktionalen Grundmaßstab, der den staatserhaltenden Impuls des Familienrechts im Blick hat, ohne die damit gleichzeitig stattfindende individuelle Freiheitsbetätigung aus dem Auge zu verlieren. Ausschließlich unter diesem Aspekt gewährt das Grundgesetz auch bestimmten Formen einen institutionellen Schutz und verpflichtet den Gesetzgeber, Ehe und Familie zu fördern und nicht zu benachteiligen. Daraus kann man schließen, dass dieses verfassungsimmanente Leitprinzip in systematischer Hinsicht dann auch für die Frage maßgebend sein muss, ob es eine verfassungsrechtlich vorgegebene Abstufung zwischen den familienrechtlichen Instituten in der Rechtsordnung gibt.432 Diese Typisierung ist dem einfachen Recht verfassungsrechtlich vorgegeben. Die grundgesetzliche Typusbestimmung kann deshalb auch nicht auf der Ebene des einfachen Rechts durch Übertragung sämtlicher eherechtlicher Bestimmungen auf andere Lebensgemeinschaften verändert werden.433 Eine modifizierte typologische Einteilung wäre nur durch eine Änderung des Grundgesetzes denk430

Freytag (Fn. 17), S. 445 (450 f.). Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 34 Rn. 12; Stern (Fn. 2), § 100 VI 2 b, S. 489, Fn. 674; Zippelius/Würtenberger (Fn. 28), § 32 I 2 d, S. 295; Tillmanns (Fn. 366), S. 934 (936); Zimmermann (Fn. 3), S. 645 (656); Kleffmann (Fn. 366), S. 261 f.; vgl. auch 2. Kapitel B. V. 3., S. 175 ff. Das wird von Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (236), übersehen. Sie stellen zwar bei der Annahme eines Differenzierungsgebotes auf den sozialen Tatbestand ab, sehen dort aber nur die Gemeinsamkeit der Lebensgemeinschaften und nicht die Unterschiede bezüglich ihrer Entwicklungspotentialität. 432 Ähnlich Wölfl (Fn. 59), S. 350 f.; Kämper (Fn. 366), S. 401 (409 f.); Braun (Fn. 222), S. 23 (25 f.); ders., Gleichgeschlechtliche Partnerschaft und Ehe, in: ZRP 2001, S. 14 (16 f.). P. Kirchhof (Fn. 369), S. 436 (438), geht noch weiter und hält schon die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften für verfassungswidrig. 433 Anders Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (59). 431

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

bar, etwa wenn weitere Lebensgemeinschaften dem Schutz des Art. 6 I GG unterstellt würden. Ein Kriterium, das auf den Kreis der faktisch um institutionellen Zugang zu den Rechtsformen Suchenden abstellt, bleibt deshalb auf einer nur formalen Ebene stehen und berücksichtigt nicht ausreichend den in funktionaler Hinsicht differenzierten Verfassungsschutz nur ausgewählter Lebensformen. (b) Ausgestaltungsbegrenzung trotz Relationalität des Förderungsmaßstabs Aus den bisherigen Ausführungen zum Maßstab des Benachteiligungsverbots wie des Fördergebotes ergibt sich, dass dieser relational in dem Sinne ist, dass eine diesbezügliche Verletzung grundsätzlich nur mittels eines Vergleichs der Rechte-Pflichten-Typik zwischen der Ehe und der gewählten Vergleichsgruppe, die sowohl eine Einzelperson oder eine Lebensgemeinschaft als Typus umfassen kann, festgestellt wird. Dieser Gedankengang scheint der Bemerkung der Senatsmehrheit des Bundesverfassungsgerichts, die Lebensformen stünden in rechtlicher Hinsicht nicht in einem festen Abstand, sondern in relativer Beziehung zueinander,434 ebenfalls zugrunde zu liegen. Bei genauerer Untersuchung dieser Argumentation wird man allerdings konstatieren müssen, dass sich sowohl die systematischen Voraussetzungen wie auch die Schlussfolgerungen der Mehrheit des Ersten Senats diametral von den Konsequenzen des beschriebenen relativen interinstitutionellen Verhältnisses als Förderungsmaßstab unterscheiden. Die relationale Beziehung zwischen den Lebensformen wird vom Bundesverfassungsgericht nicht mit der Notwendigkeit einer Vergleichsgruppenbildung, sondern mit einer von der Senatsmehrheit unterstellten grundsätzlichen Variabilität der rechtlichen Ausgestaltung der Ehe begründet. Die Ehe sei als von Menschen gelebte Gemeinschaft und als Freiheitsraum Veränderungen gegenüber nicht verschlossen. Der Gesetzgeber dürfe „die Ausgestaltung der Ehe deshalb gewandelten Bedürfnissen anpassen.“ Dadurch verändere sich das Verhältnis der Ehe zu anderen Lebensformen ebenso wie bei der rechtlichen Regelung anderer Lebensgemeinschaften, ohne dass in diesem Fall die Ehe unmittelbar gesetzlich neu geregelt werde.435 An diesem Gedankengang ist zwar einsichtig, dass sich das Rechtsinstitut der Ehe einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung und damit der möglichen Modifikation von ehebezogenen Regelungen nicht grundsätzlich versperrt. Dies gilt aber nicht für die Wesensmerkmale der Ehe, die verfassungsrechtlich vorgegeben und damit wegen der Institutsgarantie einer Veränderung 434 435

BVerfGE 105, 313 (350). BVerfGE 105, 313 (350).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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durch den Gesetzgeber entzogen sind.436 Das relative Verhältnis der Ehe zu anderen Lebensformen bezieht sich mithin nicht auf die Veränderung wesentlicher Strukturmerkmale der Ehe. Diese können nur durch eine Verfassungsänderung modifiziert werden. In ihnen findet mithin die institutionelle Veränderungsmöglichkeit ihre absolute Grenze.437 Daraus folgt, dass eine strukturidentische Kopie der Ehe mit einer anderen einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch Neukonstituierung eines Rechtsinstituts nicht verfassungskonform ist, weil dann das verfassungsrechtiche Gebot zur Förderung der Ehe verletzt wäre. Dasselbe gilt für die den Strukturelementen der Ehe zugrunde liegende Funktion. Sofern sie ausschließlich die Ehe charakterisiert, wäre eine Übertragung auf andere Rechtsinstitute nicht möglich, weil sich in dieser Hinsicht eine Förderung der Ehe als Privilegierung auswirkt. Die Schlussfolgerung der Senatsmehrheit ist ebenfalls wenig überzeugend. Wenn sie die „Lebensformen“ in einem „relativen Verhältnis“ zueinander stehen sieht, dann befindet sich dazu ihre Feststellung im Widerspruch, das Rechtsinstitut der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft sei für die Ehe ein „aliud“. Damit wird es als Vergleichsgruppe zur Ehe delegitimiert, obwohl gleichzeitig die typologische Gemeinsamkeit mit ihr als „Lebensform“ postuliert wird. Ein institutionelles „aliud“ kann nicht zugleich in einem relativen Verhältnis zu diesem Rechtsinstitut stehen. Die diesbezügliche Argumentation ist deshalb inkonsequent und berücksichtigt die eigenen methodischen Prämissen nicht ausreichend. Wenn die institutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft tatsächlich ein „aliud“ zur Ehe wäre, beträfe das verfassungsrechtliche Fördergebot jenes Rechtsinstitut nicht. Konsequenterweise ließe sich mit ihm keine Begrenzung der Ausgestaltung einer solchen Rechtsform begründen. Alle eherechtlichen Regelungen könnten übernommen werden, solange nur sichergestellt wäre, dass verschiedengeschlechtliche Personenverbindungen keinen Zugang zum neu konstituierten Rechtsinstitut bekämen. In diesem Fall verlöre nämlich die Argumentation mit der fehlenden institutionellen Konkurrenz zwischen den Rechtsinstituten ihre Grundlage; sie wären füreinander kein „aliud“ mehr. Eine Gleichstellung dieses Rechtsinstitutes für gleichgeschlechtliche Personenverbindungen mit der Ehe wäre danach verfassungsrechtlich möglich.438 Bei konsequenter Fortführung der Prämisse 436

Vgl. oben 3. Kapitel A. II. 4. a), S. 238. Eindringlich insoweit das Sondervotum von Papier, BVerfGE 105, 313 (358), der die These zurückweist, es bestünde eine gesetzgeberische Befugnis zur Ausgestaltung der Ehe nach den jeweils in der Gesellschaft herrschenden Auffassungen. 438 Diese Schlussfolgerung aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ziehen eine Reihe der Rezensenten der Entscheidung in der juristischen Literatur, unabhängig von ihrer Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des LPartDisBG, z. B. Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 20; Muscheler (Fn. 247), Rn. 64; Dominique Jakob, 437

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

der vermeintlich nicht miteinander konkurrierenden Rechtsinstitute entfaltet allerdings auch das Benachteiligungsverbot keine Ausgestaltungsbegrenzung für eine Rechtsform gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Es wäre sogar denkbar, dass sie rechtlich besser als die Ehe gestellt werden könnte, ohne gegen die Wertentscheidung des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe zu verstoßen.439 Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe hätte – mit Ausnahme der Problematik des gleichzeitigen Eingehens dieser Rechtsinstitute durch eine oder mehrere beteiligte Personen – dann keinerlei Bedeutung für die institutionelle Verhältnisbestimmung. Die Mehrheit des Ersten Senats hat sich in ihrer Entscheidung zum LPartDisBG entsprechend auch nicht zu möglichen verfassungsrechtlichen Grenzen einer Ausgestaltung geäußert. (c) Kein aktives Bekämpfungsgebot für Lebensgemeinschaften außerhalb von Ehe und Familie Art. 6 I GG versieht aber unter allen Lebensgemeinschaften nur Ehe und Familie mit einer dem Gesetzgeber vorgegebenen Förderverpflichtung. Dies bedeutet nicht, dass er die partiell vorhandenen typologischen Gemeinsamkeiten dieser Rechtsinstitute mit weiteren Lebensgemeinschaftsformen negiert. Schon gar nicht kann darüber hinaus aus der Wertentscheidung zu Gunsten von Ehe und Familie abgeleitet werden, dass alle anderen Lebensgemeinschaften aktiv durch gesetzliche Regelungen bekämpft werden müssten.440 Die Förderverpflichtung des Gesetzgebers soll Ehe und Familie zugute kommen, sie sind der Adressat der die verfassungsrechtliche WertentHomosexuelle Paare zwischen Gleichstellung und Abstandsgebot, in: Jura 2003, S. 762 (770); Braun (Fn. 109), S. 21 (23); Kemper (Fn. 405), S. 585 (586); Tettinger (Fn. 317), S. 1146 (1146 f.). 439 Die Mehrheit des Ersten Senats verwendet den Argumentationstopos der mangelnden institutionellen Konkurrenz auch in diesem Sinne beim Benachteiligungsverbot. Die Kritik von Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (10), an der Statuierung eines Benachteiligungsverbotes in Fortführung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei gleichzeitiger Annahme eines institutionellen „aliud“-Verhältnisses trifft deshalb nicht ganz den Kern. Die Senatsmehrheit deutet eben durchaus an, dass auch das Benachteiligungsverbot der Ehe nicht die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft betrifft. 440 Darin sind sich sowohl die Befürworter als auch die Gegner einer weitgehenden rechtlichen Gleichstellung eines Rechtsinstituts gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe einig: Herbert Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Aufl., 2006, § 4 Rn. 6; Rijsbergen (Fn. 366), S. 39, 41; Stern (Fn. 2), § 100 VI 1 b, S. 475; G. Kirchhof (Fn. 347), S. 542 (562 f.); Friedhelm Hufen, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: JuS 2003, S. 85; SchmittKammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 43; Gade (Fn. 10), S. 397 (403); Henkel (Fn. 418), S. 77 (80); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1899); Krings (Fn. 366), S. 7 (10); ders. (Fn. 109), S. 409 (411); Robbers (Fn. 54), S. 779 (783); ders. (Fn. 246), S. 21 (22); Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 62; Burgi (Fn. 65), S. 487 (503).

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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scheidung realisierenden Maßnahmen. Es widerspricht deshalb in systematischer Hinsicht der auf diese beiden institutionellen Adressaten bezogenen Zielrichtung der Förderverpflichtung, wenn daraus die Berechtigung für aktive Maßnahmen gegen andere Lebensgemeinschaften abgeleitet wird. Diese sind mithin keine legitimen Adressaten für Maßnahmen zur Realisierung der Wertentscheidung des Art. 6 I GG. Das aktive Bekämpfungsverbot für Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe schließt allerdings ein Privilegierungsgebot zugunsten der Ehe nicht aus. Dieses Privilegierungsgebot ist insofern gegenüber anderen Lebensgemeinschaften passivisch ausgerichtet, weil es zwar nicht zu aktiven Maßnahmen gegen sie berechtigt, aber eine verfassungsrechtliche Sperrwirkung für die vollständige Angleichung der Regelungen dieser Lebensgemeinschaften an die Ehe entfaltet. Es setzt der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit aus dem Abbildungsgebot folgende verfassungsrechtliche Grenzen bei der rechtlichen Ausgestaltung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich betont, dass sich aus der Förderungsverpflichtung zugunsten der Ehe nicht ein Gebot ergebe, andere Lebensgemeinschaften ihr gegenüber zu benachteiligen.441 In der Tat kann aus dem Fördergebot der Ehe nicht geschlossen werden, dass diese Lebensgemeinschaften Regelungsadressaten benachteiligender gesetzlicher Maßnahmen sein müssen. Der Adressatenkreis gesetzlicher Regelungen, die das verfassungsrechtliche Fördergebot realisieren, sind ausschließlich die Ehepartner. Wenn das Ergebnis dieser Förderung der Ehe ihre Bevorzugung in bestimmten funktionsspezifischen Bereichen gegenüber anderen, ggf. auch institutionalisierten Lebensgemeinschaften ist, dann stellt dies noch keine aktive Benachteiligung dieser Gemeinschaften dar. (d) Kein Institutionalisierungsverbot Die Frage ist nahe liegend, wie weit die Sperrwirkung hinsichtlich einer Angleichung von Rechtsformen außerhalb der Ehe an diese geht. Man könnte aus der exklusiven Erwähnung von Ehe und Familie in Art. 6 I GG 441 BVerfGE 105, 313 (348). Etwas kurios mutet die Kritik der Mehrheit des Bundesverfassungsgerichts an der abweichenden Meinung der Richterin Haas an: „Dies verkennt die Richterin Haas in ihrer abweichenden Meinung, wenn sie das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG als ein Benachteiligungsgebot für andere Lebensformen als die Ehe versteht.“ Der Vorwurf geht an der Sache vorbei, da sich Haas dieses ihr unterstellte Verständnis gar nicht zu eigen gemacht hat. Im Gegenteil stellt sie in BVerfGE 105, 313 (361), fest: „Dem Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 kann daher auch nicht durch die bloße Benachteiligung anderer Lebensgemeinschaften genügt werden; das Fördergebot zugunsten der Ehe stellt gerade kein Benachteiligungsgebot zu Lasten Dritter dar.“

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

schließen, dass anderen Lebensgemeinschaften überhaupt kein institutionelles Gefüge zur Verfügung gestellt werden dürfe.442 Diese Folgerung müsste danach vor allem für die Lebensgemeinschaften zwischen Erwachsenen gelten, die insofern mit der Ehe vergleichbar sind.443 Der Argumentationsgang verkennt allerdings den dogmatischen Ausgangspunkt dieser Sperrwirkung des Art. 6 I GG im mehrdimensionalen funktionsbezogenen Verständnis der Ehe. Die Ehe weist mit den verfassungsrechtlichen Zielen der Freiheitssicherung und der Verantwortungsgemeinschaft durchaus typologische Gemeinsamkeiten mit anderen Lebensgemeinschaften auf. Die Frage einer Verfassungsmäßigkeit der institutionellen Absicherung dieser Lebensgemeinschaften ist deshalb nur aus der Perspektive der Stabilisierung und Effektuierung ihrer charakteristischen Merkmale zu beantworten. Eine rechtliche Gestaltung dieser Lebensgemeinschaften ist damit kein Selbstzweck, sondern muss diesem Ziel dienen. Für die Stabilisierung freiheitlicher Grundrechtsbetätigung ist die normative Strukturierung eines sozialen Tatbestands noch keine zwingende Voraussetzung, solange dieser Freiheitsbereich grundrechtlich gegen staatliche oder private Eingriffe von außen abgesichert ist. Dies ist bei allen Lebensgemeinschaften durch Art. 2 I GG gegeben, so dass diese typologische Gemeinsamkeit mit der Ehe noch kein tragfähiges Argument dafür ist, sie gesetzlich zu regeln. Die Situation stellt sich jedoch gänzlich anders dar, wenn man die zweite, allen Lebensgemeinschaften gemeinsame Typusfunktion – die Verantwortungsgemeinschaft – in das institutionelle Blickfeld rückt. Wie effektiv und weit reichend die Realisierungschance der Mitglieder einer Lebensgemeinschaft genutzt werden kann, füreinander in ökonomischer und sozialer Hinsicht dauerhaft Verantwortung auch in der Zukunft zu übernehmen, hängt entscheidend von der rechtlichen Gestaltung dieser Lebensgemeinschaft ab. Eine bloß faktische Verantwortungsübernahme stößt dort an ihre Grenze, wo sich der Einstehenswille eines der Mitglieder der Lebensgemeinschaft ändert. Die langfristige Verantwortung füreinander impli442

So P. Kirchhof (Fn. 369), S. 434 (438). Die Ansicht von Pirson (Fn. 2), Art. 6 I Rn. 132, geht in die gleiche Richtung, allerdings nicht ganz so weit wie die von Kirchhof: Pirson hält die „Ausschließlichkeit der Ehe“ als „familienrechtliches Statusverhältnis“ für verfassungsrechtlich geboten, will aber Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften zulassen, die sich auf die „sozialen Beziehungen“ beziehen, „die mit jedem beliebigen Gemeinschaftsverhältnis verbunden sein können.“ Ähnlich auch Ralph Scheer, Der Ehegatten- und Familiennachzug von Ausländern, 1994, S. 224, 227. 443 Die Familie steht hier weniger im Zentrum der Diskussion als die Ehe, da letztere sich durch eine viel stärkere normative Ausgestaltung auszeichnet. Die Ehe wird – anders als die Familie – ja überhaupt erst durch einen Rechtsakt und damit normativ konstituiert.

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ziert auch die Selbstbindung der Träger dieser Verantwortung, deren effektive Übernahme nicht von einer immer neu wiederholten Aktualisierung ihres Willens dazu abhängig sein kann. Insofern zielt die Gewährleistung dieser Verantwortungsübernahme auf deren einfachgesetzliche Ausgestaltung in Form von verbindlichen Rechten, aber auch gegenseitigen Pflichten. Der dogmatische Schritt zur Konstituierung eines Rechtsinstituts ist von dort nicht mehr weit, weil die Institutionalisierung nichts anderes ist als die Statuierung eines bestimmten Struktursystems der interpersonalen Rechte- und Pflichtenbindung.444 Da die Wahl dieses Instituts für den Einzelnen freiwillig ist, besteht auch kein Konflikt mit der grundrechtlichen Freiheitsdimension. Auch die Potentialität der Ehe für die Familie als Wesensdifferenz zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist kein tragfähiger Grund, die rechtsförmliche Gestaltung dieser Lebensgemeinschaften zu verweigern.445 Zwar ist ein rechtliches Gestaltungssystem auch im Hinblick auf die Förderung dieser Entwicklung zur Familie effektiv und gerade wegen einer zukünftigen stabilen sozialen Basis für die Gemeinschaft mit Kindern erforderlich. Diese bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften nicht vorhandene Zielrichtung hebt allerdings das Strukturcharakteristikum der Verantwortungsgemeinschaft nicht auf, sondern erweitert es bei der Ehe in vertikaler Hinsicht nur in Richtung einer möglichen familiären Gemeinschaft. Insofern spricht die Verantwortungsübernahme als Wesensmerkmal der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft dafür, dass die Sperrwirkung der ehelichen Privilegierung nicht die Konstituierung eines Rechtsinstituts für diese Lebensgemeinschaften umfasst. Bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist auch das mögliche Gegenargument einer ausschließlich als ehetypisch verstandenen Strukturierung der Ehe als rechtlich formalisierter Lebensgemeinschaft mit öffentlichem Publizitätsakt nicht tragfähig. Dies mag als ein verfassungsrechtliches Differenzierungskriterium zwischen der Ehe und einer verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzusehen sein, die formlos begründet wird.446 Im Unterschied zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften könnten verschiedengeschlechtliche nämlich mit der Ehe eine förmliche Rechtsbindung eingehen, wollen es aber nicht. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren läuft das beschriebene Argument stattdessen auf einen Zirkelschluss hinaus, wenn man die Verneinung eines Publizitätsaktes für sie damit begründet, dass das Eingehen einer Lebensgemeinschaft 444 Ähnlich Huster (Fn. 247), S. 599; Robbers (Fn. 54), S. 779 (781 f.); Krings (Fn. 109), S. 409 (412 f.). 445 Anders P. Kirchhof (Fn. 369), S. 434 (438). 446 So Kingreen (Fn. 7), S. 246.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

formlos möglich wäre und deshalb nur der Ehe eine personenstandsrechtliche Registrierung zustünde. Der Gesetzgeber darf deshalb ein solches Rechtsinstitut auf einfachgesetzlicher Ebene schaffen.447 (e) Terminologische Bezeichnung der verfassungsrechtlichen Sperrwirkung der Ausgestaltung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Die Statuierung von verfassungsrechtlichen Grenzen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wird von den Stimmen in der Literatur, die diese Ansicht teilen, mit unterschiedlichen Bezeichnungen versehen. Diese Unterschiede in der terminologischen Verwendung resultieren aus der Akzentuierung jeweils anderer Aspekte der verfassungsrechtlichen Sperrwirkung: Diejenigen, die die dogmatische Herleitung dieser Sperrwirkung aus der Verfassung betonen, sprechen von einem „Abbildungsgebot“.448 Diese Bezeichnung berücksichtigt, dass die Ausgestaltungsbegrenzung die verfassungsrechtliche Konstellation des Art. 6 I GG abbildet, nach der nur Ehe und Familie und keine anderen personalen Rechtsgemeinschaften auf dem Gebiet des Familienrechts unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. Konkretisiert man diese Abbildungskonstellation des Grundgesetzes, kann man auch von einem „Differenzierungsgebot“ sprechen.449 Die in der Literatur gelegentlich betonte dogmatische Unterscheidung zwischen einem „Abbildungsgebot“ und dem „Differenzierungsgebot“450 ist wenig einsichtig, weil auch nach dieser Auffassung die verfassungsrechtlich vorgegebene 447

Robbers (Fn. 2), Art. 6 Rn. 48; Gröschner (Fn. 57), Art. 6 Rn. 32; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 49; ders. (Fn. 65), S. 487 (504); Henkel (Fn. 418), S. 77 (80); Krings (Fn. 366), S. 7 (10); Coester-Waltjen (Fn. 2), Art. 6 Rn. 9; Klaus Schumacher, Zum gesetzlichen Regelungsbedarf für nichteheliche Lebensgemeinschaften, in: FamRZ 1994, S. 857 (864), der für die Konstituierung eines Rechtsinstituts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft plädiert, das sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtliche Personenverbindungen umfasst. 448 Wölfl (Fn. 59), S. 408; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 47; ders. (Fn. 65), S. 487 (501). 449 So Stern (Fn. 2), § 100 VI 2 b, S. 488; Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 58c; Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (713); Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (234); auch Robbers (Fn. 54), S. 779 (783), da dieser Begriff „eher dem Wortsinn des Begriffs ‚besonderer Schutz‘ als ein Abstandsgebot“ entspreche; ders. (Fn. 246), S. 21 (22); Tettinger (Fn. 318), S. 117 (140). 450 Etwa bei Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 46; ähnlich die Differenzierung bei Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (713), zwischen einem von ihnen abgelehnten „Abstands-“ und dem bejahten „Differenzierungsgebot“.

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institutionelle Abbildung eine Differenzierung zwischen den Rechtsinstituten – je nach ihrem Status des grundgesetzlichen Schutzes – beinhaltet. Zwischen den Verfassungseinrichtungen von Ehe und Familie und den anderen Rechtsinstituten muss deshalb in der Tat hinsichtlich ihrer Schutzwirkung differenziert werden. Andere Begriffe beschreiben die einfachgesetzlichen Folgen des Abbildungsgebotes bei der differenzierten Übertragung von ehebezogenen Bestimmungen auf die institutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft. So werden Bezeichnungen wie „Abstandsgebot“451, „Privilegierungsgebot“,452 „Nivellierungsverbot“453 oder „Abbildungsverbot“454 verwandt. Damit soll betont werden, dass eine vollständige rechtliche Gleichstellung zwischen der Ehe und einem Rechtsinstitut für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft verfassungsrechtlich nicht möglich ist, sondern erstere gegenüber letzterem in der Ausgestaltung des Rechte-Pflichten-Verhältnisses bevorzugt werden muss. Teilweise werden auch mehrere Bezeichnungen miteinander kombiniert.455 Diese Umschreibungen sind zutreffend, beschreiben aber nur die einfachgesetzlichen Rechtswirkungen der verfassungsrechtlichen Fundierung und nicht diese selbst.456 Im Übrigen bezeichnen die Begriffe „Abstand“ und „Privilegierung“ nur die Tatsache der Bevorzugung der Ehe, stellen aber nicht klar, dass es sich nur um eine differenzierte Besserstellung handelt. Will man die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und zugleich die einfachgesetzlichen Auswirkungen charakterisieren, ist die Bezeichnung als „Differenzierungsgebot“ am präzisesten. Dessen verfassungsrechtliche Begründung liegt in der Abbildungswirkung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie. Verfassungsrechtliche Voraussetzung der einfachgesetzlichen Differenzierung der Ehe im Verhältnis zu einem anderen Rechtsinstitut ist die Prämisse, dass die einfachgesetzliche Rechtsordnung die Verfassungsrechtsordnung institutionell abbilden muss. 451

Stern (Fn. 2), § 100 VI 2 b, S. 488; Rauscher (Fn. 223), Rn. 752; Sickert (Fn. 44), S. 183; Uhle (Fn. 347), S. 258; Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (9); Dieter C. Umbach, in: ders./Thomas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2002, Art. 6 Rn. 57b; Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (398). Tillmanns (Fn. 366), S. 934 (935), und Krings (Fn. 109), S. 409 (411 f.), ders. (Fn. 366), S. 7 (10), sprechen vom „Schutzabstandsgebot“. 452 Tillmanns (Fn. 366), S. 934 (935). 453 Uhle (Fn. 347), S. 258 f.; Sachs (Fn. 10), S. 45 (48); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (398). 454 Pauly (Fn. 223), S. 1955 (1956). 455 Braun (Fn. 222), S. 23 (26): „Abstands- oder Differenzierungsgebot“. 456 Burgi (Fn. 65), 487 (502), kritisiert darüber hinaus, diese Begriffe seien zu einseitig defensiv gegen die nichtehelichen Lebensgemeinschaften gerichtet und bezeichneten nicht positiv die Schutzwirkung für die Ehe.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(4) Kriterien für die inhaltliche Konturierung des Abbildungsgebotes im Rahmen der institutionellen Ausgestaltung eines einfachgesetzlichen Rechtsinstituts Das verfassungsrechtliche Abbildungsgebot ist nicht gleichbedeutend mit einem einfachgesetzlichen Konstituierungsverbot für ein Rechtsinstitut, das gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zur Verfügung gestellt wird. Es bewirkt aber eine verfassungsrechtlich vorgegebene Begrenzung der Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts in Bezug auf dessen institutionelle Nähe zur Ehe. Diese Grenze kann inhaltlich wiederum nur aus der Perspektive des in Art. 6 I GG gewährleisteten funktionalen Eheschutzes konturiert werden.457 (a) Ehebezogene Regelungen zur Förderung der Familiengründung und -stabilisierung Die wesentliche Differenz zwischen der Ehe und einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ist die fehlende familiale Entwicklungspotentialität letzterer. Auch wegen dieser Verfassungserwartung, eine Familie zu gründen, schützt das Grundgesetz die Ehe und verpflichtet den Gesetzgeber, sie zu fördern. Insofern können einfachgesetzliche Regelungen des Eherechts, deren teleologische Ausrichtung auf die Förderung der Familiengründung und -stabilisierung zielt, nicht auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften übertragen werden.458 Dies würde der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung, unter den Lebensformen nur den Typus der familienbezogenen Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zu schützen, widersprechen. 457 Teilweise wird in der Literatur auf diese notwendigen inhaltlichen Kriterien verzichtet und nur konstatiert, dass eine rechtliche Gleichstellung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit der Ehe verfassungswidrig sei, so bei Rauscher (Fn. 223), Rn. 752; Tettinger (Fn. 318), S. 117 (165); Ingo von Münch, Antidiskriminierungsgesetz – notwendig oder überflüssig?, in: NJW 1999, S. 260 (261); Risse (Fn. 423), S. 260 f.; Pauly (Fn. 223), S. 1955 (1956). Diese Negativbegrenzung enthält aber noch keinen positiv formulierten Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung der rechtlichen Möglichkeiten einer institutionellen Annäherung. Zutreffend, aber unscharf auch Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 56, 58, der feststellt, „wesentliche Rechtswirkungen der Ehe“ dürften nicht als Rechtsfolgen homosexueller Partnerschaften anerkannt werden, aber nicht ausführt, um welche es sich handelt. 458 Ähnlich Zippelius/Würtenberger (Fn. 28), § 32 I 2 d, S. 295; Lindenberg/ Micker (Fn. 5), S. 707 (713); Braun (Fn. 432), S. 14 (17); Robbers (Fn. 54), S. 779 (784); ders. (Fn. 246), S. 21 (22); Schumacher (Fn. 447), S. 857 (860 f.); für die Nichtübertragbarkeit des Kindschaftsrechts auch Wächtler (Fn. 422), S. 146. Sickert (Fn. 44), S. 184, hält dagegen nur die gemeinschaftliche Adoption für von der Sperrwirkung erfasst, nicht aber die Stiefkindadoption.

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Allerdings ist zu berücksichtigen, dass rechtliche Ausgestaltungsmodalitäten, die sich für die Ehe ökonomisch vorteilhaft auswirken, in jedem Fall als zumindest mittelbar familienfördernd bewertet werden könnten. Dies würde dazu führen, dass alle Besserstellungen der Ehe mit dem Argument verteidigt werden könnten, sie seien zur Förderung der Familiengründung geeignet.459 Diese Sorge ist allerdings bei denjenigen Regelungen unbegründet, deren Normzweck sich nicht primär auf die Familienförderung bezieht, sondern vorrangig soziale Nähe- und Stabilisierungselemente zu schützen wie auch zu fördern beabsichtigt. (b) Statusbegründende Regelungen des Eherechts Neben der typologischen Entwicklungsmöglichkeit der Ehe zur Familie kommt noch eine weitere Differenzierung zwischen der Ehe und jeder anderen familienrechtlich konstituierten Gemeinschaft in Betracht: Die anthropologisch-soziale Perspektive dieser Gemeinschaften tritt dabei hinter diejenige ihrer institutionellen Konstituierung als Rechtsform oder Status zurück. Regelungen, die Ausdruck der die Ehe prägenden Wesensmerkmale sind, könnten danach nicht auf andere Rechtsinstitute übertragen werden. Dies wird in der Literatur etwa für alle Bestimmungen angenommen, die das Merkmal der grundsätzlichen Unauflösbarkeit der Lebensgemeinschaft konkretisieren und es normativ zu stützen suchen.460 Dieser Maßstab, der darauf abstellt, in welchem Bezug Normen zu Strukturmerkmalen der Ehe stehen, berücksichtigt die typologische Ambivalenz der Ehe. Neben den an einen bestimmten sozialen Tatbestand – etwa die Lebensgemeinschaft oder die Verschiedengeschlechtlichkeit – anknüpfenden Wesensmerkmalen bestehen solche institutskonstituierenden Elemente auch ausschließlich auf rechtlicher Ebene – beispielsweise die grundsätzliche Unauflöslichkeit der Ehe. Die Summe dieser Merkmale ergibt erst die Gesamtstruktur des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsinstituts der Ehe. Das bedeutet aber einschränkend zugleich, dass die sozial-anthropologischen Einzelmerkmale, die typologisch auch außerhalb der Ehe vorkommen können, – anders als die statusbegründenden – die Grundlage normbildender Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts sein dürfen. Als Konsequenz kann etwa die Lebensgemeinschaft zwischen Personen das institutionelle Essential einer Rechtsform für Personen gleichen Geschlechts sein, während die grundsätzliche Unauflöslichkeit als Strukturmerkmal wegen ihrer Nähe zum Status der Ehe diesem Rechtsinstitut vorbehalten bleiben muss. Soweit auf die Funk459

Kerstin Strick, Gleichgeschlechtliche Partnerschaft – Vom Straftatbestand zum Status?, in: DeuFamR 2000, S. 82 (93), hält dieses Differenzierungskriterium deshalb für unbrauchbar. 460 Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 47; ders. (Fn. 65), S. 487 (504).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

tion der Unauflöslichkeit der Ehe als Instrument sozialer Stabilisierung verwiesen und eine entsprechende Übertragbarkeit auf andere Rechtsinstitute befürwortet wird,461 kann dem entgegengehalten werden, dass diese Stabilisierungsfunktion nichts am spezifisch ehelichen Statusmerkmal der grundsätzlichen Unauflöslichkeit als rechtlichem Konstitut ändert. Die Unauflöslichkeit ist keinesfalls die mittelbare konkretisierende Folge einer Verantwortungsgemeinschaft in dem Sinne, dass auch jede andere umfassende Lebensgemeinschaft typologisch grundsätzlich unauflöslich sein müsste. Vielmehr gibt die grundsätzliche Unauflöslichkeit nur der Ehe ihr spezifisches Charakteristikum, das auch Ergebnis der christlichen Prägung dieser Institution ist.462 (c) Regelungen zur Stabilisierung einer Verantwortungsgemeinschaft Das Merkmal der Lebensgemeinschaft kann allerdings ein Anknüpfungspunkt für die verfassungsrechtlich zulässige Übertragung von bisher nur der Ehe vorbehaltenen Regelungen sein. Lebensgemeinschaften existieren auch außerhalb der Ehe. Im Gegensatz zum typologischen Konnex zwischen Ehe und Familie verbindet alle umfassenden Lebensgemeinschaften ihr Merkmal als Verantwortungsgemeinschaft. Aus der Sicht der Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten der Ehe ist es deshalb verfassungsrechtlich durchaus möglich, Bestimmungen des Eherechts zu übertragen, deren primäres Ziel die Stabilisierung dieser Verantwortungsgemeinschaft ist.463 Unter einer Verantwortungsgemeinschaft ist nicht nur die Tatsache des gegenwärtigen gemeinsamen Zusammenlebens zweier Menschen zu verstehen,464 sondern auch der zukunftsgerichtete Aspekt der Stabilisierung 461

So Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 63. Eva Marie von Münch, § 9: Ehe und Familie, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 5 f., die allerdings angesichts der steigenden Scheidungszahlen die grundsätzliche Unauflöslichkeit als Ehemerkmal für fragwürdig hält. Wölfl (Fn. 59), S. 426 ff., ist skeptisch, ob die grundsätzliche Unauflöslichkeit überhaupt ein durch die Institutsgarantie geschütztes Wesensmerkmal ist, und verwirft deshalb auch dieses Kriterium als Grundlage eines Differenzierungsgebotes. 463 Sickert (Fn. 44), S. 183; Zippelius/Würtenberger (Fn. 28), § 32 I 2 d, S. 295; Wölfl (Fn. 59), S. 409; BVerfGE 87, 234 (265), für die (verschiedengeschlechtliche) eheähnliche Gemeinschaft, in der „die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann.“ Dies soll danach im konkreten Fall anhand verschiedener Kriterien wie der langen Dauer des Zusammenlebens, der Versorgung von Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und der Befugnis, über Einkommen und Vermögensstand des Partners zu verfügen, ermittelt werden. 464 Diesen Aspekt halten auch Lecheler (Fn. 2), Rn. 92, und Pirson (Fn. 2), Art. 6 I Rn. 132, für auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft anwendbar. Bei 462

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dieser Gemeinschaft. Die Verantwortung von zwei Personen füreinander zeichnet sich nämlich gerade durch die grundsätzliche Selbstverpflichtung aus, auch in Zukunft und trotz veränderter Lebenssituationen füreinander Verantwortung zu übernehmen. Dadurch wird gleichzeitig der ökonomisch schwächere Teil einer solchen Personenverbindung geschützt, dessen Schutzbedürfnis im Übrigen oftmals nach der Auflösung einer Lebensgemeinschaft in noch stärkerem Maße virulent wird.465 Dieser Aspekt der interpersonalen Verantwortungsübernahme ist typischerweise sowohl zwischen den Ehepartnern als auch bei Mitgliedern eines Rechtsinstuts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften vorhanden.466 Die Verantwortungsübernahme ist deshalb nicht nur auf eine zukunftsgerichtete familiale Potentialität angelegt, sondern auch Selbstzweck. Durch die rechtlich verbindliche gegenseitige Sorge füreinander – auch in krisenhaften Situationen – übernehmen sie freiwillig Aufgaben, mit denen der Staat allein sowohl finanziell als auch personell überfordert wäre.467 Regelungen, die diesen Aspekt der interpersonalen Verantwortung normativ konkretisieren, sind deshalb nicht ausschließlich der Ehe vorbehalten, sondern können auch bei einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften verwandt werden. ihnen stand allerdings hinsichtlich ihrer Ablehnung der Übertragung der „Besonderheit einer Verbindung auf Dauer“ (Lecheler) auf andere Lebensgemeinschaften die verschiedengeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaft im Vordergrund, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass eine zeitlich umfassende Bindung wie bei der Ehe nicht angestrebt wird. Bei der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft kann dieses Bedürfnis nach einer mit der Ehe vergleichbaren Bindung auch in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich aber durchaus bestehen, da ihr die Ehe nicht offen steht. Insofern ist dieser Maßstab über die gegenwärtige soziale Gemeinschaft hinaus zeitlich erweiterungsfähig. 465 Robbers (Fn. 2), Art. 6 Rn. 48; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 43; Richter (Fn. 161), Art. 6 Rn. 36a; E. M. v. Münch (Fn. 462), Rn. 12; Stefan Reiß, Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule?, in: KJ 1994, S. 98 (100 f.). 466 Kaiser (Fn. 44), S. 617 (624 f.); Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 118; ders., Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften als „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ mit der Ehe verfassungsgemäß?, in: KJ 2000, S. 594 (598); Lindenberg/ Micker (Fn. 5), S. 707 (713); Freytag (Fn. 17), S. 445 (451); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (65); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1900); Rauscher (Fn. 223), Rn. 38; Robbers (Fn. 54), S. 779 (781, 784); ders. (Fn. 246), S. 21 (21 f.); Bruns (Fn. 399), S. 6 (7); ähnlich Rüdiger Zuck, Die schwule Braut, in: NJW 1995, S. 175 (176): „innere Bindung“ wie bei Ehegatten; Schumacher (Fn. 447), S. 857 (859): „persönliche Verbundenheit der Partner“. A. Klein (Fn. 246), S. 434 (435), hält eine Übertragung der verantwortungsgemeinschaftsbezogenen Regelungen für „nicht nur gerechtfertigt, sondern auch geboten.“ Diese Argumentation übersieht, dass schon kein grundrechtlicher Leistungsanspruch auf Konstituierung eines Rechtsinstituts besteht, geschweige denn auf deren konkrete Ausgestaltung, vgl. dazu unten 3. Kapitel B., S. 372 ff. 467 Bruns (Fn. 399), S. 6 (7).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(d) Unzulänglichkeit einer quantitativen Perspektive der normativen Annäherung einer institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft an die Ehe Der Gesetzgeber verstößt gegen die verfassungsrechtliche Förderungsverpflichtung zugunsten der Ehe, wenn seine institutionsbezogenen Aktivitäten ausnahmslos alle familienrechtlichen Rechtsinstitute in gleicher Weise betreffen. Daraus könnte man nun ableiten, dass für den Gesetzgeber ein Normierungsverbot in dem Sinne bestünde, dass er nicht mittels eines pauschalen normativen Verweises eine Vielzahl bisher ausschließlich eherechtlicher Bestimmungen für das Rechtsinstitut einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft anwendbar erklären dürfe.468 Soweit damit die Notwendigkeit einer funktionalen Differenzierung zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft gemeint ist mit der daraus folgenden Konsequenz einer je nach Normtelos differenzierten rechtlichen Übertragbarkeit der einschlägigen Bestimmungen auf andere Rechtsinstitute, trifft diese Auffassung den Kern des Förderungsgebotes. Das schließt jede ausschließlich quantitativ verstandene Methodik zur Ermittlung der Grenzlinie zwischen einer verfassungskonformen und einer verfassungswidrigen Annäherung dieser Rechtsinstitute an die Ehe aus.469 Das Förderungsgebot ist deshalb nicht schon dann verletzt, wenn eine Reihe von bisher nur ehebezogenen Normen in Zukunft auch für andere Rechtsinstitute gelten sollen. Eine quantitativ erfassbare Annäherung von Rechtsnormen findet weder einen verfassungsdogmatischen Anhaltspunkt im Art. 6 I GG noch ist sie etwa durch die Anwendung einer Regel-Ausnahme-Methodik normempirisch konkretisierbar.470 Diese ist wie jeder andere quantitative Maßstab von vornherein unzulänglich, weil nicht jeder Regelung die gleiche Bedeutung bei der normbezogenen Prägung eines Rechtsinstituts zukommt. Beispielsweise konturiert die Statuierung einer lebenszeitlichen umfassenden 468 Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (398): „nur punktuelle Annäherungen an die Ehe gestattet“; ähnlich Tettinger (Fn. 318), S. 117 (134, 171); Krings (Fn. 109), S. 409 (413); Pauly (Fn. 223), S. 1955 (1956). Richter (Fn. 161), Art. 6 Rn. 58, postuliert einschränkend, dass es verfassungsrechtlich zulässig sei, „gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in einzelnen Beziehungen den Ehen gleich(zu)stellen“ Eine vollständige Gleichstellung scheint auch er für verfassungswidrig zu halten. 469 Ähnlich Wölfl (Fn. 59), S. 430 f.; Peter Finger, Die registrierte Lebenspartnerschaft – Überblick über die Neuregelung und kritische Bestandsaufnahme, in: MDR 2001, S. 199 (200). 470 Beispielsweise in dem Sinn, dass im Rahmen eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Mehrheit der bisher nur ehebezogenen Regelungen weiterhin der Ehe vorbehalten bleiben müsse und nur eine Minderheit der einschlägigen Rechtsnormen auf andere Rechtsinstitute übertragen werden dürfe, so aber Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (398); Krings (Fn. 366), S. 7 (10); ders. (Fn. 109), S. 409 (413).

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Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft in § 1353 I BGB die Wesensmerkmale der Ehe in einem stärkeren Maße als die Einzelheiten des ehelichen Güterrechts in §§ 1363 ff. BGB, obwohl die Anzahl der Regelungen des Güterrechts einen breiten Raum im Eherecht einnimmt. Ein Maßstab, bei dem nur die Quantität der Bestimmungen innerhalb des institutionellen Normkomplexes den Ausschlag dafür gäbe, ob die einzelne Regelung auf ein anderes Rechtsinstitut übertragen werden kann, ist deshalb zu pauschal. Hinsichtlich der Quantität der Übernahme bisher nur der Ehe vorbehaltener Regelungen bestehen deshalb keine verfassungsrechtlichen Grenzen. Dies gilt auch für die Argumentation, die primär darauf abstellt, ob sich aus einem Gesamtvergleich der Regelungssystematik von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft die Bevorzugung der Ehe ergebe.471 Die Schwierigkeit eines solchen institutionellen Gesamtvergleichs beruht darauf, dass dieser Ansatz auf eine funktionale und normorientierte Untersuchung der mit der einzelnen Regelung bewirkten Stabilisierung der Ehe verzichtet und stattdessen mit einer unbestimmten Gesamtwürdigung der Rechtsinstitute operieren muss.472 Im Übrigen ist ein Gesamtvergleich im Fall einer allmählichen Annäherung der Ausgestaltung eines Rechtsinstituts an die Ehe – wie etwa bei der Lebenspartnerschaft – zweifelhaft: Zu einem bestimmten Zeitpunkt würde bei einem Gesamtvergleich zwischen beiden Instituten eine noch verfassungskonforme in eine verfassungswidrige Annäherung umschlagen. Die zu diesem Zeitpunkt beschlossene konkrete Neuregelung für das Rechtsinstitut wäre dann verfassungswidrig. Hätte der Gesetzgeber diese Regelung dagegen als ersten Schritt der Annäherung beschlossen, wäre sie bei einem Gesamtvergleich noch verfassungsgemäß gewesen. Es hinge mithin nicht mehr von der Regelungssubstanz selbst, sondern vom vorherigen Erlass anderer Bestimmungen und damit vom zufälligen Zeitpunkt des Inkrafttretens ab, ob eine Norm verfassungswidrig ist. Das ist verfassungssystematisch unzulässig. (e) Unzulänglichkeit eines Kriteriums der Intensität staatlicher Ausgestaltung Aus der aufgezeigten Unzulänglichkeit einer quantitativen Bestimmung der verfassungsrechtlichen Privilegierung der Ehe gegenüber anderen 471

So Rijsbergen (Fn. 366), S. 32; Risse (Fn. 423), S. 260 f. Risse (Fn. 423), S. 261, konzediert zwar, dass „die Schwierigkeit eines solchen Gesamtvergleichs aufgrund der tatbestandlichen Unschärfe von Art. 6 I GG unvermeidbar“ sei. Diese normtextbezogene „Unschärfe“ ist allerdings nicht so ausgeprägt, wie er meint, sondern mit der verfassungsgerichtlichen Konturierung der Wertentscheidung unter Anwendung der herkömmlichen Auslegungsmethoden durchaus beherrschbar. 472

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Rechtsinstituten des Familienrechts ergibt sich nicht im Umkehrschluss, dass es dann auf die Intensität der einzelnen Regelung ankäme, mit der der Gesetzgeber das Rechtsinstitut für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ausgestaltet. In der Literatur wird zur Konkretisierung dieser Intensität auf die Differenzierung zwischen privatem und öffentlichem Recht verwiesen: Eine gesetzgeberische Maßnahme zur Angleichung dieses Rechtsinstituts an die Ehe auf dem Gebiet des Privatrechts sei weniger intensiv und daher eher verfassungsgemäß als auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.473 Ohne dass dieses Kriterium dort näher begründet wird, liegt jener Unterscheidung wohl der Gedanke zugrunde, dass im privatrechtlichen Gleichordnungsverhältnis der Dispositionsbefugnis des Einzelnen ein größerer Raum gegeben wird als im öffentlich-rechtlichen Subordinationsverhältnis. Normierungen mit einem Bezug zum öffentlichen Recht könnten danach den Bürger in seinem Freiheitsbereich stärker einschränken, weil die Regelungsdichte dort höher ist als im Privatrecht. Diese Argumentation ist aber kaum tragfähig: Zum einen ist eine grundrechtliche Einschränkung im zivilrechtlichen Bereich nicht nur denkbar, sondern sie kann auch ebenso belastend sein wie eine im Bereich des öffentlichen Rechts. Dies gilt z. B. für Einschränkungen der Eheschließungsoder -gestaltungsfreiheit des Art. 6 I GG. Außerdem ist die „Intensität des staatlichen Engagements“ schon generell kein überzeugender Maßstab für eine Konkretisierung des Abbildungsgebotes. Diese Formel ist begrifflich zu abstrakt, um sachgerecht bestimmen zu können, wie „intensiv“ jeweils eine bestimmte Normierung in institutioneller Hinsicht ist. Deshalb wäre eine solche Einordnung immer mit der Gefahr verbunden, in eine unzureichende quantitative Bewertung der gesetzgeberischen Regelungen zurückzufallen.474 Ursache dieses Problems ist der Verzicht auf funktionale Kriterien bei der institutionellen Einordnung eines neuen Rechtsinstituts, die sich aus der verfassungsrechtlichen Zielsetzung des Schutzes der Ehe ergeben. Sie sind ein tragfähigerer Differenzierungsgrund, weil sie die typisierte Bedeutung der Ehe für Staat und Gesellschaft besser berücksichtigen als die abstrakte „Intensität“ staatlichen Handelns. (f) Unzulänglichkeit einer ausschließlich fiskalpolitischen Perspektive Von einem Teil der Literaturstimmen, die gegenüber der normativen Übertragung bestimmter Rechtsfolgen des Eherechts auf ein Rechtsinstitut 473

Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 47; ders. (Fn. 65), S. 487 (504). Etwa nach folgendem Kriterium: Je mehr normative Annäherungen an die Ehe vorlägen, desto „intensiver“ wäre die staatliche Ausgestaltung. 474

A. Maßstab des Art. 6 I GG

361

für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften skeptisch sind, werden im Zusammenhang mit der Förderverpflichtung auch fiskalische Argumente geltend gemacht. Einige Regelungen können Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Haushalts haben: So fehlen etwa bei der Einräumung von Steuervergünstigungen dem Fiskus die entsprechenden Steuereinnahmen, die er ohne die betreffende Neuregelung hätte erzielen können. Diese könnten dann nicht zur finanziellen Förderung der Ehe eingesetzt werden, so dass nach dieser Ansicht ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Förderungsverpflichtung zugunsten der Ehe vorläge.475 Es bestünde deshalb ein Verbot, kostenintensive Bestimmungen mit Ehebezug auf andere familienrechtliche Rechtsinstitute zu übertragen. Diese Argumentation übersieht allerdings, dass die Förderungsverpflichtung im Hinblick auf die finanziellen Ausgaben für Ehe und Familie keinen absoluten Maßstab für die finanzielle Unterstützung der Ehe beinhaltet. Der gesetzgeberische Spielraum ist insoweit nicht eingeschränkt. Dies würde sonst dazu führen, dass sich der Gesetzgeber auf einfachgesetzlicher Ebene durch die von ihm geschaffene Rechtslage verfassungsrechtlich selbst bände und finanzielle Vergünstigungen für Eheleute nicht mehr zu ihren Lasten modifizieren dürfte, weil dann die Ehe weniger gefördert würde als bisher. Dem Gesetzgeber steht es deshalb frei, Bestimmungen zu verabschieden, die faktisch gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ökonomische Einbußen bei Ehepaaren zur Folge haben. Die Förderungsverpflichtung der Ehe ist durch einen relationalen Charakter im Hinblick auf andere Rechtsinstitute geprägt: Sie muss gegenüber diesen stärker unterstützt, mithin gefördert werden. Über das absolute quantitative Maß dieser differenzierten Unterstützung trifft die Wertentscheidung nur insoweit eine Aussage, als dass die Existenzfähigkeit von Ehe und Familie sichergestellt werden muss. Die Übertragung von bisher nur die Ehe betreffenden Regelungen, die zur Folge haben, dass der Staat neue Ausgaben tätigen muss oder ihm Einnahmen verloren gehen, ist aus der Perspektive der Wertentscheidung verfassungsgemäß und Ausdruck des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.476

475 Braun (Fn. 426), S. 64; ders., Ehe und Familie am Scheideweg, 2002, S. 106 ff.; ders. (Fn. 222), S. 23 (26); Merten (Fn. 29), S. 605 (632), für das Verhältnis der Ehe zur verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft; ähnlich Pirson (Fn. 2), Art. 6 I Rn. 134: „die bewußte Förderung solcher Gemeinschaften (zeitigt) stets eine eheabträgliche Wirkung“. 476 Henkel (Fn. 418), S. 77 (81); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (58); Robbers (Fn. 54), S. 779 (783), der auch auf mögliche Entlastungseffekte zugunsten der öffentlichen Haushalte etwa durch die Statuierung einer gegenseitigen Unterhaltspflicht hinweist; Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 62.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

(5) Systematischer Vergleich der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten familienrechtlicher Institute auf der Grundlage der Wertentscheidung des Art. 6 I GG mit anderen institutionell bezogenen Wertentscheidungen Jedem Grundrecht ist ein objektiv-rechtlicher Gehalt dergestalt eigen, dass der Staat verfassungsrechtlich verpflichtet ist, die grundrechtliche Betätigung zu ermöglichen. Da die Ehe ein durch Normgebung strukturiertes Rechtsinstitut ist, sind Vergleiche der systematischen Wirkung der Wertentscheidungen nur bei den Grundrechten gewinnbringend, deren Schutzgegenstand selbst eine institutionelle Form angenommen hat. (a) Förderpflicht für wissenschaftliche Hochschulen nach Art. 5 III 1 GG Es ist schon bei der Darstellung der institutionellen Garantie der wissenschaftlichen Hochschule und ihrer selbstverwaltenden Autonomie deutlich geworden, dass die Wissenschaftsfreiheit im Sinne des Art. 5 III 1 GG grundrechtsdogmatisch über die abwehrrechtliche Gewährleistung hinausgeht.477 Um die auf die Institution bezogene Grundrechtsbetätigung zu ermöglichen und gegen Gefährdungslagen abzusichern, die keine direkten staatlichen Eingriffe darstellen, ist vom Bundesverfassungsgericht eine primäre – also gegen Eingriffe Dritter gerichtete – und eine sekundäre Schutzpflicht im Sinne einer Förderungspflicht des Staates gegenüber der wissenschaftlichen Hochschule entwickelt worden. Diese Förderungsverpflichtung konkretisiert sich in der Bereitstellung personeller, organisatorischer und finanzieller Mittel zur Ermöglichung des Wissenschaftsbetriebs.478 Als ihre verfassungsrechtliche Grundlage wird dabei ausdrücklich die mit dem Grundrecht zum Ausdruck kommende Wertentscheidung der Verfassung angesehen.479 Insofern ist die Annahme einer staatlichen Förderungspflicht bei Art. 5 III 1 GG mit derjenigen für Ehe und Familie in Art. 6 I GG vergleichbar, weil sie sich beide auf in der Verfassung genannte Einrichtungen beziehen und ihre dogmatische Fundierung in den aus den Grundrechten abgeleiteten wertentscheidenden Grundsatznormen finden. Untersucht man die Wirkungsreichweite der Verpflichtung zur Hochschulförderung für das interinstitutionelle Verhältnis zwischen der wissen477

3. Kapitel A. II. 4. b) bb) (3) (b) (cc), S. 252 ff. BVerfGE 35, 79 (114 f.); 93, 85 (95). 479 BVerfGE 35, 79 (114): „verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts“, „Wertentscheidung“; BVerfGE 88, 129 (136 f.): „Grundsatzentscheidung“; BVerfGE 90, 1 (11): „objektive Grundsatznorm“; BVerfGE 93, 85 (95): „wertentscheidende Grundsatznorm“. Vgl. dazu auch Trute (Fn. 141), S. 258 ff. 478

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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schaftlichen Hochschule und weiteren Einrichtungen, ist zunächst bemerkenswert, dass sie die Existenz von mit der wissenschaftlichen Hochschule vergleichbaren Institutionen, die auf wissenschaftlichem Gebiet tätig sind, nicht hindert und eine staatliche Unterstützung nicht ausschließt. Die Wissenschaftsförderung ist danach auch außerhalb der Hochschule bei privat- oder öffentlich-rechtlich strukturierten Rechtsträgern zulässig, deren Grundrechtsträgerschaft einzelfallbedingt von ihrer Affinität zur Verfassungseinrichtung Hochschule abhängt.480 Vergleicht man diese relationale Beziehung zwischen der institutionell garantierten Einrichtung der wissenschaftlichen Hochschule und anderen wissenschaftlich orientierten Institutionen bei Art. 5 III 1 GG mit der Förderungspflicht zugunsten der Ehe und der Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, wird die dogmatische Übereinstimmung bei beiden Grundrechten deutlich: Eine die Wertentscheidung konkretisierende ehebezogene Förderungsverpflichtung beinhaltet kein Konstituierungsverbot für andere Institutionen, die mit bestimmten Verfassungseinrichtungen merkmalsverwandt sind. Soweit es um die mögliche Sperrwirkung der Wertentscheidung im Sinne einer nur abgestuft zulässigen Förderung dieser Institutionen geht, ist nach verschiedenen Auswirkungsebenen zu differenzieren: Die Problematik hinsichtlich der strukturellen Ausgestaltung des Hochschulbereichs stellt sich bei einem ersten Blick zunächst nicht in gleicher Weise wie beim Verhältnis zwischen der Ehe und anderen familienrechtlichen Instituten, weil dort ein im Vergleich zum Familienrecht geringer ausgeprägtes Bedürfnis danach besteht, die Rechtsformen anzunähern oder sogar gleichzusetzen. Die wissenschaftliche Hochschule unterscheidet sich nämlich von merkmalsverwandten Institutionen primär durch die differenzierte Aufgabenzuweisung. Das Interesse an einer Gleichbehandlung ist bei der Konstellation einer gesetzlich vorgegebenen unterschiedlichen Zugangsberechtigung zu den Rechtsinstituten naturgemäß größer als bei der schon durch die Aufgabenzuweisung vorbestimmten unterschiedlichen rechtlichen Strukturierung. Allerdings besteht insofern doch eine systematische Ähnlichkeit mit dem Hochschulbetrieb, als sich auch die verschiedenen familienrechtlichen Institute durch unterschiedliche Funktionszuordnungen unterscheiden.481 Anders als bei der Hochschule ergibt sich diese Funktion bei der Ehe aber nicht durch eine juridische Zuweisung, sondern durch die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau selbst. Die differenzierten institu480

Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 214; Trute (Fn. 141), S. 560 ff. Für die entsprechende Differenzierung zwischen der Ehe und der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ausführlich oben 3. Kapitel A. III. 3. b) cc) (4) (a), S. 354 ff. 481

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

tionellen Funktionen intendieren dabei ein Verbot der vollständigen Angleichung innerhalb der institutionellen Vergleichsgruppen von Art. 5 III 1 GG und Art. 6 I GG. Beispielsweise ist Art. 5 III 1 GG wegen des aus dem eingeschränkten wissenschaftlichen Charakter der Fachhochschule resultierenden Qualifikationsprofils der Hochschullehrer verletzt, wenn ausschließlich in Fachhochschulstudiengängen einer Gesamthochschule tätige Professoren als wissenschaftliche Hochschullehrer im Rahmen des einschlägigen Landeshochschulgesetzes eingeordnet werden.482 Daran wird deutlich, dass eine Ausgestaltungssperrwirkung entlang der Trennungslinie der differenzierten Aufgabenzuordnung bei Art. 5 III 1 GG durchaus besteht. Insofern ist diese Wirkungsreichweite der Wertentscheidung, dort innerhalb der Hochschulen, hier innerhalb der institutionalisierten Lebensgemeinschaften, durchaus mit Art. 6 I GG vergleichbar. Eine mögliche Abstufung innerhalb der staatlichen Maßnahmen zugunsten der gesetzlich eingerichteten Institutionen könnte sich auch unter dem Aspekt der relationalen Höhe der finanziellen Förderung dieser Institutionen ergeben. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt, sondern im Zusammenhang mit der Forderung nach Gewährleistung des organisatorischen Bestands nur ausgeführt, dass es einen (absoluten) verfassungsrechtlichen Bestandsschutz zugunsten einer bestimmten Einrichtung nicht gäbe.483 Man wird hier das aus der systematischen Interpretation des Förderungsgebotes zugunsten der Ehe gewonnene Ergebnis übernehmen können, dass die Förderung eines Rechtsinstituts per se eine gegenüber anderen institutionellen Adressaten verstärkte Unterstützung beinhaltet, die die Unterstützung jener grundsätzlich nicht ausschließt, aber zur Differenzierung – je nach zugewiesener Aufgabe – zwingt.484 Insgesamt zeigt daher der Vergleich mit Art. 5 III 1 GG, dass einerseits Anhaltspunkte für ein Konstituierungsverbot merkmalsverwandter Rechtsinstitute aus der Wertentscheidung nicht abgeleitet werden können. Andererseits bemisst sich die Reichweite einer möglichen verfassungsrechtlichen Sperrwirkung hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung nach der konkreten rechtsrelevanten Funktion der jeweiligen Einrichtung.

482

BVerfGE 61, 210 (242 ff.). BVerfGE 35, 79 (115); ferner Bethge (Fn. 121), Art. 5 Rn. 215; Trute (Fn. 141), S. 430. 484 Trute (Fn. 141), S. 427, hält deshalb eine durch Art. 5 III 1 GG induzierte Prioritätensetzung bei der Finanzierung von Forschungseinrichtungen für nicht beliebig veränderbar. 483

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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(b) Förderpflicht von Privatschulen nach Art. 7 IV GG Die Existenz von Privatschulen ist durch Art. 7 IV GG institutionell garantiert.485 Diese Einrichtungsgarantie umhegt verfassungsdogmatisch die abwehrrechtliche Dimension des Grundrechts zur Gründung und zum Betrieb von Privatschulen. Beide Funktionen werden in ihrem Schutzgehalt entwertet, wenn sie ausschließlich vor dem Staat, aber nicht auch durch ihn gegen weitere Gefährdungen geschützt werden. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat hier deshalb ebenfalls eine grundgesetzliche Schutz- und Förderpflicht zugunsten der Privatschule angenommen.486 Obwohl zu ihrer Begründung kein ausdrücklicher Rückgriff auf die Wertentscheidung erfolgt, deckt sich der Hinweis auf die Ermöglichung der schulischen Selbstbestimmung als Grundrechtssubstrat sowie auf den „sozialstaatlichen Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG“487 mit der objektiv-rechtlichen Funktionsaussage der Wertentscheidung jedes Grundrechts zur Sicherung einer ungestörten Grundrechtsentfaltung.488 Die dogmatische Begründung der Förderpflicht ist in dieser Hinsicht mit derjenigen bei Art. 6 I GG vergleichbar. Die Ähnlichkeit dieser dogmatischen Strukturierung vermag allerdings nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das Verhältnis der jeweiligen Verfassungseinrichtungen zu merkmalsähnlichen Institutionen nicht miteinander vergleichbar ist. Während bei Art. 6 I GG neben der Familie nur die Ehe als Rechtsinstitut genannt ist, ist über Art. 7 I GG die staatliche Schule in die Verfassung implementiert. Das bedeutet, dass bei Art. 6 I GG neben der Familie nur die Ehe in ein Verhältnis zu lediglich einfachgesetzlich konstituierten Rechtsinstituten tritt, während sowohl die staatliche als auch die private Schule als Schulformen verfassungsrechtlich verankert sind. Eine Sperrwirkung hinsichtlich der Ausgestaltung besteht deshalb zwischen verfassungsrechtlich abgesicherten Institutionen nicht. Die Vergleichbarkeit der wertentscheidungsbedingten Rechtswirkungen zwischen den Vergleichsgruppen bei Art. 6 I GG und Art. 7 GG scheidet somit aus. dd) Institutionelle Fundierung der doppelten Verfassungserwartung als teleologischer Impuls der Wertentscheidung zugunsten der Ehe Aus der Wertentscheidung für die Ehe ergibt sich die staatliche Verpflichtung, dieses Rechtsinstitut zu fördern. Die teleologische Einordnung dieser 485 486 487 488

Vgl. 3. Kapitel A. II. 4. b) bb) (3) (b) (ee), S. 258 ff. BVerfGE 75, 40 (62); 112, 74 (83). So BVerfGE 75, 40 (63, 65). Ähnlich Stern (Fn. 66), § 69 IV 3, S. 936.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Förderungsverpflichtung ist Ergebnis ihrer Analyse aus grammatischer, historisch-genetischer und systematischer Perspektive. (1) Erhöhung der Eheschließungsbereitschaft In der Literatur wird vertreten, dass die Förderungsverpflichtung der Ehe den Zweck habe, die Eheschließungsbereitschaft der Grundrechtsträger durch gesetzgeberische Maßnahmen zu fördern.489 Diese Verpflichtung betrifft zum einen die direkte normative Ausgestaltung der Ehe, hat aber auch rechtlich verbindliche Auswirkungen auf die strukturelle Gestaltung von Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe. Wenn bestimmten Lebensgemeinschaften ein Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt wird, dass so attraktiv ausgestaltet ist, dass es als Alternative zur Ehe wahrgenommen wird, dann verfehlt der Gesetzgeber das mit der Förderverpflichtung vorgegebene Ziel der Erhöhung der Eheschließungsbereitschaft. Diese sinkt umso stärker, je ähnlicher sich die Rechtswirkungen der Ehe und der alternativ wählbaren institutionalisierten Lebensgemeinschaft sind. Bei einer vollständigen Gleichstellung der Rechtsinstitute besteht kein rechtlich relevantes Motiv für den Grundrechtsträger mehr, die Ehe zu wählen. Der mit der Förderungsverpflichtung verbundene Wille der Verfassung, die Ehe zu stärken, würde damit in eine institutionelle Schwächung dieser Rechtsform umschlagen. Dogmatische Konsequenz ist daher die Statuierung einer Sperrwirkung für Gesetzgebungsakte, die unmittelbar zwar nichteheliche Rechtsinstitute betreffen, mittelbar aber die Eheschließungsbereitschaft selbst mindern. Diese Schlussfolgerung ist bei verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zutreffend,490 bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften jedoch nicht einschlägig. (a) Institutionalisierung Die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften steht der durch die Wertentscheidung konkretisierten Zielsetzung nicht entgegen, die dahinter stehende staatliche Erwartung der Eheschließung zu verwirklichen: Stellt man auf die Fallgruppe der verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ab, so wird ihre Bereitschaft, die Ehe zu schließen, durch die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht gemindert.491 Mann und Frau als Personenverbindung 489

Merten (Fn. 29), S. 615 (631). Ähnlich Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 61; ders. (Fn. 466), S. 594 (598 f.); Merten (Fn. 29), S. 615 (631); Bruns (Fn. 399), S. 6 (8). 490

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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haben zu diesem Rechtsinstitut schon formell keinen Zugang, so dass es für sie als institutionelles Alternativmodell zur Ehe gar nicht zur Verfügung stehen kann. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion wurde zwar vertreten, dass durch eine solche Institutionalisierung das geistige Leitbild der Ehe als exklusiver personaler Lebensgemeinschaft im Verständnis der Grundrechtsberechtigten verloren ginge.492 Wegen des besonderen Schutzes der Ehe dürfe der Staat nicht durch Gesetzgebungsakte den Eindruck in der öffentlichen Meinung erwecken, alle Lebensformen seien gleichwertig.493 Noch weitergehend postuliert ein Teil der Literatur, dass das durch Art. 6 I GG vorgegebene und vom Fördergebot umfasste Leitbild auch die Heterosexualität umfasse.494 Gegen eine solche leitbildliche Entfaltung spricht allerdings, dass die Heterosexualität zwar die typisierte Voraussetzung der Kinderzeugung, aber mit ihr nicht deckungsgleich ist. Stellt man auf die Reproduktivität als Leitbild ab, besteht keine zwingende Notwendigkeit, der Heterosexualität selbst leitbildlichen Charakter zuzuerkennen.495 Selbst wenn man dies täte, muss die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften keinesfalls – wie behauptet – mit einer Verminderung des Willens zur Eheschließung einhergehen. Im Gegenteil hängt die in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende sinkende Zahl der Eheschließungen eher mit einer nicht nur im Familienrecht zu beobachtenden grundsätzlich geringeren Bereitschaft zur langfristigen institutionellen Bindung zusammen. Dieser Trend kann aber – unabhängig von den Zugangsvoraussetzungen – nicht durch die Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts verstärkt werden. Die Konstituierung einer eigenen Rechtsform für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften neben der Ehe könnte im Gegenteil sogar die staatliche Erwartung dokumentieren, sich als Lebensgemeinschaft unter der jeweils zugänglichen Rechtsform einzufinden und miteinander langfristige Rechtsbindungen im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft einzugehen. Dieser Aspekt der Ehe würde dadurch leitbildlich gestärkt.496 491 Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (712); Henkel (Fn. 418), S. 77 (80 f.); Pieroth/Kingreen (Fn. 41), S. 219 (239); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1899 f.); A. Klein (Fn. 246), S. 434; Robbers (Fn. 54), S. 779 (782); Sachs (Fn. 10), S. 45 (49); Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 61; ders. (Fn. 466), S. 594 (598 f.); Bruns (Fn. 399), S. 6 (8). 492 Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (9); Braun (Fn. 475), S. 110 ff.; ders. (Fn. 222), S. 23 (26); ders. (Fn. 432), S. 14 (18); ähnlich Rauscher (Fn. 223), Rn. 38. Vgl. auch Risse (Fn. 423), S. 259: „Als grundgesetzlich determiniertes, moralisch-ethisches Leitbild soll die Ehe mehr gefördert werden als alternative Modelle des Zusammenlebens.“ 493 Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (9). 494 Hans-Martin Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl., 1999, Rn. 926. 495 Vgl. dazu oben 2. Kapitel B. V. 4, S. 181 ff.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist der Zugang zur Ehe verwehrt. Durch die Konstitutierung eines eigenen Rechtsinstituts sind aber durchaus Auswirkungen auf ihre Eheschließungsbereitschaft denkbar: Man kann angesichts der familienrechtlichen Konstellation vor Einführung der Lebenspartnerschaft, in der nur die Ehe als rechtsförmlich strukturiertes Modell der Verantwortungsgemeinschaft existierte, davon ausgehen, dass im Einzelfall auch von homosexuell orientierten Personen Ehen mit andersgeschlechtlichen Personen eingegangen worden sind, um die mit der Ehe im Vergleich zum Status des Unverheirateten verbundenen Rechtsvorteile in Anspruch zu nehmen. Umgekehrt ist es deshalb durchaus möglich, dass durch die Einführung eines eigenen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften die Zahl der durch die bisherige Rechtslage bedingten Eheschließungen von homosexuellen Nupturienten zurückgeht.497 Diese Fallgruppe ist aber kein verfassungsrechtlich tragfähiges Argument für einen Verstoß gegen das eheliche Fördergebot oder das Benachteiligungsverbot. Zum einen weist diese Konstellation bei einem Vergleich mit der Gesamtzahl der Eheschließungen nur eine geringe Größe auf, wenn man den Anteil der Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung berücksichtigt. Hinzu kommt, dass in diesen Ehen die mit der umfassenden Lebensgemeinschaft verbundene Geschlechtsgemeinschaft wegen der Homosexualität zumindest eines der Ehegatten regelmäßig fehlen wird. Damit weichen diese Fälle aber vom Typus der Ehe als einer die Lebensverbindung konkretisierenden Geschlechtsgemeinschaft ab. Bei ihnen fehlt aus typologischer Perspektive faktisch ein bestimmtes Strukturelement der Ehe. Dadurch kann ihnen aber keine verfassungsrechtlich relevante Veränderungswirkung hinsichtlich der Eheschließungsbereitschaft zukommen, weil diese Ehen schon bisher nicht dem Strukturbild des Grundgesetzes von der Ehe entsprochen haben.498 Die Institutionalisierung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft senkt deshalb nicht die Bereitschaft, die Ehe zu schließen.

496 Muscheler (Fn. 247), Rn. 45; Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (58 f.); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1900); ähnlich Sachs (Fn. 10), S. 45 (49). 497 Muscheler (Fn. 247), Rn. 44; A. Klein (Fn. 246), S. 434 (435); Robbers (Fn. 54), S. 779 (783); Bruns (Fn. 399), S. 6 (8). Ders./Volker Beck, Das Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit, in: MDR 1991, S. 832 (835), halten dies für einen Vorteil der Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. In der Tat müssten dann Homosexuelle nicht mehr typologisch nicht für sie bestimmte Rechtsinstitute wählen. 498 Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (712), Sachs (Fn. 10), S. 45 (49): „verfassungsrechtlich kaum gewollt“. Vgl. auch Forkert (Fn. 19), S. 35; Huster (Fn. 247), S. 605 f., Fn. 497; Risse (Fn. 423), S. 304.

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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(b) Ausgestaltung Wie bei der Institutionalisierung spricht grundsätzlich auch bei der Ausgestaltung eines solchen Rechtsinstituts der Kreis der Zugangsberechtigten gleichen Geschlechts dafür, dass eine Minderung der Bereitschaft zur Eheschließung nicht erfolgen wird. Als normativ absolute Grenze der Ausgestaltung wird man in diesem Zusammenhang allerdings die Gleichstellung der Rechte- und Pflichtentypik dieses Rechtsinstituts mit derjenigen der Ehe ansehen müssen. Wenn einem Rechtsinstitut Vorteile gewährt werden, die die Ehe nicht erhält, läge nicht nur ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der Ehe vor, sondern es würde auch die Gefahr zunehmen, dass heterosexuelle Personen ein solches Rechtsinstitut wählten, um in den Genuss der entsprechenden institutionellen Vorteile zu kommen. Da in diesem Fall echte Lebensgemeinschaften i. d. R. nicht entstehen, ist das typologische Substrat des Rechtsinstituts verletzt. Die Zahl der Eheschließungen könnte dabei umso eher absinken, je größer die Vorteile des Rechtsinstituts gegenüber der Ehe wären. Wenn man als alleiniges Motiv der Förderungsverpflichtung die Erhöhung der Eheschließungsbereitschaft ansieht, wäre deshalb die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie die weitgehende Angleichung bis hin zur Gleichstellung mit der Ehe verfassungsgemäß. (2) Die doppelte Verfassungserwartung: Eheschließung und Familiengründung Die aus Art. 6 I GG abgeleitete doppelte Verfassungserwartung unterteilt sich aus teleologischer Perspektive in zwei Stufen: Auf der ersten Stufe vermittelt der besondere Schutz der Ehe die Erwartung, dass die Grundrechtsträger dieses Rechtsinstitut wählen, also die Ehe schließen werden. Darauf aufbauend wird auf der zweiten Stufe durch den verfassungsrechtlichen Schutzzusammenhang zwischen Ehe und Familie die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass sich aus der Ehe typologisch eine Familie entwickelt.499 Diese zweigeteilte Verfassungserwartung geht deshalb über die Bereitschaft zur Eheschließung hinaus. Entsprechend bezieht sich die Förderungsverpflichtung auch auf die Bereitschaft zur Familiengründung. Für diese Erweiterung spricht die beschriebene familiale Zielsetzung der Ehe als antizipierter Typus der Familie. Die Verschiedengeschlechtlichkeit intendiert als eheliches Strukturmerkmal die potentielle Familie. 499 Vgl. Paul Kirchhof, Ehe und Familie als Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft, in: Stimmen der Zeit 1999, S. 507.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Die verschiedenen grundrechtsdogmatischen Dimensionen des Art. 6 I GG bedingen und begrenzen sich bei der Realisierung dieser doppelten Verfassungserwartung in einzigartiger Weise: Auf der einen Seite kann der Staat nicht erzwingen, die eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen und sie zur Familie zu erweitern. Die Eheschließungsfreiheit ermöglicht aber zugleich überhaupt erst auf Verfassungsebene, die beschriebene Erwartung auch gegen den Willen des Staates oder Dritter zu realisieren. Dieser grundrechtliche Schutzbereich gegen Eingriffe wird auf der anderen Seite ergänzt um die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur aktiven Förderung von Ehe und Familie als Ausdruck der grundgesetzlichen Wertentscheidung. Der Gesetzgeber muss das Rechtsinstitut der Ehe bei Wahrung der durch die Verfassung vorgegebenen Strukturelemente einfachgesetzlich so gestalten, dass es für die Grundrechtsträger im Rahmen der Rechtsordnung attraktiv ist, sich an dieses Rechtsinstitut zu binden. Bei anderen Lebensgemeinschaften, die ihr verfassungsrechtliches Fundament auf Art. 2 I GG stützen, gibt es diese Verfassungserwartung nicht. Ein institutioneller Bezug ist keinesfalls zwingend. Weder benennt das Grundgesetz ein solches Rechtsinstitut noch legt es eine entsprechende Erweiterung zur Familie nahe. Zwar wird durch den eigenständigen Schutz der Familie deutlich, dass die Verfassung realistischerweise nicht von einem Automatismus dieser Entwicklung ausgeht und damit keine Identität zwischen Ehe und Familie bestehen muss. Wohl aber ist ein typologischer Konnex zwischen ihnen vorhanden. Bei der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ist es aber typologisch genau umgekehrt: Eine Typuskonnexität im Sinne einer institutionellen Erweiterungspotentialität zwischen ihr und der Familie kann nicht bestehen. Da es folglich an einer grundgesetzlich vorgegebenen Erwartung zur institutionellen Inanspruchnahme mangelt, existiert auch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, eine solche Lebensform zu fördern. Strukturiert der Gesetzgeber das Rechtsinstitut für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als eine institutionelle Abbildung der Ehe, so liest er in das Rechtsinstitut die wertentscheidungsbedingte Realisierungsverbesserung der doppelten Verfassungserwartung hinein, die bei dieser Art von Lebensgemeinschaft verfassungsrechtlich gerade nicht besteht. Dem gesetzgeberischen Spielraum sind insofern Grenzen gesetzt: (a) Institutionalisierung Diese Grenze betrifft noch nicht die einfachgesetzliche Einführung eines neuen Rechtsinstituts, auch wenn man die doppelte Verfassungserwartung als teleologische Prämisse der Förderungsverpflichtung zugrunde legt. Es wird hier noch deutlicher als bei der intendierten Erhöhung der Eheschlie-

A. Maßstab des Art. 6 I GG

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ßungsbereitschaft, dass allein die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften die doppelte Verfassungserwartung nicht beeinträchtigen kann: Eine solche Institutionalisierung würde wegen ihrer Beschränkung auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften weder die Realisierung der ersten Stufe noch insbesondere die der zweiten Stufe der Verfassungserwartung – die Familiengründung aus der Ehe – beeinträchtigen können. Aus teleologischer Perspektive der Wertentscheidung spricht deshalb nichts für ein Verbot der gesetzlichen Statuierung eines Rechtsinstituts als Einschränkung des gesetzgeberischen Ermessensspielraums. (b) Ausgestaltung Die aus der Wertentscheidung folgende teleologische Grenzziehung der verfassungsmäßigen Ausübung des gesetzgeberischen Spielraums betrifft aber die einfachgesetzliche Ausgestaltung des neu konstituierten Rechtsinstituts: Dessen Angleichung an die Ehe auch in denjenigen Normbereichen, die bei der Ehe der beschriebenen Chancenerhöhung auf Realisierung der Verfassungserwartung dienen und damit Ausdruck der fördernden Wertentscheidung des Art. 6 I GG sind, verstößt gegen das durch die Verfassung vorgegebene Ziel, (nur) Ehe und Familie zu fördern. Aus der Wertentscheidung folgt mithin ein Differenzierungsgebot hinsichtlich der in Art. 6 I GG genannten Rechtsformen und aller anderen einfachgesetzlich konstituierten Institute des Familienrechts. Sinn und Zweck der Wertentscheidung ist aus teleologischer Sicht, durch das Fördergebot zur Realisierung der zweistufigen Verfassungserwartung beizutragen. Das bedeutet, dass insbesondere diejenigen Rechtsnormen, deren Ziel die Förderung der Familiengründung ist, nicht auf Rechtsinstitute für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften angewandt werden dürfen. Umgekehrt dürfen Bestimmungen, denen eine teleologische Prämisse zugrunde liegt, die in vergleichbarer Weise für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gilt, auch für deren institutionelle Ausgestaltung übernommen werden. Die teleologische Auslegung bestätigt insofern das Ergebnis der systematischen Auslegung der Wirkungsfaktoren der Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie. ee) Ergebnis Die schon bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates in Ansätzen vorhandene verfassungsrechtliche Differenzierung zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften wird durch die systematische Strukturierung der Wertentscheidung zugunsten der Ehe weiter entfaltet und schließlich teleologisch eingeordnet: Danach widerspricht die Konstituierung eines

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht dem ehelichen Fördergebot. Die Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts unterliegt aber einer verfassungsrechtlichen Sperrwirkung: Regelungen mit dem Ziel, die generative Erweiterung der Ehe zur Familie zu fördern und den Status der Ehe insbesondere im Hinblick auf ihre grundsätzliche Unauflöslichkeit zu erhalten, sind auf das neu geschaffene Rechtsinstitut nicht übertragbar.

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage für die Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? Der Gesetzgeber ist durch die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie nicht daran gehindert, ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu kreieren. Dessen Konstituierung auf einfachgesetzlicher Ebene steht damit nach dem bisherigen Ergebnis im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers; er kann ein solches Rechtsinstitut einrichten, muss es aber nicht. Fraglich ist, ob sich aus anderen Verfassungsnormen ein Anspruch des Einzelnen auf die Verankerung einer solchen Rechtsform ergibt. In diesem Fall stünde der Legislative kein gesetzgeberischer Spielraum zur Verfügung, sondern sie wäre verpflichtet, das Rechtsinstitut zu konstituieren.

I. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als möglicher Schutzgegenstand der Eheschließungsfreiheit? Die benannten Freiheitsrechte umfassen mit ihren jeweiligen Schutzbereichen nicht das Recht, in einer Lebensgemeinschaft mit einem Partner des gleichen Geschlechts zu leben. Das gilt insbesondere für Art. 6 I GG. Wesentliches Strukturmerkmal der Ehe ist die Verschiedengeschlechtlichkeit der Nupturienten. Gleichgeschlechtliche Personenverbindungen können deshalb keine Ehe eingehen und sich somit nicht auf die Eheschließungsfreiheit als Teil des Schutzbereichs von Art. 6 I GG berufen.500 Art. 6 I GG kann in diesem Fall auch nicht analog angewandt werden. Voraussetzung einer Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke.501 Damit ist die Unvollständigkeit einer bestehenden Norm gemeint, die nach der ihr zugrunde liegenden Regelungsabsicht (des „Plans“) der Ergänzung bedarf. Maßstab der Beurteilung, ob eine Regelungslücke vorliegt, ist deshalb 500

Ausführliche Darstellung im 2. Kapitel, S. 122 ff. Im Einzelnen dazu Karl Larenz/Claus-Wilhelm Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 193 ff. 501

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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immer der grammatisch und historisch-genetisch geprägte Normzusammenhang, aus dem sich Sinn und Zweck der Regelung ergeben. Der Parlamentarische Rat hat sich als Verfassungsgeber bewusst dafür entschieden, unter den Lebensformen ausschließlich die „verweltlichte“ Ehe unter den Schutz des Grundgesetzes zu stellen. Keinesfalls wollte er mit dem besonderen Schutz der Ehe generell die Lebensgemeinschaft zweier Menschen – unabhängig von ihrem Geschlecht – in Art. 6 I GG verankern.502 Der verfassungsrechtliche Eheschutz stabilisiert das Rechtsinstitut der Ehe als funktionstypische Grundlage der Entfaltung zur Familie auf Verfassungsebene und verankert sie durch die Konkretion des Art. 6 I GG als objektive Wertentscheidung auch in der einfachgesetzlichen Rechtsordnung. Da der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft typischerweise diese Familienbezogenheit fehlt, wird sie von der Regelungsfunktion des Art. 6 I GG nicht getragen.503 Eine Unvollständigkeit des Art. 6 I GG im Sinne eines über das Rechtsinstitut der Ehe hinausgehenden allgemeinen Schutzes aller Lebensgemeinschaften liegt deshalb nicht vor. Vielmehr steht bewusst nur die Ehe neben der Familie als institutionelles Schutzobjekt im Mittelpunkt des Art. 6 I GG. Eine analoge Anwendung des Art. 6 I GG auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften scheidet daher aus.504 Für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft wird deshalb in Literatur und Rechtsprechung an einigen Stellen undifferenziert auf Art. 2 I GG Bezug genommen, ohne sie eindeutig in einen der mit dieser Norm verbundenen unterschiedlichen Gewährleistungsbereiche einzuordnen.505 502

2. Kapitel B. III. 3., S. 137 ff. Siehe 2. Kapitel B. V. 3., S. 175 ff. 504 LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1998; AG Würzburg, StAZ 1993, S. 80 (81); Richter (Fn. 161), Art. 6 Rn. 36a, und Risse (Fn. 423), S. 240, mit Verweis auf den ausschließlich ehe- und familienbezogenen Schutz des Art. 6 I GG; eine analoge Anwendung grundsätzlich ablehnend Klaus Vogelsang, Verfassungsrecht, in: Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, hrsg. von Rainer Hausmann und Gerhard Hohloch, 2. Aufl., 2004, Rn. 25; Anna Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 282; v. Campenhausen (Fn. 317), S. 7 (17); Zippelius (Fn. 421), S. 805 (808); Rijsbergen (Fn. 366), S. 210 ff., für alle nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Anders nur Schimmel (Fn. 422), S. 183 ff., der neben einer erweiternden Auslegung auch die analoge Anwendung des einfachgesetzlichen Eherechts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften befürwortet. 505 LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1996 (1999). Aus der Literatur etwa bei Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 640; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 6; Lindenberg/Micker (Fn. 5), S. 707 (712); Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (61); Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (398); Krings (Fn. 109), S. 409 (412). Aus der Nichterwähnung des Art. 1 I GG könnte geschlossen werden, dass hier nicht das Persönlichkeitsrecht, sondern jeweils die allgemeine Handlungsfreiheit gemeint ist. Diese Deutung ist möglich, aber nicht zwingend, weil teilweise auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG abgleitet wird, ohne zugleich immer auch Art. 1 I GG zu erwähnen; vgl. etwa Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 59. 503

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

II. Das Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben, als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG Als Anspruchsgrundlage für die Normierung von Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften betreffen, kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG in Betracht.506 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht ausdrücklich in einer eigenen Grundrechtsnorm festgehalten, sondern aus den Artikeln 2 I GG und 1 I GG richterrechtlich entwickelt worden. Dies bedingt eine kasuistisch geprägte Definition seines Schutzbereichs. Grundsätzlich ist der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts wegen seines Bezugs zu Art. 1 I GG als Auslegungsrichtlinie enger gefasst als derjenige der allgemeinen Handlungsfreiheit. Er schützt die Privatsphäre, auch in ihrem Zusammenhang zur Öffentlichkeit.507 Schutzbereichskern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist deshalb das Recht des Einzelnen auf Respektierung seiner Privatsphäre und seines sozialen Geltungsanspruchs.508 Soweit dieser Schutzbereich einschlägig ist, kommt ein Rückgriff auf die subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit nicht mehr in Betracht.509 Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft könnte in mehrfacher Hinsicht vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst sein. Zum einen ist die Geschlechtsgemeinschaft ein typischer Bestandteil der Lebensgemeinschaft. Zum Schutz der Persönlichkeit gehört als ihr innerster Kern auch die Intimsphäre mit den in diesem Rahmen vollzogenen Handlungen. Die Ausübung von Sexualität geschieht in diesem Bereich. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst deshalb das Recht auf sexuelle Selbst506

Vgl. Jörg Wegner, Die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, in: ZfR 1995, S. 170 (186), nach dem „die herkömmliche Auslegung des Ehebegriffs“ gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstößt. 507 Schmitt Glaeser (Fn. 29), Rn. 8 f.; Zur Unterteilung in Intim-, Privat- und Sozialsphäre als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vgl. Heintzen (Fn. 166), S. 721 (724 f.). 508 Horst Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 2 I Rn. 24; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 60; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 32. 509 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 27 Rn. 6; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 49; Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 94; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 137; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 91. Anders wohl Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 131, der das Persönlichkeitsrecht nicht für ein eigenständiges Freiheitsrecht, sondern für eine Konkretisierung des Schutzbereichs der Handlungsfreiheit mit einem ihm gegenüber erhöhten Schutzniveau hält. Nur wenn man letztgenannter Ansicht folgte, wäre die teilweise in der Literatur vorkommende gleichzeitige Anwendung von Persönlichkeitsrecht und Handlungsfreiheit auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zutreffend, vgl. so etwa bei Risse (Fn. 423), S. 245 ff., und Schimmel (Fn. 422), S. 167 ff.

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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bestimmung als freie Gestaltung des eigenen Geschlechtslebens.510 Für seinen Schutzbereich ist die Differenzierung zwischen homosexuell oder heterosexuell geprägter Sexualität nicht von Bedeutung. Insofern unterfällt die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als homosexuelle Geschlechtsgemeinschaft Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG. Die homosexuelle Geschlechtsgemeinschaft ist nicht per se durch die in Art. 2 I GG statuierte Schranke des Sittengesetzes beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einer Entscheidung aus dem Jahr 1957 die Strafvorschrift des § 175 StGB a. F. gegen die Ausübung homosexueller Handlungen durch erwachsene Männer nicht als eine Verletzung des Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG angesehen. Der Schutzbereich sei danach berührt, doch verstoße Homosexualität gegen das Sittengesetz. Dies wird mit den sittlichen Vorstellungen der christlichen Kirchen und der Rezeption dieser Anschauungen im Staatsvolk begründet.511 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass diese verfassungsgerichtliche Bezugnahme primär den rechtspolitischen Gehalt des § 175 StGB a. F. argumentativ untermauern sollte, so dass als grundrechtsdogmatisch eigentlich entscheidungsrelevante Schranke die verfassungsmäßige Ordnung anzusehen sei.512 Aus gegenwärtiger Sicht kommt dem Sittengesetz wegen der methodisch problematischen empirischen Möglichkeiten, die außerhalb der normierten Rechtsordnung angelegten langfristigen Moralvorstellungen zu ermitteln, deren grundsätzlicher Variabilität und des engen Normengeflechts in der Gegenwart eine eigenständige und von der verfassungsmäßigen Ordnung unabhängige Bedeutung nicht mehr zu.513 Homosexualität ist deshalb möglicher Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht durch das Sittengesetz beschränkt. 510 BVerfGE 6, 389 (433); 47, 46 (73); 115, 1 (14); BVerwGE 100, 287 (294); Rijsbergen (Fn. 366), S. 100; Stern (Fn. 2), § 99 III 3 a, S. 208 f.; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 108 f.; Martin Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 2 Rn. 31; Vogelsang, (Fn. 504), Rn. 37; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 69; Zimmermann (Fn. 3), S. 645 (657); Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 200; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 33; Kingreen (Fn. 7), S. 73; differenzierend nach Aktivitäts- oder Integritätsbezug der Sexualität Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 39. 511 BVerfGE 6, 389 (434 f.). 512 Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 46. 513 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 27 Rn. 16; Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 388; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 40 f.; Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 60; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 94, 99; Höfling (Fn. 12), Art. 2 Rn. 72; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 27 f.; Schimmel (Fn. 422), S. 163 ff.; ders./Christian Meier, Gleichgeschlechtliche Ehen schon nach geltendem Recht?, in: StAZ 1993, S. 210 (213 f.); Bruns/Beck (Fn. 497), S. 832 (835); grundsätzlich auch Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 45 f., der das Sittengesetz nur noch als Auslegungsrichtlinie für die verfassungsmäßige Ordnung ansieht; a. A. Hofmann (Fn. 510), Art. 2 Rn. 10, für den das Sittengesetz „die Wahrung der Sittlichkeit i. S. herrschender Moralvorstellungen, vor allem auf ge-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Zum anderen geht eine Lebensgemeinschaft aber über den Bereich der Intimsphäre hinaus und ist auch durch einen sozialen Bezug geprägt. Dies gilt nicht nur für das den Raum der eigenen Lebenssphäre überschreitende Bekenntnis zu dieser Lebensgemeinschaft vor Dritten oder in der Öffentlichkeit, sondern darüber hinaus auch für die potentiell vielfältigen Aspekte der Verantwortungsübernahme füreinander mit ihren rechtlichen und ökonomischen Konsequenzen. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ist daher grundsätzlich auch aus der Perspektive des Sozialbezugs der Privatsphäre betroffen. Ein öffentlicher Bezug spricht nicht gegen die Zuordnung zum Persönlichkeitsrecht, solange Grundlage der Lebensgemeinschaft die Privatsphäre als Bereich selbstbestimmter Freiheit bleibt. Bei der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ist das der Fall.514 In Teilen der Literatur sowie vereinzelt in der Rechtsprechung wird die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft deshalb – meistens kaum oder sehr knapp begründet – als vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst angesehen.515 Allerdings könnte eine Differenzierung der Schutzrichtung zwischen allgemeiner Handlungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht dazu zwingen, die Zuordnung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zum Persönlichkeitsrecht doch abzulehnen. Als Maßstab der Unterscheidung zwischen der Handlungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird das Aktivitätspotential angeführt. Während erstere tätigkeitsbezogen-aktive Handlungen umfasse („Aktivität“), sei letzteres auf die eher passive Sicherung des eigenen Freiheitsraumes orientiert („Integrität“).516 Ob mit diesem Maßstab der Typus der ganzheitlich orientierten Lebensgemeinschaft einer der beiden grundrechtlichen Gewährleistungen abstrakt adäquat zugeordnet werden kann, bleibt fraglich. Bestimmte Aspekte weischlechtlichem Gebiet“, umfasst; Stern (Fn. 2), § 99 VIII 2 c, S. 268 f., der dem Sittengesetz einen die anderen Schranken „ergänzenden Charakter“ zuspricht; differenzierend Erichsen (Fn. 12), Rn. 41 f., der das Sittengesetz nach wie vor für einen (regelmäßig nicht einschlägigen) „Auffangtatbestand“ hält, die Wandelbarkeit der Anschauungen insbesondere im Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft aber ausdrücklich betont. 514 Vgl. oben 2. Kapitel B. V. 1., S. 171 f. 515 Sehr weitgehend BGHZ 92, 213 (219), für den „Entschluß, in Gemeinschaft mit anderen zu leben“. Im entschiedenen Fall ging es um eine Wohngemeinschaft. AG Frankfurt/Main, NJW 1993, S. 940 (941); Risse (Fn. 223), S. 247 f.; Freytag (Fn. 17), S. 445 (446, Fn. 17), und Beck (Fn. 40), S. 1894 (1895), die wortgleich, aber nicht ganz zutreffend behaupten, dies sei „heute weitgehend unstrittig“; auch P. Kirchhof (Fn. 369), S. 436 (436 f.); Krings (Fn. 366), S. 7 (11); Robbers (Fn. 54), S. 779 (781); Tettinger (Fn. 318), S. 117 (134); Wegner (Fn. 506), S. 170 (186); als „Erwägung“ hinsichtlich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ferner Kingreen (Fn. 337), S. 401 (407). 516 BVerfGE 54, 148 (153); zustimmend Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 23; Höfling (Fn. 12), Art. 2 Rn. 36.

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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sen eher aktive – etwa vermögensrelevante Handlungen zwischen den Mitgliedern dieser Lebensgemeinschaft –, andere eher freiheitsraumbezogenpassive Elemente – z. B. die Privatheit im Bereich der Intimsphäre – auf.517 Für die im Rahmen dieses Untersuchungsgegenstandes relevante Frage nach einem Anspruch gegenüber dem Gesetzgeber, Rechtsnormen für die Gestaltung der Lebensgemeinschaft zu kreieren oder sogar ein Rechtsinstitut zu konstituieren, ist aber das Heraustreten der Lebensgemeinschaft aus dem Bereich der privaten Intimgemeinschaft entscheidend. Ihr Schutz vor dem Zugriff des Staates oder privater Dritter tritt dagegen dort deutlich in den Hintergrund. Vielmehr begibt sich die Lebensgemeinschaft als Typus durch die beabsichtigte Inanspruchnahme gestaltender Normen selbst in den öffentlichen Raum der Rechtsordnung. Damit ist der gegenüber der Handlungsfreiheit deutlich engere Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit der menschenwürdebezogenen Privatsphäre als seinem grundrechtlichen Schutzgegenstand überschritten. Eine institutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft mit einem bestimmten Rechtsstatus einzugehen ist daher nicht vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst.

III. Die dogmatische Verankerung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG Da weder die normierten spezifischen Freiheitsrechte mit ihren Schutzbereichen noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht für institutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in Betracht kommen, bleibt nur der Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG als Auffanggrundrecht. Ihr Schutzbereich umfasst alle menschlichen Verhaltensweisen.518 Er ist nur dann einschlägig, wenn diese nicht schon von den speziellen Freiheitsgrundrechten erfasst werden.519 Wenige Stimmen wollen dagegen unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 2 I GG den sachlichen 517 Das räumt auch Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 39, ein, und will je nach betroffenem Aspekt entweder den Schutzbereich der Handlungsfreiheit oder des Persönlichkeitsrechts anwenden. 518 Seit BVerfGE 6, 32 (36), st. Rspr.; Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 27 Rn. 3; Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 368; Stern (Fn. 2), § 104 II 6, S. 894 f.; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 13; Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 27; Hofmann (Fn. 510), Art. 2 Rn. 22; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 52; Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 12; Erichsen (Fn. 12), Rn. 13; Höfling (Fn. 12), Art. 2 Rn. 53; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 12. 519 Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 369; Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 49 f.; Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 30; Hofmann (Fn. 510), Art. 2 Rn. 66; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 137; Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 15, 21; Erichsen (Fn. 12), Rn. 25; Höfling (Fn. 12), Art. 2 Rn. 56; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 12.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Schutzumfang auf den engeren Bereich der persönlichen Lebenssphäre begrenzen.520 Diese Ansicht gibt damit allerdings einen umfassenden Grundrechtsschutz menschlicher Entfaltungsmöglichkeit auf und ermöglicht einen verfassungsrechtlich ungehinderten Zugriff des Staates auf Bereiche menschlichen Verhaltens, die nicht zu diesem Persönlichkeitskern oder zum Schutzgut benannter Freiheitsrechte gehören.521 Damit konkretisiert sie die freiheitssichernde Funktion der Grundrechte in nur ungenügendem Maße. Zudem kommt es bei der Annahme eines engeren Schutzbereichs der Handlungsfreiheit zu weitgehenden inhaltlichen Überschneidungen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG, so dass eine konsistente Differenzierung zwischen den verschiedenen Gewährleistungsbereichen kaum möglich ist.522 Die enge Auslegung des Schutzbereichs der Handlungsfreiheit ist daher abzulehnen. Angesichts der vorstehend dargelegten dogmatischen Differenzierung nach einem eher aktiv oder passiv akzentuierten Schutz fällt die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft in ihrer hier einschlägigen Eigenschaft als potentielle Rechtsgemeinschaft unter den weiten Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit.523 Diese Einordnung wird von der Mehrheit der Stimmen in Rechtsprechung und Literatur geteilt.524 520 Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1995, Rn. 428; Sondervotum Dieter Grimm in BVerfGE 80, 137 (166): Tätigkeiten, „die zwar nicht den Schutz spezieller Grundrechte gefunden haben, für die Persönlichkeitsentfaltung aber gleichwohl von erheblicher Bedeutung sind“. 521 BVerfGE 80, 137 (154); Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 27 Rn. 2; Stern (Fn. 2), § 104 II 3, S. 889; Erichsen (Fn. 12), Rn. 16; Höfling (Fn. 12), Art. 2 Rn. 31. 522 Der engen Auslegung kommt nach Hesse (Fn. 520), Rn. 428, die Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „nahe“. Daraus kann man schließen, dass dann die Annahme dieser besonderen Gewährleistung überflüssig wäre. 523 Selbst wenn man entgegen der hier geltend gemachten Bedenken einen engen Schutzbereich der Handlungsfreiheit zugrunde legte, würde die Lebensgemeinschaft unter diesen fallen. Eine Lebensgemeinschaft ist nämlich per se Ausdruck der engeren persönlichen Lebenssphäre und dient ihrer individuellen Entfaltung. 524 BVerwGE 100, 287 (294 f.); Grziwotz (Fn. 440), § 4 Rn. 5; Stern (Fn. 2), § 104 II 6 a, S. 895; Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 110; ders. (Fn. 466), S. 594 (595); Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 55; Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 67; Forkert (Fn. 19), S. 18; Burgi (Fn. 2), Art. 6 Rn. 43; ders. (Fn. 65), S. 487 (492); Richter (Fn. 161), Art. 6 Rn. 36a, 58; Kleffmann (Fn. 366), S. 263; Wächtler (Fn. 422), S. 126; Merten (Fn. 29), S. 615 (630); wohl auch A. Klein (Fn. 246), S. 434 (435), und Bruns (Fn. 399), S. 6 (8), bei dem allerdings der ausdrückliche Normbezug zu Art. 2 I i. V. m. 1 I GG etwas irritiert und eher an das allgemeine Persönlichkeitsrecht erinnert; ähnlich Risse (Fn. 423), S. 245 ff., und Schimmel (Fn. 422), S. 163 ff., die aber auch gleichzeitig das allgemeine Persönlichkeitsrecht für einschlägig halten. Vgl. auch für die verschiedengeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaft: BVerfGE 82, 6 (16); Vogelsang (Fn. 504), Rn. 33; Dietlein (Fn. 86), S. 136 (140);

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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IV. Die allgemeine Handlungsfreiheit als Anspruchsgrundlage? Die allgemeine Handlungsfreiheit ist wie alle anderen Grundrechte auch primär ein den eigenen Freiheitsraum schützendes Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Eine Gefährdung dieses Freiheitsbereichs ist nicht nur durch den Staat, sondern auch durch private Dritte denkbar.525 Im Rahmen der staatlichen Schutzpflicht für eine wirksame Grundrechtsausübung ist als Konsequenz durchaus die Verpflichtung des Staates denkbar, effektive Regelungen zum Schutz vor Eingriffen durch Dritte zu erlassen. Hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ist die verfassungsdogmatische Situation aber anders gelagert als im Falle eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit durch Dritte. Eine Dreieckskonstellation zwischen dem Grundrechtsträger, dem Staat und einem Dritten besteht hier nicht. Stattdessen stehen sich nur die Grundrechtsberechtigten als Mitglieder der Lebensgemeinschaft und der Staat als möglicher Anspruchsverpflichteter gegenüber. In dieser Konstellation geht es nämlich nicht um die Abwehr von Grundrechtseingriffen, sondern um die vorgelagerte Ermöglichung der Grundrechtsbetätigung. Wenn diese ohne eine einfachgesetzliche Normierung unmöglich ist, kann der Gesetzgeber verpflichtet sein, entsprechende Bestimmungen zu erlassen. Überträgt man die beschriebene grundrechtsdogmatische Situation auf die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft, könnte eine gesetzgeberische Verpflichtung zu ihrer gesetzlichen Regelung dann angenommen werden, wenn es ohne Normen angeschlossen wäre, in Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft zu begründen und zu führen. Gegen die Annahme einer Normierungsverpflichtung für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sprechen aber mehrere Gründe: Erstens bestehen seit den Novellierungen des § 175 StGB a. F. 1969 und 1973 keine strafrechtlichen Sanktionen mehr für die homosexuelle Gefür die eheähnliche Gemeinschaft: BVerfGE 87, 234 (267); Kingreen (Fn. 7), S. 72 f.; ders. (Fn. 337), S. 401 (407). Die Art der geschlechtlichen Orientierung spielt für die vorgenommene Einordnung keine Rolle, so dass das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen wohl eine ähnliche Zuordnung vorgenommen hätte, wenn es sich um gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gehandelt hätte. Einen Hinweis darauf gibt BVerfGE 105, 313 (346), nach dem das LPartDisBG „Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 und 3 GG Rechnung (trägt), indem er [der Gesetzgeber] diesen Personen zu einer besseren Entfaltung ihrer Persönlichkeit verhilft und Diskriminierungen abbaut.“ Vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG ist dort nicht die Rede. 525 Vgl. 3. Kapitel A. III. 2. c) aa), S. 306 ff.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

schlechtsgemeinschaft zwischen Erwachsenen. Eine entsprechende Lebensgemeinschaft zu begründen ist aus der Sicht der Rechtsordnung seit diesem Zeitpunkt möglich.526 Zweitens ergibt sich ein weiteres Argument aus dem Vergleich zwischen der rechtlichen Einordnung einer gleich- und der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft: Die rechtlich zulässige Gestaltungstypik der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft war bis zum Erlass des LPartDisBG auf die privatautonome Vereinbarung zwischen ihren Mitgliedern beschränkt. Die weitergehende Einordnung als eheähnliche Gemeinschaft wurde ihr verwehrt.527 Soweit die Lebensgemeinschaft einer gleichgeschlechtlichen Personenverbindung ebenso behandelt wurde wie die einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen, besteht kein Anspruch auf den Erlass von bestimmten Regelungen. Beide geschlechtsspezifische Typen von Lebensgemeinschaften können im Rahmen der Privatautonomie gestaltet werden und damit in der Rechtsordnung existieren.528 Ein Anspruch der nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft aus Art. 2 I GG gegenüber dem Gesetzgeber, das Rechtsverhältnis ihrer Mitglieder zueinander zu normieren, besteht nicht.529 Es wäre deshalb inkonsequent, dann der gleichgeschlechtlichen Personenverbindung einen entsprechenden Anspruch zuzuerkennen. Zwar besteht nur für verschieden-, nicht aber für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, die Ehe einzugehen. Dieses Recht basiert aber nicht auf der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern auf Art. 6 I GG. Schließlich ist der gegenüber dem Persönlichkeitsrecht umfassendere sachliche Schutzbereich und der fehlende Bezug zum Menschenwürdeschutz zu berücksichtigen: Wenn schon ein Grundrecht mit einem engeren Konnex zur Menschenwürde keine Verpflichtung des Gesetzgebers induziert, ein Rechtsinstitut zu kreieren oder über die Sicherung der Privatautonomie hinaus eine Lebensgemeinschaft rechtlich zu strukturieren,530 dann muss dies erst recht für ein subsidiäres Auffanggrundrecht gelten. Deshalb kann die allgemeine Handlungsfreiheit keine Grundlage für die 526

Forkert (Fn. 19), S. 18; Stüber (Fn. 466), S. 594 (599). Siehe 1. Kapitel C. III. 3., S. 65 ff. 528 So auch Muscheler (Fn. 247), Rn. 36, der allerdings einen Institutionalisierungsanspruch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableitet. 529 Vogelsang (Fn. 504), Rn. 35; v. Campenhausen (Fn. 317), S. 7 (19). Anders A. Leisner (Fn. 504), S. 282, die eine staatliche Verpflichtung, „derartigen Verbindungen rechtliche Brücken zu mehr Kontinuität zu bauen, insbesondere durch steuer- und sozialrechtliche Leistungen“, zumindest für denkbar hält und auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einbezieht. Es müsse dabei allerdings „ein hinreichender Abstand zur Ehe gewährleistet bleiben.“ 530 Vgl. unten 3. Kapitel B. V., S. 382 ff. 527

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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Statuierung einer gesetzgeberischen Verpflichtung auf Normierung in diesem Bereich sein.531 Noch über die Statuierung eines generellen Anspruchs auf rechtliche Gestaltung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft durch den Erlass von Einzelbestimmungen hinaus gehen diejenigen, die eine Verpflichtung des Gesetzgebers annehmen, ein eigenes einfachgesetzliches Rechtsinstitut zu schaffen.532 Der Staat müsste dann diesen Lebensgemeinschaften eine ausgestaltete Rechtsstruktur mit einer gesetzlich festgelegten Rechte- und Pflichtentypik zur Verfügung stellen, die von ihnen freiwillig gewählt werden könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat einen solchen Anspruch auf Institutionalisierung bisher noch niemals bejaht. Wenn schon auf den Erlass von einzelnen Regelungen kein Anspruch besteht, dann erst recht nicht auf die Konstituierung eines neuen Rechtsinstituts.533 Gegen diese Konsequenz können auch nicht Diskussionsansätze angeführt werden, die aus Grundrechten in bestimmten Fällen die Verpflichtung zu organisatorischen Maßnahmen ableiten, um deren Verwirklichung zu ermöglichen. Diese Fälle betreffen vor allem die Bereiche, in denen überwiegend staatlich organisierte Einrichtungen tätig sind, wie etwa im Rundfunkwesen534 oder im Hochschulbereich,535 und die zudem durch das Grundgesetz institutionell garantiert sind. Zwar wird auch bei nichtstaatlichen 531

Kleffmann (Fn. 366), S. 243 f., 263; ähnlich Dreier (Fn. 508), Art. 2 I Rn. 67, der auf die „unbestimmte Weite der allgemeinen Handlungsfreiheit“ abstellt, „die sich normativen Verfestigungen sperrt“; allgemein auch Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 57, der zur „Zurückhaltung“ bei der Ableitung von Teilhabe- und Leistungsansprüchen aus der Handlungsfreiheit „mit seinem weiten, unbestimmten Schutzbereich“ mahnt, und Huster (Fn. 247), S. 567 f. 532 Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 26; Richter (Fn. 161), Art. 6 Rn. 36a, hinsichtlich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, für die „der Gesetzgeber geeignete Rechtsformen schaffen“ müsse; wohl auch Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (62), der behauptet, vor Einführung des LPartDisBG sei „gleichgeschlechtlichen Partnerschaften der Schutz aus Art 2 Abs. 1 GG oft versagt“ geblieben. Am weitgehendsten Schimmel (Fn. 422), S. 167 ff., der auch wegen Art. 2 I GG sogar die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Personenverbindungen befürwortet. 533 Sachs (Fn. 10), S. 45 (46), bemerkt dazu, dass die Möglichkeit, ein rechtlich nicht vorgesehenes Rechtsverhältnis zu begründen, außerhalb des „Bereichs freier Betätigungsmöglichkeiten“ liege. Ähnlich LG Münster, StAZ 1993, S. 320, bezüglich des Zugangs zur Ehe. 534 BVerfGE 12, 205 (262 f.); 73, 118 (153 f.). Kunig (Fn. 20), Vorb. Art. 1–19 Rn. 26, grenzt den Zeitraum dieses Monopols, das „bis vor einigen Jahren“ bestanden habe, wegen der immer mehr zunehmenden Zahl von Privatsendern mit Recht ein. Angesichts des vom Bundesverfassungsgericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugewiesenen spezifischen Auftrags dürften sich aber auch bei einem Wegfall dieses Monopols die organisationsrechtlichen Verpflichtungen des Gesetzgebers nicht zwingend ändern. 535 BVerfGE 35, 79 (115 f.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Organisationen eine grundrechtlich intendierte Einschränkung der inneren Organisationsfreiheit diskutiert, um die spezifische Grundrechtsentfaltung zu sichern.536 Gegenstand aller organisationsrechtlichen Ableitungen aus Grundrechten ist aber die immanente Gestaltung von Organisationskomplexen. Diese Einrichtungen müssen schon bestehen und dürfen nicht erst gebildet werden. Wenn sie wie die Ehe durch verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantien gesichert werden, kann man dies voraussetzen. Bei der Frage, ob gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ein Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt werden muss, geht es aber im Gegensatz dazu erst um die Konstituierung eines strukturierten Organisationsgebildes. Der dogmatische Ansatzpunkt ist daher ein gänzlich anderer als der grundrechtlicher Organisationsmaximen. Originäre und konkrete Leistungsrechte sind aus der allgemeinen Schutzpflichtfunktion der Grundrechte daher grundsätzlich nicht ableitbar.537 Die allgemeine Handlungsfreiheit hindert den Gesetzgeber nicht daran, Einzelbestimmungen zu normieren oder ein Rechtsinstitut einzurichten. Einen Anspruch darauf haben Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften jedoch nicht. Der gesetzgeberische Spielraum ist insoweit nicht eingeschränkt.

V. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Anspruchsgrundlage? Auch wenn man die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft nicht der allgemeinen Handlungsfreiheit – unabhängig von einer weiten oder engen Auslegung ihres Schutzbereichs –, sondern dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zuordnet, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Die objektive Schutzverpflichtung des Gesetzgebers für die Grundrechtsausübung gilt grundsätzlich für jedes Grundrecht, erst recht aber für das allgemeine Persönlichkeitsrecht.538 Die Menschenwürde als bedeutendstes 536 Etwa im Rahmen der „inneren Pressefreiheit“; skeptisch Wendt (Fn. 119), Art. 5 Rn. 39. 537 Vogelsang (Fn. 504), Rn. 35; Christoph Enders, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, vor Art. 1 Rn. 72; etwas einschränkend Sachs (Fn. 10), S. 45 (46), und Risse (Fn. 423), S. 308, welche die Statuierung von Leistungsrechten zwar für grundsätzlich möglich halten, aber darauf hinweisen, dass diese „regelmäßig unbestimmt“ seien und dem Gesetzgeber dementsprechend ein großer Gestaltungsspielraum zustehe; vgl. ferner BayObLG, NJW 1993, S. 1196 (1197); LG Köln, NJW 1993, S. 1997 (1997 f.); Vogelsang (Fn. 504), Rn. 37, zur identischen Problematik beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 538 Stern (Fn. 2), § 99 VII 3 b, S. 243; Murswiek (Fn. 12), Art. 2 Rn. 25; Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 40; vgl. dazu auch Risse (Fn. 423), S. 308 f.

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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Schutzobjekt des Grundgesetzes ist nämlich Gegenstand jeder Handlung, die dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterfällt. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in einigen Fällen einen Anspruch des Grundrechtsträgers auf den Erlass solcher Bestimmungen durchaus bejaht.539 Eine Dreieckskonstellation zwischen schützendem Staat, bedrohter Lebensgemeinschaft und bedrohendem Dritten liegt hier allerdings ebenso wenig vor wie bei der Handlungsfreiheit. Die gegen die allgemeine Handlungsfreiheit als Anspruchsgrundlage sprechenden Argumente gelten deshalb entsprechend auch für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Stellt man auf die Geschlechtsgemeinschaft als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab, so muss neben diesen allgemeinen verfassungsdogmatischen Überlegungen berücksichtigt werden, dass eine Intimgemeinschaft zwischen zwei Menschen auch ohne staatliche Regelungssystematik geführt werden kann. Etwaige in diesem Bereich auftretende rechtliche Probleme können ohne Schwierigkeiten durch privatautonome Entscheidung gelöst werden.540 Die Geschlechtsgemeinschaft mit ihrem charakteristischen Raum absolut abgeschlossener Privatheit steht vielmehr zu jeder normgeleiteten Strukturierung in einem kontradiktorischen Verhältnis. Schließlich kann gegen die Annahme eines Institutionalisierungsanspruchs das spezifische Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angeführt werden: Sein Substrat ist die individuelle Entfaltungsmöglichkeit in einer geschützten privaten Sphäre, die gegen staatliche wie private Einwirkung gesichert ist.541 Es ist deshalb widersprüchlich, einerseits die Freiheit von 539

Überblick über die entsprechende verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bei Kunig (Fn. 12), Art. 2 Rn. 40. 540 Der von Bruns (Fn. 399), S. 6 (9), aufgestellten und auch bei Grziwotz (Fn. 404), § 4 Rn. 19, anklingenden Behauptung, Mitglieder einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft würden „vom Recht immer als Fremde behandelt“ und dies stelle „eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung ihres intimen Zusammenlebens“ dar, kann nicht gefolgt werden. Die Intimsphäre ist vielmehr als Zentrum selbstbestimmter Autonomie einer rechtlichen Gestaltung gerade wegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich entzogen. Soweit beispielhaft das Zeugnisverweigerungsrecht angeführt wird, liegt eine Beeinträchtigung des „intimen Zusammenlebens“ weder rechtlich noch faktisch vor. Die Partner einer Geschlechtsgemeinschaft werden diese wohl kaum deshalb beenden oder auch nur einschränken, weil ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht vorenthalten wird. Das Recht zum nichtehelichen Zusammenleben würde in diesem Fall nicht „leer laufen“, so aber Grziwotz (Fn. 404), § 4 Rn. 19. Letzterer lehnt in Rn. 18 allerdings einen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entnommenen Anspruch auf rechtliche Gleichstellung mit der Ehe ausdrücklich ab. 541 Di Fabio (Fn. 12), Art. 2 I Rn. 127, bemerkt dazu, dass „speziell das allgemeine Persönlichkeitsrecht Distanz wahren soll zwischen der organisierten Gesellschaft und dem eigenwilligen Einzelnen.“

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

staatlicher Einwirkung als grundrechtlichen Schutzgegenstand zu postulieren, andererseits die staatliche Tätigkeit durch Gesetzgebung und damit Einwirkung auf den privaten Raum der Lebensgemeinschaft zum Gegenstand eines Anspruchs zu machen, der aus demselben Schutzobjekt abgeleitet wird. Für die Ableitung eines Anspruchs auf rechtliche Institutionalisierung aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird von Karheinz Muscheler die Transsexuellen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts542 angeführt.543 In dieser Entscheidung ging es allerdings nicht um die verfassungsrechtliche Einordnung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sondern um das aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG folgende Recht auf staatliche Anerkennung der nach einer Geschlechtsumwandlung veränderten neuen Geschlechtsidentität des Einzelnen. Beide Sachverhalte differieren insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Pflicht zur personenstandsrechtlichen Einordnung: Während die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gar nicht staatlich registriert wird, ist nach § 21 I Nr. 3 PStG das Geschlecht in das standesamtliche Geburtenbuch einzutragen. Nach einer Geschlechtsumwandlung ist der entsprechende kurz nach der Geburt vorgenommene Eintrag objektiv unzutreffend, so dass der Staat verpflichtet ist, diese Eintragung zu ändern. Das staatliche Festhalten an einer die geschlechtliche Identität betreffenden unrichtigen Eintragung stellt in diesem Fall nämlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, dessen Schutzgut auch die Geschlechtsidentität ist. Damit ist das Grundrecht aber primär in seiner abwehrrechtlichen Dimension gegen staatliche Eingriffe und nicht als originärer Leistungsanspruch betroffen. Bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften kann mangels eines Publizitätsaktes eine ähnliche Problematik nicht auftreten. Die Transsexuellen-Entscheidung ist deshalb keine überzeugende Argumentationsgrundlage, um eine entsprechende staatliche Regelungspflicht zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Kammerbeschluss, der die Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung einer gleichgeschlechtlichen Eheschließung nicht zur Entscheidung annahm, offengelassen, „ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, gleichgeschlechtlichen Partnern eine rechtliche Absicherung ihrer Lebensgemeinschaft zu ermöglichen oder ob zumindest einzelne Regelungen in verschiedenen Rechtsbereichen der Änderung bedürfen.“544 Diese Frage war nicht Gegenstand der Entscheidung. Als mögliche Grundlage eines solchen Anspruchs erwähnt die Kammer neben Art. 3 I GG ausdrücklich nur noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I 542

BVerfGE 49, 286. Muscheler (Fn. 247), Rn. 37; angedeutet schon bei Schimmel (Fn. 422), S. 170. 544 BVerfG, NJW 1993, S. 3058 (3058 f.). 543

B. Art. 2 I GG als Anspruchsgrundlage

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i. V. m. Art. 1 I GG, nicht jedoch die allgemeine Handlungsfreiheit. Das lässt mehrere Deutungen zu: Zunächst könnte man daran denken, das Bundesverfassungsgericht halte das allgemeine Persönlichkeitsrecht und nicht die Handlungsfreiheit für den für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einschlägigen Schutzbereich.545 Dagegen spricht aber die Rechtsprechung des eigenen Gerichts, das die Begründung einer Lebensgemeinschaft in der allgemeinen Handlungsfreiheit verortet.546 Näher liegender ist deshalb die Interpretation, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis auf das Persönlichkeitsrecht die Aussage treffen will, dass eine mögliche Regelungsverpflichtung des Gesetzgebers nicht alle Bereiche der Lebensgemeinschaft beträfe, sondern nur ihren der privaten Persönlichkeitsentfaltung dienenden Kern. Gegen diese Ansicht spricht aber der oben beschriebene grundrechtliche Maßstab der Differenzierung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Handlungsfreiheit in „Aktivität“ und „Integrität“, der vom Bundesverfassungsgericht selbst entwickelt worden ist. Da der passive Integritätsschutz der Privatsphäre dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugeordnet wird, bliebe unverständlich, wie daraus eine anspruchsbegründete Rechtsverpflichtung zur institutionellen Absicherung einer Lebensgemeinschaft abgeleitet werden soll. Es besteht nämlich auch ohne einen solchen Schutz die durch Art. 2 I GG gesicherte Möglichkeit, eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft zu begründen und zu führen.547 Insofern ist die diesbezügliche Bemerkung der Kammer missverständlich und kann nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass eine entsprechende verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers besteht. Sie wäre als Anspruchsinhalt auch zu unbestimmt: Etwaige konkrete Regelungen oder gar die Einführung eines eigenen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind demnach nicht durch das Persönlichkeitsrecht vorgegeben, sondern stehen im Ermessen des Gesetzgebers.548 545

So AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941), das nur das Persönlichkeitsrecht und nicht die Handlungsfreiheit für seine Ansicht heranzieht, der Schutzbereich des Art. 6 I GG müsse im Wege der verfassungskonformen Auslegung auch auf gleichgeschlechtliche Personenverbindungen erweitert werden. 546 Siehe oben 3. Kapitel B. III., S. 377 ff. 547 Selbst Schimmel (Fn. 422), S. 169 ff., der wegen des Persönlichkeitsrechts sogar ein Eheschließungsrecht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften diskutiert, räumt ein, dass die aus der Verweigerung dieses vermeintlichen Rechts entstehenden „Nachteile“ „selten existentiell“ sind. Ähnlich sieht dies Risse (Fn. 423), S. 249, 309 ff., der deswegen einen grundrechtlichen Institutionalisierungsanspruch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ablehnt. 548 BayObLG, NJW 1993, S. 1996 (1997); LG Köln, NJW 1993, S. 1997 (1997 f.); Starck (Fn. 12), Art. 2 Rn. 109; Forkert (Fn. 19), S. 18 f.; Krings (Fn. 366), S. 7 (11).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Auch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergibt sich demnach kein Anspruch auf rechtliche Normierung oder institutionelle Gestaltung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft.

VI. Ergebnis Das Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben, ist Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG und wird nicht durch die Eheschließungsfreiheit in Art. 6 I GG geschützt. Daraus folgt aber weder ein verfassungsrechtlicher Anspruch des einzelnen Mitglieds einer solchen Gemeinschaft auf die einfachgesetzliche Konstituierung eines eigenen Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Personenverbindungen noch auf eine konkrete rechtliche Ausgestaltung ihrer Rechtsverhältnisse. Dies gilt auch dann, wenn man die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft vom in Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG normierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst sieht.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch auf institutionelle Gleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens Aus der die Wertentscheidung des Art. 6 I GG konkretisierenden staatlichen Förderverpflichtung zugunsten der Ehe ergibt sich das verfassungsrechtliche Gebot, zwischen der Ehe und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften hinsichtlich ihrer jeweiligen institutionellen Ausgestaltung zu unterscheiden. Diese Differenzierungsverpflichtung bedeutet nichts anderes als eine aus dem besonderen Schutz der Ehe folgende Ungleichbehandlung zwischen Rechtsformen verschiedener Lebensgemeinschaften. Damit ist der in Art. 3 GG niedergelegte Gleichheitssatz des Grundgesetzes berührt. Es bleibt zu prüfen, ob diese Norm durch die beschriebene institutionelle Unterscheidung verletzt wird und zu einer Gleichbehandlung zwischen der Ehe bzw. verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen zwingt.

I. Der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften von der Ehe im Licht des Gleichheitsgrundsatzes Zur Grundstruktur der Ehe gehört die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten.549 Gleichgeschlechtliche Paare können nicht die Ehe schließen. 549

Vgl. 2. Kapitel, S. 122 ff.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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Wegen dieses Zugangshindernisses drängt sich die Frage nach der Vereinbarkeit des zugrunde liegenden ehelichen Strukturelements mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG auf. 1. Anspruch aus Art. 3 III 1 GG auf Zugang gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe? Die Verschiedengeschlechtlichkeit als Wesensmerkmal der Ehe könnte eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung darstellen. Die Diskriminierung wegen des Geschlechts ist aber nach Art. 3 III 1 GG untersagt. Die Annahme einer verfassungswidrigen Verletzung dieser Norm hätte zur Folge, dass gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der Zugang zur Ehe nicht verwehrt werden dürfte. a) Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 3 III GG und Art. 3 I GG Während Art. 3 I GG einen allgemeinen Gleichheitssatz beinhaltet, sind in Art. 3 II GG und Art. 3 III GG bestimmte merkmalspezifische Konkretisierungen dieses Gleichheitssatzes normiert. Soweit sie einschlägig sind, tritt der Art. 3 I GG hinter den speziellen Gleichheitsrechten zurück.550 Ob eine solche Spezialität vorliegt, entscheidet sich nach dem Sachbezug der zu bewertenden Konstellation zu einem der in Art. 3 II, III GG genannten Merkmale. Aspekte, die nicht unmittelbar ein dort genanntes Merkmal betreffen, können deshalb auch dem Maßstab des Art. 3 I GG unterliegen.551 b) Geschlecht als Maßstab Hinsichtlich der gleichheitsrechtlichen Verhältnisbestimmung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, insbesondere den Ehen, kommt hier nur das in Art. 3 III GG genannte Merkmal des „Geschlechtes“ als Maßstab in Betracht. Als Geschlecht wird die durch kör550 BVerfGE 9, 124 (128). Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 30 Rn. 1, 18; Christian Starck, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 3 Rn. 298; Werner Heun, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 3 Rn. 116; Stefan Huster, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Rn. 92; Manfred Gubelt, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 3 Rn. 9, 106; Günter Dürig, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 3 III Rn. 3. Schimmel (Fn. 422), S. 182, beachtet diese Spezialität nicht und nimmt gleichzeitig einen Verstoß sowohl gegen Art. 3 III als auch gegen Art. 3 I GG an. 551 Heun (Fn. 550), Art. 3 Rn. 141; Gubelt (Fn. 550), Art. 3 Rn. 106.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

perliche Geschlechtsmerkmale bestimmte Identität der Einzelperson als Mann oder Frau verstanden. Damit eine Spezialität von Art. 3 III GG hinsichtlich des Geschlechtes gegenüber Art. 3 I GG bejaht werden kann, müssen Tatsachen auf eine geschlechtsbezogene Differenzierung zwischen Vergleichsgruppen durch die Rechtsordnung hindeuten. Das Merkmal des Geschlechts ist im Rahmen des Art. 3 III 1 GG deshalb nur dann einschlägig, wenn eine Unterscheidung seinetwegen vorgenommen wird. Voraussetzung dafür ist in jedem Fall, dass das in Art. 3 III 1 GG genannte Merkmal für die Ungleichbehandlung kausal ist. Art. 3 III 1 GG ist als verfassungsrechtlicher Maßstab somit nicht tangiert, wenn das Geschlechtsmerkmal als Differenzierungskriterium hinweggedacht werden kann, die Vergleichsgruppen in diesem Fall aber von der Rechtsordnung trotzdem unterschiedlich behandelt werden müssten.552 Damit wäre aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass mittelbar ein Merkmal des Art. 3 III GG Anknüpfungspunkt einer Differenzierung ist. Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum kontrovers diskutiert. Es kann dabei nicht nur darauf ankommen, ob der Gesetzgeber ausdrücklich an ein Merkmal des Art. 3 III GG anknüpfen will (Finalität).553 Das Differenzierungsverbot dieser Norm läuft bei einer streng final ausgerichteten Perspektive sonst in den Fällen leer, in denen der Gesetzgeber eine unmittelbare merkmalsbezogene Ungleichbehandlung zwar nicht beabsichtigt hat, diese aber gleichwohl vorliegt.554 Das ist mit dem Regelungsziel des verfassungsrechtlichen Differenzierungsverbots in Art. 3 III GG, eine unmittelbare merkmalsbezogene Ungleichbehandlung durch die Rechtsordnung gerade nicht zuzulassen, unvereinbar. Der Rahmen einer sachgerechten Lösung wird deshalb durch mehrere Elemente der Merkmalszurechnung abgesteckt: Es wird vertreten, dass die in Art. 3 III GG genannten Merkmale in keinem Fall Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung sein dürfen.555 Das in 552 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 30 Rn. 18; Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 394 (399); Dürig (Fn. 550), Art. 3 III Rn. 151. 553 So aber die aufgegebene frühere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung in BVerfGE 19, 119 (126); 39, 334 (368); 75, 40 (70); ferner BVerwGE 75, 86 (96).; Ernst-Werner Fuss, Gleichheitssatz und Richtermacht, in: JZ 1959, S. 329 (336); missverständlich Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 394 (399), bei denen intendierte Ungleichbehandlungen, also die Frage der Finalität, von der merkmalsbezogenen Kausalität nicht eindeutig unterschieden werden. 554 Ähnlich ablehnend Gubelt (Fn. 550), Art. 3 Rn. 104. 555 BVerfGE 85, 191 (206); 89, 276 (288 f.), in dem Sinne, dass es für die Bejahung einer Verletzung des Art. 3 III GG nicht darauf ankäme, ob außer dem dort genannten Merkmal noch andere Gründe für die Differenzierung maßgeblich gewesen sind. Michael Sachs, § 126: Besondere Gleichheitsgarantien, in: HStR V, 2. Aufl., 2001, Rn. 70 ff.; ders., Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 428 ff.; ver-

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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diesem Sinne verstandene Diskriminierungsverbot würde bewirken, dass diese Merkmale nicht normierte Voraussetzungen für Rechtsfolgen sein könnten. Dieses zunächst als sehr weitgehend erscheinende Modell verhindert aber gerade wegen seines formalen Ansatzes nicht die durchaus möglichen Fälle gravierender mittelbarer Diskriminierung. Dies gilt auch für die diesem Anknüpfungspunkt gegenüberstehende Position, die darauf abstellt, dass eine merkmalsbezogene Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 III GG nur dann vorläge, wenn sie ausschließlich auf dem jeweiligen Merkmal beruht.556 Sie verfehlt ebenfalls den Schutzzweck, auch mittelbare Diskriminierungen der Beurteilung durch Art. 3 III 1 GG zu unterwerfen, wenn sie gravierende Auswirkungen auf den Benachteiligten haben und das einschlägige Merkmal eindeutig, wenn auch nicht ausschließlich, den Hintergrund der Differenzierung bildet. Eine Unterscheidung könnte nach einem dritten Ansatz dann merkmalsbezogene Relevanz für Art. 3 III 1 GG aufweisen, wenn ohne argumentativen Rückgriff auf das Merkmal eine sachgerechte Begründung der Ungleichbehandlung nicht möglich ist. Art. 3 III GG fungiert insoweit als merkmalbezogenes Begründungsverbot.557 Bei Anwendung dieses Maßstabs sind auf der einen Seite mittelbar an ein Merkmal anknüpfende Differenzierungen nur dann verfassungsrechtlich untersagt, wenn das in Art. 3 III GG genannte Merkmal das eigentliche Differenzierungskriterium ist. Auf der anderen Seite ist das Differenzierungsverbot nicht ausschließlich auf die gleichbar auch Gubelt (Fn. 550), Art. 3 Rn. 104, 104, der mittelbare Diskriminierungen von Art. 3 II, III GG erfasst sieht, wenn das Geschlechtsmerkmal „in einem Motivbündel, das die Regelung beeinflußt hat, enthalten ist“. 556 BVerfGE 57, 335 (342 f.); BGHZ 11, Anh., 34 (59 f.); BAG, NJW 1973, S. 77 (78); VGH München, NVwZ 1990, S. 979 (981). Einen noch großzügigeren Prüfungsmaßstab wendet Dürig (Fn. 550), Art. 3 III Rn. 157 f., an, der eine „Umkehr der Argumentationslast im materiellen Sinne“ für den Staat annimmt, wenn dieser die Merkmale des Art. 3 III GG als Differenzierungskriterium verwende. Damit wird aber impliziert, dass ihm dies nicht in jedem Fall verwehrt sei, sondern nur dann, wenn der beabsichtigte Regelungszweck auch anders erreicht werden könne als durch die Verwendung von einem der in Art. 3 III GG genannten Differenzierungskriterien. Vgl. dazu auch Stefan Huster, Rechte und Ziele, 1993, S. 321 ff. 557 Pieroth/Schlink (Fn. 6), Rn. 453; Starck (Fn. 550), Art. 3 Rn. 369; Heun (Fn. 550), Art. 3 Rn. 124; Marion Eckertz-Höfer, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 3 II, III, Rn. 107; Huster (Fn. 556), S. 322 f.; Adalbert Podlech, Gehalt und Funktionen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, 1971, S. 93 f. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das abwehrrechtlich konturierte Modell des Art. 3 GG von Lerke Osterloh, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 3 Rn. 255 ff., die einschränkend allerdings „abgeschwächte Rechtfertigungsanforderungen“ gegenüber denen einer unmittelbaren Ungleichbehandlung annimmt.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

nur unmittelbar merkmalsrelevanten Ungleichbehandlungen beschränkt, sondern umfasst auch diejenigen Fälle, die in ihrer tatsächlichen Rechtswirkung sogar noch schwerwiegendere Ungleichbehandlungen beinhalten. Eine Differenzierung wegen des Geschlechts ist nach Art. 3 III 1 GG mithin dann untersagt, wenn sie nicht sachgerecht begründet werden kann, ohne dass das Geschlechtsmerkmal herangezogen wird. c) Vergleichsgruppenbildung Prämisse jeder Prüfung unter dem Aspekt der Gleich- oder Ungleichbehandlung ist die Bildung von Vergleichsgruppen, deren Konstitutionskriterium hier das Geschlecht sein muss. aa) Geschlechtsimmanente Vergleichsgruppen: Mann und Mann sowie Frau und Frau Vergleicht man die Angehörigen des gleichen Geschlechts miteinander, also einen Mann mit einem anderen Mann oder eine Frau mit einer anderen Frau, so ist zwischen diesen Vergleichsgruppen eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts durch die Rechtsordnung nicht gegeben. Jedem Mann sind grundsätzlich dieselben rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu begründen oder zu heiraten. Dies gilt in gleicher Weise auch für jede Frau. Soweit für einen Teil von Männern und Frauen die Eheschließung mit einem Partner des anderen Geschlechts faktisch nicht in Betracht kommt, weil sie homosexuell orientiert sind, betrifft dies nicht ihr Geschlecht, sondern ihre sexuelle Orientierung. Diese ist nicht mit dem Merkmal des auf die körperlichen Geschlechtsmerkmale abstellenden „Geschlechtes“ in Art. 3 III GG identisch und wird dort auch nicht ausdrücklich erwähnt. Bestrebungen der Mitglieder der SPD in der Gemeinsamen Verfassungskommission, den Tatbestand der sexuellen Orientierung in das besondere Diskriminierungsverbot des Art. 3 III 1 GG zu implementieren, konnten sich wegen der fehlenden Zweidrittelmehrheit für einen entsprechenden Antrag nicht durchsetzen.558 Die sexuelle Orientierung ist deshalb kein einschlägiges Merkmal dieser Norm.559 558

Vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 54. Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 113; Starck (Fn. 550), Art. 3 Rn. 384; Gröschner (Fn. 57), Art. 6 Rn. 43; Muscheler (Fn. 247), Rn. 38; Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (11); v. Arnauld/Platter (Fn. 398), S. 411 (413): „problematische Gleichsetzung“ von Geschlecht und sexueller Orientierung; Freytag (Fn. 17), S. 445 (452); Sachs (Fn. 10), S. 45 (46); Krings (Fn. 109), S. 409 (410 f.); Strick (Fn. 459), S. 82 (84); Anne Röthel, Nichteheliche Lebensgemeinschaften – Neue Rechtsfragen und Regelungs559

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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bb) Geschlechter als Vergleichsgruppen: Mann und Frau Anders als bei den geschlechtsimmanenten Vergleichsgruppen könnten sich hier Differenzierungen auf das Geschlecht als Merkmal des Art. 3 III GG beziehen. Bei einem Vergleich zwischen einem Mann und einer Frau liegt auf den ersten Blick aber zunächst ebenfalls keine geschlechtsbezogene Differenzierung, sondern eine Gleichbehandlung vor: Jede Person darf nur einen Angehörigen des jeweils anderen Geschlechts heiraten.560 Männer und Frauen werden also hinsichtlich des Kriteriums des von ihnen geschlechtsverschiedenen Ehepartners gleichbehandelt. Die Gleichbehandlung besteht in der ehepartnerbezogenen Abweichung vom eigenen Geschlecht. Damit ist allerdings der Einwand gegen diesen Maßstab schon vorgezeichnet: Steht neben den anderen in Art. 3 III GG genannten Merkmalen das Geschlecht im Zentrum des speziellen Gleichbehandlungsgebotes, dann kann sich der Maßstab der Gleichbehandlung nicht auf synchron verlaufende Abweichungen vom jeweils eigenen Geschlecht beziehen. Mit anderen Worten: Das Kriterium, ob eine Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegt, ist nicht die Gleichbehandlung von Abweichungen, sondern die Frage, ob das in Art. 3 III GG genannte Merkmal des Geschlechts Anknüpfungspunkt einer Differenzierung zwischen den Geschlechtern ist. Deshalb ist die Frage, ob eine Einschränkung der Wahlmöglichkeit des Ehepartners aufgrund der eigenen Geschlechtsidentität vorliegt, die entscheidende Beurteilungsperspektive, weil nur der Einzelperson mit ihrem jeweiligen Geschlecht ein Gleichbehandlungsrecht aus Art. 3 III 1 GG zusteht. Es kommt deshalb bei der Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots darauf an, dass überhaupt das Geschlecht als Merkmal einer Differenzierung dient. Daraus folgt bei einem Vergleich zwischen Mann und Frau für die Möglichkeit der Geschlechtswahl der Nupturienten eine doppelte Ungleichbehandlung: Die erste liegt darin, dass ein Mann nur eine Frau, aber keinen Mann heiraten kann. Die Frau als geschlechtlicher Vergleichstypus kann stattdessen einen Mann heiraten. Der Mann ist somit wegen seines Geschlechts insofern gegenüber der Frau in seiner ehegattenbezogenen Wahlaufgaben im In- und Ausland, in: ZRP 1999, S. 511 (517, Fn. 88); Pauly (Fn. 223), S. 1955; Wächtler (Fn. 422), S. 127; Schimmel (Fn. 422), S. 173 f. 560 So auch Muscheler (Fn. 247), Rn. 38; Uwe Diederichsen, Homosexuelle – von Gesetzes wegen? in: NJW 2000, S. 1841 (1842). Etwas inkonsequent postuliert Diederichsen gleichwohl, dass „sich die Differenzierungsverbote des Art. 3 III 1 GG immerhin noch dahin (auswirken), daß in deren Bereich für unterschiedliche Regelungen eine besondere Rechtfertigungspflicht besteht.“ Er bezieht sich dabei auf den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Personenverbindungen von der Ehe, ohne aber ausdrücklich die Geschlechtsbezogenheit seiner Vergleichsgruppen darzulegen.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

möglichkeit eingeschränkt. Die zweite Ungleichbehandlung steht in reziprokem Verhältnis zur ersten und stellt auf die Frau ab: Sie kann keine Frau heiraten, ein Mann kann dies aber schon. Hier wird die Frau gegenüber dem Mann in ihrer Möglichkeit beschränkt, mit einer Frau die Ehe zu schließen.561 Die Annahme einer doppelten Ungleichbehandlung wird in der Literatur auch zu untermauern versucht, indem das Beispiel des „Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. September 1935562 herangezogen wird.563 Nach § 1 I 1 dieses Gesetzes waren „Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes“ verboten. Demnach konnten Juden nur Juden als Ehegatten wählen und „Staatsangehörige deutschen und artverwandten Blutes“ keine Juden mehr heiraten. Die These, es läge dort trotzdem eine Gleichbehandlung zwischen Juden und „Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes“ im Sinne des Gesetzes vor, da diesen die Eheschließung mit einem Juden genauso untersagt sei wie einem Juden die Eheschließung mit einem „Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes“, wirkt angesichts der evidenten antisemitischen Diskriminierung von Juden durch das Gesetz eindrücklich absurd. Nahe liegend ist vielmehr die Annahme einer doppelten Ungleichbehandlung zwischen diesen Vergleichsgruppen – ähnlich derjenigen von Mann und Frau als Vergleichsgruppen hinsichtlich des ehelichen Strukturmerkmals der Verschiedengeschlechtlichkeit. Allerdings wird von den Stimmen im Schrifttum, die dieses Beispiel benutzen, die eigentliche Begründung nicht offen gelegt, warum es regelmäßig schon auf den ersten Blick so viel prägnanter als Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip erscheint als die Problematik des geschlechtsspezifischen 561 Vgl. auch Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 114; ders. (Fn. 466), S. 594 (595, Fn. 12); Wölfl (Fn. 59), S. 377 ff.; Philipp C. Räther, Der Schutz gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in Europa, 2003, S. 180 ff.; Tillmanns (Fn. 366), S. 934 (936); Braun (Fn. 109), S. 21 (24); Jens Schulte, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in der tarifpolitischen Praxis, in: DB 2001, S. 1832; Sachs (Fn. 555), § 126: Besondere Gleichheitsgarantien, Rn. 27; ders. (Fn. 10), S. 45 (46); ders. (Fn. 555), Grenzen, S. 262 f.; Strick (Fn. 459), S. 82 (85); Pauly (Fn. 223), 1955; Schimmel (Fn. 422), S. 175 f. Für Huster (Fn. 247), S. 615 f., Fn. 525, kommt ebenfalls eine geschlechtsbezogenen Differenzierung in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Normgeber eine „Stabilisierung der Geschlechterrollen auch auf sexuellem Gebiet“ erreichen wolle. Unabhängig vom fehlenden Nachweis für diese Behauptung, vermischt diese Position die Frage der Finalität einer Differenzierung mit der Feststellung einer Ungleichbehandlung, die zunächst bejaht werden müsste. 562 RGBl. I, S. 1146. 563 Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 114; Wölfl (Fn. 59), S. 381 f.; Braun (Fn. 109), S. 21 (25); Sachs (Fn. 10), S. 45 (46, Fn. 20); Strick (Fn. 459), S. 82 (85, Fn. 29); Schimmel (Fn. 422), S. 176 f.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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Zugangs zur Ehe. Dies hängt mit der relational ungleichen Gewichtung der Vergleichsgruppen im verwandten historischen Beispiel zusammen: Die Gruppe der „Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes“, nach der nationalsozialistischen Binnenlogik des Gesetzes also die nichtjüdischen Staatsangehörigen,564 war erheblich größer als die der Juden, so dass letztere aus einem viel kleineren Kreis an potentiellen Ehegatten wählen mussten als die Vergleichsgruppe der nichtjüdischen Deutschen. Die Ungleichbehandlung war also hier schon in der gesetzlichen Bildung der quantitativ unterschiedlich großen Gruppen angelegt. Währenddessen bilden Männer und Frauen fast gleich große Vergleichsgruppen. Obschon deshalb das Beispiel des „Blutschutzgesetzes“ zur Begründung der doppelten Ungleichbehandlung nicht ohne weiteres auf die Vergleichsgruppen von Mann und Frau übertragen werden kann, bestehen gleichwohl in beiden Fällen symmetrische doppelte Differenzierungen, die beim beschriebenen Gesetz noch durch die relationalen Größenunterschiede zwischen den Vergleichsgruppen verstärkt werden. Eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts i. S. d. Art. 3 III 1 GG ist deshalb gegeben, wenn die Ehe nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen steht. d) Art. 6 I GG als gegenüber Art. 3 III 1 GG speziellere Norm Mit der Aussage, dass eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung vorliegt, ist allerdings die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare noch nicht präjudiziert.565 Art. 3 GG dient zwar regelmäßig als verfassungsrechtlicher Maßstab für einfaches Gesetzesrecht. Demgegenüber liegt die grundrechtsdogmatische Spezifik der oben geschilderten Fallkonstellationen darin, dass mit der Ehe als Vergleichstatbestand für etwaige Ungleichbehandlungen ein Rechtsinstitut im Mittelpunkt steht, das nicht nur 564 Das Reichsbürgergesetz vom 15.9.1935 (RGBl. I, S. 1146) führte die Differenzierung zwischen Staatsangehörigen und Reichsbürgern ein. Nach § 2 I konnte Reichsbürger nur „der Staatsangehörige deutschen und artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, dass er gewillt ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen“, sein. Damit wurden Juden gesetzlich zu Staatsangehörigen minderen Ranges erklärt. 565 So aber AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941), das die Verschiedengeschlechtlichkeit als Strukturmerkmal der Ehe für einen Verstoß gegen Art. 3 III 1 GG hält, weil ein sachlicher Grund für die Differenzierung nicht erkennbar sei. Ähnlich argumentieren auch Kai Möller, Der Ehebegriff des Grundgesetzes und die gleichgeschlechtliche Ehe, in: DÖV 2005, S. 64 (70), Schimmel (Fn. 422), S. 177, und Wegner (Fn. 506), S. 170 (185 f.), die eine mögliche Spezialität des Art. 6 I GG gar nicht prüfen. Letztere erwähnen auch nur unspezifisch eine Verletzung des Art. 3 GG, ohne zwischen den einzelnen Absätzen zu unterscheiden.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

einfachgesetzlich, sondern ebenso wie Art. 3 GG auf Verfassungsebene verankert ist. Ob Art. 3 III GG auf die Ehe Anwendung findet, hängt deshalb vom Verhältnis dieser Norm zu Art. 6 I GG ab. Trotz des einfachrechtlichen Ausgestaltungsbedürfnisses sind die Wesensmerkmale der Ehe durch die Verfassung selbst vorgegeben und durch die Institutsgarantie gesichert. Dazu gehört auch das Wesensmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit, das die doppelte Ungleichbehandlung von Mann und Frau indiziert. In diesem Fall kollidieren demnach die Schutzaussagen des Art. 6 I GG mit der dort enthaltenen Institutsgarantie der Ehe einerseits und des Art. 3 III 1 GG mit seinem geschlechtsspezifischen Differenzierungsverbot andererseits. Die Frage, welche Regelungsaussage hierbei eine Vorrangstellung einnimmt, kann nur vor dem Hintergrund ihres jeweiligen verfassungsrechtlichen Schutzzwecks geklärt werden: Art. 3 III 1 GG enthält gegenüber Art. 3 I GG einen merkmalsbezogenen besonderen Gleichheitssatz. Dieses spezifische Gebot der Gleichbehandlung muss sich in das System der Grundrechte einordnen.566 Zum Schutzbereich einiger Grundrechte gehören Rechtsinstitute wie die Ehe, die verfassungsrechtlich abgesichert sind. Es würde den institutionellen Kern dieser Grundrechte beeinträchtigen, wenn man annähme, dass der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 III 1 GG hier in jedem Fall vorrangig wäre. Art. 3 III 1 GG könnte nämlich sonst die Wesensmerkmale der Ehe – je nachdem, welche Vergleichsgruppe Zugang zu ihr verlangte – kontinuierlich modifizieren, ohne dass ihr verfassungsrechtlicher Schutz einen Kernbestand der Ehe zu sichern vermag. Umgekehrt ließe sich eine vergleichbare Deformation des grundrechtlichen Kernbestands bei Art. 3 III 1 GG nicht feststellen: Das Differenzierungsverbot hätte weiterhin unmittelbar bindende Geltung für die gesamte Rechtsordnung mit Ausnahme der Bereiche, die selbst durch das Grundgesetz als institutionalisierte gleichheitsrechtliche Sondertatbestände von Grundrechten definiert worden sind. Insofern verdrängt die in Art. 6 I GG enthaltene Institutsgarantie der Ehe Art. 3 III 1 GG.567 Konsequenz dieser Spezialität des Art. 6 I GG ist, dass das geschlechtsbezogene Diskriminierungsverbot des Art. 3 III 1 GG auf die durch die Institutsgarantie verfassungsrechtlich gesicherten Strukturmerkmale der Ehe nicht anwendbar ist, obwohl eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts stattfindet. Die durch die Geschlechtsverschiedenheit der Ehepartner bedingte doppelte 566 Sodan/Ziekow (Fn. 2), § 30 Rn. 19; Starck (Fn. 550), Art. 3 Rn. 16 f., unter Bezugnahme auf BVerfGE 93, 121 (133 f.); Gubelt (Fn. 550), Art. 3 Rn. 20. 567 Wölfl (Fn. 59), S. 386 f.; Braun (Fn. 109), S. 21 (24); ders. (Fn. 475), S. 37; ders. (Fn. 426), S. 56; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 6; v. Arnauld/Platter (Fn. 398), S. 411 (413); Schulte (Fn. 561), S. 1832; Sachs (Fn. 10), S. 45 (46); Stüber (Fn. 18), Einl., Rn. 29; Pauly (Fn. 223), S. 1955; zweifelnd Strick (Fn. 459), S. 82 (86).

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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Ungleichbehandlung von Mann und Frau ist deshalb vor dem Hintergrund des Art. 3 III 1 GG nicht zu beanstanden. 2. Anspruch aus Art. 3 I GG auf Zugang gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zur Ehe? Ein Anspruch auf den Zugang gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zum Rechtsinstitut der Ehe kann sich nach dem bisherigen Ergebnis nicht auf den besonderen Gleichheitssatz aus Art. 3 III 1 GG berufen. Zwischen Art. 3 III 1 GG und Art. 3 I GG besteht ein Spezialitätsverhältnis. Scheidet das geschlechtsspezifische Diskriminierungsverbot als Prüfungsmaßstab aus, könnte stattdessen der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG anwendbar sein. a) Geschlechtsimmanente Vergleichsgruppen: Mann und Mann sowie Frau und Frau Vergleicht man Männer miteinander, so werden ihnen im Eherecht die gleichen Rechte und Pflichten zugesprochen. Wenn einzelne von ihnen aufgrund ihrer homosexuellen Orientierung nicht von ihrer Eheschließungsfreiheit Gebrauch machen, liegt darin noch keine rechtliche Ungleichbehandlung gegenüber heterosexuellen Männern, die eine Frau heiraten. Zwar ist es faktisch zutreffend, dass heterosexuell orientierte Personen regelmäßig keine institutionell verfestigte Lebensgemeinschaft mit einem Partner gleichen Geschlechts eingehen werden. Die Eheschließungsfreiheit wird in diesem Fall aber nicht durch die Rechtsordnung selbst beschränkt. Im Gegenteil ist die Möglichkeit, keine Ehe einzugehen, ebenso wie die positive Realisierung der Eheschließungsfreiheit Ausdruck selbstbestimmter Freiheit. Die Motive, nicht zu heiraten, entstammen der Sphäre des Grundrechtsträgers und können deshalb nicht der Rechtsordnung zugerechnet werden. Eine Ungleichbehandlung zwischen Männern findet mithin nicht statt, Art. 3 I GG ist nicht einschlägig. Dies gilt inhaltlich kongruent auch dann, wenn Frauen miteinander verglichen werden. Gegen die Annahme, die sexuelle Orientierung sei das für Art. 3 I GG hier einschlägige Differenzierungskriterium, spricht ferner, dass die sexuelle Orientierung im Rahmen eines formalisierten Zugangsverfahrens kaum mit gewisser Rechtssicherheit behördlich überprüft werden kann. Zudem würde damit von der Rechtsordnung die Sexualität – ein Bestandteil der Intimsphäre des Einzelnen – zum Anknüpfungspunkt rechtlicher Regelungen gemacht. Dies verstieße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG, das die Intimsphäre als unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung vor staatlichem Zugriff schützt.568

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Selbst wenn man aber als tertium comparationis einer rechtlichen Ungleichbehandlung die sexuelle Orientierung ansieht,569 ist die Differenzierung vor dem Maßstab der Institutsgarantie gerechtfertigt. Art. 6 I GG ist insoweit auch gegenüber Art. 3 I GG die speziellere Verfassungsnorm.570 Die Argumente dafür sind die gleichen wie für das Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 6 I GG und Art. 3 III 1 GG.571 Zusätzlich kann hinsichtlich Art. 3 I GG noch ein Erst-Recht-Schluss angeführt werden: Wenn schon das geschlechtsspezifische besondere Diskriminierungsverbot als gegenüber Art. 3 I GG strengerer Prüfungsmaßstab hinter der in Art. 6 I GG festgehaltenen Institutsgarantie zurücktreten muss, gilt dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis erst recht für den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Die Prüfungsmaßstäbe von Art. 3 I GG und Art. 3 III 1 GG unterscheiden sich nämlich hinsichtlich der Differenzierungskriterien in den rechtlichen Anforderungen an eine verfassungsgemäße Ungleichbehandlung, nicht aber in ihrem verfassungsrechtlich Verhältnis zu benannten Freiheitsrechten. Vereinzelt wird die Berücksichtigung des Verhältnisses von Art. 6 I GG zu Art. 3 I GG zwar mit dem Argument kritisiert, bei der Bezugnahme auf Art. 6 I GG liege ein Zirkelschluss vor.572 Das ist aber wenig überzeugend, denn der dort statuierte besondere Schutz von Ehe und Familie ist Bestandteil des grundrechtlichen Teils der Verfassung und kann deshalb nicht gänzlich ohne Einfluss auf den ebenfalls verfassungsrechtlich fundierten Gleichheitssatz sein. Im Gegenteil muss sich diese Kritik mit der Gegenkritik auseinandersetzen, den Art. 3 I GG nur mehr isoliert, aber nicht mehr eingebunden in den grundgesetzlichen Kontext zu berücksichtigen und damit gegenüber anderen Grundrechten zu stark zu gewichten. b) Geschlechter als Vergleichsgruppen: Mann und Frau Bei einem Vergleich zwischen Mann und Frau liegt eine doppelte geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung vor. Für die Anwendung des all568 Gröschner (Fn. 57), Art. 6 Rn. 43. P. Kirchhof (Fn. 369), S. 436 (436 f.), hält aus diesem Grund schon die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften für verfassungswidrig; vgl. auch BVerfGE 80, 367 (373). 569 So Krings (Fn. 109), S. 409 (410). 570 BVerfG, NJW 1993, S. 3058; ähnlich LG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 1998 (1999); Tettinger (Fn. 317), S. 1146 (1148); Krings (Fn. 109), S. 409 (411); Wächtler (Fn. 422), S. 128; Merten (Fn. 29), S. 615 (630); Gerhard Robbers, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 4. Aufl., 1999, Art. 6 Rn. 45; Risse (Fn. 423), S. 256 f. 571 Vgl. oben 3. Kapitel C. I. 1. d), S. 393 ff. 572 So Schimmel (Fn. 422), S. 179.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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gemeinen Gleichheitssatzes bleibt wegen der Spezialität des geschlechtsspezifischen Diskriminierungsverbots in Art. 3 III 1 GG kein Raum. 3. Ergebnis Zwar induziert das verfassungsrechtlich vorgegebene eheliche Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit eine doppelte Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts zwischen Mann und Frau als typologische Vergleichsgruppen. Die Institutsgarantie der Ehe geht allerdings dem besonderen Diskriminierungsverbot des Art. 3 III 1 GG vor. Innerhalb der Geschlechtsgruppe der Männer bzw. Frauen findet eine Ungleichbehandlung nicht statt. Nähme man dies trotzdem an, so wäre eine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung ebenfalls durch die Institutsgarantie der Ehe gerechtfertigt. Art. 3 I GG müsste deshalb in diesem Fall ebenso dahinter zurücktreten.

II. Der Ausschluss der nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft von einem Rechtsinstitut für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft Art. 6 I GG steht der Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften auf einfachgesetzlicher Ebene nicht entgegen. Dieses Rechtsinstitut kann aus der Perspektive des Art. 6 I GG so ausgestaltet werden, dass es ausschließlich einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zugänglich ist, während der Zugang nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Personenverbindungen verwehrt bleibt. Diese Differenzierung muss ebenfalls der Prüfung am Maßstab des Art. 3 GG standhalten. 1. Art. 3 III 1 GG als Anspruchsgrundlage für die Öffnung des Rechtsinstituts auch für nichteheliche verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften? a) Vergleichsgruppenbildung aa) Geschlechtsimmanente Vergleichsgruppen: Mann und Mann sowie Frau und Frau Vergleichbar der analogen Problematik der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe liegt eine Ungleichbehandlung innerhalb des eigenen Geschlechts

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

nicht vor. Jeder Mann bzw. jede Frau hat formal die gleichen Zugangsmöglichkeiten zum Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Faktisch findet eine Differenzierung innerhalb der eigenen Geschlechts insofern statt, als sich regelmäßig homosexuell orientierte Menschen für dieses Rechtsinstitut entscheiden werden, heterosexuelle aber nicht. Als Vergleichsgruppen stünden sich in diesem Fall homosexuelle und heterosexuelle Personen gegenüber. Das Differenzierungskriterium wäre dann die sexuelle Orientierung des Einzelnen und nicht sein Geschlecht.573 Art. 3 III 1 GG scheidet bei einem geschlechtsimmanenten Vergleich aus. bb) Geschlechter als Vergleichsgruppen: Mann und Frau Damit ist allerdings noch nicht endgültig entschieden, dass für Art. 3 III 1 GG als Prüfungsrahmen generell kein Raum verbleibt. Wählt man als Vergleichsgruppen nicht die Personen innerhalb des gleichen Geschlechts, sondern vergleicht Mann und Frau miteinander, spielt der Geschlechtsbezug der Differenzierung eine entscheidende Rolle: Hier liegt wiederum eine doppelte Ungleichbehandlung vor: Der Mann kann zwar mit einem Mann ein solches Rechtsinstitut wählen, nicht aber mit einer Frau. Umgekehrt kann die Frau zwar mit einer Frau diese Form der institutionalisierten Partnerschaft eingehen, nicht aber mit einem Mann.574 Gegen diesen Befund wird in der Literatur eingewandt, dass der normative Regelungsgegenstand eines solchen Rechtsinstituts nicht auf das Geschlechtsmerkmal des Einzelnen, sondern auf die geschlechtsidentische Personenverbindung abstelle.575 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Argumentation aufgenommen und eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts aufgrund der institutionellen Zugangsstruktur aus zwei Gründen abgelehnt, die sie auch auf die Ehe anwendet: Zum einen liege wie bei der Ehe schon keine Differenzierung vor, weil Männer und Frauen stets gleich behandelt würden. Sie könnten eine Person des anderen Geschlechts heiraten oder mit einer Person des gleichen Geschlechts eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründen.576 Zum anderen fehle der personale Ge573

Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (68); Zimmermann (Fn. 3), S. 645 (659). Hofmann (Fn. 223), Art. 6 Rn. 21; Braun (Fn. 109), S. 21 (24 f.); ders. (Fn. 426), S. 194. Nach Muscheler (Fn. 247), Rn. 48, und Forkert (Fn. 19), S. 39, werden Frauen und Männer gleichbehandelt, da ihnen der Zugang zum Rechtsinstitut gleichermaßen offen steht. Die Argumentation von Muscheler ist insofern konsequent, als er eine Gleichbehandlung bei der analogen Situation des Zugangs zur Ehe genauso begründet. 575 Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (68); Robbers (Fn. 54), S. 779 (785); mit Robbers bis in seine Formulierungen hinein ähnlich argumentierend A. Klein (Fn. 246), S. 434 (436). 576 BVerfGE 105, 313 (351 f.); zustimmend Röthel (Fn. 54), Rn. 19. 574

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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schlechtsbezug, weil Rechtsfolgen nur an die „Geschlechtskombination einer Personenverbindung“, nicht aber an das Geschlecht einer Person selbst anknüpften.577 Gegen die verfassungsgerichtliche Annahme einer institutionellen Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau spricht – wie auch bei der Ehe – die Erkenntnis, dass es sich bei der geschlechtsspezifischen Verweigerung des Zugangs zu einem Rechtsinstitut um eine doppelte Ungleichbehandlung handelt. Eine verfassungswidrige Diskriminierung i. S. d. Art. 3 III GG liegt bei der Ehe gleichwohl nicht vor, weil Art. 6 I GG die speziellere Norm darstellt.578 Im Ergebnis ist dem Bundesverfassungsgericht somit zuzustimmen, nicht jedoch in der auf die fehlende Differenzierung abstellenden Begründung. Der zweite Begründungsstrang, der den Geschlechtsbezug einer etwaigen Differenzierung verneint, vermag gleichfalls nicht zu überzeugen: Es ist zwar zutreffend, dass die institutionell anerkannte Verbindung zwischen Personen gleichen Geschlechts die Voraussetzung für die an das Bestehen des Rechtsinstituts anknüpfenden Rechtsfolgen ist. Das ändert aber nichts daran, dass die Wahl eines Partners des anderen Geschlechts den Zugang zu diesem Rechtsinstitut verhindert, mithin mittelbar aufgrund des eigenen Geschlechts eine Beschränkung der Zugangsmöglichkeit stattfindet.579 Diese Konstellation ähnelt deshalb der insofern verwandten Zugangsbegrenzung der Ehe. Der Zugang zum Rechtsinstitut ist aber überhaupt erst die Grundvoraussetzung für sein konkretes Bestehen und damit mittelbar für die Anknüpfung von Rechtsfolgen an eine Rechtsform. Die konkrete Existenz der Personenverbindung ist demgegenüber nachgelagert, obzwar sie gleichzeitig die institutionelle Voraussetzung für die Statuierung von Rechtsfolgen ist. Es besteht mithin eine Verbindung jeweils aufeinander aufbauender dogmatischer Voraussetzungen zwischen dem Zugang zum Rechtsinstitut, seiner Realisierung und der an sie anknüpfenden Rechtsfolgen. Grundelement des Zugangs zum gleichgeschlechtlichen Rechtsinstitut ist die Differenzierung zwischen Mann und Frau hinsichtlich des Geschlechts des Partners. Eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung liegt deshalb vor.580 577 BVerfGE 105, 313 (351); zustimmend Uhlenbrock (Fn. 246), S. 45; Burkiczak (Fn. 61), S. 7 (10 f.). 578 Das Bundesverfassungsgericht trifft in der Entscheidung zum LPartDisBG keine Aussage zu diesem Verhältnis von Art. 3 III und Art. 6 I GG, gleichwohl aber in der Kammerentscheidung BVerfG, NJW 1993, S. 3058, hinsichtlich Art. 3 I GG. 579 Vgl. auch das Sondervotum von Haas, BVerfGE 105, 313 (362 f.), die eine „Bindung zweier Personen“ als Differenzierungskriterium für „wenig überzeugend“ hält; ähnlich Tillmanns (Fn. 366), S. 934 (936), und Braun (Fn. 426), S. 58. 580 Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (399). Hofmann (Fn. 223), Art. 6 Rn. 21, Wölfl (Fn. 59), S. 392, und Braun (Fn. 426), S. 57 f., 189, 194, ders. (Fn. 475), S. 38 f.,

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

b) Art. 6 I GG als gegenüber Art. 3 III 1 GG speziellere Verfassungsnorm Die in Art. 6 I GG enthaltene Institutsgarantie der Ehe steht zum besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 III GG in einem Spezialitätsverhältnis. Fraglich ist, ob dieser Gedanke auch für die Problematik des Zugangs zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften fruchtbar gemacht werden kann. Dagegen spricht zunächst, dass Art. 6 I GG keine Garantie über Ehe und Familie hinausgehender weiterer Rechtsinstitute enthält.581 Es erscheint geradezu dogmatisch paradox, dass bei einem Vergleich zwischen dem Mitglied eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und dem Partner einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft die spezifische Strukturierung der Ehe das Differenzierungskriterium bilden soll, obwohl beiden Vergleichsgruppen doch gemeinsam ist, dass sie keine Ehen sind. Zwischen der Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften besteht dennoch ein institutioneller Zusammenhang, der gerade von denjenigen betont wird, die ein verfassungsrechtliches Abbildungsgebot ablehnen: Die eigentliche Begründung für die Konstituierung eines eigenen Rechtsinstituts nur für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ist die Existenz der Ehe mit ihrem Wesensmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit. Weil die Ehe nur verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften offen steht, ergeben sich daraus zwei voneinander abhängige Konsequenzen: Verschiedengeschlechtliche Paare können heiraten und müssen nicht auf andere lebensgemeinschaftliche Rechtsformen ausweichen, um die Rechtsverbindlichkeit ihrer Gemeinschaft zu erreichen.582 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften können dies nicht, so dass sie eines eigenen Rechtsinstitutes bedürfen, wenn sie sich an eine institutionelle Rechtsform binden wollen. Damit bedingt die verfassungsrechtlich garantierte Ehe die Rechtsstruktur einer exklusiv gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft. Eine (doppelte) Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau hinsichtlich des Zugangs zum gleichgeschlechtlichen Rechtsinstitut erfolgt deshalb zwar wegen des Geschlechts. Sie ist aber wiederum nur Konsequenz der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe als Strukturmerkmal, das durch die Institutsgarantie des Art. 6 I GG verfassungsrechtlich abgesichert ist. halten ein Rechtsinstitut ausschließlich für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften deshalb für eine Verletzung des Art. 3 III 1 GG. 581 Muscheler (Fn. 247), Rn. 50; Wölfl (Fn. 59), S. 387. 582 Zur Problematik der verwandtschaftlichen oder nichtsexuellen Gemeinschaften siehe unten 4. Kapitel B. II. 1., S. 718 ff.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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Ehepaare und Personen, die in einer Rechtsform mit einem Partner des gleichen Geschlechts leben, besitzen beide einen typisierten institutionellen Bindungswillen. Nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften steht die Ehe und damit eine rechtliche Bindungsmöglichkeit offen, die sie aber aus den verschiedensten Gründen nicht realisieren wollen.583 Das mögliche Gegenargument, der institutionelle Bindungswille nichtehelicher verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften sei nicht gänzlich ausgeschlossen, weil er sich nicht nur auf die Ehe, sondern auch auf das Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit einer gegenüber der Ehe veränderten Rechtsstruktur beziehen könne,584 ist aus typisierender Perspektive nicht überzeugend.585 Die Ehe besitzt eine immanente typologische Entwicklungspotentialität zur Familie und der besondere Schutz von Ehe und Familie dient der Realisierung der doppelten Verfassungserwartung von Eheschließung und Familiengründung. Die Mehrzahl verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wird deshalb, wenn sie an einer institutionellen Bindung interessiert sind, die Ehe als besonders geschütztes und gefördertes Rechtsinstitut wählen. Dies entspricht auch dem grundgesetzlichen Bild der Ehe. Allerdings besteht insoweit eine Einschränkung, als die verfassungsrechtliche Prämisse einer solchen Typisierung des auf die Ehe gerichteten Bindungswillens eingehalten wird. Sie liegt in der aus dem Benachteiligungsverbot der Ehe folgenden Verpflichtung des Gesetzgebers, kein familienrechtliches Rechtsinstitut zu schaffen, dass eine für den Einzelnen gegenüber der Ehe vorteilhaftere Rechte-Pflichten-Kombination enthält. Nur im Fall eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot könnte sich der typologisch ermittelte institutionelle Bindungswille von Mitgliedern verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften nämlich auch auf dieses Rechtsinstitut beziehen.586 Solange dies 583

BVerfGE 105, 313 (352); Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 22; ders. (Fn. 466), S. 594 (599); Freytag (Fn. 17), S. 445 (454); Huster (Fn. 247), S. 612; Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (69); Beck (Fn. 40), S. 1894 (1900); A. Klein (Fn. 246), S. 434 (436); Robbers (Fn. 54), S. 779 (785); Burgi (Fn. 65), S. 487 (506, Fn. 74); Reiß (Fn. 465), S. 98 (102). 584 Anklingend bei Muscheler (Fn. 247), Rn. 48, Wölfl (Fn. 59), S. 389 ff., und Finger (Fn. 469), S. 199 (204). Muscheler, Rn. 51, zieht daraus die Konsequenz, dass das Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ehegleich ausgestaltet werden müsse, um den verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften den Zugang zu ihm zu verwehren. 585 v. Arnauld/Platter (Fn. 398), S. 411 (415). 586 Wasmuth (Fn. 40), S. 47 (69 f.), im Hinblick auf den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP; reziprok argumentierend Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 22, und Beck (Fn. 40), S. 1894 (1901). Bei Braun (Fn. 109), S. 21 (25 f.), Scholz/Uhle (Fn. 10), S. 393 (399), und Krings (Fn. 109), S. 409 (414), findet man die gleiche Argumentation etwas abgewandelt und zu einem verfassungsdogmatischen Dilemma zugespitzt: Wenn sich die Ehe und das Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemein-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

nicht geschieht, richtet sich ihr potentieller Bindungswille aus typologischer Perspektive ausschließlich auf die Ehe. Der Gesetzgeber ist deshalb wegen Art. 6 I GG nicht verpflichtet, bei der Konstituierung eines Rechtsinstituts diejenigen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu berücksichtigen, die alternativ zur Ehe eine andere institutionelle Bindung eingehen wollen, obwohl sie heiraten könnten. Es bleibt damit für die Differenzierung zwischen einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und den nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften beim Anknüpfungspunkt des typisierten Bindungswillens. Dieser bedingt die fehlende Publizität von nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Personenverbindungen. Der exklusive Zugang zu einem einfachgesetzlichen Rechtsinstitut nur für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften kann deshalb mit dem Zusammenhang zwischen der Verschiedengeschlechtlichkeit als Wesensmerkmal der Ehe und dem typologisch fehlenden institutionellen Bindungswillen von Partnern nichtehelicher verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften erklärt werden. Eine Differenzierung wegen des Geschlechts liegt deshalb zwar vor. Art. 6 I GG mit dem Ehemerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit ist in diesem Fall aber die speziellere Verfassungsnorm.587 Art. 3 III 1 GG ist mithin nicht einschlägig. 2. Art. 3 I GG als Zugangsanspruch nichtehelicher verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? Eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung zwischen beiden Lebensformen ist zu bejahen, die jedoch durch die verfassungsrechtlich gesicherte Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe intendiert ist. Sieht man nicht das schaften in ihrer Ausgestaltung unterschieden, müsste letzteres wegen Art. 3 III 1 GG (bei Braun und Krings: Art. 3 I GG) auch für verschiedengeschlechtliche Paare geöffnet werden. Würden beide Rechtsinstitute stattdessen gleich ausgestaltet, verstieße dies gegen Art. 6 I GG. In jedem Fall wäre danach ein Rechtsinstitut nur für gleichgeschlechtliche Paare verfassungswidrig. Dieser Gedankengang kann allerdings nicht erklären, warum sich der Bindungswille von Lebensgemeinschaften, denen die Ehe offen steht, typologisch auch auf eine Rechtsgemeinschaft beziehen soll, die bewusst mit gegenüber der Ehe geringeren Rechten ausgestattet ist. Demgegenüber wäre dies bei im Vergleich zur Ehe verstärkten Rechten sofort nachvollziehbar, aber wegen des ehelichen Benachteiligungsverbots verfassungswidrig. 587 Die von Braun (Fn. 109), S. 21 (24), in diesem Zusammenhang gestellte rhetorische Frage, ob es eine Verfassungsnorm gebe, die für eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft die gleiche Funktion hätte wie Art. 6 I GG für die Ehe, müsste insofern differenziert beantwortet werden: Die gleiche Funktion besäße eine solche Norm nicht, aber eine für die Problematik des Zugangs zum Rechtsinstitut ähnliche schon: Art. 6 I GG.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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Geschlecht, sondern die sexuelle Orientierung als Differenzierungskriterium an, müsste sich die Ungleichbehandlung am Maßstab des Art. 3 I GG messen lassen. Die Anwendung des Differenzierungskriteriums der sexuellen Orientierung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wenn vom Gesetzgeber wesentlich Gleiches willkürlich ungleich behandelt wird.588 Nach der ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht verwandten so genannten „neuen Formel“ liegt eine verfassungsgemäße Ungleichbehandlung erst dann vor, wenn zwischen beiden Vergleichsgruppen der Normadressaten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können.589 Grundsätzlich besteht bei der vorzunehmenden Vergleichsgruppenbildung im Rahmen des Art. 3 I GG ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Ihm bleibt es überlassen, die Merkmale der Sachverhalte zu bestimmen, an die er Rechtsfolgen knüpfen, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will.590 Allerdings muss er diese Auswahl sachgerecht und auf der Grundlage nachvollziehbarer Erwägungen treffen. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung, wie sie hier vorliegt, statuiert Art. 3 I GG darüber hinaus eine strenge gesetzgeberische Bindung an den Gleichheitssatz. Der Spielraum des Gesetzgebers ist dabei umso enger, je mehr sich die Merkmale, nach denen er seine Differenzierung ausrichtet, denen des Art. 3 III 1 GG annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass durch die Ungleichbehandlung eine Minderheit benachteiligt wird.591 Die Differenzierung anhand personaler Merkmale wiegt aus gleichheitsrechtlicher Perspektive besonders schwer, weil diese durch die Person bzw. Personengruppe selbst regelmäßig nicht verändert werden können. Dadurch unterscheiden sich die personenbedingten von den verhaltensbedingten Merkmalen, die einer Modifikation durch die Person selbst offen stehen. Bei letzteren gilt daher ein weniger strenger Prüfungsmaßstab.592 Eine weitere Begrenzung des gesetzgeberischen Spielraums folgt aus der Einbin588 Zu dieser sog. „Willkürformel“ siehe BVerfGE 49, 148 (165); 98, 365 (385); zuletzt 114, 258 (297); 115, 51 (61 f.); 115, 381 (389). 589 Seit BVerfGE 55, 72 (88) st. Rspr., vgl. zum LPartDisBG BVerfGE 105, 313 (352). Huster (Fn. 550), Art. 3 Rn. 78 ff., hat aus der unterschiedlich akzentuierten Dogmatik von „alter“ und „neuer Formel“ eine neue Systematik der Gleichheitsprüfung entwickelt, die sich am grundrechtlichen Eingriffsmodell orientiert. Auch bei Anwendung dieser Prüfungsstruktur kommt man hinsichtlich dieses Untersuchungsgegenstands zum gleichen Ergebnis. 590 BVerfGE 13, 225 (228); 26, 302 (310); 34, 252 (256); 49, 148 (165); 50, 386 (391 f.); 53, 313 (329); 75, 108 (157); 81, 108 (117); 84, 348 (359). 591 BVerfGE 88, 87 (96); 99, 367 (388); BVerwGE 100, 287 (295). 592 BVerfGE 88, 87 (96); 99, 367 (388); BVerwGE 100, 287 (295); 111, 160 (169 f.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

dung des Gleichheitssatzes in das System der Grundrechte, deren Ausübung grundsätzlich jedem Grundrechtsberechtigten ermöglicht werden soll: Je stärker sich eine vorgenommene Differenzierung für den Einzelnen negativ auf seine Grundrechtsausübung auswirkt, umso eher sind die Grenzen zur verfassungswidrigen Ungleichbehandlung überschritten.593 Aber auch vor dem Hintergrund einer personenbezogenen engeren Bindung des Gesetzgebers kann die institutionelle Ungleichbehandlung zwischen einem Rechtsinstitut für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft und der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes bestehen: Eine Differenzierung ist nämlich in diesen Fällen zulässig, wenn die Gründe dafür von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.594 Die rechtliche Unterscheidung zwischen einer Lebensgemeinschaft mit einer institutionalisierten Bindung und einer bewusst ohne diese geführten Lebensgemeinschaft als Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen ist sachgerecht, weil nur bei ersteren eine durch ein formalisiertes Verfahren gewährleistete Rechtssicherheit als Voraussetzung für weit reichende Rechtsfolgen existiert. Durch diese Differenzierung werden die Grundrechte der Mitglieder nichtehelicher verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften nicht beschränkt. Die Grundrechtsträger besitzen zwar nach Art. 6 I GG das Recht zur Eheschließung, einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Einführung eines weiteren familienrechtlichen Instituts ergibt sich für sie aber aus den Grundrechten ebenso wenig wie für die Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften.595 Im Gegenteil verletzte die allgemeine Übertragung einer bestimmten institutionell bedingten RechtePflichten-Struktur auf verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe die allgemeine Handlungsfreiheit derjenigen Mitglieder dieser Lebensform, die eine solche Bindung gerade nicht eingehen wollen. Ansonsten könnten sie nämlich heiraten.596 Aus Art. 3 I GG kann deshalb 593

BVerfGE 60, 123 (134); 88, 87 (96); 89, 365 (376); 97, 271 (290 f.); 106, 166 (176); 107, 133 (141); 111, 160 (169); 111, 176 (184); 112, 74 (86). 594 Siehe BVerfGE 88, 87 (97); 93, 99 (111). 595 Die Sicht von Schimmel (Fn. 422), S. 178, ein Eingriff in Art. 6 I GG bestehe für die Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, denen der Zugang zur Ehe verwehrt werde, berücksichtigt nicht ausreichend die Bedeutung der Institutsgarantie auch für das Abwehrrecht. Das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsinstitut ist institutionelles Substrat des Abwehrrechts. Die zugangsbeschränkende Beschreibung von Strukturmerkmalen der Ehe kann deshalb kein Grundrechtseingriff sein. 596 Uhlenbrock (Fn. 246), S. 47 f.; Röthel (Fn. 54), Rn. 19; Forkert (Fn. 19), S. 41 f.; Rauscher (Fn. 223), Rn. 97. Das gilt zumindest für die nichteheliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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weder ein Anspruch verschiedengeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaften auf Zugang zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften noch auf rechtliche Gleichbehandlung mit diesem abgeleitet werden. 3. Ergebnis Eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts nach Art. 3 III 1 GG zwischen dem Mitglied einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft und dem eines Rechtsinstituts für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ist gegeben. Art. 6 I GG geht aber auch hier Art. 3 III 1 GG vor, weil die dogmatische Grundlage der institutsspezifischen Exklusivität des Zugangs zu dieser Rechtsform der typologische Konnex zwischen einem fehlenden institutionellen Bindungswillen und der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe als Teil der Institutsgarantie ist. Dies ist auch angesichts des Prüfungsmaßstabs des Art. 3 I GG nicht zu beanstanden.

III. Der Gleichheitssatz als möglicher Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgestaltungsangleichung zwischen der Ehe und der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Der Ehe ist eine klar konturierte Rechtsstruktur eigen. Die aus der objektiven Wertentscheidung abgeleitete Verpflichtung zur Förderung der Ehe wirkt als Ausgestaltungsbegrenzung der einfachgesetzlichen Strukturierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Dessen Rechtsstruktur darf mit derjenigen der Ehe nicht vollständig identisch sein. Die These von einer Sperrwirkung der Wertentscheidung muss sich allerdings auch der verfassungsrechtlichen Prüfung durch den Gleichheitssatz unterziehen. 1. Art. 3 III 1 GG als Maßstab Art. 3 III 1 GG wäre nur anwendbar, wenn es sich um eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung handelte. a) Vergleichsgruppen: Ehepartner und Mitglied einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Ob eine solche Differenzierung vorliegt, hängt entscheidend von der Wahl der Vergleichsgruppen ab. Weil es hier um die Problematik einer ver-

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

fassungsrechtlich intendierten Verpflichtung zur Ausgestaltungsangleichung der Rechtsstellung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften an die Ehe geht, rückt letztere in den Mittelpunkt der Vergleichsbetrachtung. Maßstab eines solchen Vergleichs ist daher Art. 6 I GG, dessen Schutzgegenstand neben der Familie die Ehe ist. Diese Norm gibt im Hinblick auf den Gleichheitssatz die Vergleichsgruppen vor: Es sind einerseits die Eheleute, andererseits die Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften,597 wobei im Rahmen dieser Untersuchung primär die gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen von Interesse sind. aa) Ungleichbehandlung Zwischen den Mitgliedern verschieden- und gleichgeschlechtlicher Personenverbindungen muss der Gesetzgeber nach dem hier vertretenen Ergebnis in mehrfacher Hinsicht differenzieren: Zwischen der verschiedengeschlechtlichen Ehe und jeder Art von gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft steht ein verfassungsrechtliches Differenzierungsgebot, das sich – je nach ihrer Typik – auf die verschiedenen Formen der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft unterschiedlich auswirkt. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ohne institutionelle Rechtsform besitzt einen anderen Rechtsstatus als die Ehe, der sich in einer Vielzahl von Regelungsbereichen auswirkt. Regelmäßig ist auch eine analoge Anwendung ehebezogener Normen mangels eines institutionell angelegten Bindungswillens und wegen des fehlenden Publizitätsaktes einer solchen Bindung nicht möglich. Eine Ungleichbehandlung zwischen einem Ehepartner und einem Mitglied dieses Typus der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft liegt deshalb vor. Ein aus Art. 6 I GG abgeleitetes generelles Verbot für den Gesetzgeber, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ein Rechtsinstitut zur rechtlichen Strukturierung ihrer Gemeinschaft anzubieten, besteht nicht.598 Wenn ein solches Rechtsinstitut geschaffen wird, bezieht sich das Differenzierungsgebot in diesem Fall auf die innere Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts im Vergleich zur Ehe. Damit würden dieses einfachgesetzliche Rechtsinstitut und dessen Mitglieder von der Rechtsordnung anders behandelt als die Ehe bzw. Eheleute. Auch hier besteht deshalb eine Ungleichbehandlung.

597 Starck (Fn. 550), Art. 3 Rn. 19: Verheiratete und Ledige als „verfassungsrechtlich vorgeprägte Gattungen“. 598 Siehe oben 3. Kapitel A. III. 3. b) cc) (3) (d), S. 349 ff.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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bb) Geschlechtsbezogenheit der Differenzierung Fraglich ist nun, ob der Anknüpfungspunkt für diese Differenzierungen das Geschlecht i. S. d. Art. 3 III 1 GG ist. Dagegen könnte man wie schon bei der insoweit vergleichbaren Problematik des Ausschlusses verschiedengeschlechtlicher Paare von einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einwenden, dass das Geschlecht des einzelnen Grundrechtsträgers bei den beschriebenen Fallgruppen von untergeordneter Bedeutung sei, weil es hier ausschließlich um den Vergleich von Personenverbindungen ginge. Angesichts des oben beschriebenen Maßstabs, der auf den Einzelnen abstellt, könnte deshalb schon fraglich sein, ob überhaupt die geschlechtliche Identität einer Personenverbindung Kriterium des Art. 3 III 1 GG sein kann.599 Dieses Argument ist allerdings nur vordergründig überzeugend: Zwar stehen im Mittelpunkt dieses Teils der Untersuchung auch institutionalisierte Formen von Lebensgemeinschaften. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die einzelnen Grundrechtsträger die Vergleichsgruppen bilden können. Die mit der Wahl einer dieser Rechtsformen verbundenen Rechte und Pflichten werden ausnahmslos dem einzelnen Mitglied des betreffenden Rechtsinstituts zugerechnet. Die einzelne natürliche Person ist deshalb der entscheidende Träger jedes personal strukturierten Rechtsinstituts.600 Vergleichsgruppen bilden demnach die verheirateten Personen und diejenigen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben. Innerhalb dieser zweiten Gruppe muss zwischen denjenigen unterschieden werden, die in einer nichtinstitutionalisierten oder aber in einer institutionell strukturierten Lebensgemeinschaft leben. Insgesamt ergeben sich daraus mithin zwei Vergleichsuntersuchungen: Die erste vergleicht Eheleute mit Mitgliedern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ohne institutionelle Bindung, die zweite verheiratete Personen mit Angehörigen eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften: b) Vergleichsgruppen: Ehepartner und Mitglied einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ohne rechtliche Bindung Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und Mitgliedern nichtinstitutionalisierter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften besteht darin, dass die Ehe den Ehegatten eine vertypte und deshalb klar konturierte Rechte599

Zweifelnd auch Rauscher (Fn. 223), Rn. 39, Fn. 33. Noch über den Bereich der personalen Rechtsform hinausgehend Schimmel (Fn. 422), S. 175: „Art. 3 GG intendiert nicht den Vergleich von Paaren, sondern von Individuen.“ 600

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Pflichten-Struktur vermittelt, die bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, die keine Lebenspartnerschaft eingehen wollen, nicht besteht. Die Unterscheidung beruht auf dem typisierten fehlenden Bindungswillen von Mitgliedern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, die kein für sie zugängliches Rechtsinstitut wählen. Das Geschlecht als Unterscheidungskriterium spielt dabei ähnlich wie bei der nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft keine Rolle. c) Vergleichsgruppen: Ehepartner und Mitglied eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Bei einem Vergleich zwischen Ehegatten und Mitgliedern eines Rechtsinstituts für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ändert sich die Konstellation insofern, als sich nunmehr zwei Mitglieder strukturierter Rechtsformen gegenüberstehen. In diesem Fall ist unmittelbares Unterscheidungsmerkmal die Strukturierung des einen Rechtsinstituts als Ehe. Das Geschlecht ist hier mittelbar relevanter als in der vorhergehenden Verhältnisbestimmung, weil die Geschlechtsverschiedenheit ein Strukturmerkmal der Ehe ist. Berücksichtigt man den beschriebenen Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob die mittelbare Geschlechtsbezogenheit von Ungleichbehandlungen vom Differenzierungsverbot des Art. 3 III 1 GG umfasst wird, könnte man dies hier zunächst annehmen: Die anthropologische Grundunterscheidung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaft beruht bei allen Gemeinsamkeiten darauf, dass aus typologischer Perspektive nur letztere die Potentialität der Erweiterung zur Familie besitzt. Die daraus folgende Sicherungsfunktion für die Kontinuität des Trägers der Volkssouveränität und für die gesellschaftliche Stabilität durch die Erziehung der Kinder im geschützten familiären Raum ist letztlich auf die Verschiedengeschlechtlichkeit der Lebensgemeinschaft und damit auf das Geschlecht ihrer Mitglieder zurückzuführen. Im Rahmen einer sachgerechten Begründung für die Differenzierung zwischen diesen Lebensgemeinschaften käme man danach ohne Rückgriff auf das Geschlecht nicht aus. Auch wenn diese Berufung auf das Geschlecht gerade im Rahmen der funktionalen Einordnung einer Lebensgemeinschaft bestechend wirkt, so verfehlt sie doch das eigentliche Differenzierungskriterium für die Unterscheidung zwischen diesen Rechtsformen in der Rechtsordnung. Dieses besteht nämlich darin, dass die Ehe ein Rechtsinstitut der Verfassung ist und von ihr besonders geschützt wird, während die Lebenspartnerschaft nur einfachgesetzlich existiert. Das Abbildungs- und damit Differenzierungsgebot wird für die Ehe aus der Wertentscheidung des Art. 6 I GG abgeleitet. Ohne die verfassungsrechtliche Förderverpflichtung zugunsten der Ehe kann eine differenzierte Ausgestaltungsverpflichtung für beide Rechtsinsti-

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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tute dogmatisch nicht begründet werden. Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 I GG ist deshalb die eigentliche tragfähige Erklärung für die Differenzierung zwischen der Ehe und dem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.601 Diese Konstellation unterscheidet sich dadurch von der doppelten Ungleichbehandlung von Mann und Frau, die jeweils nicht einen Partner des eigenen Geschlechts heiraten dürfen. Dort ist die Institutsgarantie nur die verfassungsrechtliche Fundierung der unmittelbar geschlechtsbezogenen Strukturierung der Ehe, hier induziert erst die grundgesetzliche Wertentscheidung zugunsten der Ehe die institutionelle Ausgestaltungsdifferenzierung. Auf das Geschlecht als Merkmal des Art. 3 III 1 GG muss mithin bei der Rechtfertigung dieser Unterscheidung nicht mehr zurückgegriffen werden. Eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts scheidet daher aus. 2. Art. 3 I GG als möglicher Gleichstellungsanspruch der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe Vergleicht man Ehepartner und Mitglieder einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, die sich nicht institutionell gebunden haben, so liegt eine rechtliche Differenzierung in mannigfaltiger Hinsicht vor. Diese Ungleichbehandlung knüpft nicht an das Geschlecht, sondern zunächst an die mangelnde Publizität ihrer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft an. Mithin ist Art. 3 I GG einschlägig. Da die Mitglieder dieser Gemeinschaft bewusst nicht die Lebenspartnerschaft begründen wollen, obwohl sie dies könnten, ist die gewollte Bindungslosigkeit das typologische Differenzierungskriterium für die Ungleichbehandlung zwischen ihnen und den Ehepartnern. a) Anspruch auf Institutionalisierung nach Art. 3 I GG? Verfassungsrechtlich umstritten war vor Einführung der Lebenspartnerschaft lange Zeit, ob gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einen Anspruch aus Art. 3 I GG auf Einführung eines eigenen Rechtsinstitutes besitzen. 601 Im Gegensatz dazu hält Rauscher (Fn. 223), Rn. 39, die Institutsgarantie der Ehe für die Voraussetzung einer Spezialität von Art. 6 I GG gegenüber Art. 3 III 1 GG auch im Rahmen des institutionellen Ausgestaltungsverhältnisses zwischen der Ehe und einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Dadurch wird aber übersehen, dass dort die Institutsgarantie nur eine eheschützende Funktion entfaltet, während primär die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten der Ehe auch das Verhältnis zu anderen Personenverbindungen berührt. Stüber (Fn. 342), S. 117 (118 f.), hält das Geschlechtsmerkmal für einschlägig.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Das nimmt Karlheinz Muscheler mit dem Verweis auf eine Reihe von Fallgruppen an, in denen eine Eheschließung zulässig ist, obwohl eine Geschlechtsgemeinschaft dort nicht realisiert werden soll oder kann. Wenn schon in diesen Fällen eine Eheschließung möglich sei, müsse erst recht eine Institutionalisierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ermöglicht werden.602 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage ebenso wie bei der ähnlichen Problematik des Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG als Anspruchsgrundlage zunächst offen gelassen,603 in seiner Entscheidung zum LPartDisBG jedoch anklingen lassen, dass zumindest die Zuerkennung von gesetzlich normierten Rechten für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Ausdruck des Art. 3 GG sei.604 Zur Lösung der Problematik muss auch hier das Verhältnis zwischen Art. 3 I GG und Art. 6 I GG berücksichtigt werden. Der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau muss die einfachgesetzliche Rechtsordnung ein Rechtsinstitut zur Verfügung stellen, weil die Ehe durch ihre Verfassungsgarantie in Art. 6 I GG neben der Familie die einzige Form einer umfassenden Lebensgemeinschaft ist, die verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Im Rahmen der grundrechtsdogmatischen Analyse der Institutsgarantie wurde herausgearbeitet, dass die Institutsgarantie nicht die Konstituierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften versperrt.605 602 Muscheler (Fn. 247), Rn. 39. Im Ergebnis auch A. Klein (Fn. 246), S. 434 (436), mit dem lapidaren Verweis auf die „neue Formel“ des Bundesverfassungsgerichts bei der Prüfung des Art. 3 I GG sowie Röthel (Fn. 559), S. 511 (517). Beck (Fn. 40), S. 1894 (1895), bejaht zwar wegen Art. 3 I GG die gesetzgeberische Verpflichtung, „eine Möglichkeit der rechtlichen Absicherung für homosexuelle Lebensgemeinschaften zur Verfügung zu stellen.“ Er betont aber dabei zugleich den legislativen Spielraum und konstatiert, dass sich die Schaffung eines Rechtsinstituts (nur) „anbietet“, mithin nicht alternativlos verfassungsrechtlich geboten ist. 603 BVerfG, NJW 1993, S. 3058 (3058 f.). 604 BVerfGE 105, 313 (346): „Sie [die Eingetragene Lebenspartnerschaft] erkennt gleichgeschlechtlichen Paaren Rechte zu. Der Gesetzgeber trägt damit den Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 und 3 GG Rechnung, indem er diesen Personen zu einer besseren Entfaltung ihrer Persönlichkeit verhilft und Diskriminierungen abbaut.“ Bezüglich Art. 3 GG fällt auf, dass das besondere Diskriminierungsverbot des Art. 3 III GG und der allgemeine Gleichheitssatz in Art. 3 I GG nebeneinander genannt werden, ohne das dogmatische Verhältnis beider Normen zu klären. Außerdem wird nicht näher ausgeführt, welche konkreten Rechte für Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften sich aus dem Gleichheitssatz ergeben sollen. Eine vertiefte Begründung dieser These wäre auch deshalb interessant gewesen, weil in dieser Bemerkung der Senatsmehrheit implizit ihre Auffassung zum Ausdruck kommt, dass die bisherige Rechtslage – ohne die Zuerkennung entsprechender Rechte – gegen Art. 3 GG verstoßen habe und damit verfassungswidrig gewesen sei. 605 Vgl. oben 3. Kapitel A. II. 4., S. 237 ff.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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Die Frage, ob der Gesetzgeber wegen Art. 3 I GG zur Konstituierung verpflichtet ist, ist nicht die dogmatisch kongruente Konstellation. Die Eröffnung eines gesetzgeberischen Spielraums ist nicht die Kehrseite einer verfassungsrechtlich vorgegebenen Verpflichtung zum gesetzgeberischen Handeln, weil in diesem Fall gerade keine alternativen Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers mehr bestehen. Zur Lösung dieser Problematik gewinnt die Institutsgarantie der Ehe wieder verfassungsrechtliche Bedeutung: Die Verfassungsentscheidung, innerhalb aller existierenden Sozialformen von Personenverbindungen nur Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates zu stellen, ist im Bereich der Lebensgemeinschaften singulär. Diese besondere und bewusste grundgesetzliche Auswahl würde umgangen, wenn man annähme, dass der allgemeine Gleichheitssatz zur einfachgesetzlichen Institutionalisierung anderer Lebensformen zwänge.606 Die dogmatische Konsequenz wäre nämlich die Erweiterung der Institutsgarantie und damit des Schutzbereichs von Art. 6 I GG auf diese konstituierten Rechtsformen für Lebensgemeinschaften. Sie genössen dann über Art. 6 I i. V. m. 3 I GG ebenso wie Ehe und Familie den institutionellen Schutz des Grundgesetzes und könnten nicht einfachgesetzlich abgeschafft werden. Der besondere Schutz von Ehe und Familie würde in diesem Fall nicht nur zu einem einfachgesetzlichen, sondern sogar zu einem verfassungsrechtlichen Schutz von diversen Lebensgemeinschaftsformen mutieren. Als Folge müsste nicht nur die Institutsgarantie, sondern auch der Schutzbereich des Abwehrrechts um diese Formen erweitert werden. Überdies wäre die Wertentscheidung der Verfassung (nur) für Ehe und Familie hinfällig.607 Eine solche Interpretation würde der Systematik des Art. 6 I GG mit seinen verschiedenen Gewährleistungsebenen und der Schutzbegrenzung auf Ehe und Familie nicht gerecht. Sie ist daher abzulehnen. Die dargestellte Argumentation von Muscheler ist zudem in sich widersprüchlich, weil sie die dogmatische Trennung zwischen der Ehe und ihrer verfassungsrechtlichen Sicherung durch die Institutsgarantie verkennt: Zwar besteht bei einzelnen Ehen keine Geschlechtsgemeinschaft. Es handelt sich dabei gleichwohl um Ausnahmen, die die Wesensmerkmale der Ehe aus typologischer Perspektive nicht modifizieren. Als Ehen nehmen sie daher in vollumfänglicher Weise am Schutz durch die Institutsgarantie teil. Man kann nun nicht widerspruchsfrei einerseits die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe als Strukturmerkmal bejahen und damit gleichgeschlechtlichen 606

Risse (Fn. 423), S. 259 f., 313; im Ergebnis auch v. Arnauld/Platter (Fn. 398), S. 411 (414), und Sachs (Fn. 10), S. 45 (47), ohne allerdings konkret auf die Bedeutung der Institutsgarantie einzugehen. 607 Dieser Gedanke wird von Freytag (Fn. 17), S. 445 (452 f.), nicht schon auf die Institutionalisierung, sondern erst auf die Ausgestaltung des Rechtsinstituts angewandt, obwohl ersteres konsequenter wäre.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Lebensgemeinschaften den Zugang zu ihr verwehren, andererseits gleichzeitig aber einen Gleichbehandlungsanspruch gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften auf Institutionalisierung mit Verweis auf Fallkonstellationen der Ehe postulieren, ohne die Institutsgarantie zu berücksichtigen. Art. 6 I GG verdrängt insofern Art. 3 I GG. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zur Verfügung zu stellen, besteht nicht. b) Anspruch auf ehegleiche Ausgestaltung des Rechtsinstituts nach Art. 3 I GG? Ein gesetzgeberischer Spielraum für eine Institutionalisierung ist damit aber nicht ausgeschlossen. Wenn der Gesetzgeber von ihm Gebrauch gemacht hat und ein Rechtsinstitut konstituiert hat, schließt sich deshalb die Frage an, ob sich beim Vergleich zwischen den Rechten und Pflichten seiner Mitglieder und denjenigen der Ehepartner aus Art. 3 I GG ein Anspruch auf die Angleichung seiner rechtlichen Ausgestaltung an die Rechtsstruktur der Ehe ergibt.608 Gegen diese Ansicht spricht die dogmatische Reichweite der grundgesetzlichen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie: Aus dieser Wertentscheidung folgt eine spezifische einfachgesetzliche Sperrwirkung für die Ausgestaltung anderer familienrechtlicher Institute. Diese aus dem Fördergebot des Art. 6 I GG abgeleitete besondere Ausgestaltungsbegrenzung ist mit der Annahme einer Verpflichtung zur Ausgestaltungsangleichung inkompatibel.609 Der Anwendungsbereich des all608 So Stüber (Fn. 423), Einf., Rn. 116; ders. (Fn. 342), S. 117 (119 f.); Muscheler (Fn. 247), Rn. 51; Röthel (Fn. 559), S. 511 (517, Fn. 91). Letztere bezieht sich aber einschränkend auf diejenigen Regelungskomplexe, die „ihren Grund in der persönlichen Nahebeziehung der Partner oder ihrer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft haben.“ Ähnlich Bruns (Fn. 399), S. 6 (9 f.), der unter Einräumung eines gesetzgeberischen Spielraums für die Regelungstechnik die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit „kinderlosen Ehegatten“ postuliert. 609 Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 55, unter Hinweis auf „Art. 6 Abs. 1 in Verb. mit Art. 3 Abs. 1 GG“; Huster (Fn. 550), Art. 3 Rn. 94; Robbers (Fn. 2), Art. 6 Rn. 50; Zimmermann (Fn. 3), S. 645 (660); Tettinger (Fn. 318), S. 117 (140); Burgi (Fn. 65), S. 487 (503); Kleffmann (Fn. 366), S. 262. Nicht so weitgehend Freytag (Fn. 17), S. 445 (453), und Stüber (Fn. 466), S. 594 (600), die zwar eine aus der Förderverpflichtung abgeleitete Differenzierungsermächtigung zugunsten der Ehe, aber kein Differenzierungsgebot annehmen. Trotzdem halten sie ebenso die Wertentscheidung für einen sachlichen Differenzierungsgrund, um die Ungleichbehandlung zwischen der Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu rechtfertigen. Weil die Implementierung dieses Rechtsinstituts in das Fördergebot zugunsten der Ehe ausgeschlossen sei, bestünde deshalb kein Verfassungsauftrag zur Angleichung seiner Ausgestaltung an die der Ehe. Zum gleichen Ergebnis kommt man deshalb bei Annahme eines Differenzierungsgebotes erst

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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gemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb zugunsten der verfassungsrechtlich intendierten Privilegierung von Ehe und Familie unter den Lebensformen als besonderem Gleichheitssatz eingeschränkt. Der Gesetzgeber besitzt einen Gestaltungsspielraum, wie er seine Förderungsverpflichtung realisiert. Hat er sich zu einer bestimmten Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften entschlossen, darf er diese Absicht auch gesetzlich umsetzen, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen. Der gesetzgeberische Spielraum ist insofern von einer aus der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung abgeleiteten Differenzierungsermächtigung zu Gunsten von Ehe und Familie geschützt. Eine Verletzung des Art. 3 I GG durch die Besserstellung der Ehe gegenüber einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften liegt deshalb nicht vor. c) Möglicher Anspruch aus Art. 3 I GG auf Übernahme ehebezogener Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ohne institutionelle Bindung? Der Gesetzgeber könnte wegen Art. 3 I GG verpflichtet sein, bestimmte Regelungen für Eheleute auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu übertragen, die nicht die Lebenspartnerschaft gewählt haben. Deren Mitglieder müssten dann bei Regelungen berücksichtigt werden, die bisher nur auf Eheleute Anwendung finden. Die Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie intendiert auch hier ein Differenzierungsgebot zugunsten dieser Rechtsinstitute. Ihr ehebezogener Anwendungsbereich umfasst alle Regelungen, die die eheliche Reproduktivität betreffen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum der Entscheidung, durch welche Regelungen er die Ehe fördert. Der Gesetzgeber darf wegen der Wertentscheidung für Ehe und Familie deshalb auch Ehepartner gegenüber Mitgliedern nichtinstitutionalisierter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften besser stellen. Die zugrundeliegende Differenzierungsermächtigung beruht auf Art. 6 I GG und ist kein Verstoß gegen Art. 3 I GG.610 Außerdem liegen bei einer Differenzierung zwischen den Vergleichsgruppen weitere sachgerechte Unterscheidungskriterien auf der Hand: Ein Grund für die Einbeziehung nur der Eheleute in Rechtsnormen ist die Rechtssicherheit, die für eine institutionelle Bindung wie die Ehe charakteristisch ist. Durch ihre Publizität unrecht. Ähnlich Coester-Waltjen (Fn. 2), Art. 6 Rn. 43, 124, bei der aber unklar bleibt, ob sie aus der Wertentscheidung des Art. 6 I GG ein Differenzierungsgebot oder nur eine Differenzierungsermächtigung ableitet. 610 Etwas allgemeiner Heun (Fn. 550), Art. 3 Rn. 140, der postuliert, dass „bei Differenzierungen (. . .) im Rahmen des Art. 3 I die Wertentscheidung des Art. 6 I GG zu beachten“ sei, ohne auf die konkrete Verhältnisbestimmung näher einzugehen.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

terscheidet sie sich damit von allen anderen nichtinstitutionellen Lebensgemeinschaften, deren Bestand deutlich schwerer feststellbar ist. Außerdem ist der fehlende Bindungswille von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, die keine Lebenspartnerschaften sind, als Differenzierungskriterium zu berücksichtigen. Ein Anspruch auf Übernahme ehebezogener Regelungen gemäß Art. 3 I GG kommt deshalb nicht in Betracht. d) Ergebnis Zwischen Ehepartnern und Mitgliedern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften scheidet ein Geschlechtsbezug der Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 III 1 GG aus: Bei gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen ohne Einbindung in eine Rechtsform ist das Differenzierungskriterium entweder ein fehlender Bindungswille oder die mangelnde Publizität einer solchen Lebensgemeinschaft. Beim Bestehen eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften werden deren Mitglieder wegen der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der Ehe anders behandelt als Ehepartner. Ein Anspruch aus Art. 3 I GG auf Konstituierung eines solchen Rechtsinstituts besteht nicht, weil es ansonsten indirekt am verfassungsrechtlichen Schutz der Institutsgarantie der Ehe teilnähme. Wenn es geschaffen würde, müsste es auch nicht wegen Art. 3 I GG ehegleich ausgestaltet werden, weil die Wertentscheidung zugunsten der Ehe das einschlägige Differenzierungskriterium ist und damit auf Verfassungsebene den Gleichheitsgrundsatz modifiziert.

IV. Möglicher Anspruch auf Gleichbehandlung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ohne institutionellen Bezug? Die bisher am Maßstab des Gleichheitssatzes untersuchten Fallkonstellationen befassten sich jeweils mit dem Verhältnis rechtsinstitutionell strukturierter gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Beide Arten von Personenverbindungen existieren aber oftmals, ohne dass eine entsprechende Institutionalisierung der Partnerschaft angestrebt wird. Die rechtliche Einordnung der Mitglieder von Lebensgemeinschaften gleichen oder verschiedenen Geschlechts, die weder verheiratet sind noch ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gewählt haben, muss den verfassungsrechtlich vorgegebenen Gleichheitssatz ebenso berücksichtigen wie ein institutioneller Regelungsgegenstand. Art. 3 GG be-

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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inhaltet nämlich grundsätzlich eine umfassende Gewährleistung von Gleichheit, die auch unabhängig von Freiheitsrechten verletzt sein kann.611 Fraglich ist zunächst, ob überhaupt eine rechtserhebliche Ungleichbehandlung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ohne institutionelle Bindung vorliegt. Es findet sich keine Rechtsnorm, in der ausdrücklich auf die Geschlechtsidentität nichtinstitutionalisierter Lebensgemeinschaften abgestellt wird. Allerdings bezogen sich die Regelungen in § 7 III Nr. 3 Buchst. b SGB II a. F., § 20 S. 1 SGB XII a. F.612 und §§ 5 III 6, 6 III 2, 12 I BErzGG auf die eheähnliche Gemeinschaft. Sie steht wegen ihrer begrifflichen Anlehnung an die Ehe nur verschiedengeschlechtlichen Personenverbindungen offen.613 Aus der bloßen Berücksichtigung der eheähnlichen Gemeinschaft im Sozialrecht folgt aber noch keine Ungleichbehandlung dieser Rechtsgemeinschaft mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Die eheähnliche Gemeinschaft ist im Sozialrecht nämlich nur deshalb normativ verankert worden, um dem aus Art. 6 I GG folgenden verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot der Ehe zu genügen.614 Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften, die faktisch wie Ehepartner zusammen leben, sollen nicht gegenüber Eheleuten bevorzugt werden. Dies wäre dann der Fall, wenn trotz einer mit Eheleuten vergleichbaren Lebenssituation in einer eheähnlichen Gemeinschaft das Einkommen und Vermögen des Partners bei der Berechnung von Sozialleistungen an den Bedürftigen – anders als bei Eheleuten – nicht berücksichtigt würde. Der intendierte Vergleichsrahmen dieser Normierungen war deshalb primär das Verhältnis zwischen der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Ehe und nicht das immanente Verhältnis nichtehelicher Lebensgemeinschaften zueinander. Nimmt man die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in den Blick, ergibt sich ihre Bevorzugung gegenüber den eheähnlichen Gemeinschaften: Die Einkommenssituation des gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten für die Berechnung etwaiger Sozialleistungen an den Bedürftigen wurde dort nicht berücksichtigt, während dies bei den eheähnlichen Gemeinschaften – wie bei Eheleuten – der Fall war.615 611

Kingreen (Fn. 7), S. 133. Vor Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB: § 122 S. 1 BSHG. 613 Vgl. oben 1. Kapitel C. III. 3., S. 65 ff. 614 Starck (Fn. 550), Art. 3 Rn. 178; Schmitt-Kammler (Fn. 2), Art. 6 Rn. 43; Jakob (Fn. 399), S. 134; Steiger (Fn. 317), S. 55 (62); für § 7 SGB II Andreas Hänlein, in: Alexander Gagel (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III, Bd. II, § 7 SGB II Rn. 38b. 615 So auch Reiß (Fn. 465), S. 98 (99); Bruns/Beck (Fn. 497), S. 832 (833, Fn. 20). Schumacher (Fn. 447), S. 857 (863), fordert deshalb auch die Erweiterung 612

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

Ursprünglich sollte in Art. 3 § 35 Nr. 1 LPartG-E, dann in Art. 2 § 33 Nr. 1 LPartGErgG diese Problematik der möglichen Bevorzugung gleichgeschlechtlicher Personenverbindungen gegenüber eheähnlichen Gemeinschaften dadurch einer Lösung näher gebracht werden, dass dort eine Änderung des § 11 I 2 BSHG a. F. vorgesehen war. Danach wäre das Einkommen und Vermögen beider Lebenspartner bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt worden. Da das LPartGErgG nicht in Kraft getreten ist, wurden gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zunächst weiterhin nicht ausdrücklich genannt. Allerdings sind Lebenspartner wie Ehegatten nach § 5 LPartG einander zum Unterhalt verpflichtet, so dass in diesem Fall eine Vermutung für die Nachrangigkeit der Sozialhilfe i. S. d. früheren § 2 I BSHG bestand.616 § 19 I–III SGB XII berücksichtigt bei der Bedarfsberechnung nunmehr auch das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Lebenspartners. Dadurch wird zumindest eine Besserstellung dieses Rechtsinstituts gegenüber der eheähnlichen Gemeinschaft oder der Ehe auf einfachgesetzlicher Ebene verhindert. Es bleibt aber in diesem Zusammenhang die Frage offen, ob auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften erfasst werden, die das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bewusst nicht wählen, sich aber ansonsten in einer vergleichbaren Lebenssituation wie eheähnliche Gemeinschaften befinden. Auf einfachgesetzlicher Ebene musste dies verneint werden, weil die Mitglieder nichtinstitutionalisierter gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften weder füreinander Angehörige noch diese Personenverbindungen eheähnlich im Rechtssinne sind. Nach dem hier vertretenen Untersuchungsergebnis ergibt sich die Geltung des Benachteiligungsverbots für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Hinblick auf die Ehe aber auf verfassungsrechtlicher Ebene aus der grundgesetzlichen Wertentscheidung zu Gunsten der Ehepartner.617 Das aus dem besonderen Schutz der Ehe folgende Verbot, sie gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu benachteiligen, bezieht sich auch auf gleichgeschlechtliche Personenverbindungen. Diese dürfen deshalb nicht besser gestellt werden als Eheleute. Das eheliche Benachteiligungsverbot impliziert, dass es sinngemäß auch dann gelten muss, wenn es um Lebensgemeinschaften geht, die in bestimmter Hinsicht – hier bei der Bedürftigkeitsprüfung im Sozialrecht – wie Ehen behandelt werden. Wenn eheähnliche Gemeinschaften gegenüber der Ehe nicht bevorzugt werden dürfen, dann darf die Rechtsordnung nicht gleichauf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, damit auch diese Personenverbindungen von der Rechtsordnung nicht gegenüber der Ehe bevorzugt werden. 616 Walter Schellhorn/Helmut Schellhorn, Das Bundessozialhilfegesetz, 16. Aufl., 2002, § 11 BSHG, Rn. 20. 617 Nach Badura (Fn. 109), Art. 6 Rn. 32, wäre der verfassungsrechtliche Maßstab hier Art. 3 I GG i. V. m. Art. 6 I GG.

C. Der Gleichheitssatz als möglicher Anspruch

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geschlechtlichen Lebensgemeinschaften Vorteile gewähren, die sie eheähnlichen Gemeinschaften gegenüber verweigert. Das wäre nämlich zugleich eine mittelbare Privilegierung der gleichgeschlechtlichen Personenverbindung gegenüber der Ehe. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften dürfen deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht weder gegenüber der Ehe noch gegenüber der eheähnlichen Gemeinschaft von der Rechtsordnung bevorzugt werden.618 Ein sachgerechter Differenzierungsgrund für die Ungleichbehandlung nichtehelicher verschieden- und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, der dem Maßstab des Art. 3 I GG genügt, kann nur in der familialen Entwicklungspotentialität der eheähnlichen Gemeinschaft liegen. Andere funktionstypische Wesensunterschiede zwischen beiden Arten der Lebensgemeinschaft sind nicht erkennbar. Differenzierungskriterien, die nicht ausschließlich auf diese Erweiterungsmöglichkeit der verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zur Familie abstellen, sind deshalb nicht sachgerecht und verstoßen gegen Art. 3 GG. Daraus ergibt sich, dass alle auf eheähnliche Gemeinschaften anwendbaren Rechtsnormen, deren Funktion nicht in der Sicherung dieser Entwicklungspotentialität liegt, auch auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit ähnlicher vergleichbarer innerer Bindung erstreckt werden müssen. Der Gesetzgeber hat durch die seit dem 1. August 2006 geltende Neufassung der § 7 III Nr. 3 SGB II und § 20 S. 1 SGB XII619 auf diese Problematik reagiert. Danach werden jetzt auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit einer ähnlichen Bindung wie eheähnliche Gemeinschaften als Bedarfsgemeinschaften i. S. d. SGB II einordnet, ohne dass es sich dabei um Lebenspartnerschaften handeln muss. Im Sozialhilferecht dürfen Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, nicht besser gestellt werden als Ehegatten.

V. Ergebnis Die Begrenzung der Ehe auf die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 III 1 GG. Die Institutsgarantie der Ehe in Art. 6 I GG steht zu dieser Norm aber in einem Spezialitätsverhältnis, so dass ein Verstoß gegen den Gleichheits618

Vgl. Muscheler (Fn. 247), Rn. 633, 641; Wölfl (Fn. 59), S. 411. Die Lösung dieser Problematik gelingt den Vertretern des Ansatzes, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und die Ehe zueinander in einem „aliud“-Verhältnis stünden, nicht, weil dort ein aus Art. 6 I GG gewonnener Vergleichsmaßstab zwischen diesen beiden Typen von Personenverbindungen fehlt. 619 BGBl. I, S. 1706.

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3. Kap.: Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Lebenspartnerschaft

satz nicht vorliegt. Ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, für dessen Errichtung der Gleichheitssatz keine Anspruchsgrundlage vermittelt, muss nicht wegen Art. 3 I GG für verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften geöffnet werden, weil diesen die Ehe als auf sie zugeschnittene Bindungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt nicht, dass die Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts der Rechtsstruktur der Ehe vergleichbar sein muss. Eine Verletzung von Art. 3 I GG liegt aber vor, wenn eheähnliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit vergleichbarer innerer Bindung differenziert behandelt werden und die Ungleichbehandlung nicht mit der unterschiedlichen typologischen Familienbezogenheit beider Verbindungen begründet werden kann.

4. Kapitel

Die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts A. Formelle Verfassungsmäßigkeit: Die Aufteilung der Regelungsmaterie des Gesetzesvorhabens in das LPartDisBG und das LPartGErgG während des Gesetzgebungsverfahrens Der Rechtsausschuss des Bundestages hatte am 8. November 2000 mehrheitlich die Trennung des zunächst von den Regierungsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in einem Gesetzentwurf in die Gesetzesberatung des Bundestages eingebrachten Gesetzesvorhabens in zwei verschiedene Gesetze, das LPartDisBG und das LPartGErgG, beschlossen. In seiner kurzen Begründung verwies der Rechtsausschuss darauf, dass im LPartDisBG die Normen des materiellen Rechts, im LPartGErgG die Verfahrensvorschriften des Gesetzgebungsvorhabens geregelt werden sollten. Insbesondere die Normen zur Regelung des Verwaltungsverfahrens sollten nach dem Willen des Rechtsausschusses in das LPartGErgG aufgenommen werden, die der Zustimmung des Bundesrates bedurften.1 Dieses Ziel bekräftigte der Rechtsausschuss mehrheitlich einen Tag später in seinem Bericht zu den vorliegenden Gesetzentwürfen noch einmal.2 Der vom Rechtsausschuss überarbeitete und beschlossene Entwurf des LPartDisBG sah tatsächlich in Art. 1 § 1 im Gegensatz zum Ausgangsentwurf nunmehr keine konkret benannte zuständige Behörde zur Begründung der Lebenspartnerschaft oder zur Entgegennahme der Erklärung über den Namen der Lebenspartnerschaft in § 3 vor. Alle Hinweise auf den Standesbeamten als zuständige Behörde im noch von den damaligen Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf wurden gestrichen, insbesondere die in Art. 3 § 7 vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen des Personenstandsgesetzes. Diese waren stattdessen im LPartGErgG enthalten: Art. 1 erwähnte den Standesbeamten als zuständige personenstandsrechtliche Behörde. Daneben wurden die vorgesehenen zahlreichen Änderungen von Leis1 2

BT-Drucks 14/4545, S. 2. BT-Drucks 14/4550, S. 5.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

tungsgesetzen aller Art wie beispielsweise des Bundessozialhilfegesetzes, beamten- und steuerrechtlicher Vorschriften und verschiedener Ausbildungsordnungen vollständig aus dem LPartDisBG entfernt und im LPartGErgG wortgleich zusammengefasst. Weil der Bundesrat dem LPartGErgG nicht zustimmte und auch das anschließende Vermittlungsverfahren wegen des Endes der 14. Legislaturperiode zu keinem Ergebnis führte, trat nur das LPartDisBG in Kraft.3 Angesichts der Aufteilung der gesetzlichen Regelungsmaterie in zwei selbständige Gesetze und der Tatsache, dass durch die Nichtzustimmung des Bundesrates zum LPartGErgG nur das LPartDisGB rechtswirksam wurde, stellt sich die Frage, ob das diesbezügliche Vorgehen des Bundestages verfassungskonform war.

I. Grundsätzliche Verfassungskonformität der Aufteilung einer Regelungsmaterie in mehrere Gesetze Vor einer verfassungsrechtlichen Untersuchung der spezifischen Probleme, die sich aus der Aufteilung des LPartG-E in das LPartDisBG und LPartGErgG ergaben, bedarf zunächst die Frage der Erörterung, ob Aufteilungen von Regelungsmaterien in mehrere Gesetze grundsätzlich überhaupt verfassungskonform sein können. 1. Die Volkssouveränität als Ausgangspunkt zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Aufteilung Der Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung ist dabei der große gesetzgeberische Spielraum. Dieser Spielraum findet seine Legitimation letztlich in der durch Art. 20 II 1 GG statuierten Volkssouveränität, die nach Satz 2 – neben Abstimmungen – in Wahlen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Das im Gesetzgebungsverfahren zustande gekommene formelle Gesetz ist deshalb Ausdruck materieller Legitimation durch die Volkssouveränität.4 Die Bedeutung des gesetzgeberischen Spielraums wird noch deutlicher, wenn man das Gewicht der Verfassungsorgane bei der konkreten Ausübung der Volkssouveränität bedenkt. Die in Art. 20 II 2 GG vorgesehenen Abstimmungen sind auf Bundesebene nur bei der Neugliederung der Länder 3

Im Einzelnen dazu oben 1. Kapitel E. IV., S. 108 ff. Friedrich E. Schnapp, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20 Rn. 20. 4

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit

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in Art. 29 II GG und bei der Abstimmung über eine das Grundgesetz ablösende neue Verfassung in Art. 146 GG konkret normiert. Da diese Regelungen nur geringe praktische Bedeutung haben, verlagert sich der Schwerpunkt der Ausübung von Souveränität auf die dafür vorgesehenen Verfassungsorgane, mithin auf die Repräsentationsfunktion der mittelbaren Demokratie.5 Damit die grundgesetzlichen Organe institutionelle Konkretionen der ausgeübten Selbstbestimmung des Volkes sein können, muss ihnen selbst aber eine weite Entfaltungsmöglichkeit zukommen. Dies gilt primär und vorrangig für den Bundestag, der über die stärkste personelle Legitimationsbasis aller Verfassungsorgane für die ausgeübte Volkssouveränität verfügt, weil er aus vom Volk gewählten Vertretern besteht.6 Im Schrifttum ist darauf hingewiesen worden, dass die Verfassungsgebung als ursprünglichste Möglichkeit der Selbstbestimmung des Volkes durch kein Verfahren begrenzt werden kann.7 Die danach potentiell unbegrenzt mögliche Realisierung der Volkssouveränität wird im demokratischen Rechtsstaat allerdings nicht unbegrenzt ausgeübt. Ihre Grenzen finden sich verfassungsrechtlich insoweit in der auch in Art. 20 III GG normierten Selbstbindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung. Es ist anerkannt, dass zur verfassungsmäßigen Ordnung auch der gesamte Normenbestand der Verfassung gehört.8 Insoweit hat sich der Verfassungsgeber durch den Erlass von verfassungsrechtlichen Vorschriften zum Gesetzgebungsverfahren gebunden und ist verpflichtet, die entsprechenden Verfahrensnormen als Konkretisierung dieser Begrenzung seiner Souveränität einzuhalten. 2. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Aufteilung in Rechtsprechung und Schrifttum In Literatur und Rechtsprechung wird eine Aufteilung der Materie in ein zustimmungspflichtiges und ein zustimmungsfreies Gesetz grundsätzlich für möglich gehalten. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat zunächst die Frage der Aufteilungsmöglichkeit und deren Grenzen offen gelassen,9 dann aber eindeutig für die grundsätzliche Zulässigkeit der aus der gesetzgeberischen 5 Roman Herzog, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 20, II. Abschnitt, Rn. 38, spricht von der „Bevorzugung der mittelbaren Demokratie im GG“. 6 Auch deshalb wird gerade im Verhältnis zum Bundesrat die Möglichkeit des Bundestages, Gesetze „zustimmungsfrei“ zu halten, als Beispiel für die Vorrangstellung des Bundestages gesehen, vgl. Herzog (F. 5), Art. 20, II. Abschnitt, Rn. 76. 7 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 9. Aufl., 2003, S. 82; auch Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., 1984, § 5 I 2, S. 148. 8 Schnapp (Fn. 4), Art. 20 Rn. 42. 9 BVerfGE 24, 184 (199 f.).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Freiheit folgenden Aufteilung einer Gesetzesmaterie Position bezogen.10 Dem hat sich die Literatur fast einheitlich mit unterschiedlichen Begründungen angeschlossen.11 Die einzige Gegenstimme von Hans Kutscher stammt aus dem Jahr 1952 und verweist zum einen auf die übliche Staatspraxis, in „Gesetzen über die Verwaltung im weitesten Sinne“ materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen zusammenzufassen.12 Allerdings ist in diesem Zusammenhang fraglich, inwieweit eine Staatspraxis irreversibel ist. Insofern ist dieses Argument allein nicht tragfähig. Zum anderen weist Kutscher darauf hin, dass eine Aufteilung dem Sinn der entsprechenden Vorschriften des Grundgesetzes entgegenstehe, ohne dazu nähere Ausführungen zu machen oder die Verfassungsnormen konkret zu benennen.13 Diese Bezugnahme auf teleologische Erwägungen dürfte im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur Frage zu sehen sein, ob die Änderung von Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates unterlagen, ebenfalls zustimmungspflichtig sei. Kutscher 10 BVerfGE 34, 9 (28); 37, 363 (382); 39, 1 (15); 77, 84 (103). In BVerfGE 37, 363 (382), wird ausdrücklich die Zulässigkeit einer Aufspaltung in ein Gesetz, das die materiell-rechtlichen Normen einer Materie enthält, und in ein solches der Verfahrensvorschriften, erwähnt. 11 Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 2006, Art. 77 Rn. 4; Rupert Stettner, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 2006, Art. 77 Rn. 12; Roman Herzog, § 58: Aufgaben des Bundesrates, in: HStR III, 3. Aufl., 2005, Rn. 15; ders., Der Einfluß des Bundesrates auf die Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes seit 1949, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 1969, S. 235 (245); Johannes Masing, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 2, Art. 77 Rn. 52; Rüdiger Sannwald, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 78 Rn. 13; Thomas Wölfl, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft – Das Recht in Deutschland und dem europäischen Ausland, 2004, Bd. I, S. 305 ff., 311; Brun-Otto Bryde, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl., 2003, Art. 77 Rn. 23; Jörg Lücke, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 77 Rn. 18; Juliane Kokott, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Rudolf Dolzer, Art. 77 Rn. 41; Diether Posser, § 24: Der Bundesrat und seine Bedeutung, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 40; Ernst Friesenhahn, Die Rechtsentwicklung hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen und Verordnungen des Bundes, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 1969, S. 251 (265). Theodor Maunz, in: ders./Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 76 Rn. 13, bejaht dies für die von der Regierung eingebrachten Gesetzesvorlagen. 12 Hans Kutscher, Verfassungsrechtliche Fragen aus der Praxis des Bundesrates, in: DÖV 1952, S. 710 (713). Kutscher kann allerdings bei dieser Annahme naturgemäß nur von der Situation zum Zeitpunkt des Erscheinungsjahres seines Aufsatzes ausgehen und die spätere Entwicklung der staatlichen Praxis nicht mehr berücksichtigen. 13 Kutscher (Fn. 12), S. 710 (713).

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit

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bejaht dies mit der Begründung, der Bundesrat habe bei der Zustimmung zu einem Gesetz die Mitverantwortung über alle Normen dieses Gesetzes übernommen, auch über jene, die für sich genommen gar nicht zustimmungsbedürftig gewesen seien.14 Wohl um eine Umgehung dieser starken Beteiligung des Bundesrates durch eine Aufteilung von Gesetzen zu verhindern, wird von ihm letzteres für verfassungswidrig gehalten.15 Das Gegenargument, eine Aufteilung sei schon deshalb möglich, weil sich die Zustimmung des Bundesrates nur auf die Normen eines Gesetzes zu beschränken habe, die von ihrem Regelungsgehalt her explizit Länderinteressen berührten und damit zustimmungsbedürftig seien,16 hat sich nicht durchsetzen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter Hinweis auf den Begriff des „Bundesgesetzes“ in Art. 84 GG – nicht: Einzelnorm o. ä. – ein Gesetz als Ganzes dann zustimmungsbedürftig, wenn auch nur eine einzelne Norm dieses Gesetzes der Zustimmung des Bundesrates bedarf.17 Daraus folgt aber noch nicht, dass schon vor einem Gesetzgebungsbeschluss des Bundestages eine Aufteilung der Regelungsmaterie unmöglich ist. Selbst wenn man der Konzeption einer Mitverantwortung des Bundesrates für Gesetze, denen er zugestimmt hatte, folgte, fehlt der verfassungsdogmatische Ansatz, warum dies schon im Gesetzgebungsverfahren gelten soll, mithin bevor der Bundesrat überhaupt eine „Mitverantwortung“ übernehmen kann. Im Gegenteil erscheint es gerade in Anwendung der Theorie von der Mitverantwortung konsequent, nur die Gesetze vom Bundesrat „verantworten“ zu lassen, denen er zugestimmt hat. Bloße Einspruchsgesetze, die sich bei einer vorherigen Aufteilung in mehrere Gesetze ergeben würden, wären dann davon nicht betroffen. Insofern ist diese Konzeption kein durchschlagendes Argument gegen die grundsätzliche Verfassungskonformität der Aufteilung eines Gesetzesvorhabens in mehrere Gesetze. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts stellte sich angesichts der durch Polarisierung geprägten politischen Situation, die durch eine Mehrheit der Fraktionen von SPD und FDP im Bundestag einerseits und einer solchen der durch die CDU/CSU regierten Länder im Bundesrat ande14

Kutscher (Fn. 12), S. 710 (713). Kritisch Wolf Rüdiger von Hase, Die Mitverantwortungstheorie als Verfassungsdurchbrechung, in: DÖV 1973, S. 838 (842). 16 So noch Hans Schneider, Die Zustimmung des Bundesrates zu Gesetzen, in: DVBl. 1953, S. 257 (260 f.). 17 BVerfGE 55, 274 (326 f.). Armin Dittmann, Die Teilbarkeit von Gesetzesinitiativen als verfassungsrechtliches Problem, in: DÖV 1974, S. 397 (401), hält diese Ansicht für ganz im Sinne der Mitverantwortungstheorie und ist der Auffassung, dass gerade eine vorherige Aufteilung die Schwierigkeiten der Qualifizierung einer Einzelnorm als zustimmungspflichtig vermeide. 15

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rerseits bestimmt war, die Frage der Zulässigkeit einer Aufteilung von Gesetzen aus verfassungspolitischer Sicht in neuer Schärfe. Die grundsätzliche Verfassungskonformität der Aufteilung von Gesetzesvorhaben wurde nicht mehr in Frage gestellt. Die entwickelten Begründungen werden auch in der Gegenwart noch vertreten. Als grundlegendes Argument wird oftmals recht knapp darauf verwiesen, dass eine Aufteilung von Gesetzesvorhaben durch den Gesetzgeber seine Gestaltungsfreiheit konkretisiere.18 Diese Argumentation schließt sich an den oben gewählten dogmatischen Ausgangspunkt der Volkssouveränität an, ohne dass dies explizit in der Diskussion über die Aufteilung von Gesetzesmaterien angesprochen wird. Außerdem wird angeführt, eine Aufteilung von Gesetzesvorhaben sei ein legitimer Versuch, den Einfluss des Bundesrates auf die Gesetzgebung durch die Vielzahl der zustimmungsbedürftigen gesetzlichen Regelungsgegenstände in verfassungskonformer Weise zurückzudrängen.19 Die Substanz dieses Argumentationsstranges beruht auf der Interpretation des Art. 84 I GG und besteht bei genauerer Analyse aus zwei verschiedenen verfassungsdogmatischen Ebenen, die sich ergänzen. Nach Art. 84 I 1 GG regeln die Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, wenn die Länder die Bundesgesetze als eigene Bundesangelegenheit ausführen. Diese Kompetenz stand allerdings bis zur am 1. September 2006 in Kraft getretenen Neufassung des Art. 84 I GG unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates nichts anderes bestimmen.20 Es herrschte nach Wortlaut und Systematik zunächst Einigkeit darüber, dass ein Bundesgesetz dann zustimmungspflichtig ist, wenn neben dem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt in diesem Gesetz auch Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren normiert werden. Wenn nun aber die letzte18 Masing (Fn. 11), Art. 77 Rn. 52; Sannwald (Fn. 11), Art. 78 Rn. 13; Diether Haas, Bundesgesetze über Organisation und Verfahren der Landesbehörden, in: AöR 80 (1955), S. 81 (85). 19 Kokott (Fn. 11), Art. 77 Rn. 40. Auch Bryde (Fn. 11), Art. 77 Rn. 23, der darauf hinweist, dass es dadurch nicht zu einer „Systemverschiebung“ zwischen Bundestag und Bundesrat kommt; Gerhard Konow, Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen?, in: ZRP 1973, S. 158 (161). 20 Vgl. Art. 84 I GG a. F.: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.“ Art. 84 I 2 GG n. F. sieht nunmehr eine Abweichungsmöglichkeit der Länder vor, wenn Bundesgesetze die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren regeln. Einer Bundesratszustimmung bedarf das Gesetz nach Art. 84 I 6 GG n. F. nur noch dann, wenn der Bund die Einrichtung der Behörden oder das Verwaltungsverfahren in Ausnahmefällen und wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regelt.

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ren Normen in einem eigenen Gesetz zusammengefasst werden, unterschieden sich die Begründungen für die Verfassungsmäßigkeit dieser Zusammenfassung: In der Lehre ist als Argument vorgetragen worden, schon aus dem Wortlaut des Art. 84 I GG a. F. ergebe sich die Möglichkeit, die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren in einem eigenen Gesetz zu regeln. Die Länder seien nach Art. 84 I GG zwar grundsätzlich für die Ausführung der Bundesgesetze zuständig, dies gelte aber dann nicht, wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmten. Da beim Wort „Bundesgesetze“ im letzten Halbsatz von Art. 84 I GG a. F. (jetzt: Art. 84 I 2, 1. Hs. GG n. F.) anders als beim gleichen Wort im ersten Halbsatz (jetzt: Art. 84 I 1, 1. Hs. GG n. F.) der bestimmte Artikel fehle, müssten diese beiden Bundesgesetze nicht identisch sein und somit könnten auch Gesetze beschlossen werden, in denen nur die Behördenzuständigkeit und das Verwaltungsverfahren geregelt seien.21 Allerdings kann man dagegen einwenden, dass aus dem Fehlen eines bestimmten Artikels allein noch nicht auf die Verfassungskonformität der Aufteilung von Gesetzesvorlagen geschlossen werden kann. Die Bedeutung des Wortlauts darf insoweit nicht überdehnt werden. Aus der Verwendung des Plurals des Begriffs des Bundesgesetzes kann man beispielsweise genauso wenig schließen, dass mehrere Bundesgesetze vorliegen müssten, in denen eine Ausnahme von der Länderausführung statuiert würde. Eine systematische Analyse ergibt allerdings, dass Art. 84 I GG einer Teilbarkeit von Gesetzesvorlagen nicht entgegensteht. Die eine dafür angeführte Begründung ist, dass die Aufteilungsmöglichkeit für das Gleichgewicht im Verhältnis zwischen Bund und Ländern sinnvoll sei, weil die Länder dadurch einen größeren Spielraum bekämen, das Verfahren selbst zu regeln. Insofern sei die Zulässigkeit einer Aufteilung ein Instrumentarium dafür, den in Art. 83 GG statuierten Grundsatz der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder und die daraus folgende Subsidiarität des Bundes in dieser Frage zur Geltung zu bringen.22 Dagegen lässt sich einwenden, dass die in der Argumentation implizit enthaltene Prognose, der Bundestag würde deshalb auf eine Regelung des Verfahrens verzichten und dies den Ländern überlassen, nicht stimmig ist. Vielmehr liegt die Annahme näher, dass eine Aufteilungsmöglichkeit von Gesetzesvorhaben den Bundesgesetzgeber noch mehr dazu animieren könnte, sowohl den materiell-rechtlichen Gehalt als auch das Verfahren zu regeln – allerdings in zwei verschiedenen formellen Gesetzen. Das zustimmungspflichtige Verfahrensgesetz könnte im Falle einer verweigerten Zu21 22

Dittmann (Fn. 17), S. 397 (400). So etwa Dittmann (Fn. 17), S. 397 (400); Konow (Fn. 19), S. 158 (161).

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stimmung durch den Bundesrat im Vermittlungsausschuss doch noch einem rechtspolitischen Kompromiss zugeführt werden, zumal, wie Gerhard Konow als Vertreter dieser Ansicht selbst einräumt,23 die Länder zur Regelung von Verfahren und Behörden verpflichtet wären. Außerdem könnten die Länder im Bundesrat den Gesetzen, die deshalb zustimmungspflichtig sind, weil sie das Verwaltungsverfahren oder die Behördeneinrichtung regeln, ihre Zustimmung verweigern und dadurch, ggf. im Vermittlungsverfahren, ihren Einfluss auf das Verwaltungsverfahren geltend machen. Schließlich regelt Art. 84 I 2 GG n. F. ausdrücklich die Abweichungsmöglichkeit der Länder, wenn der Bund von seiner Kompetenz zur Einrichtung der Behörden und der Regelung des Verwaltungsverfahrens Gebrauch macht. Der Spielraum der Länder wäre also auch bei einer Nichtaufteilung nicht wesentlich kleiner als bei einer angenommenen Verfassungskonformität der Aufteilungsmöglichkeit.24 Der zweite Begründungsstrang argumentiert im Verhältnis zwischen Bund und Ländern genau umgekehrt und hält die Aufteilung eines Vorhabens deshalb für verfassungsrechtlich begründet, weil der Bundesgesetzgeber dadurch gegenüber den Ländern und dem Bundesrat ein stärkeres Gewicht bekäme. Die Länder sollen nach dieser Auffassung nach Art. 84 I GG eben nur beim Verwaltungsverfahren und der Behördeneinrichtung mitbestimmen, nicht jedoch bei einem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt, der nach Artt. 73 ff. GG dem Bund zugewiesen ist.25 Dieser Argumentationstopos leuchtet zwar ein, wenn man die häufigen Fälle bedenkt, in denen sich die Zustimmungsbedürftigkeit durch den Bundesrat wegen der Behördeneinrichtung und Verfahrensregelung durch die Länder aus Art. 84 I GG a. F. ergab, obwohl das Gesetzgebungsvorhaben materiell-rechtlich an sich nicht zustimmungsbedürftig war. Insofern besteht durchaus die Gefahr, dass aus dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates am Verwaltungsverfahren ein solches am materiell-rechtlichen Regelungsgehalt wird, für das Art. 84 I GG gerade keine Mitwirkung vorsieht, wenn man eine Aufteilung nicht zuließe. Dies hätte eine Gewichtsverschiebung der föderalen Verfassungsstruktur zugunsten des Bundesrates zur Folge, die in Art. 84 I GG keine Stütze findet. Allerdings war Art. 84 I GG a. F. auf eine Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren ausgerichtet, so dass in der Rechtspraxis das Instrumentarium der Aufteilung von Gesetzesvorhaben nicht geeignet war, 23

Konow (Fn. 19), S. 158 (160). Bernd Janson, Die Aufspaltung von Bundesgesetzen in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungsbedürftigen Teil, in: DVBl. 1977, S. 318 (320), spricht insoweit sogar von der „Machtlosigkeit“ des Bundesgesetzgebers bei zustimmungspflichtigen Gesetzen. 25 v. Hase (Fn. 15), S. 838 (842); auch Konow (Fn. 19), S. 158 (161), der insofern beide Begründungsstränge verwendet. 24

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das Ziel der Beschränkung der Einflussmöglichkeiten des Bundesrates in einer relevanten Zahl von Fällen zu erreichen.26 Jedenfalls lässt Art. 84 I GG nicht grundsätzlich eine Aufteilung der Regelungsmaterie verfassungswidrig erscheinen.27 Das gilt erst recht angesichts der zum 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform I.28 Sie hat mit der Einführung des Abweichungsvorbehalts die Kompetenzsystematik des Art. 84 I GG grundlegend verändert und lässt den Ländern einen erheblich größeren Spielraum für eigene Regelungen zur Behördeneinrichtung und zum Verwaltungsverfahren. Für eine Begrenzung des gesetzgeberischen Ermessensspielraums hinsichtlich der Aufteilung von Gesetzesmaterien in mehrere Gesetze gibt der Wortlaut anderer grundgesetzlicher Normen ebenfalls nichts her. Im Gegenteil wird durch den Wortlaut des Art. 50 GG, wonach die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes durch den Bundesrat (nur) mitwirken, und dem gegenübergestellten Art. 77 I 1 GG, nach dem die Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen werden, deutlich, dass eine Begrenzung der gesetzgeberischen Freiheit hinsichtlich einer Aufteilung auch nicht wegen der Bedeutung des Bundesrates bei der Gesetzgebung geboten ist. 3. Verfassungsrechtliche Grenzen der gesetzgeberischen Möglichkeit, Gesetzesvorhaben in mehrere Gesetze aufzuteilen Die verfassungsrechtlich zulässige Aufteilungsmöglichkeit eines Gesetzesvorhabens kann wegen der in Art. 84 I GG konkretisierten Partizipationsfunktion des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren aber nicht schrankenlos gewährleistet sein. In der Rechtslehre sind deshalb zwei verschiedene Möglichkeiten diskutiert worden, den Aufteilungsspielraum zu begrenzen. a) Willkürliche Aufteilung Die eine nimmt ihren Ausgangspunkt im Verhältnis der beiden Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat und hält eine Aufspaltung einer Regelungsmaterie in verschiedene Gesetze dann für verfassungswidrig, wenn diese Aufteilung willkürlichen Charakter besitze.29 Die Schwierigkeiten die26 Skeptisch schon Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, § 27 IV 2, S. 145. 27 Im Ergebnis, allerdings ohne nähere Begründung, auch Hans-Uwe Erichsen/ Christian Biermann, Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen nach Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG, in: Jura 1998, S. 494 (498). 28 Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006, BGBl. I, S. 2034.

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ses dogmatischen Ansatzes liegen auf den ersten Blick erkennbar darin, den Begriff der Willkür für die Rechtspraxis deutlich zu konturieren. Um ihn zu präzisieren, soll von einer willkürlichen Aufteilung dann auszugehen sein, wenn diese rechtsmissbräuchlich sei.30 Das wiederum wäre der Fall, wenn die Trennung des Gesetzesvorhabens mit dem Ziel erfolge, bewusst und absichtsvoll die Mitwirkungsmöglichkeit des Bundesrates an der Gesetzgebung zu umgehen.31 Dieser Ansatz vermag nicht zu überzeugen. Neben der fehlenden und damit für die verfassungsrechtliche Realität nur begrenzt brauchbaren Konturierung des Begriffes der Willkür32 ist der Rückgriff auf eine Umgehungsabsicht ein argumentativer Zirkelschluss: Der Umfang der Mitwirkung des Bundesrates, die wegen ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung außer Frage steht, kann bezüglich der Aufteilungsmöglichkeit nicht dadurch sichergestellt werden, dass subjektiv auf einen vermeintlich unzulässigen Umgehungswillen abgestellt wird. Dadurch wird die Problematik nur in die subjektive Motivlage abgedrängt und zur Lösung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsfrage herangezogen, ohne dass sie objektiv gelöst bzw. verfassungsrechtlich erörtert würde.33 Das Bundesverfassungsgericht dürfte auch deshalb, obwohl es das Kriterium der Willkürlichkeit ausdrücklich benennt, bisher noch keine präzisierten Kriterien zur Ausfüllung dieses Begriffs entwickelt haben. Auch der von einigen Vertretern dieser Ansicht herangezogene Begriff der Bundestreue, der eine äußerste Grenze der Aufteilungsmöglichkeit darstellen soll,34 ist wegen seiner schwierigen Konkretisierung wenig brauchbar. Neben der Problematik, ob es überhaupt in Interorganbeziehungen des Bundes zwischen Bundestag und Bundesrat besondere Treuepflichten geben kann, liegt bei Anwendung dieses Terminus und seiner Bejahung wiederum 29

Pieroth (Fn. 11), Art. 77 Rn. 4; Maunz (Fn. 11), Art. 76 Rn. 13 f. Herzog (Fn. 11), Rn. 15. 31 Bryde (Fn. 11), Art. 77 Rn. 23; Alfred Sauter, Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen unter besonderer Berücksichtigung des Art. 84 Abs. 1 GG, in: Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik. Festschrift für Franz Klein, hrsg. von Paul Kirchhof, 1994, S. 561 (563); Maunz (Fn. 11), Art. 76 Rn. 14; Johannes Wasmuth, Zur Verfassungsmäßigkeit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: Der Staat 2002, S. 47 (51), der dies beim LPartDisBG aber im Ergebnis verneint. 32 Ähnlich skeptisch Masing (Fn. 11), Art. 77 Rn. 52; Stern (Fn. 26), § 27 IV 2, S. 145. 33 Im Ergebnis auch Volker Beck, Die verfassungsrechtliche Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: NJW 2001, S. 1894 (1897), der den Topos des „Rechtsmissbrauchs“ unter Hinweis auf nicht näher genannte Stimmen der Rechtsprechung und Literatur ablehnt. 34 Jürgen Fiedler, Zur „Aufspaltung“ von Gesetzentwürfen, in: ZRP 1977, S. 9 (12); Dittmann (Fn. 17), S. 397 (402 f.). 30

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ein Zirkelschluss vor: Die Grenzen der Aufteilungsmöglichkeit werden als bestehend vorausgesetzt, obwohl sie verfassungsrechtlich aus dem Grundgesetz erst erschlossen werden müssen. Schließlich bestünde die Gefahr, dass die Mitwirkung des Bundesrates über den in Art. 84 I GG vorgesehenen Bereich auf jeden materiellen Regelungsgehalt eines Gesetzesvorhabens ausgedehnt würde. Dies geht – wie oben gezeigt – über den Gedanken einer Mitwirkung des Bundesrates an Gesetzen, die die Länderinteressen berühren, deutlich hinaus und verstößt angesichts der Neufassung des Art. 84 I GG noch gravierender als nach der bisherigen Rechtslage gegen die verfassungsrechtlich beschränkte Organkompetenz des Bundesrates. Aus diesen Gründen ist der Argumentationstopos der Willkürlichkeit für die präzise kompetentielle Unterscheidung zwischen den Verfassungsorganen nicht heranzuziehen. b) Zerstörung der Sinneinheit der Regelungsmaterie Der zweite verfassungsrechtliche Ansatz verlässt die Ebene des Verhältnisses der Verfassungsorgane zueinander und hält die Aufteilung dann für verfassungswidrig, wenn das einzelne Gesetz als solches inhaltlich nicht mehr verständlich wäre und die Sinneinheit des Gesetzgebungsvorhabens durch eine Aufteilung zerstört würde. Dies wird dann besonders anschaulich, wenn der Bundesrat dem zustimmungspflichtigen Gesetz die Zustimmung verweigert und nur das zustimmungsfreie Gesetz in Kraft treten kann. Wäre der materielle Inhalt des Gesetzes in diesem Fall nicht mehr nachvollziehbar und bestünde nur noch ein inhaltliches Torso, so wäre nach dieser Ansicht eine Aufteilung von vornherein unzulässig. Dies wird mit dem verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verankerten Bestimmtheitsgebot begründet.35 Eine Variante dieses Ansatzes hält einen Sinnzusammenhang dann nicht mehr für gegeben, wenn das zustimmungsfreie Gesetz ohne das zustimmungspflichtige Gesetz materiell nicht sinnvoll existieren könnte, ohne auf den Bestimmtheitsgrundsatz zurückzugreifen.36 Dieser Argumentationstopos hat gegenüber dem Begriff der Willkürlichkeit den Vorteil, dass er die verfassungsrechtlichen Grenzen klarer konturiert und die kaum fassbare Motivlage unberücksichtigt lässt. Für die Rechtspraxis bedeutungsvoll ist dieser Ansatz deshalb, weil er der Auftei35 Masing (Fn. 11), Art. 77 Rn. 52; Lücke (Fn. 11), Art. 77 Rn. 18; Kokott (Fn. 11), Art. 77 Rn. 41; ähnlich Stern (Fn. 26), § 27 IV 2, S. 145, der aber zur Begründung nur auf den „Wert und Rang des Gesetzes“ verweist. Christian von Pestalozza, Ausschaltung des Bundesrates durch Einbringung von Gesetzesteilen als Teilgesetze?, in: ZRP 1976, S. 153 (156), führt als Begründungsmaßstab im Rahmen einer aktiven Aufteilung die Lehre von der Teilnichtigkeit der Gesetze an. 36 Janson (Fn. 24), S. 318 (319 f.); v. Pestalozza (Fn. 35), S. 153 (157).

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lungsmöglichkeit deutlich weitere Grenzen setzt als bei einer Berufung auf die Willkürlichkeit. Die Aufteilung in mehrere Gesetze dürfte nämlich im Regelfall von dem Gedanken geprägt sein, das Zustimmungserfordernis in Art. 84 I GG zumindest für den materiell-rechtlichen Kern des Gesetzesvorhabens zu umgehen. Insoweit wäre der Aufteilungsspielraum des Gesetzgebers beim Willkürlichkeitskriterium sehr eng. Obwohl der Bestimmtheitsgrundsatz auf kompetenzrechtliche Argumente verzichtet, so entspricht die durch ihn gezogene Grenze auch der Abgrenzung der Organe, die eine Zustimmungspflichtigkeit in Art. 84 I GG nur für die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren und seit dem 1. September 2006 sowieso nur in Ausnahmefällen, nicht jedoch schon für jeden materiellen Regelungsgegenstand vorsieht. Erst wenn der materielle Regelungsgehalt eines Gesetzes ohne Behördeneinrichtung und Verfahren nicht mehr verständlich sein sollte, wäre eine Aufteilung verfassungswidrig. Im Regelfall wird man allerdings davon ausgehen können, dass eine rechtliche Sinneinheit bei einer Aufteilung zwischen einem inhaltlich-materiellen Gesetz und einem Gesetz, das nur die Verfahrensregeln beinhaltet, durchaus gegeben ist.37 Dies gilt umso eher, als die Länder verpflichtet wären, Verfahren und Behördeneinrichtung zu regeln. c) Zerstörung der Sinneinheit des Regelungsvorhabens als Willkür Eine dritte vermittelnde Auffassung übernimmt zwar den Topos der Willkürlichkeit als Abgrenzungskriterium, umschreibt ihn aber mit den Konturen der auf den Bestimmtheitsgrundsatz zurückgreifenden Argumentation und hält eine Aufteilung dann für willkürlich, wenn ein Sinnzusammenhang zwischen dem materiellen und dem verfahrensrechtlichen Teil zerstört werde und ein Torso verbliebe.38 d) Zwischenergebnis Die verfassungsrechtliche Grenze einer zulässigen Aufteilung wird nach den beiden letztgenannten Meinungen erst dann überschritten, wenn das in Kraft getretene Gesetz als solches durch die Länder nicht mehr vollziehbar wäre und keine Außenwirkung entfalten könnte. Dieser Ansatz entspricht 37 Sannwald (Fn. 11), Art. 78 Rn. 13; Bryde (Fn. 11), Art. 77 Rn. 23; Lücke (Fn. 11), Art. 77 Rn. 18; Fritz Ossenbühl, Die Zustimmung des Bundesrates beim Erlaß von Bundesrecht, in: AöR 99 (1974), S. 369 (400). 38 Herzog (Fn. 11), S. 235 (245); ähnlich Meinhard Forkert, Eingetragene Lebenspartnerschaften im deutschen IPR: Art. 17b EGBGB, 2003, S. 14. Posser (Fn. 11), Rn. 40, spricht insoweit von einer Sinneinheit zwischen „materiellem Recht und Verfassungsrecht“, gemeint ist wohl „Verfahrensrecht“.

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am ehesten der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und ist deshalb überzeugend. 4. Die verfassungsrechtliche Problematik der Einordnung als aktive oder reaktive Aufteilung Eine weitere Problematik tut sich dann auf, wenn das Gesetzesvorhaben nicht schon vor der Einbringung des Entwurfs in den Bundestag, sondern erst im Verlauf der Beratungen in verschiedene Gesetze aufgeteilt wird. Teilweise werden bei dieser Teilung gesonderte Bedenken hervorgebracht, insbesondere der Einwand des Rechtsmissbrauchs und des Verstoßes gegen die Organtreue.39 a) Gesetzesinitiative der Bundesregierung Im Schrifttum stand dabei die Frage im Mittelpunkt, ob ein von der Bundesregierung eingebrachter Gesetzentwurf, der nach Art. 76 II 1 GG dem Bundesrat zur Stellungnahme zuzuleiten ist, auch noch dann von der Bundesregierung geändert und ggf. in verschiedene Gesetze aufgespalten werden kann, wenn ihr die (negative) Stellungnahme des Bundesrates nach Weiterleitung an diesen gemäß Art. 76 II GG bekannt wird. Die Aufteilung nach der Stellungnahme des Bundesrates wird dabei als reaktiv, die Aufteilung davor als aktiv bezeichnet. Christian von Pestalozza hat die verfassungsrechtliche Aufteilungsmöglichkeit unter der Voraussetzung verneint, dass die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf sich nicht nur allgemein kritisch mit diesem auseinandersetzt, sondern auch gesetzgeberische Alternativen aufzeigt. Die Stellungnahme komme dann nämlich einer eigenen gesetzgeberischen Initiative des Bundesrates nahe, der sich die Bundesregierung nicht dadurch entziehen könne, dass sie ihren eigenen Entwurf zurückzöge oder inhaltlich – etwa durch Aufteilung in mehrere Einzelgesetze – verändere. Begründet wird dies mit einer analogen Anwendung des Art. 76 III GG und der Intention, der Bundesregierung ein Abwarten der Stellungnahme des Bundesrates zu verbauen, damit die Bundesregierung nicht den politischen Willen des Bundesrates ausforschen kann.40 Wenn die Bundesregierung demnach dazu verpflichtet wäre, ihre Vorlage auch gegen ihren Willen weiter im Gesetzgebungsverfahren zu betreiben, führt dies allerdings dazu, dass das Verfahren verfassungspolitisch sinnlos und inhaltlich substanzlos auf einer ausschließlich formalen Ebene fort39 Kokott (Fn. 11), Art. 77 Rn. 42, hält einen Verstoß gegen die Organtreue für nur „schwer nachweisbar“. 40 v. Pestalozza (Fn. 35), S. 153 (155).

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geführt würde. Dies ist nicht der Zweck von Gesetzgebungsverfahren.41 Hinzu kommt, dass der Bundesrat selbstverständlich jederzeit eine eigene gesetzgeberische Initiative beginnen könnte, ohne dass sie mit einer Vorlage der Bundesregierung verbunden werden müsste, so dass hier die verfassungsrechtlich eingeräumte Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung gar nicht eingeschränkt würde. Auch der dogmatische Ansatzpunkt des Art. 76 III GG ist zweifelhaft. Zum einen ist schon in der damaligen verfassungsrechtlichen Diskussion darauf hingewiesen worden, dass eine analoge Anwendung dieser Norm nicht in Betracht komme, weil Art. 76 GG selbst zwischen Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren und Gesetzesvorlagen unterscheide.42 Ergänzend ist hinzuzufügen, dass die Stellungnahme zur Gesetzesvorlage die Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren betrifft, eine eigene Vorlage aber Bestandteil der Gesetzesinitiative ist. Wenn man beides undifferenziert gleich behandelt, verkennt man die Regelungssystematik des Art. 76 GG. Einer Vermischung beider Äußerungsmöglichkeiten des Bundesrates stehen insofern der Wortlaut und die Systematik des Art. 76 GG selbst entgegen.43 Daneben ist zu berücksichtigen, dass Art. 76 GG seit dem 15. November 1994 in novellierter Fassung vorliegt. Nach Art. 76 III 2 GG n. F. soll die Bundesregierung ihre Auffassung zu einer Gesetzesvorlage des Bundesrates vorlegen, nach der alten Fassung von Satz 2 hatte die Bundesregierung sie darzulegen. Die Neufassung weist der Bundesregierung also einen Spielraum zu, ob sie überhaupt eine Stellungnahme abgibt. Dieser Umstand spricht deshalb dafür, dass die Bedeutung der Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren nicht überschätzt oder gar einer Gesetzesinitiative des Bundesrates gleichgestellt werden darf.44 Eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung kann daher grundsätzlich bis zur endgültigen Beschlussfassung durch den Bundestag gemäß Art. 77 I GG zurückgenommen oder in verschiedene Einzelgesetze aufgeteilt werden.45 b) Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages Von Pestalozza wendet die von ihm entwickelten Kriterien auch auf den Fall an, dass die Gesetzgebungsinitiative nach Art. 76 I GG von der „Mitte 41

So schon Janson (Fn. 24), S. 318 (321); Fiedler (Fn. 34), S. 9 (10). Fiedler (Fn. 34), S. 9 (10). 43 Fiedler (Fn. 34), S. 9 (10). 44 Zum gleichen Ergebnis bei alter Rechtslage kommt Dittmann (Fn. 17), S. 397 (401 f.), der auf die Beratungsfunktion des Bundesrates und die demgegenüber stärkere Gestaltungsfreiheit des Bundestages abstellt. 45 So auch Fiedler (Fn. 34), S. 9 (10). 42

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des Bundestages“ ausgeht. Eine Dispositions- und damit Aufteilungsbefugnis über die Gesetzesmaterie sei zwar grundsätzlich möglich, weil das Gesetzgebungsverfahren durchaus darauf angelegt sei, die Vorlage noch zu verändern. Dies soll aber dann nicht gelten, wenn diese Disposition ohne vorherigen Anstoß eines anderen Verfassungsorgans geschehe – mithin nicht im Vermittlungsverfahren –, sondern deshalb, weil der Bundestag nicht auf einen gesetzgeberischen Kompromiss hinziele und den Bundesrat umgehen wolle.46 Dagegen lässt sich zunächst schon einwenden, dass die begriffliche Trennung zwischen aktiver und reaktiver Aufteilung im Falle einer Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages nicht eindeutig ist. Stellt man auf die Beteiligung des Bundesrates und dessen Stellungnahme ab, so ist diese gemäß Art. 77 I GG erst nach der endgültigen Beschlussfassung durch den Bundestag möglich. Daraus folgt, dass eine Aufteilung erst dann als reaktiv einzuordnen wäre, wenn sie nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Dann stellt sich allerdings die Frage, wann dies geschehen soll. Es wäre der Fall denkbar, dass ein Gesetz in mehrere Einzelgesetze separiert würde, nachdem der Bundesrat einem vom Bundestag beschlossenen (zustimmungspflichtigen) Gesetz nicht zugestimmt hätte. Dann aber ist das Gesetzgebungsverfahren schon beendet und eine neue Gesetzgebungsinitiative müsste beginnen. Insoweit bleibt für eine reaktive Teilung in diesem Fall kein Raum. Für die Einordnung als reaktive Teilung verbliebe dann nur eine Konstellation, in der der Bundestag vermutet, wie der Bundesrat abstimmen wird, wenn das Gesetz verabschiedet würde und deshalb das Gesetzesvorhaben aufteilt. Wenn man auf die Motivlage abstellte, im Gesetzgebungsverfahren den Bundesrat zu umgehen, könnte man eine reaktive Aufteilung also schon vor der Beteiligung des Bundesrates annehmen.47 Diese Auffassung beruht allerdings – wie gezeigt – auf der verfassungsrechtlich problematischen Grundlage einer subjektiven Motivation, die noch dazu mit dem Problem zu kämpfen hätte, den Zeitpunkt und die Umstände der Willensbildung des Bundesrates zu ermitteln. Dies ist kaum eindeutig nachzuweisen. Der Begriff der reaktiven Teilung würde konturenlos. Es wird deshalb hier vorgeschlagen, auf den Begriff der reaktiven Teilung bei Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages zu verzichten, weil für ihn kein Raum ist. Für die grundsätzliche Annahme einer Verfassungskonformität der Aufteilung bei einer Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundesrates spricht ferner die Bedeutung des Trägers des Initiativrechts, also nach § 76 GOBT von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Bundestagsab46 47

v. Pestalozza (Fn. 35), S. 153 (157). v. Pestalozza (Fn. 35), S. 153 (157), bezieht sich wohl auf dieses Kriterium.

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geordneten. Zwar hat der Bundestag als Verfassungsorgan selbst kein Initiativrecht, sondern ist als Beschlussorgan lediglich Adressat der Gesetzesvorlage. Der Bundestag ist als Versammlung demokratisch gewählter Abgeordneter aber konstitutives Organ der Volkssouveränität, an der die einzelnen Bundestagsabgeordneten ebenfalls partizipieren. Die Aufteilung von Gesetzesvorhaben als Konkretisierung der Gestaltungsfreiheit, die wiederum eine Konkretisierung der Volkssouveränität ist, muss deshalb gerade dann möglich sein, wenn die Gesetzesinitiative von den Abgeordneten selbst ausgeht. Die Aufteilung während des Gesetzgebungsverfahrens ist in diesem Fall im Vergleich zur Bundesregierung als Träger der Gesetzesinitiative erst recht möglich.48 Insgesamt unterliegt eine Aufteilung in mehrere Gesetze während des Gesetzgebungsverfahrens damit den gleichen verfassungsrechtlichen Grenzen wie die Aufteilung vor einer Gesetzesinitiative.49

II. Die Verfassungsmäßigkeit der Aufteilung in LPartDisBG und LPartGErgG In der juristischen Literatur und im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist die Frage aufgeworfen worden, ob die vom Deutschen Bundestag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommene Aufteilung der Regelungen zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft in das LPartDisBG und das LPartGErgG verfassungsmäßig gewesen ist. 1. Die Diskussion über die Qualifizierung der Aufteilung des Gesetzesvorhabens als aktiv oder reaktiv Streit besteht schon über die Einordnung der Aufteilung als aktiv oder reaktiv. Zum Teil ist ohne eingehende Begründung angenommen worden, dass hier eine reaktive Aufteilung vorläge, weil sie vom Rechtsausschuss des Bundestages im Rahmen der Zweiten Lesung – also im laufenden Gesetzgebungsverfahren – vorgenommen worden sei.50 Andere Stimmen ordnen 48 Im Ergebnis auch Fiedler (Fn. 34), S. 9 (10). Ähnlich Janson (Fn. 24), S. 318 (322), und D. Haas (Fn. 18), S. 81 (85), mit Hinweis auf die „Vorrangstellung“ des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren. Gerhard Robbers, Eingetragene Lebenspartnerschaften, in: JZ 2001, S. 779 (780), hält die Figur der reaktiven Teilung für „verfassungsrechtlich nicht relevant“. 49 Auch Kokott (Fn. 11), Art. 77 Rn. 42. 50 Rupert Scholz/Arnd Uhle, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ und Grundgesetz, in: NJW 2001, S. 393 (394), scheinen mit ihrem Hinweis auf die „sich ab-

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die in Rede stehende Trennung des Regelungsvorhabens in zwei Gesetze dagegen als aktiv ein, da sie vor den Beratungen des Bundesrates durchgeführt wurde.51 Den unterschiedlichen Einschätzungen liegt die Tatsache zugrunde, dass in der dargestellten verfassungsdogmatischen Diskussion die Frage der begrifflichen Differenzierung vor allem anhand des in Art. 76 II GG beschriebenen Verfahrens diskutiert wurde. Danach werden Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet, bevor sie dem Bundestag zugehen. Diese Möglichkeit zur ersten Stellungnahme entfällt bei Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages nach Art. 76 I GG. In diesem Fall durchläuft die Vorlage das reguläre Gesetzgebungsverfahren im Bundestag und wird beschlossen, bevor das Gesetz dem Bundesrat vorgelegt wird. Da das Regelungsvorhaben der Konstituierung und Gestaltung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft dieser Konstellation unterfiel, konnte der Bundesrat also erst Stellung nehmen, nachdem der Bundestag die beiden Gesetze beschlossen hatte. Die Einordnung als aktiv oder reaktiv ist bei Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages allerdings wenig ergiebig. Deshalb ist der verfassungsrechtliche Maßstab der Beurteilung die Frage, ob das in Kraft getretene Gesetz ohne das weitere Gesetz, dem der Bundesrat seine Zustimmung verweigert hat, vollziehbar und nicht sinnlos ist. 2. Der Verweis von Normen des LPartDisBG auf einzelne Behörden und die daraus folgende Diskussion über die Zulässigkeit einer Aufteilung Im Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist die Trennung der gesetzlich geregelten Materie in das LPartDisBG und das LPartGErgG aus kompetentiellen Erwägungen für verfassungswidrig gehalten worden. a) Die Berichtigung von Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG Der Rechtsausschuss des Bundestages beschloss am 9. November 2000 das überarbeitete LPartDisBG und das neu normierte LPartGErgG mit der Mehrheit seiner Stimmen. Ziel der dort vorgenommenen Aufteilung der Regelungsmaterie war es, im LPartDisBG die materiell-rechtlichen und im zeichnende Zustimmungsverweigerung des Bundesrates“ vor allem auf die subjektive Motivlage für die Aufteilungsmöglichkeit abzustellen. 51 Forkert (Fn. 38), S. 15; Beck (Fn. 33), S. 1894 (1897).

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LPartGErgG die Verfahrensvorschriften zusammenzufassen.52 Dazu wurden die Hinweise im ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf den Standesbeamten als zuständige Behörde für die Eintragung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft in Art. 1 § 1 LPartDisBG gestrichen und nur noch eine nicht näher konkretisierte „zuständige Behörde“ genannt. Die Entscheidung, welche Behörde dafür zuständig sein solle, wollte man „zunächst den Ländern“ überlassen.53 Auch für die Eintragung eines möglichen Lebenspartnerschaftsnamens sollte nach Art. 1 § 3 I und II LPartDisBG eine nicht näher benannte Behörde zuständig sein. Laut der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses waren die Änderungen dieser Norm Folgeregelungen der geänderten Art. 1 §§ 1, 3 LPartDisBG. Allerdings wurde nicht ausdrücklich der Wortlaut des Art. 1 § 3 III und IV LPartDisBG geändert, in dem ausdrücklich auf den Standesbeamten als zuständige Behörde im Zusammenhang mit Namensregelungen nach Beendigung der Lebenspartnerschaft (Art. 1 § 3 III) sowie bei der Definition des Geburtsnamens (Art. 1 § 3 IV) verwiesen wurde.54 Nachdem der Rechtsausschuss sowie am nächsten Tag auch das Plenum des Bundestages diesem Entwurf – einschließlich des unberichtigten Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG – mehrheitlich zugestimmt hatte und der Bundesrat gegen das LPartDisBG keinen Einspruch einlegte, wies das Bundesministerium der Justiz Bundestag und Bundesrat auf die Erwähnung des Standesbeamten in den genannten Normen hin. Daraufhin erklärten die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat mit Schreiben vom 7. und 12. Dezember 2000 ihre Einwilligung, diese Texte im Wege des Berichtigungsverfahrens zu korrigieren. Am 16. Februar 2001 wurde dann das LPartDisBG ausgefertigt und verkündet, in dessen Art. 1 § 3 III, IV nicht mehr auf den Standesbeamten verwiesen wurde.55 aa) Möglichkeit und Grenzen der Berichtigung unter dem Grundgesetz Im Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum LPartDisBG ist nun vorgetragen worden, dem Gesetz hätte der Bundesrat zu seiner Wirksamkeit zustimmen müssen, weil in Art. 1 § 3 III und IV des dem Plenum des Bundestages vorliegenden Entwurfs des LPartDisBG der Standesbeamte genannt worden sei. Da diese Bestimmungen aber als Ver52

So die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4550, S. 5. BT-Drucks. 14/4550, S. 6. 54 Vgl. den Beschlusstext des Rechtsausschusses von Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG in BT-Drucks. 14/4545, S. 5, nach dem diese Absätze „unverändert“ vom ursprünglichen Entwurfstext in den vom Rechtsausschuss beschlossenen Entwurf des LPartDisBG übernommen wurden. 55 Siehe BGBl. I, S. 267. 53

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fahrensregelungen nach Art. 84 I GG der Verwaltungshoheit der Länder unterfielen, sei das Gesetz zustimmungspflichtig. Der Bundesrat habe seine Zustimmung nicht erteilt, so dass das LPartDisBG formell verfassungswidrig zustande gekommen sei. Eine Korrektur im Wege des Berichtigungsverfahrens sei unzulässig.56 Ob diese Ansicht zutreffend ist, hängt vom verfassungsrechtlichen Maßstab des Grundgesetzes für normative Berichtigungen ab. (1) Verfassungsdogmatische Begründung der Möglichkeit, offenbare Unrichtigkeiten zu berichtigen Die Skepsis gegenüber nachträglichen Berichtigungen kann als ihre verfassungsrechtliche Grundlage eine funktionale Sicht der Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens anführen. Nach Art. 78 GG kommt ein Bundesgesetz zustande, wenn der Bundesrat sich entsprechend einer der in diesem Artikel genannten Reaktionsmöglichkeiten auf das Gesetz verhält. Nach ordnungsgemäßem Abschluss des Verfahrens durch Bundestag und Bundesrat steht das Gesetz mit dem vom Bundestag unter Beteiligung des Bundesrates beschlossenen Inhalt fest und kann nach diesem Zeitpunkt nur im Rahmen eines neuen Gesetzgebungsverfahrens geändert werden. Dieses auch als Grundsatz der absoluten Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums57 bezeichnete verfassungsrechtliche Axiom58 ist Ausdruck der schon erwähnten Selbstbindung der Volkssouveränität durch die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens und damit zugleich der Selbstbindung des Gesetzgebers an das von ihm Beschlossene. Das allgemein anerkannte Prinzip der Selbstbindung durch den formalen Abschluss der Beteiligung von Bundestag und Bundesrat soll den im Gesetzesinhalt zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers konstituieren und stabilisieren. Insofern ist der Grundsatz der Unverrückbarkeit des Votums auch materieller Natur, der durch die Beachtung des formalen Ablaufs des Verfahrens gesichert wird. Daraus folgt die Möglichkeit einer 56 So zusammengefasst die Position der Antragssteller im Normenkontrollverfahren in BVerfGE 105, 313 (320 f.). 57 Masing (Fn. 11), Art. 78 Rn. 2; Bryde (Fn. 11), Art. 77 Rn. 6, 78 Rn. 2; Kokott (Fn. 11), Art. 78 Rn. 4; Maunz (Fn. 11), Art. 78 Rn. 8. 58 Vgl. zur Begründung des Verfassungsrangs dieses Grundsatzes Eckart Schiffer, Feststellung des Inhalts und Änderung von Beschlüssen sowie Berichtigungen im Gesetzgebungsverfahren, in: Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle. Festschrift für Hans Schäfer, hrsg. von Eckart Schiffer und Helmut Karehnke, 1975, S. 39 (46), der ihn primär aus dem Demokratieprinzip ableitet. Für Johann-Friedrich Staats, Zur Berichtigung von Gesetzesbeschlüssen des Bundestages wegen Redaktionsversehen, in: ZRP 1974, S. 183 (185), ist die Berichtigungsmöglichkeit aufgrund der langen Staatspraxis „verfassungsrechtliches Gewohnheitsrecht“.

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Korrektur von Druck-, Orthographie- oder Interpunktionsfehlern im Gesetzestext auch nach dem Zustandekommen des Gesetzes und ohne ein neues Gesetzgebungsverfahren zu durchlaufen, weil der Wille des Gesetzgebers insoweit nicht beeinträchtigt wird. Neben diesen die sprachliche Richtigkeit korrigierenden Berichtigungen werden auch solche für verfassungskonform gehalten, die andere offenbare Unrichtigkeiten korrigieren.59 Der qualitative Unterschied zwischen beiden Fehlertypen liegt darin, dass bei ersterem nur die sprachliche Gestalt, bei letzterem der Inhalt des Textes korrekturbedürftig ist. Eckart Schiffer unterscheidet bei inhaltlichen Fehlern noch zwischen offenbaren Unrichtigkeiten, die als solche aus dem Text selbst erkannt und sonstigen Unstimmigkeiten, die vom objektivierten Willen des Gesetzgebers abweichen, aber nur mittels einer Normexegese als Fehler angesehen werden können. Beide sollen seiner Ansicht nach dem Berichtigungsverfahren im Gegensatz zu einer dritten Gruppe, den inhaltlichen Ungereimtheiten, zugänglich sein. Bei dieser Fehlerart decken sich nämlich der verlautbarte Gesetzesinhalt und der Wille des Gesetzgebers, auch wenn aus systematischen oder anderen dogmatischen Gründen innere Widersprüche des Gesetzes bestehen.60 Die von ihm vorgenommene Dreiteilung hat ihre Schwäche darin, dass diese Differenzierung keinen überzeugenden verfassungsrechtlichen Ansatzpunkt besitzt. Die Unterscheidung zwischen den inhaltlichen Fehlern der Verlautbarung, die vom gesetzgeberischen Willen nicht umfasst und damit durch ein Berichtigungsverfahren korrekturfähig sind und den Fehlern, die Ausdruck des legislativen Willens bei der Beschlussfassung sind und damit nur durch ein neues Gesetzgebungsverfahren berichtigt werden können, ist durchaus zutreffend, weil sie auf den gesetzgeberischen Willen und den Umfang seiner Selbstbindung abstellt. Dazu bedarf es aber einer nochmaligen Unterscheidung zwischen „offensichtlichen“ und „sonstigen“ Unstimmigkeiten nicht. Ob ein Fehler auf den ersten Blick oder nur nach einer textlichen Exegese erkennbar ist, ist für die Frage nach der verfassungsrechtlichen Relevanz des Berichtigungsverfahrens nicht entscheidend. Deshalb ist die nachträgliche Korrektur eines Fehlers gerechtfertigt, wenn der gesetzgeberische Wille nicht auch diesen Fehler umfasst.61 In diesem Fall wird durch eine Berichtigung der Wille des Gesetzgebers nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil sogar gewahrt. 59

BVErfGE 48, 1 (18); Maunz (Fn. 11), Art. 78 Rn. 11. Schiffer (Fn. 58), S. 39 (50 f.). 61 Auch Andreas Reich, Korrekturen im Gesetzestext, in: DÖV 1973, S. 846 (847); skeptisch wegen der „Formstrenge des Gesetzgebungsverfahrens“ Ottobert L. Brintzinger, Ein legislativer Irrtum?, in: JZ 1972, S. 372 (373). 60

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Dieser Aspekt, der auf die Stabilisierung des gesetzgeberischen Willens durch die Korrektur abstellt, spielt in der verfassungsrechtlichen Literatur und in der Rechtsprechung bei der Begründung der Berichtigungsmöglichkeit nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen wird die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Argumentationstopos herangezogen bzw. negativ damit argumentiert, dass das Durchlaufen eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens unverhältnismäßig oder ein „sinnloser und funktionswidriger Formalismus“ sei.62 Diese verfassungsdogmatische Begründung vermag allerdings nicht mögliche verfassungsrechtliche Grenzen der Berichtigung aufzuzeigen. (2) Verfassungsrechtliche Grenzen der Berichtigungsmöglichkeit Hans Troßmann ist dem Ansatz, bei der Ermittlung einer offenbaren Unrichtigkeit auf den gesetzgeberischen Willen abzustellen, mit der Begründung entgegengetreten, dieser konkretisiere sich im Wortlaut des Normtextes und stehe nicht neben ihm. Der gesetzgeberische Wille könne daher nur als Auslegungskriterium für ein bestehendes Gesetz dienen, jedoch nichts zur Frage beitragen, mit welchem Normtext ein Gesetz zustande gekommen sei.63 An dieser Kritik ist zutreffend, dass sich der gesetzgeberische Wille regelmäßig im beschlossenen Gesetz konkretisiert. Ein inhaltlich in sich widersprüchliches, unvollständiges oder mit anderen Mängeln behaftetes Gesetz, dessen Unzulänglichkeit sich erst nach seinem Zustandekommen herausstellt, kann nicht mit der Berufung auf einen imaginären objektivierten gesetzgeberischen Willen durch ein Berichtigungsverfahren korrigiert werden. Dies würde dem Grundsatz der Unverrückbarkeit des gesetzgeberischen Votums widersprechen, das durchaus auch mit inhaltlichen Mängeln behaftete Gesetze umfassen kann. Allerdings basiert dieser Grundsatz – wie oben dargelegt – auf der verfassungsrechtlichen Prämisse der Selbstbindung als Ausdruck ausgeübter Volkssouveränität. Wenn aber aufgrund bestimmter Tatsachen feststeht, dass die Konkretisierung der Selbstbindung nicht derjenigen in der niedergelegten Textfassung entspricht, muss diese fehlerhafte Konkretisierung korrigierbar sein. Das Votum des Gesetzgebers kann folglich, wenn es eindeutig erkennbar ist, auch dadurch beeinträchtigt werden, dass Textfassungen der entsprechenden Normen bei der Schlussabstimmung vorlagen, die beispielsweise nicht Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens 62 BVerfGE 48, 1 (18); Masing (Fn. 11), Art. 78 Rn. 4; Jürgen Jekewitz, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 78 Rn. 4; Kokott (Fn. 11), Art. 78 Rn. 5. 63 Hans Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, Anh. § 88 Rn. A 5.2.

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waren. Der Grundsatz der Unverrückbarkeit kann für diese Art von Fehlern nicht gelten, weil unverrückbar nur das sein kann, was der Gesetzgeber beschließen wollte, nicht was er im Wortlaut beschlossen hat. Sonst wären nämlich schon orthographische Fehler nicht korrekturfähig. Insofern muss der gesetzgeberische Wille, der freilich an das konkrete Gesetz gebunden ist und im Rahmen der Berichtigung kein „idealer“ sein kann, bei der Frage der Definition der Unrichtigkeit eine zentrale Rolle spielen. Aus dem hier gewählten Begründungsansatz, die Abbildung des gesetzgeberischen Willens als funktionales Ziel des Berichtigungsverfahrens anzusehen, ergeben sich die verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Ermittlung von Kriterien für die Auslegung des Begriffes der offenbaren Unrichtigkeit. Insofern liegt eine enge Auslegung nahe, weil der dem Norminhalt zugrunde liegende gesetzgeberische Wille durch ein Berichtigungsverfahren außerhalb des regulären Gesetzgebungsverfahrens in keinem Falle angetastet werden darf.64 Nur auf ihn kommt es an. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dieser eindeutig feststellbar, eine Unrichtigkeit also offenbar ist. Wenn es keine textliche Bezugsgrundlage für die Feststellbarkeit dieses Willens gibt oder dieser nicht eindeutig aus ihr erkannt werden kann, ist eine Korrektur in einem Berichtigungsverfahren nicht möglich, weil das entscheidende Kriterium für eine Korrektur – der gesetzgeberische Wille – nicht sicher feststeht. Die Gefahr, den legislativen Willen fehlerhaft zu interpretieren, wäre in diesem Fall unvertretbar groß.65 Darüber hinaus wird in der Literatur auch darauf abgestellt, ob zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung der Fehler für jeden Abgeordneten nachweislich erkennbar gewesen sei. Dies sei nur dann zu bejahen, wenn die korrekte Normfassung einer allgemein zugänglichen Quelle hätte entnommen werden können.66 Hinter dieser Auffassung steht der Grundgedanke, dass der im Gesetz feststellbare Wille des Gesetzgebers nur dann zweifelsfrei festgestellt werden kann, wenn der zumindest potentielle Wissenstand der Abgeordneten bezüglich des Beschlussgegenstandes bei der Abstim64 So dann auch im Ergebnis BVerfGE 48, 1 (18); Masing (Fn. 11), Art. 78 Rn. 4; Jekewitz (Fn. 62), Art. 78 Rn. 4; Kokott (Fn. 11), Art. 78 Rn. 5; Fritz Ossenbühl, § 63: Verfahren der Gesetzgebung, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, Rn. 68; Hans Troßmann/Hans-Achim Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1981, § 122 Rn. 3; Schiffer (Fn. 58), S. 39 (52); Reich (Fn. 61), S. 846 (848); Günther Schultz, Blick in die Zeit, in: MDR 1973, S. 372 (373). Stern (Fn. 26), § 37 III 12, S. 638 f., und Troßmann (Fn. 63), Anh. § 88 Rn. A 5, grenzen die offenbaren Unrichtigkeiten insofern analog § 319 ZPO von Fehlern ab, die nicht reine Ausdrucksmängel bei ansonsten klarem gesetzgeberischem Willen sind. 65 Ähnlich Michael Kirn, Die „Berichtigung“ von beschlossenen noch nicht ausgefertigten und verkündeten Gesetzen, in: ZRP 1973, S. 49 (51). 66 Staats (Fn. 58), S. 183 (185). Auch bei Ottobert L. Brintzinger, Noch einmal: Legislativer Irrtum?, in: JZ 1973, S. 54, klingt diese Auffassung an.

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mung ermittelbar ist. Allerdings berücksichtigt dieser Gedankengang nicht ausreichend die Möglichkeit, aus einer Gesamtwürdigung der Gesetzgebungsmaterialien auf den gesetzgeberischen Willen zu schließen. Dieser ist nämlich nicht mit dem Kenntnisstand der abstimmenden Abgeordneten identisch, sondern Ergebnis einer Vielzahl von durch das Gesetzgebungsverfahren geregelten Faktoren, die auf einen Gesetzentwurf einwirken.67 Insofern ist zwar die Einsicht zutreffend, dass dem Gesetzgeber kein Willen unterstellt werden darf, den er zu keinem Zeitpunkt gefasst hatte. Der Zeitpunkt, um ihn zu ermitteln, kann jedoch nicht nur die Schlussabstimmung sein, sondern muss in einer Gesamtschau das ganze Gesetzgebungsverfahren umfassen, insbesondere alle Gesetzgebungsmaterialien wie etwa die in Bundestagsdrucksachen niedergelegten Beschlüsse der Ausschüsse des Bundestages.68 Diese Sicht wird auch der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Ausschüsse als wichtigem Element des Gesetzgebungsverfahrens gerecht. Es ist deshalb kein Widerspruch und keine Überdehnung des anzulegenden engen Maßstabs, wenn als Folge der gesetzgeberischen Intention der bei der Schlussabstimmung dem Parlament vorgelegene Normtext korrigiert wird. Zwar konkretisiert sich der gesetzgeberische Wille zuvörderst im Normentext selbst. Wenn letzterer aber evident im Widerspruch zu den Intentionen der Parlamentsmehrheit steht, die sich in den parlamentarischen Beratungen des Gesetzgebungsverfahrens konkretisiert haben, muss dies bei der Ermittlung des gesetzgeberischen Willens berücksichtigt werden. Insofern kommt es auf eine Gesamtschau der Beratungen des Gesetzgebers an und nicht ausschließlich auf die Schlussabstimmung. Für die Annahme einer Gesamtbetrachtung spricht schließlich, dass das Gesetzgebungsverfahren eine Einheit darstellt, die – zumindest was die gesetzgeberische Intention angeht – nicht in je einzelne Abschnitte aufgeteilt werden kann. Darauf weist etwa der in § 125 I GOBT niedergelegte Grundsatz der sachlichen Diskontinuität hin. Das schon begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren soll danach nicht fortgeführt werden, weil sich durch eine nach einer Neuwahl des Bundestages bedingten Änderung der personellen Zusammensetzung der demokratisch legitimierte gesetzgeberische Wille geändert haben könnte. Demnach wird auch dort der Zusammenhang zwischen einem einheitlichen Gesetzgebungsverfahren und dem in diesem Verfahren mit dem Beschluss des Gesetzes konkretisierten Willen des Gesetzgebers gesehen.

67 68

Kirn (Fn. 65), S. 49 (51). So auch BVerfGE 105, 313 (335).

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(3) § 122 III 2 GOBT als einfachgesetzliche Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Überlegungen Die dargelegten verfassungsdogmatischen Grundsätze haben ihren Niederschlag in § 122 III 2 GOBT gefunden, nach dem nach Übersendung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurfs der Bundestagspräsident den Bundesratspräsidenten bei Druckfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten um eine Berichtigung bitten kann.69 Voraussetzung der Anwendung dieser Norm ist allerdings, dass das Gesetz dem Bundesrat noch zur Entscheidung vorliegt und ihn nicht schon passiert hat, mithin das Gesetz noch nicht zustande gekommen ist. Wenn dies geschehen sein sollte, besteht die Möglichkeit, dass das für die Regelungsmaterie zuständige Bundesministerium den Fehler mit Zustimmung der Präsidenten von Bundestag und Bundesrat nach § 61 II GGO70 berichtigt. Da das LPartDisBG schon vom Bundestag beschlossen und ohne Einspruch des Bundesrates somit i. S. v. Art. 78 GG zustande gekommen war, wurde vor Ausfertigung und Verkündung das Berichtigungsverfahren nach § 61 II GGO gewählt, um Art. 1 § 3 III und IV LPartDisBG aus dem ursprünglichen Textentwurf zu streichen. bb) Zulässigkeit und Begründetheit des Berichtigungsverfahrens bei Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG Die Streichung des Art. 1 § 3 III und IV LPartDisBG mittels des Berichtigungsverfahrens nach § 61 II GGO war zulässig und begründet. An der Zulässigkeit ergeben sich keine Zweifel. Das in § 61 II GGO beschriebene Verfahren ist eingehalten worden, die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat hatten sich ausdrücklich mit der Berichtigung durch das federführende Bundesministerium der Justiz einverstanden erklärt. Die Berichtigung war in diesem Fall auch begründet. In Anwendung der vorstehend beschriebenen Grundsätze lag ein Fall einer offenbaren Unrichtigkeit vor.71 69 Davor war umstritten, ob der Bundestagspräsident mit Zustimmung des Bundestages allein eine Berichtigung nach der Schlussabstimmung vornehmen kann; verneinend etwa Hugo Marx, Kann der Bundestag seinen Präsidenten ermächtigen, redaktionelle Änderungen an einem von ihm angenommenen Gesetz vorzunehmen?, in: DVBl. 1967, S. 716 (716 f.). 70 Bei dieser „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien“ (GGO) handelt es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um eine Zusammenfassung von gemeinsamen innerdienstlichen Vorschriften der einzelnen Bundesministerien, vgl. Kirn (Fn. 65), S. 49 (50) m. w. N.

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Eine offenbare Unrichtigkeit ist dann anzunehmen, wenn der durch das Gesetz konkretisierte gesetzgeberische Wille von der im Gesetzestext niedergelegten Norm abweicht. Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen einer Gesamtbetrachtung zur Ermittlung dieses Willens bezweckte der Gesetzgeber mit der Aufteilung der Regelungsmaterie in das LPartDisBG und das LPartGErgG die Zusammenfassung aller i. S. d. Art. 84 I GG relevanten Behördenzuständigkeits- und Verfahrensregelungen im LPartGErgG. Dazu sollte bei der Eintragung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft das Standesamt als zuständige Behörde nur in diesem Gesetz,72 nicht jedoch im LPartDisBG genannt werden.73 In der Erläuterung der einzelnen Vorschriften wurde vom Rechtsausschuss hinsichtlich Art. 1 § 3 LPartDisBG ausdrücklich erwähnt, dass die am Entwurf vorgenommenen Änderungen dieser Norm „Folgeregelungen zur Änderung von § 1 Abs. 1 LPartG (vgl. Begründung zu § 1 Abs. 1 LPartG)“ seien. Dort wird festgehalten, dass der Entwurf auf die Benennung einer Behörde verzichte, die für die Eintragung der Lebenspartnerschaft zuständig sein solle. Außerdem wird im vom Rechtsausschuss beschlossenen Entwurf des LPartGErgG ausdrücklich in seinem Art. 1 „Änderung des Lebenspartnerschaftsgesetzes“ in Nr. 2 bei der Änderung des Art. 1 § 3 LPartDisBG eine Neufassung dieser Norm statuiert, deren Absätze 3 und 4 aber mit dem ebenfalls beschlossenen Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG übereinstimmen. Einer Neufassung des Art. 1 § 3 LPartDisBG durch das LPartGErgG hätte es aber gar nicht bedurft, wenn der Rechtsausschuss davon ausgegangen wäre, dass die Absätze 3 und 4 unverändert bleiben sollten. Vielmehr hätte es ausgereicht, wenn nur die ersten beiden Absätze des Art. 1 § 3 LPartDisBG durch die Bezeichnung des Standesbeamten als zuständige Behörde im LPartGErgG geändert worden wären. So hat man etwa in Art. 1 Nr. 1 LPartGErgG nicht den gesamten Art. 1 § 1 LPartDisBG neu gefasst, sondern nur diejenigen Absätze dieser Norm, die sich mit der zuständigen Behörde befassten.74 Dieser Umstand spricht deshalb dafür, dass es sich bei der unveränderten Textfassung von Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG um ein redaktionelles Versehen und nicht um die Intention des Gesetzgebers gehandelt hat.75 Diese Annahme wird argumentativ untermauert, wenn man den zeitlichen Ablauf im Gesetzgebungsverfahren bezüglich der Änderung von Art. 1 71 Zustimmend Robbers (Fn. 48), S. 779 (781). Ablehnend Thomas Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 751, der die Berichtigung des Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG für eine Schmälerung der Autorität des Gesetzgebers hält. 72 Art. 1 Nr. 1 LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545. 73 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4550, S. 6. 74 BT-Drucks. 14/4545, S. 69. 75 BVerfGE 105, 313 (336 f.); Wölfl (Fn. 11), S. 334.

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§ 3 III, IV LPartDisBG und der Streichung aller Hinweise auf den Standesbeamten betrachtet. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten nämlich sowohl in den federführenden Rechtsausschuss als auch in die Ausschüsse für Arbeit und Sozialordnung und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Änderungsanträge zum LPartDisBG eingebracht, in denen in Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG nicht mehr auf den Standesbeamten verwiesen wurde. Diese Anträge wurden in den Ausschüssen mehrheitlich beschlossen,76 aber anschließend nicht in die dem Rechtsausschuss vorliegende Textfassung des LPartDisBG eingearbeitet. Dies kann deshalb nur versehentlich geschehen sein.77 Ein weiteres Indiz für diese Annahme ist der Umstand, dass der Hinweis auf den Standesbeamten in Art. 1 § 3 IV LPartDisBG bei der Definition des Geburtsnamens systemwidrig wäre, wenn ansonsten diese Behörde im Regelungsrahmen des Lebenspartnerschaftsnamens gerade nicht erwähnt würde. Art. 1 § 3 IV LPartDisBG bezeichnet als Geburtsnamen den Namen, der in die Geburtsurkunde eines Lebenspartners zum Zeitpunkt der Erklärung gegenüber dem Standesbeamten einzutragen ist. Es fragt sich, um welche Erklärung es sich handeln soll, die gegenüber dem Standesbeamten abzugeben ist, wenn bis auf den Absatz 3 dieser Norm vom Standesbeamten bei der Begründung der Lebenspartnerschaft und deren Wirkungen im LPartDisBG nirgends die Rede ist. Die Auffassung, der Absatz 4 beziehe sich nur auf den Absatz 3 von Art. 1 § 3 LPartDisBG, ist nicht zutreffend, weil dann unklar bliebe, wie der Geburtsname in den übrigen Fällen des Art. 1 § 3 I, II LPartDisBG definiert würde, in denen Erklärungen gegenüber dem Standesbeamten ausdrücklich nicht vorkommen, sondern nur von Erklärungen gegenüber der zuständigen Behörde die Rede ist. Sollte diese mit dem Standesbeamten nicht identisch sein, würde sich bei der Annahme, der Art. 1 § 3 IV LPartDisBG in der Textfassung der BT-Drucks. 14/4545, S. 5, sei korrekt, eine Regelungslücke ergeben. Dies kann nicht vom Gesetzgeber gewollt gewesen sein, zumal im Rechtsausschuss dieser Umstand gar nicht erörtert worden ist. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Problematik und seinen Ausführungen zur Intention, die Verfahrensregelungen im LPartGErgG zusammenzufassen und folglich auch in Art. 1 § 3 I, II die Hinweise auf den Standesbeamten als zuständige Behörde zu streichen, ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung, dass eine offenbare Unrichtigkeit vorlag, die dem Berichtigungsverfahren nach § 61 II GGO zugänglich war. 76 Dies wird im Bericht des Rechtsausschusses ausdrücklich für die genannten Ausschüsse erwähnt, BT-Drucks. 14/4550, S. 2 ff. 77 BVerfGE 105, 313 (336), erwähnt diese Schlussfolgerung zwar nicht ausdrücklich, die Annahme liegt allerdings nach den Ausführungen dazu nahe; ähnlich Robbers (Fn. 48), S. 779 (781).

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Diese Annahme wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass während der Plenardebatte im Rahmen der zweiten Lesung auf die offenbare Unrichtigkeit hingewiesen, der Text aber vor der Schlussabstimmung durch das Parlament nicht mehr korrigiert wurde. Aus diesem Umstand wird gefolgert, die für die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit vorausgesetzte Differenz zwischen der verlautbarten Erklärung und dem gesetzgeberischen Willen liege gerade nicht vor, weil den anwesenden Abgeordneten die Problematik des Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG bekannt war bzw. hätte bekannt sein müssen.78 Die Prämisse dieser Ansicht, eine offenbare Unrichtigkeit bestehe, wenn der Wille des Gesetzgebers von seinen durch Gesetz konkretisierten Erklärungen abweicht, ist zutreffend. Ihre Schlussfolgerung greift aber zu kurz, wenn sie allein die Plenardebatte im Bundestag zum entscheidenden Kriterium für die gesetzgeberische Intention macht. Dies wäre nur dann möglich, wenn der Gesetzestext als Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens, der Grundlage einer Plenardebatte ist, korrekt wiedergeben ist. Das war aber beim Textentwurf des LPartDisBG nicht der Fall. Gerade weil Johann Braun konzediert, dass während der Plenardebatte die Problematik den Abgeordneten mit Ausnahme des rechtspolitischen Sprechers der CDU/CSUFraktion nicht aufgefallen ist, kann daraus im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Mehrheit des Bundestages das Gesetz in der Textfassung beschließen wollte, die Ergebnis der Ausschussberatungen war, und eine bewusste Abweichung durch die Abstimmung im Plenum nicht beabsichtigte. Insofern hindert dieser Umstand nicht die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne eines Verlautbarungsirrtums. Die Berichtigung von Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG war mithin begründet, eine Verletzung von Art. 84 I GG lag nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht ist der gleichen Auffassung.79 Die Argumentation stellt zu Recht primär auf den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ab und beruft sich insbesondere auf die Intention des Gesetzgebers bei der Streichung des Standesbeamten in Art. 1 §§ 1 und 3 I, II LPartDisBG. Soweit sich das Gericht bei der Annahme, es handele sich bei Art. 1 § 3 III, IV LPartDisBG in der Textfassung der BT-Drucks 14/4545 um eine offenbare Unrichtigkeit, auf die (stillschweigende) Zustimmung der Obleute der Fraktionen in der mündlichen Verhandlung beruft, die der Behauptung des rechtspolitischen Sprechers von Bündnis 90/Die Grünen, einer Berichtigung sei im Rechtsausschuss zugestimmt worden, nicht ausdrücklich widersprochen hätten,80 kann dieser Begründung nur insoweit gefolgt 78 79

So Johann Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, 2002, S. 57 f. BVerfGE 105, 313 (334 ff.).

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werden, als die Zustimmung nur ein Indiz für den aus den Gesetzgebungsmaterialien gewonnenen gesetzgeberischen Willen ist. Nach § 61 I 2 GGO weisen alle beteiligten Stellen das federführende Ministerium auf offenbare Unrichtigkeiten hin. Dies hat das Sekretariat des Rechtsausschusses auch getan. Allerdings ist die Zustimmung der Fraktionen oder eines Ausschusses des Bundestages zur Berichtigung für die Zulässigkeit eines Berichtigungsverfahrens nicht erforderlich. Außerdem sind an die Definition der offenbaren Unrichtigkeit inhaltliche Kriterien angelegt, deren Fehlen nicht durch eine – womöglich auch noch nachträgliche – formelle Zustimmung der Beteiligten kompensiert werden kann. Diese kann ein Indiz für den dem Gesetz zugrunde gelegten gesetzgeberischen Willen sein, jedoch nur im Zusammenhang mit weiteren diesbezüglichen Hinweisen aus dem Gesetzgebungsverfahren zur inhaltlichen Normengestaltung. Nähme man die Zustimmung der Bundestagsfraktionen zur Berichtigung als alleiniges Kriterium zur inhaltlichen Qualifikation eines bestimmten Normtextes als offenbare Unrichtigkeit, so würde man unzutreffend von einer formellen Handlung auf eine materielle Begriffsdefinition schließen. Das wäre methodisch unzulänglich, zumal eine solche Zustimmung im Rahmen des Berichtigungsverfahrens auch gar nicht erforderlich ist. Als alleinige Argumentationsbasis für eine inhaltliche Qualifizierung ist die Zustimmung der Fraktionen zur Berichtigung daher von untergeordneter Relevanz. b) Mittelbare Verweisungen im LPartDisBG auf Behörden als mögliche Verfahrensregelungen i. S. v. Art. 84 I GG Unabhängig von der Berichtigungsproblematik des Art. 1 § 3 LPartDisBG stellt sich allerdings die Frage, wie die Länder in verfassungskonformer Weise darauf reagieren sollten, wenn im Gesetzestext nur noch von einer „zuständigen Behörde“ die Rede ist, ohne dass diese konkret benannt wird. Nach Ansicht der Antragsteller im Normenkontrollverfahren müssten die Länder diese Regelungslücke durch Normsetzung schließen, wofür diese aber nach Art. 74 I Nr. 2 GG keine Kompetenz hätten, da das (bundesrechtliche) Personenstandsgesetz das Personenstandswesen i. S. d. Norm abschließend regele. Selbst wenn letzteres nicht angenommen werde, so sei durch die Einführung eines bundesweiten neuen Rechtsinstituts in Art. 1 § 1 I LPartDisBG doch eine bundeseinheitliche Regelung durch die Länder determiniert, zu der diese aber nicht verpflichtet werden könnten. Diese verfassungswidrige Verpflichtung müsse hier deshalb angenommen werden, weil bestimmte rechtliche Regelungen des LPartDisBG wiederum eine Verfahrensgestaltung im Sinne der Zuständigkeit des Standesbeamten präjudizier80

BVerfGE 105, 313 (337).

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ten.81 Einige der durch das LPartDisBG geänderten oder neu gefassten Normen des einfachen Rechts verwiesen nämlich zumindest mittelbar auf den Standesbeamten als zuständige Behörde. Dazu gehörte etwa die Einfügung eines Art. 17a EGBGB a. F. – nunmehr: Art. 17b EGBGB – durch Art. 3 § 25 LPartDisBG zur Wahl des künftigen Namens, der auf den in Art. 10 II EGBGB genannten Standesbeamten verweist, die Erweiterung des Kreises der Berechtigten um Lebenspartner bei der Änderung des Geburtsnamens in Art. 3 § 6 LPartDisBG zur Änderung des Minderheiten-Namensänderungsgesetzes oder der §§ 27a, 29 IV und 31 I AuslG a. F. durch Art. 3 § 11 LPartDisBG, schließlich der durch Art. 3 § 16 Nr. 10 LPartDisBG geänderte § 661 III Nr. 1b ZPO, der eine Zuständigkeitsregelung für von einem deutschen Standesbeamten geschlossene Lebenspartnerschaften enthält. Ein Verstoß gegen die durch Art. 84 I GG geschützte Kompetenz der Länder für die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren liegt aber nicht vor. Bei keiner der o. g. Normänderungen besteht eine zwingende Festlegung auf eine bestimmte Behörde. Nur in diesem Fall müsste der Bundesrat den entsprechenden Normen zustimmen, wenn das LPartDisBG in Kraft treten sollte. Der von diesen Regelungen hergestellte Konnex zwischen dem Standesbeamten oder einer anderen Behörde und dem neuen Rechtsinstitut ist nicht so eng, dass der Standesbeamte zwingend für Belange der Eingetragenen Lebenspartnerschaft zuständig sein muss. Vielmehr ist auch eine nur analoge Anwendung wie bei Art. 17b i. V. m. 10 II EGBGB oder § 661 III Nr. 1b ZPO denkbar, zumal nach dem Willen des Gesetzgebers der im LPartG-E zunächst statuierte Standesbeamte nach der Aufteilung im LPartDisBG gerade nicht mehr die zuständige Behörde sein sollte. Für den Verweis des Art. 17b i. V. m. 10 II EGBGB ist dies auch deshalb einleuchtend, weil in Art. 17b II 1 EGBGB ausdrücklich von einer entsprechenden Geltung des Art. 10 II EGBGB die Rede ist. Außerdem regelt Art. 10 II EGBGB die Bezeichnung eines gemeinsamen Ehenamens bei Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit. Es liegt daher angesichts des Regelungsziels des Art. 10 II EGBGB nahe, die Benennung der dafür zuständigen Behörde bei Lebenspartnerschaften den Ländern zu überlassen, wenn man berücksichtigt, dass dies bei Namensangelegenheiten in Art. 1 § 3 LPartDisBG auch ähnlich geregelt bzw. – wie oben erörtert – zu Recht berichtigt wurde.82 Auch § 661 III ZPO verweist ausdrücklich auf eine entsprechende Anwendung des § 606a ZPO und erwähnt den in § 661 III Nr. 1b ZPO ge81

Ausführungen der Antragsteller zusammengefasst in BVErfGE 105, 313 (319). Für den Fall des Art. 17b II 1 EBGB sieht dies Rauscher (Fn. 71), Rn. 751, anders. Er hält die Verweisung auf Art. 10 II EGBGB für zustimmungsbedürftig. 82

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

nannten deutschen Standesbeamten als Maßgabe zur entsprechenden Geltung des § 606a ZPO. § 661 III Nr. 1b ZPO kann mit Hinweis auf diese im Gesetz selbst erwähnte entsprechende Anwendung deshalb zutreffend derart ausgelegt werden, dass damit die für die Eintragung der Lebenspartnerschaft zuständige Behörde und nicht in jedem Fall der Standesbeamte gemeint ist.83 Das Recht der Behördeneinrichtung durch die Länder wird im Übrigen nach der Rechtsprechung auch dann nicht beschnitten, wenn in einem der Behörde bisher schon zugewiesenen Aufgabenbereich nur der Kreis der Berechtigten erweitert wird. Zwar gehört zur Einrichtung der Behörden auch deren Aufgabenzuweisung, weil sonst die bloße Konstituierung ohne einen ihnen zugewiesenen Tätigkeitsraum funktionell sinnlos bliebe.84 Durch eine ergänzende Erweiterung des Berechtigtenkreises innerhalb eines ihr schon zugewiesenen Tätigkeitsfeldes ändert sich aber nicht die qualitative, sondern nur die quantitative Dimension der Behördentätigkeit. Letzteres ist keine Veränderung der Behördenzuständigkeit i. S. v. Art. 84 I GG.85 Dieses Ergebnis lässt sich verfassungssystematisch mit der föderalen Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern belegen: Durch Art. 84 I GG soll sichergestellt werden, dass bei Bundesgesetzen die behördliche Ausgestaltung durch landeseigene Behörden nicht gegen den Willen der Länder stattfindet. Damit wird die Kernkompetenz der Verwaltungshoheit durch die Länder geschützt. Wenn nun aber nach dem Willen der Länder bestimmte landeseigene Behörden durch Bundesgesetz zugewiesene Aufgaben übernommen haben, dann bedarf das Land in diesem Fall nicht mehr eines absoluten Schutzes, da die Übernahme dieser Aufgaben gerade dem Willen des Landes und damit seiner Verwaltungshoheit entspricht. Eine rein quantitative Erweiterung, die nicht eine funktionale Veränderung des Aufgabenbereichs der Behörde beinhaltet, ist daher ebenfalls von der durch die Behördeneinrichtung zum Ausdruck gebrachten Konkretisierung der Verwaltungshoheit umfasst und kann nicht gleichzeitig eine Verletzung derselben sein. So steht es hier mit der Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten im MindNamÄndG und AuslG. Ein Eingriff in die Länderkompetenz gemäß Art. 84 I GG lag daher nicht vor.86

83

Siehe auch Wölfl (Fn. 11), S. 334. Auch Peter Lerche, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 84 Rn. 25. 85 BVerfGE 75, 108 (150 f.); Siegfried Broß, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl., 2003, Art. 84 Rn. 8. 86 BVerfGE 105, 313 (332 ff.); Wölfl (Fn. 11), S. 311 f.; Robbers (Fn. 48), S. 779 (780). 84

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit

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3. Die Problematik einer möglichen Sinneinheit zwischen LPartDisBG und LPartGErgG Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Aufteilung ist im Schrifttum mit weiteren Argumenten z. T. sogar als „evident“ verneint worden.87 Begründet wurde dies damit, dass eine materiell-rechtliche Sinneinheit zwischen den beiden Gesetzen bestehe. a) Das Verhältnis der Unterhaltspflicht zu ihrer steuerlichen Berücksichtigung Beispielhaft wird die in Art. 1 § 16 LPartDisBG statuierte nachlebenspartnerschaftliche Unterhaltspflicht angeführt, deren steuerrechtliche Anrechenbarkeit in Art. 2 § 55 LPartGErgG geregelt war. Insofern hänge die eine Regelung von der anderen ab und es könne wegen des Sinnzusammenhangs zwischen beiden Bestimmungen nicht nur – wie geschehen – das LPartDisBG in Kraft treten. Der Gesetzgeber handele mit der Aufteilung willkürlich.88 Als verfassungsdogmatische Fundierung dieses Vorwurfs wird das aus Art. 3 I GG abgeleitete Gebot der Folgerichtigkeit angeführt. Nach diesem wird die Gleichheit innerhalb der Rechtsordnung dadurch gesichert, dass gesetzliche Widersprüche nicht zu Rechtsfolgeunterschieden führen dürfen, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt.89 Überdies sei das primäre Motiv des Gesetzgebers für die Aufteilung die Umgehung des Bundesrates gewesen, so dass die Überschreitung der Willkürlichkeitsgrenze offensichtlich sei.90 Zu diesem Argumentationstopos ist schon darauf hingewiesen worden, dass er dogmatisch wenig tragfähig ist, weil er auf einem Zirkelschluss beruht.91 Die Annahme, das Gesetzesvorhaben sei inhaltlich nicht in mehrere Gesetze aufteilbar, geht bei näherer Analyse ebenfalls ins Leere. 87 Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (395); zweifelnd auch Dieter Leipold, Die neue Lebenspartnerschaft aus erbrechtlicher Sicht, insbesondere bei zusätzlicher Eheschließung, in: ZEV 2001, S. 218. 88 Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (394 f.). Rauscher (Fn. 71), Rn. 751, verbindet diese Feststellung mit dem Vorwurf, dies sei ein „schwerer Verstoß gegen das Bundesstaatsprinzip“, weil der Gesetzgeber implizit erwarte, dass das von Betroffenen angerufene Bundesverfassungsgericht ihn zwingen werde, auch die im LPartGErgG getroffenen Regelungen umzusetzen. Vgl. auch die Redebeiträge der Vertreter Hessens und Sachsens im Bundesrat, Verhandlungen des Bundesrates, Stenographische Berichte, 757. Sitzung, S. 548 ff. 89 Zur Folgerichtigkeit Paul Kirchhof, § 124: Der allgemeine Gleichheitssatz, in: HStR V, 2. Aufl., 2000, Rn. 222 ff., hier insbesondere Rn. 232. 90 Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (395). 91 Siehe oben 4. Kapitel A. I. 3. a), S. 427 ff.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Zwar ist zu konzedieren, dass eine stringente Trennung von inhaltlichmateriellen Normen einerseits und verfahrensrechtlichen Normen andererseits durch das LPartDisBG und das LPartGErgG nicht erfolgt ist.92 Überblickartig kann festgehalten werden: Das LPartGErgG bestimmte nur in seinem Art. 1 mit dem Standesbeamten die zuständige Behörde und regelte in Art. 2 § 1 eine Ergänzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Daneben enthielt das LPartGErgG in Art. 2 § 2 weiterhin personenstandsrechtliche und in Art. 2 §§ 4–12 beamtenrechtliche Regelungen. Es regelte in Art. 2 §§ 13–31 berufsrechtliche sowie in §§ 33–40 und in §§ 63–71 sozialrechtliche Normen. Ein weiterer wichtiger Bereich waren die ausländerrechtliche Normen des Art. 2 §§ 41–48 und der steuerrechtliche Teil in Art. 2 §§ 52–57 LPartGErgG. Insgesamt bestand das LPartGErgG nur zu einem geringen Teil aus verfahrensrechtliche Regelungen oder solchen, die die Zuweisung von Behörden statuierten.93 Allerdings führt die Übernahme von materiellrechtlichen Bestimmungen in das LPartGErgG nicht dazu, dass die materiale Sinneinheit zum LPartDisBG so eng ist, dass eine Aufteilung in zwei Gesetze nicht mehr möglich ist. Das angeführte Beispiel zum Sinnzusammenhang zeigt dies: Es mag verfassungspolitisch sinnvoll sein, um die Attraktivität einer Rechtsgemeinschaft mit gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen zu fördern, diese Verpflichtungen im Falle ihrer Realisierung auch steuerrechtlich positiv zu berücksichtigen. Einen Rechtssatz, dass eine Verbindung von Unterhalt und gleichzeitiger steuerlicher Entlastung zwingend notwendig ist, gibt es allerdings nicht. Die diesbezüglichen eherechtlichen Vorschriften können bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht herangezogen werden, da Lebenspartnerschaft und Ehe verschiedene Rechtsinstitute sind, deren differenzierte rechtliche Ausgestaltung – unabhängig von der Frage einer Verpflichtung hierzu – zumindest möglich ist. Der nicht zwingend notwendige Konnex zwischen Unterhaltsverpflichtung und steuerlicher Berücksichtigung zeigt damit exemplarisch, dass ein untrennbarer Sinnzusammenhang zwischen beiden Gesetzen nicht besteht. Aus diesem Grund ist auch das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit nicht verletzt. Der Maßstab des Art. 3 I GG, der aus diesem Gebot abgeleitet wird, berücksichtigt im Rahmen einer Gesamtwürdigung primär den rechtstatsächlichen Erfolg einer Maßnahme, nicht deren Motivation.94 Die steuerrechtliche Differenzierung zwischen beiden Rechtsinsti92

Darauf haben auch schon Rauscher (Fn. 71), Rn. 751, und Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (395), zu Recht hingewiesen. 93 Diese Feststellung widerlegt die Behauptung in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, das LPartDisBG regele die materiell-rechtlichen und das LPartGErgG (nur) die verfahrensrechtlichen Vorschriften, vgl. BTDrucks. 14/4550, S. 5.

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit

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tuten war vom Gesetzgeber zwar nicht intendiert. Dieser Umstand allein rechtfertigt aber nicht die Annahme, ein sachlicher Grund könne nicht vorliegen. Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung der Unterhaltsverpflichtung zwischen Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 6 I GG, der die Ehe besonders schützt und einen besonderen Gleichheitssatz zugunsten dieses Rechtsinstituts enthält.95 b) Die fehlende Behördenkonkretisierung bei der Eintragung der Lebenspartnerschaft Dies gilt erst recht für die Frage, welche Behörde für die Eintragung einer Lebenspartnerschaft zuständig ist. In Art. 1 Nr. 4 LPartGErgG war die Regelung vorgesehen, dass dafür der Standesbeamte zuständig sein solle und die Behörden, die bis zum Inkrafttreten des LPartGErgG für die Eintragung der Lebenspartnerschaft zuständig gewesen waren, die entsprechenden Vorgänge an ihn abzugeben haben. Da das LPartGErgG wegen der verweigerten Zustimmung des Bundesrates nicht in Kraft getreten ist, war zwar für kurze Zeit die Behördenzuständigkeit unklar. Mittlerweile haben allerdings alle Länder eigene Ausführungsgesetze zum LPartDisBG erlassen, in denen jeweils die in Rede stehende Zuständigkeit geregelt ist. Zwar ist nach diesen Vorschriften die zuständige Behörde zur Eintragung der Lebenspartnerschaft nicht bundeseinheitlich der Standesbeamte.96 Eine bundeseinheitliche Regelung ist allerdings nicht geboten. Vielmehr zeigt Art. 84 I GG, der die Behördeneinrichtung ausdrücklich in die originäre Zuständigkeit der Länder legt, dass die Verfassung unterschiedliche Behördenzuständigkeiten durchaus zulässt. Wenn der Verfassungsgeber von einer bundeseinheitlichen Regelung der Behördenzuständigkeit bei Bundesgesetzen ausgegangen wäre, hätte er durch seine Kompetenz-Kompetenz die Behördeneinrichtung dem Bund übertragen. Die Frage der Behördenzuständigkeit und deren Regelung durch die Länder zeigt im Zusammenhang mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, dass eine materielle Sinneinheit zwischen den Gesetzen in der Praxis nicht besteht und in dieser Hinsicht daraus auch keine bedeutsameren praktischen Probleme resultieren.97 Die Aufteilung des Gesetzesvorhabens in das LPartDisBG und das LPartGErgG war deshalb verfassungsgemäß. 94 95 96 97

Vgl. auch P. Kirchhof (Fn. 89), Rn. 262. Siehe ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 13., S. 616 ff. Vgl. unten 4. Kapitel B. I. 4., S. 458 ff. Wölfl (Fn. 11), S. 335.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

c) Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Sinneinheit von LPartDisBG und LPartGErgG Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang schon in seiner Entscheidung zum beantragten, aber mehrheitlich abgelehnten Erlass einer einstweiligen Anordnung, das LPartDisBG nicht zum 1. August 2001 in Kraft treten zu lassen, darauf hingewiesen, dass die Länder Ausführungsvorschriften zum Gesetz erlassen und sich ggf. darüber abstimmen könnten, so dass ernsthafte Schwierigkeiten, das neue Rechtsinstitut bei einer Behörde eintragen zu lassen, nicht bestünden.98 Im Hauptsacheverfahren hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einstimmig die Aufteilung der Regelungsmaterie in das LPartDisBG und LPartGErgG für verfassungsgemäß gehalten. Die Aufteilung in ein Gesetz, das die materiell-rechtlichen Normen enthalte, und ein weiteres, das Verfahrensvorschriften regele, sei von der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit umfasst.99 Im Übrigen entspreche der gesetzgeberische Verzicht des Bundes auf die Normierung von Verfahrensvorschriften gerade der in Artt. 83 und 84 GG vorgesehen Differenzierung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Danach verhilft die Aufteilung einer Regelungsmaterie auf verschiedene Gesetze dazu, dass der Bundesrat einem Gesetz mit materiell-rechtlichen Normen, die eine Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates per se nicht begründen, nicht deshalb zustimmen muss, weil dort auch Verfahrensregelungen nach Art. 84 I GG getroffen werden.100 Das Bundesverfassungsgericht hält auch eine etwaige verfassungsrechtliche Grenze der willkürlichen Aufteilung für nicht überschritten, ohne diese Grenze aber exakt zu definieren. Vielmehr behandelt das Gericht die beiden beschriebenen Topoi der subjektiven Motivlage des Gesetzgebers als Umgehungsabsicht des Bundesrates und des fehlenden Sinnzusammenhangs. Erstere hält der Senat mit Recht für irrelevant, weil sonst die Gefahr bestünde, dass der Bundesrat auch Einfluss auf materiell-rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bekäme, für die das Grundgesetz seine Zustimmung gerade nicht vorsähe. Das LPartDisBG sei auch kein Torso, weil es durchaus vollziehbar sei. Im Übrigen bestehe keine zwingende Notwendigkeit, die steuerliche Berücksichtigung der Un98

BVerfGE 104, 51 (57). BVerfGE 105, 313 (338). Diese vom Bundestag übernommene Feststellung ist insoweit nicht ganz korrekt, als auch im LPartGErgG eine Reihe von materiellrechtlichen Regelungen normiert werden, die eine Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates ebenso begründen wie die Verfahrensnormen, etwa die Regelungen zum Steuerrecht in Art. 2 §§ 52–57 LPartGErgG wegen Artt. 105 III i. V. m. 106 GG. 100 BVerfGE 105, 313 (339 f.). 99

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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terhaltspflicht gemeinsam mit der Unterhaltsverpflichtung in einem Gesetz zu regeln.101 Dem Bundesverfassungsgericht ist auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchung in der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Aufteilungsmöglichkeit in der Sache zuzustimmen. d) Zusammenfassung: Voraussetzungen für die Aufteilung einer Regelungsmaterie Die Trennung einer Gesetzesmaterie in mehrere Einzelgesetze ist deshalb grundsätzlich unter zwei Voraussetzungen möglich: Erstens müssen die Einzelgesetze einerseits jeweils Normen, die nicht zustimmungspflichtig sind, sondern nach Art. 77 III GG nur ein Einspruchsrecht des Bundesrates begründen, und andererseits die übrigen (zustimmungspflichtigen) Normen zusammenfassen. Dies muss nicht mit einer inhaltlichen Trennung in materiell- und verfahrensrechtliche Normen einhergehen, sondern kann auch andere materiell-rechtliche Normen umfassen, die eine Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates begründen. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit deckt sich hier mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wenn der Bundestag mehrere Gesetze beschließt, deren Normenzuordnung auf dem Kriterium der Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates beruht. Verfassungsrechtliche Grenze dieser Gestaltungsfreiheit ist zweitens ausschließlich die Frage, ob ein Gesetz, das nur die nicht zustimmungspflichtigen Normen beinhaltet, noch aus sich heraus verständlich sowie durch die Länder vollziehbar ist und damit Rechtswirkung nach außen entfalten kann. Die subjektive Motivlage der gesetzgeberischen Absicht, den Bundesrat zu umgehen, ist wegen der schwierigen Nachweisbarkeit sowie der Problematik des Zirkelschlusses dagegen kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung der Verfassungskonformität der Aufteilungsmöglichkeit.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit der Regelungselemente der Lebenspartnerschaft Im Zentrum der schließlich auch vor dem Bundesverfassungsgericht geführten Diskussion um die Eingetragene Lebenspartnerschaft steht die mate101 BVerfGE 105, 313 (341 f.). In der Literatur dem zustimmend Forkert (Fn. 38), S. 15 f.; Christiane Freytag, Lebenspartnerschaftsgesetz, Eheschutzgebot und Differenzierungsverbot, in: DÖV 2002, S. 445 (446); Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (51 f.); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1897); Robbers (Fn. 48), S. 779 (780); Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Einl., Rn. 39 f.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

rielle Verfassungsmäßigkeit dieses Rechtsinstituts und seiner rechtlichen Ausgestaltung. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Entscheidung war allein das LPartDisBG, weil das LPartGErgG mangels Zustimmung des Bundesrates nicht in Kraft getreten ist. Um die rechtsgestaltenden Möglichkeiten des Gesetzgebers und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Konturierung dieses Rechtsinstituts zu beleuchten, werden im Rahmen dieser Untersuchung neben den wesentlichen Bestimmungen des LPartDisBG und des LPartÜG auch die Grundelemente des LPartGErgG auf ihre Verfassungskonformität untersucht. Konstituierung und Ausgestaltung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft müssen sich dabei an den inhaltlichen Maßstäben der Artikel 6, 14 I und 3 GG messen lassen.

I. Freiheitsrechtlicher Maßstab 1. Art. 6 I GG intendiert keine summarische Gesamtbetrachtung der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft In der staatsrechtlichen Debatte um die Verfassungskonformität der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft wurde vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern der Verfassungsmäßigkeit dieses Rechtsinstituts die Prämisse zugrunde gelegt, dass eine vollständige Angleichung der Rechtswirkungen der Lebenspartnerschaft an die der Ehe gegen die grundgesetzlich vorgegebene Wertentscheidung zugunsten der Ehe verstieße. Eine unterschiedslose nivellierende Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft auf allen Rechtsgebieten würde dem Fördergebot zugunsten der Ehe nicht gerecht, weil dieses insoweit eine verfassungsrechtliche Sperrwirkung für die vollständige Ausgestaltungsangleichung der nichtehelichen Rechtsgemeinschaften an die Ehe beinhalte. Daraus ist von Stimmen in der Literatur der Schluss gezogen worden, es müsse bei einer Gesamtbetrachtung der normativen Ausgestaltung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ein „Abstand“ zur Ehe in der Weise gewahrt werden, dass eine Reihe von Regelungsunterschieden zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft bestehen bleibe. Der „Abstand“ wurde dabei so ausgelegt, dass das Regelungssystem der Lebenspartnerschaft insgesamt gegenüber dem entsprechenden Regelungssystem der Ehe nachteiliger sein müsse. Diese Schlussfolgerung implizierte einen kongruenten Argumentationsgang bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des LPartDisBG, unabhängig davon, zu welchem konkreten Ergebnis man kam: Diejenigen, die das Gesetz für verfassungswidrig hielten, wiesen darauf hin, dass die Regelungsdifferenzen zwischen beiden Rechtsinstituten zu gering

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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seien,102 die Befürworter einer Verfassungsmäßigkeit der Lebenspartnerschaft betonten dagegen die bestehenden Unterschiede und hielten sie für ausreichend, um dem Differenzierungsgebot zu genügen.103 Das Kernproblem dieser Argumentation ist die Perspektive der Gesamtbetrachtung bei der Annahme eines Abstandsgebots zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft: Sie vermag keinen nachvollziehbaren Maßstab zu liefern, ab wann eine verfassungsrechtlich grundsätzlich mögliche Annäherung der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft an die Ehe in eine verfassungswidrige Verletzung der Förderverpflichtung umschlägt. Die quantitative Anzahl der Bestimmungen, in denen die Ehe berücksichtigt ist und die für die Eingetragene Lebenspartnerschaft übernommen wurden, ist kein konsistentes Kriterium, um die Einhaltung des Differenzierungsgebots zu überprüfen, weil jede einzelne Regelung ein unterschiedliches Gewicht zur Gestaltung der Struktur des jeweiligen Rechtsinstituts einbringt. Die Feststellung, ob die Übernahme von ehebezogenen Bestimmungen bei einer Gesamtbetrachtung der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft die Verfassungswidrigkeit des Rechtsinstituts indiziert oder noch unschädlich ist, wirkt wegen des fehlenden aus Art. 6 I GG gewonnenen Maßstabs willkürlich und jeweils am rechtspolitisch gewünschten Ergebnis orientiert.104 Ob eine bisher ausschließlich ehebezogene Bestimmung für die Lebenspartnerschaft übernommen werden kann, hängt stattdessen entscheidend von der spezifischen Funktionstypik der Ehe ab, insbesondere von ihrer Familienbezogenheit. Regelungen, die den Konnex zwischen Ehe und Familie konkretisieren, bleiben für die Ehe reserviert und können verfassungskonform nicht auf andere Rechtsinstitute übertragen werden.105 Das bedeutet, dass jede 102 Johann Braun, „Ein neues familienrechtliches Institut“, in: JZ 2002, S. 23 (27); Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (398 f.); Günther Krings, Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare, in: ZRP 2000, S. 409 (413 f.); vgl. auch Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 100 VI 2 b, S. 489 f. 103 Etwa Ariane Sickert, Die lebenspartnerschaftliche Familie, 2005, S. 72, 183 f. Allerdings werden von ihnen die Annahme eines verfassungsrechtlichen Abstandsgebots regelmäßig abgelehnt und etwaige Regelungsunterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft nur als zusätzliche Argumente für die Verfassungsmäßigkeit letzterer bei hypothetisch unterstelltem Abstandsgebot angeführt, so bei Hanna-Maria Uhlenbrock, Gesetzliche Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften in Deutschland und Frankreich, 2005, S. 44; Joachim Henkel, Verbesserung der Lage von Schwulen und Lesben, in: Pflicht und Verantwortung. Festschrift zum 75. Geburtstag von Claus Arndt, hrsg. von Bernd M. Kraske, 2002, S. 77 (81); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1900); Anne Klein, Für die Verfassungskonformität des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: FPR 2001, S. 434 (435 f.); Stüber (Fn. 101), Einl., Rn. 65 ff. 104 Siehe 3. Kapitel A. III. 3. b) cc) (4) (d), S. 358 f. 105 Vgl. 3. Kapitel A. III. 3. b) cc) (4) (a), S. 354 f.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Regelung aus der Perspektive dieses funktionsorientierten Eheschutzes untersucht werden muss, um zu entscheiden, ob die Übertragung dieser Bestimmung auf die Lebenspartnerschaft die Förderverpflichtung zugunsten der Ehe verletzt. 2. Konstituierung der Lebenspartnerschaft Durch Art. 1 § 1 LPartDisBG wurde mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften konstituiert. Mit ihrer Einführung verlor die Ehe ihre exklusive Stellung als einzige institutionalisierte Rechtsform für personale Lebensgemeinschaften. Diese Folge ist mit den grundrechtsdogmatischen Wirkungsebenen des Art. 6 I GG vereinbar: Seine abwehrrechtliche Dimension ist augenscheinlich nicht berührt, weil dem Einzelnen sowohl Eheschließung als auch -gestaltung bei Bestehen eines neuen Rechtsinstituts frei stehen.106 Die Institutsgarantie ist ebenfalls nicht verletzt, da sie nur die Ehe mit ihren Wesensmerkmalen vor einfachgesetzlicher Abschaffung oder Umgestaltung verfassungsrechtlich schützt. Sie vermittelt deshalb nur einen defensiv ausgerichteten Schutz gegenüber gesetzgeberischen Maßnahmen, trifft aber unmittelbar keine Aussage zum Verhältnis der Ehe zu anderen Rechtsgemeinschaften.107 Die Lebenspartnerschaft verstößt als Rechtsform grundsätzlich auch nicht gegen das aus der Wertentscheidung zugunsten der Ehe abgeleitete relationale Benachteiligungsverbot oder die eheliche Förderverpflichtung.108 Durch die bloße Existenz anderer Rechtsformen für Lebensgemeinschaften wird die Ehe nicht schlechter gestellt als jene. Die verfassungsrechtlich gebotene Bevorzugung der Ehe wird allein durch das Bestehen der Lebenspartnerschaft ebenfalls nicht in Frage gestellt. Der breite gesetzgeberische Spielraum für die Konkretisierung der Fördermaßnahmen wird durch das Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe nur insoweit eingeschränkt, als Regelungen nicht auf andere Rechtsinstitute übertragen werden dürfen, die die Erweiterung der Ehe zur Familie unterstützen sollen. Ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften verletzt als solches – unabhängig von seiner rechtlichen Ausgestaltung – das Abbildungsgebot mithin noch nicht, sondern ist Ausdruck rechtspolitischer Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die insofern durch die Wertentscheidung zugunsten der Ehe 106 107 108

Siehe ausführlich 3. Kapitel A. I., S. 205 ff. Vgl. oben 3. Kapitel A. II., S. 229 ff. Dazu näher 3. Kapitel A. III., S. 288 ff.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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nicht beschränkt ist. In der rechtsförmlichen Errichtung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft liegt deshalb noch kein Verstoß gegen Art. 6 I GG. 3. Das zeitliche Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft Mit der Einführung der Lebenspartnerschaft wurde eine noch bestehende Ehe als Hindernis für die Begründung einer Lebenspartnerschaft statuiert. Nach § 1 II Nr. 1 LPartG kann eine Lebenspartnerschaft von einer Person nicht wirksam begründet werden, die minderjährig oder verheiratet ist oder bereits mit einer anderen Person eine Lebenspartnerschaft führt. Nach dem Wortlaut dieser Norm war damit für das Verhältnis zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ausdrücklich nur ausgeschlossen, das eine schon verheiratete Person eine Lebenspartnerschaft eingeht. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unproblematisch, weil sie dem grundrechtlichen Vorrang der Eheschließungsfreiheit entspricht.109 Nicht ausdrücklich normiert war der umgekehrte Fall, bei dem eine in einer Lebenspartnerschaft lebende Person mit einer dritten Person die Ehe zu schließen beabsichtigt. In §§ 1306 ff. BGB waren keine entsprechenden Eheverbote erwähnt, im LPartDisBG allerdings auch keine Aufhebungsoder Nichtigkeitstatbestände für die Lebenspartnerschaft im Fall der Eheschließung von einem der Lebenspartner. Diese Regelungslücke hat zu Kritik im Schrifttum geführt.110 Durch Art. 2 Nr. 2 LPartÜG vom 15. Dezember 2004,111 das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat, wurde schließlich die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Nach § 1306 BGB n. F. darf eine Ehe nicht geschlossen werden, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen, und einer dritten Person eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft besteht. Eine bestehende Lebenspartnerschaft ist nunmehr somit ein Ehehindernis. Damit hat sich der Gesetzgeber für eine der beiden vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum LPartDisBG aufgezeigten Regelungsvarianten entschieden.112 Diese Gestaltungsvariante verstößt aber gegen die durch Art. 6 I GG geschützte Eheschließungsfreiheit des Nupturienten, weil sie der bestehenden Lebenspartnerschaft den Vorrang vor der Ehe einräumt. Vielmehr hätte der Gesetzgeber wegen des Vorrangs der Eheschließungsfreiheit die vom Bun109

3. Kapitel A. I. 1. c), 2. b), 4., S. 219 ff., 225. Dieter Schwab, Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: FamRZ 2001, S. 385 (389): „weitere Rechtslage ist unklar“. Leipold (Fn. 87), S. 218 (224), hielt sogar wegen angenommener Perplexität der diesbezüglichen Regelungen eine verfassungskonforme Auslegung für unzulässig. 111 BGBl. I, S. 3396. 112 Siehe ausführlich oben 3. Kapitel A. I. 5., S. 226 ff. 110

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

desverfassungsgericht ebenfalls erwähnte Regelungsalternative der Nichtigkeit der bestehenden Lebenspartnerschaft ab dem Zeitpunkt der Eheschließung wählen müssen.113 Die Rechtsfolgen der Abwicklung dieser Lebenspartnerschaft bestimmen sich dann analog den allgemeinen Bestimmungen der §§ 15 ff. LPartG für die Aufhebung von Lebenspartnerschaften. Ein eigenständiger Antrag auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft von mindestens einem der beiden Lebenspartner, wie er in § 15 I LPartG verlangt wird, wäre allerdings nicht zwingend erforderlich, da die Aufhebung der Lebenspartnerschaft bei Eheschließung nicht im Belieben der Lebenspartner steht, sondern wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Eheschließungsfreiheit automatisch erfolgen muss. Aus rechtspolitischer Sicht könnte aber in der nach § 4 PStG vorgesehenen Anmeldung der beabsichtigten Eheschließung ein Antrag auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt der Eheschließung gesehen werden, der vom Standesbeamten an das zuständige Familiengericht weitergeleitet würde. Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung ist indes verfassungswidrig.114 4. Registrierung und zuständige Behörde Die Gewährleistungsdimensionen des besonderen Schutzes der Ehe stehen einer Konstituierung der Lebenspartnerschaft nicht entgegen. Voraussetzung einer umfassenden institutionellen Ausgestaltung ist angesichts der sonst fehlenden Rechtssicherheit die staatliche Registrierung der Wahl dieser Rechtsform durch zwei Personen gleichen Geschlechts: Eine umfassende Rechte-Pflichten-Bindung kann unproblematisch nur dann an die Existenz eines Rechtsinstituts anknüpfen, wenn zumindest Klarheit darüber herrscht, welche Personen zu welchem Zeitpunkt das Rechtsinstitut gewählt haben und ob es zwischen diesen Personen noch fortbesteht.115 Im von den Fraktionen der SPD und des Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag eingebrachten ursprünglichen Entwurf des LPartG116 (LPartG-E) war – unter Anlehnung an die entsprechenden Regelungen zur Eheschlie113

Vgl. oben 3. Kapitel A. I. 5., 6., S. 226 ff. Ebenfalls kritisch Peter Badura, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 6 Rn. 57 f. 115 Krings (Fn. 102), S. 409 (413). Klaus Schumacher, Zum gesetzlichen Regelungsbedarf für nichteheliche Lebensgemeinschaften, in: FamRZ 1994, S. 857 (864), differenziert nach der jeweiligen Bestimmung und nimmt an, dass Regelungen, die eine institutionelle Registrierung voraussetzen und solche, die keiner Eintragung bedürften, „sich von ihrer Zahl her etwa die Waage halten“. Auch er plädiert aber dafür, bei der Konstituierung eines Rechtsinstituts mit Registrierungspflicht alle vorgesehenen Regelungen an diese Registrierung zu knüpfen. 116 BT-Drucks. 14/3751. 114

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ßung in §§ 1310 I 1, 1311 BGB – in Art. 1 § 1 I vorgesehen, dass zur Begründung der Lebenspartnerschaft von zwei gleichzeitig anwesenden Personen gleichen Geschlechts vor dem Standesbeamten eine unbedingte und unbefristete Erklärung abzugeben sei, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Nach § 1 II LPartG-E hätte der Standesbeamte nach einer positiv beantworteten und ggf. in Anwesenheit von zwei Zeugen durchgeführten Befragung der Lebenspartner, ob eine solche Lebenspartnerschaft begründet werden solle, erklärt, dass diese nunmehr begründet sei. Gemäß § 1 III LPartG-E hätte darüber hinaus der Standesbeamte die Begründung der Lebenspartnerschaft in ein Lebenspartnerschaftsbuch eingetragen, das der Standesbeamte für jede Lebenspartnerschaft angelegt und zu führen gehabt hätte.117 In Art. 3 § 7 LPartG-E fanden sich außerdem einige Änderungen des PStG, vorwiegend zu der formalisierten Errichtung und Führung dieses Lebenspartnerschaftsbuches. Wegen der Zustimmungspflichtigkeit der den Standesbeamten betreffenden Bestimmungen durch den Bundesrat wurde im Rechtsausschuss des Bundestages die Aufteilung des Regelungsvorhabens in LPartDisBG und LPartGErgG beschlossen.118 § 1 I LPartG statuiert nunmehr, dass von den beiden Personen gleichen Geschlechts gegenseitige Erklärungen abzugeben seien, eine Lebenspartnerschaft miteinander führen zu wollen. Diese werden nach S. 3 erst wirksam, wenn sie vor der zuständigen Behörde erfolgen. Die in § 1 II, III LPartG-E enthaltenen Regelungen wurden vom Rechtsausschuss im LPartDisBG ebenso wenig übernommen wie die geplanten Änderungen des PStG. Im Gegensatz zum LPartG-E müssen jetzt gesonderte gegenseitige Erklärungen der Lebenspartner vorliegen. Die Rolle der Behörde ist damit auf die eines Zeugen reduziert.119 Welche konkrete Behörde dafür zuständig sein soll, wird vom LPartDisBG dem gesetzlichen Spielraum der Länder überlassen.120 Stattdessen fanden sich die im LPartG-E enthaltenen Regelungen zum Standesbeamten als zuständiger Behörde in Art. 1 Nr. 1 und die personenstandsrechtlichen Bestimmungen in Art. 2 § 3 des zustimmungspflichtigen LPartGErgG wieder.121 Weil dieses mangels Zustimmung des Bundes117 Mit diesen Bestimmungen wird der in § 1312 I BGB festgelegte Ablauf der Trauung für die Begründung der Lebenspartnerschaft sowie der bei der Eheschließung gemäß § 1312 II BGB vorgesehene Akt der Eintragung in ein Heiratsbuch (hier: Lebenspartnerschaftsbuch) übernommen. 118 Ausführlich dazu oben 1. Kapitel E. IV., S. 108 ff. 119 So ausdrücklich auch in der Begründung der Beschlussempfehlung durch den Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/4550, S. 6. 120 Der Rechtsausschuss geht in seinem Bericht dennoch davon aus, dass „überwiegend die Standesämter mit dieser Aufgabe betraut werden.“ Vgl. BT-Drucks. 14/4550, S. 6. 121 BT-Drucks. 14/4545, S. 69 ff.

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rates nicht in Kraft getreten ist, bestimmten die Länder in Ausführungsgesetzen zum LPartDisBG die jeweils zuständige Behörde.122 Dabei lassen sich drei Regelungsgruppen von unterschiedlichen Behördenzuständigkeiten unterscheiden: Die Hälfte der Bundesländer (Berlin, Bremen, Hamburg, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) hat ausdrücklich den Standesbeamten die Zuständigkeit für die Eintragung der Lebenspartnerschaft zugewiesen. Bei der zweiten Gruppe von Ländern bilden die Gebietskörperschaften die zuständige Behörde: In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen sind die Kreise und kreisfreien Städte, in Brandenburg, Hessen und im Saarland die Gemeinden, in Sachsen der Regierungspräsident zuständig. Die jeweiligen Gebietskörperschaften müssen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches selbst festlegen, wer die Erklärungen zur Begründung der Lebenspartnerschaft entgegennehmen soll – dies kann auch der Standesbeamte sein. Als dritte Regelungsmöglichkeit besteht schließlich in Bayern eine ausschließliche Zuständigkeit der Notare für die Eintragung der Lebenspartnerschaft. Die Zuständigkeit des Standesbeamten für die Eintragung der Lebenspartnerschaft besitzt unzweifelhaft eine symbolische Bedeutung: Wenn bei derselben Behörde die Lebenspartnerschaft begründet wird, die auch für Eheschließungen zuständig ist, ggf. noch unter Verwendung des gleichen zeremoniellen Ablaufs, wird dadurch eine vermeintliche Gleichrangigkeit zwischen beiden Rechtsinstituten angedeutet, die sowohl von den Ehebzw. Lebenspartnern selbst als auch von Außenstehenden dahingehend verstanden werden könnte, dass Ehe und Lebenspartnerschaft für die Rechtsordnung eine weitgehend ähnliche Bedeutung hätten. Die Zuständigkeit der Notare in Bayern ist dagegen der konsequenteste Weg, schon bei der Auswahl der zuständigen Behörde die funktionstypische Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft signifikant zu betonen. Fraglich ist nun, ob der besondere Schutz der Ehe diese Regelung gebietet oder zumindest die Zuweisung an den Standesbeamten verhindern kann. a) Registrierung der Lebenspartnerschaft Die Institutsgarantie der Ehe umfasst alle Wesensmerkmale dieses Rechtsinstituts. Dazu gehört auch die Eheschließung unter Mitwirkung des Staates als wesentliches Ordnungselement der Ehe.123 Die behördliche Mitwirkung 122

Vgl. dazu die Übersicht bei Stephan Stüber, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Einf., Rn. 31 ff. 123 BVerfGE 29, 166 (176); 62, 323 (331); Reinhard Hepting, in: ders./Berthold Gaaz (Hrsg.), Personenstandsrecht mit Eherecht und internationalem Privatrecht,

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soll zum einen die Prüfung der Ehevoraussetzungen und möglicher Ehehindernisse sicherstellen, zum anderen die Publizität der Eheschließung und daraus folgend die Transparenz personaler Rechtsverhältnisse gewährleisten.124 Dieses Strukturmerkmal der Ehe wird kopiert, wenn es für die Regelungssystematik der Lebenspartnerschaft in ähnlicher Form ebenfalls angewandt wird. Besonders deutlich tritt dies zutage, wenn mit dem Standesbeamten die gleiche Behörde für die Begründung bzw. Eintragung von Ehe und Lebenspartnerschaft zuständig ist. Vorstehend ist allerdings ausführlich dargelegt worden, dass die eheliche Verfassungsgarantie allein keine regulative Sperrwirkung gegenüber anderen institutionalisierten Formen der interpersonalen Lebensgemeinschaft vermittelt, sondern sich auf die Sicherung der ehelichen Wesensmerkmale vor einfachgesetzlicher Abschaffung oder Modifikation beschränkt.125 Die Institutsgarantie kann deshalb nicht verhindern, dass die Lebenspartnerschaft vor einer Behörde geschlossen wird und in einem dem Heiratsbuch vergleichbaren personenstandsrechtlichen Buch – etwa einem Lebenspartnerschaftsbuch – registriert wird. Diese Behörde kann nach dem Prüfungsmaßstab der Institutsgarantie auch der Standesbeamte sein. Anders als die Institutsgarantie versperrt das aus der Wertentscheidung des Art. 6 I GG abgeleitete Fördergebot zugunsten der Ehe den Weg einer undifferenzierten Gleichbehandlung anderer nur einfachgesetzlich konstituierter Rechtsinstitute mit der Ehe. Die Übernahme bisher ausschließlich ehebezogener Regelungen ist damit aber nicht generell ausgeschlossen, sondern nur dort, wo die Bestimmung normativer Ausdruck der typologischen Funktionsspezifik der Ehe – insbesondere im Hinblick auf ihre familiale Potentialität – ist.126 Die Registrierung einer weiteren personalen Rechtsgemeinschaft berührt diese typologisch der Ehe eigene Erweiterungsmöglichkeit zur Familie aber evident nicht. Vielmehr besteht bei allen personenstandsrelevanten Rechtsinstituten wegen der damit verbundenen Rechtsfolgen sowohl aus der Perspektive des Staates als auch der Betroffenen das Bedürfnis, deren Existenz mit der erforderlichen Rechtssicherheit festzustellen.127 Eine staatliche Registrierung ist darüber hinaus wegen dieses BeBd. 2, Rn. III-1; Stern (Fn. 102), § 100 III 2 e, S. 387 f.; Arnulf Schmitt-Kammler, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 6 Rn. 9. Rolf Gröschner, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl., 2004, Art. 6 Rn. 40, betont dabei aber den dogmatischen Vorrang des (freiheitsbezogenen) Ehekonsenses vor der staatlichen Mitwirkung; diesem Merkmal insgesamt skeptisch gegenüberstehend Helmut Lecheler, § 133: Schutz von Ehe und Familie, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 20 f. 124 BVerfGE 29, 166 (176); 62, 323 (330). 125 Vgl. oben 3. Kapitel A. II. 4. b) bb). S. 241 ff. 126 Siehe 3. Kapitel A. III. 3. b) cc) (4) (a), S. 354 f. 127 Hepting (Fn. 123), Bd. 2, Rn. III-4 f.; Martin Burgi, in: Karl Heinrich Friauf/ Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 Rn. 49;

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dürfnisses nach Rechtssicherheit auch außerhalb des Familienrechts für bestimmte Rechtsgemeinschaften anerkannt, etwa beim Vereins- oder Handelsregister. Insofern ist hier der für die Rechts- und Gesellschaftsordnung einmalige Bedeutungsgehalt der Ehe bei der Frage einer staatlichen Mitwirkung an der Begründung eines Rechtsinstituts nicht berührt. b) Zuständigkeit des Standesbeamten Wenn diese staatliche Mitwirkung bei der Eintragung der Lebenspartnerschaft nicht von der Differenzierungsverpflichtung zugunsten der Ehe erfasst ist, so könnte man aber zumindest die Wahl des Standesbeamten zur dafür zuständigen Behörde als typisch ehebezogen ansehen. Daraus ergäbe sich die Konsequenz, dass weitere institutionalisierte Lebensgemeinschaften nicht unter Mitwirkung des Standesbeamten geschlossen werden dürften.128 Als dogmatische Begründung für diese These wäre anzuführen, dass sich die Bevorzugung der Ehe gerade in der Zuordnung einer bestimmten Behörde für Eheschließungen manifestiere könnte. In der Tat war nach der einfachgesetzlichen Rechtslage vor Einführung der Lebenspartnerschaft unter den personalen Lebensgemeinschaften nur die Ehe dem Standesbeamten zugeordnet.129 Diese institutionelle Singularität hatte ihren Grund aber daders., Schützt das Grundgesetz die Ehe vor der Konkurrenz anderer Lebensgemeinschaften?, in: Der Staat 2000, S. 487 (507); Krings (Fn. 100), S. 409 (413); Ingo von Münch, Antidiskriminierungsgesetz – notwendig oder überflüssig?, in: NJW 1999, S. 260 (262); Walter Pauly, Sperrwirkungen des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs, in: NJW 1997, S. 1955 (1957, Fn. 23); Schumacher (Fn. 115), S. 857 (864); implizit auch Dagmar Coester-Waltjen, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 6 Rn. 7. Anne Röthel, Nichteheliche Lebensgemeinschaften – Neue Rechtsfragen und Rechtsaufgaben im In- und Ausland, in: ZRP 1999, S. 511 (517 f.), hält angesichts des „umfassenden Geltungsanspruchs des allgemeinen Gleichheitssatzes“ einen „Publizitätsakt“ sogar für rechtlich geboten. Wenn aus Art. 3 I GG aber schon kein Anspruch auf Institutionalisierung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft folgt, dann kann dies erst recht nicht für deren Registrierung gelten. 128 So Paul Kirchhof, Lebenspartnerschaftsgesetze und Grundgesetz, in: FPR 2001, S. 436 (438); Peter J. Tettinger, Der grundgesetzlich gewährleistete besondere Schutz von Ehe und Familie, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), S. 117 (165); wohl auch Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 58c, und Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (398), für die damit „beispielhaft“ die „beinahe vollständige Gleichstellung homosexueller Personen und Ehepartner“ verdeutlicht wird. Robbers (Fn. 48), S. 779 (784), zieht die Tatsache, dass durch das LPartDisBG nicht der Standesbeamte als zuständige Behörde normiert wird, zur Begründung seiner Ansicht heran, dass selbst bei unterstelltem „Abstandsgebot“ das Gesetz verfassungsgemäß sei. Damit impliziert er vor dem (von ihm allerdings differenziert gesehenen) Hintergrund dieses Abbildungsgebotes die verfassungsrechtliche Relevanz der Problematik, ob die Lebenspartnerschaft vor dem Standesbeamten begründet werden kann.

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rin, dass andere Formen als Strukturtypen durch den Gesetzgeber gar nicht konstituiert worden waren. Es bestand somit auch gar kein virulentes Bedürfnis nach einer gesetzlichen Zuweisung weiterer Rechtsinstitute an den Standesbeamten. Es ist daher ein Zirkelschluss, aus diesem einfachgesetzlichen Befund dessen Unveränderbarkeit abzuleiten, zumal aus methodischer Sicht zusätzlich ein Fehlschluss von der einfachgesetzlichen Rechtslage auf den Verfassungsbegriff der Ehe vorliegt. Auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist in diesem Sinne davon ausgegangen, dass „gesetzliche Regelungen über die Form der Eheschließung“ bestehen müssten,130 ohne näher zu beschreiben, wie sie auszugestalten seien.131 Daraus kann man schließen, dass das verfassungsrechtliche Bild der Ehe nicht die Mitwirkung gerade des Standesbeamten intendiert, sondern nur vorschreibt, dass die Ehe überhaupt vor einer staatlichen Behörde geschlossen wird. Das bedeutet, dass die Zuständigkeit des Standesbeamten nicht zum nur durch eine Verfassungsänderung modifizierbaren Strukturmerkmal der Ehe gehört und deshalb nicht Bestandteil der Wertentscheidung des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe sein kann.132 Von diesem Ansatz ausgehend ist darüber hinaus von einigen Stimmen in der Literatur sogar angenommen worden, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich schon die kirchliche Eheschließung allein – also ohne standesamtliche Trauung – ausreichend sei, um eine Ehe i. S. d. Art. 6 I GG anzunehmen, wenn diese kirchliche Ehe in einem formalisierten Verfahren zustande gekommen sei.133 Diese Auffassung erfüllt die verfassungsrecht129 Andere Registrierungspflichten des Standesbeamten beziehen sich nicht auf interpersonale Lebensgemeinschaften, sondern auf den Personenstand der Einzelperson selbst, etwa bei der Eintragung in das Geburten- oder Sterberegister. 130 BVerfGE 62, 323 (330); ähnlich auch schon BVerfGE 29, 166 (176): „unter Wahrung bestimmter vom Gesetz vorgeschriebener Formen“. 131 Dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen die Mitwirkung durch den Standesbeamten zugrunde gelegt hat, ist selbstverständlich, weil Entscheidungsgegenstand immer die Frage des rechtswirksamen Bestehens von Ehen war. Insofern ist es missverständlich, wenn unter Bezugnahme auf diese Entscheidungen die „Mitwirkung durch den Standesbeamten“ als verfassungsrechtlich vorgegebenes Ehemerkmal angesehen wird, etwa bei Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 42. Vgl. dagegen Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 18, der einfachgesetzliche Modifikationen für möglich hält. 132 Gerhard Robbers, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 1, Art. 6 Rn. 39; CoesterWaltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 6; Eva Marie von Münch, § 9: Ehe und Familie, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 9. Krings (Fn. 102), S. 409 (413), warnt i. d. S. deshalb auch vor der „grundrechtlichen Überhöhung“ der Statuierung einer Zuständigkeit des Standesbeamten. 133 Joachim Gernhuber/Dagmar Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., 2006, § 11 Rn. 7 f.; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 39; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6

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lichen Vorgaben an eine staatliche Mitwirkung bei der Eheschließung aber schon dann nicht, wenn es sich bei den entsprechenden religiösen Gemeinschaften nicht um öffentlich-rechtliche Körperschaften handelt, weil in diesem Fall keine staatliche Mitwirkung mehr vorliegt. Außerdem können Voraussetzungen und Hindernisse der zivilrechtlichen und der kirchlichen Eheschließung – je nach kirchlicher Glaubensauffassung – differieren, so dass im Interesse der Rechtsklarheit eine Trennung der jeweiligen Eheschließungsverfahren rechtssystematisch vorzugswürdiger ist. Die kirchliche Ehe muss nicht per se eine Ehe des Grundgesetzes sein und kann deshalb nicht ohne Mitwirkung des Staates als solche anerkannt werden.134 Als Konsequenz folgt daraus, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein darf, sich zur Eintragung der Lebenspartnerschaft der Mitwirkung des Standesbeamten zu bedienen.135 Mag man aus rechtspolitischer Sicht vor der Öffentlichkeit und den Beteiligten den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt von Ehe und Lebenspartnerschaft gerade dadurch demonstrieren, dass der Standesbeamte nicht für die Eintragung letzterer zuständig ist, so besteht dazu aber keine verfassungsrechtliche Verpflichtung. Rn. 6; siehe auch Alfred Wolf, Skizze zu einigen (vor allem zivilrechtlichen) Fragen für die öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, in: Protokoll der 58. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 18.10.2004, S. 97 (99 ff.); Günther Krings, Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine rechtliche Ordnung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: FPR 2001, S. 7 (8). Die Einführung der nur fakultativen Zivilehe bedürfte aber trotzdem einer Änderung einfachen Gesetzesrechts; zu regelungstechnischen Umsetzungsmöglichkeiten näher Friedrich Wilhelm Bosch/Cyrill Hegnauer/Hans Hoyer, Ziviltrauung vor religiöser Trauung – sinnvoll oder überholt?, in: FamRZ 1997, S. 1313 (1320 ff.). Noch weiter geht Hans-Martin Pawlowski, Abschied von der „bürgerlichen Ehe“?, in: JZ 1998, S. 1032 (1037 ff.), der sogar bloß konsensuale langfristige Lebensgemeinschaften als „usus-Ehen“ ohne formalisiertes Verfahren nach einer bloßen Registrierung als Ehen i. S. d. Art. 6 I GG anerkennen will. Zögerlich insgesamt Lecheler (Fn. 123), Rn. 21. 134 Auch Stern (Fn. 102), § 100 III 2 e, S. 387 f.; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 14; Axel von Campenhausen, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: VVDStRL 45 (1986), S. 7 (26, Fn. 86); skeptisch ebenfalls Thorsten Kingreen, Das Grundrecht von Ehe und Familie, in: Jura 1997, S. 401 (402), ders., Die verfassungsrechtliche Stellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Spannungsfeld zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten, 1995, S. 51 f., Fn. 172, E. M. v. Münch (Fn. 132), Rn. 9, und auch Friedrich Wilhelm Bosch, Fragen des Eheschließungsrechts, in: ders. (Hrsg.), Neuere Entwicklungen im Familienrecht, 1990, S. 26 ff., der sich bezüglich dieser Problematik als „Bekehrten“ bezeichnet. Er hält in seiner Schrift „Staatliches und kirchliches Eherecht – in Harmonie oder im Konflikt?“, 1998, S. 113 f., zumindest die staatliche Registrierung der Eheschließung für eine unabdingbare Voraussetzung einer wirksamen Zivilehe; ähnlich auch Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 11 Rn. 8. 135 Reinhold Zippelius/Thomas Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl., 2005, § 32 I 2 d, S. 295.

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c) Lebenspartnerschaftsbuch Dies gilt auch für das Führen eines Lebenspartnerschaftsbuchs, wie es in Art. 2 § 3 LPartGErgG vorgesehen war136 und in einzelnen Ländern durch die entsprechenden Ausführungsgesetze zum LPartDisBG ermöglicht wird.137 Dem Lebenspartnerschaftsbuch ist zwar ebenfalls eine symbolhafte Nähe zum in den §§ 1 II, 2 I 1, 9, 11 PStG beschriebenen Heiratsbuch und damit zur Ehe eigen, weil sich nicht nur deren Bezeichnungen ähneln, sondern auch die Funktion beider Bücher identisch ist: Sie sollen für die in dem jeweiligen Buch eingetragene Tatsache der Eheschließung – bzw. bei Einführung eines Lebenspartnerschaftsbuchs: der Begründung der Lebenspartnerschaft – zwischen den dort registrierten Personen nach §§ 2 I 1, 60 PStG Beweis erbringen.138 Darüber hinaus ändert sich durch die Eintragung in die vom Standesbeamten zu führenden Bücher gleichzeitig auch der Personenstand der betreffenden Personen, der formal durch die Gesamtheit der personenbezogenen Daten bestimmt wird, die nach den Vorschriften des PStG in die Personenstandsbücher einzutragen sind.139 Die Einführung eines Lebenspartnerschaftsbuches durch das PStG hätte also zusätzlich – wie die Eheschließung – personenstandsrechtliche Bedeutung. Weil aber auf die Implementierung des Lebenspartnerschaftsbuchs im PStG wegen der dann nach Art. 74 I Nr. 2 GG gegebenen Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates 136 Dadurch, dass das LPartGErgG nicht in Kraft getreten ist, blieb zunächst unklar, wo die Lebenspartnerschaft einzutragen sei. Die Verwendung des Begriffs der „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ im Namen des „Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft“ wurde deshalb von Leipold (Fn. 87), S. 218, kritisiert. 137 Art. 4 Bayerisches AGLPartG (GVBl. 2001, 677); § 4 Berliner Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 10.7.2001 (GVBl. 2001, S. 222); § 5 HmbLPartAusfG (HmbGVBl. 2001, S. 146); § 3 III–VI Mecklenburg-Vorpommersches Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 26.9.2001 (GVOBl. 2001, S. 337); § 5 NdsAGLPartG (NdsGuVBl 2001 S. 378); § 3 IV–VII Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz v. 25.9.2001, (Gv. NRW 2001, S. 661); § 3 III–VI Sachsen-Anhaltinisches LPart-AG (GVBl. LSA 2001, S. 293); § 3 III–VI Schleswig-Holsteinisches LPartAusfG (GVOBl. 2001, S. 98). Diese Länder sind mit Ausnahme von Bayern und Bremen mit denjenigen identisch, die auch die Zuständigkeit des Standesbeamten für die Begründung einer Lebenspartnerschaft gesetzlich normiert haben. In Bremen wird die Lebenspartnerschaft zwar auch unter Mitwirkung des Standesbeamten begründet, jedoch ohne dass dort ein Lebenspartnerschaftsbuch geführt wird. In allen anderen Ländern wird die Begründung der Lebenspartnerschaft nicht in einem eigenständigen familienrechtlichen Buch registriert. 138 Zu den Einzelheiten für das Heiratsbuch vgl. Berthold Gaaz, in: Reinhard Hepting/Berthold Gaaz (Hrsg.), Personenstandsrecht mit Eherecht und internationalem Privatrecht, Bd. 1, § 60 PStG Rn. 12. 139 Gaaz (Fn. 138), Bd. 1, § 1 PStG Rn. 4.

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bewusst verzichtet wurde, besitzen die durch die Ausführungsgesetze einiger Länder konstituierten Lebenspartnerschaftsbücher keine personenstandsrechtliche Relevanz.140 Aber selbst wenn mit Zustimmung des Bundesrates das PStG entsprechend geändert und die Lebenspartnerschaft dort personenstandsrechtlich integriert würde, wäre der besondere Schutz der Ehe nicht tangiert: Wie bei der behördlichen Zuordnung der Begründung der Ehe ist auch die Einführung eines Heiratsbuchs nicht ein verfassungsrechtlich vorgegebener Bestandteil der staatlichen Mitwirkung an der Eheschließung, sondern nur deren mögliche normative Realisierung innerhalb eines breiten gesetzgeberischen Spielraums. Wenn das Heiratsbuch nicht Wesensmerkmal der Ehe ist, dann kann sich darauf auch nicht die eheliche Förderpflicht und damit das Differenzierungsgebot im Verhältnis zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft beziehen.141 Die Einführung eines Lebenspartnerschaftsbuchs ist daher verfassungsgemäß. d) Ergebnis Die Registrierung der Lebenspartnerschaft durch eine staatliche Behörde, die in einem formalisierten Verfahren vorgenommen wird, verstößt nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe. Dies gilt auch dann, wenn diese Registrierung durch den Standesbeamten durchgeführt und in ein Lebenspartnerschaftsbuch eingetragen wird. 5. Namensrecht und Angehörigenstatus a) Namensrecht Das für Dritte wohl markanteste Zeichen der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ist der gemeinsame Ehename, den die Ehegatten nach § 1355 I 1 BGB führen sollen.142 Der gemeinsame Name als Ausdruck der interpersonalen Lebensgemeinschaft war bis zum 140 Robbers (Fn. 48), S. 779 (780), der aber gleichwohl aus materieller Perspektive die Einführung eines neuen Bereichs des Personenstandsrechts „im allgemeinen“ durch die Konstituierung der Lebenspartnerschaft behauptet. 141 Anders P. Kirchhof (Fn. 128), S. 436 (438), dessen Ansicht dazu nur Konsequenz seiner Grundauffassung ist, dass schon die Konstituierung eines Rechtsinstituts für die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft mit einer damit verbundenen Registrierung gegen den besonderen Schutz der Ehe verstößt; ablehnend auch Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (398). 142 Daneben bestehen noch die in § 1355 I 3 BGB und § 1355 IV 1 BGB vorgesehenen Möglichkeiten der Ehegatten, den eigenen bisher geführten Namen jeweils weiter zu führen oder ihn dem Ehenamen voranzustellen bzw. anzufügen.

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Inkrafttreten des LPartDisBG auf der nichtverwandtschaftlichen Ebene singulär und ausschließlich für die Ehe reserviert; die nach §§ 1616 ff. BGB getroffenen Regelungen zum Namen des Kindes berührten deshalb diese Exklusivität nicht. Nach § 3 I LPartG ist es nun aber auch Lebenspartnern möglich, einen gemeinsamen Namen als Lebenspartnerschaftsnamen zu bestimmen. Das Namensrecht der Lebenspartnerschaft ist inhaltlich dem § 1355 BGB nachgebildet. Eine auffällige Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wird vom Gesetzgeber hinsichtlich der gemeinsamen Namensführung vorgenommen: Während gemäß § 1355 I 1 BGB die Ehegatten einen gemeinsamen Ehenamen bestimmen „sollen“, „können“ nach § 3 I 1 LPartG die Lebenspartner einen gemeinsamen Namen bestimmen. Das LPartG stellt die Wahl eines gemeinsamen Namens somit ganz in das Ermessen der Lebenspartner und lässt keine diesbezügliche Präferenz erkennen. Das BGB postuliert hingegen mit seiner Soll-Vorschrift eine Empfehlung, bei der Eheschließung einen gemeinsamen Ehenamen zu wählen.143 Unabhängig von diesen unterschiedlichen Formulierungen ist durch § 3 LPartG in jedem Fall sowohl rechtlich als auch faktisch die singuläre Bedeutung des Ehenamens als Ausdruck einer Lebensgemeinschaft beseitigt.144 Im Schrifttum ist deshalb darüber nachgedacht worden, ob die gesetzgeberisch eingeräumte Möglichkeit, einen gemeinsamen Namen zu führen, zu den verfassungsrechtlichen Essentialia der Ehe gehört und deshalb nicht auf andere Lebensgemeinschaften wie die Lebenspartnerschaft übertragen werden dürfe.145 Dies wird mit einem systematischen Bezug zum Geburtsnamen des Kindes begründet. Nach § 1616 BGB erhält es als Geburtsnamen den Ehenamen seiner Eltern. Damit sei der Ehename der gemein143 Andreas Wacke, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., Bd. 7, 2000, § 1355 BGB Rn. 9, und Thomas Wagenitz, Grundlinien des neuen Familiennamensrechts, in: FamRZ 1994, S. 409, weisen deshalb darauf hin, dass eine Bindungswirkung von § 1355 I 1 BGB anders als bei verwaltungsrechtlichen Soll-Vorschriften, die Abweichungen nur für den atypischen Ausnahmefall vorsehen, nicht existiert. Vielmehr ist der gemeinsame Ehename nur eine gesetzgeberische Wunschvorstellung, deren Nichtbeachtung durch die Nupturienten folgenlos bleibt, vgl. Rauscher (Fn. 71), Rn. 261. 144 Gerhard Robbers, Das deutsche „Lebenspartnerschaftsgesetz“, in: zur debatte 2/2001, S. 21 (22), stellt deshalb auch wegen des mit den entsprechenden eherechtlichen Regelungen identischen Namensrechts der Lebenspartnerschaft zu Recht fest, dass sie „die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Bevölkerung“ „befördern“ und sogar „zu einem Wandel des Eheverständnisses beitragen“ könnten. 145 Braun (Fn. 78), S. 68 f.; Peter Badura, Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung, in: Biburger Gespräche 2001, S. 86 (87); zögerlich Andreas von Arnauld/Julia Platter, Die Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: Jura 2002, S. 411 (415): „unter Umständen“.

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same Name einer Familie, die aus den miteinander verheirateten Eltern und ihren gemeinschaftlichen Kindern bestünde. Wegen dieses namensrechtlichen Familienbezugs sei es willkürlich, einen gemeinsamen Namen auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu übertragen, denen diese familiale Potentialität fehle.146 In der Tat geht der Ehename über die signitive Bedeutung der Abgrenzung der Ehe von anderen Lebensgemeinschaften hinaus: Das Bundesverfassungsgericht hat mehrmals betont, dass er – neben dem Ausdruck individueller persönlichkeitsrechtlicher Entfaltung – auch der Darstellung der Familieneinheit nach außen dient.147 Zur Begründung wird dabei ausdrücklich auf Art. 6 I GG zurückgegriffen, der das Prinzip der Einheit der Familie gewährleiste.148 Mit dem gemeinsamen Ehenamen wird damit die typologisch durch die Eheschließung erwartete Erweiterung der Ehe durch die Zeugung von Kindern namensrechtlich antizipiert.149 Diese einfachgesetzlich normierte Funktion des Ehenamens ist zwar legitimer Ausdruck des verfassungsrechtlich gegebenen Zusammenhangs zwischen Ehe und Familie, aber selbst durch das grundgesetzliche Rechtsinstitut der Ehe nicht zwingend vorgegeben;150 ansonsten wären auch die Regelungen des 146

Braun (Fn. 78), S. 69. BVerfGE 78, 38 (49); 104, 373 (387); 109, 256 (266). 148 BVerfGE 78, 38 (49). Vgl. auch die darauf Bezug nehmende Begründung zum Gesetzentwurf des FamNamRG 1993, BT-Drucks. 12/3163, S. 11; i. d. S. auch Gerd Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 1355 BGB Rn. 1; Heinz Hübner/Reinhard Voppel, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, § 1355 BGB Rn. 7; Uwe Diederichsen, Die Neuordnung des Familiennamensrechts, in: NJW 1994, S. 1089 (1090); Ingeborg Wiedemann, Die Verpflichtung der Ehegatten zur Führung eines gemeinsamen Familiennamens, in: Festschrift für Karl-Heinz Schwab, hrsg. von Wolfram Waldner und Reinhard Künzel, 1990, S. 75 (83). 149 Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1355 BGB Rn. 18. 150 BVerfGE 78, 38 (49); 84, 9 (21); 104, 373 (387); 109, 256 (266 f.), betonen den diesbezüglichen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Ebenso Badura (Fn. 114), Art. 6 I Rn. 53; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 96, der sogar annimmt, Art. 6 I GG enthalte gar keinen verbindlichen Maßstab für das Namensrecht; HansJürgen Papier, Ehe und Familie in der neueren Rechtsprechung des BVerfG, in: NJW 2002, S. 2129 (2130); Lecheler (Fn. 121), Rn. 79; Reinhard Hepting, Der Name der ehelichen Familie in der Reform, in: StAZ 1992, S. 201 (204); Nina Dethloff/Susanne Walther, Abschied vom Zwang zum gemeinsamen Ehenamen, in: NJW 1991, S. 1575 (1576); Ingeborg Schwenzer, Namensrecht im Überblick, in: FamRZ 1991, S. 390 (394); kritisch Stern (Fn. 102), § 100 IV 5 a, S. 425; Tettinger (Fn. 128), S. 117 (139 f.). Über die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hinausgehend Wiedemann (Fn. 146), S. 75 (86), für die der Zwang, einen gemeinsamen Ehenamen zu führen, „ein schwerwiegender Eingriff in die Eheschließungsfreiheit der Verlobten gewesen“ wäre; ähnlich auch Wacke (Fn. 143), § 1355 BGB Rn. 7; Rauscher (Fn. 71), Rn. 256; einen einheitlichen Ehenamen aus rechtspolitischer Sicht generell ablehnend Reinhard Hepting, Regelungszwecke und Regelungswider147

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§ 1355 I 3, IV 1 BGB verfassungswidrig. Das Namensrecht unterfällt mithin der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers, dessen Normierung grundsätzlich durch einfache Gesetzesänderung modifizierbar ist. Daraus könnte man schließen, dass auch der einheitliche Name als Regelung auf andere institutionalisierte Lebensgemeinschaften wie die Lebenspartnerschaft übertragbar sei, weil er nicht zum verfassungsrechtlichen Bild der Ehe gehöre und deshalb durchaus normativ kopiert werden dürfe. Diese Auffassung könnte sich der Argumentation bedienen, dass es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der Ehegatten zur Wahl eines gemeinsamen Ehenamens gibt. Wenn das Grundgesetz unterschiedlichen Namen der Ehegatten nicht entgegensteht, dann könnte das Namensrecht insgesamt und damit eingeschlossen auch der gemeinsame Name für die Ehe keine Bezeichnungsfunktion mehr besitzen. In diesem Fall wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht das Namensrecht beliebig auf andere nichteheliche Personenverbindungen übertragbar. Dieser Gedankengang übersähe allerdings die notwendige Differenzierung zwischen der Wahl eines gemeinsamen Ehenamens einerseits und den übrigen namensrechtlichen Alternativen andererseits. Er besitzt eine dreifache Funktion: Der gemeinsame Name ist erstens Ausdruck der individuellen persönlichkeitsrechtlichen Entfaltung.151 Er dient zweitens als Bezeichnung einer interpersonalen Lebensverbindung, indem er einem häufig anzutreffenden emotionalen Bedürfnis der Eheleute entspricht, diese Lebensgemeinschaft auch nach außen zu bekennen. Gleichzeitig stärkt er durch dieses öffentliche Bekenntnis die wechselseitige Verbindung der Eheleute.152 Diese beiden Namensfunktionen wären auf alle Formen der institutionalisierten Lebensgemeinschaft übertragbar, weil die namensbezogene individuelle sprüche im Namensrecht, in: StAZ 1996, S. 1 (9 ff.). Vgl. dagegen Lecheler (Fn. 123), Rn. 79, Fn. 135; anders auch Dieter Giesen, Der Familienname aus rechtshistorischer, rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht, in: FuR 1993, S. 65 (74), für den aus dem Wesen der Ehe „als unteilbare Einheit“ die Führung eines Ehenamens resultiert, zu der beide Ehepartner verpflichtet seien; ähnlich Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 29. Diese „Durchbrechung der Namenskontinuität“ durch die Eheschließung zumindest bei einem der Nupturienten wird von Giesen auch mit der grundsätzlich lebenslangen Dauer der Ehe begründet. 151 Für den Namen des Menschen allgemein Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1355 BGB Rn. 10 m. w. N. aus der Rspr. 152 Hepting (Fn. 150), in: StAZ 1996, S. 1 (2 f.), setzt bei der Abgrenzung der Namensfunktionen einen anderen Akzent: Er unterscheidet die individualisierende „Identifikationsfunktion“, die durch einen gemeinsamen Namen auf die Ehe hinweisende „gesellschaftliche Funktion“ und die „Selbstdarstellung“. Der teleologische Schwerpunkt dieser Konzeption liegt deutlich auf dem individuellen Namensbezug. Zu fragen bliebe, ob bei einem Ehenamen nicht der Bezug zu dieser interpersonalen Lebensgemeinschaft im Vordergrund stehen muss.

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Konkretion des Persönlichkeitsrechts sowie das gemeinsame Bedürfnis nach namentlicher Kennzeichnung als Lebensgemeinschaft sowohl bei verschieden- als auch bei gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen vorkommen können und diesbezüglich keine wesentlichen Unterschiede erkennbar sind. Eine Ehespezfik, die dem Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG gegenüber allen nichtehelichen Rechtsformen unterfiele, ist dort noch nicht gegeben. Drittens bezeugt der gemeinsame Name – als Wahlmöglichkeit der Nupturienten, nicht als Zwang – aber auch den vorstehend beschriebenen Konnex zwischen Ehe und Familie. Damit partizipiert der gemeinsame Ehename – anders als die nach § 1355 I 3 BGB mögliche Alternative der jeweils auch nach der Eheschließung getrennt weitergeführten Namen – am funktionalen Bild der Ehe, die auf die Erweiterung zur Familie ausgerichtet ist. Der gemeinsame Name ist deshalb zwar nicht gesondert ausgewiesenes Wesensmerkmal der Ehe, aber namensrechtliche Konkretion dieser familialen Potentialität, die wiederum funktional dem Strukturmerkmal der Geschlechtsverschiedenheit zuzuordnen ist. Dieser Aspekt ist daher typologisch gerade auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht übertragbar. Eine Aufteilung der verschiedenen Funktionen des gemeinsamen Namens mit dem Ziel, den familialen Aspekt gegenüber den beiden anderen zu marginalisieren, ist methodisch nicht möglich, weil alle drei Zweckbestimmungen erst gemeinsam das namensrechtliche Bild der Ehe generieren. Aus der Förderverpflichtung zugunsten der Ehe ergibt sich deshalb eine verfassungsrechtliche Sperrwirkung für die Übertragung eherechtlicher Bestimmungen, die Ausdruck der familialen Ehefunktion sind. Daraus folgt, dass ein gemeinsamer Name wegen seines typologischen Bezugs zur Familie ausschließlich der Ehe vorbehalten ist und nicht auf die Lebenspartnerschaft übertragen werden darf. § 3 I LPartG verstößt somit gegen den besonderen Schutz der Ehe und ist verfassungswidrig. b) Angehörigenstatus Nach § 11 I LPartG gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Verwandten eines Lebenspartners gelten gemäß § 11 II LPartG als mit dem anderen Lebenspartner verschwägert. aa) Familienangehöriger In der Kommentarliteratur zu dieser Norm wird darauf hingewiesen, dass nicht nur die Regelungen erfasst werden, die den Begriff des „Familienangehörigen“ gebrauchen, sondern auch Normen, in denen die Bezeichnung als „Angehöriger“ oder „Familie“ verwandt wird – es sei denn, die entspre-

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chenden Begriffe seien schon legaldefiniert.153 Damit soll das lebensgemeinschaftliche Näheverhältnis zwischen den Lebenspartnern dem normativen Rechtsstatus des Angehörigenverhältnisses zugeordnet werden. Gerade bei den in der öffentlichen Diskussion um die Lebenspartnerschaft am häufigsten genannten Beispielen154 für eine vermeintliche frühere rechtliche Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften gegenüber Eheleuten wie dem Auskunfts- und Besuchsrecht beim Krankenhaus- oder Gefängnisaufenthalt oder den straf- und zivilprozessualen Zeugnisverweigerungsrechten sind die Lebenspartner durch die Einordnung als Angehörige nunmehr den Eheleuten gleichgestellt.155 Mitglieder verschiedengeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaften werden im Bereich dieser Regelungen bisher regelmäßig als miteinander verlobt angesehen, so dass auch sie füreinander „Angehörige“ sind.156 Dieser Weg war für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zunächst nicht gangbar, da für sie das Verlöbnis oder ein entsprechendes Äquivalent bis zum Inkrafttreten des LPartÜG am 1. Januar 2005 nicht existierte. Daneben ist der Begriff des „Familienangehörigen“ vor Einführung des LPartG auf einfachgesetzlicher Ebene von der Rechtsprechung – je nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Normkontext – unterschiedlich 153 Manfred Bruns, in: ders./Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, § 11 LPartG Rn. 21 ff., mit umfangreichen gesetzlichen Beispielen, die auch das parlamentarisch gescheiterte LPartGErgG mit seinen vielfältigen Ergänzungen des Angehörigenbegriffs um den des Lebenspartners berücksichtigen; Karlheinz Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, 2. Aufl., 2004, Rn. 397 f. Stüber (Fn. 101), Einl., Rn. 73 ff., betont die Subsidiaritätsklausel in § 11 I LPartG als Unterschied zur Ehe. 154 Vgl. nur Herbert Trimbach/Annette Webert, Ist die Homo-Ehe noch verfassungswidrig?, in: NJ 1998, S. 63: „Menschlich gesehen dürfte das fehlende Auskunftsrecht des Lebenspartners gegenüber dem Arzt im Krankheitsfall und das fehlende Besuchsrecht im Krankenhaus am gravierendsten sein.“ Ähnlich Manfred Bruns/Volker Beck, Das Eheverbot der Gleichgeschlechtlichkeit, in: MDR 1991, S. 832. 155 Für den Haftaufenthalt: Bruns (Fn. 153), § 11 LPartG Rn. 44 ff.; für die Auskunftserteilung im Krankheitsfall: Bruns (Fn. 153), § 11 LPartG Rn. 48 ff. Muscheler (Fn. 153), Rn. 401, und Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859), weisen aber darauf hin, dass im Krankheitsfall dem gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten auch schon vor dem Gesetzesvorhaben Auskunft erteilt werden konnte, ohne das ärztliche Berufsgeheimnis zu verletzen. Im Vergleich zu Eheleuten sei es Mitgliedern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Praxis nur schwerer gefallen, das zwischen ihnen bestehende Näheverhältnis auch zu beweisen. Teilweise bestehen diese normierten Rechte aber auch erst seit der Ergänzung entsprechender Normen, etwa bei den Zeugnisverweigerungsrechten nach Einfügung von §§ 383 I Nr. 2a ZPO n. F.; 52 I Nr. 2a StPO n. F. 156 Manfred Bruns, in: ders./Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, § 11 LPartG Rn. 21.

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interpretiert worden. Teilweise ist er – wie etwa bei §§ 569 II BGB a. F., 1093 II, 1969 BGB – auch auf den eheähnlich mit dem Erblasser zusammenlebenden Lebensgefährten ausgedehnt worden.157 Bezüglich § 67 II VVG wird der Begriff auch für diejenigen gebraucht, „die mit dem Versicherten in einer Weise zusammenleben, die einem Familienverband ähnlich ist“.158 Dagegen lehnt die Rechtsprechung die Anwendung des Familienangehörigenprivilegs in § 116 VI SGB X auf den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ab.159 Im Bericht des Rechtausschusses zum LPartDisBG und LPartGErgG wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die durch § 11 LPartG getroffene Einbeziehung des Lebenspartners in den Status des „(Familien)-Angehörigen“ keinen den Begriff abschließend definierenden Charakter besäße und er weiterhin dafür offen sei, „wie bisher behutsam nichteheliche Lebensgemeinschaften in den Kreis der Familienangehörigen aufzunehmen.“ Es seien „einer Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung insoweit keine Schranken gesetzt.“160 Mag man dem Begriff des Familienangehörigen auch eine potentielle Offenheit für weitere Konstellationen verschiedengeschlechtlicher Personenverbindungen attestieren, so erstaunt doch gerade die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Sie ist in der Diskussion um die Lebenspartnerschaft nur von wenigen Stimmen kritisch betrachtet worden.161 Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass die Zuerkennung die157 Für eine analoge Anwendung des § 569 II BGB a. F.: BGH, NJW 1993, S. 999 (1000 f.); § 1093 II BGB: BGHZ 84, 36; § 1969 BGB: OLG Düsseldorf, NJW 1983, S. 1566 (1566 f.), das wegen des Näheverhältnisses in einer weiten Auslegung des § 1969 BGB sogar persönliche „Freunde“ des Erblassers in den Kreis der „Familienangehörigen“ einbezieht. 158 BGH, NJW 1980, S. 1468, bejaht dies für ein Pflegekind. 159 Nach BGH, NJW 1988, S. 1091 (1093), vor allem wegen der mangels Publizitätsakt schwierigen gesicherten Feststellbarkeit solcher Lebensgemeinschaften. 160 BT-Drucks. 14/4550, S. 15. 161 So Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 43 u. § 42 Rn. 4; Braun (Fn. 78), S. 69 ff., insbesondere hinsichtlich der in § 11 II LPartG fingierten Schwägerschaft und möglicher rechtspolitischer Entwicklungen hieraus für die Einführung einer Stiefkindadoption auch für Lebenspartner; näher dazu unten 4. Kapitel B. I. 5. b) bb), S. 476 ff.; B. I. 9. b) bb) (4) (b), S. 554 ff. Kritisch auch Wilhelm Kanther, Die „neue soziale Familie“ oder zur Verfassungswidrigkeit von § 9 LPartG, in: NJW 2003, S. 797 (798), hinsichtlich der sorgerechtlichen Befugnisse des Lebenspartners, und Dagmar Kaiser, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, in: JZ 2001, S. 617 (624). Bodo Pieroth/Thorsten Kingreen, Funktionen des Ehegrundrechts am Beispiel des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: KritV 2002, S. 219 (236), sehen in der Gewährung von Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechten dagegen schon deshalb keinen Verstoß gegen das Differenzierungsgebot, weil diese Rechte „nur an den sozialen Tatbestand, nicht aber an das Rechtsinstitut“ anknüpften. Diese Formulierung ist missverständlich, weil sie den Regelungszweck nicht von der Voraussetzung der Rechtsgewährung unterscheidet: Zwar soll mit Aussage- und Zeug-

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ses Angehörigenstatus und der mit ihm verbundenen Rechte in ihrer praktischen Bedeutung durchaus als dem Näheverhältnis zwischen den Lebenspartnern angemessen und insofern als mit der Beziehung zwischen Eheleuten vergleichbar empfunden wird. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass nur dann bestimmte Gemeinschaften mit einem Begriff bezeichnet werden dürfen, wenn dessen Inhalt mit ihnen übereinstimmt. Der Wortlaut der Bezeichnung ist auch in diesem Fall die äußerste Grenze ihrer unmittelbaren Anwendung. Gegen die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner in den Begriffstypus der Familie spricht aus verfassungsrechtlicher Perspektive die Definition der Familie i. S. d. Art. 6 I GG als generationenübergreifende Gemeinschaft.162 Wenn im Schrifttum schon kinderlose Eheleute, denen die Fortpflanzung zumindest typologisch möglich ist, fast allgemein nicht als Familie angesehen werden, dann können gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, denen die Fortpflanzung auf natürlichem Weg nicht möglich ist und die typischerweise auch ohne Kinder leben, erst recht nicht als Familie angesehen werden. Die Eltern-Kind-Gemeinschaft ist der Kern der Familie, die auf Verfassungsebene institutionellen Schutz durch Art. 6 I GG erfährt. Zwar ist die Familie als verfassungsrechtlicher Tatbestand mangels rechtlich ähnlich verfestigter Strukturelemente wie bei der Ehe für soziale Veränderungen deutlich flexibler als das Rechtsinstitut der Ehe. Die Implementierung von personalen Konstellationen, die sich von der klassischen Form der Kleinfamilie unterscheiden, in den Familienbegriff hängt aber in jedem Fall davon ab, ob dort eine generative Gemeinschaft mit mindestens einem Kind besteht. Wenn dies nicht der Fall ist, dann kann dieser Sozialtatbestand auch nicht als Familie i. S. v. Art. 6 I GG bezeichnet werden. Eine einfachgesetzliche Veränderung dieses Wesensmerkmals durch eine Erweiterung, die auf das generative Element gänzlich verzichtet, verstößt mithin gegen die Institutsgarantie der Familie. Deshalb wäre die pauschale Einbeziehung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in den Familienbegriff eine Verletzung von Art. 6 I GG und verfassungswidrig. Das gilt konsequenterweise auch für die Bezeichnung von Lebenspartnern als „Familienangehörige“. Wenn sie aus typologischer Sicht wegen des fehlenden Kindes selbst keine Familie bilden, können sie auch nicht Teil einer solchen Familie sein oder ihr „angehören“.163 Es fehlt dafür schon am nisverweigerungsrechten in der Tat das soziale Näheverhältnis zwischen Ehe- und ggf. auch Lebenspartnern abgesichert werden. Voraussetzung dieser Rechtsgewährung ist aber das Bestehen einer konkreten institutionellen und familienrechtlich normierten Verbindung und nicht schon jedes faktische Näheverhältnis. 162 Vgl. oben 2. Kapitel B. IV. 2. a), S. 148 f. 163 In diese Richtung geht auch die Bemerkung von Kaiser (Fn. 161), S. 617 (624): „Ein Kuriosum: Lebenspartner bilden keine Familie, gehören aber derselben

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Bezug des Einzelnen zum Sozialtatbestand der Familie. Eine allgemeine und unbeschränkte gesetzliche Definition der Lebenspartner als „Familienangehörige“ überschreitet die Wortlautgrenze dieses Begriffs und ist als Verstoß gegen die Institutsgarantie der Familie verfassungswidrig.164 Die vorstehend angeführten Entscheidungen der Fachgerichte zu einzelnen zivilrechtlichen Normen widersprechen dieser Aussage nicht: Zum einen sind dort nur Partner eheähnlicher – also verschiedengeschlechtlicher – Gemeinschaften in den Begriff des Familienangehörigen einbezogen worden. Diese Lebensgemeinschaften sind – anders als gleichgeschlechtliche Paare – als sozialtatbestandliche Typen aber ebenso wie Ehepaare zumindest potentiell für die Erweiterung zur Familie offen und können die familiale Gemeinschaft antizipieren. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu § 569 II BGB a. F. ausdrücklich festgestellt, dass „der Begriff des Familienangehörigen auch nach allgemeinem Sprachverständnis nicht losgelöst von dem Wortbestandteil Familie verstanden“ werden kann, deshalb eine direkte Anwendung abgelehnt und nur eine entsprechende Normanwendung für unbedenklich gehalten.165 Dem Gericht war also die Problematik des Wortlauts als Auslegungsgrenze bei der Interpretation des Begriffs des Familienangehörigen durchaus bewusst. Wenn schon die Mitglieder eheähnlicher Lebensgemeinschaften keine Familienangehörigen sind, obwohl ihnen die Familiengründung potentiell möglich ist, dann können auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner keine Familie bilden. § 11 I LPartG hat den Weg des direkten Bezugs zum Begriff des Familienangehörigen in seiner Formulierung aber nicht gewählt. Nach seinem Wortlaut gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners – man könnte anfügen: er ist es also nicht.166 Durch diese geFamilie an.“ Ähnlich Hans-Martin Pawlowski, Zur Einführung gesetzlicher Regelungen für eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner, in: JZ 2000, S. 765 (766), der knapp konstatiert, dass „homosexuelle Lebensgemeinschaften keine verwandtschaftlichen Beziehungen begründen, da diese nur durch Abstammung vermittelt werden“, und Dieter C. Umbach, in: ders./Thomas Clemens, Grundgesetz, Bd. I, 2002, Art. 6 Rn. 57b: „Widerspruch in sich“. 164 Für Mitglieder (verschiedengeschlechtlicher) nichtehelicher Lebensgemeinschaften ohne Kinder auch Joachim Knoche, Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als „Familienangehörige“?, 1987, S. 141 ff., der nur eine analoge Anwendung bestimmter Normen für verfassungskonform hält. 165 BGH, NJW 1993, S. 999 (1000). Einschränkend Knoche (Fn. 164), S. 156, der eine direkte Anwendung des § 564 II BGB a. F. bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern und ansonsten eine Analogie von § 564 I BGB a. F. präferierte. 166 Missverständlich BGH, NJW 1993, S. 999 (1000): „Der nichteheliche Lebenspartner gilt in diesem Sinne nicht als Familienangehöriger.“ Mit dieser Formulie-

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setzliche Fiktion167 hat der Gesetzgeber die beschriebene verfassungsrechtliche Problematik geschickt zu umgehen versucht: Einerseits hat er den Lebenspartnern die wesentlichen mit dem Rechtsstatus des Familienangehörigen verbundenen Rechtsfolgen zuerkannt und damit das von den Betroffenen öffentlich artikulierte Bedürfnis nach Gleichbehandlung auf diesem Gebiet zu erfüllen vermocht. Auf der anderen Seite ist er der heiklen Problematik ausgewichen, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Familienbegriffs auf institutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften anzuwenden, indem er implizit statuiert hat, dass deren Mitglieder nicht Familienangehörige sind, sondern – mit einer im Vergleich zum „Sein“ pejorativen Formulierung versehen – (nur) als solche gelten. Damit werden die an den Familienangehörigenstatus anknüpfenden Rechtsfolgen übertragen, ohne dass die Voraussetzungen der Zuordnung als Familienangehöriger erfüllt sein müssen.168 Zu fragen bleibt, ob diese alternative gesetzgeberische Formulierungstechnik gegen die Institutsgarantie der Familie verstößt. Für die Beantwortung der Frage ist zunächst festzuhalten, dass die konkrete Ergänzung jeder einzelnen einschlägigen Norm um den Begriff des Lebenspartners verfassungsrechtlich zulässig wäre: In diesem Fall würde der Lebenspartner neben dem Familienangehörigen bzw. der Familie genannt und so sichergestellt, dass es sich nicht um identische Begriffe handelt. Die Institutsgarantie der Familie ist nicht berührt und auch die Förderverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie kann gegen diese Vorgehensweise nicht angeführt werden, weil die familiale Potentialität als typologisches Unterscheidungsmerkmal zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bei mit dem Angehörigenstatus verbundenen Rechten keine Rolle spielt. Dort wird vielmehr dem persönlichen Näheverhältnis zwischen den Familienangehörigen Rechnung getragen.169 Diese enge gegenseitige Bindung existiert aber auch bei den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, die für sich das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft gewählt haben. Das Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie bezieht sich deshalb auf diesen rechtlichen Aspekt nicht, weil insofern keine Unterschiede zu rung sollte nur ausgesagt werden, dass eine direkte Anwendung des Begriffs auf Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften nicht in Frage kommt. 167 Von einer „Fiktion“ wird ausdrücklich auch in der Begründung des § 11 LPartG-E gesprochen, vgl. BT-Drucks. 14/3751, S. 40. 168 Eine ähnliche Wirkung erzielt auch der Formulierungsvorschlag für eine Norm bei Schumacher (Fn. 115), S. 857 (864): „Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehen einem Ehegatten oder einem Familienangehörigen im Sinne folgender Vorschriften gleich (. . .)“ 169 Ausdrücklich Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859), für die Zeugnisverweigerungsrechte, den Angehörigenbegriff in § 11 StGB, die Ersatzzustellung nach § 181 I ZPO und das „Angehörigenprivileg“ in §§ 67 II VVG, 116 II SGB X.

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institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen auszumachen sind. Wenn aber eine normative Einzelergänzung der (familien)-angehörigenbezogenen Regelungen um den Lebenspartner keine Verletzung von Art. 6 I GG beinhaltet, dann kann dies bei einer generellen Verweisung auf diese Normen auch nicht der Fall sein: Die Verletzung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie kann nicht davon abhängen, ob eine allgemeine Verweisung oder eine individuelle Ergänzung gewählt wird, wenn in jedem Fall die gleichen Normen betroffen sind. Aus dieser Einschätzung ergibt sich demnach die Bewertung der fiktionalen Bezeichnung der Lebenspartner als Familienangehörige: Sie ist verfassungskonform, weil einerseits die Differenzierung zwischen beiden Begriffen durch die entsprechende Formulierung erkennbar ist und sich andererseits der allgemeine Bezug auf die hier einschlägigen Normen verfassungsrechtlich nicht von einer möglichen Einzelergänzung jeder Norm unterscheidet. § 11 I LPartG ist damit verfassungsgemäß. bb) Schwägerschaft Die gleichen Überlegungen lassen sich auch fruchtbar machen, wenn man die Verfassungsmäßigkeit der in § 11 II LPartG statuierten Schwägerschaft der Verwandten eines Lebenspartners mit dem anderen Lebenspartner untersucht. Diese Regelung ist § 1590 BGB nachgebildet, der die Schwägerschaft eines Ehegatten mit den Verwandten des anderen Ehegatten vorsieht. Diese ehebezogene Exklusivität der Schwägerschaft wird durch die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft faktisch aufgehoben. Johann Braun ist im Hinblick auf den Regelungszweck von § 1590 BGB der Ansicht, die Schwägerschaft sei als rechtliches Band zwischen den Verwandten des einen mit dem anderen Ehegatten vor allem wegen der aus der Ehe entstehenden Kinder relevant. Da diese wiederum mit den Verwandten beider Herkunftsfamilien verwandt seien, sei es „ein sachlicher Anknüpfungspunkt, auch zwischen den Verwandten des Kindes und dem jeweils anderen Elternteil ein Statusverhältnis zu begründen.“ Bei einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft fehle „jeder Anknüpfungspunkt für eine solche Regelung.“170 Gegen diese Deutung spricht aber, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kind und den Personen, von denen es abstammt, schon durch das in § 1589 BGB geregelte Rechtsverhältnis der Verwandtschaft bestimmt werden und dazu die Schwägerschaft nicht mehr benötigt wird. Diese zieht vielmehr die rechtlichen Konsequenzen aus der Nähebeziehung der 170 Braun (Fn. 78), S. 71, der diesen Regelungszweck der Schwägerschaft „wegen des für die Gesellschaft grundlegenden Instituts“ nach der von ihm zugrunde gelegten teleologischen Ausrichtung aus typologischer Sicht folgerichtig schon auf die (noch) kinderlose Ehe vorverlagert sieht.

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Verwandten eines Ehepartners zum anderen Ehepartner, ist also nicht primär auf die dem Ehepaar folgende nächste Generation ausgerichtet.171 Dies wird auch durch die mit der Schwägerschaft verbundenen verfahrensrechtlichen Folgen deutlich,172 die aus dem Näheverhältnis der Ehepartner zu den jeweiligen Verwandten des anderen und nicht aus der familialen Potentialität der Ehe resultieren. Soweit durch § 11 II 1, 2 LPartG zwischen dem Kind eines Lebenspartners und dem anderen Lebenspartner eine Schwägerschaft in gerader Linie zustande kommt, mag Braun zuzustimmen sein, dass es sich hierbei um eine in der rechtspolitischen Diskussion nutzbare Argumentsfigur handelt, die Stiefkindadoption auch für Lebenspartner gesetzlich zu legitimieren.173 Ein zwingender Konnex zwischen der Schwägerschaft und der Stiefkindadoption besteht aber nicht. Letztere berührt aus verfassungssystematischer Sicht die familiale Erweiterungsmöglichkeit der Ehe und muss deshalb gesondert am Maßstab des Art. 6 I GG gemessen werden.174 Die Schwägerschaft selbst ist daher weder ein verfassungsrechtlich relevantes Wesensmerkmal der Ehe noch der Familie, sondern nur ein einfachgesetzliches Rechtsverhältnis, das an die Existenz einer Ehe anknüpft. Sie berührt deshalb die rechtliche Ausgestaltung der Ehe, nicht aber ihren Wesenskern. Die Institutsgarantie schützt deshalb die Schwägerschaft nicht, so dass auch die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ein Anknüpfungspunkt für die Schwägerschaft sein kann.175 Hinzu kommt, dass die Formulierung des § 11 II 1 LPartG einen Unterschied zu § 1590 I 1 BGB aufweist: Während dort die Verwandten des Ehegatten mit dem anderen Ehe171 Diese teleologische Perspektive findet man auch bei Klaus Seidel, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., Bd. 7, 2000, § 1590 BGB Rn. 1: „Die soziale Nähe rechtfertigt in mancher Hinsicht eine Sonderstellung nicht nur für die Verwandten untereinander, sondern auch für die durch die Ehe hervorgerufene Beziehung zu diesen.“ Nach Viola Schmid, Die Familie in Art. 6 des Grundgesetzes, 1989, S. 103 und 105, begründet zwar auch die Schwägerschaft eine Zuordnung zur jeweiligen Familie. Das von ihr gewählte Beispiel bezieht sich aber auf das Verhältnis des Stiefkindes zum Stiefelternteil, ist also generationenübergreifend und folgt damit implizit unproblematisch der hier dargelegten Definition der Familie als Eltern-Kind-Gemeinschaft. 172 So die in den jeweiligen Prozessordnungen enthaltene Ausschließung des verschwägerten Richters, Notars, Urkundsbeamten, Rechtspflegers, Gerichtsvollziehers und Dolmetschers; die Aussage-, Gutachten- und Eidesverweigerungsrechte für Zeugen und Sachverständige; das Ablehnungsrecht gegenüber einem verschwägerten Sachverständigen sowie bestimmte Antrags- und Beschwerderechte; näher dazu Thomas Rauscher, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2004, Einl. zu §§ 1589 ff. BGB Rn. 49. 173 Braun (Fn. 78), S. 71 f., zumal die lebenspartnerschaftliche Stiefkindadoption durch das LPartÜG inzwischen eingeführt worden ist. 174 Vgl. unten 4. Kapitel B. I. 9. b) aa), S. 541 ff. 175 Sehr knapp auch Pawlowski (Fn. 163), S. 765 (766), der aber Zweifel am rechtspolitischen Bedürfnis nach einer solchen Regelung äußert.

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gatten verschwägert sind, gelten gemäß § 11 II 1 LPartG die Verwandten eines Lebenspartners als mit dem anderen Lebenspartner verschwägert. Der Gesetzgeber hat sich mithin ebenso wie bei § 11 I LPartG einer gesetzlichen Fiktion bedient, deren Rechtswirkungen sich faktisch aber nicht von der durch die Ehe begründeten Schwägerschaft unterscheiden. Ähnlich wie beim Begriff des Familienangehörigen wird auch bei dieser Formulierung deutlich, dass der Gesetzgeber nicht von der Identität der Schwägerschaft bei Ehe und Lebenspartnerschaft ausging. Der Gesetzgeber hätte sogar noch weitergehend die Schwägerschaft direkt auch die Lebenspartnerschaft übertragen können. § 11 II LPartG ist verfassungsgemäß. 6. Unterhaltsrechtsrecht Die Gewährung von Unterhaltsansprüchen ist einer der zentralen, aber verfassungsrechtlich auch umstrittensten Regelungsbereiche innerhalb der Rechtsstruktur der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies liegt daran, dass die Normierung von Unterhaltsansprüchen über die diesbezügliche Rechtsbeziehung zwischen den Mitgliedern jeder anderen nichtehelichen Lebensgemeinschaft weit hinaus geht und materiell deutlich an die grundlegende Regelungskonzeption der Ehe angelehnt ist.176 Das LPartG gewährt – je nach der tatsächlichen und rechtlichen Situation der Lebenspartnerschaft – verschiedene Unterhaltsansprüche, die wegen der damit verfolgten unterschiedlichen Regelungsziele auch eine differenzierte verfassungsrechtliche Beurteilung erforderlich machen. a) Lebenspartnerschaftsunterhalt Bei Einführung der Lebenspartnerschaft statuierte § 5 S. 1 LPartG a. F. knapp, dass die Lebenspartner einander zum angemessenem Unterhalt verpflichtet seien. Vorbild dieser Vorschrift war die in § 1360 S. 1 BGB geregelte Verpflichtung der Ehegatten zum Familienunterhalt. In § 1360 S. 2 BGB wird mit der sog. Haushaltsführungsehe, in welcher der haushaltsführende Ehepartner allein durch diese Tätigkeit seine familienbezogenen Unterhaltspflichten erfüllt, nur ein bestimmter Ausgestaltungstypus von mehreren ehelichen Gestaltungsmöglichkeiten angesprochen.177 § 5 LPartG a. F. 176 Schon in der später aufgehobenen Entscheidung des AG Frankfurt/M., NJW 1993, S. 940 (941), wird im Zusammenhang mit der nur zwischen Eheleuten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung von „nicht hinnehmbaren Nachteilen“ für gleichgeschlechtliche Paare gesprochen, die von diesen als „erhebliche Belastung und Benachteiligung empfunden“ würden. 177 Brudermüller (Fn. 148), § 1360 BGB Rn. 8 ff., beschreibt daneben noch die Doppelverdiener- und die Zuverdienstehe, betont aber, dass ein gesetzgeberisches

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verzichtete dagegen zunächst angesichts der auch den Lebenspartnern zukommenden Freiheit, das von ihnen gewählte Rechtsinstitut im forum internum nach ihren Vorstellungen zu gestalten, gänzlich auf die Beschreibung möglicher Formen der inneren Gestaltung der Lebenspartnerschaft. § 5 S. 2 LPartG a. F. erklärte außerdem die bisher ausschließlich den Ehepartnern vorbehaltenen Regelungen über den Umfang der Unterhaltspflicht und die Zuvielleistung in §§ 1360a, 1360b BGB für entsprechend anwendbar. Durch Art. 1 Nr. 2 LPartÜG wurde § 5 LPartG neu gefasst und fast gänzlich der entsprechenden ehebezogenen Norm des § 1360 BGB angepasst. Die gegenseitige Verpflichtung der Lebenspartner zu angemessenem Unterhalt wird nach § 5 S. 1 LPartG n. F. nun auch „durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen“ gewährleistet. Damit ist der Wortlaut von § 1360 S. 1 BGB mit Ausnahme des Familienbezugs für die Lebenspartnerschaft übernommen. § 5 S. 2 LPartG n. F. verweist nun neben den §§ 1360a, 1360b BGB auch auf die entsprechende Geltung des § 1360 S. 2 BGB. Die bis in die Wortwahl fast detaillierte Nachzeichnung der Bestimmungen des Ehegattenunterhalts lässt das Motiv erkennen, die Lebenspartnerschaft auf diesem Rechtsgebiet der Ehe gleichzustellen. Die Übernahme der unterhaltsrechtlichen Bestimmung zur Haushaltsführungsehe nach § 1360 S. 2 BGB für die Lebenspartnerschaft in § 5 S. 2 LPartG n. F. ist rechtspolitisch fragwürdig, da gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften realiter wegen der typischerweise fehlenden Kinder in viel geringerem Ausmaß eine entsprechende Gestaltung treffen als Ehepaare. Diese fehlende Differenzierung des Gesetzgebers zwischen institutionalisierter gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaft vermag aber eine Verfassungswidrigkeit von § 5 LPartG n. F. noch nicht zu indizieren. aa) Funktionale Grundlage des Unterhaltsrechts Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Einordnung der allgemeinen Unterhaltsverpflichtung bei Ehe und Lebenspartnerschaft ist zwischen zwei verschiedenen teleologischen Perspektiven zu unterscheiden: (1) Lebensgemeinschaft als Verantwortungsgemeinschaft Die erste Perspektive stellt die durch die Ehe oder Lebenspartnerschaft institutionalisierte interpersonale Bindung der Ehe- bzw. Lebenspartner in Leitbild nicht bestehe und dementsprechend die Ausgestaltung der Ehe den Ehegatten überlassen sei. Letzteres betonen auch Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1360 BGB Rn. 5, 20 ff.; Wacke (Fn. 143), § 1360 BGB Rn. 1; Klaus Roth-Stielow, in: RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch, 12. Aufl., 1984, § 1353 BGB Rn. 12.

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das Zentrum ihrer Überlegungen zur Zielsetzung der Gewährung eines Unterhaltsanspruchs. Das mit der Wahl des jeweiligen Rechtsinstituts rechtlich ausgestaltete Näheverhältnis zwischen seinen beiden Mitgliedern soll danach auch in einer finanziellen Verantwortung füreinander seinen Ausdruck finden. Entscheidend kommt dieser Gedanke im Begriff der Lebensgemeinschaft zum Ausdruck. Die Verpflichtung zur Lebensgemeinschaft findet sich für die Ehe ausdrücklich in § 1353 I 2, 1. Hs. BGB. Diese Norm enthält als Generalklausel des Eherechts die Grundmaxime der Solidarität zwischen den Eheleuten, die durch speziellere Normen im BGB und durch die Rechtsprechung in einzelnen Fallgruppen weiter entfaltet und zusammengefasst worden ist.178 Der erst 1998 durch das EheschlRG eingefügte § 1353 I 2, 2. Hs. BGB, der die gegenseitige Verantwortung der Ehegatten füreinander ausdrücklich festhält, bestätigt die Charakterisierung der Ehe als Verantwortungsgemeinschaft. Eine Erweiterung des Rechte- und Pflichtenkreises der Ehe ist mit dieser gesetzlichen Ergänzung nicht verbunden; vielmehr war ausschließlich eine normative Fundierung des schon bisher aus der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft abgeleiteten Solidarbezugs beabsichtigt.179 Zwischen der Ehe als Verantwortungsgemeinschaft und der Verpflichtung zum Unterhalt besteht ein konsekutiver Zusammenhang: Die gegenseitige Verantwortung füreinander ist grundsätzlich umfassend. Sie besitzt sowohl eine lebensbereichsübergreifende als auch eine zeitlich grundsätzlich unbegrenzte Dimension: Es wäre nicht nur realitätsfern, sondern würde auch der überindividuellen Typik der Ehe nicht gerecht, wenn von der Rechtsordnung gerade bei ihr eine vollständige finanzielle Autonomie des einzelnen Ehegatten postuliert würde. Die als eheliche Lebensgemeinschaft institutionalisierte Zusammengehörigkeit der Ehegatten muss deshalb den Bereich gegenseitiger finanzieller Unterstützung umfassen. Dieses weite und umfassende Verständnis des systematischen Verhältnisses von Verantwortungsgemeinschaft und Unterhaltsverpflichtung gilt auch in zeitlicher Hinsicht: Zum einen endet die gegenseitige unterhaltsrechtliche Verpflichtung der Eheleute grundsätzlich erst mit dem Tod eines der Ehegatten. Die unter178

Brudermüller (Fn. 148), § 1353 BGB Rn. 2 ff., mit einem instruktiven Über-

blick. 179 BT-Drucks. 13/9416, S. 29: „Die Ergänzung hat lediglich klarstellenden Charakter: Die Verpflichtungen der Ehegatten untereinander oder im Verhältnis zu Dritten werden durch sie nicht erweitert“; ebenfalls Wacke (Fn. 143), § 1353 BGB Rn. 12. Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1353 BGB Rn. 27, betonen das mit dieser Regelung verbundene Gegengewicht gegen die „zunehmende gesellschaftliche Tendenz, auch in der Ehe das Individuum in den Vordergrund zu rücken“. Muscheler (Fn. 153), Rn. 333, stellt dagegen in den Vordergrund, dass die Verantwortungsgemeinschaft der „terminologische Vorbote“ aller institutionalisierten Lebensgemeinschaften und damit gerade auch der Lebenspartnerschaft sei.

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haltsrechtliche Konkretisierung der Lebensgemeinschaft führt zum andern zu einer auf den ersten Blick paradoxen Feststellung: Sie bleibt selbst dann bestehen, wenn nach Auflösung der Ehe faktisch keine Lebensgemeinschaft mehr existiert. Die gegenseitige Verantwortungsübernahme induziert somit die in §§ 1569 ff. BGB geregelte nacheheliche Unterhaltspflicht.180 Dies ist nur verständlich, wenn man berücksichtigt, dass die Lebenssituation der Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung maßgeblich durch die Ehe selbst geprägt ist. Dies gilt insbesondere für die Vermögensverhältnisse der Ehegatten untereinander. Ihre oftmals ganz unterschiedliche finanzielle Situation ist regelmäßig das Ergebnis der eigenen verantwortlich getroffenen Ehegestaltung. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn dies keine rechtlichen Auswirkungen auf die Zeit nach Auflösung der Ehe hätte. Insofern findet das Grundprinzip gegenseitiger Verantwortung seine Fortsetzung auch nach der Ehe. Nur mit der Annahme einer umfassenden zeitlichen wie auch bereichsübergreifenden Dimension der ehelichen Lebensgemeinschaft wird man deshalb der gesetzlichen Charakterisierung als Verantwortungsgemeinschaft gerecht. Indem die Solidarität der Ehepartner dem jeweils schwächeren Teil zugute kommt, entfaltet dieses Verständnis darüber hinaus die dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich vorgegebene Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe.181 Für die Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft ist § 1353 I BGB seinem Wortlaut nach nicht vollständig übernommen worden. Nach § 2 S. 1 LPartG sind die Lebenspartner einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet. Der Begriff der Lebensgemeinschaft wird mit der Bezeichnung „Partnerschaftliche Lebensgemeinschaft“ als gesetzliche Überschrift des § 2 LPartG verwandt, im Normtext selbst kommt er nicht vor.182 Dafür wird in § 2 S. 2 LPartG wie in 180 So auch Wacke (Fn. 143), § 1353 BGB Rn. 12: „Die Verantwortung überdauert (in abgeschwächter Form) auch eine Ehescheidung (als nacheheliche Solidarität bes. im Unterhaltsrecht).“ 181 Zu diesem Strukturmerkmal vgl. etwa BVerfGE 67, 348 (365). 182 Die Verpflichtung zur gemeinsamen Lebensgestaltung statt – wie bei der Ehe – zur Lebensgemeinschaft wird in Rechtsprechung und Schrifttum dahingehend verstanden, dass bei der Lebenspartnerschaft keine Verpflichtung zur häuslichen Gemeinschaft und zur Geschlechtsgemeinschaft besteht; vgl. dazu BVerfGE 105, 313 (317): „Eine Geschlechtsgemeinschaft setzt das Gesetz nicht voraus.“ Alexander Lüderitz/Nina Dethloff, Familienrecht, 28. Aufl., 2007, § 7 Rn. 20; Rainer Kemper, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, § 2 LPartG Rn. 9 f., 15; Sickert (Fn. 103), S. 69; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 46; Marina Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2003, Rn. 107; Freytag (Fn. 101), S. 445 (453); Kaiser (Fn. 161), S. 617 (618 f.); A. Klein (Fn. 103), S. 434 (436); Robbers (Fn. 48), S. 779 (784); ders. (Fn. 144), S. 21 (22); Thomas Meyer/Andrea Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, 2001, § 2 LPartG, S. 39 f.; kritisch Muscheler (Fn. 153), Rn. 333 ff. Teilweise wird auch der

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§ 1353 I 2, Hs. 2 BGB wortgleich statuiert, dass „sie [gemeint sind im Zusammenhang mit § 2 LPartG die Lebenspartner] füreinander Verantwortung“ tragen. Damit ist der Grundgedanke der Solidargemeinschaft aus dem Eherecht für die Lebensgemeinschaft vollständig übernommen worden.183 Die Verpflichtung zu gegenseitigem Unterhalt ist dort nach Auffassung der damaligen Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen rechtlicher Ausdruck der durch die Begründung der Lebenspartnerschaft manifestierten „engen Bindungen“ der Lebenspartner, „durch sie soll den Lebenspartnern Sicherheit und zugleich (Dispositions)-Freiheit gewährleistet werden“. Sie sei zudem „zentrale Ausprägung der in § 2 LPartG allgemein statuierten Verpflichtung zu ‚Fürsorge und Unterstützung‘“.184 Damit wird bei der Lebenspartnerschaft der allgemeine Regelungszweck von Unterhaltspflichten ganz auf die interpersonale Ebene der beiden Lebenspartner verlagert.185 Diese systematische Einordnung des Verhältnisses zwischen der Solidargemeinschaft und der Unterhaltspflicht mit ihrer engen Fokussierung auf die sich bewusst für die Lebensgemeinschaft entscheidenden Nupturienten bzw. Lebenspartner ist freilich nicht die einzig mögliche: Im Rahmen einer funktionalen Analyse der Rechtsinstitute bedarf sie bei der Ehe der Ergänzung.

lebenszeitliche Charakter der Lebenspartnerschaft wegen des Fehlens einer § 1353 I 1 BGB entsprechenden Norm bestritten, so bei Kaiser (Fn. 161), S. 617 (618); Uwe Diederichsen, Homosexuelle – von Gesetzes wegen?, in: NJW 2000, S. 1841 (1843); dagegen Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (69); unentschieden insoweit Rainer Kemper, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, § 2 LPartG Rn. 3. 183 Ina Maria Lindenberg/Lars Micker, Die Vereinbarkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes mit Art. 6 Abs. 1 GG, in: DÖV 2003, S. 707 (710). 184 BT-Drucks. 14/3751, S. 37. Im Ergebnis ähnlich, aber doch mit einem noch weitergehenden systematischen Akzent auch die Begründung der Beschlussempfehlung im Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4550, S. 6: „Die Begründung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft findet ihren Ausdruck in den umfassenden unterhaltsrechtlichen Regelungen. Die Rechtsfolgen der Lebenspartnerschaft sind entweder Konsequenz der durch die Eintragung dokumentierten engen personalen Bindung der Lebenspartner oder knüpfen an die gegenseitige Unterhaltspflicht an.“ Mit dieser alternativen Formulierung im zuletzt genannten Satz gewinnt die Statuierung einer Unterhaltsverpflichtung innerhalb der Regelungsstruktur der Lebenspartnerschaft ein eigenständig-autonomes Gewicht und ist nicht mehr bloßes rechtliches Abbild des Näheverhältnisses der Lebenspartner. 185 So auch bei Kemper (Fn. 182), § 2 LPartG Rn. 4, 8, und § 5 LPartG Rn. 1, sowie ders., Ehe und Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: FPR 2001, S. 449 (454), der die Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen ausdrücklich mit der Charakterisierung der Lebenspartnerschaft als „Fürsorge- und Unterstützungsgemeinschaft“ sowie als „Beistandsgemeinschaft“ i. S. d. § 2 LPartG begründet.

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(2) Lebensgemeinschaft als potentielle Familie Die Ehe besitzt neben ihrem spezifischen Bezug zu den Ehegatten als Verantwortungsgemeinschaft auch noch die Potentialität, sich zur familialen Gemeinschaft mit Kindern zu entfalten. Aus dieser Ehetypik erwächst eine zweite familienbezogene und generationenübergreifende Perspektive der Unterhaltspflicht, die neben die aufgezeigte Sicht der interpersonalen Gemeinschaft beider Ehegatten tritt. Sie beruht auf der personellen Erweiterung der ehelichen Verantwortungsgemeinschaft und schließt auch die Kinder in den Solidarkreis ein.186 Die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung der Ehegatten bezieht sich nach dem Wortlaut des § 1360 S. 1 BGB deshalb ausdrücklich darauf, „die Familie angemessen zu unterhalten.“ Aus dieser Norm sind zwar entgegen einzelner Stimmen in der Literatur keine eigenen Unterhaltsansprüche der Kinder abzuleiten, weil insoweit die §§ 1601 ff. BGB eigene Anspruchsgrundlagen bereithalten.187 Allerdings bemisst sich der Umfang der Ansprüche der Ehegatten auch nach den Aufwendungen, die diese für die Kinder tätigen.188 Der Anspruch des § 1360 S. 1 BGB ist deshalb auf den Familienunterhalt gerichtet und nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse des Ehepartners.189 Bei der Lebenspartnerschaft fehlt diese familiale Komponente der Verantwortungsgemeinschaft gänzlich. Dies ist aus der Sicht der die lebenspartnerschaftliche Unterhaltspflicht ablehnenden Stimmen nur konsequent, weil die unterhaltsrechtliche Zielsetzung, die familiale Gemeinschaft durch gegenseitige Unterhaltspflichten der Partner abzusichern, bei der Lebenspartnerschaft typologisch nicht in Betracht kommt. Die Statuierung von familien186

Wacke (Fn. 143), § 1360 BGB Rn. 1: „Die gegenseitige Verpflichtung der Eheleute, ihre Familie zu unterhalten, ist die bedeutsamste Ausprägung der ehelichen Grundpflicht zur Lebensgemeinschaft.“ 187 BGH, NJW 1997, S. 735; Brudermüller (Fn. 148), § 1360 BGB Rn. 2; Hübner/ Voppel (Fn. 148), § 1353 BGB Rn. 11, 53; Wacke (Fn. 143), § 1360 BGB Rn. 8; Eberhard Wenz, in: RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch, 12. Aufl., 1984, § 1360 BGB Rn. 3. Anders Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 21 Rn. 2, die annehmen, die Eltern könnten gegenseitig die Unterhaltsansprüche der Kinder im Wege der Vertretung geltend machen. § 1601 BGB wäre dann allerdings überflüssig. 188 Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1360 BGB Rn. 11, die den Familienunterhalt als „auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Ehegatten und der unterhaltsberechtigten Kinder gerichtet“ ansehen; auch Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 21 Rn. 2; Wenz (Fn. 187), § 1360 BGB Rn. 1, 7. 189 BVerfGE 107, 205 (217). Vgl. Brudermüller (Fn. 148), § 1360 BGB Rn. 2: „Soweit das Kind in der Familie lebt und die Eltern beiderseits ihrer Pflicht zum Familienunterhalt nachkommen, wird der Unterhaltsanspruch der Kinder erfüllt.“ Ebenso Wacke (Fn. 143), § 1360 BGB Rn. 8.

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bezogenen Unterhaltspflichten würde die Funktion der Lebenspartnerschaft verfehlen, weil für sie weder eine natürliche noch eine generelle rechtssystematische Entwicklungsmöglichkeit zur Familie besteht.190 Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden sich mithin dadurch, dass bei der Ehe sowohl ein Bezug zum eigenen Bedürfnis des Ehepartners nach Schutz und Absicherung als auch ein solcher zum entsprechenden Bedürfnis des Kindes besteht. Von diesen zwei Regelungsbezügen kann das lebenspartnerschaftliche Unterhaltsrecht wegen der typischerweise fehlenden Kinder nur den ersten realisieren. Fraglich ist, ob es mit dem besonderen Schutz der Ehe vereinbar ist, nur eine der beiden Regelungsmotive des ehelichen Unterhaltsrechts bei der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft zu übernehmen. bb) Die Sperrwirkung des besonderen Schutzes der Ehe für die Ausgestaltung des Unterhaltsrechts Eine Sperrwirkung kann sich aus Art. 6 I GG für die Übertragung unterhaltsrechtlicher Regelungen, die bisher der Ehe vorbehalten waren, nur dadurch ergeben, dass diese Bestimmungen Konkretisierungen der funktionalen Typik der Ehe mit ihren Wesensmerkmalen wären und deshalb bei einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nicht vorkommen dürften. Nur in diesem Fall würde das aus der Förderverpflichtung abgeleitete Differenzierungsgebot den Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichten, diese Vorschriften ausschließlich bei der Ausgestaltung der Ehe zu belassen. Typologisch ist nur die Ehe – nicht aber die Lebenspartnerschaft – auf die Familie ausgerichtet. Daraus ergibt sich, dass die in § 1360 BGB normierte Verpflichtung zum Familienunterhalt nicht in das Gestaltungssystem der Lebenspartnerschaft integriert werden darf, weil dort ein familialer Funktionszusammenhang gerade nicht besteht. Eine diesbezügliche Nivellierung zwischen den Regelungen für die Ehe und denen der Lebenspartnerschaft wäre verfassungswidrig. § 5 S. 1 LPartG statuiert aber nur eine Unterhaltsverpflichtung für die Lebenspartner, Kinder werden dort nicht berücksichtigt.191 Der damit konkretisierte Rechtsgedanke der gegenseitigen interpersonalen Ver190 Das berücksichtigt Muscheler (Fn. 153), Rn. 269 f., nicht, weil er keine typologische Perspektive einnimmt, sondern vielmehr auf einzelne Konstellationen abstellt, in denen neben der Lebenspartnerschaft eine Familiengemeinschaft bestünde („gemeinsame Adoption, künstliche Befruchtung, einverständlich geplanter sexueller Fremdkontakt“). Die gemeinsame Adoption durch Lebenspartner ist gesetzlich allerdings nicht vorgesehen und die künstliche Befruchtung eines Lebenspartners in Deutschland zudem standeswidrig, so dass die genannten Beispiele in diesem Zusammenhang zumindest problematisch sind, vgl. oben 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (c) und (f), S. 159 ff., 167 f.

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antwortung für die das Rechtsinstitut bewusst Wählenden findet sich für die Ehe in § 1360 BGB. Dort wird zwar der Ehegattenunterhalt zum Familienunterhalt erweitert, aber die Solidarität zwischen den Eheleuten dadurch nicht aufgehoben. Beiden Rechtsinstituten, Ehe und Lebenspartnerschaft, ist deshalb die partnerbezogene Verantwortungsgemeinschaft als eine der funktionalen Fundierungen des Unterhaltsrechts gemeinsam. Die unterschiedliche Geschlechtsidentität der jeweiligen Personenverbindung ändert daran nichts.192 Es ist gesetzestechnisch möglich, beide Funktionszuordnungen – die Verantwortungsgemeinschaft und den Familienbezug – im Regelungssystem zu separieren, indem der Inhalt des Unterhaltsanspruchs nicht auf den Familienunterhalt Bezug nimmt, sondern ausschließlich auf den Unterhalt des Lebenspartners begrenzt ist.193 Die in Art. 6 I GG getroffene Wertentscheidung zugunsten der Ehe spricht daher nicht dagegen, die rechtliche Konkretion dieser lebensgemeinschaftlichen Konsequenz im Unterhaltsrecht auch für die Lebenspartnerschaft zu übernehmen.194 191 Entgegen Braun (Fn. 102), S. 23 (26), der ausdrücklich auch den Familienunterhalt als von der Ehe übernommene Regelung erwähnt. 192 Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 118; Lindenberg/Micker (Fn. 183), S. 707 (713); Freytag (Fn. 101), S. 445 (451); Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (65); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1896); A. Klein (Fn. 103), S. 434 (435); Robbers (Fn. 48), S. 779 (781 f.); ders. (Fn. 144), S. 21 (22). Die bei der Ergänzung des § 1353 I BGB um den Begriff der „Verantwortungsgemeinschaft“ nach BT-Drucks. 13/9416, S. 26, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Ausdruck gebrachte rechtspolitische Erwartung einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, weil auch diese „‚füreinander Verantwortung‘ tragen“ könnten, geht fehl, weil die Ehe nicht nur eine Verantwortungs-, sondern auch eine familiengerichtete Gemeinschaft ist. Für die Fraktion der CDU/CSU sollte mit der Bezeichnung der Ehe als Verantwortungsgemeinschaft nur ein Wesensmerkmal der Ehe „deutlicher als bislang“ betont werden; i. d. S. auch Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1360 BGB Rn. 27. Die vermittelnde Auffassung von Krings (Fn. 102), S. 409 (413), die Statuierung einer wechselseitigen „Fürsorge- und Unterstützungspflicht“ liege „in der Konsequenz einer rechtlichen Institutionalisierung dieser Partnerschaft“ und sei deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, die Unterhaltsverpflichtung dagegen nicht, ist wenig stringent: Unterhaltsleistungen konkretisieren die finanziellen Dimension einer „Unterstützungspflicht“; es ist deshalb nicht ersichtlich, wieso nach dieser Ansicht der besondere Schutz der Ehe nicht gegen eine Unterstützungspflicht, wohl aber gegen eine Unterhaltsverpflichtung sprechen soll. 193 Anders Pauly (Fn. 127), S. 1955 (1956), für den die Unterhaltsregelungen spezifischer Bestandteil einer Ausformung der „umfassenden Lebensgemeinschaft“ der Ehe sind, deren Übertragung auf andere Rechtsgemeinschaften gegen die Institutsgarantie verstieße. 194 Im Ergebnis auch Pieroth/Kingreen (Fn. 161), S. 219 (238 f.), allerdings mit der Begründung, die Einführung der Lebenspartnerschaft führe nicht zu einer „Flucht aus der Ehe“. P. Kirchhof (Fn. 128), S. 436 (438), sperrt sich wegen des gesetzgeberischen Spielraums zwar nicht grundsätzlich gegen die Übernahme unterhaltsrechtlicher Regelungen auch außerhalb der Ehe, hält aber in diesem Fall deren Beschränkung auf sexuelle Gemeinschaften für nicht sachgerecht.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Das denkbare Gegenargument, die Bezeichnung der ehelichen Lebensgemeinschaft als Verantwortungsgemeinschaft sei in das BGB gerade implementiert worden, um die Ehe von nichtehelichen Lebensgemeinschaften abzugrenzen, und diese dürften deshalb auch nicht als Verantwortungsgemeinschaften bezeichnet und ausgestaltet werden,195 ginge fehl. Zwar ist es zutreffend, dass ein Regelungszweck der Ergänzung des § 1353 I 2 BGB auch darin bestand, den Aspekt der gegenseitigen Verantwortung innerhalb der Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften herauszustellen.196 Der vom Gesetzgeber in Betracht gezogene Kreis der Personenverbindungen, unter denen die Ehe als Verantwortungsgemeinschaft ihr spezifisches Gewicht erhält, waren aber nicht institutionalisierte Rechtsformen von Lebensgemeinschaften, sondern nichteheliche Personenverbindungen, deren Mitglieder eine gegenseitige rechtliche Bindung gerade nicht eingehen wollen. Wo keine rechtlichen Bindungen begründet werden, kann es auch keine rechtlich verbindliche Verantwortungsübernahme geben.197 Dies trifft aber auf die Lebenspartnerschaft nicht zu, weil dort durchaus eine Bindung angestrebt wird.198 Das Merkmal der grundsätzlichen Unauflöslichkeit einer Personenverbindung wird zudem durch die Statuierung von Unterhaltspflichten während des einverständlichen Bestehens der Lebenspartnerschaft gar nicht berührt, sondern kann allenfalls Bedeutung für die Situation haben, in der zumindest einer der Partner die Lebenspartnerschaft nicht mehr 195 Die Argumentation von Burgi (Fn. 127), S. 487 (504 f.), geht in diese Richtung: „Maßnahmen wie die Schaffung von Unterhaltsregelungen während und nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft“ seien „wegen ihres Bezogenseins auf das Merkmal der grundsätzlichen Unauflöslichkeit ausgeschlossen“, vgl. auch ders., (Fn. 127), Art. 6 Rn. 47 f. 196 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9416. S. 29: „Der dem Absatz 1 Satz 2 angefügte Halbsatz verdeutlicht den Unterschied der Ehe zu anderen Lebensgemeinschaften: Die Ehegatten gehen wechselseitig rechtliche Bindungen ein, die das Verhältnis der Ehegatten zueinander zu einer Verantwortungsgemeinschaft werden lassen.“ 197 Mit Bezug auf die „eheähnliche Gemeinschaft“ lehnen Lecheler (Fn. 123), Rn. 92, und Heinhard Steiger, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: VVDStRL 45 (1986), S. 55 (79), die Gewährung von Unterhaltsansprüchen deshalb ab. Lecheler hält aber dort „bereits Ansprüche auf Entgelt für Mitarbeit, für Haushaltsführung und ähnliche Dienstleistungen“ für denkbar. Ablehnend für den Familienunterhalt ebenfalls Schumacher (Fn. 115), S. 857 (860 f.), weil der „Rechtsrahmen der Ehe“ von den Mitgliedern der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft „letztlich nicht gewollt wird“. 198 Insgesamt skeptisch gegenüber der Ergänzung des § 1353 I 2 BGB Alfred Wolf, Der Standesbeamte als Ausländerbehörde oder Das neue Eheverbot der pflichtenlosen Ehe, in: FamRZ 1998, S. 1477 (1482), weil nicht deutlich werde, gegenüber welchen Gemeinschaften die eheliche Lebensgemeinschaft abgegrenzt sei. Rechtsinstitute als Verantwortungsgemeinschaften können dies jedenfalls nicht sein, weil von denjenigen, die sie wählen, bewusst eine rechtliche Bindung und damit „Verantwortung“ gesucht wird.

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fortführen will und sie deshalb aufgelöst wird, mithin für den nachpartnerschaftlichen Unterhalt. Der nunmehr in § 5 S. 2 LPartG n. F. enthaltene ausdrückliche Bezug zu einem interpartnerschaftlichen Gestaltungsmodell, bei dem ein Lebenspartner alleinverantwortlich für die Haushaltsführung zuständig ist, ist zwar rechtspolitisch wenig angemessen, weil damit ein bestimmter Typus der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft normativ herausgestellt wird, der – anders als bei der Ehe – unter gleichgeschlechtlichen Lebensformen eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Mitgliedern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ist es aufgrund ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG aber nicht verwehrt, eine solche spezifische Arbeitsteilung vorzunehmen. Die Haushaltsführung ohne gleichzeitige Berufstätigkeit mag einen mittelbaren tatsächlichen familialen Bezug aufweisen, weil sie als Nichterwerbstätigkeit oftmals mit der Kindererziehung einhergeht.199 § 1360 S. 2 BGB enthält aber keinen normativen Konnex zwischen der Tätigkeit der Haushaltsführung und derjenigen der Kindererziehung. Vielmehr wird die alleinige Haushaltsführung von § 1360 S. 2 BGB auch dann als Unterhaltsleistung anerkannt, wenn keine Kinder betreut werden. Diese Norm trifft mithin nur eine (positive) Aussage zu der Frage, ob die Haushaltsführung als Unterhaltsleistung anzusehen ist. Ihre Bejahung ist unabhängig von der Geschlechtsidentität der Mitglieder einer Lebensgemeinschaft möglich.200 Aus der Wertentscheidung zugunsten der Ehe ergibt sich deshalb für den Gesetzgeber kein Verbot, die Haushaltsführung eines Lebenspartners als Unterhaltsleistung anzuerkennen. § 5 S. 2 LPartG n. F. ist insoweit verfassungsgemäß. § 5 LPartG n. F. verstößt deshalb nicht gegen das Grundgesetz. Ein genereller Familienunterhalt – wie in § 1360 S. 1 BGB statuiert – darf aber für die Lebenspartnerschaft nicht eingeführt werden. b) Unterhaltsanspruch bei Getrenntleben der Lebenspartner § 12 S. 1 LPartG n. F. normiert für den Fall des Getrenntlebens der Lebenspartner einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt nach den Lebenssowie den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen während der Lebenspartnerschaft. In § 12 S. 2 LPartG n. F. wird pauschal auf die entsprechende Geltung des § 1361 BGB verwiesen, der die Unterhaltsansprüche von getrennt lebenden Ehegatten regelt. 199

Robbers (Fn. 48), S. 779 (784). Aus diesem Grunde hielt Andreas Wacke, in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., Ergänzungsband, § 5 LPartG Rn. 2, schon die Nichterwähnung des § 1360 S. 2 BGB in § 5 LPartG a. F. für wenig sorgfältig. 200

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Ursprünglich war die rechtliche Struktur der Unterhaltsansprüche von getrennt lebenden Ehepartnern und ihr Verhältnis zu den entsprechenden ehebezogenen Ansprüchen deutlich komplexer. Nach § 12 I 1 LPartG a. F. bestanden solche Unterhaltsansprüche für getrennt lebende Lebenspartner. Die Unterhaltsansprüche von Ehe- und Lebenspartnern waren allerdings unterschiedlich geregelt: Erstens fehlte der in § 1361 I 2 BGB zuerkannte Anspruch auf Kostenerstattung für eine Altersvorsorgeversicherung im Fall der Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens bei der Lebenspartnerschaft gänzlich.201 Falls der Lebenspartner nicht erwerbstätig war, konnte er zweitens nach § 12 I 2 LPartG a. F. darauf verwiesen werden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, es sei denn, dass dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht erwartetet werden konnte. Dabei wurden die Dauer der Lebenspartnerschaft und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Lebenspartner berücksichtigt. Der Grundgedanke dieser Erwerbsobliegenheit findet sich vergleichbar in § 1361 II BGB für Ehepaare mit dem Unterschied, dass dort der eigentlich anspruchsberechtigte Ehegatte nur dann auf die Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann, wenn sie von ihm erwartet werden kann. Das bei der Ehe bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Nichtaufnahme einer Erwerbstätigkeit und einer gesetzlich erwarteten Erwerbstätigkeit kehrte sich bei der Lebenspartnerschaft nach § 12 I 2 LPartG a. F. mithin um. Die Mitglieder einer Lebenspartnerschaft traf damit wegen ihrer unterstellten größeren wirtschaftlichen Eigenständigkeit202 eine stärkere Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit als Eheleute.203 Drittens war die sowohl bei der Ehe als auch bei der Lebenspartnerschaft bestehende „Unbilligkeitsklausel“ zur Herabsetzung, zeitlichen Begrenzung oder zum Ausschluss des Unterhaltsanspruchs unterschiedlich formuliert: Während bei der Ehe nach § 1579 BGB eine „grobe Unbilligkeit“ und zudem ein in § 1579 Nr. 2–7 BGB beschrieber Tatbestand vorliegen muss, nannte § 12 II 1 LPartG a. F. ausschließlich die „Unbilligkeit“ ohne weitere Voraussetzungen, die für die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs bei Getrenntleben der Lebenspartner ausreichend war.204

201

Daraus entstand in der Literatur ein Konflikt um die Frage, ob der Unterhaltsbegriff in § 12 I 1 LPartG a. F. trotzdem auch den Vorsorgeunterhalt umfassen müsse, vgl. Gerd Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl., 2005, § 12 LPartG Rn. 8 m. w. N. 202 Die Begründung des § 12 LPartG-E spricht in BT-Drucks. 14/3751, S. 41, „von einer anzunehmenden größeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit beider Partner bereits in der Phase des Getrenntlebens.“ Vgl. auch Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (69); Kaiser (Fn. 161), S. 617 (621); Meyer/Mittelstädt (Fn. 182), § 12 LPartG, S. 58. 203 Brudermüller (Fn. 201), § 12 LPartG Rn. 7; Muscheler (Fn. 153), Rn. 275. 204 Kritisch dazu Brudermüller (Fn. 201), § 12 LPartG Rn. 9; Muscheler (Fn. 153), Rn. 275; Diederichsen (Fn. 182), S. 1841 (1842).

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Die vollständige Angleichung der lebenspartnerschaftlichen Unterhaltsansprüche bei Getrenntleben an diejenigen der getrennt lebenden Ehegatten durch Art. 1 Nr. 6 LPartÜG wurde mit dem Verweis auf die durch die abweichenden Regelungen hervorgerufenen Unstimmigkeiten hinsichtlich der unterschiedlichen Unbilligkeitsmaßstäbe und der fraglichen Einbeziehung des Vorsorgeunterhalts begründet.205 Welchen Zweck die Angleichung der Maßstäbe der Erwerbsobliegenheit von Ehe- und Lebenspartnern angesichts der bei der Begründung des § 12 I 2 LPartG a. F. vom Gesetzgeber betonten typologisch unterschiedlichen ökonomischen Situation beider Rechtsinstitute verfolgt, wurde von ihm nicht erläutert. Die Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft bei der rechtlichen Konturierung der Erwerbsobliegenheit ist zwar rechtspolitisch weiterhin durchaus nachvollziehbar.206 Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung dazu besteht aber nicht. Es könnte aber schon die grundsätzliche Verpflichtung der getrennt lebenden Lebenspartner zur gegenseitigen Unterhaltsleistung gegen die Wertentscheidung zugunsten der Ehe nach Art. 6 I GG, hier gegen ihre Konkretisierung als staatliche Verpflichtung zur Förderung der Ehe, verstoßen. Dagegen spricht allerdings die Einordnung der Lebenspartnerschaft als institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft. Wegen ihrer in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich nicht befristeten Reichweite fällt das Ende der gegenseitigen Verantwortung nicht mit dem der faktischen Lebensgemeinschaft zusammen, sondern überdauert sie. Eine Verantwortungsgemeinschaft, die durch eine gewählte institutionalisierte Rechtsform begründet ist, kann rechtlich nicht schon vor der formellen Auflösung dieser institutionellen Gemeinschaft selbst beendet werden. Dies wird auch plausibel, wenn man berücksichtigt, dass das Getrenntleben der Lebenspartner – ebenso wie bei Eheleuten – regelmäßig kein langfristig dauerhafter Zustand, sondern vielmehr ein Übergangsstadium ist, das entweder zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft oder zur Erneuerung der Lebensgemeinschaft („Versöhnung“) hinführt. Letzteres würde vereitelt, wenn im Falle des Getrenntlebens keine Unterhaltsverpflichtungen bestünden, nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft aber schon. In diesem Fall wäre für den unterhaltsberechtigten Lebenspartner der Weg zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft finanziell attraktiv. Außerdem dient der Trennungsunterhalt dem Schutz des finanziell leistungsschwächeren Partners.207 Die verfassungsrechtlich nicht 205

Vgl. BT-Drucks. 15/3445, S. 15. Ähnlich Wacke (Fn. 200), § 12 LPartG Rn. 2, der die Eigenverantwortlichkeit bei der Unterhaltssicherung von getrennt lebenden Lebenspartnern wegen der „geringeren Solidarität innerhalb grundsätzlich kinderloser homosexueller Partnerschaften“ betont. 207 Stefan Reiß, Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule?, in: KJ 1994, S. 98 (101), Schumacher (Fn. 115), S. 857 (861), und Reinhold Zippelius, Verfassungs206

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

zu beanstandende Übertragung des Tatbestands der Verantwortungsgemeinschaft von der Ehe auf die Lebenspartnerschaft führt deshalb zum Grundsatz der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung getrennt lebender Lebenspartner. Sie verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe in Art. 6 I GG. c) Unterhaltsanspruch nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft Schließlich ist auch der Unterhaltsanspruch nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum LPartDisBG vom legislativen Bestreben geprägt, die entsprechenden Bestimmungen für Ehegatten auf die Lebenspartnerschaft möglichst vollständig zu übertragen. aa) Regelungsgeschichte des nachpartnerschaftlichen Unterhaltsrechts Das LPartDisBG hatte zunächst mit § 16 LPartG a. F. eine differenzierte, aber auch komplizierte Rechtsstruktur des nachpartnerschaftlichen Unterhalts geschaffen, die zu neuen rechtlichen Problemen führte. Das hatte zwei Ursachen: Zum einen versuchte der Gesetzgeber, die in vielen Detailbestimmungen des BGB geregelten Voraussetzungen und Folgen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs für die Lebenspartnerschaft soweit wie möglich in einer Norm zusammenzufassen. Zum anderen nahm diese Norm darüber hinaus aber wiederum auf einige Vorschriften für geschiedene Ehegatten Bezug, so dass Schwierigkeiten entstanden, die Abweichungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft im Detail nachzuvollziehen.208 Mit der nur teilweisen Annäherung des nachlebenspartnerschaftlichen an das nacheheliche Unterhaltsrecht sollte der regelmäßig vorliegenden wirtschaftlichen Selbständigkeit beider Lebenspartner Rechnung getragen werden.209 § 16 I LPartG a. F. wies deshalb nach Aufhebung einer Lebenspartnerschaft dem Lebenspartner einen nach den Lebensverhältnissen während der garantie und sozialer Wandel – Das Beispiel von Ehe und Familie, in: DÖV 1986, S. 805 (809), halten es in diesem Rahmen deshalb grundsätzlich für möglich, einen bedürftigkeitsorientierten Unterhaltsanspruch für den Fall der Trennung der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einzuführen. 208 Für Wacke (Fn. 200), § 16 LPartG, lehnte sich wegen dieser Verweisungen auf Vorschriften des nachehelichen Unterhaltsrechts „die gesetzliche Fassung damit stärker an den nachehelichen Unterhalt an“ als es im Gesetzentwurf des LPartG-E ursprünglich vorgesehen war. 209 Nach der Begründung zu § 16 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 42, sind deshalb „Tatbestände, die der Annahme der wirtschaftlichen Selbständigkeit von Lebenspartnern nach Aufhebung ihrer Partnerschaft entgegenstehen können, (. . .) nur in Ausnahmefällen zu erwarten.“

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Lebenspartnerschaft angemessenen Unterhaltsanspruch zu, wenn er für seinen Lebensunterhalt nicht selbst sorgen und auch eine Erwerbstätigkeit von ihm nicht erwartet werden konnte.210 Diese Regelung verband die im Scheidungsfolgenrecht der Ehe in mehreren Bestimmungen geregelten Anspruchsvoraussetzungen zu einer einzigen allgemeinen Vorschrift: das Unvermögen, für sich selbst zu sorgen (§ 1569 BGB), sowie kumulativ eine der für das eheliche Scheidungsfolgenrecht noch kasuistisch im BGB normierten Lebenssituationen, in denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vom Anspruchsberechtigten nach dem Gesetz nicht erwarten werden kann.211 Da in § 16 LPartG a. F. nicht auf § 1574 BGB verwiesen wurde, der statuiert, dass vom Anspruchsberechtigten nur die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erwartet wird, lag der Schluss nahe, dass von ihm auch eine ihm nicht angemessene Erwerbstätigkeit erwartet werden konnte.212 Der Zeitpunkt, zu dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen mussten, war – anders als in den §§ 1570 ff. BGB – nicht jeweils eigenständig geregelt. Dies war angesichts nur einer Anspruchsnorm zwar kaum vermeidbar, stellte aber wegen der damit verbundenen Unsicherheit auch eine systematische Schwäche dieser Rechtskonstruktion dar. Da der Unterhaltsanspruch an die Aufhebung der Lebenspartnerschaft anknüpft, war es nahe liegend, auf den Aufhebungszeitpunkt abzustellen.213 210 Ursprünglich sah der Rohentwurf des Bundesministeriums der Justiz vor, nachlebenspartnerschaftlichen Unterhalt nur zu gewähren, wenn er „auf Grund besonders schutzwürdigen Vertrauens in den Fortbestand der Lebenspartnerschaft geboten erscheint.“ Kritisch dazu Diederichsen (Fn. 182), S. 1841 (1843). 211 Alter, § 1571 BGB; Krankheit oder Gebrechen, § 1572 BGB; Unerreichbarkeit einer angemessenen Erwerbstätigkeit, § 1573 I BGB; Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, § 1575 BGB; sonstige Billigkeitsgründe, § 1576 BGB. Die in § 1570 BGB ebenfalls genannte Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes wurde beim Inkrafttreten des LPartDisBG zunächst nicht berücksichtigt, weil es zu diesem Zeitpunkt mangels Adoptionsrechts an einem „gemeinschaftlichen“ Kind der Lebenspartner fehlte, vgl. Kaiser (Fn. 161), S. 617 (622); Rainer Kemper, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, § 16 LPartG Rn. 6. 212 In diesem Sinne wohl Kaiser (Fn. 161), S. 617 (622), und Meyer/Mittelstädt (Fn. 182), § 16 LPartG, S. 63, die ausdrücklich auch eine analoge Anwendung von § 1574 BGB ablehnen. Dagegen findet die in der Begründung des § 16 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 42, vorgetragene Ansicht, „eine Verantwortung der Lebenspartner füreinander nach Aufhebung der Partnerschaft“ ergebe sich, wenn es „im Hinblick auf die während der Partnerschaft gewählte Arbeitsteilung“ einem Lebenspartner nicht gelänge, „eine angemessene Erwerbstätigkeit aufzunehmen“, zumindest keine ausdrückliche Stütze im Gesetz. 213 Meyer/Mittelstädt (Fn. 182), § 16 LPartG, S. 64, mit dem Hinweis, dass es nicht Ziel des LPartG sei, die Lebenspartnerschaft den „ehelichen Gemeinschaften völlig gleichzustellen oder sie gar gegenüber der Ehe zu privilegieren“. Deshalb dürfe nachpartnerschaftlicher Unterhalt „nicht weitergehend als im nachehelichen Unterhaltsrecht gewährt werden.“

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Der Unterhaltsanspruch erlosch gemäß § 16 II 1 LPartG a. F., wenn der Berechtigte eine Ehe einging oder eine neue Lebenspartnerschaft begründete. § 16 II 2 LPartG a. F. erklärte eine Reihe von unterhaltsbezogenen Normen des ehelichen Scheidungsfolgenrechts für entsprechend anwendbar.214 Daran wurde gesetzestechnisch kritisiert, dass bei der Begrenzung des nachpartnerschaftlichen Unterhaltsanspruchs nun wieder auf die gegenüber dem Trennungsunterhalt erschwerte „grobe Unbilligkeitsklausel“ mit ihren Voraussetzungen des § 1579 BGB verwiesen wurde, so dass durch diese Regelung ein finanzieller „Anreiz zur Aufhebung der Partnerschaft“ entstünde.215 Auf die in § 1577 BGB niedergelegten Voraussetzungen der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit wurde außerdem ebenso wenig Bezug genommen wie auf § 1586a BGB, der in seinem Absatz 1 ein Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen und wiederverheirateten Ehegatten nach erneuter Auflösung dieser Ehe statuiert. Ob diese Regelungen trotz fehlender Verweisung auf die Lebenspartnerschaft Anwendung finden sollten, blieb unklar.216 Der fehlende Verweis auf § 1583 BGB, der die den Ehegatten mögliche Gütergemeinschaft betrifft, erschien dagegen wegen der für die Lebenspartnerschaft gesetzlich ebenfalls nicht in Bezug genommen ehelichen Gütergemeinschaft nur konsequent. Bei mehreren Unterhaltsansprüchen gegen einen Verpflichteten, der i. S. v. § 1581 BGB außerstande ist, alle Ansprüche zu befriedigen, ging der frühere Lebenspartner nach § 16 III Hs. 1 LPartG a. F. einem neuen Lebenspartner und den in § 1609 II BGB genannten übrigen Verwandten vor; alle anderen gesetzlich Unterhaltsberechtigten217 gingen allerdings gemäß § 16 III Hs. 2 LPartG a. F. dem früheren Lebenspartner vor.218 Die weitgehende Gleichstellung des lebenspartnerschaftlichen und ehelichen Unterhaltsrechts durch das LPartÜG bezog sich gemäß Art. 1 Nr. 7 214 „Bei den in Bezug genommenen Regelungen des BGB erscheint eine Abweichung bzw. eine gegenüber dem bürgerlich-rechtlichen Scheidungsfolgenrecht eigenständige Ausgestaltung in der Sache nicht angezeigt“, führt die Begründung des LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 42, aus. Einschränkend, aber unbestimmt Meyer/ Mittelstädt (Fn. 182), § 16 LPartG, S. 64, die eine Anwendung dieser Normen wegen der Analogie ausschließen, wenn „dies durch den zugrunde liegenden Unterhaltsanspruch nicht gerechtfertigt ist.“ Beispiele dafür werden dort nicht genannt. 215 Muscheler (Fn. 153), Rn. 275; vgl. auch Marina Wellenhofer, Das neue Recht für eingetragene Lebenspartnerschaften, in: NJW 2005, S. 705 (707). 216 Jeweils differenziert bejahend Brudermüller (Fn. 201), § 16 LPartG Rn. 10, 14, m. w. N. 217 In der Begründung des Rechtsausschusses zu § 16 III LPartG, BT-Drucks. 14/4550, S. 7, werden Kinder, geschiedene oder neue Ehegatten sowie Berechtigte nach § 1615 BGB genannt. 218 Der dritte Absatz von § 16 LPartG a. F. war im ursprünglichen Entwurf des LPartG nicht enthalten und ist erst durch die mehrheitliche Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in das LPartDisBG aufgenommen worden.

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auch auf den Unterhaltsanspruch nach Aufhebung einer Lebenspartnerschaft.219 Zu diesem Zweck wurde § 16 LPartG inhaltlich neu gefasst. Sein erster Absatz ist fast vollständig dem Wortlaut des den Ehegattenunterhalt normierenden § 1569 BGB nachgebildet und verweist darüber hinaus – mit Ausnahme des § 1582 BGB – auf die einschlägigen Vorschriften des nachehelichen Unterhalts der §§ 1570 bis 1586b BGB. Nach § 16 I LPartG hat ein Lebenspartner nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft gegen den anderen Lebenspartner einen Unterhaltsanspruch, wenn jener nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann. Der dritte Absatz des § 16 LPartG a. F. wurde ohne Änderungen als zweiter Absatz des § 16 LPartG n. F. übernommen. bb) Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten der Ehe als Ausgestaltungsmaßstab Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Regelungen zum Unterhaltsanspruch nach Aufhebung einer Lebenspartnerschaft sind das aus der objektiven Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie abgeleitete Benachteiligungsverbot der Ehe und die ehebezogene Förderverpflichtung des Staates die Maßstäbe, denen § 16 LPartG genügen muss. (1) Benachteiligungsverbot Eine Bevorzugung der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe im Unterhaltsrecht verstößt gegen das eheliche Benachteiligungsverbot und ist verfassungswidrig. Dagmar Kaiser hatte eine solche Privilegierung und damit ein Verletzung des Benachteiligungsverbotes darin gesehen, dass sich Lebenspartner auf die generalklauselartige Norm des § 16 LPartG a. F. berufen konnten, während bei Ehegatten als Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs eine der in den §§ 1570 ff. BGB genannten Fallkonstellationen habe vorliegen müssen und sie ansonsten auf den strengen § 1576 BGB angewiesen seien.220 Diese durch die weite Formulierung des § 16 LPartG hervorgerufene Problematik konnte nur durch verfassungskonforme Auslegung gelöst werden, indem nachpartnerschaftlicher Unterhalt ausschließlich in den Fällen der im BGB genannten Tatbestände oder der Unbilligkeitsklausel gewährt worden wäre. Im neu gefassten § 16 LPartG sind diese Unklarheiten durch den nahezu vollständigen Verweis auf die Normen des nachehelichen 219 Laut der Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 15/3445, S. 16, werden mit der Novellierung „die Regelungen über den nachpartnerschaftlichen Unterhalt an den nachehelichen Unterhalt weitestgehend angeglichen und Unstimmigkeiten des geltenden Rechts beseitigt.“ 220 Kaiser (Fn. 161), S. 617 (622).

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Unterhaltsrechts beseitigt. Durch § 16 LPartG n. F. werden Lebenspartner gegenüber Eheleuten nicht bevorzugt, sondern gleichbehandelt. (2) Förderverpflichtung Diese Gleichbehandlung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ist nur dann eine verfassungswidrige Verletzung der Verpflichtung des Staates, Ehe und Familie zu fördern, wenn die dem nachehelichen Unterhaltsrecht zugrunde liegenden Normen die familiale Potentialität der Ehe konkretisieren. In der Literatur werden die nachpartnerschaftlichen Unterhaltspflichten ebenso wie die allgemeinen Unterhaltsregelungen als Realisierung der in § 2 LPartG normierten Ausgestaltung als Lebensgemeinschaft interpretiert. Sie seien Ausdruck nachpartnerschaftlicher Solidarität und konkretisierten die Verpflichtung zu „Beistand und Fürsorge“.221 Sie sind damit rechtliche Konsequenz der lebenspartnerschaftlichen Verantwortungsgemeinschaft. Gegen diese Ausdehnung der zeitlichen Wirkungsdimension der Verantwortungsübernahme könnte zwar eingewandt werden, dass dann die zeitliche Synchronität von Verantwortungsgemeinschaft und institutionalisierter Rechtsgemeinschaft auseinander fiele und zudem ein rechtlich verbindlicher Rahmen zwischen den (ehemaligen) Lebenspartnern von ihnen möglicherweise gerade nicht mehr gewollt werde. Beides mag der Fall sein, beseitigt aber den wichtigen Regelungsimpuls der gegenseitigen Verantwortungsübernahme nicht. Die gegenseitige Bindung soll auch beim nachpartnerschaftlichen Unterhalt dem Schutz des finanziell Schwächeren dienen.222 Die jeweilige finanzielle Lebenssituation des Einzelnen ist regelmäßig auch die Folge der inneren Gestaltung der Lebenspartnerschaft, die durch beide Lebenspartner gemeinsam getroffen wurde.223 Es wäre inkonsequent, wenn eine dadurch entstandene finanzielle Asymmetrie nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft von demjenigen Lebenspartner getragen werden müsste, von dem eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, obwohl dieses Ungleichgewicht in Verantwortung beider Lebenspartner entstanden oder zumindest während der Lebenspartnerschaft bestehen geblieben ist. Noch deut221

So Kemper (Fn. 182), § 16 LPartG Rn. 3. Robbers (Fn. 48), S. 779 (781). 223 Die Begründung von § 12 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3571, S. 42, spricht zwar davon, dass „wegen der wirtschaftlichen Eigenverantwortung beider Lebenspartner“ ein nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch „von vornherein nur in den Fällen des Unvermögens, für sich selbst zu sorgen, vorzusehen“ sei und intendiert damit dessen Statuierung als besonderen Ausnahmefall. Diese Prognose zum Regel-Ausnahme-Verhältnis kann allerdings nicht begründen, wieso eine grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung aus Sicht des Art. 6 I GG nur dem Rechtsinstitut der Ehe zugestanden werden sollte. 222

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licher wird die Sachgerechtigkeit dieser gesetzlich vorgenommenen Lastenverteilung, wenn man berücksichtigt, dass in diesen Fällen sonst regelmäßig der Staat für den sozial schwächeren Lebenspartner aufkommen müsste.224 Entsprechende Sozialleistungen sind nicht nur kostenintensive Belastungen des Staates, sondern auch aus rechtspolitischer Sicht mit dem Subsidiaritätsgedanken unvereinbar, weil die Verantwortung für die finanzielle Situation der Lebenspartner im Bereich ihrer gemeinsamen Lebensgestaltung und nicht bei der staatlichen Gemeinschaft liegt. Im Grundgedanken gegenseitiger Solidarität unterscheiden sich gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft nicht voneinander, wenn sie jeweils eine verbindliche Rechtsstruktur für ihre gemeinsame Lebensführung suchen.225 Dies gilt auch dann, wenn man die unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltung der Unterhaltsansprüche bei Lebenspartnerschaften und weiteren nichtehelichen Lebensgemeinschaften vergleicht. Für die Mitglieder letzterer besteht grundsätzlich gar kein Unterhaltsanspruch.226 Allenfalls kommt er für Vater oder Mutter nach § 1615l BGB aus Anlass der Geburt eines Kindes in Betracht und wird gemäß § 1615l II 3 BGB längstens für drei Jahre gewährt, es sei denn, eine Versagung des Anspruchs nach Ablauf dieser Frist wäre grob unbillig. Eine zeitliche Begrenzung für die nachpartnerschaftliche Unterhaltsverpflichtung besteht dagegen nicht. Im Schrifttum ist diese Ungleichbehandlung vereinzelt kritisiert worden.227 Der besondere Schutz der Ehe hat auf diese Vergleichskonstellation allerdings keine Auswirkungen, weil weder die nichteheliche Lebensgemeinschaft noch die Lebenspartnerschaft dem Schutzbereich des Art. 6 I GG unterfallen und es insofern für die Anwendung des besonderen Differenzierungsgebotes an einer dort einbezogenen Vergleichsgruppe fehlt. Allenfalls könnte Art. 3 I GG betroffen sein. Aus der Perspektive der institutionalisierten Verantwortungsgemeinschaft ist aber der entscheidende Unterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen und damit ein zulässiges Differenzierungskriterium, dass die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sich bewusst gegen eine institutionelle Bindung als Beistandsgemeinschaft entschieden haben, die Lebenspartner dagegen für sie.228 § 1615l BGB ist schließlich auf die beson224 Robbers (Fn. 48), S. 779 (783), ders. (Fn. 144), S. 21 (22), weist in diesem Zusammenhang auf die „Entlastungen“ der „öffentlichen Kassen“ durch die Statuierung einer Unterhaltspflicht hin; ähnlich Beck, (Fn. 33), S. 1894 (1896); Stüber (Fn. 101), Einl., Rn. 60. 225 Freytag (Fn. 101), S. 445 (453). 226 E. M. v. Münch (Fn. 132), Rn. 12, hält hier allerdings eine analoge Anwendung des nachehelichen Unterhaltsrechts für verfassungsrechtlich möglich. 227 Peter Finger, Die registrierte Lebenspartnerschaft – Überblick über die Neuregelung und kritische Bestandsaufnahme, in: MDR 2001, S. 199 (203), der die „Ausgewogenheit dieser Lösung“ bezweifelt. 228 Vgl. auch Rauscher (Fn. 71), Rn. 742.

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dere Situation der Eltern anlässlich der Geburt eines Kindes zugeschnitten, dessen persönliche Betreuung durch ein Elternteil mit der Unterhaltsleistung ermöglicht werden soll,229 und hat deshalb mit der typischerweise kinderlosen Lebenspartnerschaft systematisch nichts zu tun. Insofern verlangt die Förderpflicht zugunsten der Ehe nicht, dass die Statuierung einer Unterhaltsverpflichtung nach Aufhebung der Rechtsgemeinschaft nur ein der Ehe reserviertes Privileg ist. (3) Ehestatus als dogmatische Grundlage einer unterhaltsrechtlichen Ausgestaltungsgrenze? Gegen die Gewährung nachpartnerschaftlichen Unterhalts wird auch das eheliche Strukturmerkmal der grundsätzlichen Unauflöslichkeit angeführt.230 Die Förderverpflichtung der Ehe aus Art. 6 I GG entfaltet eine statuskonservierende Sperrwirkung der Ausgestaltung anderer Rechtsinstitute, dieses Wesenselement der Ehe auf sie zu übertragen. Die Statuierung einer nachpartnerschaftlichen Unterhaltspflicht steht aber diesem Merkmal nicht entgegen. Der Unterhalt nach Auflösung einer Ehe ist nicht die Auswirkung ihrer grundsätzlichen Unauflöslichkeit oder gar der Verletzung dieses Grundsatzes, sondern die Konsequenz der rechtlich konstituierten Verantwortungsgemeinschaft von Mann und Frau füreinander. Aus ihr ergeben sich die Rechtspflichten nach der Aufhebung der institutionalisierten Lebensgemeinschaft. Wenn die nacheheliche Unterhaltspflicht nicht einfachgesetzlicher Bestandteil des Verfassungsmerkmals der grundsätzlichen Unauflöslichkeit ist, dann kann die nachpartnerschaftliche Unterhaltsgewährung es auch nicht verletzten. Die Statuierung einer allgemeinen Unterhaltsverpflichtung nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft ist mithin verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine andere Beurteilung könnte allerdings durch die nahezu vollständige und undifferenzierte Übernahme fast aller Bestimmungen zum nachehelichen Unterhaltsanspruch durch den in § 16 I LPartG n. F. enthaltenen Verweis gerechtfertigt sein.231 Dies betrifft die nachehelichen Unterhaltsregelungen, deren Gegenstand die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehepartner ist, also §§ 1570, 1577 IV 2, 1578 I 2, 2. Hs. BGB. Der 229 Uwe Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 1615l BGB Rn. 1. 230 Burgi, in: Der Staat 2000 (Fn. 127), S. 487 (504 f.). 231 Vgl. auch die Anmerkung von Robbers (Fn. 48), S. 779 (784), ders. (Fn. 144), S. 21 (22), zur alten Fassung des § 16 LPartG: „Nach Aufhebung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bestehen Unterhaltsansprüche, die sich aus den persönlichen Umständen legitimieren (. . .) Demgegenüber stellt der nacheheliche Unterhalt wesentlich auf die Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes ab.“

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nacheheliche Unterhaltsanspruch muss wegen des typologischen Zusammenhangs von Ehe und Familie auch die mögliche Betreuung von gemeinschaftlichen Kindern berücksichtigen. Ein Kind ist kein gemeinschaftliches Kind der Ehepartner i. S. d. § 1570 BGB, wenn es das Kind eines Ehegatten aus einer früheren Ehe oder nicht miteinander verheirateter Eltern ist.232 Pflegekinder zählen ebenfalls nicht dazu.233 Dagegen ist umstritten, ob ein Stiefkind das gemeinschaftliche Kind der Ehepartner ist.234 Nur wenn man dies bejaht, könnte man auf einfachgesetzlicher Ebene überhaupt einen Bezug des § 16 II 2 LPartG n. F. zu § 1570 BGB rechtfertigen, weil den Lebenspartnern gemäß § 9 VII 1 LPartG n. F. mittlerweile die Stiefkindadoption offen steht. § 16 LPartG a. F. hatte noch beim Verweis auf die nachehelichen Unterhaltsregelungen die das gemeinschaftliche Kind der Ehegatten betreffenden Normen ausdrücklich ausgenommen und deshalb den Lebenspartnern einen Unterhaltsanspruch im Vergleich zum nachehelichen Unterhalt nur unter erschwerteren Bedingungen gewährt.235 Unabhängig von der einfachgesetzlichen Rechtslage verstößt die familienrechtliche Zuordnung eines Kindes zu einem Lebenspartner, der nicht selbst Elternteil ist, unter gleichzeitigem Abbruch der verwandtschaftlichen Beziehung des Kindes zu einem oder beiden Elternteilen aber gegen die Förderverpflichtung zugunsten der Ehe, weil dadurch deren familiale Potentialität nivelliert wird.236 Unterhaltsrechtliche Normen können konsequenterweise nicht an einer solchen Zuordnung anknüpfen und werden deshalb ebenfalls von der Sperrwirkung des aus Art. 6 I GG abgeleiteten Differenzierungsgebots umfasst. 232 Brudermüller (Fn. 148), § 1570 BGB Rn. 2; Hans-Ulrich Maurer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, § 1570 BGB Rn. 2; Otmar Häberle, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 7, 12. Aufl., 1988, § 1570 BGB Rn. 5. 233 BGH, NJW 1984, S. 1538 (1539 f.). 234 Dafür: Helmut Borth, Ehegattenunterhalt, in: Dieter Schwab (Hrsg.), Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., 2004, Rn. 158; Anneliese Cuny, in: RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch, 12. Aufl., 1999, § 1570 BGB Rn. 6; Häberle (Fn. 232), § 1570 BGB Rn. 5; ablehnend: Brudermüller (Fn. 148), § 1570 BGB Rn. 2; wohl auch Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 30 Rn. 20; Helmut Büttner, in: Kurt H. Johannsen/Dieter Henrich (Hrsg.), Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1570 BGB Rn. 3; Maurer (Fn. 232), § 1570 BGB Rn. 2, die betonen, dass ein von den Ehegatten gemeinschaftlich adoptiertes Kind den Voraussetzungen des § 1570 BGB entspricht. Im Umkehrschluss ergibt sich aus dieser Ansicht, dass die alleinige Annahme eines Kindes des Ehepartners durch den anderen Ehepartner den Begriff des „gemeinschaftlichen Kindes“ nicht erfüllt. Vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zu § 1571 BGB a. F. im Rahmen des Entwurfs zum 1. EheRG, BTDrucks. 7/650, S. 123: „Wer Kinder oder andere Angehörige seines Ehegatten in den ehelichen Haushalt aufgenommen hat, soll nach der Scheidung nicht wegen dieses anerkennenswerten Verhaltens mit einer Unterhaltspflicht belastet (. . .) werden.“ 235 Vgl. auch Robbers (Fn. 48), S. 779 (784); ders. (Fn. 144), S. 21 (22). 236 Ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 9. b) aa), S. 541 ff.

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Die Gewährung nachpartnerschaftlichen Unterhalts durch § 16 LPartG verletzt die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten der Ehe nicht. Die in § 16 I LPartG n. F. statuierte entsprechende Anwendung der das gemeinschaftliche Kind der Ehegatten betreffenden Normen für Lebenspartner ist dagegen verfassungswidrig. d) Ergebnis Die im LPartG getroffenen Regelungen zur Statuierung einer gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung für Lebenspartner verstoßen nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe. Unterhaltsrechtliche Bestimmungen dürfen bei der Lebenspartnerschaft grundsätzlich so ausgestaltet sein wie diejenigen der Ehe. Die einzigen Ausnahmen bestehen in einem verfassungsrechtlichen Übertragungsverbot für den Familienunterhalt und den nachehelichen Betreuungsunterhalt auf die Lebenspartnerschaft, weil diese keine typologisch familiale Funktion besitzt. 7. Güterrecht und Versorgungsausgleich a) Güterrecht Mit der Konstituierung der Lebenspartnerschaft als normativ strukturierter Lebensgemeinschaft von zwei Personen des gleichen Geschlechts musste der Gesetzgeber zugleich den rechtlichen Rahmen für die Gestaltung des vermögensrechtlichen Verhältnisses zwischen ihnen schaffen. Die das lebenspartnerschaftliche Güterrecht betreffenden Regelungen des LPartG sollten verdeutlichen, dass der privatautonomen Entscheidung der Lebenspartner das größtmögliche Gewicht eingeräumt wurde.237 In diesem Sinne sah das LPartG zunächst keinen gesetzlichen Güterstand vor. Vielmehr hatten die Lebenspartner vor der Begründung der Lebenspartnerschaft nach § 6 I LPartG a. F. eine Erklärung über ihren Vermögensstand abzugeben. Sie konnten in diesem Rahmen entweder erklären, dass sie den Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft vereinbart hatten oder sie mussten einen Lebenspartnerschaftsvertrag i. S. v. § 7 LPartG abgeschlossen haben, in dem sie ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse eigenständig regelten. Die Grundstrukturen der lebenspartnerschaftlichen Ausgleichsgemeinschaft nach § 6 II LPartG a. F. und der ehelichen Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1363, 1364 BGB waren identisch;238 insbesondere statuier237 Vgl. die Begründung zu § 6 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 37: „Für die Gestaltung der vermögensrechtlichen Verhältnisse in der Lebenspartnerschaft gilt der Grundsatz der Privatautonomie.“

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te § 6 II 3 LPartG a. F. einen Zugewinnausgleich zwischen den Lebenspartnern bei der Beendigung des Vermögensstandes. In § 6 II 4 LPartG a. F. wurde zudem die entsprechende Geltung der §§ 1371 bis 1390 BGB, in § 8 II LPartG a. F. die der §§ 1365 bis 1370 BGB festgelegt. Die größte Regelungsdifferenz zwischen den beiden familienrechtlichen Instituten bestand zum einen darin, dass die Ausgleichsgemeinschaft kein gesetzlicher Güterstand der Lebenspartnerschaft war, sondern noch eine gesonderte Erklärung hinsichtlich des Vermögensstandes erfolgen musste.239 Weil der Lebenspartnerschaftsvertrag nach § 7 I 2 LPartG a. F. aber notariell beurkundet werden musste, die Wahl der Ausgleichsgemeinschaft dagegen formlos möglich war, wurde letztere in der Literatur schon vor der Anpassung an die entsprechenden eherechtlichen Vorschriften als der vermögensrechtliche Regelfall der Lebenspartnerschaft angesehen.240 Zum anderen erklärte § 7 I 3 LPartG a. F. beim Lebenspartnerschaftsvertrag nur die seine Wirksamkeitsvoraussetzungen regelnden §§ 1409 bis 1411 BGB für entsprechend anwendbar. Die detaillierten Bestimmungen des Eherechts zur Gütergemeinschaft und zum Güterrechtsregister in den §§ 1414 bis 1563 BGB wurden dagegen für die Lebenspartnerschaft nicht übernommen.241 Die unterschiedliche Bezeichnung für die beiden sich sehr ähnelnden Institute der Ausgleichs- und Zugewinngemeinschaft wurde in der Literatur ebenso kritisiert242 wie das Fehlen eines gesetzlich zugewiesenen Güterstandes und die Nichtberücksichtigung der Regelungen des BGB zur Gütergemeinschaft.243 Letzteres war wie die nicht vollständige Übertragung aller Regelungen der Zugewinngemeinschaft auf die Ausgleichsgemeinschaft der schon angedeuteten Überlegung des Gesetzgebers geschuldet, den Lebens238 Kemper (Fn. 182), Vor § 6–7 LPartG Rn. 4; § 6 LPartG Rn. 2; Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 1; Brudermüller (Fn. 201), § 6 LPartG Rn. 3; Braun (Fn. 78), S. 75 f.; Gregor Rieger, Das Vermögensrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: FamRZ 2001, S. 1497 (1502); Rauscher (Fn. 71), Rn. 748; HansJoachim Kanzler, Erste Überlegungen zur Einkommensbesteuerung der Lebenspartnerschaft nach dem Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: FR 2000, S. 859 (863). 239 Rauscher (Fn. 71), Rn. 753, hielt diese Regelung für vorteilhafter als den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei der Ehe und deshalb für einen Verstoß gegen das eheliche Benachteiligungsverbot des Art. 6 I GG. 240 Braun (Fn. 78), S. 77. 241 Brudermüller (Fn. 201), § 7 LPartG Rn. 1, m. w. N. zu den daraus entstandenen Problemen. 242 Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 1; Muscheler (Fn. 153), Rn. 233; Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 13; Braun (Fn. 78), S. 80 f.; ähnlich Rieger (Fn. 238), S. 1497 (1497 f.), zur vergleichbaren terminologischen Problematik der gesetzlichen Verwendung der Begriffe (lebenspartnerschaftliches) „Vermögensrecht“ und (eheliches) „Güterrecht“. 243 Wolf (Fn. 133), S. 97 (100); Rieger (Fn. 238), S. 1497 (1505 f.).

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partnern einen gegenüber Eheleuten größeren Gestaltungsspielraum zu verschaffen, um einer unterstellten größeren Variationsbreite der Lebenssituationen von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Rechnung zu tragen.244 Die beschriebenen Abweichungen dürften aber nicht zuletzt auch rechtspolitisch motiviert gewesen sein, um angesichts der erwarteten verfassungsgerichtlichen Überprüfung des LPartG Regelungsunterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft zu schaffen.245 Dass dieses Motiv eine nicht gänzlich untergeordnete Rolle gespielt haben könnte, wird an den seit dem 1. Januar 2005 durch das LPartÜG wirksamen Rechtsänderungen der Struktur der Lebenspartnerschaft deutlich.246 Einer der Schwerpunkte betraf das lebenspartnerschaftliche Güterrecht, das nunmehr vollständig dem ehelichen Güterrecht angeglichen wurde.247 Zum einen wurde in § 6 LPartG n. F. die Bezeichnung „Ausgleichsgemeinschaft“ gänzlich gestrichen und dafür aus dem Eherecht die der „Zugewinngemeinschaft“ übernommen. Für diejenigen Lebenspartner, die vor dem 1. Januar 2005 im Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft gelebt haben, gelten nach § 21 I LPartG n. F. von diesem Tage an die Vorschriften über den Güterstand der Zugewinngemeinschaft, soweit die Lebenspartner nichts anderes vereinbart haben. Zum anderen ist danach nunmehr die Zugewinn244 Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 2; Brudermüller (Fn. 201), § 6 LPartG Rn. 1; Rainer Kemper, Ehe und Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: FPR 2001, S. 449 (456); Rieger (Fn. 238), S. 1497 (1498). Vgl. auch die Begründung zu § 7 I LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 38: „Die Lebensverhältnisse gleichgeschlechtlicher Partner sind so vielgestaltig, dass die Lebenspartner – falls sie sich nicht für die Ausgleichsgemeinschaft entscheiden – am besten eine auf ihre jeweilige Lebenssituation passende Regelung ihrer Vermögensverhältnisse treffen.“ 245 Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 1; Brudermüller (Fn. 201), Einl. LPartG Rn. 3. Kemper (Fn. 182), Vor §§ 6–7 LPartG Rn. 2, § 6 LPartG Rn. 2, und Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 13, weisen i. d. S. kritisch darauf hin, dass die Bezeichnung als Ausgleichsgemeinschaft ausschließlich der gesetzgeberischen Sorge geschuldet sei, diese Regelung nicht als Kopie der eherechtlichen Bestimmungen erscheinen zu lassen. 246 Vgl. das dem eigentlichen Gesetzentwurf vorangestellte „Problem und Ziel“, BT-Drucks. 15/3445, S. 1: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 (BVerfGE 105, 313) die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Künstliche Unterscheidungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft sollen beseitigt werden.“ 247 In der Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 15/3445, S. 15, heißt es dazu: „Die geltenden Regelungen über den Vermögensstand sind zu kompliziert. Sie sollen vereinfacht werden. (. . .) Die bisherigen eher künstlichen Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft werden aufgegeben.“ Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die schon den ursprünglichen LPartG-E in die parlamentarischen Beratungen eingebracht hatten, räumen damit implizit selbst ein, dass die von ihnen zu verantwortenden güterrechtlichen „Unterschiede“ zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft „künstlich“, d.h. nicht sachgerecht gewesen sind.

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gemeinschaft der gesetzlich vorgesehene Güterstand, wenn die Lebenspartner nicht durch Lebenspartnerschaftsvertrag etwas anderes bestimmen. Auf eine eigenständige Definition der Zugewinngemeinschaft, wie sie für die Ausgleichsgemeinschaft noch § 6 II LPartG a. F. vorgenommen hatte, wird verzichtet und stattdessen auf die entsprechende Geltung der §§ 1363 II, 1364 bis 1390 BGB verwiesen. In § 7 S. 2 LPartG n. F. findet sich für den Lebenspartnerschaftsvertrag ein ähnlicher Verweis auf die §§ 1409 bis 1563 BGB. Damit gelten die bisher nur ehebezogenen Bestimmungen zur Gütertrennung und -gemeinschaft sowie zum Güterrechtsregister auch für die Lebenspartnerschaft, wenn im Lebenspartnerschaftsvertrag ein anderer vermögensrechtlicher Güterstand als die Zugewinngemeinschaft vereinbart worden ist. Wenn zwei Menschen miteinander eine Lebensgemeinschaft bilden, wird die Frage nach der Gestaltung des vermögensrechtlichen Verhältnisses zwischen ihnen virulent. Die Regelung der vermögensrechtlichen Situation betrifft insofern auch die grundrechtliche Beziehung zwischen den Lebenspartnern und dem Staat, wenn dieser die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft rechtlich anerkennt und ihnen als Rechtsinstitut eine rechtlich verbindliche Grundstruktur vorgibt. Die vollständige Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Güterrecht wirft deshalb die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 I GG und dem aus ihm abgeleiteten Differenzierungsgebot zwischen der Ehe und anderen Lebensgemeinschaften auf. Dieses kann im Verhältnis zu gleichgeschlechtlichen Lebensverbindungen in den Bereichen Geltungskraft beanspruchen, in denen die typologische Reproduktionsfunktion der Ehe betroffen ist. In der Literatur wird insbesondere die Einführung der Zugewinngemeinschaft für Lebenspartner als mit der Wertentscheidung zugunsten der Ehe unvereinbar gehalten.248 Zur Begründung wird auf den ursprünglichen Bezug der Zugewinngemeinschaft zur Alleinverdiener-Ehe verwiesen. Die Zugewinngemeinschaft ist funktional tatsächlich sowohl auf deren Einkommensstruktur als auch auf eine bestimmte Arbeitsteilung zugeschnitten, bei der einer der Ehepartner berufstätig ist und der andere sich zumindest überwiegend um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung kümmert.249 Bei 248

So Wölfl (Fn. 11), S. 355, S. 363 f.; Braun (Fn. 78), S. 76; Burgi (Fn. 127), S. 487 (504 f.). Vgl. auch Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 1, zur Ausgleichsgemeinschaft: „Mit dem rein terminologischen Wechsel ohne echt divergierenden Inhalt wird der verfassungsrechtlich gebotene Mindestabstand zur Ehe aber nur zum Schein gewahrt.“ 249 Lüderitz/Dethloff (Fn. 182), § 5 Rn. 57; Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 3; Braun (Fn. 78), S. 76; siehe auch Elisabeth Koch, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, Vor § 1363 Rn. 8; Rauscher

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der Lebenspartnerschaft entfällt dagegen typischerweise die Kinderbetreuung. Die Berufstätigkeit von nur einem der beiden Lebenspartner ist folglich eher die Ausnahme als die Regel. Die vermögensrechtliche Konsequenz daraus wäre, dass die Zugewinngemeinschaft für die Lebenspartnerschaft nicht der gesetzlich vorgesehene Regelgüterstand sein kann, weil die typische Lebenssituation der Lebenspartner nicht derjenigen von Eheleuten entspricht. Diese Argumentation ist rechtspolitisch zutreffend,250 aus verfassungsrechtlicher Sicht berücksichtigt sie aber den erheblichen gesetzgeberischen Spielraum bei der Ausgestaltung des Familienrechts nicht ausreichend: Dieser Bereich umfasst bei Wahrung des ehelichen Strukturmerkmals der grundsätzlichen Unauflöslichkeit sowohl die Regelungen zu den Voraussetzungen der Ehescheidung als auch solche zur Aufteilung des gemeinsamen Vermögens als Folgewirkungen nach der Scheidung.251 Die eheliche Zugewinngemeinschaft konkretisiert die gesetzliche Verpflichtung der Ehepartner zur umfassenden Lebensgemeinschaft im Bereich des Güterrechts.252 Ebenso wie die Lebensgemeinschaft beruht auch der Zugewinnausgleich auf dem Prinzip der gegenseitigen Partizipation der Eheleute an der gemeinsamen Lebensgestaltung und den durch sie geschaffenen materiellen wie immateriellen Werten. Die Lebensgestaltung kann aber auch andere vermögensrechtliche Regelungen als die Zugewinngemeinschaft beinhalten. Der Zugewinnausgleich ist mithin nicht zwingende verfassungsrechtliche Folge der familialen Potentialität der Ehe. Die verschiedenen denkbaren Ordnungsmodelle des Vermögensverhältnisses wie die Gütertrennung, die Gütergemeinschaft und die Zugewinngemeinschaft sind vielmehr mögliche Konkretionen der gegenseitigen Verantwortungsgemeinschaft der Eheleute. (Fn. 71), Rn. 355 m. w. N., der den Zugewinnausgleich als güterrechtliches Modell bei Ehen, in denen beide Ehepartner berufstätig sind, für „nicht gerechtfertigt“ hält; Rieger (Fn. 238), S. 1497 (1500); Kerstin Strick, Gleichgeschlechtliche Partnerschaft – Vom Straftatbestand zum Status?, in: DEuFamR 2000, S. 82 (93); Schumacher (Fn. 115), S. 857 (860 f.); Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl., 1994, § 34 I 5, S. 495; anders aber dies. (Fn. 133), § 34 Rn. 7. 250 Auch Wacke (Fn. 200), § 6 LPartG Rn. 3; Wölfl (Fn. 11), S. 364 ff.; Wolf (Fn. 133), S. 97 (101); Rieger (Fn. 238), S. 1497 (1500, 1508); vgl. auch Wellenhofer (Fn. 215), S. 705 (706); dagegen die Begründung zum Entwurf des LPartÜG, BT-Drucks. 15/3445, S. 15: „Für Lebenspartner soll – wenn nichts anderes durch Lebenspartnerschaftsvertrag vereinbart ist – die Regelung über die Zugewinngemeinschaft gelten. Die Regelungen haben sich grundsätzlich bewährt; sie sind auch für Lebenspartner angemessen.“ Letztere Behauptung wird nicht näher ausgeführt. 251 BVerfGE 53, 224 (245, 250); Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 85. 252 Lecheler (Fn. 123), Rn. 92: „Konsequenz einer Bindung auf Dauer“; Burkhard Thiele, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, Vorbem. zu §§ 1371 BGB Rn. 4.

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Mit der Konstituierung von Wahlgüterständen beachtet der Gesetzgeber zudem den Schutzbereich der Ehegestaltungsfreiheit.253 Der bei der Ehe vorhandene Gestaltungsspielraum kann deshalb für den Gesetzgeber bei der Lebenspartnerschaft keinen geringeren Umfang haben, wenn Funktionen und Strukturmerkmale der Ehe, die sich aus der Verschiedengeschlechtlichkeit der Eheleute ergeben, nicht berührt sind. Der Gesetzgeber ist durch die Wertentscheidung für Ehe und Familie nicht gehindert, auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Verantwortungsgemeinschaften zu stabilisieren und institutionell auszugestalten. Daraus folgt, dass er die güterrechtlichen Regelungen der Ehe als Ausdruck der Solidargemeinschaft übernehmen kann. Die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand ist somit ebenso wie der Zugewinnausgleich grundsätzlich auf die Lebenspartnerschaft als Wirtschaftsgemeinschaft übertragbar.254 Die rechtliche Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Güterrecht verstößt nicht gegen die Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie. b) Versorgungsausgleich Das LPartG sah ursprünglich nicht vor, dass nach der Aufhebung einer Lebenspartnerschaft die im Zeitraum ihres Bestehens von den Lebenspartnern begründeten oder aufrechterhaltenen Anrechte auf eine öffentlichrechtliche Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit ausgeglichen wurden. Im LPartG fanden sich deshalb keine zum in §§ 1587 ff. BGB geregelten Institut des Versorgungsausgleichs äquivalenten Bestimmungen, das für geschiedene Ehegatten entwickelt worden war. Lebenspartner konnten – anders als Ehegatten – nach Beendigung des Ver253 Helge Sodan/Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 2. Aufl., 2007, § 34 Rn. 3; Ingo Richter, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 6 Rn. 31; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 27. 254 Lecheler (Fn. 123), Rn. 92, lehnt die Übertragung von Zugewinnausgleichsansprüchen auf nichteheliche Lebensgemeinschaften mit der Begründung ab, diese seien „die Konsequenz einer Bindung auf Dauer“. Da die Lebenspartnerschaft aber ebenfalls eine institutionalisierte „Bindung auf Dauer“ darstellt, kann im Umkehrschluss ein Übertragungsverbot auf dieses Argument nicht gestützt werden. Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 48, hält deshalb i. d. S. auch die „rechtliche Strukturierung alternativer Lebensformen“ im Interesse des schwächeren Partners für verfassungsrechtlich möglich, um „Vorsorge für den Fall zu treffen, dass solche Beziehungen scheitern.“ Ähnlich auch Dietrich Pirson, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 I Rn. 133, der auf den legislativen Zweck abstellt, „Rechtssicherheit hinsichtlich der Folgen herzustellen, die sich aus dem Schuldverhältnis ergeben, das durch die tatsächliche Gemeinschaft entstanden ist.“ Die Übernahme einzelner „Rechtsgedanken oder Rechtsfiguren aus dem Scheidungsfolgenrecht“ verstoße deshalb nicht gegen Art. 6 I GG; vgl. auch E. M. v. Münch (Fn. 132), Rn. 12.

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mögensstandes an diesen Versorgungsanrechten gegenseitig nicht partizipieren. Diese ursprüngliche Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ist aus rechtspolitischer Perspektive nachvollziehbar: Die Konstituierung des nachehelichen Versorgungsausgleichs war nämlich eine legislative Reaktion auf die als ungerecht empfundene besondere Situation desjenigen Ehegatten, der während seiner Ehe wegen der Kindererziehung und Haushaltsführung keiner Erwerbstätigkeit nachging und deshalb in dieser Zeit keine Versorgungsanwartschaften begründen konnte. Nach einer Scheidung besaß er ohne Versorgungsausgleich für diesen Zeitraum keine Ansprüche auf eine eigenständige Altersversorgung. Diese sollte durch den Versorgungsausgleich gewährleistet werden.255 Bei Lebenspartnern ist die Situation insofern anders, als typischerweise von ihnen keine Kinder erzogen werden. Sie sind deshalb häufiger gemeinsam erwerbstätig als Ehepaare und verfügen regelmäßig schon über eigene Versorgungsanwartschaften. Lebenspartner sind daher auf den Versorgungsausgleich nicht in der gleichen Intensität angewiesen wie Ehepartner.256 Die Begründung für die frühere versorgungsrechtliche Regelungsdifferenz zwischen Ehe- und Lebenspartnerschaft könnte auch hier in einem verfassungsrechtlich motivierten Interesse des Gesetzgebers zu finden sein, „Abstände“ zwischen beiden Rechtsinstituten zu konstituieren, um die Vereinbarkeit des LPartG mit dem besonderen Schutz der Ehe sicherzustellen.257 Dafür spricht die Einführung des Versorgungsausgleichs bei der Lebenspartnerschaft am 1. Januar 2005, ohne dass sich die tatsächliche Versorgungssituation von Lebenspartnern seit Bestehen des Rechtsinstituts grundlegend geändert hätte.258 Durch Art. 1 Nr. 8 LPartÜG ist in das LPartG ein 255 BVerfGE 53, 257 (295); 89, 48 (61 f.); BGHZ 74, 38 (42 ff.); Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des 1. EheRG, BT-Drucks. 7/650, S. 154 f.; 2. Bericht des Rechtsausschusses zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S. 18 f.; Lüderitz/Dethloff (Fn. 182), § 6 Rn. 128; Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 28 Rn. 1 ff.; Eckhard Rehme, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2004, Vorbem. zu §§ 1587 ff. BGB Rn. 3; Meo-Micaela Hahne, in: Kurt H. Johannsen/Dieter Henrich (Hrsg.), Eherecht, 4. Aufl., 2003, Vor §§ 1587–1587p BGB Rn. 1; Rauscher (Fn. 69), Rn. 647; Claus Dörr, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, Vor § 1587 BGB Rn. 1; Eckard Vorwerk, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 7, 12. Aufl., 1988, Vor § 1587 BGB Rn. 1. Lecheler (Fn. 123), Rn. 85, betont zugleich die Kompensationsfunktion des Versorgungsausgleichs als Ausgleich für den Verlust des früheren Widerspruchsrechts gegen die Scheidung durch den wirtschaftlich schwächeren Ehepartner nach § 48 II EheG a. F. 256 Wolf (Fn. 133), S. 97 (101); Freytag (Fn. 101), S. 445 (453); Kemper (Fn. 244), S. 449 (457). 257 Das vermutet Braun (Fn. 78), S. 88; ders. (Fn. 102), S. 23 (27), der das Fehlen eines Versorgungsausgleichs bei bestehendem Zugewinnausgleich für „willkürlich“ hält.

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neuer § 20 eingefügt worden, der in seinem ersten Absatz nunmehr den Grundsatz des nachpartnerschaftlichen Versorgungsausgleichs – den Bestimmungen des § 1587 I, III BGB vergleichbar – regelt. Die Definition der „Lebenspartnerschaftszeit“ nach § 20 II LPartG n. F. ist an diejenige der Ehezeit in § 1587 II BGB angelehnt. § 20 III LPartG n. F. regelt analog § 1408 BGB die Möglichkeit des vertraglichen Ausschlusses des lebenspartnerschaftlichen Versorgungsausgleichs. In § 20 IV LPartG n. F. werden §§ 1587a bis 1587p BGB, das VAHRG mit Ausnahme der §§ 4–6 und 8 VAHRG, das Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetz sowie die BarwertVerordnung für entsprechend anwendbar erklärt. Das bisher nur Ehepartnern vorbehaltene Institut des Versorgungsausgleichs ist mithin fast vollständig auf die Lebenspartnerschaft übertragen worden. aa) Mögliche Verletzung des besonderen Eheschutzes nach Art. 6 I GG Die Einführung des Versorgungsausgleichs für Lebenspartner würde die Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie in Art. 6 I GG verletzen, wenn er die familiale Potentialität der Ehe berührte. Der rechtlich festgeschriebene Ausgleich von sozialversicherungsrechtlich relevanten Anwartschaften, die einer der beiden Ehepartner während der Ehe erworben hat, basiert auf dem gleichen Prinzip wie der Zugewinnausgleich und transformiert es auf die Ebene der gesetzlichen Sozialversicherung:259 Der materielle Zuwachs während der Ehezeit wird beiden Ehepartnern und nicht nur einem von ihnen zugerechnet; konsequenterweise folgt daraus eine grundsätzlich hälftige Zuordnung dieses Zuwachses zu den lebenden Ehepartnern nach der Beendigung ihrer Ehe.260 Neben dieser Weiterentwicklung des Zu258 In der Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 15/3445, S. 14, findet sich neben dem allgemeinen Bezug zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts kein weiterer Hinweis, warum der Versorgungsausgleich nun eingeführt werden soll. Es heißt nur lapidar: „Ferner soll künftig ein Versorgungsausgleich bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft durchgeführt werden. Dieser orientiert sich an den für die Ehescheidung geltenden Regelungen.“ 259 Den systematischen Zusammenhang zwischen Zugewinn- und Versorgungsausgleich betont auch Burgi, in: Der Staat 2000 (Fn. 125), S. 487 (504 f.). Er sieht die Übernahme beider Ausgleichssysteme für die Lebenspartnerschaft als verfassungswidrig an; vgl. auch Braun (Fn. 78), S. 87 f.; ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, 2002, S. 198. 260 BVerfGE 53, 257 (295); 72, 141 (151); 2. Bericht des Rechtsausschusses zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S. 18 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 28 Rn. 2; Hahne (Fn. 255), Vor §§ 1587–1587p BGB Rn. 4; Dörr (Fn. 255), Vor § 1587 BGB Rn. 1; Koch (Fn. 249), Vor § 1363 BGB Rn. 28; Schumacher (Fn. 115), S. 857 (860 f.); differenzierend Rehme (Fn. 255), Vorbem. zu §§ 1587 ff. BGB Rn. 7 f., 17 f.; kritisch BGHZ 74, 38 (47 ff.); Rauscher (Fn. 71), Rn. 646 f.

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gewinnausgleichs kann auch die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung der Ehepartner während der Ehe zur Begründung des Versorgungsausgleichs herangezogen werden: Die bei bestehender Ehe grundsätzlich lebenslange Unterhaltsverpflichtung umfasse auch die Altersversorgung des anderen, die durch die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgebaut werden kann. Wenn nach einer Ehescheidung kein Versorgungsausgleich stattfinde, dann bliebe eine Verletzung dieser Pflicht während der Ehe folgenlos.261 Der Grundsatz des Zugewinnausgleichs und die Unterhaltsverpflichtung sind rechtlich vertypte Konkretisierungen der Ehe als Verantwortungsgemeinschaft und bilden die dogmatische Grundlage des Versorgungsausgleichs. Dieses Institut ist folglich Ausdruck der ehelichen Solidarfunktion. Der Versorgungsausgleich beruht mithin auf dem Gedanken der Ehe als Versorgungsgemeinschaft.262 Durch die Sicherung des Lebensunterhalts aktualisiert er zugleich für beide Ehegatten den Raum ihrer personalen Freiheit.263 Der Versorgungsausgleich knüpft in jedem Fall nicht unmittelbar an die eheliche Reproduktionsfunktion an. Da auch die Lebenspartnerschaft vom Gesetzgeber in verfassungsgemäßer Weise als Verantwortungsgemeinschaft strukturiert werden kann, ist sein Gestaltungsspielraum dahingehend realisierbar, den Versorgungsausgleich für Lebenspartner einzuführen.264 Das Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie entfaltet in dieser Hinsicht keine Sperrwirkung. bb) Mögliche Verletzung der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 I GG Zu denken wäre darüber hinaus an eine mögliche Verletzung der nach Art. 14 I 1 GG geschützten Eigentumsfreiheit desjenigen Lebenspartners, der während des Bestehens der Lebenspartnerschaft Versorgungsanwartschaften erworben hat. Beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich 261 BVerfGE 53, 257 (295); BGHZ 74, 38 (44 ff.); 2. Bericht des Rechtsausschusses zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S. 19; vgl. auch Hahne (Fn. 255), Vor §§ 1587–1587p BGB Rn. 4: Versorgungsausgleich als „Unterhaltssurrogat“; Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 125; zweifelnd Rehme (Fn. 255), Vorbem. zu §§ 1587 ff. BGB Rn. 19; Rauscher (Fn. 71), Rn. 647. 262 BGHZ 74, 38 (47); Rehme (Fn. 255), Vorbem. zu §§ 1587 ff. Rn. 20. 263 BGHZ 74, 38 (63). 264 E. M. v. Münch (Fn. 132), Rn. 12, für die Möglichkeit der Übertragung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften, „wenn sie über längere Zeit und auf gegenseitigem Vertrauen beruhend bestanden haben“. Wenn dies schon bei nichtinstitutionalisierten Lebensgemeinschaften möglich sein soll, muss dies bei Rechtsformen wie der Lebenspartnerschaft erst recht gelten. Dagegen lehnt Lecheler (Fn. 123), Rn. 92, die Einführung des Versorgungsausgleichs bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften wegen deren fehlender dauerhafter Bindung ab. Weil eine formalisierte Bindung aber bei der Lebenspartnerschaft besteht, spricht auch diese Argumentation nicht gegen die Übertragung auf die Lebenspartnerschaft.

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wird nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft durch das Familiengericht entweder ein bestimmter Anteil dieser Anwartschaften auf den anderen Lebenspartner übertragen oder für ihn begründet. Ansprüche auf Versichertenrenten und Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung sind zumindest hinsichtlich der Altersrenten als Eigentum durch Art. 14 I 1 GG geschützt.265 Werden sie dem Lebenspartner ganz oder teilweise durch staatlichen Zugriff entzogen, ist die Eigentumsfreiheit tangiert. Der Maßstab zur Beurteilung einer möglichen Verletzung dieses Grundrechts bemisst sich nach dem legislativen Gestaltungsspielraum zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Grundsätzlich ist es wegen des Sozialbezugs rentenversicherungsrechtlicher Positionen dem Gesetzgeber nicht verwehrt, „den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten“, wenn dies dem Gemeinwohl dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Der Gestaltungsspielraum verengt sich aber „in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder Rentenanwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind.“266 Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat unter Berücksichtigung der mit dem nachehelichen Versorgungsausgleich verbundenen gesetzgeberischen Zielsetzungen dessen Grundsstruktur als eine legitime Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums angesehen und eine Verletzung des Eigentumsrechts des ausgleichspflichtigen Ehegatten verneint. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs wird mit einem Verweis auf die Gleichberechtigung der Eheleute nach Artt. 6 I, 3 II GG begründet, die sich auch auf die gegenseitigen Unterhaltsleistungen 265 BVerfGE 53, 257 (289 ff.); 55 114 (131); 58, 81 (109); 63, 152 (174); 64, 87 (97); 66, 234 (247); 69, 272 (298); 70, 101 (110); 71, 1 (12); 75, 78 (96 f.); 76, 256 (293); 80, 297 (308, 310); 87, 348 (355); 95, 143 (161); 100, 1 (32 f.). Sodan/ Ziekow (Fn. 253), § 42 Rn. 11; Johannes Dietlein, in: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 III 3 h, S. 2213; Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte, 22. Aufl., 2006, Rn. 911; Martin Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., 2004, Art. 14 Rn. 26; Rehme (Fn. 255), Vorbem. zu §§ 1587 ff. BGB Rn. 8; Joachim Wieland, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rn. 67; Hans-Jürgen Papier, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 137 ff.; Walter Leisner, § 149: Eigentum, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 121 f.; Helmut Rittstieg, in: (Alternativ)-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Erhard Denninger u. a., 3. Aufl., Art. 14/15 Rn. 120; Brun-Otto Bryde, in: Ingo von Münch/Philip Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 14 Rn. 66.; Jan-Reinard Sieckmann, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rn. 48; Otto Kimminich, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rn. 71 ff. 266 BVerfGE 53, 257 (292 f.); kritisch Otto Depenheuer, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., 2005, Art. 14 Rn. 182 ff. m. w. N.

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bezöge. Versorgungsanrechte seien in diesem Sinne „gemeinsam erwirtschaftet“ und deshalb Bestandteil des Versorgungsausgleichs.267 Legt man diese vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze der eigentumsrechtlichen Beurteilung des lebenspartnerschaftlichen Versorgungsausgleichs zugrunde, so besteht kein Grund für eine Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft. Auch die Lebenspartnerschaft ist in verfassungskonformer Weise eine Unterhalts- und Zugewinngemeinschaft, wenn die Lebenspartner keine andere güterrechtliche Vereinbarung treffen. Die Unterhaltsverpflichtung bezieht sich demnach auch hier auf die Altersvorsorge des Lebenspartners, so dass es im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt, das güterrechtliche Prinzip der Vermögensteilung auf die entsprechenden Ansprüche anzuwenden. Der lebenspartnerschaftliche Versorgungsausgleich ist deshalb eine durch Art. 14 I 2 GG legitimierte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Die Eigentumsfreiheit der Lebenspartner ist durch seine Einführung nicht verletzt. cc) Mögliche Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG Das Gleiche gilt entsprechend auch für eine mögliche Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG durch die Konstituierung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs für Lebenspartner. Dessen Charakteristikum ist gemäß § 20 IV LPartG n. F. i. V. m. § 1587f BGB die gesetzliche Verpflichtung eines der Lebenspartner zur Zahlung einer Ausgleichsrente für die von ihm erworbenen Versorgungsansprüche an den anderen Lebenspartner nach Auflösung der Lebenspartnerschaft, wenn eine Übertragung der öffentlich-rechtlichen Ansprüche oder Anwartschaften nicht möglich ist. Der grundrechtliche Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 I 1 GG ist hier nicht einschlägig, weil die Belastung mit Geldleistungspflichten nur das vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht umfasste Vermögen tangiert.268 Insofern ist nur der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit berührt. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich dient aber ebenso wie der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich der gleichberechtigten Aufteilung des Vermögenszuwachses und ermöglicht den Aufbau einer Al267

BVerfGE 53, 257 (295 f.); ferner BVerfGE 63, 88 (109); 72, 141 (151); 80, 297 (310); 87, 348 (356); BGHZ 74, 38 (63); vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des 1. EheRG, BT-Drucks. 7/650, S. 155; 2. Bericht des Rechtsausschusses zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S. 18 f.; Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 394; Hofmann (Fn. 265), Art. 14 Rn. 26; Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 139; Richter (Fn. 253), Art. 6 Rn. 39; Dörr (Fn. 255), Vor § 1587 BGB Rn. 2; Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 125. 268 BVerfGE 89, 48 (61).

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tersvorsorge für beide Lebenspartner. Er ist deshalb als verhältnismäßiger Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ein Element der verfassungsmäßigen Ordnung.269 Eine Verletzung des Art. 2 I GG liegt nicht vor. c) Ergebnis Die Übertragung des ehelichen Güterrechts und des nachehelichen Versorgungsausgleichs auf die Lebenspartnerschaft berührt nicht das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe, weil dort nicht deren reproduktive Funktion betroffen ist. Die funktionale Grundlage des Güterrechts wie des Versorgungsausgleichs ist vielmehr die Solidargemeinschaft zwischen den Eheleuten, die in analoger Form auch bei institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bestehen kann. Auch der nach Art. 14 I 1 GG gewährleistete Eigentumsschutz des Lebenspartners, der während der Lebenspartnerschaft Versorgungsanwartschaften erworben hat, ist beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht verletzt, weil Zugewinnausgleich und Unterhaltsverpflichtung sich auch auf rentenversicherungsrechtliche Versorgungsansprüche und -anwartschaften erstrecken. Die Einführung des Versorgungsausgleichs ist deshalb eine durch Art. 14 I 2 GG legitimierte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Ebenso wenig kommt eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG durch die Konstituierung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs in Betracht. 8. Schuldrecht a) Eintritt des Lebenspartners in das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters, § 563 I 2 BGB Gemäß § 569a II 1 BGB a. F. traten andere Familienangehörige als der in Absatz 1 genannte Ehegatte bei einem gemeinsamen Hausstand mit dem Mieter nach dessen Tod in das Mietverhältnis ein. Gleichgeschlechtliche Partner wurden von der Rechtsprechung nicht als „andere Familienangehörige“ i. S. d. Norm angesehen und – anders als bei Mitgliedern einer eheähnlichen Gemeinschaft – auch eine analoge Anwendung der Norm auf sie abgelehnt.270 Durch Art. 2 Nr. 3 LPartDisBG wurde das Eintrittsrecht beim Tod des Mieters im neu gefassten § 569 BGB geregelt. Der Inhalt dieser Norm ist weitgehend wortgleich durch Art. 1 Nr. 3 des Mietrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 2001 als neuer § 563 BGB konstituiert worden.271 Ein269 270 271

BVerfGE 89, 48 (61 f.). Vgl. oben 1. Kapitel C. III. 3., S. 65 ff. BGBl. I, S. 1157.

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ziger inhaltlicher Unterschied war die klarstellende Einfügung des Satzes „Das Eintrittsrecht des Lebenspartners bleibt vom Eintritt der Kinder des Mieters unberührt“ als § 563 II 2 BGB. Nach § 563 I 1 BGB tritt der Ehegatte, der mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt, mit dem Tod des Mieters in das Mitverhältnis ein. Dasselbe gilt gemäß § 563 I 2 BGB für den Lebenspartner. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 563 II BGB auch den Eintritt von Kindern, anderen Familienangehörigen und Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen,272 in das Mietverhältnis statuiert. Durch die Einbeziehung eines so weit gefassten Personenkreises, dessen Gemeinsamkeit in der gemeinsamen Haushaltsführung mit dem Mieter besteht,273 ist die in Schrifttum und Rechtsprechung vormals strittige analoge Zuordnung bestimmter Lebensverbindungen zum Eintrittsrecht des Ehegatten in das Mietverhältnis obsolet geworden. Neben der institutionalisierten Rechtsform der Lebenspartnerschaft in § 563 II 4 BGB sind nunmehr auch alle nichtinstitutionalisierten gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen mit einem auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt berücksichtigt, die in das Mietverhältnis eintreten können. Aus der Perspektive der in Art. 6 I GG enthaltenen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie ist die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft weitgehend unproblematisch. Eine verfassungsrechtliche Sperrwirkung gegenüber einer solchen Regelung könnte sich nur ergeben, wenn die zu fördernde familiale Entwicklungspotentialität der Ehe durch das Eintrittsrecht für Lebenspartner in den Mietvertrag tangiert wäre. Nach dem Regelungszweck des § 563 BGB wird aber gerade auf das durch den gemeinsamen Haushalt zum Ausdruck kommende Näheverhältnis zwischen dem Mieter und einer anderen Person abgestellt.274 Dieses Näheverhältnis wird durch eine formelle Bindung zwischen dem Mieter und seinem Ehe- oder Lebens272 In der Literatur werden diese Personen als Lebensgefährten bezeichnet. Auf eine hetero- oder homosexuelle Beziehung zwischen ihnen und dem Mieter kommt es nicht an; vgl. Walter Weidenkaff, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 549 BGB Rn. 12, § 563 BGB Rn. 15. 273 Beim Lebensgefährten muss sie darüber hinaus nach § 563 II 4 BGB „dauerhaft angelegt“ sein. 274 Christian Rolfs, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2006, § 563 BGB Rn. 3: „Dieser Bestandsschutz soll dem Ehegatten und sonstigen mit dem verstorbenen Mieter persönlich eng verbundenen Personen unabhängig davon zugute kommen, ob sie dessen Erben sind (. . .) Diese Personen sind in besonderer Weise schutzbedürftig, weil die gemeinsame Wohnung für sie den Mittelpunkt der Lebensführung bildet.“ Vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Mietrechtsreformgesetzes v. 9.11.2000 hinsichtlich der Einbeziehung des Lebensgefährten, BT-Drucks. 14/4553, S. 61: „Maßgebend ist vielmehr allein, dass eine besonders enge Lebensgemeinschaft besteht.“

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partner noch zusätzlich zum gemeinsamen Haushalt besonders deutlich.275 Es bestehen aus Sicht des Art. 6 I GG insoweit keine Bedenken, an das Näheverhältnis zwischen institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die gleichen Rechtsfolgen zu knüpfen wie bei Eheleuten.276 Die Einbeziehung von Lebenspartnern nach § 563 I 2 BGB verstößt deshalb nicht gegen Art. 6 I GG.277 Auch das Verhältnis zwischen dem Lebenspartner und den anderen eintrittsberechtigten Personengruppen ist grundgesetzkonform in § 563 II BGB geregelt. Nach § 563 II 2 BGB besteht ein Ehegattenprivileg im Sinne eines vorrangigen Eintritts des Ehegatten gegenüber Kindern, anderen Familienangehörigen und Lebensgefährten. Lebenspartner besitzen diese Vorrangstellung nach § 563 II 3 und 4 BGB nur gegenüber anderen Familienangehörigen und Lebensgefährten, nicht aber gegenüber Kindern. Im Verhältnis zu ihnen können sie wegen § 563 II 2 BGB eine gleichrangige Eintrittsberechtigung beanspruchen. Dadurch kommt das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot der Familie als Bestandteil der Wertentscheidung zum Ausdruck. Es wäre verletzt, wenn Lebenspartner gegenüber den Kindern des Mieters bei der Rangstellung des Eintrittsberechtigten bevorzugt würden. Die Vorrangstellung des Lebenspartners gegenüber anderen Familienangehörigen und Lebensgefährten ist eine mögliche Konkretion des gesetzgeberischen Spielraums. Der Gesetzgeber bewertet die Wahl einer institutionalisierten Rechtsform im Rahmen der Lebenspartnerschaft als intensivere Bindung als das Angehörigenverhältnis oder die dauerhaft angelegte gemeinsame Haushaltsführung mit einem Lebensgefährten. Verfassungsrechtliche Überlegungen können gegen diese gesetzlich fixierte Rangordnung beim Eintrittsrecht nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil ein etwaiger Anspruch des anderen Familienangehörigen oder Lebensgefährten i. S. d. 275 Tettinger (Fn. 128), S. 117 (134), schließt nicht aus, dass es sinnvoll sein kann, „aus sozialstaatlichen Erwägungen zum Schutz des schwächeren Partners“ dem überlebenden Mitglied einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch ohne formalisierte Bindung ein Eintrittsrecht in den Mietsvertrag zu gewähren. 276 Johann Braun, Gleichgeschlechtliche Partnerschaft und Ehe, in: ZRP 2001, S. 14 (17); Kaiser (Fn. 161), S. 617 (624); Jörg Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998, S. 334 f.; Pauly (Fn. 127), S. 1955 (1956 f., Fn. 22); Manfred Bruns, Art. 6 I GG und gesetzliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, in: ZRP 1996, S. 6 (9); Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859). Dies gilt auch angesichts der Behauptung von Braun (Fn. 102), S. 23 (31), die besondere Problematik für den Vermieter beim Eintrittsrecht des überlebenden Lebenspartners bestehe darin, dass dieser ggf. aidsinfiziert sein könne. Schon aus rechtspolitischer Sicht wäre dies für den Vermieter zumutbar, weil eine eventuelle Ansteckungsgefahr ohne sexuellen Kontakt praktisch ausgeschlossen ist. 277 Diederichsen (Fn. 182), S. 1841 (1843), hält gleichwohl ein gesetzliches Regelungsbedürfnis für nicht gegeben, weil eine entsprechende privatautonome Gestaltung des Mietvertrages möglich sei.

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§ 563 II 3, 4 BGB auf vor- oder gleichrangige Berücksichtigung gegenüber dem Lebenspartner weder aus der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG noch aus Art. 3 I GG abgeleitet werden kann. Die allgemeine Handlungsfreiheit selbst vermittelt keine eigene Anspruchsgrundlage auf eine bestimmte gesetzliche Regelung der Rangordnung des Eintritts in das Mietverhältnis. Hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes ist das zulässige Differenzierungskriterium die durch eine freiwillig begründete formalisierte Bindung zum Ausdruck kommende größere Intensität des Näheverhältnisses gegenüber anderen Familienangehörigen oder Lebensgefährten.278 Auch § 563 II BGB ist daher verfassungskonform. b) „Schlüsselgewalt“279, § 1357 BGB Nach § 1357 I 1, III BGB ist jeder nicht getrennt lebende Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. § 1357 I 2 BGB stellt klar, dass durch solche Geschäfte regelmäßig beide Ehegatten berechtigt oder verpflichtet werden. § 1357 II BGB regelt die Möglichkeit der Beschränkung dieser Befugnis. Gemäß § 8 II LPartG wird § 1357 BGB auch für Lebenspartner entsprechend anwendbar erklärt. Sinn und Zweck der Regelung des § 1357 BGB sind nur aus der historischen Perspektive der gesetzlich geregelten Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe nachzuvollziehen.280 Nach § 1356 I 1 BGB i. d. F. des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 führte die Ehefrau den Haushalt in eigener Verantwortung.281 Weil sie regelmäßig über kein Erwerbseinkommen verfügte, besaß sie eine gegenüber dem Ehemann deutlich geringere Bonität. Um trotzdem selbst Rechtsgeschäfte von nicht nur geringem Um278 Röthel (Fn. 127), S. 511 (518), hält deswegen die ehegattengleiche Berücksichtigung der institutionalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft für verfassungsrechtlich geboten. 279 Mit der Übergabe des Hausschlüssels an die neuvermählte Ehefrau bei ihrer Hochzeit sollte im früheren Brauchtum ihre Verantwortung für die Haushaltsführung symbolisiert werden. Zur Problematik, diese Bezeichnung für den § 1357 I BGB zu verwenden, vgl. nur Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 19 Rn. 44; Anja Teschner, Die Ehe als Schuldnergemeinschaft, 1998, S. 162; Paul Mikat, Rechtsprobleme der Schlüsselgewalt, 1981, S. 7 ff.; ders., Verfassungsrechtliche Aspekte der Neuordnung der „Schlüsselgewalt“ in § 1357 BGB, in: Festschrift für Günther Beitzke zum 70. Geburtstag, hrsg. von Otto Sandrock, 1979, S. 293 (294 f.). Sie wird im Rahmen dieser Untersuchung nur in der Überschrift als überkommener und verbreiteter Begriff für den Regelungsinhalt des § 1357 I BGB genannt. 280 Einen rechtshistorischen Überblick gibt Paul Mikat, Rechtsprobleme der Schlüsselgewalt, 1981, S. 9 ff. 281 BGBl. I, S. 609.

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fang im Rahmen ihrer Haushaltsführung tätigen zu können, wäre an sich die ausdrückliche Zustimmung des im Regelfall kreditwürdigeren Ehemannes zu jedem dieser Rechtsgeschäfte erforderlich gewesen, damit die Gläubiger sich auch an diesen hätten halten können. Dieser kaum praktikable Weg ist durch die Normierung der in § 1357 I BGB a. F.282 nur der Ehefrau eingeräumten Berechtigungs- und Verpflichtungsbefugnis für Rechtsgeschäfte „innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises“ mit Wirkung für ihren Ehemann umgangen worden. Die Haushaltsführung wurde dann durch den im Rahmen des 1. EheRG vom 14. Juni 1976 modifizierten § 1356 I 1 BGB in das gegenseitige Einvernehmen der Ehegatten gelegt.283 Eine gesetzlich vorgeschriebene Haushaltsführung durch nur einen der Ehegatten besteht seitdem nicht mehr. Die Rechtsordnung steht danach der ggf. auch in Teilzeit ausgeübten Berufstätigkeit und damit einem zweifachen Einkommenserwerb durch beide Eheleute nicht mehr entgegen. Diese Möglichkeit der gemeinsamen Ehegestaltung ist in den letzten Jahren von Ehepaaren immer häufiger gewählt worden. Mit der rechtlichen Öffnung der Verpflichtung zur Haushaltsführung für die Selbstbestimmung der Eheleute wurde durch Art. 1 Nr. 4 des 1. EheRG dem § 1357 BGB seine bis heute bestehende Fassung gegeben.284 Die früher einseitig der Frau zustehende Befugnis wurde nunmehr zu einer gegenseitigen Befugnis ausgestaltet und zudem beide Ehepartner berechtigt bzw. verpflichtet. Von dieser Verdopplung der Schuldnerstellung profitieren die Gläubiger, obwohl ein entsprechendes Bonitätsproblem in Fällen der beiderseitigen Berufstätigkeit oftmals gar nicht besteht. § 1357 I 1 BGB hat sich damit von einer Gläubigerschutz- zu einer Gläubigerprivilegierungsnorm entwickelt und wird im Schrifttum deshalb als systemfremd und teleologisch unzureichend reflektiert kritisiert.285 Die den Eheleuten eingeräumte Gestaltungsfreiheit ermög282

§ 1357 I BGB i. d. F. des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957, BGBl. I, S. 610, lautete: „Die Frau ist berechtigt, Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen, mit Wirkung für den Ehemann zu besorgen. Aus Rechtsgeschäften, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises vornimmt, wird der Mann berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt; ist der Mann nicht zahlungsfähig, so wird auch die Frau verpflichtet.“ 283 Vgl. Art. 1 Nr. 3 des 1. EheRG, BGBl. I, S. 1421. 284 BGBl. 1976 I, S. 1422. 285 Vertiefend Teschner (Fn. 279), S. 180 ff., die § 1357 I BGB für verzichtbar hält; siehe auch Brudermüller (Fn. 148), § 1357 BGB Rn. 1: „Diese Art der Mithaftung aus dem Faktum des gemeinsamen Haushalts ist jedenfalls bei einer Doppelverdienerehe nicht gerechtfertigt.“ Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 19 Rn. 47; Herbert Grziwotz, Möglichkeiten der Vertragsgestaltung nach dem LPartG, in: FuR 2001, S. 466 (468); Thomas Wagenitz/Thomas Barth, Die Änderung der Familie als Aufgabe für den Gesetzgeber, in: FamRZ 1996, S. 577 (582); Renate Käppler, Familiäre Bedarfsdeckung im Spannungsfeld von Schlüsselgewalt und

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licht allerdings nach wie vor auch eine Aufgabenverteilung, in der ein Ehepartner berufstätig und der andere ausschließlich für die Haushaltsführung zuständig ist. Diese Gestaltung wird oftmals dann gewählt, wenn von letzterem zusätzlich zur eigentlichen Haushaltsführung noch die Kinderbetreuung wahrgenommen wird. Für diese freiwillig gewählte Konstellation, die der früher gesetzlich vorgeschriebenen – allerdings ohne damals vorgenommene Geschlechtsfestlegung – gleicht, behält die den Ehegatten eingeräumte gegenseitige Verpflichtungs- und Berechtigungsbefugnis ihren oben beschriebenen Sinn.286 Die Verfassungsmäßigkeit von § 1357 I BGB war in der Literatur seit seiner Neufassung umstritten, weil die Verpflichtungsbefugnis den verpflichteten Ehegatten belaste und damit sowohl gegen das ehebezogene Benachteiligungsverbot des Art. 6 I GG als auch gegen seine allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verstoße.287 Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung des § 1357 I BGB schließlich im Hinblick auf die beschriebenen Konstellationen der Ehegestaltung für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt:288 Der Gesetzgeber besitze einen Spielraum für die Ausgestaltung des Eherechts, zu der auch gehöre, „den Ehegatten, der die Güterstand, in: AcP 179 (1979), S. 245 (251 ff.); Ulrich Büdenbender, Die Neuordnung der Schlüsselgewalt in § 1357 n. F. BGB, in: FamRZ 1976, S. 662 (663 f., 672 f.). 286 Braun (Fn. 78), S. 73; Wacke (Fn. 143), § 1357 BGB Rn. 2; Hans Brox, „Schlüsselgewalt“ und „Haustürgeschäft“, in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Mikat, hrsg. von Dieter Schwab u. a., 1989, S. 841 (848); Heinrich Lange, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 7, 12. Aufl., 1988, § 1357 BGB Rn. 2; insoweit konzedierend auch Peter Derleder, Anmerkung zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 3.10.1989, in: FuR 1990, S. 104 (106); kritisch Wagenitz/Barth (Fn. 285), S. 577 (582); Gerhard Struck, Gläubigerschutz und Familienschutz, in: AcP 187 (1987), S. 404 (412 f.); vgl. dazu auch Käppler (Fn. 285), S. 245 (251 f.). 287 So im Hinblick auf die Vereinbarkeit von § 1357 BGB a. F. und n. F. mit Art. 6 I GG Struck (Fn. 286), S. 404 (414 f.), ders., § 1357 BGB (Schlüsselgewalt) verstößt gegen Art. 6 Grundgesetz, in: MDR 1976, S. 449 (450 ff.), der sich insbesondere gegen die behauptete Alternativlosigkeit des § 1357 I BGB zum Schutz der „Haushaltsführungs-Ehe“ wendet; dagegen für Verfassungsmäßigkeit Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 134; Dieter Heckelmann, in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, 11. Aufl., 2004, § 1357 BGB Rn. 5; Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1357 BGB Rn. 19 f.; Wacke (Fn. 143), § 1357 BGB Rn. 9; ders, Streitfragen um die neugeregelte „Schlüsselgewalt“, in: NJW 1979, S. 2585 (2586 f.); Brox (Fn. 286), S. 841 (845 ff.); Lange (Fn. 286), § 1357 Rn. 2; Roth-Stielow (Fn. 177), § 1357 BGB Rn. 7 ff.; Mikat (Fn. 279), Rechtsprobleme, S. 94 ff.; ders. (Fn. 279), Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 294 (305 ff.); Käppler (Fn. 285), S. 245 (255 f.); Heinz Holzhauer, Auslegungsprobleme des neuen Eherechts, in: MDR 1977, S. 729 (731 f.); Büdenbender (Fn. 285), S. 662 (664 f.). 288 BVerfGE 81, 1; kritisch Derleder (Fn. 286), S. 104 (105 ff.).

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Haushaltsführung übernommen hat, für seine Aufgabe im Rahmen der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft angemessen auszurüsten.“ Die Regelung des § 1357 I BGB sei „zwar von Art. 6 I GG nicht geboten.“ Der Gesetzgeber könne sie aber erlassen, weil „ohne eine derartige Bestimmung ein im Haushalt tätiger und selbst einkommensloser Ehegatte bei der Deckung des Lebensbedarfs der Familie weitgehend von der Zustimmung seines Partners abhängig“ wäre.289 Aus dem gleichen Grund wird auch ein Verstoß gegen Art. 3 I GG verneint, weil die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen sein kann, „soweit sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben.“ Die Annahme eines verfassungswidrigen Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit des durch § 1357 I BGB verpflichteten Ehegatten wird vom Gericht ebenfalls abgelehnt.290 Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift auf die Lebenspartnerschaft ist das Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe dann zu beachten, wenn die bisher ausschließlich ehebezogene Regelung ein typologisches Familienpotential als teleologisches Substrat enthält. Das ist der Fall, wenn die Norm auf die Ehe als potentielle oder schon realisierte Familie und nicht nur auf eine beliebige Wirtschaftsgemeinschaft zugeschnitten ist. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Haushaltsführung innerhalb der Lebenspartnerschaft keine Regelung getroffen, § 1356 BGB wurde für sie nicht übernommen. Aus dieser fehlenden Normierung kann man schließen, dass die Verantwortung für die Haushaltsführung kein wesentlicher Bestandteil der rechtlichen Gestaltung dieses Rechtsinstituts ist. Grundsätzlich steht den Lebenspartnern die Entscheidung frei, wer in welchem Umfang für die Haushaltsführung verantwortlich ist. Aus der Lebenspartnerschaft können jedoch aus typologischer Sicht keine Kinder hervorgehen; die familiäre Gemeinschaft von Lebenspartnern mit Kindern ist zwar möglich, aber selten. Daraus folgt, dass die spezifische Aufgabenverteilung der „Einverdiener-Ehe“, in welcher ein Ehegatte berufstätig ist, der andere dafür den Haushalt ohne eigene Berufstätigkeit führt, von Lebenspartnern regelmäßig nicht gewählt wird, weil keine Kinder zu versorgen sind. Im Allgemeinen sind beide Mitglieder einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft berufstätig.291 Davon geht auch das 289 BVerfGE 81, 1 (7 f.). Das Bundesverfassungsgericht nimmt dabei die Argumentation in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des 1. EheRG auf, vgl. BT-Drucks. 7/650, S. 98. 290 Zu Art. 3 I GG und Art. 2 I GG als Prüfungsmaßstab des § 1357 I BGB vgl. BVerfGE 81, 1 (8 ff.). 291 Kritisch Kemper (Fn. 182), § 5 LPartG Rn. 9, der aber konzediert, dass der Gesetzgeber von diesem Leitbild ausgegangen sei: „Dem Gesetzgeber des LPartG

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LPartG aus. Das dem § 1357 BGB zugrunde liegende und die Norm teleologisch fundierende Gestaltungsmodell ist daher wegen des Fehlens von Kindern bei der Lebenspartnerschaft untypisch.292 Insofern ist die schematische Übertragung dieses Regelungsinhalts auf die Lebenspartnerschaft systemwidrig.293 Ein Bedürfnis für die Übernahme des Regelungsinhalts des § 1357 BGB existiert nicht, weil beide Lebenspartner durch ihre typischerweise vorliegende Berufstätigkeit gegenüber einem Gläubiger individuell kreditwürdig sind.294 Die gegenseitige Verpflichtungsbefugnis der Ehegatten dient dagegen der rechtsgeschäftlichen Erleichterung der regelmäßig durch die Kinderbetreuung bedingten Haushaltsführung durch nur einen der Ehegatten ohne eigene Berufstätigkeit. Sie ist damit eine Konkretion des Funktionszusammenhangs zwischen Ehe und Familie. Dieser Zusammenhang könnte bei der Übertragungsfähigkeit des § 1357 I BGB für die Lebenspartnerschaft in den Hintergrund treten, wenn man die Berechtigungs- und Verpflichtungsbefugnis als Kondensat der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung versteht.295 Diese besteht sowohl bei Eheleuten als auch bei Lebenspartnern. Erachtete man als Normzweck des § 1357 I BGB ausschließlich die Stärkung der Unterhaltsgemeinschaft, so bestünden keine Bedenken, diese Regelung auch auf Lebenspartner anzuwenden, da die Konstituierung der Lebenspartnerschaft als Unterhaltsgemeinschaft selbst 2001 erschien diese Form der Lebenspartnerschaft [die Doppelverdienerpartnerschaft] (. . .) als Leitbild, da eine Berufstätigkeit beider Lebenspartner durch das Vorhandensein von Kindern nicht gehindert werde.“ Vgl. auch ders. (Fn. 244), S. 449 (457). 292 Lüderitz/Dethloff (Fn. 182), § 7 Rn. 29; Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 157. Angesichts der Atypik der nichterwerbstätigen Haushaltsführung durch nur einen der Lebenspartner verwundert die Begründung für § 8 II LPartG-E, BT-Drucks. 14/3571, S. 38: „Bei einer arbeitsteiligen Lebenspartnerschaft, in der nur ein Partner den Unterhalt der Partner durch Einkünfte sicherstellt, der andere Partner sich dagegen häuslichen Pflichten widmet, soll auch dem letzteren die Befugnis zustehen, ohne besondere Vollmacht des anderen Lebenspartners diesen rechtsgeschäftlich verpflichten zu können.“ 293 So auch Wölfl (Fn. 11), S. 358 ff.; Braun (Fn. 78), S. 74; Kemper (Fn. 244), S. 449 (457); Brudermüller (Fn. 201), § 8 LPartG Rn. 2: „Die entsprechende Anwendbarkeit (. . .) ist zur Vermeidung einer Besserstellung der Lebenspartner gegenüber Ehegatten erklärbar; sie überrascht aber unter dem Gesichtspunkt der Leitvorstellung beiderseitiger Erwerbstätigkeit der Lebenspartner.“ Auch Dagmar Kaiser, in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, 11. Aufl., 2004, § 8 LPartG Rn. 4, dies. (Fn. 161), S. 617 (620), und Rieger (Fn. 238), S. 1497 (1507), die auf das Fehlen einer lebenspartnerschaftlichen Vorschrift zur Haushaltsführung und zum Familienunterhalt abstellen. 294 So auch Kemper (Fn. 211), § 8 LPartG Rn. 15. 295 Hübner/Voppel (Fn. 148), § 1357 BGB Rn. 12 ff. m. w. N.; ähnlich RothStielow (Fn. 177), § 1357 BGB Rn. 2, 4, der aber den familialen Kontext des § 1357 I BGB stärker betont.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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nicht gegen die objektive Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie verstößt.296 Die teleologische Einordnung des § 1357 I BGB kann allerdings nicht nur mit Hilfe des Verweises auf die Unterhaltspflicht erfolgen: Zwar besitzt der nichterwerbstätige haushaltsführende Ehegatte einen (internen) Ausgleichs- und Ersatzanspruch gegen seinen diesbezüglich unterhaltsverpflichteten Ehepartner für Aufwendungen im Rahmen der Haushaltsführung. Der Umfang der Unterhaltsleistung hängt von der Leistungsfähigkeit des einen und der Bedürftigkeit des anderen ab. Dies spielt im Außenverhältnis für die Rechtsfolgen des § 1357 I BGB aber keine Rolle, weil die Gesamtschuldnerstellung beider Ehegatten unabhängig davon entsteht. Insofern ist die Unterhaltsgemeinschaft zwar der Anknüpfungspunkt des § 1357 I BGB, aber nicht ihr eigentlicher Normzweck.297 Dieser besteht darin, die Haushaltsführung durch Eheleute zu ermöglichen, die selbst nicht – regelmäßig familienbedingt – erwerbstätig sind. Der Zuordnung dieses familialen Aspekts der Ehe zur verfassungsrechtlichen Förderverpflichtung von Ehe und Familie könnte schließlich entgegengehalten werden, dass bei einer Nichtanwendung des § 1357 I BGB auf die Lebenspartnerschaft gegen das Verbot der Benachteiligung von Eheleuten verstoßen würde. Ein Ehepartner könnte bindend durch den anderen verpflichtet werden, ein Lebenspartner dagegen nicht. Allerdings ist schon fraglich, ob bei § 1357 I BGB überhaupt von einer nachteiligen Rechtswirkung gesprochen werden kann, denn dort besteht neben der Verpflichtungsauch eine gegenseitige Berechtigungsbefugnis der Ehegatten.298 Schließlich ist für den nichterwerbstätigen Ehepartner die Verpflichtungsbefugnis gerade deshalb geschaffen worden, um seine situationsbedingte Benachteiligung im Rahmen der Haushaltsführung zu verhindern. Der Vorteil für den einen Ehepartner ist in diesem Fall der Nachteil des anderen und ein Kompensationseffekt zugunsten einer Bewertung der Verpflichtungs- und Berechtigungsbefugnis als auf die gesamte Ehe bezogen „neutral“ denkbar.299 Aber selbst wenn man einen Nachteil für den durch § 1357 I BGB verpflichteten Ehegatten annähme, wäre das eheliche Benachteiligungsverbot 296

Vgl. oben 4. Kapitel B. I. 6. a) bb), S. 484 ff. Auch Teschner (Fn. 279), S. 175; Struck (Fn. 286), S. 404 (411 f.), der auf § 1357 III BGB hinweist: Obwohl nach § 1361 I 1 BGB ein Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht, gilt danach § 1357 I BGB bei getrennt lebenden Eheleuten nicht. Das spricht ebenfalls gegen die Annahme eines zwingenden inneren Zusammenhangs zwischen dieser Norm und einer Unterhaltsverpflichtung. 298 Nach Holzhauer (Fn. 287), S. 729 (732), stellt diese Mitberechtigungsbefugnis „eine Brücke zur allgemein begrüßten genossenschaftlichen Eheauffassung“ dar. 299 Ähnlich BVerfGE 81, 1 (7); vgl. aber auch Teschner (Fn. 279), S. 173, die diese Kompensation wegen der für die Ehegatten entstehenden Gesamtgläubigerkonstellation nur für einen „schwachen ‚Trost‘“ hält; kritisch ferner Struck (Fn. 286), S. 404 (411), da eine Kompensation „praktisch kaum von Belang“ sei. 297

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

des Art. 6 I GG nicht verletzt. Es schützt nicht vor jedem Nachteil für den einzelnen Ehepartner, insbesondere dann nicht, wenn sich der vermeintliche Nachteil aus der durch die Verfassungserwartungen geprägten Funktion der Ehe selbst ergibt. Das ist hier der Fall: § 1357 I BGB dient der Belastungsminderung derjenigen Ehen, in denen ein Ehepartner mit der Haushaltsführung betraut und oftmals wegen der Kinderbetreuung nicht berufstätig ist. Die Gemeinschaft von Eheleuten mit ihren Kindern entspricht aber genau dem staatlich erhofften Verfassungsbild der beiden Rechtsinstitute. Der Gesetzgeber durfte deshalb typisierend für diese Ehegestaltungen eine Regelung i. S. d. § 1357 I BGB treffen. Dieser Typisierungsmöglichkeit des Gesetzgebers räumt Anja Teschner ein zu geringes Gewicht ein, wenn sie ein Verständnis des § 1357 I BGB als Ausdruck wirtschaftlicher Chancengleichheit mit dem Argument verneint, dass dann nur der haushaltsführende Teil schützbedürftig sein könne.300 Insofern ist diese Norm Ausdruck der Förderverpflichtung der Ehe.301 Die Förderverpflichtung entfaltet damit eine Sperrwirkung für die Übertragung auf Rechtsinstitute, die diese familiale Potentialität nicht besitzen. Zwar ist die konkrete Norm des § 1357 I BGB nicht geboten. Wenn sich der Gesetzgeber aber zu einer solchen Regelung vor dem Hintergrund der Förderverpflichtung entschlossen hat, muss er ein entsprechendes Nivellierungsverbot beachten. Die durch § 8 II LPartG angeordnete entsprechende Anwendung des § 1357 BGB auf die Lebenspartnerschaft ist daher verfassungswidrig. 9. Kindschaftsrecht Die rechtliche Gestaltung der Lebenspartnerschaft im Bereich des Kindschaftsrechts gehört aus rechtspolitischer Sicht zu den kontroversesten, aber auch entwicklungsoffensten Regelungskomplexen dieses Rechtsinstituts. Das wird nicht nur daran deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Konstituierung der Lebenspartnerschaft einige Bestimmungen des Kindschaftsrechts, 300

Teschner (Fn. 279), S. 176; zu diesem Argument schon kritisch der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S. 26; skeptisch im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 6 I GG wegen einer vermeintlichen Benachteiligung von Eheleuten gegenüber Mitgliedern eheähnlicher Gemeinschaften Derleder (Fn. 286), S. 104 (106 f.). Vgl. aber Mikat (Fn. 280), S. 95 f., der eine Differenzierung nach den möglichen Ehegestaltungen als „kein den Gesetzgeber bindendes verfassungsrechtliches Postulat“ bezeichnet, und Andreas Wacke, Einzelprobleme der neugeregelten „Schlüsselgewalt“, in: FamRZ 1980, S. 13 (13 f.); ders., Streitfragen um die neugeregelte „Schlüsselgewalt“, in: NJW 1979, S. 2585 (2592). 301 Das Bundesverfassungsgericht spricht in BVerfGE 81, 1 (8), auch vom „ehefördernden Gehalt“ dieser Norm. Vgl. auch Brox (Fn. 286), S. 841 (848 f.).

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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die für Eheleute gelten, bewusst nicht für die Rechtsform gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften übernommen hatte. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum LPartDisBG, in der ein Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie verneint wurde, ist durch das LPartÜG die Stellung des Lebenspartners im Kindschaftsrecht derjenigen des Ehegatten angenährt worden, ohne dass allerdings bisher eine vollständige Angleichung der Rechte von Ehe- und Lebenspartnern durch den Gesetzgeber stattfand. Die grundsätzliche Problematik jeder kindschaftsrechtlichen Regelung ist wegen der Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen besonders virulent. Sie stehen als körperlich und geistig-seelisch noch entwicklungsbedürftige Personen im Mittelpunkt des Kindschaftsrechts und werden Rechtsnormen unterworfen, die ihr rechtliches Verhältnis zu Erwachsenen regeln und damit zugleich die bestmöglichen Voraussetzungen für ihre Entwicklung gewährleisten sollen. Um die Verfassungsmäßigkeit der die Lebenspartnerschaft betreffenden Bestimmungen beurteilen zu können, ist deshalb nicht nur das aus der Wertentscheidung des Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie, sondern auch die grundrechtliche Stellung der Eltern und des Kindes in den Blick zu nehmen. a) Familienpflege Die in §§ 1630 III, 1632 IV, 1688 BGB geregelte Familienpflege ist ein sorgebezogenes Substitut für das gestörte Näheverhältnis zwischen den natürlichen Eltern und ihren Kindern. Die gegenseitige emotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern bildet dabei einen Ausschnitt der durch Art. 6 I GG geschützten umfassenden Familiengemeinschaft. Der Gemeinschaft der natürlichen Eltern mit ihren Kindern kommt insofern ein verfassungsrechtlicher Vorrang vor dem Verhältnis der Pflegeperson zum Kind zu.302 aa) Differenzierungsgebot Das in Art. 6 I GG enthaltene Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie bezieht sich auf alle Regelungen, die das institutionelle Substrat beider Rechtsinstitute und ihre typologische Offenheit füreinander betreffen. Das emotionale Näheverhältnis ihrer Mitglieder untereinander gehört nicht dazu: Zum einen sind nämlich enge zwischenmenschliche Bindungen grundsätzlich auch außerhalb von Ehe und Familie zu finden. Zum anderen muss aus der Perspektive des Kindes die Frage beantwortet werden, wie eine Situation im Hinblick auf die sozialpsychologischen Entwick302 Ausführlich zur Familienpflege oben 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (a), S. 154 ff.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

lungsmöglichkeiten des Kindes rechtlich bewältigt werden soll, in der die normale emotionale Bindung zwischen dem Kind und den leiblichen Eltern gefährdet ist oder sogar ganz ausfällt und insofern ein Näheverhältnis zwischen ihnen faktisch nicht mehr besteht. Ein Differenzierungsgebot, das nicht auch den durch die Rechtsordnung ermöglichten Aufbau einer intensiven Nähebeziehung zum Kind außerhalb der Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern zuließe, könnte darauf verfassungsrechtlich keine Antwort geben und wäre zudem mit dem in Art. 6 II 2 GG statuierten staatlichen Wächteramt unvereinbar. Der Aufbau einer neuen und stabilen (Pflege)-Eltern-Kind-Beziehung genießt nämlich hinsichtlich einer harmonischen Entwicklung des Kindes Vorrang vor der Heimerziehung und dient insofern dem Kindeswohl.303 Aus der Verpflichtung zur Förderung von Ehe und Familie in Art. 6 I GG kann deshalb kein Verbot abgeleitet werden, Lebenspartner zu Pflegepersonen zu bestellen. bb) Verfassungsrechtliche Stellung der Eltern Die verfassungsrechtliche Position der Eltern im Gefüge der Grundrechte konkretisiert sich in Art. 6 GG als „grundlegende(r) Verfassungsvorschrift für den Lebensbereich der Familie“.304 Diese Norm statuiert in ihrem ersten Absatz als „Generalnorm“305 den besonderen Grundrechtsschutz der Familie und entfaltet ihn hinsichtlich spezifischer Aspekte der familialen Gemeinschaft in den folgenden Absätzen. (1) Der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 I GG Der Anwendung des Art. 6 I GG als verfassungsrechtlichen Maßstab für die Beurteilung der Pflegefamilie könnte entgegenstehen, dass schon Art. 6 II 1 GG das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder normiert und insoweit als speziellere Regelung des Eltern-Kind-Verhältnisses den Art. 6 I GG verdrängen könnte. Für diese Sichtweise spricht, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Adoption bisher nur hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem in Art. 6 II 1 GG normierten Elternrecht geprüft hat und Art. 6 I GG insoweit keine Rolle spielte. Die Adoption betreffe nämlich „vornehmlich die Eltern-Kind-Beziehung“; insofern sei sie „vorrangig an Art. 6 Abs. 2 und 3 GG zu messen.“306 Dieses Spezialitätsverhältnis wird damit begründet, dass nach der einfachgesetz303 304 305 306

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

24, 24, 24, 24,

119 119 119 119

(148). (135). (135). (138).

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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lichen Rechtslage zum Zeitpunkt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung am 29. Juli 1968 die Adoption „weder das allgemeine rechtliche Familienband noch die blutsmäßige Bindung zu der bisherigen Familie des Kindes“ berührte. Das „rechtliche Verwandtschaftsverhältnis und die darauf beruhenden gegenseitigen Unterhaltsrechte und -pflichten sowie die gegenseitigen Erbrechte“ blieben bestehen, während „die Wirkungen der Adoption auf das Eltern-Kind-Verhältnis“ dagegen „sehr viel einschneidender“ seien, weil die natürlichen Eltern „die elterliche Gewalt oder das Personensorgerecht“ verlören.307 Wendet man diese Grundsätze auf die Familienpflege an, so ist die Spezialität des Art. 6 II 1 GG gegenüber Art. 6 I GG hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Stellung der biologischen oder durch Rechtsbeziehung konstituierten Eltern ebenfalls gegeben. Auch bei der Familienpflege bleibt das Verwandtschaftsverhältnis mit der daraus folgenden Rechtsbindung für Unterhalt und Erbrecht zwischen ihnen und dem Kind bestehen. Stattdessen wird nach § 1630 III BGB dort nur das Sorgerecht für das Kind ganz oder teilweise auf die Pflegeperson übertragen. Insofern verbleibt für eine Prüfung der Grundrechtsstellung der natürlichen oder rechtlich zugeordneten Eltern anhand des Art. 6 I GG neben Art. 6 II 1 GG kein Raum. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinen Entscheidungen zur Familienpflege den Art. 6 I GG als Prüfungsmaßstab für diesen Personenkreis nicht erwähnt. Das beschriebene Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 6 I GG und Art. 6 II 1 GG lässt sich allerdings für Pflegepersonen im Rahmen der Familienpflege nicht mit der gleichen Begründung untermauern wie bei den leiblichen Eltern. Pflegeeltern können sich nämlich auf das in Art. 6 II 1 GG geschützte Elternrecht nicht berufen,308 so dass diese Norm für sie nicht einschlägig ist und insofern auch keinen Vorrang vor Art. 6 I GG beanspruchen kann. Bei Pflegeeltern ist die Anwendung des Art. 6 I GG durch das Elternrecht mithin nicht versperrt. (a) Grundrechtsträgerschaft der Pflegeeltern Art. 6 I GG schützt die Familie als umfassende Gemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern.309 Die Zugehörigkeit zu diesem Rechtsinstitut wird dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder ausschließlich auf das biologische Abstammungsverhältnis noch auf eine rechtliche Verwandtschaftsbeziehung zwischen Eltern und Kind reduziert. Vielmehr werden im Sinne einer funktionalen Auslegung des verfas307 308 309

So BVerfGE 24, 119 (137 f.). Ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 9. a) bb) (2) (a), S. 524. Vgl. 2. Kapitel B. IV. 2. a), S. 148 f.

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sungsrechtlichen Familienbegriffs auch solche Sozialbeziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern in den Rechtskreis der Familie einbezogen, in denen der Erwachsene seit längerer Zeit die Funktion eines Elternteils übernommen hat. Deshalb wird auch die Pflegefamilie vom institutionellen Schutz der Familie in Art. 6 I GG erfasst, wenn sich die Gemeinschaft zwischen den Pflegeeltern und dem Kind sozial verfestigt hat. Grundrechtsträger dieser Verfassungsbestimmung können in der hier untersuchten Konstellation der Familienpflege bei längerer Zeitdauer auch die Pflegeeltern sein. (b) Der ungestörte soziale Kontakt der Eltern zu ihren Kindern als Gewährleistungsinhalt des Art. 6 I GG Zum familienbezogenen Schutzbereich des in Art. 6 I GG enthaltenen Abwehrrechts gehört die vor staatlichen Eingriffen gesicherte Freiheit der natürlichen Person, eine Familie zu gründen und ihren Lebensbereich eigenverantwortlich zu gestalten. Notwendige Voraussetzung jedes Familienlebens ist die Möglichkeit des Kontakts zwischen den Familienmitgliedern. Art. 6 I GG vermittelt den Eltern deshalb das Recht, ungestört von staatlichen Eingriffen mit ihren Kindern in einer Begegnungs- und Beistandsgemeinschaft zu leben.310 (c) Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 I GG durch Herausgabe des Kindes an die leiblichen Eltern Nach § 1632 I BGB haben die natürlichen Eltern gegenüber den Pflegeeltern einen Anspruch auf Herausgabe des Kindes. Mit der Anordnung der Herausgabe endet die jeweilige Familienpflege. Wenn sich nach längerer Zeit aus dem familienähnlichen Zusammenleben der Pflegepersonen mit dem Kind eine Familie i. S. d. Art. 6 I GG gebildet hat und sich die Pflegeeltern insoweit auf das familienbezogene Abwehrrecht berufen können, greift die staatlich angeordnete Herausgabe des Kindes an die leiblichen Eltern in das nach Art. 6 I GG auch den Pflegeeltern zustehende Recht auf den Bestand der familialen Begegnungsgemeinschaft ein. (d) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Schutzbereich des Art. 6 I GG steht unter keinem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Ein gänzlich schrankenlos gewährleistetes Grundrecht ist 310 Stern (Fn. 102), § 100 IV 4 e, S. 416 f.; Hans-Ulrich Maurer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 8, 4. Aufl., 2002, Vor § 1741 BGB Rn. 21.

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verfassungssystematisch aber nicht denkbar, weil dadurch der Freiheitsraum anderer Grundrechtsträger aufgehoben und mittelbar auch der eigene durch die anderen ebenfalls schrankenlos gewährleisteten Grundrechte anderer Personen zerstört würde. Insofern ist der Schutzbereich des Art. 6 I GG durch verfassungsimmanente Schranken beschränkt. Als solche kommen die Grundrechte anderer sowie Werte von Verfassungsrang in Betracht. Im Falle der Herausgabe eines Pflegekindes an die natürlichen Eltern können sich diese auf ihr grundrechtlich verbürgtes Elternrecht gemäß Art. 6 II 1 GG berufen. Das Grundrecht der Pflegeeltern aus Art. 6 I GG und das Elternrecht der natürlichen Eltern aus Art. 6 II 1 GG stehen mithin in einem Kollisionsverhältnis. Für dessen Auflösung im Sinne eines Ausgleichs der Grundrechtsgewährleistungen im Rahmen der praktischen Konkordanz ist zu berücksichtigen, dass der Schutz des Elternrechts auch auf das Kindeswohl abzielt.311 Die rechtliche Gestaltung der Familienpflege muss daher den Ausgleich zwischen dem Elternrecht und dem grundrechtlichen Schutz der Pflegefamilie am Maßstab des Kindeswohls konkretisieren.312 Das bedeutet, dass eine Berufung auf das Elternrecht ausscheidet, wenn die Regelung oder staatliche Maßnahme dem Kindeswohl dient. Aus der umgekehrten Perspektive des familienbezogenen Abwehrrechts der Pflegeeltern nach Art. 6 I GG heißt dies zugleich, dass die Herausgabe des Pflegekindes an die natürlichen Eltern als Träger des Elternrechts das Abwehrrecht der Pflegeeltern verletzt, wenn die Herausgabe nicht dem Kindeswohl entspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat i. d. S. mehrmals entschieden, dass die Herausgabe des Pflegekindes an die Träger des Elternrechts dann rechtswidrig und insofern § 1632 IV BGB verfassungskonform ist, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt und das Kindeswohl sein Verbleiben bei der Pflegeperson notwendig macht.313 (2) Das Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG Nach Art. 6 II 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. 311

Siehe unten 4. Kapitel B. I. 9. a) bb) (2) (b), S. 525 ff. Vgl. Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 150, 246, der darauf hinweist, dass dabei „individuelle Maßnahmen (. . .) Vorrang vor generellen und typisierenden Regelungen haben müssen.“ Hans F. Zacher, § 134: Elternrecht, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 114. 313 BVerfGE 68, 176 (187 f.); 75, 201 (218 ff.); 79, 51 (60); Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 268; Zacher (Fn. 312), Rn. 114; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 95. Ludwig Salgo, Pflegekindschaft und Staatsintervention, 1987, S. 372, schließt aus dem „Risiko des Abbruchs einer funktionierenden Pflegeeltern-KindBeziehung für das Kind“, dass sich eine Adoption durch Dritte deshalb „fast immer“ verbiete. 312

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

(a) Grundrechtsträger Die grundrechtliche Zuordnung des Elternrechts im Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und dem Staat bietet Anlass zu Missverständnissen. Zunächst ist festzuhalten, dass das Grundrecht weder dem Kind noch dem Staat, sondern den Eltern zusteht. Sie üben es als jeweils eigenes Grundrecht originär aus. Das schließt nicht aus, dass das Elternrecht wegen des spezifischen Kindesbezugs auch ein treuhänderisches Grundrechtssubstrat im Verhältnis der grundrechtsberechtigten Eltern zum Kind aufweist.314 Als Grundrechtsträger kommen primär die biologischen, aber auch die rechtlich durch Abstammungsschein oder Adoption einem Kind zugeordneten Eltern in Betracht.315 Die einfachgesetzliche Rechtslage ist dabei so zu gestalten, dass analog der natürlichen Elternschaft Grundrechtsberechtigte für ein Kind jeweils nur ein Mann und eine Frau sein können.316 Pflegeeltern können sich dagegen auch bei sozialer Verfestigung der Nähebeziehung zum Kind, die durch einen längeren Zeitabschnitt des Zusammenlebens bedingt ist, nicht auf das Elternrecht des Art. 6 II 1 GG berufen, weil daneben noch die biologischen Eltern existieren und die Familienpflege zumindest grundsätzlich zeitlich begrenzt ist.317 314 BVerfGE 37, 217 (252); 56, 363 (381 f.); 59, 360 (376 f.); 61, 358 (372); 72, 122 (137); 72, 155 (172); 75, 201 (218 f.); 84, 168 (180, 184); 103, 89 (107). Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 34 Rn. 15; Stern (Fn. 102), § 100 VIII 5, S. 505 f.; Michael Coester, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die gesetzliche Ausgestaltung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern, in: FPR 2005, S. 60; ders., Elternautonomie und Staatsverantwortung bei der Pflege und Erziehung von Kindern, in: FamRZ 1996, S. 1181; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 94, 109; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 145, 182, 189; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 99, 107; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 48, 54; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 77; Marcus Longino, Die Pflegekinderadoption, 1998, S. 95; Matthias Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 II, III Rn. 28; Salgo (Fn. 313), S. 207 f.; Fritz Ossenbühl, Das elterliche Erziehungsrecht im Sinne des Grundgesetzes, 1981, S. 51 ff.; Walter Schmitt Glaeser, Das elterliche Erziehungsrecht in staatlicher Reglementierung, 1980, S. 53 f. 315 BVerfGE 24, 119 (150) [Adoptiveltern]. Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 34 Rn. 15; Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 44; Stern (Fn. 102), § 100 VIII 9 d, S. 530 ff.; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 99; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 103; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 48; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 71; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 210 ff. 316 BVerfGE 108, 82 (101); Zacher (Fn. 312), Rn. 62; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 75. Matthias Jestaedt, Elternschaft und Elternverantwortung unter dem Grundgesetz., in: Planung – Steuerung – Kontrolle. Festschrift für Richard Bartlsperger zum 70. Geburtstag, hrsg. von Max-Emanuel Geis und Dieter C. Umbach, 2006, S. 79 (96 f.), leitet daraus ein Verbot der lebenspartnerschaftlichen Stiefkindadoption ab. 317 BVerfGE 79, 51 (60). Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 34 Rn. 15; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 99; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 177; Gröschner (Fn. 123), Art. 6

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(b) Gewährleistungsinhalt des Elternrechts Wie Art. 6 I GG enthält auch Art. 6 II GG als grundrechtliche Wirkungsdimensionen ein subjektives Abwehrrecht,318 eine Institutsgarantie319 und eine wertentscheidende Grundsatznorm320. Das Elternrecht auf „Pflege und Erziehung“ der Kinder umfasst dabei sowohl die Verantwortung für ihr geistig-seelisches wie auch ihr körperliches Wohl als Elemente der ganzheitlichen Entwicklungsbedingungen des Kindes.321 Das treuhänderisch für das Kind ausgeübte Elternrecht gewährleistet in seiner abwehrrechtlichen Dimension nicht nur den Schutz vor staatlichen Eingriffen in das Pflege- und Erziehungsrecht der Eltern. Es beinhaltet zugleich eine innerhalb der Grundrechtssystematik der Verfassung singuläre Verpflichtung zur Grundrechtsausübung. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 6 II 1 GG und trägt insoweit dem auf das Kind ausgerichteten Gehalt des Elternrechts Rechnung, das die Eltern nicht ermächtigen will, das Kind nur als fremdbestimmtes Objekt ihrer Interessen zu behandeln. Durch diese im Grundrecht selbst verankerte Pflichtenbindung der Eltern manifestiert sich der Grundsatz ihrer Verantwortung für ihre Kinder, das Prinzip der Elternverantwortung.322 Rn. 103; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 48; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 85; Peter Huber, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 8, 4. Aufl., 2002, § 1632 BGB Rn. 38; Ludwig Salgo, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2002, § 1632 BGB Rn. 47; CoesterWaltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 74; anders BSGE 68, 171 (176); Stern (Fn. 102), § 100 VIII 9 d, S. 531; offen gelassen von BVerfG (3. Kammer d. 1. Senats), FamRZ 1993, S. 1045. 318 BVerfGE 4, 52 (57); 7, 320 (323); 24, 119 (138); 31, 194 (204 f.); 47, 46 (70); 56, 363 (381 f.); 68, 256 (269). 319 BVerfGE 4, 52 (57); 31, 194 (205); 56, 363 (382); 84, 168 (180). 320 BVerfGE 4, 52 (57); 7, 320 (323 f.); 21, 132 (138); 24, 119 (149 f.); 37, 217 (240). 321 Vgl. ausführlich Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 102 ff.; ferner Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 107; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 143; Lore Maria PeschelGutzeit, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2002, Vorbem. zu §§ 1626 ff. Rn. 31; Zacher (Fn. 312), Rn. 65; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 63; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 215; Hans-Uwe Erichsen, Elternrecht – Kindeswohl – Staatsgewalt, 1985, S. 31 f.; für eine Differenzierung Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 109. 322 BVerfGE 24, 119 (143); 31, 194 (204 f.); 47, 46 (70); 56, 363 (381 f.); 59, 360 (376); 61, 358 (372); 72, 155 (172); 92, 158 (178); 103, 89 (107); 108, 82 (102). Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 34 Rn. 13; Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 50; Stern (Fn. 102), § 100 VIII 5, S. 504; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 95 f., 107, 133; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 149, 208; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 100; Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 41; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 47; Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 26; Peschel-Gutzeit (Fn. 321), Vorbem. zu §§ 1626 ff. BGB

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Daran schließt sich die Frage an, in welcher grundrechtsdogmatischen Beziehung die Elternverantwortung zum Kindeswohl steht. Denkbar sind dabei zwei Konstruktionen: Zum einen könnte man einen strukturellen Antagonismus der Grundrechte von Eltern und Kindern annehmen. Das Elternrecht würde in diesem Fall dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes nach Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG und, wenn speziellere Freiheitsrechte nicht einschlägig sind, subsidiär dem in Art. 2 I GG als allgemeine Handlungsfreiheit gewährleisteten Grundrecht des Kindes auf Selbstbestimmung gegenüberstehen und wäre von letzterem begrenzt.323 Zum anderen wäre es denkbar, das Kindeswohl als grundrechtsimmanente Beschränkung des Elternrechts im Sinne eines wesentlichen Bestandteils dieses Grundrechts selbst anzusehen.324 Gegen die Annahme einer grundrechtlichen Begrenzung des Elternrechts durch Grundrechte des Kindes sprechen mehrere Argumente: Erstens sind Grundrechte allgemein primär Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe und nicht gegen Grundrechte anderer Grundrechtsträger, so dass schon fraglich ist, ob eine typisierte Grundrechtskollision in der Normsystematik von Art. 6 II GG angelegt sein kann.325 Entscheidend gegen diese These steht zweitens, dass minderjährige Kinder zum eigenverantwortlichen Freiheitsgebrauch aufgrund ihrer noch nicht abgeschlossenen Entwicklung in geringerem Maße als Erwachsene befähigt sind. Diese Differenz zwischen Kind und Erwachsenem verringert sich aber mit der altersmäßigen Entwicklung des Kindes.326 Das Elternrecht kompensiert diesen (geringer werdenden) Mangel auf Seiten des Kindes insofern, als es die Erziehung zur Selbstbestimmung durch die Eltern ermöglicht und dadurch die Grundrechte des Kindes erst zu realisieren verhilft.327 Rn. 34; Zacher (Fn. 312), Rn. 3; Rauscher (Fn. 71), Rn. 40; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 215; P. Kirchhof, Ehe und Familie als Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft, in: Stimmen der Zeit 1999, S. 507 (513 f.); Longino (Fn. 314), S. 95; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 29, 159; Erichsen (Fn. 321), S. 33 f.; Ossenbühl (Fn. 314), S. 51; Schmitt Glaeser (Fn. 314), S. 49. 323 Vgl. Diederichsen (Fn. 229), Einf. v. § 1626 BGB Rn. 3b; nach den einzelnen Grundrechten differenzierend Zacher (Fn. 312), Rn. 72. 324 BVerfGE 68, 176 (190); 72, 155 (172); 103, 89 (107); BVerfG, NJW 1999, S. 631, und S. 2173 (2175); Stern (Fn. 102), § 100 VIII 8 b, S. 519; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 94, 110, 134; Coester (Fn. 314), in: FPR 2005, S. 60; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 149; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 68 f.; CoesterWaltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 77, 81; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 215; Longino (Fn. 314), S. 95; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 29, 37 f., 144; Ossenbühl (Fn. 314), S. 68 ff.; Schmitt Glaeser (Fn. 314), S. 56. 325 Vgl. Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 59, Fn. 247. 326 Vgl. BVerfGE 59, 360 (382); 72, 122 (137); Stern (Fn. 102), § 100 XII 4 c, S. 599; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 60; Peschel-Gutzeit (Fn. 321), Vorbem. zu §§ 1626 ff. BGB Rn. 34; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 216.

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Die verfassungssystematische Pointe dieses Ansatzes besteht darin, durchaus einen Bezug zwischen den spezifischen Grundrechten von Eltern und Kindern herzustellen. Dieses Verhältnis ist aber nicht – wie der erste Ansatz annimmt – gegensätzlicher Natur. Vielmehr folgt aus der Charakterisierung des Elternrechts als Realisierungshilfe des Grundrechts des Kindes die immanente Ausrichtung von ersterem auf letzteres und damit die innere Begrenzung des Elternrechts durch das Kindeswohl. Verfehlen Maßnahmen der Eltern das Kindeswohl oder wird das Elternrecht von ihnen gar nicht bzw. nicht mehr ausgeübt und dadurch das Kindeswohl gefährdet, können sie sich auf dieses Grundrecht nicht berufen.328 (c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in das Elternrecht Das Elternrecht enthält in Art. 6 II 2 GG einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in das Grundrecht: Über die Betätigung des Elternrechts wacht danach die staatliche Gemeinschaft. Das damit statuierte staatliche Wächteramt ist ebenfalls am Kindeswohl orientiert.329 Darauf deutet nicht nur der Bedeutungsbezug des Normtextes hin, der das Wächteramt ausdrücklich auf das Elternrecht verweist. Wenn man für das Elternrecht eine immanente Begrenzung durch das Kindeswohl annimmt, muss sich ein auf das Elternrecht beziehendes Wächteramt gleichzeitig auch auf das Kindeswohl beziehen. Selbst wenn diese staatliche Aufgabe nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert wäre, ergäbe sich eine inhaltsgleiche Verpflichtung doch aus der staatlichen Verpflichtung zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes.330 Diese Schutzpflicht konkretisiert sich durch Art. 6 II 2 GG im Bereich des Elternrechts. Wenn Eltern dieses nicht 327

So Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 77, 81; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 31. Vgl. auch Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 135. 328 Vgl. BVerfGE 56, 363 (383); 103, 89 (107); Erichsen (Fn. 321), S. 51. 329 BVerfGE 24, 119 (144); 56, 363 (383); 103, 89 (107); BVerfG, FamRZ 2002, 535 (536); Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 50 f.; Stern (Fn. 102), § 100 XII 4 a, S. 587; Zacher (Fn. 312), Rn. 83; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 93; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 219; Matthias Jestaedt, Staatliche Rollen in der Eltern-Kind-Beziehung, in: DVBl. 1997, S. 693 (697); ders. (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 46, 174; Erichsen (Fn. 321), S. 48 f.; Ossenbühl (Fn. 314), S. 68 ff.; Schmitt Glaeser (Fn. 314), S. 49. 330 Vgl. BVerfGE 24, 119 (144); 72, 122 (134); 103, 89 (107); Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 121; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 92; ähnlich Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 243, der allerdings auf den Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 I GG abstellt. Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 22, 175, bezeichnet diese Schutzpflicht dagegen als „atypisch“, weil sie sich gegen die Eltern richte und deshalb nicht Gewährleistungsinhalt des Elternrechts sein könne. Dies ist hinsichtlich der Grundrechtsberechtigung sicher zutreffend, lässt aber die Vergleich-

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

zum Wohle des Kindes ausüben und insoweit ihr Handeln auch nicht mehr durch Art. 6 II 1 GG legitimiert sein kann, fällt dem Staat die Aufgabe zu, ggf. einzugreifen. Staatliche Maßnahmen stehen deshalb zum Elternrecht in einem nachrangigen Verhältnis.331 Von Bernd Jeand’Heur ist eine über diesen subsidiären Bezug zum Elternrecht hinausgehende Schutzpflichtkonzeption des staatlichen Wächteramtes entwickelt worden, die Art. 6 II 2 GG als eine durch Verfassungswandel aufgrund von Veränderungen der Sozialstruktur der Familie induzierte umfassende Garantienorm ansieht. Staatliche Maßnahmen seien danach nicht nur bei einem Versagen der Elternverantwortung verfassungsrechtlich legitimiert, sondern auch dann, wenn „die Grundanforderungen einer kindgemäßen Entwicklung“ nicht gegeben sind.332 Die Problematik dieser Konzeption besteht in der Gefahr, den vom Grundgesetz selbst vorgesehenen Zusammenhang zum Elternrecht aus dem Auge zu verlieren und das staatliche Wächteramt als von diesem isolierten Interventionsauftrag der „Zurverfügungstellung hinreichender, die Sozialisation des Kindes fördernder Maßnahmen“333 misszuverstehen.334 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Familienpflege orientiert sich an der dargestellten Symmetrie des durch das Kindeswohl begrenzten Elternrechts einerseits und des auf das Kindeswohl gerichteten staatlichen Wächteramtes andererseits. Die dogmatische Verbindung zwischen Grundrecht und staatlicher Schutzpflicht ist mithin das Kindeswohl; an ihm muss sich die Rechtsgestaltung der Familienpflege messen lassen.335 Die Anbarkeit des eigentlichen Schutzsubstrats unberührt, wie Jestaedt (Fn. 329), in: DVBl. 1997, S. 693, Fn. 10, selbst andeutet. 331 BVerfGE 24, 119 (135, 138); 31, 194 (204); 56, 363 (382 f., 385). Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 96; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 243; Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 42a; Peschel-Gutzeit (Fn. 321), Vorbem. zu §§ 1626 ff. Rn. 31; Koch (Fn. 249), Einl. Familienrecht, Rn. 213; Jestaedt (Fn. 329), in: DVBl. 1997, S. 693 (695 f.); ders. (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 179; Coester (Fn. 314), in: FamRZ 1996, S. 1181 (1182 f.); Erichsen (Fn. 321), S. 49 ff.; Ossenbühl (Fn. 314), S. 71 f.; Schmitt Glaeser (Fn. 314), S. 35 f. 332 Bernd Jeand’Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote zum Wohle des Kindes und staatliche Interventionspflichten aus der Garantienorm des Art. 6 Abs. 2 Satz 2, 1993, S. 106 ff. 333 So Jeand’Heur (Fn. 332), S. 109 f., der aber gleichzeitig einräumen muss, dass die konkrete Umsetzung dieses Verfassungsgebotes immer eine Einzelfallentscheidung ist. Schon dadurch wird die Unbestimmtheit der rechtlichen Konsequenzen dieser „Garantienorm“ als Problem sichtbar. 334 Kritisch ebenfalls Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 199; ders. (Fn. 329), in: DVBl. 1997, S. 693 (696, Fn. 46). 335 Vgl. BVerfGE 68, 176 (188); BVerfG, FamRZ 1999, S. 1417 (1418); Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 150, 242; Huber (Fn. 317), § 1632 BGB Rn. 38; Zacher (Fn. 312), Rn. 114, Fn. 335.

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ordnung der Familienpflege ist deshalb nur dann kein verfassungswidriger Eingriff in das Elternrecht, wenn erstens die Eltern ihr Grundrecht nach Art. 6 II 1 GG gar nicht oder nicht am Kindeswohl orientiert ausüben und zweitens das Kindeswohl gefährdet ist. Nur wenn beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen, rechtfertigt das staatliche Wächteramt als Eingriffsschranke Maßnahmen, die dem Kindeswohl dienen. Dazu kann auch die Familienpflege gehören. Insofern ist deren Anordnung in diesem Fall eine rechtliche Konkretion des staatlichen Wächteramtes. Pflegeeltern können sich selbst bei längerer Dauer des Pflegeverhältnisses zwar auf den Schutz von Art. 6 I, III GG, nicht aber auf das Elternrecht berufen.336 Ihre grundrechtliche Stellung ist mithin schwächer als die der Träger des Elternrechts.337 Gleichwohl kann – wie vorstehend gezeigt – dem Familienschutz der Pflegeeltern durch Art. 6 I GG der Vorrang vor dem Elternrecht zukommen, wenn das Kindeswohl dies verlangt.338 Die sich daraus für den konkreten Fall ergebende Nachrangigkeit des Elternrechts wird durch das am Kindeswohl orientierte Wächteramt vermittelt und gerechtfertigt. Insgesamt erweist sich die Rechtsstruktur der Familienpflege aus dieser Perspektive auch hinsichtlich des Elternrechts gemäß Art. 6 II 1 GG als verfassungsgemäß. Fraglich ist, ob dies anders beurteilt werden muss, wenn Lebenspartner eine Pflegeelternstellung übernehmen sollen. Das staatliche Wächteramt rechtfertigt nicht die Anordnung von kindschaftsrechtlichen Maßnahmen, die dem Wohl des Kindes nicht dienen. Vor diesem Hintergrund muss die Fragestellung beleuchtet werden, ob die Familienpflege eines Kindes durch Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensverbindungen wie der Lebenspartnerschaft grundsätzlich überhaupt dem Kindeswohl entsprechen kann. Im Rahmen dieser Untersuchung ist beschrieben worden, dass es für die sozialpsychologische Entwicklung des Kindes und damit für sein Wohl nicht 336 BVerfGE 79, 51 (59). In BVerfGE 68, 176 (187), wurde zunächst nur die Berufung der Pflegeeltern auf Art. 6 I, III GG bejaht. Vgl. auch die 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG, die in FamRZ 1999, S. 1417 (1418), und FamRZ 2000, S. 413, der Einbindung der Pflegeeltern in den Schutzbereich von Art. 6 I, III GG zustimmt, in FamRZ 1993, 1045, die Möglichkeit ihrer Berufung auf das Elternrecht aber offen ließ. Siehe ferner Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 177, 268; Zacher (Fn. 312), Rn. 114; differenzierend Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 74, die eine Zuordnung der Pflegefamilie zum personellen Schutzbereich von Art. 6 III GG bejaht, die Berufung auf Art. 6 I GG hingegen wegen einer familienfremden Funktion der Pflegeeltern verneint; vgl. auch Salgo (Fn. 313), S. 203 ff.; ders., Die Pflegekindschaft in der Kindschaftsrechtsreform vor dem Hintergrund verfassungs- und jugendhilferechtlicher Entwicklungen, in: FamRZ 1999, S. 337 (338). 337 BVerfG, FamRZ 1999, S. 1417 (1418); Huber (Fn. 317), § 1632 BGB Rn. 38; Ludwig Salgo, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2002, § 1632 BGB Rn. 47; ders. (Fn. 336), in: FamRZ 1999, S. 338 (339). 338 Vgl. oben 4. Kapitel B. I. 9. a) bb) (1) (d), S. 522 f.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

gänzlich unproblematisch ist, wenn es mit Mitgliedern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in familienähnlichen Verhältnissen zusammenlebt. Gleichwohl besteht bei einer Familienpflege durch diesen Personenkreis noch keine typischerweise auftretende Gefährdung.339 Zudem ist die Familienpflege zeitlich und sorgebereichsspezifisch begrenzt, so dass die Reversibilität der Familienpflege und die durch die Rechtsordnung zugelassene Einwirkungsmöglichkeit der natürlichen Eltern ebenfalls zugunsten der grundsätzlichen Verfassungskonformität der Familienpflege durch Lebenspartner berücksichtigt werden muss. Die grundrechtliche Stellung der natürlichen Eltern spricht deshalb nicht dagegen, im Einzelfall auch Lebenspartner zu Pflegepersonen zu bestellen. cc) Grundrechtliches Fundament eines Rechts des Kindes auf Eltern Die gängige grundrechtliche Perspektive der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur auf die Familie ist die der Rechtsstellung der Eltern. Die grundrechtliche Position der die Familie ebenso wie die Eltern konstituierenden Kinder steht dagegen regelmäßig nicht im Mittelpunkt der Analyse. Dies ist weniger erstaunlich als es auf den ersten Blick erscheint. Weil das Elternrecht ein fiduziarisches und auf das Kindeswohl gerichtetes Element enthält, werden die Interessen des Kindes grundrechtssystematisch mittelbar regelmäßig im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung des Elternrechts und als Gegenstand des staatlichen Wächteramtes erörtert. Andererseits schließt das Elternrecht aber nicht aus, dass dem Kind auch originäre Grundrechtspositionen zukommen können, die unmittelbar aus seiner Sicht den Schutz vor staatlichen Eingriffen in die familiale Gemeinschaft zu begründen vermögen. (1) Das Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG als mögliches Grundrecht des Kindes auf die Gewährleistung der familialen Gemeinschaft Das Elternrecht ist, wiewohl auf das Kindeswohl bezogen, nicht dem Kind, sondern den Eltern als Grundrechtsträger zugeordnet.340 Mit Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der das Gericht aus dem Elternrecht einen Anspruch des Kindes „auf Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung durch die Eltern“ ableitet,341 findet sich aber im Schrifttum auch eine Ansicht, die eine grundrechtliche Fundierung eines solches An339

Ausführlich oben 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (a), S. 154 ff. Siehe oben 4. Kapitel B. I. 9. a) bb) (2) (a), S. 524. 341 BVerfGE 68, 256 (269), unter Verweis auf BVerfGE 56, 363 (381): „Dabei [bei der Definition der Personensorge in § 1631 I BGB] ist davon auszugehen, dass 340

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spruchs aus Art. 6 II 1 GG annimmt.342 Gegen Art. 6 II 1 GG als dafür geeignetes Grundrecht spricht allerdings, dass der Wortlaut dieser Norm nur die Eltern als Grundrechtsträger erwähnt. Durch die Bezugnahme auf das Kindeswohl im Rahmen der Elternverantwortung wird zwar das Kind in den Mittelpunkt der Verpflichtung zur Grundrechtsausübung gestellt. Dadurch wird es aber nicht schon zugleich zum Grundrechtsberechtigten, sondern vielmehr nur zum finalen Bezugspunkt des Grundrechtsgebrauchs der Eltern. Das Kind ist damit personales Empfangssubjekt eines Rechtsreflexes des Elternrechts, aber noch kein eigener Träger dieses Grundrechts.343 Auf Art. 6 II GG kann sich das Kind daher nicht berufen. Die Grundrechte sind verfassungsrechtliche Sicherungselemente personaler Freiheitsräume. Von diesem Verständnis ausgehend wäre es allerdings kaum nachvollziehbar, den Kindesbezug ausschließlich als immanente Begrenzung des Grundrechts der Eltern und damit nur aus deren Perspektive zu definieren.344 Dafür spricht auch, dass das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen zu staatlichen kindesbezogenen Anordnungen gegen den Willen der Eltern betont, dass sie sowohl in das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG eingreifen als auch „in gleicher Intensität“ das Kind selbst treffen.345 Damit wird in diesen Fällen vom Gericht die Betroffenheit des Kindes ausdrücklich als auf der gleichen Intensitätsstufe stehend wie die der Eltern hervorgehoben. Es ist deshalb nicht fernliegend, ein mit dem Recht der Eltern auf die Pflege und Erziehung der Kinder korrespondierendes eigenes Recht des Kindes auf seine Eltern im Rahmen einer familialen Gemeinschaft anzunehmen. Bejaht man dies, steht man vor der dogmatischen Schwierigkeit, dieses Recht aus einem in der Verfassung normierten konkreten Grundrecht abzuleiten. (2) Der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 I GG als familialer Kontaktschutz Als Schutzvorschrift für den sozialen Kontakt der Familienmitglieder untereinander kommt der in Art. 6 I GG niedergelegte besondere Schutz der Familie in Betracht. das Kind einen Anspruch auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit hat.“ 342 Pieroth (Fn. 11), Art. 6 Rn. 34. 343 Auch Stern (Fn. 102), § 100 VIII 9 e, S. 534; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 135; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 91. 344 So aber Schmitt Glaeser (Fn. 314), S. 56, der postuliert, dass die Grundrechte des Kindes im Elternrecht schon genügend berücksichtigt seien und „darüber hinaus keiner zusätzlichen Beachtung mehr“ bedürften; ähnlich Ossenbühl (Fn. 314), S. 70. 345 BVerfGE 68, 176 (187); 72, 122 (138).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Dagegen spricht nicht schon der Umstand, dass Art. 6 II, III GG gegenüber Art. 6 I GG speziellere Bestimmungen enthält, weil er die spezifische Eltern-Kind-Beziehung regelt, während Art. 6 I GG die Familiengemeinschaft insgesamt schützen soll.346 Wie beschrieben umfasst der persönliche Schutzbereich des Art. 6 II 1 GG nicht das Kind selbst, so dass diese Norm bei der Frage, ob dem Kind ein Recht auf seine Eltern zusteht, nicht einschlägig ist und deshalb auch nicht Art. 6 I GG als speziellere Bestimmung verdrängen kann. (a) Der Schutz des Familienverbandes durch die Institutsgarantie Eine Familie ist die umfassende Gemeinschaft von Eltern mit ihren Kindern. Ihre verfassungsrechtlich gebotene Ausgestaltung dient der gegenseitigen Lebenshilfe der Familienmitglieder347 und der Erziehung von Kindern.348 Notwendige Voraussetzung einer solchen Sozialbeziehung ist die Familiengemeinschaft. Deshalb muss die Möglichkeit des ständigen sozialen Kontakts zwischen den Angehörigen der Familie bestehen und diese Möglichkeit als Grundbedingung familialer Gemeinschaft insofern verfassungsrechtlich geschützt werden.349 Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang vom verfassungsrechtlichen Schutz der „Einheit der Familie“ gesprochen.350 Die Familie wird dabei entsprechend des Alters der Kinder zunächst als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, später als Hausgemeinschaft und schließlich als Begegnungsgemeinschaft geschützt.351 Dieser Schutz des Bestandes und der Einheit der natürlichen Familie wird durch Art. 6 I GG im Rahmen der Institutsgarantie der Familie gewährleis346 BVerfGE 24, 119 (135). Erichsen (Fn. 321), S. 33, Ossenbühl (Fn. 314), S. 42 f., und Schmitt Glaeser (Fn. 314), S. 36 f., betonen allerdings zu Recht, dass die in Art. 6 I GG geschützte Familie den institutionellen Rahmen für die Ausübung des Elternrechts bildet. Insofern ist der Regelungsgehalt des Art. 6 I GG von dem des Art. 6 II 1 GG nicht gänzlich unabhängig, sondern bei der Auslegung des Elternrechts als Subsystem der Familiengemeinschaft heranzuziehen. 347 BVerfGE 80, 81 (91); Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 27. 348 BVerfGE 80, 81 (90); Lecheler (Fn. 123), Rn. 41; Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 27. 349 Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 55. 350 BVerfGE 37, 247; 40, 175; vgl. auch BVerfGE 80, 81 (92). In BVerfGE 24, 119 (137 f.), wird bei einer Adoption der Bezug zu Art. 6 I GG mit dem Hinweis auf § 1764 BGB a. F. abgelehnt, nach dem das rechtliche Verwandtschaftsverhältnis zu den natürlichen Eltern mit den entsprechenden Ansprüchen des Kindes bestehen blieb. Da dies wegen § 1755 BGB n. F. nicht mehr der Fall ist, müsste nach dem damaligen Prüfungsmaßstab des Gerichts nunmehr Art. 6 I GG anwendbar sein, so dass auch diese Entscheidung indirekt die Schutzwirkung dieser Norm für die intrafamiliale Rechtsbeziehung bestätigt. 351 BVerfGE 80, 81 (90 f.).

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tet.352 Sie sichert das Rechtsinstitut vor einer gesetzlich intendierten Strukturveränderung und richtet sich gleichzeitig als Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, die Rechtsordnung so auszugestalten, dass sich die Familie konstituieren kann und ihre Existenz gewahrt bleibt. Die Rechtsbeziehung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind erlischt bei der Familienpflege nicht zur Gänze, sondern nach § 1630 III BGB nur hinsichtlich des Sorgerechts oder einzelner seiner Elemente. Die Sozialbeziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern wird aber faktisch durch das Näheverhältnis zu den Pflegeeltern ersetzt. Da bei der Familienpflege mithin einerseits die Lösung der intrafamilialen Rechtsbindung des Kindes zu den natürlichen Eltern nicht vollständig erfolgt, wohl aber die Sozialbindung zu ihnen abgeschwächt wird, bleibt schon fraglich, ob in die Verfassungsgarantie der Familie überhaupt eingegriffen wird. Die Institutsgarantie schützt ein in seiner Bedeutung von der Verfassung als unentbehrlich erkanntes Rechtsinstitut vor seiner allgemeinen Aufhebung oder wesensmäßigen Veränderung durch den Gesetzgeber und damit vor einem Funktionsverlust. Die Institutsgarantie sichert dagegen nicht die Existenz aller bisher bestehenden Sozialbindungen innerhalb des einzelnen Rechtsinstituts. Durch die Familienpflege ändert sich weder die Zahl noch die Bedeutung der Familie für die Rechtsordnung. Letzteres wird auch deutlich, wenn man die durch die natürliche Verwandtschaft begründete soziale Nähebeziehung zwischen den Familienmitgliedern als funktionalen Kern des Verfassungsschutzes der Familie ansieht. Die Familienpflege verstößt in diesem Fall nicht gegen die Institutsgarantie, wenn sie „nicht die Durchbrechung der durch natürliche Verwandtschaft geprägten familienrechtlichen Struktur bewirkt, sondern zu deren Ergänzung dient.“353 Die Ergänzungsfunktion der Familienpflege wird sowohl durch das weiterhin bestehende Verwandtschaftsverhältnis zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind als auch durch die grundsätzliche Begrenzung des Zeitraums der Pflege deutlich. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung entspricht damit dieser Vorgabe, so dass die Institutsgarantie nicht berührt ist. (b) Der Schutz des Familienverbandes durch ein subjektives Abwehrrecht des Kindes Bezüglich des Kindes als potentiellem Grundrechtsträger schließt sich deshalb die Frage an, ob ihm Art. 6 I GG auch ein subjektives Recht auf die familiale Einheit gewährt. 352

Ähnlich Longino (Fn. 314), S. 98; Kerstin Strick, Die Adoption des eigenen Kindes, 1996, S. 86 ff.; Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 149. 353 So Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 146, für die Adoption; auch Strick (Fn. 352), S. 87.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Dafür spricht der Blick auf die Grundrechtssystematik des Schutzes der Ehe als das zweite von Art. 6 I GG geschützte Rechtsinstitut: Der besondere Schutz der Ehe umfasst auch die Eheschließungsfreiheit als Abwehrrecht. Zu ihr zählt der Schutz vor einer staatlichen Aufhebung der Ehe gegen den Willen der Ehepartner. Eine analoge Schutzwirkung kann auch auf die Familie als Familiengründungs- und Familienbestandsfreiheit übertragen werden.354 Der intensivste Eingriff in den Bestand der Familie ist die soziale und rechtliche Desintegration eines Familienmitgliedes aus dem Familienverband. Die Familie wird als Rechtsinstitut von Eltern und Kindern konstituiert und besteht damit aus zwei Personengruppen. Eingriffe in ihren Bestand tangieren beide Personengruppen in gleicher Intensität. Das Elternrecht des Art. 6 II 1 GG entfaltet den abwehrrechtlichen Schutz als speziellen Bereich des Familienschutzes für die Eltern. Der vergleichbaren Eingriffsintensität für Eltern und Kinder wird es nicht gerecht, wenn die Rechtsordnung Kindern ein subjektives Recht auf die familiale Gemeinschaft mit ihren Eltern vorenthielte. Die Sicherung des grundrechtlichen Freiheitsraumes der Familie wäre nämlich unvollständig, wenn nicht alle Familienmitglieder ein Abwehrrecht gegen Eingriffe solcher Art geltend machen könnten. Jedes Familienmitglied besitzt deswegen ein subjektives Recht auf den ungestörten Bestand der Familie, zu der es gehört. Das gilt auch für die Kinder einer Familie. Art. 6 I GG vermittelt ihnen ein Abwehrrecht, das ihren Kontakt zu den Eltern vor staatlichen Eingriffen schützt.355 Mit dem Grundrecht des Kindes auf Integration in den Familienverband nach Art. 6 I GG kann dem Grundrecht der Eltern auf Schutz ihrer Beziehung zu den Kindern ein komplementäres Grundrecht des Kindes an die Seite gestellt werden. Gegen die Ableitung eines solchen Abwehrrechts des Kindes aus Art. 6 I GG spricht auch nicht die Staatsgerichtetheit der Grundrechte. Sie selbst betreffen unmittelbar nur die Beziehung des Grundrechtsträgers zum Staat und nicht zu einem privaten Dritten. Trotzdem ist grundrechtsdogmatisch ein solcher Anspruch des Kindes gegen den Staat auf die Ermöglichung einer Erziehungsgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern durch rechtliche Ausgestaltung nicht ausgeschlossen. Er ist denkbar als rechtlich verbindliches Postulat einer aus dem Abwehrrecht des Kindes abgeleiteten staatlichen Schutzpflicht und fällt inhaltlich mit dem Elternrecht aus Art. 6 II GG zusammen. Durch die Familienpflege wird in das Abwehrrecht des Kindes auf Kontakt zu seinen leiblichen Eltern eingegriffen. Dieser Eingriff in Art. 6 I GG 354

Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 32. Stern (Fn. 102), § 100 IV 4 e, S. 416 f.; Helge Sodan, Schriftliche Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts (BT-Drucks. 15/3445), in: Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 18.10.2004, S. 82 (83); Strick (Fn. 352), S. 94. 355

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bleibt allerdings nicht ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung: Dafür kommen als Norm ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt nur kollidierendes Verfassungsrecht, mithin die Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Werte in Betracht. Im Fall der Familienpflege ist hier das Kindeswohl einschlägig. Es ist zum einen Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes nach Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG.356 Zum anderen ist auch das staatliche Wächteramt in Art. 6 II 2 GG auf das Kindeswohl hingeordnet und ein grundrechtlicher Indikator dafür, dass das Kindeswohl ein mit Verfassungsrang ausgestatteter Wert ist.357 Das Wohl des Kindes muss mit der durch Art. 6 I GG verfassungsrechtlich geschützten Sozialbeziehung der Mitglieder der biologischen Familie im Rahmen der praktischen Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden. Wenn ein solches Näheverhältnis zwischen den Familienmitgliedern nicht mehr existiert oder gar nicht erst aufgebaut wird, entspricht es dem Kindeswohl, dem Kind zu ermöglichen, eine neue rechtlich vertypte Sozialbeziehung mit anderen Eltern einzugehen. Der Eingriff in das Grundrecht des Kindes auf den Kontakt zu den leiblichen Eltern ist dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insofern liegt eine verfassungswidrige Verletzung von Art. 6 I GG durch die gesetzliche Ermöglichung der Familienpflege nicht vor. (3) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes gemäß Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG als subjektives Abwehrrecht des Kindes gegen Eingriffe des Staates in den Bestand der Familie? Es ist überlegenswert, ob sich nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG ein solches Recht auf seine natürlichen Eltern ergeben könnte. Dieses Recht umfasste dabei nicht nur den Kontakt des Kindes zu ihnen, sondern auch einen Anspruch auf die Erziehung durch sie. Im Schrifttum wird ein solcher Anspruch zumindest für möglich gehalten.358 Der grundrechtliche Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht weist aber mehrere dogmatische Schwierigkeiten auf: Das erste dogmatische Problem der Ableitung eines solchen Anspruchs aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht besteht in der Abgrenzung zum Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG. Hinsichtlich der Kindern zustehenden Grundrechte ist dies deshalb von Bedeutung, weil Formulierungen in Entscheidungen des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auch eine Bezugnahme auf die allgemeine Hand356 357 358

Badura (Fn. 145), S. 86 (95). Sodan (Fn. 355), S. 82 (84). Vgl. Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 58, Fn. 245.

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lungsfreiheit nicht ausschließen.359 Die Differenzierung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Handlungsfreiheit bei der grundrechtlichen Einordnung der Rechtsposition von Kindern ist nicht schematisch zu treffen, sondern erfolgt anhand von Fallgruppen. Ein Anhaltspunkt für die Einschlägigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die durch die staatliche Entscheidung bewirkte Betroffenheit der „engeren persönlichen Lebenssphäre“ des Kindes in einem umfassenden Sinne.360 Der Erste Senat hat bei der durch § 1629 I BGB statuierten Verpflichtungsermächtigung der Eltern zu Lasten ihrer Kinder deren allgemeines Persönlichkeitsrecht tangiert gesehen. Die Selbstbestimmung des Kindes werde dadurch in ähnlicher Intensität berührt wie bei der durch das Persönlichkeitsrecht geschützten Selbstbestimmung im Bereich der Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte.361 Vergleicht man die Schwere des Eingriffs in diese Schutzgüter und deren inhaltlichen Konnex zur engeren persönlichen Lebenssphäre des Kindes mit dem Kontakt zwischen Kind und Eltern in einer Familiengemeinschaft, so wird deutlich, dass beim Kind die engere persönliche Lebenssphäre in stärkerem, mindestens aber in gleichem Maße berührt ist. Der soziale Kontakt und die rechtliche Verbindung zwischen Kindern und Eltern sind überhaupt erst die Voraussetzungen für die elterliche Erziehung des Kindes. Diesbezügliche Regelungen beeinflussen damit die Grundbedingungen freier Entfaltung des Kindes. Insofern tangieren sie nicht nur einzelne Ausformungen allgemeiner Handlungsfreiheit, sondern unmittelbar die engere kindliche Lebenssphäre. Deshalb wäre bei einem Recht des Kindes auf Eltern der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht die Handlungsfreiheit einschlägig.362 Gegen einen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes abgeleiteten Anspruch auf die Eltern spricht aber dessen enger Bezug zu dem nur in Art. 6 I GG genannten Schutzgut der Familie. Wenn ein spezifisches Freiheitsrecht eine bestimmte Gewährleistung schon enthält oder zumindest einen engeren Bezug zum zugrundeliegenden Sachverhalt aufweist, ist der Rückgriff auf ein allgemeiner gefasstes Grundrecht obsolet.363 Das Persönlichkeitsrecht tritt in diesem Fall hinter das speziellere Freiheitsrecht zu359 So etwa BVerfGE 72, 122 (137). Dort ist in Bezug auf eine Minderjährige, deren Mutter das Sorgerecht entzogen wurde, vom „Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)“ die Rede. Vgl. auch schon BVerfGE 59, 360 (382): „Das Kind hat aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit, das allerdings den in dieser Verfassungsbestimmung genannten Eingrenzungen unterliegt.“ 360 BVerfGE 72, 155 (170 f.). 361 BVerfGE 72, 155 (170 f.). 362 Siehe auch BVerfGE 75, 201 (218); 79, 51 (63 f.). 363 Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 25 Rn. 2.

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rück. Der sachliche und persönliche Schutzbereich des Art. 6 I GG bezieht sich ausdrücklich auf die Familie und gewährleistet den Freiheitsraum gerade in diesem Bereich. Für die grundrechtliche Spezialität der Familienbestandsfreiheit aus Art. 6 I GG gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes spricht außerdem das grundrechtliche Verhältnis zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Eltern und dem spezifischen Elternrecht des Art. 6 II 1 GG im Bereich der Kindeserziehung: Letzteres verdrängt dort grundsätzlich das Persönlichkeitsrecht der Eltern als insoweit spezielleres Grundrecht.364 Schließt das Elternrecht in Art. 6 II 1 GG als grundrechtliches Element eines in Art. 6 GG geregelten umfassenden Familienschutzes einen Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus, ist es nahe liegend, dies auch für das in Art. 6 I GG statuierte Grundrecht anzunehmen.365 Wenn dies für die Eltern als Grundrechtsträger gilt, dann gilt für das Kind als Grundrechtsträger, gerade wenn man die inhaltliche Komplementärstruktur der familienbezogenen Grundrechte von Eltern und Kindern betont, nichts anderes. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes tritt hinter sein spezielleres subjektives Recht auf die Gemeinschaft mit den leiblichen Eltern aus Art. 6 I GG zurück. (4) Das grundrechtliche Verhältnis zwischen dem Recht des Kindes und dem Elternrecht bei der Familienpflege Bei der grundrechtlichen Einordnung des Verhältnisses zwischen dem Recht des Kindes auf familialen Kontakt nach Art. 6 I GG und dem Elternrecht in Art. 6 II 1 GG sind bei der Familienpflege zwei verschiedene Grundrechtsbeziehungen des Kindes genau zu unterscheiden, um dogmatische Missverständnisse zu vermeiden: Es besteht sowohl ein Rechtsverhältnis des Kindes zu den Pflegepersonen wie auch eines zu den natürlichen Eltern. Die konkrete Grundrechtsausübung des Kindes hängt davon ab, welche dieser Rechtsbeziehungen untersucht wird. Aus dem Recht des Kindes nach Art. 6 I GG kann sich ein staatlicher Abwehranspruch gegen die Anordnung eines Wechsels der Pflegefamilie ergeben. Das Grundrecht schützt insoweit die Sozialbeziehung des Kindes zu den Pflegeeltern. Das Kindeswohl ist eine immanente Begrenzung des Elternrechts. Art. 6 II 2 GG ermächtigt das staatliche Wächteramt wegen dieses Kindeswohls zum Handeln, wenn die Eltern ihrer Verpflichtung zur Pflege und Erziehung der Kinder nicht in geeigneter Weise nachkommen. 364 BVerfGE 56, 363 (393); vgl. allgemein für Art. 2 I GG BVerfGE 4, 52 (56); 24, 119 (151); Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 64; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 268. 365 Siehe Badura (Fn. 145), S. 86 (95 f.): „Die persönlichkeitsrechtliche Entfaltungsfreiheit des Kindes wird durch Art. 6 Abs. 1 GG profiliert und verstärkt, (. . .)“.

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In diesem Fall ist eine Berufung der Eltern auf ihr grundrechtlich verbürgtes Elternrecht nicht mehr möglich. Sowohl das Elternrecht als auch das Grundrecht des Kindes sind auf dessen Wohl bezogen und entsprechen sich inhaltlich insoweit.366 Das Grundrecht des Kindes wird deshalb vom Elternrecht überlagert, solange die Eltern ihr Elternrecht zum Wohle des Kindes ausüben.367 Überschreiten die Eltern allerdings das ihnen zustehende Grundrecht und verpflichten damit das staatliche Wächteramt zum Eingreifen zugunsten des Kindes – etwa durch die Anordnung einer Pflegschaft –, lebt das Recht des Kindes auf Kontakt zur Familie auf und schützt vor staatlichen Eingriffen in seine Selbstbestimmung, die nicht durch das Kindeswohl gerechtfertigt sind. Sollen etwa die Pflegeeltern durch staatliche Anordnung ausgewechselt und das Kind in eine neue Familiengemeinschaft mit anderen Pflegeeltern integriert werden, ist dies nur möglich, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.368 Würde dies von staatlicher Seite nicht beachtet, läge eine Verletzung des Kindesgrundrechts vor. Dieses Grundrecht sichert dadurch als staatsgerichtetes Abwehrrecht die Gemeinschaft der Pflegeeltern mit dem Kind solange, wie es das Kindeswohl erfordert. Daraus folgt für das Verhältnis des Kindes zu seinen leiblichen Eltern, dass im Falle der Anordnung der Familienpflege ein Recht des Kindes auf Herstellung der Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern grundrechtssystematisch solange nicht durchgreifen kann, wie das Kindeswohl einen Verbleib bei den Pflegeeltern verlangt. Wenn die Familienpflege in Ausübung des staatlichen Wächteramtes zugunsten des Kindeswohls notwendig ist, dann kann nicht gleichzeitig ein Grundrecht des Kindes, welches das gleiche Schutzgut beinhaltet, die Herstellung der vollen familialen und damit auch rechtlichen Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern erfordern. Oder anders formuliert: Können die leiblichen Eltern sich nicht auf das Elternrecht wegen des Nicht- oder Fehlgebrauchs dieses Grundrechts durch sie berufen, dann kann das Kind sich ebenfalls nicht auf sein Familiengrundrecht gegenüber den Pflegeeltern berufen und eine Reintegration in die familiale Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern verlangen. 366 BVerfGE 75, 201 (218 f.); 79, 51 (64); Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 40. 367 Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 40. 368 BVerfGE 79, 51 (64). Der Erste Senat postuliert in BVerfGE 75, 201 (220), dass die „Risikogrenze“ einer Kindeswohlgefährdung wegen des Elternrechts „generell weiter zu ziehen (ist), wenn die leiblichen Eltern oder ein Elternteil wieder selbst die Pflege des Kindes übernehmen wollen. Eine andere Ausgangslage ist aber dann gegeben, wenn das Kind nicht in den Haushalt von Vater und Mutter aufgenommen werden soll, sondern lediglich seine Unterbringung in eine neue Pflegefamilie bezweckt wird, ohne daß dafür wichtige, das Wohl des Kindes betreffende Gründe sprechen.“

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(5) Das Recht des Kindes auf Familieneinheit als mögliches Abwehrrecht gegen die Integration in eine Familienpflege durch Lebenspartner? Berücksichtigt man die dargelegten Überlegungen zum Recht des Kindes für die verfassungsrechtliche Beurteilung der staatlichen Einsetzung von Lebenspartnern als Pflegepersonen, so gelten ähnliche Grundsätze wie aus der Perspektive des Elternrechts: Das Kindeswohl erzwingt nicht schlechthin ein Verbot der Pflegeelternschaft für Lebenspartner. Insofern verhilft Art. 6 I GG in diesen Fällen dem Kind auch nicht zu einem generellen Recht auf Herstellung der Familiengemeinschaft zu den natürlichen Eltern. Umgekehrt kann im Einzelfall auch ein Abwehrrecht des Kindes gegen die Desintegration aus der Pflegefamilie und Zurückführung in die familale Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern bestehen, wenn das Kindeswohl ein Verbleib in der Gemeinschaft mit den Lebenspartnern erfordert. Der Berücksichtigung des Kindeswohls sind auch aus der Perspektive des kindlichen Persönlichkeitsrechts generalisierende Regelungen für die Familienpflege fremd. Sie werden durch ein Abwehrrecht des Kindes gegen Eingriffe in die ElternKind-Gemeinschaft verfassungsrechtlich nicht erzwungen; vielmehr ist einer Einzelfallregelung der Vorzug zu geben. dd) Ergebnis Das Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie aus Art. 6 I GG ist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Einsetzung von Lebenspartnern als Pflegeeltern nicht einschlägig, weil das emotionale Näheverhältnis zum Kind kein Bestandteil der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Förderung dieser Rechtsinstitute ist. Aus der Perspektive des Elternrechts nach Art. 6 II 1 GG und des staatlichen Wächteramtes nach Art. 6 II 2 GG kann nicht generell bejaht werden, dass Lebenspartner als Pflegepersonen das Kindeswohl gefährden. Das Gleiche gilt auch hinsichtlich des Rechts des Kindes auf Herstellung der familialen Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern, das aus Art. 6 I GG abgeleitet wird. Grundrechte der natürlichen Eltern oder des Kindes sind deshalb nicht schon verletzt, weil Kinder bei Lebenspartnern zur Pflege aufwachsen. b) Adoption Mit der Adoption schafft der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass ein Kind, welches nicht in einer intakten familialen Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern aufwachsen kann, die Gelegenheit erhält, mit einem oder zwei ihm rechtlich zugeordneten Erwachsenen eine neue Familie von dauerhaftem Bestand zu bilden.

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Die Annahme als Kind ist deshalb nach § 1741 I 1 BGB nur zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Um die Stabilität der neuen Familie von Anfang an sicherzustellen, sieht die Rechtsordnung umfangreiche Einwilligungserfordernisse der beteiligten Personen vor: Grundsätzlich ist bei einer Adoption Minderjähriger nach § 1746 I 1 BGB immer die Einwilligung des Kindes erforderlich, die nach § 1746 I 2 BGB bei einem Kind unter 14 Jahren nur sein gesetzlicher Vertreter erteilen kann. Ferner muss gemäß § 1747 I BGB die Einwilligung der Eltern vorliegen, die nach § 1748 BGB bei bestimmten pädagogischen oder gesundheitlichen Defiziten der Eltern ausnahmsweise durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ersetzt werden kann. Bei der Annahme eines Kindes durch den Ehegatten statuiert § 1749 I 1 BGB zudem die Einwilligung des anderen Ehepartners. Die Rechtsordnung differenziert dabei zwischen verschiedenen personellen Konstellationen der Annehmenden. Nach § 1741 II 1 BGB kann eine unverheiratete Person ein Kind nur allein annehmen; gemäß § 1741 II 2 BGB kann ein Ehepaar ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz der gemeinschaftlichen Zuordnung der Annahme bei verheirateten Personen wird bei der so genannten Stiefkindadoption in § 1741 II 3 BGB gemacht: Danach kann ein Ehegatte ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. In diesem Fall erlangt nach § 1754 I BGB das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten und das Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses tritt nach § 1755 II BGB nur im Verhältnis zu dem „anderen Elternteil und dessen Verwandten“ ein. Im Vergleich zur Familienpflege ist bei der Adoption der Einschnitt in die Rechtsbeziehungen des Kindes zu den natürlichen Eltern erheblich intensiver: Während die Familienpflege regelmäßig zeitlich begrenzt ist, handelt es sich bei der elterlichen Einwilligung in die Adoption um eine mit Ausnahme des Falles der Aufhebung der Adoption nach § 1764 III BGB endgültige Entscheidung. Schließlich beendet die Annahme gemäß § 1755 BGB das bisherige elterliche Rechtsverhältnis zum Kind mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten, bei der Stiefkindadoption allerdings wegen § 1755 II BGB nur zu einem Elternteil. An die Stelle der natürlichen Eltern treten nach § 1754 I, II BGB rechtlich umfassend die Adoptiveltern. Durch die Adoption büßt das Kind deshalb alle in die Zukunft gerichteten Ansprüche gegen seine natürlichen Eltern – bzw. bei der Stiefkindadoption gegen nur ein Elternteil – ein; umgekehrt stehen diesen auch keine Ansprüche gegen das Kind mehr zu.369 369

Diederichsen (Fn. 229), § 1755 BGB Rn. 1.

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Bis zum 31.12.2004 war Lebenspartnern die gemeinschaftliche Adoption ebenso verwehrt wie die Stiefkindadoption, weil die entsprechenden ehebezogenen Regelungen des BGB weder im LPartDisBG noch im LPartGErgG um das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft ergänzt wurden. Die Ausklammerung dieses Bereichs aus dem Rechtskreis dieses Rechtsinstituts ist durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene LPartÜG aufgeweicht worden: Nach Art. 1 Nr. 4 b) dieses Gesetzes sind die Bestimmungen zur Stiefkindadoption um die Lebenspartnerschaft erweitert worden. Die Annahme des Kindes eines Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner ist seitdem auf einfachgesetzlicher Ebene nach § 9 VII LPartG n. F. rechtlich zulässig, während die gemeinschaftliche Adoption eines Kindes durch beide Lebenspartner (noch) nicht möglich ist. Die Ansicht, die Neufassung des § 9 VI LPartG ermögliche auch die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes durch beide Lebenspartner,370 ist unzutreffend: Erstens fehlt eine mit § 1741 II 2 BGB vergleichbare Regelung für Lebenspartner. Zweitens ist in der Begründung des LPartÜG ausschließlich von der Ermöglichung der Stiefkindadoption die Rede. Bezüglich § 9 VI LPartG n. F. wird nur auf das Zustimmungserfordernis des Lebenspartners bei der Alleinadoption durch den anderen Lebenspartner verwiesen.371 Die Literatur hält deshalb die gemeinschaftliche Adoption durch beide Lebenspartner nach der derzeitigen Gesetzeslage für ausgeschlossen.372 aa) Differenzierungsgebot Jede Form der Adoption will die Fürsorge für ein Kind durch die rechtliche Konstituierung einer neuen Familie ermöglichen. Die in § 1741 II 2, 3 BGB vorgesehene gemeinschaftliche Annahme eines Kindes durch beide Ehegatten und die alleinige Annahme des Kindes einer verheirateten Person durch den Ehepartner entspricht der typologischen Verbindung von Ehe und Familie. Die rechtliche Zuordnung des Kindes zu einem Ehepaar bietet ihm nämlich ein stabiles Fundament für eine kontinuierliche Entwicklung. Die gesetzliche Orientierung am Kindeswohl ist damit zugleich eine Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten von Ehe 370

So Brudermüller (Fn. 148), § 9 LPartG Rn. 10. Siehe BT-Drucks. 15/3445, S. 14 f. 372 Lüderitz/Dethloff (Fn. 182), § 15 Rn. 19; Dagmar Kaiser, Die eingetragene Lebenspartnerschaft – Status und Personenstand, in: StAZ 2006, S. 65 (68); Kemper (Fn. 182), § 9 LPartG Rn. 26; Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach, Das Lebenspartnerschaftsrecht Version 2005, in: FPR 2005, S. 273 (276); Juliane Pätzold, Die gemeinschaftliche Adoption Minderjähriger durch eingetragene Lebenspartner, in: FPR 2005, S. 269 (270); Claudia Rijsbergen, Der besondere Schutz von Ehe und Familie, 2005, S. 99. 371

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und Familie gemäß Art. 6 I GG, weil die institutionelle Verbindung beider Rechtsinstitute für die Entfaltung und den Schutz des Kindeswohls am geeignetsten ist. Das Kindeswohl als Voraussetzung jeder Adoption und die durch das Grundgesetz geschützte kindesbezogene Potentialität der Ehe erfahren auf einfachgesetzlicher Ebene ihre Konkretisierung durch § 1741 II 2, 3 BGB. Die vom Gesetzgeber für die Stiefkindadoption vorgenommene rechtliche Zuordnung eines Kindes zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Personenverbindungen stellt die Lebenspartnerschaft in diesem Regelungsbereich auf die gleiche Stufe wie die Ehe. Die Lebenspartnerschaft wird damit im Bereich des Kindschaftsrechts rechtstypisch ebenso wie die Ehe als Rechtsinstitut zu einer potentiellen Familie. Der Gesetzgeber vollzieht damit einen Schritt, den die Verfassung gerade nicht geht. Der institutionelle Konnex zur Familie besteht aus der Sicht des Art. 6 GG ausschließlich bei der Ehe, um ihretwillen wird die Ehe als einziges Rechtsinstitut von Lebensverbindungen exklusiv verfassungsrechtlich geschützt. Die Möglichkeit der rechtlichen Zuordnung weiterer Rechtsformen zur Familie löst die durch den Schutz von Ehe und Familie vorgegebene typologische Exklusivität des Zusammenhangs dieser Rechtsinstitute einfachgesetzlich auf.373 Ariane Sickert ist der Ansicht, dass zwar die gemeinschaftliche Adoption von der Sperrwirkung des Differenzierungsgebotes erfasst sei, nicht jedoch die Stiefkindadoption. Letztere führe – anders als die gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner – nicht zu einer „materiellen Gleichstellung mit der Ehe“. Außerdem wird von ihr die Ansicht der Mehrheit des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts angeführt, Ehe und Lebenspartnerschaft stünden wegen des unterschiedlichen Adressatenkreises in einem institutionellen aliud-Verhältnis.374 Dieses Argument überrascht angesichts ihrer Annahme eines Differenzierungsgebotes zwischen den beiden Rechtsinstituten:375 Entweder es besteht eine relationale Vergleichbarkeit von Ehe und Lebenspartnerschaft oder es besteht kein Konnex zwischen ihnen. Warum das Aliud-Verhältnis bei der gemeinschaftlichen Adoption zu einer Sperrwirkung der Gleichstellung führen soll, bei der Stiefkindadoption aber nicht, wird nicht deutlich. Ähnliches gilt für den Topos der „materiellen 373 Umbach (Fn. 163), Art. 6 Rn. 68; Andreas Zimmermann, Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und das Grundgesetz, in: Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger, hrsg. von Hans-Joachim Cremer u. a., 2002, S. 645 (663). Vgl. auch Achim Gernot Wächtler, Die politische Forderung nach der „gleichgeschlechtlichen Ehe“ und deren rechtliche Umsetzung in deutsches Recht, 2000, S. 146, der deshalb keine Möglichkeit sieht, für Mitglieder des Rechtsinstituts eine gemeinsame Kindesadoption vorzusehen. 374 Sickert (Fn. 103), S. 210. 375 Siehe Sickert (Fn. 103), S. 183.

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Gleichstellung“: Es bleibt ebenfalls unklar, warum diese bei der gemeinschaftlichen Adoption vorliegen soll, die nur Ehepaaren möglich ist, bei der Stiefkindadoption, die bisher ebenfalls nur Ehepaaren offen stand, aber nicht. Eine Differenzierung zwischen Stiefkindadoption und gemeinschaftlicher Adoption ist bei Annahme eines Differenzierungskriteriums des exklusiven Schutzes der Ehe als potentieller Familie mithin nicht möglich. Insofern ist die Übertragung von Adoptionsregelungen auf institutionell verankerte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften der markanteste Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Abbildungsgebot der unterschiedlich bedeutsamen Stellung der Ehe und anderer Lebensgemeinschaften im Rechtsgefüge. Damit erweist sich die Erweiterung ehebezogener Adoptionsregelungen auf Lebenspartner als verfassungswidrig. bb) Das Elternrecht der leiblichen Eltern nach Art. 6 II 1 GG im Fall der Adoption Bei der Adoption treten die Adoptiveltern in die Rechtsstellung der bisherigen Eltern ein. Die bisherige kindesbezogene Rechtsposition der natürlichen Eltern erlischt nahezu vollständig.376 Ihr grundrechtlich verbürgtes Recht auf Pflege und Erziehung der Kinder kann deshalb nach der Adoption des Kindes von ihnen nicht mehr in der Weise ausgeübt werden wie vor diesem Zeitpunkt. Die Adoption berührt mithin den Schutzbereich des Elternrechts. Bei der dogmatischen Untersuchung des Verhältnisses von Adoption und Elternrecht muss danach differenziert werden, ob eine Einwilligung der leiblichen Eltern in die Adoption erfolgt (1) oder die Adoption gegen ihren Willen stattfindet (2). Die besondere sozialpyschologische und rechtliche Problematik der Stiefkindadoption tangiert das Elternrecht in gesteigertem Maße (3). Daran anschließend werden die spezifischen Auswirkungen der Adoption durch Lebenspartner auf das Elternrecht untersucht (4). (1) Adoption nach Einwilligung der leiblichen Eltern Die personale Übertragung der Rechtsstruktur der Elternschaft nach § 1747 I BGB ist grundsätzlich an die Einwilligung der bisherigen Eltern 376 Die einzige Ausnahme besteht darin, dass – anders als bei den natürlichen Eltern – die durch Rechtsakt konstituierte Adoptivelternschaft nach §§ 1759 ff. BGB durch einen actus contrarius auch wieder zurückgenommen werden kann. Auch wenn das Elternrecht der biologischen Eltern als „nudum ius“ bestehen bleibt, folgt daraus noch nicht zwingend, dass eine Stiefkindadoption durch Lebenspartner, die dem Kindeswohl entspricht, generell das Elternrecht verletzt, so aber Jestaedt (Fn. 316), S. 79 (96 f.).

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gebunden. Das wirft die Frage auf, welche Konsequenzen diese Einwilligung für die grundrechtliche Zuordnung des in Art. 6 II 1 GG gewährleisteten Elternrechts hat. (a) Verfassungsrechtliche Bedeutung der Einwilligung In Betracht kommt ein mit der Einwilligung zur Adoption konkludent erteilter Verzicht auf das Elternrecht für ihr Kind durch die leiblichen Eltern.377 Dieser Grundrechtsverzicht wird in der Literatur mit der langen Tradition des Adoptionsrechts begründet, das der Verfassungsgeber vorgefunden habe.378 Ein aus Art. 6 II GG abgeleitetes Verzichtsverbot gelte überdies nur für das Subordinationsverhältnis des Bürgers zum Staat, nicht aber zwischen Bürgern untereinander.379 Das Vorliegen eines solchen Verzichts ist insofern nahe liegend, weil durch ihn die zeitliche Synchronität der Einwilligung zur Adoptionsfreigabe und der Aufgabe des Elternrechts veranschaulicht wird. Die gleichen Argumente, die gegen die Annahme eines Verzichts auf die Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 I GG sprechen, können allerdings auch gegen die Konstruktion eines Verzichts auf das Elternrecht angeführt werden.380 Insbesondere der Verzicht auf die Ausübung des Elternrechts für eine unbestimmte Zeit und die grundrechtsdogmatische Einbindung des Art. 6 II 1 GG in die Werteordnung der Verfassung als objektive Grundsatznorm sprechen gegen die Disponibilität des Elternrechts. Zu diesem Ergebnis führt auch ein Blick auf das Kindeswohl als Mittelpunkt des Art. 6 II 1 GG: Die grundrechtsdogmatische Spezifik des fiduziarischen Elternrechts besteht nämlich gerade darin, dass durch die Elternverantwortung ein Konnex zwischen dem geschützten Freiheitsraum der Eltern und demjenigen des Kindes hergestellt wird. Insofern ginge mit einem Verzicht die Disposition über einen Freiheitsraum einher, der sachlich nicht nur den Eltern als Grundrechtsträger zusteht.381 Es mag durchaus sein, dass der Verzicht auf das Elternrecht dem Kind im konkreten Fall nützt, weil dadurch seine Adoption herbeigeführt werden kann.382 Dieser Umstand ändert aber nichts 377 Vgl. Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 17, der zwar die Möglichkeit des generellen Verzichts auf Art. 6 II 1 GG wegen der Unveräußerlichkeit der Grundrechte nach Art. 1 II GG ablehnt, stattdessen aber einen Verzicht auf „die Ausübung im Einzelfall“ annimmt. Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 68 Rn. 55, sprechen vom zur „Disposition der Eltern“ gestellten Elternrecht. 378 Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 46; Zacher (Fn. 312), Rn. 113. 379 Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 46, und § 68 Rn. 56. 380 Dazu ausführlich 3. Kapitel A. I. 1. b) bb) (2), S. 212 ff. 381 Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 130 f. 382 Darauf weisen Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 68 Rn. 56, hin.

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daran, dass sich die Eltern mit einem Grundrechtsverzicht vollständig und endgültig von der Verantwortung für den Freiheitsbereich ihres Kindes lösen könnten, obwohl das Grundrecht mit der Elternverantwortung gerade eine Schutzverpflichtung für diesen Freiheitsraum enthält. Die im Elternrecht enthaltene Konnexität der Freiheitsbereiche von Eltern und Kind würde durch einen Grundrechtsverzicht aufgelöst. Die dogmatische Figur des Grundrechtsverzichts scheidet daher bei Art. 6 II 1 GG aus. Als auf den ersten Blick paradox anmutende Alternative zur dogmatischen Konstruktion des Grundrechtsverzichts bietet sich an, die Einwilligung zur Adoptionsfreigabe als positive Betätigung des Elternrechts anzusehen.383 Daran anknüpfend wird vertreten, dass das Elternrecht als Grundrechtspotential der leiblichen Eltern für das Kind auch nach erfolgter Adoption weiter bestünde und nur dessen konkrete Realisierung durch sie vom staatlichen Wächteramt des Art. 6 II 2 GG verhindert werde. Die Weitergeltung des Elternrechts müsse wegen der Möglichkeit der Adoptionsaufhebung gemäß § 1764 III BGB angenommen werden; insofern komme den natürlichen Eltern eine grundrechtliche Reservefunktion zu.384 Die Konsequenz dieser These ist die Hinnahme einer Divergenz zwischen der personalen Zuordnung eines Grundrechts und der regelmäßigen Unrealisierbarkeit seiner Ausübung durch den Grundrechtsträger im typischen Adoptionsregelfall. Diese inhaltliche Entleerung des Grundrechtssubstrats385 ist aber nur die durch die Adoptionsaufhebung auflösend bedingte Rechtsfolge der Einwilligung in die Adoption und nicht deren unwiderrufliche Voraussetzung. Der dogmatische Vorteil dieser Lösung liegt deshalb einerseits in der Einbeziehung der Möglichkeit der Adoptionsaufhebung, andererseits in der Verknüpfung der grundrechtlichen Selbstbeschränkung des Elternrechts mit dem Kindeswohl: Wird das Kindeswohl nicht beachtet, erlischt die grundrechtliche Selbstbeschränkung der Eltern. Sie können in diesem Fall ihr Elternrecht wieder ungehindert ausüben. Die Einwilligung in die Annahme ihres Kindes durch die Adoptivperson bzw. -eltern ist deshalb als ein Element der positiven Betätigung des Elternrechts der leiblichen Eltern zu qualifizieren. (b) Das Kindeswohl als weiteres Element der Ausübung des Elternrechts bei der freiwilligen Adoption Die Einwilligung der natürlichen Eltern allein ist bei der freiwilligen Adoption ein zwar notwendiger, aber noch kein hinreichender Bestandteil 383 In diese Richtung geht Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 231: „Das Elternrecht umfasst das grundsätzliche Recht, frei zu entscheiden, ob und wie eine Adoption zustande kommen soll.“ 384 So Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 84, 127, 131. 385 Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 127, spricht vom „nudum ius“.

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ihrer Grundrechtsausübung. Das Elternrecht beinhaltet nämlich nicht eine beliebige Gestaltungsbefugnis der Rechtsbeziehung zum Kind, sondern ist immer auf das Wohl des Kindes als immanenter Grundrechtsbegrenzung bezogen. Das bedeutet für das Elternrecht, dass zusätzlich zur freiwilligen Einwilligungserklärung der Adoptionsfreigabe die Annahme des Kindes durch die Adoptiveltern im Interesse des Kindes sein muss.386 Die von den Eltern selbst vorgenommene Selbstbeschränkung des Schutzbereichs des Elternrechts auf die Reservefunktion ist deshalb an zwei Voraussetzungen gebunden, die kumulativ vorliegen müssen: ihre Einwilligung in die Adoption und die Annahme des Kindes durch die Adoptivperson im Interesse des Kindes. Sind beide Voraussetzungen gegeben, haben die leiblichen Eltern in Ausübung ihres Elternrechts den ihnen zustehenden Gewährleistungsinhalt von Art. 6 II 1 GG selbst beschränkt. Diese Selbstbeschränkung ist insofern auflösend bedingt, als der ungeschmälerte Schutzbereich des Elternrechts rekonstituiert wird, wenn das Kindeswohl die Aufhebung der Adoption erfordert. Die auflösende kindeswohlbezogene Bedingtheit der Selbstbeschränkung des Elternrechts bedeutet zugleich, dass gesetzgeberische Bestimmungen oder staatliche Einzelfallentscheidungen, die das Wohl des Kindes bei der Adoption nicht beachten, dieses Grundrecht verletzen. (2) Die Adoption gegen den Willen der leiblichen Eltern Die Einwilligung der leiblichen Eltern in die Adoption ist der adoptionsrechtliche Regelfall. In § 1748 BGB wird allerdings die Möglichkeit eingeräumt, im Ausnahmefall die Einwilligung der natürlichen Eltern durch eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zu ersetzen, also eine Adoption auch gegen ihren Willen vorzunehmen. Daraus ergibt sich für die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Norm aus der Perspektive des Elternrechts, dass ein Grundrechtsverzicht oder eine positive Grundrechtsausübung durch Einwilligung hier nicht angenommen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung trotzdem für mit dem Elternrecht vereinbar und damit für verfassungskonform gehalten. Das Kindeswohl könne in Fällen, in denen das Elternrecht nicht mehr ordnungsgemäß ausgeübt werde, im Rahmen des staatlichen Wächteramtes erfordern, die rechtliche Voraussetzung für ein neues Eltern-Kind-Verhältnis zu schaffen.387 386 Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 19, hat angesichts des aus dem Elternrecht abgeleiteten Rechts der leiblichen Eltern des Kindes „auf Kenntnis seiner Entwicklung“ Zweifel, ob die Volladoption stets im Kindesinteresse ist. Diese Fragestellung entzieht sich allerdings einer generellen Regelung und kann nur in Kenntnis des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden. 387 BVerfG, FamRZ 2002, S. 535 (536); FamRZ 1988, S. 807; vgl. auch BVerfGE 24, 119 (148 f.); 76, 1 (48); BGH, NJW 2005, S. 1781 (1783); FamRZ 1997, S. 85;

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Die grundrechtliche Konstellation zwischen Elternrecht und staatlichem Wächteramt ist hier die gleiche wie bei der Familienpflege: Verfehlen die Eltern durch ihr Handeln oder Unterlassen das Kindeswohl, können sie sich dabei nicht auf das Elternrecht berufen. An ihre Stelle tritt das durch die Schutzpflicht zugunsten des Kindeswohls aktivierte Handeln des Staates, der dem Kind die Bedingungen seiner ordnungsgemäßen Entwicklung ermöglichen oder zuweisen muss.388 Dazu können sowohl die Pflege als auch die Adoption gehören. Die entscheidende grundrechtliche Differenz zwischen der Familienpflege und der Adoption besteht hinsichtlich des Elternrechts darin, dass die Adoption die familienrechtlichen Beziehungen des Kindes zu den natürlichen Eltern faktisch endgültig beendet. Diese Maßnahme ist deshalb durch das staatliche Wächteramt nur dann legitimiert, wenn sie von allen zur Verfügung stehenden Mitteln die zum Schutz des Kindeswohls geeignetste ist.389 Ist sie dies nicht, verletzt die Adoption das durch das Kindeswohl begrenzte Elternrecht. Die mit dem Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses zu den natürlichen Eltern verbundene Konstituierung eines neuen Verhältnisses zu den Adoptiveltern kann hinsichtlich des Kindeswohls und im Vergleich zur Familienpflege aber auch zugunsten der Adoption sprechen. Die Adoption bewirkt nämlich eine größere rechtliche und soziale Stabilität der neuen Eltern-Kind-Beziehung und damit einen sicheren Entwicklungsrahmen für das Kind, die es vor Eingriffen und Gefährdungen – etwa durch ungerechtfertigte Herausgabeansprüche der leiblichen Eltern – konsequenter schützen kann.390 Dieser Aspekt ist daher ebenfalls bei der einzelfallorientierten Ermittlung des Kindeswohls zu berücksichtigen. (3) Die Stiefkindadoption als besondere Problemkonstellation des Elternrechts Für die Stiefkindadoption nach § 1741 II 3 BGB gilt bezüglich der Einwilligung der Regelfall des § 1747 I BGB: Danach ist grundsätzlich die Einwilligung beider Eltern erforderlich. Nach § 1748 BGB kann aber unter bestimmten Bedingungen auch bei der Stiefkindadoption die Einwilligung zustimmend Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 231; Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 26; Karl Ernst Dickescheid, in: RGRK, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., 1999, § 1748 BGB Rn. 3. 388 Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 68 Rn. 70; Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 25 f.; Rainer Frank, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2001, § 1748 BGB Rn. 9. 389 Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 68 Rn. 70. 390 Diesen Aspekt betonen BVerfGE 24, 119 (138); 79, 51 (65); vgl. auch Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 27; Frank (Fn. 388), § 1748 BGB Rn. 11 f.; Longino (Fn. 314), S. 25 ff.

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eines Elternteils durch die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ersetzt werden.391 Vom Regelfall der Adoption unterscheidet sich die Stiefkindadoption dadurch, dass das Verwandtschaftsverhältnis der Eltern zum Kind nach § 1755 II BGB nicht bei beiden Eltern, sondern nur bei einem leiblichen Elternteil erlischt. Insofern hat die Einwilligung auch nur bei diesem Konsequenzen für sein Elternrecht: Das Elternrecht desjenigen Elternteils, der die Einwilligung in die Adoption durch den mit dem anderen Elternteil verheirateten Ehegatten (dem Stiefvater bzw. der Stiefmutter) erteilt hat oder dessen Einwilligung das Vormundschaftsgericht ersetzt hat, wird dauerhaft – wenn auch nicht irreversibel – beschränkt. Weil diese grundrechtliche Reduktion aber an die auflösende Bedingung der Nichtbeachtung des Kindeswohls geknüpft ist, verletzt die Annahme des Kindes das Elternrecht dieses Elternteils, wenn die Adoption dem Kindeswohl nicht dient. Dies muss sich nicht nur auf den konkreten Einzelfall der Adoption beziehen, sondern kann auch bestimmte gesetzlich geregelte Adoptionskonstellationen betreffen. Bei der Stiefkindadoption bestehen in der Tat grundsätzliche Zweifel an der gesetzlichen Beachtung des Kindeswohls. Ihre Problematik für das Kindeswohl beruht dabei sowohl auf sozialpsychologischen als auch rechtlichen Überlegungen. (a) Sozialpsychologische Bedenken gegen die Stiefkindadoption Durch die Stiefkindadoption wird eine neue rechtlich verbindliche ElternKind-Beziehung zum Stiefelternteil geschaffen. Diese Neukonstituierung einer familienrechtlichen Bindung zwischen Kind und Stiefelternteil kann sich auf die Identität und Selbstwahrnehmung der Mitglieder der Stieffamilie und damit auf das Kindeswohl in ganz unterschiedlicher Weise auswirken. Es kommen dabei drei gegensätzliche Prognosen in Betracht: Erstens ist denkbar, dass sich aus dem Rechtsverhältnis der Adoption überhaupt keine relevanten Konsequenzen für das sozialpsychologische Familienverhältnis ergeben. Dafür spricht, dass sich die tatsächliche Lebenssituation des Kindes durch die Stiefkindadoption oftmals gar nicht entscheidend verändert, weil es weiterhin in der Gemeinschaft mit einem leiblichen und dem Stiefelternteil verbleibt. Empirische Befunde weisen daraufhin, dass diese Entwicklung regelmäßig dann zu beobachten ist, wenn das Kind von einem Stiefvater adoptiert wird.392 Das heißt aber zugleich, dass durch 391 Das wird von Sickert (Fn. 103), S. 211 f., wohl übersehen, die im Zusammenhang mit dem Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils von einer Einwilligung als Voraussetzung der Stiefkindadoption ausgeht und andere Möglichkeiten nicht erwähnt.

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dieses Institut – anders als bei der gemeinschaftlichen Fremdadoption – gar keine neuen oder vertieften emotionalen Bindungen der Stiefeltern zum Kind geschaffen werden.393 Die Stiefkindadoption hätte danach keine positiven Folgen für das Kindeswohl, sondern stünde ihm bestenfalls neutral gegenüber. Eine Adoption dient dem Kindeswohl allerdings nur dann, wenn sie dessen Lebensbedingungen im Vergleich zu seiner gegenwärtigen Lage so ändern, dass eine merklich bessere Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu erwarten ist (sog. Förderungsprinzip).394 Wenn die Stiefkindadoption keine entsprechende Verbesserung bewirkt, verfehlt sie das Kindeswohl. Damit entfällt zugleich die Beschränkung des Elternrechts und eine entsprechende Grundrechtsverletzung läge vor.395 Noch weiter gehen diejenigen Stimmen, die bestimmte negative sozialpsychologische Adoptionsfolgen für alle Mitglieder der Stieffamilie, also sowohl für die (Stief)-Eltern als auch für die Kinder, betonen. Sie können sich dabei auf eine Reihe empirischer Untersuchungen stützen. Die psychosoziale Hauptproblematik der Stiefkindadoption besteht danach darin, dass durch dieses Institut den Mitgliedern der Stieffamilie eine Imitation der traditionellen biologischen Kernfamilie suggeriert wird. Damit würde der bisherige biographische Verlauf der Familienentwicklung mit ihren aufgetretenen Brüchen und Problemen negiert. Die Mitglieder der Stieffamilie nähmen nach der Stiefkindadoption die reale Komplexität ihrer Familienstruktur nicht mehr wahr und verdrängten sie, indem sich bei ihnen oftmals die Erwartungshaltung entwickele, dass sie eine „normale“ Familie seien und sie sich auch entsprechend verhalten müssten – etwa durch die möglichst schnelle Herstellung einer engen emotionalen Beziehung zwischen Stiefelternteil und Kind. Dies führe zu einer emotionalen Überforderung der Stieffamilie, erhöhe ihre sowieso schon bestehende Unsicherheit und könne sogar zur Auflösung dieser Familienstruktur beitragen.396 Auch die Situa392 Wilfried Griebel/Wassilios E. Fthenakis, Problematische Adoptionsformen. Aus psychologischer Sicht, in: Harald Paulitz (Hrsg.), Adoption, 2. Aufl., 2006, S. 120 (134). 393 Vgl. BGH, NJW 2005, S. 1781 (1783). 394 BayObLG, FamRZ 1997, S. 839 (840); Diederichsen (Fn. 229), § 1741 BGB Rn. 4; Sickert (Fn. 103), S. 202; Stefan Chr. Saar, in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, 11. Aufl., 2004, § 1741 BGB Rn. 3; Maurer (Fn. 310), § 1741 BGB Rn. 8; Stephan Liermann, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 20, 13. Aufl., 2000, § 1741 BGB Rn. 7; Dickescheid (Fn. 387), § 1741 Rn. 4. 395 Diese Überlegungen haben beim Ersten Senat in BVerfGE 92, 158 (181), deshalb grundsätzliche „Zweifel“ ausgelöst, ob die Stiefkindadoption vor dem Hintergrund des Elternrechts desjenigen Elternteils, dessen Bindungen zum Kind gelöst werden, verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. 396 Griebel/Fthenakis (Fn. 392), S. 120 (130 ff.), m. w. N.; ähnlich Frank (Fn. 388), § 1741 BGB Rn. 43.

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tion einer Stiefkindadoption aus Sicht des Kindes, das mit der (neuen) Rolle des Stiefelternteils umzugehen lernen muss, ohne den aus dem Familienverhältnis ausgeschiedenen leiblichen Elternteil zu verdrängen, ist vielfältigen Gefährdungen der Eskalation familiärer Konfliktpotentiale ausgesetzt und kann das Kindeswohl beeinträchtigen.397 Mit der Gefahr der Verdrängung der familienbiographischen Herkunft ist als weitere Problematik ferner die jeweilige Motivation für die Stiefkindadoption verbunden. Das Kind lebt regelmäßig schon in familienähnlichen Verhältnissen mit einem natürlichen Elternteil und dem zukünftigen Stiefelternteil zusammen. Das Motiv, nun auch auf rechtlicher Ebene ein Verwandtschaftsverhältnis des Stiefelternteils zum Kind zu konstituieren, kann dabei weniger von der Sorge um die Stabilisierung der emotionalen und sozialen Bindung des Kindes als vom Willen des einen leiblichen Elternteils geprägt sein, die kindliche Sozialbeziehung zum anderen leiblichen Elternteil zu zerstören.398 Damit würde das Kind zum Objekt für Konflikte zwischen den leiblichen Eltern instrumentalisiert und sein Wohl Schaden nehmen. Folgt man diesen Überlegungen, wäre die Stiefkindadoption erst recht ein verfassungswidriger Eingriff in das Elternrecht. Drittens ist aber auch die entgegengesetzte Konsequenz für das Kindeswohl denkbar. Danach kann die Stiefkindadoption durch die rechtlich endgültige Verfestigung der Bindung zwischen Kind und Stiefelternteil zur Stabilisierung des Entwicklungsumfeldes des Kindes beitragen und sich insofern – zusammen mit den neu erworbenen Ansprüchen gegen den Stiefelternteil – positiv auf das Wohl des Kindes auswirken.399 Die beschriebene Imitation der biologischen Familie durch die Stiefkindadoption muss beim Kind nämlich nicht zwingend einen Verdrängungseffekt hervorrufen, sondern kann zur Herausbildung eines positiven Selbstbildes als Teil einer „normalen“ Familie beitragen.400 Diese Entwicklung wird in den Fällen ge397 Wolf (Fn. 131), S. 97 (103 f.); Frank (Fn. 388), § 1741 BGB Rn. 45 m. w. N.; ders., Grenzen der Adoption, 1978, S. 74 f. 398 Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 68 Rn. 22; Wolf (Fn. 133), S. 97 (103); Frank (Fn. 388), § 1741 BGB Rn. 42; Dickescheid (Fn. 387), § 1741 BGB Rn. 22; vgl. auch BGH, NJW 2005, S. 1781 (1783); Kemper (Fn. 182), § 9 LPartG Rn. 29. 399 So BVerfGE 92, 158 (182); ähnlich Stern (Fn. 102), § 100 VI 2 c, S. 490; Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 60; Nina Dethloff, Regenbogenfamilien, in: Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, hrsg. von Alfred Söllner u. a., 2005, S. 133 (140); dies., Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare, in: ZRP 2004, S. 195 (197); dies., Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, in: Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 18.10.2004, S. 70 (72); Lore Maria PeschelGutzeit, Welcher Nachteil ist bei der Stiefkindadoption unverhältnismäßig?, in: NJW 2005, S. 3324 (3326).

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fördert, in denen ohnehin gar keine oder eine zumindest sehr gelockerte gegenseitige emotionale Bindung zwischen dem Kind und einem leiblichen Elternteil besteht.401 Welche der beschriebenen sozialpsychologischen Folgen im Einzelfall für die jeweilige Stieffamilie in Betracht kommen, steht nicht von vornherein fest, sondern kann von ihren Mitgliedern durch die Offenheit gegenüber der eigenen Familienbiographie selbst positiv beeinflusst werden.402 Daraus folgt, dass der sozialpsychologische Prognosemaßstab dem Gesetzgeber jedenfalls nicht eine generelle Beeinträchtigung des Kindeswohls vorgibt. Insofern kann die Stiefkindadoption im Einzellfall das Kindeswohl in dieser Hinsicht befördern.403 Eine generelle Verfassungswidrigkeit dieses Rechtsinstituts ergibt sich mithin daraus nicht. (b) Rechtliche Bedenken gegen die Stiefkindadoption Neben den sozialpsychologischen Bedenken bestehen gegen die Stiefkindadoption auch solche rechtlicher Art. Durch die Beendigung der familienrechtlichen Bindung zwischen dem Kind und einem Elternteil verliert das Kind nach § 1755 II BGB alle Ansprüche gegen diesen, der betreffende Elternteil büßt zudem das Umgangsrecht mit dem Kind ein. Dies wiederum kann für das Kind einen erheblichen, ggf. auch ökonomisch relevanten Verlust darstellen.404 Negative Folgen rechtlicher Art können sich nicht nur für dieses Rechtsverhältnis zwischen dem Elternteil und dem Kind, sondern auch für das zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil ergeben: Die Adoption ist regelmäßig irreversibel. Das bedeutet, dass die verwandtschaftliche Rechtsbindung zwischen Stiefelternteil und Kind mit den damit verbundenen gegenseitigen Ansprüchen und Verpflichtungen bestehen bleibt, auch wenn sich die emotionale Beziehung zwischen beiden nicht positiv entwickelt.405 Das Gleiche gilt auch für den nicht seltenen Fall, dass das Kind vom Stief400

Dazu näher Frank (Fn. 397), S. 80 ff. Saar (Fn. 394), § 1741 BGB Rn. 23; Maurer (Fn. 310), § 1741 BGB Rn. 32. 402 Vgl. Griebel/Fthenakis (Fn. 392), S. 120 (135 f.). 403 Ähnlich Frank (Fn. 388), § 1741 BGB Rn. 46: „Dennoch würde ein gänzliches Verbot der Stiefkindadoption der Vielfalt denkbarer Lebensverhältnisse nicht gerecht.“ 404 BVerfG, NJW 2006, S. 827 (828). Von den grundsätzlichen Befürwortern der Stiefkindadoption durch Lebenspartner werden deshalb Fallkonstellationen betont, in denen Ansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil rechtlich oder faktisch nicht bestehen bzw. durchgesetzt werden können, wie etwa bei künstlicher Befruchtung oder beim Tod dieses Elternteils; vgl. Wellenhofer (Fn. 215), S. 705 (707); Dethloff (Fn. 399), in: ZRP 2004, S. 195 (197). 401

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elternteil vor allem seinem Ehegatten zuliebe adoptiert wird. Die Funktion der Stiefkindadoption besteht dann nicht darin, die Sozialbeziehung zum Kind, sondern diejenige zwischen den Ehepartnern zu stabilisieren. Wenn letztere scheitert und die betreffende Ehe geschieden wird, besteht das Verwandtschaftsverhältnis des Stiefelternteils zum Kind fort. Als Konsequenz sind deshalb oftmals Bestrebungen des Stiefelternteils festzustellen, die Adoption wieder rückgängig zu machen. Dies wiederum hat einschneidende negative Folgen für das psychologische Selbstbild des Kindes und kann sich für das Kindeswohl nachteilig auswirken.406 Die beschriebenen potentiellen Folgen führen das Bundesverfassungsgericht zu der Feststellung, dass „nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden (kann), daß die Adoption durch den Stiefvater in aller Regel dem Wohl des Kindes dient.“407 Die Entscheidung, ob eine Stiefkindadoption dem Kindeswohl entspricht, bleibt damit einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall überlassen.408 Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Stiefkindadoption nicht immer dem Kindeswohl widersprechen muss, sondern ihm im Einzelfall durchaus dienen kann. Für das Elternrecht folgt daraus, dass es durch die allgemeine gesetzliche Ermöglichung der Stiefkindadoption noch nicht verletzt ist, sondern nur dann, wenn sie im Einzelfall dem Kindeswohl nicht entspricht. Die gegenwärtigen einfachgesetzlichen Regelungen der Stiefkindadoption durch Ehegatten verstoßen mithin nicht gegen das Elternrecht. Nach diesen Grundsätzen ist die Einwilligung zur Annahme des Kindes durch denjenigen Elternteil, dessen Elternverhältnis zum Kind mit der Adoption erlischt, im Hinblick auf das Kindeswohl grundsätzlich bei jeder Form der Adoption erforderlich. Deshalb war § 1747 II BGB a. F., der eine Einwilligung oder individuelle Prüfung des Kindeswohls bei der Adoption des nichtehelichen Kindes durch die Mutter oder den Stiefvater nicht vorsah, ein verfassungswidriger Eingriff in das Elternrecht des Vaters.409 405 Diese negativen Auswirkungen der Rechtsbindung werden von Helga Oberloskamp, Problematische Adoptionsformen, Stiefeltern- und Verwandtenadoption, in: Harald Paulitz (Hrsg.), Adoption, 2. Aufl., 2006, S. 101 (115 f.), betont. Siehe auch Dethloff (Fn. 399), in: Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, S. 133 (141 f.), dies. (Fn. 399), in: ZRP 2004, S. 195 (197), die deshalb konstatiert, dass ein Sorgerecht der tatsächlichen Situation zwischen Kind und neuem Partner „besser“ entspreche als die Adoption. 406 Frank (Fn. 388), § 1741 BGB Rn. 44 m. w. N.; ders. (Fn. 397), S. 72 f.; auch Saar (Fn. 394), § 1741 BGB Rn. 23; Liermann (Fn. 394), § 1741 BGB Rn. 9. 407 BVerfGE 92, 158 (182); BVerfG, NJW 2006, S. 827 (828). 408 BVerfG, NJW 2006, S. 827 (828); BGH, NJW 2005, S. 1781 (1783). 409 BVerfGE 92, 158 (179 ff.); Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 134; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 127.

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(4) Die Adoption durch Lebenspartner als denkbare Gefährdung des Kindeswohls und damit Verletzung des Elternrechts? Bei der Beurteilung, ob Bestimmungen, die eine Adoption durch Lebenspartner ermöglichen, das Elternrecht verletzen, ist nach den dargelegten Zusammenhängen entscheidend, ob sie dem Kindeswohl entsprechen. Die Folgen für das Kindeswohl durch eine Adoption, die dazu führt, dass das Kind dauerhaft in eine gleichgeschlechtliche Gemeinschaft Erwachsener integriert wird, können je nach Adoptionskonstellation unterschiedlich sein. Es werden deshalb zunächst die möglichen Auswirkungen einer gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner auf das Kindeswohl behandelt (a). Anschließend wird die spezifische Problematik der Stiefkindadoption durch Lebenspartner in den Blick genommen, die seit dem 1. Januar 2005 einfachgesetzlich möglich ist (b). (a) Mögliche Auswirkungen der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner auf das Kindeswohl In dieser Untersuchung wurden schon die verschiedenen denkbaren entwicklungspsychologischen Probleme für das Kind dargestellt, die durch sein dauerhaftes Zusammenleben mit zwei Erwachsenen des gleichen Geschlechts entstehen können:410 Die bedeutendste mögliche negative Auswirkung auf das Kindeswohl beruht auf der Gefahr der Diskriminierung und Stigmatisierung des Adoptivkindes durch andere Kinder. Sie kann zur Entstehung von kindlichen Traumata beitragen und damit das Wohl des betroffenen Kindes gefährden. Angesichts des nicht eindeutigen empirischen Befundes über das quantitative Ausmaß der Diskriminierung und Stigmatisierung von Kindern, die mit zwei Erwachsenen gleichen Geschlechts zusammen leben, kann eine Beeinträchtigung des Kindeswohls dennoch nicht in dem Maße als gegeben angesehen werden, das Voraussetzung für eine verfassungsrechtlich dem Gesetzgeber vorgegebene Einschätzung wäre. Der Gesetzgeber besitzt insofern bezüglich des Kindeswohls einen Spielraum: Er kann die Adoption durch Lebenspartner gesetzlich zulassen, er kann aber auch davon absehen.411 Wenn er Lebenspartnern den Zugang zum Institut der Adoption nicht mehr generell gesetzlich verwehrt, verbleibt es – wie bei Ehepaaren auch – bei einer Einzellfallentscheidung, ob die jeweiligen konkreten Lebenspartner für eine Adoption in Frage kommen oder ob die möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten bei der Erziehung des Kindes durch die Lebenspartner das Kindeswohl beeinträchtigen. Aus ver410 411

Im Einzelnen oben 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (c), S. 159 ff. Vgl. auch Freytag (Fn. 101), S. 445 (453); Risse (Fn. 276), S. 341.

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fassungsrechtlicher Sicht kann man jedenfalls nicht konstatieren, dass die gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner das Kindeswohl schlechthin gefährdet. (b) Die Stiefkindadoption durch den Lebenspartner Die beschriebenen Folgen der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner für Kindeswohl und Elternrecht gelten allgemein auch für die Stiefkindadoption, werden aber durch die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten dieses familienrechtlichen Instituts modifiziert und verstärkt. Dabei berühren sich zwei potentielle Gefährdungsfelder für das Kindeswohl: Jede Adoption durch Lebenspartner bewirkt die Integration des Kindes in eine familienähnliche Gemeinschaft mit ihnen. Dadurch entsteht die potentielle Gefahr der Diskriminierung und Stigmatisierung des Kindes mit den entsprechenden negativen sozialpsychologischen Folgen. Diese möglichen Schwierigkeiten führen allein aber noch nicht zu einem verfassungsrechtlichen Verbot der Adoption durch Lebenspartner, weil der Prognose- und Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers wegen der unklaren und primär einzelfallabhängigen empirischen Befunde nicht auf die generelle Verweigerung der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner reduziert ist. Die potentielle Gefährdung des Kindeswohles wird allerdings im Fall der Stiefkindadoption durch die diesem familienrechtlichen Institut immanente Problematik des Erlöschens des Verwandtschaftsverhältnisses zu einem leiblichen Elternteil noch gesteigert: Mit der neuen rechtlichen Bindung an den Stiefelternteil geht das Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Stiefkind und dem anderen Elternteil einher. Das Kind verliert dabei gegenüber diesem nicht nur diejenigen Ansprüche, welche es gegenüber dem Stiefelternteil gewinnt. Ihm ist auch jede Rechtsbeziehung zu einem leiblichen Elternteil einschließlich des Verwandtschaftsverhältnisses abgeschnitten, so dass die emotionale Bindung des Kindes zu ihm Schaden nehmen oder langfristig sogar ganz wegfallen kann. Dieser Verlust wiegt für das Kind entwicklungspsychologisch dann besonders schwer, wenn er nicht durch eine Beziehung zu einem Stiefelternteil des gleichen Geschlechts wie der in die Stiefkindadoption einwilligende leibliche Elternteil kompensiert wird. Das ist aber bei der Adoption des Kindes eines Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner ausgeschlossen: Dort besteht das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes nach der Adoption in gerader Linie nur noch zu zwei Frauen oder zwei Männern, niemals aber zu Mann und Frau. Die Gefahr, dass der in die Adoption einwilligende leibliche Elternteil des ande-

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ren Geschlechts mangels rechtlich verbindlicher Besuchsmöglichkeiten den Kontakt zum Kind gänzlich verliert, ist nicht gering. Zudem ist es denkbar, dass die bei der Stiefkindadoption durch den Ehepartner empirisch festgehaltenen Schwierigkeiten für das Kind hinsichtlich der Entwicklung eines familienbezogenen Selbstbildes bei der lebenspartnerschaftlichen Stiefkindadoption eher größer als geringer sind. Die beschriebene Gefahr der psychologischen Imitation einer „normalen“ Kleinfamilie mit dem daraus folgenden Verdrängungseffekt für die Mitglieder der Adoptivfamilie ist bei einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nahe liegender als bei einem Ehepaar, weil erstere auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen und dadurch eine Familie begründen können. Die Adoption ist für Lebenspartner mithin der bisher alternativlose Weg, sich als familienrechtlich anerkannte Gemeinschaft von Eltern und Kindern zu konstituieren. Insoweit besteht im Einzelfall die Gefahr, dass das Rechtsinstitut der Stiefkindadoption als rechtliches Instrumentarium genutzt wird, um sich als homosexuelle Erwachsene ihr Bedürfnis nach der Gründung einer Familie zu erfüllen. Damit stünde aber nicht mehr das Wohl des Kindes, sondern die Interessen des Erwachsenen im Vordergrund. Allerdings ist bei der Frage, inwieweit dieses skizzierte Gefahrenpotential für das Kindeswohl tatsächlich der Realität entspricht, zu berücksichtigen, dass verlässliche empirische Studien dazu nicht vorliegen. Mit der Zusammenschau der beschriebenen möglichen Gefährdungslagen für das Kindeswohl wird gleichwohl die verfassungsrechtliche Grenze erreicht, bei deren Überschreiten sich der durch das staatliche Wächteramt in Art. 6 II 2 GG gegebene gesetzgeberische Spielraum auf bestimmte gesetzliche Lösungen zum Schutz des Kindeswohls verengt. In diesem Fall käme in Betracht, die Stiefkindadoption für Lebenspartner auf gesetzlichem Wege gänzlich auszuschließen. § 1741 II 3 BGB n. F. wäre wegen des Verletzung des Elternrechts verfassungswidrig. Aus der Ambivalenz der Stiefkindadoption für das Kindeswohl ergibt sich aber, dass durchaus Einzelfälle denkbar sind, in denen das Kind mit zwei Lebenspartnern in familienähnlichen Verhältnissen lebt und das Kindeswohl die Fortentwicklung zur familialen Rechtsgemeinschaft erfordert. Nach § 1741 I 1 BGB ist das Kindeswohl unabdingbare Voraussetzung jeder Annahme Minderjähriger. Eine staatliche Einzelfallentscheidung kann deshalb alle konkreten Alternativen bei jedem Kind berücksichtigen, ohne dass es zwingend einer normativen Generalisierung bedürfte. Die Grenze für die Reduktion des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ist mangels typologischer Eindeutigkeit der Auswirkungen für das Kindeswohl zwar erreicht, aber noch nicht überschritten. Von zwei möglichen Normauslegungen, bei denen die eine zur Verfassungskonformität, die andere zur Verfassungswidrigkeit der Norm führt, ist

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stets diejenige zu wählen, die verfassungsgemäß ist. Im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1741 I 1, II 3 BGB bliebe erstens die gesetzlich festgeschriebene grundsätzliche Zulässigkeit der Stiefkindadoption durch Lebenspartner erhalten, wenn man das Differenzierungsgebot aus Art. 6 I GG nicht berücksichtigt. Angesichts der generellen entwicklungspsychologischen Problematik dieses Instituts für das Kind und der spezifischen Schwierigkeiten, die durch das Aufwachsen mit zwei Erwachsenen des gleichen Geschlechts entstehen können, muss die Stiefkindadoption durch Lebenspartner aus der Perspektive des Elternrechts aber zweitens die Ausnahme darstellen und kann nur im konkreten Einzelfall bei zwingenden Gründen zum Wohl des Kindes zulässig sein.412 Diese Auslegung entspricht auch dem vom Bundesverfassungsgericht schon früh postulierten Grundsatz, dass individuelle Maßnahmen zur Abwehr einer Gefährdung der Kinder den Vorrang vor generellen Regelungen haben und der Gesetzgeber sich regelmäßig darauf beschränken muss, die Voraussetzungen für einen Eingriff im Einzelfall zu normieren.413 Die Erweiterung des potentiellen Kreises der das Kind Annehmenden um die Lebenspartner erweist sich bei der Stiefkindadoption hinsichtlich des Art. 6 II 1 GG als noch verfassungskonform. Die gleichzeitige Feststellung der Verfassungswidrigkeit aufgrund der in Art. 6 I GG festgelegten Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie ist davon nicht berührt. cc) Das Recht der natürlichen Eltern auf sozialen Kontakt zu ihren Kindern aufgrund des besonderen Schutzes der Familie nach Art. 6 I GG Der in Art. 6 I GG statuierte besondere Schutz der Familie vermittelt den leiblichen Eltern einen grundrechtlichen Abwehranspruch gegen Eingriffe des Staates, die das familiale Näheverhältnis zu ihren Kindern in sozialer oder rechtlicher Hinsicht beeinträchtigen.414 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die rechtliche Strukturierung des Verhältnisses von Eltern und Kindern der Ermöglichung und Stabilisierung ihrer sozialen Nähebeziehung dient. Zwischen der Rechts- und Sozialbeziehung besteht deshalb hinsichtlich der familialen Grundrechtsschutzfunktion ein untrennbarer Konnex. Bei jeder 412 Sodan (Fn. 355), S. 82 (85). Dagegen will Dethloff (Fn. 399), Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, S. 133 (139 ff.), dies. (Fn. 399), in: ZRP 2004, S. 195 (198), die Möglichkeit der Adoption sogar auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ohne institutionelle Bindung ausdehnen. Die kindeswohlbezogene Problematik der möglichen Diskriminierung und Stigmatisierung des Kindes wird von ihr gar nicht berücksichtigt. 413 Vgl. BVerfGE 24, 119 (138); 68, 176 (188). 414 Siehe oben 4. Kapitel B. I. 9. a) bb) (1) (b), S. 522.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Adoption erlischt nach § 1755 I 1, II BGB die Rechtsbeziehung zwischen den leiblichen Eltern (bzw. bei der Stiefkindadoption zwischen einem Elternteil) und dem Kind. Das bedeutet zugleich, dass damit die soziale Eltern-Kind-Bindung dauerhaft beeinträchtigt oder ganz zerstört wird. In das Grundrecht der Eltern auf familialen Kontakt zu ihren Kindern wird mithin eingegriffen.415 Unabhängig von der skizzierten dogmatischen Einordnung der im Adoptionsregelfall notwendigen Einwilligung ist der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 I GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er sich auf Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Werte stützen kann. Diese müssen unter Erhaltung ihres jeweiligen Normsubstrats mit dem Grundrecht der Eltern nach Art. 6 I GG zum Ausgleich gebracht werden. Ähnlich wie bei der Familienpflege kommt auch für die grundrechtliche Legitimation der Adoption das Kindeswohl als Konkretion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes gemäß Artt. 2 I i. V. m. 1 I GG in Betracht. Das Verhältnis zwischen dem Grundrecht der Eltern auf sozialen und rechtlichen Kontakt zum Kind nach Art. 6 I GG und dem Kindeswohl ist von dem beschriebenen dogmatischen Befund geprägt, dass Art. 6 I GG die Rechtsstruktur der Familie um ihrer Sozialbindung willen schützt. Wenn ein solches intaktes Sozialverhältnis zwischen den Familienmitgliedern nicht mehr existiert oder gar nicht erst aufgebaut wurde und auch seine dauerhafte Herstellung mit Sicherheit ausgeschlossen ist, entspricht es dem Kindeswohl, dem Kind als ultima ratio zu ermöglichen, eine neue rechtlich vertypte Sozialbeziehung mit anderen Eltern einzugehen. Das Recht der natürlichen Eltern aus Art. 6 I GG muss unter diesen Voraussetzungen hinter dem Kindeswohl zurücktreten.416 Der Eingriff in das Grundrecht der Eltern auf die Rechts- und Sozialgemeinschaft mit dem Kind durch die gesetzliche Ermöglichung der Adoption ist deshalb verfassungskonform. 415 Frank (Fn. 388), § 1748 BGB Rn. 7. Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 25, hält dies für „fraglich“, weil eine Familie als personale Gemeinschaft, in der Pflichten der leiblichen Eltern für ihr Kind tatsächlich wahrgenommen würden, im Falle der Adoption nicht (mehr) bestehe. Dieser Umstand berührt aber nicht die bis zur Adoption bestehende Rechtsverbindlichkeit der Verpflichtung der leiblichen Eltern zu Pflege und Erziehung ihres Kindes. Auch diese Familie bleibt damit bis zur Annahme des Kindes durch die Adoptiveltern eine Rechtsgemeinschaft und somit „Familie“ i. S. d. Art. 6 I GG. Der Fall, dass die Eltern ihrer Verpflichtung für das Kind nicht mehr nachkommen, hat dagegen Auswirkungen für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 6 I GG zugunsten des Kindeswohls. 416 Stern (Fn. 102), § 100 IV 4 e, S. 417; Saar (Fn. 394), § 1748 BGB Rn. 3; Maurer (Fn. 310), Vor § 1741 BGB Rn. 25; Frank (Fn. 388), § 1748 BGB Rn. 11; Liermann (Fn. 394), Vor § 1741 BGB Rn. 8; Dickescheid (Fn. 387), § 1748 BGB Rn. 4; Strick (Fn. 352), S. 93, 97.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Stiefkindadoption und decken sich mit den kindeswohlbezogenen Überlegungen zum Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG. Das Kindeswohl rechtfertigt im Einzelfall auch in dieser Rechtskonstellation einen Eingriff in das Grundrecht der natürlichen Eltern aus Art. 6 I GG. Auch die gesetzliche Möglichkeit, einem Lebenspartner die Stiefkindadoption zu gestatten, verstößt nicht gegen das Abwehrrecht der natürlichen Eltern. Das Gefährdungspotential für das Kindeswohl ist dabei zwar größer als bei Ehepartnern; ein Nutzen für das Kindeswohl kann im Einzelfall aber nicht ausgeschlossen werden. Im Wege verfassungskonformer Auslegung muss deshalb § 1741 II 3 BGB bei der Stiefkindadoption durch den Lebenspartner so ausgelegt werden, dass sie im Einzel- und Ausnahmefall nur möglich ist, wenn zwingende Gründe des Kindeswohls diese Lösung nahe legen. Unter dieser Bedingung wäre ein solcher Eingriff in das Grundrecht der Eltern nach Art. 6 I GG verfassungsgemäß. dd) Das Grundrecht des Kindes auf Herstellung der familialen Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern Die grundrechtliche Position des Kindes unterscheidet sich bei der Adoption grundsätzlich nicht von derjenigen bei der Familienpflege. Dem Kind steht aufgrund des Schutzes der Familie in Art. 6 I GG ein staatsgerichtetes Abwehrrecht gegen Eingriffe in die Familiengemeinschaft mit den natürlichen Eltern zu.417 Diese familiale Gemeinschaft umfasst dabei nicht nur ein intaktes soziales Verhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, sondern auch die vollständige Rechtsbeziehung zwischen ihnen. Letzteres ist bei der Adoption besonders relevant, denn die natürlichen Eltern werden aus der Rechtsstruktur des Eltern-Kind-Verhältnisses vollständig desintegriert und stattdessen die Adoptiveltern an ihre Stelle gesetzt. Nach erfolgter Adoption besteht eine familiale Gemeinschaft zwischen den natürlichen Eltern und dem Kind mithin nicht mehr. In das Recht des Kindes auf die soziale und rechtliche Einheit mit den leiblichen Eltern wird durch die Adoption eingegriffen. Ein Eingriff in das Abwehrrecht des Art. 6 I GG kann nur durch Grundrechte Dritter oder andere Werte von Verfassungsrang gerechtfertigt sein. Als Grundrecht Dritter kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von potentiellen Adoptiveltern nicht in Betracht. Dies gilt auch für Lebenspartner.418 Der Wunsch nach einem „eigenen“ Kind mag aus deren Sicht psy417 418

Ausführlich oben 4. Kapitel B. I. 9. a) cc) (2) (b), S. 533 ff. Sodan (Fn. 355), S. 82 (84); Wolf (Fn. 133), S. 97 (102).

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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chologisch verständlich sein; er allein kann aber keinen Grundrechtseingriff legitimieren. Es ist schon fragwürdig, ob der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts überhaupt ein solches Recht auf Adoption vermitteln kann: Das Persönlichkeitsrecht schützt den Einzelnen in seiner privaten Lebensgestaltung vor Eingriffen des Staates oder dritter Personen; bei der Adoption steht dagegen das Kind im Zentrum des Regelungssystems. Das abwehrgerichtete Persönlichkeitsrecht begründet keinen Anspruch des Grundrechtsträgers auf eine fremde Person, die ihm mit staatlicher Hilfe rechtlich zugeordnet werden soll. Selbst wenn man das Persönlichkeitsrecht hier für einschlägig hielte, müsste es hinter dem Kindesrecht zurücktreten: Die Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern ist die umfassendste Realisierung dieses Rechtsinstituts. Der Schutz vor Eingriffen in ihren Bestand ist somit dort auch am stärksten.419 Hinzu kommt, dass das Kind die rechtliche und soziale Tragweite der Adoption regelmäßig noch nicht erfassen kann. Es bedarf deshalb eines starken grundrechtlichen Schutzes seines familiären Kontakts. Der Kinderwunsch einer anderen Person allein lässt diesen Schutz nicht zurücktreten. Vielmehr steht – ähnlich wie bei der Familienpflege – das Kindeswohl im Mittelpunkt der grundrechtlichen Konstellation der Adoption. Es besteht nämlich ein kindeswohlbezogener Komplementärzusammenhang zwischen dem Grundrecht des Kindes und dem Elternrecht. Wird es von den Eltern nicht (mehr) oder nicht ordnungsgemäß ausgeübt, ist der Staat zum Schutz des Kindeswohls durch aktives Handeln nach Art. 6 II 2 GG verpflichtet. Die Integration des Kindes in eine neue (Adoptiv)-Familie geschieht wegen des Kindeswohls. Das Kindeswohl begrenzt somit als Wert von Verfassungsrang das Recht des Kindes auf familiale Gemeinschaft mit den leiblichen Eltern. Ein grundrechtlicher Anspruch auf Wiederherstellung der familialen Gemeinschaft mit den natürlichen Eltern kann deshalb in diesen Fällen nicht auf ein Schutzgut gestützt werden, das gerade die Adoption legitimiert. Folglich ist bei der Adoption der Eingriff in das Recht des Kindes aus Art. 6 I GG gerechtfertigt, wenn das Kindeswohl dies intendiert. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Adoption durch Lebenspartner bedeutet diese kindeswohlbezogene Konnexität von Elternrecht und Kindesgrundrecht, dass die Adoption aus der grundrechtlichen Perspektive des Kindes zumindest dann unbedenklich ist, wenn sie durch Art. 6 II 2 GG gerechtfertigt ist. Die Bedenken hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen der Adoption auf das Kindeswohl führen noch nicht dazu, dass der Gesetzgeber zwingend eine regelmäßige Gefährdung des Kindeswohls bei der Adoption durch Lebenspartner annehmen muss. Insofern ist der aus dem Familienschutz abgeleitete Anspruch des Kindes auf Herstellung der 419

Vgl. BVerfGE 80, 81 (90).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Rechtsbeziehung zu den leiblichen Eltern noch nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber die Adoption durch Lebenspartner ermöglicht. Dies gilt auch für die Stiefkindadoption durch einen Lebenspartner. Sie ist im Hinblick auf das Wohl des Kindes in verfassungskonformer Auslegung zwar nicht schlechthin untersagt, darf aber als Ausnahmefall nur dann realisiert werden, wenn das Kindeswohl dies zwingend gebietet. ee) Die Institutsgarantie der Familie nach Art. 6 I GG als Schutz des Eltern-Kind-Verhältnisses Durch jede Adoption werden familiale Rechtsbindungen zwischen Eltern und Kind zugleich konstituiert wie auch destruiert: Das Adoptivkind erlangt gemäß § 1754 II BGB die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden, bei Ehegatten- und Stiefkindadoption nach § 1754 I BGB die eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten. Dafür erlischt nach § 1755 I 1, II BGB die Rechtsbeziehung zwischen den leiblichen Eltern – bei der Stiefkindadoption zwischen einem Elternteil – und dem Kind. Das konkrete Rechtsinstitut der bisher existierenden Familie wird mithin durch die neue Adoptivfamilie ersetzt. Da bei der Adoption die Lösung der intrafamilialen Rechtsbindung gesetzlich gleichzeitig immer mit der Neukonstituierung einer konkreten Familienstruktur verbunden ist, bleibt schon fraglich, ob in die Verfassungsgarantie der Familie überhaupt eingegriffen wird. Die Schutzwirkung der Institutsgarantie erstreckt sich auf die Abwehr der einfachgesetzlichen Aufhebung oder Wesensveränderung des Rechtsinstituts. Die konkrete Existenz jedes einzelnen Rechtsinstituts wird durch die Verfassungsgarantie dagegen nicht gesichert. Die gesetzliche Gestaltung der Familienstruktur geht zwar bei der Adoption über diejenige bei der Familienpflege hinaus, weil hier die personelle Zusammensetzung der Familie rechtsverbindlich modifiziert und im Einzelfall von der biologischen Herkunftsfamilie abgelöst wird. Die Auflösung der konkreten Familienstruktur wird aber durch die normative Konstituierung einer neuen Familie von Adoptiveltern und Kind kompensiert. Damit ändert sich durch die Adoption im Ergebnis wie bei der Familienpflege das quantitative oder qualitative Gewicht der Familie im Staatsgefüge nicht. Insofern ergänzt die gesetzliche Gestaltung der Adoption die durch die natürliche Verwandtschaft geprägte familienrechtliche Struktur und ersetzt sie nicht.420 Die Institutsgarantie ist deshalb nicht berührt. Selbst wenn man die einfachgesetzliche Normierung der Adoption für einen Eingriff in Art. 6 I GG hielte, könnte dieser – wie bei der Familien420

So Pirson (Fn. 254), Art. 6 I Rn. 146; auch Strick (Fn. 352), S. 87.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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pflege – seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Kindeswohl als Konkretion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes finden. Das Kindeswohl bedarf des Ausgleichs mit der grundsätzlich durch Art. 6 I GG verfassungsrechtlich geschützten gegenseitigen Bindung der Mitglieder der biologischen Familie. Diese Abwägung hängt von der einzelfallorientierten Feststellung ab, ob zwar eine Rechtsbindung, aber keine Sozialbindung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind besteht. Ist dies der Fall, kommt dem Kindeswohl der Vorrang vor der Aufrechterhaltung einer formalisierten Rechtsbindung ohne dazugehöriges soziales Substrat zu. Dem Kind wird durch die Adoption nämlich ermöglicht, eine neue Sozialbeziehung mit anderen Eltern einzugehen, deren Stabilisierung der familiale Rechtsformenschutz aus der grundrechtlichen Sicht des Kindes gerade dient. ff) Ergebnis Regelungen, die es Lebenspartnern ermöglichen, ein minderjähriges Kind gemeinschaftlich oder im Rahmen der Stiefkindadoption zu adoptieren, sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen das aus dem besonderen Schutz der Ehe in Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot zugunsten dieses Rechtsinstituts, weil sie damit der Lebenspartnerschaft auf einfachgesetzlicher Ebene eine typologische Entwicklungspotentialität zur Familie zusprechen, um deretwillen nur die Ehe geschützt ist. Ein isolierte Verletzung des Elternrechts aus Art. 6 II 1 GG, des Rechts des Kindes auf seine Eltern nach Art. 6 I GG und der Institutsgarantie der Familie liegt dagegen nicht vor. Das Kindeswohl wird nämlich durch eine von Lebenspartnern vorgenommene Adoption jedenfalls nicht in dem Maße generell gefährdet, dass dem Gesetzgeber die Regelung einer Zulässigkeit der Adoption wegen des Kindeswohls verwehrt bliebe. Dies gilt im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung der §§ 1741 I 1, II 3 BGB auch für die Stiefkindadoption durch Lebenspartner. c) Sorgerecht in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes und bei Gefahr im Verzug, § 9 LPartG Wenn ein Lebenspartner das alleinige Sorgerecht für ein Kind besitzt, stellt sich die Frage, ob überhaupt eine spezifisch sorgerechtliche Beziehung zwischen dem anderen Lebenspartner und dem Kind besteht und wie diese ggf. gesetzlich ausgestaltet ist. Dieses Problem wird besonders dann virulent, wenn das Kind aus einer früheren heterosexuellen Beziehung eines Lebenspartners stammt und nunmehr mit beiden Lebenspartnern in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt. In der sozialen Realität wird es oftmals

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

zu beiden Lebenspartnern den gleichen Kontakt pflegen und vergleichbaren Einwirkungsmöglichkeiten beider Lebenspartner ausgesetzt sein, obwohl nur einer von ihnen die Befugnis zur alleinigen Sorge hat. Der Gesetzgeber hat zur rechtlichen Bewältigung dieser Problematik mit § 9 LPartG ein eingeschränktes Sorgerecht für den nicht alleinsorgeberechtigten Lebenspartner statuiert. Nach § 9 I 1 LPartG hat er im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. Das sind nach der Legaldefinition des § 1687 I 3 BGB solche, die häufig vorkommen und keine irreversiblen Auswirkungen auf die Entwicklungen des Kindes haben.421 Das Familiengericht ist gemäß § 9 III LPartG berechtigt, dieses so genannte „kleine Sorgerecht“422 zum Wohl des Kindes einzuschränken oder sogar ganz auszuschließen. Die Befugnisse des § 9 I LPartG bestehen überdies dann nicht, wenn die Lebenspartner nicht nur vorübergehend getrennt leben, § 9 IV LPartG. Bei Gefahr im Verzug wird dem Lebenspartner außerdem in § 9 II LPartG ein Notvertretungsrecht zugestanden, nach dem er berechtigt ist, alle Rechtshandlungen für das Kind vorzunehmen, die zu dessen Wohl notwendig sind. Der Norminhalt des § 9 LPartG ist mit dem des § 1687b BGB identisch, der die gleichen Rechte für den Ehepartner eines allein sorgeberechtigten Elternteils statuiert, der nicht Elternteil des Kindes ist. Dabei ist bemerkenswert, dass § 1678b BGB erst durch das LPartDisBG eingeführt wurde und wohl eine sonst durch § 9 LPartG entstehende sorgerechtliche Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Lebenspartnern verhindern soll.423 Der Gesetzgeber hat mit § 9 LPartG sorgerechtliche Befugnisse des Lebenspartners typisiert und sie durch diese Normierung auf eine institutionelle Ebene transformiert. Die Frage, ob eine solche Zuordnung rechtspolitisch überhaupt notwendig war424 oder ob sie sogar noch weitergehend 421

Vgl. den ausdrücklichen Bezug zum Umfang des § 1687 I 3 BGB in der Begründung des § 9 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 39: „Fragen der täglichen Betreuung und Versorgung des Kindes, aber auch Alltagsfragen, die im schulischen Leben und in der Berufsausbildung des Kindes vorkommen. Ebenfalls gehören Entscheidungen, die im Rahmen der gewöhnlichen medizinischen Versorgung des Kindes zu treffen sind, dazu.“ 422 Diese Bezeichnung findet sich erstmals in der Begründung von § 9 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 39. 423 Nach der Begründung von Art. 2 Nr. 10 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 45, sieht § 1687b BGB „eine dem § 9 LPartG entsprechende Teilhabe des Ehegatten eines sorgeberechtigten Elternteils“ vor. Die Ausgestaltung der Ehe orientiert sich danach hier – nicht wie sonst umgekehrt – an derjenigen der Lebenspartnerschaft. 424 Bejahend Stefan Motzer, Die neueste Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung auf dem Gebiet von Sorgerecht und Umgangsrecht, in: FamRZ

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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ausgestaltet werden müsste,425 ist mit der nach ihrer Verfassungsmäßigkeit nicht identisch. Der legislative Gestaltungsspielraum wird insofern nur durch Art. 6 GG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes begrenzt. aa) Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie, Art. 6 I GG Das in § 9 LPartG dem Lebenspartner eingeräumte Sorgerecht hindert die gegenseitige typologische Zuordnung von Ehe und Familie nicht, sondern verstärkt sie im Gegenteil noch.426 Dagegen könnte man allerdings anführen, dass der Gesetzgeber selbst ausdrücklich die sorgerechtlichen Befugnisse des Lebenspartners als Instrumentarium für seine Bestrebungen nutze, um aus der Gemeinschaft zwischen den Lebenspartnern und dem Kind eine „soziale Familie“ zu kreieren.427 Insofern bestünde das primäre legislative Motiv gerade nicht in der Sicherung des Kindeswohls, sondern in der rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit Ehe und Familie.428 Diese rechtspolitische Einschätzung liegt angesichts der rechtssetzenden Dynamik gerade im Bereich des Kindschaftsrechts nahe, die eine mit der Einführung der Stiefkindadoption fortschreitende Tendenz zur Angleichung der Rechte von Ehepaaren und Lebenspartnern aufweist. Daraus folgt aber noch nicht, dass hier das Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie einschlägig ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Rechtsordnung dem Lebenspartner einen familiären Status ähnlich dem der Eltern zugewiesen hätte. Die Einräumung eines gegenüber der elterlichen Sorge nach § 1626 I BGB geminderten Sorgerechts des Lebenspartners ist aber nicht die Konsequenz der rechtlichen Zuordnung des Kindes zu ihm, sondern des faktischen gemeinschaftlichen Zusammenlebens der Lebenspartner mit dem Kind. Ohne die Regelung des § 9 LPartG könnte nur der allein sorgeberechtigte Elternteil sorgerechtliche Befugnisse ausüben. Zwischen seinem Lebenspartner und dem Kind be2001, S. 1034 (1044); kritisch Brudermüller (Fn. 148), § 9 LPartG Rn. 2; Schwab (Fn. 110), S. 385 (395). 425 Dethloff (Fn. 399), in: Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, S. 133 (142 f.), dies. (Fn. 399), in: ZRP 2004, S. 195 (197), spricht sich i. d. S. dafür aus, über eine Übertragung eheähnlicher Sorgerechtsbefugnisse auch an nichtformalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nachzudenken. 426 Siehe oben 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (e), S. 166. 427 Vgl. die Begründung zu § 9 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 39: „In diesen Fällen ist zu erwarten, dass im Rahmen der Lebenspartnerschaft eine neue soziale Familie entsteht.“ 428 So Kanther (Fn. 161), S. 797 (797 f.); Umbach (Fn. 163), Art. 6 Rn. 57b; Rauscher (Fn. 71), Rn. 750; vgl. auch Zimmermann (Fn. 373), S. 645 (663): „verfassungsrechtliche Bedenken“.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

stünde dagegen überhaupt kein normiertes Sorgerechtsverhältnis, obwohl beide Lebenspartner mit dem Kind tatsächlich in gleicher Weise zusammenleben. Wenn der Gesetzgeber für den grundsätzlich nicht sorgeberechtigten Lebenspartner die Befugnis normiert, in Angelegenheiten des täglichen Lebens und bei Gefahr im Verzug für das Kind und ihm gegenüber rechtlich verbindliche Entscheidungen zu treffen, ist sein Gestaltungsspielraum insoweit durch das Differenzierungsgebot nicht beschränkt. Der Gesetzgeber mag mit der Normierung von sorgerechtlichen Befugnissen fragwürdige rechtspolitische Fernziele verfolgen; an der Konstituierung eingeschränkter sorgerechtlicher Befugnisse für Mitglieder von Rechtsinstituten außerhalb der Ehe ist er nicht gehindert. bb) Elternrecht, Art. 6 II 1 GG Das Sorgerecht ist wie die Adoption und das Pflegeverhältnis ein Element des Kindschaftsrechts. Im Mittelpunkt möglicher verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Einräumung des Sorgerechts für Lebenspartner nach § 9 LPartG steht deshalb neben dem Differenzierungsgebot wie bei allen kindschaftsrechtlichen Gestaltungen das Elternrecht. Dabei muss zwischen dem Elternrecht des allein sorgeberechtigten und des nichtsorgeberechtigten Elternteils differenziert werden. Das Elternrecht beider kann in unterschiedlicher Weise durch das „kleine Sorgerecht“ des Lebenspartners tangiert sein. (1) Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils Elternrecht und Sorgerecht sind nicht identisch. Zum einen umfasst das Grundrecht den Gesamtbereich der Elternverantwortung für das Kind und ist damit nicht auf das Sorgerecht allein beschränkt.429 Zum anderen ist aber nicht jede Detailregelung des im BGB geregelten Sorgerechts schon Bestandteil des Elternrechts. Vielmehr gestaltet die einfachgesetzliche Normierung des Sorgerechts das verfassungsrechtlich verbürgte Elternrecht aus, genießt also selbst nur in seinen wesentlichen Elementen, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann, den Schutz der Verfassung.430 Zu diesem Kernbestand des Elternrechts gehört die allgemeine sor429 Huber (Fn. 317), Vor § 1626 BGB Rn. 26; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 103, 278. 430 BVerfGE 84, 168 (180); 107, 150 (173); Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 IV 3, S. 44 f.; Coester (Fn. 314), in: FPR 2005, S. 60 (61); Peschel-Gutzeit (Fn. 321), § 1626 BGB Rn. 4; Huber (Fn. 317), Vor § 1626 BGB Rn. 26; HansWolfgang Strätz, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 8, 12. Aufl., 1991, § 1626 BGB Rn. 2; vgl. auch Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 104, 280.

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gerechtliche Zuordnung des Kindes zu den Eltern und ihr Erziehungsprimat.431 In dieses sorgerechtsbezogene Element des Schutzbereichs darf das staatliche Wächteramt nach Art. 6 II 2 GG nur im Interesse des Kindes eingreifen. (a) Eingriff in den Schutzbereich durch § 9 LPartG? Das gesetzlich statuierte Sorgerecht des Lebenspartners in Angelegenheiten des täglichen Lebens „im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil“ (§ 9 I 1 LPartG), der eine Lebenspartnerschaft führt, hat in der Literatur den Anstoß zu Überlegungen gegeben, ob dadurch nicht in verfassungswidriger Weise in das Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils eingegriffen werde.432 Diese These mag zunächst erstaunen, weil sein alleiniges Sorgerecht zumindest ausdrücklich durch § 9 I 1 LPartG nicht angetastet wird. Vielmehr kann sein Lebenspartner die Befugnis zur Alltagssorge nur „im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil“ ausüben. Fraglich ist, welche Auswirkungen das „Einvernehmen“ zwischen den Lebenspartnern auf die sorgerechtliche Stellung des allein sorgeberechtigten Elternteils hat. Im Schrifttum wird vertreten, dass der Gesetzgeber mit dem „Einvernehmen“ dem allein sorgeberechtigten Elternteil die Verfügungsbefugnis über das „kleine Sorgerecht“ seines Lebenspartners zuerkannt habe. Er müsse mit dessen Ausübung zumindest einverstanden sein und könne die sorgerechtliche Befugnis des Lebenspartners jederzeit widerrufen.433 Das „Einvernehmen“ wird damit als gesetzlich fixierte Voraussetzung der Entstehung des kleinen Sorgerechts interpretiert. Folgt man dieser Auslegung, ist die 431 Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 40; Coester (Fn. 314), in: FPR 2005, S. 60 (61); Peschel-Gutzeit (Fn. 321), § 1626 BGB Rn. 5. 432 Das thematisieren Wölfl (Fn. 11), S. 368 ff., Kanther (Fn. 161), S. 797 (798), und Rauscher (Fn. 71), Rn. 750, 1134. 433 Lüderitz/Dethloff (Fn. 182), § 13 Rn. 45; Dethloff (Fn. 399), in: Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, S. 133 (137); Kemper (Fn. 182), § 9 LPartG Rn. 8; Dagmar Kaiser, in: Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, 11. Aufl., 2004, § 9 LPartG Rn. 5, 8. Gegen die Widerrufsmöglichkeit Muscheler (Fn. 153), Rn. 450, und Schwab (Fn. 110), S. 385 (394), die darauf hinweisen, dass fortgesetzte Streitigkeiten zwischen den Lebenspartnern um die Sorgerechtsbefugnisse dem Kindeswohl abträglich sind. Ähnlich auch Barbara Veit, Kleines Sorgerecht für Stiefeltern (§ 1687b BGB), in: FPR 2004, S. 67 (71), die bei der Parallelvorschrift des § 1687b BGB davon ausgeht, dass die sorgerechtlichen Befugnisse des nicht sorgeberechtigten Ehepartners erst mit einer vertraglichen Vereinbarung des Einvernehmens zwischen den Ehepartnern entstünden und nicht einseitig widerrufen werden könnten. Sickert (Fn. 103), S. 77, weist darauf hin, dass sich die Rechtslage bei Annahme einer Widerrufsmöglichkeit nicht von der bei Bestehen einer privatautonomen Vereinbarung unterscheide.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Annahme eines Eingriffs in das Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils durch dieses lebenspartnerschaftliche Sorgerecht nicht nahe liegend. Der Elternteil räumt in diesem Fall nämlich – freiwillig und jederzeit widerruflich – einer anderen Person im abgrenzbaren Bereich der Alltagssorge nur eine Mitentscheidungsbefugnis ein. Auf seine Befugnis zur Alleinsorge verzichtet er dabei nicht. Eine Einschränkung seiner sorgerechtlichen Befugnisse durch § 9 LPartG liegt mithin gar nicht vor.434 Wenn sein Sorgerecht nicht eingeschränkt ist, kann damit auch kein Eingriff in das Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils begründet werden. Es ist aber auch denkbar, das „Einvernehmen“ nicht als tatbestandliche Voraussetzung der Entstehung des „kleinen Sorgerechts“, sondern als Modus seiner Ausübung anzusehen.435 Danach stünde dem Lebenspartner des allein sorgeberechtigten Elternteils schon mit der Begründung der Lebenspartnerschaft die Befugnis zur Alltagssorge für das Kind zu. Das Merkmal des Einvernehmens bezöge sich nur darauf, wie diese Befugnis ausgeübt werden soll – nämlich durch die Lebenspartner gemeinsam. Für diese Auslegung spricht, dass damit das Merkmal des „Einvernehmens“ in gleicher Weise wie das „gegenseitige Einvernehmen“ in § 1627 BGB als gesetzliche Statuierung einer Einigungspflicht bei Meinungsverschiedenheiten interpretiert werden kann.436 Diese Interpretation legt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nahe. Außerdem entsteht unstreitig auch das Notvertretungsrecht des Lebenspartners in § 9 II LPartG schon mit der Begründung der Lebenspartnerschaft und hängt nicht von einer weiteren Willenserklärung des allein sorgeberechtigten Elternteils ab. Folgte man dieser Auslegung, hätten die beiden in § 9 LPartG genannten sorgerechtlichen Befugnisse des Lebenspartners einen gemeinsamen Entstehungszeitpunkt. Der allein sorgeberechtigte Elternteil verliert demnach mit der Begründung der Lebenspartnerschaft sein sorgerechtliches Alleinentscheidungsrecht und kann zukünftig nur gemeinsam mit seinem Lebenspartner die Sorge für das Kind in Angelegenheiten des täglichen Lebens ausüben.437 Insofern besteht ein „Zwang zu Einvernehmen“,438 weil anders als gemeinsam die Sorge in diesem Bereich nicht mehr ausgeübt werden kann. Der sorgeberechtigte Elternteil hat danach somit nicht mehr die Möglichkeit, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, gleichzeitig aber die Alleinsorge weiterhin vollständig eigenverantwortlich und ohne Beteiligung seines Lebenspartners auszuüben. 434

Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (66). So Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 213; Gerhard Schomburg, Die kindschaftsrechtlichen Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: KindPrax 2001, S. 103 (105). 436 Brudermüller (Fn. 148), § 9 LPartG Rn. 2; Schomburg (Fn. 435), S. 103 (105). 437 Schomburg (Fn. 435), S. 103 (105). 438 So Rauscher (Fn. 71), Rn. 750. 435

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Mit der Begründung einer Lebenspartnerschaft kann der Elternteil damit das aus dem Elternrecht abgeleitete Sorgerecht für das Kind nicht mehr umfassend realisieren. Dies könnte zugleich einen gesetzlichen Eingriff in das Elternrecht darstellen. Dagegen kann nun eingewandt werden, dass die Lebenspartnerschaft freiwillig eingegangen und damit vom Elternteil auf die umfassende und ungeteilte Ausübung der sorgerechtlichen Befugnisse mittelbar ebenfalls freiwillig verzichtet wird. Wenn er die sorgerechtliche Alleinentscheidungsbefugnis behalten möchte, steht es ihm frei, keine Lebenspartnerschaft zu begründen. Mit der Lebenspartnerschaft wäre insofern ein freiwilliger sorgerechtlicher Teilverzicht auf das Elternrecht verbunden und das Vorliegen eines Eingriffs in das Elternrecht insofern fraglich. Allerdings berücksichtigt diese Ansicht nicht, dass in ein Grundrecht auch dann eingegriffen werden kann, wenn dieser Eingriff erst die Konsequenz der Wahl eines bestimmten Rechtsinstituts ist, weil eine dieses Rechtsinstitut betreffende Regelung selbst den Grundrechtseingriff darstellt. Ein Eingriff in das Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils durch die Statuierung eines kleinen Sorgerechts des Lebenspartners liegt mithin vor. (b) § 9 LPartG im Interesse des Kindeswohls? Dieser Eingriff ist allerdings dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er dem Kindeswohl dient. Ob sorgerechtliche Befugnisse des Lebenspartners im Interesse des Kindes sind, ist in mehrerer Hinsicht problematisch: Zum einen wird dies mit dem Hinweis auf die mögliche Gefährdung der sexuellen Entwicklung eines Kindes bei der Erziehung durch Homosexuelle bezweifelt.439 Eine typischerweise auftretende Gefährdung des Kindeswohls durch das Zusammenleben des Kindes mit homosexuellen Erwachsenen oder die Erziehung durch sie kann aber nach dem derzeitigen Forschungsstand nicht zwingend angenommen werden.440 Außerdem ist der Gefährdungsgrad für das Kind bei den durch § 9 LPartG eingeräumten Befugnissen geringer als bei der Stiefkindadoption, weil sie nur die „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ – bzw. beim Notvertretungsrecht nur einen Ausnahmefall – und damit einen sehr eingeschränkten Bereich der sorgerechtlichen Befugnisse umfassen. Die Adoption vermittelt dem Lebenspartner dagegen ein umfassendes Sorgerecht mit größeren Einwirkungsmöglichkeiten auf das Kind. Im Übrigen wird gerade aus der Sicht derjenigen, die eine Gefährdung der kindlichen Entwicklung durch die von Homosexuellen 439 440

Wacke (Fn. 200), § 9 LPartG Rn. 1; Rauscher (Fn. 71), Rn. 750. Näher dazu oben 2. Kapitel B. IV. 2. b) cc) (2) (c), S. 159 ff.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

gestaltete Erziehung annehmen, die Problematik schon mit dem faktischen familienähnlichen Zusammenleben virulent. Die von § 9 LPartG vorgenommene und im Rechte-Pflichten-Vergleich zur Ehe deutlich geringere sorgerechtliche Gestaltung der Lebenspartnerschaft kann diese unterstellte Gefährdungskonstellation kaum vergrößern, weil sich auch ohne § 9 LPartG an der Grundproblematik des Zusammenlebens nichts ändert. Es steht mithin schon der kausale Zusammenhang zwischen möglichen kindlichen Entwicklungsstörungen und der rechtlichen Verankerung der Alltagssorge und des Notvertretungsrechts in Frage. Zum anderen können Konflikte zwischen den Lebenspartnern das Kindeswohl beeinträchtigen, bei denen der allein sorgeberechtigte Elternteil mit der Ausübung der Befugnis zur Alltagssorge für das Kind durch den Lebenspartner nicht einverstanden ist.441 Wird die Alltagsmitsorge durch den Lebenspartner nicht ausgeübt, besteht die Gefahr, dass dieser vom Kind nicht als gleichwertiges Familienmitglied akzeptiert wird, was wiederum der kindlichen Entwicklung abträglich sein kann. Um dies zu vermeiden, sähe sich der sorgeberechtigte Elternteil zur sorgerechtlichen Kooperation mit dem Lebenspartner in Angelegenheiten des täglichen Lebens gezwungen, was wiederum seine sorgerechtliche Autonomie gefährdete. Diese Problematik ist aus kindespsychologisch-empirischer Perspektive ähnlich zu bewerten wie der mögliche Einfluss von homosexuellen Erwachsenen auf die sexuelle Entwicklung des Kindes: Ob sorgerechtliche Befugnisse für Angelegenheiten des täglichen Lebens überhaupt eine wesentliche Bedeutung für die sozialpsychologische Entwicklung eines Kindes besitzen, ist nach derzeitigem Forschungsstand ungeklärt. Insofern enthält der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum auch ein prognostisches Element, das in seinen Typisierungsspielraum einfließen kann. Ihm muss deshalb nicht die Annahme einer Kausalität zwischen der lebenspartnerschaftlichen Alltagssorge und einer möglicherweise auftretenden Entwicklungsstörung beim Kind zugrunde liegen. Der Gesetzgeber muss im Umkehrschluss auch nicht damit rechnen, dass diese Störung eintritt, wenn der Lebenspartner die Alltagssorge nicht ausübt. Im Einzelfall auftretende Probleme müssen daher nicht gesetzlich normiert, sondern können – wie in § 9 III LPartG auch vorgesehen – durch die gerichtliche Einschränkung oder Aufhebung der Befugnis im Einzelfall geregelt werden. Eine generelle Beeinträchtigung des Kindeswohls durch die in § 9 LPartG eingeräumten Befugnisse liegt deshalb nicht vor. 441 Rauscher (Fn. 71), Rn. 750, stellt i. d. S. eine Frage, ohne sie freilich zu beantworten: „Was geschieht, wenn er [der in einer Lebenspartnerschaft lebende Elternteil] trotz seiner homosexuellen Neigung nicht bereit ist, dem Kind den Partner als ‚Stiefelternteil‘ zu vermitteln, sondern Beziehung und Sorgerechtsausübung zu trennen versucht?“ Vgl. auch Wölfl (Fn. 11), S. 370.

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Bei einem Eingriff in das Elternrecht muss aber darüber hinaus die gesetzliche Regelung im Interesse des Kindes sein.442 Die beschriebenen Wertungen zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gelten auch hier: Die Legislative besitzt eine Einschätzungsprärogative, ob die Statuierung einer lebenspartnerschaftlichen Alltagsmitsorge dem Kind typischerweise nützen kann. Hierfür spricht, dass gerade bei den Angelegenheiten des täglichen Lebens im Regelfall kein sich gänzlich voneinander unterscheidender Umgang beider Lebenspartner mit dem Kind besteht und es deshalb aus praktischen Gründen sinnvoll sein kann, wenn sie in dieser Hinsicht beide Sorgerechtsbefugnisse besitzen. Das Zusammenleben mit einem Kind erfordert nämlich täglich eine Reihe von Entscheidungen, die die Angelegenheiten seines Alltags betreffen. Wenn diese von einem der Erwachsenen nicht getroffen werden können, obwohl beide Lebenspartner über einen vergleichbaren Kontakt zum Kind verfügen, kann dies den Alltag des Kindes deutlich erschweren. Die Bestimmung von Inhalt und Ausmaß der sorgerechtlichen Befugnisse wird überdies erleichtert, wenn gesetzlich an die formalisierte Rechtsverbindung der Lebenspartnerschaft angeknüpft werden kann und nicht die inhaltliche Reichweite einer etwaigen Willenserklärung des allein sorgeberechtigten Elternteils ermittelt werden muss. In der Literatur wird i. d. S. § 1687a BGB für verfassungsgemäß gehalten, der die Befugnis zur Alltagssorge des nicht sorgeberechtigten Elternteils für das Kind enthält, wenn es sich bei ihm aufhält.443 Die gesetzgeberische Einschätzung, dass die Alltagsmitsorge durch den Lebenspartner grundsätzlich im Interesse des Kindes ist, ist deshalb nicht zu beanstanden.444 Dem Interesse des Kindes entspricht auch das Vertretungsrecht bei Gefahr im Verzug, § 9 II LPartG.445 Dieser Notfall tritt nur dann ein, wenn die Entscheidung des sorgeberechtigten Elternteils nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.446 Die Norm enthält ausdrücklich – wie die Parallelvorschrift des § 1629 I 4 BGB – eine subsidiäre Befugnis für Rechtshandlungen, „die zum Wohl des Kindes notwendig sind“. Damit ist die Berücksichtigung des Kindesinteresses im Gesetzestext selbst enthalten. Die Ansicht des Gesetzgebers, dass die in § 9 LPartG statuierten Sorgerechtsbefugnisse des Lebenspartners dem Kindeswohl regelmäßig dienen, ist deswegen insgesamt nicht zu beanstanden. Wenn ein Eingriff in das 442

Für die Parallelnorm des § 1687b BGB zu Recht Rauscher (Fn. 71), Rn. 1134. Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 80: wegen „praktischer Notwendigkeiten sinnvoll“; dagegen Rauscher (Fn. 71), Rn. 1134. 444 Robbers (Fn. 48), S. 779 (784); ders. (Fn. 144), S. 21 (22); Sickert (Fn. 103), S. 85. 445 Auch Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (66). 446 Brudermüller (Fn. 148), § 9 LPartG Rn. 6. 443

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Elternrecht des allein sorgeberechtigten Elternteils durch § 9 LPartG angenommen wird, ist dieser durch das Kindeswohl gerechtfertigt. (2) Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils Der nicht sorgeberechtigte Elternteil besitzt keine sorgerechtlichen Befugnisse für das Kind, wenn es sich nicht bei ihm aufhält.447 Dem Lebenspartner räumt der Gesetzgeber dagegen – unabhängig vom Aufenthalt des Kindes – das kleine Sorgerecht und das Notvertretungsrecht des § 9 LPartG ein. In sorgerechtlicher Hinsicht wird der Lebenspartner damit besser behandelt als der nicht sorgeberechtigte Elternteil, weil ihm durch § 9 LPartG Sorgebefugnisse zugeordnet werden, die dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zustehen, wenn das Kind bei diesem nicht lebt. Im Schrifttum ist deshalb auch eine Verletzung des Elternrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils durch die Einräumung von sorgerechtlichen Befugnissen für den Lebenspartner für möglich gehalten worden.448 Das Elternrecht nach Art. 6 II 1 GG umfasst grundsätzlich auch das Recht, für sein Kind zu sorgen. Die einfachgesetzliche Struktur des Sorgerechts beinhaltet allerdings eine Reihe von Ausnahmen, bei denen einem Elternteil kein Sorgerecht zugeordnet wird. Zunächst stellt sich deshalb die Frage, ob diese rechtliche Differenzierung zwischen Eltern- und Sorgerecht in jedem Fall schon ein Eingriff in das Elternrecht ist. Bei ihrer Lösung ist zu berücksichtigen, dass Normen nur dann in das Elternrecht eingreifen, wenn sie es nicht unter Berücksichtigung seiner durch die Institutsgarantie geschützten wesentlichen Elemente ausgestalten.449 Dabei lassen sich zwei normative Grundmuster unterscheiden: Erstens kann schon bei der Geburt des Kindes das Sorgerecht nur einem Elternteil zugeordnet werden. Bei nicht miteinander verheirateten Eltern steht etwa die Sorge nach § 1626a BGB von vornherein nur der Mutter zu, wenn die Eltern keine gemeinsamen Sorgeerklärungen abgegeben haben und einander nicht heiraten. Im Rahmen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Sorgerechts ist es dem Gesetzgeber möglich, einzelnen Elternteilen differenzierte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Elternverantwortung nicht gegeben sind. Die gesetz447 Wenn es sich bei ihm aufhält, besitzt er die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, §§ 1687a, 1687 I 4 BGB. 448 Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 48; Wacke (Fn. 200), § 9 LPartG Rn. 1. Vgl. auch Kanther (Fn. 161), S. 797 (798), Rauscher (Fn. 71), Rn. 750, und Schwab (Fn. 110), S. 385 (394), welche die durch die sorgerechtliche Besserstellung des Lebenspartners entstehende psychologisch schwierige Situation des nicht sorgeberechtigten Elternteils betonen. 449 Sodan/Ziekow (Fn. 253), 34 Rn. 16.

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geberische „Gestaltungsbefugnis ist dabei umso größer, je weniger von einer Übereinstimmung zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann.“450 Ein Eingriff in das Elternrecht liegt stattdessen vor, wenn „die rechtlichen Befugnisse, die zur Ausübung der Elternverantwortung erforderlich sind, einem Elternteil vorenthalten werden.“451 Es kommt deshalb bei der Annahme eines Eingriffs entscheidend darauf an, ob die Eltern zu einer gemeinsamen Realisierung der Elternverantwortung willens und in der Lage sind, der Gesetzgeber diesem Umstand aber durch einseitige Zuordnung der Sorgebefugnis keine Rechnung trägt. Mithin liegt umgekehrt kein Eingriff in das Elternrecht vor, wenn die Legislative bei der Normierung sorgerechtlicher Befugnisse berücksichtigt hat, dass die praktische Realisierung der Elternverantwortung auch unmöglich sein kann, weil die Eltern diese Verantwortung für das Kind nicht gemeinsam übernehmen wollen oder deren Fähigkeit hierzu fehlt.452 Die Zuordnung des Sorgerechts ausschließlich zu einem Träger des Elternrechts ist deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die tatsächlichen Verhältnisse dies nahe legen.453 Zweitens ermöglicht die Rechtsordnung auch, einem Elternteil die Sorge zu entziehen, nachdem zunächst beide Eltern gemeinsam Sorgebefugnisse ausgeübt hatten. Wenn z. B. die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben, kann bei vorheriger gemeinsamer Sorge diese gemäß § 1671 II Nr. 2 BGB aufgehoben und einem Elternteil die Alleinsorge übertragen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. In ähnlicher Weise ermächtigt § 1666 BGB das Familiengericht, bei Gefährdung des Kindeswohls die zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dazu können auch Eingriffe in die Personen- und Vermögenssorge der bis dahin Sorgeberechtigten gehören. Diese Maßnahmen sind Eingriffe in das Elternrecht des nunmehr nicht sorgeberechtigten Elternteils auf Grundlage des staatlichen Wächteramtes nach Art. 6 II 2 GG, die durch das Kindeswohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein müssen.454 Der betreffende Eingriff besteht dabei immer aus zwei Elementen: Dem Entzug des Sorgerechts und der ihm in einer juristischen Sekunde nachfolgenden dauerhaften Rechtspflicht, die Zuordnung dieser Befugnis zu einer anderen Person zu dulden. 450

BVerfGE 92, 158 (179). BVerfGE 84, 168 (180); vgl. auch BVerfGE 107, 150 (173). 452 Pieroth (Fn. 11), Art. 6 Rn. 36: „Ausgestaltung“. 453 BVerfGE 107, 150 (169); Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 100; Coester (Fn. 314), in: FPR 2005, S. 60 (61); Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 79. 454 Für die Zuweisung des Sorgerechts an einen anderen Elternteil: BVerfGE 61, 358 (374); Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 34 Rn. 16; Pieroth (Fn. 11), Art. 6 Rn. 35a; ders./Schlink (Fn. 265), Rn. 648, 658. Für die Übertragung der Personensorge an Dritte: BVerfG, NJW 1993, S. 1208 (1209); Pieroth (Fn. 11), Art. 6 Rn. 35a. 451

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Beiden beschriebenen Grundtypen der Zuordnung von Sorgerechtsbefugnissen zu einer anderen Person als dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ist gemeinsam, dass dessen Elternrecht auch nach dem Verlust des Sorgerechts bestehen bleibt.455 Es ist aber auf einfachgesetzlicher Ebene der Befugnisse in diesem Ausgestaltungsbereich entkleidet. Welche Voraussetzungen an die sorgerechtliche Zuordnung zur anderen Person gesetzlich geknüpft werden und ob diese im konkreten Fall erfüllt sind, ist für das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils wegen der spezifisch sorgerechtlichen Duldungspflicht, die ihm auferlegt wird, ohne Belang. Die Gestaltung des sorgerechtlichen Verhältnisses des Kindes zu Dritten berührt deshalb das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Wenn einer dritten Person durch Gesetz sorgerechtliche Befugnisse eingeräumt werden, wird deshalb in das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils nicht gesondert eingegriffen. Damit ist auch die Statuierung einer Befugnis zur Alltagsmitsorge und eines Notvertretungsrechts für Lebenspartner hinsichtlich des Elternrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils nicht eingriffsrelevant.456 Es liegt schon kein Eingriff in sein Elternrecht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Sinne § 9 LPartG für mit dem Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils vereinbar gehalten. Fehle ihm das Sorgerecht ohnehin, weil es ihm staatlicherseits nicht zugeordnet werde, könne sein Elternrecht nicht mehr berührt werden, „wenn Dritte, die mit dem Kind zusammenleben, im Einverständnis mit dem allein Sorgeberechtigten teilweise gemeinsame Elternverantwortung wahrnehmen.“457 Diese Begründung ist in der Literatur als „sehr formale Argumentation“ kritisiert worden.458 Bei dieser Kritik wird aber selbst nicht deutlich, wieso allein die Zuordnung von sorgerechtlichen Befugnissen zu einer Person als Eingriff in Grundrechte eines Dritten qualifiziert werden soll, der zu diesem Zeitpunkt selbst kein Sorgerecht (mehr) besitzt. Daher muss für die einen Grundrechtseingriff verneinende Sichtweise nicht der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 I GG als verfassungsrechtliche Rechtfer455 BVerfGE 64, 180 (188); 92, 158 (176 ff.); 107, 150 (169). Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 70; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 128; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 105; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 48; Jestaedt (Fn. 314), Art. 6 II, III Rn. 279 ff. 456 Motzer (Fn. 424), S. 1034 (1040), sieht dies aus einfachgesetzlicher Perspektive ähnlich: Ein Sorgerechtskonflikt des Lebenspartners mit dem leiblichen Elternteil sei nicht zu befürchten, weil „dieser schon vor dem Zustandekommen der Alltagsmitsorge seine diesbezüglichen sorgerechtlichen Befugnisse abgegeben hat.“ 457 BVerfGE 105, 313 (354); zustimmend Sickert (Fn. 103), S. 85; Muscheler (Fn. 153), Rn. 446; Christian Burkiczak, Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ vor dem Bundesverfassungsgericht, in: ThürVBl. 2003, S. 7 (11). 458 So Kanther (Fn. 161), S. 797 (798).

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tigung für eine Beschränkung des Elternrechts herhalten;459 vielmehr liegt schon kein legislativer Eingriff in dieses Grundrecht vor. Auf seine Rechtfertigung kommt es deshalb nicht an. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird schließlich durch die Überlegung bestätigt, dass eine umfassende Elternverantwortung im Fall der Lebenspartnerschaft von beiden Eltern gemeinsam regelmäßig nicht mehr realisiert werden kann, weil der sorgeberechtigte Elternteil und das Kind nunmehr mit einem Lebenspartner und nicht mehr mit dem anderen Elternteil zusammenleben. Die aufgezeigten verfassungsgerichtlichen Kriterien für eine sorgerechtliche Differenzierung zwischen den Beteiligten nach den tatsächlichen Umständen sind in der Gestaltung des § 9 LPartG konkretisiert und bewegen sich damit innerhalb der legislativen Ausgestaltungsbefugnis. Die Eingriffsschwelle ist mithin noch nicht erreicht. Das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils wird durch § 9 LPartG deshalb auch nicht verletzt. cc) Recht des Kindes auf Erziehung durch die Eltern als Bestandteil des Familienschutzes nach Art. 6 I GG Kinder besitzen einen aus dem Familienschutz des Art. 6 I GG abgeleiten Anspruch gegenüber dem Staat, das einfachgesetzliche Recht so auszugestalten, dass ihre familiale Gemeinschaft mit den Eltern gewährleistet und nicht behindert wird. Der Schutzumfang umfasst dabei nicht nur die sozialen Kontaktmöglichkeiten zwischen Eltern und Kindern, sondern auch die vollständige Eltern-Kind-Rechtsbeziehung zwischen ihnen.460 Dazu gehört grundsätzlich auch der Kernbestand des Sorgerechts.461 Weil das Kindeswohl sowohl einen Bezug zum Recht des Kindes als auch zum Elternrecht aufweist, korreliert bei diesen beiden Grundrechten die Struktur eines möglichen Grundrechtseingriffs und seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Daraus folgt, dass ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff in das Kindesgrundrecht durch die in § 9 LPartG verankerten Sorgerechtsbefugnisse des Lebenspartners nicht vorliegen kann: Das Grundrecht des Kindes auf familiale Gemeinschaft ist zunächst bei der Frage berührt, ob es verfassungskonform ist, wenn einem Elternteil das Sorgerecht gesetzlich nicht (mehr) zugeordnet wird. Bejaht man dies im konkreten Fall, so kann auch 459 Dies wird von Kanther (Fn. 161), S. 797 (798), kritisiert, ohne dass der besondere Schutz der Familie allerdings vom Bundesverfassungsgericht als Rechtfertigung angeführt wird. Dagegen begründet Stern (Fn. 102), § 100 III 3 c, S. 403, die Verfassungsmäßkeit eines Eingriffs in das Elternrecht in der Tat mit dem Schutz der Familie nach Art. 6 I GG, der auch Lebenspartnern zukomme, die für Kinder sorgeberechtigt seien. 460 Dazu ausführlich oben 4. Kapitel B. I. 9. a) cc) (2) (b), S. 533 ff. 461 Vgl. Coester (Fn. 314), in: FPR 2005, S. 60 (64).

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die danach erfolgte Zuordnung von bestimmten sorgerechtlichen Befugnissen an eine dritte Person das Grundrecht des Kindes verletzen, wenn sie dem Kindeswohl abträglich ist. Dies muss bei der Zuordnung zu einem Lebenspartner aber jedenfalls nicht typischerweise angenommen werden. Ist im Einzelfall die Ausübung sorgerechtlicher Befugnisse durch den Lebenspartner dennoch nicht im Interesse des Kindes, ermöglicht § 9 III LPartG die familiengerichtliche Einschränkung oder sogar den Ausschluss dieser Befugnisse. Das Kindeswohl findet somit in § 9 LPartG Berücksichtigung. Diese Norm verletzt damit nicht das Recht des Kindes auf Erziehung durch die Eltern. dd) Ergebnis Das Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe entfaltet keine Sperrwirkung gegen die Regelung der Alltagsmitsorge und des Notvertretungsrechts für Lebenspartner, weil die familiale Potentialität der Ehe durch diese Bestimmungen nicht angetastet wird. Eine Verletzung des Elternrechts des allein sorgeberechtigten Elternteils liegt nicht vor, weil selbst bei Annahme eines Grundrechtseingriffs dieser wegen des Kindeswohls verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Insofern besitzt der Gesetzgeber einen prognosebasierten Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen nicht überschritten wurden. Das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils ist ebenso wenig verletzt wie das Recht des Kindes auf Erziehung durch die Eltern, weil schon kein Grundrechtseingriff durch die Statuierung der in § 9 LPartG bestimmten Rechte des Lebenspartners vorliegt. Wenn die Sorge für das Kind einem Elternteil nicht (mehr) zugeordnet wird und dies verfassungsgemäß ist, kann die spätere Zuordnung zu einer dritten Person keinen eigenständigen Eingriff mehr darstellen. § 9 LPartG ist verfassungskonform. 10. Erbrecht a) Regelungsgegenstand des lebenspartnerschaftlichen Erbrechts Vor der Konstituierung der Lebenspartnerschaft kannte die Rechtsordnung kein gesetzliches Erbrecht für Mitglieder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, unabhängig davon, ob diese gleich- oder verschiedengeschlechtlich war. Für den Erblasser bestand nur die Möglichkeit, den gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten im Rahmen der ihm zustehenden Testierfreiheit durch eine Verfügung von Todes wegen nach §§ 1937, 1941 BGB zu seinem Erben zu bestimmen.462 Tat er dies nicht, stand dem Lebens462 Darauf verwiesen Diederichsen (Fn. 182), S. 1841 (1843), sowie Schumacher (Fn. 115), S. 857 (860 f.), und verneinten deshalb ein Regelungsbedürfnis hinsicht-

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gefährten weder ein gesetzliches Erbrecht noch ein Pflichtteilsanspruch zu. Wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet war, durch Verfügung von Todes wegen aber ausschließlich seinen Lebensgefährten als Erben eingesetzt hatte, so statuierte § 2303 II 1 BGB für den überlebenden Ehegatten zudem einen Anspruch auf den Pflichtteil des Erbes und auf den Ausgleich des während der Ehe entstandenen Zugewinns, §§ 2303 II 2, 1371 II BGB. Mit der Einführung der Lebenspartnerschaft wurde auch der Bereich des Erbrechts für dieses Rechtsinstitut umfassend geregelt. § 10 I LPartG normiert ein gesetzliches Erbrecht des Lebenspartners. Danach ist der überlebende Lebenspartner des Erblassers neben Verwandten der ersten Ordnung463 zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung464 oder den Großeltern zur Hälfte der Erbschaft gesetzlicher Erbe. Sind neben dem Lebenspartner keine weiteren gesetzlichen Erben vorhanden, erhält er nach § 10 II 1 LPartG die ganze Erbschaft. Daneben steht dem Lebenspartner auch der so genannte „Voraus“-Anspruch auf die gemeinsamen Haushaltsgegenstände und die Geschenke zur Begründung der Lebenspartnerschaft zu, § 10 I 2 LPartG. Dieser Anspruch besteht allerdings für den Fall, dass der Lebenspartner neben Verwandten der ersten Ordnung gesetzlicher Erbe ist, nach § 10 I 3 LPartG nur, wenn er den „Voraus“ für die Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Ein gesetzliches Erbrecht des Lebenspartners ist nach § 10 III 1 Nr. 1 LPartG ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft nach § 15 II Nr. 1 oder 2 LPartG vorlagen und der Erblasser einen entsprechenden Antrag gestellt oder der Aufhebung zugestimmt hat. Der Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts ist als Rechtsfolge gemäß § 10 III 1 Nr. 2 LPartG auch dann vorgesehen, wenn der Erblasser einen Aufhebungsantrag nach § 15 II Nr. 3 LPartG gestellt hatte und dieser Antrag zum Zeitpunkt seines Todes begründet war. Beim Ausschluss des Lebenspartners vom gesetzlichen Erbrecht durch eine vom Erblasser erteilte Verfügung von Todes wegen begründet § 10 VI LPartG einen Anspruch des Lebenspartners auf den Pflichtteil und erklärte die entsprechenden Normen des BGB mit der Maßgabe für entsprechend anwendbar, dass der Lebenspartner wie ein Ehegatte lich der Konstituierung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner. Dagegen hielten Röthel (Fn. 127), S. 511 (518), und Bruns (Fn. 276), S. 6 (9), die Einführung eines lebenspartnerschaftlichen Erbrechts für verfassungsrechtlich geboten. Röthel berief sich dabei auf Art. 3 I GG, Bruns auf Art. 2 I GG. 463 Die Verwandten der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, vgl. § 1924 I BGB. An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalles nicht mehr lebenden Abkömmlings treten gemäß § 1924 III BGB die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge. 464 Dabei handelt es sich um die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 1925 I BGB.

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zu behandeln ist. Außerdem statuiert § 10 VII BGB die analoge Anwendung der Vorschriften des BGB über den Erbverzicht. Durch die nach § 6 II 4 LPartG a. F.465 erfolgte analoge Anwendung des § 1371 BGB wurde die Lebenspartnerschaft schließlich in den Kreis der Bestimmungen über den erbrechtlichen Zugewinnausgleich im Falle des Todes eines Ehegatten einbezogen. Die erbrechtlichen Regelungen für Ehe und Lebenspartnerschaft waren schon bei Inkrafttreten des LPartG im Jahre 2001 weitgehend inhaltsgleich.466 Insbesondere die Konstituierung eines gesetzlichen Erbrechts und des Pflichtteilsanspruchs für Lebenspartner sowie des erbrechtlichen Zugewinnausgleichs führte zu einer dem Ehegatten im Wesentlichen vergleichbaren erbrechtlichen Stellung. Es bestanden nur wenige inhaltliche Differenzen, die durch die fehlende Integration einiger ehebezogener Normen in das Lebenspartnerschaftsrecht entstanden: So war die Regelung des § 1931 I 2 BGB für die Lebenspartnerschaft zunächst nicht übernommen worden. Sie bestimmt, dass beim Zusammentreffen von Großeltern und ihren Abkömmlingen in der gesetzlichen Erbfolge der Ehegatte von der anderen Hälfte der Erbschaft den Anteil erhält, der den Abkömmlingen zufallen würde. Außerdem wurde auch § 1931 IV BGB nicht ausdrücklich auf die Lebenspartnerschaft angewandt. Diese Vorschrift konstituiert ein Erbrecht des überlebenden Ehegatten und von bis zu zwei Kindern des Erblassers zu gleichen Teilen, wenn beim Erbfall Gütertrennung bestand und sie als gesetzliche Erben berufen sind. Schließlich fehlte für die Lebenspartnerschaft die Regelung des § 1934 BGB, nach der ein überlebender Ehegatte zugleich als Verwandter erbt, wenn er zu den erbberechtigten Verwandten gehört. Diese bei der Lebenspartnerschaft vorgenommenen Abweichungen vom im BGB geregelten Erbrecht entbehrten einer systematisch stringenten Grundlage.467 Ihre rechtspolitische Motivation dürfte primär in dem Bestreben gelegen haben, einem etwaigen verfassungsrechtlichen Differenzierungsgebot zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft Rechnung zu tragen.468 465

Seit dem 1. Januar 2005: § 6 S. 2 LPartG n. F. Auch Kemper (Fn. 211), § 10 LPartG Rn. 3: „Sachlich bestehen aber so gut wie keine Unterschiede zur Rechtslage bei Ehegatten.“ Noch pointierter ders. (Fn. 244), S. 449 (457): „Das Erbrecht von Eheleuten und Lebenspartnern ist identisch.“ Ähnlich Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach, Neuerungen im Erbrecht eingetragener Lebenspartner, in: FamRZ 2005, S. 1139; ders. (Fn. 372), S. 273 (276); ders., Erbrecht und Erbrechtsgestaltung eingetragener Lebenspartner, in: FamRZ 2001, S. 1660 (1670); Karlheinz Muscheler, Die Eingetragene Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht, in: Jura 2004, S. 217 (219); Wölfl (Fn. 11), S. 270; Leipold (Fn. 87), S. 218 (219, 222). 467 Muscheler (Fn. 466), S. 217 (219). 466

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Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Annahme eines solchen Gebotes für das Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft verneint hatte, bestand für eine unterschiedliche Behandlung beider Rechtsinstitute kein Grund mehr. Alle drei im BGB enthaltenen Regelungen sind deshalb inhaltlich unverändert durch Art. 1 Nr. 5 LPartÜG als § 10 I 2 LPartG n. F. (§ 1931 I 2 BGB), § 10 I 5 und 6 LPartG n. F. (§ 1934 BGB) und § 10 II 2 LPartG n. F. (§ 1931 IV BGB) in das LPartG integriert worden und gelten seit dem 1. Januar 2005. Das Erbrecht von Ehe und Lebenspartnerschaft ist auf einfachgesetzlicher Ebene nunmehr fast identisch geregelt.469 b) Verfassungsmäßigkeit der erbrechtlichen Stellung der Lebenspartnerschaft Die inhaltliche Kongruenz der erbrechtlichen Stellung von Ehe und Lebenspartnerschaft und die Möglichkeit der Beeinträchtigung von grundrechtlichen Gewährleistungen der Verwandten des Erblassers durch die Statuierung eines gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für Lebenspartner erfordern eine verfassungsrechtliche Prüfung dergestalt, ob die Übertragung der ehebezogenen Regelungen des Erbrechts auf die Lebenspartnerschaft mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Grundsätzlich sind drei Personengruppen an der klassischen erbrechtlichen Konstellation im Rahmen einer Ehe beteiligt: die beiden Ehepartner – der eine als Erblasser, der andere als gesetzlicher Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter – sowie die Verwandten des Erblassers. Die Statuierung eines gesetzlichen Erbanspruchs für den überlebenden Ehegatten kann dabei für diesen keinen Grundrechtseingriff darstellen, weil eine Belastung seiner grundrechtlich geschützten Rechtspositionen durch die Gewährung von erbrechtlichen Ansprüchen nicht möglich ist: Sowohl der gesetzliche als auch der gewillkürte Erbe können die Erbschaft nach § 1945 BGB ausschlagen oder schon vor dem Erbfall auf das künftige Erbe verzichten, § 2346 BGB. Sie sind damit vor einer „aufgedrängten“ Erbschaft geschützt. Insofern ver468

v. Dickhuth-Harrach (Fn. 466), in: FamRZ 2005, S. 1139; ders. (Fn. 372), S. 273 (274); ders. (Fn. 466), in: FamRZ 2001, S. 1660 (1670). 469 Kemper (Fn. 182), 10 LPartG Rn. 1; Dagmar Kaiser, Pflichtteilsrecht der eingetragenen Lebenspartner, in: FPR 2005, S. 286 (287); Martin Walter, Das gesetzliche Erbrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft, in: FPR 2005, S. 279 (282). Noch immer bestehende Unklarheiten im Rahmen des Ausschlusses des gesetzlichen Erbrechts ergeben sich bei der Problematik der willensmängelbehafteten Lebenspartnerschaft durch die nicht vollständige Übernahme des § 1933 BGB für die Lebenspartnerschaft, vgl. dazu näher Kaiser, in: FPR 2005, S. 286 (289); Walter, in: FPR 2005, S. 279 (280 f.). Ausführlich zu den durch die Übernahme des für Ehegatten geltenden Erbrechts induzierten Problemen bei der Rechtsanwendung v. DickhuthHarrach (Fn. 466), in: FamRZ 2005, S. 1139 (1140 ff.).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

bleiben als Grundrechtsberechtigte der Erblasser und seine Verwandten, deren geschützte Freiheitsräume durch die Einführung eines neuen gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts verletzt sein könnten. Weil für Ehe und Lebenspartnerschaft eine ähnliche einfachgesetzliche Rechtslage besteht, stehen daher die Grundrechte des lebenspartnerschaftlich gebundenen Erblassers und seiner möglichen Verwandten im Mittelpunkt der Prüfung. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, in welchen Grenzen der jeweilige Schutzbereich die einfachrechtliche Ausgestaltung durch den Gesetzgeber zulässt. aa) Strukturelemente der Institutsgarantie des Erbrechts, Art. 14 I 1 GG Grundrechtsdogmatisch schützt das in Art. 14 I 1 GG gewährleistete Erbrecht nicht nur einen bereichsspezifischen Freiheitsraum des Grundrechtsträgers vor hoheitlichen Eingriffen, sondern geht über die Funktion als subjektives Abwehrrecht hinaus. Um die Reichweite und damit auch die Stabilität des Schutzbereichs auf der Verfassungsebene zu sichern, dürfen die wesentlichen Strukturmerkmale des Erbrechts nicht dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anheim gegeben sein, sondern müssen grundrechtlich selbst festgelegt werden. Das Erbrecht enthält deshalb eine Institutsgarantie, die seine Wesenselemente vor einfachgesetzlicher Veränderung sichert.470 In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, welche Merkmale des Erbrechts dazu zu zählen sind. (1) Testierfreiheit Nach Art. 14 I 1 GG wird neben dem Eigentum auch das Erbrecht gewährleistet. Beide Rechtsinstitute stehen in einem engen inhaltlichen Konnex.471 Würde das Recht des Erblassers, sein Vermögen über den Tod hinaus einer anderen Person zuzuwenden, nicht ausdrücklich verfassungs470

BVerfGE 112, 332 (348); seit BVerfGE 19, 202 (206), st. Rspr. Eingehend Sodan/Ziekow (Rn. 253), § 42 Rn. 14; Thomas Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts, 1993, Bd. I, S. 30 ff.; Rudolf Wendt, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 14 Rn. 193; Gerhard Otte, Das Pflichtteilsrecht – Verfassungsrechtsprechung und Rechtspolitik, in: AcP 202 (2002), S. 317 (319); Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 295; Stephan Stüber, Zusammenspiel von Erbrechtsgarantie und dem Schutz von Ehe und Familie, in: JR 2002, S. 359; ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 99; Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 141 f.; Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 45; Heinz Hetmeier, Grundlagen der Privaterbfolge in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR, 1990, S. 67 ff.; Hans A. Stöcker, Das Grundrecht zu erben, in: WM 1979, S. 214 (220 f.); Erich Steffen, Empfiehlt es sich, das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht neu zu regeln?, in: DRiZ 1972, S. 263 (263 f.), und 3. Kapitel A. II. 4. b) bb) (3) (b) (gg), S. 267 ff. 471

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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rechtlich gewährleistet sein, wäre es von der Eigentumsgarantie umfasst. Während letztere den verfassungsrechtlichen Schutz des Rechtsgutes zu Lebzeiten des Eigentümers sicherstellt, perpetuiert das Erbrecht diese Gewährleistung für den Erben, der sich dann wiederum auf die Eigentumsgarantie berufen kann. Das verfassungsrechtlich verankerte Erbrecht bewirkt somit die lückenlose Sicherung des Nachlasses vor dem Zugriff Dritter. Der Kern des verfassungsrechtlich gesicherten Schutzbereichs des Erbrechts ist die Testierfreiheit, also das Recht des Erblassers, über seinen Nachlass für den Fall des Todes zu verfügen. Sie ist unstreitig Wesenselement des Erbrechts und damit von der Institutsgarantie umfasst.472 Zur Testierfreiheit gehört nicht nur, durch Verfügung von Todes wegen den oder die Erben aktiv zu bestimmen, sondern auch, darauf zu verzichten.473 Dieser Freiheitsraum selbst bestimmter Verfügungsmacht muss hinsichtlich des Schutzgegenstands grundsätzlich den gesamten Nachlass und nicht nur einen Teil von ihm umfassen, weil auch das Eigentum umfassend und nicht nur in Teilbereichen geschützt ist. Wegen der beschriebenen Sicherungsfunktion der Erbrechtsgarantie wäre es systemwidrig, wenn zwar Eigentum zu Lebzeiten 472

BVerfGE 58, 377 (398); 67, 329 (341); 91, 346 (358); 93, 165 (174); 97, 1 (6); 99, 341 (350); 105, 313 (355); 112, 332 (348 f.); BGHZ 111, 36 (39); 123, 368 (371); 140, 118 (128). Aus dem staatsrechtlichen Schrifttum: Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 42 Rn. 14; Dietlein (Fn. 265), § 113 XI 4 a, S. 2324 f.; Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 29; ders. (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359; Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 515 f.; Wendt (Fn. 471), Art. 14 Rn. 195; Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 303; Walter Leisner, § 150: Erbrecht, in: HStR VI, 2. Aufl., 2001, Rn. 15; Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 154; Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (399); Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 47; Sieckmann (Fn. 265), Art. 14 Rn. 216; Gustav Boehmer, Erbrecht, in: Franz Neumann/Hans Carl Nipperdey/Ulrich Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, 1954, S. 401 (418). Aus dem zivilrechtlichen Schrifttum: Wolfgang Edenhofer, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, Einl. v. § 1922 BGB Rn. 4; Dieter Leipold, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 9, 4. Aufl., 2004, Erbrecht, Einl. Rn. 25; Dieter Martiny, Empfiehlt es sich, die rechtliche Ordnung finanzieller Solidarität zwischen Verwandten in den Bereichen des Unterhaltsrechts, des Pflichtteilsrechts, des Sozialhilferechts und des Sozialversicherungsrechts neu zu gestalten?, in: Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages, Bd. I, 2002, S. A 9 (74); Sandra Vyas, Der Schutzbereich der Erbrechtsgarantie, in: ZEV 2002, S. 1 (2); Rauscher (Fn. 71), Rn. 753; Axel Stein, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 21, 13. Aufl., 2001, Erbrecht, Einl. Rn. 6; Ulrich Haas, Ist das Pflichtteilsrecht verfassungswidrig?, in: ZEV 2000, S. 249 (250); Knut Werner Lange, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 9, 4. Aufl., 2000, § 2303 BGB Rn. 1; Gerhard Otte, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, Einl. zu §§ 1922 ff. BGB Rn. 60; Sabine Kick, Ist das Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß?, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1996, hrsg. von Armin Willingmann u. a., S. 167 (180); Hetmeier (Fn. 471), S. 78; Steffen (Fn. 471), S. 263 (264). 473 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359; ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 99; Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 47.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

des Eigentümers vollständig, beim Erbfall – der zeitlich zwischen der jeweiligen Eigentumsgewährleistung liegt – jedoch nur unvollständig geschützt wäre. Eine Beschränkung dieses Freiheitsbereichs unterliegt deshalb engen Grenzen.474 (2) Privaterbfolge Wenn eine natürliche Person von der Testierfreiheit positiv Gebrauch macht, werden regelmäßig ein oder mehrere andere natürliche Personen von ihr zum Erben eingesetzt. Auch wenn keine Verfügung von Todes wegen durch den Erblasser erstellt wurde (sog. Intestat), spricht der systematische Zusammenhang zwischen dem Schutz von Eigentum und Erbrecht dafür, in diesem Fall nicht sofort dem Staat den Zugriff auf den Nachlass zu ermöglichen. Die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums bezieht sich nämlich auf das Privateigentum. Dieses ginge unter, wenn das Erbrecht bei einem Intestat den Nachlass in staatliches Eigentum zu überführen hilft. In diesen Fällen kann regelmäßig auch nicht der Wille des Erblassers unterstellt werden, dass er die Übertragung seines Privateigentums auf den Staat befürworte oder zumindest nichts dagegen habe. Vielmehr sprechen mehrere Gründe dafür, im Regelfall beim Intestat eine vom Erblasser beabsichtigte Privaterbfolge vorzusehen: So ist vom Erblasser eine Verfügung von Todes wegen oft nur deshalb nicht erstellt worden, weil er mit seinem plötzlichen Tod nicht gerechnet und eine Regelung seiner Vermögensverhältnisse für den Todesfall auf einen späteren Zeitpunkt verschoben hatte. Außerdem hätte der Erblasser sein Privateigentum zumindest teilweise auch schon zu seinen Lebzeiten dem Staat freiwillig zur Verfügung stellen können. Wenn er dies nicht tat, spricht wenig dafür, dass er es für den Fall seines Todes getan hätte. Dies gilt insbesondere dann, wenn enge Angehörige existieren, bei denen ein Näheverhältnis zum Erblasser vermutet werden kann. Die Privaterbfolge entspricht deshalb regelmäßig dem durch die Testierfreiheit geschützten Willen des Erblassers. Die gesetzlich vorgesehene Erbfolge muss sich daher am Interesse eines aus objektiver Sicht verständigen Erblassers orientieren und kann dabei auf feststellbare formalisierte Bindungen des Erblassers abstellen.475 Das Bundesverfassungsgericht und Teile der Literatur nehmen daher eine verfassungsrechtliche Gewährleistung der Privaterbfolge durch die Institutsgarantie an.476 Sie darf freilich nicht missverstanden werden: Wegen 474

Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 47. So auch BVerfGE 91, 346 (359); Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 517. 476 BVerfGE 67, 329 (340); 91, 346 (358); 93, 165 (173); 97, 1 (6); Edenhofer (Fn. 472), Einl. v. § 1922 BGB Rn. 4; Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 518; Leipold (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 23; Wieland (Fn. 265), Art. 14 Rn. 65; Stüber 475

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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ihrer affirmativen Funktion, die Testierfreiheit zu sichern, kommt letzterer ein Vorrang zu. Es ist deshalb unproblematisch mit der Privaterbfolge vereinbar, durch eine Verfügung von Todes wegen auch den Staat bzw. die mittelbare Staatsverwaltung – Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts – als Erben einzusetzen, oder gesetzlich den Nachlass letztlich doch auf den Staat zu übertragen, wenn keine natürlichen Personen als Erben in Betracht kommen. Die Privaterbfolge schützt die Testierfreiheit. Würde sie durch die Institutsgarantie nicht gewährleistet, könnte der Gesetzgeber durch die einfachrechtliche Ausgestaltung des Erbrechts das Privateigentum immer dann auflösen, wenn eine Verfügung von Todes wegen nicht bestünde. Diese Zugriffsmöglichkeit würde der freiheitskonstituierenden Bedeutung des Privateigentums nicht gerecht. Der Grundsatz der Privaterbfolge ist Wesensmerkmal des Erbrechts und durch die Institutsgarantie in Art. 14 I 1 GG gesichert. (3) Verwandtenerbfolge477 Es mag angesichts der beschriebenen Funktion der Testierfreiheit verwundern, dass auf einfachgesetzlicher Ebene grundsätzlich keine Person die Möglichkeit besitzt, über seinen gesamten Nachlass zu verfügen und ihn auf einen oder mehrere Erben seiner Wahl zu übertragen. Die Verfügungsmacht des Erblassers wird nämlich durch das Prinzip der gesetzlichen Verwandtenerbfolge eingeschränkt, nach der die Rechtsordnung den oder die Erben bestimmt, wenn keine durch den Erblasser erstellte Verfügung von Todes wegen vorliegt. Auch wenn eine entsprechende Willensäußerung existiert und der Erblasser jemanden anderen als den gesetzlichen Erben zum gewillkürten Erben bestimmt und den gesetzlichen Erben somit von der Erbfolge ausgeschlossen hat, stehen diesem Pflichtteilsansprüche zu. Dies gilt für Ehegatten (§ 2303 II 1 BGB), Abkömmlinge sowie Eltern des Erblassers (§ 2303 I 1, II 1 BGB) und auch Lebenspartner (§ 10 VI LPartG). (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359; ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 98; Vyas (Fn. 472), S. 1 (2); Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 152; Stein (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 6; Sieckmann (Fn. 265), Art. 14 Rn. 212; Kick (Fn. 472), S. 167 (180). Dagegen gesteht Otte (Fn. 472), Einl. zu §§ 1922 ff. BGB Rn. 61, der Privaterbfolge neben der Testierfreiheit und der Verwandtenerbfolge keine strukturelle Eigenständigkeit zu, da es sich bei ersterer um das Erbrecht selbst handele. Im Ergebnis dürfte dieser Standpunkt keine andere verfassungsrechtliche Beurteilung von erbrechtlichen Regelungen rechtfertigen, vgl. auch Leipold (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 23; Fn. 40. 477 Otte (Fn. 471), S. 317 (320), hat angesichts des Ehegattenerbrechts auf die Ungenauigkeit des Begriffs der „Verwandtenerbfolge“ hingewiesen, da Ehegatten zueinander nicht in einem Verwandtenverhältnis stehen. Weil die Bezeichnung aber allgemein gebräuchlich ist, wird sie auch im folgenden verwandt. Sie soll ausdrücklich auch das Ehegattenerbrecht umfassen.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Eine Verwirklichung der Selbstbestimmung durch den Erblasser dergestalt, dass die gesetzlichen Erben gar keinen Anteil am Nachlass erhalten, wird von der Rechtsordnung – mit Ausnahme der in § 2335 BGB beschriebenen Pflichtteilsentziehungsgründe – regelmäßig nicht akzeptiert. Auf welcher Ebene der Normenhierarchie diese Beschränkung des Schutzbereichs des Erbrechts durch die Verwandtenerbfolge verortet werden muss, ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Denkbar sind zwei Möglichkeiten: Entweder ist sie eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des Erbrechts oder sie ist selbst – ebenso wie die Testierfreiheit – verfassungsrechtlich vorgegebenes Strukturmerkmal des Erbrechts. Der Freiheitsraum erbrechtlicher Selbstbestimmung wäre in diesem Fall schon von vornherein beschränkt auf eine Grundrechtsausübung im Rahmen der Verwandtenerbfolge. Der Pflichtteilsanspruch bildete in diesem Fall den Mindeststandard der Sicherung der Verwandtenerbfolge. Die große Mehrheit der Literatur nimmt an, dass die Institutsgarantie des Erbrechts auch die Verwandtenerbfolge umfasst.478 Ein Teil des Schrifttums hält diese dagegen nur für eine einfachrechtliche Beschränkung der Testierfreiheit i. S. d. Art. 14 I 2 GG, die gesetzlich bestimmt sei.479 Das Bundesverfassungsgericht hatte die Frage zunächst offen gelassen,480 schließlich die Verwandtenerbfolge aber doch als Strukturmerkmal des verfassungsrechtlichen Rechtsinstituts angesehen.481 478 Schon Boehmer (Fn. 472), S. 401 (414 ff.); ferner Dietlein (Fn. 265), § 113 XI 4 c, S. 2326 f.; Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 517 ff.; Wendt (Fn. 471), Art. 14 Rn. 195, 198; Volker Lipp, Finanzielle Solidarität zwischen Verwandten im Privat- und Sozialrecht, in: NJW 2002, S. 2201 (2205); Martiny (Fn. 472), S. A 1 (75); Otte (Fn. 471), S. 317 (321); ders. (Fn. 472), Einl zu §§ 1922 ff. BGB Rn. 69; Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 301; Vyas (Fn. 472), S. 1 (2); Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 153; Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 48; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (253); Lange (Fn. 472), § 2303 BGB Rn. 4; Sieckmann (Fn. 265), Art. 14 Rn. 216; H. A. Stöcker (Fn. 471), S. 214 (220 ff.); noch zweifelnd W. Leisner (Fn. 472), Rn. 20, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Verankerung des Pflichtteilsrechts; vgl. aber ders., Pflichtteilsentziehungsgründe nach §§ 2333 ff. BGB verfassungswidrig?, in: NJW 2001, S. 126 (127). Rauscher (Fn. 71), Rn. 753, und Hetmeier (Fn. 471), S. 78 f., leiten die Verwandtenerbfolge nicht aus Art. 14 I GG, sondern aus Art. 6 I GG ab. 479 Wieland (Fn. 265), Art. 14 Rn. 67; Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (361 ff.); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 111 ff.; wohl auch Stein (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 7; Steffen (Fn. 471), S. 263 (264). Klaus Petri, Die Pflicht zum Pflichtteil, in: ZRP 1993, S. 205 (206), hält das Pflichtteilsrecht sogar für verfassungswidrig. 480 So der Erste Senat BVerfGE 67, 329 (341); 91, 346 (359); 105, 313 (356); ähnlich auch Kick (Fn. 472), S. 167 (181). 481 BVerfGE 112, 332 (349 ff.), hinsichtlich der Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass; BVerfGE 93, 165 (174 f.), mit steuerrechtlichen Implikationen zum Schutz von Ehe und Familie. Vgl. zur zivilrechtlichen Rechtsprechung BGHZ 98, 226 (233); 109, 306 (313), die die Verwandtenerbfolge schon früher als Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten Erbrechts angesehen hatte.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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(a) Wortbedeutung Das gegenwärtige sprachliche Verständnis von Begriffen wie „Erbe“ oder „Erbrecht“ intendiert zwar keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die Verwandtenerbfolge Bestandteil der Institutsgarantie oder nur einfachgesetzlich normiert ist: Beim Erbe handelt es sich um die Hinterlassenschaft. Wem sie zusteht, bleibt dabei offen.482 Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Erbe“, dessen Verwendung schon früh bei Kelten und Germanen belegt ist, war allerdings „Waisengut“ und bezog sich auf die Stellung des verwaisten schutzlosen Kindes.483 Aus der gleichen indogermanischen Sprachwurzel stammen auch die „Arbeit“ und das Wort „arm“.484 Daraus kann man einen Bezug zwischen dem Tod des Erblassers und der wirtschaftlichen Stellung seiner Abkömmlinge, also der engsten Verwandten, ableiten. Die etymologische Bedeutung gibt somit einen Hinweis auf die enge Konnexität zwischen dem Erbrecht und dem Verwandtschaftsverhältnis. (b) Historische Auslegung In den Beratungen des Parlamentarischen Rats finden sich keine spezifischen Ausführungen zur Reichweite der Institutsgarantie des Erbrechts. Die Verwandtenerbfolge war allerdings einfachgesetzlich von Anfang an ein Bestandteil des BGB und schon im altdeutschen Recht als Parantelordnung verankert.485 Zunächst kannte dieses Recht keine testamentarische Bestimmung des Erben, so dass die Verwandtenerbfolge eine Zeit lang der einzige Maßstab der erbrechtlichen Zuordnung blieb und die Testierfreiheit erst durch die Rezeption des römischen Rechts Bedeutung erlangte.486 Insofern findet sich die Verwandtenerbfolge aus historischer Sicht im deutschen Recht früher als die Testierfreiheit. Den Mitgliedern des Parlamentarischen 482 So auch Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (361); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 112. 483 Vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, Bd. 7, 3. Aufl., 2001, S. 141; Gerhard Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995, S. 109. 484 Duden (Fn. 483), S. 141. 485 BVerfGE 112, 332 (350). Siehe auch Ruth Schmidt-Wiegand, Stichworte „Erbe, das“, S. 88 ff., und „Erbe, der“, S. 92 ff., in: dies. (Hrsg.), Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 2002, mit Nachweisen einschlägiger deutscher Rechtssprichwörter. 486 Schmidt-Wiegand (Fn. 485), Stichworte „Erbe, das“, S. 88, und „Testament“, S. 316; vgl. auch BVerfGE 112, 332 (350); U. Haas (Fn. 472), S. 249 (250 f.); Wilfried Schlüter, Die Änderung der Rolle des Pflichtteilsrechts im sozialen Kontext, in: 50 Jahre BGH. Festgabe aus der Wissenschaft, hrsg. von Claus-Wilhelm Canaris und Andreas Heldrich, Bd. I, 2000, S. 1047 (1048); Kick (Fn. 472), S. 167 (169 f.); Hetmeier (Fn. 471), S. 84 f.; H. A. Stöcker (Fn. 471), S. 214 (217 f.).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Rates war dieses einfachgesetzliche Vorverständnis bekannt.487 Dass sie es im Rahmen des geplanten verfassungsrechtlichen Schutzes des Erbrechts nicht thematisiert haben, spricht weniger dafür, dass sie die wesentlichen Grundstrukturen des Erbrechts bewusst der gesetzgeberischen Gestaltung überlassen wollten, sondern eher für ihre unausgesprochene Implementierung in die Verfassung.488 Das erbrechtliche Vorverständnis bezüglich des Verwandtenerbrechts wurde als so selbstverständlich angesehen, dass es einer ausdrücklichen Bezugnahme nicht mehr bedurfte. (c) Verfassungssystematischer Kontext der Erbrechtsgarantie Aus systematischer Sicht ist der Grundsatz der Einheit der Verfassung zu berücksichtigen, nach dem verfassungsrechtliche Bestimmungen Bestandteile eines aufeinander bezogenen Normenkomplexes sind. Ihr jeweiliger Grundinhalt darf nicht auf Kosten des jeweils anderen ausgehöhlt werden.489 Bestimmungen beeinflussen sich aber auch gegenseitig in dem Sinne, dass der Regelungsgehalt einer Norm bei der Auslegung einer anderen Verfassungsnorm beachtet und mit ihr zum Ausgleich gebracht werden muss. Im Hinblick auf das Verhältnis von Testierfreiheit und Verwandtenerbfolge ist deshalb der besondere Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 I GG zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtlich getroffene Wertentscheidung zugunsten dieser Rechtsinstitute strahlt auch auf die Gewährleistung des Erbrechts aus. Ehe und Familie sind Solidargemeinschaften, deren Basis die Verpflichtung zur gegenseitigen Sorge ist. Nach dem Tode eines ihrer Mitglieder perpetuiert sich diese Funktion im Erbrecht.490 Sie intendiert deshalb die Berücksichtigung der Mitglieder der Kernfamilie bei der Verwandtenerbfolge als Wesensmerkmal des Erbrechts durch die Statuierung eines Pflichtteilsrechts.491 Mit der Einführung des Prinzips der unbeschränkten 487 Das konzediert auch Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (361), ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 113, der jedoch ansonsten der Auffassung ist, wegen der fehlenden Ausführungen zum Verwandtenerbrecht in den Protokollen des Parlamentarischen Rates könne die Übernahme dieses Vorverständnisses und damit dessen verfassungsrechtliche Verankerung nicht bewiesen werden. 488 Vyas (Fn. 472), S. 1 (3); Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 139; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (250 f.). 489 Hinsichtlich des sich daraus ergebenden erbrechtlichen Gestaltungsspielraums vgl. BVerfGE 67, 329 (340); 97, 1 (7 ff.); 99, 341 (352); Gerhard Otte, Um die Zukunft des Pflichtteilsrechts, in: ZEV 1994, S. 193 (194); Steffen (Fn. 471), S. 263 (263 f.). 490 Vgl. BVerfGE 112, 332 (352 f.), hinsichtlich des Pflichtteilsrechts der Kinder. 491 BVerfGE 112, 332 (353) [Erster Senat]; davor vom Ersten Senat offen gelassen in BVerfGE 91, 346 (358) und wieder in BVerfGE 105, 313 (356); BVerfGE 93, 165 (174) [Zweiter Senat]; BGHZ 109, 306 (313); 123, 368 (371); 140, 118 (128);

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verwandtschaftlichen Erbfolge ist der Gesetzgeber über dieses verfassungsrechtlich geforderte Minimum hinausgegangen und hat insofern eine Ausgestaltungsentscheidung des Erbrechts getroffen.492 Art. 6 I GG spricht für die Verwandtenerbfolge innerhalb der Kernfamilie als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Rechtsinstituts des Erbrechts. Gegen diese Annahme wird oftmals der dargestellte grundrechtsdogmatische Zusammenhang zwischen Eigentum und Erbrecht angeführt. Die vom Erblasser bewusst vorgenommene Perpetuierung des Eigentums durch Bestimmung eines Erben bedürfe nicht zwingend einer verfassungsrechtlich induzierten Verwandtenerbfolge, vielmehr stünde letztere systematisch eher konträr zur Perpetuierungsfunktion.493 Dieses Argument muss sich allerdings zunächst entgegenhalten lassen, dass es zwar auf das Verhältnis zwischen zwei verfassungsrechtlich garantierten Rechtsinstituten innerhalb der Norm des Art. 14 I 1 GG abstellt, aber den Zusammenhang zwischen dem Erbrecht und anderen Verfassungseinrichtungen wie Ehe und Familie gänzlich unberücksichtigt lässt. Die Verwandtenerbfolge tastet zudem den Bestand des Eigentums im Erbfall gar nicht an. Aus ihr ergibt sich nur, welche natürliche Person das Privateigentum erbt; dass es eine natürliche Person erbt, steht regelmäßig außer Frage. Die Testierfreiheit kann schließlich bei einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen auch in dem Sinne ausgeübt werden, dass ein größerer Teil des zum Nachlass gehörenden Privateigentums in staatliches Eigentum überführt wird. In diesem Fall schützt die Verwandtenerbfolge mit ihrem Pflichtteilsanspruch das Privateigentum vor staatlichem Zugriff. Das spricht aus systematischer Sicht dafür, den Zusammenhang zwischen Eigentum und Erbrecht nicht gegen Ehe und Familie sowie die Verwandtenerbfolge auszuspielen. Dietlein (Fn. 265), § 113 XI 4 c, S. 2326 f.; Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 521; Leipold (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 28 ff.; Wendt (Fn. 471), Art. 14 Rn. 198, 200; Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 301 f.; Rauscher (Fn. 471), S. 46 f.; Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 48; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (253 f.); Lange (Fn. 472), § 2303 BGB Rn. 4; Schlüter (Fn. 486), S. 1047 (1064 f.); Sieckmann (Fn. 265), Art. 14 Rn. 218; Hetmeier (Fn. 471), S. 80 ff.; zweifelnd W. Leisner (Fn. 472), Rn. 20; kritisch gegenüber der Berücksichtigung von Art. 6 I GG, im Ergebnis aber ähnlich H. A. Stöcker (Fn. 471), S. 214 (219); ablehnend gegenüber Art. 6 I GG Otte (Fn. 472), Einl. zu §§ 1922 ff. BGB, Rn. 91; vgl. aber ders. (Fn. 471), S. 317 (321 f.); Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (362); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 116 ff.; Steffen (Fn. 471), S. 263 (264, 267). 492 Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 301; W. Leisner (Fn. 472), Rn. 19; Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 48; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (253); Schlüter (Fn. 486), S. 1047 (1066 ff.), kritisch gegenüber der Pflichtteilsberechtigung der Eltern des Erblassers. 493 Wieland (Fn. 265), Art. 14 Rn. 67; Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (361); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 114; ähnlich auch Hetmeier (Fn. 471) S. 78; Petri (Fn. 479), S. 205 (206).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

(d) Teleologische Einordnung des Erbrechts als Auslegungsergebnis Institutsgarantien sollen durch die verfassungsrechtliche Stabilisierung der Wesenselemente des Rechtsinstituts die subjektive Rechtsausübung durch den Grundrechtsberechtigten ermöglichen.494 Die Verwandtenerbfolge mit ihrer Statuierung eines Pflichtteilsanspruchs scheint auf den ersten Blick eher konträr zur Testierfreiheit des Erblassers zu stehen als diese zu unterstützen. Deshalb wird von einigen Stimmen des Schrifttums aus teleologischer Sicht die verfassungsrechtliche Verankerung der Verwandtenerbfolge abgelehnt. Aus der dem grundrechtlichen status positivus entnommenen Verpflichtung des Gesetzgebers, die Grundrechtsausübung normativ abzusichern, könne nicht zugleich eine Beschränkung dieses Schutzbereichs in Bezug auf die Testierfreiheit abgeleitet werden.495 Diese Argumentation weist allerdings einen zirkulären Charakter auf: Eine bestimmte Reichweite des Schutzbereichs wird dort mit der Annahme einer unbeschränkten Testierfreiheit schon bei der Definition des Rechtsinstituts gedanklich vorausgesetzt, um dann eine mögliche verfassungsimmanente Beschränkung mit der Rechtsform für unvereinbar zu erklären. Die teleologische Dimension der Institutsgarantie des Erbrechts erschließt sich stattdessen aus dem dargelegten systematischen Zusammenhang zwischen ihr und der Verfassungsgarantie von Ehe und Familie. Das Erbrecht als Institutsgarantie schützt einen bestimmten Bereich der Freiheitsausübung, die Institutsgarantien von Ehe und Familie einen anderen. Der dem Grundrechtsträger durch die Verfassung gewährleistete Freiheitsraum wird insgesamt durch alle ihm zustehenden und sich thematisch ergänzenden Grundrechte konstituiert. Eine Auslegung, die darauf hinausläuft, den Schutzbereich des einen Grundrechts auf Kosten des anderen Grundrechts auszudehnen, höhlt den spezifischen Freiheitsbereich dieses anderen Grundrechts aus. Sie unterminiert damit die institutionelle Funktion der Freiheitssicherung. Daraus folgt, dass die Schutzbereiche aufeinander bezogen sind. Wenn das grundrechtliche Erbrecht ausschließlich als Gewährleistung der Testierfreiheit verstanden würde, entstünde bei einer Nichtberücksichtigung von Ehe und Familie die Gefahr, diese zur Staats- und Freiheitserhaltung notwendigen und deshalb rechtlich zu fördernden Nähebeziehungen gerade in diesem Bereich nicht zu berücksichtigen.496 Mit der Statuierung eines 494 Vgl. BVerfGE 91, 346 (358): Danach soll „die Erbrechtsgarantie in erster Linie den Freiheitsraum des Erblassers sichern.“ 495 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (361 f.); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 115. 496 Allgemein auch Dieter Leipold, Erbrecht 1995, in: JZ 1996, S. 287 (288): „Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht auf eigenständigen, vom Willen des Erblassers durchaus zu unterscheidenden Wertungen beruht.“

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gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs für Ehegatten und Kinder des Erblassers verringert sich nämlich das Bedürfnis dieser Personengruppen für eigene Vorsorgeaufwendungen und damit vergrößert sich zugleich der ökonomische Freiheitsraum der Familie.497 Durch die Gleichstellung mit anderen Rechtsbeziehungen wird stattdessen ihr besonderer Freiheitsstatus nivelliert. Deshalb ist wegen der Funktion der Freiheitssicherung, die den Institutsgarantien zukommt, die Berücksichtigung der Verwandtenerbfolge als Bestandteil der Verfassungsgarantie des Erbrechts geboten. bb) Das Pflichtteilsrecht als verfassungsmäßige Ausgestaltung des Erbrechts nach Art. 14 II GG Auch wenn man der Auffassung ist, die Verwandtenerbfolge sei kein Wesensmerkmal des Erbrechts i. S. d. Art. 14 I 1 GG und damit auch nicht durch die Institutsgarantie geschützt, ergibt sich daraus noch nicht zwingend die Antwort auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Statuierung eines gesetzlichen Erbrechts und eines Pflichtteilsanspruchs für Lebenspartner. In diesem Fall wäre die einfachgesetzliche Einführung das Erb- und Pflichtteilsanspruchs ein Eingriff in die Testierfreiheit und damit in den grundrechtlichen Schutzbereich des Erbrechts, da der Lebenspartner des Erblassers auch gegen dessen Willen aufgrund einer Gesetzesnorm Anteil am Nachlass erhielte. Dieser Eingriff bedürfte einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und müsste mithin das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Pflichtteilsrechts für Lebenspartner ein legitimes Regelungsziel verfolgt. Um das beurteilen zu können, ist ein Blick auf Sinn und Zweck des bisherigen Pflichtteilsrechts für Ehegatten und Abkömmlinge des Erblassers hilfreich. In der Literatur werden dazu verschiedenste Varianten vertreten: Die am meisten verbreitete Ansicht hält den Pflichtteilsanspruch für eine Kompensation der Unterhaltsverpflichtung des Erblassers, die durch seinen Tod weggefallen ist. Nach dieser Auffassung dient der Anspruch damit der ökonomischen Absicherung des überlebenden Ehegatten und der Kinder.498 Dagegen ist angeführt worden, dass weder konkrete Unterhaltsleistungen noch eine entsprechende Bedürftigkeit gesetzliche Voraussetzungen für das 497

Hetmeier (Fn. 471), S. 83. Vgl. Martiny (Fn. 472), S. A 1 (67 f.).; Rauscher (Fn. 471), S. 249 f.; Stein (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 7, allerdings mit Bedenken, ob dies gegenwärtig noch zutreffend ist; auf den Einzelfall abstellend Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 147; Schlüter (Fn. 486), S. 1047 (1050); vgl. auch U. Haas (Fn. 472), S. 249 (251 f.); Otte (Fn. 489), S. 193 (195). 498

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Bestehen des Pflichtteilsanspruchs sind.499 Im Gegenteil benötigten die Erben zum Zeitpunkt des Erbfalles angesichts der immer höheren durchschnittlichen Lebenserwartung der Bevölkerung oftmals gar keinen Unterhalt des Erblassers mehr, weil sie inzwischen für sich selbst sorgen könnten.500 Allerdings mag dies allgemein für die Abkömmlinge gelten, bei Ehegatten sind tatsächlich geleistete gegenseitige Unterhaltsaufwendungen zumindest wahrscheinlicher.501 Der gegenseitige Pflichtteilsanspruch des Ehegatten deckt sich zudem mit ihrer gesetzlich fixierten gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung. Ob und wie sie zwischen den Eheleuten konkret realisiert worden ist, ist angesichts der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers, die ihm im Rahmen seines Gestaltungsspielraums zusteht, irrelevant.502 Er kann deshalb die Statuierung einer generellen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung zum Anknüpfungspunkt eines Pflichtteilsanspruchs wählen. Der Argumentationstopos der Kompensation durch die Gewährung eines Pflichtteilsanspruchs der Abkömmlinge wird ebenfalls von denjenigen bemüht, die in diesem einen Ausgleich für die kindesbezogenen, aber an die Eltern geleisteten staatlichen Subventionen sehen.503 Damit kann der Pflichtteilsanspruch des überlebenden Ehegatten aber nicht hinreichend begründet werden, der unabhängig davon besteht, ob überhaupt Abkömmlinge existieren, die Anknüpfungspunkt für staatliche Leistungen waren.504 Auf die Funktion der generativen Weitergabe des Erbes wird mit dem Hinweis abgestellt, dass der Erblasser zumindest einen Teil seines Vermögens regelmäßig selbst durch die gesetzliche Erbfolge erhalten habe.505 Abgesehen davon, dass dies tatsächlich nicht immer zutrifft, ist mit der Annahme einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung der für die Testierfreiheit verbleibende Raum gänzlich obsolet. Es ist unter dieser Prämisse 499 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (362 f.); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 120; W. Leisner (Fn. 478), S. 126 (127); Lange (Fn. 472), § 2303 BGB Rn. 5; Jürgen Oechsler, Pflichtteil und Unternehmensnachfolge von Todes wegen, in: AcP 200 (2000), S. 603 (608); Kick (Fn. 472), S. 167 (178); Petri (Fn. 479), S. 205. 500 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (363); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 120; Otte (Fn. 471), S. 317 (338); ders. (Fn. 489), S. 193 (194 f.); Lange (Fn. 472), § 2303 BGB Rn. 5; Kick (Fn. 472), S. 167 (174); Petri (Fn. 479), S. 205 (206); Steffen (Fn. 471), S. 263 (265). 501 Steffen (Fn. 471), S. 263 (265). 502 Zur Typisierungsfunktion im Pflichtteilsrecht instruktiv U. Haas (Fn. 472), S. 249 (257 f.); kritisch gegenüber dem Hinweis auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum W. Leisner (Fn. 478), S. 126 (127). 503 Otte (Fn. 489), S. 193 (196). 504 Dies räumt Otte (Fn. 489), S. 193 (196), ausdrücklich ein und beschränkt diese Begründung des Pflichtteilsanspruchs deshalb auch auf die Abkömmlinge des Erblassers. 505 Otte (Fn. 489), S. 193 (197).

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nämlich kaum gesetzlich nachvollziehbar, wie hoch ein entsprechender Pflichtanteil am Gesamtvermögen ist und warum deren Weitergabe durch die Testierfreiheit behindert werden muss. Diese Ansicht verkennt die zentrale Bedeutung der Testierfreiheit für das Erbrecht und vertauscht deren verfassungsrechtliches Gewicht mit demjenigen der Verwandtenerbfolge. Sie setzt sich damit zu der eigenen Prämisse in Widerspruch, nach der die Verwandtenerbfolge gerade kein Wesensmerkmal des durch die Institutsgarantie gesicherten Erbrechts sei. Die Reichweite der Testierfreiheit spielt auch eine Rolle bei der Ansicht, dass das Pflichtteilsrecht die Aufgabe habe, einen „Missbrauch“ der Testierfreiheit durch den Erblasser zumindest zu begrenzen, wenn dieser einen gesetzlich Erbberechtigten bei seiner Verfügung von Todes wegen vermeintlich nicht gerechtfertigt überginge.506 Diese Argumentation berücksichtigt aber nicht, dass ein Pflichtteilsanspruch grundsätzlich unabhängig von allen subjektiven Kriterien und damit auch von einer etwaigen sittlichen „Erbberechtigung“ des gesetzlichen Erben besteht. Die Pflichtteilsentziehungsgründe für Ehegatten nach § 2335 BGB berücksichtigen beispielsweise nur bestimmte Straftaten des Ehepartners (§ 2335 Nr. 1–3 BGB) bzw. eine böswillige Unterhaltsverletzung (§ 2335 Nr. 4 BGB) und sind damit in der Praxis von eher geringer Bedeutung.507 Auch diejenigen Pflichtteilsberechtigten, deren Enterbung aus der Sicht Dritter subjektiv gerechtfertigt ist, erhalten daher regelmäßig einen entsprechenden Anteil am Erbe. Wenn man auf die Bewertung der Motive des Erblassers abstellt, wird deshalb der objektive gesetzliche Anknüpfungspunkt des Verwandtschaftsverhältnisses – unabhängig von der konkreten Beziehung zwischen Erblasser und Erben – für den Pflichtteilsanspruch verkannt.508 Den Pflichtteilsanspruch allein als gesetzliche Prävention des grundrechtlichen Missbrauchs anzusehen, verfehlt deshalb einen legitimen gesetzgeberischen Regelungszweck. Ob seine Statu506 Otte (Fn. 489), S. 193 (197); Oechsler (Fn. 499), S. 603 (610); vgl. auch Martiny (Fn. 472), S. A 1 (67 f.); Helmut Coing, Empfiehlt es sich, das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht neu zu regeln?, in: Verhandlungen des 49. Deutschen Juristentages, 1972, Bd. I, S. A 1 (47). 507 Deshalb wird in der Literatur auch vertreten, dass gerade wegen der großen Bedeutung der Testierfreiheit die Pflichtteilsentziehungsgründe der §§ 2333 ff. BGB als zu eng anzusehen seien und deshalb der Pflichtteilsanspruch selbst „in Verfassungswidrigkeit hineingewachsen“ sei, vgl. dazu W. Leisner (Fn. 478), S. 126 (127); Petri (Fn. 479), S. 205 (206). 508 Dies gilt auch für den von Diederichsen (Fn. 182), S. 1841 (1843), geschilderten Fall, dass die Eltern ihr homosexuelles Kind verstoßen und dieses vor ihnen stirbt. Diederichsen hält hier einen Pflichtteilsanspruch für rechtspolitisch verfehlt. Die erbrechtliche Anknüpfung an objektivierbare Kriterien wie das Verwandtschaftsverhältnis erspart dem Staat regelmäßig eine im Einzelnen oft nur schwer durchführbare Untersuchung der Motive des Erblassers bei Verfügungen von Todes wegen.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

ierung überdies nicht erforderlich ist, weil weniger intensive Grundrechtseingriffe wie etwa eine gesetzlich normierte Beratungspflicht vor einer Verfügung von Todes wegen denkbar sind,509 braucht deshalb nicht entschieden werden. Der Topos des „Missbrauchs der Testierfreiheit“ kann argumentativ aber herangezogen werden, um auf die Berücksichtigung der familienrechtlichen Bindung des Erblassers als Zweck des Pflichtteilsanspruchs abzustellen. Der vollständige Ausschluss des gesetzlichen Erbanspruchs nächster Verwandter durch den Erblasser ist insofern regelmäßig missbräuchlich, weil dieser damit seine familienrechtliche Bindung missachtet.510 Das Näheverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten ist auch Grundlage einer weiteren Argumentation, welche die Annahme einer Kompensationsfunktion des Pflichtteilsrechts aufgreift.511 Sie geht davon aus, dass sich dieses Näheverhältnis regelmäßig in einer gegenseitigen Verantwortungsübernahme, mithin in einer Solidargemeinschaft konkretisiert. Den Beteiligten sei deshalb daran gelegen, neben ihrem eigenen Vermögen auch das des Solidarpartners zu mehren bzw. es zumindest zu erhalten. Stürbe einer von ihnen, erhalte der andere mit dem Pflichtteil eine Gegenleistung als Kompensation für seine vermögensbezogenen Tätigkeiten, die dem Erblasser zu seinen Lebzeiten zugute gekommen seien. Auch hier kann – ähnlich wie bei den Unterhaltspflichten – eingewandt werden, dass das Erbrecht nicht danach unterscheidet, ob tatsächlich Leistungen des Erben mit einem Bezug zum Vermögen des Erblassers erfolgt sind.512 Pflichtteilsansprüche stehen auch demjenigen nahen Verwandten zu, bei dem dies nicht der Fall ist; umgekehrt werden sie den nicht mit dem Erblasser verwandten Personen verweigert, die zu seinen Lebzeiten tatsächliche Leistungen für ihn erbracht hatten.513 Selbst wenn entsprechende vermögensbezogene Leistungen vorliegen, ist ihr genauer Wert und damit der Kompensationseffekt des Pflichtteils schwierig zu bestimmen.514 Diese Gegenargumente 509 Das schlägt Stüber (Fn. 101), Einl., Rn. 124, vor. Allerdings ist hierbei fraglich, ob die obligatorische Beratung einen „Missbrauch“ der Testierfreiheit durch den Erblasser in der gleichen Weise effektiv unterbindet wie ein Pflichtteilsrecht. Trotz Beratung erhielte der gesetzliche Erbe keinen Anteil am Erbe, wenn der Erblasser ihn missbräuchlich nicht bedenkt. 510 Lipp (Fn. 478), S. 2201 (2206). 511 U. Haas (Fn. 472), S. 249 (252 f.). 512 So Stüber (Fn. 101), Einl., Rn. 123, der in diesem Fall einen Bereicherungsanspruch des gesetzlichen Erben gegenüber dem Erblasser annimmt und einen Pflichtteilsanspruch für nicht erforderlich hält. An dem Verweis auf einen Bereicherungsanspruch ist allerdings problematisch, dass dieser nicht besteht, wenn zwischen Erblasser und Erben keine Einigung über die Zweckbestimmung der Leistung erzielt wurde, vgl. dazu U. Haas (Fn. 472), S. 249 (252 f.). 513 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (363); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 123. 514 Darauf weist U. Haas (Fn. 472), S. 249 (252), hin.

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verlieren mit dem Hinweis auf den gesetzgeberischen Typisierungsspielraum allerdings an Gewicht: Wie bei der Ehe als gesetzlich strukturierter Verantwortungsgemeinschaft ein Näheverhältnis vermutet werden kann, so darf der Gesetzgeber reziprok wegen des Näheverhältnisses auch ein gegenseitiges Interesse an der Vermögenserhaltung und -mehrung einschließlich entsprechender Tätigkeiten hierzu annehmen. Auf die Frage, ob die Gewährung eines Pflichtteilsanspruchs eher Anreiz fördernd515 oder Anreiz hemmend516 auf das Vermögensinteresse und damit auf die Intensität der familialen Verantwortungsgemeinschaft wirkt,517 kommt es deshalb nicht an. Einen anderen, geradezu paradoxen grundrechtsdogmatischen Akzent als die oft angeführte familiale Funktion des Erbrechts setzt eine weitere Ansicht bei der Diskussion über den Regelungszweck des Pflichtteilsrechts: Dabei wird auf die Testierfreiheit als Ausgangspunkt des erbrechtlichen Schutzbereichs zurückgegriffen. Mit der Eheschließung bzw. Kinderzeugung habe sich der Erblasser diesbezüglich selbst freiwillig gebunden.518 Seine Testierfreiheit sei insofern von ihm selbst in dem Maße ausgeübt und damit zugleich beschränkt worden, als diesem Personenkreis nach seinem Willen von nun an zumindest ein Pflichtteilsanspruch zustünde. Die Annahme einer Selbstbindung vermag allerdings den Pflichtteilsanspruch von Kindern gegenüber ihren Eltern nicht zu erklären, weil sich jene nicht freiwillig an die Eltern gebunden haben.519 Zudem überhöht eine Sichtweise, die den Vorgang der Zeugung als bewussten erbgrundrechtlich bedeutenden Willensakt wertet, einen eher fern liegenden grundrechtlichen Ausübungswillen zum Zeitpunkt der Zeugung.520 Ein solcher kann allenfalls bei der Eheschließung unterstellt werden. Gänzlich unabhängig von der Bedeutung verfassungsrechtlich garantierter Rechtsinstitute und dem Schutzbereich des Erbrechts argumentiert schließlich eine auf die abstrakte Vermögensverteilung abstellende Perspektive. Danach solle das Gesamtvermögen der Bevölkerung nicht auf nur wenige Personen konzentriert werden, die in den Verfügungen von Todes wegen bedacht worden sind.521 Die Statuierung von Pflichtteilsansprüchen gegenüber den Erblassern als natürlichen Personen ändert aber an der gesamt515

So Otte (Fn. 471), S. 317 (352); Hetmeier (Fn. 471), S. 83. So W. Leisner (Fn. 478), S. 126 (127); Petri (Fn. 479), S. 205 (206). 517 Unentschieden Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (363); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 123; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (252). 518 Martiny (Fn. 472), S. A 1 (70); Oechsler (Fn. 499), S. 603 (606 ff.). 519 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 126; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (252). 520 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (363); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 126; U. Haas (Fn. 472), S. 249 (252). 521 H. A. Stöcker (Fn. 471), S. 214 (219); Coing (Fn. 506), S. A 1 (45). 516

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

gesellschaftlichen Vermögensverteilung angesichts des großen Anteils von Kapitalgesellschaften nichts wesentlich.522 Außerdem besteht im Gegenteil die Gefahr, dass das Pflichtteilsrecht selbst ökonomische Streuungen bewirkt, indem es die Einheit von Familienunternehmen gefährdet.523 Es mangelt deshalb im Hinblick auf dieses Regelungsziel an der Geeignetheit dieser gesetzlichen Maßnahme.524 Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht für Ehegatten kann deshalb insgesamt widerspruchsfrei drei Regelungsfunktionen umfassen, denen ein Verständnis der Ehe als Vertrauens- und Beistandsgemeinschaft zugrunde liegt: Die eine Auffassung charakterisiert das Erb- und Pflichtteilsrecht als typisierte erbrechtliche Verlängerung der Unterhaltspflichten, die zweite als ebenfalls typusbestimmte Kompensation für die Leistungen des Ehegatten zur Mehrung des Vermögens des Erblassers. Die dritte stellt auf die vom Erblasser zu Lebzeiten bewusst eingegangene Formalisierung der Verantwortungsgemeinschaft durch familienrechtliche Bindung ab. Ein in diesem Sinne verstandener Regelungszweck ist vom gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum umfasst und verstößt nicht gegen die Testierfreiheit nach Art. 14 I 1 GG. Auch hinsichtlich der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit der Regelung hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum nicht überschritten. Es ist nicht erkennbar, mit welcher die Testierfreiheit des Erbrechts geringer belastenden gesetzlichen Regelung das beschriebene Ziel ebenso wirksam erreicht werden kann als mit einem gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsanspruch. Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht für Ehepartner und Abkömmlinge des Erblassers ist deshalb auch dann verfassungsgemäß, wenn die Verwandtenerbfolge nicht als verfassungsrechtliches Merkmal des Erbrechts angesehen wird. cc) Verfassungsrechtliche Beurteilung der Übernahme des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für die Lebenspartnerschaft Lebenspartner bilden miteinander weder eine Ehe noch eine Familie. Sie sind auf einfachgesetzlicher Ebene trotzdem in die gesetzliche Erbfolge einbezogen und es steht ihnen ein Pflichtteilsanspruch zu. Insofern unterscheidet sich die erbrechtliche Stellung von Ehe- und Lebenspartnern nicht voneinander. 522

Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 127. Martiny (Fn. 472), S. A 1 (69); Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 127; Lange (Fn. 472), § 2303 BGB Rn. 5. 524 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 127; Rauscher (Fn. 471), S. 173 f.; Kick (Fn. 472), S. 167 (174); vgl. dazu auch U. Haas (Fn. 472), S. 249 (251). 523

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(1) Die Ansicht des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum LPartDisBG auch zu der Frage Stellung genommen, ob die Einräumung eines gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für Lebenspartner gegen die Testierfreiheit des Erblassers verstößt. Dies ist vom Ersten Senat mit knapper Begründung verneint worden. Er verweist dabei auf die in Art. 14 I 2 GG festgelegte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Erbrechts durch den Gesetzgeber. Dabei müsse dieser „den grundlegenden Gehalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG wahren, sich in Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gleichheitsgebot beachten.“525 Die lebenspartnerschaftliche „Verpflichtung zur gegenseitigen umfassenden Sorge rechtfertigt es ebenso wie bei Ehegatten, dem Lebenspartner mit dem Pflichtteilsrecht auch über den Tod hinaus eine ökonomische Basis aus dem Vermögen des verstorbenen Lebenspartners zu sichern.“526 (2) Eigene Stellungnahme Die Begründung des Ersten Senats betont zutreffend, dass sowohl die durch die Institutsgarantie des Erbrechts gesicherten Wesensmerkmale als auch die übrigen Verfassungsnormen den durch Art. 14 I 2 GG „in besonderem Maße“527 eröffneten gesetzgeberischen Spielraum beschränken.528 Auf die Strukturmerkmale selbst und ihr Verhältnis zueinander geht sie allerdings ebenso wenig ein wie auf den institutionellen Einfluss der durch Art. 6 I GG getroffenen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie auf das Erbrecht. Bei der Frage, ob die Angleichung der erbrechtlichen Rechtsstellung von Mitgliedern beider Rechtsinstitute verfassungsrechtlich zulässig ist, muss die dogmatische Stellung der Privat- und der Verwandtenerbfolge im System der Grundrechte berücksichtigt werden. Aus ihnen ergibt sich eine verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung zwischen der Statuierung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner und der Einräumung eines Pflichtteilsanspruchs: (a) Gesetzliches Erbrecht für Lebenspartner Die Privaterbfolge ist zugleich strukturelle Grundlage und Ergänzung der Testierfreiheit. Sie sichert zum einen die Verfügungsbefugnis des Erblas525 526 527 528

BVerfGE 105, 313 (355). BVerfGE 105, 313 (155). So BVerfGE 67, 329 (341). Vgl. auch BVerfGE 67, 329 (340); 99, 341 (352); 112, 332 (348).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

sers, im Erbfall sein Vermögen auf eine von ihm ausgewählte Person zu übertragen. Andererseits kann mit Hilfe des Grundsatzes der Privaterbfolge die Problematik gelöst werden, auf wen das Vermögen übertragen werden soll, wenn der Erblasser keine ausdrückliche Verfügung von Todes wegen erteilt hat. In diesem Fall soll danach grundsätzlich nicht der Staat, sondern eine Privatperson erben. Dass bei der einfachgesetzlichen Bestimmung des in Frage kommenden Personenkreises auf den Ehegatten und die nahen Verwandten zurückgegriffen wird, entspricht regelmäßig dem Willen des Erblassers, weil der Gesetzgeber vermuten darf, dass es sich hierbei um die Personen handelt, die mit dem Erblasser eine Nähe- und Vertrauensgemeinschaft bildeten. Insofern ist die Privaterbfolge als gesetzlich typisiertes Erbrecht das verfassungssystematische Bindeglied zwischen der Testierfreiheit, wie sie der Erblasser mutmaßlich konkretisiert hätte, und der Verwandtenerbfolge.529 Überträgt man diese Grundsätze auf die Statuierung eines gesetzlichen Erbrechts für den Lebenspartner, so ergeben sich zwischen ihm und einem Ehegatten des Erblassers keine Unterschiede. Bei beiden handelt es sich um Privatpersonen, bei beiden kann der Gesetzgeber aufgrund der formalisierten Bindung zudem davon ausgehen, dass sie dem jeweiligen Erblasser regelmäßig nahe standen und mit ihm eine Solidaritätsgemeinschaft konstituierten.530 Insofern entspricht ein gesetzliches Erbrecht für Lebenspartner typischerweise dem Interesse des Erblassers und damit dem Substrat der Testierfreiheit.531 Sähe man die Statuierung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner als verfassungswidrig an,532 so hätte dies zur Konsequenz, dass der Staat immer dann erben könnte, wenn im Erbfall keine Verwandten existierten, obwohl eine formalisierte Vertrauensgemeinschaft des Erblassers mit einer anderen Person bestanden hätte. Dies würde den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Privaterbfolge gänzlich unberücksichtigt lassen, ohne 529

Dies darf allerdings nicht zu dem Missverständnis führen, die Privaterbfolge sei mit der Verwandtenerbfolge identisch. Der Regelungskreis des Art. 6 I GG ist insoweit nicht an das Strukturmerkmal der Privaterbfolge gekoppelt, vgl. Rauscher (Fn. 471), S. 70 ff. 530 Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 130. Rauscher (Fn. 471), Bd. II/1, S. 285 ff., stellt ganz auf den Solidaritätsgedanken ab und befürwortet deshalb auch eine Erbquote für Mitglieder eheähnlicher Gemeinschaften. Die Schwierigkeit, das Bestehen einer solchen Solidargemeinschaft festzustellen, besteht bei formalisierten Lebensverbindungen wie der Lebenspartnerschaft nicht. Nach seinem Ansatz spräche deshalb auch nichts gegen die Einräumung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner. 531 Beck (Fn. 33), S. 1894 (1900); skeptisch Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (399); Tettinger (Fn. 128), S. 117 (171). 532 So Zippelius/Würtenberger (Fn. 135), § 32 I 2 d, S. 295; Umbach (Fn. 163), Art. 6 Rn. 57b; siehe auch Zimmermann (Fn. 373), S. 645 (663 f.).

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dass dafür ein sachgerechtes Differenzierungskriterium zwischen der Ehe und Lebenspartnerschaft vorhanden wäre. Die Einräumung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner ist deshalb verfassungsgemäß. (b) Pflichtteilsanspruch für Lebenspartner Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Verwandtenerbfolge mit dem sich daraus ergebenden Pflichtteilsanspruch ein verfassungsrechtliches Wesensmerkmal des Rechtsinstituts des Erbrechts. Die aus der objektiven Wertentscheidung des Art. 6 I GG abgeleitete staatliche Förderverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie intendiert ihre Berücksichtigung als Begrenzung der in Art. 14 I 1 GG gewährleisteten Testierfreiheit des Erblassers. Der selbst bestimmte Freiheitsraum der Testierfreiheit findet dort seine Grenze, wo die Förderung von Ehe und Familie im Erbrecht das gesetzliche Pflichtteilsrecht verlangt. Die Lebenspartner werden durch Art. 6 I GG nicht geschützt. Sie können sich deshalb auch nicht auf die Verwandtenerbfolge als verfassungsrechtlich geschütztem Strukturmerkmal des Erbrechts berufen.533 Daraus folgt, dass in ihrem Fall die Testierfreiheit nicht durch die grundgesetzliche Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie beschränkt ist. Stattdessen ist hier der durch die Testierfreiheit gewährleistete Handlungsbereich des Erblassers weiter gezogen als dies bei der Verwandtenerbfolge für den Ehegatten und die Kinder der Fall ist.534 Mit der Förderverpflichtung für Ehe und Familie geht zudem ein differenzierter Nivellierungsschutz vor rechtlicher Angleichung anderer Rechtsinstitute einher. Die erbrechtliche Position des Lebenspartners wird deshalb durch das grundrechtliche Zusammenspiel zweier Bezugsebenen bestimmt: Auf der einen Seite ist der Schutzbereich der Testierfreiheit des Erblassers eines Lebenspartners gegenüber demjenigen eines verheirateten Erblassers deutlich erweitert. Auf der anderen Seite folgt aus der grundrechtsbedingten erbrechtlichen Sonderstellung des Ehegatten und der Kinder des Erblassers gegenüber anderen Personen, dass sie nicht auf Mitglieder von Rechtsinstituten ausgedehnt werden kann, zu deren Förderung der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist.535 Als Konsequenz dieser beiden grundrechtlichen Wirkungsebenen ist die einfachrechtliche Statuierung eines gesetzlichen Pflichtteils533

Soweit noch zustimmend Kaiser (Fn. 469), S. 286 (290). Rauscher (Fn. 471), Bd. I, S. 94 f., lehnt zwar die Statuierung eines Pflichtteilsrechts für Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften ab, begründet dies aber vor allem mit ihrer fehlenden Rechtsbindung. Diese ist bei der Lebenspartnerschaft vorhanden. Um Missverständnisse über den Kreis der Pflichtteilsberechtigten auszuschließen, muss zur Rechtfertigung des Pflichtteilsanspruchs statt auf die Rechtsbindung auf das von Art. 6 I GG geprägte verfassungsrechtliche Verhältnis von Testierfreiheit und Verwandtenerbfolge abgestellt werden, vgl. auch ders. (Fn. 471), Bd. II/2, S. 90 f. 534

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

rechts für Lebenspartner verfassungswidrig.536 Erst recht besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung dazu.537 Die verfassungsrechtliche Problematik muss allerdings grundlegend anders beurteilt werden, wenn man die Verwandtenerbfolge entgegen dem vorliegenden Untersuchungsergebnis nicht für ein dem einfachgesetzlichen Erbrecht durch Art. 14 I 1 GG vorgegebenes Wesensmerkmal hält. In diesem Fall würde die Testierfreiheit nur durch das Merkmal der Privaterbfolge begrenzt. Aus Art. 6 I GG folgten im Rahmen des Erbrechts keine dogmatischen Implikationen für Ehe und Familie oder andere Rechtsinstitute. Die Privaterbfolge wäre bei einem gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht für Lebenspartner gewahrt, da es sich bei der Lebenspartnerschaft nicht um eine ausschließlich dem staatlichen Bereich zugeordnete Rechtsform handelt. Die eheähnliche erbrechtliche Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft auf einfachrechtlicher Ebene schränkte somit zwar die Testierfreiheit des Erblassers ein und müsste sich an Art. 14 I 2 GG als Prüfungsmaßstab messen lassen. Die in ihrem Rahmen stattfindende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung unterschiede sich hinsichtlich ihres Ergebnisses aber nicht von den Wertungen, die auch dem gesetzlichen Pflichtteilsrecht für Eheleute zugrunde liegen: Bei der Lebenspartnerschaft besteht ebenso wie bei der Ehe ebenfalls eine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung. Beide Rechtsinstitute sind überdies rechtlich strukturierte Nähe- und Beistandsgemeinschaften, die eine familienrechtliche Bindung beinhalten. Die Auffassungen, die das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht als erbrechtliches Korrelat der Unterhaltsleistung, einer familienrechtlichen Bindung oder als Kompensation für die Leistungen des Erben zur Mehrung des Vermögens des Erblassers ansehen, müssen zu dem Ergebnis kommen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums diese Funktion auch für die Lebenspartnerschaft vorsehen kann. An der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit dieser Regelung bestünden dann ebenso wenig Bedenken wie beim ehegattenspezifischen Erb- und Pflichtteilsrecht. 535 Anders Kaiser (Fn. 469), S. 286 (290), die den durch Art. 14 I 2 GG eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont, aber zugleich konzediert, dass „im Zweifel Normen zu Gunsten der Testierfreiheit des Erblassers und gegen den Pflichtteilsanspruch des Lebenspartners ausgelegt werden“ müssten. Die Einwirkung des Art. 6 I GG auf den legislativen Gestaltungsspielraum bleibt nach dieser Ansicht allerdings ohne klar konturierten dogmatischen Maßstab; vgl. ferner Burkiczak (Fn. 457), S. 7 (11); Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (67). 536 Auch Braun (Fn. 78), S. 78 f.; Rauscher (Fn. 71), Rn. 753. Leipold (Fn. 87), S. 218 (222), hält die generelle erbrechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft bei Annahme eines Differenzierungsgebotes für verfassungswidrig, ohne zwischen gesetzlichem Erb- und Pflichtteilsrecht zu differenzieren. 537 Ein verfassungsrechtliches Gebot zur Einführung eines lebenspartnerschaftlichen Pflichtteilsrechts wird auch von Kaiser (Fn. 469), S. 286 (290), abgelehnt.

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Insofern erwiese sich die rechtliche Übertragung der entsprechenden Regelungen auf die Lebenspartnerschaft als verfassungsmäßige Einschränkung der Testierfreiheit.538 Hielte man die Verwandtenerbfolge – entgegen der hier vertretenen Ansicht – nicht für ein Verfassungsmerkmal des Erbrechts, wäre die Statuierung eines gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für Lebenspartner verfassungskonform. dd) Das Grundrecht der Verwandten des Lebenspartners, kraft Erbfolge Eigentum zu erwerben, Art. 14 I 1 GG Bei der verfassungsrechtlichen Untersuchung der Übertragbarkeit erbrechtlicher Bestimmungen auf die Lebenspartnerschaft muss neben dem Grundrechtsschutz des Erblassers auch die grundrechtliche Position des Erben in den Blick genommen werden. Wenn § 10 LPartG dem überlebenden Lebenspartner einen gesetzlichen Erb- und Pflichtteilanspruch einräumt, wird damit zugleich die hypothetische Erbquote derjenigen Personen reduziert, die vor der Einführung dieses Anspruchs für Lebenspartner die einzigen Erben des Erblassers waren. Dies gilt insbesondere für die Abkömmlinge des in einer Lebenspartnerschaft lebenden Erblassers. Fraglich ist deshalb, ob durch Art. 14 I 1 GG auch der potentielle Erbanspruch des Erben geschützt ist. Bejahte man dies, würde durch die Konstituierung eines Erbanspruchs für Personen, die wie der Lebenspartner bisher nicht berücksichtigt wurden, der abwehrrechtliche Schutzbereich des Erbrechts der schon bisher erbberechtigten Personen verletzt.539 Gegen eine solche Annahme spricht allerdings Art. 14 I 2 GG, der die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Erbrechts bei Beachtung seiner verfassungsrechtlich geschützten Strukturmerkmale der gesetzgeberischen Entscheidung überlässt. Zwar erstreckt sich der grundrechtliche Schutz des Art. 14 I 1 GG grundsätzlich auch auf den Erben und sein Recht, zu erben. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in ständiger Rechtsprechung allerdings nicht auf einen genauen Zeitpunkt festgelegt, ab wann diese grundrechtliche Schutzwirkung frühestens eingreift. Stattdessen hat es konstatiert, dass der Grundrechtsschutz „jedenfalls vom Eintritt des Erbfalls an“ beginnt.540 Diese Formulierung wird auch von Stimmen in der Literatur aufgegriffen.541 Eine Vorverlagerung des Grundrechtsschutzes wird von 538 So auch Wieland (Fn. 265), Art. 14 Rn. 67; Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 128 ff. 539 So Braun (Fn. 78), S. 78; Rauscher (Fn. 71), Rn. 753. 540 BVerfGE 91, 346 (360); 93, 165 (174); 97, 1 (6); 99, 341 (349); 101, 397 (407); 112, 332 (346); vgl. auch BVerfGE 19, 202 (206); 67, 329 (340 f.).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

der großen Mehrheit der Literatur abgelehnt542 und nur vereinzelt vertreten.543 Zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls bemisst sich ein Erbanspruch aber nach der Rechtslage, die dann gilt, und nicht danach, wem das Erbe vor diesem Zeitpunkt zugestanden hätte. Wenn durch die Rechtsordnung dem Lebenspartner ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zuerkannt wird, können andere sich zu diesem Zeitpunkt deshalb nicht mehr auf einen etwaigen Anspruch berufen, den sie nach einer früheren Rechtslage gehabt hätten. Ein Grundrechtsschutz von erbrechtlichen Ansprüchen, die vor Inkrafttreten des LPartDisBG existierten, besteht deshalb für Verwandte des verstorbenen Lebenspartners nicht, wenn man den Zeitpunkt des Erbfalls als Schutzbeginn ansieht.544 Gegen eine zeitliche Vorverlagerung des Grundrechtsschutzes spricht zudem, dass damit eine konkrete einfachgesetzliche Rechtslage verfassungsfest petrifiziert würde, obwohl die Verfassung durch die Ermächtigung des Art. 14 I 2 GG gerade dem Gesetzgeber die einfachgesetzliche Gestaltung des Erbrechts unter Beachtung seiner Wesensmerkmale überlässt. Dies wäre systemwidrig.545 Überdies werden durch § 10 LPartG die Erbansprüche der Verwandten des Erblassers dem Grunde nach gar nicht aufgehoben, sondern allenfalls die Erbquoten verringert. Eine bestimmte Erbquote der einfachgesetzlichen Regelung zu entziehen, indem sie zum Bestandteil eines grundrechtlichen Schutzbereichs gemacht würde, verstößt ebenfalls gegen Art. 14 I 2 GG. Dieses Argument war für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich, eine Verletzung des grundrechtlich geschützten Erbrechts der übrigen Erbberechtigten durch § 10 LPartG zu verneinen.546 Das grund541

Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 513; Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 297; Sieckmann (Fn. 265), Art. 14 Rn. 215; vgl. auch Edenhofer (Fn. 472), Einl. v. § 1922 BGB Rn. 4; Dietlein (Fn. 265), § 113 XI 4 b, S. 2325 f.; Leipold (Fn. 472), Erbrecht, Einl. Rn. 34; Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (360); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 134; Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (67). 542 Am deutlichsten Bryde (Fn. 265), Art. 14 Rn. 45, nach dem das Recht, Erbe zu werden, bis zum Erbfall bloße „Hoffnung“ sei. Im Ergebnis ähnlich, aber dogmatisch missverständlich Rittstieg (Fn. 265), Art. 14/15 Rn. 149, der diese Hoffnung für grundrechtlich geschützt hält, allerdings nur „nach Maßgabe des geltenden Rechts“. Nach W. Leisner (Fn. 472), Rn. 6, ist die „Freiheit des Übergangs“ des Eigentums vom Erblasser zum Erben geschützt. Der Erbe ist insofern erst nach dem Tode des Erblassers Grundrechtsträger. 543 Vyas (Fn. 472), S. 1 (5), die allerdings begründen müsste, ob und in welchem Rahmen eine einfachgesetzliche Änderung der gesetzlichen Erbfolge dann überhaupt noch möglich wäre. 544 Wölfl (Fn. 11), S. 371 f.; Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (360); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 134; Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (67); wohl auch v. Arnauld/ Platter (Fn. 145), S. 411 (415). 545 Leipold (Fn. 87), S. 218 (221). 546 BVerfGE 105, 313 (356 f.).

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rechtlich geschützte Erbrecht sichert nur eine Mindestbeteiligung der Erben, nicht jedoch eine bestimmte Erbquote.547 Aus dem grundrechtlich verbürgten Recht zu erben, kann deshalb für die verfassungsrechtliche Beurteilung der erbrechtlichen Regelungen der Lebenspartnerschaft nichts hergeleitet werden. ee) Ergebnis Die Testierfreiheit sowie die Privat- und Verwandtenerbfolge sind Wesensmerkmale des durch Art. 14 I 1 GG verfassungsrechtlich gesicherten Rechtsinstituts des Erbrechts. Die Testierfreiheit wird nicht in verfassungswidriger Weise durch die Statuierung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner eingeschränkt, da letzteres dem Strukturmerkmal der Privaterbfolge entspricht. Anders muss die Statuierung eines Pflichtteilsanspruchs für Lebenspartner beurteilt werden, weil der Grundsatz der Verwandtenerbfolge nur für Angehörige der in Art. 6 I GG genannten Rechtsinstitute gilt. Die gesetzliche Regelung eines solchen Anspruchs verletzt die Testierfreiheit des Erblassers. Hält man die Verwandtenerbfolge dagegen nicht für ein grundgesetzlich geschütztes Wesensmerkmal des Erbrechts, ist auch ein solcher Pflichtteilsanspruch verfassungsgemäß. Das ebenfalls in Art. 14 I 1 GG geschützte Recht der Verwandten, zu erben, ist in keinem Fall tangiert. 11. Zivilprozessrecht a) Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes, § 41 Nr. 2a ZPO Nach § 41 I Nr. 2a ZPO548 ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen seines Lebenspartners ausgeschlossen, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht. Die gleiche Regelung existierte bis zur Einführung dieser Normergänzung schon für (ehemalige) Ehegatten (§ 41 Nr. 2 ZPO), für Verwandte und Verschwägerte (§ 41 Nr. 3 ZPO) und für verschiedene andere Konstellationen, in denen der betreffende Richter in anderer Stellung am Verfahren beteiligt war oder ist (§ 41 Nr. 1, 4–7 ZPO). 547 BVerfGE 112, 332 (355): „Auch die Höhe des Pflichtteils ist nicht verfassungsrechtlich strikt vorgegeben; (. . .)“. Siehe auch Edenhofer (Fn. 472), Überbl. v. § 2303 BGB Rn. 4; Kaiser (Fn. 469), S. 286 (290); Muscheler (Fn. 153), Rn. 47; Burkiczak (Fn. 457), S. 7 (11); Forkert (Fn. 38), S. 38; Lipp (Fn. 478), S. 2201 (2205); Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 302; Stüber (Fn. 471), in: JR 2002, S. 359 (364); ders. (Fn. 101), Einl., Rn. 132; Kemper (Fn. 244), S. 449 (458). 548 Eingefügt durch Art. 3 § 16 Nr. 1 LPartDisBG.

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Ein inhaltlicher Vergleich der in § 41 ZPO enumerativ aufgeführten Fallgruppen ergibt, dass dort jeweils die richterliche Unabhängigkeit und Objektivität gefährdet sein könnte, wenn ein Richter in diesen Fällen zur Entscheidungsfindung berechtigt wäre. Dies folgt bei der Ehe aus der vermuteten Nähebeziehung zwischen den Ehegatten. Das Gleiche gilt auch für die Lebenspartnerschaft, weil ein Vertrauens- und Näheverhältnis nicht nach der Geschlechtsidentität der Personenverbindung differenziert werden kann.549 Die familiale Potentialität der Ehe spielt dabei keine Rolle und entfaltet deshalb keine Sperrwirkung für eine Übertragung der Regelung auf die Lebenspartnerschaft. Die Einfügung von § 41 Nr. 2a ZPO ist daher verfassungsgemäß. b) Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Prozesskostenhilfe, § 115 I 3 Nr. 2 ZPO, sowie pfändungsrechtliche Vorschriften, §§ 850c I 2, 850d I 1, II b), 850i I 1, 863 I 1 ZPO Vom Einkommen, das die Partei bei der Gewährung und Berechnung möglicher Prozesskostenhilfe einzusetzen hat, ist nach § 115 I 3 Nr. 2 ZPO ein bestimmter Betrag für sie und ihren Ehegatten oder Lebenspartner abzusetzen.550 Ebenso ist ein bestimmter Unterhaltsbetrag für Lebenspartner als Pfändungsfreigrenze bei Arbeitseinkommen, § 850c I 2 ZPO, sonstigen Vergütungen, § 850i I 1 ZPO, und Erbschaftsnutzungen, § 863 I 1 ZPO, zu berücksichtigen. Die Pfändbarkeit von Unterhaltsansprüchen der Lebenspartner wird derjenigen von Ansprüchen der Ehegatten gleichgestellt, § 850d ZPO.551 Die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in den genannten Regelungen beruht auf der beiden Rechtsinstituten immanenten gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung. Dies gilt sowohl für die Prozesskostenhilfe552 als auch für die Pfändbarkeit entsprechender Ansprüche.553 Die Statuierung einer gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung verstößt bei der Lebenspartnerschaft nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe.554 Des549 Vgl. die Begründung zu Art. 3 § 54 Nr. 1 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 57: „Hier besteht die typische Gefahr der Beeinflussung durch eine enge familienrechtlich abgesicherte Bindung, die einen gesetzlichen Ausschließungsgrund rechtfertigt.“ 550 Vgl. Art. 3 § 16 Nr. 5 LPartDisBG. 551 Der (frühere) Lebenspartner wurde durch Art. 3 § 16 Nr. 12–15 LPartDisBG in diesen Regelungen berücksichtigt. 552 Siehe die Begründung zu Art. 3 § 54 Nr. 4 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 57: „Eine derartige gesetzliche Unterhaltspflicht hat bei der Bestimmung des Einkommens der Partei Berücksichtigung zu finden.“ 553 Vgl. die Begründung zu Art. 3 § 56 Nr. 11–14 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 58. 554 Ausführlich oben 4. Kapitel B. I. 6. a) bb), S. 484 ff.

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halb kann auch die Berücksichtigung von lebenspartnerschaftlichen Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder der Pfändungsgrenzen nicht die objektive Wertentscheidung zugunsten der Ehe tangieren. Die Einbeziehung des Lebenspartners in den Regelungskreis der genannten Normen ist daher verfassungskonform. c) Empfangsberechtigung bei der Ersatzzustellung, § 178 I ZPO Fraglich ist, ob ein Lebenspartner bei der Regelung der Ersatzzustellung als empfangsberechtigte Person berücksichtigt werden kann.555 Nach § 178 I Nr. 1 ZPO kann ein Schriftstück in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten erwachsenen Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner ausgehändigt werden, wenn die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen wird. Diese Norm geht auf § 181 I ZPO a. F. zurück, nach der eine Ersatzzustellung „an einen zu der Familie gehörenden Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende Person“ erfolgen konnte.556 Der Lebenspartner ist in § 178 I Nr. 1 ZPO nicht eigens erwähnt. Um empfangsberechtigt i. S. d. § 178 I ZPO zu sein, müsste er entweder Familienangehöriger oder ständiger Mitbewohner sein. Familienangehörige sind alle zur Familie gehörenden Personen.557 In der Literatur wird vertreten, dass dazu neben den Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten auch der Lebenspartner des Adressaten zu zählen ist.558 Rechtsprechung und Literatur hatten sich bei der Anwendung des § 181 I ZPO a. F. zuvor ausführlich mit der Frage befasst, ob der Lebensgefährte in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als „zur Familie gehörender Hausgenosse“ bezeichnet werden konnte und entsprechende Kriterien zur Eingrenzung dieses Personenkreises herausgearbeitet: 555 Röthel (Fn. 127), S. 511 (518), ist darüber hinaus der Ansicht, er müsse wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes berücksichtigt werden. 556 Das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 hat § 181 ZPO a. F. durch den am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen § 178 ZPO ersetzt, vgl. BGBl. 2001 I, S. 1207. 557 Kurt Stöber, in: Richard Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., 2007, § 178 ZPO Rn. 8. 558 Stöber (Fn. 557), § 178 ZPO Rn. 8; Hans Putzo, in: Heinz Thomas/Hans Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., 2005, § 178 ZPO Rn. 11; Herbert Roth, in: Friedrich Stein/Martin Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 3, 22. Aufl., 2005, § 178 ZPO Rn. 11; Norbert Coenen, Neues Zustellungsrecht, in: DGVZ 2002, S. 183; Joachim Wenzel, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Aktualisierungsband ZPO-Reform, 2. Aufl., 2002, § 178 ZPO Rn. 13; Bruns (Fn. 156), § 11 LPartG Rn. 15a.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Danach gehörten als Hausgenossen zur Familie zunächst alle verheirateten, verwandten und verschwägerten Personen, mithin ein engerer Kreis mit familienrechtlicher Bindung untereinander.559 Darüber hinaus wurden vor dem Hintergrund des Regelungszweckes der Ersatzzustellung aber auch die Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften in den Kreis der empfangsberechtigten Hausgenossen einbezogen: „Mit dieser Vorschrift [§ 181 ZPO a. F.] wollte der Gesetzgeber den Zugang zustellungsbedürftiger Schriftstücke durch Aushändigung an solche Personen ermöglichen, von denen nach der Lebenserfahrung zu erwarten ist, dass sie wegen ihres nach außen zum Ausdruck gebrachten Vertrauensverhältnisses zum Empfänger die Sendung diesem aushändigen werden (. . .) Entscheidend muss deshalb in erster Linie das Bestehen eines solchen Vertrauensverhältnisses und nicht die Frage sein, ob das Verhältnis eine familienrechtliche Grundlage hat.“560 Der Bundesgerichtshof verlangte neben dem Bestehen eines Vertrauensverhältnisses allerdings einschränkend, „dass nur derjenige als ein zur Familie gehörender erwachsener Hausgenosse [i. S. d. § 181 I ZPO a. F.] angesehen werden kann, der aufgrund objektiver und eindeutiger Kriterien als solcher erkennbar ist.“561 Beide Voraussetzungen, das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses und dessen Erkennbarkeit, wurden in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall bejaht, in dem die nichteheliche Lebensgefährtin des Adressaten nicht nur mit ihm allein, sondern gemeinsam in einer Familie zusammenlebte.562 Der BGH konstatierte in der Entscheidung aber ausdrücklich, „daß bei einer Anwendung der hier dargelegten Grundsätze auf eine nur aus zwei Personen bestehende Lebensgemeinschaft die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 181 ZPO ebenfalls bejaht werden müßte.“563 Auf die Einbindung des Empfangsberechtigten in einen Familienverband i. S. d. Art. 6 I GG kam es deshalb bei der Ersatzzustellung nicht an.564 559

Herbert Roth, in: Friedrich Stein/Martin Jonas, Bd. 2, 21. Aufl., 1994, § 181 ZPO Rn. 12 m. w. N. 560 BGHZ 111, 1 (5). 561 BGHZ 111, 1 (6). 562 Vgl. den Leitsatz in BGHZ 111, 1; skeptisch bezüglich der Erkennbarkeit Frank-Rüdiger Heinze, Praxisprobleme bei der Zustellung von Schriftstücken mit Zustellungsurkunden im Sinne der §§ 166 ff. ZPO durch Bedienstete der Deutschen Post AG, in: DGVZ 2000, S. 111 (112 f.). 563 BGHZ 111, 1 (7). Anders noch BGH, NJW 1987, S. 1562 (1562 f.), mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 181 I ZPO a. F. und die fehlende Erkennbarkeit einer solchen Gemeinschaft durch den Zustellenden. 564 Roth (Fn. 559), § 181 ZPO Rn. 13 m. w. N.; vgl. dazu auch OLG Schleswig, NJW 1999, S. 2602 (2603), und Egon Schneider, Tendenzen und Kontroversen in der Rechtsprechung, in: MDR 2000, S. 189 (193).

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Diese Kriterien liegen auch dem neu eingeführten Begriff des Familienangehörigen in § 178 I Nr. 1 ZPO zugrunde.565 Wendet man sie auf die Lebenspartnerschaft an, so sind Lebenspartner des Adressaten schon aufgrund des § 11 I LPartG in ihren Kreis einbezogen. Selbst wenn man diese Norm nicht berücksichtigt, müssten die Lebenspartner als Familienangehörige i. S. d. § 178 I Nr. 1 ZPO charakterisiert werden: Stellte man nur auf die rechtsverbindliche Zugehörigkeit zu einer Familie als Eltern-Kind-Gemeinschaft ab, so wäre die Einbeziehung von Lebenspartnern in diesen Personenkreis zwar in Frage gestellt, weil diese typologisch nicht Eltern im Sinne einer solchen Gemeinschaft sind.566 Allenfalls könnten Ehepartner als potentielle Eltern und damit Familienmitglieder berücksichtigt werden. Die Integration in eine Eltern-Kind-Gemeinschaft als Kriterium der Empfangsberechtigung bei der Ersatzzustellung anzusehen, geht am Regelungsgegenstand des § 178 ZPO aber vorbei. Die beiden vom Bundesgerichtshof genannten Kriterien für den zur Familie gehörenden Hausgenossen, das Vertrauensverhältnis und dessen objektive Erkennbarkeit, sind bei der Lebenspartnerschaft ebenfalls gegeben.567 Das Vertrauensverhältnis zwischen Lebenspartnern und Eheleuten unterscheidet sich typologisch ebenso wenig essentiell voneinander wie das bei beiden Rechtsinstituten gleichermaßen bestehende Bedürfnis des Zustellenden nach sicherer Weitergabe an den 565

Vgl. die Begründung der Bundesregierung zu § 178 I Nr. 1 ZPO im Entwurf des ZustRG, BT-Drucks. 14/4554, S. 20: „An § 181 Abs. 1 ZPO anknüpfend, kann das zuzustellende Schriftstück in der Wohnung an eine zu der Familie gehörende erwachsene Person oder an eine in der Familie beschäftigte Person übergeben werden. Diese Vorschrift unterstellt mit Blick auf die Familienzugehörigkeit oder die vertragliche Bindung zur Familie ein solches Vertrauensverhältnis zu dem Zustellungsadressaten, das die Weitergabe der zuzustellenden Sendung an den Adressaten erwarten lässt.“ 566 Peter Hartmann, in: Adolf Baumbach/Wolfgang Lauterbach/Jan Albers/Peter Hartmann, Zivilprozessordnung, 65. Aufl., 2007, § 178 ZPO Rn. 12: „Art. 6 I schützt nur die aus der Ehe entstehende Familie besonders. Daher kann ‚Familie‘ auch in I nicht anders gemeint sein. Daran hat auch das LPartG ungeachtet seiner Verfassungsmäßigkeit nichts geändert.“ Durch seinen missverständlichen Bezug auf Literaturstimmen und Entscheidungen zur eheähnlichen Gemeinschaft vor Institutionalisierung der Lebenspartnerschaft wird allerdings nicht ganz klar, ob er mit der Bezeichnung „Lebenspartner“ hier auch den Lebensgefährten meint. 567 Noch weitergehend Wenzel (Fn. 558), § 178 ZPO Rn. 13, der auch Mitglieder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ohne förmliche Rechtsverbindung als Familienangehörige i. S. d. § 178 I Nr. 1 ZPO ansieht. Ähnlich schon OVG Hamburg, NJW 1988, S. 1807 (1808); vgl. ferner Eberhard Schilken, Überlegungen zur Reform des Zustellungsrechts, in: DGVZ 1995, S. 161 (163 f.), der zwar den Vertrauenstatbestand auch dort bejaht, sich aber für die Streichung des in § 181 I ZPO a. F. genannten Attributs „zur Familie gehörig“ und für den alleinigen Verbleib des „erwachsenen Hausgenossen“ als Tatbestandsmerkmal ausgesprochen hatte. Das deutet darauf hin, dass er die Bezeichnung gleichgeschlechtlicher Paare als „Familienangehörige“ für durchaus problematisch hielt.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Adressaten. Für die Erkennbarkeit einer formalisierten Bindung durch zustellende Dritte gilt das Gleiche: Ehegatten sind für zustellende Dritte genauso gut oder schlecht erkennbar wie Lebenspartner.568 Aufgrund dieser typologischen Gemeinsamkeiten bei der Ersatzzustellung sind Lebenspartner Familienangehörige nach § 178 I Nr. 1 (1. Alt.) ZPO. Eine solche Auslegung verstößt nicht gegen das aus der Wertentscheidung abgeleitete Differenzierungsverbot, weil dessen Fundament der typologische Bezug zwischen Ehe und Familie ist. Dieser ist bei § 178 ZPO nicht berührt.569 Die Auslegung, Lebenspartner als Familienangehörige i. S. d. § 178 I Nr. 1 ZPO anzusehen, verletzt deshalb nicht Art. 6 I GG. d) Zeugnisverweigerungsrecht, § 383 I Nr. 2a ZPO In § 383 I Nr. 2a ZPO wurde durch Art. 3 § 16 Nr. 9 LPartDisBG dem Lebenspartner einer Partei – auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht – die Berechtigung zur Verweigerung des Zeugnisses eingeräumt. Art. 5 XXI Nr. 1 LPartÜG ergänzte schließlich darüber hinaus § 383 I Nr. 1 ZPO um den lebenspartnerschaftlichen Verlobten. Neben den in dieser Norm außerdem noch genannten Berufszweigen wurde bis zu den beschriebenen Erweiterungen des § 383 I ZPO aus persönlichen Gründen ein solches Recht nur (verschiedengeschlechtlichen) Verlobten, Ehegatten – auch wenn die Ehe nicht mehr besteht – sowie näheren Verwandten und Verschwägerten der Partei zugestanden. Johann Braun ist der Ansicht, § 383 ZPO bewirke primär den „Schutz gesellschaftlich bedeutsamer Institutionen“. Ein möglicher Rechtsverlust durch die Zeugnisverweigerung eines Lebenspartners sei für einen Gläubiger wegen der fehlenden besonderen Bedeutung der Lebenspartnerschaft für die Gesellschaft unzumutbar.570 Unabhängig von der jeweiligen Einschät568 Vgl. Lecheler (Fn. 123), Rn. 92, der eine Einbeziehung nichtehelicher Lebensgemeinschaften wegen deren fehlender formalisierter Bindung ablehnt. Reziprok folgt daraus, dass bei formstrenger Publizität der Bindung dieses Argument nicht gegen eine Einbeziehung spricht. 569 Dies wird auch daran deutlich, dass im Ergebnis von Hartmann (Fn. 566), § 178 ZPO Rn. 12, der Lebenspartner bei der Ersatzzustellung als empfangsberechtigt angesehen wird. Er ist danach „ständiger Mitbewohner“ i. S. d. § 178 I Nr. 1 (3. Alt.) ZPO. Tettinger (Fn. 128), S. 117 (134), hält „aus sozialstaatlichen Erwägungen zum Schutz des schwächeren Partners“ die generelle Einbeziehung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften für möglich; ähnlich Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859), wegen der „persönlichen Verbundenheit“ der Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften. 570 Braun (Fn. 102), S. 23 (30). Mit dieser Aussage wird nicht ganz klar, ob er die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft für nur rechtspolitisch verfehlt oder auch für verfassungswidrig hält.

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zung der gesellschaftlichen Relevanz einzelner Rechtsinstitute ergibt sich aus dem aufgezählten Personenkreis, dass der Grund für die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung das persönliche Nähe- und Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und der betreffenden Person ist.571 Dadurch sollen Konflikte untereinander vermieden werden, die sich aus der persönlichen Nähe zur Partei einerseits und der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage andererseits ergeben könnten.572 Dieses enge Verhältnis zwischen der Partei und dem zur Zeugnisverweigerung Berechtigten besteht unabhängig davon, ob es sich um eine gleich- oder verschiedengeschlechtliche Personenverbindung handelt.573 Durch die Institutionalisierung der Lebenspartnerschaft ist zusätzlich eine der Ehe vergleichbare Publizität gegeben, die etwa beim in § 383 I Nr. 1 ZPO ebenfalls berücksichtigten Verlöbnis nicht in der gleichen Formalisierungsintensität vorliegt. Die Ehe wird deshalb in § 383 I Nr. 2 ZPO als Vertrauensgemeinschaft und nicht als potentielle Familie geschützt. Als bloße Vertrauensgemeinschaft genießt sie auf einfachgesetzlicher Ebene keine verfassungsrechtlich intendierte Exklusivität.574 Die Berücksichtigung des Lebenspartners der Partei als zur Zeugnisverweigerung Berechtigten verstößt deshalb nicht gegen das Grundgesetz. e) Lebenspartnerschaftssachen, § 661 ZPO Durch die Konstituierung der Lebenspartnerschaft als eigenständigem familienrechtlichen Institut neben der Ehe wurde auch eine entsprechende Neugestaltung des zivilprozessualen Verfahrensrechts notwendig. Als neues Verfahren wurden neben den schon gemäß § 606 ZPO bestehenden „Ehesachen“ und den in § 621 ZPO geregelten „anderen Familiensachen“ durch Art. 3 § 16 Nr. 10 LPartDisBG in § 661 ZPO die „Lebenspartnerschaftssachen“ in die Zivilprozessordnung integriert. Die für dieses Verfahren einschlägigen Regelungen sind durch die in § 661 II, III ZPO enthaltenen und teilweise eingeschränkten Verweisungen den erstgenannten Verfahrensvorschriften entnommen.575 571 Vgl. die Begründung zu Art. 3 § 54 Nr. 8 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 58: „Es soll auf die durch die Lebenspartnerschaft offenkundig gemachte enge persönliche Beziehung Rücksicht genommen werden.“ 572 Vgl. Reinhard Greger, in: Richard Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., 2007, § 383 ZPO Rn. 1a; Klaus Reichold, in: Heinz Thomas/Hans Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., 2005, § 383 ZPO Rn. 3: „Gewissenskonflikt“. 573 Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 49; ders. (Fn. 127), S. 487 (506); Pieroth/Kingreen (Fn. 161), S. 219 (236); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1896); Pawlowski (Fn. 163), S. 765; Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859). 574 Wölfl (Fn. 11), S. 374; Pieroth/Kingreen (Fn. 161), S. 219 (236); auch Röthel (Fn. 127), S. 511 (518), wegen Art. 3 I GG. 575 Ausführlich dazu die Kommentierung von Kemper (Fn. 180), § 661 ZPO Rn. 3 ff.

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Art. 5 XXI Nr. 2 LPartÜG nahm weitere Veränderungen des § 661 ZPO vor: Nach § 661 I Nr. 3 ZPO wurden die Nummern 3a bis 3d eingefügt, die auf verschiedene Bereiche der Rechtsbeziehung zwischen den durch Lebenspartnerschaft verbundenen Eltern und einem gemeinschaftlichen Kind verweisen.576 Außerdem wurde durch eine Ergänzung in § 661 I Nr. 4a ZPO nunmehr der Versorgungsausgleich berücksichtigt. Schließlich strich der Gesetzgeber die in § 661 II ZPO enthaltene eingeschränkte Verweisung auf bestimmte Verfahren in anderen Familiensachen der Nr. 5, 7, 8, 9 des ersten Absatzes von § 621 ZPO und ersetzte sie durch einen uneingeschränkten Verweis auf § 621 I Nr. 1–9 ZPO. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Statuierung eines eigenen Verfahrens für Lebenspartnerschaftssachen grundsätzlich unproblematisch: Durch die damit vorgenommene Differenzierung wird deutlich, dass das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft weder mit der Ehe noch mit der Familie vollständig identisch ist. Das Verfahrensrecht spiegelt insofern die materielle Rechtslage wider. Bedenken begegnet insoweit auch nicht die Erwähnung des Versorgungsausgleichs in § 661 Nr. 4a ZPO n. F., da dieser für die Lebenspartnerschaft eingeführt werden konnte, ohne die Verfassung zu verletzen.577 Verfassungsrechtlich problematischer ist dagegen der Bezug auf das gemeinschaftliche Kind der Lebenspartner in § 661 I Nr. 3a–3d ZPO n. F. Adoptionsregelungen, die Lebenspartnern ein Kind als gemeinschaftlich zuerkennen, verstoßen nach der hier vertretenen Auffassung gegen den verfassungsrechtlich garantierten Eheschutz.578 Folgt man dieser Ansicht, geht die durch das LPartÜG vorgenommene entsprechende zivilprozessuale Erweiterung des Zuständigkeitskatalogs in § 661 I ZPO fehl. Bedenklich könnte auch der normative Verweis auf den Regelungsgehalt von Vorschriften für schon bestehende familienrechtliche Verfahren sein. Das betrifft die nach §§ 661 II, 606 I 1, 621 I ZPO gegebene ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts für Lebenspartnerschaftssachen. Dort könnte die familiale Potentialität der Ehe tangiert sein und deshalb eine Sperrwirkung für die Anwendung auf die Lebenspartnerschaft bestehen. Die verfahrensrechtliche Anlehnung der Lebenspartnerschaftssachen an die in §§ 606–620g ZPO näher geregelten Ehesachen ist allerdings deshalb vorgenommen worden, weil sich die Interessenlagen der beteiligten Parteien in den in § 661 II, 606 ZPO a. F. genannten Fällen sowohl bei der Ehe als auch bei der Lebenspartnerschaft grundsätzlich ähneln. Dies gilt auch für 576 Nr. 3a: elterliche Sorge; Nr. 3b: Umgang; Nr. 3c: Herausgabe; Nr. 3d: gesetzliche Unterhaltspflicht. 577 Vgl. oben 4. Kapitel B. I. 7. b), S. 503 ff. 578 Siehe ausführlich 4. Kapitel B. I. 9. b) aa), S. 541 ff.

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die in § 621 I Nr. 5, 7, 8, 9 ZPO beschriebenen Konstellationen, auf die § 661 II ZPO a. F. vor Inkrafttreten des LPartÜG verwiesen hatte. Durch die dort vorgenommene beschränkte Verweisung auf nur einige Verfahrensmaterien der anderen Familiensachen wurde deutlich, dass der Lebenspartnerschaft nicht durch den Verweis auf kindesbezogene Verfahrensgegenstände ein familialer Bezug zuerkannt wird, der ihr aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zukommen kann. Verfahrensgegenstände des § 621 I ZPO, die einen solchen Bezug zur Familie als Eltern-Kind-Gemeinschaft enthalten, waren in § 661 II ZPO a. F. zunächst nämlich ausdrücklich nicht genannt. Die bloße Namensbezeichnung als Familiengericht kann deshalb noch nicht die Einrichtung eigener amtsgerichtlicher Abteilungen mit einer Zuständigkeit ausschließlich für Lebenspartnerschaftssachen erzwingen. Angesichts der beschriebenen Ähnlichkeit der Interessenlage bei Ehe- und Lebenspartnern verletzt die Anwendung paralleler Verfahrensvorschriften durch Verweisungen und die Statuierung der Zuständigkeit desselben Gerichts den besonderen Schutz von Ehe und Familie grundsätzlich nicht, wenn auf ausdrücklich familienbezogene Regelungen kein Bezug genommen wird. Durch das LPartÜG ist die Beschränkung auf nur einige der Verfahren, die in § 621 I ZPO genannt werden, bei der Neufassung des § 661 II ZPO aufgegeben worden. Die Verweisung berührt jetzt auch Verfahren, die Rechtsbeziehungen zwischen den Lebenspartnern und ihrem Kind regeln.579 Außerdem wird nunmehr auch noch auf weitere Verfahren des § 621 I ZPO verwiesen, die andere familienrechtliche Bereiche betreffen.580 Letztere sind bei der Lebenspartnerschaft unproblematisch, weil sie nicht die familiale Potentialität der Ehe tangieren. Die Verfahren, die Rechtsbeziehungen zwischen den Eltern und ihren gemeinschaftlichen Kindern betreffen, können dagegen nicht auf Lebenspartnerschaften übertragen werden, da das aus Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot wegen des typologischen Familienbezugs der Ehe eine enstprechende Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft untersagt. f) Ergebnis Die zivilprozessualen Normen, in denen die Lebenspartnerschaft Berücksichtigung gefunden hat, sind insoweit verfassungsgemäß, als in ihnen entweder das Vertrauens- und Näheverhältnis zwischen den Lebenspartnern 579

§ 621 I Nr. 1, 2, 3, 10 ZPO. Versorgungsausgleich (Nr. 6); Unterhalt für Vater oder Mutter aus Anlass der Geburt, Beerdigungskosten für die Mutter bei nicht miteinander verheirateten Eltern (Nr. 11); Ehefähigkeit und Eheverbot (Nr. 12); Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (Nr. 13). 580

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oder die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung zum Ausdruck kommt. Diese Bereiche berühren nicht den durch Art. 6 I GG gewährleisteten besonderen Schutz der Ehe als potentielle Familie. Der zivilprozessuale Bezug der Lebenspartnerschaft zu gemeinschaftlichen Kindern ist dagegen verfehlt, weil die zugrunde liegende einfachgesetzliche materielle Rechtslage insofern das aus der Verfassung abgeleitete Differenzierungsgebot beachten muss. 12. Straf- und Strafprozessrecht a) Der grundrechtliche Einfluss des Art. 6 I GG im Straf- und Strafprozessrecht Die Konstituierung der Lebenspartnerschaft durch das LPartDisBG hatte auch Auswirkungen auf das materielle Straf- und Strafprozessrecht. In einige Regelungen, in denen jeweils der Ehegatte aufgeführt worden war, wurde nun auch der Lebenspartner integriert. Diese Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft unterliegt wie jede einfachgesetzliche Norm dem Vorrang der Verfassung und damit dem Maßstab des besonderen Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art. 6 I GG. Ulrich Skwirblies hat im Zusammenhang mit einer möglichen Einbeziehung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in das Straf- und Strafprozessrecht den verfassungsrechtlichen Standpunkt vertreten, dass diejenigen Normen, die die Angehörigeneigenschaft regelten, „nicht zum unmittelbaren Kernbereich der Ehe und damit auch nicht in den des Art. 6 Abs. 1 GG gehören, so daß eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Normen verfassungsrechtlich unbedenklich wäre.“581 Dieses Ergebnis wird einer Definition des grundrechtlichen Schutzbereichs von Ehe und Familie entnommen, nach welcher der „rechtliche Kernbestand“ dieser Rechtsinstitute „vornehmlich von denjenigen Normen, die die Ehe als Organisationsform regeln und damit einen Regelungskomplex schaffen, der sämtliche Bereiche des Verhältnisses der Ehegatten untereinander regelt, bezeichnet (wird). Dazu gehören primär die Normen des Vierten Buches des BGB sowie deren Ausfluß im Erbrecht.“ Die strafrechtliche Angehörigeneigenschaft sei schon deshalb nicht Bestandteil dieses Regelungskomplexes, weil sie „viele weitere zwischenmenschliche Beziehungen über die Ehe hinaus“ erfasse.582 Gegen die letztgenannte Schlussfolgerung dieser Argumentation spricht zum einen ihre zirkuläre Charakteristik, weil als Ergebnis schon vorausgesetzt wird, was eigentlich erst nachgewiesen werden soll: Dass sich aus 581 Ulrich Skwirblies, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und Angehörigenbegriff im Straf- und Strafprozeßrecht, 1990, S. 62. 582 Skwirblies (Fn. 581), S. 61.

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dem besonderen Schutz von Ehe und Familie nicht ergibt, dass nur Angehörige dieser Rechtsinstitute auch solche im strafrechtlichen Sinne sein können.583 Auch die verfassungsdogmatische Grundlage der vorgenommenen Bestimmung des grundrechtlichen Kernbereichs ist zweifelhaft: Zum „Regelungskomplex, der sämtliche Bereiche des Verhältnisses der Ehegatten untereinander regelt“, kann auch das Straf- und Strafprozessrecht mit der Definition des Angehörigen als Bestandteil des umfassenden „Verhältnisses der Ehegatten untereinander“ gehören. Aus dem von Skwirblies gewählten Abgrenzungskriterium ergibt sich demnach die systematische Schwierigkeit, zu ermitteln, nach welchen Maßstäben bestimmte Regelungsbereiche vom grundrechtlichen Wirkungsraum auszuschließen sind. Sie lässt sich vermeiden, wenn man auf den sich aus den Wesensmerkmalen von Ehe und Familie ergebenden Funktionszusammenhang zwischen beiden Rechtsinstituten als Gegenstand ihres besonderen Schutzes durch Art. 6 I GG abstellt und überprüft, ob die Normen Ehegatten als potentielle Eltern oder als Mitglieder einer Vertrauens-, Beistands- und Nähegemeinschaft privilegieren. Die Konsequenz daraus ist allerdings, dass jede Regelung, in der die Lebenspartnerschaft neben der Ehe berücksichtigt worden ist, eigenständig untersucht werden muss. b) Begriff des Angehörigen, § 11 I Nr. 1 a) StGB In § 11 Nr. I 1 StGB wird der Begriff des Angehörigen i. S. d. Gesetzes definiert. Der Umfang des erfassten Personenkreises hat strafrechtliche Konsequenzen für eine Reihe von im StGB aufgeführten Delikten, in denen der Täter bei Taten zugunsten von Angehörigen entlastet wird (§ 35 – entschuldigender Notstand; § 139 III – Nichtanzeige geplanter Straftaten; § 157 – Aussagenotstand; § 213 – Minder schwerer Fall des Totschlags; § 258 VI – Strafvereitelung), und bei solchen zum Nachteil eines Angehörigen, in denen die Strafverfolgung von dessen Antrag abhängt (§ 247 – Haus- und Familiendiebstahl; § 259 II – Hehlerei; § 263 IV – Betrug; § 265a III – Erschleichen von Leistungen; § 266 II – Untreue; § 294 – Jagd- und Fischwilderei). Außerdem scheidet beim Übergang des Strafantragsrechts nach dem Tod des Verletzten ein Angehöriger als Berechtigter gemäß § 77 II 4 StGB aus, wenn dieser selbst an der Tat beteiligt ist.584 583 Zudem ist es nach Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in den Angehörigenbegriff auf einfachgesetzlicher Ebene erst recht fraglich, ob dort wirklich eine planwidrige Regelungslücke bezüglich anderer nichtehelicher Lebensgemeinschaften besteht, so auch Henning Radtke, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Wolfgang Joecks und Klaus Miebach, Bd. 1, 2003, § 11 StGB Rn. 13. Diesen Umstand konnte allerdings Skwirblies 1990 noch nicht berücksichtigen. 584 Vgl. dazu auch § 230 I 2 StGB zur vorsätzlichen Körperverletzung.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Nach § 11 I Nr. 1 a) StGB ist Angehöriger im Sinne des Gesetzes, wer zum folgenden Personenkreis gehört: „Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder der Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist.“585 Zunächst zählten die Lebenspartner der Geschwister und die Geschwister des Lebenspartners – anders als bei Ehepartnern – nicht dazu. Diese Ungleichbehandlung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Geschwister ist in der Kommentarliteratur als nicht nachvollziehbar kritisiert586 und erst durch das LPartÜG beseitigt worden. Entscheidender teleologischer Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob eine Implementierung der Lebenspartnerschaft in den strafrechtlichen Angehörigenbegriff vom verfassungsrechtlichen Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe erfasst wird und damit verfassungswidrig wäre, ist die wortlautgeleitete Analyse der Systematik der in § 11 I Nr. 1 StGB vorgenommen Definition des Angehörigen. Ergäbe sich danach ein exklusiv ehelicher Familienbezug als Normgrundlage, könnte der strafrechtliche Angehörigenbegriff für Lebenspartner nicht geöffnet werden. Aus dem Wortlaut der Bezeichnung des „Angehörigen“ selbst ist eine Begrenzung auf Familienmitglieder als unmittelbare Mitglieder einer ElternKind-Gemeinschaft nicht zu entnehmen; vielmehr spricht für die Flexibilität dieses Begriffs, dass das Gesetz bei ihm auf das Attribut des Familien-Angehörigen verzichtet und sich insofern ein ausschließlich familialer Bezug nicht aufdrängt. Das wird durch den systematischen Aufbau der Legaldefinition verstärkt: Nach § 11 I Nr. 1 b) StGB sind auch Pflegeeltern und -kinder Angehörige. Ihre Gemeinschaft kann zwar eine Familie i. S. d. Art. 6 I GG bilden;587 insofern besteht ein Zusammenhang zwischen ihrer Bezeichnung als Angehörige und dem Rechtsinstitut der Familie. Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ist aber mit dieser Familie nicht deckungsgleich, sondern besteht zwischen den natürlichen Eltern und den Pflegekindern fort.588 Diese nicht vorhandene Kongruenz sowie der Umstand, 585 Der Lebenspartner wurde durch Art. 3 § 32 Nr. 1 LPartDisBG berücksichtigt, der Verlobte i. S. d. LPartG und die Lebenspartner der Geschwister sowie die Geschwister der Lebenspartner durch Art. 5 XXIX LPartÜG. 586 Herbert Tröndle/Thomas Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Aufl., 2007, § 11 StGB Rn. 7: „nicht sachgerecht“; Bruns (Fn. 156), § 11 LPartG Rn. 32. 587 BVerfGE 68, 176 (187). 588 Schmid (Fn. 171), S. 111: „Die Pflegefamilie stellt sich damit als Durchbrechung sämtlicher Zurechnungsprinzipien der Familie dar. Die Pflegefamilie ist eine

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dass die in § 11 I Nr. 1 Buchst. a StGB genannten Personen auch dann noch Angehörige im strafrechtlichen Sinne sind, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht mehr besteht, sind Indikatoren für eine eigenständige strafrechtliche Inhaltsbestimmung des Angehörigenbegriffs. Gemeinsam ist dem in § 11 I Nr. 1 StGB genannten Personenkreis aus rechtssystematischer Perspektive, dass es sich beim strafrechtlichen Angehörigenverhältnis um formalisierte, dem Familienrecht zuzuordnende Bindungen handeln oder gehandelt haben muss.589 Aus dieser Sicht soll die Eigenschaft als Angehöriger – gerade in Verbindung mit den genannten Straftatbeständen – nicht deshalb Personenverbindungen zu gute kommen, weil sie die potentielle Eigenschaft zur Fortpflanzung besitzen. Stattdessen steht auch hier das durch das Angehörigenverhältnis i. S. d. § 11 I Nr. 1 StGB vermutete Vertrauens- und Näheverhältnis der Personen im Vordergrund, das den durch die Tatbestandsverwirklichung indizierten Unrechtscharakter mindert bzw. den Schuld- oder Strafausspruch ganz ausschließt.590 Ausdruck dieses Verhältnisses ist die formalisierte Bindung. Insofern stellt der Gesetzgeber einen verfassungsrechtlich zulässigen typologischen Konnex zwischen Bindung und Vertrauensverhältnis her.591 Lebenspartnerschaft und Ehe sowie das gleich- bzw. verschiedengeschlechtliche Verlöbnis unterscheiden sich dabei nicht voneinander.592 Deshalb ergibt sich aus dem Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe keine exklusive strafrechtliche Privilegierung von Eheleuten im Sinne einer Begrenzung des Angehörigenbegriffs auf die Mitglieder der in Art. 6 I GG genannten Rechtsinstitute. Lebenspartner und Verlobte im Sinne des LPartG können deshalb in § 11 I Nr. 1 StGB als Angehörige definiert werden, ohne gegen den besonderen Schutz von Ehe und Familie zu verstoßen.593 faktisch existierende Familiengemeinschaft, die mit etwa noch vorhandenen Familien(-resten) konkurriert.“ 589 Tröndle/Fischer (Fn. 586), § 11 StGB Rn. 2. 590 Risse (Fn. 276), S. 323; Bruns (Fn. 276), S. 6 (9); Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859). 591 Tröndle/Fischer (Fn. 586), § 11 StGB Rn. 2: „Die Regelung bestimmt den Begriff des Angehörigen und knüpft dabei an abschließend aufgezählte formelle Beziehungen an, welche typischerweise auch eine persönliche Nähebeziehung begründen.“ 592 Risse (Fn. 276), S. 323. Vgl. auch Radtke (Fn. 583), § 11 StGB Rn. 11: „Der Gesetzgeber nimmt damit Rücksicht darauf, dass in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften die gleichen Konfliktsituationen auftreten können, die den Privilegierungen von Angehörigen (im strafrechtlichen Sinne) zugrunde liegen.“ Trotzdem wird das LPartDisBG dort insgesamt – ohne allerdings nähere Ausführungen dazu zu machen – für „verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdig“ gehalten. 593 Im Ergebnis knapp auch Tröndle/Fischer (Fn. 586), § 11 StGB Rn. 7; Michael Lemke, in: Urs Kindhäuser/Ulfried Neumann/Hans-Ulrich Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Bd. 1, 2. Aufl., 2005, § 11 StGB Rn. 13. In der 52. Auflage bestanden bei ersterem aber bezüglich der personalen Beschränkung der Lebenspart-

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c) Strafantragsberechtigte und Rücknahme des Antrags, §§ 77 II 1; 77d II 1 StGB Beim Tod des Verletzten geht das Recht, einen Strafantrag zu stellen, gemäß § 77 II 1 StGB auf den Ehegatten, den Lebenspartner und die Kinder über. Dieser Personenkreis sowie zusätzlich auch Eltern, Geschwister und Enkel können den Strafantrag nach § 77d II 1 StGB auch zurücknehmen, wenn der Verletzte nach Antragsstellung stirbt.594 Für die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Norm gelten die gleichen Grundsätze wie bei der eben erörterten Einbeziehung des Lebenspartners in den strafrechtlichen Angehörigenbegriff. Das durch die Lebenspartnerschaft vermutete Nähe- und Vertrauensverhältnis indiziert, dass primär der überlebende Lebenspartner ein Interesse an der Frage besitzt, ob die Strafverfolgung fortgeführt werden soll. Diese Vorschriften dienen nicht dem besonderen Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 I GG. Die Lebenspartnerschaft kann deshalb in sie integriert werden. d) Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes, § 22 Nr. 2 StPO Ein Richter ist nach § 22 Nr. 2 StPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzen ist oder gewesen ist.595 Die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Einbeziehung des Lebenspartners ist inhaltlich kongruent mit der des Ausschlusses von der Ausübung des Richteramtes gemäß § 41 Nr. 2a ZPO.596 Im Strafprozess ist die Unabhängigkeit des Richters die Grundlage jeder richterlichen Entscheidung. Durch das mit der Lebenspartnerschaft indizierte Vertrauens- und Näheverhältnis ist diese nicht mehr gegeben, wenn der Beschuldigte oder Verletzte (ehemaliger) Lebenspartner des Richters wäre.597 Dass diese Vorschrift nicht ausschließlich Ehe und Familie begünstigen soll, sondern normierte Konsequenz der Nähebeziehung zwischen dem Richter und dem Beschuldigten bzw. Verletzten ist, wird auch an der Einbeziehung des Vormundes bzw. Betreuers und weiterer am Verfahren Beteiligter (vgl. § 22 nerschaft auf gleichgeschlechtliche Personenverbindungen Bedenken; vgl. zu diesem Aspekt auch ausführlich unten 4. Kapitel B. II. 1., S. 718 ff. 594 Der Lebenspartner wurde durch Art. 3 § 32 Nr. 2 und 3 LPartDisBG in diesen Normen berücksichtigt. 595 Der Lebenspartner wurde durch Art. 3 § 18 Nr. 1 LPartDisBG in § 22 Nr. 2 StPO eingefügt. 596 Siehe dazu näher 4. Kapitel B. I. 11. a), S. 599 f. 597 Vgl. auch die Begründung zu Art. 3 § 56 Nr. 1 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 58.

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Nr. 4, 5 StPO) deutlich. Ein aus Art. 6 I GG abgeleitetes Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie besteht für diesen Bereich deshalb nicht. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß. e) Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen, § 52 I Nr. 2a StPO Nach § 52 I Nr. 2a StPO598 ist der Lebenspartner des Beschuldigten zur Zeugnisverweigerung berechtigt, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht. Durch eine von Art. 5 XXIII LPartÜG vorgenommene Änderung des § 52 I Nr. 1 StPO besitzt überdies der lebenspartnerschaftliche Verlobte des Beschuldigten seit dem 1. Januar 2005 ein Zeugnisverweigerungsrecht. Damit werden der Lebenspartner und der lebenspartnerschaftlicher Verlobte dem Ehegatten und auf die Ehe orientierten Verlobten gleichgestellt. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung gelten die gleichen Bewertungsmaßstäbe wie bei der Zeugnisverweigerung im Zivilprozess:599 Das gemeinsame Merkmal des Personenkreises, der zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, besteht in der Zugehörigkeit zu einer durch die formalisierte Bindung indizierten Vertrauensgemeinschaft. Der ihr angehörende Zeuge kann sich potentiell in der Zwangslage befinden, entweder durch eine ggf. belastende Aussage die Vertrauensgemeinschaft zu gefährden oder aber die Unwahrheit zu sagen. Diese Konfliktlage soll durch die Möglichkeit zur Zeugnisverweigerung vermieden werden.600 Neben dem Schutz dieses Individualinteresses des Zeugen bewirkt das Zeugnisverweigerungsrecht damit zugleich den im Allgemeininteresse liegenden Schutz der Familie vor einer inneren Gefährdung durch die Aussage eines Angehörigen, die Bestandteil der Strafverfolgung ist.601 598

Eingefügt durch Art. 3 § 18 Nr. 2 LPartDisBG. 4. Kapitel B. I. 11. d), S. 604 f. 600 BGHSt 2, 351 (354); 11, 213 (216 f.); 22, 35 (36); 27, 231 (232); Gerd Neubeck, in: KMR, Kommentar zur Strafprozessordnung, hrsg. von Bernd von Heintschell-Heinegg und Heinz Stöckel, § 52 StPO Rn. 1; Lutz Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 49. Aufl., 2006, § 52 StPO Rn. 1; Lothar Senge, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Aufl., 2003, § 52 StPO Rn. 1; Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 398; Hans Dahs, in: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Bd. 1, 25. Aufl., 1999, § 52 StPO Rn. 1; Skwirblies (Fn. 581), S. 186. Vgl. auch die Begründung zu Art. 3 § 56 Nr. 2 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 58: „Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 52 StPO trägt der besonderen Konfliktlage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Diese Ratio des § 52 StPO gilt über den dort bislang erfassten Personenkreis naher Angehöriger und des/der Verlobten hinaus auch für Lebenspartner.“ 601 BGHSt 11, 213 (216); 12, 236 (239); 38, 96 (99 f.); Strick (Fn. 249), S. 82 (93); Georg Pelchen, Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft als Zeugnis599

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Aus dem letztgenannten Regelungszweck könnte man daher schließen, dass das Zeugnisverweigerungsrecht eine verfassungsrechtlich induzierte Privilegierung der Familie i. S. d. Art. 6 I GG darstellt und nicht auf Mitglieder anderer Personenverbindungen übertragen werden darf.602 Als Gegenargument lässt sich aber schon die strafprozessuale Reichweite dieses familienbezogenen Angehörigenschutzes anführen: Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass die StPO kein „allgemeines Recht, das Zeugnis dann zu verweigern, wenn es um Angehörige geht“, gewähre. Angehörige des Verletzten müssten beispielsweise über ihn – ggf. auch über seine etwaige Mitschuld – ebenso aussagen wie Angehörige eines Zeugen über dessen Glaubwürdigkeit. „Auch solche Aussagen können das familiäre Verhältnis belasten. (. . .) Es zeigt sich also, dass der Schutz des familiären Verhältnisses nicht absolut ist. Er hängt wesentlich von der prozessualen Gestaltung ab.“603 Durch diesen Hinweis auf den strafprozessualen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird deutlich, dass aus dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nicht eine bestimmte Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts für Mitglieder dieser Rechtsinstitute folgt. Wenn die Verfassung darüber keine Aussagen trifft, dann kann sie erst recht nicht Aussagen über die Berücksichtigung von Rechtsinstituten beim Zeugnisverweigerungsrecht treffen, die nicht verfassungsrechtlich geschützt sind.604 Entscheidend gegen die Annahme einer verfassungsrechtlichen Sperrwirkung der Integration anderer institutionalisierter Lebensverbindungen in den § 52 StPO spricht dessen teleologische Funktion im Hinblick auf den Familienschutz: Durch das Zeugnisverweigerungsrecht soll die familiale Gemeinschaft primär als Vertrauensgemeinschaft erhalten werden. Die ElternKind-Verbindung steht dagegen als nur eines von mehren in § 52 I StPO erwähnten Angehörigenverhältnissen nicht im Mittelpunkt dieser Norm.605 verweigerungsgründe im Strafprozeß, in: Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht. Festschrift für Gerd Pfeiffer zum Abschied aus dem Amt als Präsident des Bundesgerichtshofes, hrsg. von Otto Friedrich Freiherr von Gamm u. a., 1988, S. 287 (295); Rudolf Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und zukünftigen Strafrecht, 1979, S. 8 f. m. w. N. 602 Inkonsequent insoweit Pelchen (Fn. 601), S. 287 (293 ff.): Nach ihm stellt „das so umgrenzte Zeugnisverweigerungsrecht (. . .) sich damit gleichsam als eine Umsetzung des Grundrechts aus Art. 6 GG in das einfache Recht dar“ und es wird eine aus Art. 6 I GG abgeleitete „Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens“ bejaht. Andererseits verneint er diese für § 52 StPO mit dem Verweis darauf, dass daraus kein Verbot der eheähnlichen Gemeinschaft abgeleitet werden könne, und nimmt nur ein entsprechendes Analogieverbot an. 603 BGHSt 38, 96 (100). 604 Das verkennt Röthel (Fn. 127), S. 511 (518), die eine Verpflichtung zur Berücksichtung der Lebenspartnerschaft aus Art. 3 I GG ableitet.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Damit korrespondiert der Schutz der Ehe und des Verlöbnisses als typologische Vertrauensgemeinschaften. Eheleute und Verlobte werden durch das Zeugnisverweigerungsrecht nicht etwa deshalb geschützt, weil sie potentielle Eltern sind. Im Vordergrund steht vielmehr das durch eine institutionalisierte Bindung zum Ausdruck kommende Vertrauensverhältnis.606 Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden sich darin aber typologisch nicht voneinander.607 Insofern betrifft das aus der objektiven Wertentscheidung abgeleitete Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe die Zeugnisverweigerung im Strafprozess nicht. § 52 I Nr. 2a StPO ist verfassungskonform. Eine Reihe von Normen der StPO verweisen auf § 52 I StPO (§§ 55 I, 61 Nr. 2, 63, 68a I, 76 I 1, 81c III 1, 95 II 2, 97 I Nr. 1, 100d III 3, 161a S. 2, 163a V StPO). Diese Regelungen basieren auf dem Schutz der dort beschriebenen Vertrauensgemeinschaften. Ein Bezug zur Lebenspartnerschaft ist daher ebenfalls verfassungsgemäß. Das gilt auch für verschiedene Maßnahmen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, bei denen auf den Angehörigenbegriff des § 11 I Nr. 1 StGB abgestellt wird (§§ 81d I 2, 87 IV 2, 98 II 1, 106 I 2, 111b IV, 114b, 163c II, 286 I 2, 456c I 1, II StPO). f) Weitere strafprozessuale Verfahrensnormen, §§ 149 I 1, 361 II, 395 II Nr. 1, 404 II 2 StPO Der Lebenspartner ist wie der Ehegatte nach § 149 I 1 StPO als Beistand des Beschuldigten zuzulassen. Ein Wiederaufnahmeverfahren nach dem Tod des Verurteilten kann gemäß § 361 II StPO neben dem Ehegatten, den 605 Schumacher (Fn. 115), S. 857 (859); Rengier (Fn. 601), S. 10 f., sieht diesen Aspekt des „familiären Vertrauensverhältnisses“ als Konkretion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artt. 2 I i. V. m. 1 I GG und deshalb „selbstverständlich nicht auf die eheliche Beziehung beschränkt“ an. Die Stabilisierung der Vertrauensgemeinschaft als Ziel des Familienschutzes erkennt auch er implizit auf S. 8 an: „Es geht mithin um den Schutz der Familienbande, um die Sicherung des sozialen Familienfriedens und die Erhaltung eines gesunden Familienklimas.“ 606 Für Pelchen (Fn. 601), S. 287 (295), ist dies deshalb der Hauptgrund, eine analoge Anwendung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften abzulehnen: „Die nichteheliche Lebensgemeinschaft unterscheidet sich grundsätzlich von der Ehe durch ihre Bindungslosigkeit.“ 607 Vgl. auch Wölfl (Fn. 11), S. 374; Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 49; ders. (Fn. 127), S. 487 (506); Pieroth/Kingreen (Fn. 161), S. 219 (236); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1896); Pawlowski (Fn. 163), S. 765; Risse (Fn. 276), S. 324; Trimbach/ Webert (Fn. 154), S. 63 (64). Senge (Fn. 600), § 52 StPO Rn. 14b, geht noch weiter, wenn er neben der Lebenspartnerschaft auch die Einbeziehung eheähnlicher Gemeinschaften in den Schutzkreis des § 52 I StPO durch den Gesetzgeber anmahnt. Die „Ungleichbehandlung beider Lebensformen im Strafverfahren“ werde „zutreffend als ungerecht empfunden.“

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Verwandten auf- und absteigender Linie sowie den Geschwistern auch durch den Lebenspartner beantragt werden. Zur Nebenklage sind nach § 395 II Nr. 1 StPO auch die Eltern, Kinder, Geschwister und der Ehegatte oder Lebenspartner eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten befugt. An der Hauptverhandlung im Rahmen des Adhäsionsverfahrens können nach § 404 III 2 StPO neben dem Antragssteller, seinem gesetzlichen Vertreter auch der Ehegatte und der Lebenspartner teilnehmen.608 Die Integration der Lebenspartnerschaft in diese Normen basiert ebenfalls auf dem durch die Wahl dieser Rechtsform typologisch vermuteten Näheverhältnis, das sich zudem in § 149 I 1 StPO als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft konkretisiert. Darauf gründet sich ein mögliches Interesse, an diesen Verfahren teilzunehmen oder sie zu betreiben.609 Der Schutz von Ehe und Familie wird dadurch nicht tangiert, weil hinsichtlich dieses Interesses zwischen institutionalisierten verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften kein Unterschied besteht. Die Berücksichtigung des Lebenspartners ist dort deshalb verfassungsgemäß. g) Ergebnis Auch die Einbeziehung des Lebenspartners in die erörterten Normen des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts verletzt nicht die aus Art. 6 I GG abgeleitete objektive Wertentscheidung zugunsten der Ehe, weil dort deren reproduktive Funktion nicht berührt ist. Vielmehr realisieren die genannten Normen in verschiedenen Bereichen des Straf- und Strafprozessrechts den Schutz der institutionalisierten Rechtsform für das Näheverhältnis innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Sie sind deshalb verfassungskonform. 13. Steuerrecht Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Ehe korrespondiert mit ihrer einzigartigen finanziellen Privilegierung gegenüber anderen Lebensgemeinschaften. Um der verfassungsrechtlichen Vorgabe zu entsprechen, die Eheschließungsbereitschaft zu fördern, hat der Gesetzgeber vielfältige materielle Anreize zur Eheschließung geschaffen. Sie entfalten sich am unmittel608 Der Lebenspartner wurde in diese Normen durch Art. 3 § 18 Nr. 3–5 LPartDisBG eingefügt. 609 Ähnlich die Begründungen zu Art. 3 § 56 Nr. 3–5 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 59: „das besonders enge familienrechtliche Verhältnis“ (zu § 149 StPO), „enge persönliche Verbundenheit der Lebenspartner“ (zu §§ 361, 395 StPO), „besonders enges persönliches Verhältnis“ (zu § 404 StPO); siehe auch WellenhoferKlein (Fn. 182), Rn. 399.

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barsten auf dem Gebiet des Steuerrechts, weil die gesetzlich intendierte Verminderung der Steuerlast des verheirateten gegenüber dem unverheirateten Steuerpflichtigen sich direkt auf die konkrete finanzielle Situation beider zugunsten des Verheirateten auswirkt. Die finanzielle Attraktivität der Ehe – auch im Vergleich mit den eventuell als nachteilig empfunden Pflichten der Ehepartner – soll somit gerade für Mitglieder verschiedengeschlechtlicher nichtehelicher Lebensgemeinschaften deutlich werden und kann für sie durchaus ein Motiv sein, schließlich doch zu heiraten. a) Ehegattensplitting Die in diesem Sinne bedeutendste Regelung ist die in § 26 I EStG den nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten eingeräumte Möglichkeit, zwischen der getrennten Veranlagung und der Zusammenveranlagung zu wählen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden gemäß § 26b EStG die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und die Ehepartner sodann grundsätzlich gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. Der zu entrichtende Einkommensteuerbetrag ergibt sich in diesem Fall nach § 32a V EStG aus der Verdopplung desjenigen Steuerbetrages, der nach einer zuvor vorgenommenen Halbierung des gemeinsam zu versteuernden Ehegatteneinkommens entsteht. Bedingt durch die Steuerprogression muss bei einer Zusammenveranlagung folglich regelmäßig von den Ehegatten weniger Einkommensteuer gezahlt werden als bei einer getrennten Veranlagung ihrer Einkommen. Dieser Effekt ist umso größer, je stärker die Einkommensdifferenz zwischen den Ehepartnern ausgeprägt ist.610 aa) Regelungsvorhaben bezüglich der Lebenspartnerschaft Bei der Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft war eine unmittelbare Übernahme dieser Regelung nicht vorgesehen. Stattdessen sollte nach Art. 2 § 55 Nr. 2a LPartGErgG die Lebenspartnerschaft in der beabsichtigten Einfügung eines § 10 I Nr. 1 S. 6 EStG Berücksichtigung finden. Unterhaltsleistungen nicht dauernd getrennt lebender Lebenspartner wären dort insofern berücksichtigt worden, als die Bildung eines Differenzbetrages zwischen den verschieden hohen Einkünften der jeweiligen Lebenspartner vorgesehen war. Die Hälfte dieses Betrages – maximal bis zum Höchstbetrag von 40.000 DM – sollte der Lebenspartner mit dem höheren Ein610 Das wird auch in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Dritten Steuerreformgesetzes vom 9.1.1974, BT-Drucks. 7/1470, S. 222, so gesehen. Vgl. auch Ernst Erhard Stöcker, Die Kappung des Ehegattensplitting ist verfassungswidrig, in: BB 1999, S. 234 (235).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

kommen als erbrachte Unterhaltsleistung durch Anerkennung als Sonderausgabe von seinem zu versteuernden Betrag abziehen können.611 Diese einkommensteuerrechtliche Gestaltung beruht folglich nicht auf der Berücksichtigung realer Unterhaltsleistungen, sondern auf einer Fiktion. Dies gilt sowohl für die Problematik, ob der einkommenstärkere Lebenspartner tatsächlich überhaupt Unterhaltsleistungen für den einkommenschwächeren Lebenspartner erbracht hat, als auch für die Frage, wie hoch diese Aufwendungen im Einzelfall gewesen sind. Die steuerrechtliche Bedeutung dieser Regelung wird bei einem Vergleich mit dem Ehegattensplitting sichtbar: Zwar unterscheiden sich die jeweiligen Regelungssystematiken deutlich, weil die Möglichkeit der Zusammenveranlagung für die Lebenspartnerschaft nicht übernommen wurde. In ihrer steuerlichen Wirkung ähneln sich allerdings beide Modelle, weil die lebenspartnerschaftliche Unterhaltsfiktion ebenso wie das Ehegattensplitting ihre Vorteile aus der Steuerprogression gewinnen.612 Diese Folge war bei der die Lebenspartnerschaft betreffenden Regelung intendiert, weil der einkommenstärkere Lebenspartner mit seiner höheren Progression die Möglichkeit erhalten sollte, den fiktiven Betrag von seinem Einkommen abzuziehen. Deshalb wurde dieses für die Lebenspartnerschaft vorgesehene Steuermodell im Schrifttum auch als „Partnersplitting“ bezeichnet.613 Der Gesetzgeber nahm dabei in Kauf, dass die geltend gemachten Beträge nicht auf realen Ausgaben beruhten und die geplante Implementierung eines fiktionalen Elementes in § 10 EStG, der sonst ausschließlich Realausgaben berücksichtigt, aus steuersystematischer Sicht verfehlt war. Als weitere Konsequenzen dieser steuerrechtlichen Fiktion geleisteten Unterhalts sollten Unterhaltsleistungen für Lebenspartner für in Deutschland steuerpflichtige Angehörige von EU- oder EWR-Staaten nach § 1a Nr. 1 EStG auch dann als Sonderausgaben absetzbar sein, wenn der Empfänger selbst nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.614 Ein Werbungskostenpauschbetrag i. S. d. § 9a S. 1 Nr. 3 EStG, wie er für reale Unterhaltsleistungen getrennt lebender oder geschiedener Ehepartner vorgesehen 611

BT-Drucks. 14/4545, S. 80 Braun (Fn. 78), S. 101 f.; knapp Norbert Mayer, Das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften, in: ZEV 2001, S. 169 (176). Hans Buob, Privilegierung von Partnerschaften?, in: DStZ 2001, S. 40 (40 f.), weist aber einschränkend zu Recht darauf hin, dass es sich wegen des eingeführten Höchstbetrages um ein „gekapptes Splitting“ handelt, dessen Einführung auch für Ehegatten diskutiert wurde. Die Ausnutzung der Steuerprogression ist deshalb nicht ganz so weitgehend wie beim Ehegattensplitting. 613 So Bruns (Fn. 153), Steuerrecht, Rn. 15. 614 Art. 2 § 55 Nr. 1 LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 80. 612

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ist, sollte es wegen der Fiktionalität der Unterhaltsleistungen zusammen lebender Lebenspartner nicht geben.615 bb) Verfassungsrechtliche Begründung des Ehegattensplittings Die Frage nach der Verfassungskonformität eines fiktionalen Unterhaltsplittings für Lebenspartner ist eng verbunden mit der dogmatischen Fundierung des Ehegattensplittings im besonderen Schutz der Ehe. Schon im Mittelpunkt der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der die objektive Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie aus Art. 6 I GG entwickelt wurde, stand die Besteuerungssystematik von Einkünften der Ehegatten.616 Die damals in § 26 EStG 1951 statuierte Zusammenveranlagung führte wegen des Progressionseffektes regelmäßig zu einer höheren Besteuerung, als wenn die Einkommen jedes Ehegatten getrennt besteuert worden wären. Die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenveranlagung verletzte deshalb das die Wertentscheidung konkretisierende Benachteiligungsverbot der Ehe, weil es verheiratete gegenüber unverheirateten Personen steuerrechtlich schlechter stellte.617 Soweit dem entgegengehalten wurde, dass dieses Ergebnis dadurch vermieden werden könne, dass einer der Ehepartner über kein Erwerbseinkommen verfüge und insofern diese Form der Arbeitsteilung innerhalb der Ehe („Hausfrauenbzw. Hausmann-Ehe“) durch das EStG im Sinne eines Edukationseffektes präferiert werde, hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass eine gesetzliche Präferenz für eine bestimmte innere Gestaltung der Ehe sowohl gegen die Ehegestaltungsfreiheit als subjektivem Abwehrrecht des Art. 6 I GG als auch gegen die in Art. 3 II, III GG normierte Gleichberechtigung der Geschlechter verstößt.618 Als Konsequenz dieses Beschlusses hat der Gesetzgeber daraufhin durch Neufassung des § 26 EStG und Einfügung der §§ 26a und 26b EStG 1958 das gegenwärtig bestehende Ehegattensplitting-Verfahren eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht hat dessen Verfassungsmäßigkeit insbesondere im Hinblick auf einen Vergleich mit der steuerrechtlichen Einordnung von Alleinstehenden mit Kindern bejaht und eine verfassungsrechtliche Verpflichtung verneint, es auf diese Vergleichsgruppe auszudehnen.619 In der Begründung dieser Entscheidung bedient sich das Gericht zweier verschiedener Argumentationsstränge zur teleologischen Einordnung des Ehegatten615 616 617 618 619

Art. 2 § 55 Nr. 1a LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 80. BVerfGE 6, 55. BVerfGE 6, 55 (77). BVerfGE 6, 55 (81 f.) BVerfGE 61, 319.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

splittings, die aber verfassungssystematisch beide durch die in Art. 6 I GG zum Ausdruck kommende besondere verfassungsrechtliche Bedeutung der Ehe verbunden sind: Der eine Argumentationsstrang beruht auf dem steuerrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.620 Dieser Grundgedanke findet seine Anwendung auf die Ehe als Erwerbsund Wirtschaftsgemeinschaft, indem davon ausgegangen wird, dass in einer „intakten Durchschnittsehe“ „ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat“. Das einfachgesetzliche Familienrecht entspricht dieser Wertung insofern, als im Rahmen der Zugewinngemeinschaft das während der Ehe Erworbene als gemeinschaftlich erwirtschaftet gilt.621 Das Ehegattensplitting wird deshalb auch als ein steuerrechtlicher „Reflex der Zugewinngemeinschaft“ bezeichnet.622 Als besondere Akzentuierung dieses Argumentationstopos wird in der Literatur zudem angeführt, dass das Splittingverfahren „in wirtschaftlicher Hinsicht“ auf der ehelichen Unterhaltsgemeinschaft beruhe.623 Die durch den Progressionseffekt erzielte Steuerbegünstigung soll demnach auch die gegenseitigen Unterhaltsleistungen der Ehepartner steuerrechtlich berücksichtigen.624 Nicht verwechselt werden darf diese unterhaltsbezogene Perspektive innerhalb der Ehe mit den Unterhaltsverpflichtungen der Eltern gegenüber ihren Kindern, also innerhalb der Familie. Die steuerrechtliche Einordnung letzterer steht in keinem originären Zusammenhang zum Ehegattensplitting.625 Die andere Argumentation hebt unmittelbarer als die gerade beschriebene steuer- und familienrechtliche Verknüpfung auf den familienbezogenen 620

BVerfGE 43, 108 (120); 61, 319 (343 f.). Rudolf Wendt, Familienbesteuerung und Grundgesetz, in: Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion. Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, hrsg. von Joachim Lang, 1995, S. 47 (63). 622 BVerfGE 61, 319 (345 f.). Vgl. auch schon die Begründung der Bundesregierung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts“ vom 7.3.1958, mit dem das Splittingverfahren eingeführt wurde, BT-Drucks. 3/260, S. 34, sowie die Begründung zum Entwurf des Dritten Steuerreformgesetzes vom 9.1.1974, BT-Drucks. 7/1470, S. 222. 623 Papier (Fn. 150), S. 2129 (2131). 624 Papier würde aber missverstanden, wenn man seine Aussage dahingehend interpretierte, das Ehegattensplitting sei ausschließlich wegen der Ehe als Unterhaltsgemeinschaft normiert worden. Dagegen spricht schon seine ausdrückliche Beschränkung auf die Perspektive der Ehe in „wirtschaftlicher Hinsicht“. Andere Aspekte des Splittingverfahrens werden dadurch nicht ausgeschlossen, sondern treten ergänzend neben sie. Insgesamt skeptisch gegenüber der Herleitung des Ehegattensplittings aus der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung Klaus Vogel, Besteuerung von Eheleuten und Verfassungsrecht, in: StuW 1999, S. 201 (203, 206). 625 Zu dieser Problematik insbesondere BVerfGE 99, 216 (240). 621

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Zweck des Ehegattensplittings ab. Danach soll dieses auch eine „besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ darstellen.626 Damit ist nicht – wie man zunächst vermuten könnte – die verfassungsgerichtliche Festlegung auf die Alleinverdiener-Ehe (des Ehemannes) gemeint, sondern im Gegenteil gerade die Offenheit der Ehegestaltung intendiert. Das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich die Freiheit der Ehegatten, in gleichberechtigter Partnerschaft die Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe selbst zu bestimmen.627 Die Tätigkeit beider Ehepartner soll steuerrechtlich als gleichwertig anerkannt werden, unabhängig davon, ob es sich um Haus- oder Berufsarbeit handelt.628 Das Ehegattensplitting zielt danach darauf ab, sowohl die steuerrechtliche Benachteiligung der Ehen, in denen beide Partner berufstätig sind,629 als auch der „Hausfrauen- oder Hausmann-Ehe“ auszuschließen.630 „Damit ist das Ehegattensplitting keine beliebig veränderbare Steuer-‚Vergünstigung‘, sondern – unbeschadet der näheren Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers – eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung.“631 Diese bundesverfassungsgerichtliche Perspektive fußt systematisch auf der steuerrechtlichen Differenzierung zwischen der gesetzlich intendierten Minderung 626 BVerfGE 61, 319 (346); BT-Drucks. 3/260, S. 34; Papier (Fn. 150), S. 2129 (2130); v. Campenhausen (Fn. 134), S. 7 (36); ähnlich auch Franz Klein, Ehe und Familie im Einkommensteuerrecht, in: DStZ 1997, S. 105 (106). 627 Darunter fällt nach BVerfGE 53, 257 (296 f.); 60, 329 (339); 61, 319 (347); 99, 216 (231), auch die ökonomisch-finanzielle Dimension der Ehegestaltung durch die Eheleute. Ebenso Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 86; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 89. 628 Vgl. auch BT-Drucks. 3/260, S. 34; 7/1470, S. 222; Paul Kirchhof, Ehe- und familiengerechte Gestaltung der Einkommensteuer, in: NJW 2000, S. 2792 (2793). 629 Wie sie etwa in der oben beschriebenen verfassungswidrigen Regelung des § 26 EStG 1951 zum Ausdruck kam. 630 BVerfGE 61, 319 (346 f.). 631 BVerfGE 61, 319 (347). Auch Stern (Fn. 102), § 100 IV 6 b, S. 434 f.; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 86; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 110; Friedhelm Hufen, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.7.2002, in: JuS 2003, S. 85; Wiebke Goebbels, Die familiengerechte Besteuerung, 2000, S. 162; P. Kirchhof (Fn. 628), S. 2792 (2793 f.); E. E. Stöcker (Fn. 610), S. 234 (238); Franz Klein (Fn. 626), S. 105 (107 f.); Martin Moderegger, Der verfassungsrechtliche Familienschutz und das System des Einkommensteuerrechts, 1991, S. 142 f. Anders Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 54, Ute Sacksofsky, Steuerung der Familie durch Steuern, in: NJW 2000, S. 1896 (1898 f.), Hartmut Söhn, Kappung des Ehegattensplitting?, in: Staaten und Steuern. Festschrift für Klaus Vogel zum 70. Geburtstag, hrsg. von Paul Kirchhof u. a., 2000, S. 639 (645), Bernd Heuermann, Paradigmawechsel im Leistungsausgleich für Familien, in: BB 1999, S. 660 (664), Joachim K. Grönert, Ist die Abschaffung des Ehegattensplittings verfassungsrechtlich zulässig?, in: DStZ 1998, S. 895 (897), die das Ehegattensplitting-Verfahren regelmäßig unter Verweis auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht für verfassungsmäßig geboten halten.

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der Belastung und der Privilegierung im Sinne einer Zuwendung zugunsten der Ehe. Das Ehegattensplitting-Verfahren ist bei den dargestellten und vom Bundesverfassungsgericht verwandten Argumentationsebenen der Belastungsminderung und nicht der Privilegierung zuzuordnen, weil die steuerpflichtigen Eheleute sowohl im Rahmen der Ehe als Erwerbs- als auch als potentielle Familiengemeinschaft steuerlichen Belastungen ausgesetzt wären, die nicht bestünden, wenn sie wie andere nichtverheiratete Personen besteuert würden.632 Weil Alleinerziehende mit Kindern keine Erwerbsgemeinschaft bilden und auch „ein durch Art. 6 Abs. 1 GG zu schützendes Recht, über die Aufgabenverteilung in der Ehe partnerschaftlich zu entscheiden, von vornherein nicht in Betracht“ kommt, hat das Bundesverfassungsgericht eine Ausdehnung des Ehegattensplittings auf diesen Personenkreis abgelehnt.633 Die beiden mit diesem Verfahren verbundenen Zielsetzungen des Gesetzgebers sind mithin nicht auf Alleinerziehende mit Kindern anwendbar, weil dies sonst eine ungerechtfertigte Privilegierung dieser Gruppe zur Folge hätte. Der gegenüber Ehepaaren mit Kindern und erst recht ohne Kinder erhöhte Betreuungsaufwand für Kinder von Alleinerziehenden bedeutet allerdings, dass dieser steuerrechtlich auf andere Weise als durch das Ehegattensplitting berücksichtigt werden muss. Die bis zur Entscheidung des Gerichts bestehende Besteuerung, die das nicht tat, war verfassungswidrig.634 Der durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Begrenzung des Ehegattensplitting-Verfahrens auf Ehepaare ist inhärent, dass nicht nur kinderlose Eheleute finanziell vom Ehegattensplitting profitieren, sondern auch die Zahl der Kinder für dessen Anwendung und Reichweite bedeutungslos ist. Dieses Ergebnis hat im Schrifttum auch angesichts des wachsenden Anteils dauerhaft kinderlos bleibender Ehen an der Gesamtzahl der Eheschließungen und der steigenden Zahl Alleinerziehender zu Kritik am ausschließlich ehebezogenen Splittingsystem und heftiger Diskussion Anlass gegeben.635 632 Instruktiv zu dieser Differenzierung Vogel (Fn. 624), S. 201 (203 f.); ähnlich auch Wendt (Fn. 621), S. 47 (63 f.). 633 BVerfGE 61, 319 (348); 68, 143 (153). Zustimmend Vogel (Fn. 624), S. 201 (212 f.), und Paul Kirchhof, Ehe und Familie im staatlichen und kirchlichen Steuerrecht, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 21 (1986), S. 117 (123 f., 136 f., 141 f.), der bei der Ehe insbesondere auch die Anknüpfung an einen formalisierten Publizitätsakt, der weitere staatliche Nachforschungen erspare, und damit die verstärkte Rechtssicherheit gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften betont. 634 BVerfGE 61, 319 (348 ff.). 635 Beispielhaft bei I. v. Münch (Fn. 127), S. 260 (262); Ingrid Matthäus-Meier, Für einen gerechten und einfachen Familienlastenausgleich, in: ZRP 1988, S. 252 (254, 257); zweifelnd auch Rauscher (Fn. 71), Rn. 38; v. Campenhausen (Fn. 134), S. 7 (36).

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Teilweise wurde es sogar wegen Verletzung des Art. 3 II 2 GG für verfassungswidrig gehalten, weil der Steuereffekt insbesondere Frauen in die Nichtberufstätigkeit dränge.636 Auch die Einführung einer Kappungsgrenze im Rahmen des Splittingverfahrens wurde erwogen, um die Besserstellung der Ehen, in denen ein Ehepartner ein hohes Einkommen erzielt, zu reduzieren.637 In der Literatur wurde dieses Vorhaben allerdings mit verfassungsrechtlicher Skepsis begleitet.638 Im Mittelpunkt steht die Frage, ob im Steuerrecht nicht primär die durch Art. 6 I GG auch geschützte familiale Gemeinschaft – unabhängig davon, ob Vater und Mutter miteinander verheiratet seien – statt der Ehe gefördert werden müsse. Als Begründung wird angeführt, dass die von Alleinerziehenden oder eheähnlichen Gemeinschaften außerhalb der Ehe erbrachten familialen Aufwendungen steuerrechtlich nicht anders bewertet werden dürften als die von miteinander verheirateten Eltern.639 In der Diskussion sind schon seit Jahren mehrere Modelle: Zum einen wird vorgeschlagen, das 636 Sacksofsky (Fn. 631), S. 1896 (1900); Franziska Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 135 f. Diese Ansicht erscheint nicht nur deshalb problematisch, weil das Splitting-Verfahren gesetzlich überhaupt nicht an das Geschlecht anknüpft, sondern auch, weil ihr ein (abgelehntes) Ehebild der Alleinverdiener-Ehe zugrunde liegt, bei dem die Frau nur am Einkommensverdienst des Mannes teilhat. Diese spezifische Konstellation der Haushaltsführungs-Ehe wird aber durch das Splittingverfahren nicht induziert. Auch wenn man sich der Meinung anschließt, das Splittingmodell präferiere steuerlich die Alleinverdiener-Ehe, so folgt daraus noch keine zwingende Konsequenz für eine bestimmte geschlechtsspezifische finanzielle Gestaltung zwischen den Eheleuten; ablehnend auch Roman Seer, Das Ehegattensplitting als typisiertes Realsplitting, in: Festschrift für Heinrich Wilhelm Kruse zum 70. Geburtstag, hrsg. von Walter Drenseck und Roman Seer, 2001, S. 357 (371 f.). 637 So im von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/265, S. 14. Das Vorhaben wurde allerdings nicht weiter verfolgt. 638 Papier (Fn. 150), S. 2129 (2131), der Bedenken bei hohen Einkommen hat, weil die Kappungsgrenze nicht mit einer Begrenzung der in diesen Fällen ebenfalls hohen Unterhaltspflichten korreliert. Im Ergebnis ähnlich E. E. Stöcker, (Fn. 610), S. 234 (238 f.), der darin eine Verletzung des finanziellen Selbstbestimmungsrechts für Eheleute mit einem hohen Einkommen sieht. Anders Heuermann (Fn. 631), S. 660 (663), der die Anrechnung einer fiktiven Unterhaltspflicht in einer bestimmten Höhe für verfassungsrechtlich unbedenklich hält. Söhn (Fn. 631), S. 639 (658), hält eine Kappung zwar für verfassungsgemäß, aber für fiskalpolitisch nicht sinnvoll. 639 Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 90, sieht deshalb die Modifikation des Ehegattensplittings als verfassungsrechtlich geboten an. Etwas zurückhaltender E. M. v. Münch (Fn. 132), Rn. 36, die dies nur als „gesellschaftspolitisch auch geboten“ bezeichnet, und Matthäus-Meier (Fn. 635), S. 252 (257). Gegen die Annahme einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 86, Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 110.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Ehegattensplitting durch ein tarifliches Familiensplitting zu ersetzen640 oder zumindest zu ergänzen.641 Dessen Regelungssystem ist an das des Ehegattensplittings angelehnt, berücksichtigt aber nicht nur den Ehegatten, sondern auch die Zahl der Kinder als zusätzlichen Divisor bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens. Zum anderen wird die Einführung eines Familienrealsplittings diskutiert, bei dem Unterhaltsleistungen für die Kinder als Freibeträge vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden können.642 Als Alternative dazu gibt es auch Stimmen in der Literatur, die sich gegen jedes Splittingmodell und stattdessen für eine getrennte Individualbesteuerung der Eheleute aussprechen, die mit Freibeträgen des eigenen und ggf. kindesbezogenen Existenzminimums kombiniert werden soll.643 Teilweise sollen innerhalb dieses Grundmodells zusätzlich noch Unterhaltsleistungen für den Ehegatten644 oder für Kinder645 steuerlich berücksichtigt werden. Der Unterschied zum Familienrealsplitting besteht vor allem darin, dass dort noch eine Zusammenveranlagung vorgesehen ist und über das Existenzminimum hinaus – je nach Einkommenshöhe – unterschiedlich hohe Unterhaltsaufwendungen Berücksichtigung finden.

640 So Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 54, Wächtler (Fn. 373), S. 148, und E. M. v. Münch (Fn. 132), Rn. 36, die alternativ auch für das Familienrealsplitting offen sind. Dieter Birk/Rainer Wernsmann, Der Schutz von Ehe und Familie im Einkommensteuerrecht, in: JZ 2001, S. 218 (222), sprechen sich dafür aus, das Splittingverfahren auf Ehepaare mit Kindern zu begrenzen. Grundsätzlich gegen den Ersatz eines Ehegatten- durch ein Familiensplitting Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 86; skeptisch auch Goebbels (Fn. 631), S. 161; Vogel (Fn. 624), S. 201 (225 f.). 641 Udo Di Fabio, Der Schutz von Ehe und Familie: Verfassungsentscheidung für die vitale Gesellschaft, in: NJW 2003, S. 993 (998, Fn. 41); Lecheler (Fn. 123), Rn. 98; Franz Klein, Ehe und Familie im Steuerrecht als verfassungsrechtliches Problem, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, hrsg. von Walter Fürst u. a., Bd. 1, 1987, S. 773 (796 ff.). 642 Stern (Fn. 102), § 100 IV 6 b, S. 435; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 90; Wendt (Fn. 621), S. 47 (68 f.); Bettina Lieber, Zur Verfassungsmäßigkeit des Familienlastenausgleichs, in: DStZ 1997, S. 213 (212); Joachim Lang, Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Familienexistenzminimums im Steuer- und Kindergeldrecht, in: StuW 1990, S. 331 (343 f.). 643 Sacksofsky (Fn. 631), S. 1896 (1902 f.); Vollmer (Fn. 636), S. 236 ff.; gegenüber einem kindesbezogenen Freibetrag skeptisch Birk/Wernsmann (Fn. 640), S. 218 (223). 644 So ein Vorschlag von Matthäus-Meier (Fn. 635), S. 252 (254), der allerdings statt eines Kinderfreibetrags ein von der Einkommensteuerschuld abziehbares Kindergeld beinhaltet. 645 Matthias Pechstein, Familiengerechtigkeit als Gestaltungsgebot für die staatliche Ordnung, 1994, S. 297 ff., 315; vergleichbar P. Kirchhof (Fn. 628), S. 2792 (2794 ff.), und Moderegger (Fn. 631), S. 176 ff., die aber zugleich für die Beibehaltung des Ehegattensplittings sind.

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cc) Sperrwirkung des verfassungsrechtlichen Eheschutzes für die gesetzliche Übertragung des Ehegattensplittings auf die Lebenspartnerschaft? Die verfassungsgerichtlichen Argumentationsebenen zum Ehegatten-Splitting können auch für das Verhältnis zur steuerrechtlichen Einordnung der Lebenspartnerschaft nutzbar gemacht werden. Die Kernproblematik liegt dabei im fehlenden typologischen Bezug der Lebenspartnerschaft zur Familie i. S. d. Art. 6 I GG. (1) Ehegattensplitting Das Ehegattensplitting ist Reflex der Zugewinngemeinschaft. Es ist deshalb denkbar, aufgrund dieses Zusammenhangs eine exklusive institutionelle Begrenzung des Splittingverfahrens auf Eheleute dann anzunehmen, wenn die güterrechtliche Gestaltung der Lebenspartnerschaft als Zugewinngemeinschaft verfassungswidrig wäre. Die vorliegende Untersuchung hat aber gezeigt, dass die in § 6 LPartG n. F. als gesetzlicher Regelgüterstand für Lebenspartner vorgesehene Zugewinngemeinschaft nicht vom Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG umfasst wird. Die Zugewinngemeinschaft ist deshalb grundsätzlich auf die Lebenspartnerschaft als Wirtschaftsgemeinschaft übertragbar.646 Dieser Aspekt spricht mithin nicht dagegen, das Ehegattensplitting auf das gleichgeschlechtliche Rechtsinstitut zu übertragen. Wenn eine einfachgesetzliche Norm – hier die gesetzliche Verankerung der Zugewinngemeinschaft – nicht den grundgesetzlichen Funktionsschutz der Ehe verletzt, dann kann sich die verfassungsrechtliche Schutzwirkung des Differenzierungsgebotes nicht auf eine Regelung beziehen, die ein steuersystematischer „Reflex“ dieser Norm ist. Die Charakterisierung des Ehegattensplittings als „Reflex der Zugewinngemeinschaft“ vermag deshalb allein keine verfassungsrechtliche Sperrwirkung zur Übertragung dieser Besteuerungssystematik auf die Lebenspartnerschaft zu entfalten.647 Dies gilt auch für die unterhaltsbezogene Sicht des Ehegattensplittings. Die Lebenspartnerschaft statuiert ebenfalls gegenseitige Unterhaltspflichten der Lebenspartner. Aus Art. 6 I GG lässt sich nicht ableiten, dass eine Unterhaltsgemeinschaft allein der Ehe vorbehalten bleiben muss.648 Bei isolierter Betrachtung des Zusammenhangs zwischen dem Splittingverfahren und der Unterhaltsverpflichtung spricht die verfassungsrechtliche Förderver646

Ausführlich s. o. 4. Kapitel B. I. 7. a), S. 498 ff. Siehe auch Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 120. 648 Das nimmt allerdings Burgi (Fn. 127), S. 487 (504 f.), an und hält deshalb die Einführung eines Splitting-Verfahrens bei der Lebenspartnerschaft für verfassungswidrig. 647

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

pflichtung zugunsten der Ehe nicht dagegen, das Splittingmodell für die Lebenspartnerschaft zu übernehmen, weil ein aus Art. 6 I GG abgeleitetes sachgerechtes Differenzierungskriterium zwischen beiden Rechtsinstituten in dem Bereich der Unterhaltsverpflichtung nicht erkennbar ist.649 Damit ist die Entscheidung für die Verfassungsmäßigkeit der Implementierung des Ehegattensplittings in das Regelungssystem der Lebenspartnerschaft aber noch nicht gefallen. Wie erörtert, dient das Ehegattensplitting auch der steuerrechtlichen Anerkennung der Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit als der Berufstätigkeit gleichwertige Arbeit im Rahmen der Ehe und ist damit funktionale Konkretion ihres besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes. Dieser unmittelbare funktionale Bezug zur Ehe ist bei der Lebenspartnerschaft nicht in der gleichen Weise gegeben, weil eine Kinderbetreuung dort aus typologischer Sicht regelmäßig nicht vorkommt.650 Keines der beiden Regelungsmotive des Splittingsystems – die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und die steuerliche Gleichwertigkeit der Kinderbetreuungsarbeit – kann entfallen, ohne dass nicht das teleologische Fundament dieses Besteuerungsverfahrens zerstört wird: Hinter der Zielsetzung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Ausgestaltung der ehelichen Wirtschafts- als Zugewinngemeinschaft steht die steuerrechtliche Berücksichtigung des kindesbezogenen Betreuungsaufwands. Der funktionale Zusammenhang von Splittingverfahren und Betreuungsaufwand knüpft verfassungsrechtlich an denjenigen von Ehe und Familie an.651 Es ist denkbar, dass gegen die hier vertretene Auffassung von der steuerrechtlichen Berücksichtigung dieses familialen Bezugs durch das Splittingverfahren der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 angeführt wird. Danach muss der kindesbezogene Betreuungs- und Erziehungsbedarf – unabhängig vom Familienstand – gesondert steuerlich be649 Stephan Stüber, Vom Gebot, die Ehe zu fördern, in: FPR 2006, S. 117 (120); Birk/Wernsmann (Fn. 640), S. 218 (222). 650 Herbert Bültmann, Steuerrechtliche Behandlung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, insbesondere im Lichte des Verfassungsrechts, in: StuW 2004, S. 131 (140); Braun (Fn. 276), S. 14 (16). Vgl. auch Pawlowski (Fn. 163), S. 765 (765 f.), der ein konkretes staatliches Interesse an der steuerrechtlichen Förderung homosexueller Lebensgemeinschaften nicht erkennen kann. 651 Zippelius/Würtenberger (Fn. 135), § 32 I 2 d, S. 295; Bültmann (Fn. 650), S. 131 (139); Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 56; P. Kirchhof (Fn. 628), S. 2792 (2794); E. E. Stöcker (Fn. 610), S. 234 (238): „Schutz der Ehe einerseits und der Familie andererseits untrennbar“; Risse (Fn. 276), S. 330; Schumacher (Fn. 115), S. 857 (860). Anders Heuermann (Fn. 631), S. 660 (664), nach dem die Familienförderung als „innerer Grund für das Splittingverfahren“ entfällt, weil der „Betreuungs- und Erziehungsaufwand gesondert berücksichtigt werden muß“; ähnlich auch Stüber (Fn. 649), S. 117 (120), Hans-Joachim Kanzler, Anmerkung zum Beschluß des BVerfG vom 10.11.1998, FR 1999, S. 158 (159), und Moderegger (Fn. 631), S. 141 f.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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rücksichtigt werden.652 Die Möglichkeit der Zusammenveranlagung der Ehegatten und damit das anzuwendende Splittingsystem vermag eine Benachteiligung von verheirateten gegenüber unverheirateten Eltern, bei denen Kinderbetreuungskosten bis zum Entscheidungszeitpunkt allein gesondert abzugsfähig waren, nicht zu kompensieren. Das wird damit begründet, dass die Zusammenveranlagung von allen Ehegatten in Anspruch genommen werden könne, mithin auch von denjenigen ohne unterhaltsberechtigte Kinder. Sie setze eine Ehe, nicht aber einen kindesbedingten Bedarf voraus.653 Daraus könnte man schließen, dass bei der verfassungsdogmatischen Begründung des Splittingsystems der Kindesbezug von der Ehe abgekoppelt wird. Bei der Bewertung dieser Ansicht ist zunächst mit dem Bundesverfassungsgericht zu konstatieren, dass das Splittingsystem tatbestandlich ausschließlich an das Rechtsinstitut der Ehe und nicht an die Familie anknüpft. Den Kindern zugewandte reale Unterhaltsleistungen sind deshalb vom Splittingverfahren zu Recht nicht erfasst. Das bedeutet jedoch nicht, dass dem Splittingverfahren kein teleologischer Bezug zwischen Ehe und Familie inhärent ist. Während im Mittelpunkt des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts die steuerrechtliche Behandlung von Ausgaben für die schon entstandene Familie steht und für diese das Ehegattensplitting als ohne kompensatorische Relevanz charakterisiert wird, ist der zeitliche Ausgangspunkt der hier vertretenen teleologischen Fundierung des Splittingsystems der Familie vorgelagert und bezieht sich auch auf die Situation, in denen eine Familie erst noch begründet wird, bisher aber noch nicht existiert. In diesem Fall ermöglicht das Splittingverfahren die selbstbestimmte Arbeitsgestaltung innerhalb der Ehe und schafft einen steuerrechtlich intendierten Freiraum für die nichtstaatliche Erziehung und Betreuung von Kindern in der Ehe. Dieser Regelungszweck wird durch die verfassungsrechtlich gebotene Abzugsmöglichkeit von Unterhaltsleistungen nicht irrelevant, sondern ist ein Aspekt im Vorstadium der steuerrechtlichen Behandlung der Familie, der deren Begründung aus der Ehe heraus zu unterstützen vermag. Das mit dem gerade beschriebenen Ansatz inhaltlich verwandte und häufig vorgebrachte Argument gegen den splittingintendierten Zusammenhang von Ehe und Familie, viele Ehen blieben kinderlos, nutzten aber trotzdem das Ehegattensplitting,654 schlägt angesichts der typologisch gegebenen familialen Potentialität der Ehe nicht durch. Der Gesetzgeber durfte sie im Rahmen seines Regelungsspielraums im Steuerrecht berücksichtigen, nicht jedoch dort, wo aus typologischer Sicht kein potentieller Zusammenhang zwischen dem Rechtsinstitut und der Erweiterung zur Familie besteht.655 652 653 654

BVerfGE 99, 216. BVerfGE 99, 216 (240). Etwa bei Birk/Wernsmann (Fn. 640), S. 218 (222); Vollmer (Fn. 636), S. 215.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Weil diese in Art. 6 I GG verankerte Zielsetzung des Ehegattensplittings bei der Lebenspartnerschaft fehl geht, darf dieses Verfahren wegen der Wertentscheidung zugunsten der Ehe auf ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht übertragen werden. Auch aus der Perspektive derjenigen, die eine Modifikation oder sogar die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten eines Familiensplittings befürworten, ergäben sich Bedenken gegen die Einführung eines Splittingsystems für Lebenspartnerschaften. Der Personenkreis, der gegenwärtig in den Anwendungsbereich des Ehegattensplittings fällt und zukünftig in den des Familiensplittings fiele, ist wegen der Möglichkeit der verschiedengeschlechtlichen Personenverbindung, sich fortzupflanzen, zumindest mehrheitlich deckungsgleich. Eine Lebenspartnerschaft würde nur in dem seltenen Ausnahmefall vom Familiensplitting erfasst, in dem ihr zumindest ein Kind zugeordnet ist. Durch diesen unterschiedlich breiten institutionellen Anwendungsbereich des Familiensplittings wird deutlich, dass es dogmatisch inkonsequent ist, im Rahmen des Familienlastenausgleichs eine Modifikation des Ehegattensplittings zugunsten des Familiensplittings für verfassungsrechtlich geboten oder zumindest möglich zu halten, gleichzeitig aber für die Erweiterung des Splitting-Verfahrens auf die typischerweise kinderlose Lebenspartnerschaft einzutreten. Die verfassungsrechtliche Förderverpflichtung zugunsten der Ehe mit ihrer typologischen Perspektive auf die familiale Potentialität der Ehe spricht deshalb gegen die Anwendung des Ehegattensplitting-Verfahrens auf die Lebenspartnerschaft. Sie wäre verfassungswidrig. (2) Fiktionales Unterhaltsplitting Das Besteuerungssystem des Ehegattensplittingverfahrens wurde en detail vom LPartGErgG nicht übernommen, sondern war dort durch ein fiktionales Unterhaltsplitting ersetzt.656 Eine institutionelle Regelungsverpflichtung zur Unterhaltsleistung für Lebenspartner kann in verfassungskonformer 655

Bültmann (Fn. 650), S. 131 (140); Lindenberg/Micker (Fn. 183), S. 707 (714); Schumacher (Fn. 115), S. 857 (860). Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 86, konstatiert im Zusammenhang mit dem Verhältnis vom Ehegatten- zum Familiensplitting, dass das Grundrecht „die Ehe nicht nur als Vorstadium oder Funktion der Familie“ schütze. Aus dieser Formulierung ergibt sich aber implizit, dass die Ehe durch Art. 6 I GG auch deshalb geschützt wird. Eine Übertragung des Ehegattensplittings auf Rechtsinstitute ohne jeden Bezug zu Ehe oder Familie muss aus dieser Sicht deshalb erst recht verfassungswidrig sein. 656 Man darf vermuten, dass dahinter weniger gesetzgeberische Zurückhaltung in der Sache als die Sorge stand, das Bundesverfassungsgericht könnte ähnliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Implementierung der Lebenspartnerschaft in das Ehegattensplittingsystem haben.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Weise normiert werden.657 Insofern wäre ein Besteuerungsmodell, das reale Unterhaltsleistungen des steuerpflichtigen Lebenspartners berücksichtigt, kein Verstoß gegen den besonderen Schutz der Ehe.658 Dagegen kommt eine fiktionale Berücksichtigung im Ergebnis demjenigen des Ehegattensplitting-Verfahrens nahe.659 Zwar ist – ähnlich wie bei der Ehe – die Ermittlung real geleisteter Unterhaltsaufwendungen auch bei einer Lebenspartnerschaft kaum möglich, so dass der Gesetzgeber zu einer entsprechenden Typisierung berechtigt ist. Ihre Grenze findet diese Befugnis aber darin, dass ein möglicher Unterhaltsabzug die realen Unterhaltsleistungen in ihrer Größe in etwa widerspiegeln muss. Deren Höhe lässt sich aber grundsätzlich nur aufgrund der konkreten Einkommensverhältnisse der Lebenspartner ermitteln.660 Die in § 33a I EStG vorgesehene Abzugsfähigkeit von bis zu 7.680 Euro für Aufwendungen eines Steuerpflichtigen hinsichtlich des Unterhalts für eine andere Person, der er gegenüber gesetzlich unterhaltsverpflichtet ist, kommt in diesem Sinne grundsätzlich auch Lebenspartnern zugute und ist nach den dargelegten Grundsätzen verfassungsgemäß.661 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass dieser Höchstbetrag nur in Betracht kommt, wenn der Lebenspartner keine eigenen Einkünfte oder Bezüge hat. Ansonsten vermindert sich der Höchstbetrag nach § 33a I 4 EStG. Das wird regelmäßig der Fall sein, da oftmals beide Lebenspartner berufstätig sind. Verfassungskonform wäre aber auch die steuerliche Berücksichtigung des Existenzminimums eines Lebenspartners als fiktive Unterhaltsleistung seines Partners.662 Die schematische Annahme einer fiktiven Unterhaltsleistung in Höhe der Hälfte des Differenzbetrages zwischen dem höheren und dem niedrigeren Einkommen beider Lebenspartner, kombiniert mit einer Kappungsgrenze, wie sie für die Lebenspartnerschaft vorgesehen war, genügt dem nicht.663 Dies wird besonders deutlich, wenn bei nicht dauernd getrennt lebenden 657

Vgl. oben 4. Kapitel B. I. 6. a) bb), S. 484 ff. Kanzler (Fn. 238), S. 859 (861). 659 Seer (Fn. 636), S. 357 (374), mit einem Beispielsfall; Bültmann (Fn. 650), S. 131 (139); Krings (Fn. 102), S. 409 (414). 660 So zutreffend Vogel (Fn. 624), S. 201 (208), für ein Realsplitting im Rahmen der Ehe. 661 Vgl. auch Bültmann (Fn. 650), S. 131 (140 f.). 662 Das halten Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 123, ders., Lebenspartnerschaft – viele offene Fragen, in: NJW 2003, S. 2721 (2722 f.), und Bruns (Fn. 153), Steuerrecht, Rn. 6, als „untere Grenze dessen, was der Gesetzgeber an Unterhalt berücksichtigen muss“, wegen Art. 3 I GG sogar für verfassungsrechtlich geboten. 663 Selbst Kanzler (Fn. 238), S. 859 (864), der ansonsten für die Verfassungsmäßigkeit der steuerrechtlichen Regelungen des LPartGErgG eintritt, hielt die 40.000 DM der Kappungsgrenze für eine „willkürliche Rechengröße“. 658

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Lebenspartnern zusätzlich noch reale Unterhaltsleistungen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag hätten geltend gemacht werden können. In diesem Fall wäre wegen der Vermischung von fiktiven und realen Unterhaltsleistungen der Bezug zum Regelungszweck gefährdet, ausschließlich letztere steuerlich zu berücksichtigen.664 Außerdem hätte ein Differenzbetrag zwischen den abzugsfähigen Höchstbeträgen im Fall der Trennung der Eheleute665 und den nicht getrennt lebenden Lebenspartnern666 in Höhe von 13.000 DM bestanden, der nicht nachvollziehbar ist und die Ehe gegenüber der Lebenspartnerschaft benachteiligt.667 Die Höhe realer Unterhaltsleistungen unterscheidet sich nämlich nicht danach, ob die Mitglieder einer institutionalisierten Rechtsgemeinschaft getrennt oder zusammen leben, und scheidet deshalb als sachgerechtes Differenzierungskriterium aus. Die aus der Wertentscheidung zugunsten der Ehe abgeleitete verfassungsrechtliche Sperrwirkung bezieht sich deshalb nicht primär auf die Einzelheiten des steuerlichen Regelungssystems oder gar nur auf dessen Bezeichnung. Das Differenzierungsgebot zwischen der Ehe und anderen Rechtsinstituten betrifft stattdessen die steuerrechtliche Wirkung der finanziellen Privilegierung von Mitgliedern eines Rechtsinstituts gegenüber anderen Steuerpflichtigen durch ein Steuermodell, ohne dass dieser Privilegierung geltend gemachte Realausgaben oder – wie bei der Ehe – ein aus Art. 6 I GG abgeleiteter Regelungszweck gegenüberstehen.668 Insofern verwandelt sich durch die geplante faktische Übertragung eines bestimmten Steuermodells von der Ehe auf die Lebenspartnerschaft die durch das Splittingverfahren bewirkte und durch Art. 6 I GG induzierte Minderung der Belastung der Eheleute zu einer Privilegierung der Lebenspartner. Die Einführung eines Splittingmodells für die Lebenspartnerschaft, das zu einer steuerlichen Entlastung gegenüber Nichtlebenspartnern führt, verstößt deshalb gegen Artt. 3 I i. V. m. 6 I GG. Entsprechend sind die Regelungen des LPartGErgG zum Unterhaltsplitting verfassungswidrig. 664 Der durch die nach Art. 2 § 55 Nr. 2a LPartGErgG vorgesehene Einführung einer Kappungsgrenze erzielte Besteuerungseffekt sollte durch die zusätzliche Berücksichtigung realer Unterhaltsleistungen ausgeglichen werden. Damit kommt das LPartGErgG zwar einer steuersystematischen Anregung von Papier (Fn. 150), S. 2129 (2131), nahe, die dieser für das Ehegattensplitting aufgestellt hatte. Das Splittingverfahren beruht aber nicht nur auf der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen – wie bei der Lebenspartnerschaft –, sondern auch auf der familienbezogenen Zuordnung der Ehe. 665 Nach § 10 I Nr. 1 EStG a. F.: 27.000 DM. 666 Nach Art. 2 § 55 Nr. 2a LPartGErgG: 40.000 DM. 667 Bültmann (Fn. 650), S. 131 (140); Seer (Fn. 636), S. 357 (374). 668 Lindenberg/Micker (Fn. 183), S. 707 (714); Seer (Fn. 636), S. 357 (374 f., Fn. 92); anders Kanzler (Fn. 238), S. 859 (862).

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b) Steuerrechtliche Gleichbehandlung der Unterhaltsleistungen zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe bei Trennung und Scheidung bzw. Aufhebung § 10 I Nr. 1 EStG sieht vor, dass reale Unterhaltsleistungen von dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartnern als abzugsfähige Sonderausgaben bis zu einem Höchstbetrag von 13.805 Euro geltend gemacht werden können. § 10 I Nr. 1 S. 5 EStG sollte durch Art. 2 § 55 Nr. 2 Buchst. a LPartGErgG dahingehend modifiziert werden, dass dieser Regelungsinhalt nicht nur – wie bisher – bei Nichtigkeit oder Aufhebung der Ehe, sondern auch bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft oder beim dauernden Getrenntleben der Lebenspartner entsprechend gegolten hätte.669 In Art. 2 § 77 Nr. 2 Buchst. a LPartG-E war ursprünglich sogar vorgesehen, dass dafür auch das einfache – also auch vorübergehende – Getrenntleben der Lebenspartner ausreicht.670 Dies hätte dazu geführt, dass der nur vorübergehend getrennt lebende Lebenspartner sowohl reale Unterhaltsaufwendungen nach § 10 I Nr. 1 S. 1 EStG als auch zusätzlich die fiktiven Unterhaltsleistungen nach § 10 I Nr. 1 S. 6 EStG als Sonderausgaben von seinem Einkommen hätte abziehen können. Dieses Ergebnis ist kaum nachvollziehbar,671 durch steuerlich relevante Sachgründe nicht gerechtfertigt und deshalb schon im Gesetzgebungsverfahren korrigiert worden. Aus Art. 6 I GG lässt sich ein verfassungsrechtliches Verbot, die Lebenspartnerschaft als rechtlich verbindliche Unterhaltsgemeinschaft auszugestalten, nicht ableiten. Dies gilt auch für die Statuierung von Unterhaltspflichten bei Trennung oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft. Die steuerrechtliche Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen als abzugsfähige Sonderausgaben ist aus der Perspektive des besonderen Schutzes von Ehe und Familie verfassungsrechtlich weniger problematisch als das Splittingmodell: Ein typologischer Bezug zu einem der beiden geschützten Rechtsinstitute besteht bei der Abzugsfähigkeit real erbrachter Leistungen für den getrennt lebenden oder ehemaligen Lebenspartner nämlich nicht. Damit ist hier das Abbildungs- und Differenzierungsgebot nicht einschlägig. Art. 2 § 55 Nr. 2 Buchst. a LPartGErgG ist verfassungsgemäß.

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BT-Drucks. 14/4545, S. 80. BT-Drucks. 14/3751, S. 25. 671 Ebenso Buob (Fn. 612), S. 40 (42). Wie sich aus der Begründung von LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 63, ergibt, war diese Kumulation der Sonderausgaben aber von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen durchaus beabsichtigt, ohne dass dies inhaltlich näher begründet wurde. 670

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

c) Erbschaft- und schenkungsteuerliche Gleichbehandlung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe aa) Regelungsvorhaben bezüglich der Lebenspartnerschaft Durch die Einräumung eines gesetzlichen Erbrechts in § 10 I LPartG und eines Pflichtteilsrechts in § 10 VI LPartG für den überlebenden Lebenspartner des Erblassers stellte sich dem Gesetzgeber die Frage, wie die Erbschaft steuerrechtlich behandelt werden sollte. In Art. 2 § 56 LPartGErgG waren dazu Änderungen des ErbStG vorgesehen: Deren bedeutendste war die Einteilung der Lebenspartner nach § 15 I ErbStG in die gleiche (günstigste) Steuerklasse I wie Ehegatten.672 Außerdem wurden ihnen auch der gleiche in § 16 I Nr. 1 ErbStG festgelegte Freibetrag sowie der bisher nur dem überlebenden Ehepartner vorbehaltene besondere Versorgungsfreibetrag des § 17 I ErbStG zuerkannt.673 Bei der gegenseitigen Erbeinsetzung durch ein gemeinschaftliches Testament i. S. d. § 2269 BGB sollten Ehegatten und Lebenspartner erbschaftsteuerlich im Rahmen des § 15 III ErbStG ebenfalls gleich behandelt werden.674 Die Bestimmung des § 5 I ErbStG, nach der im Rahmen einer ehelichen Zugewinngemeinschaft der Betrag des Ausgleichsanspruchs des überlebenden Ehegatten nach § 1371 II BGB nicht als Erwerb i. S. d. § 3 ErbStG gilt und dafür keine Erbschaftsteuer entrichtet werden muss, sollte ebenso für im Güterstand der Ausgleichsgemeinschaft lebende Lebenspartner entsprechend angewandt werden wie die Regelung des § 5 II ErbStG, nach dem die Ausgleichsforderung des § 1378 BGB ebenfalls nicht zum Erwerb gehört.675 Bei Steuerbefreiungen für Zuwendungen unter Lebenden nach § 13 I Nr. 4a ErbStG, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten ein Familienwohnheim verschafft, ihn von eingegangenen Verpflichtungen zu dessen Anschaffung oder Herstellung freistellt oder nachträglich dessen finanziellen Aufwand trägt, wären entsprechend auch Lebenspartner berücksichtigt worden.676 Es war geplant, die in § 25 I 2 ErbStG vorgesehene Stundung der Steuer, welche auf Vermögen erhoben wird, das mit einer Nutzungs- oder Reallast zugunsten des Schenkers oder des Ehegatten des Erblassers bzw. Schenkers belastet ist, auch bei deren Lebenspartnern zu ermöglichen.677 672 673 674 675 676 677

Art. Art. Art. Art. Art. Art.

2 2 2 2 2 2

§ § § § § §

56 56 56 56 56 56

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

4 5 4 1 3 7

Buchst. a LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 81. u. 6 LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 81. Buchst. b LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 81. LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 80. LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 81. LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 81.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Dadurch, dass die im LPartGErgG vorgesehenen Ergänzungen nicht in Kraft getreten sind, werden derzeit Lebenspartner wie Mitglieder nichtehelicher Lebensgemeinschaften behandelt.678 Für sie gilt die Steuerklasse III nach § 15 I ErbStG und ihnen stehen die Freibeträge nach § 16 I Nr. 5 ErbStG und § 13 I Nr. 1c ErbStG zu. bb) Verfassungsrechtliche Bewertung des dargestellten Regelungsvorhabens Die Verfassungsmäßigkeit einer Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuerrecht ist nicht präjudiziert, wenn man ein gesetzliches Erbrecht bei der Lebenspartnerschaft für verfassungskonform ansieht.679 Zwar ist das Zivilrecht für das Erbschaftsteuerrecht in dem Sinne maßgeblich, dass die Besteuerung an privatrechtlich statuierte Rechtsfolgen anschließt. Dieser zivilrechtliche Bezug endet aber dort, wo das Erbe nach spezifisch steuerrechtlichen Maßstäben eingeordnet werden muss.680 Die steuerliche Privilegierung einer abgegrenzten Gruppe von Steuerpflichtigen gegenüber einer anderen Gruppe kann nämlich jeweils aus unterschiedlichen Regelungsmotiven erfolgen, die einer eigenständigen Untersuchung bedürfen. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt der Besteuerung des eingetretenen Erbfalls ist für die Rechtfertigung einer Übertragbarkeit der erbschaftsteuerrechtlichen Regelungen allein nicht ausreichend, weil die Erbschaftsteuerhöhe mittels der Einteilung in Steuerklassen gesetzlich auch danach differenziert wird, wer erbt bzw. vererbt. Ob die Konstituierung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner grundgesetzliche Normen – insbesondere Art. 14 I GG – verletzt,681 muss deshalb ebenso eigenständig geprüft werden wie die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft. Wenn man die Verfassungsmäßigkeit der Einführung eines gesetzlichen Erbrechts für den überlebenden Lebenspartner – wie in dieser Untersuchung – bejaht, schließt sich daran die Frage an, ob die weitgehende Gleichbehandlung von Ehe- und Lebenspartnern im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht ebenfalls verfassungskonform wäre. 678

Matthias Söffing/Heinrich Völkers/Norbert Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 2. Aufl., 2003, Stichwort „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, Rn. 8. 679 Anders wohl Jens Peter Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 14. Aufl., 2004, § 3 ErbStG Rn. 11a, der es mit der „zivilrechtlichen Lage“ für unvereinbar hält, dass die Erwerbe von Lebenspartnern „wie die Erwerbe Außenstehender behandelt werden“. Nach der Konzeption des LPartG müssten sie deshalb auch wie Ehegattenerwerbe behandelt werden. 680 Meincke (Fn. 679), Einf., Rn. 7. 681 Dazu oben 4. Kapitel B. I. 10. b) cc) (2), S. 593 ff.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Nach Art. 14 I 2 GG werden Inhalt und Schranken von Eigentum und Erbrecht durch Gesetze bestimmt. Wenn die in Art. 14 I 1 GG normierte grundlegende Gewährleistung des Erbrechts gewahrt bleibt, besitzt der Gesetzgeber bei der erbschaftsteuerlichen Behandlung des Erbes einen großen Gestaltungsspielraum.682 Grenze dieser Ausgestaltungsbefugnis des Steuergesetzgebers ist neben Art. 14 I GG und Art. 3 I GG auch der besondere Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 I GG. Er bedingt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine erbschaftsteuerliche Differenzierung zwischen den nach § 15 I ErbStG in der Steuerklasse I zusammengefassten Ehegatten, Kindern und Stiefkindern sowie deren Abkömmlingen einerseits und den übrigen Erben andererseits: Den Familienangehörigen der Steuerklasse I muss der Nachlass zum deutlich überwiegenden Teil oder bei kleineren Vermögen sogar ganz steuerfrei zugute kommen. Der steuerfrei zu stellende Minimalbestand des vererbten Vermögens ist dabei das vom Erben genutzte „persönliche Gebrauchsvermögen“.683 Die Besteuerung eines darüber hinausgehenden Vermögenszuwachses darf zudem nicht so weit gehen, dass die Erbschaft für den Ehegatten nicht mehr als „Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“ erkennbar ist oder die „im Erbrecht angelegte Mitberechtigung der Kinder am Familiengut“ verloren geht.684 Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 war die Lebenspartnerschaft noch nicht konstituiert und ihr mithin auch kein gesetzliches Erbrecht zugeordnet. Die Frage bedarf daher der Analyse, ob und inwiefern sich aus dem verfassungsgerichtlichen Bewertungsmaßstab hinsichtlich der erbschaftsteuerrechtlichen Privilegierung der Ehe durch die Eingliederung in die Steuerklasse I ein Differenzierungsgebot hinsichtlich der Lebenspartnerschaft ergeben kann. Dass bei einem gesetzlichen Erbrecht des überlebenden Lebenspartners die Erbschaftsteuer überhaupt auf das Erbvermögen angewandt werden kann, ist unproblematisch zu bejahen. Ansonsten würden im Erbfall Ehepartner gegenüber Lebenspartnern steuerlich benachteiligt und eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbotes gegenüber der Ehe gemäß Art. 6 I GG läge vor. Deshalb wäre die erbschaftsteuerliche Bevorzugung der Lebenspartnerschaft, etwa durch gegenüber Ehegatten höhere Freibeträge für Lebenspartner nach § 16 ErbStG, verfassungswidrig. Die eigentliche verfassungsrechtliche Vergleichsproblematik liegt in der erbschaftsteuerlichen Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern, 682

BVerfGE 93, 165 (174). In BVerfGE 93, 165 (175), wird zur näheren Definition dieses Gebrauchsvermögens auf die in BVerfGE 93, 121 (140), genannten „Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie dienen“, verwiesen. 684 BVerfGE 93, 165 (174 f.). 683

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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wie sie etwa durch die vom LPartGErgG intendierte Ergänzung der §§ 15, 16 ErbStG geplant war. Zu deren Lösung sind die Wertungsmaßstäbe des aus der Förderverpflichtung zugunsten der Ehe ermittelten Abbildungs- und Differenzierungsgebotes heranzuziehen: Der besondere Schutz der Ehe schränkt das institutionelle Gleichstellungsbegehren des Gesetzgebers in den Fällen ein, in denen die familiale Potentialität im Mittelpunkt der Regelung steht. Die Bevorzugung der Ehegatten gegenüber anderen Erben durch die Zuordnung zur Steuerklasse I wird damit begründet, dass regelmäßig der durch den Erbfall entstehende Vermögensvorteil für den verheirateten Erben geringer ist als für andere, weil erstere schon vorher am Vermögen des – zu diesem Zeitpunkt noch lebenden – Ehepartners partizipiert haben.685 Das typischerweise bestehende Näheverhältnis zwischen den Ehepartnern liegt insofern der formalisierten Anknüpfung an das Rechtsinstitut der Ehe im Erbschaftsteuerrecht zugrunde.686 Sowohl hinsichtlich des Intensitätsgrades des persönlichen Näheverhältnisses als auch der damit verbundenen Vermutung der Partizipation des einen am Vermögen des anderen unterscheiden sich Ehe und Lebenspartnerschaft grundsätzlich nicht voneinander. Dies gilt auch für die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Charakterisierung der Ehe als „Erwerbsgemeinschaft“, deren vermögenswertes Ergebnis nicht durch eine Erbschaftsteuer gänzlich zerstört werden darf. Eine Lebenspartnerschaft kann ebenso eine Erwerbsgemeinschaft sein wie die Ehe. Allerdings kann die ebenfalls erwähnte Sicherung der Familienerbfolge nicht auf die bloße Lebenspartnerschaft übertragen werden, weil Kinder dort typologisch nicht vorkommen. Die Eingruppierung des Lebenspartners in § 16 I Nr. 2 ErbStG wäre deshalb systemwidrig. Der Ergänzung des Ehegatten in den §§ 15, 16 ErbStG um den Lebenspartner steht der Regelungszweck der Privilegierung der Ehe bei der Erbschaftbesteuerung aber nicht entgegen, weil insofern nur dem ehelichen Familienbezug der Schutz der Verfassung zukommt. Insofern ist aus verfassungsrechtlicher Sicht gegen die im LPartGErgG vorgesehenen Änderungen nichts einzuwenden. Die Erbschaft des verstorbenen Lebenspartners kann unter dieser Bedingung der Erbschaft des verstorbenen Ehegatten im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gleichgestellt werden.687 Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung 685 Meincke (Fn. 679), § 15 ErbStG Rn. 2; Risse (Fn. 276), S. 330 f. Dem von Meincke vorgetragenen Hinweis, diese Vermögenspartizipation gelte nicht für getrennt lebende Ehepartner, kann man die Typisierungsfunktion gerade im Steuerrecht entgegenhalten. Eine rechtssichere Feststellung des Trennungszeitpunkts ist oftmals schwierig oder sogar unmöglich, so dass in diesem Fall der Steuergesetzgeber sowohl die zusammen als auch die getrennt lebenden Ehepartner gleich behandeln darf. 686 Meincke (Fn. 679), § 15 ErbStG Rn. 2. 687 Bültmann (Fn. 650), S. 131 (141). Im Ergebnis auch Schumacher (Fn. 115), S. 857 (862), obwohl er die Einführung eines gesetzlichen Erbrechts für gleichge-

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

dazu aus Art. 3 I GG besteht aber nicht.688 Dies gilt auch für die (verschiedengeschlechtliche) eheähnliche Gemeinschaft,689 weil dort – anders als bei der Ehe – weder eine formalisierte Rechtsgemeinschaft, ein gesetzliches Erbrecht noch überhaupt eine typisierte Rechte-Pflichten-Bindung existiert und insofern die gesetzgeberische Gestaltungsbefugnis nicht durch die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eingeschränkt wird.690 d) Weitere Tatbestände der Ausdehnung der steuerrechtlichen Privilegierung der Ehe auf die Lebenspartnerschaft Neben der Berücksichtigung fingierter Unterhaltsleistungen für den Lebenspartner im Rahmen abzugsfähiger Sonderausgaben war geplant, zusätzlich auch noch die realen Aufwendungen steuerrechtlich zu berücksichtigen: So sollte die nach § 33a EStG eingeräumte Möglichkeit, die Kosten außergewöhnlicher Belastungen für den Ehepartner bis zu gesetzlich festgelegten Höchstbeträgen vom Gesamtbetrag der eigenen zu besteuernden Einkünfte abzuziehen, auf nicht getrennt lebende Lebenspartner ausgedehnt werden.691 Dazu gehören nach § 33a I, II EStG die realen Aufwendungen für Unterhalt und Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten bzw. nicht getrennt lebenden Lebenspartner gegenüber unterhaltspflichtigen Person ebenso wie gemäß § 33a III EStG für diesen Personenkreis die Beschäftigung einer Haushaltshilfe im Alter, die Unterbringung in einem Heim oder zur Pflege. In § 10 III Nr. 2 EStG a. F. war ein Höchstbetrag von 12.000 DM beim Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen i. S. d. § 10 I Nr. 2 EStG im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten vorgesehen. Nach Art. 2 § 55 Nr. 2 Buchst. b LPartGErgG war geplant, in diesem Fall Lebenspartner wie zusammen veranlagte Ehegatten zu behandeln.692 Verschiedene Konstellationen des Grundstückserwerbs, an denen auf Erwerberseite der Ehegatte beteiligt ist, fallen nach § 3 Nr. 3–7 GrEStG nicht schlechtliche Lebensgemeinschaften als Verstoß gegen Art. 6 I GG ansieht. Zurückhaltender Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 49; ders. (Fn. 127), S. 487 (506 f.), der zumindest die erbschaftsteuerliche Einordnung des überlebenden Lebenspartners als Verwandten für verfassungsrechtlich unbedenklich hält. 688 Bültmann (Fn. 650), S. 131 (141). So aber Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 87; ders. (Fn. 649), S. 117 (120); Muscheler (Fn. 466), S. 217 (220); Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 381; Röthel (Fn. 127), S. 511 (518); Risse (Fn. 276), S. 329 f. 689 BVerfG, BStBl. 1990 II, S. 103 und 764. 690 Stüber (Fn. 649), S. 117 (120); Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 381. 691 Art. 2 § 55 Nr. 5 LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 80. 692 BT-Drucks. 14/4545, S. 80.

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unter die Grunderwerbsteuer. Diese sollten jeweils um den Lebenspartner ergänzt werden.693 Auf Umsätze der Blinden, die nicht mehr als zwei Arbeitnehmer beschäftigen, muss nach § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG keine Umsatzsteuer entrichtet werden. Ehegatten gelten nach dessen Satz 2 nicht als Arbeitnehmer. In Art. 2 § 57 LPartGErgG war vorgesehen, bei dieser Privilegierung auch Lebenspartner zu berücksichtigen.694 aa) Abzugsfähigkeit realer Unterhaltsleistungen Die Einführung eines fiktionalen Unterhaltssplittingverfahrens für die Lebenspartnerschaft wäre verfassungswidrig.695 Da die normative Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft als Unterhaltsgemeinschaft aber selbst nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe verstößt, entstehen reale Unterhaltsaufwendungen der Lebenspartner füreinander. Die steuerliche Berücksichtigung dieser Unterhaltsleistungen als abzugsfähige Sonderausgaben wird vom verfassungsrechtlichen Differenzierungsgebot zwischen der Ehe und anderen Rechtsinstituten nicht erfasst, weil dort die Ehe in ihrer singulären Funktion als institutionalisierte potentielle Familie nicht berührt wird. Den Rechtsinstituten der Ehe und Lebenspartnerschaft ist gegenüber anderen nichtehelichen Lebensgemeinschaften gemeinsam, dass dort rechtlich verbindliche Unterhaltsverpflichtungen auf institutioneller Ebene konkretisiert sind. Eine Gleichbehandlung der Abzugsfähigkeit realer Unterhaltsleistungen von Ehegatten und Lebenspartnern ist deshalb verfassungskonform. bb) Vorwegabzug von Vorsorgeaufwendungen Die durch Art. 2 § 55 Nr. 2 Buchst. b LPartGErgG geplante Übertragung der früher in § 10 III Nr. 2 EStG a. F.696 enthaltenen und bisher nur auf Eheleute angewandten Höchstbetragsgrenzen für den steuerlichen Vorwegabzug von Vorsorgeaufwendungen könnte steuer- und verfassungsrechtlich aus mehreren Gründen problematisch sein: Auf der steuerrechtlichen Ebene des einfachen Gesetzesrechts ist die vorgesehene Übernahme der Regelungssystematik des § 10 III Nr. 2 EStG a. F. für Lebenspartner kritisiert worden: Der persönliche Anwendungsbe693

Art. 2 § 54 LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 79 f. BT-Drucks. 14/4545, S. 81. 695 Vgl. 4. Kapitel B. I. 13. a) cc) (2), S. 628 ff. 696 § 10 III Nr. 2 EStG a. F. lautete: „Für Vorsorgeaufwendungen gelten je Kalenderjahr folgende Höchstbeträge: (. . .) 2. ein Vorwegabzug von 6.000 Deutsche Mark, im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten von 12.000 Deutsche Mark.“ 694

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reich dieser Regelung sei unklar, weil die Norm nicht berücksichtige, ob der steuerpflichtige Lebenspartner das „Partnersplitting“ oder das Unterhaltsrealsplitting für Lebenspartner während dauernder Trennung bzw. nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft in Anspruch nehme. Aus dem Normbezug zu den zusammen veranlagten Eheleuten folge, dass nur solche Lebenspartner gemeint seien, die dem Partnersplitting unterlägen.697 Aus diesem Grund müsse steuersystematisch trotz der grundsätzlich gegebenen Einzelveranlagungen für die Lebenspartner hinsichtlich des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen eine Zusammenveranlagung vorgenommen werden.698 Im Falle des Nichterreichens der Höchstgrenze von 12.000 DM für den Vorwegabzug durch beide Lebenspartner gemeinsam sei außerdem nicht festgelegt, welchem der Lebenspartner der verbleibende Differenzbetrag bis zur Höchstgrenze als Teil des Vorwegabzugs zugeordnet werden soll.699 Gemeinsame Ursache der aufgezeigten Anwendungsprobleme ist die normativ intendierte Nähe zum System des Ehegattensplittings. Die anwendungsspezifischen Friktionen der Regelung entstehen dadurch, dass einerseits die Zusammenveranlagung bei der Lebenspartnerschaft grundsätzlich gerade nicht vorgesehen ist, andererseits trotzdem für sie ein in der Wirkung dem Ehegattensplitting nahe kommendes fiktives Splittingmodell eingeführt werden sollte. Dieser systematische Bezug der geplanten Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in § 10 III Nr. 2 EStG a. F. zum Splittingmodell ist deshalb nicht nur auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts, sondern auch auf der des Verfassungsrechts problematisch. Ein Splittingmodell darf auf die Lebenspartnerschaft wegen des besonderen Schutzes der Ehe in Art. 6 I GG nicht angewandt werden. Sie kann deshalb nicht das steuersystematische Fundament der Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen für Lebenspartner sein. Insofern verfehlt die vorgesehene Regelung ihren intendierten persönlichen Anwendungsbereich: diejenigen Lebenspartner, die das „Partnersplitting“ in Anspruch nehmen. Der angegebene Regelungszweck, Lebenspartner bei der Abzugsfähigkeit nicht besser zu stellen als Ehegatten,700 kann durch die Gleichbehandlung der Lebenspartner mit ledigen 697

Axel S. Stadie, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Steuerrecht, Rn. 24. 698 Stadie (Fn. 697), Rn. 25. 699 Stadie (Fn. 697), Rn. 26, spricht sich dafür aus, den verbleibenden Vorwegabzugsbetrag demjenigen Partner zuzurechen, „welcher auch als Alleinstehender (bei ‚reiner‘ Einzelveranlagung) keine vollständige Kürzung hätte hinnehmen müssen.“ Er hält aber auch Alternativen dazu für vom legislativen Gestaltungsspielraum gedeckt. 700 So der Rechtsausschuss des Bundestags, BT-Drucks. 14/4550, S. 67.

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Steuerpflichtigen erreicht werden, ohne dass sie durch ein Splittingmodell privilegiert oder ihnen höhere Vorabzugsobergrenzen eingeräumt werden müssten.701 Art. 2 § 55 Nr. 2 Buchst. b LPartGErgG verstieß wegen seines notwendigen systematischen Bezugs zum Ehegattensplitting gegen die verfassungsrechtlich getroffene objektive Wertentscheidung für die Ehe. Eine Bezugnahme der Lebenspartnerschaft auf die Besteuerung zusammen veranlagter Eheleute ist deshalb auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen einfachgesetzlichen Rechtslage verfassungswidrig. cc) Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Grunderwerbsteuerrecht Durch die geplante Implementierung des Lebenspartners in § 3 Nr. 3–7 GrEStG sollte die Lebenspartnerschaft der Ehe im Bereich des Grunderwerbsteuerrechts vollständig gleichgestellt werden.702 Die bisherige grunderwerbsteuerliche Privilegierung703 der Ehegatten gegenüber Mitgliedern nichtehelicher Lebensgemeinschaften basiert auf zwei verschiedenen argumentativen Grundmustern: Das Rechtsinstitut der Ehe einerseits und alle Sozialformen der verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft andererseits unterscheiden sich dadurch, dass die Rechtsordnung ausschließlich der Ehe eine umfassend strukturierte Rechtsform mit einer ausgestalteten Rechte- und Pflichtenstruktur zur Verfügung stellt. Dies gilt auch für das nur bei der Ehe formalisierte Verfahren im Falle ihrer Beendigung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Im Gegensatz dazu ist die Rechtsgestalt der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mangels einer eigenständigen Institutionalisierung deutlich weniger konturiert, auch wenn sie im Laufe der Zeit in einzelnen Bereichen normativ berücksichtigt worden ist. Diese Differenz hat insofern Auswirkungen auf das Grunderwerbsteuerrecht, als sich auch dort die steuerrechtlichen Tatbestände auf die zivilrechtlichen Rechtsvorgänge beziehen. Dies wird bezüglich der Privilegierung des Ehegatten insbesondere bei den in § 3 Nr. 3 (Erbfall), Nr. 5 (Vermögensauseinandersetzung nach Scheidung) und Nr. 7 (Gütergemeinschaft) GrEStG beschriebenen Konstellationen deutlich, die komplexe rechtlich geregelte Konstellationen 701 Damit werden Lebenspartner zwar nicht genauso behandelt wie Eheleute. Das war zumindest ausweislich der veröffentlichten Begründung aber auch gar nicht der Sinn dieser Regelung. 702 Hans-Joachim Sack, in: Ernst Paul Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., 2007, § 3 GrEStG Rn. 357a. 703 Die Überschrift des Zweiten Abschnitts des GrEStG spricht i. d. S. explizit von „Steuervergünstigungen“.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

voraussetzen. Diese Regelungsdichte fehlt bei der eheähnlichen Gemeinschaft und bedingt deshalb eine privatrechtliche und daraus folgend grunderwerbsteuerliche Unsicherheit bezüglich ihrer Rechtsfolgen. Der Steuergesetzgeber konnte deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht die Ehe gegenüber der eheähnlichen Gemeinschaft bevorzugen. Ein verfassungsrechtlicher Verstoß gegen Art. 3 I GG liegt bezüglich der ehebezogenen Privilegierung nicht vor, weil der durch Art. 6 I GG garantierte besondere Schutz der Ehe ein sachgerechtes Differenzierungskriterium darstellt.704 Dies gilt sogar dann, wenn gemeinsame Kinder zwischen den Mitgliedern der eheähnlichen Gemeinschaft existieren und insofern eine Familie i. S. d. Art. 6 I GG besteht. Selbst in diesem Fall ergibt sich keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Grunderwerbsteuerbefreiung, weil der gesetzgeberische Spielraum nicht auf die Förderung aller verfassungsrechtlich geschützten Rechtsinstitute in der gleichen spezifischen Weise verengt ist.705 Fraglich ist, ob dieser Grundsatz auch für die Lebenspartnerschaft zutrifft. Sie ist – anders als die eheähnliche Gemeinschaft – ein normativ ausgestaltetes Rechtsinstitut und insoweit mit der Ehe durchaus vergleichbar. Dies könnte zu der Annahme führen, es bestünde mangels eines sachgerechten Differenzierungskriteriums eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur grunderwerbsteuerlichen Gleichstellung mit der Ehe. Dagegen spricht aber, dass die bloße Konstituierung eines Rechtsinstituts nicht dazu führen kann, dass verfassungskonforme Normen mit dem Zeitpunkt dieser Institutionalisierung verfassungswidrig werden. Der Gesetzgeber behält hier insofern seinen großen Gestaltungsspielraum.706 Von ihm hat er bisher ausdrücklich zugunsten des Ehegattenerwerbs Gebrauch gemacht, indem er die Kombination mehrerer grunderwerbsteuerlicher Befreiungsvorschriften (Interpolation) nur zugunsten der Eheleute und nicht für Mitglieder anderer Rechtsinstitute kodifiziert hat.707 Eine Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft ohne ausdrückliche Gesetzesänderung würde den normativen Anwendungsbereich dieser Tatbestände gegen ihren Wortlaut ausweiten und ist deshalb verfassungsrechtlich nicht möglich.708 Weil das LPartGErgG 704 Vgl. auch BFHE 194, 462 (464 f.); Sack (Fn. 702), § 3 GrEStG Rn. 357; Willy Franz, in: Armin Pahlke/Willy Franz, Grunderwerbsteuergesetz, 3. Aufl., 2005, § 3 GrEStG Rn. 215. 705 So auch BFHE 194, 462 (465): „Der besondere Schutz, dem [sic!] die Verfassung der Familie angedeihen lässt, lässt zwar steuerliche Begünstigungen zugunsten der Familie zu, gebietet diese aber nicht schlechthin.“ 706 Siehe Sack (Fn. 702), § 3 GrEStG Rn. 357a. 707 Sack (Fn. 702), § 3 GrEStG Rn. Rn. 357a. 708 Dies gilt nach Sack (Fn. 702), § 3 GrEstG Rn. 357a, auch für den Fall der Grundstücksübertragung zwischen einem Lebenspartner und dem Kind des anderen Lebenspartners. Das Kind ist trotz § 11 II 1 LPartG nicht „Stiefkind“ des anderen Lebenspartners und unterfällt damit nicht der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 S. 2

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nicht in Kraft getreten ist, werden Lebenspartner im Grunderwerbsteuerrecht wie bisher als nicht verheiratete und damit insofern nicht begünstigte Steuerpflichtige behandelt.709 Die Lebenspartnerschaft muss aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht bei § 3 Nr. 3–7 GrEstG berücksichtigt werden.710 Als dogmatisch genau umgekehrte Konstellation dazu stellt sich die geplante Änderung durch Art. 2 § 54 LPartGErgG nach einem möglichen Inkrafttreten dar. Sie wirft die Frage auf, ob der beschriebene Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich insofern doch eingeschränkt ist, als der Gesetzgeber die Lebenspartnerschaft im Grunderwerbsteuerrecht gar nicht berücksichtigen darf. Eine entsprechende Sperrwirkung könnte aus der Förderverpflichtung zugunsten der Ehe nur abgeleitet werden, wenn mit der Steuervergünstigung für Eheleute die familiale Potentialität der Ehe geschützt werden soll. Anhaltspunkt dafür könnte ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Ehegattenerwerb und dem familienbezogenen Erbrecht sein: Vor dem GrEStG 1983 wurde eine Steuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen den Ehepartnern nur bei Begründung und Beendigung der Gütergemeinschaft gewährt, während für den Grundstückserwerb zwischen in gerader Linie Verwandten immer schon keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden musste. Letzteres wurde damit begründet, dass die in gerader Linie Verwandten ein gesetzliches Erbrecht besäßen und ihnen zumindest ein Teil des Grundstücks im Erbfall ohnehin zufiele. Da dieser Rechtsgedanke aber auch für Ehegatten gilt, wurden Ehegatten hinsichtlich der Steuerbefreiung gesetzlich den Verwandten gleichgestellt.711 Die Neuregelung antizipiert somit in steuerlicher Hinsicht den Grundstückserwerb. Aus diesem vorverlagernden Regelungszweck ergeben sich grunderwerbsteuerrechtliche Konsequenzen auch für die Lebenspartnerschaft: Der Gesetzgeber kann die Grundstücksübertragung zwischen Lebenspartnern steuerrechtlich der Behandlung von Ehegatten gleichstellen, weil zwischen ihnen ein gesetzliches Erbrecht besteht.

GrEStG. Die Lebenspartnerschaft würde in diesem Fall nämlich indirekt als Privilegierungstatbestand eingeführt werden, ohne dass eine Änderung dieser Norm erfolgt wäre. 709 Sack (Fn. 702), § 3 GrEStG Rn. 357a; Bruns (Fn. 153), Steuerrecht, Rn. 61; Franz (Fn. 704), § 3 GrEStG Rn. 214. 710 Franz (Fn. 704), § 3 GrEStG Rn. 213. 711 Vgl. dazu die Begründung des Entwurfs eines Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1980) durch den Bundesrat vom 19.3.1981, BT-Drucks. 9/251, S. 17 f.; Sack (Fn. 702), § 3 GrEStG Rn. 356.

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dd) Gleichbehandlung von blinden Lebenspartnern und Eheleuten im Umsatzsteuerrecht Die vorgesehene Nichtberücksichtigung des bei seinem blinden Lebenspartner angestellten anderen Lebenspartners als Arbeitnehmer durch Art. 2 § 57 LPartGErgG und damit dessen Gleichbehandlung mit Ehepartnern, den Eltern oder minderjährigen Abkömmlingen im Rahmen der Umsatzbesteuerung ist verfassungsrechtlich unproblematisch. Durch diese Regelung soll blinden Arbeitgebern, die nicht mehr als zwei Arbeitnehmer beschäftigen und in diesem Fall von der Entrichtung der Umsatzsteuer befreit sind, ermöglicht werden, sich eine eigene Existenzgrundlage zu schaffen und diese selbständig zu erhalten. Diesem Zweck dient die Mitarbeit der eigenen Familie, auf deren Unterstützung Blinde wegen ihrer Behinderung oftmals angewiesen sind. Die Ausdehnung auf den Lebenspartner des Blinden ist Ausdruck des sozialen Nähe- und Fürsorgeverhältnisses zwischen ihnen, das auch Grundlage der Berücksichtigung von Eheleuten und Familienangehörigen ist. Eine funktionale Differenz zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft besteht in diesem Fall nicht. Die Einbeziehung des Lebenspartners in § 4 Nr. 19 UStG wäre deshalb verfassungsgemäß. e) Angleichung der steuerrechtlichen Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft, um eine Besserstellung der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe zu vermeiden Bei der geplanten Modifikation von § 12 EStG, die das LPartGErgG enthielt, sollte die Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichgestellt werden. Die Normintention war in diesem Fall jedoch nicht auf die Teilnahme an der steuerrechtlichen Privilegierung der Ehe gerichtet, sondern – im Gegenteil – auf ihre rechtliche Begrenzung. Wenn die Lebenspartnerschaft bei der in Rede stehenden Norm nicht berücksichtigt würde, dann wäre sie in diesem Regelungsbereich zumindest auf einfachgesetzlicher Ebene gegenüber der Ehe bevorzugt. Nach § 12 Nr. 1 EStG sind Kosten der eigenen Haushaltsführung sowie für den Unterhalt von Familienangehörigen grundsätzlich genauso wenig als Sonderausgaben abzugsfähig wie nach § 12 Nr. 2 EStG Zuwendungen gegenüber einer dem Ehegatten des Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsverpflichteten Person oder deren Ehegatten. Das Gleiche sollte auch für Lebenspartner gelten.712 Aus verfassungsrechtlicher Sicht muss diese Regelung grundlegend anders beurteilt werden als die vorhergehend behandelten: Aus der objektiven Wertentscheidung zugunsten der Ehe ergibt sich das Verbot, sie rechtlich 712

Art. 2 § 55 Nr. 3 LPartGErgG, BT-Drucks. 14/4545, S. 80.

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gegenüber anderen Rechtsformen zu benachteiligen. Eine Benachteiligung kann auch darin bestehen, dass nur an die Ehe Rechtsfolgen mit negativer Wirkung geknüpft werden, ein anderes merkmalsverwandtes Rechtsinstitut davon aber ausgenommen wird. Das führte unter Verletzung des Benachteiligungsverbots zu einer Bevorzugung dieses Rechtsinstituts gegenüber der Ehe. Insofern ist die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in diesen Fällen verfassungsrechtlich präjudiziert. Sie ist deshalb nicht verfassungswidrig, sondern entspricht der objektiven Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten der Ehe. Die genannten Regelungen sind deshalb verfassungsrechtlich geboten, weil ansonsten die Ehe gegenüber der Lebenspartnerschaft in diesen Regelungsbereichen benachteiligt wird. Da das LPartGErgG aber nicht in Kraft getreten ist, muss § 12 Nr. 1 und 2 EStG verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die dort genannten Kosten auch für Lebenspartner grundsätzlich keine abzugsfähigen Sonderausgaben darstellen. Gegen den Inhalt von Art. 2 § 55 Nr. 3 LPartGErgG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. f) Ergebnis Die Übertragung des Ehegattensplittingsystems auf die Lebenspartnerschaft verstößt gegen die Förderverpflichtung zugunsten der Ehe aus Art. 6 I GG. Dies gilt sowohl für die direkte Übernahme des Systems als auch für deren modifizierte Einführung als lebenspartnerschaftliches fiktionales Unterhaltsplitting. Reale Unterhaltsleistungen zwischen den Lebenspartnern können dagegen aus verfassungsrechtlicher Sicht auf steuerrechtlicher Ebene zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Der gesetzgeberische Spielraum ermöglicht eine Gleichstellung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft auch im Erbschaft- und Schenkungsteuer- sowie im Grunderwerbsteuerrecht. 14. Sozialrecht a) Beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Das System der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung steht schon seit geraumer Zeit im Blickpunkt der öffentlichen Diskussion. Die Virulenz einer umfassenden Reform dieses Bereichs der deutschen Sozialversicherung wird vor allem durch ihre schon seit Jahren sichtbaren Finanzierungsprobleme deutlich. Eine der Ursachen für die finanzielle Situation des gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungssystems besteht in dem ungleichen Verhältnis von steigenden Ausgaben, die nicht durch

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Beitragseinnahmen in gleicher Höhe kompensiert werden. Zu diesem negativen Saldo trägt systemimmanent jeder bei, der Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen kann, ohne Beiträge gezahlt zu haben. Das gilt auch für die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten und – grundsätzlich altersabhängig713 – Kindern des Versicherungspflichtigen im Rahmen der Familienversicherung. Die beitragsfreie Mitversicherung ist ein Element des Familienlastenausgleichs.714 Nach § 10 I SGB V sind Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung des Versicherten beitragsfrei mitversichert, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, nicht selbst versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit und auch nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, sowie außerdem gemäß §§ 10 I Nr. 5 SGB V, 18 SGB IV i. V. m. § 2 Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007 vom 11. Dezember 2006715 über kein jährliches Gesamteinkommen in Höhe von 29.400 Euro (West) bzw. 25.200 Euro (Ost) verfügen. Nach Art. 3 § 52 Nr. 4 LPartDisBG ist § 10 I SGB V insoweit ergänzt worden, als auch der Lebenspartner des Versicherten in diesen Kreis der beitragsfrei Mitversicherten einbezogen worden ist. Gleiches gilt nach Art. 3 § 56 Nr. 6 LPartDisBG auch für die in § 25 SGB XI geregelte Familienversicherung im Rahmen der Pflegeversicherung. Eine personelle Erweiterung der von der beitragsfreien Mitversicherung profitierenden Personengruppe verschärft die beschriebenen Finanzierungsprobleme. Gegenwärtig beträgt der Anteil der Kosten, die von der gesetzlichen Krankenversicherung für diesen Kreis aufgewandt werden, schon etwa zwanzig Prozent an ihren Gesamtausgaben.716 Inwieweit sich dieser Anteil durch die Einbeziehung der Lebenspartner vergrößern wird, hängt von der Zahl der begründeten Lebenspartnerschaften ab. Bei deren gesetzlicher Ausgestaltung wird man als faktische Obergrenze des in Betracht kommenden Personenkreises die Zahl der in Deutschland lebenden homosexuellen Personen annehmen können. Je umfassender der Lebenspartnerschaft die rechtlichen Privilegierungen der Ehe zuerkannt werden und je rechtlich und finanziell attraktiver dieses Rechtsinstitut dadurch für diese Bevölkerungsgruppe wird, desto eher wird die Zahl der Lebenspartnerschaften steigen. Dies gilt gerade auch für die beitragsfreie Mitversicherung: Der finanzielle Effekt dieser Regelung ist für den beitragsfrei Mitversicherten regelmäßig von Relevanz. Die Beitragsfreiheit der Mitversicherung schafft also selbst 713

Vgl. § 10 II SGB V. Karl Peters, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 10 SGB V Rn. 2; Christian Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 88. 715 BGBl. I, S. 2742, 2746. 716 Helge Sodan, Verfassung setzt Zwangssolidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung Grenzen, in: Handelsblatt vom 4.12.2000, S. 2. 714

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einen Anreiz für homosexuelle Personen, eine Lebenspartnerschaft einzugehen. In jedem Fall verschlechtert sich durch die Einbeziehung von Lebenspartnern in die beitragsfreie Mitversicherung im Rahmen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ihr Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis weiter. Um dem immer größer werdenden Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenzuwirken, „sind“ nach § 220 II SGB V „die Beiträge“ der beitragspflichtigen Versicherten und damit auch ihrer Arbeitgeber „zu erhöhen“. Nach § 249 I SGB V (Krankenversicherung) bzw. § 58 I 1 SGB XI (Pflegeversicherung) sind nämlich letztere verpflichtet, die Hälfte der nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge zu zahlen. Dadurch erhöhen sich die Personalzusatzkosten, was sich wiederum nachteilig auf die Schaffung neuer und den Erhalt schon bestehender Arbeitsplätze auswirkt. Neben dieser regelungsimmanenten Finanzierungsproblematik bestehen verfassungsrechtliche Bedenken sowohl schon allgemein gegen die beitragsfreie Mitversicherung als auch gegen die Einbeziehung von Lebenspartnern in die Familienversicherung. Sie basieren auf einer Analyse der Grundrechte der Beitragszahler, die die beitragsfreie Mitversicherung finanzieren. Dabei handelt es sich um die Grundrechtspositionen der gesetzlich Pflichtversicherten (aa) und der Arbeitgeber (bb).717 aa) Gesetzlich Pflichtversicherte § 5 I SGB V enthält eine umfassende Aufzählung von Personengruppen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Darunter sind nach §§ 5 I Nr. 1, 6 I Nr. 1, VI SGB V i. V. m. § 4 I Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007 auch alle Arbeiter und Angestellten, deren Jahresarbeitsentgelt im Jahr 2007 nicht mehr als 47.700 Euro beträgt, die aber andererseits auch nicht nur geringfügig i. S. v. §§ 7 ff. SGB V beschäftigt sind. Insgesamt sind danach etwas weniger als neunzig Prozent der deutschen Bevölkerung pflichtversicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.718 Die nachfolgend beschriebenen Grundrechtseingriffe betreffen sie deshalb unmittelbar. 717 Dagegen ist die Ansicht von Bruns (Fn. 276), S. 6 (9), die Nichteinbeziehung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner in die Familienversicherung sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in deren allgemeine Handlungsfreiheit, nicht tragfähig, weil sich aus diesem Grundrecht kein konkreter gesetzlicher Ausgestaltungsanspruch ergibt, vgl. dazu oben 3. Kapitel B. IV., V., S. 379 ff. 718 Ende 2006 lebten in Deutschland etwa 82,31 Millionen Personen, vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 5.1.2007. Im Dezember 2005 waren 70,49 Millionen Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, siehe Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.), Gesetzliche Krankenversicherung. Mitglie-

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(1) Grundrechtseingriffe Durch die beitragsfreie Mitversicherung der Lebenspartner in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wird auf verschiedene Weise in die durch Art. 2 I GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der beitragspflichtigen Mitglieder eingegriffen: Arbeitnehmer, die im Jahr 2007 über ein Jahreseinkommen bis zu 47.700 Euro verfügen, sind in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und zur Zahlung entsprechender Versicherungsbeiträge verpflichtet. Schon durch die gesetzliche Einbeziehung in eine Pflichtversicherung greift der Gesetzgeber in die nach Art. 2 I GG gewährleistete negativ ausgeübte allgemeine Handlungsfreiheit des beitragspflichtig Versicherten ein, zu deren Schutzbereich auch gehört, nicht Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft werden zu müssen.719 Die Beiträge, die im Rahmen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet werden, unterscheiden sich nicht danach, ob der zur Zahlung Verpflichtete verheiratet ist oder Kinder hat. Sie sind für verheiratete wie unverheiratete bzw. kinderlose beitragspflichtige Personen gleich hoch. Daraus ergibt sich, dass diejenigen Pflichtversicherten, die unverheiratet bzw. kinderlos sind, einen Teil der Leistungsaufwendungen für die beitragsfrei Versicherten mitfinanzieren.720 Dieser „Zwang zur Solidarität“721 greift ebenfalls in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit ein, die den pflichtversicherten Beitragszahlern zukommt. Darüber hinaus entstehen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch die Erweiterung des Kreises der Leistungsempfänger, die keine Beiträge zahlen müssen, zusätzliche Kosten für Leistungsaufwendungen zu der, mitversicherte Angehörige, Beitragssätze und Krankenstand. Monatswerte Dezember 2006, 2007, S. 53. Das sind 85,64 Prozent der Gesamtbevölkerung. 719 BVerfGE 115, 25 (42) m. w. N. Ausführlich Helge Sodan, Die „Bürgerversicherung“ als Bürgerzwangsversicherung, in: ZRP 2004, S. 217 (218); ders., Das Beitragssatzsicherungsgesetz auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, in: NJW 2003, S. 1761 (1765); ders., Berufsständische Zwangsvereinigung auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, 1991, S. 22 ff.; ders./Olaf Gast, Umverteilung durch „Risikostrukturausgleich“, 2002, S. 45; Stern (Fn. 102), § 104 II 7 c, S. 919 f.; Hans-Jürgen Papier, Der Einfluss des Verfassungsrechts auf das Sozialrecht, in: Sozialrechtshandbuch (SRH), hrsg. von Bernd Baron v. Maydell und Franz Ruland, 3. Aufl., 2003, Rn. 117; Detlef Merten, Verfassungsprobleme bei Ausweitung der Sozialversicherungspflicht, in: Speyerer Sozialrechtsgespräche der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer: 1991–2000, 2002, S. 474 (479 f.). 720 Helge Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 334. 721 So pointiert Sodan (Fn. 720), S. 334.

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deren Gunsten. Diese müssen ausgeglichen werden. Um das Finanzierungsdefizit zu schließen, bestehen mehrere Möglichkeiten: Beispielsweise können der Kreis der beitragszahlenden Pflichtversicherten erweitert, die Beiträge für die bisher schon Pflichtversicherten erhöht oder Leistungen für sie eingeschränkt werden. Alle diese Kompensationsregelungen sind ebenfalls Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer, weil sie diese Maßnahmen auf einfachgesetzlicher Ebene als Mitglieder eines Zwangsverbands dulden müssten.722 (2) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Maßstab der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Grundrechtseingriffe ist die Schrankentrias des Art. 2 I GG.723 Hier kommt ausschließlich die verfassungsmäßige Ordnung in Betracht, zu der alle formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmenden Rechtsnormen gehören. (a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen Bedenken dahingehend, ob der Bund für deren Regelung nach Art. 74 I Nr. 12 GG (Sozialversicherung) überhaupt zuständig ist. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gehören neue Sozialleistungen zur Sozialversicherung, wenn sie „in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken, dem Bild entsprechen, das durch die ‚klassische‘ Sozialversicherung geprägt ist. Zur Sozialversicherung gehört jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“.724 Daraus ergeben sich schon auf formeller Ebene zwei verfassungsrechtliche Voraussetzungen für die Einbeziehung neuer Personenkreise: 722 Dagmar Gohla, Der Risikostrukturausgleich auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, 2002, S. 235 ff., ist der Auffassung, dass eine Beitragserhöhung primär in das durch Art. 14 I GG geschützte Recht des Pflichtversicherten auf Eigentum eingreife. Das ist problematisch, weil das Eigentum grundsätzlich nicht das Vermögen umfasst, vgl. BVerfGE 65, 196 (209); 78, 232 (243); 78, 249 (277); 95, 267 (301). Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Halbteilungsgrundsatz wird bei einer Beitragserhöhung regelmäßig ebenfalls nicht anwendbar sein, näher dazu unten 4. Kapitel B. I. 14. a) bb) (2), S. 658 ff. 723 BVerfGE 10, 89 (102); 32, 54 (64); 38, 281 (297 f.); 78, 320 (329); 89, 365 (376); BVerfG, NVwZ 2002, S. 335 (336); NVwZ 2004, S. 463 (464). 724 BVerfGE 75, 108 (146); kritisch Walter Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen, 1996, S. 82 ff.; ders., Umbau des Sozialstaates, in: BB-Beilage 6 zu Heft 13/1996, S. 3 f.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Erstens: Je umfassender die Bevölkerung durch die Pflichtversicherung – etwa durch Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze – erfasst ist und sich damit deren Reichweite von einer „organisierten Vielheit“ zur „Gesamtheit“ entwickelt, desto eher wird man eine Überschreitung der Regelungszuständigkeit im Rahmen der Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 I Nr. 12 GG annehmen können.725 Die Einbeziehung der Lebenspartner von pflichtversicherten Lebenspartnern in den Kreis der Pflichtversicherten unter den in § 10 I SGB V genannten Voraussetzungen ist ein weiterer Schritt zur Erfassung der gesamten Bevölkerung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Allerdings führt dies angesichts der bisher geringen Zahl von Lebenspartnerschaften im Vergleich zur Zahl der Gesamtbevölkerung nicht zu einer vollständigen Einbeziehung der Bevölkerung in eine Pflichtversicherung. Gleiches gilt für den Fall, dass zur finanziellen Kompensation des mit dieser Erweiterung einhergehenden wachsenden Finanzierungsbedarfs der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine Anhebung der Pflichtversicherungsgrenze und damit eine Einbeziehung weiterer Personen in den Kreis der Pflichtversicherten erfolgt. Deren Größenordnung hinge von der Zahl der Lebenspartnerschaften ab und würde allein noch nicht eine die gesamte Bevölkerung umfassenden Pflichtversicherung generieren. Insofern vermag dieser Aspekt die Annahme der Verfassungswidrigkeit einer Einbeziehung der Lebenspartner in den Kreis der beitragsfrei Versicherten nicht zu begründen. Zweitens müsste die personelle Erweiterung dem durch die „klassische“ Sozialversicherung geprägten Bild entsprechen. Die gesetzliche Krankenversicherung war aus historischer Perspektive bei ihrer Einführung für einen schutzbedürftigen Personenkreis bestimmt.726 Es ist schon zweifelhaft, ob die bisherige gesetzliche Ausdehnung des Schutzbereichs der gesetzlichen Krankenversicherung auf etwa neunzig Prozent der Bevölkerung, deren Schutzbedürfnis jedenfalls nicht uneingeschränkt unterstellt werden kann, noch diesem Bild entspricht.727 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Element staatlichen Handelns im Rahmen des Sozialversicherungsrechts auch die staatliche „Fürsorge“ ist.728 Zum Merkmal der gesetzlichen Kran725

Dies gilt in jedem Fall dann, wenn die gesamte Bevölkerung versicherungspflichtig wäre. Zur formellen Verfassungswidrigkeit einer solchen Bürgerzwangsversicherung instruktiv Stern (Fn. 102), § 104 V 3 b, S. 955; Sodan (Fn. 719), in: ZRP 2004, S. 217 (218 f.); zur materiellen Verfassungswidrigkeit Sodan (Fn. 719), in: NJW 2003, S. 1761 (1766). 726 Merten (Fn. 719), S. 474 (486). Zur Schutzbedürftigkeit Gohla (Fn. 722), S. 103 ff. 727 Skeptisch insoweit Sodan (Fn. 719), in: ZRP 2004, S. 217 (219); ders./Gast (Fn. 719), S. 51 f. 728 BVerfGE 113, 167 (196); vgl. auch BVerfGE 9, 124 (133); 10, 141 (166); 11, 105 (114). Dagegen W. Leisner (Fn. 724), in: BB-Beilage 6 zu Heft 13/1996, S. 5:

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kenversicherung gehört seit dem 1. Januar 1989 die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten und Kindern,729 so dass die personelle Ausdehnung dieses Prinzips jedenfalls nicht allein die Annahme einer Abweichung vom charakteristischen Bild der Sozialversicherung rechtfertigt. In formeller Hinsicht ist die Einbeziehung der Lebenspartner aus Sicht der zwangsversicherten Beitragszahler deshalb verfassungsgemäß. (b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Die mit der Erweiterung der beitragsfreien Mitversicherung auf die Lebenspartner induzierten Grundrechtseingriffe müssen auch materiell der in Art. 2 I GG genannten verfassungsmäßigen Ordnung entsprechen. Dazu gehört die Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. (aa) Regelungszweck Als Regelungszweck einer gesetzlich normierten Verpflichtung zur Zwangsmitgliedschaft müssen dabei zunächst „legitime öffentliche Aufgaben“ erfüllt werden.730 An dieser Aufgabenerfüllung gerade durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft muss ein „gesteigertes Interesse der Gemeinschaft“ bestehen. Außerdem darf die Aufgabe nur so beschaffen sein, dass sie weder im Wege privater Initiative noch durch originäre staatliche Behörden durchgeführt werden kann.731 Für diese Einschätzung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich einen gesetzgeberischen Spielraum angenommen.732 Es hat zudem bejaht, dass die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich legitime öffentliche Aufgaben erfüllt.733 Die Statuierung einer Pflichtversicherung für bestimmte Personen verstößt damit nicht schon per se gegen die verfassungsmäßige Ordnung.734 „Der Begriff der ‚Fürsorge‘ ist völlig konturenlos, aus ihm läßt sich kein Wesenselement der Sozialversicherung erschließen.“ 729 BVerfGE 113, 167 (196). Vgl. Art. 1 GRG v. 20.12.1988 (BGBl. I, S. 2477) und die Vorgängernormen §§ 205–205b RVO, nach denen schon ein Anspruch des beitragspflichtigen Mitglieds auf Familienhilfe für seine Angehörigen bestand. Diese Regelung existierte seit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung. 730 BVerfGE 10, 89 (102); 10, 354 (363); 15, 235 (241); 32, 54 (65); 38, 281 (299); 78, 320 (329); BVerfG, NVwZ 2002, S. 335 (336). 731 BVerfGE 38, 281 (297 f.); BVerfG, NVwZ 2002, S. 335 (336); vgl. auch BVerwGE 59, 231 (236 f.); 64, 115 (117); 64, 298 (301); 80, 334 (336 f.); OVG Bremen, NJW 1994, S. 1606. 732 BVerfGE 10, 89 (102); 38, 281 (297); BVerfG, NVwZ 2002, S. 335 (336). 733 BVerfGE 68, 193 (209); zustimmend auch Sodan (Fn. 719), in: ZRP 2004, S. 217 (219); ders. (Fn. 719), in: NJW 2003, S. 1761 (1765); ders. (Fn. 720), S. 328. 734 Ähnlich Merten (Fn. 719), S. 474 (480), der dies generell für die Sozialversicherung annimmt.

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(bb) Äquivalenzprinzip als konkretisierter Prüfungsmaßstab der Angemessenheit einer Regelung zur personellen Erweiterung der Pflichtversicherung Mit der Einrichtung einer Pflichtversicherung ermöglicht die Verfassung allerdings nicht ihre grenzenlose Ausdehnung. Vielmehr ist der Spielraum für die gesetzliche Ausgestaltung der Sozialversicherung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip insofern beschränkt, als das Maß der finanziellen Belastung des Pflichtversicherten „noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen“ stehen muss.735 Andernfalls wäre eine entsprechende Regelung als Grundrechtseingriff nicht mehr angemessen. Damit hält das Bundesverfassungsgericht an der bei jeder Versicherung notwendigen Äquivalenz zwischen Leistung (Beiträge) und Gegenleistung (Finanzierung der Krankenbehandlung bzw. Pflege) fest, modifiziert sie allerdings im Sinne einer Solidarität zwischen den Versicherten von einer ausschließlich individuell angelegten Perspektive hin zum Grundsatz der Globaläquivalenz innerhalb der Versichertengemeinschaft.736 Das Prinzip der Globaläquivalenz ändert aber nichts daran, dass die allgemeine Handlungsfreiheit den Beitragszahlern einen Anspruch auf die funktionsgerechte Verwendung ihrer Beiträge vermittelt.737 Problematisch ist nun, ob dieser Grundsatz sowohl die Regelung, Lebenspartner beitragsfrei mitzuversichern, als auch die dadurch bedingte Umverteilung der entstehenden finanziellen Belastung auf die Beitragszahler verfassungsrechtlich noch trägt. Durch die Berücksichtigung von Lebenspartnern bei den beitragsfrei Mitversicherten erwachsen den zur Beitragszahlung Verpflichteten selbst keine unmittelbaren Vorteile.738 Vorteile für die Allgemeinheit bestehen allerdings bei der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten und Kindern. Diese finanzielle Entlastungsmöglichkeit 735

BVerfGE 38, 281 (302); zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit siehe auch BVerfGE 30, 292 (316 f.); 35, 382 (400 f.) m. w. N. 736 Instruktiv dazu Sodan (Fn. 719), in: ZRP 2004, S. 217 (219); ders. (Fn. 719), in: NJW 2003, S. 1761 (1765 f.). Vgl. auch ders./Olaf Gast, Die Relativität des Grundsatzes der Beitragsstabilität nach SGB V, Verfassungs- und Europarecht, in: NZS 1998, S. 497 (498), die darauf hinweisen, dass dieses Prinzip eine „Zwangssolidarisierung bei weitem inäquivalent gesetzlich Versicherter“ nicht rechtfertigen kann. 737 Sodan/Gast (Fn. 719), S. 45, m. w. N. 738 Friedhelm Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 276, erwähnt zwar als Vorteil für das stammversicherte Familienmitglied, dass es von „eigenen Vorsorgeaufwendungen für die Angehörigen“ (im Rahmen einer Unterhaltspflicht) entlastet werde. Dieser Vorteil kommt aber nicht allen Pflichtversicherten zugute und kann deshalb im Rahmen des global verstandenen Äquivalenzprinzips nicht berücksichtigt werden; vgl. auch Braun (Fn. 276), S. 14 (16).

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bietet verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften einen Anreiz zur Eheschließung und Zeugung von Kindern. Damit fördert der Gesetzgeber gleichzeitig Ehe und Familie, erhöht die Realisierungschance der doppelten Verfassungserwartung, diese Rechtsinstitute zu begründen,739 und konkretisiert zugleich normativ die in Art. 6 I GG verankerte Förderverpflichtung.740 Bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften kann dieser Regelungszweck nicht bestehen, da die Ehe ihnen ausnahmslos und die Familie typologisch nicht offen stehen. Zur Begründung der beitragsfreien Mitversicherung von Lebenspartnern wird stattdessen darauf verwiesen, dass dadurch eine Kompensation für die Unterhaltspflichten von Lebenspartnern erreicht werden solle. Die Unterhaltspflicht gegenüber dem mitversicherten Lebenspartner zu erfüllen, werde dem beitragsverpflichteten Lebenspartner dadurch erleichtert, dass dieser neben den eigentlichen Unterhaltsaufwendungen nicht auch noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Lebenspartner zu zahlen habe.741 Allerdings besteht der Zusammenhang zwischen der Unterhaltsverpflichtung und der beitragsfreien Mitversicherung in dieser Unmittelbarkeit nicht: So bleiben Kinder, die selbst heiraten, bei dem Elternteil, das Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, beitragsfrei mitversichert, obwohl eine selbständige Unterhaltsverpflichtung des Ehepartners existiert.742 Außerdem bedeutete die Einführung der Familienversicherung mit einem selbständigen Leistungsanspruch des beitragsfrei Mitversicherten gerade eine Abkehr vom systematischen Konnex der Unterhaltsverpflichtung des beitragspflichtigen Mitglieds der Krankenversicherung mit den Leistungen an das Familienmitglied, wie sie als tatbestandliche Voraussetzung der Familienhilfe noch in § 205 I 1 RVO enthalten war.743 Der behaupte739

Braun (Fn. 276), S. 14 (16). BVerfGE 107, 205 (213). Das Bundesverfassungsgericht betont jedoch ausdrücklich, dass die Konstituierung der Familienversicherung verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Der Gesetzgeber besitze insofern einen Gestaltungsspielraum, wie er den Familienlastenausgleich normativ konkretisieren wolle. Siehe auch F. Hase (Fn. 738), S. 367 f., der einen etwaigen Vertrauensschutz auf Weiterexistenz der Familienversicherung zu Recht verneint. 741 Begründung von Art. 3 § 103 Nr. 4 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 69; Peter Kiel, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Sozialversicherung, Rn. 8; Gerhard Baier, in: Dieter Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 10 SGB V Rn. 3; Wellenhofer-Klein (Fn. 182), Rn. 368; Pieroth/Kingreen (Fn. 161), S. 219 (237 f.); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1896). 742 Eckhard Bloch, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 18 Rn. 3; vgl. dazu auch Peters (Fn. 714), § 10 SGB V Rn. 24. 743 Helmut Heinze, Die neue Krankenversicherung, § 10 SGB V Anm. 3, S. 4: „Die Regelung des § 10 gibt diesen kausalen Zusammenhang auf, denn sie verzich740

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tete unterhaltsbezogene Regelungszweck dieser Erweiterung der Familienversicherung steht daher unter dem Verdikt der Systemwidrigkeit.744 Zudem sind Lebenspartner wegen der ihnen möglichen Berufstätigkeit auf den Unterhalt ihres Lebenspartners typischerweise nicht in der gleichen Weise angewiesen wie Kinder oder Ehegatten, welche die Kinderbetreuung übernehmen. Das Schutzbedürfnis unterhaltsverpflichteter Lebenspartner ist deshalb geringer als bei stammversicherten Eltern und Ehegatten. Lebenspartner können für sich – anders als Ehegatten und Kinder – auch nicht eine institutionell verankerte verfassungsrechtliche Förderverpflichtung geltend machen. (cc) Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als ein weiteres Element der Angemessenheit einer Regelung Zudem kollidieren mit der personellen Erweiterung der beitragsfreien Mitversicherung zwei verschiedene Regelungsziele: Zugunsten der Einbeziehung weiterer Personengruppen in die Familienversicherung könnte zwar der in § 1 S. 1 SGB V zum Ausdruck kommende Gedanke der Solidarität zwischen den Versicherungsmitgliedern geltend gemacht werden. Durch die Vergrößerung der Zahl der beitragsfrei Versicherten entfernt sich die Kranken- und Pflegeversicherung aber damit nicht nur weiter vom versicherungsspezifischen Risikoprinzip. Gegen eine personelle Erweiterung spricht auch das Ziel der „Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung“. Dieser Argumentationstopos wird vom Bundesverfassungsgericht verwandt, um entsprechende Grundrechtseingriffe – etwa in die Berufsfreiheit von Ärzten oder in die allgemeine Handlungsfreiheit von Pflichtversicherten – verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.745 Dies führt zu der fragwürdigen Konsequenz, das einfachgesetzlich normierte Sozialversicherungssystem faktisch in die Verfassung zu implementieren und zu seiner Petrifizierung beizutragen.746 Wenn man sich aber die tet auf das Erfordernis der Unterhaltsberechtigung des Familienversicherten.“ Vgl. auch Peters (Fn. 714), § 10 SGB V Rn. 6. 744 Deshalb ist die Behauptung in der Begründung des Art. 3 § 103 Nr. 4 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 69, zumindest missverständlich: „Maßgebender Gesichtspunkt für die Abgrenzung des in der Familienversicherung einbezogenen Personenkreises ist das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht.“ 745 BVerfGE 68, 193 (218); 103, 172 (184); 103, 392 (404); BVerfG, DVBl. 2002, S. 400 (401). 746 Zu Recht kritisch Sodan (Fn. 719), in: ZRP 2004, S. 217 (220); ders., Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer – eine Einführung, in: Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, hrsg. von Helge Sodan, 2004, S. 9 (11); ders./Gast (Fn. 736), S. 497 (505 f.). Zu diesem Prinzip ausführlich

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Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zu eigen macht und der Beitrags- und Funktionsstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ein entsprechend großes verfassungsrechtliches Gewicht einräumt, dann bedeutet jede weitere Einbeziehung von Leistungsempfängern ohne Gegenleistung eine Gefährdung dieses Ziels. Diese Gefährdung wird durch die beitragsfreie Mitversicherung der Lebenspartner vom Gesetzgeber selbst verursacht. Die einfachgesetzliche Einbeziehung von Lebenspartnern Pflichtversicherter in die Familienversicherung verstößt deshalb gegen das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Die bundesverfassungsgerichtliche Judikatur hat in mehreren Entscheidungen eine Beachtung dieses aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatzes angemahnt.747 Den Normadressaten dürfen danach keine gegenläufigen Regelungen erreichen, die zu einem Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung führen.748 Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit konkretisiert damit den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, der die Normaussagen als Bestandteile eines folgerichtigen und in sich geschlossenen Gesamtsystems ansieht.749 Welche der widersprüchlichen Bestimmungen sich durchsetzt, „bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen“.750 Hinsichtlich des Ranges kommt den Grundrechten und den verfassungsrechtlichen Staatsstrukturprinzipien oberste Priorität zu.751 Zusätzlich ist im Rahmen eines temporären Maßstabs die den Widerspruch auslösende Bestimmung im Sinne des Grundsatzes „lex posterior derogat legi priori“ aufzuheben, wenn die Gegensätzlichkeit von gleichrangigen Regelungen nicht durch verfassungskonforme Auslegung entschärft werden kann.752 Durch die einfachgesetzliche Ausdehnung des Solidarprinzips wird die Gefährdung der nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich fundierten Beitragsstabilität bewusst in Kauf genommen. Diese personelle Erweiterung ist selbst nicht verfassungsrechtlich geboten und daHelge Sodan (Hrsg.), Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, Berlin 2004. Der Tagungsband enthält die im Rahmen der 1. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht im Jahr 2003 gehaltenen Vorträge. 747 BVerfGE 98, 83 (97); 98, 106 (118 f.). 748 Dazu ausführlich Helge Sodan, Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, in: JZ 1999, S. 864 ff.; vgl. auch ders./Ziekow (Fn. 253), § 2 Rn. 12; § 7 Rn. 41 f. 749 Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 2 Rn. 12; Helge Sodan, Verfassungsrechtliche Grenzen der Tarifautonomie, in: JZ 1998, S. 421 (424). 750 BVerfGE 98, 106 (119). 751 Sodan (Fn. 748), S. 864 (869). 752 Sodan (Fn. 748), S. 864 (871).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

mit ebenso wenig die dadurch bedingte Schwächung der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung. Der höhere Rang innerhalb der Rechtsordnung kommt mithin nach dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstab der Beitragsstabilität zu. Insofern ist der Widerspruch zwischen beiden Regelungszielen zugunsten der Beitragsstabilität aufzulösen: Nur wenn die beitragsfreie Familienversicherung auf die Kernfamilie beschränkt bleibt, wird eine Gefährdung der Einheit der Rechtsordnung vermieden. (dd) Ergebnis Insofern liegt zum einen eine Verletzung des (Global)-Äquivalenzprinzips vor. Zum anderen besteht ein Widerspruch zwischen der Einbeziehung von Lebenspartnern in die Familienversicherung und dem Grundsatz der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs in Art. 2 I GG des beitragsverpflichteten Arbeitnehmers ist deshalb nicht mehr gegeben, wenn Lebenspartner beitragsfrei mitversichert sind und die Beitragszahler die dadurch entstehenden finanziellen Lasten mittragen müssen. Während die beitragsfreie Mitversicherung für Ehegatten und Kinder Ausdruck sowohl des durch Art. 6 I GG entfalteten Zusammenhangs zwischen Ehe und Familie als damit auch der verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 2 I GG ist, entfaltet die Förderverpflichtung für diese Rechtsinstitute eine Sperrwirkung gegen die diesbezügliche Gleichbehandlung mit Lebenspartnern.753 Die allgemeine Handlungsfreiheit des Pflichtversicherten wird durch diese Nivellierung verletzt, ohne dass dafür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung besteht. bb) Arbeitgeber Anders als die zur Zahlung ihrer Versicherungsbeiträge verpflichteten Arbeitnehmer bleiben die Arbeitgeber nicht auf den grundrechtlichen Schutz des Art. 2 I GG verwiesen. Sie können sich vielmehr auf die in Art. 12 I GG gewährleistete Berufsfreiheit und den Grundrechtsschutz des Eigentums in Art. 14 I GG mit einer gegenüber Art. 2 I GG wesentlich höheren Schutzdichte berufen. 753 In diese Richtung wohl auch Detlef Merten, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 5 Rn. 48, der im Rahmen seiner Ausführungen zu den „sozialstaatlichen Verfassungskonkretisierungen“ betont, dass die in Art. 6 I GG enthaltene Schutzpflicht für Ehe und Familie sowohl ein „Privilegierungsgebot“ als auch eine „Förderungspflicht“ beinhalte; ähnlich Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 48; ders. (Fn. 127), S. 487 (505).

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(1) Berufsausübungsfreiheit als Wettbewerbsfreiheit, Art. 12 I GG (a) Eingriff in den Schutzbereich Der Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst auch die Wettbewerbsfreiheit. Dazu gehört das Recht, sich mit seinen Leistungen gegenüber der Konkurrenz am Markt durchsetzen zu können, soweit das Wettbewerbsverhalten Bestandteil der Berufsausübung ist.754 Der Leistungswettbewerb wird verzerrt, wenn die eigenen Wettbewerbschancen durch die Auferlegung genuin leistungsfremder Kosten einseitig geschmälert werden.755 Die Arbeitgeber sind zur Zahlung der Hälfte der nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers gesetzlich verpflichtet. Diese Kosten kommen als Personalzusatzkosten zu den eigentlichen Lohnkosten hinzu. Die Berufsausübungsfreiheit schützt als Wettbewerbsfreiheit deshalb auch vor der staatlichen Auferlegung von Kosten für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers. Die verschiedenen Grundrechtseingriffe orientieren sich spiegelbildlich an den vorstehend beschriebenen gegenüber den beitragsverpflichteten Arbeitnehmern: Erstens wird in die Wettbewerbsfreiheit schon durch die Statuierung einer Verpflichtung zu Beitragszahlungen für beim Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer eingegriffen. Zweitens finanzieren die Arbeitgeber durch die gleich hohen Beiträge für verheiratete wie unverheiratete bzw. kinderlose Arbeitnehmer die Leistungen für beitragsfrei Versicherte mit. Drittens kann durch eine Erweiterung dieses Kreises wegen des dann notwendig gewordenen Defizitausgleichs die Beitragsbelastung ansteigen. In diesem Fall wäre ein weiterer Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit gegeben. Ob der Gesetzgeber mit der gesetzlich festgelegten Belastung der Arbeitgeber durch Personalzusatzkosten einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ausdrücklich intendiert, ist für die Frage, ob ein solcher Grundrechtseingriff vorliegt, unerheblich. Vielmehr genügt die objektiv berufsregelnde Tendenz einer solchen Maßnahme, die sich in einem engen Zusammenhang mit der Berufsausübung und der berufshemmenden Wirkung ausdrückt.756 Dies ist bei der arbeitgeberseitigen Belastung mit Personalzusatzkosten der Fall, weil diese Kosten die Bedingungen der Teilnahme des Arbeitgebers am Wettbewerb verschlechtern.757 754 Helge Sodan, Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, in: DÖV 2000, S. 361 (364); ders., Gesundheitsbehördliche Informationstätigkeit und Grundrechtsschutz, in: DÖV 1987, S. 858 (860); ders. (Fn. 720), S. 334 f.; jeweils m. w. N. 755 F. Hase (Fn. 738), S. 87 f. 756 BVerfGE 13, 181 (186); 16, 147 (162); 47, 1 (21); 81, 108 (121 f.).

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(b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung dieser Eingriffe muss auf der ersten Stufe des einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit – der Berufsausübungsfreiheit – als Regelungsziel ein Gemeinwohlbelang vorliegen. Als ein solcher kommt hier das Solidarprinzip der gesetzlichen Sozialversicherungen in Betracht. Das Solidarprinzip unterscheidet sich vom Versicherungsprinzip dadurch, dass es grundsätzlich systematisch nicht auf das synallagmatische Verhältnis von Beitragszahlung und Leistungsempfang beschränkt ist. Die solidarische Verantwortung für andere beinhaltet die Verpflichtung zur Leistung in bestimmten Fällen ohne entsprechende Gegenleistung. Die Reichweite dieser Solidarität kann in personeller Hinsicht allerdings nicht unbegrenzt sein: Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Künstlersozialabgabe einen möglichen Zusammenhang zwischen der durch die Übernahme von Beitragsverpflichtungen konkretisierten Solidarität des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer aus den „Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln“ abgeleitet. „Aus auf Dauer ausgerichteten, integrierten Arbeitszusammenhängen“ könnten „Beziehungen, die von einer besonderen Verantwortlichkeit geprägt sind“, entstehen.758 Das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei „zwar der hauptsächliche und weithin typische, aber nicht der ausschließliche Fall einer sozialen Verantwortlichkeit, die die Heranziehung zu fremdnützigen Sozialversicherungsbeiträgen rechtfertigt.“759 Dieses Solidaritätsverhältnis als Grundlage der gesetzlich erzwungenen Teilübernahme von Beitragspflichten der Künstler und Publizisten durch die Vermarkter, die selbst keine Versicherungsleistungen empfangen, bedürfe „eines sachorientierten Anknüpfungspunktes in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen.“760 757 W. Leisner (Fn. 724), S. 69 ff.; ders., Personalzusatzkosten – Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, in: GewArch. 1996, S. 129 (131). Zur objektiv berufsregelnden Tendenz eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit der Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen durch Personalzusatzkosten im Rahmen des Risikostrukturausgleichs auch Sodan/Gast (Fn. 719), S. 139 f.; skeptisch dagegen Gohla (Fn. 722), S. 288. Analog gelten die gleichen Bewertungsmaßstäbe allgemein auch für die Arbeitgeber, die die durch inäquivalente Leistungen der Krankenkassen verursachten Personalzusatzkosten zu tragen haben. 758 BVerfGE 75, 108 (158). 759 BVerfGE 75, 108 (159). 760 BVerfGE 75, 108 (147). W. Leisner (Fn. 724), in: BB-Beilage 6 zu Heft 13/1996, S. 6, betont, dass auch bei dieser von ihm kritisch gesehenen Entscheidung das Beschäftigungsverhältnis der eigentliche sachliche Anknüpfungspunkt für die Belastungsverteilung bleibt.

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Es ist nahe liegend, dass dieser Anknüpfungspunkt für arbeitgeberseitige Beiträge der Pflichtversicherung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis ist. Die gesundheitliche Beeinträchtigung des Arbeitnehmers als Anlass für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedingt nämlich zugleich regelmäßig eine zumindest potentielle Beschränkung seiner Arbeitsfähigkeit. Insofern hat sie Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und trifft zu Recht auf die finanzielle Solidarität des Arbeitgebers. Die Übernahme von Beiträgen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist deshalb grundsätzlich ein Ausdruck des Solidarprinzips und zugleich ein Gemeinwohlbelang i. S. d. Einschränkbarkeit des Schutzbereichs der Berufsausübungsfreiheit. Dagegen gilt im Rahmen der Familienversicherung bei den Beiträgen des Arbeitgebers wie schon bei denen des Arbeitnehmers, dass mit ihnen die Leistungsaufwendungen für beitragsfrei Versicherte finanziert werden. Zwischen diesem Personenkreis – Ehegatten und Kindern – und den beitragspflichtigen Arbeitgebern besteht kein unmittelbarer sachorientierter Anknüpfungspunkt. Dieser liegt zwar im Verhältnis zwischen den Arbeitnehmern und ihren Ehegatten (Ehe) bzw. Kindern (Familiengemeinschaft) vor, rechtfertigt aber nicht Beitragszahlungen der Arbeitgeber. Es existieren mithin zwei Solidarkreise: Einer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ein weiterer zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Ehepartner bzw. seinen Kindern. Wegen eines fehlenden direkten Bezugs zwischen Arbeitgebern und den Ehegatten bzw. Kindern des Arbeitnehmers ist in der Literatur schon die Familienversicherung der Ehegatten und Kinder für verfassungswidrig gehalten worden, weil der Zwang zur Solidarität hier keinen Anknüpfungspunkt für die Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit des Arbeitgebers findet.761 Man könnte nun daran denken, den fehlenden Solidarbezug im Sinne eines Anknüpfungspunktes zwischen dem Arbeitgeber und dem Ehepartner bzw. Kindern des Arbeitnehmers verfassungsrechtlich durch die aus Art. 6 I GG abgeleitete Förderverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie herzustellen. Dadurch, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt, der verheiratet ist bzw. eine Familie hat, steht er der Ehe oder Familie des Arbeitnehmers wegen des Arbeitsverhältnisses zumindest näher als eine außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehende dritte Person. Der Gestaltungsspiel761 Sodan (Fn. 720), S. 335 f.; W. Leisner (Fn. 724), Belastungsgrenze, S. 96 f.; ders. (Fn. 724), in: BB-Beilage 6 zu Heft 13/1996, S. 6; ders. (Fn. 757), in: GewArch. 1996, S. 129 (132). Vgl. auch Gohla (Fn. 722), S. 143, die deswegen schon die formelle Verfassungsmäßigkeit der Familienversicherung verneint, weil diese das Versicherungsprinzip verletze, das Bestandteil des Begriffs der Sozialversicherung in Art. 74 I Nr. 12 GG sei, siehe aber BVerfGE 113, 167 (196 f.).

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raum des Gesetzgebers zur Konkretisierung des Fördergebotes für Ehe und Familie im Sozialrecht kann deshalb umfassen, dem Arbeitgeber eine höhere Förderungslast für Ehe und Familie des Arbeitnehmers aufzuerlegen als einem Außenstehenden.762 In der Literatur besteht im Hinblick auf die finanzielle Förderung von Ehe und Familie Einigkeit darüber, dass die Entlastung von Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung sinnvoll ist. Während einige Stimmen eine Finanzierung über Steuern als Ausdruck gesamtstaatlicher Verantwortung für diese Rechtsinstitute vorschlagen,763 sprechen sich andere für die Beteiligung nur der Solidargemeinschaft der Versicherten aus.764 Jedenfalls kann eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Förderung von Ehe und Familie aber für Lebenspartner im Rahmen der Familienversicherung nicht geltend gemacht werden.765 Der Solidarkreis, an dem der Arbeitgeber beteiligt ist, überschneidet sich insofern nicht mit demjenigen des Lebenspartners des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Hier fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für die Solidarität. Die Einbeziehung von Lebenspartnern in die Familienversicherung verletzt deshalb die durch Art. 12 I GG garantierte Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers. (2) Eigentumsfreiheit als Schutz von Substanz und Ertrag der Wirtschaftseinheit, Art. 14 I 1 GG Denkbar ist zudem, dass die beschriebene Belastung mit Personalzusatzkosten, die durch die Regelung der Familienversicherung und ihrer personellen Ausdehnung verursacht wird, auch in den gemäß Art. 14 I 1 GG gewährleisteten Schutzbereich der Eigentumsfreiheit eingreift. (a) Eingriff in den Schutzbereich Die Gewährleistung des Eigentums umfasst auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Nachdem der Bundesgerichtshof schon seit langer Zeit eine solche spezifische Konturierung des Schutzbereichs bejaht hatte,766 ist ihm schließlich das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis zumindest hinsichtlich der gewerbebetrieblichen Betätigung als 762 Merten (Fn. 753), § 5 Rn. 49, betont diesen Spielraum hinsichtlich der Gestaltung der Familienversicherung. 763 Gohla (Fn. 722). S. 142 ff.; Sodan (Fn. 716), S. 2; ders. (Fn. 720), S. 335 f.; W. Leisner (Fn. 724), Belastungsgrenze, S. 97, 118; ders. (Fn. 757), in: GewArch. 1996, S. 129 (132). 764 Baier (Fn. 741), § 10 SGB V Rn. 3. 765 Sodan (Fn. 716), S. 2. 766 BGHZ 23, 157 (161 ff.); 45, 150 (154 f.); 48, 65 (66); 55, 261 (263); 67, 190 (192); 78, 41 (44); 81, 21 (33); 92, 34 (37).

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Wirtschaftseinheit gefolgt.767 Es hat zur Beantwortung der Frage, wann eine Beeinträchtigung dieses Elementes der Eigentumsfreiheit durch die gesetzliche Auferlegung von finanziellen Belastungen vorliegt, den so genannten Halbteilungsgrundsatz entwickelt: Danach ist die Substanz jeder Wirtschaftseinheit durch den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit unbedingt geschützt; hinsichtlich der Erträge darf der Staat maximal die Hälfte für sich beanspruchen.768 Die finanzielle Belastung der Vermögenssubstanz führe nämlich sonst „zu einer schrittweisen Konfiskation, die den Steuerpflichtigen dadurch übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde.“769 Auf der anderen Seite ist wegen des nach Art. 14 II GG bestehenden Bezugs des Eigentumsgebrauchs zum Wohl der Allgemeinheit eine Belastung der Erträge grundsätzlich möglich. Weil der Gebrauch des Eigentums aber auch dem privaten Nutzen dient, „muß dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen verbleiben.“770 Dieser Ertragsnutzen muss wenigstens die Hälfte des ursprünglichen Ertrags erfassen.771 Bei der danach vorzunehmenden Belastungsberechnung sind die auf Sozialabgaben beruhenden Personalzusatzkosten zu berücksichtigen.772 Indem die Familienversicherung und ihre Ausdehnung auf die Lebenspartner zur finanziellen Belastung der Arbeitgeber beiträgt, greift diese Regelung in den Schutzbereich ihrer Eigentumsfreiheit ein. 767 BVerfGE 93, 121 (137): „Das bedeutet, daß das geschützte Freiheitsrecht nur so weit beschränkt werden darf, daß dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen (. . .) erhalten bleibt.“ BVerfGE 93, 165 (175): „Zudem hat der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, dass die Existenz von bestimmten Betrieben – namentlich von mittelständischen Unternehmen – durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer auftreten, gefährdet werden kann.“ Vgl. dazu auch Gohla (Fn. 722), S. 227 f.; Sodan (Fn. 720), S. 253 f.; W. Leisner (Fn. 724), Belastungsgrenze, S. 64 ff. 768 BVerfGE 93, 121 (137 f.). 769 BVerfGE 93, 121 (137); vgl. auch BVerfGE 14, 221 (241); 82, 159 (190). 770 BVerfGE 93, 121 (138). 771 Eine kurze Zusammenfassung dieser Grundsätze findet sich bei Sodan/Gast (Fn. 719), S. 108 f. In einer neueren Entscheidung relativiert das Bundesverfassungsgericht allerdings die Geltung des Halbteilungsgrundsatzes für die Einkommen- und die Gewerbesteuer, vgl. BVerfGE 115, 97 (113 ff.). 772 Gohla (Fn. 722), S. 284 ff.; W. Leisner (Fn. 724), Belastungsgrenze, S. 66 ff.; ders. (Fn. 757), in: GewArch. 1996, S. 129 (131). Merten (Fn. 719), S. 474 (481), ist zwar der Auffassung, dass sich der Halbteilungsgrundsatz „nur auf die Steuer-, nicht auch auf die Beitragsbelastung, der eine Gegenleistung des Sozialversichungsträgers gegenübersteht“, beziehe. Für die dem Arbeitgeber durch die beitragsfreie Familienversicherung entstehenden Personalzusatzkosten enthält dieser aber gerade keine „Gegenleistung“, so dass auch nach dieser Ansicht bei diesen arbeitgeberseitigen Beiträgen nur eine hälftige Ertragsbelastung in Frage kommt.

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(b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Eine finanzielle Belastung des Arbeitgebers durch für den Arbeitnehmer aufgewendete Sozialversicherungsbeiträge, die zusammen mit den von ihm zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben mehr als die Hälfte seiner erwirtschafteten Erträge ausmacht, verletzt die Eigentumsfreiheit des Arbeitgebers. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar auf eine Ausnahmekonstellation hingewiesen, die eine solche Summierung der Steuer-, Abgabenund Beitragslast rechtfertigen könnte: So erlaube „in staatlichen Ausnahmelagen“ die Verfassung „auch unter den geltenden steuerrechtlichen Rahmenbedingungen einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz“.773 Die angeführten Beispiele wie die „Finanzierung der mit dem Versailler Vertrag auferlegten Lasten“ durch das Reichsnotopfergesetz vom 31. Dezember 1919774 oder das durch die finanzielle Kompensation von Vertreibung und Enteignung sowie dem Ausgleich von Kriegsschäden und Härtefällen durch die Einführung der D-Mark bedingte Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952775 sind mit der Finanzierung der beitragsfreien Familienversicherung nicht vergleichbar. Bei letzterer handelt es sich um vom Gesetzgeber selbst geschaffene Finanzierungsdefizite der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und nicht um die Bewältigung von Kriegsfolgen oder anderen Ereignissen ähnlichen Ausmaßes. Insofern verbleibt es im Rahmen der eigentumsgrundrechtlichen Beurteilung der Erweiterung der Familienversicherung beim Halbteilungsgrundsatz. Ob er durch die Einbeziehung der Lebenspartner verletzt wird, ist eine Frage der finanziellen Belastung der einzelnen Wirtschaftseinheit und kann nicht generalisierend für alle Unternehmen beantwortet werden. Angesichts der im Vergleich zur Gesamtzahl der in der Familienversicherung beitragsfrei Mitversicherten geringen Zahl von Lebenspartnern wird man die Zusatzbelastung des einzelnen Arbeitgebers durch diese Erweiterung der beitragsfreien Mitversicherung als gering einstufen können. Diese Belastung könnte aber mit einer Erhöhung der Zahl der Lebenspartnerschaften steigen und im Einzelfall ggf. zur Überschreitung der hälftigen Ertragsteilung beitragen. Als ein Element der Gesamtbelastung ist diese insofern variabel, als sie auch von den sich verändernden Steuer- und Abgabenlasten abhängig ist. Gegenwärtig wird man eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes durch die Erweiterung der Familienversicherung um die Lebenspartner regelmäßig verneinen können.

773 774 775

BVerfGE 93, 121 (138). RGBl. II, S. 2189. BGBl. I, S. 446.

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(3) Ergebnis Durch die Einbeziehung der Lebenspartner in die beitragsfreie Mitversicherung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wird die als Wettbewerbsfreiheit konkretisierte Berufausübungsfreiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 I 1 GG verletzt. Die beitragsfreie Mitversicherung verstößt gegen das Äquivalenzprinzip und die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Ein Verstoß gegen seine Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 I 1 GG ist im Einzelfall denkbar, wenn die Beitragsbelastung dazu führt, dass zusammen mit den anderen Steuern und Abgaben mehr als die Hälfte der Erträge des Arbeitgebers an den Staat abgeführt werden muss. Angesichts der geringen Zahl der Lebenspartnerschaften ist dies gegenwärtig regelmäßig nicht der Fall. b) Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft im Unfallversicherungsrecht bei pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmern, Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeistern sowie selbständig tätigen Küstenschiffern und -fischern Die Lebenspartnerschaft ist durch Art. 3 § 54 LPartDisBG auch im Unfallversicherungsrecht berücksichtigt und dort zunächst mit Ausnahme der Hinterbliebenenversorgung weitgehend der Ehe gleichgestellt worden. Die gesetzlich statuierte Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich gemäß § 2 I Nr. 5 Buchst. a, Nr. 6, 7 SGB VII auch auf die im Unternehmen mitarbeitenden Lebenspartner landwirtschaftlicher Unternehmer (Nr. 5 Buchst. a), von Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeistern (Nr. 6) sowie von selbständig tätigen Küstenschiffern und -fischern (Nr. 7). Einbezogen sind nach § 2 I Nr. 5 Buchst. b, IV SGB VII auch die Familienangehörigen des Lebenspartners des Unternehmers, die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeiten. Nach § 3 I Nr. 1 SGB VII kann die Satzung darüber hinaus bestimmen, dass auch die nicht gesetzlich pflichtversicherten Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner als Pflichtversicherte in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen werden. Nach § 3 II SGB VII sind von dieser Möglichkeit der Pflichtversicherung qua Satzung bestimmte Berufsgruppen, ihre Ehegatten oder Lebenspartner ausgenommen. Die in § 4 SGB VII geregelten Tatbestände zur Befreiung von der Versicherungspflicht, die bisher nur Ehegatten betrafen, sind auch auf die Lebenspartnerschaft anwendbar. Dazu gehören insbesondere die Freistellung von im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitenden Lebenspartnern bei fehlender Gewerblichkeit des Unternehmens (§ 4 II Nr. 2 SGB VII) und die Freistellung für unentgeltlich im Haushalt tätige Lebens-

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partner (§ 4 IV SGB VII). Weitere Regelungen berücksichtigen den Lebenspartner neben dem Ehegatten bei der Versicherungshaftung für Wegeunfälle (§ 8 II SGB VII), beim Anspruch auf Betriebs- und Haushaltshilfe infolge stationärer Behandlung nach einem Arbeitsunfall (§ 54 II SGB VII), bei der Berechnung des Verletztengeldes (§§ 46 II, 55 II SGB VII) und der Rente (§ 72 III SGB VII) sowie des Jahresarbeitsverdienstes für die o. g. Berufsgruppen der Hausgewerbebetreibenden und Küstenschiffer bzw. -fischer (§§ 92 III, 93 I Nr. 2 SGB VII). Durch Art. 5 XXXV Nr. 1 des LPartÜG vom 15. Dezember 2004 wurden die Lebenspartner schließlich auch nach § 63 Ia SGB VII n. F. in die unfallversicherungsrechtlichen Regelungen über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer einbezogen.776 Wenige unfallversicherungsrechtliche Regelungen, die Eheleute betreffen, sind bisher nicht auch auf Lebenspartner übertragen worden: So war die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung für den Lebenspartner des Unternehmers, die nicht der gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Versicherungspflicht unterfallen, in § 68 LPartGErgG777 vorgesehen, ohne dass diese Regelung aber bisher in Kraft getreten ist. Ebenso ist bisher § 83 SGB VII, der die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes für durch Satzung pflichtversicherte landwirtschaftliche Unternehmer und Ehegatten als Grundlage für Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalles regelt, nicht um den Lebenspartner erweitert worden. Außerdem fehlt die Erweiterung des § 101 II 3 SGB VII um den Lebenspartner, der vorsieht, dass der Ausschluss vom Leistungsbezug die unterhaltsberechtigten Ehegatten und Kinder bei einer strafbaren Handlung des an sich Berechtigten nicht erfasst. aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einbeziehung von Ehegatten in die Unfallversicherung Vor Inkrafttreten des LPartDisBG waren in den beschriebenen Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung nur die Ehepartner berücksichtigt worden. Bevor die Verfassungsmäßigkeit einer personellen Erweiterung um die Lebenspartner behandelt werden kann, ist zunächst zu klären, ob die Statuierung einer Pflichtmitgliedschaft der o. g. Berufsgruppen und ihrer Ehepartner in der gesetzlichen Unfallversicherung gegen ihre Grundrechte verstößt. Diese Vorfrage drängt sich auf, weil der maßstabslose Zwang zur Einbindung in eine gesetzliche Versicherung angesichts der damit verbundenen staatlichen Regelungshoheit über den Kreis der Berechtigten, den Leistungsumfang und die Beitragspflichten in der neueren Literatur zu Recht 776 Zur Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der Lebenspartner in das System der Hinterbliebenenversorgung ausführlich unten 4. Kapitel B. I. 14. c), S. 669 ff. 777 BT-Drucks. 14/4545, S. 82.

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auf verfassungsrechtliche Skepsis gestoßen ist.778 Die Grenzen des legislativen Gestaltungsspielraums werden dabei im Sozialversicherungsrecht entscheidend von den Grundrechten der Betroffenen bestimmt. (1) Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des landwirtschaftlichen Unternehmers nach Art. 2 I GG Die normativ vorgeschriebene Versicherungspflicht in einer gesetzlichen Sozialversicherung ist ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Pflichtversicherten gemäß Art. 2 I GG.779 Dies ergibt sich bei der gesetzlichen Unfallversicherung für den Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens780 zum einen aus dem Zwang zur Mitgliedschaft in einem öffentlich-rechtlichen Verband,781 zum anderen aus der in § 150 I SGB VII geregelten Verpflichtung, an ihn Versicherungsbeiträge zu zahlen.782 Die Beiträge beziehen sich dabei sowohl auf seine eigene Unfallversicherung (§ 150 I 2 SGB VII) als auch auf die Versicherung der für sein Unternehmen Tätigen, also auch der pflichtversicherten Ehepartner (§ 150 I 1 SGB VII). Die Eingriffsschranke der verfassungsmäßigen Ordnung rechtfertigt die Einbeziehung in den Kreis der gesetzlich Versicherten und die Beitragspflichten, wenn die zugrunde liegende Rechtsnorm ihrerseits verfassungsgemäß ist. Als materieller Maßstab ist dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz heranzuziehen. Bei der Bestimmung des legislativen Regelungsziels einer Versicherungspflicht für den landwirtschaftlichen Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich seine Stellung von der des Unternehmers eines nichtlandwirtschaftlichen Betriebes im System 778

Am Beispiel der gesetzlichen Krankenversicherung Sodan (Fn. 720), S. 325 ff. Ein Eingriff in Art. 12 I GG kommt nicht in Betracht, da es bei der Unternehmerunfallversicherung an einer Maßnahme mit berufsregelnder Tendenz fehlt, vgl. Wolfgang Römer, Die Grenzen des Monopols der gesetzlichen Unfallversicherung, 1990, S. 16. 780 Soweit in dieser Untersuchung von Unternehmern eines landwirtschaftlichen Unternehmens die Rede ist, gelten die folgenden rechtlichen Ausführungen in gleicher Weise auch für die in § 2 I Nr. 6 und 7 SGB VII genannten Personengruppen und ihre Ehe- bzw. Lebenspartner. Die landwirtschaftlichen Unternehmen überwiegen quantitativ gegenüber den zuletzt genannten Gruppen bei weitem, so dass ihre ausdrückliche Nennung in der Untersuchung exemplarischen Charakter besitzt, aber keine Differenzen in der rechtlichen Bewertung zum Ausdruck bringen soll. 781 Vgl. hinsichtlich der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oben 4. Kapitel B. I. 14. a) aa) (1), S. 646 f. 782 Papier (Fn. 719), Rn. 118; Wolfgang Gitter/Volker Nunius, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 4 Rn. 55. 779

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der Unfallversicherung unterscheidet: Dort ist grundsätzlich der Unternehmer beitragspflichtig, aber nicht selbst gesetzlich pflichtversichert und damit kein unmittelbar Anspruchsberechtigter von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beitragspflicht wird sozialversicherungsrechtlich stattdessen mit dem so genannten Haftungsersetzungsprinzip gerechtfertigt: Der Unternehmer wird bei einem Arbeitsunfall seines Beschäftigten gesetzlich von entsprechenden Schadensersatzansprüchen gemäß § 104 SGB VII weitestgehend freigestellt. Die Verpflichtung, Beiträge für die Unfallversicherung seiner Beschäftigten zu zahlen, ist deshalb das Ergebnis der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht durch die gesetzliche Unfallversicherung. Dieser Grundsatz ist bei der eigenen Pflichtversicherung des landwirtschaftlichen Unternehmers nicht anwendbar. Er kann nach einem Unfall selbst Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen. Die Funktion der gesetzlichen Unfallversicherung besteht deshalb in diesem Fall darin, für ihn genossenschaftlich organisierte Eigenhilfe zu leisten.783 Diese ist dabei vom Versicherungsprinzip geprägt, das eine Konnexität der gegenseitigen Leistungen beinhaltet. Der Zwang zur Versicherung ist dabei von der legislativen Annahme der besonderen Schutzbedürftigkeit gerade dieser Berufsgruppen bestimmt.784 Sie resultiert aus einer gegenüber anderen unternehmerischen Tätigkeiten erhöhten Wahrscheinlichkeit von Arbeitsunfällen mit einem wiederum erhöhten Schweregrad. Außerdem ist die wirtschaftliche Situation der pflichtversicherten Berufsgruppen oftmals schwach oder zumindest risikobehaftet, so dass dort die finanzielle Belastung durch Schadensersatzansprüche häufig nicht getragen werden könnte.785 Das Regelungsziel, das Risiko einer typischerweise erhöhten Schutzbedürftigkeit abzusichern, ist ebenso wie die Geeignetheit des Instrumentariums der gesetzlichen Pflichtversicherung auch vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Erforderlichkeit bestehen ebenfalls keine Bedenken. Es mag zwar als Alternativen zur Pflichtversicherung an den freiwilligen Ab783 Jürgen Riebel, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB VII, § 2 Rn. 53; Ulrich Schwerdtfeger, in: Herbert Lauterbach, Unfallversicherung, § 2 SGB VII Rn. 193; Rainer Schlegel, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 16 Rn. 31. 784 Wolfgang Keller, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB VII, E 010, S. 6; Wolfgang Ricke, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, Vor §§ 2–6 SGB VII Rn. 2; Jochen Schmitt, Unfallversicherung, in: Sozialrechtshandbuch (SRH), hrsg. von Bernd Baron von Maydell und Franz Ruland, 3. Aufl., 2003, Rn. 4; Römer (Fn. 779), S. 27 f.; vgl. auch BVerfGE 44, 70 (89), für die gesetzliche Krankenversicherung der Landwirte. 785 Vgl. BVerfGE 44, 70 (89); Römer (Fn. 779), S. 28. Ricke (Fn. 784), Vor §§ 2–6 SGB VII Rn. 2, führt außerdem das Beispiel der Küstenschiffer an.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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schluss einer Unfallversicherung oder zumindest an die Statuierung einer Versicherungspflicht mit der Möglichkeit, sich auch privat zu versichern, gedacht werden können. Die entsprechenden Beiträge für eine private Versicherung dürften allerdings über denen einer gesetzlichen Versicherung mit einem genossenschaftlich organisierten Solidarkreis liegen, so dass eine bloße Versicherungspflicht als weniger stark in die Grundrechte eingreifendes, aber gleich wirksames Mittel nicht in Betracht kommt. Dies gilt auch für den freiwilligen Abschluss einer Versicherung: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein nicht geringer Teil der Betroffenen gar nicht versichert, um kurzfristig die Beitragskosten zu sparen, ist nicht gering. Angesichts des möglichen großen finanziellen Schadens bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit ist diese Alternative kein gleichermaßen effektives Instrumentarium zur Absicherung dieses Risikos durch eine Pflichtversicherung.786 Die Pflichtversicherung ist im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums auch ein angemessener Grundrechtseingriff, weil dort das Versicherungsprinzip als Strukturelement im Zentrum dieses Versicherungsverhältnisses steht. Zwar erhält der Versicherungsnehmer für seine Beitragszahlungen keine Gegenleistung, wenn der Versicherungsfall nicht eintritt. Dieser Äquivalenzgrundsatz ist bei einer Versicherung aber insoweit durch den abstrakten Risikoschutz nur modifiziert und nicht außer Kraft gesetzt:787 Wenn sicher wäre, dass der Versicherungsfall eintritt, müssten auch die Beiträge anders kalkuliert und erhöht werden. Äquivalenz- und Versicherungsprinzip sind deshalb gewahrt. Die Pflichtversicherung für die genannten Berufsgruppen und die Beitragspflicht für ihre eigene Versicherung verletzt daher nicht ihre allgemeine Handlungsfreiheit und ist verfassungskonform.788 Neben ihrer Verpflichtung, die Beiträge für die Versicherung ihrer eigenen Person zu tragen, müssen sie nach § 150 I 1 SGB VII zusätzlich auch Beiträge für die Versicherung ihrer mitarbeitenden Ehepartner zahlen. Das Regelungsziel dieser statuierten Beitragsverpflichtung ist, einen Risikoschutz vor den Folgen von mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Unfällen und Krankheiten des Ehepartners zu ermöglichen. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit unterscheiden sich die Beitragspflicht des landwirtschaftlichen Unternehmers für sich selbst und für seinen Ehepartner nicht wesentlich voneinander. Typischerweise werden landwirtschaftliche Unternehmen nämlich von den Eheleuten gemeinsam arbeitsteilig bewirtschaftet, von denen aber nur einer Unternehmer im Rechtssinne 786

Römer (Fn. 779), S. 19. Gitter/Nunius (Fn. 782), § 4 Rn. 57. 788 BSG, SozR 4-2700, § 150: Erbrecht Nr. 1 Rn. 18; Keller (Fn. 784), SGB VII, E 010, S. 6; Gitter/Nunius (Fn. 782), § 4 Rn. 58. 787

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

ist.789 Die ökonomische Gefährdung durch die ungenügende Absicherung von Unfallrisiken ist deshalb bei beiden Ehepartnern vergleichbar. An der Erforderlichkeit der Regelung, den Unternehmer zur Zahlung der Versicherungsbeiträge für seinen Ehepartner zu verpflichten, könnten zwar insofern Zweifel bestehen, als alternativ an eine Verlagerung der Beitragspflicht auf den Ehepartner selbst im Sinne eines den Unternehmer geringer belastenden Grundrechtseingriffs zu denken wäre. Dagegen spricht aber nicht nur, dass dann die grundrechtliche Problematik nur auf eine andere Person verlagert wird. Es ist auch zu berücksichtigen, dass dem Unternehmer die Mitarbeit des Ehepartners ökonomisch zugute kommt und der Ehepartner regelmäßig nicht über Einkünfte aus anderen Tätigkeiten verfügt. Die Belastung des Ehepartners mit Versicherungsbeiträgen, die in Zusammenhang mit Tätigkeiten für den landwirtschaftlichen Unternehmer stehen, würde ersteren deshalb oftmals finanziell überfordern. Auch die Angemessenheit der Verpflichtung, Beiträge für den Ehegatten zu zahlen, ist zu bejahen: Zwar ist der Effekt der Freistellung von Schadensersatzansprüchen im Rahmen des Haftungsersetzungsprinzips bei einer ehelichen Lebensgemeinschaft von eher untergeordneter Bedeutung, weil die Ehegatten Ansprüche gegeneinander auch ohne gesetzliche Unfallversicherung oftmals nicht geltend machen würden. Allerdings wäre ohne Versicherungsschutz der Ehegatte in jedem Fall zu unfallbedingt erhöhten Unterhaltsleistungen verpflichtet, die er sich durch die gesetzliche Unfallversicherung erspart. Schließlich liegt die entsprechende Tätigkeit des Ehepartners im Risikobereich der beruflichen Tätigkeit des landwirtschaftlichen Unternehmers. Das sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsermessen des Gesetzgebers ist deshalb nicht überschritten, wenn er dieser Risikoverteilung bei der Auferlegung der Versicherungsbeitragslast Rechnung trägt.790 Ein Verstoß gegen Art. 2 I GG ist deshalb auch nicht darin zu sehen, dass der Unternehmer den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung seines Ehepartners tragen muss. (2) Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des mitarbeitenden Ehegatten nach Art. 2 I GG Neben dem Eingriff in das Grundrecht des landwirtschaftlichen Unternehmers greift die gesetzliche Pflichtversicherung in die allgemeine Handlungsfreiheit des mitarbeitenden Ehegatten eines landwirtschaftlichen Unternehmers ein. Zwar besteht für ihn keine Beitragsverpflichtung. Er kann allerdings im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Scha789 790

Schwerdtfeger (Fn. 783), § 2 SGB VII Rn. 198. Gitter/Nunius (Fn. 782), § 4 Rn. 57.

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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densfall nur einen abstrakt berechneten Schaden geltend machen. Andere Schadensersatzansprüche gegen den mit ihm verheirateten landwirtschaftlichen Unternehmer sind de lege lata wegen § 104 SGB VII weitgehend ausgeschlossen. Die gesetzliche Beschränkung für bestimmte Personengruppen, Schadensersatzansprüche unmittelbar gegenüber dem Schädiger geltend zu machen, ist ein Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit.791 Die Versicherungspflicht für die mitarbeitenden Ehegatten dieser Berufsgruppen basiert auf der Überlegung, dass ihre Mitarbeit in der Landwirtschaft und bei ähnlichen Berufen häufig vorkommt. Ihr Unfallrisiko ist mithin nicht wesentlich geringer als das ihrer Ehegatten. Insofern ist der Grad der Schutzbedürftigkeit bei beiden Ehepartnern ähnlich ausgeprägt. Die Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit des landwirtschaftlichen Unternehmers gelten in modifizierter Form auch für das Grundrecht seines Ehegatten: Er ist selbst nicht beitragspflichtig, dafür aber anspruchsberechtigt. Überdies ist der gesetzliche Ausschluss von Schadensersatzansprüchen außerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung bei Ehepartnern schon deshalb kein besonders schwerwiegender und deshalb auch angemessener Eingriff, weil diese wohl regelmäßig gegen den eigenen Ehegatten nicht geltend gemacht würden, um den Bestand der jeweiligen Ehe nicht zu gefährden. Auch die gesetzliche Pflichtversicherung für die Ehepartner der aufgeführten Berufsgruppen ist deshalb keine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erweiterung der ehebezogenen Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Lebenspartnerschaft Die weitgehende Einbeziehung der Lebenspartner in bisher nur Eheleute berücksichtigende Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung wirft die Frage auf, ob diese Gleichstellung verfassungsgemäß ist. Das aus der Förderverpflichtung des Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe ist einschlägig, wenn eine Norm die typologisch familiale Potentialität der Ehe konkretisiert. In der Literatur wird dessen Anwendbarkeit bei der gesetzlichen Unfallversicherung vereinzelt bejaht und deshalb auch die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft in diesem Bereich für verfassungswidrig gehalten.792 Die Einbeziehung des Ehepartners in die Pflichtversicherung beruht aber nicht darauf, dass sich die eheliche zu einer familiären Gemeinschaft transformieren kann. Sie ba791 792

Gitter/Nunius (Fn. 782), § 4 Rn. 56. Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 25

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

siert stattdessen auf der erhöhten Schutzbedürftigkeit infolge der Mitarbeit des Ehepartners beim landwirtschaftlichen Unternehmer. Sein Risikobezug ähnelt insofern demjenigen eines ebenfalls pflichtversicherten Angestellten des Unternehmers. Das Differenzierungsgebot verhindert nicht jede Gleichstellung anderer Rechtsinstitute mit der Ehe, sondern nur diejenigen, bei denen gerade die Spezifik der Ehe als potentielle Familie zum Ausdruck kommt. Das ist bei der Unfallversicherung, die auf die in Zusammenhang mit dem Unfall stehende Tätigkeit abstellt, nicht der Fall. Das Differenzierungsgebot ist hier nicht einschlägig. In die allgemeine Handlungsfreiheit des landwirtschaftlichen Unternehmers wird durch die Statuierung einer Beitragspflicht für den mitarbeitenden Lebenspartner eingegriffen. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Beitragspflicht für Ehegatten. Mitarbeitende Ehe- und Lebenspartner unterscheiden sich hinsichtlich ihres Unfallrisikos, der Risikosphäre des Unternehmers, für den sie arbeiten, und der Möglichkeiten, den Versicherungsbeitrag selbst aufzubringen, grundsätzlich nicht voneinander. Die Beitragspflicht des Unternehmers für seinen Lebenspartner ist deshalb ebenso wie diejenige für seinen Ehepartner verhältnismäßig und verfassungsgemäß. Die Ähnlichkeit der Situation von mitarbeitenden Ehe- und Lebenspartnern gilt auch hinsichtlich ihrer eigenen Verpflichtung zur Versicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein Eingriff in ihr Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit liegt insofern zwar vor, ist aber im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung als verhältnismäßige Konkretion des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums verfassungskonform. cc) Ergebnis Durch die Statuierung einer Pflichtversicherung für bestimmte Berufsgruppen und ihre Ehepartner in der gesetzlichen Unfallversicherung wird in die allgemeine Handlungsfreiheit der Pflichtversicherten nach Art. 2 I GG eingegriffen. Diese Eingriffe sind aber als Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dies gilt auch für die verpflichtende Einbeziehung von Lebenspartnern in die gesetzliche Unfallversicherung. Das Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe nach Art. 6 I GG ist nicht einschlägig, weil die familiale Potentialität der Ehe bei der gesetzlichen Unfallversicherung nicht betroffen ist. Entscheidendes Kriterium ist vielmehr der Einbezug in die Risikosphäre der Berufsgruppe durch die Mitarbeit des Ehe- bzw. Lebenspartners.

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c) Einbeziehung des Lebenspartners in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung Mit der Konstituierung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft durch das LPartDisBG waren ihre Mitglieder nicht in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung integriert worden. Erst Art. 3 und Art. 5 XXXV LPartÜG stellten die Lebenspartner den Ehegatten in diesem Bereich gleich. Seit dem 1. Januar 2005 besitzen sie deshalb im Rahmen der gesetzlichen Renten- sowie der Unfallversicherung beim Tod ihres Lebenspartners unter den gleichen Voraussetzungen wie Eheleute einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Als wichtigste Rentenleistungen für den überlebenden Lebenspartner sind die Witwen- und Witwerrente gemäß § 46 SGB VI, § 65 SGB VII, die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI und die Rente aufgrund eines zwischen den Lebenspartnern nach § 120d SGB VI vorgenommenen Rentensplittings zu nennen, das bisher gemäß § 120a SGB VI nur Ehegatten möglich war. Regelungstechnisch wählte der Gesetzgeber bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine nicht selbstverständliche Gestaltung, um die Lebenspartnerschaft in die Hinterbliebenenversorgung einzubeziehen: Voraussetzungen und Inhalt der bisher nur Eheleuten vorbehaltenen Rentenansprüche wurden für Lebenspartner nicht eigenständig normiert. Stattdessen verwiesen die Neufassung des § 46 SGB VI und die erstmalige Normierung des § 120d SGB VI auf die entsprechenden Ansprüche für Ehepartner und statuierten zusätzlich, dass als Ehe auch die Lebenspartnerschaft gilt.793 Der gleichen Vorgehensweise bediente sich der Gesetzgeber ferner bei der Erziehungsrente nach § 47 SGB VI.794 Für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung gilt danach hinfort auch die Lebenspartnerschaft als Ehe. Diese begriffliche Gleichsetzung der Rechtsinstitute findet sich im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Dort wurde stattdessen in § 63 Ia SGB VII n. F. statuiert, dass die Vorschriften über Hinterbliebenen793 § 46 IV SGB VI n. F. lautet: „Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Die Aufhebung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.“ Vgl. auch die vergleichbare Regelung zum Rentensplitting in § 120d I 3 SGB VI: „Dabei gelten als Eheschließung die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe eine Lebenspartnerschaft und als Ehegatte ein Lebenspartner.“ 794 § 47 IV SGB VI n. F.: „Für einen Anspruch auf Erziehungsrente gelten als Scheidung einer Ehe auch die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, als geschiedener Ehegatte auch der frühere Lebenspartner, als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als verwitweter Ehegatte auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch der Lebenspartner.“

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

leistungen an Witwen und Witwer auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner gelten.795 Warum der Gesetzgeber eine hinterbliebenenrechtliche Gleichstellung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft zunächst nicht vornehmen wollte, erschließt sich indirekt aus der am Anfang der allgemeinen Begründung für das LPartÜG geäußerten Auffassung zum Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft: Danach habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 „den Weg frei gemacht für die weitgehende Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ mit der Ehe.796 Das besagt nichts anderes, als dass zunächst zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft in bestimmten Bereichen ein rechtlicher Regelungsabstand geschaffen worden war, um bei einer zu erwartenden verfassungsgerichtlichen Prüfung die Vereinbarkeit des LPartDisBG mit dem aus Art. 6 I GG abgeleiteten Differenzierungsgebot sicherzustellen.797 Eine weitergehende verfassungssystematische Erklärung dafür, warum gerade bestimmte Regelungsbereiche wie etwa die Hinterbliebenenversorgung von einer rechtlichen Gleichstellung mit der Ehe ausgenommen blieben, andere aber nicht, wurde im Rahmen der Begründung des LPartDisBG nicht entwickelt. Nachdem der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrheitlich die Annahme eines Differenzierungsgebotes zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft verworfen hatte, entfiel nach der Begründungslogik des Gesetzgebers nunmehr der Grund für eine generelle rechtliche Differenzierung zwischen beiden Rechtsinstituten. aa) Grundsätzliche Vereinbarkeit einer rechtlichen Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft in der Hinterbliebenenversorgung mit dem verfassungsrechtlichen Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe aus Art. 6 I GG Einzelne Stimmen aus dem Schrifttum sind der Ansicht, dass das aus der Förderverpflichtung des Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot eine einfachgesetzliche Einbeziehung von überlebenden Lebenspartnern in bisher nur verwitweten Ehepartnern zustehende Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung verhindert.798 Diese Auffassung könnte für ihre Argumentation die im Zusammenhang mit der verschiedengeschlechtlichen eheähnlichen Ge795 Ähnlich § 80 V SGB VII n. F. hinsichtlich der Abfindung bei Wiederheirat, der eine entsprechende Geltung der Absätze I bis IV für die Bezieher einer Witwenoder Witwerrente an Lebenspartner statuiert. 796 BT-Drucks. 15/3445, S. 14. 797 Die durch das LPartDisBG selbst konstituierten Regelungsunterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft werden i. d. S. auch im Entwurf des LPartÜG, BT-Drucks. 15/3445, S. 1, von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen als „künstlich“ bezeichnet.

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meinschaft vertretene Ansicht der Rechtsprechung in Anspruch nehmen, nach der die hinterbliebenenrechtliche Hervorhebung der Ehe gerade dem Schutzgebot des Art. 6 I GG entspricht.799 Die Sperrwirkung des Differenzierungsgebots entfaltet sich allerdings nicht pauschal, sondern nur dann, wenn diejenigen Rechtsnormen, die auf die Lebenspartnerschaft ausgedehnt werden sollen, die spezifische Funktion der Ehe als Vorstufe der Familie konkretisieren. Gegen eine solche Annahme spricht aus einfachgesetzlicher Sicht, dass die Hinterbliebenenversorgung nicht davon abhängig ist, ob Kinder existieren. § 46 I SGB VI gewährt Witwen und Witwern, die nicht wieder geheiratet haben, einen Anspruch auf die kleine Witwer- und Witwenrente schon dann, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Versicherten bestanden und letzterer die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.800 Nach ihrem 45. Lebensjahr haben Witwen und Witwer unter den gleichen Voraussetzungen nach § 46 II Nr. 2 SGB VI einen Anspruch auf die große Witwer- und Witwenrente. Modifizierte, aber grundsätzlich vergleichbare Regelungen enthält auch § 65 SGB VII. Es kommt bei der Gewährung von Witwen- und Witwerrenten nicht darauf an, ob die Eheleute in häuslicher Gemeinschaft oder getrennt gelebt haben.801 Daraus ergibt sich, dass Rentenleistungen auch dann erfolgen, wenn die betreffenden Ehepartner keine Geschlechtsgemeinschaft und damit keine potentielle Familie (mehr) bildeten. Indem der Gesetzgeber bei der Normierung der Voraussetzungen der kleinen Witwer- und Witwenrente auf den formalen Bestand der Ehe abstellt, konstituiert er einen systematischen Zusammenhang zwischen dieser Versorgungsleistung und denjenigen Versorgungsleistungen, zu denen die Eheleute auch ohne Bestehen einer konkreten Geschlechtsgemeinschaft und nur aufgrund ihrer Eheschließung verpflichtet sind: den Unterhaltsleistungen. Die Aufgabe der Hinterbliebenenversorgung besteht deshalb in erster Linie darin, den durch 798 Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 22; Braun (Fn. 276), S. 14 (16); Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 48; ders. (Fn. 127), S. 487 (505); Ursula Köbl, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 3, Rentenversicherungsrecht, 1999, § 28 Rn. 21. 799 BSG, NJW 1995, S. 3270 (3271). Ähnlich Johann Zweng/Reinhard Scheerer/ Gerhard Buschmann/Gernot Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II – Sozialgesetzbuch VI, 3. Aufl., § 46 SGB VI Rn. 14; Schumacher (Fn. 115), S. 857 (861 f.). 800 Um zu verhindern, dass eine Eheschließung überwiegend wegen der Witwenrente erfolgt, legt § 46 IIa SGB VI als weitere Anspruchsvoraussetzung eine Mindestdauer der Ehe von einem Jahr fest. Von ihr kann abgesehen werden, wenn die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass der zumindest überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. 801 Hermann Butzer, in: GK-SGB VI, hrsg. von Heinz-Werner Lueg u. a., § 46 Rn. 44; Peter Kamprad, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB VI, § 46 Rn. 16.

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den Tod des Ehepartners bedingten Verlust des ehelichen Unterhalts in pauschalierter Weise zu kompensieren. Die Hinterbliebenenrente besitzt deshalb eine Unterhaltsersatzfunktion.802 Dies wird an der Einbeziehung von nach ausländischem Recht rechtsverbindlichen polygamen Ehen in die Hinterbliebenenversorgung durch § 34 SGB I deutlich, wenn die zugrunde liegenden ehelichen Bindungen auch Unterhaltsverpflichtungen umfassen.803 Auch der Wegfall der Witwer- und Witwenrente bei Wiederheirat des überlebenden Ehegatten ist vor diesem Hintergrund plausibel, weil bei einer erneuten Eheschließung der neue Ehepartner unterhaltspflichtig ist und insofern die Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente entfällt.804 Ähnliches gilt für die in § 46 I 2 SGB VI enthaltene zeitliche Befristung der kleinen Witwer- und Witwenrente auf längstens zwei Jahre: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in den Fällen, in denen nur eine kleine Witwer- und Witwenrente gewährt werden kann,805 die überlebenden Ehepartner nach spätestens zwei Jahren für sich selbst sorgen können und eines Unterhaltssurrogates nicht mehr bedürfen.806 Die grundsätzliche Gewährung der Hinterbliebenenrente im Todesfall des Ehepartners ist damit die gesetzliche Fixierung der typologischen Vermutung, dass der überlebende Ehepartner unterhaltsbedürftig ist. Verfügt er über ein eigenes Einkommen, so kann es nach § 97 SGB VI, § 65 III SGB VII angerechnet, damit die Unterhaltsvermutung individualisiert und ggf. korrigiert werden.807 Die Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente wird durch diese individuelle Anrechnung des eigenen Einkommens bestätigt, weil da802 Für die gesetzliche Rentenversicherung: BVerfGE 17, 1 (10); 39, 169 (186 f.); 48, 346 (359); 66, 66 (76); 75, 78 (107); 97, 271 (287); 112, 50 (68); BVerfG, NJW 2005, S. 1709; Ingrid Schmidt, Lebenspartnerschaftsgesetz und öffentlicher Dienst, in: Arbeitsrecht im sozialen Dialog. Festschrift für Hellmut Wissmann zum 65. Geburtstag, hrsg. von Wolfgang Kothe u. a., 2005, S. 80 (92); Roland Klattenhoff, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB VI, § 34 Rn. 5; Papier (Fn. 719), Rn. 105; Köbl (Fn. 798), § 28 Rn. 3 f.; Schumacher (Fn. 115), S. 857 (862). Für die gesetzliche Unfallversicherung: Jochen Schmitt, SGB VII, 2. Aufl., 2004, § 65 Rn. 1; Michael Ruppelt, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 49 Rn. 1 ff. 803 Klaus Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 46 SGB VI; Matthias Löns, in: Ralf Kreikebohm (Hrsg.), Gesetzliche Rentenversicherung, 2. Aufl., 2003, § 46 SGB VI Rn. 2; Köbl (Fn. 798), § 28 Rn. 18. 804 Für die gesetzliche Rentenversicherung: BVerfGE 97, 271 (287); Kamprad (Fn. 801), § 46 SGB VI Rn. 17. Für die gesetzliche Unfallversicherung: Ruppelt (Fn. 802), § 49 Rn. 2. 805 Siehe dazu die in § 46 II 1 Nr. 1–3 SGB VI geregelten Voraussetzungen der großen Witwenrente ohne eine entsprechende Leistungsbefristung: Erziehung eines minderjährigen Kindes (Nr. 1), Vollendung des 45. Lebensjahres (Nr. 2) oder Erwerbsminderung (Nr. 3). 806 Löns (Fn. 803), § 46 SGB VI Rn. 2. 807 Klattenhoff (Fn. 802), § 34 Rn. 5.

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mit der realen Unterhaltsbedürftigkeit des überlebenden Ehepartners Rechnung getragen wird.808 Der Konnex zwischen Hinterbliebenversorgung und gegenseitigem Unterhaltsanspruch der Eheleute verweist damit auf das eheliche Wesenselement der Verantwortungsgemeinschaft.809 Die rechtsverbindliche Strukturierung der Ehe als Solidaritätsverhältnis zwischen den Eheleuten ist aber keine geschlechtsspezifische Ausprägung dieses Rechtsinstituts und beansprucht deshalb keine institutionelle Exklusivität. Das Differenzierungsgebot schränkt den Spielraum des Gesetzgebers insofern auch nicht dahingehend ein, die Lebenspartnerschaft ebenfalls mit einem System gegenseitiger Unterhaltsansprüche auszustatten.810 Verstößt die Konstituierung dieses Rechtsinstituts als Unterhaltsgemeinschaft nicht gegen den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe und ist die Hinterbliebenenversorgung das Surrogat der Unterhaltsleistung des verstorbenen Ehegatten, dann kann die Einbeziehung von Lebenspartnern Art. 6 I GG nicht verletzen.811 Die Gleichstellung von Ehe- und Lebenspartnern in der Hinterbliebenenversorgung ist ferner mit dem Verweis auf die zusätzlich zur Versorgung von Ehepartnern durch die Renten- und Unfallversicherung aufzubringenden Kosten für die Einbeziehung von Lebenspartnern kritisiert worden.812 Mit der Erweiterung des Kreises von Inhabern sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche über die Mitglieder von Ehe und Familie hinaus verstärkt der Gesetzgeber in der Tat die finanzielle Belastung der gesetzlichen Sozialver808

Den Zusammenhang zwischen typisierter Unterhaltsvermutung und individueller Korrektur übersieht Löns (Fn. 803), § 46 SGB VI Rn. 2, nach dem es bei der großen Witwenrente auf die Unterhaltsersatzfunktion nicht ankommt. 809 Vgl. auch Franz Ruland, Rente für die „nichteheliche Witwe“?, in: NJW 1995, S. 3234 (3234 f.), der eine Einbeziehung der (verschiedengeschlechtlichen) eheähnlichen Gemeinschaft in die Hinterbliebenenversorgung dann für verfassungsrechtlich unproblematisch hält, wenn für sie auch ein eheähnlicher Pflichtenstatuts – insbesondere hinsichtlich des Versorgungs- und Zugewinnausgleichs – gelte. 810 Ausführlich oben 4. Kapitel B. I. 6. a) bb), S. 484 ff. 811 Umgekehrt hat das BVerfG, NJW 2005, S. 1709, die Ausdehnung auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ohne rechtliche Bindung mit dem Verweis auf die Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente abgelehnt. Wenn keine formalisierte Unterhaltsgemeinschaft besteht, kann die Hinterbliebenenversorgung deshalb nicht wegen Art. 3 I GG auf andere Lebensformen entsprechend ausgedehnt werden. 812 So Pawlowski (Fn. 163), S. 765 (766), der allerdings wegen des legislativen Gestaltungsspielraums die Einbeziehung des überlebenden Lebenspartners in die Hinterbliebenenversorgung für verfassungskonform, wenn auch politisch nicht nachvollziehbar hält. Vgl. auch allgemein für die Einbeziehung nichtehelicher Lebensgemeinschaften Detlef Merten, Eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften unter dem Grundgesetz, in: Freiheit und Eigentum. Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Josef Isensee und Helmut Lecheler, 1999, S. 615 (632).

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sicherungen.813 Hinzu kommt, dass gerade bei der Berücksichtigung der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenversorgung deren Anwendung auf Lebenspartnerschaften fragwürdig sein kann. Da bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften regelmäßig keine Kinder versorgt werden müssen, können in diesen Fällen beide Lebenspartner vollständig am Erwerbsleben teilnehmen und sind auf Unterhaltsleistungen des jeweils anderen oftmals gar nicht angewiesen. Wenn sich die Lebenspartner zu ihren Lebzeiten faktisch keinen Unterhalt gewähren müssen, ist es wenig nachvollziehbar, wenn die Hinterbliebenenversorgung nach dem Tode eines der Lebenspartner nunmehr Unterhaltsersatz leistet. Eine ablehnende oder zumindest skeptische Antwort auf die rechtspolitische Frage nach der Notwendigkeit einer solchen personellen Ausdehnung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche intendiert allerdings noch nicht deren Unvereinbarkeit mit Art. 6 I GG. Vielmehr wird der finanzielle Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers durch die Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie nur dahingehend eingeschränkt, dass diese Rechtsinstitute materiell gefördert werden müssen (Förderverpflichtung) und ihre Förderung nicht von geringerem Umfang als die anderer Rechtsinstitute sein darf (Benachteiligungsverbot). Der besondere Schutz von Ehe und Familie trifft dagegen keine Aussage zum finanziellen Ausmaß der Förderung. Der Gesetzgeber kann deshalb auch Mitgliedern anderer Rechtsinstitute kostenwirksame Ansprüche gewähren, soweit er die Förderung nicht auf Bereiche erstreckt, die Ausdruck der typologischen Funktionsspezifik der Ehe als Keimzelle der Familie sind. Unterstützt er die Ehe und ein anderes Rechtsinstitut dennoch materiell in einem dieser Bereiche in gleicher Weise, verstößt er gegen das Differenzierungsgebot und damit gegen die Wertentscheidung zugunsten der Ehe. Diese verfassungsrechtliche Schranke der institutionellen Nivellierung wird aber umgekehrt durch die vergleichbare Förderung von Rechtsinstituten in Sektoren, in denen der familiale Bezug der Ehe nur eine untergeordnete Rolle spielt, nicht angetastet. Die Hinterbliebenenversorgung zählt hierzu. Insofern mag die Einbeziehung von Lebenspartnern in sie rechtspolitisch fragwürdig sein; den besonderen Schutz der Ehe nach Art. 6 I GG verletzt sie nicht. 813 Es ist schwierig zu prognostizieren, wie hoch diese Mehrbelastungen sein werden. Im Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts, BTDrucks. 15/3445, S. 2, findet sich die Behauptung, dass „die Kosten für die Einbeziehung in die Hinterbliebenenversorgung (. . .) angesichts der derzeit geringen Zahl von Lebenspartnerschaften minimal“ seien. Gegen diese Annahme spricht aber, dass durch die Erhöhung der finanziellen Attraktivität dieses Rechtsinstituts auch dessen Inanspruchnahme durch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften steigen kann. Insofern ist es problematisch, ausschließlich die aktuelle Zahl der Lebenspartnerschaften als Prognosegrundlage heranzuziehen.

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bb) Vereinbarkeit erhöhter Beitragszahlungen mit der allgemeinen Handlungsfreiheit der Pflichtversicherten nach Art. 2 I GG bei der gesetzlichen Rentenversicherung Durch die Integration der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung erhöhen sich die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung, weil neben Witwen und Witwern nunmehr auch die überlebenden Lebenspartner entsprechende Ansprüche geltend machen können. Die durch diese Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises entstehenden Mehrkosten werden nicht unmittelbar von den vor ihrem Tod gezahlten Beiträgen der jeweils verstorbenen Ehe- und Lebenspartner getragen, da die Finanzierung der Rentenversicherung gemäß § 153 SGB VI auf dem Umlageverfahren beruht. Danach werden die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die aus den Beiträgen und den Zuschüssen des Bundes bestehenden Einnahmen desselben Kalenderjahres finanziert. § 168 I Nr. 1 SGB VI verteilt die Beitragslast bei Beschäftigten im Grundsatz je zur Hälfte auf die versicherten Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber.814 Die gesetzliche Konstituierung einer Beitragslast, welche die Finanzierung der Hinterbliebenenversorgung von Lebenspartnern umfasst, könnte gegen die in Art. 2 I GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der pflichtversicherten Arbeitnehmer der gesetzlichen Rentenversicherung verstoßen. (1) Eingriff in den Schutzbereich Die Festlegung der §§ 174 SGB VI, §§ 28d, 28e SGB IV, wonach im Außenverhältnis zum Rentenversicherungsträger nur der Arbeitgeber, nicht aber der pflichtversicherte Arbeitnehmer Beitragsschuldner ist, spricht nicht dagegen, einen Eingriff in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers zu bejahen. Der Arbeitgeber besitzt zwar nach § 168 I Nr. 1 SGB VI nur die Möglichkeit der hälftigen Refinanzierung der von ihm gezahlten Beiträge durch den Arbeitnehmer, nicht aber eine gesetzliche Verpflichtung hierzu.815 Mithin hängt der Rückgriff des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer vom Willen des Arbeitgebers ab und wird insofern nicht vom Gesetzgeber präjudiziert. Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt den personalen Freiheitsraum des Grundrechtsträgers aber umfassend vor jedem staatlichen Zwang zu einem Tun oder Unterlassen. Dieser Freiheitsbereich wird auch beschränkt, wenn der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer im Innenverhältnis zum Arbeitgeber normativ eine Beitragslast auferlegt, die in der Praxis zudem fast immer realisiert wird. Mit der 814 Bei der knappschaftlichen Rentenversicherung trägt der Arbeitgeber dagegen den größeren Anteil, vgl. § 168 III SGB VI. 815 BSGE 92, 113 (134, Rn. 94).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

gesetzlich angeordneten Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Verpflichtung, Versicherungsbeiträge zu leisten, greift der Gesetzgeber deshalb – ebenso wie bei der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung – in die allgemeine Handlungsfreiheit der Betroffenen gemäß Art. 2 I GG ein.816 (2) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung Diese Grundrechtseingriffe sind als normierte Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung gerechtfertigt, wenn sie verhältnismäßig sind. (a) Regelungszweck sowie Geeignetheit und Erforderlichkeit der beitragspflichtigen Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung Sinn und Zweck der Konstituierung einer Pflichtversicherung sind dann legitim, wenn mit ihr öffentliche Aufgaben erfüllt werden, an denen die soziale Gemeinschaft ein gesteigertes Interesse hat und die durch kein anderes sozialpolitisches Instrumentarium ersetzt werden können.817 Dies ist bei der gesetzlichen Rentenversicherung angesichts des großen legislativen Gestaltungsspielraums, welcher Personenkreis vor den Folgen eintretender Risiken geschützt und in den Solidarausgleich einbezogen werden soll, der Fall.818 (b) Äquivalenzprinzip als konkretisierter Prüfungsmaßstab der Angemessenheit einer Regelung zur personellen Erweiterung der Pflichtversicherung Das Prinzip der Umlagefinanzierung scheint zunächst die Annahme eines gleichgewichtigen Verhältnisses von Beiträgen und Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unmittelbar zuzulassen. Die Beiträge der Versicherten werden nämlich nicht – wie beim Kapitaldeckungsverfahren – zur Finanzierung von späteren Leistungen für sie selbst, sondern für die gegenwärtig Anspruchsberechtigten verwandt. Allerdings hängt die konkrete Höhe der zu erwartenden Rentenansprüche nach den §§ 64 ff. SGB VI entscheidend von den zuvor gezahlten Beiträgen ab, bei der Hinterblie816 Ingwer Ebsen, in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 3, Rentenversicherungsrecht, 1999, § 4 Rn. 42. 817 Siehe 4. Kapitel B. I. 14. a) aa) (2) (b) (aa), S. 649. 818 Ebsen (Fn. 816), § 4 Rn. 45.

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benenrente für Ehe- und Lebenspartner von denjenigen des verstorbenen versicherten Ehe- bzw. Lebenspartners. Insofern gilt das Prinzip der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen auch für die gesetzliche Rentenversicherung.819 Dieser Äquivalenzgrundsatz der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht sich allerdings – wie auch beim System der gesetzlichen Sozialversicherung allgemein – nicht ausschließlich nur auf das jeweils konkrete Beitrags-Leistungs-Verhältnis des einzelnen Pflichtversicherten, sondern im Sinne einer Globaläquivalenz auf die gesamte Versichertengemeinschaft.820 Ehe-, Lebenspartner und Waisen erhalten Hinterbliebenenrenten, für die sie selbst keine Beiträge gezahlt haben. In Schrifttum wird nun vertreten, dass jeder Hinterbliebenenrente eine nicht unerhebliche Eigenleistung des verstorbenen Angehörigen zugrunde läge, der Beiträge gezahlt habe. In jedem Beitrag sei als potentieller Kostenfaktor das Risiko der Zahlung einer Hinterbliebenenrente schon enthalten.821 Dagegen spricht aber schon, dass zur Finanzierung der konkreten Hinterbliebenenrente weder der individuelle Leistungsempfänger selbst noch – im Umlageverfahren – der verstorbene versicherte Angehörige (erhöhte) Beiträge gezahlt hat.822 Überdies wird gerade an der Erweiterung des Kreises der anspruchsberechtigten Leistungsempfänger bei der Hinterbliebenenversorgung der rentensystematische Zusammenhang zwischen der Größe dieses Kreises und der Beitragsentwicklung deutlich. Je mehr Personen anspruchsberechtigt sind, umso größer ist das Risiko der Realisierung der Anspruchsvoraussetzungen und umso unwahrscheinlicher ist es, dieses steigende Risiko mit gleich bleibenden Beiträgen zu finanzieren. Die Hinterbliebenenversorgung kann dann vielmehr nur dadurch finanziell stabilisiert werden, dass dafür auch Beiträge von Versicherten ohne Ehe- oder Lebenspartner bzw. Kinder herangezogen werden. Beiträge aller werden mithin für Leis819

Papier (Fn. 471), Art. 14 Rn. 143; Franz Ruland, in: GK-SGB VI, hrsg. von Heinz-Werner Lueg u. a., Einl., Rn. 97 ff.; Rolfs (Fn. 714), S. 432. 820 Gisela Färber, Zur Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland, hrsg. von Stefan Frisch und Ulrike Haerendel, 2001, S. 333 (335 ff.). Joachim Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 330 ff., 352 f., leitet die gleichzeitig bestehende Global- und Individualäquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen aus dem in Art. 3 I GG verankerten Gebot der Gleichbehandlung zwischen Versicherten und Nichtversicherten ab, die mit Steuermitteln jede Störung der Äquivalenz ausgleichen müssten. § 158 I SGB VI hält er deshalb für verfassungswidrig. 821 Franz Ruland, Rentenversicherung, in: Sozialrechtshandbuch (SRH), hrsg. von Bernd Baron von Maydell und Franz Ruland, 3. Aufl., 2003, Rn. 44; ders. (Fn. 819), Einl., Rn. 99; siehe auch Becker (Fn. 820), S. 326; F. Hase (Fn. 738), S. 324 ff. 822 BVerfGE 97, 271 (285); vgl. auch allgemein für Rentenansprüche Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 183.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

tungen an einen bestimmten Kreis Dritter aufgewandt.823 Die Hinterbliebenenversorgung beruht somit nicht ausschließlich auf einer dem Versicherten individuell zurechenbaren Eigenleistung, sondern auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft.824 Den für die Hinterbliebenenversorgung aufgewendeten Beiträgen aller Versicherten muss deshalb konsequenterweise ein materiell erfassbarer Vorteil für die gesamte Versichertengemeinschaft gegenüberstehen, um dem Prinzip der Globaläquivalenz zu entsprechen. Um das globale Gleichgewicht von Beiträgen und Rentenleistungen bei der Hinterbliebenenversorgung präzise beschreiben zu können, ist ein Rückgriff auf den Äquivalenzmaßstab der Familienversicherung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung hilfreich. Die sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen an die Globaläquivalenz bei der Hinterbliebenenversorgung und der Familienversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung ähneln sich nämlich, weil dort jeweils Personen anspruchsberechtigt sind, die nicht zwingend selbst zum Kreis der pflichtversicherten Beitragsschuldner gehören oder gehört haben.825 Bei der Hinterbliebenenversorgung für Witwen, Witwer und Waisen besteht der Vorteil für die gesamte Versichertengemeinschaft darin, dass sie verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften einen Anreiz zur Eheschließung und Familiengründung bietet. Die Hinterbliebenenversorgung verhindert nämlich, dass ein Versorgungsdefizit beim Angehörigen entsteht, wenn der Versicherte stirbt. Damit entlastet sie den Versicherten zumindest teilweise von eigenen Aufwendungen hierfür: den Vorsorgekosten.826 Die Familiengründung ist überdies gerade im Rahmen des Umlageverfahrens die generative Grundlage für die Weiterexistenz der gesetzlichen Rentenversicherung und damit Voraussetzung für die spätere Versorgung der gegenwärtig noch Beitragspflichtigen. 823 BVerfGE 48, 246 (258); ähnlich F. Hase (Fn. 738), S. 276. Vgl. auch BSGE 92, 113 (129, Rn. 74): „Jeder, der Beiträge zahlt (oder trägt), finanziert es [das System der gesetzlichen Rentenversicherung mit allen Leistungen, einschließlich der Hinterbliebenversorgung] insgesamt mit, nicht nur Teile davon.“ Kritisch zu dieser Entscheidung Jürgen Beschorner, Entscheidung des Bundessozialgerichts über Witwenrente eines eingetragenen Lebenspartners, in: SGb 2005, S. 137 (141). 824 So auch BVerfGE 48, 246 (258); 97, 271 (285); Depenheuer (Fn. 266), Art. 14 Rn. 183; Rolfs (Fn. 714), S. 222. F. Hase (Fn. 738), S. 281 ff., 324 ff., und Rolfs (Fn. 714), S. 152 ff., machen allerdings deutlich, dass die solidarische Verteilung der Beitragslast auf alle Versicherten noch kein hinreichender Grund ist, um die Annahme einer Eigenleistung abzulehnen. Vgl. auch Papier (Fn. 265), Art. 14 Rn. 143 m. w. N. 825 Färber (Fn. 820), S. 333 (337): „Typisch für die Sozialversicherungen ist überdies die beitragsfreie Mitversicherung des Ehepartners und der minderjährigen bzw. noch in Ausbildung befindlichen Kinder. (. . .) Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist die beitragsfreie Hinterbliebenensicherung direkter Ausdruck der ‚Mitversicherung‘.“ 826 BSGE 92, 113 (129, Rn. 76).

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Insofern ist die Hinterbliebenenversorgung von überlebenden Ehepartnern und Waisen auch Ausdruck der Förderverpflichtung für Ehe und Familie nach Art. 6 I GG.827 Regelungen zugunsten eines Lebenspartners können sich auf diesen Konnex zwischen einer verfassungsrechtlichen Förderverpflichtung und der generativen Fortführung der Hinterbliebenenversorgung nicht berufen. Auch die Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenversorgung kann ihre Ausdehnung auf Lebenspartner und damit die weitere finanzielle Belastung der Solidargemeinschaft aus der Perspektive der Globaläquivalenz nicht rechtfertigen: Ein Lebenspartner ist nämlich regelmäßig nicht auf den Unterhalt seines Lebenspartners angewiesen, weil der Aufwand für die Kinderbetreuung typischerweise entfällt und er für sich selbst sorgen kann. Die ursprüngliche Funktion der Hinterbliebenenversorgung, den Verlust der Unterhaltsleistung des verstorbenen Ehegatten für die Witwe und den Witwer zu kompensieren, ist deshalb bei der Lebenspartnerschaft nicht gegeben.828 Die gesamte Versicherungsgemeinschaft finanziert dort mit einem Teil ihrer Beiträge die Realisierung einer typologisch systemwidrigen Funktion.829 Die Gleichstellung von Ehe- und Lebenspartnern bei der Hinterbliebenenversorgung verstößt deshalb gegen den Grundsatz der Globaläquivalenz in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist aus diesem Grund nicht mehr angemessen. (c) Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als ein weiterer Maßstab der Angemessenheit eines Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit Das Ziel, die finanzielle Stabilität einer gesetzlichen Sozialversicherung zu sichern, ist nicht auf die gesetzliche Krankenversicherung beschränkt, sondern findet sich auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Bun827 BSGE 92, 113 (119 f., Rn. 30): „(. . .) diese Vorschriften [über den persönlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des Rechts der Hinterbliebenenrenten] sind verfassungsmäßige Konkretisierungen der Pflicht des Staates, die Ehe zu schützen und den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu fördern.“ 828 Vgl. auch F. Hase (Fn. 738), S. 133, der als Grundlage der Hinterbliebenenversorgung die Verantwortung ansieht, „die der einzelne für sich selbst und die engsten Familienangehörigen trägt, die mit ihm von dem durch eigene Arbeit erzielten Individualeinkommen leben.“ Dass ein Lebenspartner vom Einkommen des anderen lebt, ist regelmäßig nicht der Fall. 829 Nach BSGE 92, 113 (129, Rn. 76), sind Arbeitnehmer, die verheiratet sind oder Kinder haben, mit „Vorsorgekosten für den Ehegatten und die Kinder belastet (. . .), welche bei gleichhoch verdienenden Unverheirateten/Nichteltern nicht anfallen.“ Zu letzterer Personengruppe gehören typischerweise Lebenspartner. Auch der vom Bundessozialgericht aufgezeigte Funktionsmaßstab der Hinterbliebenenversorgung delegitimiert deshalb die typologische Einbeziehung der Lebenspartnerschaft.

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desverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass die Erhaltung der „Funktions- und Leistungsfähigkeit“ des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung ein wichtiges öffentliches Interesse darstellt.830 Durch die gesetzliche Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten bei der Hinterbliebenenversorgung wird die Beitragsstabilität der Rentenversicherung aber selbst gefährdet, weil eine Vergrößerung des Kreises der Leistungsempfänger finanzielle Mehrkosten verursacht. Ebenso wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt deshalb die Einbeziehung der Lebenspartner als Anspruchsberechtigte im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung gegen das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.831 cc) Vereinbarkeit erhöhter Beitragszahlungen des Arbeitgebers und des Unternehmers mit seiner Berufs- und Eigentumsfreiheit, Artt. 12 I, 14 I GG Der Arbeitgeber ist bei der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 168 I Nr. 1 SGB VI grundsätzlich verpflichtet, die Hälfte der Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung des Arbeitnehmers zu tragen. Im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung tragen nach § 150 I 1 SGB VII diejenigen Unternehmer die Beitragslast, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Diese gesetzlichen Beitragsverpflichtungen können die Grundrechte des Arbeitgebers bzw. Unternehmers tangieren. Denkbar sind in dieser Hinsicht Eingriffe in ihre Berufsausübungsund Eigentumsfreiheit. (1) Berufsausübungsfreiheit als Wettbewerbsfreiheit, Art. 12 I GG Die Berufsausübungsfreiheit schützt in ihrer Ausprägung als Wettbewerbsfreiheit den Arbeitgeber vor der staatlich statuierten Belastung mit Personalzusatzkosten für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers. Die gesetzliche Festlegung, dessen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zur Hälfte zu tragen, und die Konstituierung einer Beitragspflicht des Unternehmers für Versicherte im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung sind Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit mit objektiv berufsregelnder Tendenz. Sie schmälern nämlich die Wettbewerbschancen des Arbeitgebers bzw. Unternehmers, ohne dass ihnen staatlicherseits ein Äquivalent zur Verfügung gestellt wird.832 830

BVerfGE 53, 257 (293 f.); 58, 81 (110); 74, 203 (214); 75, 78 (98); 97, 271

(286). 831

Vgl. oben 4. Kapitel B. I. 14. a) aa) (2) (b) (cc), S. 652 ff.

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Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind gerechtfertigt, wenn das jeweilige Regelungsziel der gesetzlichen Normierung von Gemeinwohlinteresse ist und sich als verhältnismäßig erweist. Wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dafür auch bei der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung das Solidarprinzip als Zweck der Beitragsbelastung des Arbeitgebers bzw. Unternehmers in Betracht. Für die Anwendung des Solidarprinzips bedarf es eines Anknüpfungspunktes für die Belastungsverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis ist der Bezugspunkt für die solidarische Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Teil der Rentenbeiträge des Arbeitnehmers zu tragen. Ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Ehe- oder Lebenspartner des Arbeitnehmers besteht dagegen nicht. Die personelle Erweiterung des Solidaritätskreises auf den Ehegatten könnte allenfalls durch den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gerechtfertigt sein. Die Förderung von Lebenspartnerschaften ist dagegen nicht verfassungsrechtlich geboten, so dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr der Anknüpfungspunkt für die Beitragsbelastung des Arbeitgebers zur Finanzierung der Hinterbliebenenversorgung ist. Somit entfällt hier das Solidarprinzip als Regelungsziel von öffentlichem Interesse. Da ein alternatives Gemeinwohlinteresse an der Mitfinanzierung der Hinterbliebenenversorgung des Lebenspartners des verstorbenen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nicht zu erkennen ist, liegt ein nicht gerechtfertigter Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit vor. Ein vergleichbarer Wertungsmaßstab ist im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung an die Beitragsbelastung der Unternehmer für die Finanzierung von Hinterbliebenenrenten der Lebenspartner des für sie oder in ihrem Rechtskreis Tätigen anzulegen. Das Tätigkeitsverhältnis vermag als formaler Anknüpfungspunkt einer Solidaritätspflicht des Unternehmers für den Lebenspartner nicht zu überzeugen, weil zwischen ihnen weder eine unmittelbare Rechtsbeziehung besteht noch eine verfassungsrechtliche Förderverpflichtung die Erweiterung des Solidarkreises intendiert. Es fehlt mithin an einem öffentlichen Interesse an der personellen Erweiterung der unfallversicherungsrechtlichen Hinterbliebenenversorgung. (2) Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 I 1 GG als Schutz von Substanz und Ertrag der Wirtschaftseinheit Durch die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten bei der Hinterbliebenenversorgung erhöhen sich die Personalzusatzkosten für den Arbeitgeber bzw. Unternehmer. Wenn der Gesetzgeber ihnen die Verpflich832 Ausführlich zur vergleichbaren Konstellation der gesetzlichen Krankenversicherung oben 4. Kapitel B. I. 14. a) bb) (1) (a), S. 655.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

tung auferlegt, die Kosten hierfür vollständig oder anteilig zu tragen, greift er in die Eigentumsfreiheit ein. Dieser Eingriff ist aber noch gerechtfertigt, weil gegenwärtig der Anteil der für die lebenspartnerschaftliche Hinterbliebenenversorgung aufgewendeten Ausgaben an den Gesamtkosten für Hinterbliebenenrenten gering ist. Dementsprechend nimmt der Staat durch die Auferlegung dieser Beitragslast insgesamt weder auf die Substanz noch auf mehr als die Hälfte der Erträge der Wirtschaftseinheit Zugriff.833 dd) Verfassungskonformität der regelungstechnischen Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in den Ehebegriff bei der Hinterbliebenenversorgung Die in §§ 46 IV, 47 IV, 120d I 3 SGB VI eingefügten Legaldefinitionen, dass die Lebenspartnerschaft in diesem Bereich auch als Ehe gelte, werfen die von der Anwendung des Differenzierungsgebots zu trennende Frage nach deren Vereinbarkeit mit dem besonderen Schutz der Ehe in Art. 6 I GG auf. Die institutionelle Integration der Lebenspartnerschaft in das Anspruchssystem der Hinterbliebenenversorgung intendiert nämlich noch nicht die Zulässigkeit einer institutionellen Erweiterung des Geltungsbereichs des Ehebegriffs auf die Lebenspartnerschaft. Letzteres könnte gegen die Institutsgarantie der Ehe verstoßen: Der besondere Schutz dieses Rechtsinstituts in Art. 6 I GG umfasst auch die verfassungsrechtliche Sicherung seiner Wesensmerkmale vor einfachgesetzlicher Veränderung. Zu diesen Strukturelementen gehört die Verschiedengeschlechtlichkeit. Eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ist keine Ehe i. S. d. Art. 6 I GG. Die Lebenspartnerschaft darf deshalb auf der verfassungsrechtlichen Ebene nicht als Ehe bezeichnet werden. Fraglich ist nun, ob dieses Bezeichnungsverbot auch auf die einfachgesetzliche Rechtsordnung ausstrahlt und der Definition der Lebenspartnerschaft als Ehe im Sozialversicherungsrecht entgegensteht. Vor der dortigen Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft bestand kein Zweifel, dass die Definition eines familienrechtlichen Begriffes wie der Ehe derjenigen des bürgerlichen Rechts folgt, soweit der Begriff im Sozialversicherungsrecht ohne nähere Umschreibung verwandt wird oder an Tatbestände des Familienrechts anknüpft.834 Die einschränkende Bedingung verdeutlicht aber, dass 833 Dazu im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung näher 4. Kapitel B. I. 14. a) bb) (2), S. 658 ff. 834 BSGE 10, 1 (3); 12, 147 (148); 27, 96 (98); 33, 219 (220 f.); 45, 180 (181); BSG, NJW 1995, S. 3270 (3271); Kamprad (Fn. 801), § 46 SGB VI Rn. 5; Zweng/ Scheerer/Buschmann/Dörr (Fn. 799), § 46 SGB VI Rn. 13; für Gürtner (Fn. 803), § 46 SGB VI Rn. 4, auch noch nach der Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in die Hinterbliebenenversorgung.

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der Gesetzgeber durchaus einen Ausgestaltungsspielraum im Sinne einer gesetzlichen „näheren Umschreibung“ des Rechtsbegriffs besitzt.835 Daraus könnte man schließen, dass er im Rahmen dieser Ausgestaltung auch die Ehe als Lebenspartnerschaft bezeichnen dürfe. Gegen eine solchermaßen intendierte Differenzierung zwischen verfassungsrechtlichem und einfachgesetzlichen Ehebegriff spricht aber, dass durch eine vom Verfassungsrecht abweichende einfachgesetzliche Legaldefinition der verfassungsrechtliche Ehebegriff mit seinen Strukturelementen selbst faktisch verändert und damit die Normenhierarchie zwischen beiden Rechtsebenen nicht mehr beachtet würde. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Ehe darf deshalb nur im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Strukturmerkmale dieses Rechtsinstituts stattfinden. Diese Grenze des Gestaltungsspielraums ist überschritten, wenn das eheliche Wesensmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit bei der gesetzlichen Regelung der Hinterbliebenenversorgung mittelbar durch das Merkmal der Verschieden- oder Gleichgeschlechtlichkeit ersetzt wird. Die Bezeichnung der Lebenspartnerschaft als Ehe verstößt damit gegen die Institutsgarantie der Ehe. Der Gesetzgeber hat diese begriffliche Erweiterung allerdings nicht unmittelbar vorgenommen, sondern – ähnlich wie beim Begriff des Familienangehörigen in § 11 I LPartG – statuiert, dass die Lebenspartnerschaft als Ehe gilt. Mit diesem Begriff werden der Geltungsbereich der Ehe und damit die an dieses Rechtsinstitut anknüpfenden Rechtswirkungen im Bereich der Hinterbliebenenversorgung auf die Lebenspartnerschaft erstreckt, ohne dass der Gesetzgeber durch eine gemeinsame Bezeichnung die begriffliche Identität beider Rechtsinstitute herstellt. Wenn eine institutionelle Erweiterung der die Ehegatten betreffenden Normen in einem thematisch abgegrenzten Bereich auf die Lebenspartnerschaft verfassungsgemäß ist, dann ist es dort auch die Erweiterung des ehebezogenen Regelungsbereichs. Die vom Gesetzgeber gewählte Regelungstechnik ist deshalb an sich grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich.836 Da die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft bei der Hinterbliebenenversorgung allerdings gegen die allgemeine Handlungsfreiheit der Pflichtversicherten und die Berufsfreiheit der Arbeitgeber verstößt, kann dort auch der Geltungsbereich der Ehe nicht erweitert werden. ee) Ergebnis Die Einbeziehung der Lebenspartner in die bisher nur den Ehegatten und Waisen vorbehaltene Hinterbliebenenversorgung verletzt die allgemeine 835 Gürtner (Fn. 803), § 46 SGB VI Rn. 4, der aber wohl den verfassungsrechtlichen Ehebegriff des Art. 6 I GG als Grenze ansieht. 836 Gürtner (Fn. 803), § 46 SGB VI Rn. 4.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Handlungsfreiheit der in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Beitragszahler, weil ein Verstoß gegen das sozialversicherungsrechtliche Äquivalenzprinzip und die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung vorliegt. Außerdem verstößt es im Rahmen der Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers gegen dessen Wettbewerbsfreiheit, weil für die Belastung mit beitragsbezogenen Personalzusatzkosten zur Finanzierung dieser Hinterbliebenenversorgung kein Regelungsziel mit Gemeinwohlinteresse besteht. Die Eigentumsfreiheit des Arbeitgebers ist dagegen ebenso wenig verletzt wie das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG. Regelungssystematisch darf die Lebenspartnerschaft in diesem Bereich nicht als Ehe bezeichnet werden. d) Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft bei der Arbeitsförderung Das SGB III regelt die Arbeitsförderung grundlegend, während das SGB II das System einer Grundsicherung für Arbeitssuchende gesetzlich konstituiert. Sowohl im SGB II als auch im SGB III sind Ehe und Lebenspartnerschaft vollständig gleichgestellt worden. Diese Gleichbehandlung ist am Maßstab der objektiven Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie zu messen, indem diejenigen Regelungen des SGB III und II, welche die Lebenspartnerschaft berücksichtigen, den jeweiligen Ausprägungen der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugeordnet werden. aa) Die Regelungen des SGB III (1) Die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft angesichts des Verbots, die Ehe zu benachteiligen In einigen Vorschriften des SGB III ist die Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten bei der Berechnung des Leistungsumfangs für den Anspruchsberechtigten statuiert. In diese Bestimmungen ist nunmehr auch der Lebenspartner integriert worden.837 Die Erwähnung in diesen Normen bringt Ehegatten und Lebenspartnern keinen rechtlichen oder ökonomischen Vorteil. Im Gegenteil kann die Einkommensanrechnung zu einer Minderung des Leistungsumfangs führen; bestenfalls wirkt sie sich finanziell neutral aus. Hätte der Gesetzgeber die Lebenspartnerschaft dort nicht berücksichtigt, so wäre zwar das Einkommen von Eheleuten angerechnet worden, nicht aber das von Lebenspartnern. Die Ehe wäre gegenüber der Lebenspartnerschaft benachteiligt. Eine Benachteiligung der Ehe gegenüber anderen Rechtsinstituten ist aber wegen der objektiven Wertentscheidung der 837

§§ 71 I, 72 I 1, 108 II Nr. 3 SGB III.

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Verfassung zugunsten der Ehe untersagt. Die Gleichbehandlung von Eheund Lebenspartnern hinsichtlich der Einkommensanrechnung ist deshalb nicht nur verfassungsrechtlich legitim, sondern sogar geboten. (2) Die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft angesichts der Verpflichtung, die Ehe zu fördern Die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe bezieht sich aber auch auf Bestimmungen, in denen bisher ausschließlich Ehepartner gegenüber nicht verheirateten Personen privilegiert worden sind. Im Rahmen der beruflichen Eingliederung Behinderter gehen die Regelungen der § 101 III 3 SGB III (Berufsausbildungshilfe) sowie § 105 I Nr. 1 und Nr. 3 SGB III (Ausbildungsgeld) von einem erhöhten Bedarf für verheiratete Behinderte aus. In diesen Bestimmungen werden nunmehr auch eine Lebenspartnerschaft führende Behinderte berücksichtigt. Im Rahmen der gesetzlichen Neuordnung der Berufsförderung statuiert § 26 IIa SGB III n. F. jetzt unter bestimmten Voraussetzungen eine gesetzliche Versicherungspflicht für Personen, die ein noch nicht drei Jahre altes Kind erziehen. Die Versicherungspflicht gilt auch für die Kinder des nicht dauernd getrennt lebenden Eheoder Lebenspartners. Die Existenz eines Kindes des Arbeitslosen oder seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehe- oder Lebenspartners i. S. v. § 32 I, III–V EStG erhöht gemäß § 129 Nr. 1 SGB III den Leistungssatz für das Arbeitslosengeld, wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Die Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe hinsichtlich erhöhter Bedarfssätze bei der beruflichen Eingliederung Behinderter wäre nur dann ein verfassungswidriger Verstoß gegen das Fördergebot zugunsten der Ehe aus Art. 6 I GG, wenn diese Vorschriften primär der familialen Potentialität der Ehe Rechnung trügen. Die in §§ 101 III 3, 105 I Nr. 1 und 3 SGB III genannten alternativen Konstellationen eines erhöhten Bedarfs betreffen neben den Rechtsinstituten von Ehe und Lebenspartnerschaft auch die Vollendung des 21. Lebensjahres des Anspruchsberechtigten. Am Bezug des Bedarfs zu einem gesetzlich festgelegten Mindestalter wird deutlich, dass das Gesetz die Höhe des Bedarfs in typisierender Weise danach ausrichtet, ob der Behinderte erhöhte Aufwendungen für seinen Lebensunterhalt zu tragen hat. Bei Ehegatten und Lebenspartnern ist dies angesichts der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung regelmäßig der Fall. Die Ehe wird mithin nicht wegen ihres reproduktiven Elementes gefördert, sondern deshalb, weil mit ihr ein erhöhter Unterhaltsaufwand und damit Bedarf einhergeht. Das verfassungsrechtliche Differenzierungsgebot ist deshalb hier nicht einschlägig; die Lebenspartnerschaft kann der Ehe insoweit gleichgestellt werden.

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Soweit auch Kinder von nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und Lebenspartnern bei der Arbeitsförderung berücksichtigt werden, liegt zwar eine Verbindung beider Rechtsinstitute zum Kind vor. Das berechtigt aber noch nicht zu der Schlussfolgerung, die Ehe werde hier mittelbar wegen ihrer typologischen Reproduktivität gefördert und deshalb sei eine Übertragung des Regelungsinhalts auf die Lebenspartnerschaft wegen des Differenzierungsgebots nach Art. 6 I GG nicht möglich. Die Förderung bezieht sich nämlich auf die tatsächliche Lebenssituation, in der Anspruchsberechtigter, Ehe- bzw. Lebenspartner und Kind in einer Gemeinschaft zusammen leben. Dies wird an der in §§ 26 IIa, 129 Nr. 1 SGB III normierten Voraussetzung deutlich, dass die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben dürfen. Eine dauernde Trennung liegt nur dann vor, wenn die das Rechtsinstitut konkretisierende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehe- oder Lebenspartnern nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr besteht.838 Bei nicht getrennt lebenden Ehe- oder Lebenspartnern, die mit einem Kind zusammen leben, ist es wahrscheinlich, dass sich der Anspruchsberechtigte faktisch in irgendeiner Weise am Kindesunterhalt beteiligt – unabhängig davon, ob er dazu verpflichtet ist. Ein gegenüber Anspruchsberechtigten ohne Kinder verstärkter Leistungsumfang trägt insofern den gesetzlich vermuteten Aufwendungen für das Kind Rechnung. Diese Entlastungsfunktion besteht aber bei Eheleuten oder Lebenspartnern mit Kindern gleichermaßen, weil dort jeweils eine Gemeinschaft des Kindes mit institutionell gebundenen Erwachsenen vorliegt und eine finanzielle Zuwendung dem Wohl des Kindes dient.839 Das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG ist hier nicht einschlägig. bb) Regelungen des SGB II Die Grundsicherung für Arbeitssuchende existiert seit dem 1. Januar 2005 und ersetzt die früher im SGB III geregelte Arbeitslosenhilfe. Die Lebenspartnerschaft wird bei der in § 7 SGB II geregelten Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt. Nach § 7 II 1 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten nach § 7 III Nr. 3 SGB II a. F. als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dau838

Jürgen Brand, in: Klaus Niesel (Hrsg.), Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung, 3. Aufl., 2005, § 129 SGB III Rn. 7; für die Ehe Andreas Marschner, in: GK-SGB III, hrsg. von dems., § 129 SGB III Rn. 15. Teilweise wird unter Bezug auf § 1567 BGB auf das Vorliegen der häuslichen Gemeinschaft abgestellt, siehe etwa Leandro Valgolio, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB III, § 129 SGB III Rn. 22. 839 Vgl. auch Christian Rolfs, in: Alexander Gagel (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III, Bd. 1, § 129 SGB III Rn. 16.

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ernd getrennt lebende Ehegatte (Buchst. a), die Person, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt (Buchst. b) und der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner (Buchst. c). Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, die nicht Lebenspartnerschaften waren, wurden zunächst nicht berücksichtigt. Der Kreis der Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wurde in der seit dem 1. August 2006 geltenden Neufassung des § 7 III Nr. 3 SGB II840 erweitert: Neben Ehegatten (Buchst. a) und Lebenspartnern (Buchst. b) wurden jetzt auch Personen berücksichtigt, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (Buchst. c). Erstmals fallen neben eheähnlichen Gemeinschaften auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, die keine Lebenspartnerschaften sind, unter den Kreis der Bedarfsgemeinschaften.841 Bei der Frage, ob eine Hilfebedürftigkeit des Arbeitssuchenden vorliegt, der in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist gemäß § 9 II 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. § 20 SGB II statuiert jeweils Regelleistungen für erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, deren Umfang geringer ist als die Regelleistung für Personen, die allein stehend sind. In § 28 SGB II ist vorgesehen, dass nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld erhalten, soweit kein Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII besteht. Hinsichtlich der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft ist schon fraglich, welcher aus der objektiven verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der Ehe abgeleitete konkrete Maßstab angewandt werden kann. Die Zuordnung hängt davon ab, ob die Einbeziehung der Ehe in die Bedarfsgemeinschaft als Förderung des Rechtsinstituts angesehen und daraus eine verfassungsrechtliche Sperrwirkung für die Gleichstellung anderer personaler Gemeinschaften abgeleitet werden kann. Dagegen spricht die in § 9 SGB II vorgesehene Anrechnung des Ehegatteneinkommens bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit. Die Grenze, ab der eine Hilfebedürftigkeit angenommen wird, ist bei Ehegatten deshalb regelmäßig gegenüber Alleinstehenden erhöht. Die Einkommensanrechung bei Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ist Ausdruck des in § 2 II 1 SGB II niedergelegten sozialrechtlichen „Grundsatzes des Forderns“, der besagt, dass sie in eigener 840

Vgl. BGBl. I, S. 1706. Albrecht Brühl/Dietrich Schoch, in: Johannes Münder (Hrsg.), Sozialgesetzbuch II, 2. Aufl., 2007, § 7 SGB II Rn. 58; Karl Peters, in: Martin Estelmann (Hrsg.), Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), § 7 SGB II Rn. 41; Leandro Valgolio, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB II, § 7 SGB II Rn. 47. 841

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Verantwortung alle Möglichkeiten nutzen müssen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. An die Bedarfsgemeinschaft knüpft das SGB II deshalb für die einbezogenen Personen Verpflichtungen und Rechtsnachteile.842 Das Regelungsverhältnis zu anderen Lebensgemeinschaften wäre damit aus der Perspektive des Art. 6 I GG nicht vom Förderungsgebot, sondern vom Verbot der Benachteiligung der Ehe geprägt. Fände nämlich bei anderen Lebensgemeinschaften wie der Lebenspartnerschaft oder eheähnlichen Gemeinschaften keine Einkommensanrechnung statt, wären Ehegatten gegenüber diesen benachteiligt. Insofern war die Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft verfassungsrechtlich geboten.843 Sieht man von der Einkommensanrechnung ab, so gewährt das SGB II im vorstehend beschriebenen Umfang dem Ehepartner des hilfebedürftigen Arbeitssuchenden als Teil der Bedarfsgemeinschaft aber auch Leistungen. Insofern könnte man darin eine Förderung der Ehe sehen. Eine Integration anderer Personengemeinschaften in diese Förderung wäre dem Gesetzgeber verwehrt, wenn durch sie die Ehe als potentielle Familie unterstützt würde. Dagegen spricht aber die gesetzliche Festlegung des Personenkreises der Bedarfsgemeinschaft: Sie zeichnet sich dadurch aus, dass neben dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen selbst die berücksichtigten Personen in dessen Haushalt leben müssen.844 Dies statuieren § 7 III Nr. 2 und 4 SGB II ausdrücklich. Damit vergleichbar normierte schon § 7 III Nr. 3 SGB II a. F. inzident das Bestehen einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft als Voraussetzung, indem dort nur nicht dauernd getrennt lebende Ehe- und Lebenspartner sowie Personen einer eheähnlichen Gemeinschaft als Bedarfsgemeinschaft eingeordnet wurden.845 Noch deutlicher wird dies durch § 7 III Nr. 3 Buchst. c SGB II n. F., der ausdrücklich auf einen gemeinsamen Haushalt Bezug nimmt. Grundlage des gegenseitigen Unterhalts zweier Personen ist die enge Verbundenheit des in § 7 III Nr. 3 SGB II genannten Personenkreises mit dem Hilfebedürftigen, die entweder – wie bei Ehe und Lebenspartnerschaft – als rechtliche Verpflichtung formalisiert ist oder faktisch als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft besteht.846 Sowohl die häusliche Gemeinschaft als auch die Lebensgemeinschaft konkretisieren damit 842

Wolfgang Spellbrink, in: Wolfgang Eicher/Wolfgang Spellbrink (Hrsg.), SGB II, 2005, § 7 SGB II Rn. 2; siehe auch Andreas Hänlein, in: Alexander Gagel (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III, Bd. 2, § 7 SGB II Rn. 30 ff.: Danach besitzt die Bedarfsgemeinschaft zugleich eine „Einsatzfunktion“, eine „Sparfunktion“ und eine „Koordinierungsfunktion“. 843 Schumacher (Fn. 115), S. 857 (863), hinsichtlich der Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in den Regelungskreis von § 137a II AFG a. F. 844 Brühl/Schoch (Fn. 841), § 7 SGB II Rn. 54 ff. 845 Vgl. Peters (Fn. 841), § 7 SGB II Rn. 35, 38 f.; Hänlein (Fn. 842), § 7 SGB II Rn. 36 ff.; Spellbrink (Fn. 842), § 7 SGB II Rn. 26 ff.

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die Nähebeziehung zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und einer anderen Person. An der Einbeziehung der eheähnlichen und gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft wird deutlich, dass das Gesetz nicht exklusiv auf eine formalisierte Bindung durch eine gesetzlich geregelte Unterhaltsverpflichtung abstellt,847 sondern berücksichtigt, dass das tatsächliche Zusammenleben in einer Wirtschafts- und Einstehensgemeinschaft einen vergleichbaren Unterhaltsbedarf bedingen kann. Die Ehe wird deshalb im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft typologisch nicht als potentielle Familie, sondern als personale Lebensgemeinschaft gefördert. Weil die Lebenspartnerschaft ebenfalls eine Lebensgemeinschaft ist, ist das aus der Förderungsverpflichtung zugunsten der Ehe abgeleitete institutionelle Differenzierungsgebot nicht einschlägig. Ehe und Lebenspartnerschaft können im SGB II gleichgestellt werden. e) Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in das Sozialhilferecht Die Lebenspartnerschaft wird mehrmals ausdrücklich im Sozialhilferecht erwähnt. Die wichtigste Regelung betrifft die Vorrangigkeit der Einstandspflicht der Mitglieder von Lebensgemeinschaften vor der staatlichen Leistungsgewährung der Sozialhilfe: § 19 I–III SGB XII statuiert für die einzelnen Leistungen der Sozialhilfe im Rahmen der Prüfung des Bedarfs des Anspruchberechtigten die Berücksichtigung des Einkommens und des Vermögens des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners. Nach § 20 S. 1 SGB XII a. F. durften darüber hinaus Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten. In diese Regelung sind seit dem 1. August 2006 auch lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften einbezogen.848 Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung konstituiert § 43 I SGB XII diese Einsatzgemeinschaften, ohne die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft zu erwähnen: Danach sind Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, die dessen Bedarf nach dem SGB XII nicht übersteigen, nach den §§ 19, 20 S. 1 SGB XII zu berücksichtigen.849 846 Siehe Peters (Fn. 841), § 7 SGB II Rn. 35 ff.; Valgolio (Fn. 841), § 7 SGB II Rn. 47 ff.; Spellbrink (Fn. 842), § 7 SGB II Rn. 27. 847 So aber noch Beck (Fn. 33), S. 1894 (1896), für die Einkommensanrechnung bei der früheren Arbeitslosenhilfe. 848 BGBl. I, S. 1706. 849 Im bis zum 31.12.2004 geltenden Grundsicherungsgesetz war – im Gegensatz zu Ehe und eheähnlicher Gemeinschaft – auch die Lebenspartnerschaft als Einsatzgemeinschaft noch nicht berücksichtigt worden. Dies geschah erst mit der Implemen-

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Die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Sozialhilferecht ist verfassungsrechtlich unproblematisch: Sie ist nicht nur zulässig, sondern wegen des aus Art. 6 I GG abgeleiteten ehelichen Benachteiligungsverbots als sozialhilferechtliches Gestaltungsminimum verfassungsrechtlich sogar geboten. Wenn zwar die Ehe, nicht aber die Lebenspartnerschaft eine Einstandsgemeinschaft bildete, würden Lebenspartner gegenüber Eheleuten bevorzugt. In diesem Falle würden – anders als bei der Ehe – im Rahmen der Bedarfsprüfung ausschließlich bei der Lebenspartnerschaft nur das Vermögen und Einkommen des jeweils Anspruchsberechtigten, nicht aber seines unterhaltspflichtigen Partners berücksichtigt. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsgewährung wären bei Lebenspartnern mithin nicht so hoch wie bei Eheleuten. Die Berücksichtigung der Ehe als sozialhilferechtliche Einsatzgemeinschaft rechtfertigt sich aus ihrer institutionellen Charakteristik als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, die durch gegenseitige Unterhaltspflichten konkretisiert ist.850 Die Lebenspartnerschaft unterscheidet sich darin nicht von der Ehe. Insofern würde die fehlende Erwähnung der Lebenspartnerschaft als Einsatzgemeinschaft die objektive Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Ehe verletzen. Die Ehe darf mithin bei der Bedarfsprüfung nicht schlechter gestellt sein als die Lebenspartnerschaft. Diese muss mithin dort als Einsatzgemeinschaft ebenfalls berücksichtigt werden. Die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Sozialhilferecht ist verfassungskonform und darüber hinaus geboten. f) Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in die durch das Bundesversorgungsgesetz gewährleistete Versorgung Die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Rahmen des Sozialrechts betrifft nicht nur die gesetzliche Renten- und Unfallversicherung. Schon das LPartGDisBG hatte Lebenspartner in eingeschränktem Maße im Bundesversorgungsgesetz berücksichtigt. So gewährt § 10 IV 1 Buchst. a BVG dem Schwerbeschädigten einen Anspruch auf Krankenbehandlung für den Ehegatten oder Lebenspartner. Lebenspartner und Ehegatten werden auch im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 ff. BVG gleich behandelt. Bei der in §§ 32 ff. BVG geregelten Ausgleichsrente erhalten Schwerbeschädigte für ihren Lebenspartner ebenso wie für den Ehegatten nach § 33a BVG einen Zuschlag auf die eigentliche Rentenleistung. Nach § 4 AusglV sind bei der Berechnung der Höhe der Ausgleichsrente gemäß § 33 I BVG Leistungen des (früheren) Ehegatten oder Lebenspartners auftierung der Regelungen zur Grundsicherung in das SGB XII, vgl. Johannes Falterbaum, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB XII, § 43 SGB XII Rn. 5 f. 850 Volker Neumann, in: Karl Hauck/Wolfgang Noftz (Hrsg.), SGB XII, § 19 SGB XII Rn. 12.

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grund eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen. Lebenspartnern wird auch bei der Berechnung der Pflegepauschale in § 35 BVG Rechnung getragen; sie sind darüber hinaus grundsätzlich Anspruchsberechtigte beim Bestattungs- und Sterbegeld in §§ 36 f. BVG. Art. 4 LPartÜG stellte schließlich beide Rechtsinstitute auch hinsichtlich des letzten verbliebenen Rechtsbereichs – der Hinterbliebenenversorgung – vollständig gleich. Regelungstechnisch wurden dort die in den einzelnen Normen verwandten ehebezogenen Begriffe um den jeweils komplementären Begriff aus dem Bereich der Lebenspartnerschaft ergänzt.851 Das BVG regelt Versorgungsansprüche für Schädigungen, die im Zusammenhang mit einem militärischen Dienst aufgetreten sind. Die Versorgungsleistungen werden nicht aus Beiträgen, sondern ausschließlich aus Steuermitteln finanziert. Nach dem verfassungsrechtlichen Maßstab der objektiven Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie gemäß Art. 6 I GG ist eine institutionelle Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft bei Leistungen nach dem BVG nur dann geboten, wenn diese die Ehe als potentielle Familie fördern sollen. Hinsichtlich des Anspruchs des Schwerbeschädigten auf Krankenbehandlung für Angehörige nach § 10 IV 1 Buchst. a BVG umfasst der Angehörigenkreis nicht nur den Ehe- oder Lebenspartner und die Kinder, sondern auch „sonstige Angehörige, die mit ihm [dem Schwerbeschädigten] in häuslicher Gemeinschaft leben und von ihm überwiegend unterhalten werden“. Die im Gesetz normierten Anspruchsvoraussetzungen der Haus- und Unterhaltsgemeinschaft für die „sonstigen Angehörigen“ lassen erkennen, dass die Nähebeziehung zum Schwerbeschädigten die gesetzlich typisierte Gemeinsamkeit des Personenkreises ausmacht. Aufgrund des engen Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern wird die Nähebeziehung dort genauso vermutet wie bei Ehe- und Lebenspartnern, die freiwillig eine enge formalisierte Bindung zum Schwerbeschädigten eingegangen sind. Anders als bei entfernteren Angehörigen kann deshalb auch auf die gesetzliche Statuierung von weiteren Voraussetzungen verzichtet werden. Als Korrelat dieser Nähe besteht die Unterhaltsleistung bzw. die Verpflichtung hierzu. Ehe und Lebenspartnerschaft werden wegen dieser formalisierten Nähebeziehung, die sich als Unterhaltsgemeinschaft konkretisiert, bei der Krankenbehandlung berücksichtigt und unterscheiden sich insofern nicht voneinander. Das verfassungsrechtliche Differenzierungsgebot ist deshalb hier nicht einschlägig. 851 „Hinterbliebener Lebenspartner“ neben „Witwe“ bzw. „Witwer“; „Lebenspartnerschaft“ neben „Ehe“; „Lebenspartner“ neben „Ehegatte“ und „Ehemann“ bzw. „Ehefrau“; „Begründung einer Lebenspartnerschaft“ neben „Verheiratung“ bzw. „Wiederverheiratung“.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Aufgrund der vergleichbaren Regelungssystematik ist die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in die Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 ff. BVG nicht anders zu beurteilen. Beschädigte erhalten gemäß § 25 IV 2 BVG Leistungen auch für „sonstige Angehörige, die mit dem Beschädigten in häuslicher Gemeinschaft leben“ (Nr. 4) und sogar für „Personen, deren Ausschluss eine öffentliche Härte bedeuten würde“ (Nr. 5), wenn der Beschädigte den Lebensunterhalt eines Familienmitglieds überwiegend bestreitet, vor der Schädigung bestritten hat oder ohne die Schädigung wahrscheinlich bestreiten würde und die Angehörigen ihren Bedarf nicht aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen decken können. Die Unterhaltsgemeinschaft, die sich bei Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern als rechtliche Verpflichtung verstärkt, ist damit tragendes Substrat dieses Personenkreises. Das wird auch daran deutlich, dass bei der Berechnung der Leistungshöhe nach § 25d II BVG das Einkommen von Lebenspartnern und Ehegatten ebenso wie das anderer Personen „aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs“ grundsätzlich zum Einkommen des Hilfesuchenden gezählt wird. Ehe und Lebenspartnerschaft gleichen sich insofern. Art. 6 I GG vermag deshalb keine Verpflichtung zur Differenzierung zwischen diesen Rechtsinstituten zu konstituieren. Soweit das Einkommen von Ehegatten angerechnet wird, muss Gleiches auch bei Lebenspartnern geschehen, weil ansonsten die Ehe gegenüber der Lebenspartnerschaft benachteiligt würde und diese Ungleichbehandlung gegen das aus Art. 6 I GG abgeleitete Benachteiligungsverbot verstieße. Das gilt auch für die Renten an Beschädigte. Die anspruchsmindernde Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen des Lebenspartners bei der Berechnung der Ausgleichsrente ist durch die objektive Wertentscheidung des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe geboten, wenn Leistungen von Ehegatten angerechnet werden. Die Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern bei der Berechnung der Pflegezulage sowie beim Bestattungs- und Sterbegeld tangiert das verfassungsrechtliche Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie nicht, weil die gesetzliche Erwähnung der Lebenspartnerschaft Ausdruck des Näheverhältnisses zum Beschädigten ist. Wenn der Lebenspartner mit diesem „in häuslicher Gemeinschaft“ lebt (§ 35 II 2, V 2 BVG) oder ihm „in außergewöhnlichem Umfang Hilfe leistet“ (§ 35 II 3 BVG) bzw. „einen Teil der Pflege wahrgenommen hat“ (§ 35 IV 2 BVG), stehen beide – nicht anders als Eheleute in der gleichen Situation – offensichtlich in einem engen Verhältnis zueinander. Das gilt auch für das Bestattungs- und Sterbegeld, das Ehegatten wie Lebenspartnern nur gewährt wird, wenn sie „mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben“ (§§ 36 I 3, 37 II 1 BVG). Die als Anspruchsvoraussetzung normierte „häusliche Gemeinschaft“ und ihre Verbindung mit einer formalisierten Rechtsbindung konkretisiert insofern die Nähebezie-

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hung. Die Intention, mit der Berücksichtigung der Ehe bei der Pflegezulage übermäßige Härten auszugleichen,852 oder beim Bestattungs- und Sterbegeld dem Tod des verstorbenen Partners Rechnung zu tragen, gilt wegen der identischen Situation in gleicher Weise für Lebenspartner. Bei der Gewährung des Zuschlags für Ehegatten und Lebenspartner nach § 33a BVG wird zwar auf den Begriff der häuslichen Gemeinschaft verzichtet. Der verheiratete oder in einer Lebenspartnerschaft lebende Schwerbeschädigte ist seinem jeweiligen Partner aber nach wie vor unterhaltsverpflichtet, so dass der Zuschlag als Berücksichtigung der Unterhaltsbindung im Sinne einer typisierten Konkretion des Näheverhältnisses interpretiert werden kann. Weil das reproduktive Element der Ehe bei den Beschädigtenrenten insgesamt keine Rolle spielt, gebietet die verfassungsrechtliche Förderverpflichtung von Ehe und Familie dort nicht die Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft. Ähnliche Überlegungen können auch für die Hinterbliebenenversorgung geltend gemacht werden. Sie besitzt bei der Ehe – ähnlich wie die gesetzliche Rentenversicherung – auch im Rahmen des BVG eine Unterhaltsersatzfunktion. Der Unterhalt steht in diesem Sinne ausdrücklich oder inhärent im Mittelpunkt mehrer Rechtsnormen: So steht der frühere Ehegatte des Verstorbenen nach § 42 BVG einer Witwe gleich, wenn der Verstorbene zur Zeit seines Todes an ihn Unterhalt zu leisten hatte oder im letzten Jahr vor seinem Tode geleistet hat. Gemäß § 44 V BVG werden bei Wiederverheiratung aus der neuen Ehe hergeleitete Versorgungs-, Renten und Unterhaltsansprüche grundsätzlich auf die Witwenrente angerechnet. Bei der Lebenspartnerschaft bestehen in verfassungskonformer Weise ebenso Unterhaltsverpflichtungen wie bei der Ehe. Der besondere Schutz der Ehe kann deshalb keine Beschränkung des gesetzgeberischen Ermessens bewirken, in diese Versorgungsansprüche auch hinterbliebene Lebenspartner einzubeziehen. Die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im BVG verstößt nicht gegen die objektive Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie, weil Ehe und Lebenspartnerschaft als durch Unterhaltsverpflichtungen konkretisierte Beistands- und Nähegemeinschaften und nicht als potentielle Familien geschützt werden. 15. Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht a) Ausländerrecht Das Ausländerrecht war in der 15. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages Gegenstand bedeutender gesetzgeberischer Aktivitäten. Rechtspoli852

Reinhard Gelhausen, Soziales Entschädigungsrecht, 2. Aufl., 1998, Rn. 455.

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tische Grundlagen dieser Bestrebungen waren die zunehmend virulenter werdende Problematik der soziokulturellen Integration von Bevölkerungsgroßgruppen nichtdeutscher Herkunft in die deutsche Gesellschaft, der Schutz vor terroristischen Aktivitäten seit den Anschlägen des 11. September 2001 in New York, aber auch der Arbeitskräftebedarf in bestimmten Sektoren des deutschen Arbeitsmarktes. Nachdem das erste Zuwanderungsgesetz wegen der fehlenden wirksamen Zustimmung des Bundesrates vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war,853 wurde das Gesetzgebungsverfahren erneut durchgeführt. In seinem Rahmen fanden umfangreiche Verhandlungen zwischen der – von den Fraktionen der SPD und des Bündnis 90/Die Grünen gestellten – damaligen Mehrheit des Bundestages und der den Bundesrat dominierenden Länder, in denen die CDU, CSU oder eine Koalition von CDU und FDP regierte, statt. Schließlich einigte man sich auf ein neues Zuwanderungsgesetz, das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Durch dieses Artikelgesetz wurde das Ausländergesetz (AuslG) vom Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abgelöst und durch eine modifizierte ausländerrechtliche Regelungssystematik ersetzt. Die Berücksichtigung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft im Bereich des Ausländerrechts hat in der öffentlichen Diskussion und im Schrifttum eine im Vergleich zu anderen Regelungsgebieten eher geringe Rolle gespielt. Dies ist angesichts der geführten Debatten um das verfassungsrechtliche Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft insofern nicht selbstverständlich, als im Aufenthaltsrecht schon durch das LPartDisBG die Lebenspartnerschaft der Ehe auf einfachgesetzlicher Ebene nahezu vollständig gleichgestellt wurde. aa) Familiennachzug (1) Entwicklung der einfachgesetzlichen Gleichstellung der formalisierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit der Ehe beim Familiennachzug § 17 I AuslG gewährte dem ausländischen Familienangehörigen eines Ausländers einen allgemeinen Anspruch auf Ermessensentscheidung der Behörde über die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet. Darüber hinaus statuierte § 18 I AuslG nach Maßgabe des § 17 AuslG sowie unter bestimmten weiteren Voraussetzungen für ausländische Ehegatten eines Ausländers einen gebundenen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Bei ausländischen Ehe853

BVerfGE 106, 310.

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gatten eines Deutschen war gemäß § 23 I Nr. 1 AuslG wiederum nach Maßgabe des § 17 AuslG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Bis zum Inkrafttreten des LPartDisBG war die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft im AuslG nicht ausdrücklich normiert. Dies führte zunächst zur auch oberverwaltungsgerichtlich gebilligten Praxis, mangels einer eigenständigen Regelung den Mitgliedern ausländischer gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ein Nachzugsrecht durchgehend zu verweigern.854 Der Erste Senat des Bundesverwaltungsgerichts hatte dann mit einem Urteil vom 27. Februar 1996 einen Rechtsanspruch des ausländischen Lebensgefährten eines Deutschen auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach den §§ 17 ff. AuslG zwar verneint, da es sich bei ihm nicht um einen Familienangehörigen im Sinne dieser Normen handele und auch eine erweiternde Auslegung weder durch Art. 6 I GG noch durch Art. 8 I EMRK geboten sei.855 Allerdings besäße er einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung der Behörde zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 15 i. V. m. 7 I AuslG. Nach § 7 I AuslG konnte Ausländern, die in das Bundesgebiet einreisen oder sich dort aufhalten wollten, eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, soweit kein Anspruch auf deren Erteilung bestand. Sie wurde gemäß § 15 AuslG als Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn einem Ausländer der Aufenthalt ohne Bindung an einen bestimmten Zweck erlaubt wurde. Eine solche Ermessensentscheidung sei in den Fällen möglich, die von den die Aufenthaltsgenehmigung betreffenden Rechtsvorschriften nicht erfasst würden. Das Bundesverwaltungsgericht sah von den insoweit subsidiären §§ 15 i. V. m. 7 I AuslG auch die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft umfasst. Bei der Ermessensentscheidung seien die für und gegen den Aufenthalt sprechenden privaten und öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen und dabei aus verfassungsrechtlicher Perspektive auch zu berücksichtigen, dass die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 I i. V. m. Art 1 I GG und des Art. 8 I EMRK als Schutzanspruch auf Achtung des Privatlebens falle.856 In der Folge führte die durch dieses Urteil aufgezeigte Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, zu einer unterschiedlichen Ermessensausübungspraxis. Je nach Bundesland wurden durch behördeninterne Weisungen an die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis – neben 854 Dirk Siegfried, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Ausländerrecht, Rn. 1 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 855 BVerwGE 100, 287 (293 ff.). Nachfolgend auch BVerwG, InfAuslR 2001, S. 72 (72 f.); BayVGH, InfAuslR 2000, S. 284 (285); InfAuslR 1998, S. 164 (165). 856 BVerwGE 100, 287 (298 f.).

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der Berücksichtigung der Regelversagungsgründe des § 7 II AuslG – unterschiedlich strenge Voraussetzungen geknüpft.857 Durch Art. 3 § 11 LPartDisBG wurde schließlich ein § 27a in das AuslG eingefügt. Nach § 27a S. 1 AuslG konnte dem ausländischen Lebenspartner eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis für die Herstellung und Wahrung der lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet erteilt und verlängert werden. Diese Vorschrift war § 17 I AuslG nachgebildet, der einen vergleichbaren Anspruch für ausländische Familienangehörige eines Ausländers vorsah. Durch § 27a S. 2 AuslG wurden die meisten Vorschriften des Ehegatten- und Familiennachzugs nach den §§ 17 ff. AuslG (§§ 17 II–V; 18; 19 I 1 Nr. 1, 3, 4, II–IV; 23; 25; 27 III 2 Nr. 2, IV AuslG) für auf die ausländische Lebenspartnerschaft entsprechend anwendbar erklärt. Ausnahmen ergaben sich nur insoweit, als in den Normen des Familien- und Ehegattennachzugs auf Kinder Bezug genommen wurde. Die Härteklausel in § 19 I Nr. 2 AuslG, nach der einem Ausländer auch bei Aufhebung der Ehe wegen einer besonderen Härte der weitere Aufenthalt ermöglicht werden konnte, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hatte, wurde ebenfalls nicht für die Lebenspartnerschaft übernommen.858 Dagegen wurde die Nachzugsmöglichkeit des ausländischen Lebenspartners auch auf die Fälle erstreckt, in denen der Lebenspartner eine Aufenthaltsbewilligung (§ 29 IV AuslG) oder eine Aufenthaltsbefugnis (§ 31 I AuslG) besaß. Das Aufenthaltsgesetz behält die Grundstrukturen des bis dahin im Ausländergesetz geregelten Familiennachzugs bei: Nach § 27 I AufenthG wird als Grundsatz des Familiennachzugs die Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert. Der bisher in § 23 I Nr. 1 AuslG geregelte Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Deutschen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird nunmehr in § 28 I Nr. 1 AufenthG normiert, der bisherige Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Ausländers nach § 18 AuslG in § 30 AufenthG. Für Lebenspartner findet sich in § 27 II AufenthG die auf die Normen des Ehegattennachzugs verweisende Regelung des § 27a AuslG weitgehend inhaltsgleich wieder.859 Die bisher durch § 27a S. 2 AuslG ausgeschlossene Anwendung der Härtefallklausel des § 19 I Nr. 2 AuslG auf Lebenspartner 857

Näher dazu Siegfried (Fn. 854), Rn. 3. Kritisch Dirk Siegfried, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Ausländergesetz, Rn. 21. 859 So auch die Begründung von § 27 II AufenthG, BT-Drucks. 15/420, S. 81; Reinhard Marx, in: GK-AufenthG, hrsg. von Roland Fritz und Jürgen Vormeier, 858

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wird jetzt durch den Verweis von § 27 II AufenthG auf § 31 AufenthG ermöglicht, dessen Absatz 2 die Härtefallklausel enthält. (2) Die Förderverpflichtung zugunsten von Ehe und Familie gemäß Art. 6 I GG als verfassungsrechtliche Grundlage der Ermessensentscheidung des Familiennachzugs von Ausländern § 17 I AuslG statuierte eine Ermessensentscheidung der Behörde über die Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Familienangehörigen eines Ausländers. Die Norm nahm ausdrücklich auf Art. 6 I GG Bezug, indem sie ausführte, dass die Aufenthaltserlaubnis „zum Zwecke des nach Artikel 6 des Grundgesetzes gebotenen Schutzes von Ehe und Familie (. . .) für die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet erteilt und verlängert werden“ konnte. Diese Bestimmung war damit funktional auf die familiäre Lebensgemeinschaft ausgerichtet. Daraus folgte, dass die jeweilige Ehe im konkreten Fall nicht nur als formalisierte Rechtsgemeinschaft, sondern auch als tatsächlich bestehende Beistandsgemeinschaft existieren musste, damit sich ein Ehepartner auf § 17 I AuslG berufen konnte.860 Damit war eine dauerhafte, durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägte Beziehung gemeint, in der die Eheleute zusammenlebten oder zusammenleben wollten.861 Eine bloße eheliche Begegnungsgemeinschaft ohne realisierte gegenseitige und dauerhafte Verantwortungsübernahme entfaltete dagegen nicht die ausländerrechtliche Schutzwirkung des Art. 6 I GG.862 Durch die normative Berücksichtigung von Ehen und Familien im Nachzugsrecht, die dem funktionalen Leitbild des Art. 6 I GG entsprachen, wurde damit auf der einen Seite der großen sozialen Bedeutung dieser Rechtsinstitute Rechnung getragen.863 Auf der anderen Seite kam der damit verbundenen institutionellen Beschränkung auf (nur) diese Gemeinschaften auch eine nachzugsbegrenzende Wirkung zu, die in der Wertentscheidung des Art. 6 I GG ihre Rechtfertigung findet.864 Würde der Ehegat§ 27 AufenthG Rn. 125, 132; Arno Kloesel/Rudolf Christ/Otto Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, 5. Aufl., § 27 AufenthG, S. 1. 860 BVerfGE 76, 1 (42 f.); BVerwGE 106, 13 (18 f.); OVG Koblenz, InfAuslR 1999, S. 437 (438); Volker Igstadt, in: GK-AuslR, hrsg. von Roland Fritz und Jürgen Vormeier, § 17 AuslG Rn. 39; Dieter Heidelmann, Neuere Rechtsprechung zum Ausländerrecht, in: DVBl. 2001, S. 685 (686); Siegfried (Fn. 858), Rn. 11; Günter Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 17 AuslG Rn. 6. 861 Igstadt (Fn. 860), § 17 AuslG Rn. 45; § 18 AuslG Rn. 46; Heidelmann (Fn. 860), S. 685 (686). 862 BVerwGE 106, 13 (18 f.); Hofmann (Fn. 265), Art. 6 Rn. 6; Igstadt (Fn. 860), § 17 AuslG Rn. 40; vgl. ferner für die Familie: BVerfGE 80, 81 (90 f., 94 f.). 863 BVerfGE 76, 1 (49 f.).

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tennachzug von Ausländern durch die Rechtsordnung gänzlich unterbunden, bestünde für die betroffenen Ehepartner keine Möglichkeit, die mit der Ehe verbundenen Funktionsbestimmungen der Freiheits- und Solidargemeinschaft sowie der potentiellen Familie zu realisieren.865 Der besondere Schutz der Ehe durch die Verfassung dient aber gerade dazu, die eheliche Gemeinschaft über ihre bloße Rechtsstruktur hinaus als soziale Gemeinschaft zu stabilisieren. Weil § 27 I AufenthG wie § 17 I AuslG wortgleich bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf die „Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft“ verweist, bestehen die eben beschriebenen und aus Art. 6 I GG abgeleiteten funktionellen Anforderungen an die Ehe als Ausdruck dieses „Grundsatz(es) des Familiennachzugs“866 auch nach derzeitiger Rechtslage.867 Der ausländerrechtliche Familiennachzug ist damit eine einfachgesetzliche Konkretion der aus der objektiven Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie abgeleiteten staatlichen Verpflichtung, diese Rechtsinstitute zu fördern.868 Aus dem Förderungsgebot ergibt sich aber keine weitergehende unmittelbare gesetzgeberische Verpflichtung, einen Rechtsanspruch des Familienangehörigen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Bestehen von Ehe oder Familie im Sinne einer gebundenen Entscheidung zu normieren.869 Die dem Art. 6 I GG entnommene objektive 864

BVerwG, InfAuslR 2001, S. 72 (73); Igstadt (Fn. 860), § 17 AuslG Rn. 36. Vgl. BVerfGE 76, 1 (45). 866 So die gesetzliche Überschrift von § 27 AufenthG. 867 Vgl. die Begründung von § 27 II AufenthG, BT-Drucks. 15/420, S. 81: „Wie bei der Ehe ist Schutzgut nicht der formale Bestand des Rechtsinstituts, sondern die tatsächliche Lebensgemeinschaft.“ Auch Siegfried (Fn. 854), Rn. 9; Reinhard Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl., 2005, § 4 Rn. 23; Günter Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., 2005, § 27 AufenthG Rn. 21; Kloesel/Christ/Häußer (Fn. 859), § 27 AufenthG, S. 1. 868 BVerfGE 76, 1 (49 f.); BVerwGE 100, 287 (293, 295 f.); 102, 12 (18); 106, 13 (17 f.); BayVGH, InfAuslR 1998, S. 164 (165 f.); Pieroth/Schlink (Fn. 265), Rn. 655; Stern (Fn. 102), § 100 V 5 b, S. 469 ff.; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 66 f.; Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 22; Heidelmann (Fn. 860), S. 685; Thorsten Kingreen, Das Grundrecht von Ehe und Familie (Art. 6 I GG), in: Jura 1997, S. 401 (403 f.). Ralph Scheer, Der Ehegatten- und Familiennachzug von Ausländern, 1994, S. 193 ff., und Manfred Zuleeg, Öffentliche Interessen gegen Familiennachzug, in: DÖV 1988, S. 587 (588 f.), stehen dagegen der ausschließlichen verfassungsdogmatischen Verankerung des Familiennachzugs in der objektiven Wertentscheidung des Art. 6 I GG kritisch gegenüber und halten stattdessen das grundrechtliche Freiheitsrecht auf Familieneinheit für vorrangig einschlägig. 869 BVerfGE 76, 1 (47 f.); 80, 81 (93); BVerwGE 65, 174 (179); 70, 127 (137); 100, 287 (293); 102, 12 (19); 106, 13 (17); BVerwG, NVwZ 1998, S. 186; 1997, S. 189; Stern (Fn. 102), § 100 V 5 b, S. 467 f., 471; Badura (Fn. 114), Art. 6 Rn. 66; Renner (Fn. 867), § 27 AufenthG Rn. 12; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 122; Klaus Rennert, Ehe und Familie im Ausländerrecht, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, hrsg. 865

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Wertentscheidung verpflichtet den Gesetzgeber zwar dazu, Maßnahmen zur Förderung von Ehe und Familie zu ergreifen. Bezüglich des „Ob“ der Förderung dieser Rechtsinstitute ist er mithin nicht frei. Die Legislative besitzt hingegen einen Entscheidungsspielraum darüber, welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen will – also hinsichtlich des „Wie“ der Förderung.870 Die Reichweite der Förderungsverpflichtung wird überdehnt, wenn man aus ihr nicht primär einen dem Gesetzgeber durch die objektive Wertenscheidung vorgegebenen Rahmen für staatliche Maßnahmen, sondern einen konkreten Gesetzgebungsauftrag ableitet.871 (3) Das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG als verfassungsrechtliches Gleichstellungsverbot von Ehe und Lebenspartnerschaft im Nachzugsrecht? Vor der Einfügung des § 27a AuslG war die Frage, ob der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 I GG eine verfassungsrechtliche Sperrwirkung für die Gleichbehandlung von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft entfaltet, nicht virulent. Die Ehe und die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft wurden im Nachzugsrecht nicht gleich, sondern verschieden behandelt.872 Während das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft das einzige gesetzliche Tatbestandsmerkmal für die Ermessensentscheidung nach § 17 I AuslG war, mussten bei der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft die Regelversagungsgründe des § 7 II AuslG bei der Ermessensentscheidung nach §§ 7 I, 15 AuslG berücksichtigt werden. Die Ehe war mithin im Nachzugsrecht besser gestellt als die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft.873 Seit der Normierung des § 27a AuslG und der weitgehenden Angleichung der Rechtsstellung von Eheleuten und Lebenspartnern in diesem Bevon Eberhard Schmidt-Aßmann u. a., 2003, S. 433 (440); Schmitt-Kammler (Fn. 123), Art. 6 Rn. 22; Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 64; Lecheler (Fn. 123), Rn. 111; CoesterWaltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 45; Kingreen (Fn. 868), S. 401 (403). 870 Renner (Fn. 867), § 27 AufenthG Rn. 13; Kingreen (Fn. 868), S. 401 (403); Scheer (Fn. 868), S. 193. 871 Vgl. BVerfGE 76, 1 (51 f.). 872 Röthel (Fn. 127), S. 511 (518), hielt dies für eine Verletzung von Art. 3 I GG, Bruns (Fn. 276), S. 6 (9), für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit. Reiß (Fn. 207), S. 98 (104 f.), sah Art. 3 GG und Art. 2 II [sic!] GG verletzt. Dagegen hielt Risse (Fn. 276), S. 328 f., die ausländerrechtliche Privilegierung der Ehe gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wegen der Wertentscheidung des Art. 6 I GG für verfassungskonform, wenn auch nicht geboten. 873 Vgl. auch Heidelmann (Fn. 860), S. 685 (686), der die Lebenspartnerschaft ausdrücklich nicht von den §§ 17 ff. AuslG erfasst sah, aber dabei § 27a AuslG noch nicht berücksichtigte.

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reich stellt sich die Problematik einer möglichen Rechtswirkung des verfassungsrechtlichen Eheschutzes auf die rechtliche Gestaltung der Lebenspartnerschaft in besonderer Dringlichkeit. Zu ihrer Lösung sind die vorstehend im Rahmen der Darstellung der objektiven Wertentscheidung zugunsten der Ehe entwickelten Grundsätze heranzuziehen: Die einfachgesetzliche Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft ist danach nicht schon dann untersagt, wenn eine die Ehe betreffende Rechtsnorm die Wertentscheidung des Grundgesetzes für dieses Rechtsinstitut konkretisiert. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Vorschrift primär der Förderung der Ehe als rechtsverbindlicher Verantwortungsgemeinschaft oder als potentieller Familie dient.874 Nur wenn im Nachzugsrecht vorrangig letzteres der Fall ist, besteht eine Sperrwirkung des grundgesetzlichen Eheschutzes für die rechtliche Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft.875 Für die Annahme eines auf die Familie und damit auf die Gemeinschaft mit Kindern bezogenen Funktionsschutzes der Ehe könnte hier schon die Normüberschrift des § 17 AuslG („Familiennachzug zu Ausländern“) sprechen. § 17 I AuslG regelte den Nachzug von „ausländischen Familienangehörigen“ eines Ausländers und verwies als Regelungsgrund ausdrücklich auch auf den in Art. 6 I GG enthaltenen verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe. Zum Kreis der Familienangehörigen des § 17 AuslG gehörten deshalb neben den Familienangehörigen i. S. v. Art. 6 I GG ausschließlich Ehepartner einer tatsächlich bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft. Nach dem Wortlaut des § 17 I AuslG konnte die Aufenthaltserlaubnis mithin auch dem ausländischen Ehepartner für die „Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft“ erteilt werden. Damit wird die § 17 I AuslG zugrunde liegende Prämisse deutlich, dass auch Ehepartner ohne Kinder eine „familiäre Lebensgemeinschaft“ bilden können. Die Statuierung von Nachzugsregelungen in einer Norm, die sowohl Ehepartner als auch Familienmitglieder betrifft, spricht deshalb für einen systematischen Konnex zwischen beiden Rechtsinstituten. Diese Auslegung könnte auch durch den seit dem 1. Januar 2005 rechtsverbindlichen § 27 I AufenthG gestützt werden. Die amtliche Normüberschrift von § 27 AufenthG lautet jetzt „Grundsatz des Familiennachzugs“, der Wortlaut des § 27 I AufenthG spricht weiterhin von „ausländischen Familienangehörigen“, für die die Aufenthaltserlaubnis „zum Schutz von Ehe 874

Siehe oben 3. Kapitel A. III. 3. b) cc) (4) (a), S. 354 ff. Strick (Fn. 249), S. 82 (93), ist zwar der Auffassung, dass ein den Ehegatten begünstigendes Aufenthaltsrecht grundsätzlich auch die Fortpflanzung fördere. Da dies aber für alle ehebezogenen Privilegierungen gelte, sei die Förderung der Ehe als potentielle Familie kein angemessenes Differenzierungskriterium. Diese Ansicht zieht zu wenig in Betracht, dass eine Analyse der Primärfunktion einer die Ehe betreffenden Norm durchaus möglich ist. 875

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und Familie gemäß Art. 6 des Grundgesetzes“ erteilt oder verlängert wird. Zusätzlich wurde im Normtext selbst erstmals – in Klammern – auch der Begriff des „Familiennachzugs“ aufgenommen. Diese Modifikationen des Wortlauts könnten somit die inhaltliche Kontinuität einer Interpretation verdeutlichen, die den inhaltlichen Konnex zwischen den beiden in Art. 6 I GG genannten Rechtsinstituten beachtet. Der normative Regelungsbezug zwischen Ehe und Familie im Nachzugsrecht ist in der Tat unübersehbar. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass die familiale Potentialität der Ehe der primäre Grund dafür ist, dieses Rechtsinstitut dort zu berücksichtigen.876 Damit ein Ehepartner den ausländerrechtlich geregelten Anspruch auf eine Ermessensentscheidung im Rahmen des Familiennachzugs geltend machen kann, muss die betreffende Ehe tatsächlich als eheliche Beistandsgemeinschaft existieren. Diese Voraussetzung ist ein Indikator für die Richtigkeit der Annahme, dass die Ehe dort primär in ihrer Funktion als Solidargemeinschaft und nicht als potentielle Familie geschützt werden soll. Die Rechtsprechung sah deshalb das Bestehen einer Geschlechtsgemeinschaft auch nicht als Voraussetzung einer ehebezogenen „familiären Lebensgemeinschaft“ i. S. d. § 17 I AuslG an.877 Zudem ist zu beachten, dass die Lebenspartner im Ausländergesetz selbst gar nicht als Familienangehörige bezeichnet wurden und insofern auch keine begriffliche Vermischung zwischen Familienangehörigen einerseits und Lebenspartnern andererseits stattfand. Vielmehr wurde die Lebenspartnerschaft gesondert in § 27a AuslG berücksichtigt, der die Vorschriften über den Familiennachzug für entsprechend – im Umkehrschluss also: nicht unmittelbar – anwendbar erklärte.878 Eine gesetzlich statuierte analoge Anwendung ist aber möglich, wenn der Regelungsgegenstand der schon bestehenden Norm auch auf die neu zu regelnde Situation übertragbar ist. Das ist hier bei Ehe und Lebenspartnerschaft der Fall: Im Normtext des § 27a AuslG wurde als Zweck der Aufenthaltserlaubnis ausdrücklich „die Herstellung und Wahrung der lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft“ und damit die vergleichbare Formulierung der „familiären Gemeinschaft“ in § 17 I AuslG begrifflich angepasst übernommen. Die Begründung für diese gesetzliche Regelung spricht ausdrücklich davon, dass „ein Nachzug von Lebenspartnern nur in Betracht kommt, wenn eine der ‚familiären Lebensgemeinschaft‘ i. S. d. § 17 Abs. 1 AuslG entsprechende Beistandsgemeinschaft vorliegt.“879 Aus der lebenspartnerschaftlichen Le876

So aber wohl Pawlowski (Fn. 163), S. 765 (766). OVG Koblenz, InfAuslR 1999, S. 417 (418); OVG Hamburg, FamRZ 1991, S. 1433 (1436). 878 Robbers (Fn. 48), S. 779 (783). 879 Begründung von Art. 3 § 47 Nr. 1 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 55. 877

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bensgemeinschaft können auf natürlichem Wege keine Kinder hervorgehen, aus der ehelichen Lebensgemeinschaft dagegen schon. Falls die familiale Potentialität der Ehe als eine ihrer typologischen Eigenschaften im Mittelpunkt des § 17 I AuslG stünde, wäre es sachfremd und unverständlich, wenn gerade diese Bestimmung für Lebenspartner übernommen wird. Die durch den Gesetzgeber selbst vorgenommene teleologische Einordnung der jeweiligen Lebensverbindung als Beistandsgemeinschaft spricht deshalb dafür, dass diese Funktion im Mittelpunkt von § 17 I und § 27a AuslG stand.880 Eine rechtlich vertypte Beistandsgemeinschaft kann nämlich unabhängig von der Frage nach der geschlechtlichen Identität der jeweiligen rechtsverbindlichen Lebensgemeinschaft vorliegen und deshalb auf die Lebenspartnerschaft übertragen werden. Im Mittelpunkt des in § 17 I AuslG normierten Schutzes der Ehe stand deshalb ihre Funktion als Verantwortungsgemeinschaft und nicht die der potentiellen Familie. Die Rechtsform der Lebenspartnerschaft ist ebenfalls eine Solidargemeinschaft. Insofern wurden die Regelungen des Familiennachzuges nicht vom Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG erfasst und konnten im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Lebenspartnerschaft übernommen werden. In Rechtsprechung und Literatur waren dementsprechend vor der Konstituierung der Lebenspartnerschaft und Normierung des § 27a AuslG Stimmen zu finden, die eine Ausdehnung der §§ 17 ff. AuslG auf die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft durch eine Gesetzesänderung zumindest für möglich hielten.881 Durch das Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes hat das Rechtsverhältnis zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft im Vergleich zum Ausländergesetz keine Änderungen erfahren.882 Die eheliche Lebensgemeinschaft wird nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin als Beistandsgemeinschaft geschützt.883 Das wird schon dadurch deutlich, dass der im Rahmen des Fami880

Der von Beck (Fn. 33), S. 1894 (1896), angeführte Schutz der Privatsphäre als Funktion des Familiennachzugs greift dagegen zu kurz, weil sie nicht die interpersonale Dimension der gegenseitigen verbindlichen Verantwortungsübernahme enthält. 881 So BVerwG, InfAuslR 2001, S. 72 (73): „Erst nach einer entsprechenden Gesetzesänderung könnte dem Anliegen der Kläger [Anwendung der §§ 17 ff. AuslG auf die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft] Rechnung getragen werden.“ Ähnlich Kay Hailbronner, Visum für Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft?, in: NVwZ 1997, S. 460 (462), der die Regelung dieser Problematik der Legislative und nicht richterlichen Einzelentscheidungen zuweist: „Die Entscheidung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften aufenthaltsrechtlich anzuerkennen sind, obliegt dem Deutschen Bundestag.“ Vgl. auch Schumacher (Fn. 115), S. 857 (862 f.). 882 Renner (Fn. 867), § 27 AufenthG Rn. 26; Kloesel/Christ/Häußer (Fn. 859), § 27 AufenthG, S. 1. 883 Marx (Fn. 859), § 27 AufenthG Rn. 45 ff.

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liennachzugs vorgenommene ausdrückliche funktionale Bezug der Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der „familiären Lebensgemeinschaft“ in § 27 I AufenthG erhalten geblieben ist. Bei der Lebenspartnerschaft enthält § 27 II AufenthG einen ähnlichen Verweis auf die „lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft“ und erklärt – so wie schon § 27a AuslG – die Normen des Ehegattennachzugs für „entsprechend“ – und nicht unmittelbar – anwendbar. Die Lebenspartnerschaft im Rahmen des § 27 II AufenthG muss mithin eine tatsächlich bestehende Lebensgemeinschaft sein.884 Damit übernimmt das Aufenthaltsgesetz in inhaltlicher Kontinuität die begrifflichen Konturierungen von Ehe und Lebenspartnerschaft des früheren Ausländergesetzes. Daraus folgt, dass die Ehe auch nach der gegenwärtigen Rechtslage im Aufenthaltsrecht nicht primär als potentielle Familie, sondern als Solidargemeinschaft geschützt wird. Die verfassungsrechtliche Förderverpflichtung der Ehe entfaltet deshalb dort keine Sperrwirkung für die Übertragung der die Ehe betreffenden Vorschriften auf die Lebenspartnerschaft.885 § 27 II AufenthG ist mithin eine verfassungsrechtlich mögliche Gestaltung des lebenspartnerschaftlichen Nachzugsrechts im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums. bb) Besonderer Ausweisungsschutz Die Lebenspartnerschaft wurde im Rahmen der Konstituierung dieses Rechtsinstituts ferner beim besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 48 AuslG durch Art. 3 § 11 Nr. 4 LPartDisBG berücksichtigt. Nach dem insoweit modifizierten § 48 I Nr. 3 AuslG konnte ein Ausländer, der selbst eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besaß und mit einem anderen Ausländer in „ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft“ lebte, welcher seinerseits eine Aufenthaltsberechtigung (§ 48 I Nr. 1 AuslG) oder eine Aufenthaltserlaubnis besaß und im Bundesgebiet geboren bzw. als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist war (§ 48 I Nr. 2 AuslG), nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Dieser besondere Ausweisungsschutz ist nunmehr in § 56 I Nr. 3 AufenthG geregelt, der wie die Vorgängernorm des § 48 I Nr. 3 AuslG sowohl Ehe- als auch Lebenspartner umfasst. Einen besonderen Ausweisungsschutz konnte nach § 48 I Nr. 4 AuslG auch der ausländische Familienangehörige eines Deutschen in Anspruch nehmen, der mit ihm in „familiärer Lebensgemeinschaft“ lebte. In Nr. 4 wurde der Lebenspartner nicht erwähnt. Ob die Lebenspartnerschaft dort 884

Marx (Fn. 859), § 27 AufenthG Rn. 136. Im Ergebnis ebenso mit Verweis auf BVerfGE 105, 313, Marx (Fn. 867), § 4 Rn. 24; ders. (Fn. 859), § 27 AufenthG Rn. 132. 885

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trotzdem Berücksichtigung finden konnte, war umstritten: Während dies einerseits mit Verweis auf § 11 I LPartG bejaht wurde,886 betonten andere Stimmen, dass der Begriff des „Familienangehörigen“ im Ausländerrecht neben den Ehegatten nur die Eltern und ihre Kinder umfasse.887 Dieser Streit ist seit dem Inkrafttreten von § 56 I Nr. 4 AufenthG obsolet, weil neben der „familiären Lebensgemeinschaft“, in welcher der ausländische Familienangehörige eines Deutschen leben muss, um sich auf den Tatbestand dieser Norm berufen zu können, dort ausdrücklich die „lebenspartnerschaftliche Lebensgemeinschaft“ erwähnt wird.888 Lebenspartner werden nunmehr von § 56 I Nr. 4 AufenthG erfasst. § 48 I Nr. 3 und 4 AuslG dienten der Sicherung des Familiennachzugs, indem die Ausweisung und damit räumliche Trennung der Familienmitglieder an besondere Voraussetzungen geknüpft war.889 Wie beim Nachzugsrecht verlangte § 48 I Nr. 3 AuslG das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, die durch die tatsächliche gegenseitige Verbundenheit der Ehepartner geprägt war.890 Die gleiche tatsächliche Verbundenheit der Familienangehörigen war auch Grundlage der „familiären Lebensgemeinschaft“ im Rahmen des § 48 I Nr. 4 AuslG.891 Die den § 48 I Nr. 3 und 4 AuslG zugrunde liegende Aufgabe, das familiäre Nachzugsrecht flankierend zu schützen, wird seit dem 1. Januar 2005 von § 56 I Nr. 3 und 4 AufenthG übernommen.892 Insofern ist die Konturierung der primären Schutzfunktion dieser ausländerrechtlichen Regelung für die Ehe mit der des Nachzugsrechts identisch.893 Das Rechtsinstitut der Ehe wird auch von dieser Norm mithin vorrangig als Verantwortungsgemeinschaft geschützt und nicht we886 So Siegfried (Fn. 858), Rn. 26, der die Einfügung des Lebenspartners in § 48 I Nr. 4 AuslG deshalb auch für „nicht mehr erforderlich“ hielt. Vgl. die ähnliche Begründung von Art. 3 § 47 Nr. 4 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 56. 887 Jürgen Vormeier, in: GK-AuslR, hrsg. von Roland Fritz und Jürgen Vormeier, § 48 AuslG Rn. 21. 888 Dies wird von der Bundesregierung in BT-Drucks. 15/420, S. 90, auch ausdrücklich damit begründet, den „in § 48 Abs. 1 AuslG bestehenden Widerspruch zu beheben, dass die Lebenspartnerschaft von Ausländern geschützt ist, dieser Schutz aber im Fall der Lebenspartnerschaft eines Ausländers mit einem Deutschen nicht vorgesehen ist.“ 889 Renner (Fn. 860), § 48 AuslG Rn. 11. 890 Vormeier (Fn. 887), § 48 AuslG Rn. 19; Renner (Fn. 860), § 48 AuslG Rn. 11. 891 BVerwG, Buchholz 402.240 § 48 AuslG Nr. 1, S. 1; VGH Baden-Württemberg, EZAR 033 Nr. 5, S. 4; EZAR 035 Nr. 4, S. 3; VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, S. 294; Vormeier (Fn. 887), § 48 AuslG Rn. 23; Renner (Fn. 860), § 48 AuslG Rn. 11. 892 Siehe auch die Begründung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung, BT-Drucks. 15/420, S. 90: „Absatz 1 entspricht weitgehend der gegenwärtig geltenden Regelung (§ 48 Abs. 1 AuslG).“ 893 Renner (Fn. 867), § 56 AufenthG Rn. 9.

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gen ihrer familialen Potentialität. Daraus ergibt sich, dass die Wertentscheidung des Art. 6 I GG zugunsten der Ehe beim besonderen Ausweisungsschutz kein den Gesetzgeber bindendes Gebot der Differenzierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft auslöst. Beide Rechtsinstitute können vom Gesetzgeber gleich behandelt werden. § 56 I Nr. 3 und Nr. 4 AufenthG sind verfassungskonform. b) Staatsangehörigkeitsrecht § 9 StAG gewährt den ausländischen Ehegatten Deutscher einen Einbürgerungsanspruch. Dazu müssen zunächst eine Reihe von verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein, die in § 9 I StAG selbst894 und kumulativ in § 8 I StAG895 geregelt sind. Der Anspruch auf Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit ist als „Soll-Vorschrift“ ausgestaltet und kann demnach nur in atypischen Ausnahmefällen, in denen der Regelungszweck des § 9 StAG bei der Einbürgerung verfehlt würde, im Rahmen einer Ermessensentscheidung der Behörde verweigert werden. Durch Art. 3 § 1 LPartDisBG wurden nach dem Wort „Ehegatten“ die Wörter „oder Lebenspartner“ eingefügt. Lebenspartnern steht seitdem ebenfalls der in § 9 I StAG statuierte Einbürgerungsanspruch zu. Ehe und Lebenspartnerschaft werden dort somit gleich behandelt. Die Regelung des § 9 II StAG, wonach Ehegatten auch bis zu einem Jahr nach dem Tod ihres Ehepartners oder der rechtskräftigen Auflösung der Ehe durch Urteil den Antrag auf Einbürgerung zu stellen berechtigt sind, wenn ihnen die Sorge für ein Kind aus dieser Ehe zusteht, ist dagegen nicht um das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft erweitert worden. Der Einbürgerungsanspruch des § 9 StAG beinhaltet gegenüber dem in § 8 StAG geregelten allgemeinen Anspruch auf Ermessensentscheidung über die Einbürgerung von Ausländern eine Privilegierung von Eheleuten gegenüber nicht verheirateten Ausländern. Mit dieser Bevorzugung von Eheleuten konkretisiert der Gesetzgeber im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts die aus Art. 6 I GG abgeleitete verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Ehe zu fördern.896 Dieses Gebot der Förderung von Ehen zwischen Deutschen und Ausländern korreliert mit dem staatsangehörigkeitsrecht894 Ehegatte Deutscher; Verlust oder Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit bzw. Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach Maßgabe des § 12 StAG; Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse; keine entgegenstehenden erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland. 895 Handlungsfähiger Ausländer; rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland; kein Vorliegen eines Ausweisungsgrundes; eigene Wohnung oder Unterkommen; Unterhaltsfähigkeit für sich und seine Angehörigen. 896 BVerwGE 64, 7 (11 f.); 67, 177 (183); 77, 164 (173); BVerwG, EZAR 271 Nr. 2, S. 2 f.; Kay Hailbronner, in: ders./Günter Renner, Staatsangehörigkeitsrecht,

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lichen Grundsatz, dass eine einheitliche Staatsangehörigkeit der Mitglieder einer Familie wünschenswert ist.897 Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die einheitliche Staatsangehörigkeit der Familie sich in zwei Richtungen auswirkt: Zum einen „soll die Bindung an den Staat gerade über die Bindung an die Familie vermittelt und gewährleistet werden,“898 mithin die Staatsangehörigkeit eine staatsgerichtete Funktion ausüben. Zum anderen ist sie aber auch familiengerichtet: Die „gemeinsame Bindung an den Staat“ ist nämlich ein exemplarischer Ausschnitt der intrafamiliären Bindungen und trägt dazu bei, „den Zusammenhang in der Familie zu dokumentieren und zu stärken.“899 Diese Beschreibung der Auswirkungen einer einheitlichen Staatsangehörigkeit auf die Familie gilt analog auch für die Ehe: Eine Ehe wird durch die einheitliche Staatsangehörigkeit der Ehepartner insofern stabilisiert, als beide Ehepartner die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Staat haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Die Integration einer Verantwortungsgemeinschaft in eine einheitliche Rechte-Pflichten-Typik stärkt diese Lebensgemeinschaft, weil sie Wertungswidersprüche verhindert, wenn beide Ehepartner unterschiedliche und ggf. miteinander kollidierende Ansprüche geltend machen könnten bzw. sich unterschiedlich stark belastenden Rechtspflichten ausgesetzt sähen.900 Hinzu kommt die grundsätzlich unentziehbare Sicherung des Aufenthaltsrechts und der mit der Einbürgerung verbundene Wegfall möglicher ausländerrechtlicher Beschränkungen der beruflichen Tätigkeit. Damit wird die wirtschaftliche Einheit der Ehe gestärkt.901 Der in § 9 StAG gewährte Einbürgerungsanspruch dient der Herstellung einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit in der Familie und damit der Familieneinheit selbst.902 Durch die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in § 9 I StAG hat sie gleichzeitig Anteil an der Privilegierung der Ehe beim Anspruch auf Einbürgerung. 4. Aufl., 2005, § 9 StAG Rn. 1; Reinhard Marx, Kommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, 1997, § 9 RuStAG Rn. 5. 897 BVerfGE 37, 217 (253), bezüglich der Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern; BVerwGE 64, 7 (11 f.); 77, 164 (173); 80, 224 (245); OVG Koblenz, EZAR 271 Nr. 2, S. 2 f.; VG Braunschweig, InfAuslR 1995, S. 298 (299); Stern (Fn. 102), § 100 V 5 c, S. 472; Marx (Fn. 896), § 9 RuStAG Rn. 5; Lecheler (Fn. 123), Rn. 110. 898 BVerfGE 37, 217 (246). 899 BVerfGE 37, 217 (246); BVerwG, Buchholz Nr. 130, § 8 RuStAG Nr. 20, S. 28. 900 Vgl. BVerwG, Buchholz Nr. 130, § 8 RuStAG Nr. 20, S. 28; VG Braunschweig, InfAuslR 1995, S. 298 (299). 901 BVerwGE 77, 164 (173); BVerwG, Buchholz Nr. 130, § 8 RuStAG Nr. 20, S. 28. 902 Hailbronner (Fn. 896), § 9 StAG Rn. 3.

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Die Teilhabe an der einbürgerungsrechtlichen Bevorzugung der Ehe kann aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht schon damit gerechtfertigt werden, dass die Lebenspartnerschaft in anderen Rechtsbereichen ebenfalls ehegleich oder -ähnlich ausgestaltet ist.903 Diese Ansicht zieht die Ebene des einfachen Gesetzesrechts als Begründung für eine bestimmte verfassungsrechtliche Einschätzung heran und berücksichtigt damit nicht genügend die Normenhierarchie zwischen verfassungs- und einfachgesetzlichem Recht. Zudem besitzt sie tautologischen Charakter, weil ihre Prämisse von der Verfassungsmäßigkeit der ehegleichen einfachgesetzlichen Gestaltung der Lebenspartnerschaft ausgeht, die aber gerade Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung ist. Eine verfassungskonforme Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe beim Einbürgerungsrecht ist allerdings gleichwohl möglich, wenn die Förderungsverpflichtung keine Sperrwirkung für die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in § 9 I StAG enthält. Das aus Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot ist dann einschlägig, wenn die Ehe vorrangig als potentielle Familie gefördert wird. Daran könnte man zwar zunächst denken, wenn man sich den vom Bundesverfassungsgericht hergestellten Zusammenhang zwischen § 9 StAG und dem Grundsatz der einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb einer Familie vor Augen führt. Es wäre aber eine verkürzte teleologische Einordnung, verstünde man die dadurch erstrebte Einheit der Familie als Selbstzweck. Vielmehr ist die einheitliche Einbindung der gesamten Familie in eine bestimmte Rechtsstruktur selbst auf die Stärkung der rechtlichen und sozialen gegenseitigen Bindung der Familienmitglieder hingeordnet. Die Familieneinheit bezieht sich im Staatsangehörigkeitsrecht nicht vorrangig auf die bloße Existenz von Kindern, sondern auf die Stärkung der familialen Solidargemeinschaft. Dies wird auch an der fehlenden Übertragung der Regelung des § 9 II StAG auf die Lebenspartnerschaft deutlich, die einen Kindesbezug enthält. Der Gesetzgeber hat hier bei der Integration der Lebenspartnerschaft in § 9 StAG bewusst zwischen Absatz 1 und 2 unterschieden, von dem nur der letzte einen ausdrücklichen familialen Bezug aufweist.904 Daraus folgt, dass die der Familie institutionell vorgelagerte Ehe beim Einbürgerungsrecht insofern ebenfalls primär als Verantwortungsgemeinschaft verstanden werden kann und eine Privilegierung der Ehe der Stabilisierung dieser ehelichen Funktion nachkommen will. 903

So aber Reinhard Marx, in: GK-StAR, hrsg. von Roland Fritz und Jürgen Vormeier, § 9 StAG Rn. 30. 904 Vgl. die Begründung von Art. 3 § 1 LPartG-E, BT-Drucks. 14/3751, S. 46: „Eine entsprechende Ergänzung des Absatzes 2 scheidet von der Sache her aus, da die hier geregelte zusätzliche Privilegierung speziell auf Ehepartner mit Kindern zugeschnitten ist.“

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Diese Schlussfolgerung wird auch dadurch einsichtig, dass die Ehe als bloße Rechtsform den Anforderungen von § 9 StAG nicht genügt, sondern sie vielmehr wie beim Familiennachzug als eine tatsächlich realisierte eheliche Lebens- und Begegnungsgemeinschaft bestehen muss. Von einem einheitlichen Verständnis der Ehe im Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht ist auch deshalb auszugehen, weil bei einer bloß formal geschlossenen Ehe ohne echte Lebensgemeinschaft schon keine aufenthaltsrechtliche Verfestigung des Rechtstatus eines ausländischen Ehepartners vorliegt. In diesem Fall käme erst recht keine erleichterte Einbürgerung in Betracht.905 Ähnliches gilt für die Lebenspartnerschaft: Sie muss bei § 9 I StAG tatsächlich als reale Beistandsgemeinschaft bestehen906 und ist damit dort ebenso wie die Ehe eine realisierte Verantwortungsgemeinschaft. Weil § 9 StAG die Ehe vorrangig in dieser Funktion schützt, verletzt die institutionelle Integration der Lebenspartnerschaft in diese Rechtsnorm die gesetzgeberische Förderverpflichtung zugunsten der Ehe nicht. Vielmehr liegt eine zulässige Rechtsgestaltung im Rahmen des legislativen Spielraums vor. Die Einbeziehung des ausländischen Lebenspartners eines Deutschen in § 9 StAG ist verfassungsgemäß. 16. Beamtenrecht a) Regelungsgeschichte der beamtenrechtlichen Einordnung der Lebenspartnerschaft Bei der Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft war geplant, auch im Beamtenrecht dieses Rechtsinstitut weitestgehend mit der Ehe gleichzustellen. Das LPartG-E enthielt entsprechende Änderungen verschiedener beamtenrechtlicher Normen.907 Die Regelung der Zuständigkeit für die Verabschiedung beamtenrechtlicher Bestimmungen ist allerdings durch die komplexe Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz geprägt. Während der Bund nach Art. 73 Nr. 8 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen besitzt, erstreckte sich nach dem früheren Art. 74a I GG die konkurrierende Gesetzgebung auf die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, soweit nicht Art. 73 Nr. 8 GG einschlägig war. Die darauf beruhenden beamtenrechtlichen Vorschriften bedurften nach Art. 74a II GG ausdrücklich der Zustim905

Marx (Fn. 903), § 9 StAG Rn. 22. Dirk Siegfried, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Staatsangehörigkeitsgesetz, Rn. 4. 907 Art. 3 §§ 8–16 LPartG-E, vgl. BT-Drucks. 14/3751, S. 10 f. 906

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mung des Bundesrates. Schließlich normierte Art. 75 I Nr. 1 GG für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften stehenden Personen eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes, soweit nicht Art. 74a GG etwas anderes bestimmte. Die durch diese Regelungssystematik intendierte beamtenrechtliche Gestaltungsmöglichkeit der Länder und die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundesrates zu einem Teil des geplanten Regelungsvorhabens veranlasste die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, bei der Aufteilung des Gesetzgebungsvorhabens alle beamtenrechtlichen Bestimmungen im zustimmungspflichtigen LPartGErgG zusammenzufassen. Da der Bundesrat diesem Gesetz nicht zustimmte, konnten sie nicht in Kraft treten. Die vorgesehene Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft betraf fast alle Bereiche des Beamtenrechts. Als Regelungstechnik wurde grundsätzlich die normative Statuierung der sinngemäßen Anwendung von allen ehebezogenen Regelungen auf die Lebenspartnerschaft durch eine eigene Klausel verwandt. Der Kreis der dadurch in den Anwendungsbereich einbezogenen Personengruppen war allerdings – je nach Gesetz – unterschiedlich weit gezogen: Teilweise sollten nur solche Normen, die den Begriff des Ehegatten enthielten, auf Lebenspartner sinngemäß angewandt werden. Dies wurde in den nicht rechtswirksam gewordenen Ergänzungen der § 48 II BRRG908, § 1 BRKG909, § 1 BUKG910 und § 1 V TGV911 normiert.912 Die zweite, weiter gefasste Gruppe umfasste alle Normen, die sich neben dem „Ehegatten“ auch auf „Ehegatten und ihre Angehörigen“ sowie „das Bestehen oder frühere Bestehen einer Ehe“ bezogen. Die Ausweitung der sinngemäßen Anwendung war i. d. S. in den ebenfalls nicht in Kraft getretenen Neufassungen des § 79 II BBG913 und § 1 Ia BBesG914 vorgesehen. Neben dieser generellen und jeweils für ein ganzes Gesetz geltenden Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft war auch vorgesehen, Ehegatten und Lebenspartner hinsichtlich einzelner konkreter Ansprüche gleich zu behandeln. Dazu zählte zum einen die Erwähnung des Lebenspartners 908

Art. 2 § 4 LPartGErgG. Art. 2 § 7 LPartGErgG. 910 Art. 2 § 8 LPartGErgG. 911 Art. 2 § 12 LPartGErgG. 912 Die gleiche Regelungstechnik wurde auch bei der Erziehungsurlaubsverordnung angewandt, vgl. Art. 2 § 14 LPartGErgG. Diese Verordnung wurde am 1. August 2001 durch die Elternzeitverordnung ersetzt, die keinen Bezug zur Ehe mehr enthält. Die von Jacob Hösl, in: Manfred Bruns/Rainer Kemper (Hrsg.), LPartG, 1. Aufl., 2001, Beamtenrecht, Rn. 20, beklagte Nichtberücksichtigung der Lebenspartnerschaft als „schwerwiegende Benachteiligung“ ist deshalb gegenstandslos. 913 Art. 2 § 5 LPartGErgG. 914 Art. 2 § 6 LPartGErgG. 909

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

als Beispiel für einen nahen Angehörigen in § 10 IV BLV, der die Berücksichtigung der für diesen Personenkreis tatsächlichen aufgewandten Pflegezeit bei der Anstellung normiert.915 Zum anderen sollten gemäß § 12 III Nr. 1 und 2 SUrlV der Ehegatte und der Lebenspartner bei der Gewährung von Sonderurlaub im Falle der Niederkunft und im Todesfall gleichgestellt werden.916 Mit dem Beamtenversorgungsgesetz wurde ein wesentlicher Bestandteil des beamtenrechtlichen Versorgungsrechts von vornherein von der Gleichstellungsintention ausgenommen.917 Nach dem Scheitern des LPartGErgG erfolgte zunächst mehrere Jahre lang kein weiterer legislativer Versuch, die Lebenspartnerschaft beamtenrechtlich der Ehe anzunähern.918 Eine größere Angleichung beider Rechtsinstitute nahm der Gesetzgeber dann mit dem LPartÜG vom 15. Dezember 2004 vor. Im Wesentlichen wurden die schon im LPartGErgG vorgesehenen beamtenrechtlichen Änderungen verabschiedet, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedurften. Sie traten zum 1. Januar 2005 in Kraft. Dazu zählt die Erwähnung des Lebenspartners in § 10 IV BLV und § 12 III Nr. 1 und 2 SUrlV. Auf die Einführung der noch im LPartGErgG normierten Generalklauseln über die sinngemäße Anwendbarkeit ehebezogener Vorschriften auf die Lebenspartnerschaft verzichtete der Gesetzgeber jetzt vollständig. Stattdessen wurden die konkreten Vorschriften, die auf den Begriff des Ehegatten abstellten, um den des Lebenspartners ergänzt. Dies betraf das BRKG,919 das BUKG920 und die TGV.921 Schließlich wurde die Lebenspartnerschaft neben der Ehe erstmalig auch im Rahmen des BDG,922 der ATGV,923 der AUV924 und der Kriminal-Laufbahnverordnung925 berücksichtigt. Diese Änderungen waren zuvor nicht Gegenstand früherer Regelungsvorhaben gewesen. 915

Art. 2 § 11 LPartGErgG. Art. 2 § 9 LPartGErgG. 917 Kritisch Manfred Bruns, in: ders./Rainer Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl., 2006, Beamte, Angestellte und Arbeiter, Rn. 29. 918 Das schloss die Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft im Rahmen einzelner beamtenrechtlicher Normen, etwa bei Ermessensentscheidungen, aber nicht generell aus, vgl. Hösl (Fn. 912), Rn. 5, 7 f., 12, 16, 23. 919 Art. 5 VIII, IX LPartÜG: § 6 I 4 BRKG sowie § 1 II der Verordnung zu § 6 II BRKG. 920 Art. 5 XI LPartÜG: §§ 1 II, 4 II Nr. 3; 6 III 2; 10 I, II; 11 II 3; 12 III Nr. 5, 6 BUKG. 921 Art. 5 XII LPartÜG: §§ 2 II Nr. 5, 6; 3 III Buchst. a; 4 VII; 5 III TGV. 922 Art. 5 VII LPartÜG: § 48 I Nr. 2 BDG. 923 Art. 5 X LPartÜG: §§ 4 I Nr. 1; 8 IV 3, 4; 12 I ATGV. 924 Art. 5 XIII LPartÜG: §§ 4 I Nr. 3 Buchst. b; 11 I 2; 12 I 2; 13 I 3; 15 II AUV. 925 Art. 5 V LPartÜG: § 13 IV Kriminal-Laufbahnverordnung. 916

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Im Rahmen der 2006 vorgenommenen Föderalismusreform I926 wurden die beamtenrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen vollständig umgestaltet: Zwar blieb Art. 73 I Nr. 8 GG unangetastet, doch schaffte der Gesetzgeber die Rahmenkompetenz vollständig ab und modifizierte die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht. Nach Art. 73 I Nr. 27 GG umfasst diese jetzt die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung. Mit dieser Vorschrift ist die Gestaltungskompetenz der Länder für diesen Bereich erheblich erweitert worden. Bisher haben die Bundesländer Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein die beamtenrechtliche Stellung ihrer Landesbeamten, die in einer Lebenspartnerschaft leben, derjenigen der verheirateten Landesbeamten vollständig gleichgestellt.927 b) Verfassungsmäßigkeit der eingeschränkten Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Beamtenrecht Die Prüfung der Vereinbarkeit der rechtlichen Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft mit dem aus dem besonderen Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 I GG abgeleiteten Differenzierungsgebot orientiert sich auch im Beamtenrecht am Maßstab des typisierten Funktionsschutzes: Wenn die Ehe durch eine beamtenrechtliche Vorschrift wegen ihrer reproduktiven Funktion rechtlich privilegiert wird, ist eine Gleichstellung anderer Rechtsinstitute mit ihr verfassungswidrig. Wird sie dagegen wegen der Nähebeziehung der Ehepartner oder als Verantwortungsgemeinschaft geschützt, können andere Rechtsinstitute an einem bisher ausschließlich ehebezogenen Privileg teilhaben, wenn sie ebenfalls rechtlich strukturierte Verantwortungsgemeinschaften sind oder eine Nähebeziehung ihrer Mitglieder institutionell umfassen.928 aa) Finanzieller Nachteilsausgleich im Beamtenrecht Ein Regelungskomplex des Beamtenrechts, in dem Ehe- und Lebenspartner gleich behandelt werden, betrifft den finanziellen Ausgleich von materiellen oder immateriellen Nachteilen, die dem Beamten aufgrund dienstlich 926

Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006, BGBl. I, S. 2034. Bruns (Fn. 917), Beamte, Angestellte und Arbeiter, Rn. 7, mit den Hinweisen auf die entsprechenden Rechtsgrundlagen. 928 Undifferenzierter Pawlowski (Fn. 163), S. 765 (766), der generell kein öffentliches Interesse für die Einbeziehung der Lebenspartnerschaft in bisher nur die Ehe berücksichtigenden beamtenrechtlichen Vorschriften erkennen kann. 927

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

bedingter Tätigkeiten wie Reisen, Umzügen oder dem Dienst an einem anderen Ort als dem Wohnsitz entstehen. Dazu gehören das BRKG, das BUKG, die TGV sowie die ATGV und AUV. Bei den konkreten Vorschriften, in denen Lebenspartner wie Ehegatten behandelt werden, ist auffallend, dass die Anspruchsberechtigung nur ausnahmsweise ausschließlich vom personenstandsrechtlichen Status der Eheschließung und Lebenspartnerschaft abhängt.929 Voraussetzung für die Leistungsgewährung ist nämlich i. d. R., dass die Ehegatten – und nunmehr auch die Lebenspartner – in häuslicher Gemeinschaft leben.930 Außerdem werden in den einschlägigen Regelungen neben den Ehegatten oftmals noch andere Personengruppen erwähnt: So werden etwa die Eltern des Leistungsempfängers bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung genannt.931 Teilweise können selbst Verwandte vierten Grades und Verschwägerte zweiten Grades berücksichtigt werden, wenn sie mit dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft leben und dieser ihnen aus gesetzlicher oder sittlicher Verpflichtung nicht nur vorübergehend Unterkunft oder Unterhalt ganz oder überwiegend gewährt.932 Für die Zuerkennung einer Wegstreckenentschädigung bei Dienstreisen reicht es sogar aus, wenn ein vom Berechtigten benutzter Pkw einem Verwandten oder Verschwägerten gehört, der mit dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebt.933 Eine Eingrenzung des Verwandten- und Verschwägertenkreises trifft die Norm nicht. Die beschriebenen normativen Voraussetzungen lassen als Gemeinsamkeit das Vorliegen einer Nähebeziehung zwischen dem Berechtigten und einer anderen Person im doppelten Sinne erkennen: Erstens muss zwischen ihnen im Rahmen einer häuslichen Gemeinschaft buchstäblich eine räumliche Nähe gegeben sein. Die gesamte Regelungsmaterie betrifft in diesem Sinne die Grundkonstellationen einer dienstbedingten örtlichen Veränderung des Berechtigten und die ggf. dadurch hervorgerufene räumliche Trennung dieser Gemeinschaft. Zweitens ist regelmäßig mit der räumlichen Nähe auch eine enge personale Beziehung zwischen dem Berechtigten und der anderen Person verbunden. Räumliche und personale Nähe sind trotz unterschiedlicher Ebenen insofern kongruent, als beide Beziehungsmodi sich gegenseitig ergänzen und ein räumliches Zusammenleben die Intensität der personalen Nähebeziehung fördert und vertieft. Wenn der Gesetzgeber einen bestimm929

§§ 11 II 3, 12 III Nr. 6 BUKG; § 2 II Nr. 6 TGV; §§ 8 IV 3, 12 I ATGV. §§ 1 II, 4 II Nr. 3, 10 I BUKG; § 3 III Buchst. a TGV; § 4 I Nr. 1 ATGV. 931 § 12 III Nr. 5 BUKG; § 2 II Nr. 5 TGV. 932 §§ 1 II, 6 III 3, 10 II BUKG; § 3 III Buchst. b TGV; §§ 4 I Nr. 3 b), 11 I 2; 13 I 3, 15 II AUV. § 4 I Nr. 2 ATGV und § 12 I 2 AUV regeln darüber hinaus den Ausschluss oder die Verringerung von Ansprüchen und sind deshalb keine Bevorzugung eines Rechtsinstituts. 933 § 6 I 4 BRKG. 930

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ten rechtlichen Rahmen zur Begrenzung des Personenkreises vorgibt, der durch eine Nähebeziehung verbunden ist, und dabei auf die Ehe zurückgreift, typisiert er damit die Nähebeziehung in rechtlicher Hinsicht. Regelmäßig ist sie bei der Ehe – wie auch beim engeren Verwandten- und Verschwägertenkreis – gegeben, zumal dann, wenn zusätzlich auch noch eine häusliche Gemeinschaft mit dem Berechtigten besteht. Die Ehe wird mithin in den hier einschlägigen Regelungen nicht erwähnt, um sie als typische Keimzelle der Familie zu schützen und zu privilegieren,934 sondern weil sie regelmäßig eine Nähebeziehung zwischen den Eheleuten institutionalisiert. Das gilt auch für die genannten Vorschriften, die ausschließlich auf das Bestehen einer Ehe abstellen, ohne weitere Voraussetzungen einer räumlich verstandenen Nähe zu normieren: Zwischen den Eheleuten besteht regelmäßig eine Nähebeziehung, deren Indikator die formalisierte Bindung zwischen ihnen ist. Weil nicht die reproduktive Funktion der Ehe betroffen ist, intendiert die Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie hier kein Differenzierungsgebot. Die vorgenommene beamtenrechtliche Angleichung in diesem Bereich verletzt nicht Art. 6 I GG und ist verfassungsgemäß. bb) Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft in der Bundeslaufbahnverordnung Die gleichen Grundsätze gelten für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Integration der Lebenspartnerschaft in § 10 IV BLV und § 12 III Nr. 1, 2 SUrlV. Die nur beispielhafte Erwähnung des Ehegatten wie des Lebenspartners als sonstige nahe Angehörige i. S. v. § 10 IV BLV bei der Berücksichtigung der Betreuungszeit enthält schon im Normwortlaut die Voraussetzung eines Näheverhältnisses zwischen dem Beamten und seinem Angehörigen. Ehe und Lebenspartnerschaft werden als institutionalisierte Formen dieses Näheverhältnisses aufgeführt. Bei § 12 III Nr. 1, 2 SUrlV werden mit dem Todesfall und der Niederkunft für die Betroffenen existentielle und einschneidende Konstellationen genannt. In diesen Fällen ist nach Ansicht des Gesetzgebers dem Beamten eine ununterbrochene Fortführung seines Dienstes regelmäßig nicht zumutbar, weil die Situation seines Eheoder Lebenspartners typischerweise auch ihn emotional stark berühren muss und seine Lebenssituation grundlegend verändert. Dieser einleuchtende situative Einfluss ist nur bei Annahme einer typischen menschlichen Verbundenheit denkbar. Darin unterscheiden sich aber Ehe und Lebenspartnerschaft nicht, auch wenn die Wahrscheinlichkeit der Niederkunft einer Lebenspartnerin regelmäßig nicht groß sein mag. Das Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie ist deshalb auch bei diesen Regelungen 934

So aber Braun (Fn. 276), S. 14 (16).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

nicht einschlägig. Die Lebenspartnerschaft kann dort in verfassungsmäßiger Weise neben der Ehe berücksichtigt werden. cc) Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft beim beamtenrechtlichen Versorgungssystem und im Besoldungsrecht Bisher nicht realisiert wurde die Integration der Lebenspartnerschaft in das beamtenrechtliche Versorgungssystem des Bundes. Wegen der fehlenden Ergänzung des Bundesbeamtengesetzes sind auch die auf ihm beruhenden Verwaltungsvorschriften nicht anwendbar, welche die Beihilfeberechtigung der Lebenspartner von Bundesbeamten regeln. Dies ist in der Literatur als Verstoß gegen das beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip kritisiert worden. Außerdem liege eine Verletzung von Art. 3 GG vor, weil bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Lebenspartner eines Pflichtversicherten in den Berechtigtenkreis der Familienversicherung einbezogen würden, während Lebenspartner eines Beamten vom Beihilfesystem ausgeschlossen seien.935 Das Prinzip der allgemeinen Fürsorge des Dienstherren für seine Beamten ist Bestandteil der in Art. 33 V GG verfassungsrechtlich geschützten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Als Ausprägung dieses Prinzips besteht die Verpflichtung zur Alimentation.936 Dem Beamten soll durch eine vom Dienstherren gewährleistete amtsangemessene Versorgung und die dadurch bedingte ökonomische Unabhängigkeit ermöglicht werden, der Verpflichtung nachzukommen, seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.937 Dies ist in einem umfassenden Sinne erst dann möglich, wenn 935 Bruns (Fn. 917), Rn. 32; Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 126 f.; ders. (Fn. 662), in: NJW 2003, S. 2721 (2723 f.). 936 BVerfGE 83, 89 (98); zuletzt BVerfGE 114, 258 (287). Sodan/Ziekow (Fn. 253), § 47 Rn. 6; Johannes Masing, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl., 2006, Art. 33 Rn. 87; Monika Jachmann, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005, Bd. 2, Art. 33 Rn. 49; Rudolf Sannwald, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Friedrich Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 33 Rn. 194; Philip Kunig, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 33 Rn. 63; Detlef Merten, Alimentationsprinzip und Beamtengesetzgebung, in: ZBR 1996, S. 353 (354 f.); Josef Isensee, § 32: Öffentlicher Dienst, in: HbVerfR, 2. Aufl., 1994, Rn. 68; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., 1984, § 11 III 4, S. 358. 937 BVerfGE 16, 94 (116); 21, 329 (345); 37, 167 (179); 39, 196 (200 f.); 44, 249 (265); 70, 69 (80); 70, 251 (267); 71, 39 (60 f.); 76, 256 (298); 99, 300 (317); 107, 218 (237); 114, 258 (287 f.); Masing (Fn. 936), Art. 33 Rn. 87; Jachmann (Fn. 936), Art. 33 Rn. 50; Philip Kunig, Das Recht des öffentlichen Dienstes, in: Besonderes Verwaltungsrecht, hrsg. von Eberhard Schmidt-Aßmann, 13. Aufl., 2005, Rn. 159; ders. (Fn. 936), Art. 33 Rn. 63; Sannwald (Fn. 936), Art. 33 Rn. 195 f.; Helmut

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der Dienstherr den Beamten bei Erfüllung der ihm durch seine Familie entstandenen Unterhaltspflichten entlastet. Die staatliche Verpflichtung zur Alimentation bezieht sich deshalb nicht nur auf den Beamten allein, sondern auch auf seine Familie.938 Den Maßstab für die Beantwortung der sich daran anschließenden Frage, welchen Personenkreis die staatliche Fürsorge aus verfassungsrechtlicher Sicht umfassen muss, liefert der besondere Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 I GG.939 Die aus ihm abgeleitete Förderverpflichtung des Staates fokussiert das Alimentationsprinzip auf diese beiden Rechtsinstitute. Die staatliche Fürsorge muss deshalb auch dem Ehepartner eines Beamten zukommen. Die Lebenspartnerschaft wird dagegen nicht durch Art. 6 I GG geschützt und partizipiert nicht an den Gewährleistungen dieses Grundrechts. Daraus ergibt sich, dass das grundgesetzlich gewährleistete Fürsorgeprinzip für die Lebenspartnerschaft nicht gelten kann. Dazu kommt noch, dass das bestehende Beihilfesystem selbst nicht verfassungsrechtlich geschützter Bestandteil des Alimentationsprinzips ist und nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt, weil es sich erst in jüngerer Zeit herausgebildet hat.940 Dem Gesetzgeber steht insofern ein weiter und nur durch den Kernbestand der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums begrenzter Gestaltungsspielraum zur Verfügung.941 Weder besteht deshalb eine verfassungsrechtliche VerpflichLecheler, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 Rn. 75; ders., § 72: Der öffentliche Dienst, in: HStR III, 2. Aufl., 1996, Rn. 54; Anna Leisner, Beamtenversorgung als Sparpotential? Ein Beitrag zur Dogmatik des Alimentationsprinzips, in: ZBR 1998, S. 259 (263 f.); Merten (Fn. 936), S. 353 (355). Vgl. auch Willi Thiele, Alimentationsgrundsatz – wesentlicher Grundsatz des Berufsbeamtentums oder bloße Leerformel des Beamtenrechts?, in: DVBl. 1981, S. 253 (258), der gegenüber dieser traditionellen Begründungsformel skeptisch ist, ihren Kern aber dennoch bejaht. 938 BVerfGE 70, 69 (79 f.); 81, 363 (375); 99, 300 (314 f.); 106, 225 (233); 107, 218 (237); 114, 258 (287); Masing (Fn. 936), Art. 33 Rn. 87; Jachmann (Fn. 936), Art. 33 Rn. 50; Kunig (Fn. 937), Das Recht des öffentlichen Dienstes, Rn. 159; ders. (Fn. 936), Art. 33 Rn. 63; Sannwald (Fn. 936), Art. 33 Rn. 194; Richard Müller, Der Bestandsschutz des Unterhaltsrechts der Beamten im Grundgesetz, 1997, S. 176. 939 Art. 33 V GG ist auch „im Zusammenhang mit Art. 6 GG“ auszulegen, vgl. BVerfGE 44, 249 (265); 81, 363 (376). Die historische Entwicklung des Familienbegriffs bei der Alimentation beleuchtet Gerhard Till, Die Entwicklung des Alimentationsprinzips, 1979, S. 306 f. 940 BVerfGE 58, 68 (7); 79, 223 (235); 83, 89 (98); 106, 225 (232 f.); Masing (Fn. 936), Art. 33 Rn. 86; Jachmann (Fn. 936), Art. 33 Rn. 50; dies., Zur Rechtsnatur der Beihilfevorschriften, in: ZBR 1997, S. 342 m. w. N.; Sannwald (Fn. 936), Art. 33 Rn. 246. 941 BVerfGE 58, 68 (78); 83, 89 (100); Jachmann (Fn. 936), Art. 33 Rn. 50; Sannwald (Fn. 936), Art. 33 Rn. 197; allgemein BVerfGE 8, 1 (16); 56, 146 (161 f.); 76, 256 (295); 81, 363 (375 f.); 99, 300 (315); Kunig (Fn. 937), Das Recht

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tung des Staates, zur Versorgung des Lebenspartners eines Beamten beizutragen, noch bezöge sich diese Verpflichtung auf die Integration in das für Bundesbeamte bestehende Beihilfesystem. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch bei Berücksichtigung des Art. 3 I GG nicht. Zum einen ist schon die Einbeziehung des Lebenspartners in die beitragsfreie Mitversicherung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verfassungswidrig,942 so dass die Familienversicherung als Vergleichsgruppe i. S. d. Art. 3 I GG ausscheidet. Zum anderen bestehen zwischen der beamtenrechtlichen Beihilfe und der gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung hinsichtlich Zielsetzung, Finanzierung und Leistungsumfang so große Systemunterschiede, dass beide nicht als gleichrangige Vergleichsgruppen herangezogen werden können.943 Es verstößt deshalb nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, den Lebenspartner eines Beamten in den Beihilfevorschriften nicht zu berücksichtigen. Auch im Besoldungsrecht des Bundes sind Lebenspartner und Ehegatten nicht gleichgestellt. Nach § 40 I 1 Nr. 1 BBesG steht der Familienzuschlag der Stufe 1 verheirateten Beamten, Richtern und Soldaten zu. Lebenspartner sind dort nicht ausdrücklich erwähnt. Zwar können sie gemäß § 40 I Nr. 4 S. 1 BBesG in diese Stufe eingeordnet werden, wenn sie eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind. Beides trifft auf nicht getrennt lebende Lebenspartner zu. Nach § 40 I Nr. 4 S. 2 BBesG gilt dies aber nicht, wenn für den Unterhalt der aufgenommenen Person Mittel zur Verfügung stehen, die das Sechsfache des Betrages der Stufe 1 übersteigen. Das sind gegenwärtig – abhängig von der Besoldungsstufe – zwischen 601,44 Euro und 631,38 Euro.944 Regelmäßig überschreitet das Vermögen der Lebenspartner diesen Betrag. Außerdem ist § 40 I Nr. 4 BBesG nur dann einschlägig, wenn nach dem Einzug der unterhaltsberechtigten Person die Wohnung wirtschaftlich auch weiterhin nur dem Beamten zuzuordnen ist. Eine hälftige Übernahme der Kosten oder der Haushaltsführung, wie sie bei berufstätigen Lebenspartnern häufig vorkommt, ist mit § 40 I Nr. 4 BBesG unvereinbar.945 Der in einer Lebenspartnerschaft lebende Beamte erhält aus diesen Gründen typischerweise keides öffentlichen Dienstes, Rn. 38; ders. (Fn. 936), Art. 33 Rn. 59 f.; Ulrich Battis, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 33 Rn. 70; Lecheler (Fn. 937), Art. 33 Rn. 75. 942 Siehe oben 4. Kapitel B. I. 14. a), S. 643 ff. 943 BVerwG, DVBl. 1984, 963 (964); zu diesen Systemunterschieden näher BVerwGE 60, 212 (222 f.); Lecheler (Fn. 937), § 72: Der öffentliche Dienst, Rn. 55; Merten (Fn. 936), S. 353 (356). 944 Vgl. Anlage V zum BBesG. 945 VGH Baden-Württemberg, DÖD 2005, S. 87 (90 f.).

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nen Familienzuschlag. Die vorstehend beschriebenen Grundsätze zum Alimentationsprinzip gelten auch im Rahmen des Besoldungsrechts für den Familienzuschlag.946 Auch hier hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.947 Der Gesetzgeber ist deshalb weder wegen Art. 6 I GG noch Art. 3 I GG verfassungsrechtlich verpflichtet, Lebenspartner beim Familienzuschlag den Ehegatten gleichzustellen.948 Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht bei Berücksichtigung des Europarechts. Die „Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“949 verbietet gemäß Art. 3 I c i. V. m. Artt. 1 und 2 die Benachteiligung von Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts, wegen ihrer sexuellen Ausrichtung. Zum Arbeitsentgelt im Sinne der Richtlinie gehört auch der Familienzuschlag.950 Nach Nr. 22 der Erwägungen des Rates der Europäischen Union zur Richtlinie lässt diese die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen aber unberührt. Die Lebenspartnerschaft ist ein familienrechtliches Statusverhältnis. Die differenzierte Zuerkennungssystematik des Familienzuschlags im Besoldungsrecht des Bundes macht diesen Zuschlag von der Einordnung in ein bestimmtes familienrechtliches Statusverhältnis abhängig. Nr. 22 der Erwägungen der Richtlinie ist damit hier einschlägig. Daraus ergibt sich, dass ein Lebenspartner diese Richtlinie nicht zur Begründung eines Anspruchs auf den Familienzuschlag der Stufe 1 heranziehen kann.951

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OVG Münster, NJW 2005, S. 1002. VGH Baden-Württemberg, DÖD 2005, S. 87 (89 f.); OVG Münster, NJW 2005, S. 1002; Manfred-Carl Schinkel/Klaus Seifert, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 40 BBesG Rn. 11b; vgl. auch BVerfGE 71, 39 (52 f.), hinsichtlich des durch den Familienzuschlag ersetzten Ortszuschlags. 948 BVerwG, NJW 2006, S. 1828 (1828 f.); VGH Baden-Württemberg, DÖD 2005, S. 87 (89 f.); OVG Münster, NJW 2005, S. 1002 (1002 f.); Schinkel/Seifert (Fn. 947), § 40 BBesG Rn. 11b; anders Bruns (Fn. 917), Rn. 14; Stephan Stüber, Kein Familienzuschlag für Lebenspartner?, in: NJW 2006, S. 1774 (1774 f.); ders. (Fn. 649), S. 117 (120). 949 Abl. EG L 303/16. 950 Bruns (Fn. 917), Rn. 13. 951 BVerwG, NJW 2006, S. 1828 (1829); Schinkel/Seifert (Fn. 947), § 40 BBesG Rn. 11b. Stüber (Fn. 948), S. 1774 (1775 f.), hält dagegen die 22. Begründungserwägung nicht für einschlägig, da sie nicht verbindlicher Bestandteil der Richtlinie geworden sei. 947

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

II. Gleichheitsrechtlicher Maßstab 1. Beschränkung der Lebenspartnerschaft auf Lebensgemeinschaften zweier Personen gleichen Geschlechts, die nicht miteinander verwandt oder verschwistert sein dürfen a) Ungleichbehandlung Mit der Konstituierung der Lebenspartnerschaft steht gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ein Rechtsinstitut offen, das in allen Rechtsbereichen Regelungsinhalte vollständig oder wenigstens z. T. übernommen hat, die bisher ausschließlich Eheleute betrafen. Die Lebenspartnerschaft kann nach § 1 I 1 LPartG nur von zwei Personen gleichen Geschlechts begründet werden. § 1 II Nr. 2 und 3 LPartG statuieren darüber hinaus, dass eine Lebenspartnerschaft nicht zwischen Personen wirksam begründet werden kann, die in gerader Linie miteinander verwandt (Nr. 2) oder vollbzw. halbbürtige Geschwister (Nr. 3) sind. Damit ist die Lebenspartnerschaft in personeller Hinsicht auf zwei Ebenen Beschränkungen unterworfen: Erstens können das Rechtsinstitut nur zwei Mitglieder einer gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft begründen. Besteht eine gleichgeschlechtliche Gemeinschaft dagegen aus drei oder mehr Personen, ist die gemeinsame Wahl dieser Rechtsform nicht möglich. Damit kommt die Lebenspartnerschaft als Rechtsform für Lebensgemeinschaften nichtsexueller Art – beispielsweise für kirchliche Orden oder Freundeskreise – nicht in Frage, die mehr als zwei Mitglieder umfassen. Zweitens kann die Lebenspartnerschaft auch von bestimmten anderen, aus nur zwei Personen bestehenden Lebensverbindungen nicht begründet werden, weil sie entweder nicht das gleiche Geschlecht besitzen oder dem in § 1 II LPartG genannten Personenkreis angehören. Diese doppelte Beschränkung des Zugangs zur Lebenspartnerschaft bewirkt zugleich, dass die mit dem Rechtsinstitut verbundenen Rechte und Pflichten nur einer solchen Person zugeordnet sind, die mit einer anderen Person gleichen Geschlechts die Lebenspartnerschaft begründet hat. Auf Personen, die dieses Rechtsinstitut nicht gewählt haben, weil sie nicht in einer Gemeinschaft mit (nur) einer Person des gleichen Geschlechts leben oder nicht dem in § 1 II LPartG genannten Kreis angehören, können die mit der Lebenspartnerschaft verbundenen Rechte und Pflichten dagegen nicht übertragen werden. Daraus folgt, dass zwischen beiden Vergleichsgruppen eine gesetzgeberisch intendierte Ungleichbehandlung vorliegt. Rechtliche Differenzierungen zwischen zwei Gruppen unterliegen dem Prüfungsmaßstab des Gleichheitssatzes aus Art. 3 GG.

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b) Geschlechtsbezogenheit als Differenzierungskriterium – Art. 3 III 1 GG als Prüfungsmaßstab Der besondere Diskriminierungsschutz des Art. 3 III 1 GG besitzt gegenüber dem in Art. 3 I GG enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz die größere Schutzreichweite und steht daher zu letzterem in einem Spezialitätsverhältnis.952 Anwendbar ist er auf die Eingetragene Lebenspartnerschaft nur dann, wenn die rechtliche Differenzierung zwischen einem Mitglied dieses Rechtsinstituts und einer anderen Person, die kein Lebenspartner ist, auf dem unterschiedlichen Geschlecht beruht. Dies ist der Fall: Der Mann, der nur einen Mann als Lebenspartner wählen kann und keine Frau, wird gegenüber einer Frau ungleich behandelt, die mit einer Frau eine Lebenspartnerschaft begründen kann. Umgekehrt kann eine Frau keinen Mann als Lebenspartner wählen, ein Mann dagegen schon. Es liegt mithin zwischen Mann und Frau eine doppelte Ungleichbehandlung vor.953 Diese geschlechtsbezogene Differenzierung verhindert die Wahl der Lebenspartnerschaft durch verschiedengeschlechtliche eheähnliche Gemeinschaften. Ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet diese Ungleichbehandlung im besonderen Gleichheitssatz des Art. 6 I GG, der die Ehe schützt. Sie kann nur von den Mitgliedern verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften als Rechtsinstitut gewählt werden. Wenn sie eine solche Bindung nicht eingehen wollen, ist diese Entscheidung als Ausdruck der negativen Eheschließungsfreiheit durch die Verfassung abgesichert. Eine aus Art. 3 III 1 GG abgeleitete Rechtspflicht, ein weiteres Rechtsinstitut für diese Gemeinschaften zu konstituieren oder ihnen den Zugang zu ihm gesetzlich zu ermöglichen, besteht dagegen nicht.954 c) Sexuelle Orientierung als Differenzierungskriterium – Art. 3 I GG als Prüfungsmaßstab Hinsichtlich des in § 1 II LPartG genannten Personenkreises, für den die Lebenspartnerschaft als Rechtsform nicht zugänglich ist, und der in § 1 I LPartG normierten Festlegung auf nur zwei Personen, die eine Lebenspartnerschaft begründen können, erfolgt allerdings keine Unterscheidung anhand des Geschlechts. Eine Person kann mit seinen in gerader Linie Verwandten oder den Geschwistern keine Lebenspartnerschaft begründen. Dieses Verbot – insofern dem Eheverbot in § 1307 S. 1 BGB nachgestaltet – gilt unabhängig davon, ob diese Personen das gleiche Geschlecht aufweisen. Auch die Beschränkung auf die Zahl von zwei Personen ist nicht selbst 952 953 954

Dazu näher oben 3. Kapitel C. I. 1. a), S. 387 ff. Ausführlich 3. Kapitel C. II. 1. a) bb), S. 398 f. Vgl. oben 3. Kapitel C. II. 1. b), S. 400 ff.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

geschlechtsbezogen. Die Ungleichbehandlung von Verwandten und Mitgliedern von aus mehr als zwei Personen bestehenden Lebensverbindungen gegenüber Personen, die einer zweigliedrigen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft angehören, besitzt sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Dimension: Qualitativ unterscheidet sich die Zugangsmöglichkeit zur Lebenspartnerschaft anhand der schon vorher bestehenden Rechtsverhältnisse zwischen den Personen, die diese Rechtsform zu wählen beabsichtigen. Quantitativ differenziert § 1 I LPartG den Zugang zur Lebenspartnerschaft anhand der Zahl der Mitglieder einer gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft. Diese Kriterien bedürfen vor dem Hintergrund des Art. 3 I GG einer Rechtfertigung, die eine Differenzierung als nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund erscheinen lässt. Dies ist nach der „neuen Formel“ der Fall, wenn „eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.“955 Sie ist als Maßstab der gleichheitsrechtlichen Prüfung der Differenzierung zwischen personenbezogenen Vergleichsgruppen umso strenger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 III GG genannten annähern.956 Das Gleiche gilt, wenn die Ungleichbehandlung von Personen sich auf deren Grundrechtsausübung auswirken kann.957 Evelyn Haas kritisiert in ihrem Sondervotum, dass in der Entscheidung der Senatsmehrheit zum LPartDisBG nicht deutlich werde, welcher gleichheitsrechtliche Prüfungsmaßstab verwandt wird. Soweit sich das auf die Frage bezieht, ob die „neue Formel“ der Mehrheitsentscheidung überhaupt zugrunde liegt, ist diese Kritik zwar missverständlich, weil die Entscheidungsgründe die Formel ausdrücklich nennen.958 Weitere Überlegungen zur Reichweite dieser gleichheitsrechtlichen Bindung finden sich dort allerdings in der Tat nicht. Um den gleichheitsrechtlichen Maßstab und damit den daraus folgenden Spielraum des Gesetzgebers zutreffend einschätzen zu können, muss berücksichtigt werden, dass die Anknüpfung an eine Lebensgemeinschaft für die personelle Unterscheidung hinsichtlich der Zugangsberechtigung zur Lebenspartnerschaft noch keinen Bezug zu den in Art. 3 III GG genannten Merkmalen besitzt. Dieser Indikator für eine dem Art. 3 III GG vergleich955 Seit BVerfGE 55, 72 (88) st. Rspr.; aus der neueren Judikatur BVerfGE 101, 239 (269); 102, 41 (54); 104, 126 (144 f.); 105, 313 (352); 107, 133 (141). 956 Vgl. BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389 (401); 99, 367 (388). 957 BVerfGE 60, 123 (134); 82, 126 (146); 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 91, 346 (363); 92, 53 (69); 99, 341 (355 f.); 99, 367 (388); 107, 133 (141); 111, 160 (169); 111, 176 (184); 115, 51 (62). 958 BVerfGE 105, 313 (352).

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bare gleichheitsrechtliche Bindung des Gesetzgebers ist deshalb nicht gegeben. Auch die Grundrechtsausübung durch Dritte ist mit der Konstituierung eines Rechtsinstituts für ausschließlich gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften grundsätzlich noch nicht beeinträchtigt. Denjenigen, denen der Zugang zur Lebenspartnerschaft auf einfachgesetzlicher Ebene versperrt ist, verbleibt weiterhin ihr durch die Grundrechte gewährleisteter Freiheitsraum. In die Grundrechte Dritter kann allerdings durch einzelne dem Lebenspartner zustehende Rechte eingegriffen werden. Dazu gehört die arbeitgeberseitige Mitfinanzierung der beitragsfreien Versicherung des Lebenspartners in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Insofern ist nicht die Konstituierung allein, wohl aber die konkrete Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft durch das LPartDisBG grundrechtsrelevant. Aus diesem Grund muss deshalb an die gleichheitsrechtliche Prüfung der gesetzlichen Differenzierung hinsichtlich des Zugangs von Personengruppen zur Lebenspartnerschaft ein strenger Maßstab angelegt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Festlegung der Lebenspartnerschaft auf zwei Personen ausdrücklich nicht befasst, aber zur Verfassungsmäßigkeit der rechtsinstitutionellen Differenzierung zwischen Lebenspartnern und Verwandten Stellung genommen. Es hat sie mit der Begründung bejaht, dass im Verhältnis von „gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu den Geschwister- oder anderen verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften“ Unterschiede bestünden, die ihre unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. „Dies betrifft schon die Exklusivität der eingetragenen Lebensgemeinschaft,959 die keine weitere Beziehung gleicher Art neben sich zulässt, während Geschwister- und andere verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften häufig in weitere vergleichbare Beziehungen eingebunden sind, die auch neben einer sonstigen Bindung durch Ehe oder Partnerschaft bestehen. Verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften erfahren überdies schon nach geltendem Recht in gewisser Hinsicht eine Absicherung, die gleichgeschlechtlichen Paaren erst mit der Lebenspartnerschaft eröffnet worden ist. So bestehen im Verwandtschaftsverhältnis Zeugnisverweigerungsrechte, Erbrechte und z. T. auch Pflichtteilsrechte sowie deren steuerliche Begünstigung.“960 Die Mehrheit des Ersten Senats führt demnach zwei Argumente für die an vermeintliche „Unterschiede“ anknüpfende Begründung einer Ungleichbehandlung an: 959 Den Begriff der „eingetragenen Lebensgemeinschaft“ kennt die Rechtsordnung nicht. Gemeint ist die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Ob er in der Entscheidung bewusst verwendet wird, ist zweifelhaft, aber nicht unwahrscheinlich, weil dadurch im Begründungszusammenhang die anthropologische„Exklusivität“ einer solchen „Lebensgemeinschaft“ gerade in Abgrenzung zum Verwandtschaftsverhältnis unterstrichen werden kann. 960 BVerfGE 105, 313 (353).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

aa) „Exklusivität“ der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Das Gericht betont die Exklusivität der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, die keine weitere Beziehung gleicher Art neben sich zulasse.961 Dabei ist zunächst voranzustellen, dass damit nicht die einfachrechtliche Festlegung in § 1 I LPartG auf zwei Personen gleichen Geschlechts mit den entsprechenden Begründungsverboten des § 1 II LPartG gemeint sein kann, weil diese ja gerade Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung am Maßstab des Art. 3 I GG sind. Ansonsten läge ein Zirkelschluss vor, weil die institutionelle Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft dann zugleich rechtliche Voraussetzung und Ergebnis dieser Prüfung wäre. Vielmehr bezieht sich die Annahme einer „Exklusivität“ der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft gegenüber Verwandtschaftsverhältnissen wohl auf die anthropologische Dimension solcher Beziehungen. Freiwillig gewählte Beistands- und Verantwortungsgemeinschaften, die auf einem gegenseitig empfundenen Verhältnis persönlicher Nähe basieren, können in quantitativer Hinsicht in der Tat nicht eine unüberschaubare Zahl von Personen umfassen, weil dann eine Nähebeziehung als bindende Grundlage einer solchen Gemeinschaft nicht mehr gegeben wäre. Warum sie aber generell nur aus zwei Personen bestehen können soll, wird von der Mehrheit des Ersten Senats nicht begründet. Der Verweis auf die Monogamie beim Rechtsinstitut der Ehe wäre nicht weiterführend. Dass die Ehe nur von zwei (verschiedengeschlechtlichen) Personen gewählt werden kann, gehört zu den durch die Institutsgarantie des Art. 6 I GG gewährleisteten Wesensmerkmalen der Ehe.962 Der Gesetzgeber muss dieses Strukturmerkmal wegen des Verfassungsvorrangs bei der einfachgesetzlichen Gestaltung der Ehe berücksichtigen. Für alle anderen, nicht von der Verfassung genannten Rechtsinstitute – wie etwa die Lebenspartnerschaft – gibt das Grundgesetz die Monogamie dagegen nicht vor. Ähnlich zu beurteilen ist auch der Bezug zum Eheverbot des § 1307 S. 1 BGB, um den Ausschluss von Verwandten vom Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft zu rechtfertigen.963 Dieses Eheverbot zwischen Geschwistern 961 Auch Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 23; Uhlenbrock (Fn. 103), S. 49; Anne Röthel, Eingetragene Lebenspartnerschaft, in: Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, hrsg. von Rainer Hausmann und Gerhard Hohloch, 2. Aufl., 2004, Rn. 19; Wölfl (Fn. 11), S. 399; Forkert (Fn. 38), S. 40 f.; Freytag (Fn. 101), S. 445 (454); Henkel (Fn. 103), S. 77 (81 f.); Beck (Fn. 33), S. 1894 (1901); Robbers (Fn. 48), S. 779 (785). 962 BVerfGE 10, 59 (66 f.); 29, 166 (176); 31, 58 (69); Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 5 Rn. 11; Robbers (Fn. 132), Art. 6 Rn. 42; Gröschner (Fn. 123), Art. 6 Rn. 55; Burgi (Fn. 127), Art. 6 Rn. 18; Coester-Waltjen (Fn. 127), Art. 6 Rn. 8. 963 Auf dieses Argument greift Wasmuth (Fn. 31), S. 47 (70), zurück.

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und in gerader Linie miteinander Verwandten, das sein strafrechtlich sanktioniertes Pendant in § 173 StGB findet,964 enthält sowohl familial als auch eugenisch geprägte Regelungsziele: Primär soll die soziale Rolle des einzelnen Familienmitglieds sichergestellt, die Geschlechtskonkurrenz in der Kernfamilie zumindest vermindert und der Zwang zur Exogamie ausgeschlossen werden.965 Außerdem wird damit eine institutionell gewährleistete inzestuöse Sexualgemeinschaft mit den möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen für daraus entstehende Kinder verhindert.966 Das Eheverbot ist damit eine einfachgesetzliche Konkretisierung der typologischen Einordnung der Ehe als Fortpflanzungsgemeinschaft und auf die Familie hin ausgerichtet. Für Lebenspartner ist die gemeinsame Fortpflanzung dagegen nicht möglich.967 Lebenspartner bilden wegen des regelmäßigen Fehlens von Kindern miteinander auch keine Familie. Insofern können die dem Eheverbot zugrunde liegenden Regelungszwecke nicht auf die Lebenspartnerschaft übertragen werden.968 964

Allerdings mit einer gegenüber § 1307 S. 1 BGB vorgenommenen Beschränkung auf die Blutsverwandtschaft. 965 Gerd Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., 2007, § 1307 BGB Rn. 1; Dierk Müller-Gindullis, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, § 1307 BGB Rn. 1; Hans-Wolfgang Strätz, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, § 1307 BGB Rn. 5. Vgl. zu § 4 EheG auch BVerfG, NJW 1974, S. 545 (547 f.); KG, FamRZ 1986, S. 993 (994); Walther Heintzmann, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 7, 12. Aufl., 1988, § 4 EheG Rn. 1. Kritisch gegenüber dem Regelungsziel, die Exogamie zu verhindern, Gernhuber/Coester-Waltjen (Fn. 133), § 10 Rn. 20, die dem § 1307 BGB nur „eine moralische (nicht rationale) Überzeugungskraft“ zugestehen; ähnlich auch Reinhard Hepting, Das Eheschließungsrecht nach der Reform, in: FamRZ 1998, S. 713 (717). 966 Vgl. BVerfG, NJW 1974, 545 (547) zu § 4 EheG a. F.; skeptisch dagegen Friedrich Lohmann, in: RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch, 12. Aufl., 1999, § 1307 BGB Rn. 3, der zutreffend darauf hinweist, dass das Eheverbot nicht nur die Blutsverwandtschaft umfasst. Wenn allerdings in gerader Linie Verwandte gleicher Abstammung heiraten könnten, wären die eugenischen Folgen für die aus der Beziehung entstehenden Kinder deutlich gravierender als die sozialpsychologischen Probleme innerhalb der Familie. 967 Ähnlich R. Kemper (Fn. 182), § 1 LPartG Rn. 13: „(. . .) wegen der fehlenden Möglichkeit homosexueller Paare zur Fortpflanzung scheiden alle genetischen Überlegungen, die für das Eheverbot der Verwandtschaft maßgebend waren, hier als Begründung aus.“ 968 Widersprüchlich R. Kemper (Fn. 182), § 1 LPartG Rn. 8, 11: Einerseits ist er der Ansicht, auf die sexuelle Orientierung der Lebenspartner komme es nicht an, so dass dieses Rechtsinstitut „auch eine Lebensform für heterosexuelle Menschen gleichen Geschlechts (. . .) sein (könne), die miteinander eine Solidargemeinschaft eingehen wollen.“ Andererseits hält er § 1 II Nr. 2 LPartG für gerechtfertigt, weil dessen Sinn allein darin liege, „engste Familienkreise von sexuell bestimmten Spannungen und Schuldgefühlen frei zu halten.“ Der Sexualgemeinschaft als Wesensmerkmal

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

Die näher liegende Begründung für die Annahme der „Exklusivität“ der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ist es, auf die Sexualgemeinschaft abzustellen.969 Sie ist zwar nicht immer, aber faktisch doch regelmäßig die geschlechtliche Konkretisierung einer inneren Bindung zwischen den Sexualpartnern. Diese gegenseitige emotionale Bindung kann in dem Sinne als exklusiv verstanden werden, als sie typischerweise ganz auf eine andere Person hin ausgerichtet ist. Bezogen auf die Sexualität bedeutet dies, dass die sexuelle Treue gegenüber dem anderen im Regelfall sowohl als sittliche Erwartung an den Partner als auch als innere Selbstverpflichtung verstanden wird. Die Monogamie ist damit Konsequenz der emotionalen (Liebes)-Beziehung zwischen zwei Personen. Die Beschränkung auf eine zweigliedrige gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft für ein Rechtsinstitut wird folglich verständlich, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei ihnen – ähnlich wie bei eheähnlichen Gemeinschaften von zwei Personen verschiedenen Geschlechts – typischerweise um Sexualgemeinschaften handelt; drei- oder mehrgliedrigere Lebensgemeinschaften sind dagegen regelmäßig keine Sexualgemeinschaften. Das Gleiche gilt auch für das Verhältnis zwischen in gerader Linie Verwandten und unter Geschwistern: Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft unterscheidet sich von ihnen durch die sexuelle Bindung. Um eine Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft zu bilden, ist die Sexualgemeinschaft aber keine conditio sine qua non. Ein emotionales Näheverhältnis ist nämlich auch ohne sexuelle Konnotation möglich. Auch wenn man konzedieren muss, dass ihrer inneren Beziehung – anders als bei Sexualpartnern – das erotisch-leidenschaftliche Emotionselement fehlt, so empfinden oftmals in gerader Linie Verwandte und Geschwister ihr Verhältnis als sehr tiefgehend und innerlich verpflichtend. Die Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft ist deshalb typologisch Konsequenz einer inneren Bindung. Diese besteht bei der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, sie besteht regelmäßig aber ebenfalls zwischen Verwandten und Geschwistern jedenfalls in den Fällen, in denen sie eine institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft als Rechtsform wählen würden. Auch die Mitglieder von drei- oder mehrgliedrigeren Gemeinschaften können diese gegenseitige innere Bindung aufweisen – etwa durch einen auf der Grundlage gemeinsamer Glaubensüberzeugungen und durch Gelübde abgesicherten gemeinsamen Lebensstil wie bei den Mitgliedern kirchlicher Orden – und sich insofern als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaften verstehen.970 der Lebenspartnerschaft wird mithin jeweils nach der konkreten Rechtsnorm eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen. 969 Vgl. dazu Burkiczak (Fn. 457), S. 7 (11); P. Kirchhof (Fn. 128), S. 436 (437); Rauscher (Fn. 71), Rn. 752.

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Insofern weisen die zweigliedrige gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft auf der einen und in gerader Linie Verwandte, Geschwister und mehrgliedrigere gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften auf der anderen Seite zwei Gemeinsamkeiten auf: Erstens ist die Ehe für sie nicht zugänglich, so dass sie nicht auf dieses Rechtsinstitut verwiesen werden können. Zweitens können sie in gleichem Maße Vertrauens- und Beistandsgemeinschaften sein.971 Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Vergleichsgruppen besteht zwar darin, dass die der Verantwortungsgemeinschaft zugrunde liegende Bindung bei der einen Vergleichsgruppe auch sexuell geprägt ist, bei der anderen dagegen verwandtschaftlich oder auf anderen emotionalen Bindungen beruht. Die sexuelle Prägung bedingt aber noch keine erkennbaren unterschiedlichen Auswirkungen hinsichtlich der Intensität dieser Beistands- und Verantwortungsgemeinschaften. Im Ergebnis erweist sich die Annahme einer Exklusivität der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft damit als rechtliche Privilegierung einer bestimmten sexuell geprägten Gemeinschaft gegenüber anderen auf innerer Bindung beruhenden Verantwortungsgemeinschaften nichtsexueller Natur. Die Mehrheit des Ersten Senats hat es unterlassen, dies so deutlich auszusprechen. Dies dürfte nicht unbeabsichtigt geschehen sein, weil eine den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes entsprechende Begründung, warum gerade eine sexuell geprägte Gemeinschaft, die sich auch nicht auf Art. 6 I GG mit der zugrunde liegenden doppelten Verfassungserwartung berufen kann, gegenüber anderen Verantwortungsgemeinschaften privilegiert werden soll, schwierig zu finden ist. Ein sachgerechtes Differenzierungskriterium für die unterschiedliche Zuerkennung von Rechten und Pflichten für diese Verantwortungsgemeinschaften stellt die Sexualität nicht dar. 970 P. Kirchhof (Fn. 128), S. 436 (439); Michael Sachs, Rechtsförmliche Lebenspartnerschaften für Menschen gleichen Geschlechts – Verfassungsgebot oder Verfassungsverstoß?, in: JR 2001, S. 45 (49); Finger (Fn. 227), S. 199 (204); Rauscher (Fn. 71), Rn. 752. Ablehnend Stüber (Fn. 122), Einf., Rn. 24, mit der Begründung, „die Interessenlage“ zwischen Zwei- und Mehrpersonengemeinschaften sei so „unterschiedlich“, dass der Gesetzgeber letztere aufgrund seiner „Typisierungsbefugnis“ bei der Konstituierung der Lebenspartnerschaft ausklammern durfte. Wieso die „Interessenlage“ bei drei- oder mehrgliedrigeren Vertrauensgemeinschaften anders sein soll als bei zweigliedrigen wird nicht näher begründet. 971 Für die Verwandten gerader Linie und die Geschwister ähnlich abweichende Meinung E. Haas, BVerfGE 105, 313 (363 f.), sowie Johann Braun, Das Lebenspartnerschaftsgesetz auf dem Prüfstand – BVerfG, NJW 2002, 2543, in: JuS 2003, S. 21 (26); Burkiczak (Fn. 457), S. 7 (11); Reiner Tillmanns, Art. 6 I; 3 I, III GG: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes, in: JA 2003, S. 934 (936); Rainer Kemper, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: FPR 2002, S. 585 (586); P. Kirchhof (Fn. 128), S. 436 (439); ders., Der Schutz von Ehe und Familie, die Pflege mitmenschlicher Beistandsgemeinschaften und die Gewähr sonstiger Freiheit, in: zur debatte 2/2001, S. 23 (24); Rauscher (Fn. 71), Rn. 752; Scholz/Uhle (Fn. 50), S. 393 (400); Sachs (Fn. 970), S. 45 (50).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

bb) Schon bestehende rechtliche Absicherung für Verwandte vor Inkrafttreten des LPartDisBG Als zweites Argument für die Annahme von wesentlichen Unterschieden zwischen aus zwei Personen bestehenden gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und Verwandten wird vorgebracht, dass Verwandte in gerader Linie und Geschwister schon bisher über bestimmte Rechte zu ihrer „Absicherung“972 verfügten, die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften erst mit der Lebenspartnerschaft zur Verfügung stünden.973 Genannt werden dabei ausdrücklich „Zeugnisverweigerungsrechte, Erbrechte sowie z. T. auch Pflichtteilsrechte und deren steuerliche Begünstigung“. Die Argumentation der Senatsmehrheit enthält die Prämisse, dass nach Konstituierung der Lebenspartnerschaft eine vergleichbare rechtliche Absicherung vorläge, so dass der Zugang von Verwandten zum Rechtsinstitut nicht notwendig sei, weil diese selbst über eigene Rechte verfügten. Aus dieser Argumentation kann man schließen, dass die Mehrheit des Ersten Senats die gleichheitsrechtliche Problematik der gesetzgeberischen Entscheidung, homosexuell geprägten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften eine bestimmte Rechte-Pflichten-Struktur als zu ihrer Wahl stehende Rechtsform zur Verfügung zu stellen, die anderen Verantwortungsgemeinschaften vorenthalten wird, durchaus wahrgenommen zu haben scheint. Denn die Aufzählung der den Verwandten zustehenden Rechte erweckt den Eindruck, dass mit der Lebenspartnerschaft den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ein Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt wurde, um den Regelungsabstand zwischen Verwandten und den bisher gleichsam rechtlosen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu kompensieren. Diese Argumentation verschiebt die eigentliche gleichheitsrechtliche Problematik von der Rechtfertigung für die Gewährung bestimmter Rechte für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu der Fragestellung, warum gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bis zur Konstituierung der Lebenspartnerschaft Rechte vorenthalten wurden, die Verwandten zur „rechtlichen Absicherung“ gewährt worden waren. Sie liegt damit auf einer Linie mit der dem LPartDisBG zugrunde liegenden Begründung, Ziel des Regelungsvorhabens sei die Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften. Dass es dem Gesetzgeber insgesamt nicht um eine Angleichung an Rechte der Verwandten geht, sondern um eine weit über diese Rechte hinausgehende Privilegierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, wird nach einem Blick auf die von der Senatsmehrheit genannten Rechte sichtbar. 972

Zu diesem Begriff wegen seiner Unschärfe kritisch Sondervotum E. Haas, BVerfGE 105, 313 (364). 973 Ähnlich auch Wölfl (Fn. 11), S. 398 f.; Röthel (Fn. 947), Rn. 19; Beck (Fn. 33), S. 1894 (1901); Stüber (Fn. 101), Einl., Rn. 95.

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(1) Zeugnisverweigerungsrechte Mit dem LPartDisBG ist tatsächlich eine Gleichstellung von Zeugnisverweigerungsrechten der Geschwister sowie in gerader Linie Verwandten (§§ 52 I Nr. 3 StPO; 383 Nr. 3 ZPO) und der Lebenspartner (§ 52 I Nr. 2a StPO; 383 Nr. 2a ZPO) erfolgt. Dies gilt über die entsprechenden Verweisungen für alle Gerichtsbarkeiten. (2) Erb- und Pflichtteilsrechte Die Abkömmlinge des Erblassers sind gemäß § 1924 I BGB die gesetzlichen Erben erster Ordnung, seine Eltern und deren Abkömmlinge – also die voll- und halbbürtigen Geschwister, deren Kinder und Kindeskinder –974 sind nach § 1925 I BGB gesetzliche Erben der zweiten Ordnung. Gemäß § 1930 BGB ist ein Verwandter nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter der vorhergehenden Ordnung berufen ist. Das bedeutet, dass ein einziger Verwandter als gesetzlicher Erbe der ersten Ordnung ausreicht, damit die Verwandten der zweiten Ordnung bei der Erbfolge nicht berücksichtigt werden.975 Geschwister besitzen deshalb kein gesetzliches Erbrecht, wenn noch Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind. Im Gegensatz zu ihnen und den Eltern des Erblassers sind sie außerdem gemäß § 2303 BGB nicht pflichtteilsberechtigt. Innerhalb des Verwandtenkreises besteht somit eine Rangfolge des gesetzlichen Erbrechts, die im konkreten Fall auch dazu führen kann, dass den rangniedrigeren Verwandten gar kein gesetzliches Erbrecht und Geschwistern in jedem Fall kein Pflichtteilsrecht zukommt. Demgegenüber ist das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten des Erblassers privilegiert: Der Ehegatte ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen, § 1931 I 1 BGB. Diese Regelung ist inhaltsgleich in § 10 I 1 LPartG für den überlebenden Lebenspartner als gesetzlichen Erben übernommen worden. Er ist darüber hinaus wie der Ehegatte (§ 2303 II BGB) pflichtteilsberechtigt, § 10 VI LPartG. Die erbrechtliche Stellung des Lebenspartners ist damit nicht etwa der von Verwandten, sondern derjenigen von Eheleuten angeglichen. An ihr zeigt sich deutlich, dass die Ehe der alleinige Maßstab der erbrechtlichen Gestaltung der Lebenspartnerschaft ist, nicht das Verwandten- und Geschwisterverhältnis. Die Lebenspartnerschaft wird im materiellen Erbrecht deshalb gegenüber den Verwandten und Geschwistern bevorzugt. 974 975

Edenhofer (Fn. 472), § 1925 BGB Rn. 1. Edenhofer (Fn. 472), § 1930 BGB Rn. 1.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

(3) Lebenspartnerschaftliche Rechtsgestaltung im Vergleich zur Gestaltung von Verwandtschafts- und Geschwisterverhältnissen im Übrigen Daneben hat das LPartDisBG in einer Reihe von Regelungsbereichen die Lebenspartnerschaft gegenüber den Verwandten privilegiert.976 Das LPartGErgG hätte mit seinem Inkrafttreten diese Privilegierung noch weiter vertieft. Dies gilt etwa für die in § 5 LPartG vorgenommene Statuierung einer gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung für Lebenspartner. Zwar sind nach § 1601 BGB auch Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, Geschwister jedoch nicht. Die gleichheitsrechtliche Problematik der institutionellen Fixierung der Lebenspartnerschaft auf die gleichgeschlechtliche Sexualgemeinschaft ist vor dem Hintergrund des vom Bundestag verabschiedeten, aber nicht in Kraft getretenen Art. 2 § 55 Nr. 2a LPartGErgG bei der steuerrechtlichen Behandlung der Unterhaltspflicht ebenfalls anschaulich. Danach sollte die fiktionale Unterhaltsleistung als abzugsfähige Sonderausgabe bis zu einem Höchstbetrag von 40.000 DM berücksichtigt werden, während gleichzeitig die auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhenden realen Unterhaltsleistungen zwischen Verwandten nur mit einem in § 33a I EStG festgelegten Höchstbetrag von 7.680 Euro Berücksichtigung finden. Hinsichtlich dieser Ungleichbehandlung ist das Bestehen einer Sexualgemeinschaft kein den verfassungsgerichtlichen Anforderungen standhaltender Differenzierungsgrund.977 Auch die beitragsfreie Mitversicherung von Lebenspartnern in der gesetzlichen Krankenund Pflegeversicherung korrespondiert zwar mit einer solchen für die Kinder der gesetzlich Versicherten. Die Geschwister der Pflichtversicherten werden in die beitragsfreie Mitversicherung aber ebenso wenig einbezogen wie deren Enkel. cc) Zwischenergebnis Durch die Vergleichsdarstellung der gesetzlich vorgenommenen Differenzierung zwischen der Lebenspartnerschaft und dem Geschwister- und Verwandtschaftsverhältnis in den verschiedenen Regelungsbereichen wird deutlich, dass die rechtliche Struktur der Lebenspartnerschaft nicht dem Verwandtschaftsverhältnis angeglichen ist, sondern sich am Rechtsinstitut der Ehe orientiert. Die Ansicht der Mehrheit des Ersten Senats, zwischen der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft und Verwandten hätten vor Inkrafttreten des LPartDisBG rechtliche Unterschiede von erheblichem 976

Vgl. dazu auch abweichende Meinung E. Haas, BVerfGE 105, 313 (365). Buob (Fn. 612), S. 40 (41), fragt sich deshalb, ob der Gesetzgeber eine „Rüge des Bundesverfassungsgerichts bewusst in Kauf nehmen oder gar provozieren“ wolle. 977

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Gewicht bestanden, weil gleichgeschlechtliche Paare nicht vergleichbar rechtlich abgesichert gewesen seien, ist zwar zutreffend. Ihre weitergehende Folgerung, dass deshalb der Gleichheitssatz gewahrt bliebe, überzeugt dagegen nicht. Das LPartDisBG hat nämlich keine Angleichung an die Rechtsverhältnisse von Verwandten vorgenommen – wie die Argumentation der Senatsmehrheit insinuiert – sondern geht in seinem Regelungsgehalt weit darüber hinaus: Die Lebenspartnerschaft wird der Rechtsgestalt der Ehe angeglichen. Die These, der Zugang zur Lebenspartnerschaft müsse wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes für Verwandte nicht geöffnet werden, weil diese ja schon über eine rechtliche Absicherung verfügten, geht deshalb fehl. Die Lebenspartnerschaft vermittelt nicht eine abstrakte Absicherung, sondern mehr Rechte als das Verwandtschaftsverhältnis.978 Ihre rechtliche Struktur bedarf deshalb eines gleichheitsrechtlichen Differenzierungskriteriums, das über die rechtshistorisch gewordene unterschiedliche Behandlung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und Verwandten vor Inkrafttreten des LPartDisBG hinausgeht. Sofern dafür die durch die monogame Sexualität geprägte Bindung zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts als gegenüber Verwandten exklusivere Beziehung herangezogen wird, vermag dies nicht auf verfassungskonforme Weise die rechtliche Bevorzugung dieser Art von Verantwortungsgemeinschaft zu begründen. Die mit der Lebenspartnerschaft verbundenen Rechte und Pflichten sind nämlich gänzlich sexualunspezifisch. Auf alle freiwillig eingegangenen nichtsexuellen Beistands- und Verantwortungsgemeinschaften könnte die Rechtsstruktur auf einfachrechtlicher Ebene ebenfalls übertragen werden. Die rechtliche Privilegierung von sexuell geprägten gleichgeschlechtlichen Rechtsverbindungen erweist sich deshalb als kein sachgerechter Differenzierungsgrund. d) Ergebnis Die Beschränkung des Zugangs zur Lebenspartnerschaft auf die zweigliedrige gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, weil die Sexualgemeinschaft gleichgeschlechtlicher Personen kein zulässiges Differenzierungskriterium darstellt. Das Rechtsinstitut muss allen Vertrauens- und Beistandsgemeinschaften offen stehen, die auf einem personalen Näheverhältnis basieren.

978 Siehe auch Peter A. Windel, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, in: JR 2003, S. 152 (153); R. Kemper (Fn. 971), S. 585 (586).

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

2. Gleichheitsrechtlicher Anspruch auf Angleichung der bestehenden lebenspartnerschaftlichen Rechtsstruktur an die Ehe? Durch das LPartDisBG und das LPartÜG wurden Ehe und Lebenspartnerschaft in verschiedenen Rechtsbereichen gleichgestellt. Allerdings bestehen auf einfachgesetzlicher Ebene nach wie vor Regelungen, die Ehepaare gegenüber Lebenspartnern besser stellen. Die Frage ist deshalb naheliegend, ob diese Privilegierungen gegen Art. 3 GG verstoßen. Lebenspartner haben weder einen Gleichstellungsanspruch nach Art. 3 III GG noch gemäß Art. 3 I GG, weil die objektive Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Ehe – unabhängig von der Annahme eines Differenzierungsgebotes – eine Differenzierungsermächtigung enthält, die insofern ein sachgemäßes Kriterium für die Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft darstellt.979 In diesem Sinne haben die Gerichte eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Angleichung von lebenspartnerschaftlichen Regelungen an die entsprechenden eherechtlichen Bestimmungen aus gleichheitsrechtlicher Perspektive fast ausnahmslos abgelehnt: Art. 6 I GG ermöglicht somit die steuerrechtliche Privilegierung von Ehegatten gegenüber Lebenspartnern ohne Verstoß gegen Art. 3 I GG.980 So muss die steuerliche Zusammenveranlagung von Ehepartnern nicht auf Lebenspartner ausgedehnt werden.981 Überlebende Lebenspartner können erbschaftsteuerrechtlich als Ledige eingeordnet werden.982 Wegen Art. 6 I GG konnte die Lebenspartnerschaft bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder unberücksichtigt bleiben. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die fehlende Erwähnung dieses Rechtsinstituts in der Satzung der Versorgungsanstalt liegt nicht vor.983 Nach § 29 Abschnitt A I BAT regelt sich die Höhe des Ortszuschlages nach Tarifklassen und entsprechend den Familienverhältnissen des Angestellten. § 29 BAT berücksichtigt die Lebenspartnerschaft nicht ausdrücklich. Das BAG ist der Auffassung, ein angestellter Lebenspartner müsse im Rahmen der analogen Anwendung dieser Norm wegen der Ähnlichkeit von 979

Vgl. oben 3. Kapitel C. III., S. 405 ff. BFH, BFH/NV 2004, S. 1103 (1104). 981 BFH, DStR 2006, S. 747 (748 f.); FG Hamburg, EFG 2005, S. 705 (707); FG Köln, EFG 2005, S. 1362 (1363); FG Niedersachsen, EFG 2005, S. 606 (606 f.); FG Schleswig-Holstein, EFG 2005, S. 51; FG Saarland, NJW 2004, S. 1268. 982 FG Köln, EFG 2005, S. 1788 (1789); FG Düsseldorf, EFG 2004, S. 517 (517 f.). 983 BGH, Urteil vom 14.2.2007, – IV ZR 267/04 –, Pressemitteilung des BGH vom 14.2.2007; OLG Karlsruhe, VersR 2005, S. 636 (637 f.). 980

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit

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Ehe und Lebenspartnerschaft insbesondere hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtungen in die gleiche Stufe des Ortszuschlages eingeordnet werden wie ein verheirateter Angestellter. Art. 6 I GG sei nicht einschlägig, weil die Tarifnorm „nicht auf die Ehe, sondern den durch Heirat erworbenen Familienstand“ abstelle. Auf den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG komme es im übrigen nicht an.984 Die Differenzierung zwischen der Ehe und dem durch Heirat erworbenen Familienstand ist wenig einleuchtend, weil die Ehe das institutionelle Substrat dieses Familienstandes ist. Der besondere Schutz der Ehe ermächtigt auch hier zur Differenzierung zwischen ihr und der Lebenspartnerschaft. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verpflichtet den Gesetzgeber ebenfalls nicht zur Gleichstellung von Eheleuten und Lebenspartnern bei der Gewährung eines Familienzuschlags im Rahmen der Beamtenbesoldung.985 3. Angleichung der Rechtslage der lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft an die eheähnliche Gemeinschaft Das aus Art. 6 I GG abgeleitete Verbot, die Ehe zu benachteiligen, erstreckt sich auf die eheähnliche Gemeinschaft und die Lebenspartnerschaft. Zwischen einer eheähnlichen Gemeinschaft und einer dauerhaften gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, die keine Lebenspartnerschaft begründet hat, sind – mit Ausnahme der familialen Potentialität von ersterer aufgrund ihrer Verschiedengeschlechtlichkeit – keine weiteren wesentlichen Unterschiede erkennbar. Die lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften müssen deshalb wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes rechtlich ebenso eingeordnet werden wie eheähnliche Gemeinschaften. Sie dürfen daher – ebenso wie eheähnliche Gemeinschaften – wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht besser gestellt sein als die Ehe. Insofern müssen sie in den Regelungskreis von für die Ehe nachteiligen Bestimmungen, die ihren Grund nicht in einer ehespezifischen Funktionstypik haben, einbezogen werden.986 Das gilt etwa für die Einordnung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft als Bedarfsgemeinschaft i. S. d. § 7 SGB II. Eheähnliche Ge984 BAG, NZA 2005, S. 57 (60 f.); zustimmend Schmidt (Fn. 802), S. 80 (88 f.); Christoph Bergwitz, Ortszuschlag nach § 29 BAT bei Eingetragener Lebenspartnerschaft, in: ZTR 2004, S. 512; kritisch Ulf Berger-Delhey, „Certe ignoratio futororum malorum utilior est quam scientia“, in: ZTR 2004, S. 510 (511), der die Entscheidung für einen unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie hält. 985 BVerwG, NJW 2006, S. 1828; VGH Baden-Württemberg, DÖD 2005, S. 89; OVG Münster, NJW 2005, S. 1001. 986 Siehe oben 3. Kapitel C. III. 2. c), IV., S. 413 ff.

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4. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsrechts

meinschaften waren nach dem Gesetzeswortlaut Bedarfsgemeinschaften, lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften nicht. Hier lag ein Verstoß gegen Art. 3 I GG vor,987 der mittlerweile durch die Neufassung des § 7 III Nr. 3 SGB II beseitigt worden ist. Auch in den § 20 S. 1 SGB XII, der die Besserstellung der eheähnlichen Gemeinschaft gegenüber der Ehe untersagt, musste wegen Art. 3 I GG die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft einbezogen werden.988 Dies ist mittlerweile ebenfalls geschehen.

987

SG Düsseldorf, NJW 2005, S. 845 (846 f.); Muscheler (Fn. 153), Rn. 633,

641. 988 Muscheler (Fn. 153), Rn. 633, 641. Anders Stüber (Fn. 662), S. 2721 (2722), da die „nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Gemeinschaft nicht in gleicher Weise in Konkurrenz zur Ehe“ trete.

5. Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung A. Kapitel 1 I. Die vorliegende Untersuchung erörtert den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Konstituierung und Gestaltung der Lebenspartnerschaft. Sie berücksichtigt dabei besonders die typologische Funktion der Ehe als Keimzelle der Familie und den spezifischen Schutz des Grundgesetzes, welcher der Ehe zukommt. II. Die demographische Entwicklung in Deutschland ist durch einen starken Rückgang sowohl der Eheschließungen als auch der Geburtenzahlen in den letzten Jahrzehnten geprägt, der sich insbesondere in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts verstärkt hat. Zeitlich parallel hierzu vergrößert sich seitdem kontinuierlich die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Trotzdem wird der weit überwiegende Anteil der Kinder ehelich geboren. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Geburten geht nur sehr langsam zurück und ist relativ stabil. Der demographische Konnex zwischen der Ehe und der Familie schwächt sich somit zwar ab, ist aber weiterhin vorhanden. Die demographische Einordnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland ist angesichts einer unzureichenden Datenbasis nicht leicht. Untersuchungen weisen darauf hin, dass es sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Gemeinschaften gibt: Während sie sich hinsichtlich der Beziehungsvorstellungen und -ressourcen sowie der gegenseitigen Unterstützung eher ähneln, unterscheiden sie sich tendenziell in Bezug auf die Stabilität und signifikant hinsichtlich der Monogamie einer Beziehung. Ein wesentlicher Unterschied besteht auch in der Kinderlosigkeit der meisten homosexuellen Lebensgemeinschaften. III. Homosexuelle Handlungen zwischen Männern wurden seit der Zeit des römischen Rechts mit schwerwiegenden Strafen – darunter der Todesstrafe – sanktioniert. Die durch § 175 StGB a. F. statuierte Strafbarkeit der „widernatürlichen Unzucht“, dessen Tatbestand in der NS-Zeit nochmals verschärft worden war, blieb in der Bundesrepublik bis 1969 erhalten. Da-

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5. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

nach wurde die Norm zu einem homosexualitätsspezifischen Jugendschutzdelikt umgestaltet und schließlich 1994 ganz aufgehoben. Die DDR strich eine vergleichbare Strafnorm schon 1989. Während der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Mitglieder stabiler verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften durch Analogieschluss oder Normerweiterung in den Anwendungsbereich einzelner Regelungen einbezogen, die nach ihrem Wortlaut bisher nur Ehegatten berücksichtigt hatten. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften blieben von dieser Entwicklung regelmäßig ausgeschlossen. Die Evangelische und die Römisch-Katholische Kirche lehnen eine rechtliche Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft wegen des besonderen Schutzes der Ehe und ihrer Konnexität zur Familie ab, schließen Einzelregelungen zugunsten gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften aber nicht aus. IV. Die europäische Grundrechtsordnung trifft zur rechtlichen Gestalt gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften im deutschen Recht keine Aussage. Auch der in den Verfassungen mehrerer Bundesländer enthaltene besondere Schutz nichtehelicher Lebensgemeinschaften und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zeitigt für das Bundesrecht keine Konsequenzen. Der Bundesgesetzgeber hat nur das Verfassungsrecht des Bundes zu beachten. V. In der 13. und 14. Legislaturperiode blieben zunächst mehrere Regelungsvorhaben zur Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften im Gesetzgebungsverfahren erfolglos. Mit der damaligen Mehrheit der Mitglieder der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurden vom Bundestag im Jahr 2001 schließlich das LPartDisBG und das LPartGErgG beschlossen. Beide Gesetze beruhten auf dem von beiden Fraktionen eingebrachten LPartG-E. Die Regelungen des Entwurfs wurden angesichts der zu erwartenden fehlenden Zustimmung des Bundesrates auf zwei Gesetze aufgeteilt, von denen das LPartGErgG die Bestimmungen enthielt, die der Zustimmung des Bundesrates bedurften. Der Bundesrat stimmte diesem Gesetz nicht zu; es konnte somit nicht in Kraft treten. Mit dem zum 1. August 2001 in Kraft getretenen LPartDisBG wurde erstmals ein eigenständiges Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften konstituiert. In seinen grundlegenden Strukturelementen – insbesondere im Namens- sowie im Unterhalts- und Erbrecht – ähnelte es der Ehe, wies aber im rechtlichen Detail auch eine Vielzahl von abweichenden Bestimmungen auf. Eine Reihe von Regelungsunterschieden zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wurde mit dem LPartÜG beseitigt, das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Außerdem wurde die Lebenspartnerschaft dort erstmals bei der Hinterbliebenenversorgung im Rahmen der gesetzlichen

B. Kapitel 2

735

Renten- und Unfallversicherung und im Beamtenrecht berücksichtigt sowie Lebenspartnern die Stiefkindadoption ermöglicht. Die Länder Bayern, Thüringen und Sachsen sahen das LPartDisBG als formell und materiell verfassungswidrig an und beantragten die Überprüfung des Gesetzes im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht sowie den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung. Nachdem schon der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit 5 : 3 Stimmen zurückgewiesen worden war, hielt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts auch im Hauptsacheverfahren mit gleichem Stimmenverhältnis die Regelungen des LPartDisBG für verfassungskonform. Insbesondere konnte die Mehrheit des Gerichts keine Verletzung des in Art. 6 I GG statuierten besonderen Schutzes der Ehe erkennen, da die Lebenspartnerschaft ein „aliud“ zur Ehe sei und Art. 6 I GG deshalb nicht gebiete, letztere besser zu stellen als die Lebenspartnerschaft. Auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sowie des verfassungsrechtlich geschützten Eltern- oder Erbrechts liege nicht vor.

B. Kapitel 2 Der verfassungsrechtlichen Untersuchung der Rechtsstruktur der Lebenspartnerschaft geht rechtsmethodisch die Frage voraus, ob de lege lata die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zugänglich sein könnte. I. Zwar ist die Verschiedengeschlechtlichkeit als eheliches Strukturmerkmal einfachgesetzlich nicht ausdrücklich normiert. Aus der Systematik eherechtlicher Normen ergibt sich jedoch, dass schon auf dieser Ebene die Ehe nur für Personenverbindungen von Mann und Frau zugänglich ist. II. Entscheidender Maßstab für die Zuordnung ehelicher Strukturmerkmale ist der besondere Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 I GG. Auf verfassungsrechtlicher Ebene definiert diese Norm den Begriff der Ehe nicht explizit. Die Auslegung des Wortlauts ergibt jedoch, dass sowohl im allgemeinen als auch im juristischen Sprachgebrauch der Begriff der Ehe nur für verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften verwandt wird. Der Parlamentarische Rat hat die Ehe im Verlauf seiner Beratungen ebenfalls nur als Verbindung von Mann und Frau verstanden. Insoweit besteht eine Kontinuität zum Verständnis der Ehe in der Weimarer Reichsverfassung. Aus systematischer Perspektive spricht der enge typologische Konnex zwischen Ehe und Familie dafür, nur Mann und Frau als Ehepartner anzusehen. Die Ehe enthält als ihr Potential die grundsätzliche Offenheit für Kinder. Die in zunehmendem Maße realisierten Möglichkeiten, als Ehepaar

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5. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

keine Kinder zu zeugen oder Kinder zu zeugen, ohne miteinander verheiratet zu sein, stellen angesichts ihres überschaubaren quantitativen Ausmaßes keinen tragfähigen Widerspruch zu einer solchen typologischen Einordnung der Ehe dar. Gegen die typologische Reproduktivität der Ehe sprechen auch nicht bestimmte Regelungen, in denen Gemeinschaften von Kindern und Erwachsenen familienrechtlich eingeordnet werden, die nicht die biologischen Eltern sind. Die Ehe dient aus typologischer Sicht der Freiheitsentfaltung der Ehegatten, der individuellen und sozialen Stabilisierung sowie der reproduktiven Erweiterung zur Familie. Alle Funktionselemente stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Die reproduktive Funktion der Ehe leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung zukünftiger Generationen und damit zur generativen Kontiniuität des deutschen Volkes als Träger der Volkssouveränität. Die Verschiedengeschlechtlichkeit gehört deshalb zum Wesensmerkmal der in Art. 6 I GG geschützten Ehe. III. Gegen dieses Strukturmerkmal spricht auch nicht ein etwaiger Verfassungswandel. Wesensmerkmale von Rechtsinstituten wie der Ehe, die durch eine verfassungsrechtliche Institutsgarantie vor einer einfachgesetzlichen Umgestaltung geschützt sind, können allein durch eine Veränderung sozialer Realitäten nicht modifiziert werden. Die Institutsgarantie des Art. 6 I GG entfaltet diesbezüglich eine institutionell retardierende Wirkung. Außerdem ist der rechtliche und soziale Wandel der Gestalt von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft nicht so stark, dass die grundlegende Kontinuität des Zusammenhangs von Ehe und Familie aufgelöst wäre.

C. Kapitel 3 Weil zu den verfassungsrechtlich vorgegeben Merkmalen der Ehe die Verschiedengeschlechtlichkeit gehört, schließt sich daran die Frage an, ob ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geschaffen werden kann und welchen konkreten Ausgestaltungsmaßstab die Verfassung vorgibt. I. Die Konstituierung eines eigenen Rechtsinstitutes für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und deren Ausgestaltung berühren sowohl die abwehrrechtliche Dimension der Eheschließungsfreiheit als auch die Institutsgarantie der Ehe und die objektive Wertentscheidung der Verfassung zu ihren Gunsten. 1. Die Eheschließungsfreiheit steht im Mittelpunkt der Problematik, wie das zeitliche Verhältnis von Ehe und Lebenspartnerschaft aus verfassungs-

C. Kapitel 3

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rechtlicher Sicht konturiert ist und ob ein Grundrechtsberechtigter zugleich Mitglied beider Rechtsinstitute sein könnte. Ausgangspunkt der grundrechtlichen Lösung ist die Feststellung, dass die Eheschließungsfreiheit gemäß Art. 6 I GG nicht die Möglichkeit umfasst, eine Lebenspartnerschaft zu begründen. Das Recht, eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft einzugehen, ist Bestandteil des Schutzbereichs der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG. Die Eheschließungsfreiheit ist allerdings hinsichtlich ihrer Schutzintensität stärker als die allgemeine Handlungsfreiheit: Deren Schutzbereich wird durch den des spezielleren Art. 6 I GG verdrängt. Bei kollidierenden Grundrechten verschiedener Grundrechtsträger schränkt die Eheschließungsfreiheit als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung das Grundrecht aus Art. 2 I GG ein. Der generelle Verzicht auf die Eheschließungsfreiheit ist nicht möglich. Die zeitliche Simultaneität von Ehe und Lebenspartnerschaft ist deshalb ebenso wie der Vorrang der Lebenspartnerschaft bei gleichzeitiger Nichtigkeit der Ehe ex tunc eine Verletzung der Eheschließungsfreiheit. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist dagegen umgekehrt eine institutionelle Vorrangstellung der Eheschließung bei Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft ex tunc. Die Eheschließung kann überdies als Hindernis der Begründung einer Lebenspartnerschaft normiert werden, nicht jedoch umgekehrt die Lebenspartnerschaft als Ehehindernis. 2. Die aus Art. 6 I GG abgeleitete Institutsgarantie der Ehe verstärkt den abwehrrechtlichen Schutz der Eheschließungsfreiheit auf institutioneller Ebene. Sie sichert die wesentlichen Strukturmerkmale der Ehe gegen einfachgesetzliche Beseitigung oder Veränderung. Zu diesen Strukturmerkmalen gehört auch die Verschiedengeschlechtlichkeit. Zum Verhältnis der Ehe zu Rechtsinstituten nur des einfachgesetzlichen Rechts trifft die Institutsgarantie unmittelbar keine grundrechtliche Aussage. Die Institutsgarantie selbst schützt die Ehe nur passiv vor gesetzgeberischen Veränderungen dieses Rechtsinstituts. Der Maßstab für die Ausgestaltung eines Rechtsinstituts außerhalb der Ehe ist dagegen die objektive Wertentscheidung des Art. 6 I GG zugunsten von Ehe und Familie. Aus der Verfassungsgarantie der Ehe folgt kein Institutionalisierungsverbot für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. 3. Die objektive Wertentscheidung des Grundgesetzes für Ehe und Familie beinhaltet neben der staatlichen Verpflichtung, diese Rechtsinstitute vor Eingriffen Dritter zu schützen, auch die Pflicht, sie zu fördern und nicht zu benachteiligen. Außerdem strahlt sie auf die Auslegung und Anwendung einfachen Gesetzesrechts zugunsten beider Rechtsinstitute aus. Diese Rechtswirkungen sind schon Konkretisierungen des Wortlauts des Art. 6 I GG, der für Ehe und Familie den besonderen Schutz des Staates

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5. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

statuiert. Verfassungsdogmatische Ansätze lassen sich auch bei der Weimarer Reichsverfassung und den grundrechtlichen Überlegungen des Parlamentarischen Rates finden. Darüber hinaus sind sie Bestandteil des jedem Grundrecht immanenten objektiv-rechtlichen Gehalts. Schließlich leisten sie einen Beitrag, die aus Art. 6 I GG ableitbare zweifache Erwartung des Verfassungsgebers gegenüber den Grundrechtsträgern, dass diese heiraten und Kinder zeugen, zu realisieren. Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung begrenzt den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Die Garantie bestimmter Rechtsinstitute im Grundgesetz hat Auswirkungen auf die Reichweite der objektiven Wertentscheidung: Sie gilt ausschließlich für die von der Institutsgarantie umfassten Rechtsinstitute (Selektionsfunktion), sie verfestigt die Wertentscheidung gegen Veränderungen (Tradierungsfunktion) und intendiert die herausgehobene Rolle dieser Institute in der gesamten Rechtsordnung (Abbildungswirkung). Schon der im Grundgesetz singuläre Begriff des besonderen Schutzes von Ehe und Familie kann als Hinweis auf die spezifische Bedeutung der Wertentscheidung für das abgestufte Verhältnis zwischen diesen Rechtsinstituten einerseits und anderen, nur einfachgesetzlich institutionalisierten Objektivationen andererseits interpretiert werden. Die Wortbedeutung ist aber auch für alternative Auslegungen offen. Aus den Debatten bei der Beratung des Grundgesetzes in den Ausschüssen des Parlamentarischen Rates lassen sich ebenfalls Ansätze einer verfassungsrechtlichen Differenzierung zwischen den Rechtsinstituten gewinnen, welche die besondere Bedeutung von Ehe und Familie für den Einzelnen und die Gesellschaft widerspiegeln. Entscheidend für die Annahme eines Abbildungsgebotes spricht die systematische Analyse des die verfassungsrechtliche Wertentscheidung konkretisierenden Benachteilungsverbots und der Förderverpflichtung. Beide Ausprägungen besitzen einen auf Rechtsinstitute bezogenen relationalen Vergleichsmaßstab. Aus der Verpflichtung, Ehe und Familie zu fördern, ergibt sich, dass sie gegenüber anderen Rechtsgemeinschaften des Familienrechts besser gestellt werden müssen. Der diesbezügliche weite Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die spezifische funktionale Typik der Konnexität von Ehe und Familie betroffen ist. Die Wertentscheidung für Ehe und Familie gestattet dem Gesetzgeber zwar, ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu konstituieren, nicht aber, das familienbezogene Substrat der Ehe auf dieses Institut zu übertragen. Insofern besteht ein aus der staatlichen Förderverpflichtung abgeleitetes Differenzierungsgebot der Verfassung. Soweit Gestaltungsmerkmale verschiedengeschlechtlicher Gemeinschaften, die auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften typisch sein können, auf diese übertragen werden, bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

C. Kapitel 3

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II. Aus dem durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG gewährleisteten Recht, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben, kann kein Anspruch auf die Konstituierung eines Rechtsinstituts für diese Gemeinschaften abgeleitet werden. Dieses Grundrecht gebietet auch nicht in Teilbereichen die konkrete Angleichung ihrer einfachgesetzlichen Gestaltung an das Eherecht. Vergleichbares gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. III. Der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften von der Ehe ist eine doppelte geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Das Verbot des Art. 3 III 1 GG ist allerdings auf die durch die Institutsgarantie verfassungsrechtlich gesicherten Strukturmerkmale der Ehe nicht anwendbar, weil Art. 6 I GG in einem Spezialitätsverhältnis zu Art. 3 III 1 GG steht. Eine etwaige Ungleichbehandlung zwischen homo- und heterosexuellen Männern bzw. Frauen aufgrund der sexuellen Orientierung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Zwar werden typischerweise Homosexuelle – anders als heterosexuelle Personen – keine Ehe mit einem Partner des anderen Geschlechts eingehen. Art. 6 I GG geht aber als besonderer Gleichheitssatz dem Art. 3 I GG vor. Ähnliche Überlegungen gelten im Ergebnis für die Problematik, ob verschiedengeschlechtlichen Paaren, die nicht verheiratet sind, aber heiraten könnten, wegen des Gleichheitssatzes der Zugang zu einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gewährt werden muss. Zwar liegt eine Differenzierung aufgrund des Geschlechts vor. Verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften steht aber der Zugang zur Ehe offen. Wird sie nicht gewählt, fehlt typologisch der Wille, sich institutionell gegenseitig zu binden. Art. 6 I GG mit dem ehelichen Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit ist in diesem Fall die gegenüber Art. 3 III 1 GG speziellere Verfassungsnorm. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG ist ebenfalls nicht verletzt. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber nicht, das Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ehegleich auszugestalten. Bei der Differenzierung zwischen deren Mitgliedern und Ehegatten liegt keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 III 1 GG vor, weil die Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Ehe ein Differenzierungsgebot enthält. Es besteht kein Anspruch aus Art. 3 I GG auf Konstituierung eines solchen Rechtsinstituts, weil es ansonsten implizit am verfassungsrechtlichen Schutz der Institutsgarantie der Ehe teilnähme. Hinsichtlich der Ausgestaltung ist die im Grundgesetz enthaltene Wertentscheidung zugunsten der Ehe

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5. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

das sachgerechte Differenzierungskriterium zwischen der Ehe und einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Eine Verletzung von Art. 3 I GG liegt aber vor, wenn eheähnliche und nichtinstitutionalisierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit vergleichbarer innerer Bindung differenziert behandelt werden und die Ungleichbehandlung nicht mit der unterschiedlichen typologischen Familienbezogenheit beider Verbindungen begründet werden kann.

D. Kapitel 4 I. Die formelle Verfassungsmäßigkeit des LPartDisBG ist mit dem Hinweis angegriffen worden, eine Aufteilung des zugrunde liegenden Regelungsvorhabens sei nicht möglich. Grundsätzlich steht die Verfassung der Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens in mehrere Einzelgesetze nicht entgegen. Die in Art. 84 I GG enthaltene verfassungsrechtliche Grenze des aus der Volkssouveränität abgeleiteten legislativen Gestaltungsspielraums wird aber dann überschritten, wenn das in Kraft getretene Gesetz durch die Länder keine Außenwirkung entfaltet oder nicht mehr vollziehbar ist. Die Abgrenzung zwischen Gesetzesinitiativen, die vor der Stellungnahme des Bundesrates (aktiv) oder nach ihr (reaktiv) aufgeteilt werden, ist für die Aufteilungsbefugnis selbst ohne Relevanz. Die Aufteilung in das LPartDisBG und LPartGErgG war nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die dem Bundestag zur Abstimmung vorliegende Fassung des Art. 1 § 1 III, IV LPartDisBG einen Verweis auf den Standesbeamten als Behörde enthielt und damit eine vermeintliche Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates nach Art. 84 I GG a. F. ausgelöst worden wäre. Art. 1 § 1 III, IV LPartDisBG ist im Wege des Berichtigungsverfahrens nach § 61 III GGO rechtmäßig korrigiert worden. Eine offenbare Unrichtigkeit, die in einer Erklärungsdifferenz zwischen dem legislativen Willen und der zur Abstimmung stehenden Fassung des Gesetzes besteht, lag vor. Dieses ergibt sich aus einer Gesamtschau des Gesetzgebungsverfahrens. Soweit in einzelnen Normen des LPartDisBG nur auf eine „zuständige Behörde“ verwiesen wird, ohne diese näher zu konkretisieren, fehlt es nicht an der Vollziehbarkeit dieser Regelungen durch die Länder. Die Zuordnung der Behördenzuständigkeit liegt in ihrem Gestaltungsermessen: Sie können den Standesbeamten für zuständig erklären, müssen dies aber nicht tun. Auch die Sinneinheit innerhalb der Regelungsstruktur der Lebenspartnerschaft ist gewahrt. Die Konstituierung einer gegenseitigen Unterhaltspflicht bedingt nicht deren steuerrechtliche Privilegierung wie bei der Ehe.

D. Kapitel 4

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Das LPartDisBG erweist sich insgesamt als formell verfassungsgemäß. II. Die konkreten Regelungen zur Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft sind materiell am Maßstab der grundgesetzlichen Freiheitsrechte und Gleichheitssätze zu messen. 1. Die Konstituierung der Lebenspartnerschaft verletzt nicht Art. 6 I GG. Die Statuierung der Lebenspartnerschaft als Ehehindernis verletzt dagegen die Eheschließungsfreiheit. Die Lebenspartnerschaft ist bei Eheschließung ex tunc nichtig. Die Registrierung der Lebenspartnerschaft durch eine staatliche Behörde, die in einem formalisierten Verfahren vorgenommen wird, verstößt nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe. Die Begründung der Lebenspartnerschaft kann ohne verfassungsrechtliche Bedenken vor dem Standesbeamten vorgenommen sowie ein Lebenspartnerschaftsbuch angelegt werden. Das Recht der Eheleute, einen gemeinsamen Namen zu wählen, besitzt einen typologischen Bezug zur Familie. Die vergleichbare Regelung für Lebenspartner ist daher verfassungswidrig, weil das aus Art. 6 I GG abgeleitete Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe einschlägig ist. Ein Lebenspartner kann wegen des Bezugs zur Familie als Gemeinschaft mit Kindern nicht generell Familienangehöriger des anderen Lebenspartners sein. Die in § 11 I LPartG gesetzlich statuierte Anwendung der den Familienangehörigen betreffenden Rechtsnormen auf Lebenspartner ist allerdings verfassungsrechtlich möglich. Die in § 11 II LPartG getroffene Regelung, zwischen den Verwandten des einen Lebenspartners ein Schwägerschaftsverhältnis zum anderen Lebenspartner zu konstituieren, ist ebenfalls verfassungsgemäß. Ein gegenseitiger Unterhaltsanspruch für Lebenspartner ist vom Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe nicht umfasst, solange er sich nicht auf den Familienunterhalt des § 1360 S. 1 BGB bezieht. Die ehegattengleiche Ausgestaltung der Unterhaltsansprüche bei getrennt lebenden Lebenspartnern ist verfassungskonform. Die grundsätzliche Statuierung nachpartnerschaftlichen Unterhalts durch § 16 LPartG verletzt zwar die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten der Ehe nicht. Die in § 16 I LPartG n. F. statuierte entsprechende Anwendung der das gemeinschaftliche Kind der Ehegatten betreffenden Normen für Lebenspartner ist dagegen verfassungswidrig, weil diese Regelungen wegen ihrer familienbezogenen Funktion nicht auf Lebenspartner übertragen werden dürfen. Die Übernahme der ehespezifischen Regelungssystematik des Güterrechts und die Einführung des Versorgungsausgleichs für Lebenspartner sind verfassungsgemäß, weil diese Regelungen Konkretisierungen der Ehe als Verantwortungsgemeinschaft darstellen. Insofern besteht kein notwendiger

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5. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenhang zum Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit. Durch die Einführung des Versorgungsausgleichs werden auch nicht die Grundrechte des Lebenspartners, der während der Lebenspartnerschaft Versorgungsanwartschaften erworben hat, aus Artt. 14 I, 2 I GG verletzt. Die Statuierung eines Eintrittsrechts des überlebenden Lebenspartners in den Mietvertrag verstößt nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe. Dagegen ist die entsprechende Anwendung der Regelung über die eheliche Schlüsselgewalt in § 1357 BGB auf die Lebenspartnerschaft verfassungswidrig, weil dort das Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe einschlägig ist. Im Einzelfall ist die Einsetzung von Lebenspartnern als Pflegeeltern im Rahmen der Familienpflege verfassungsrechtlich möglich. Das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG ist nicht einschlägig. Auch das Elternrecht der natürlichen Eltern nach Art. 6 II 1 GG und das Recht des Kindes auf Familieneinheit nach Art. 6 I GG ist nicht schon deshalb verletzt, weil Kinder bei Lebenspartnern zur Pflege aufwachsen. Eine generelle Kindeswohlgefährdung kann diesbezüglich nicht unterstellt werden. Regelungen, die es Lebenspartnern ermöglichen, ein minderjähriges Kind gemeinschaftlich oder im Rahmen der Stiefkindadoption zu adoptieren, verletzen das Art. 6 I GG entnommene Gebot, im Verhältnis zu anderen familienrechtlichen Instituten zugunsten von Ehe und Familie zu differenzieren. Dagegen wird durch diese Bestimmungen nach verfassungskonformer Auslegung noch nicht gegen das Elternrecht aus Art. 6 II 1 GG, das Recht des Kindes auf seine Eltern nach Art. 6 I GG und die Institutsgarantie der Familie verstoßen. Eine generelle Kindeswohlgefährdung kann auch hier nicht angenommen werden. Das durch § 9 LPartG statuierte Recht auf Alltagsmitsorge und das Notvertretungsrecht des Lebenspartners verstoßen dagegen nicht gegen das Differenzierungsgebot des Art. 6 I GG. Auch eine Verletzung des Elternrechts des allein sorgeberechtigten Elternteils liegt nicht vor, weil selbst bei Annahme eines Grundrechtseingriffs dieser wegen des Kindeswohls verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre. In das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils und das Recht des Kindes auf Erziehung durch die Eltern wird nicht eingegriffen: Wenn die Sorge für das Kind einem Elternteil nicht (mehr) zugeordnet wird, kann die danach erfolgte Zuordnung zu einer dritten Person kein eigenständiger Eingriff in seine Grundrechte sein. Die Testierfreiheit sowie die Privat- und Verwandtenerbfolge sind Wesensmerkmale des durch Art. 14 I 1 GG verfassungsrechtlich gesicherten Rechtsinstituts des Erbrechts. Die Statuierung eines gesetzlichen Erbrechts für Lebenspartner schränkt die Testierfreiheit des Lebenspartners nicht ein, weil es Ausdruck der Privaterbfolge des Erbrechts ist. Dagegen verstößt die

D. Kapitel 4

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Einräumung eines Pflichtteilsanspruchs für Lebenspartner gegen die Testierfreiheit. Das ebenfalls in Art. 14 I 1 GG geschützte Recht der Verwandten, zu erben, ist allerdings nicht berührt, weil eine konkrete Erbaussicht nicht grundrechtlich geschützt ist. Die zivilprozessualen Normen, in denen die Lebenspartnerschaft neben der Ehe Berücksichtigung gefunden hat, sind grundsätzlich verfassungsgemäß, weil dort die Ehe nicht als potentielle Familie geschützt wird. Einzige Ausnahme ist der zivilprozessuale Bezug der Lebenspartnerschaft zu gemeinschaftlichen Kindern. Hier entfaltet das Differenzierungsgebot eine Sperrwirkung für die Übertragung dieser Regelungen auf die Lebenspartnerschaft. Im Straf- und Strafprozessrecht können Ehe und Lebenspartnerschaft in gleicher Weise geschützt werden, weil dort dem Näheverhältnis zwischen Personen Rechnung getragen wird. Die geplante Übernahme des Ehegatten-Splittingverfahrens für Lebenspartner in der Form eines fiktionalen Unterhaltssplittings verstößt gegen den besonderen Schutz der Ehe, weil das Differenzierungsgebot zugunsten dieses Rechtsinstituts eine Übertragung der Regelung auf Lebenspartner verhindert. Das Splittingverfahren dient nämlich der steuerlichen Belastungsminderung für Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit im Rahmen der Ehe und ist daher Ausdruck des verfassungsrechtlichen Schutzes durch Art. 6 I GG. Wegen der bei der Lebenspartnerschaft typischerweise fehlenden Kinder kann das Splittingverfahren dort nicht übernommen werden. Die typisierte steuerliche Berücksichtigung realer Unterhaltsleistungen zwischen den Lebenspartnern und deren Abzugsfähigkeit wäre dagegen vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ebenso umfasst wie die steuerliche Gleichbehandlung von ehelichen und lebenspartnerschaftlichen Unterhaltsansprüchen bei Getrenntleben und nach Scheidung bzw. Aufhebung von Ehe oder Lebenspartnerschaft. Auch im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sowie im Grunderwerbsteuerecht wäre eine Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft möglich. Im Steuerrecht dürfen überdies Ehegatten gegenüber Lebenspartnern nicht benachteiligt werden. Die beitragsfreie Familienversicherung im Rahmen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für Lebenspartner verletzt die allgemeine Handlungsfreiheit der beitragsverpflichteten Arbeitnehmer in unverhältnismäßiger Weise, weil das sozialversicherungsrechtliche Prinzip der Globaläquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung und das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht mehr gewahrt sind. Der Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip intendiert auch eine Verletzung der Wettbewerbsfreiheit als konkretisierte Berufausübungsfreiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 I 1 GG. Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit des Arbeit-

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5. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

gebers gemäß Art. 14 I 1 GG wegen einer die Kosten der Familienversicherung für Lebenspartner kompensierenden Erhöhung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbelastungen ist denkbar, wegen der geringen Zahl der Lebenspartnerschaften aber gegenwärtig nicht gegeben. Eine Pflichtversicherung für bestimmte Berufsgruppen und ihre Lebenspartner in der gesetzlichen Unfallversicherung ist zwar ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Pflichtversicherten nach Art. 2 I GG. Dieser Eingriff ist aber als verhältnismäßiger Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung gerechtfertigt, weil damit der durch die Mitarbeit der Lebenspartner erfolgten Einbeziehung in die berufsgruppenbezogene Risikosphäre Rechnung getragen wird. Das Differenzierungsgebot zugunsten der Ehe ist nicht einschlägig. Durch die Einbeziehung der Lebenspartner in die bisher nur Ehegatten und Waisen vorbehaltene Hinterbliebenenversorgung wird die allgemeine Handlungsfreiheit der in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Beitragszahler verletzt, weil damit gegen das sozialversicherungsrechtliche Äquivalenzprinzip und das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoßen wird. Ebenso liegt eine Verletzung der Wettbewerbsfreiheit des Arbeitgebers vor, weil die Belastungserhöhung der Personalzusatzkosten unverhältnismäßig ist. Die Eigentumsfreiheit des Arbeitgebers ist dagegen nicht verletzt. Die Gleichstellung von Ehegatten und Lebenspartnern bei der Arbeitsförderung im Rahmen der SGB II und III, im Sozialhilferecht sowie im Bundesversorgungsgesetz ist verfassungskonform. Der typologische Familienbezug der Ehe ist nicht berührt, so dass das Differenzierungsgebot zugunsten von Ehe und Familie nicht einschlägig ist. Die Einbeziehung des Lebenspartners in den ausländerrechtlichen Familiennachzug, beim besonderen Ausweisungsschutz und im Staatsangehörigkeitsrecht ist ebenfalls verfassungsgemäß. Die Ehe wird dort jeweils nicht vorrangig als potentielle Familie geschützt, so dass ein Differenzierungsgebot insofern nicht eingreift. Die eingeschränkte Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft beim finanziellen Nachteilsausgleich und in der Bundeslaufbahnverordnung im Rahmen des Beamtenrechts verstößt nicht gegen den besonderen Schutz der Ehe in Art. 6 I GG. Eine bisher nicht erfolgte Gleichstellung beider Rechtsinstitute im beamtenrechtlichen Versorgungssystem ist nicht verfassungsrechtlich geboten. 2. Der gesetzliche Ausschluss der Vertrauens- und Beistandsgemeinschaften, denen die Ehe nicht offen steht, von der Lebenspartnerschaft ist eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG. Die Sexual-

E. Resümee

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gemeinschaft gleichgeschlechtlich orientierter Personen ist kein sachgerechtes Differenzierungskriterium für den Zugang zu diesem Rechtsinstitut. Es besteht kein gleichheitsrechtlicher Anspruch auf Gleichbehandlung von Lebenspartnern mit Ehegatten in den Bereichen, in denen letztere bisher besser als andere Lebensgemeinschaften gestellt sind. Art. 6 I GG vermittelt dem Gesetzgeber insofern eine Differenzierungsermächtigung. Wegen des aus Art. 6 I GG abgeleiteten Benachteiligungsverbotes dürfen eheähnliche Gemeinschaften nicht besser gestellt sein als Ehen. Ferner müssen aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften wie eheähnliche Gemeinschaften behandelt werden und dürfen ebenfalls nicht gegenüber der Ehe privilegiert werden.

E. Resümee Die Untersuchung hat gezeigt, dass die bestehende Regelungsstruktur der Lebenspartnerschaft in verschiedenen Rechtsbereichen nicht mit dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe in Übereinstimmung steht. Die einfachgesetzliche Gestaltung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist damit nicht nur ein eindrucksvolles Beispiel für die verfassungsrechtliche Umdeutung der institutionellen Teilhabe an ehebezogenen Privilegierungen in die vermeintliche Beendigung einer angeblich bestehenden Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Sie ist umso bedenklicher, als die Mehrheit des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit ihrem Urteil zum LPartDisBG keinen stringenten Maßstab für die Verhältnisbestimmung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft aufzeigt und damit die bewusste und zukunftsfähige Entscheidung des Grundgesetzes für Ehe und Familie weitgehend ausblendet. Der verfassungsrechliche Streit um die Lebenspartnerschaft ist letztlich ein Indikator für den sich auflösenden Konsens hinsichtlich des Bedeutungszusammenhangs von Ehe und Familie. Wenn der Konnex zwischen Ehe und Familie nur noch undeutlich wahrgenommen wird, ist es nahezu unmöglich, die große gesellschaftliche Bedeutung beider Rechtsinstitute und ihre Bevorzugung in der Rechtsordnung zu begründen. Ohne die Stärkung von Ehe und Familie wird aber ein freiheitlicher Staat nicht zukunftsfähig sein. Art. 6 I GG verpflichtet zu dieser Stärkung.

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Sachwortverzeichnis Abbildungsgebot 323, 325, 333, 336, 340, 349, 352 ff., 360, 400, 408, 456, 462, 543, 631, 635, 738 Abstandsgebot 70, 281, 330, 352 f., 454 f., 462 Adoption 70, 94, 102, 106 f., 109 f., 114, 145, 156, 159 ff., 354, 472, 477, 484, 491, 497, 520 f., 523 f., 532 f., 539 ff., 563 f., 567, 606, 735, 742 – allgemeines Persönlichkeitsrecht des Kindes 557 – Differenzierungsgebot 541 ff., 561, 742 – Einwilligung 540, 543 ff., 557 – Elternrecht 520 f., 543 ff., 555 f., 561, 742 – gemeinschaftliche Adoption 70, 159, 160 ff., 164 f., 354, 484, 540 ff., 553 f., 606, 742 – Kindeswohl 540 ff., 546 ff., 567, 742 – Schutz der Familie 556 ff., 560 f., 742 – Stiefkindadoption 103, 106, 114, 159 f., 165 f., 354, 472, 477, 497, 524, 540 ff., 547 ff., 554 ff., 563, 567, 725, 735, 742 – Stigmatisierung und Diskriminierung des Kindes 163 f., 553 f., 556 – Wächteramt, staatliches 546 f., 555 Äquivalenzprinzip 650 ff., 676 ff., 743 allgemeine Handlungsfreiheit 41, 58, 171 f., 184, 210 ff., 377 ff., 247, 251, 350, 370, 376 ff., 404, 487, 508 f., 512, 515, 526, 535 f., 646 ff., 663 ff., 675 ff., 683 f., 737, 739 allgemeines Persönlichkeitsrecht 41, 64, 122, 197, 210, 214, 374 ff., 380,

382 ff., 395, 469 f., 526, 535 ff., 557, 739 Angehöriger siehe Lebenspartnerschaft, Straf- und Strafprozessrecht Arbeitsförderung 684 ff., 731 f., 744 – Bedarfsgemeinschaft 686 ff., 732 – Regelungen des SGB II 686 ff., 731 f., 744 – Regelungen des SGB III 684 ff., 744 – Unterhalt 685 f., 688 Aufteilung von Gesetzesvorhaben 115, 118 f., 419 ff., 740 – aktive und reaktive Aufteilung 431 ff., 434 f., 740 – Bundestreue 428 – Gebot der Folgerichtigkeit 449 f. – Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestags 432 f., 435 – Gesetzesinitiative der Bundesregierung 431 f., 435 – Gestaltungsspielraum 420 ff., 424 f., 427, 432, 434, 453 – Mitverantwortung 423 – Sinneinheit 429 f., 435, 449 ff., 740 – Volkssouveränität 420 f., 424, 434, 740 – willkürliche Aufteilung 118 f., 427 ff., 452 Ausgleichsgemeinschaft siehe Güterrecht Ausländerrecht 104, 106, 112, 447 f., 693 ff. – Ausweisung 703 ff., 744 – Familiennachzug 694 ff., 744 Ausstrahlungswirkung siehe Wertentscheidung

Sachwortverzeichnis Ausweisung 703 ff., 744 Beamtenrecht 104, 106 f., 112, 114, 277 ff., 420, 450, 708 ff., 744 – Alimentation 714 ff. – Beihilfe 714 ff. – Besoldung 104, 709, 714, 716 f., 730 f. – Bundeslaufbahnverordnung 710, 713 f., 744 – Gleichheitssatz 714, 716 f., 730 f. – hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums 714 f. – Nachteilsausgleich 711 ff. Bekämpfungsgebot 348 f. Benachteiligungsverbot siehe Wertentscheidung Berichtigung von Gesetzen 115, 118, 435 ff., 740 – offenbare Unrichtigkeit 438 ff., 442 ff. – Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums 437 Berufsausübungsfreiheit siehe Familienversicherung, Hinterbliebenenversorgung, Krankenversicherung, Rentenversicherung besonderer Gleichheitssatz siehe Gleichheitssatz Bundesversorgungsgesetz 690 ff., 744 demographische Situation 41 ff., 733 – Ehe 42 f., 733 – gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft 44 ff., 733 – Kinder 44, 48 f., 733 – nichteheliche Lebensgemeinschaft 43 f., 46 ff., 733 Differenzierungsgebot 352 ff., 371, 406, 408, 455 f., 462, 470, 475, 484, 495, 501, 505 f., 515, 519 f., 539, 541 ff., 561, 563 f., 574, 593, 607, 611, 615, 625, 630 f., 634 f., 667 f.,

783

670 f., 673, 682, 684 ff., 689, 699 ff., 707, 711, 713, 738 f., 741 ff. Diskriminierungsverbot 87 ff., 99 f., 388 ff., 394 ff., 413 Ehe, kirchliche 71, 141, 153, 463 f. eheähnliche Gemeinschaft 65 ff., 197, 203, 209, 415 ff., 472, 474, 518, 623, 636, 640, 688 f., 719, 724, 731 f., 740, 745 Ehegattennachzug siehe Ausländerrecht, Familiennachzug Ehegattensplitting siehe Steuerrecht Ehegestaltungsfreiheit 144, 205 f., 235 ff., 287, 314, 360, 456, 503 f., 619, 621 Eheschließungsfreiheit 82 ff., 96 f., 119, 205 ff., 235 ff., 287, 301, 314, 360, 370, 372 f., 395, 456 f., 534, 736 f., 740 – negative Eheschließungsfreiheit 219, 719 Eigentumsfreiheit 267 ff., 506 ff., 658 ff., 680 ff., 743 f. Einkommensteuer 103 f., 338, 617 ff., 730, 743 Einrichtungsgarantien – Abwehrrecht 235 ff., 737 – akademische Selbstverwaltung 252 ff., 280, 362 – Ausgestaltung 233 ff., 318 – Berufsbeamtentum 276 ff., 280 – deutsche Staatsangehörigkeit 271 ff., 280 – Ehe 119 f., 125 f., 146 f., 150 ff., 183, 192 ff., 202, 206, 208 f., 216, 218, 229 ff., 296 f., 300, 305, 346 f., 394, 396 f., 400, 405, 409 ff., 417, 456, 460 f., 477, 682 f., 736 ff. – Eigentum 151 f., 267 ff., 280, 296, 579, 585 – Elternrecht 525 – Erbrecht 151 f., 267, 269 f., 280, 578 ff.

784

Sachwortverzeichnis

– kommunale Selbstverwaltung 274 ff., 280 – Parlamentarischer Rat 243 – Presse 248 ff., 280 – Privatautonomie 247, 280 – Privatschule 258 ff., 280, 365 – Religionsunterricht 256 ff., 280 – Rundfunk 248 ff., 280, 381 – Singulargarantie 237 ff. – Tarifautonomie 261 ff., 280 – Weimarer Reichsverfassung 230 ff. – wissenschaftliche Hochschule 252 ff., 280, 362 f., 381 Elternrecht 120, 177, 520 f., 523 ff., 543 ff., 558, 561, 564 ff. – allgemeines Persönlichkeitsrecht der Eltern 537, 558 f. – allgemeines Persönlichkeitsrecht des Kindes 526, 535 ff., 557 – Elternverantwortung 525 f., 531, 571 – Grundrechtsträger 521, 524, 529, 532 – Grundrechtsverzicht 544 ff. – Kindeswohl 526 ff., 535, 537 ff., 546, 558 f. – Wächteramt, staatliches 527 ff., 535, 537 ff., 546 f., 559, 565 Erbrecht, gesetzliches 65 f., 70, 103, 109, 112, 115, 120, 574 ff., 632, 639, 721, 734, 742 f. – Grundrechte potentieller Erben 597 ff., 743 – Intestat 580 – Pflichtteil 65, 109, 115, 117, 120, 575, 578, 581 f., 584 ff., 587 ff., 632, 721, 727, 742 f. – Pflichtteilsentziehungsgründe 582, 589 – Privaterbfolge 580 f., 742 – Schutz von Ehe und Familie 584 ff. – Testierfreiheit 578 ff., 742 f. – Unterhalt 587 f., 592, 596 – Verwandtenerbfolge 575 f., 581 ff. – Zugewinnausgleich 576

Erbschaft- und Schenkungsteuer 632 ff. Ersatzzustellung 475, 601 ff. Europarecht 40, 58 f., 75 ff., 734 – Achtung des Privat- und Familienlebens 92 ff., 97 – Diskriminierungsverbot 87 ff., 97 – Eheschließungs- und Familiengründungsfreiheit 82 ff., 97 – Europäisches Parlament 40, 81 f. – Verhältnis zum deutschen Grundrechtsschutz 75 ff. Evangelische Kirche in Deutschland 68 ff., 734 Familie 74, 82 ff., 94 ff., 135 ff., 139 f., 148 ff., 166, 168 ff., 176 ff., 182 ff., 193, 198 ff., 218, 235 ff., 280, 281 ff., 290 ff., 298 ff., 313 ff., 325 ff., 369 ff., 455, 461, 468, 470, 473 ff., 483 ff., 503, 517, 520 ff., 531 ff., 556 ff., 563, 572 ff., 593, 595, 601 ff., 606 ff., 613 f., 622 ff., 640, 657 f., 674, 697 ff., 706 f., 713, 723, 733 ff. Familienangehöriger 65 f., 103, 470 ff., 509 ff., 601 ff., 610, 634, 642, 698, 700, 741 Familiengründungsfreiheit 82 ff., 522, 534 Familiennachzug 104, 694 ff., 744 Familienpflege 154 ff., 158, 519 ff., 540 f., 547, 557 ff., 742 – allgemeines Persönlichkeitsrecht des Kindes 526, 535 ff. – Differenzierungsgebot 519 f., 539, 742 – Elternrecht 520 f., 523 ff., 742 – Kindeswohl 526 ff., 535, 537 ff., 742 – Schutz der Familie 520 ff., 531 ff., 742 – Wächteramt, staatliches 527 ff., 535, 537 ff.

Sachwortverzeichnis Familienversicherung 643 ff., 721, 728, 743 f. – Äquivalenzprinzip 650 ff., 661, 743 – allgemeine Handlungsfreiheit 646 ff., 743 – Berufsausübungsfreiheit 654 ff., 661, 743 – Eigentumsfreiheit 658 ff., 661, 743 f. – Unterhalt 651 f. – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 652 ff., 661, 743 Förderverpflichtung siehe Wertentscheidung Geschlechtsgemeinschaft 139, 141, 172, 175 ff., 182, 222, 224, 241 f., 244, 287, 342, 368, 374 f., 383, 410 f., 481, 671, 701, 723 f., 728 f., 744 f. Geschwister 116, 120 f., 610, 612, 616, 718 f., 721 f., 724 ff. Gleichberechtigung in der Ehe 136, 195, 481, 507, 512 f., 619 Gleichheitssatz – Ausschluss von Verwandten 718 ff. – Begründungsverbot 389 – besonderer Gleichheitssatz 291, 387, 395 f., 413, 451, 719, 739 – doppelte Ungleichbehandlung 91, 391 ff., 396 ff., 400, 409, 719 – Geschlechtsmerkmal 387 ff., 397 f., 403, 407 ff. – sexuelle Orientierung 390, 395 ff., 403, 719, 744 f. Grunderwerbsteuer siehe Steuerrecht Grundrechtsverzicht 212 ff., 224, 544 ff. Güterrecht 498 ff., 741 – Ausgleichsgemeinschaft 109 f., 498 ff., 632 – Gütergemeinschaft 499, 501 f., 639 – Güterrechtsregister 499, 501 – Gütertrennung 501 f., 576

785

Hinterbliebenenversorgung 669 ff., 734, 744 – Äquivalenzprinzip 676 ff., 684, 744 – allgemeine Handlungsfreiheit 675 ff., 683 f., 744 – Berufsausübungsfreiheit 680 f., 684, 744 – Eigentumsfreiheit 681 f., 684, 744 – Unterhaltsersatzfunktion 672 ff. – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 679 f., 684, 744 Institutionalisierungsverbot 287, 349 ff., 737 Institutionelle Garantie siehe Einrichtungsgarantien Institutsgarantie siehe Einrichtungsgarantien Katholische Kirche siehe Römisch-Katholische Kirche Kindeswohl siehe Adoption, Familienpflege, Sorgerecht „kleines Sorgerecht“ siehe Sorgerecht Krankenversicherung, gesetzliche 643 ff., 721, 743 f. – Äquivalenzprinzip 650 ff., 661, 743 – allgemeine Handlungsfreiheit 646 ff., 743 – Begriff der Sozialversicherung 647 ff. – Berufsausübungsfreiheit 654 ff., 661, 743 – Eigentumsfreiheit 658 ff., 661, 743 f. – Familienversicherung 643 ff., 721, 728, 743 f. – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 652 ff., 661, 743 Lebenspartnerschaft – Adoption 103, 106 f., 109 f., 159 ff., 484, 497, 541 ff., 553 ff., 606, 742

786

Sachwortverzeichnis

– aliud zur Ehe 119, 341 ff., 347 ff., 417, 542, 735 – Angehöriger 466, 470 ff., 609 ff., 613 ff. – Arbeitsförderung 684 ff., 744 – Ausländerrecht 693 ff., 744 – Ausweisung 703 ff. – Beamtenrecht 104, 106 f., 112, 114, 420, 450, 708 ff. – Bundesversorgungsgesetz 690 ff., 744 – Erbrecht, gesetzliches 70, 109, 112, 115, 117, 120, 574 ff., 592 ff., 632, 727, 734, 742 f. – Familiennachzug 104, 447 f., 694 ff., 744 – Familienpflege 155 f., 529 ff., 742 – Familienversicherung 643 ff. – Güterrecht 492, 498 ff., 741 – Hinterbliebenenversorgung 114, 669 ff., 734 f., 744 – Krankenversicherung, gesetzliche 643 ff. – Lebenspartnerschaftsbuch 106, 461, 465 ff., 741 – Mietrecht 65, 70, 105, 109 ff., 509 ff., 742 – Name 103 f., 109, 447 f., 466 ff., 734, 741 – Prozesskostenhilfe 600 f. – Schlüsselgewalt 512 ff., 742 – Schwägerschaft 476 ff., 741 – Sorgerecht 109, 115, 120, 166 f., 561 ff. – Sozialhilfe 416 f., 689 f., 744 – Staatsangehörigkeitsrecht 117, 705 ff. – Standesbeamter 106 f., 109, 111, 115, 118, 222 f., 226, 436, 443 f., 446 ff., 451, 458 ff., 462 ff., 740 f. – Steuerrecht 70, 103 f., 112, 115, 420, 449 f., 616 ff.

– Stiefkindadoption 103, 106, 114, 165 f., 477, 497, 541 f., 554 ff., 735, 742 – Straf- und Strafprozessrecht 608 ff. – Unfallversicherung, 661 ff., 669 ff., 744

gesetzliche

– Unterhalt 109, 115, 478 ff., 505 ff., 516 f., 596, 600 f., 608, 651, 734, 740 f. – Unterhalt bei Getrenntleben 487 ff., 741

109,

– Unterhalt nach Aufhebung 109, 112, 487, 490 ff., 741 – Rentenversicherung, 669 ff., 744

gesetzliche

– Staatsangehörigkeitsrecht 705 ff., 744 – Versorgungsausgleich 606, 741

117,

114, 503 ff.,

– Zeugnisverweigerungsrecht 70, 117, 604 ff., 613 ff., 727 – Zugewinnausgleich, -gemeinschaft 110, 123, 498 ff., 505 f., 508 f., 576, 620, 625 f., 632, 673 lebenspartnerschaftsähnliche schaft 689, 731 f., 745

Gemein-

Leitbild 69, 72, 105, 146, 181 ff., 367, 478 f., 515 f., 697 Mietrecht 64 ff., 70, 105, 109 ff., 509 ff., 742 Monogamie 47, 138, 174, 208 f., 221, 722, 724, 729, 733 Normenkontrollverfahren, abstraktes 40, 115 ff., 435 ff., 446, 735 Pädophilie 161 f. Parlamentarischer Rat 137 ff., 243, 297 ff., 317, 325 ff., 735, 738 Pflegschaft 157 ff. Prozesskostenhilfe 600 f.

Sachwortverzeichnis Rentenversicherung, gesetzliche 114, 669 ff., 690, 735, 744 – Äquivalenzprinzip 676 ff., 684, 744 – allgemeine Handlungsfreiheit 675 ff., 683 f., 744 – Berufsausübungsfreiheit 680 f., 684, 744 – Eigentumsfreiheit 681 f., 684, 744 – Unterhaltsersatzfunktion 672 ff. – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 679 f., 684, 744 Römisch-Katholische Kirche 58, 70 ff., 734 Schlüsselgewalt 512 ff., 742 – allgemeine Handlungsfreiheit 515 – Haushaltsführung 512 ff. – Schutz der Ehe 514 f. – Unterhalt 516 f. Schutzpflicht siehe Wertentscheidung Schwägerschaft 476 ff., 741 Sexualgemeinschaft siehe Geschlechtsgemeinschaft sexuelle Orientierung 88 ff., 97, 100 ff., 156, 162, 164, 182 f., 237, 390, 395 ff., 403, 719 ff., 739, 744 f. Sittengesetz 58, 64, 72, 329, 375 f. Sorgerecht 109, 115, 120, 154 ff., 165 ff., 177, 561 ff., 742 – Differenzierungsgebot 563 f., 574, 742 – Einvernehmen 562, 565 f. – Elternrecht 564 ff., 742 – Kindeswohl 567 ff. – „kleines Sorgerecht“ 166, 561 ff. – Schutz der Familie 572 ff. Sozialhilfe 67, 415 ff., 420, 687, 689 f., 744 Sozialrecht 643 ff. – Äquivalenzprinzip 650 ff., 661, 676 ff., 684, 743 – allgemeine Handlungsfreiheit 646 ff., 663 ff., 675 ff., 683 f., 743 – Arbeitsförderung 684 ff., 731 f.

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– Begriff der Sozialversicherung 647 ff. – Berufsausübungsfreiheit 654 ff., 661, 680 f., 684, 743 – Bundesversorgungsgesetz 690 ff. – Eigentumsfreiheit 658 ff., 661, 681 f., 684, 743 – Krankenversicherung, gesetzliche 643 ff., 743 – Pflegeversicherung, gesetzliche 644 f. – Rentenversicherung, gesetzliche 669 ff., 690, 744 – Sozialhilfe 67, 415 ff., 420, 687, 689 f., 744 – Unfallversicherung, gesetzliche 661 ff., 669 f., 690, 744 – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 652 ff., 661, 679 f., 684, 743 f. Staatsangehörigkeitsrecht 117, 705 ff., 744 Standesbeamter 106 f., 109, 111, 115, 118, 222 f., 226, 419, 436, 443 f., 446 ff., 451, 458 ff., 462 ff., 740 f. Steuerrecht 70, 103 ff., 112, 338, 361, 420, 449 ff., 452 f., 616 ff., 730, 740, 743 – Ehegattensplitting 109, 617 ff., 638 f., 643, 743 – Einkommensteuer 103 f., 338, 617 ff., 730, 743 – Erbschaft- und Schenkungsteuer 106 f., 632 ff., 730, 743 – Familiensplitting 624, 628 – Grunderwerbsteuer 106, 639 ff., 743 – Umsatzsteuer 637, 642 – Unterhaltsleistungen 67, 115, 449 ff., 618 ff., 625 f., 629 ff., 636 f., 642 f., 728, 740, 743 – Unterhaltssplitting 106, 617 f., 628 ff., 637, 728, 743 – Vorsorgeaufwendungen 636 ff. Stiefkindadoption siehe Adoption Stigmatisierung siehe Adoption

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Sachwortverzeichnis

Strafbarkeit der Homosexualität 50 ff., 139 f., 197 f., 375, 379 f., 733 f. – Bundesrepublik Deutschland 57 ff., 139 f., 197 f., 375, 379 f., 733 f. – DDR 61 ff., 734 – Deutsches Reich 56 f., 733 – germanisches Recht 52 ff. – Mittelalter 54 – Neuzeit 54 ff. – römisches Recht 50 ff., 733 Straf- und Strafprozessrecht 50 ff., 139 f., 197 f., 375, 379 f., 608 ff., 733 f. – Adhäsionsverfahren 616 – Angehöriger 608 ff. – Ausübung des Richteramtes 612 f. – Nebenklage 616 – Strafantrag 103 f., 612 – Wiederaufnahmeverfahren 615 f. – Zeugnisverweigerungsrecht 104, 613 ff., 727 Transsexualität 83, 197 f., 200 f., 384 Typus 41, 66, 142 ff., 164, 169, 175 ff., 179 f., 184, 200, 343 ff., 350, 354, 369, 376, 401, 470, 473, 478, 487, 518, 607, 735 f. Umsatzsteuer 637, 642 Unauflösbarkeit der Ehe 355 f., 372, 396, 486, 502 Unfallversicherung, gesetzliche 661 ff., 669 ff., 690, 744 – Äquivalenzprinzip 665 – allgemeine Handlungsfreiheit 663 ff., 744 – Haftungsersetzungsprinzip 664 Unterhalt 103 f., 109, 173, 177, 478 ff., 505 ff., 516 f., 587 f., 592, 596, 600 f., 608, 618 ff., 625 f., 628 ff., 636 ff., 651 f., 672 f., 685 f., 689 ff., 728, 734, 740 f., 743 – Erwerbsobliegenheit 488 f. – Familienunterhalt 478, 483 ff., 498

– Haushaltsführungsehe 478 f. – Steuerrecht 449 ff., 452 ff., 617 ff., 625 f., 628 ff., 636 ff., 728, 740, 743 – Unbilligkeit 488, 492 f. – Unterhalt bei Getrenntleben 109, 487 ff., 741 – Unterhalt nach Aufhebung 104, 109, 112, 481, 487, 490 ff., 741 Verantwortungsgemeinschaft 68, 70, 103, 109, 116, 120, 124, 151, 173 ff., 179 f., 183 f., 209, 316, 343, 345, 350 f., 356 f., 359, 367 f., 479 ff., 483, 485 f., 489 f., 494 ff., 502 f., 506, 591 f., 616, 673, 700, 702, 704, 706 ff., 711, 722, 724 ff., 729, 741 Verfassungserwartung 181, 313, 316 f., 333, 339, 342, 354, 365 ff., 369 ff., 401, 518, 651, 725 Verfassungswandel 41, 149, 185 ff., 528, 736 Verlöbnis 103, 114, 204, 241, 319, 332, 334, 468, 471, 604 f., 610 f., 613, 615 Versorgungsausgleich 114, 498, 503 ff., 606 f., 741 f. – allgemeine Handlungsfreiheit 508 f. – Eigentumsfreiheit 506 f., 509, 742 – Unterhalt 506 ff. – Zugewinnausgleich 505 f., 508 Vormundschaft 157 ff. Weimarer Reichsverfassung 136 f., 151, 230 ff., 294 ff., 317, 326 f., 735, 738 Wertentscheidung, objektive 119, 218, 229, 245 f., 282 ff., 288 ff., 408, 411 ff., 456, 485, 487, 489, 493, 501, 503, 505, 510 f., 517, 519, 584, 593, 595, 615 f., 619, 630, 642 f., 674, 684 f., 687 f., 697 ff., 705, 730, 736 ff., 741 – Abbildungswirkung 321 ff., 738 – Abwehrrecht 312 f. – Ausstrahlungswirkung 293

Sachwortverzeichnis – Benachteiligungsverbot 291 ff., 301, 306, 309 ff., 317, 333 ff., 340, 369, 401, 415 f., 456, 493 f., 511, 514, 517, 619, 634, 642 f., 684 f., 688, 690, 692, 737 f., 743, 745 – Förderverpflichtung 119, 290, 293 ff., 301, 304, 306, 309 ff., 317 f., 333, 336 ff., 362 ff., 408, 455 f., 484, 489, 493 ff., 517 f., 520, 595, 625 f., 628, 635, 640, 643, 654, 657 f., 667, 670, 674, 679, 685 f., 687 f., 693, 697 ff., 703, 705 ff., 737 f. – Gestaltungsspielraum 312 f., 334, 340, 361, 370 f., 738 – Institutsgarantie 317 ff. – Parlamentarischer Rat 298 ff., 325 ff., 738 – Schutzpflicht 65, 290, 293 ff., 306 ff., 314 ff., 379, 382 f. – Schutzpflicht, allgemeine und besondere 306 ff. – Schutzpflicht, primäre und sekundäre 309 f., 314 ff. – Selektionsfunktion 319 f., 738 – subjektives Recht 312 f.

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– Tradierungsfunktion 320, 738 – Verhältnis von Förderverpflichtung und Benachteiligungsverbot 310 f. – Weimarer Reichsverfassung 294 ff., 317, 738 – Wortlaut des besonderen Schutzes von Ehe und Familie 321 ff., 738 widernatürliche Unzucht 55 ff., 733 Witwenrente siehe Hinterbliebenenversorgung Zeugnisverweigerungsrecht 70, 104, 117, 383, 471 ff., 475, 604 ff., 613 ff., 721, 726 f. Zivilprozessrecht 447 f., 599 ff., 743 – Ausübung des Richteramtes 599 f. – Ersatzzustellung 475, 601 ff. – Lebenspartnerschaftssachen 605 ff. – Prozesskostenhilfe 600 f. – Zeugnisverweigerungsrecht 471, 604 f., 727 Zugewinnausgleich, -gemeinschaft 104, 110, 123, 498 ff., 505, 508, 576, 620, 625 f., 632, 673